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Nachhaltigkeitscontrolling

0113
2020
978-3-8385-5332-0
978-3-8252-5332-5
UTB 
Ulrich Sailer

Nachhaltigkeitscontrolling passiert nicht über Nacht Nachhaltigkeitscontrolling gilt als wichtiges Zukunftsthema. Doch es setzt sich nur schrittweise in der unternehmerischen Praxis durch, denn es gibt oft »Wichtigeres zu tun«. Die reine Lehre fordert, dass ökologische, soziale und ökonomische Ziele auf der gleichen Ebene stehen sollen. Diese drei Dimensionen sind miteinander in Einklang zu bringen. Dabei müssen wir uns aber im Klaren sein, dass die Unternehmen zuerst Geld verdienen müssen, um in Nachhaltigkeit zu investieren: Ohne Moos ist auch grün nichts los. Ausgangspunkt für den Erfolg der Nachhaltigkeit ist die Implementierung in die Unternehmensstrategie. Eine Strategie ändert man allerdings nicht über Nacht. Wer die einzelnen Bausteine im Unternehmen und im Controlling verankern möchte, muss wissen, dass es sich um einen mehrstufigen Prozess handelt, der eine klare Zielrichtung, Geduld und Einsatz voraussetzt. Dieses Buch ist ein wichtiger Ratgeber und Helfer für eine erfolgreiche Implementierung der Nachhaltigkeit in die Unternehmenspraxis.

<?page no="0"?> Ulrich Sailer Nachhaltigkeitscontrolling Nachhaltigkeitscontrolling 3. A. Sailer „Wer die einzelnen Bausteine der Nachhaltigkeitssteuerung im Unternehmen und im Controlling verankern möchte, muss wissen, dass es sich um einen mehrstufigen Prozess handelt, der eine klare Zielrichtung, Geduld und Einsatz voraussetzt. Dieses Buch ist ein wichtiger Ratgeber und Helfer für eine erfolgreiche Implementierung der Nachhaltigkeit in die Unternehmenspraxis.“ Siegfried Gänßlen Ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Internationalen Controller Vereins Ehemals Vorstandsvorsitzender der Hansgrohe SE „Integrierte Konzepte der Nachhaltigkeitssteuerung kennzeichnen die Praxis noch selten. Eine systematische Koordination und Ausrichtung auf die Unternehmensstrategie wird immer häufiger eine Aufgabe des Controllings. Aktuell sind nur wenige Controller hierauf vorbereitet. Dieses Buch zeigt Wege auf, wie Nachhaltigkeitscontrolling praktisch funktionieren und organisiert sein kann und welche Aufgaben hierbei anfallen.“ Prof. Dr. Stefan Schaltegger Professor für Nachhaltigkeitsmanagement Leiter des Centre for Sustainability Management Leiter des MBA Sustainabililty Management Leuphana Universität Lüneburg Betriebswirtschaftslehre ,! 7ID8C5-cfddcf! ISBN 978-3-8252-5332-5 Dies ist ein utb-Band aus dem UVK Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehrbücher und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb-shop.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel 3. Auflage 53325 Sailer_XL_geb.indd 1 53325 Sailer_XL_geb.indd 1 03.12.19 15: 43 03.12.19 15: 43 <?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn Narr Francke Attempto Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Ernst Reinhardt Verlag · München Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlag · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld utb <?page no="3"?> Ulrich Sailer Nachhaltigkeitscontrolling Was Controller und Manager über die Steuerung der Nachhaltigkeit wissen sollten 3., überarbeitete Auflage UVK Verlag · München <?page no="4"?> Prof. Dr. Ulrich Sailer ist Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Er leitet den Master-Studiengang Controlling und beschäftigt sich insbesondere mit Controlling, Nachhaltigkeit und Komplexität. Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlag München 2020 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: © SilverV - iStock UVK Verlag Nymphenburger Straße 48 80335 München Tel. 089/ 452174-65 www.uvk.de Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Dischingerweg 5 72070 Tübingen Tel. 07071/ 9797-0 www.narr.de UTB-Nr. ISBN 978-3-8252-5332-5 <?page no="5"?> Vorwort zur 3. Auflage Immer mehr Unternehmen gelangen zur Einsicht, dass die Steuerung der Nachhaltigkeit kein „Nebenthema“ der klassischen betriebswirtschaftlichen Unternehmenssteuerung ist. Steuern kann man nur integriert: betriebswirtschaftlich und ökologisch und sozial. Mit diesem Gedanken wurde das Buch für die dritte Auflage aktualisiert, an einigen Stellen ergänzt und an anderen gestrafft. Vorwort zur 2. Auflage Nachhaltigkeitscontrolling ist ein hochaktuelles Thema und viele suchen nach Ideen und Konzepten zur Ausgestaltung und Implementierung einer professionellen Nachhaltigkeitssteuerung. Die erste Auflage war daher schnell vergriffen. Für die zweite Auflage wurden einige Korrekturen und Ergänzungenvorgenommen. Vorwort zur 1. Auflage Beschäftigt man sich mit Nachhaltigkeitscontrolling, wird man mit zwei Vorwürfen konfrontiert: der erste, mittlerweile seltener erhobene Vorwurf, ist der, dass Nachhaltigkeit eine Mode sei und man dies deshalb ja nicht gleich im Unternehmen fest verankern müsse. Viel häufiger wird aber vorgeworfen, dass der Controller mit der Nachhaltigkeit nicht viel zu tun habe: er kümmert sich um das Kaufmännische und für die Nachhaltigkeit gibt es eben andere Experten. Schauen wir uns den ersten Vorwurf an: Solange ökologische, soziale und ökonomische Probleme nicht gelöst sind, wird man sich mit diesen beschäftigen müssen. Wenn es gesellschaftlich erwünscht ist, in einer intakten Umwelt und auf Basis sozialer Mindeststandards zu leben, müssen sich auch Unternehmen, als wichtiger Bestandteil der Gesellschaft, hiermit auseinandersetzen. Und sehr viele tun dies ja auch. Woher kommt aber die in nicht wenigen Unternehmen eingetretene Ernüchterung, dass das Engagement in der Nachhaltigkeit nachgelassen habe und man nicht so recht wisse, was man zukünftig hierfür noch alles tun solle? Wie bei jedem neuen Thema werden zuerst die erfolgversprechendsten Aufgaben angegangen. Es werden Einzelprojekte ergriffen, die mit überschaubarem Aufwand zu spürbaren ökologischen und sozialen Erfolgen führen. Sind diese „niedrig hängenden Früchte geerntet“, müsste spätestens die zweite Phase starten: weg von Einzelprojekten und hin zu einem systematischen Nachhaltigkeitsmanagement. Bleibt dies aus, werden weitere Einzelprojekte weniger erfolgreich sein und zur Ernüchterung führen. Solange Unternehmen, die Wirtschaft und die Politik ein dauerhaftes Wachstum anstreben, die Erde bekanntermaßen aber über endliche Ressourcen verfügt, ist die Nachhaltigkeit ein höchst relevantes Thema. Betrachtet man, was manche Unter- <?page no="6"?> 6 Vorwort zur 1. Auflage nehmen in der Nachhaltigkeit bereits geleistet haben und welche Anforderungen zukünftig noch hinzukommen (man denke hier etwa an die erweiterte Berichtspflicht in der EU ab 2017 oder an die Konzeption des International Integrated Reporting Council), wird deutlich, dass die systematische Integration der Nachhaltigkeit in die Unternehmensführung vielfach erst am Anfang steht. Kommen wir zum zweiten Vorwurf: Warum soll sich der Controller, der Experte für das Kaufmännische, mit Nachhaltigkeit beschäftigen? Studien zeigen, dass sich die Controller mehrheitlich nicht angesprochen fühlen, wenn es um die Ausgestaltung der Nachhaltigkeit geht. Und auch im Unternehmen herrscht vielfach die Meinung vor, dass das Controlling für die Nachhaltigkeit nicht der richtige Ansprechpartner sei. „Nachhaltigkeit macht bei uns die Compliance und der Umweltbereich, darüber hinaus natürlich noch die Personalabteilung“, so die Aussage aus nicht wenigen Unternehmen. Dies verwundert, denn der Controller ist für die zielgerichtete Steuerung des Unternehmens zuständig und die Umsetzung der Nachhaltigkeit soll schließlich nicht ungesteuert erfolgen. Genau wie ein Vertriebscontroller zwar wissen muss, wie der Vertrieb funktioniert, nicht zugleich aber selber die Produkte vertreibt, muss ein Controller auch wissen, wie die Steuerung der Nachhaltigkeit funktioniert, ohne aber die Aufgaben der Umweltingenieure, der Personalabteilung, ... zu übernehmen. Die Aussage, „das Controlling kümmert sich nicht um die Nachhaltigkeit, das macht der Umweltbereich“, wäre gleichzusetzen mit der Aussage, dass das Controlling sich nicht um Vertrieb, Produktion, Logistik,... kümmere, da diese Bereiche dies ja bestimmt schon irgendwie selber tun. Nach dieser Logik bräuchte man überhaupt kein Controlling! Die Steuerung der Nachhaltigkeit setzt vorab eine Klärung zwischen Stakeholdern, Gesellschaftern und Management voraus, welche Rolle ökologische und soziale Aspekte neben den ökonomischen Zielen einnehmen sollen. Verfolgt das Unternehmen ökonomische, ökologische und soziale Ziele, ist es die Aufgabe des Controllings, diese Ziele herunterzubrechen und sie durch aufeinander abgestimmte Teilpläne zur Basis für Maßnahmen zu machen. Zwischen den drei Zieldimensionen bestehen vielfältige, interdependente Beziehungen, weshalb diese nicht getrennt voneinander gesteuert werden können. Wenn ein Unternehmen nicht nur wirtschaftliche Ziele verfolgt, sondern dieseum ökologische und soziale Ziele erweitert, muss das Controlling die erweiterten Ziele in der Steuerung integrieren. Wer soll das Management bei der ganzheitlichen Zielerreichung sonst unterstützen, wenn sich das Controlling nur auf das ökonomische Teilziel beschränkt? Verfolgt ein Unternehmen nachhaltige Ziele, bedarf dies eines Nachhaltigkeitscontrollings. Da die drei Zieldimensionen in sämtlichen Stufen der Wertschöpfungskette auftreten, kann das Nachhaltigkeitscontrolling auch nicht an einen Experten delegiert werden. Die Steuerung der Nachhaltigkeit ist für das gesamte Controlling, in sämtlichen Funktionen, relevant. Der Controller, hier verstanden im Sinne eines „Business Partners“, ist der maßgebliche Akteur für eine erfolgreiche Umsetzung der Nachhaltigkeit. <?page no="7"?> Vorwort zur 1. Auflage 7 Mit diesem Buch sollen Controller und Manager ermutigt und befähigt werden, eine an Nachhaltigkeitszielen ausgerichtete Steuerung des Unternehmens aufzubauen und umzusetzen. Dazu muss man das Controlling glücklicherweise nicht neu erfinden, aber doch erweitern, Vorgehensweisen anpassen und teils auch Methoden ersetzen. Der Controller als Experte für die Unternehmenssteuerung, als kompetenter Partner für die Zielbildung und Planung, für Steuerungsmethoden, Informationssysteme und Reporting, ist mit diesen Kompetenzen auch für die Steuerung der Nachhaltigkeit prädestiniert. Nachhaltigkeit ist dabei nicht als eine weitere Aufgabe zu verstehen, die nun auch noch geschultert werden muss, sondern sie führt zu einer Erweiterung, Aufwertung und noch stärkeren Sinnstiftung für das Controlling. Das Controlling entwickelt sich weiter und die Nachhaltigkeit ist eine maßgebliche Triebfeder hierfür. An Ihren praktischen Erfahrungen in der Steuerung der Nachhaltigkeit, liebe Manager und Controller, bin ich sehr interessiert. Über Anregungen, Kritik und Vorschläge zu einer erfolgreichen Umsetzung des Nachhaltigkeitscontrollings freue ich mich sehr: ulrich.sailer@hfwu.de. Dem UVK-Verlag und insbesondere Herrn Dr. Schechler danke ich für die wie gewohnt freundliche und professionelle Zusammenarbeit. Prof. Dr. Ulrich Sailer Professor für Controlling und Nachhaltigkeit Leiter des Masterstudiengangs Controlling Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen Sigmaringer Straße 25 72622 Nürtingen ulrich.sailer@hfwu.de www.hfwu.de <?page no="9"?> Inhaltsübersicht Teil A: Grundlagen des Nachhaltigkeitsmanagements 1. Einführung in das Nachhaltigkeitsmanagement 2. Was versteht man unter Nachhaltigkeit? 3. Umsetzung der betrieblichen Nachhaltigkeit 4. Nachhaltigkeitscontrolling vs. traditionelles Controlling Teil B: Nachhaltigkeitscontrolling umsetzen Benutzung shinweis Sämtliche im Buch aufgeführten Links finden Sie auch gesammelt unter auf der Webseite des Buc hes unter www.utb-shop.de <?page no="11"?> Inhaltsverzeichnis Vorworte ......................................................................................................................... 5 Inhaltsübersicht ............................................................................................................ 9 Teil A ............................................................................................................................. 15 Grundlagen des Nachhaltigkeitsmanagements ................................................... 15 1 Einführung in das Nachhaltigkeitsmanagement................................. 17 2 Was versteht man unter Nachhaltigkeit? .............................................. 23 3 Umsetzung der betrieblichen Nachhaltigkeit ....................................... 30 Schwierigkeiten in der Verhinderung der Missstände ....................................30 Ausprägungen der Nachhaltigkeit in den Unternehmen................................37 4 Nachhaltigkeitscontrolling vs. traditionelles Controlling ................ 40 Teil B ............................................................................................................................. 47 Nachhaltigkeitscontrolling umsetzen.................................................................... 47 5 Erwartungen an die Unternehmen ......................................................... 48 Kriterien optimaler Nachhaltigkeit .......................................................................48 CSR-Standards ............................................................................................................52 Global Reporting Initiative ......................................................................................53 Deutscher Nachhaltigkeitskodex ...........................................................................55 UN Global Compact ..................................................................................................56 OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen ............................................58 EMAS und ISO 14001 ................................................................................................59 SA8000 ..........................................................................................................................60 ISO 26000 .....................................................................................................................61 ISO 14031 .....................................................................................................................61 AA 1000 ........................................................................................................................62 Zertifizierungen durch unabhängige Prüfgesellschaften.................................64 Vergleichende Darstellung der CSR-Standards..................................................65 Nachhaltigkeitsziele der Unternehmen................................................................67 Nachhaltigkeitsziele der Stakeholder ...................................................................73 6 Konzeption des Nachhaltigkeitscontrollings........................................ 79 Controllingprozesse ..................................................................................................79 Organisatorische Integration der Nachhaltigkeit ...............................................82 Anforderungen an das Nachhaltigkeitscontrolling............................................87 <?page no="12"?> 12 Inhaltsverzeichnis 7 Normatives Nachhaltigkeitsmanagement ............................................. 91 Vision und Mission .................................................................................................. 91 Nachhaltigkeitsassessment ..................................................................................... 94 Stakeholderdialog.................................................................................................... 101 Arten und Ziele des Stakeholderdialogs............................................................ 101 Durchführung des Stakeholderdialogs .............................................................. 104 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling............................................ 110 Grundlagen der Nachhaltigkeitsstrategie ......................................................... 111 Wesentlichkeitsanalyse ......................................................................................... 111 Strategische Stoßrichtungen ................................................................................ 121 Tools im strategischen Nachhaltigkeitscontrolling ........................................ 126 Nachhaltigkeitsstrategien...................................................................................... 133 Compliance-Strategie ............................................................................................. 135 Konsistenzstrategie ................................................................................................. 141 Suffizienzstrategie ................................................................................................... 149 Effizienzstrategie ..................................................................................................... 153 Integrierte Nachhaltigkeitsstrategien................................................................. 156 9 Nachhaltigkeit messen............................................................................. 160 Nachhaltigkeitsorientiertes Rechnungswesen ................................................ 161 Umwelt- und Sozialrechnungswesen ................................................................. 161 Umwelt- und Sozialinformationssysteme ......................................................... 166 Typen von Nachhaltigkeitsindikatoren ............................................................. 167 Umweltrechnungswesen ....................................................................................... 171 Traditionelle Umweltkostenrechnung ............................................................... 173 Prozessorientierte Umweltkostenrechnung ..................................................... 177 Umweltkostenrechnung unter Einbezug externer Kosten............................ 183 Umweltchecklisten als praktisches Hilfsmittel................................................ 201 Social Accounting................................................................................................... 202 Inhalt des Social Accounting................................................................................ 202 Wertschöpfungsrechnung..................................................................................... 204 Sozialindikatoren..................................................................................................... 206 Social Audit .............................................................................................................. 211 Soziale Wirkungsanalyse ...................................................................................... 211 Messung der ökonomischen Nachhaltigkeit ..................................................... 217 Entwicklung nachhaltiger KPI-Sets .................................................................... 222 Zusammenführung der Nachhaltigkeitskennzahlen...................................... 222 <?page no="13"?> Inhaltsverzeichnis 13 Sustainable Value als integrierte Nachhaltigkeitskennzahl ..........................226 10 Operatives Nachhaltigkeitscontrolling ................................................ 234 Planungs- und Kennzahlensysteme ....................................................................235 Operatives Steuerungssystem am Beispiel SAP ...............................................237 11 Nachhaltigkeitskommunikation ........................................................... 243 Nachhaltigkeitskommunikation: Inhalte, Ziele, Instrumente .......................245 Interner und externer Nachhaltigkeitsbericht...................................................248 Ansätze der Nachhaltigkeitsberichtserstattung................................................248 Interne Managementreports..................................................................................250 Externe Nachhaltigkeitsberichte ..........................................................................251 Integrated Reporting ..............................................................................................255 Ziele des Integrated Reporting .............................................................................255 International Integrated Reporting Council......................................................257 Berichtsprinzipien....................................................................................................262 12 Nachhaltiges Investitionscontrolling ................................................... 265 Bedeutung und Ziel ................................................................................................265 Nachhaltige Investitionsentscheidung................................................................267 Finanzorientierte Investitionsrechnung.............................................................268 Wertschöpfungsbasierte Investitionsrechnung................................................269 Investitionsrechnung ergänzt um externe Effekte ..........................................270 Ökologische Rückzahldauer..................................................................................273 Nachhaltigkeitsorientierte Nutzwertanalyse ....................................................274 KPIs für Investitionen .............................................................................................278 Sustainable Value für Investitionen ....................................................................279 13 IT-Werkzeuge für das Nachhaltigkeitscontrolling ........................... 282 Kurzfassung: Nachhaltigkeitscontrolling umsetzen......................................... 289 Glossar ........................................................................................................................ 293 Literaturverzeichnis ................................................................................................. 297 <?page no="15"?> Teil A Grundlagen des Nachhaltigkeitsmanagements <?page no="17"?> 1 Einführung in das Nachhaltigkeitsmanagement Jüngst berichtete ein leitender Manager eines größeren, mittelständischen Unternehmens aus Süddeutschland, leicht resigniert, über das Nachhaltigkeitsmanagement in seinem Hause. Man habe vor einigen Jahren enthusiastisch begonnen, sich um die Nachhaltigkeit zu kümmern. Hierbei wurden wichtige Kriterien ausgewählt, um die ökologischen und sozialen Leistungen zu messen und in den letzten beiden Jahren konnten die Werte der meisten Kriterien auch deutlich verbessert werden. Nun, nachdem wesentliche Effizienzziele erreicht wurden, sei die Luft aber irgendwie raus. Klar könne man hier und da einen Wert noch weiter verbessern und man könnte auch noch ein paar weitere Kriterien auswählen und diese ebenfalls messen. Mit den erreichten Ergebnissen sei man durchaus zufrieden, man kann sich damit sehen lassen und die rechtlichen Vorgaben werden erfüllt. Solle man dieses große Engagement nun aber dauerhaft so fortführen? Was sollte man noch alles erreichen und vor allem auch zu welchen Kosten? „Die niedrig hängenden Früchte sind geerntet, die einfachen und günstigen Maßnahmen umgesetzt. Zunehmend müssen Unternehmen längerfristige Investitionen für ihre grünen Projekte tätigen. Doch Mittel dafür zu finden ist schwierig.“ (Bergius 2014, http: / / green.wiwo.de/ nachhaltigkeit-investoren-undunternehmen-reden-aneinander-vorbei/ , Abruf 26.10.14) Natürlich könnte man unzählige weitere Maßnahmen ergreifen, um die ökologische und soziale Effizienz zu steigern. Dies könnte aber den Erfolg des Unternehmens oder gar seine Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Niemand möchte deswegen aber die Existenz des Unternehmens aufs Spiel setzen. Das Fazit wäre somit: Kann man bei der Umsetzung der Nachhaltigkeit Erfolge vorweisen und erfüllt man die Anforderungen des Gesetzgebers und der Kunden, könne man die Nachhaltigkeit erst Mal von der Agenda nehmen und sich nun anderen wichtigen Aufgaben widmen. Da weiterhin weltweit mehr Ressourcen verbraucht werden als nachwachsen und mehr Schadstoffe emittiert werden als von der Umwelt aufgenommen werden können, erscheint ein nachlassendes Engagement in der Nachhaltigkeit deutlich verfrüht. Weltweit nimmt der CO 2 -Ausstoß weiterhin zu und die industrialisierten Länder verbrauchen nach wir vor weit mehr Energie und Ressourcen als ärmere Länder. Das „große Ganze“, eine sozial gerechte Welt und eine heile Umwelt, bietet dem einzelnen Unternehmen kaum eine konkrete Orientierung, was man in welchem Umfang nun tunsolle. In den dominierenden, finanzbasierten Steuerungskonzepten der Unternehmen ist solch eine logische Beziehung zwischen dem „großen Ganzen“ und dem täglichen <?page no="18"?> 18 1 Einführung in das Nachhaltigkeitsmanagement Handeln hingegen fest etabliert. Die aus dem Kapitalmarkt abgeleiteten Verzinsungsanforderungen der Kapitalgeber sind eins zu eins im Steuerungssystem des Unternehmens abgebildet. Geschäftsfelder bis hin zu einzelnen Produkten und Leistungen erfahren nur dann ihre Existenzberechtigung, wenn sie mindestens diese Verzinsungsanforderung erfüllen. Und Investitionsentscheidungen werden nur dann positiv beschieden, wenn sie zu einer Wertsteigerung beitragen, sprich: die Investitionen im Unternehmen sind profitabler als eine Anlage am Kapitalmarkt. Über solch eine verblüffende Logik zwischen dem weltweiten Kapitalmarkt und den alltäglichen Entscheidungen im Unternehmen verfügt die Nachhaltigkeit (noch) nicht. Dieser konzeptionelle Nachteil einer fehlenden Verbindung zwischen globalen Anforderungen und dem Wirken des einzelnen Unternehmens bis hin zu den alltäglichen operativen Entscheidungen, behindert die weitere Entwicklung der Nachhaltigkeit. Die Konkurrenz der schlüssigen finanzbasierten Konzepte scheint übermächtig und dominiert in den meisten Unternehmen, trotz Bekenntnis zur Nachhaltigkeit. Auch in der Managementausbildung sind solche wertbasierten Konzepte weiterhin fest etabliert. Über die zunehmende Ernüchterung im Nachhaltigkeitsengagement berichtet auch die WirtschaftsWoche (vgl. Holst 2014, http: / / green.wiwo.de/ nachhaltiges-kommuni kationsproblem-woran-eine-gruenere-wirtschaft-bisher-scheitert/ , Abruf 25.10.14). Auf Basis einer von der UN beauftragten und von der Beratungsgesellschaft Accenture wiederholt durchgeführten Studie, hat sich der Optimismus aus dem Jahre 2010, dass der Druck seitens der Konsumenten und Investoren schon zu mehr Nachhaltigkeit führen würde, mittlerweile in Frustration verwandelt. In der Befragung im Jahre 2013 wurde die resignative Einsicht gewonnen, dass man bei den Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit einfach nicht über ein bestimmtes Maß hinauskomme. In der Studie wird dies als „Paralyse durch Pilotprojekte“ beschrieben. Die Investoren interessieren sich nicht sonderlich für Nachhaltigkeit, die Kunden äußern dies, zeigen es aber nicht durch ein entsprechendes Kaufverhalten und sind kaum bereit, für nachhaltige Produkte höhere Preise zu bezahlen. Selbst der Informationsstand der Konsumenten über die Nachhaltigkeit wird als gering bezeichnet. Und gut informierte Konsumenten bezweifeln die Glaubwürdigkeit vieler Informationen der Unternehmen. Um den Investoren das Engagement in der Nachhaltigkeit zu erklären, müsse man transparent machen, wie sich diese auf den Erfolg des Unternehmens auswirkt. Solange der Investor nicht weiß, was eine 10prozentige Senkung des CO 2 - Ausstoßes oder der Verzicht auf ein umweltbelastendes Produkt für ihn bedeutet, wird er dies auch nicht unterstützen. In der genannten Studie heißt es, dass ganze 7% der Investoren den Eindruck haben, der Wertbeitrag der Nachhaltigkeit sei quantifizierbar. Manch überzeugtem Nachhaltigkeitsanhänger mag es widerstreben, eine ökologisch oder sozial sinnvolle Maßnahme quantifiziert ökonomisch zu belegen und diese damit zu rechtfertigen. In der Kommunikation mit den Entscheidungsträgern, den Investoren, ist dies aber unerlässlich. In der Accenture-Studie heißt es, dass drei Viertel aller Investoren die fehlende Anerkennung durch den Kapitalmarkt dafür verant- <?page no="19"?> 19 wortlich sehen, dass die Nachhaltigkeit nicht im Kerngeschäft integriert ist (vgl. Bergius 2014). Dies scheint eine zwingende Voraussetzung zu sein, um die Nachhaltigkeit in den Unternehmen tatsächlich zu verankern. Welche Rolle spielen die Controller im Nachhaltigkeitsmanagement? Zur Verankerung der Nachhaltigkeit im unternehmensweiten Steuerungssystem sind die Controller prädestiniert. Die Controller verstehen wir als Partner des Managements, die dieses darin unterstützen, ihre Ziele zu erreichen. Mit kaufmännischem Sachverstand und umfassendem betriebswirtschaftlichen Methodenwissen werden lang- und kurzfristige Unternehmensziele ausgearbeitet, Umsetzungspläne entwickelt und deren Verwirklichung begleitet. Der Controller stellt sicher, dass die Unternehmensziele bestmöglich erreicht werden. Neben den klassischen, betriebswirtschaftlichen Unternehmenszielen, gewinnen die ökologischen und sozialen Ziele immer mehr an Bedeutung. Die gesellschaftlichen Erwartungen an die Unternehmen gehen über die reine Erfüllung des wirtschaftlichen Zwecks hinaus. Als besonders einflussreiche gesellschaftliche Institution sind die Unternehmen maßgeblich verantwortlich, dass die gegenwärtige wie auch die zukünftigen Generationen ihre Bedürfnisse befriedigen können. Mit diesen Herausforderungen muss sich nicht nur das Management beschäftigen, sondern hierfür werden auch Controller benötigt, deren Betätigungsfeld sich durch die Nachhaltigkeit erweitert. Abb. 1.1: Entwicklung des Anteils des Buchwertes am Unternehmenswert (Quelle: Ocean Tomo 2017) Die Beschäftigung mit der Nachhaltigkeit ist dabei keinesfalls nur eine von außen an die Unternehmen herangetragene Forderung, vielmehr dient diese der originären 83% 68% 32% 20% 16% 17% 32% 68% 80% 84% 0% 20% 40% 60% 80% 100% 1975 1985 1995 2005 2015 Wertanteil: materielle und immaterielle Vermögenswerte Tangible Assets Intangible Assets <?page no="20"?> 20 1 Einführung in das Nachhaltigkeitsmanagement Zielerreichung der Unternehmen. Die Sicherstellung des langfristigen Unternehmenserfolgs und damit der Steigerung des Unternehmenswertes erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit den Faktoren, die den langfristigen Erfolg sicherstellen. Eine Begrenzung auf betriebswirtschaftliche Kennzahlen aus dem Rechnungswesen reicht hierfür bei Weitem nicht aus. Abbildung 1.1 zeigt, wie sich die Bedeutung materieller Vermögenswerte für die Entwicklung des Unternehmenswertes in den letzten Jahrzehnten drastisch verringert hat. Die Bedeutung immaterieller Werte ist hingegen enorm angestiegen. Sie erklären den weitaus größten Teil der Unternehmenswerte. Immaterielle Werte entziehen sich weitgehend den klassischen betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten. Das Potenzial hochqualifizierter Mitarbeiter, intellektuelles Kapital, gesellschaftliche Akzeptanz und Reputation bei Kunden finden sich weder im Rechnungswesen noch in den etablierten Steuerungssystemen der Unternehmen. Mögliche Herausforderungen für das Controlling sind folgende: Die bisher dominierende, rechnungswesenbasierte Planung, Steuerung und Entscheidungsvorbereitung kann nicht ohne weiteres auf ökologische und soziale Aspekte angewendet werden. Mit dem Rechnungswesen stehen den Controllern umfassende, integrierte und laufend aktualisierte Daten zur Verfügung. Im ökologischen und sozialen Bereich bestehen eher punktuelle, kaum integrierte, unregelmäßige und teils auch qualitative Daten zur Verfügung. Ökonomische Ziele sind zumeist klar benannt und ergeben sich aus den Anforderungen der Kapitalgeber. Dies sind bei großen Kapitalgesellschaften die aus dem Kapitalmarkt abgeleiteten Mindestverzinsungsansprüche und konkrete Ergebnis- und Kostenziele, die entlang der hierarchischen Ebenen heruntergebrochen werden können. In ökologischen und sozialen Dimensionen fehlen zumeist eindeutige und logisch abgeleitete Zielvorgaben oder es sind nur Mindeststandards vorgegeben. Zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen bestehen zwar nicht nur, doch aber häufig auch Zielkonflikte. Oftmals fehlen eindeutige Vorgaben, nach welcher Maßgabe diese Konflikte gelöst werden sollen. Die im Controlling übliche Verrechnung und Saldierung einzelner Faktoren, bis schließlich nur noch eine „Spitzenkennzahl“ übrigbleibt, etwa der Gewinn, die Gesamtkapitalrendite oder der Unternehmenswert, ist innerhalb sozialer und ökologischer Kriterien und ebenso zwischen diesen drei Zieldimensionen nicht ohne weiteres möglich. Eine am Rechnungswesen ausgerichtete Planung, Steuerung und Kontrolle gehört zu den Kernkompetenzen der Controller. Ein vergleichbares Wissen in ökologischen und sozialen Fragen besteht häufig nicht. Für viele dieser neuen Herausforderungen gibt es keine einfachen Methoden oder Tools. Ein Controller, der das Management bei der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele <?page no="21"?> effektiv unterstützen möchte, muss neben zusätzlichem Fach- und Methodenwissen auch seine eigene Rolle und die Anforderungen an seine eigene Tätigkeit überdenken. Bleibt der Controller in seinem bisherigen Rollenverständnis als Spezialist für rein betriebswirtschaftliche Fragen verhaftet, verliert er für das Management an Bedeutung, da er dieses in den Fragen des Umgangs mit der Nachhaltigkeit nicht wirksam unterstützen kann. Wie werden die Controller aber tatsächlich in den Unternehmen gesehen? Werden sie als die wesentlichen Treiber für eine nachhaltige Unternehmenssteuerung wahrgenommen? In der Praxis wird dieses Bild zumeist nicht geteilt. So zeigt etwa die Studie von Schaltegger et al., dass die Bereiche Finanzen, Controlling und Rechnungswesen bei Nachhaltigkeitsthemen bisher kaum relevant sind. Dort heißt es: „Hingegen sind Rechnungswesen, Controlling und Finanzierung noch immer außen vor. Die Einbindung dieser Funktionsbereiche ist für eine Verankerung von Nachhaltigkeit in den ökonomischen Unternehmensentscheidungen jedoch essentiell“ (Schaltegger, Hörisch, Windolph, Harms 2012, S. 11). Von 11 untersuchten Unternehmensbereichen ist das Controlling nicht nur am wenigsten von der Nachhaltigkeit betroffen, sondern es hat auch den geringsten Einfluss und ist bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen mit Abstand am wenigsten engagiert. Um ein vielfaches einflussreicher sind etwa die Bereiche CSR, die Geschäftsleitung, die Öffentlichkeitsarbeit, Investor Relations, Forschung und Entwicklung und Marketing (vgl. Schaltegger, Hörisch, Windolph, Harms 2012, S. 31f.). Die vielfach verkündete moderne Rolle der Controller, die des Business Partners, der die unternehmerische Bedeutung der Nachhaltigkeit in das Steuerungssystem integriert und somit das Nachhaltigkeitsmanagement wesentlich beeinflusst, scheint tatsächlich noch wenig existent zu sein. Abb. 1.2: Engagement der Organisationsbereiche für Nachhaltigkeitsmaßnahmen (Quelle: Schaltegger, Hörisch, Windolph, Harms 2012, S. 32) <?page no="22"?> 22 Diese ernüchternde Ausgangssituation legt nahe, dass sich viele Controller oftmals noch mehr als Spezialisten für eine rechnungswesenbasierte Unternehmensplanung und Kontrolle sehen und die Herausforderungen des Business Partners zumeist noch nicht angenommen haben. Zwischen der Notwendigkeit einer professionellen, nachhaltigen Steuerung des Unternehmens und der beobachteten Ausgangslage herrscht also noch eine große Lücke. Dieses Buch stellt den Controllern die wichtigsten Grundlagen des Nachhaltigkeitscontrollings zur Verfügung. Es werden bedeutsame Fach- und Methodenkompetenzen vorgestellt und der Controller wird befähigt, diese zielorientiert einzusetzen. Die Unsicherheit vor der Erweiterung des Arbeitsgebietes soll genommen und das Interesse an der Herausforderung, sich als „Nachhaltigkeits-Controller“ zu etablieren, geweckt werden. Managern soll verdeutlicht werden, wie die Controller sie bei der Umsetzung einer an der Nachhaltigkeit ausgerichteten Unternehmensführung unterstützen können. 1 <?page no="23"?> 2 Was versteht man unter Nachhaltigkeit? Nachhaltigkeit ist in aller Munde, Nachhaltigkeit ist in Mode. Mode ist aber vergänglich und nicht zwingend notwendig. Ist es mit der Nachhaltigkeit ebenso? Modisch ist an der Nachhaltigkeit, dass der Begriff für allerlei Zwecke, mehr oder weniger ernsthaft, benutzt wird. Manchmal wird die Nachhaltigkeit sogar missbraucht, man denke hier an das Schlagwort Greenwashing. Und wer eine Aussage mit der Nachhaltigkeit begründet, macht dies oftmals, um diese als relevant, politisch korrekt und unangreifbar zu postulieren. Weitere Diskussionen erübrigen sich dann. Die drängenden ökologischen und sozialen Probleme legen hingegen nahe, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein temporär relevantes Thema ist. Solange man diese, teils existenziellen Gefahren, nicht beherrscht und der Umgang mit diesen nicht als selbstverständlicher und integrierter Bestandteil der Betriebswirtschaftslehre und der Unternehmenspolitik betrachtet werden, ist die Nachhaltigkeit gesondert zu thematisieren. Ob ein Begriff modisch ist oder nicht, sollte weder für die Wissenschaft noch für die Unternehmenspraxis eine relevante Frage sein. Relevanz ist entscheidend, nicht Mode. Aspekte der Mode mögen in der Unternehmenskommunikation zwar teilweise ihre Berechtigung haben, nicht aber imControlling. In weiten Teilen der Gesellschaft wird der Nachhaltigkeit Relevanz zugesprochen. Da Unternehmen ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft sind, ist die Nachhaltigkeit natürlich auch für sie relevant. Nicht alle teilen aber die Ansicht, dass Unternehmen deshalb nachhaltig geführt werden müssten. Unternehmen seien primär dafür geschaffen, wirtschaftliche Ziele zu erreichen. Gesellschaftliche und ökologische Ziele seien allenfalls Nebenbedingungen, die sich aus gesetzlichen Anforderungen oder aus der Sensibilität der Kunden ergeben. Um seine Existenz zu sichern und um auch zukünftig wirtschaftlich erfolgreich zu sein, sind die relevanten Nachhaltigkeits-Nebenbedingungen zu erfüllen - mehr aber nicht. Von einem Krankenhaus, einer Schule oder einer Pflegeeinrichtung erwarte man im Gegenzug ja auch keine ökonomischen Ziele. Die einzige ökonomische Anforderung wird zumeist die sein, am Jahresende zumindest eine schwarze Null zu erreichen. Ansonsten dominieren die sozialen Ziele: Krankheiten und Leiden bekämpfen, Kinder bilden und eine würdige Pflege sicherstellen. Warum sollen also Unternehmen, die Spezialisten für das „Wirtschaftliche“, andere, nicht-wirtschaftliche Ziele gleichrangig behandeln? Viele Unternehmen, darunter vor allem die großen Kapitalgesellschaften, begründen ihr Nachhaltigkeitsengagement überwiegend wirtschaftlich. Es werden Maßnahmen durchgeführt, die einen wirtschaftlichen Vorteil versprechen: Kosten senken, Gesetze einhalten, den Ruf sichern, Kunden gewinnen, Mitarbeiter halten, neue Märkte erschließen, Risiken begrenzen, … Seltener, vor allem aber in familiengeführten Unternehmen, werden Nachhaltigkeitsmaßnahmen moralisch begründet: „das gehört sich nicht“, „so et- <?page no="24"?> 24 2 Was versteht man unter Nachhaltigkeit? was machen wir nicht“,… Moralisch können letztlich nur Menschen sein, nicht aber Kapitalgesellschaften an sich. Konstruktionsbedingt dominieren bei diesen die Interessen der Kapitalgeber. Letztlich liegt es also an den entscheidungsbefugten Kapitalgebern, ob auch nicht-wirtschaftliche, aber nachhaltige Maßnahmen, akzeptiert oder sogar gefördert werden. Ob Unternehmen also auch ökologische und soziale Ziele verfolgen sollen, selbst wenn dies wirtschaftlich nachteilig ist, lässt sich vor allem normativ beantworten und nur bedingt sachlogisch. „Warum sollte ich mich um die Nachwelt kümmern - was hat die Nachwelt je für mich getan? “ (Groucho Marx, amerikanischer Komiker und Schauspieler, 1890 - 1977) Eine weithin akzeptierte inhaltliche Basis der Nachhaltigkeit bildet der sogenannte Brundtland-Bericht aus dem Jahre 1987. Gro Harlem Brundtland, ehemalige norwegische Ministerpräsidentin, leitete die von den Vereinten Nationen beauftragte Kommission „World Commission on Environment and Development“, deren Abschlussbericht mit dem Titel „Our Common Future“ zumeist als Brundtland-Bericht bezeichnet wird. Hierin wurde das Leitbild einer Nachhaltigen Entwicklung entworfen und der Begriff der Nachhaltigkeit maßgeblich geprägt. „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, welche die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation befriedigt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“ (https: / / www.nachhaltigkeit.info/ artikel/ brundtland_report_563.htm, Abruf 05.11.14) Diese Definition der nachhaltigen Entwicklung ist weit verbreitet und hat eine hohe Akzeptanz gefunden. Allerdings ist diese auch sehr abstrakt, so dass sich daraus kaum direkte Handlungsempfehlungen ableiten lassen. Eine ähnliche Definition findet sich beim Rat für Nachhaltige Entwicklung, der 2001 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder einberufen wurde, um die Bundesregierung in der Nachhaltigkeitspolitik zu beraten. „Nachhaltige Entwicklung heißt, Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen. Zukunftsfähig wirtschaften bedeutet also: Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben.“ (Rat für Nachhaltige Entwicklung, in: www.nachhaltigkeitsrat.de/ nachhaltigkeit / , Abruf 05.11.14) Schließlich soll noch eine Erläuterung des Bundesverbands Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) folgen: <?page no="25"?> 1.1 25 „Mit Blick auf die immensen Herausforderungen unserer Zeit kann das Leitbild der Nachhaltigkeit als wertvoller Kompass dienen. Nachhaltigkeit bedeutet, verantwortungsvoll und verlässlich langfristigen Zielen zu folgen, statt kurzfristige Erfolge im Blick zu haben und nicht auf Kosten künftiger Generationen zu handeln. Sowohl die Wirtschaft als auch die Politik müssen sich daran orientieren.“ (Bundesverband Deutscher Arbeitgeberverbände, in: www.arbeitgeber.de/ www/ arbeitgeber.nsf/ id/ DE_Wirtschafts-_und_Unternehmensethik, Abruf 05.11.14) Nachhaltige Entwicklung und Nachhaltigkeit werden zumeist synonym verwendet. Die genannten Bedürfnisse können wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Natur sein. Hierbei ist anzustreben, dass weltweit alle diese Bedürfnisse befriedigen können. Darüber hinaus darf die gegenwärtige Befriedigung der Bedürfnisse nicht zu Lasten zukünftiger Generationen gehen. 1992 fand die erste UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro statt. Mit 178 teilnehmenden Ländern wurde die Nachhaltigkeit zum Leitprinzip der Politik erklärt und das 3-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit, die Integration wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Aspekte, begründet. Nachhaltigkeit basiert also auf diesen drei Säulen (vgl. Sailer 2013, S. 23ff.). Das Abstraktionsniveau dieses Leitbildes ist allerdings recht hoch, so dass es bei konkreten betrieblichen Maßnahmen kaum als Entscheidungshilfe dienen kann (vgl. Weber/ Georg/ Janke/ Mack 2012, S. 14). Abb. 2.1: 3-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit Durch sogenannte Managementregeln wird das Leitbild der Nachhaltigkeit konkretisiert. Aus dem noch eher abstrakten Nachhaltigkeitsverständnis der Brundtland-Definition und dem Ziel des Erhalts des Umweltkapitals für zukünftige Generationen, können Handlungsprinzipien abgeleitet werden. Die Nachhaltigkeitswirkung von Maßnahmen kann daran gemessen werden, wie stark sie diesen ökonomischen, ökologischen und sozialen Managementregeln folgen (vgl. Burschel/ Losen/ Wiendl (2004), S. 31f.). Nachhaltigkeit Ökonomie Ökologie Soziales <?page no="26"?> 26 2 Was versteht man unter Nachhaltigkeit? Es ist ein ausreichend hoher Cash flow zu erwirtschaften, der die Liquidität des Unternehmens jederzeit sichert und den Shareholdern attraktive Wertsteigerungen und Ausschüttung ermöglicht. Natürliche Ressourcen sollen höchstens in dem Umfang verbraucht werden, wie sich diese bzw. wie sich Substitute reproduzieren. Es sollen keine Emissionen verursacht werden, die die natürliche Aufnahmekapazität übersteigen und es soll nichts gemacht werden, was die natürlichen Ökosystemdienstleistungen zerstört. Für die Stakeholder soll der Wert durch eine Steigerung des Humankapitals Einzelner und durch die Erhöhung des Sozialkapitals der Gemeinschaft gesteigert werden. Das Sozialkapital soll stets im Interesse der Stakeholder gemanagt werden. In der Praxis wird der Begriff des Triple-Bottom- Line-Ansatz häufig benutzt. Demnach werden ökonomische, ökologische und soziale Anforderungen gleichrangig angesehen. Der ökonomische Erfolg ist etwa Voraussetzung für die Finanzierbarkeit ökologischer und sozialer Maßnahmen. Ökonomischer Erfolg ist aber nur in einem stabilen sozialen Umfeld möglich und ohne eine gesunde Umwelt gibt es keine stabilen sozialen Systeme, ohne die sich auch Unternehmen nicht erfolgreich entwickeln können. In der Unternehmenspraxis wird diese vernetzte, gleichwertige gegenseitige Abhängigkeit der drei Dimensionen oftmals so nicht gesehen (vgl. Weber/ Georg/ Janke/ Mack 2012, S. 17). Häufig wird die ökonomische Dimension über die soziale und ökologische Dimension gestellt. Anders gesagt: soziale und ökologische Maßnahmen werden dann ergriffen, wenn sie das ökonomische Ziel fördern. In Abgrenzung zum gleichgewichtigen Triple-Bottom-Line- Ansatz wird dieser als Ökonomischer Triple-Bottom-Line-Ansatz bezeichnet. Der ökonomische Triple-Bottom-Line-Ansatz ist insbesondere bei größeren, managementgesteuerten Unternehmen vorzufinden. Die Nachhaltigkeit hat sich hierdurch aus einer eher restriktiven, kostenverursachenden Ecke heraus hin zu einem innovativen Ansatz entwickelt, der zu Kosteneinsparungen, zu neuen Produkten oder zur Risikominderung führt. Dennoch werden solche Maßnahmen oftmals nur ergriffen, wenn sie wirtschaftlich sind und nicht alleine deshalb, weil sie nachhaltig People Planet Profit <?page no="27"?> 2.1 Begriff und Inhalte der Nachhaltigkeit 27 sind. So beschreibt etwa die internationale Beratungsgesellschaft Accenture ihr Leistungsangebot in der Beratung zur Nachhaltigkeit folgendermaßen: „Accenture begleitet Kunden in den unterschiedlichsten Branchen und Regionen dabei, Nachhaltigkeitskonzepte in ihren Unternehmensstrategien, Geschäftsmodellen und Kernprozessen zu verankern. Unser ganzheitlicher Ansatz reicht von der Strategie über die Entwicklung bis zur Umsetzung und ist darauf ausgerichtet, Gewinne zu steigern, Kosten zu reduzieren, Risiken zu managen und sowohl den Markenwert als auch das Image und immaterielle Werte zu stärken.“ (Quelle: Accenture 2014, in: http: / / www.accenture.com/ de-de/ Pages/ serviceconsulting-sustainability-overview-summary.aspx, Abruf 24.10.14) War es aber nicht schon immer die Aufgabe der Unternehmen, wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen? Hierfür wird der Begriff der Nachhaltigkeit nicht benötigt und auch eine Nachhaltigkeitswissenschaft ist hierdurch nicht zu begründen. Die ökonomische Rechtfertigung der Nachhaltigkeit ist aus der Unternehmenspraxis heraus nachvollziehbar, aber ihr fehlt die Zielausrichtung einer Sicherung der Lebensverhältnisse zukünftiger Generationen. Allerdings ist auf dem noch jungen Wege hin zu mehr Nachhaltigkeit eine sehr große Bandbreite an Umsetzungsmöglichkeiten zu beobachten. Eine große Bekanntheit erlangten die 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Sustainable Development Goals, kurz SDGs. Die SDGs ersetzen die acht Milleniums-Entwicklungsziele, welche die Vereinten Nationen für den Zeitraum von 2000 bis 2015 verfolgt haben. Die SDGs umfassen 17 Handlungsfelder der Nachhaltigkeit und sind als globaler Aufruf zum Handeln zu verstehen, um weltweit bis 2030 die darin definierten Ziele zu erreichen. Insbesondere sollen bis 2030 weltweit Armut und Hunger verschwunden sein. Die Ziele sind zwar primär an Staaten adressiert, werden aber auch von Unternehmen aufgegriffen, um ihr Nachhaltigkeitsengagement daran auszurichten (vergleiche hierzu etwa die Nachhaltigkeitsberichte folgender Unternehmen: Allianz SE, Daimler AG, Henkel AG & Co. KGaA, Tchibo GmbH). „Als international tätiges Handelsunternehmen bewegen wir uns in globalen Strukturen und nutzen die globale Arbeitsteilung. Deshalb betrachten wir es als Teil unserer unternehmerischen Verantwortung, unseren Beitrag zur Umsetzung der SDGs zu leisten. Für uns sind die SDGs insbesondere in der Produktdefinition und den internationalen Wertschöpfungsketten relevant. Durch unsere Umwelt- und Sozialprogramme in den wesentlichen Feldern unserer Geschäftstätigkeit sichern wir nicht nur die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens, wir tragen auch dazu bei, dass die globalen Entwicklungsziele umgesetzt werden.“ <?page no="28"?> 28 2 Was versteht man unter Nachhaltigkeit? (Quelle: Tchibo GmbH 2019, in: https: / / www.tchibo-nachhaltigkeit.de / serv let/ content/ 1253394/ -/ home/ 100-2016-verantwortungsvolle-unternehmens fuehrung/ verantwortungsvolle-unternehmensfuehrung/ sustainable-develop ment-goals.html, Abruf 15.08.19) „Seit Veröffentlichung der SDGs wurde zunehmend deutlich, welche Rolle die Wirtschaft bei der Realisierung spielen muss gleichzeitig wurden die SDGs zum wichtigen Tool, um die Einflüsse der Unternehmen aufzuzeigen. Wir sehen hier allerdings noch Verbesserungspotenzial: Derzeit entwickeln die Unternehmen Ansatzpunkte, um die SDGs die sich ursprünglich auf die nachhaltige Entwicklung von Staate ftsaktivitäten zu überführen.“ (Quelle: Allianz SE 2019, in: https: / / www.allianz.com/ de/ nachhaltigkeit/ stra tegie-governance/ un-nachhaltigkeitsziele-unser-beitrag.html, Abruf 15.08.19) Die 17 Handlungsfelder sind in folgender Abbildung dargestellt: Abb. 2.2: Sustainable Development Goals (Quelle: UNESCO 2019, https: / / www.unesco.de/ bildung/ bildungsagenda-2030/ bildung-und-die-sdgs) <?page no="29"?> 2.1 Begriff und Inhalte der Nachhaltigkeit 29 Die detaillierten Inhalte und Ziele der Handlungsfelder können an zahlreichen Stellen im Internet nachgelesen werden, wie etwa unter: https: / / www.unesco.de/ bildung/ bildungsagenda-2030/ bildung-und-die-sdgs, oder https: / / www.bmz.de/ de/ ministerium/ ziele/ 2030_ agenda/ 17_ziele/ index.html. Gegen Nachhaltigkeit lässt sich kaum ein überzeugendes Argument aufbringen. Eine langfristig erfolgreiche Steuerung der Unternehmen, die Wahrung der Umwelt, ein sorgsamer Umgang mit Ressourcen und die Einhaltung ethisch weithin akzeptierter Standards, überzeugen. Hieraus folgt aber nun nicht, dass auch alle im Unternehmen die Nachhaltigkeit effektiv und sinnvoll umsetzen. Trotz vielfältiger Aktivitäten in den Unternehmen ist es noch ein weiter Weg hin zu nachhaltig agierenden Unternehmen bzw. hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft. Nachhaltigkeit ist mittlerweile weniger ein Erkenntnisals ein Umsetzungsproblem. <?page no="30"?> 3 Umsetzung der betrieblichen Nachhaltigkeit Schwierigkeiten in der Verhinderung der Missstände Die Beratungsgesellschaft Accenture führt gemeinsam mit dem Global Compact der Vereinten Nationen regelmäßig Befragungen von 1.000 Unternehmenslenkern zur Bedeutung der Nachhaltigkeit für ihr Unternehmen durch. Zwischen 2010 und 2013 war dabei ein deutlicher Meinungsumschwung festzustellen: „Im Jahr 2010 war die Mehrheit noch voller Vertrauen in die Kräfte des Marktes. Unternehmen sorgten für die nötigen Innovationen, nicht Regierungen. Diese sollten es dem Markt überlassen, die Gewinner zu identifizieren, die zwangsläufig die am nachhaltigsten ausgerichteten Unternehmen sein würden. Der Druck von Konsumenten und Investoren würde zu einer entsprechenden Auslese führen, so die Argumentation. Nur drei Jahre später war das Meinungsbild umgeschlagen. Bei der Umfrage im Jahr 2013 erklärte die überwältigende Mehrheit der Vorstände, dass die Wirtschaft kollektiv versagt habe. Die Frustration war groß. Trotz erheblicher Anstrengungen hatten viele das Gefühl, über ein bestimmtes Niveau bei den Nachhaltigkeitsbemühungen nicht hinauszukommen. Das Wort von der Paralyse durch Pilotprojekte machte die Runde. Rufe nach mehr Regulierung durch die Politik wurden laut.“ (Holst 2014, in: WirtschaftsWoche Green, 20.10.14, in: http: / / green.wiwo.de/ nachhaltiges-kommunikationsproblem-woran-eine-gruenere-wirtschaft-bisherscheitert/ ) Woran liegt es, dass man ökologische und soziale Missstände so schwer in den Griff bekommt? Wenn wir Nachhaltigkeit wünschen, warum unterlassen wir dann nicht einfach die ursächlichen, schädigenden Handlungen oder warum verbietet es der Gesetzgeber nicht? - Dies ist leider nicht so einfach. Auch im Unternehmen sollte bekannt sein, worauf die praktischen Schwierigkeiten in der Umsetzung der Nachhaltigkeit beruhen. Betriebswirtschaftliche Entscheidungen treffen wir häufig auf Basis von Kosten und Erlösen oder Ein- und Auszahlungen. Wir investieren, wenn der Barwert der zukünftigen Einzahlungsüberschüsse die Auszahlungen übersteigt und wir kalkulieren Aufträge und Preise für Produkte und Dienstleistungen auf Basis der zurechenbaren Kosten. Das Rechnungswesen stellt die zentralen Informationen bereit, mit denen unternehmerische Entscheidungen getroffen werden und jeder angehende Kaufmann erlernt den Umgang mit diesen Daten. Unter den Betriebswirten sind die Controller die Experten, die schwerpunktmäßig auf Basis des Rechnungswesens die Entwicklung des Unternehmens planen, Maßnahmen beurteilen und die Umsetzung <?page no="31"?> 3.1 Schwierigkeiten in der Verhinderung der Missstände 31 begleiten. Was im Rechnungswesen nicht erfasst wird, unterliegt der Gefahr, übersehen oder unterschätzt zu werden. An (Quartals-)Ergebnissen ausgerichtete Führungs- und Vergütungskonzepte verstärken diesen Effekt. Folgende Beispiele sollen dies verdeutlichen: Investitionen in Mitarbeiter, also Maßnahmen der Weiterbildung, aber auch der Team- und Organisationsentwicklung, werden im Rechnungswesen nur als Aufwand dokumentiert. Im Vergleich zum Kauf einer Maschine werden durch die fehlende Aktivierung die damit gewonnenen Potenziale ausgeblendet. Eine sehr hohe Arbeitsbelastung führt zur Überlastung und teils zur Erkrankung (Burnout) von Mitarbeitern. Die Heilungskosten trägt nicht das Unternehmen, sondern die Versichertengemeinschaft. Die Produktion führt zu einer Zerstörung oder Verschmutzung der Umwelt (CO2- Emission, Rodung von Waldflächen, Überfischung, ...). Die daraus entstehenden Folgekosten werden vom Unternehmen weder erfasst noch bezahlt. Der Gebrauch mancher Produkte schädigt die Kunden langfristig (Nikotin, gesüßte Speisen, Fast Food, ...). Die daraus entstehenden Folgekosten fallen nicht beim Unternehmen an, sondern werden vom Kunden und von der Gesellschaft getragen. Werden diese Kosten im herkömmlichen Steuerungssystem des Unternehmens nicht erfasst, so werden sie auch nicht systematisch bei den Entscheidungen berücksichtigt. Es mag viele nachvollziehbare Gründe geben, warum die in den aufgeführten Beispielen genannten Kosten im Unternehmen nicht ohne weiteres verbucht werden können. Vielfach ist die Höhe der Kosten unbekannt oder es ist fraglich, ob und in welchem Umfang diese Kosten überhaupt einem einzelnen Unternehmen zugerechnet werden können. Die Peter Drucker zugeschriebene Aussage: „What gets measured, gets managed“, legt diesen Zusammenhang nahe. Was man messen kann, wird gesteuert. Der Umkehrschluss, der häufig von Controllern zitiert wird: „If you can’t measure it, you can’t manage it“, bedeutet nun keinesfalls das Gleiche. Letztere Aussage wird häufig dafür genutzt, um weiche und unsichere Faktoren guten Gewissens auszuschließen, damit die Steuerung nicht in die Beliebigkeit abgleitet. Wenn man etwas nicht konkret messen kann, solle man es auch nicht zur Steuerung nutzen. Eine zuverlässige Messbarkeit ist für die Steuerung sicherlich hilfreich. Das erste Zitat kann aber auch als Kritik an einer allzu dogmatischen Quantifizierung verstanden werden. Es würde also nur das gesteuert, was man genau messen kann. Und dort wo das Messen schwerfällt, wird auf eine Steuerung verzichtet, selbst wenn es sich um für das Unternehmen wichtige Inhalte handelt. Nachhaltigkeit führt zu einer Erweiterung der entscheidungsrelevanten Informationen. So sind neben den Daten aus dem Rechnungswesen auch Informationen über den CO 2 - Ausstoß, den Energieverbrauch, über die Einhaltung der Sozialstandards bei den Lieferanten, ... notwendig. Die für eine nachhaltige Steuerung notwendigen Daten liegen oftmals weder quantifiziert noch monetarisiert, noch in der Genauigkeit und <?page no="32"?> 32 3 Umsetzung der betrieblichen Nachhaltigkeit Zuverlässigkeit vor wie die Daten aus dem Rechnungswesen. Anders ausgedrückt: Der Gewinn wird auf Basis verbindlicher Rechnungslegungsnormen centgenau ermittelt, der gesellschaftliche und ökologische Wertbeitrag des Unternehmens ist zumeist unbekannt. Weil die Nachhaltigkeit schwierig und oft schlecht messbar ist, wird sie auch weniger oder gar nicht gemanagt. Die schwierige oder gar fehlende Messbarkeit von Nachhaltigkeitsdaten erschwert deren Etablierung in die Steuerungssysteme des Unternehmens. In den klassischen betriebswirtschaftlichen Steuerungssystemen liegt zumeist eine stringente, auf ein Oberziel hin ausgerichtete Systematik vor. Beispielsweise können auf Basis des Ziels „15% Return on Investment (ROI)“ systematisch alle Kenngrößen und Faktoren benannt werden, die dieses Oberziel beeinflussen. So wird der ROI direkt über die Umsatzrendite und den Kapitalumschlag beeinflusst. In einer, zugegebenermaßen recht mechanistischen Vorstellung, kann beispielsweise die geplante Verringerung des Lagerbestands an Rohstoffen direkt durch die daraus resultierende Steigerung des ROI bewertet werden. Wenn der Lagerbestand sinkt, sinkt auch die Kapitalbindung und der Kapitalumschlag, also Umsatz geteilt durch gebundenes Kapital, steigt. Dadurch steigt der ROI, da er sich aus der Multiplikation von Kapitalumschlag und Umsatzrendite ergibt. Solche Berechnungen werden häufig benutzt, um Kosteneinsparungen oder Investitionen zu begründen. Bei den vielfältigen Dimensionen der Nachhaltigkeit wird schnell offensichtlich, dass hier in aller Regel keine linearen Zusammenhänge bestehen und diese sich häufig auch nicht ohne weiteres durch mathematische Formeln beschreiben lassen. Dies liegt schon daran, dass kein eindeutiges, nachhaltiges Oberziel existiert. Es gibt nicht die eine Kenngröße, die alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit integriert. Einzelne Maßnahmen können etwa ein ökologisches Teilziel steigern, sich aber negativ auf das ökonomische Ziel auswirken. Dies lässt sich nicht gegenseitig aufrechnen. Hinzu kommt, dass die Auswirkungen vieler Maßnahmen aufgrund komplexer Wirkungsbeziehungen kaum vorhersagbar sind. Beispiel In Deutschland werden zahlreiche Granitsteinbrüche aus Gründen des Naturschutzes nicht erweitert oder geschlossen. Das Ziel des Naturschutzes wird hierdurch erst einmal erreicht. Da aber weiterhin die Nachfrage besteht, wird der Granit vermehrt aus Indien und China eingeführt. Hier bestehen in aller Regel keine vergleichbaren ökologischen und sozialen Standards, so dass die Umweltverschmutzung im Vergleich zu einem Abbau in Deutschland, vor allem, wenn man noch den Transport berücksichtigt, insgesamt höher liegt. Die Arbeit im Steinbruch ist in armen Ländern zudem oftmals eine typische Kinderarbeit. Fördert der Rückgang des Granitabbaus in Deutschland damit gar die Kinderarbeit in Indien? Und ist den Kindern geholfen, wenn nur noch Granit ohne Kinderarbeit importiert wird? Solange das Einkommen armer Familien zum Überleben nicht ausreicht und es keine Schulen gibt, werden sich die Kinder eben eine noch schlechtere Arbeit su- <?page no="33"?> 3.1 Schwierigkeiten in der Verhinderung der Missstände 33 chen müssen. Das Beispiel zeigt, dass die Beurteilung von Maßnahmen im Hinblick auf die Nachhaltigkeit aufgrund der komplexen Beziehungen ungleich schwieriger ist, als in einem mechanistischen betriebswirtschaftlichen Modell. Komplexe Beziehungen erschweren eine zuverlässige Prognose und Beurteilung nachhaltiger Maßnahmen. In einigen Jahren oder Jahrzehnten erwartete Ereignisse werden in gegenwärtigen Entscheidungen oft nur nachrangig berücksichtigt. Man beschäftigt sich mehr mit dem Dringenden, aber weniger wichtigen, anstatt mit dem Wichtigen, das aber noch nicht dringend ist. Auch die umfassende Einbindung der Stakeholder in die unternehmerische Willensbildung kann die Gefahr einer Kurzfristorientierung nicht beheben. Eine Gruppe von Stakeholdern sitzt nämlich nie mit am Tisch: die zukünftige Generation. Dieser generationenübergreifende Aspekt der Nachhaltigkeit, der die Nachhaltigkeitsdefinition nach Brundtland in seinem Wesen prägt, ist damit systematisch der Gefahr ausgesetzt, zu schwach vertreten zu werden. Ein weiterer Einfluss auf die geringe Bewertung zukünftiger Ereignisse geht auch von der in der finanzorientierten Betriebswirtschaftslehre etablierten Methode der Diskontierung aus. Bei Investitionsentscheidungen wird üblicherweise der Barwert bzw. der Gegenwartswert der zukünftigen Einzahlungsüberschüsse berechnet. Ist dieser Barwert größer als die Investitionsauszahlung, ist der Kapitalwert positiv und die Investition lohnt sich. In ferner Zukunft anfallende Kosten, etwa durch Entsorgung oder Renaturierung, haben nur einen geringen Barwert und sind für die Entscheidung daher wenig bedeutsam. Kurzfristige Erfolge beeinflussen den Kapitalwert stärker als langfristige Misserfolge. Demnach wird ein Schaden, der erst in späteren Generationen auftritt, als weniger bedeutsam angesehen als ein identischer Schaden in der gegenwärtigen Generation. Dies ist in der Betriebswirtschaft nicht normativ begründet, sondern spiegelt schlichtweg wider, dass heute ein geringerer Betrag verzinslich angelegt werden müsste, um mit dem anwachsenden Kapitel später für einen größeren Schaden zu bezahlen. In der ökonomischen Denkweise ist die Zerstörung der Lebensgrundlagen einer zukünftigen Generation nicht so teuer, als wenn dies bei der gegenwärtigen Generation einträte. Dies wird vielfach als mit dem Gedanken der Nachhaltigkeit und der Verantwortung für zukünftige Generationen kaum vereinbar angesehen (vgl. Hort 2008, S. 43f.). Beispiel Ein Unternehmer überlegt, ob er die in einem Entwicklungsland neu zu errichtende Fabrik mit der gleichen Umwelttechnik ausrüsten soll, wie sie in Deutschland vorgeschrieben ist. Die Kosten hierfür betragen 10 Mio. Euro. Unterlässt er dies, werden die Mitarbeiter und Anwohner zukünftig erkranken und es wird, voraussichtlich in 20 Jahren, eine umfassende Entschädigungszahlung an die Anwohner und Mitarbeiter fällig. Schätzungen zufolge betragen diese 50 Mio. Euro. Der Kalkulationszins des Unternehmers beträgt 10%. Wie wird sich der Unternehmer entscheiden, wenn er sich ausschließlich an finanziellen Zielen orientieren würde? Er <?page no="34"?> 34 3 Umsetzung der betrieblichen Nachhaltigkeit wird die 50 Mio. Euro über 20 Jahre mit 10% diskontieren: Barwert = 50 Mio. Euro / (1 + 10%) 20 Barwert = 7.432.181,40 Euro In rein finanzieller Betrachtung spart das Unternehmen über 2,5 Mio. Euro ein, wenn es auf die Umwelttechnik verzichtet und dafür in 20 Jahren die, in absoluten Beträgen fünffache Entschädigungszahlung leistet. Das Unternehmen würde einen Betrag in Höhe des Barwertes für 20 Jahre zum Kalkulationszins anlegen und könnte mit den daraus entstandenen 50 Mio. € die Entschädigungszahlungleisten. Schließlich werden die Lebensumstände zukünftiger Generationen auch deshalb weniger sorgenvoll betrachtet, da es nicht sicher ist, dass die prognostizierten Entwicklungen eintreten. Zudem kann erwartet werden, dass weitere Entwicklungen in Wissenschaft und Technik die zukünftigen Generationen dazu befähigt, mit den Umweltproblemen klar zu kommen. In ferner Zukunft liegende Ereignisse werden unterschätzt und in heutigen Entscheidungen oft nur unzureichend berücksichtigt. Strengen gesetzlichen Vorgaben kommen Unternehmen oftmals zuvor, in dem durch einzelne Branchen oder durch Wirtschaftsverbände Zusagen einer „freiwilligen Selbstverpflichtung“ getroffen werden. Dies war in der Vergangenheit etwa beim Verzicht auf FCKW, bei der Verringerung von CO 2 -Emissionen, bei der Entsorgung von Altautos oder bei der Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten zu beobachten. Kritik erfahren die Selbstverpflichtungen nicht nur, weil sie scheinbar zu einer Verwässerung des Ziels führen und dieses möglicherweise noch hinauszögern. Nicht immer werden die Ziele erreicht und nicht alle Unternehmen halten sich an die Verpflichtung. Solange es keine strengen gesetzlichen Vorgaben gibt, deren Einhaltung konsequent überwacht wird, besteht die Gefahr von Ausreißern bis hin zum gänzlichen Scheitern eines gesellschaftlich wünschenswerten Ziels. Dieses Problem, dass eine von allen Gruppenmitgliedern gewünschte Situation nicht eintritt, da ein abweichendes Verhalten individuell vorteilhaft ist, wird im sogenannten Gefangenendilemma beschrieben. Beispiel Der Einbau eines Partikelfilters in ein Auto kostet 1.000 €. Sollten alle Fahrzeugbesitzer einen Partikelfilter einbauen, werden für jeden ökologische Vorteile in Form einer reineren Luft im Gegenwert von 1.500 € erzielt. Der Einzelne überlegt, wie sich wohl die anderen Fahrzeugbesitzer verhalten werden. Grundsätzlich ist der Einbau des Filters vorteilhaft, da er bei allen zu einem Überschuss von 500 € führt. Es wäre deshalb zu erwarten, dass auch alle den Partikelfilter einbauen. Die Entscheidungsmöglichkeiten sind in folgender Tabelle aufgeführt: <?page no="35"?> 3.1 Schwierigkeiten in der Verhinderung der Missstände 35 alle anderen bauen Filter ein ja nein ich baue einen Filter ein ja 500 € - 1.000 € nein 1.500 € 0 € Entschließt sich der Einzelne, wie auch alle anderen, zum Einbau des Filters, erzielen alle einen Vorteil in Höhe von 500 €. Wenn niemand nachrüstet, entstehen weder Kosten noch Vorteile. In Erwartung, dass alle den Filter einbauen, könnte der Einzelne nun auf die Idee kommen, dieses selbst nicht zu tun. Er würde von dem Vorteil des Filtereinbaus durch alle anderen profitieren, ohne selber Kosten zu verursachen. Der gesamte Vorteil betrüge 1.500 €. Was für den Einzelnen vorteilhaft ist, gilt auch für alle anderen. Im Ergebnis wird niemand einen Filter einbauen. Es ist ein Dilemma, dass die von allen gewünschte Situation nicht eintritt, weil für den Einzelnen ein Verzicht noch lohnender ist. Dass in einer Gemeinschaft etwas für alle sinnvoll ist, führt keinesfalls automatisch dazu, dass dies auch alle tun. Die Logik der Gemeinschaft ist nicht die Summe der Logik aller Einzelnen. Bei einer größeren Anzahl Beteiligter kommen Ergebnisse oftmals nicht zustande, obwohl jeder Einzelne dies für erstrebenswert erachtet. Nachhaltige Maßnahmen werden oftmals auch deshalb nicht ergriffen, weil die Auswirkungen dieser einzelnen Maßnahme im Vergleich zu den globalen Problemen als unwesentlich angesehen werden. Wenn nur wenige eine Maßnahme ergreifen, etwa auf Kurzstreckenflüge verzichten und stattdessen mit der Bahn fahren, führt dies noch nicht zu einer spürbaren Verringerung der Umweltbelastung. Damit sei die Maßnahme irrelevant und somit verzichtbar. Einzelne ökologische und soziale Maßnahmen erscheinen im Vergleich zu den globalen Problemen oft als unwesentlich. „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt“ (Mahatma Gandhi, 1869 - 1948) Häufig trifft man in Unternehmen auf die Aussage, dass Maßnahmen der Nachhaltigkeit solange ergriffen werden, wie sie dem wirtschaftlichen Ziel nicht schaden. Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit, Ökonomie, Ökologie und Soziales, werden hierbei also nicht als gleichrangig betrachtet: die ökonomische Dimension wird über die anderen beiden Dimensionen gestellt. Bei dieser Auffassung bräuchte man die Nachhaltigkeit gar nicht weiter zu thematisieren und selbst der Begriff der Nachhaltigkeit würde sich erübrigen. Es ist schließlich die ursprüngliche Aufgabe von Unternehmen, Maßnahmen zu ergreifen, welche die Erreichung ökonomischer Ziele <?page no="36"?> 36 3 Umsetzung der betrieblichen Nachhaltigkeit fördern. Das können effizientere Prozesse, günstigere Einkaufspreise oder auch mal ökologische Maßnahmen sein, die zu einer Rohstoffeinsparung führen oder soziale Maßnahmen, welche zu einer Erhöhung des Mitarbeiterengagements führen. Das Nachhaltigkeitsziel einer dauerhaft durchhaltbaren Wirtschafts- und Lebensweise wird bei dieser Auffassung nicht verfolgt. Sie ergibt sich quasi als Nebeneffekt immer dann, wenn es gegenwärtig wirtschaftlich vorteilhaft ist. Ohne wirtschaftlichen Vorteil sind ökologische und soziale Auswirkungen demnach irrelevant. Diese Denkweise entspricht somit nicht einer an der Nachhaltigkeit orientierten Betriebswirtschaftslehre. Schäffer bezeichnet den Bereich des ökonomischen Triple- Bottom-Line-Ansatzes etwa als Komfortzone, da es hier keine Zielkonflikte gibt (vgl. Schäffer 2011, S. 83). Eine häufig genannte Begründung für die Dominanz wirtschaftlicher Ziele liegt darin, dass der wirtschaftliche Erfolg die Durchführung nachhaltiger Maßnahmen überhaupt erst erlaube. Nachhaltigkeit müsse man sich durch seinen wirtschaftlichen Erfolg erst einmal leisten können. Sollten nachhaltige Maßnahmen zu Lasten des ökonomischen Erfolgs gehen, würde dies die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen und möglicherweise zu einem Ausscheiden des Unternehmens aus dem Markt führen. Dann blieben nur die Unternehmen übrig, die sich nicht nachhaltig verhalten - und dies sei ja auch nicht im Interesse der Nachhaltigkeit. Dieser Argumentation folgend könnte man froh sein, dass Unternehmen überhaupt ökologische und soziale Maßnahmen in Betracht ziehen, um den wirtschaftlichen Erfolg zu steigern. Mehr gehe nicht, wenn nicht für alle Wettbewerber die gleichen rechtlichen Vorgaben gelten. In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird oftmals die Win-Win-Situation von ökonomischem und nachhaltigem Erfolg propagiert. Häufig wird hierbei von einem Business Case for Sustainability gesprochen. So wünschenswert und vorteilhaft eine solche Situation ist, soll dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass es zwischen ökonomischen und ökologischen bzw. sozialen Zielen auch deutliche Konflikte geben kann. Die einseitige Fokussierung auf die erfolgreichen Business-Cases blenden diese Problematik aus. Man sollte also nicht nur Lösungen für die Komfortzone erarbeiten. Das in den letzten Jahren bekannt gewordene Konzept des „Creating Shared Value“ von Michael Porter und Mark Kramer propagiert ebenfalls diejenigen Business Cases, bei denen unternehmerische und gesellschaftliche Interessen im Einklang stehen (vgl. Porter, Kramer 2011, S. 62ff.). Kritiker befürchten, dass eine einseitige Fokussierung auf solche WinWin-Cases den Blick auf diejenigen Fälle, in denen die unternehmerischen und gesellschaftlichen Ziele im Konflikt stehen, verstellt (vgl. Scholz, de los Reyes 2015, S. 196). Aber auch für diese schwierigen Fälle müssen Lösungen gefunden werden. In einer langfristigen Perspektive lösen sich diese Konflikte teils wieder auf. So können langfristig nur dann Gewinne erzielt werden, wenn Ressourcen nicht kurzfristig ausgebeutet werden und wenn Mitarbeiter und Geschäftspartner fair behandelt werden. Diese langfristige Perspektive ist häufig bei Familienbetrieben zu beobachten, die in diesem Selbstverständnis auch nachhaltig agieren. In börsennotierten Unter- <?page no="37"?> 3.2 Ausprägungen der Nachhaltigkeit in den Unternehmen 37 nehmen dominiert durch die Erwartungshaltung der Kapitalmärkte hingegen häufiger eine kurzfristigere Betrachtung. Dem entsprechend fällt die Umsetzung der Nachhaltigkeit dort schwerer (vgl. Schäffer 2011, S. 83f.). Intensiver Wettbewerb kann ein freiwilliges Nachhaltigkeitsengagement erschweren. In der Praxis werden soziale und ökologische Maßnahmen daher häufig nach ihrer wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeitbeurteilt. Den Eigentümern eines Unternehmens ist in einem marktwirtschaftlichen System die Entscheidungsbefugnis verliehen. Die grundlegenden Entscheidungen, wie etwa die Ziele des Unternehmens, die Wahl der Geschäftsfelder, die Besetzung der Top- Positionen etc. werden von den Gesellschaftern getroffen. Vor allem in mittelständischen Familienbetrieben ist darüber hinaus zu beobachten, wie die moralischen Wertvorstellungen des Eigentümers oder der Familie auch für das Unternehmen gelten. Ein solcher Transfer moralischer Werte ist bei angestellten Top-Managern großer Konzerne weniger ausgeprägt. Zwar wirkt jede Person in das Unternehmen hinein, doch bei einem angestellten Manager, der vor allem über wirtschaftliche Zielgrößen gesteuert wird und für den das Unternehmen manchmal eher ein Karriereschritt als eine Lebensaufgabe ist, wird diese Wirkung schwächer und weniger überzeugend sein. In großen Kapitalgesellschaften ist das Führungssystem daher stärker „technisch“ aufgestellt, d.h. es bestehen mehr Richtlinien, Zielvorgaben und formalisierte Prozesse und Kontrollen. Im Familienbetrieb werden Entscheidungen auch im „Geiste“ der Familie getroffen werden. Zahlreiche Werte, welche die Nachhaltigkeit ausmachen, findet man auch in diesem „Geiste“ vieler Familienbetriebe: eine auf lange Frist ausgelegte Beziehung zu Geschäftspartnern, Genügsamkeit, Vertrauen, Verantwortung für Mitarbeiter und ihre Familien, Langfristorientierung, ... Es handelt sich um moralische Wertvorstellungen und nicht um die Ergebnisse einer Abwägung, ob dies wirtschaftlich vorteilhaft ist. In großen Kapitalgesellschaften werden durch die Rechenschaftspflicht gegenüber teils anonymen Kapitalgebern Verhaltensnormen vor allem aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen herausgebildet. Findet man also im Selbstverständnis von Familienbetrieben zahlreiche Inhalte der Nachhaltigkeit, so müssen diese in Kapitalgesellschaften häufig wirtschaftlich begründet werden. In kapitalmarktorientierten Unternehmen dominieren zumeist ökonomische Ziele gegenüber ökologischen und sozialen Zielen. Ausprägungen der Nachhaltigkeit in den Unternehmen Die oekom Research AG, nach eigener Aussage eine der weltweit führenden Ratingagenturen für nachhaltige Investments, führt alle zwei Jahre eine Studie zur Bestandsaufnahme der nachhaltigen Unternehmensführung durch. Hierbei werden weltweit über 3.000 Unternehmen, die in verschiedenen Aktienindizes gelistet sind, auf die Umsetzung der Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung untersucht. Die Bewertung erfolgt anhand von rund 100 branchenspezifischen Kriterien und wird <?page no="38"?> 38 3 Umsetzung der betrieblichen Nachhaltigkeit durch einen sogenannten absoluten Best-in-Class-Ansatz ausgewertet. Hierbei erhalten nicht nur die relativ besten Unternehmen einer Branche einen „Prime-Standard“ verliehen, sondern sie müssen zugleich auch eine Reihe branchenspezifischer Mindeststandards erfüllen. Rund jedes sechste Unternehmen erfüllte diese Mindestanforderungen und schnitt mit gutem Ergebnis, dem Prime-Standard, ab. Der Anteil der Unternehmen, denen eine gute Nachhaltigkeitsleistung attestiert wird, ist nur sehr leicht angestiegen. Allerdings verringerte sich der Anteil der Unternehmen mit schlechter Nachhaltigkeitsleistung auf unter 40%. Der Anteil mittelmäßiger Unternehmen nahm hingegen deutlich zu (vgl. oekom-research AG 2018, S. 24). Abb. 3.1: Nachhaltigkeitsleistungen international tätiger Großunternehmen gemäß oekom research (Quelle: oekom Corporate Responsibility Review 2018, S. 24) Die Nachhaltigkeit ist in den Unternehmen auf sehr verschiedene Arten etabliert. Nachfolgende, grobe Systematik zur Entwicklungsreife der Nachhaltigkeit hilft dabei, verschiedene Unternehmen und ihr Handeln besser einzuordnen (vgl. Schneider, A. 2015, S. 32ff.). Das Reifegradmodell der CSR stellt von links nach rechts einen zunehmenden Nutzen für die Gesellschaft und für die Umwelt dar. CSR 0.0 CSR 1.0 CSR 2.0 CSR 3.0 „Legales und wirtschaftliches Handeln“ „Philanthropisches Handeln“ „Systematisches Management der Nachhaltigkeit“ „Gesellschaftlicher Treiber der Nachhaltigkeit“ Über die Einhaltung der Gesetze hinaus werden ausschließlich ökonomische Ziele verfolgt. Hierdurch entstehen quasi zufällig auch gesell- Spenden und Sponsoring findet statt, ohne dass ein direkter Bezug zur eigentlichen Geschäftstätigkeit besteht. Dies ist allenfalls als Ein- Nachhaltigkeit ist im Kerngeschäft des Unternehmens etabliert, wird professionell integriert gesteuert und ist kulturell verankert. Es werden Produk- Nachhaltigkeit wird nicht nur im Management integriert, sondern das Unternehmen ist ein gesellschaftlicher und politischer Akteur. Über <?page no="39"?> 3.2 Ausprägungen der Nachhaltigkeit in den Unternehmen 39 schaftliche Wirkungen in Form von Arbeitsplätzen, Steuerzahlungen, … Streng genommen kann dieses Verhalten nicht als nachhaltig bezeichnet werden, da keine nachhaltigen Maßnahmen aktiv ergriffen werden. stieg in die Nachhaltigkeit zu verstehen, aber dennoch begrüßenswert. Hierunter ist auch Corporate Citizenship zu fassen. Es werden Einzelmaßnahmen ergriffen, etwa zur Energieeinsparung, aber ohne systematischen Bezug zum Kerngeschäft. Oft spielt das Marketing eine große Rolle, was bis hin zu medialen Übertreibungen führen kann (Greenwashing). te, Prozesse und gesamte Wertschöpfungsketten nachhaltig ausgerichtet. Ausgehend vom Dialog mit den Stakeholdern wird die Nachhaltigkeit in das strategische und operative Steuerungssystem integriert, wofür geeignete Kennzahlen genutzt und intern wie extern berichtet wird. Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit werden ausgeglichen umgesetzt. das Kerngeschäft hinaus setzt sich das Unternehmen als aktiver Treiber für Nachhaltigkeit ein. Es schafft in einem Netzwerk mit Stakeholdern und Kooperationspartnern gesellschaftlichen Mehrwert und ist durch die gesellschaftliche Integration und Akzeptanz auch wirtschaftlich erfolgreich. Tabelle 3.1: Reifegrad der Nachhaltigkeit in Unternehmen (vgl. Schneider, A. 2015, S. 32ff.) <?page no="40"?> 4 Nachhaltigkeitscontrolling vs. traditionelles Controlling Beschäftigt man sich mit dem Nachhaltigkeitscontrolling, so tritt die Frage auf, welche Unterschiede es im Vergleich zum traditionellen Controlling gibt. Doch gibt es „das“ traditionelle Controlling überhaupt? In den Unternehmen finden wir sehr unterschiedliche Rollenbilder des Controllings und diese verändern sich auch im Zeitverlauf. Hierzu sei Péter Horváth, einer der renommiertesten Controllingexperten, zitiert: „Die Erwartungshaltung hat sich in den vergangenen Jahren dahingehend entwickelt, dass ein Controller als Business Partner des Managements fungiert. ... Dazu gehört nicht mehr nur die Bereitstellung von benötigten Informationen, sondern das aktive Vorbereiten und Begleiten von Entscheidungsprozessen sowie das Führen eines hoch qualifizierten Dialoges zwischen den einzelnen Geschäftsfeldern und Funktionsbereichen. Der Controller ist damit sowohl Finanzspezialist als auch unternehmensinterner Berater, schaut in die Vergangenheit genauso wie in die Zukunft, zeichnet sich durch proaktives Handeln und ganzheitliche Kommunikation aus. Genau dieses Rollenverständnis ist auch bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit sowie eines zugehörigen Nachhaltigkeitscontrollings gefragt. Das Thema Nachhaltigkeit verstärkt im Grunde die Entwicklung zum Business Partner des Managements. (Horváth 2013, S. 23) Demnach ist das Nachhaltigkeitscontrolling keine wesensfremde Anforderung an die Controller, sondern Ergebnis einer konsequenten Weiterentwicklung des Controllings. Eine vergleichbare Entwicklung beschreibt der WHU-Controllerindex (Rehring/ Voußem/ Weber 2011, S. 14ff.). Die Rolle des internen Beraters nimmt dabei nicht nur aktuell die größte Bedeutung ein, sondern es wird auch zukünftig mit einer weiteren, deutlichen Zunahme dieses Rollenbildes gerechnet. Der Controller stellt hierbei nicht nur die Zahlen bereit, sondern er empfiehlt auch Maßnahmen und tauscht sich dafür eng mit verschiedenen Funktionsbereichen und dem Management aus. Auch Colsman bestätigt die beim Nachhaltigkeitscontrolling unveränderte Kernaufgabe: „Steuerungsrelevante Daten aufzubereiten mit dem Ziel, dass der Kunde des Controllers eine Entscheidung fällen kann, das ist und das bleibt die grundlegende Aufgabe des Controllings“ (Colsman 2013, S. 50). Wir sehen: das Controlling entwickelt sich weiter und das Top-Thema Nachhaltigkeit ist ein bedeutsamer Bestandteil dieses Wandels. Für das Nachhaltigkeitscontrolling müssen deshalb auch keine völlig neuen Leitbilder und Definitionen entwickelt werden. Das in der Controllerpraxis angesehene Leitbild der IGC International Group of Controlling muss im Sinne der Nach- <?page no="41"?> 41 haltigkeit nur dort erweitert werden, wo der Fokus bisher auf die ökonomische Dimension beschränkt ist. Das Leitbild lautet: „Controller gestalten und begleiten den Management-Prozess der Zielfindung, Planung und Steuerung und tragen damit eine Mitverantwortung für die Zielerreichung“ (Internationaler Controller Verein eV 2007, S. 8). Dies gilt uneingeschränkt auch für das Nachhaltigkeitscontrolling. In der gleichen Quelle heißt es weiter: „Controller sorgen für Strategie-, Ergebnis-, Finanz- und Prozesstransparenz und tragen somit zu höherer Wirtschaftlichkeit bei. Controller koordinieren Teilziele und Teilpläne ganzheitlich und organisieren unternehmensübergreifend das zukunftsorientierte Berichtswesen. Controller moderieren und gestalten den Management-Prozess der Zielfindung, der Planung und der Steuerung so, dass jeder Entscheidungsträger zielorientiert handeln kann. Controller leisten den dazu erforderlichen Service der betriebswirtschaftlichen Daten- und Informationsversorgung. Controller gestalten und pflegen die Controllingsysteme.“ Im Sinne der Nachhaltigkeit ist in der ersten Anführung oben die Strategie-, Ergebnis-, Finanz- und Prozesstransparenz neben dem Wirtschaftlichkeitsziel auch auf die soziale Gerechtigkeit und den Umweltschutz zu erweitern. Beim vorletzten Spiegelstrich ist zu ergänzen, dass neben der betriebswirtschaftlichen Daten- und Informationsversorgung auch Daten aus der sozialen und ökologischen Dimension relevant sind. Das Controller-Leitbild beschreibt also, bis auf die beiden genannten inhaltlichen Erweiterungen, zutreffend auch die Aufgaben und das Selbstverständnis des Nachhaltigkeitscontrollings. Wir haben festgestellt, dass das Leitbild des Controllings mit der Erweiterung auf die drei Zieldimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales auch den Kern eines Nachhaltigkeitscontrollings ausmacht. Diese Erweiterung verschafft dem Nachhaltigkeitscontrolling allerdings auch einige Besonderheiten, die es von einem traditionellen Controlling unterscheidet. Hier mag ein Grund darin liegen, dass sich das Controlling bisher nur unzureichend der Nachhaltigkeit angenommen hat. Die Besonderheiten des Nachhaltigkeitscontrollings werden nachfolgend dargestellt: Die Komplexität steigt Wird das Controlling über die Ökonomie hinaus auch auf die Ökologie und auf die Gesellschaft ausgedehnt, erweitert sich nicht nur das relevante System und es nimmt auch nicht nur die Anzahl der Systemelemente zu, sondern es entstehen auch unzählige Beziehungen zwischen diesen drei Dimensionen. Die einzelnen Systemelemente sind vielfältig miteinander verknüpft. Beispiel Die Entwicklung eines innovativen Produktes verringert den CO 2 -Ausstoß um 20%. In der Öffentlichkeit genießt das Unternehmen durch seine ökologische Pro- <?page no="42"?> 42 4 Nachhaltigkeitscontrolling vs. traditionelles Controlling duktpolitik hohes Ansehen, wodurch es seinen Absatz um 30% steigern kann. Durch diesen Reboundeffekt steigt der gesamte CO 2 -Ausstoß. Das Unternehmen ist somit wirtschaftlich erfolgreich und genießt eine hohe gesellschaftliche Reputation, die Umweltverschmutzung ist aber gestiegen. Solch vielfältige und vernetzte Systeme, die sich durch Rückkopplungen und Zirkularität im Zeitverlauf oft unberechenbar verändern, sind als komplexe Systeme zu bezeichnen. Und auch die Systemgrenzen verschieben sich. Die ausschließliche Betrachtung der unternehmensinternen Wertschöpfungskette reicht bei der Nachhaltigkeit nicht aus. Aus ökonomischer Sicht ist die wirtschaftliche Wertschöpfung eines Lieferanten unerheblich. Im Nachhaltigkeitscontrolling sind die ökologischen und sozialen Erfolge oder Misserfolge der Lieferanten hingegen in hohem Maße relevant. So verringert sich durch die Auslagerung einer umweltbelastenden Produktion an den Lieferanten schließlich nicht die durch ein Produkt insgesamt verursachte Umweltbelastung. Und der Kunde eines als nachhaltig deklarierten Produkts erwartet, dass die sozialen Mindeststandards auch bei der Rohstofferzeugung und bei der Herstellung der Vorprodukte eingehalten werden und nicht nur auf der letzten Produktionsstufe. Schließlich wird auch eine umweltgerechte Lösung des Entsorgungsproblems erwartet, ob der Hersteller dies nun selber übernimmt oder nicht. Die Quantifizierung stößt an Grenzen Controller arbeiten zumeist mit messbaren ökonomischen Daten. Diese Zahlen entstehen im Rechnungswesen nach definierten Spielregeln, den Rechnungslegungsvorschriften. Zumeist entstehen diese Zahlen als Marktpreise (Rohstoffe, Vorprodukte, Gehälter, …), teils sind sie aber auch das Ergebnis bestimmter Regeln und Vorgaben (Bewertung von Fertigprodukten im Lager, Abschreibungen, Rückstellungen, …). Völlig unterschiedliche Kategorien, wie Personalaufwand, Materialaufwand oder Miete, können somit aufaddiert und dem Umsatz gegenübergestellt werden. Wir können damit zum Beispiel exakt planen, wie sich ein um drei Prozent geringerer Materialaufwand auf den Gewinn und die Rendite auswirkt. Auf dieser Basis können Entscheidungen für oder gegen Maßnahmen getroffen werden. Mit den Daten aus der ökologischen und sozialen Dimension ist solch ein mathematischer Umgang häufig nicht möglich. Die Kosten für den Einbau einer Filteranlage können nicht direkt mit der geringeren Luftverschmutzung und der Zufriedenheit der Anwohner saldiert werden. Überwiegt bei dieser Maßnahme der Vorteil die Kosten? Die Rentabilität einer solchen Investition ist unbekannt. Man kann allenfalls vergleichen, wie hoch die Kosten je Tonne eingespartem CO 2 -Ausstoß im Vergleich zu alternativen Maßnahmen wären. Sollte man das verfügbare Investitionsbudget nun aber für die Verringerung des CO 2 -Ausstoßes, für die Erhöhung des Anteils fair gehandelter Vorprodukte oder für Arbeitsschutzmaßnahmen einsetzen? Es liegen jeweils unterschiedliche Maßstäbe vor, die nicht miteinander verrechnet werden können. <?page no="43"?> 43 Es ist nun aber keinesfalls so, dass die aus der fehlenden bzw. einer beschränkten Monetarisierbarkeit resultierenden Schwierigkeiten ausschließlich bei sozialen und ökologischen Kriterien auftreten. Auch schon in der Vergangenheit mussten die Controller mit Größen wie etwa der Mitarbeiter- oder der Kundenzufriedenheit, der Produktqualität oder der Innovationsstärke klarkommen. Dieser erschwerte Umgang mit Daten ist bei sozialen und ökologischen Aspekten daher nicht einzigartig, aber er ist intensiv ausgeprägt. Beispiel Die Produktionsverlagerung vom Stammhaus an einen ausländischen, günstigen Zulieferer verringert zuhause den CO 2 -Ausstoß. Bestehen im Ausland geringere Umweltschutzvorschriften, wird der CO 2 -Ausstoß möglicherweise im Ausland stärker ansteigen, als er im Inland gesenkt wurde. Hinzu kommen noch Transportkosten und die dadurch verursachten Umweltbelastungen. Betrachtet der Hersteller nur die Umweltverschmutzung innerhalb seiner eigenen Werkshallen und nicht die der gesamten Wertschöpfungskette, die er kaum ermitteln kann, erscheint die Maßnahme als äußerst umweltfreundlich. Noch schwieriger wird die Beurteilung, wenn beim ausländischen Lieferanten auch noch soziale Mindeststandards missachtet werden. Kann man die inländische CO 2 -Einsparung mit der Verletzung sozialer Mindeststandards aufrechnen und dabei ermitteln, ob die Maßnahme in Summe vorteilhaft ist? Wohl kaum. Die in weiten Teilen der Ökonomie und vor allem im Controlling übliche Quantifizierung, Summierung und Saldierung ist im sozialen und ökologischen Umfeld nur in sehr engen Grenzen möglich. Die Methoden und Werkzeuge müssen erweitert und die Arbeitsweise muss der schlechteren Quantifizierbarkeit angepasst werden. „Berufsverbände wie die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA), die angehende Investment Professionals schulen, legen darum sehr großen Wert darauf, dass neben der „Investment Calculation“, also der Berechnung, auch das „Investment Judgment“, die Urteilskraft, ausgebildet und systematisch angewendet wird. Es formiert sich in den Kapitalmärkten mehr und mehr Kritik an einer technokratischen Vorstellung, man könne Investments ungefähr so rechnen, wie Physiker die Flugbahn eines Teilchens im Beschleuniger oder Mediziner die Dichte weißer Blutkörperchen im Blut. Die Modellgläubigkeit in Finanzmärkten ist ein großes Problem, und in Bezug auf CSR-Daten in der Investmentanalyse ein großes Hindernis“ (Frank 2014, S. 239). Unklare Zielsysteme Im traditionellen Controlling prägen die obersten Unternehmensziele und die daraus abgeleiteten Unterziele die Planung, Steuerung und Kontrolle. So werden in großen Kapitalgesellschaften aus dem Kapitalmarkt die marktüblichen Mindestrenditen ermittelt. Diese stellen die Hürde (hurdle rate) dar, an der sich die unternehmerischen Maßnahmen messen lassen müssen. Eine Investition ist demnach nur lohnend, wenn sie mindestens so rentabel ist, wie bei einer alternativen Anlage dieses Geldes, <?page no="44"?> 44 4 Nachhaltigkeitscontrolling vs. traditionelles Controlling etwa bei anderen Unternehmen oder im Kapitalmarkt. Diese Denkweise von Investoren (soll ich mein Geld in Unternehmen A oder B anlegen - was bringt mir mehr? ) werden in das interne Steuerungssystem der Unternehmen übertragen. Wenn jedes Geschäftsfeld und jede Investition im Unternehmen die hurdle rate erreicht, wird auch das Unternehmen insgesamt die Mindestverzinsungsanforderung der Kapitalgeber erfüllen. Im Finanzbereich lässt sich also die Logik des Kapitalmarktes direkt mit dem internen Steuerungssystem verbinden. Im Nachhaltigkeitscontrolling existiert hingegen kein einzelnes, extern vorgegebenes Ziel. Im Triple-Bottom-Line-Ansatz dominiert gerade nicht ein Ziel gegenüber den anderen. Aus den uneinheitlichen, teils widersprüchlichen Zielen der Stakeholder lässt sich kein lineares Ziel- und Steuerungssystem transferieren. Eine vergleichbare Logik einer an den Shareholdern ausgerichteten Unternehmenssteuerung existiert in der nachhaltigen Unternehmenssteuerung demnach nicht. Nur beim ökonomischen Triple-Bottom-Line-Ansatz kann nach wie vor ein an den Kapitalgebern ausgerichtetes Steuerungssystem genutzt werden. Wie bereits ausgeführt, widerspricht die rein wirtschaftliche Begründung ökologischer und sozialer Maßnahmen dem grundsätzlichen Ziel der Nachhaltigkeit. Fehlende Standardinstrumente Im Vergleich zum klassischen operativen Controlling existieren im Nachhaltigkeitscontrolling, insbesondere im sozialen Bereich, noch kaum etablierte und standardisierte Steuerungsinstrumente (vgl. Dubielzig 2009, S. 70ff.; Müller 2011, S. 32f.). Im herkömmlichen Controlling werden zahlreiche Methoden und Instrumente benutzt, die so selbstverständlich sind, dass über ihren Einsatz gar nicht mehr bewusst entschieden wird. Dies sind etwa die Methoden der Kosten- und Leistungsrechnung, die Budgetierung auf Basis der Gewinn- und Verlustrechnung oder der Deckungsbeitragsrechnung, die Kalkulation von Produkten und Aufträgen, eine Break-Even- Analyse oder die Investitionsrechenmethoden. Dies sind alles Grundlagen einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung und sie gehören zum Selbstverständnis dieser Disziplin. Im Nachhaltigkeitscontrolling existieren kaum vergleichbare etablierte Instrumente. Teilweise werden bestehende Instrumente in unterschiedlichem Ausmaß erweitert, wie etwa eine ökologische Gewinn- und Verlustrechnung oder eine Sustainability Balanced Scorecard. Daneben existieren konzeptionell anspruchsvolle und umfassende Konzepte, wie etwa der Sustainable Value Added (vgl. www. sustainablevalue.com), das MIPS-Konzept (Materialinput pro Serviceeinheit, das den Naturverbrauch eines Produktes über den gesamten Lebenszyklus misst; vgl. www. mips-online.org) oder der BRIX (Business Resource Intensity Index; vgl. www.brixindex.net), deren praktische Bedeutung aber nach wie vor gering ist. Eine gewisse Standardisierung und Vergleichbarkeit besteht hingegen im Berichtswesen durch die Auswahl von Nachhaltigkeitsindikatoren, die oftmals auf den Richtlinien der Global Reporting Initiative beruhen (vgl. www.global reporting.org). <?page no="45"?> 45 Trotz dieser genannten Schwierigkeiten ist es notwendig, dass die Nachhaltigkeit mit Hilfe des Controllings gesteuert wird und dass das Nachhaltigkeitscontrolling im bestehenden Controlling integriert werden soll (vgl. Colsman 2013, S. 45). Gibt es im Unternehmen das Bekenntnis zur Nachhaltigkeit, muss diese auch professionell gesteuert werden. Sollte sich die Nachhaltigkeit ausschließlich auf das eher situative Ergreifen von Einzelmaßnahmen beschränken, fehlt das Bekenntnis einer ganzheitlichen Umsetzung der Nachhaltigkeit. Eine Unterstützung durch das Controlling ist hierbei nicht notwendig. Bei einzelnen, punktuellen Nachhaltigkeitsprojekten reicht ein Projektcontrolling aus. Eine Integration des Nachhaltigkeitscontrollings in das bestehende Controlling erscheint angebracht, auch wenn zusätzliches Know-how und Methodenwissen benötigt wird, über das die meisten Controller bisher nicht verfügen. Sehen wir das Nachhaltigkeitscontrolling als eine weitere Stufe in der Entwicklung des klassischen Controllings hin zum Business Partner, scheint eine parallele Steuerung der Nachhaltigkeit sogar als unsinnig. Durch das enge Zusammenwirken der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit muss dieses auch in den Steuerungsinstrumenten integriert abgebildet werden. Die Controller sind Experten für die zielgerichtete Steuerung der Unternehmen und verfügen über eine entsprechende System- und Methodenkompetenz. Damit sind sie prädestiniert für eine integrierte Steuerung der Nachhaltigkeit. Dass es in vielen Unternehmen dennoch eine eigene organisatorische Einheit für Nachhaltigkeit gibt, lässt sich vor allem historisch erklären. Ein neues Thema lässt sich im Unternehmen oder generell in einer Organisation am besten dadurch etablieren, dass es einen persönlichen „Kümmerer“ dafür gibt. Erfahrungsgemäß setzt sich eine Idee selten durch, wenn sich jeder nur ein bisschen darum kümmern muss. Ist ein Thema im Unternehmen aber verankert, sollte auch die Organisation angepasst werden, wie es der Sache dienlich ist. Das Nachhaltigkeitscontrolling ist auch nicht als eine Spezialfunktion innerhalb des Controllings zu sehen, wie es etwa das Projekt-, Personal- oder Vertriebscontrolling ist (vgl. Colsman 2013, S. 49f.). Nachhaltigkeit ist in sämtlichen betrieblichen Funktionen und Bereichen relevant und die integrative Umsetzung stellt einen wichtigen Entwicklungsschritt für das Rollenverständnis des Controllings insgesamt dar. Teil A: Erkenntnisse Die Nachhaltigkeit wurde gemäß des Brundtland-Berichts definiert. Hieran richten sich die Politik, die Arbeitgeber- und auch die Gewerkschaftsseite aus. Die abstrakte Definition wird durch das 3-Säulen-Modell bzw. durch den Triple- Bottom-Line-Ansatz präzisiert. Innerhalb dieser drei Dimension können konkrete Managementregeln beschrieben werden, durch die die Nachhaltigkeit operationalisiert wird. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Nachhaltigkeit <?page no="46"?> 46 1 Nachhaltigkeitscontrolling vs. traditionelles Controlling sind zudem auch die SDGs bedeutsam. Auch wenn Nachhaltigkeit gesellschaftlich erwünscht ist, fällt die Umsetzung schwer. Eine an der Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmenssteuerung wird beeinträchtigt durch: eine schlechte Messbarkeit nachhaltigkeitsrelevanter Inhalte, komplexe Beziehungen zwischen den Faktoren der Nachhaltigkeit, eine Geringschätzung zukünftiger Ereignisse, dem Auftreten der Gefangenen-Dilemma-Problematik, dem Missverhältnis zwischen globalen Problemen und einer Einzelmaßnahme und der aus dem Wettbewerbsdruck verursachten Dominanz der Ökonomie. Die Nachhaltigkeit ist in den Unternehmen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Durch eine differenzierte Betrachtung von Nachhaltigkeitsmerkmalen lassen sich Stufen von Reifegraden identifizieren, die für eine Bewertung des Umsetzungsstands bedeutsam sind. Nachhaltigkeitscontrolling ist keine weitere Controllingfunktion, die durch Spezialisten bearbeitet wird, sondern als integraler Bestandteil des Controllings in seiner Weiterentwicklung hin zum Business Partnering zu sehen. Verfolgt das Unternehmen neben den ökonomischen auch ökologische und soziale Ziele, ist es die Aufgabe der Controller, die für diese Ziele notwendige Transparenz zu verschaffen, Chancen zu sichten und geeignete Maßnahmen zu planen. Die Controller müssen dafür lernen, mit Komplexität umzugehen sowie mit qualitativen Daten und unklaren Zielen zu arbeiten. Ebenso müssen sie neue Methoden und Instrumente erlernen, die heute noch nicht zu den Standards der Controllerausbildung zählen. <?page no="47"?> Teil B Nachhaltigkeitscontrolling umsetzen <?page no="48"?> 5 Erwartungen an die Unternehmen Input Die Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung der Nachhaltigkeit sind bekannt. Insbesondere besteht Transparenz über die Unterschiede zwischen dem traditionellen und dem um Nachhaltigkeit erweiterten Controlling. Teilprozesse Bestimmung einer optimalen Nachhaltigkeit Global bedeutsame Nachhaltigkeitsstandards Entwicklung von Nachhaltigkeitszielen in den Unternehmen Stakeholder und ihre Nachhaltigkeitsziele Output Transparenz über die Vielgestaltigkeit der Nachhaltigkeitsziele aus Sicht politischer und gesellschaftlicher Institutionen, aus Sicht der Unternehmen und aus Sicht der Stakeholder sowie über den Prozess derZielbildung. Kriterien optimaler Nachhaltigkeit Welche Art von Nachhaltigkeit oder welche Intensität an Nachhaltigkeit sollte ein Unternehmen anstreben? Wann kann man von einer optimalen Nachhaltigkeit sprechen? In der traditionellen Vorstellung sollten Unternehmen vor allem wertschöpfen. Hohe Gewinne, ein hoher Beschäftigungsstand und hohe Lohnzahlungen, <?page no="49"?> 5.1 Kriterien optimaler Nachhaltigkeit 49 hohe Steuerzahlungen und eine hohe Verzinsung des eingesetzten Kapitals steigern demnach insgesamt den Wohlstand. In einer idealen Vorstellung von Märkten werden bei der Wertschöpfung sämtliche Kosten berücksichtigt, sprich negativ Betroffene werden marktkonform entschädigt. Unter realen Bedingungen werden allerdings nicht alle Interessen im Markt berücksichtigt. Unternehmen verursachen eine Schadschöpfung, wenn negative soziale und ökologische Wirkungen auftreten, für die es keine entsprechende Entschädigung gibt. Wirtschaftliche Aktivitäten verursachen also häufig negative externe Effekte, der Wertschöpfung ist also eine Schadschöpfung gegenüber zu stellen. Bei der Suche nach einer optimalen Nachhaltigkeit sind daher die Wertschöpfung und die Schadschöpfung zu beachten. Abb. 5.1: Wertschöpfung vs. Schadschöpfung (eigene Darstellung in Anlehnung an Beckmann, Schaltegger 2014, S. 329) Vielfach ist eine konfliktäre Beziehung zwischen der Wert- und Schadschöpfung zu beobachten. Dies gilt vor allem bei einem rein quantitativen Wachstum. Wird die Wertschöpfung dadurch erhöht, dass mehr Produkte verkauft werden, wird auch die bei der Produktion verursachte Schadschöpfung größer sein. Aufgrund des Reboundeffekts können sogar umweltfreundlichere Produkte die Schadschöpfung steigern, wenn der Mehrabsatz die Einsparungen an Schäden je Produktüberwiegt. Wie kann hier ein Optimum von Schad- und Wertschöpfung bestimmt werden? Da die Schadschöpfung zumeist nicht ohne weiteres quantifiziert oder gar in Geldgrößen ausgedrückt werden kann, ist auch keine Aufrechnung möglich. Wenn also die Produktion zu einer Wertschöpfung in Höhe von 1 Mio. € führt, die dadurch verursachte Schadschöpfung 0,8 Mio. € beträgt, würde die Produktion einen Mehrwert von 0,2 Mio. € schaffen und wäre somit insgesamt sinnvoll. Das Optimum wäre erreicht, wenn alle unternehmerischen Maßnahmen ergriffen wurden, bei denen die <?page no="50"?> 50 5 Erwartungen an die Unternehmen Wertschöpfung die Schadschöpfung überwiegt. Für Umweltschäden liegen aber meist keine Marktpreise vor und bei sozialen Schäden ist ein Anstieg häufig grundsätzlich nicht akzeptabel. So wäre es etwa nicht vertretbar, einen Anstieg von Menschenrechtsverstößen damit zu rechtfertigen, dass die Wertschöpfung ja stärker gestiegen sei. Kurzfristig dürfte dieser Trade-off kaum zu vermeiden sein. Der Verzicht auf eine hohe Wertschöpfung, um Schäden zu vermeiden, kann insgesamt zu wirtschaftlichen Nachteilen führen. Im Extremfall würden freiwillig nachhaltig agierende Unternehmen mangels wirtschaftlichem Erfolg schrittweise aus dem Markt ausscheiden und nur nicht nachhaltig agierende Unternehmen würden im Marktverbleiben. Bei einer optimalen Ausgestaltung der Nachhaltigkeit ist also der Trade-off zwischen Wert- und Schadschöpfung durch Prozess- und Produktinnovationen oder durch nachhaltige Geschäftsmodelle aufzulösen. Dies können beispielsweise energiesparende Produktionsweisen sein, so dass Energiekosten eingespart und zugleich die Umweltbelastung verringert wird. Oder aber es werden weniger umweltbelastende Produkte angeboten, beispielsweise Hybridfahrzeuge, für die Kunden einen höheren Preis zu bezahlen bereit sind. Schließlich können auch Geschäftsmodelle wie Car Sharing oder Smart Home den Trade-off auflösen. Innovationen nehmen damit eine bedeutsame Rolle auf dem Weg zur Ausgestaltung einer optimalen Nachhaltigkeit ein. Allerdings herrscht vielfach Konsens darüber, dass alleine durch Innovationen der Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise nicht erreicht werden kann. Kritiker bemängeln, dass beispielsweise durch Innovationen alleine die Energiewende nicht realisierbar ist und dass Innovationen aufgrund von Reboundeffekten sogar das Gegenteil bewirken können. Dies wäre der Fall, wenn etwa das Angebot strombetriebener Fahrzeuge den Anreiz zum Kauf eines Zweitwagens erhöht oder wenn der verringerte Aluminiumeinsatz bei Kaffeekapseln zu einem vermehrten Verbrauch führt. In der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags wurde daher über die Rolle von Innovationen ebenfalls kritisch diskutiert. In einem Sondervotum wird beispielsweise kritisiert, dass Innovationen vorschnell als Problemlöser jeglicher Art angesehen werden und dadurch eine ursachenadäquate Problemlösung verhindert wird. Innovationen können auch neue Bedürfnisse generieren, die ökologisch schädlich und gesellschaftlich möglicherweise bedenklich sind. Als Beispiel werden regelmäßige Neuerungen und kurze Lebenszyklen etwa bei Smartphones oder Laptops genannt (vgl. Enquete-Kommission 2013, S. 793). Beziehungen zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen Bei der Suche nach einer optimalen Nachhaltigkeitsintensität können Überlegungen zum funktionalen Zusammenhang zwischen den Nachhaltigkeitsdimensionen hilfreich sein. Die Zielerreichung in den einzelnen Dimensionen muss dabei keinesfalls grundsätzlich komplementär oder konfliktär sein, sondern dies kann je nach <?page no="51"?> 5.1 Kriterien optimaler Nachhaltigkeit 51 Zielausprägung unterschiedlich sein. Folgende schematische Darstellung zeigt hierfür einen möglichen Verlauf. Abb. 5.2: Beispielhafter Zusammenhang zwischen ökologischem bzw. sozialen und ökonomischen Erfolg (eigene Darstellung in Anlehnung an Hort 2008, S. 48) Ausgehend von keinerlei ökologischer bzw. sozialer Zielerreichung dürfte ein gewisses Engagement ökonomisch vorteilhaft sein. Beispielsweise wird der ökonomische und der ökologische Erfolg gesteigert, wenn ineffiziente Produktionsprozesse modernisiert werden oder wenn energieintensive Anlagen durch moderne, energieeffiziente Anlagen ersetzt werden. Der soziale Erfolg wird gesteigert, wenn Arbeitsschutzmaßnahmen erlassen, Arbeitsbedingungen und -abläufe ergonomisch optimiert werden oder wenn die Lieferantenkette auf die Einhaltung von Sozialstandards überprüft wird. Über ein gewisses Niveau hinaus führen weitere ökologische und soziale Maßnahmen aber zu ökonomischen Einbußen. Die naheliegenden und effizientesten Maßnahmen wurden schließlich bereits ergriffen. Durch innovative Maßnahmen lässt sich aber der Verlauf der Kurven verändern, so dass auch Punkte weiter rechts oben erreicht werden können. Im Sinne des ökonomischen Triple-Bottom-Line-Ansatzes werden ökologische und soziale Ziele in dem Ausmaß verfolgt, wie sie das ökonomische Ziel fördern. In der Abbildung wäre dies jeweils der höchste Punkt der Kurven. Im gleichberechtigten Triple-Bottom-Line-Ansatz wären hingegen Zielausprägungen zu wählen, die auf den Funktionen möglichst weit rechts oben liegen. In beiden Ansätzen ist es vorteilhaft, mittels Innovationen die Kurven nach rechts oben zuverschieben. <?page no="52"?> 52 5 Erwartungen an die Unternehmen CSR-Standards Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass ein Controller vor erweiterten und teils auch neuen Herausforderungen steht, wenn er für die nachhaltige Steuerung des Unternehmens verantwortlich ist. Er muss vermehrt mit qualitativen Daten, mit Unschärfen und mit vernetzten Zusammenhängen umgehen können. Insbesondere sind aber auch grundlegende Kenntnisse in ökologischen und sozialen Fragen notwendig. Erstens muss er wissen, welche sozialen und ökologischen Kriterien bedeutsam sind und zweitens sollten die wesentlichen Inhalte dieser Kriterien bekannt sein. In den letzten Jahren wurden zahlreiche rechtliche Vorgaben erlassen, es wurden verschiedene Umwelt- und Sozialstandards entwickelt, Qualitätsanforderungen für Nachhaltigkeitsratings und Standards für die Berichterstattung erstellt. Unternehmen sind heute mit einer Vielzahl solcher Anforderungen, die wir unter den BegriffCSR-Standards zusammenfassen können, konfrontiert. Definition CSR-Standards Unter CSR-Standards sind öffentlich zugängliche Dokumente zu verstehen, die Leitideen, Handlungsfelder, Maßnahmen und Normen vorgeben, die in der Wissenschaft, in der Politik und in den Unternehmen als zweckmäßige Form zur Operationalisierung der Nachhaltigen Entwicklung angesehenwerden. Es ist zuerst ein Überblick über einige der wichtigsten CSR-Standards zu verschaffen. Die Vielfalt der angebotenen Standards ist dabei kaum zu überblicken. So werden beispielswiese in der Studie zu CSR-Instrumenten (vgl. Schoenheit, I. 2012, S. 12ff.) insgesamt 96 Standards genannt. Es soll ein Eindruck gewonnen werden, wie sich diese Standards auf die Unternehmen auswirken. Soll also beispielsweise das Umweltmanagementsystem an EMAS ausgerichtet sein, soll der Nachhaltigkeitsbericht dem GRI-Standard folgen oder sollen die Unternehmensleitlinien den Vorgaben des Deutschen Nachhaltigkeitskodex genügen? Um eine gewisse Ordnung in diese Vielfalt zu bekommen, können diese Standards, ihrem Schwerpunkt entsprechend, in drei Kategorien unterteilt werden (vgl. Dubielzig 2009, S. 38f.): I. Normative Rahmenwerke: Es werden grundlegende Leitlinien vorgegeben, welches Verhalten bzw. welche ökologischen und sozialen Ergebnisse erwünscht oder akzeptabel sind. II. Prozessrichtlinien: Es wird vorgegeben, welche soziale und ökologische Leistungen wie gemessen werden und wie sie kommuniziert werdensollen. III. Managementsysteme: Diese stellen einen systematischen Rahmen zur Verfügung, wie ökologische und soziale Themen gemessen, geplant, gesteuert und kommuniziert werden sollen. Folgende CSR-Standards werden jeweils kurz vorgestellt und einer der angegebenen Kategorien zugeordnet, abschließend werden sie tabellarisch gegenübergestellt: <?page no="53"?> 5.2 CSR-Standards 53 Global Reporting Initiative: Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (II.) Rat für Nachhaltige Entwicklung: Deutscher Nachhaltigkeitskodex(II.) UN Global Compact (I.) OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen (I.) EMAS und ISO 14001 (III.) SA 8000 (III.) ISO 26000 (II.) ISO 14031 (III.) AA 1000 (III.) Zertifizierung durch unabhängige Prüfgesellschaften (II. und III.) Global Reporting Initiative Die Global Reporting Initiative (GRI) ist eine gemeinnützige Stiftung, die 1997 durch das UN-Umweltprogramm und CERES (Coalition for Environmentally Responsible Economies) mit Sitz in Amsterdam gegründet wurde. GRI verfolgt das Ziel, Unternehmen bei der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten zu unterstützen und stellt hierfür Richtlinien, die GRI-Guidelines, zur Verfügung. Diese haben sich mittlerweile als ein internationaler Standard für die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten etabliert. Hierin enthalten sind Prinzipien und Indikatoren zur Messung ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte der Nachhaltigkeit. An diesem Rahmen orientieren sich weltweit zahlreiche Unternehmen und dem entsprechend findet man die GRI-Indikatoren auch in vielen Nachhaltigkeitsberichten, insbesondere bei größeren Unternehmen. Beispielhaft genannt seien hier Daimler, BMW, Volkswagen, Siemens, Evonik, Rewe, BASF, Deutsche Telekom, Deutsche Bank, Axel Springer, Tchibo und viele andere. Link: www.globalreporting.org Durch die GRI-Richtlinien wird ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit zwischen den Unternehmen einzelner Branchen geschaffen. Dabei darf nicht übersehen werden, dass ein Bericht nicht einfach das zusammenfasst, was gemacht und erreicht wurde. Dass über einen Faktor berichtet wird, führt dazu, dass dieser auch gesteuert wird. Er gewinnt im Nachhaltigkeitsmanagement an Bedeutung. Diese Indikatoren stehen bei den Unternehmen und den Stakeholdern unter Beobachtung. Die Prinzipien und Indikatoren des GRI beeinflussen damit das gesamte Nachhaltigkeitsmanagement vieler Unternehmen fundamental, obwohl es hierfür (noch) gar keine gesetzliche Grundlage gibt. Das Europäische Parlament hat im April 2014 allerdings beschlossen, dass Unternehmen von öffentlichem Interesse, das sollen alle 6.000 Unternehmen in der Europäischen Union sein, die mehr als 500 Mitarbeiter haben, zukünftig über ihre Nachhaltigkeitsleistungen berichten müssen. Bis 2017 soll diese Richtlinie in nationales Recht überführt sein. Ein Nachhaltigkeitsbericht ist damit nicht einfach das Ergebnis des Nachhaltigkeitsmanagements, sondern vielmehr Ausgangspunkt für die inhaltliche Ausgestaltung desselben. <?page no="54"?> 54 5 Erwartungen an die Unternehmen “Sustainability is a journey. Along the way, organizations need to set goals, measure performance, and integrate a sustainability strategy into their core planning. GRI’s Reporting Framework allows all organizations to take the first steps towards a sustainable global economy.” (Global Reporting Initiative, in: https: / / www.globalreporting.org/ information/ sustainability-reporting/ Pages / default. aspx, Abruf 27.10.14) Das GRI-Indikatorensystem ist an den drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales ausgerichtet. Eine kurze Beschreibung der ökologischen und gesellschaftlichen Aspekte erfolgt in Kapitel 9.2 bzw. 9.3. Tabelle 5.1: Kategorien und Inhalte der GRI-G4-Letilinien (Quelle: in Anlehnung an Global Reporting Initiative 2013a, S. 9) Die GRI-Standards wurden in der Vergangenheit regelmäßig weiterentwickelt. Seit 2016 gelten die im Jahre 2013 veröffentlichten G4-Standards. Nachdem in den Generationen davor der Umfang relevanter Kriterien immer weiter anstieg und dies auf zunehmende Kritik gestoßen war, steht nun, gemäß dem Motto „Weniger ist mehr“, die Fokussierung auf die wichtigsten Inhalte im Vordergrund. Es reicht also nicht mehr aus, im Sinne der Vollständigkeit möglichst über alle Indikatoren zu berichten. Jedes Unternehmen muss daher systematisch im Dialog mit den Stakeholdern klären, welches seine wesentlichen Handlungsfelder und Indikatoren für die Nachhaltigkeit sind. Diese Wesentlichkeit bezieht sich auf die Bedeutung für das Unternehmen wirtschaftlich ökologisch gesellschaftlich wirtschaftliche Leistung Marktpräsenz indirekte wirtschaftliche Auswirkungen Beschaffung Material Energie Wasser Biodiversität Emissionen … Arbeitspraktiken und menschwürdige Beschäftigung: Arbeitssicherheit Chancengleichheit …Menschenrechte: Gleichberechtigung Kinderarbeit … Gesellschaft: Compliance Korruptionsbekämpfung …Produktverantwortung: Kundengesundheit Produktkennzeichnung ... <?page no="55"?> 5.2 CSR-Standards 55 wie auch für die Stakeholder. Dabei soll die Betrachtung nicht an der Grenze des Unternehmens enden, sondern auch die Bereiche beinhalten, auf die sich die Aktivität des Unternehmens auswirkt. Dies schließt also auch mit ein, ob sich die Lieferanten an soziale und ökologische Standards halten. Dieser Prozess zur Erkennung der wesentlichen Inhalte der Nachhaltigkeit, der als Wesentlichkeitsanalyse bezeichnet wird, wurde zu einem dominierenden Element des Berichtswesens und damit auch substanziell für die Steuerung der Nachhaltigkeit. Dieser Prozess ist daher von den Unternehmen transparentdarzustellen. Deutscher Nachhaltigkeitskodex Der Rat für Nachhaltige Entwicklung ist ein seit 2001 bestehendes Gremium, das die Bundesregierung in Fragen der Nachhaltigkeitspolitik berät. Die 15 Ratsmitglieder sind allesamt Personen des öffentlichen Lebens, die auf vielseitige Weise mit der Nachhaltigkeit verbunden sind. Diese werden jeweils für eine Amtszeit vom Bundeskanzler berufen. Die konkreten Aufgaben liegen in der Umsetzung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, in der Benennung von konkreten Handlungsfeldern und Projekten sowie in der Schaffung eines öffentlichen Bewusstseins für die Nachhaltigkeit. Link: www.nachhaltigkeitsrat.de Mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex hat der Nachhaltigkeitsrat einen Leitfaden und eine Datenbank entwickelt, um die Nachhaltigkeitsleistungen von Unternehmen verbindlich darzustellen und transparent zu machen. Der Kodex richtet sich dabei insbesondere auch an kleinere und mittelständische Unternehmen, denen andere, zumeist an Großunternehmen ausgerichteten Regelwerke, nicht adäquat erscheinen. Link: www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de, dort steht der Kodex in der aktuellen Version zum Download zur Verfügung. Im Vergleich zu vielen anderen Regelwerken ist der Deutsche Nachhaltigkeitskodex mit 20 Kriterien und einem Umfang von drei DIN A4-Seiten recht kompakt ausgefallen. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung begründet dies damit, dass gängige Berichte sehr umfangreich sind und kaum Leser hätten. Im Dialog mit Vertretern von Unternehmen sowie vom Kapitalmarkt habe man daher „eine Auswahl von Leistungsindikatoren destilliert und Kriterien beschrieben, die kurz und übersichtlich die wesentlichen Informationen zu den Nachhaltigkeitsleistungen eines Unternehmens darstellen“ (Rat für Nachhaltige Entwicklung/ Bertelsmann Stiftung 2013, S. 8). Die Kriterien sind zum einen verbal zu beschreiben und zum anderen durch ausgewählte Leistungsindikatoren aus dem GRI-Indikatorenkatalog quantitativ zu ergänzen. Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex umfasst folgende vier Kapitel, denen die insgesamt 20 Kriterien zugeordnet sind. <?page no="56"?> 56 5 Erwartungen an die Unternehmen Strategie 1. strategische Analyse und Maßnahmen 2. Wesentlichkeit 3. Ziele 4. Tiefe derWertschöpfungskette Prozessmanagement 5. Verantwortung 6. Regeln undProzesse 7. Kontrolle 8. Anreizsysteme 9. BeteiligungvonAnspruchsgruppen 10. Innovations-und Produktmanagement Umwelt 11. Inanspruchnahme von natürlichen Ressourcen 12. Ressourcenmanagement 13. klimarelevante Emissionen Gesellschaft 14. Arbeitnehmerrechte 15. Chancengleichheit 16. Qualifizierung 17. Menschenrechte 18. Gemeinwesen 19. politische Einflussnahme 20. gesetzes-undrichtlinienkonformes V h l Tabelle 5.2: Kriterien des Deutschen Nachhaltigkeitskodex vom Rat für Nachhaltige Entwicklung Der Rat für Nachhaltige Entwicklung stellt einen Leitfaden zur Verfügung, in dem sämtliche Kriterien ausführlich erläutert werden, wodurch auch bisher weniger erfahrene Unternehmen den Kodex eigenständig ausfüllen können (dieser Leitfaden steht auf www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de zum Download zur Verfügung). Sollte ein Unternehmen bereits umfassend nach GRI berichten, kann dies durch eine sogenannte Entsprechenserklärung bestätigt werden. Die Anforderungen des Deutschen Nachhaltigkeitskodex werden damit erfüllt, ohne dass dieser nochmals gesondert erstellt werden muss. Trotz des eher geringen Aufwands und der politisch prominenten Positionierung des Deutschen Nachhaltigkeitskodex ist die Anzahl der teilnehmenden Unternehmen aktuell noch recht gering. UN Global Compact Der UN Global Compact ist ein Pakt aus dem Jahre 1999, den die Vereinten Nationen gemeinsam mit einer Vielzahl an Unternehmen, sowie mit Verbänden, wissenschaftlichen Einrichtungen und Städten geschlossen hat. Ziel ist, bei zunehmender Globalisierung soziale und ökologische Mindeststandards weltweit einzuhalten. Zu diesem Zwecke beinhaltet der Global Compact 10 Prinzipien, die aufgeteilt sind in Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung. Link: www.unglobalcompact.org <?page no="57"?> 5.2 CSR-Standards 57 Menschenrechte 1. Schutz der internationalen Menschen rechte unterstützen 2. keine Mitschuld an Menschenrechtsverletzungen Arbeitsnormen 3. Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen 4. Einsatz für die Beseitigung aller Formen vonZwangsarbeit 5. Einsatz für die Abschaffung von Kinderarbeit 6. Einsatz für die Beseitigung von Diskriminierung Umweltschutz 7. Verfolgung des Vorsorgeprinzips im Umgang mit Umweltproblemen 8. Initiativen zur Förderung des Umweltbewusstseins 9. Entwicklung und Verbreitung umwelt freundlicher Technologien Korruptionsbekämpfung 10. Eintritt gegen alle Arten von Korruption, einschließlich Erpressung und Bestechung Tabelle 5.3: 10 Prinzipien des UN Global Compact Die Teilnahme am UN Global Compact erfolgt dadurch, dass Unternehmen dem UN- Generalsekretär schriftlich ihren Willen mitteilen, die sozialen und ökologischen Mindeststandards zukünftig einzuhalten. Der Global Compact ist mit über 12.000 teilnehmenden Unternehmen und Institutionen aus über 145 Ländern weltweit wohl eine der größten Initiativen zur Sicherung der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit. Die Umsetzung der 10 Prinzipien ist als langfristiger Prozess mit kontinuierlichen Verbesserungen zu sehen. Hierzu sind die Prinzipien sowohl in der Unternehmensstrategie als auch im operativen Management zu verankern. Es sollen messbare Ziele definiert und über die Zielerreichung soll berichtet werden. Die interne und externe Kommunikation soll die Prinzipien thematisieren, ein Lernprozess soll angestoßen werden und innovative Geschäftsideen sollen erwachsen. Zur Unterstützung der Unternehmen hat der UN Global Compact gemeinsam mit der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft Deloitte einen Leitfaden entwickelt, in dem ein Managementmodell beschrieben wird, der die praktische Umsetzung des UN Global Compactfördert. Link: https: / / www.unglobalcompact.org/ docs/ news_events/ 9.1_news_archives/ 2010_06_17/ UN_Global_Compact_Management_Model.pdf Kritik erfährt dieser Pakt aufgrund der teils eher niedrig hängenden Minimalstandards, die in vielen Ländern eh gesetzlich geregelt sind. Zudem stellen die Berichte eine Selbstauskunft dar, die nicht überprüft werden. Eine verbindliche Berichts- <?page no="58"?> 58 5 Erwartungen an die Unternehmen pflicht gibt es seit 2011. Seitdem wurden über 2.000 Unternehmen vom Global Compact ausgeschlossen, weil sie entweder keine Berichte erstellten oder keine Fortschritte im Bemühen um die Einhaltung der Standards vorweisen konnten. OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen Die Leitsätze der OECD sind ein insbesondere bei großen, multinationalen Unternehmen sehr bekannter Standard. Gerade solche, weltweit tätigen Unternehmen machen sich die internationale Arbeitsteilung zunutze. Es werden weltweit Rohstoffe und Vorprodukte beschafft, die Produktion ist über viele Länder verteilt und auch Verkauf und Service finden sich auf allen Kontinenten. Dabei liegen die unterschiedlichsten Formen von Arbeitsteilung vor. Die Wertschöpfung erfolgt teils bei reinen Tochtergesellschaften oder bei Gemeinschaftsunternehmen, bei denen eine Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligung vorliegt. Teils wird mit unabhängigen Partnern, teils aber auch mit abhängigen Fremdfirmen kooperiert, oder im eigenen Unternehmen arbeiten die Mitarbeiter fremder Firmen usw. In solch komplexen Strukturen wirkt die Geschäftspolitik weit über die eigenen Konzerngrenzen hinaus. Eine verantwortliche Unternehmensführung kann sich dementsprechend nicht nur um das eigene Haus kümmern, sondern muss die gesamte Wertschöpfungskette und sämtliche Geschäftsbeziehungen im Blick haben. Damit muss sich ein Unternehmen auch bei seinen Zulieferern darum bemühen, dass sich diese an die OECD-Standards halten. Die multinationalen Konzerne sollen aufgrund ihrer Macht und Einflussmöglichkeiten quasi als Multiplikator genutzt werden, um verantwortungsvolles Handeln weltweit zu übertragen. Bereits 1976 entwickelte die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, diese Leitsätze. Alle Unternehmen in den insgesamt 34 Mitgliedsländern sind aufgerufen, diese Leitsätze einzuhalten. Die nationale Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze in Deutschland ist beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie angesiedelt. Bei den OECD-Leitsätzen handelt es sich um „Empfehlungen für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln in einem globalen Kontext“. Diese umfassen: allgemeine Grundsätze Offenlegung von Informationen Menschenrechte Beschäftigung und Beziehungen zwischen Sozialpartnern Umwelt Bekämpfung von Bestechung, Bestechungsgeldforderungen und Schmiergelderpressung Verbraucherinteressen Wissenschaft und Technologie Wettbewerb Besteuerung <?page no="59"?> 5.2 CSR-Standards 59 Eine nähere Beschreibung der Leitsätze findet sich in der Veröffentlichung der OECD: www.oecd.org/ cowww.oecd.org/ corporate/ mne/ 48808708.pdfrporate/ mne/ 48808708.pdf Die OECD setzt mit ihren Leitsätzen vor allem auf das Streben nach einer guten Reputation. Ein Verstoß gegen die Leitsätze wird weder rechtlich beanstandet noch sanktioniert, sondern nur als solcher veröffentlicht. Verschiedene Nichtregierungsorganisationen (NGO) bemängeln, dass die OECD Verstöße nicht konsequent verfolge und bei der Verhinderung der Aufklärung eines Verstoßes durch die Unternehmen dies ebenfalls nur sehr vage kommentiere. Trotz der recht hohen Bekanntheit gilt dieser Standard als insgesamt eher schwach wirksam. EMAS und ISO 14001 Hierbei handelt es sich um zwei international anerkannte Leitlinien für Umweltmanagementsysteme, nach denen sich Unternehmen zertifizieren lassen können. EMAS, „Eco-Management and Audit Scheme“, wurde 1993 von der Europäischen Kommission entwickelt, die ISO-Norm, wie der Name schon sagt, im Jahre 1996 von der „International Organization for Standardisation“. Die ISO 14001 ist dabei ein Bestandteil von EMAS. EMAS geht also über die ISO-Norm hinaus und gilt, nach eigener Aussage, als das weltweit anspruchsvollste System für nachhaltiges Umweltmanagement. Die ISO-Zertifizierung wird weltweit vorgenommen, EMAS vorwiegend in Europa. EMAS hat insbesondere in Deutschland eine große Bedeutung. Links: www.emas.de www.iso.org/ iso/ iso14000 Mit einem Umweltmanagementsystem werden Prozesse und Instrumente bestimmt, sowie Verantwortliche und Ressourcen festgelegt, um die Umweltbelastungen zu erfassen, zu bewerten und zu senken. Die umweltrelevanten Auswirkungen sollen hierdurch transparent gemacht und in das unternehmerische Handeln integriert werden. Ein aktives Umweltmanagement soll für ein positives Image gegenüber Kunden und der Öffentlichkeit führen sowie die eigenen Mitarbeiter für Umweltbelange sensibilisieren. Des Weiteren soll hierdurch sichergestellt werden, dass rechtliche und unternehmerische Vorgaben eingehalten werden. Schließlich sollen Kostensenkungspotentiale erkannt und gehoben werden. Eine Zertifizierung setzt als erstes eine umfassende Ist-Aufnahme sämtlicher umweltrelevanter Aspekte voraus. Anschließend sind die Strategien, Abläufe, Instrumente und Zuständigkeiten des Umweltmanagementsystems aufzubauen. Durch eine interne Umweltbetriebsprüfung, die alle 3-4 Jahre wiederholt wird, ist die Einhaltung der vorgegebenen Verfahren zu prüfen und zu dokumentieren. Schließlich erfolgt eine unabhängige Begutachtung durch einen öffentlich bestellten Umweltgutachter. Die Öffentlichkeit wird durch eine sogenannte Umwelterklärung darüber informiert, welche Auswirkungen das Unternehmen auf die Umwelt hat und welche <?page no="60"?> 60 5 Erwartungen an die Unternehmen umweltbezogenen Leistungen das Unternehmen übernimmt (vgl. Gnam, Schwalbe 2013, S. 147ff.). Die Umweltmanagementsysteme erreichen eine umweltbezogene Optimierung der Produktion und vermögen Emissionen und Abfälle zu verringern. Kritik erfahren diese aber dadurch, dass sie das Kerngeschäft und die Produktentwicklung oft zu wenig erreichen. Das gegenwärtige Geschäft würde zwar optimiert und die Einhaltung von Vorgaben würde sichergestellt, ein kreativer, zukunftsgerichteter Prozess und kontinuierliche Verbesserungen würden hierdurch aber nicht in Gang gesetzt. SA8000 Der Social Accountability 8000 ist ein Management- und Zertifzierungssystem, das die Einhaltung von Mindeststandards im sozialen Bereich fordert. Der SA8000 ist international wohl der bekannteste und in der Praxis bedeutsamste soziale und ethische Standard. Herausgeber ist die Social Accountability International (SAI), eine Nicht-Regierungsorganisation mit Sitz in New York. Inhaltlich beziehen sich die Vorgaben auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen, denen die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen und die Empfehlungen der ILO (International Labour Organization) zugrunde liegen. Als Ziel nennt SAI: „to create a common language to measure social performance“ (Social Accountability International: SA8000-Standard 2014, in: http: / / www.sa-intl.org/ index.cfm? fuseaction=Page.ViewPage& Page ID= 937, Abruf 08.11.14). Im Einzelnen sind die Kriterien: Link: www.sa-intl.org Unternehmen können neben einer rein internen Prüfung die Einhaltung der Standards auch extern überprüfen und zertifizieren lassen. Zertifizierungen führen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Zertifizierungsgesellschaften wie etwa der TÜV oder die DEKRA sowie spezialisierte Beratungsgesellschaften durch. Voraussetzung einer Zertifizierung ist dabei, wie auch schon bei den anderen Umwelt- und Sozialstandards, ein funktionierendes, darauf ausgerichtetes Managementsystem. Dies beginnt mit einer Einbindung der Kriterien in die Unternehmensgrundsätze, deren Verankerung im Top-Management, der Bestimmung von Leistungen, Prozessen und Richtlinien sowie der regelmäßigen Überprüfung derselben. keine Diskriminierung Bezahlung existenzsichernder Löhne menschenwürdige Arbeitsbedingungen <?page no="61"?> 5.2 CSR-Standards 61 ISO 26000 Der 2010 veröffentlichte Standard ISO 26000 ist ein Leitfaden für gesellschaftlich verantwortliches Verhalten. Dabei wurde bewusst davon abgesehen, diesen als zertifizierbare Norm zu konzipieren. Eine Zertifizierung würde vielmehr Ziel und Zweck dieses Leitfadens widersprechen, da dieser als Handlungs- und Orientierungshilfe zu sehen ist und keine konkreten Anforderungen und Werteskalen enthält. Ebenso wenig ist er daher auch als Bestandteil von Verträgen oder Ausschreibungen geeignet. Darin unterscheidet sich die ISO 26000 also von der SA 8000. Es werden 7 Grundsätze gesellschaftlicher Verantwortung genannt: Rechenschaftspflicht Transparenz Ethisches Verhalten Achtung der Interessen von Anspruchsgruppen Achtung der Rechtsstaatlichkeit Achtung internationaler Verhaltensstandards Achtung der Menschenrechte Daneben folgen Empfehlungen zur Einbindung der Stakeholder, zur Unternehmensführung, zur Förderung der Menschenrechte, zum Umgang mit Mitarbeitern, zur Verantwortung für die Umwelt, zu fairem Verhalten im Wettbewerb, zur Achtung der Konsumenten und zur Verantwortungsübernahme in der Gesellschaft. Hierbei werden jeweils recht konkrete Anforderungen gestellt, wie beispielsweise die Verbraucherbildung, faire Vertragspraktiken, Schutz von Kundendaten oder aber auch die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Ermöglichung des Zugangs zu neuen Technologien. Insgesamt erweist sich der ISO 26000 als leicht verständlich und recht einfach nutzbar. Unternehmen, die den Leitfaden anwenden, überprüfen die praktische Relevanz der einzelnen Kriterien und entscheiden, ob und wie dies im Unternehmen zukünftig berücksichtigt werden soll. Als Ergebnis kann sich das Unternehmen erklären, bei der Übernahme der gesellschaftlichen Verantwortung an ISO 26000 zu orientieren. Link: www.ifan.org ISO 14031 Während ISO 14001 sich auf messbare Umweltleistungen der Unternehmen und der Produkte beschränkt, befasst sich die ISO 14031 mit der Methodik zur Bewertung von Umweltleistungen. Die seit 1999 bestehende ISO 14031 ist nicht zur Zertifizierung ausgelegt, sondern soll als internes Steuerungsinstrument, aber auch der internen und externen Kommunikation dienen. Beginnend mit der Planung der Bewertung von Umweltleistungen, insbesondere durch die Auswahl geeigneter Kennzahlen, folgt die Datenerfassung, die Datenana- <?page no="62"?> 62 5 Erwartungen an die Unternehmen lyse, Beurteilung und Berichterstattung bzw. Kommunikation. Daraus abgeleitet können Erkenntnisse gewonnen werden, wie eine weitere Bewertung der Umweltleistungen noch besser erfolgen kann. Dieser Prozess kann in Form eines kontinuierlichen Kreislaufs durchgeführt werden. Bei der Auswahl von Kennzahlen erweist sich die Orientierung an den Stakeholdern als sinnvoll. Hierbei ist zu entscheiden, welche Informationen für diese wichtig sind, warum diese bedeutsam sind und wie diese Informationen zur Verfügung gestellt werden sollen. Bei der Analyse ist beispielsweise zu hinterfragen, wie sich Umweltaspekte auf Kosten auswirken, wie diese die Arbeitssicherheit beeinflussen oder ob sie gegen rechtliche Vorgaben verstoßen. Als Ergebnis liegt eine fokussierte und nachvollziehbare Betrachtung der wesentlichen Umweltkennzahlen vor. Dies kann als Basis für ein systematisches Umweltmanagement dienen, insbesondere auch bei kleineren und mittelständischen Unternehmen. AA 1000 Der AccountAbility 1000 ist ein international anerkannter Qualitätsstandard für ein an den Stakeholdern ausgerichtetes Nachhaltigkeitsmanagement und Nachhaltigkeitsberichtswesen. Die Standards stammen vom Institute of Social and Ethical Accountability und bestehen seit 1999. Im Mittelpunkt des Standards steht dabei die Einbindung der Interessen der Stakeholder. Dies müssen keinesfalls nur generelle Absichtserklärungen sein, sondern es können mit diesen auch konkrete Vereinbarungen getroffen werden, wie etwa der zukünftige Verzicht auf bestimmte Tätigkeiten oder die Steigerung förderlicher Maßnahmen. Durch die systematische Einbindung der Stakeholder in das Management und das Reporting der Nachhaltigkeit wird die Stakeholder-Orientierung insgesamt gestärkt. Wie nun auch beim GRI G4 werden beim AA 1000 in Stakeholder-Workshops Themenfelder herausgearbeitet und priorisiert, die sowohl für das Unternehmen als auch für die Stakeholder besonders relevant sind. Auch hierfür wird die Wesentlichkeitsmatrix genutzt. Der AA 1000 unterscheidet sich von GRI durch seine reine Prozessorientierung. Es werden keine inhaltlichen Vorgaben gemacht, sondern Prozesse, Strukturen und Prinzipien definiert. Hierfür gibt es klare Vorgaben, weshalb ein testiertes Nachhaltigkeitsmanagement nach AA 1000 für die Stakeholder eine hohe Glaubwürdigkeit besitzt. Die inhaltlichen Anforderungen nach GRI können komplementär zum AA 1000 genutzt werden. Link: www.accountability.org Eine Prüfung nach dem Standard AA 1000 beinhaltet vorrangig den Umgang mit den Stakeholdern. Dies ist der verpflichtende und unveränderbare Bestandteil der Prüfung. Im Rahmen einer Testierung müssen Unternehmen dokumentierte Prozesse vorlegen, wie die Einbindung der Stakeholder erfolgt. Dafür müssen Verantwortlichkeiten, Aufgaben und Schnittstellen geklärt sein. Solch eine Institutionalisierung des Stakeholder-Managements ist zugleich Voraussetzung für eine personenunabhängige Umsetzung. Optional ist hingegen die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichtswesens. <?page no="63"?> 5.2 CSR-Standards 63 Der AA 1000 basiert auf drei Prinzipien: Inclusivity, Materiality und Responsivness. Die Inclusivity erfordert die Einbindung aller Stakeholder, die Materiality erfordert die Einbindung aller für das Unternehmen und die Stakeholder relevanten Themen und Responsivness stellt Anforderungen an die Berücksichtigung bzw. Zusammenarbeit mit den Stakeholdern. Nachfolgend findet sich beispielhaft die Stellungnahme der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers, die den Nachhaltigkeitsbericht der Volkswagen AG auf Basis des AA 1000 geprüfthat: Im Zusammenhang mit der Beachtung der AccountAbility Prinzipien AA 1000 haben wir unter anderem die folgenden Prüfungshandlungen durchgeführt: Befragungen des Managements Gewinnung eines Verständnisses über die relevanten Systeme und Prozesse und Nachvollzug der entsprechenden Dokumentation Stichprobenhaftes Einholen von Nachweisen über die Implementierung und Eignung der relevanten Systeme und Prozesse ..... Wesentliche Feststellungen und Urteile Feststellungen hinsichtlich des AA 1000 AccountAbility Prinzips „Inclusivity“: Die Identifizierung und Analyse wesentlicher interner und externer Stakeholdererwartungen werden durch interne Unterlagen, öffentlich zugängliche Informationen und Stakeholderverpflichtungen belegt. Bei einzelnen Marken werden eigenständige Stakeholder Managementsysteme entwickelt. Die Einbindung des Managements in die Ergebnisse des Stakeholderprozesses auf Konzernebene ist sichergestellt. Formale Anforderungen zum Stakeholder Management sind bisher nicht konzernweit definiert. Feststellungen hinsichtlich des AA1000 AccountAbility Prinzips „Materiality“: Der Prozess zur Bestimmung der Wesentlichkeit von Nachhaltigkeitsthemen basiert auf angemessenen Kriterien und ist etabliert. Die identifizierten wesentlichen Themen werden im Rahmen des Nachhaltigkeitsreportings priorisiert dargestellt. Die Einbindung von Marken und Regionen in den Wesentlichkeitsprozess ist uneinheitlich. Feststellungen hinsichtlich des AA1000 AccountAbility Prinzips „Responsiveness“: Die Volkswagen AG verfügt über Verfahren zur Reaktion auf für Stakeholder wichtige Nachhaltigkeitsthemen. Die Marken und Regionen sowie einzelne Gesellschaften des Volkswagen Konzerns verfügen zum Teil über keine systematischen Verfahren zur standardisierten Reaktion auf Stakeholderanfragen. Quelle: Volkswagen AG, Bericht zur Nachhaltigkeit 2012, in: http: / / nachhaltigkeitsbericht 2012.volkswagenag.com/ hintergrund/ statement-der-wirtschaftspruefer.html, Abruf 25.11.14 <?page no="64"?> 64 5 Erwartungen an die Unternehmen Zertifizierungen durch unabhängige Prüfgesellschaften Verschiedene unabhängige Prüfgesellschaften bieten eine Überprüfung und oft auch eine Zertifizierung des Nachhaltigkeitsmanagements an. Geprüft werden sowohl die bereits zuvor aufgeführten Standards, oder auch eigene Standards. Die oben vorgestellten Standardsetzer verfügen zumeist nicht über eine eigene Infrastruktur, um die Einhaltung der Standards zu überprüfen, um Auflagen zu erteilen und nachzuhalten und um die Unternehmen zu zertifizieren. Hierfür kooperieren sie mit unabhängigen Partnern, die ihrerseits ihre Qualifizierung als Prüfer nachweisen müssen und sich teils für die Vergabe von Zertifikaten lizenzieren müssen. Hierfür sind insbesondere solche Gesellschaften prädestiniert, die seit jeher mit Prüfaufgaben betraut sind und ihre Unabhängigkeit unter Beweis gestellt haben. Dies sind in Deutschland die aus dem Bereich der technischen Prüfung stammenden Technischen Überwachungsvereine (TÜV) und die Dekra. Darüber hinaus übernehmen diese Aufgaben auch die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, wie KPMG, PwC, Ernst & Young oder Deloitte. Neben der eigentlichen Prüfung und Zertifizierung bieten diese Gesellschaften in aller Regel auch umfassende Beratungsleistungen rund um die Zertifizierung an, was für diese mittlerweile auch ein interessantes neues Geschäftsfeld darstellt. Neben der Zertifizierung von Standards nach EMAS oder ISO werden teilweise auch eigene Standards definiert, zur Zertifizierung angeboten und durch umfassende Beratungsangebote ergänzt. So bietet beispielsweise der TÜV Rheinland neben einer Zertifizierung der SA8000 auch die Überprüfung und Zertifizierung des Compliance- Managementsystems oder der Nachhaltigen Unternehmensführung an. Der TÜV Süd bietet die Beratung und Validierung von Nachhaltigkeitsberichten gemäß eigener Verfahrensstandards an und die DEKRA zertifiziert nach ISO 14001 und berät zur Nachhaltigkeit im Bereich des Rechts, der Managementsysteme und der ökologischen Effizienz der Produkte. PwC erarbeitete mit PUMA eine ökologische Gewinn- und Verlustrechnung für einzelne Produkte, entwickelte einen Ansatz, um die langfristigen Folgen des ökonomischen Handelns sichtbar und auch messbar zu machen und unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung einer Corporate Responsibility-Strategie. Schließlich bietet die KPMG zahlreiche Zertifizierungen und Validierungen, etwa nach ISO 14001 oder EMAS an und berät Unternehmen beim Nachhaltigkeitsmanagement und bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Als Beispiel für einen eigenentwickelten Standard soll die Zertifizierung „Nachhaltige Unternehmensführung“ durch den TÜV Rheinland dienen (vgl. http: / / www. tuv.com/ de/ deutschland/ gk/ managementsysteme/ nachhaltigkeit_csr/ nachhaltige_ unternehmensfuehrung/ nachhaltige_unternehmensfuehrung.html, Abruf 24.11.14). Beispiel TÜV Rheinland: Zertifizierung „Nachhaltige Unternehmensführung“ Angelehnt an das 3-Säulen-Modell soll dieser Standard, branchenunabhängig, eine Vereinheitlichung des Nachhaltigkeitsverständnisses bewirken und Nachhaltigkeit <?page no="65"?> 5.2 CSR-Standards 65 messbar und damit steuerbar und kommunizierbar machen. Hierfür werden ca. 100 ökonomische, ökologische und soziale Prüfkriterien untersucht und bewertet. Diesen sind sieben Dimensionen zugeordnet: 1. Grundsätze der nachhaltigen Unternehmensführung 2. Soziale Verantwortung 3. Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz 4. Qualität 5. Umwelt und Energie 6. Informationssicherheit 7. Überwachung von Gesetzen, Richtlinien und Kodizes Bereits bestehende Zertifikate, etwa nach SA 8000 oder ISO 14001, können in das Zertifikat der nachhaltigen Unternehmensführung integriert werden. Vergleichende Darstellung der CSR-Standards Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass bei den CSR-Standards zwei verschiedene Ausprägungen existieren. Zum einen gibt es Standards, die konkrete inhaltliche Anforderungen vorgeben. Diese sind entweder messbar und sollten im Zeitverlauf immer bessere Werte aufweisen (z.B. Verringerung der Fluktuation, Verringerung des Energie- und Wasserverbrauchs, Steigerung der Diversity) oder es sind eindeutige Mindestanforderungen vorgegeben, die keinesfalls unterschritten werden dürfen (z.B. keine Kinderarbeit, Freiheit zur Bildung von Arbeitnehmervertretungen, keine Menschenrechtsverstöße bei Lieferanten, keine Verunreinigung von Gewässern). Neben diesen, auf Inhalte fokussierten Standards, gibt es auch prozessbezogene Standards. Hierbei müssen eindeutige Prozesse zur praktischen Umsetzung des Nachhaltigkeitsmanagements definiert und dokumentiert sein. Im Rahmen dieser Prozesse ist dann beispielsweise auch die Entwicklung der konkreten Nachhaltigkeitsziele, also der Inhalte, ein wichtiger Bestandteil. Auch wenn hier nur ein Auszug an Umwelt- und Sozialstandards vorgestellt wurde, zeigt sich doch die große Vielfalt an Konzepten. Vielfach überschneiden sie sich inhaltlich oder sie sind sich zumindest ähnlich. ISO 14001 ist etwa Bestandteil von EMAS. Teilweise ergänzen sie sich auch, wie etwa AccountAbility 1000 und GRI. So richten sich beispielsweise Volkswagen oder auch die Otto-Gruppe prozessseitig an den AA 1000 Standard, inhaltlich aber an den GRI-Kriterien aus. Letztlich scheint die komplementäre Anwendung von inhaltlichen und prozessualen Standards sinnvoll zu sein. Auf Basis inhaltlicher Vorgaben kann die Einhaltung konkreter, wichtiger Ergebnisziele beobachtet werden. Unternehmen werden vergleichbar, das Ergebnis ihrer Nachhaltigkeitsaktivitäten kann beurteilt und in eine Rangfolge gebracht werden. Andererseits sind auch prozessbezogene Standards sinnvoll, da nur so unternehmensindividuelle Eigenarten berücksichtigt werden können. Auch kann hierdurch die spezifische Stakeholdersituation Einfluss auf das Unternehmen ausüben. Die Stakeholder können also durchaus zu einer eigenen Gewichtung und Priorisierung von <?page no="66"?> 66 5 Erwartungen an die Unternehmen Nachhaltigkeitszielen kommen, die sich von anderen Unternehmen oder von weltweit einheitlichen Vorgaben unterscheiden. Die Weiterentwicklung des GRI- Standards führt in der vierten Generation (G4) ebenfalls von einer vollumfänglichen Vorgabe von Berichtsinhalten hin zu einer individuellen Herleitung der für das Unternehmen und die Stakeholder wesentlichen Kriterien. Bei inhaltlichen Vorgaben dominieren zumeist Effizienzmaßnahmen. Diese enthalten entweder Höchstgrenzen für negative oder Mindestwerte für positive Auswirkungen. Dem ökonomischen Prinzip entsprechend sind diese Vorgaben möglichst effizient zu erreichen. Werden aber für ein Produkt oder eine Leistung geschlossene Kreisläufe entwickelt (Cradle-to-Cradle-Ansatz), dann ist mangels negativer Auswirkungen auf die Umwelt Öko-Effizienz irrelevant. Auch Maßnahmen zur Steigerung der Suffizienz, also einer Verringerung des Konsums und einer Selbstbegrenzung, können unter einer einseitigen Betrachtung der Effizienz leiden. Kann beispielsweise eine Waschmaschine mit 10% weniger Ressourceneinsatz, also effizienter hergestellt werden, verbessern sich die Nachhaltigkeitswerte des Unternehmens. Geht dies aber mit einer erwarteten verkürzten Lebensdauer der Waschmaschine von 5 statt bisher 7 Jahren einher, ist dies ökologisch ein Rückschritt und keinesfalls nachhaltig. Stakeholder könnten diese Problematik falscher Effizienz thematisieren und vom Unternehmen Lösungeneinfordern. Managementsystemen für Nachhaltigkeit wird teils vorgeworfen, dass sie keine eigendynamische Entwicklung im Unternehmen anstoßen, sondern vielmehr formalistisch umgesetzt werden. Ziel ist dann, mit möglichst wenig Aufwand die Mindestanforderungen zu erfüllen. Nicht selten finden sich dann in Stabsstellen angesiedelte Experten in Form von Umweltbeauftragten, CSR-Managern oder Compliance- Verantwortlichen, die parallel zum „normalen“ Management Nachhaltigkeitsbelange umsetzen. Hierdurch können zwar die Anforderungen für Zertifizierungen erfüllt werden, die Rechtssicherheit wird gewahrt und möglicherweise werden auch Energie- und Ressourceneinsparungen erzielt. Die Integration in das Unternehmen, in das strategische und operative Management, wird hiermit nicht erreicht. Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass nur eine Integration der Nachhaltigkeit in bestehende Managementsysteme erfolgversprechend ist. Spezielle Nachhaltigkeitsmanagementsysteme werden sogar als „Tarnkappen“ bezeichnet, die allenfalls zu mehr Effizienz und Compliance führen, nicht aber zu mehr Effektivität, zu mehr Innovationen und zu einem sich fortschreitend entwickelnden Nachhaltigkeitsmanagement (vgl. Rogall 2012, S. 746). Ohne ein solches funktionierendes Managementsystem werden zumindest mittelfristig auch keine Erfolge erzielt. Kurzfristig mag dies noch möglich sein, wenn man durch sporadische Aktionen und einzelne Projekte eben nur „die tiefhängenden Früchte erntet“. Damit endet dann aber auch schon das nachhaltige Engagement. Entscheidend ist also die Etablierung eines funktionierenden Managementsystems. Ob dies erfolgreich gelingt, ist von einem Außenstehenden deutlich schwieriger zu beurteilen. Werden die dokumentierten Prozesse und Spielregeln tatsächlich mit Überzeu- <?page no="67"?> 5.3 Nachhaltigkeitsziele der Unternehmen 67 gung gelebt oder ist dies nicht vielmehr ein schön beschriebenes Stück Papier? Die Beurteilung der Nachhaltigkeit wird daher neben dem Managementsystem auch immer die tatsächlichen Ergebnisse bei einzelnen sozialen und ökologischen Kriterien beinhalten. Zur internen Steuerung der Nachhaltigkeit werden diese Kennzahlen zudem eh bedeutsam sein. Der Nachhaltigkeitscontroller muss also sowohl das funktionierende Managementsystem als auch die tatsächlichen Daten im Blick haben. Tabelle 5.4 stellt die zuvor beleuchteten CSR-Standards nochmals anschaulich gegenüber. Ergänzend sei hierzu auf eine Studie verwiesen, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales beauftragt wurde. Hierbei wurden verschiedene CSR- Instrumente anhand eines einheitlichen Kriterienkatalogs miteinander verglichen (vgl. Schoenheit, I. 2012). Nachhaltigkeitsziele der Unternehmen Triple-Bottom-Line vs. ökonomische Triple-Bottom-Line Der Triple-Bottom-Line-Ansatz legt nahe, dass Unternehmen ökonomische, ökologische und soziale Ziele gleichermaßen verfolgen. Demnach ist zwischen diesen Zielen, vor allem wenn Zielkonflikte auftreten, eine Balance herzustellen. In Weber et. al. (vgl. Weber, Georg, Janke, Mack 2012, S. 17) werden hingegen Befragungen genannt, aus denen resultiert, dass in den Unternehmen vor allem der ökonomische Triple-Bottom-Line-Ansatz als relevant angesehen wird. Damit stehen die ökonomischen Ziele über den sozialen und ökologischen Zielen. Soziale und ökologische Maßnahmen werden also nur getätigt, wenn sie sich ökonomisch lohnen. Bereits in Kapitel 2.1 haben wir festgestellt, dass diese Priorisierung den Begriff des nachhaltigen Managements streng genommen ad absurdum führt. Soziale und ökologische Maßnahmen würden entweder Kosten senken, wie z.B. Rohstoffkosten, Umweltabgaben oder Strafzahlungen, und wären damit nichts anderes als ein klassisches Kostenmanagement. Oder sie wären Bestandteil des Ertragsmanagements, wenn durch ökologische Produkte Kunden gewonnen oder höhere Preise erzielt werden können. Schließlich wären solche Maßnahmen auch dann wirtschaftlich sinnvoll, wenn sie Risiken begrenzen, etwa durch die geringere Abhängigkeit von Schwankungen der Energiekosten oder durch eine höhere Akzeptanz bei Anwohnern oder in der Politik. Die Senkung des Risikos und damit auch der Risikokosten ist Aufgabe des Risikomanagements, unabhängig davon, ob sich ein Unternehmen an der Nachhaltigkeit ausrichtet. Wenn soziale und ökologische Anforderungen nur erfüllt werden, wenn diese das ökonomische Ziel steigern, handelt das Unternehmen nicht nachhaltig, sondern wirtschaftlich. Hierfür wird der Begriff der Nachhaltigkeit nicht benötigt. <?page no="68"?> Tabelle 5.4: Übersicht über die wichtigsten CSR-Standards für Unternehmen 6 5 Erwartungen an die Unternehmen <?page no="69"?> 5.3 Nachhaltigkeitsziele der Unternehmen 69 In der nachhaltigen Unternehmensführung ist es daher anzustreben, dass alle drei Zieldimensionen erreicht werden. Echte Nachhaltigkeit setzt voraus, dass ökologische und soziale Ziele verfolgt werden, auch wenn sie mal im Widerspruch zu den ökonomischen Zielen stehen. Ansonsten würde selbst ein unsozial und unökologisch gesinnter Unternehmer soziale und ökologische Ziele erfüllen, wenn er dadurch den Gewinn steigern kann. Es erscheint nicht sinnvoll, hierfür den Begriff der Nachhaltigkeit zu benutzen. Nachhaltigkeit ist daher keine rein ökonomische, sondern eine Werteentscheidung. Und diese erfordert die Einbindung der Stakeholder. Weber et. al. (vgl. Weber, Georg, Janke, Mack 2012, S. 18) führen aus, dass viele Unternehmen trotz der ökonomischen Dominanz und des damit einhergehenden „Business-as-usual“ Erfolge in der Nachhaltigkeit proklamieren, da alleine schon die Thematisierung der Nachhaltigkeit die Anzahl rentabler sozialer und ökologischer Maßnahmen gesteigert habe. Fraglich bleibt dabei allerdings, ob diese Erfolge nur „aus der Ernte der niedrig hängenden Früchte“ resultiert, oder ob auf dieser Basis der Atem auch für Veränderungen im Geschäftsmodell und für weitreichende Investitionen in eine nachhaltige Produktion oder in ein nachhaltiges Produktdesign ausreichenwird. Kapitalgeber, die als Gesellschafter über die Entscheidungshoheit im Unternehmen verfügen, müssten dafür einen Teil ihrer Entscheidungskompetenz an die Stakeholder abtreten. Dies würde mehr umfassen als die Durchführung von Stakeholderdialogen. Wenn ökologische und soziale Interessen gleichberechtigt relevant sein sollen, müssten die Stakeholder auch über eine entsprechende Entscheidungskompetenz verfügen. Nicht nur das Management wäre aufgefordert, das Gleichgewicht von ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen zu wahren, sondern auch die Unternehmensverfassung müsste hierfür angepasst sein. Letztlich sollten wir ein Unternehmen aber nicht wie ein lineares, technisches System behandeln. Es ist nicht so, dass die Eigentümer entscheiden, das Management dies eins zu eins umsetzen und die Mitarbeiter dies genauso abarbeiten. Faktisch hat das Management gegenüber den Eigentümern aufgrund seines Informationsvorsprungs und seiner Handlungsspielräume Macht (Principal-Agent-Theorie) und aus dem gleichen Grund haben die Mitarbeiter auch Macht gegenüber dem Management. Sowohl Mitarbeiter als auch Manager haben in einem gewissen Umfang Handlungsspielräume, um Entscheidungen an eigenen Werten auszurichten. Und die „Rechtskonstruktion“ Kapitalgesellschaft ist auch nicht Entwickler und Träger ethischer Standards, sondern dies können nur die Menschen sein. Das Unternehmen wird also durch die ethischen Standards seiner Stakeholder, insbesondere der Unternehmensleitung und der Mitarbeiter, geprägt. Daher werden wir selten ein ausschließlich an den Shareholdern ausgerichtetes Unternehmen, welches konsequenterweise den ökonomischen Triple-Bottom-Line-Ansatz wählt, finden. Ebenso selten dürften Unternehmen sein, die die Entscheidungskompetenz insgesamt auf die Stakeholder verlagert haben. In verschiedenen Ausprägungen werden die Stakeholder also Einfluss auf die Nachhaltigkeitsziele nehmen. <?page no="70"?> 70 5 Erwartungen an die Unternehmen Betrachten wir anstatt börsennotierter Kapitalgesellschaften mittelständische, familiengeführte Unternehmen, stellt sich die Frage nach den Nachhaltigkeitszielen häufig anders dar. Hier haben die Eigentümer in aller Regel einen längerfristigen Planungshorizont, weil das Unternehmen auf Lebzeiten existiert und auch darüber hinaus der nächsten Generation stark und gesund zur Verfügung stehen soll. Die Gesellschafter haben einen stärker ganzheitlichen Blick auf ihr Unternehmen und werden daher auch den Nachhaltigkeitszielen oftmals mehr Platz einräumen. Nachhaltigkeit ist hier häufig sogar eine Selbstverständlichkeit, da sie den persönlichen Wertevorstellungen der Eigentümer entspricht. Teils verschmelzen die Werte der Eigentümer mit denen des Unternehmens. Zahlreiche Verhaltensweisen gelten als eine Selbstverständlichkeit, weshalb diese gar nicht mehr thematisiert und schon gar nicht dokumentiert und gemessen werden. Dies umfasst beispielsweise den anständigen Umgang mit Mitarbeitern und Geschäftspartnern oder der Verzicht auf Umweltverschmutzung, wenn die Folgen in der Nachbarschaft direkt zu spüren wären. Die ökonomischen Motive für nachhaltiges Engagement entsprechen den klassischen Unternehmenszielen. Im Einzelnen können dies beispielsweise folgende Motive sein: Gewinnsteigerung Reduktiondes Ressourceneinsatzes Energieeinsparung Höhere Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen Existenzsicherung Gesellschaftliche Legitimation des Unternehmens und seiner Produkte Früherkennung von Gefahren und Chancen durch Dialog mit Stakeholdern Höhere Planungssicherheit Sicherung der Loyalität der Mitarbeiter Steigerung der Attraktivität für neue Mitarbeiter Vorteile im Markt Reputationsgewinn Wettbewerbsvorteile durch nachhaltige Produkte und Dienstleistungen Entwicklung neuerGeschäftsfelder Erschließung neuer Märkte Höhere Erfolgschancen bei öffentlichen Ausschreibungen Tabelle 5.5: Ökonomische Gründe für Nachhaltigkeit <?page no="71"?> 5.3 Nachhaltigkeitsziele der Unternehmen 71 Bei den ökologischen und sozialen Zielen bedienen sich die meisten Unternehmen an den im vorangegangenen Kapitel vorgestellten CSR-Standards. Diese geben teils sehr konkrete Inhalte und auch Normen vor, an denen sich Unternehmen zu orientieren haben, wenn sie sich nach einem Standard prüfen und zertifizieren lassen wollen. Wie bereits dargelegt, wird den individuellen Besonderheiten der Unternehmen dadurch Rechnung getragen, dass diese selber die Wesentlichkeit der Inhalte, gemeinsam mit den Stakeholdern, begründen müssen. Die CSR-Standards ihrerseits orientieren sich an gesellschaftlichen Standards, die in der Regel weltweit akzeptiert sind bzw. von internationalen Organisationen entwickelt und vertreten werden. Dies gilt etwa bei der Einhaltung der Menschenrechte, dem Verbot von Kinderarbeit und Diskriminierung. Etwas anders stellt sich die Herkunft der Standards im ökologischen Bereich dar. Diese begründen sich zumeist auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Aufgrund komplexer Zusammenhänge kann die Auswirkung einzelner Umweltfaktoren oft aber nur unvollständig erklärt werden. Dies wäre etwa der Zusammenhang zwischen weltweitem CO 2 -Ausstoß und der Klimaerwärmung sowie dessen Folgen. Ist die Senkung des CO 2 -Ausstoßes aber das wichtigste umweltpolitische Ziel? Nicht wenige kritisieren die zu einseitige Ausrichtung der Umweltpolitik und der öffentlichen Wahrnehmung am CO 2 - Ausstoß. Die generellen Anforderungen an ökologisch nachhaltige Unternehmen wurden bereits in Kapitel 2.1, zitiert aus Dylick/ Hockerts, aufgestellt: „Ecologically sustainable companies use only natural resources that are consumed at a rate below the natural reproduction, or at a rate below the development of substitutes. They do not cause emissions that accumulate in the environment at a rate beyond the capacity of the natural system to absorb and assimilate these emissions. Finally they do not engage in activity that degrades eco-system services.“ (Dylick, Hockerts 2002, S. 133) Im sogenannten Memorandum für eine Green Economy, das gemeinsam vom Bundesumweltministerium und dem Bundesverband der Deutschen Industrie erarbeitet wurde, sind folgende wesentlichen Ziele für ein umweltverträgliches Wachstum genannt (vgl. Bundesumweltministerium / Bundesverband der Deutschen Industrie 2012, S. 9): Vermeidung schädlicher Emissionen und Schadstoffeinträge in sämtliche Umweltmedien Vermeidung von Abfällen durch Schaffung geschlossener Stoffkreisläufe Senkung des Einsatzes nicht erneuerbarer Ressourcen Effiziente Nutzung von Energie, Rohstoffen und anderer natürlicher Ressourcen Ersetzen nicht erneuerbarer Ressourcen durch nachhaltig erzeugte erneuerbare Ressourcen <?page no="72"?> 72 5 Erwartungen an die Unternehmen Langfristige Umstellung einer auf erneuerbare Energien basierenden Energieversorgung Erhaltung bzw. Wiederherstellung der biologischen Vielfalt sowie der Ökosysteme und ihrer Leistungen Die Verringerung oder das Verbot umweltschädigender Handlungen wird häufig auf internationalen Umweltkonferenzen beschlossen und dann auf die nationale Umweltpolitik übertragen. Neben der naturwissenschaftlichen Basis sind solche Entscheidungen immer auch politisch geprägt: Welches Land verpflichtet sich wie stark die Umweltbelastung zu verringern? Gibt es Ausnahmereglungen für besondere Situationen, gibt es Unterstützungszahlungen, Übergangsregelungen etc. Auch innerhalb eines Landes müssen anschließend Regeln für die Umsetzung erlassen werden. Wird bei der Verringerung der Umweltbelastung beim Konsumenten angesetzt, etwa durch die Vorgabe von Grenzwerten wie beim Schadstoffausstoß von Heizungen und Autos oder die Einführung einer Umweltsteuer. Oder erfolgen die Eingriffe bei den Unternehmen, etwa durch Verbote, Grenzwerte oder Umweltsteuern. Auch hierbei ist zu klären, ob dies für alle Branchen gilt, innerhalb welchen Zeitraums die Ziele erreicht werden müssen und wie mit möglichen Konsequenzen, beispielsweise der Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu ausländischen Unternehmen oder hohe Preissteigerungen bei Konsumenten, umzugehen ist. Die Praxis zeigt, dass eine Quantifizierung der Umweltverschmutzung nur unter Schwierigkeiten und mit großen Unsicherheiten vom globalen Ziel der Sicherung einer intakten Umwelt herleitbar ist. Ebenso schwierig ist das Herunterbrechen der globalen Ziele auf einzelne Länder, auf einzelne Branchen und Unternehmen bzw. auf einzelne Konsumenten. Angelehnt an das Messkonzept des ökologischen Fußabdrucks müsste dieser beispielsweise in Deutschland um rund 60% verringert werden, damit er der Biokapazität entspricht (gegenwärtig beträgt der ökologische Fußabdruck in Deutschland ca. das 2,4-fache der vorhandenen Biokapazität). Der ökologische Fußabdruck müsste in seine Bestandteile zerlegt werden, die im Durchschnitt um 60% verringert werden müssten. Trotz aller Unsicherheiten scheint dieses Herunterbrechen globaler Ziele bis auf einzelne Konsumenten und Unternehmen aber der einzige sinnvolle Weg zu sein, die Umweltbelastung auf einem inhaltlich begründbaren Weg zu verringern. Bei freiwilligen CSR-Maßnahmen werden Unternehmen diese hingegen wohl selten direkt aus globalen Umwelt- und Sozialzielen ableiten. Auf Basis der europaweiten CSR-Studie „Corporate Impact Assessment and Management“ wird empfohlen, Maßnahmen hinsichtlich des gesellschaftlichen „Impact“ auszuwählen (vgl. Impact- Consortium 2013). Die leitende Frage ist dabei stets, wie ein größtmöglicher Nutzen für die Gesellschaft erreicht werden kann. Dies ist unternehmensindividuell zu bewerten und hängt von den jeweiligen Handlungsmöglichkeiten der Unternehmen und den Interessen der Stakeholder ab. <?page no="73"?> 5.4 Nachhaltigkeitsziele der Stakeholder 73 Nachhaltigkeitsziele der Stakeholder Die Einflussmöglichkeiten der Stakeholder In einem kapitalistisch geprägten Wirtschaftssystem treffen die Eigentümer eines Unternehmens die Entscheidungen. In der Praxis wird diese Entscheidungsfreiheit teils unter Zwang, teils auch freiwillig eingeschränkt. Einerseits gibt es Einflussnahmen der Gesetzgeber, welche die Handlungsfreiheit der Unternehmer beeinträchtigen (z.B. Mitbestimmungsrechte der Mitarbeiter, Kündigungsschutz, Fusionsverbote, Veröffentlichungspflichten, Verbraucherschutz...), andererseits beschränken Unternehmen ihre Handlungsfreiheit auf Basis von Verträgen auch freiwillig (z.B. langfristige Rahmenverträge mit Lieferanten und Kunden, Kreditverträge mit Banken, Kooperationen mit anderen Unternehmen, ...). Solche freiwilligen Verträge werden eingegangen, wenn sie für das Unternehmen insgesamt vorteilhaft sind. Einfluss auf das Unternehmen können aber auch weitere Interessengruppen nehmen. Personen oder Gruppen, die ein Interesse am Unternehmen haben, werden als Stakeholder bezeichnet. Gemäß ihrer Beziehung zum Unternehmen können interne und externe Stakeholder unterschieden werden. Abb. 5.3: Interne und externe Stakeholder Neben den rechtlichen und vertraglichen Ansprüchen der Stakeholder gibt es auch solche, die sich aus den faktischen Machtverhältnissen ergeben. Dies gilt insbesondere für die Kunden. Bei intensivem Wettbewerb muss sich das Unternehmen den Wünschen der Kunden unterwerfen, da diese sonst bei einem anderen Anbieter kaufen. Auch beim Gewinnen und Halten besonders qualifizierter Mitarbeiter muss sich ein Unternehmen engagieren, um für diese der attraktivste Arbeitgeber zu sein. Das <?page no="74"?> 74 5 Erwartungen an die Unternehmen Verhalten den Banken gegenüber wird transparent und fair sein, wenn man diese auch zukünftig als Kreditgeber gewinnen möchte. Solche Stakeholder haben also Macht, da sie beim Wettbewerber kaufen können, den Arbeitgeber wechseln können oder einen Kredit verweigern können. Es gibt aber auch Stakeholder, die mangels direkt spürbarer Konsequenzen weniger mächtig sind. In dieser Beziehung ist das Unternehmen der mächtigere Partner. Dies gilt beispielsweise für geringqualifizierte Mitarbeiter, die relativ einfach ersetzt werden können oder für Anwohner, die Lärm und Umweltverschmutzung ertragen müssen. Dies können auch Lieferanten sein, denen aufgrund geringer Verhandlungsmacht die Konditionen diktiert werden können oder generell die Gesellschaft, die neben den positiven Effekten der Unternehmen auch von negativen externen Effekten betroffen ist. Einhergehend mit der Bedeutungszunahme der Nachhaltigkeit ist auch eine zunehmend veränderte Rolle der Gesellschaft im Hinblick auf die Unternehmen zu beobachten. Eine Sichtweise ist das grundgesetzlich garantierte Privateigentum und die daraus resultierende unternehmerische Freiheit. Die Existenz der Unternehmen und das unternehmerische Handeln bedürfen demnach keiner Rechtfertigung, solange eben die gesetzlichen und vertraglichen Anforderungen der Stakeholder erfüllt werden. Von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, wird aber eben dies in Frage gestellt. So heißt es etwa sehr plakativ, ob denn die Menschen für die Unternehmen oder die Unternehmen für die Menschen da seien oder dass Wirtschaft und Wachstum keinen Selbstzweck darstellen dürfe. Aus diesem Perspektivenwechsel gewinnen die Stakeholder drastisch an Bedeutung. Sollte also aus Sicht der Stakeholder ein Unternehmen mehr Schaden als Nutzen verursachen, verlöre es seine Existenzberechtigung - seine sogenannte „license to operate“. Die negativen externen Effekte, die von der Gesellschaft zu tragen sind, möglicherweise auch erst von zukünftigen Generationen, müssen erfasst und den positiven Effekten, etwa in Form von Produkten, Arbeitsplätzen und Steuerzahlungen, gegenübergestellt werden. Mit solchen Fragestellungen beschäftigt sich die Theorie des soziologischen Institutionalismus. Demnach können Unternehmen ihre Existenz nicht nur durch wirtschaftlichen Erfolg sichern, sondern sie benötigen auch die gesellschaftliche Legitimität. Diese erhalten sie, wenn ihr Verhalten den Erwartungen der sozialen Umwelt entspricht. Haben sich in einer Gesellschaft bestimmte Erwartungen gebildet, die nicht mehr hinterfragt, sondern allgemein akzeptiert werden, spricht man von institutionalisierten Erwartungen. An diese müssen sich die Unternehmen halten, selbst wenn diese Erwartungen einer logischen Überprüfung nicht standhalten würden (vgl. Becker, Baltzer, Ulrich 2014, S. 46ff.). Stehen Unternehmen nicht zu diesen Erwartungen, bauen sie eine Legitimitätsfassade auf, die nach außen ein konformes Verhalten signalisiert und damit die Legitimität sichert, ohne dass sich das Unternehmen tatsächlich konform verhält. So kann ein Unternehmen, um nachhaltig zu wirken und seine Legitimität zu sichern, umfangreiche Nachhaltigkeitsberichte erstellen und öffentlichkeitswirksam soziale Projekte fördern, ohne dass das Unternehmen im Kern auf nachhaltiges Wirtschaften ausge- <?page no="75"?> 5.4 Nachhaltigkeitsziele der Stakeholder 75 richtet ist. Es wird also Windowdressing betrieben. Die institutionalisierten Erwartungen, vor allem gegenüber großen Unternehmen, beinhalten ein aktives Nachhaltigkeitsmanagement. Nicht das Unternehmen, das sich nachhaltig engagiert muss sich rechtfertigen, sondern das Unternehmen, das sich wenig oder nicht engagiert. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass der Nachhaltigkeitsbericht nur zur Legitimitätsfassade gehört. Nicht selten sind aber Entwicklungen zu beobachten, dass eine zuerst ungeliebte Pflicht allmählich doch Akzeptanz findet, dass die Vorteile zunehmend erkannt und der Aufwand begrenzt wird. Der Nachhaltigkeitsbericht, erst als Legitimationsfassade erstellt, gewinnt im Unternehmen zunehmend Akzeptanz, wird für Entscheidungen genutzt und das Management bringt sich engagiert in die Weiterentwicklung ein. Das Eigentumsrecht an der Umwelt Negative externe Effekte entstehen, wenn Kosten nicht im Unternehmen, sondern außerhalb anfallen und diese den Unternehmen nicht in Rechnung gestellt werden. Diese Kosten werden daher auch nicht im Rechnungswesen erfasst und fließen dementsprechend auch nicht in unternehmerische Entscheidungen ein. Die Unternehmen werden mit diesen externen Kosten nicht belastet, da sie oft nicht genau bekannt sind und da es unklar ist, ob überhaupt jemand, von wem und in welchem Umfang geschädigt wurde. Wer trägt also etwa den Schaden eines hohen Treibhausgasausstosses, wie kann man diesen genau beziffern und wie kann man ihn dem Verursacher zuordnen? Unklare Eigentumsrechte sind eine wesentliche Ursache für externe Kosten. Da aber der Schaden „irgendwo“ entsteht, ist (im Sinne des Coase-Theorems) der „Gesellschaft“ das Eigentumsrecht an der Umwelt zuzuordnen. Die Gesellschaft stellt dann ihr Eigentum, die Umwelt, den Unternehmen nur zur Verfügung, wenn es sich für die Gesellschaft lohnt. Wenn ein Unternehmen also die Umwelt nutzen möchte, zur Entnahme von Ressourcen oder zur Abgabe von Emissionen, muss dies von der Gesellschaft auch erlaubt werden. Trotz vieler schwammiger Begriffe: wer ist die Gesellschaft? , wer spricht bzw. verhandelt für sie? , was ist das Verhandlungsobjekt? , usw., stellt die Zuordnung eines Eigentumsrechts an ökologischen Ressourcen (ecological equity) eine bedeutsame Aufwertung des Stakeholders „Gesellschaft“ dar. Welche Rolle der Gesellschaft als Stakeholder zugeordnet wird und wie sie in Entscheidungen eingebunden wird, liegt weitgehend im eigenen Ermessen der Unternehmen. Man kann gesellschaftliche Gruppen zu weitreichenden Entscheidungen befragen oder man kann eine Entscheidung gemeinsam treffen. Man kann gesellschaftliche Gruppen mit konträren Ansichten ausschließen oder sie bewusst einbinden. Die praktische Umsetzung eines Stakeholdermanagements ist in einer großen Bandbreite möglich und abhängig von der Überzeugung, welche Rolle die Nachhaltigkeit im Unternehmen einnehmen soll. Bei einer Missachtung gesellschaftlicher Erwartungen oder auch bei einer Fehleinschätzung öffentlicher Reaktionen kann, gefördert durch Internet und soziale Medien, massiver Druck auf die Unternehmen entstehen, was zu beträchtlichen Schäden führen kann. Folgen können Rufschädigungen, Kundenboykotte oder ein Ausschluss bei öffentlichen Aufträgen sein. <?page no="76"?> 76 5 Erwartungen an die Unternehmen Beispiel Brent Spar 1995 sollte die dem Shell-Konzern gehörende Öltankplattform Brent Spar in der Nordsee versenkt werden, da sie wegen neuer Pipelines nicht mehr benötigt wurde. Greenpeace-Aktivisten besetzten die Plattform, um zu verhindern, dass dies ein Präzedenzfall für die Versenkung von Industrieschrott im Meer wird. In einer zuvor beauftragten Studie von Shell wurde die Versenkung der Plattform allerdings als die sinnvollste Alternative mit nur geringen Umweltbeeinträchtigungen beurteilt und auch rechtlich sprach dieser nichts entgegen. In einigen Ländern führte die geplante Versenkung zu großer medialer Aufmerksamkeit. Es folgten Boykottaufrufe gegen Shell-Tankstellen mit Absatzeinbußen von bis zu 50%. Schließlich verzichtete Shell auf die Versenkung und verschrottete die Anlage an Land. Shell erlitt aber einen beträchtlichen Imageschaden. Brent Spar ist auch noch nach 25 Jahren für viele immer noch ein Sinnbild für umweltverschmutzendes und selbstherrliches Verhalten großer Konzerne. Dass Greenpeace die Menge an Ölrückständen abweichend von den Angaben von Shell viel zu hoch angegeben hatte, im Nachgang die Zahlen von Shell aber wieder bestätigt hatte, wurde von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Neben dem Eigentumsrecht an ökologischen Ressourcen gilt gegenwärtig die Frage nach dem Eigentumsrecht an Daten noch als weitgehend ungeklärt. Durch Internet- Suchmaschinen, durch soziale Netzwerke und durch mit dem Internet verbundene mobile Geräte generierte Daten werden von den jeweiligen Anbietern genutzt. Den Nutzern ist vielfach nicht bekannt, welche Daten von und über sie generiert werden, was mit diesen gemacht wird und welchen Wert diese haben. Durch zahlreiche Sensoren im Auto gelangen auch die Fahrzeughersteller an eine große Menge an Daten. Hier sind die Eigentumsrechte ebenfalls noch unklar. Bei global aufgestellten, internationalen Konzernen sind die Eingriffsmöglichkeiten einzelner Länder nur begrenzt. Abb. 5.4: Einfluss externer Stakeholder auf unternehmerische Nachhaltigkeit (Quelle: eigene Abbildung, angelehnt an Schaltegger, Hörisch, Windolph, Harms 2012, S. 20) <?page no="77"?> 5.4 Nachhaltigkeitsziele der Stakeholder 77 Welche externen Stakeholder fördern das nachhaltige Engagement des Unternehmens? Die Reputation und die Sicherung bzw. der Aufbau einer Legitimität gelten für Unternehmen als wichtigster Grund für das Engagement in der Nachhaltigkeit. Die Legitimität wird vor allem von NGOs und von den Medien bzw. der Öffentlichkeit eingefordert. Sie gelten daher, wie der Corporate Sustainability Barometer zeigt, als die für die Nachhaltigkeit bedeutsamsten externen Stakeholder (vgl. Schaltegger, Hörisch, Windolph, Harms 2012, S. 20). Auffallend ist darüber hinaus, dass die Wettbewerber und die Aktionäre bzw. Eigentümer wie auch die Ratingagenturen für ein Nachhaltigkeitsengagement förderlicher sind als die Konsumenten. Scheinbar stellt die Nachhaltigkeit im intensiven Wettbewerb ein wichtiges Unterscheidungskriterium dar. Entgegen der landläufigen Meinung sind die Aktionäre und Investoren keinesfalls nur an kurzfristigen ökonomischen Zielen orientiert, sondern sie fördern die Nachhaltigkeit sogar überdurchschnittlich. Bedeutsam sind zudem nationale und internationale Behörden sowie der Gesetzgeber, was sicherlich der faktischen Macht dieser Institutionen geschuldet ist. Die geringste Unterstützung für nachhaltiges Engagement geht von Versicherungen, Banken und Lieferanten aus. Dass Banken und Versicherungen die Nachhaltigkeit der Unternehmen nur schwach fördern, ist schwer nachvollziehbar. Alleine der Aspekt der Risikobegrenzung müsste für diese Stakeholder schon ein Grund sein, um mehr Nachhaltigkeit einzufordern. Bereits in der vorangegangenen Studie waren Banken und Versicherungen nur schwache Unterstützer der Nachhaltigkeit. In der Gruppe der für die Nachhaltigkeit besonders bedeutsamen Stakeholder befinden sich mehrere, die vor allem die Legitimität und die Risikobegrenzung einfordern. Dies gilt etwa für die NGO, Verbände, Medien, staatliche Institutionen und eingeschränkt auch für Investoren und Ratingagenturen. Die Bedeutung marktnaher Stakeholder wie Kunden und Lieferanten ist geringer. Damit besteht die Gefahr, dass Nachhaltigkeitsmanagement mehr Gewicht auf die Legitimation und die Abwehr von Risiken legt als auf die Realisierung von Chancen im Markt, etwa durch die Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen oder durch die Erschließung neuer Geschäftsfelder. Nur hierdurch können aber herausragende Effizienzpotentiale gehoben oder Produkte mit geschlossenen Ressourcenkreisläufen entwickelt werden. Mittelfristig dürften solche aktiven Maßnahmen für die Nachhaltigkeit bedeutsamer sein als bei einer einseitigen Fokussierung auf die Legitimitätssicherung und Risikobegrenzung. Verfügt ein Unternehmen nicht über systematisch hergeleitete Nachhaltigkeitsziele, ist es die Aufgabe der Controller, Zielklarheit zu verschaffen. Dies beginnt mit der Schaffung eines Bewusstseins und der Sensibilisierung des Managements für die Bedeutung der Nachhaltigkeit. Unter Berücksichtigung des Reifegrads der Nachhaltigkeit sind unter Einbindung der Stakeholder Ziele zu finden und es ist Transparenz über die Ausgangslage zu verschaffen. Auf dieser Basis können Maßnahmen be- <?page no="78"?> 78 5 Erwartungen an die Unternehmen schlossen und die Umsetzung begleitet werden. Bedeutsam ist dabei auch die Information der Funktionalbereiche und der Geschäftsbereiche über die strategische Bedeutung der Nachhaltigkeit sowie über das Umsetzungskonzept (vgl. Horvath, Gleich 2013, S. 23). Die systematische Einbindung der Stakeholder wird in Kapitel 7.3 behandelt. Kapitel 5: Erkenntnisse Nachhaltige Prozess- und Produktinnovationen können bewirken, dass ökologische bzw. soziale Ziele und zugleich auch ökonomische Ziele erreicht werden. Insbesondere aufgrund von Reboundeffekten führen solche Innovationen aber noch nicht automatisch zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Es existieren zahlreiche CSR-Standards, die Leitideen, Normen und Handlungsfelder vorgeben, die für eine nachhaltige Unternehmensführung zweckmäßig sind. Hierbei existieren Standards, die konkrete inhaltliche Anforderungen formulieren. Ein Unternehmen ist nachhaltig, wenn es diese Anforderungen erfüllt. Andere Standards fordern hingegen die Einhaltung bestimmter Prozesse, aus denen sich unternehmensindividuelle Nachhaltigkeitsziele ergeben. Hierbei ist insbesondere die Einbindung der Stakeholder bedeutsam. Eine nachhaltige Unternehmensführung erfordert die Integration sozialer und ökologischer Belange in ein Managementsystem. Spezielle Managementsysteme für die Nachhaltigkeit, die parallel zum bestehenden Managementsystem durch Nachhaltigkeitsexperten betreut werden, sind hingegen nicht zu empfehlen. Vor allem in kapitalmarktorientierten Unternehmen wird nachhaltiges Engagement wirtschaftlich oder rechtlich begründet. Für familiengeführte, mittelständische Unternehmen ist Nachhaltigkeit weit häufiger moralisch verankert. Gegenüber den Stakeholdern muss sich das Unternehmen seine „License to operate“ verdienen. Wie die Unternehmen aber mit den Stakeholdern in Dialog treten und welche Rechte man diesen zusteht, wird gegenwärtig noch sehr unterschiedlich gehandhabt. <?page no="79"?> 6 Konzeption des Nachhaltigkeitscontrollings Input Es ist bekannt, wie die Nachhaltigkeitsziele zustande kommen und wodurch diese beeinflusst werden. Teilprozesse Hauptprozesse des Nachhaltigkeitscontrollings Integration der Nachhaltigkeitssteuerung in das Controlling Anforderungen an ein modernes Nachhaltigkeitscontrolling Output Konkretes Vorgehensmodell einer umfassenden und integrierten Nachhaltigkeitssteuerung Controllingprozesse Das Nachhaltigkeitscontrolling soll die etablierten Controllingprozesse weder auf den Kopf stellen, noch sollen Parallelprozesse zum bestehenden Controlling errichtet werden. Im 4. Kapitel wurde bereits erkannt, dass das Nachhaltigkeitscontrolling als eine Weiterentwicklung des bestehenden Controllings zu sehen ist. Gerade im Verständnis des Controllers als Business Partner wurde die Beschäftigung mit der Nachhaltigkeit als logische Konsequenz angesehen. Die Methoden und Tools im <?page no="80"?> 80 6 Konzeption des Nachhaltigkeitscontrollings Controlling sind zu ergänzen und auch der Ablaufprozess des Nachhaltigkeitscontrollings ist in enger Anlehnung an die bestehenden Controllingprozesse fortzuentwickeln. Als wichtigste Teilprozesse für ein wirksames Nachhaltigkeitscontrolling wollen wir folgende nutzen: Abb. 6.1: Teilprozesse des Nachhaltigkeitscontrollings Voranstellen wollen wir das normative Nachhaltigkeitsmanagement, in der die Vision und Mission geklärt werden. Diese geben nicht nur die Ziele für die Strategie vor, sondern beeinflussen durch den Werterahmen sämtliche Beurteilungen und Entscheidungen im Unternehmen. Die Vision gibt das Ziel vor, das durch die Strategie erreicht werden soll. Dementsprechend wird im weiteren Verlauf das strategische Nachhaltigkeitscontrolling behandelt. In der Unternehmensstrategie sind, wie in der Vision und Mission vorgegeben, relevante strategische Aspekte der Nachhaltigkeit zu integrieren. Bevor die Strategie auf die operative Planung heruntergebrochen wird, müssen jedoch die Inhalte des operativen Nachhaltigkeitsmanagements beschrieben werden. Genau wie in der ökonomischen Dimension vor der operativen Planung geklärt sein muss, welche Größen überhaupt geplant werden sollen (Rendite, Jahresüberschuss, Cash flow, Umsätze, Aufwendungen, …), müssen auch erst die relevanten Nachhaltigkeitsgrößen bestimmt werden (CO 2 -Ausstoß, Energieeinsatz, Arbeitsunfälle, Sustainable Value, …). Die Messung der Nachhaltigkeit verschafft in der ökologischen und sozialen Dimension eine vergleichbare Transparenz, wie es die Kosten- und Leistungsrechnung seit jeher auf der betriebswirtschaftlichen Ebene bewirkt. Damit interessiert nicht nur der Deckungsbeitrag eines Produktes, sondern es ist auch dessen Beitrag zur Erreichung der ökologischen und sozialen Ziele relevant. Und der Kostenstelle sind nicht nur Aufwendungen zuzuordnen, sondern auch Emissionen, Ressourcenverbrauch und die Einhaltung der Sozialstandards. Erst nach Auswahl geeigneter Inhalte und Messmethoden kann die integrierte operative Planung erfolgen. Über die erreichten Ergebnisse wird unternehmensintern in der Regel monatlich durch Managementreports berichtet. Neben der Darstellung von Abweichungen sind hier auch die Ursachen zu analysieren und Handlungsempfehlungen abzugeben. <?page no="81"?> 6.1 Controllingprozesse 81 Extern erfolgt die Berichterstattung jährlich in Form von Geschäftsberichten, bei börsennotierten Gesellschaften auch quartalsweise. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung informiert über die entsprechende Zielerreichung bei ökologischen und sozialen Kriterien. Bei einer integrierten Steuerung ist es naheliegend, auch integriert zu berichten. Ein integrierter Bericht informiert dann darüber, wie erfolgreich das Unternehmen oder einzelne Geschäftsbereiche nach ökonomischen, ökologischen und sozialen Kriterien waren. Da Investitionen maßgeblich die Entwicklung des Unternehmens prägen, sind hierbei neben den ökonomischen Anforderungen auch die ökologischen und sozialen Auswirkungen zu prognostizieren und in die Investitionsentscheidung einzubinden. Mit Hilfe eines nachhaltigen Investitionscontrollings werden vorrangig nachhaltige Investitionen getätigt und das Unternehmen entwickelt sich schrittweise hin zu mehr Nachhaltigkeit. Das Investitionscontrolling ist daher ein bedeutsamer Hebel für den Wandel zu einem nachhaltigen Unternehmen. In der praktischen Umsetzung der Nachhaltigkeit ist eine geeignete Software- Unterstützung unverzichtbar. Es fallen hierbei eine Vielzahl an Daten an, die strukturiert abgelegt, die verarbeitet, die zu Analysen genutzt und die in Reports veröffentlich werden. Es ist daher ein Überblick über die Möglichkeiten der IT-Unterstützung für das Nachhaltigkeitscontrolling zu geben. Die folgende Abbildung stellt die Strukturierung des Nachhaltigkeitscontrollings graphisch dar. Abb. 6.2: Hauptprozesse des Nachhaltigkeitscontrollings - mit Beschreibung <?page no="82"?> 82 6 Konzeption des Nachhaltigkeitscontrollings Organisatorische Integration der Nachhaltigkeit Nachdem die wesentlichen Prozesse des Nachhaltigkeitscontrollings vorgestellt wurden (Ablauforganisation), soll nun die organisatorische Einordnung des Nachhaltigkeitscontrollings innerhalb des Unternehmens betrachtet werden (Aufbauorganisation). Ein Blick in die nachfolgende Tabelle zeigt, dass nahezu alle Organisationseinheiten mit Fragestellungen aus der Nachhaltigkeit konfrontiert sind. Dies macht ein koordiniertes Vorgehen erforderlich, weshalb in einer zentralen Einheit Ziele und Maßnahmen abgestimmt werden müssen. Funktion Entscheidung Geschäftsleitung Verankerung der Nachhaltigkeit in Strategie, Ziele und Organisa tion; Repräsentation Einkauf ökologische und soziale Kriterien für Vorprodukte und Lieferanten F&E Optimierung der Produkte nach ökologischen und sozialen Anforderungen, Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen Marketing Entwicklung nachhaltiger Zielmärkte und Geschäftsfelder, nach haltigkeitsorientierter Marketingmix Personal verbesserte Arbeitsbedingungen, Personalentwicklung, nachhaltig orientierte Aus- und Weiterbildung Produktion nachhaltigkeitsorientierte Produktionsprozesse und -strukturen, Umweltverträglichkeitsprüfungen, Sekundärstoffverwertung Rechnungswesen Rechnungswesen ergänzt um soziale und ökologische Werte, Öko-Bilanzen, Sozial-Bilanzen, Material- und Energieflussrechnung Investition/ Finanzierung ökonomische, soziale und ökologische Investitionsbewertung, nachhaltige Finanzanlagen, Nachhaltigkeitsrating, Verbesserung Bonität, Gewinnung von Finanzierungspartnern Vertrieb/ Service nachhaltig ausgestaltete Absatzwege, Distributionslogistik bis hin zur Entsorgung, After Sales zur Verlängerung der Nutzungsdauer und ökologischer Produktnutzung Tabelle 6.1: Nachhaltigkeitsaufgaben in den Organisationseinheiten (eigene Darstellung angelehnt an Jänicke 2011, S. 84) <?page no="83"?> 6.2 Organisatorische Integration der Nachhaltigkeit 83 Zur optimalen aufbauorganisatorischen Einordnung des Nachhaltigkeitscontrollings sind mehrere Fragen zu klären: [a] Soll das Nachhaltigkeitscontrolling im klassischen (ökonomischen) Controlling integriert werden oder soll die Nachhaltig hiervon getrennt gesteuert werden? Im modernen Controlling-Leitbild des Business Partners unterstützt der Controller das Management in der Zielerreichung, ohne dass dieses nur auf die ökonomischen Ziele beschränkt ist. Werden also neben ökonomischen auch ökologische und soziale Ziele angestrebt, fällt die Unterstützung hierbei ebenfalls in den Aufgabenbereich der Controller. Aus dieser grundsätzlichen Überlegung heraus sollte die Steuerung der Nachhaltigkeit innerhalb der bestehenden Controllingeinheiterfolgen. Fungiert das Controlling hingegen nicht als Business Partner, dominiert eine einseitige Ausrichtung am Rechnungswesen und sind die Controller auf die Fragestellungen der Nachhaltigkeit nicht vorbereitet, wird das Controlling die Nachhaltigkeit kaum erfolgreich steuern können. In diesen Fällen findet man häufig eigene Nachhaltigkeits- oder CSR-Abteilung oder auch Abteilungen für Umweltschutz, Compliance und Arbeitssicherheit, die sich ohne eine Verbindung zum Controlling um ökologische und soziale Inhalte kümmern. Die Aufgaben der Nachhaltigkeit sind dann auf mehrere Bereiche verteilt. Aufgrund der vielfältigen Beziehungen zwischen den drei Dimensionen, die teilweise auch konfliktär sind, wird somit eine Abstimmung im Interesse des Unternehmens erschwert. Der Controller setzt sich für die Erreichung der ökonomischen Ziele ein und der Leiter des Umweltschutzes für geringere Emissionen. Belastet nun der Einbau von Abgasfiltern das Unternehmensergebnis, wird beiden aufgrund sich widersprechender Zielvorgaben, eine Einigung schwerfallen. Ist dieser Konflikt hingegen in einer Einheit und letztlich in einer Person konzentriert, fällt die Entscheidung leichter, da sich diese strikt am übergeordneten Unternehmensziel ausrichtenkann. Viele, insbesondere große Unternehmen haben eigene Nachhaltigkeitsabteilungen oder es sind Arbeitsgruppen mit Teilnehmern aus verschiedenen Abteilungen mit Nachhaltigkeitsbezug eingerichtet. Oftmals ist in solchen Unternehmen, bei denen sehr vielfältige Nachhaltigkeitsaspekte zu steuern sind und die Komplexität daher hoch ist, das Controlling nicht eingebunden (vgl. Weber, Georg, Janke, Mack 2012, S. 97). In diesen Fällen wird das Nachhaltigkeitscontrolling entweder von der Nachhaltigkeitsabteilung oder von der Nachhaltigkeits-Arbeitsgruppe vollzogen, allerdings unter Ausschluss der ökonomischen Dimension. Was spricht nun für die Integration des Nachhaltigkeitscontrollings im bestehenden Controlling und was spricht für eine vom Controlling getrennte Nachhaltigkeitssteuerung? In folgender Tabelle werden die bedeutsamsten Vor- und Nachteile der beiden Organisationsansätze gegenübergestellt: <?page no="84"?> 84 6 Konzeption des Nachhaltigkeitscontrollings in das Controlling integrierte Nachhaltigkeitssteuerung vom Controlling getrennte Nachhaltigkeitssteuerung Verantwortung für die Unternehmenssteuerung liegt in einer Hand großes Know-how in ökologischen und sozialen Fragen hohes Know-how in den Methoden der Steuerung Nachhaltigkeitsabteilungen oder -gremien haben sich in den letzten Jahren eigenständig entwickelt, worauf auch ihr Selbstverständnis beruht Erfahrungen im Umgang mit Informationssystemen Kompetenz im Reporting hohe Identifikation mit der Nachhaltigkeit Integration der Nachhaltigkeit in die Regelprozesse der Unternehmenssteuerung Tabelle 6.2: Organisatorische Verankerung der Nachhaltigkeitssteuerung (Quelle: in Anlehnung an Colsman 2013, S. 53) Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Steuerung der Nachhaltigkeit sinnvollerweise nur integriert über alle drei Nachhaltigkeitsdimensionen hinweg erfolgen soll. Es sprechen Gründe dafür, dass dies, zumindest perspektivisch, im Controlling anzusiedeln ist. „Nachhaltigkeit in der Verankerung des Führungshandelns erreicht man nur, wenn eine Einbindung in die Regelsteuerung erfolgt - und hierfür sind die Controller verantwortlich. Sie müssen die Werthaltigkeit umweltgerechten [und sozialen] Verhaltens überprüfen und als Counterpart für entsprechende Entscheidungen dienen“ (Weber 2010, S. 12). Dies bedeutet nun nicht, dass das Controlling operative Aufgaben des Umweltschutzes oder der Compliance übernehmen muss. Es geht „nur“ um das Controlling für diese Aufgaben, also die Koordination, die Initiierung von Maßnahmen, die Zielausrichtung und die Einbindung in die Gesamtunternehmenssteuerung. Genau so wenig wie der Produktionscontroller oder der Vertriebscontroller operative Aufgaben in der Produktion oder im Vertrieb übernimmt, muss ein Controller auch keine Emissionsmessungen durchführen. Die Umweltschutzabteilung wird die Umweltdaten erfassen, der Zielabgleich, die Analyse und die Zusammenführung im Bericht obliegen dann dem Controlling. Da die Controller im Vergleich zu den Fachabteilungen stets ein Know-how-Nachteil haben, kann die Steuerung nur im Dialog mit diesen erfolgen. Die für viele Controller noch neuartigen Fragen der Nachhaltigkeit erfordern dabei einen intensiven Austausch (vgl. Colsman 2013, S. 54). Für die Nachhaltigkeit bedeutet die Integration in die etablierte Unternehmenssteuerung, weg von einem parallel betriebenen Sonderthema, eine Aufwertung. <?page no="85"?> 6.2 Organisatorische Integration der Nachhaltigkeit 85 Beispiel Deutsche Post DHL zur Integration der Nachhaltigkeit in bestehende Systeme und Prozesse (Erläuterung zur Verleihung des Green-Controlling-Preises der Peter Horváth- Stiftung) „Das innovative Element der prämierten Lösung setzt sich aus drei Teilen zusammen: Die Umsetzung relevanter Carbon Accounting Standards in interne Richtlinien wurde in Anlehnung an bestehende Richtlinien des Finanzwesens durchgeführt. Dadurch kann die Definition der KPI’s der CO 2 -Emissionen im Gesamtkontext erfolgen. Die Prozesse und Systeme des Carbon Accounting & Controlling greifen auf bestehende Strukturen und Systeme des Rechnungswesens zurück, interne Kontrollmechanismen wurden um neue Aspekte erweitert. Es wurde kein Sonderthema geschaffen, sondern ein neuer Aspekt in vorhandene Controlling-Prozesse integriert. Die Berichtsverantwortung liegt bei den lokalen und divisionalen Finanzorganisationen und nicht bei einem zentralen ‚Umweltmanagement‘ “. (Quelle: Aschenbrücker, 2012, S. 11) [b] Auf welcher Führungsebene ist das Nachhaltigkeitscontrolling anzusiedeln? Das Controlling gilt, organisatorisch betrachtet, als eine typische Querschnittsfunktion. Als Bestandteil der Führungsprozesse ist das Controlling in allen Stufen der Wertschöpfungskette präsent. Horváth folgert daraus sehr eindeutig: „Befasst sich der zentrale Controller mit unternehmensweiten Koordinationsaufgaben, so ist er am zweckmäßigsten der ersten Führungsebene zuzuordnen. Allgemeiner formuliert: der organisatorische Status muss dem Controller die Erfüllung seiner Aufgaben ermöglichen. (Horváth 2011, S. 751). Damit ist auch das Nachhaltigkeitscontrolling auf der obersten Führungsebene anzusiedeln. Gemäß der von Horváth & Partners durchgeführten Studie „CFO-Panel“ ist das Controlling in 72% der Unternehmen dem CFO (Chief Financial Officer) bzw. dem kaufmännischen Geschäftsführer zugeordnet. In 22% der Fälle ist das Controlling dem CEO (Chief Executive Officer) zugeordnet. Die Zuordnung zum CFO hat den Vorteil, dass dort sämtliche kaufmännische Funktionen gebündelt werden, insbesondere ist die Nähe zum Rechnungswesen bedeutsam. Eine Zuordnung zum CEO bietet hingegen eine größere Nähe zu den operativen Geschäftsfeldern. Der Controllingleiter ist in den meisten Fällen direkt dem CFO bzw. dem CEO zugeordnet, womit er sich hierarchisch in der zweiten Führungsebene befindet. In einer Minderheit der Fälle ist der Controllingleiter in der ersten Führungsebene zu finden (vgl. Esser, Müller 2007, S. 39f.). [c] Ist das Nachhaltigkeitscontrolling aus einer zentralen Einheit heraus zu steuern oder sind neben der zentralen auch dezentrale Einheiten in Geschäftsfeldern und Funktionen notwendig? <?page no="86"?> 86 6 Konzeption des Nachhaltigkeitscontrollings Sofern die Nachhaltigkeit im Controlling integriert ist, gilt dies sowohl für zentrale wie auch dezentrale Einheiten. Die dezentralen Einheiten stellen die Nähe zu den verschiedenen Geschäftsfeldern und Funktionen sicher und gewähren damit auch ein entsprechendes Know-how über die spezifische Wertschöpfung und über die Produkte in den Geschäftsfeldern sowie über die speziellen Anforderungen der verschiedenen Funktionen (z.B. Vertriebscontrolling, Logistikcontrolling, F&E-Controlling, ...). Genau wie für die ökonomischen Fragen ist die Nähe zur praktischen Tätigkeit in den operativen Bereichen auch für ökologische und soziale Fragen sicherzustellen. [d] Welche Beziehung soll zwischen dem Nachhaltigkeitscontrolling und den bereits bestehenden Einheiten wie Compliance, Umweltschutz, Personal oder Arbeitssicherheit bestehen? Grundsätzlich ist die Beziehung zwischen dem Controlling und den operativ verantwortlichen Bereichen wie Umweltschutz oder Compliance vergleichbar mit der Beziehung zwischen Controlling und Vertrieb oder Controlling und Produktion. Jede dieser Schnittstellen muss individuell geklärt und vereinbart werden. Das Beispiel des Flughafens Stuttgart zeigt die definierten Schnittstellen und die Aufgabenteilung zwischen dem Controlling und dem Umweltschutz bzw. dem Controlling und den Bereichen HR und Recht. Abb. 6.3: Ziele und Aufgaben des Nachhaltigkeitscontrollings am Flughafen Stuttgart (Quelle: eigene Darstellung angelehnt an Berlin, Schulze, Stehle 2013, S. 49) <?page no="87"?> 6.3 Anforderungen an das Nachhaltigkeitscontrolling 87 Eine Untersuchung der KPMG ergab, dass bei 24% der weltweit 250 größten Unternehmen die Verantwortung für die Nachhaltigkeit auf der Vorstandsebene liegt. Bei 61% sind hingegen selbständige Nachhaltigkeitsabteilungen hierfür verantwortlich (vgl. KPMG International 2014, S. 72). Dies legt nahe, dass in der Mehrheit der Unternehmen die Steuerung der Nachhaltigkeit noch nicht in die Gesamtsteuerung integriert ist. Die Steuerung der Nachhaltigkeit erfolgt damit parallel zur klassischen Unternehmenssteuerung. Wie bereits dargelegt, kann die getrennte Steuerung eines zusammengehörigen Komplexes auf Dauer nicht erfolgreich sein. Diese Konstellation ist ein Hemmnis für die Entwicklung der Nachhaltigkeit. Anforderungen an das Nachhaltigkeitscontrolling Das Controlling erfährt vom Management und den operativen Bereichen auch immer wieder Kritik: „Berichte sind zu umfangreich, dauern in der Erstellung zu lange und erfüllen nicht die Erwartungen der Empfänger. Jedes dritte Unternehmen klagt über zu hohen Aufwand. Hochbezahlte Controller-Ressourcen werden häufig falsch eingesetzt“ (Horváth & Partners 2013, 6). Aus der Kritik lassen sich Anforderungen ableiten, um das Controlling effizienter und effektiver umzusetzen. Typische Kritikpunkte sind: mangelnde Effizienz mangelnde Effektivität fehlende oder unklare Zielvorgaben operative Planung ist nicht mit der Strategie verbunden zahlreiche Schleifen im Planungsprozess starre Planungsperioden Verhandlungstaktik bei der Budgetierung einseitige Betrachtung der finanziellen Größen übertriebene Detaillierung der Planung hohe Dynamik führt zu veralteten Planwerten unzureichendes Prozessmanagement bei der Planung und fehlende Automatisierung Steuerung irrelevanter Daten und unzureichende Kommentierung zu viele Reports und zu viele Kennzahlen Qualitätseinbußen durch manuelle Schnittstellen schlecht strukturierte Daten Vergangenheitsstatt Zukunftsbezug Tabelle 6.3: Kritik am Controlling (Quelle: angelehnt an Gräf, S. 5f.) Kritik wird also an einem zu starren, hierarchisch und mechanistisch geprägten Controlling geübt. Aus diesen in der Praxis immer wieder genannten Kritikpunkten las- <?page no="88"?> 88 6 Konzeption des Nachhaltigkeitscontrollings sen sich folgende Qualitätsanforderungen ableiten, die das Controlling bzw. Nachhaltigkeitscontrolling erbringen muss: Anforderung an ein wirksames Controlling klare, aus der Strategie abgeleitete operative Zielvorgaben flexible Planung, bei Bedarf Anpassungen und Verzicht auf starre Planungsperioden stringente Planungsprozesse mit wenig Datenmanagement und Planungsschleifen planen was wichtig ist, nicht was gut messbar ist Planung als Hilfe zur Selbststeuerung anstatt zur Messung und Beurteilung anderer Fokussierung auf relevante Daten und Reports Business-Know-how der Controller, um Geschäftsentwicklung richtig zu beurteilen mehr Zukunftsbezug statt Suche von Schuldigen bei Planabweichungen in der Vergangenheit Tabelle 6.4: Qualitätsanforderungen an das Controlling Die Planung und das Reporting werden hierdurch flexibler und einfacher und sind stärker am Unternehmensziel ausgerichtet. Zu beobachten sind aber vielfältige Veränderungen des unternehmerischen Umfelds. Neben dem Megatrend Nachhaltigkeit zählen hierzu etwa auch die Globalisierung, Individualisierung, gesellschaftlicher Wandel durch soziale Medien oder Industrie 4.0. Aufgrund der zahlreichen Diskontinuitäten funktioniert das traditionelle Vorgehen in Form von Zielsetzung, Planung und Kontrolle immer weniger. Die Systemtheorie stellt Lösungsansätze zur Verfügung, um Unternehmen auch bei Komplexität zur Handlungsfähigkeit zu befähigen (vgl. Sailer 2012, S. 103ff.). Vielfach wird sogar von einem Paradigmenwechsel oder einer Zeitenwende im Management gesprochen. Wie sich die Ansicht, was man unter guter Führung versteht, im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert hat, wird bei Kruse sehr anschaulich dargestellt (vgl. Kruse 2014, S. 70f., Basis der Studie ist eine Befragung von 400 Führungskräften). Galten bis zu den 90er Jahren eine starke Führungspersönlichkeit und eine hohe Effizienz in der Zielverfolgung noch als Grundlagen einer erfolgreichen Führung, so hat ihre Bedeutung seither drastisch abgenommen. Die von Kruse befragten Führungskräfte hatten zudem die Erwartung geäußert, dass die Bedeutung der beiden Faktoren noch weiter abnimmt. Eine drastische Zunahme der Bedeutung ist hingegen bei den Faktoren der Kooperation und der dynamischen Vernetzung zu verzeichnen. <?page no="89"?> 6.3 Anforderungen an das Nachhaltigkeitscontrolling 89 Abb. 6.4: Paradigmenwechsel in der Führung (eigene Darstellung in Anlehnung an Kruse 2014, S. 71f.) Da das Nachhaltigkeitscontrolling durch eine höhere Komplexität geprägt ist als das traditionelle Controlling, sollte man nicht der Illusion unterliegen, man könne mittels konsequenter Zielsetzung, Planung und Kontrolle die Nachhaltigkeit beherrschen. Das Nachhaltigkeitscontrolling sollte sich also nicht ausschließlich auf ein Führungskonzept konzentrieren, das sich mittlerweile stark gewandelt hat. Da sich die Unternehmen hierbei stark unterscheiden, wird sich auch eine jeweils passende Nachhaltigkeitssteuerung unterschieden. Kernaussagen aus der Studie sind etwa die zunehmende Bedeutung eines schrittweisen Vortastens und die Gestaltung ergebnisoffener Prozesse anstatt einer Überbewertung der Planung. Die hierarchisch eingebettete Planung und Steuerung werden in einem dynamischen Umfeld weniger bedeutsam werden, vielmehr scheinen sich selbst organisierende Netzwerke besser an die Komplexität anzupassen, sowie schneller und innovativer zu sein. Strukturen und Prozesse müssen wandlungsfähig sein, um mit der Volatilität zurechtzukommen. Ein Resilienzmanagement befähigt das Unternehmen, mit Unerwartetem umzugehen. Damit verliert auch die Steuerung über Anweisungen an Bedeutung. Mitarbeiter müssen vielmehr begleitet und gecoacht werden. Eine motivierende, ausgleichende und einfühlsame Führung wird dabei auch zu einem veränderten Verhalten gegenüber den Stakeholdern führen. Die Berücksichtigung gesellschaftlicher Ansprüche wird zunehmend als selbstverständlich angesehen. Dies wird zu einer weiteren Bedeutungszunahme der Nachhaltigkeit führen (weitergehende Informationen zu dieser Studie finden sich unter: http: / / www.forum-gute-fuehrung.de). <?page no="90"?> 90 6 Konzeption des Nachhaltigkeitscontrollings Kapitel 6: Erkenntnisse Das Nachhaltigkeitscontrolling lässt sich, angelehnt am modernen Controllingverständnis im Sinne des Business Partners, in Teilprozesse aufgliedern. Nachhaltigkeitscontrolling ist keine zusätzliche Controllingfunktion, neben Vertriebscontrolling, Produktionscontrolling etc., sondern ein integrierter Bestandteil innerhalb des gesamten Controllings. Dementsprechend ist das Nachhaltigkeitscontrolling auch in die bestehende Controllingorganisation zu integrieren. Durch eine hohe Dynamik und Komplexität stößt der traditionelle Controllingprozess von Zielbildung, Planung und Kontrolle an Grenzen. Das Nachhaltigkeitscontrolling ist für solch ein mechanistisches Vorgehen noch weniger zugänglich. Dies erfordert eine systemische Herangehensweise, die Fähigkeit zur Resilienz, zur Kooperation und Vernetzung. Nachhaltigkeitscontrolling ist keine zusätzliche Controllingfunktion, neben Vertriebscontrolling, Produktionscontrolling etc., sondern ein integrierter Bestandteil innerhalb des gesamten Controllings. Dementsprechend ist das Nachhaltigkeitscontrolling auch in die bestehende Controllingorganisation zu integrieren. <?page no="91"?> 7 Normatives Nachhaltigkeitsmanagement Input Erwartungen der Gesellschafter, des Managements und der Stakeholder, wie nachhaltig das Unternehmen sein soll. Konzeption eines Vorgehensmodells für das Nachhaltigkeitscontrolling Teilprozesse Bedeutung des normativen Nachhaltigkeitsmanagements, der Vision und der Mission Nachhaltigkeitsassessment im Management und mit Stakeholdern: der Nachhaltigkeitsstandpunkt Ableitung von Nachhaltigkeitstypen Durchführung des Stakeholderdialogs Output vom Unternehmen und Stakeholdern getragene Vision und Mission Vision und Mission Ausgangspunkte für das unternehmerische Handeln sind die Vision und die Mission. Diese sind dem normativen Management zuzuordnen. Sie sind also maßgeblich von den Meinungen, Vorstellungen und Ideen der beteiligten Personen geprägt. Die normative Ebene der Führung, sowie die nachgeordnete strategische und operative Führung, erfüllen folgende Zwecke und setzen sich aus folgenden Inhalten zusammen: <?page no="92"?> 92 7 Normatives Nachhaltigkeitsmanagement Zweck Inhalte normative Führung Übergeordneten Werte und Normen, Sinngebung und Legitimation für das Unternehmen. Mission, Vision, Leitbilder, Unternehmenskultur, Wertesystem, Unternehmensziele strategische Führung Grundsätzlicher, längerfristig ausgerichteter Weg hin zur Vision. Gestaltung der unternehmerischen Zukunft. Unternehmensstrategie, Geschäftsfeldstrategie, funktionale Strategie operative Führung Bestimmung der konkreten Aufgaben der Unternehmenseinheiten. Lenkung des Unternehmens in der Gegenwart und in der nahen Zukunft. Jahres-, Monats- und Quartalsziele, Budgetierung, Maßnahmenplan, Kontrolle und operative Lenkung Tabelle 7.1: Drei Ebenen der Führung: Zweck und Inhalte (Quelle: Sailer 2012, S. 198) Die Vision stellt das zukünftig angestrebte Bild eines Unternehmens dar. Es beschreibt, mehr qualitativ als quantitativ, was ein Unternehmen in der Zukunft darstellen und erreicht haben möchte. Eine überzeugende Vision gibt dem Management und den Mitarbeitern eine Orientierung für ihr Handeln. Sie werden zu Mitstreitern, binden sich emotional an das Unternehmen, woraus Motivation erwachsen kann. Dies ist die Voraussetzung für einen engagierten und verantwortungsvollenEinsatz. Ausgangspunkt für eine nachhaltige Unternehmensführung ist die Verankerung der Nachhaltigkeit in der Vision. Das Unternehmen beschreibt in der Vision also nicht nur, was es in der ökonomischen Dimension erreichen möchte, sondern welche Rolle es insgesamt in der Gesellschaft einnehmen möchte. Hierfür muss sich die Vision auf die gesellschaftliche und ökologische Dimension erstrecken. Die für das Unternehmen relevante Gesellschaft wird durch seine Stakeholder repräsentiert. Der Prozess zur Klärung der Vision und der Mission ist damit ausschlaggebend, wie die Nachhaltigkeit in der Strategie und im operativen Management verankert wird und wie sich das Unternehmen bei Zielkonflikten verhalten wird. Wenn in der Vision eine bedeutsame ökologische Verantwortung bestimmt wird, fällt es dem Management bei operativen Entscheidungen leichter, die ökologischen Faktoren entsprechend zu Berücksichtigen. Wird die Vision durch ökonomische Sachverhalte dominiert, fehlt die Voraussetzung für die Umsetzung der Nachhaltigkeit in der Strategie. Bei Dominanz des ökonomischen Ziels wird letztlich die ökonomische Triple- Bottom-Line zur Geltung kommen (vgl. Sailer 2012, S. 203). Nach Peter Drucker gibt die Mission eine Antwort auf die Frage, weshalb es das Unternehmen überhaupt gibt. Dies ist die Frage nach dem Daseinszweck oder nach dem Auftrag (vgl. Drucker 2009, S. 10). Um zu wissen, für was das Unternehmen eigentlich steht, sollte die Mission folgende Aussagen beinhalten: <?page no="93"?> 7.1 Vision und Mission 93 für wen und warum gibt es das Unternehmen, „Grundsätze der Managementethik bzw. Code of Ethics (Code of Conduct), Einstellungen zur Nachhaltigkeit, wesentliche interne Normen, Soll-Werte und -Einstellungen (Soll-Organisationskultur) und Führungsgrundsätze, Führungsstil und Corporate Governance.“ (Eschenbach/ Siller 2011, S. 129) Die Mission sollte jedem Mitarbeiter bekannt sein, besser noch: sie sollte von jedem Mitarbeiter verinnerlicht sein. Neben der Kommunikation muss das Management die Mission aber auch vorleben. Die Mission informiert darüber, was zum Auftrag gehört und nach welcher Maßgabe gehandelt wird. Sie informiert somit auch darüber, was nicht zum Auftrag gehört und welche Handlungsweisen unerwünscht sind. Damit werden die unternehmerischen Kräfte fokussiert und Unsicherheiten werden beseitigt. Auch für die Geschäftspartner wird das Unternehmen berechenbar. Da mag in einem Unternehmen die mündliche Zusage gelten, wo man einem anderen erst nach der Unterschrift auf einem rechtssicheren Vertrag einigermaßen vertraut. Das eine Unternehmen ist für sein sozial verantwortliches Verhalten angesehen, ein anderes kann diese Glaubwürdigkeit trotz Vorlage eines zertifizierten Sozialmanagementsystems nicht gewinnen, da es für sein windiges Geschäftsgebaren bekannt ist. Wir halten somit fest, dass die Vision Aussagen zur angestrebten gesellschaftlichen Rolle enthält, was ökonomische, soziale und ökologische Aspekte beinhaltet. Die Mission erklärt, weshalb es das Unternehmen gibt und nach welcher Maßgabe es sich verhält. Solange sich die Aussagen auf die Kunden, die Produkte und den wirtschaftlichen Erfolg beziehen, mag dem Management die Ausformulierung noch eher leichtfallen. Hierzu wird es im Unternehmen bzw. auch mit den Stakeholdern oft schon ein gemeinsames Verständnis geben. Diskussionsbedarf besteht vor allem dann, wenn die grundlegende Positionierung des Unternehmens verändert werden soll. Dies ist etwa der Fall, wenn sich ein bisher rein regional tätiges Unternehmen internationalisieren möchte oder wenn ein konservativ geführtes Unternehmen sich zu einem kreativen Innovator wandeln möchte. Unsicherheit besteht oftmals bei der Positionierung in der Nachhaltigkeit. Häufig ist es unklar, was man ökologisch und sozial von einem Unternehmen überhaupt erwarten kann und auch erwarten sollte. Zwar wird es Konsens geben, dass man in der Nachhaltigkeit „etwas“ machen sollte und oftmals wird man sich hierbei gegenüber dem Wettbewerb positionieren und auch in der öffentlichen Wahrnehmung ein positives Bild anstreben. Eine konkrete Vorstellung zur Nachhaltigkeit ist hingegen oftmals kaum entwickelt und auch der eigene persönliche Standpunkt zur Nachhaltigkeit ist nicht selten indifferent und nicht explizit bekannt. Im gesamten Unternehmen und im erweiterten Kreis mit den Stakeholdern wird der Standpunkt zur Nachhaltigkeit sowie die Vorstellung über eine zukünftige Positionierung selten herausgearbeitet. Hierbei sind etwa Fragen zu beantworten wie: <?page no="94"?> 94 7 Normatives Nachhaltigkeitsmanagement Wo stehen wir bei der Nachhaltigkeit und was ist für uns besonders relevant? Wie sind die Stakeholder von der Nachhaltigkeit betroffen und was erwarten sie vom Unternehmen? Welche Nachhaltigkeitsposition wollen wir zukünftig einnehmen? Was ist uns auf dem Weg zu diesem Ziel wichtig? Was spricht für dieses Ziel und wie verhält es sich zum übergeordneten „großen Ganzen“ der nachhaltigen Entwicklung? Welchen Beitrag leistet das Unternehmen für dieses übergeordnete Ziel? Diese grundlegende Positionierung zur Nachhaltigkeit lässt sich durch ein Nach haltigkeitsassessment ermitteln. Nachhaltigkeitsassessment Der Start in das Nachhaltigkeitsmanagement erfordert eine Analyse und Bewertung der Ausgangssituation, also ein Nachhaltigkeitsassessment. Von wo aus startet das Unternehmen? Welche grundlegenden Meinungen und Überzeugungen bestehen bezüglich der Nachhaltigkeit? Zu welcher Ausprägung der Nachhaltigkeit stehen das Management und die Stakeholder? Diese Klärung gibt den Beteiligten eine wichtige Orientierung in der Umsetzung der Nachhaltigkeit und verhindert Enttäuschungen und Zielverfehlungen. Möchten sich das Management und die Stakeholder beispielsweise nur zurückhaltend in der Nachhaltigkeit engagieren, wird ein neu eingestellter und hoch motivierter Nachhaltigkeitscontroller laufend eingebremst. Und umgekehrt werden sich die Mitarbeiter nur zurückhaltend in den Fragen der Nachhaltigkeit engagieren, wenn nicht bekannt ist, dass das Management und die Stakeholder eine Vorreiterrolle einnehmen wollen. Und nicht nur das Management und die Stakeholder insgesamt, sondern jeder einzelne Beteiligte wird seine Positionierung zur Nachhaltigkeit klären müssen. Die ethischen Vorstellungen der Einzelnen, wie man sich in sozialen und ökologischen Fragen zu verhalten habe, sind für das Unternehmen in Management- und Stakeholderdialogen zusammenzuführen. Ziel ist, einen Konsens zu finden, wie sich das Unternehmen zur Nachhaltigkeit positioniert. In der Praxis ist teilweise zu beobachten, dass im Nachhaltigkeitsmanagement weder ein Ausgangspunkt bestimmt wird (Was bedeutet für uns Nachhaltigkeit? , Welchen Wert messen wir ihr bei? ), noch eine Strategie abgeleitet wird. Der Start in das Nachhaltigkeitsmanagement verläuft dann wie folgt: man nehme den GRI-Katalog und schaue, welche Kriterien bedeutsam erscheinen. Dieser Auszug aus dem GRI- Katalog wird nach den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit sortiert und als Nachhaltigkeitsstrategie bezeichnet. Damit wird ein bunter Strauß an Einzellösungen bearbeitet, bei denen eine abgestimmte Zielausrichtung fehlt. So finden sich bei einem größeren Konsumgüterhersteller, dessen Namen hier nicht genannt werden soll, Einzelziele aus völlig unterschiedlichen Kategorien. Dies gleicht einem Gemisch aus <?page no="95"?> 7.2 Nachhaltigkeitsassessment 95 Messgrößen, Maßnahmen und Umfeldfaktoren. Genannt waren hierbei etwa die Zielgrößen: Jahresüberschuss, finanzielle Folgen des Klimawandels, Energieverbrauch, Bahntickets für Mitarbeiter, Flottenmanagement, Sabbatical und andere. Systemische Zusammenhänge werden missachtet und die Ausrichtung an einem übergeordneten Ziel fehlt. Die Gefahr ist groß, dass nach wenigen Jahren das Engagement im Nachhaltigkeitsmanagement rasch nachlässt. Die Orientierung gebende und Motivation stiftende Wirkung von Vision und Mission fehlen. Die Effizienz wurde dann zwar in einzelnen Feldern gesteigert, der Anteil grüner Produkte möglicherweise erhöht und die Reputation verbessert. Ein professionelles Nachhaltigkeitsmanagement kann aber nicht darin bestehen, „irgendwelche“ sozialen und ökologischen Ziele besser zu erreichen als im Vorjahr. In der traditionellen ökonomischen Dimension des Managements wäre solch ein unsystematisches und nicht an einem übergeordneten Ziel ausgerichtetes Vorgehenundenkbar. Bevor das Management mit den Stakeholdern die Ausgangslage beurteilt und über mögliche Nachhaltigkeitsziele diskutiert, ist Klarheit darüber zu verschaffen, welche Einstellungen und Überzeugungen zur Nachhaltigkeit bei den Beteiligten vorliegen. Wird der Nachhaltigkeit insgesamt ein geringer oder ein großer Stellenwert zugemessen? Werden die relevanten Handlungsfelder auf einzelne Funktionen (Produktion, Einkauf) beschränkt, herrscht eine unternehmensweite Perspektive vor oder wird gar die umfassende Sicht des gesamten Ressourcenkreislaufs eingenommen? Dominiert die Überzeugung, dass durch Innovationen und technischen Fortschritt ökologische Probleme beherrscht werden können oder dass diese durch Reboundeffekte häufig sogar mehr Schäden verursachen, so dass Verhaltensänderungen unumgänglich sind? Hält man die Nachhaltigkeit für beherrschbar oder erachtet man diese aufgrund hoher Komplexität nur als eingeschränkt steuerbar? Eine solche Klärung des Standpunkts zur Nachhaltigkeit erlaubt nicht nur dem Einzelnen, seine Einstellung zu Fragen der Nachhaltigkeit zu reflektieren und ggf. weiter zu entwickeln. Im Dialog mit den Stakeholdern erweist sich die Kenntnis der verschiedenen Standpunkte für den Verhandlungserfolg als sinnvoll. Ist ein Stakeholder beispielsweise fest davon überzeugt, dass der CO 2 -Ausstoß durch technischen Fortschritt wirkungsvoll begrenzt werden kann, werden Gespräche über Verhaltensänderungen wenig Erfolg bringen. Und ein Anhänger des ökonomischen Triple-Bottom-Line-Ansatzes wird ökologische und soziale Maßnahmen immer mit deren ökonomischen Konsequenzen bewerten, wohingegen Verfechter des reinen Triple-Bottom-Line-Ansatzes bei überzeugenden ökologischen und sozialen Fortschritten ökonomische Einbußen schneller akzeptieren. Im traditionellen Controlling ist solch eine Standortbestimmung im Management und mit den Stakeholdern zumeist nicht notwendig. Über die Bedeutung der ökonomischen Ziele herrscht weitgehend Einigkeit. Es ist allenfalls zu klären, welche ökonomischen Spitzenkennzahlen genutzt werden. Es bestehen also bedeutsame Unterschiede zwischen dem traditionellen und dem nachhaltigenControlling. <?page no="96"?> 96 7 Normatives Nachhaltigkeitsmanagement A sehr schwache Nachhaltigkeit B schwache Nachhaltigkeit C starke Nachhaltigkeit D vollständige Nachhaltigkeit 1. Umweltethischer Standpunkt: Für was sind wir verantwortlich? Anthropozentrik: Moralische Verpflichtung nur gegenüber Menschen Pathozentrik: Moralische Verpflichtung gegenüber allen leidensfähigen Lebewesen Biozentrik: Moralische Verpflichtung gegenüber allen Lebewesen Holismus: Moralische Verpflichtung gegenüber der gesamten Natur 2. Wie stellt sich das Unternehmen zur Triple- Bottom-Line? Ökonomische Triple-Bottom-Line Ökonomische Triple-Bottom-Line, aber mit Abweichungen Triple-Bottom-Line Ökologie als Lebensgrundlage steht über den anderen Zielen 3. Entstehen aus der Umweltverschmutzung Gefahren? keine echten Gefahren diese können durch technischen Fortschritt vermieden werden Belastungsgrenze ist erreicht akute Gefahr für das Überleben der Menschheit 4. Kann die Umwelt durch eine höhere Effizienz bewahrt werden? ja, Effizienzstrategien sind wirkungsvoll, aber sie müssen auch wirtschaftlich sein ja, Effizienzstrategien sind hierbei sehr sinnvoll Effizienzstrategien sind zwar sinnvoll, reichen alleine aber nicht aus Effizienzstrategien verschleiern die Probleme, notwendig ist vor allem eine Lebensstiländerung 5. Soll der Staat die Konsumenten beeinflussen? nein, der Staat sollte sich nicht anmaßen, alles besser zu wissen staatliche Informationspolitik, da die Folgen des Handelns teils nicht bekannt sind wenn Märkte nicht zu optimalen Ergebnissen führen, soll der Staat eingreifen die Sicherung der Umwelt geht notfalls über die Entscheidungsfreiheit der Konsumenten 6. Soll der Staat Maßnahmen für eine nachhaltige Entwicklung ergreifen? nur wenn einzelne, konkrete Gefahren abgewehrt werden müssen er soll einen Ordnungsrahmen für besonders wichtige Schutzgüter erlassen es sollen generell ökologische und soziale Rahmenbedingungen erlassen werden es ist eine staatliche Umsteuerung von der Wirtschaft hin zur Nachhaltigkeit notwendig 7. Welche Bedeutung hat wirtschaftliches Wachstum im Vergleich zum Umweltschutz? Umweltschutz, solange das Wachstum nicht beeinträchtigt wird Wachstum ist wichtig, sollte aber möglichst umweltverträglich erfolgen Wirtschaftswachstum nur im Rahmen ökologischer Leitplanken Wachstum ist kein Selbstzweck und als Ziel abzulehnen <?page no="97"?> 7.2 Nachhaltigkeitsassessment 97 Tabelle 7.2: Beispielhafter Fragebogen für ein Nachhaltigkeitsassessment (eigene Darstellung angelehnt an Rogall 2012, S. 50ff. und S. 198ff. und Jänicke 2011, S. XIX) 8. Wie soll ein Unternehmen mit Sozialstandards wie Mitbestimmung oder Gleichberechtigung umgehen? Unternehmen kümmern sich um den wirtschaftlichen Erfolg, hier sollte keine Gesellschaftspolitik betrieben werden wo es wirtschaftlich vertretbar ist, können auch gesellschaftspolitische Ziele angestrebt werden gesellschaftspolitische Ziele sollten nur im Konsens mit den Stakeholdern verfolgt werden Unternehmen sollten hier als gute gesellschaftliche Partner Vorbilder sein 9. Wie sollte man international mit sozialen Standards (Mindestlöhne, Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen) umgehen? die Gesetze der jeweiligen Länder sind einzuhalten Einhaltung der Gesetze, zusätzlich aber Sicherung eines guten Rufes kein Ausnutzen niedriger gesetzlicher Standards, höhere inländische Standards sollten überall eingehalten werden Gesetze stellen nur ein Mindestniveau sicher, maßgeblich sollte ein in der Regel höherer moralischer Anspruch sein 10. Korruption ist in zahlreichen Ländern üblich und wird von Geschäftspartnern erwartet. Wie soll man damit umgehen? Anpassung an das lokale Geschäftsgebaren, man sollte sich nicht moralisch-kulturell auf eine höhere Ebene stellen bezüglich der Korruption sind die nationalen Gesetze einzuhalten Korruption ist grundsätzlich zu vermeiden, Ausnahme: dies wird im Einzelfälle von allen Stakeholdern befürwortet auf Korruption ist ohne jegliche Ausnahme zu verzichten 11. Welche Rolle sollen die Stakeholder einnehmen? geben frühe Hinweise über die Außenwirkung und erlauben schnelle Reaktionen. Ein anerkanntes Nachhaltigkeitsmanagement setzt regelmäßig Stakeholderdialoge voraus. verleihen die „licence to operate“, Recht auf Information und regelmäßige Anhörung vergleichbare Rolle wie der Aufsichtsrat für gesellschaftlich relevante Themen 12. Wie werden die Interessen zukünftiger Generationen berücksichtigt? eine erfolgreiche Unternehmensführung ist eh grundsätzlich langfristig ausgerichtet Thematisierung in den Stakeholderdialogen Die Stakeholderdialoge sind um Vertreter zukünftiger Generationen zu ergänzen. Stakeholder-Aufsichtsrat muss Interessensvertreter für zukünftige Generationen einzusetzen <?page no="98"?> 98 Vorstehende Tabelle 7.2 gibt ein (gekürztes) beispielhaftes Raster vor, um auf der Basis von Fragen zur Ökonomie, Ökologie und Sozialem die Positionierung gegenüber der Nachhaltigkeit zu erkennen. Hierdurch lässt sich zum einen feststellen, wie die Orientierung an der Nachhaltigkeit insgesamt ausgerichtet ist. Dies erlaubt also einen Blick hinter die Legitimitätsfassade, die ein Unternehmen möglicherweise errichtet hat, um den institutionalisierten Erwartungen der Gesellschaft gerecht zu werden. Auf der Basis eines erweiterten und stärker differenzierten Fragebogens lassen sich allerdings sehr individuelle Profile entwickeln. So kann etwa die ökologische Sensibilität stark, die Orientierung an der sozialen Nachhaltigkeit aber schwach ausgeprägt sein. Oder auch innerhalb der sozialen Dimension mag es besonders empfindliche Themen geben, wie etwa die Kinderarbeit, und weniger empfindliche, wie beispielsweise die Korruption. Nachhaltigkeitstypen Als Ergebnis einer detaillierten Analyse der Einstellung und Verhaltensweisen zur Nachhaltigkeit können typische Nachhaltigkeitsprofile abgeleitet werden. Diese stellen die Ausgangssituation für das Nachhaltigkeitsmanagement dar. Maßnahmen, die ergriffen werden, müssen in Einklang zum jeweiligen Profil stehen, ansonsten werden sie blockiert oder nur nachrangig „abgearbeitet“. Oder aber es kommt zu Spannungen, wenn sich nur die Vorstellungen einzelner Stakeholder, etwa die der Kapitalgeber, in den Maßnahmen widerspiegeln. Die offene Kommunikation eines heterogenen Nachhaltigkeitsprofils innerhalb des Managements oder innerhalb der Stakeholder ist die Grundlage für eine kritische Auseinandersetzung und für die Akzeptanz von Maßnahmen, auch wenn sie nur in Teilen den eigenen Vorstellungen entsprechen. Schließlich kann das Management bei abweichenden Nachhaltigkeitsprofilen von Stakeholdern und Mitarbeitern durch Aufklärung und Sensibilisierung auch eine größere Einigkeit herstellen. Beispielhaft können aus dem Nachhaltigkeitsassessment folgende vier Nachhaltigkeitsprofile abgeleitet werden: Antworten aus Tabelle 7.2: überwiegend A [1] Dominanz der Ökonomie Es besteht kein Grund für einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel, da der technische Fortschritt neue Möglichkeiten eröffnet und zur Neige gehende Ressourcen substituiert werden können. Die Tragfähigkeit der Erde ist nicht absolut begrenzt, sondern kann sich durch technischen Fortschritt erweitern. Unternehmen müssen sich mit der Gesellschaft arrangieren, sie sind aber nicht der Treiber für Veränderungen, da ihre Ziele wirtschaftliches Wachstum und Steigerung des Wohlstands sind. <?page no="99"?> 7.2 Nachhaltigkeitsassessment 99 Antworten aus Tabelle 7.2: durchgehend B [2] Eingeschränkte Dominanz der Ökonomie, managementgesteuert Wachstum, Wohlstand und Konsumentensouveränität sind zentrale Werte, allerdings gibt es unvollständige Informationen, die im Einzelfall staatliche Eingriffe für die Nachhaltigkeit rechtfertigen. Im Allgemeinen sind die Innovationskraft und der technische Fortschritt aber so stark, dass ökologische Probleme beherrschbar sind, selbst wenn sich aus heutiger Sicht noch keine Lösungen abzeichnen. Der ökonomischen Dimension der Nachhaltigkeit wird zwar eine hohe Bedeutung beigemessen, sie wird aber nicht dogmatisch über die anderen Dimensionen gestellt. Mit den Stakeholdern finden durchaus Dialoge statt, wobei aber keine Entscheidungskompetenz abgetreten wird. Antworten aus Tabelle 7.2: durchgehend C [3] Ausgeglichene Nachhaltigkeitsziele, Kooperation mit Stakeholdern Die Belastungsgrenzen werden zusehends erreicht, weshalb bei Marktversagen staatliche Eingriffe gerechtfertigt sind. Dies schließt auch Einschränkungen der Konsumentensouveränität ein. Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit sind gleich bedeutsam, allerdings gibt es bei nicht substituierbaren Ressourcen rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen. Bei kritischen Entscheidungen ist mit den Stakeholdern ein Konsens herzustellen. Es bestehen Zweifel, welchen Beitrag der technische Fortschritt zur Problemlösung beitragen kann. Antworten aus Tabelle 7.2: C (1-4, 7, 9, 10), D (5, 6, 8, 11, 12) [4] Ausgeglichene Nachhaltigkeitsziele, Dominanz der Stakeholder Die Belastungsgrenzen werden zusehends erreicht, weshalb zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit umfangreiche Entscheidungskompetenzen auf die Stakeholder verlagert werden und auch staatliche Eingriffe gerechtfertigt sind. Dies schließt Einschränkungen der Konsumentensouveränität ein. Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit sind gleich bedeutsam, allerdings gibt es bei nicht substituierbaren Ressourcen rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen. Es bestehen Zweifel, welchen Beitrag der technische Fortschritt zur Problemlösung beitragen kann. Weitere Ansätze des Nachhaltigkeitsassessments Trotz der Überzeugung, dass ein Nachhaltigkeitsassessment notwendig ist, um die Ausgangssituation für das Nachhaltigkeitsmanagement zu klären, ist dieses insgesamt noch wenig bekannt. Auch in der Literatur wird dem Nachhaltigkeitsassessment zumeist wenig Bedeutung beigemessen. Es bestehen nur wenige Ansätze für ein umfassendes Nachhaltigkeitsassessment. Diese sind zumeist in Form einer Selbstbewertung konzipiert und sehen das Assessment als Ausgangspunkt für die Ableitung und Umsetzung von Maßnahmen. Folgende drei Ansätze seien hier kurz genannt. Auf online verfügbare weitere Informationen wird jeweils verwiesen. <?page no="100"?> 100 7 Normatives Nachhaltigkeitsmanagement Sustainable Excellence Das Konzept der Sustainable Excellence baut auf dem Management-Ansatz der EFQM, der European Foundation for Quality Management, auf. Damit nutzt es die bewährte und auch in vielen Unternehmen anerkannte EFQM-Methodik und ergänzt diese zugleich um nachhaltigkeitsrelevante Inhalte. Für Unternehmen, die nicht mit der EFQM-Methodik arbeiten, dürfte damit die Hürde zur Nutzung des Nachhaltigkeitsassessments etwas größer sein. Sinnvoll ist aber die Integration der Nachhaltigkeit in ein bestehendes Managementsystem. (Eine umfassende Beschreibung dieses Managementansatzes findet sich auf der Homepage des Trägers des Konzepts: http: / / www.susex-team.de/ index.html ) SAFE - Sustainable Assessment for Enterprises Dieses Verfahren wurde bereits 2001 unter anderem vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie entwickelt und hat das Ziel, Unternehmen ein praktikables Instrument in die Hand zu geben, um die abstrakten Anforderungen der Nachhaltigkeit auf das einzelne Unternehmen zu transformieren. Damit soll dem in der Unternehmenspraxis ausgeprägten Bedarf an Analyse- und Managementinstrumenten Rechnung getragen werden. Mittels Fragebogen sollen das Management und die Mitarbeiter eine Selbstanalyse durchführen. Auf einem anschließenden Workshop werden die Ergebnisse diskutiert und Maßnahmen entwickelt. Die Durchführung und die Kontrolle der Zielerreichung soll vom Controlling begleitet werden. (Das SAFE-Handbuch enthält eine sehr detaillierte Anleitung zur Durchführung des Assessments. Dieses ist online verfügbar: http: / / epub.wupperinst.org/ frontdoor/ index/ index/ docId/ 1528 ) BNC Bochumer Nachhaltigkeitscheck Hierbei handelt es sich um ein 2004 von mehreren Unternehmen aus Bochum entwickeltes Selbstbewertungsinstrument. Ausgangspunkt war auch hier die Unsicherheit, welche Anforderungen aus der Nachhaltigkeit erwachsen und wie die Unternehmen hiermit umgehen sollten. Es wurden 10 nachhaltigkeitsrelevante Themenbereiche herausgearbeitet, die analysiert und bewertet werden. Es wird empfohlen, die Analyse gemeinsam auf einem Workshop auszuwerten und Maßnahmen abzuleiten. Neben der anschließenden Umsetzung und Begleitung durch das Controlling ist auch ein gemeinsamer Austausch zwischen den teilnehmenden Unternehmen geplant, um den Lerneffekt zu verstärken. (Das BNC-Konzept ist einer online verfügbaren Broschüre beschrieben. In diesem sind auch mehrere Anwendungsbeispiele enthalten: http: / / www.trifolium.org/ fileadmin/ user_upload/ pdf/ bncbericht.pdf ) <?page no="101"?> 7.3 Stakeholderdialog 101 In der Unternehmenspraxis finden sich teilweise auch Nachhaltigkeitsassessments in einer gekürzten Form. Die Bayer AG bezeichnet dies beispielsweise als Sustainability Check (vgl. Weber, Georg, Janke, Mack 2012, S. 48ff.). So wird zwar auch ein aktueller Nachhaltigkeitsstatus ermittelt, doch basiert dieser auf einer begrenzten Anzahl an Nachhaltigkeitsindikatoren. Die Beschreibung eines schlanken Assessments findet sich bei Barth, Scheurer 2013, S. 222ff. Stakeholderdialog Definition Stakeholderdialoge sind organisierte und strukturierte Gespräche zwischen Vertretern des Unternehmens und Vertretern von Anspruchsgruppen, die dem gegenseitigen Informationsaustausch dienen, insbesondere in Bezug auf die für die Anspruchsgruppen relevanten Themen. „Zwischen der Erwartung an Banken und der Wahrnehmung von Banken gibt es ein massives Missverhältnis. Wir müssen raus aus unseren Türmen und einen Dialog mit allen Stakeholdern auf Augenhöhe führen.“ (Rainer Neske, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bank, in: https: / / www.db.com/ cr/ de/ strategie/ stakeholderdialog.htm, Abruf 31.01.15) Arten und Ziele des Stakeholderdialogs Beim Nachhaltigkeitsassessment geht es um das Kennenlernen der Einstellung zur Nachhaltigkeit, sowohl im Unternehmen als auch bei den Stakeholdern. Ein Assessment ist aber vorwiegend eine Befragung und noch kein Dialog. Allerdings stellen die Ergebnisse des Assessments die Inhalte für einen Dialog dar. In der Praxis sind die Stakeholderdialoge in sehr unterschiedlicher Ausprägung zu finden. In der Studie „Corporate Sustainability-Barometer“ heißt es, dass fast alle Unternehmen die Beziehungen zu den Stakeholdern aktiv managen. Zumeist werden die Stakeholder beobachtet und informiert. Dies ist damit noch kein Dialog. Alleine die Information führt noch nicht zu einer umfassenden Akzeptanz. Stakeholder wollen vielmehr in die ökologischen und sozialen Diskussionen eingebunden werden (vgl. Windolph, Hörisch, Harms, Schaltegger 2013, S. 121). Die Einbindung von Stakeholdern in Entscheidungen wird als selten bezeichnet. Diese erfolgt nicht systematisch, sondern fallspezifisch. Beispielsweise werden Anwohner eingebunden, wenn durch die Errichtung oder Erweiterung einer Betriebsstätte diese hiervon in besonderem Maße betroffen sind (vgl. Schaltegger, Hörisch, Windolph, Harms 2012, S. 37f.). Untersuchungen zeigen, dass partizipative Unternehmen, die nicht nur informieren, sondern in den Dialog mit den Stakeholdern treten, die an sie gerichtete Kritik stärker abbauen können als nicht partizipative Unternehmen. Allerdings sind partizipative <?page no="102"?> 102 7 Normatives Nachhaltigkeitsmanagement Unternehmen auch einer stärkeren Kritik ausgesetzt. Wer nicht auf die Stakeholder zugeht, bietet auch keine Projektionsfläche für Kritik und fordert auch nicht auf, Kritik zu formulieren. Partizipative Unternehmen bekommen eben genau diese eingeforderte Rückmeldung, schaffen es aber zugleich, durch den Austausch mit den Stakeholdern diese Kritik wieder abzubauen (vgl. Windolph, Hörisch, Harms, Schaltegger 2013, S. 123). Vergleichbare Effekte sind etwa nach der Einrichtung eines Beschwerdemanagements zu verzeichnen. Und auch hierbei wird ein aktiver Umgang mit Beschwerden für sinnvoller angesehen als ein Abschotten gegenüber Beschwerden. Die Intensität der Einbindung der Stakeholder kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Die Daimler AG unterscheidet drei Stufen, wie Stakeholder einbezogen werden können. Durch die Information wird Transparenz geschaffen, ein Dialog fördert gegenseitiges Verständnis und es können Lösungen erarbeitet werden. Die Partizipation beinhaltet eine tatsächliche Beteiligung der Stakeholder an Entscheidungen. Je nach Ziel bzw. Anlass ist ein bestimmtes Format am zweckmäßigsten. Die hierbei genutzten Instrumente sind im Nachhaltigkeitsbericht der Daimler AG aus dem Jahre 2018 dargestellt: Information Dialog Partizipation Daimler Nachhaltigkeitsbericht und regionale Berichte Nachhaltigkeitsnewsletter und -magazine Umwelterklärungen der Werke Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Unternehmenswebsite Blogs und Social Media Social Intranet und interne Kommunikation Werksführungen, Empfänge, Mercedes-Benz Museum Jährlicher Daimler Sustainability Dialogue Lokaler Dialog mit Anwohnern und Kommunen Interne Dialogveranstaltungen zu Integrität und Compliance Daimler Lieferanten Portal Mitgliedschaft in Nachhaltigkeitsinitiativen und netzwerken Mitarbeit im BDI-Ausschuss zu künstlicher Intelligenz Fachtagungen zu gesellschaftlichen Themen und Debatten Anlass- und projektbezogene Gespräche Neue Dialogformate zu Zukunftsfragen: Thinktanks, Hackathons, Ideenwettbewerbe Konsultation von Stakeholdern in thematischen Arbeitsgruppen Beirat für Integrität und Unternehmensverantwortung Peer Review im Rahmen von Nachhaltigkeitsinitiativen wie UN Global Compact Tabelle 7.3: Instrumente des Stakeholderdialogs bei der Daimler AG (Quelle: Daimler AG, Nachhaltigkeitsbericht 2018, S. 11, in: https: / / www.daimler.com/ dokumente/ nachhaltigkeit/ sonstiges/ daimler-nachhaltigkeitsbericht-2018-de.pdf, Abruf 26.10.19) <?page no="103"?> 7.3 Stakeholderdialog 103 Seitens der internationalen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) erfolgt die Einschätzung, dass bisher nur wenige Unternehmen über die einseitige Kommunikation hinaus in einen Dialog mit den Stakeholdern eingetreten sind. Und auch nur wenige Unternehmen haben ein Stakeholdermanagement installiert, um die Dialoge mit Kunden, der Presse, Nichtregierungsorganisationen oder Kapitalgebern für das Unternehmen zu nutzen. Der Vorteil liege vor allem im frühzeitigen Erkennen von Chancen und Risiken. Stakeholderdialoge können somit als Frühwarninstrument genutzt werden. Wenn überhaupt Dialoge geführt werden, sind sie aber oft nicht in die Managementprozesse integriert und werden teilweise mehr als Pflichtübung missverstanden (vgl. PwC in http: / / www. pwc.de/ de/ nachhaltigkeit/ zielgerichteter-dialog-mit-stakeholdern-wirkt-in-dieunternehmen-hinein.jhtml, Abruf 26.01.15). Praxisbeispiel: BMW Group „Kunden, Geschäftspartner, Mitarbeiter und Medien sowie politische und wissenschaftliche Entscheidungsträger, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Investoren - sie alle stellen auf lokaler wie globaler Ebene vielfältige Ansprüche an die BMW Group. Viele unserer Nachhaltigkeitsziele können wir nur gemeinsam mit Partnern aus Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Industrie erreichen. Dabei nimmt sowohl in der Gesellschaft als auch auf dem Kapitalmarkt das Interesse an Information und an Dialog zu Nachhaltigkeitsaspekten stetig zu. Als weltweit tätiges Unternehmen stehen wir deshalb im kontinuierlichen Austausch mit einer Vielzahl von Stakeholdern im In- und Ausland. Der Dialog hilft uns, Trends frühzeitig zu erkennen, unser gesellschaftliches Engagement zu vertiefen und Nachhaltigkeitsziele besser zu erreichen.“ (BMW Group, http: / / www.bmwgroup.com/ d/ 0_0_www_bmwgroup_com/ verant wortung/ dialog/ ueberblicknew.shtml, Abruf 26.01.15) Durch den Dialog mit den Stakeholdern werden insbesondere folgende Ziele verfolgt: Erkennen, was den Stakeholdern wichtig ist und wie das Unternehmen hierauf Einfluss nehmen kann Qualitätssicherung und Gewinnung von Anregungen für die weitere Ausgestaltung des Nachhaltigkeitsmanagements Information der Stakeholder über dasNachhaltigkeitsengagement Test möglicher gesellschaftlicher Reaktionen im kleinen Rahmen und damit Begrenzung von Risiken Erhöhung der Glaubwürdigkeit des Nachhaltigkeitsengagements Vertrauensaufbau zwischen Stakeholdern und Unternehmen Schaffung von Akzeptanz durch Offenheit und durch die Einbindung in die Erarbeitung von Lösungen Erfüllung der Anforderungen verschiedenerCSR-Standards <?page no="104"?> 104 7 Normatives Nachhaltigkeitsmanagement Teils werden Bedenken gegen den Stakeholderdialog aufgeführt, dass hierdurch die Rechte der Kapitalgeber beschnitten würden. Dies ist aber weder ein Ziel des Stakeholderdialogs, noch wurde dies von den Unternehmen, die teilweise schon seit einigen Jahren Stakeholderdialoge durchführen, als kritisch vermerkt. Beispiel: Daimler „Der Austausch mit unseren Stakeholdern ist für uns sehr wichtig. Nachhaltigkeitsfragen gewinnen immer mehr an Bedeutung. Für viele Kunden sind sie ein wichtiges Kaufkriterium geworden. Der Stakeholder-Dialog hilft uns, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und unser Tun gemeinsam mit den verschiedenen Interessengruppen kritisch zu bilanzieren. Der Austausch ist für uns ein integraler Teil unseres Strategieprozesses.“ (Thomas Weber, Daimler AG, Vorstand Konzernforschung und Vorsitzender des Sustainability Boards, in: http: / / www.daimler.com/ dccom/ 0-5-1380308-49- 1381720-1-0-0-0-0-0-0-0-0-0-0-0-0-0-0.html, Abruf 30.01.15) Durchführung des Stakeholderdialogs Bei Stakeholderdialogen kann es sich um einmalige Veranstaltungen handeln, die dem gegenseitigen Kennenlernen der Standpunkte dienen oder die auf besondere Anlässe erfolgen, wie etwa einer Betriebserweiterung oder als Reaktion auf Vorfälle, die zu öffentlichen Reaktionen geführt haben. Sind die Stakeholderdialoge Bestandteil des Nachhaltigkeitsmanagements, werden sie regelmäßig, häufig in jährlichem Rhythmus durchgeführt. International tätige Unternehmen führen die Dialoge zudem weltweit in verschiedenen Regionen durch, um den Unterschieden zwischen den Stakeholdern Rechnung zu tragen. Bei einer regelmäßigen Durchführung werden die Stakeholder erwarten, dass Vereinbarungen getroffen und Zusagen gemacht werden, deren Erfüllung im folgenden Dialog überprüft wird. Einige Unternehmen veröffentlichen die Diskussionen und Ergebnisse der Stakeholderdialoge. Teilnehmer Seitens des Unternehmens sollten hochrangige Vertreter teilnehmen, in der Regel der Vorstand bzw. die Geschäftsleitung, insbesondere wenn es sich um große, öffentlichkeitswirksame Stakeholderdialoge handelt. Unterstützt werden diese durch themenrelevante Experten, etwa aus dem Bereich Umweltschutz oder der Produktentwicklung. Bei Dialogen mit fachlichem oder regionalem Schwerpunkt sollten entsprechende Fachexperten oder regional Verantwortliche teilnehmen. Schwieriger ist die Auswahl der Stakeholder. Letztlich sind dies alle, die in einer relevanten Beziehung zum Unternehmen stehen. Nach ISO 26000 sind Anspruchsgruppen all diejenigen, die Interesse an einer Entscheidung oder Aktivität des Unternehmens haben. Dem Unternehmen sehr nahestehende Stakeholder, wie die Mitarbeiter, die Kunden oder die Kapitalgeber, haben bereits vertragliche wie auch persönliche Beziehungen zum Unternehmen. Sie können ihre Interessen also über verschiedene Kanäle vertre- <?page no="105"?> 7.3 Stakeholderdialog 105 ten. Andere Stakeholder haben eine eher indirekte Beziehung zum Unternehmen, etwa über die Produkte und Dienstleistungen, den durch die Wertschöpfung geschaffenen Wohlstand oder durch die Umweltbelastung. Deren Interessen werden oftmals von Nichtregierungsorganisationen (NGO) oder von wissenschaftlichen Einrichtungen vertreten. Die Stakeholderanalyse beginnt mit der Identifikation der Stakeholder: wirtschaftliche Anspruchsgruppen: Kunden, Lieferanten, Kapitalgeber,... gesellschaftliche Anspruchsgruppen: Staat, Kommunalverwaltung, Anlieger, Medien, ... Anwälte des Ökosystems: Umweltschutzorganisationen, NGO, Verbände, ... Anwälte des Sozialsystems: Menschenrechtsgruppen, NGO, Verbände,... Unternehmensinterne Anspruchsgruppen: Mitarbeiter,Manager Anschließend sind die Teilnehmer auszuwählen. Externe Stakeholder können dabei sein: alle Stakeholder durch das Unternehmen definierte Stakeholder Stakeholder mit dem größten Einfluss auf das Unternehmen periodisch wechselnde Stakeholdergruppen Unternehmensinterne Teilnehmer können ausgewählt werden aus: Top-Management leitende Angestellte nachhaltigkeitsverantwortliche Mitarbeiter bzw. Gremien alle Mitarbeiter Beispiel: Daimler „Stakeholder sind für uns Personen und Organisationen, die rechtliche, finanzielle, ethische und ökologische Erwartungen an Daimler haben. Kriterium für deren Identifikation und Gewichtung ist, inwieweit eine Person oder Gruppe durch die Entscheidungen unseres Unternehmens beeinflusst wird oder umgekehrt bei Entscheidungen unseres Unternehmens Berücksichtigung findet. Unsere primären Stakeholder sind Aktionäre und Kreditgeber, Mitarbeiter, Kunden sowie Zulieferer. Darüber hinaus tauschen wir uns regelmäßig mit zivilgesellschaftlichen Gruppen wie Nichtregierungsorganisationen aus. Aber auch mit Verbänden, Gewerkschaften, Medien, Analysten, Kommunen, Anwohnern, Nachbarn unserer Standorte wie auch mit Vertretern aus Wissenschaft und Politik pflegen wir den Kontakt. “ (Daimler AG, Nachhaltigkeitsbericht 2018, S. 10, in: https: / / www.daimler.com/ dokumente/ nachhaltigkeit/ sonstiges/ daimler-nachhaltigkeitsbericht-2018-de.pdf, Abruf 26.10.19) <?page no="106"?> 106 7 Normatives Nachhaltigkeitsmanagement Beispiel: E.ON „Kongresse, Messen und andere publikumsintensive Veranstaltungen bieten ein gutes Forum, um mit relevanten Stakeholdern ins Gespräch zu kommen. Im Rahmen unserer 2006 gestarteten Kommunikationskampagne ‚E.ON im Dialog‘ setzen wir Mitarbeiter hierbei gezielt als Botschafter für unsere Vision der Zukunft der Energie ein. Über 130 Kollegen engagierten sich 2013 im Rahmen der Kampagne zum Teil mehrfach als Botschafter für E.ON. Auf insgesamt 37 externen Veranstaltungen suchten sie das Gespräch mit den Besuchern, um E.ONs Haltung zu aktuellen energiepolitischen Fragen darzulegen und über Energiezusammenhänge zu informieren. Insgesamt besuchten knapp 40.000 Menschen - davon rund 4.400 mit politikbezogenem Hintergrund - einen unserer Informationsstände. Mit rund 7.000 Personen führten wir zum Teil intensive Gespräche. Das Thema, das unsere Gäste mit Abstand am stärksten bewegte, war die Zukunft der Energieversorgung. Auch E.ON profitiert von dem direkten Austausch. So lieferten uns die Einschätzungen und Fragen unserer Besucher wichtige Hinweise auf aktuelle Trends und Themen sowie Meinungen und Einstellungen in der Bevölkerung.“ (E.ON SE, in: http: / / www.eon.com/ de/ nachhaltigkeit/ management/ stakeholdermanagement/ stakeholder-dialog.html, Abruf 31.01.15) Themenfindung Bevor über die Teilnehmer des Stakeholderdialogs entschieden wird, müssen die Themen bestimmt werden. Generell sollte ein Format gewählt werden, das den Stakeholdern ermöglicht, auch eigene Themen einzubringen. Dies gilt vor allem bei einem erstmalig durchgeführten Dialog. Zur Eingrenzung der Themenfelder können vorab Befragungen oder auch Gespräche mit einzelnen Stakeholdern bzw. Stakeholder- Gruppen durchgeführt werden. Im Stakeholderdialog sollte zudem geklärt werden, welche Themen im nächsten Dialog behandelt werden sollen. Aus den vielfältigen Kontakten zwischen dem Management und den Stakeholdern werden in der Regel Erfahrungen vorliegen, welche Themen für sie relevant sind. Da die Dialoge auch zur Erkennung von Risiken und zur Einschätzung gesellschaftlicher Trends genutzt werden, müssen solche Fragen im Unternehmen erkannt werden. Der Nachhaltigkeitscontroller sollte dafür in einem engen Austausch mit den Bereichen Forschung und Entwicklung und Risikomanagement stehen. Es können somit die für das Unternehmen relevanten Dialogthemen und die seitens der Stakeholder erwarteten Dialogthemen benanntwerden. Bei einer großen Breite an Themen werden auch mehrere Stakeholderdialoge mit verschiedenen inhaltlichen Ausrichtungen durchgeführt. So kann es neben inhaltlich breiten und offen formulierten Dialogen auch solche mit speziellen Inhalten oder mit speziellen Stakeholdern geben. So hat die BMW Group in den vergangenen Jahren neben thematisch offenen und breit besetzten Dialogen auch fachlich fokussierte <?page no="107"?> 7.3 Stakeholderdialog 107 Dialoge, etwa zur nachhaltigen Mobilität oder zu Lieferketten, und auf einzelne Stakeholder fokussierte Dialoge, wie etwa mit Vertretern der Politik, durchgeführt. Beispiel: BMW Group BMW Group Dialogue am 22.05.2014 in Toronto: „Die BMW Group interessierte vor allem, wie die Stakeholder die Nachhaltigkeit der aktuellen Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens bewerten und wie es diese verbessern kann. Leitfragen waren dabei insbesondere: - Wo wird die BMW Group als führend gesehen, wo muss sie noch besser werden? Was sind die wesentlichen Nachhaltigkeitstrends der nächsten Jahre? - Welche Lösungen werden in Zukunft für die Herausforderungen urbaner Mobilität benötigt? Welche Rolle kann Car Sharing langfristig spielen? Welche Verantwortung hat die BMW Group über den Individualverkehr hinaus? - Welche Bedeutung hat Elektromobilität in Zukunft für die BMW Group? “ (Quelle: BMW, in: http: / / www.bmwgroup.com/ bmwgroup_prod/ d/ 0_0_www_bmwgroup_com/ verantwortung/ dialog/ toronto.html , Abruf 30.01.2015) Beispiel: Fraport „Für einige unserer Stakeholder stehen globale Herausforderungen wie der Klimawandel im Vordergrund, für viele Menschen im Flughafen-Umfeld ist der Fluglärm das wichtigste Thema. Andere Personengruppen beschäftigen Fragen nach der wirtschaftlichen Wertschöpfung des Flughafens und seiner Wettbewerbsfähigkeit sowie dem Erhalt und Aufbau sicherer und attraktiver Arbeitsplätze. Die an uns herangetragenen Anliegen sind äußerst vielfältig und manchmal unvereinbar oder sogar widersprüchlich. Viele Vorschläge können wir umsetzen, aber nicht alle. Dennoch sind wir davon überzeugt, dass der Informationsaustausch zum gegenseitigen Verständnis und zu Lösungen, die breite Akzeptanz finden, beiträgt. Dialog verstehen wir als wichtiges Instrument, mit dem wir Anregungen für die strategische Ausrichtung des Unternehmens und Hinweise für das Risiko-Management gewinnen. Als „lernende Organisation“ orientieren wir uns außerdem an den Fortschritten in Wissenschaft und Technologie.“ (Quelle: Fraport, in: http: / / nachhaltigkeitsbericht.fraport.de/ dialog/ , Abruf 31.01.15) Dialogstandards Die Glaubwürdigkeit der Stakeholderdialoge wird gesteigert, wenn grundlegende Regeln zur Durchführung der Dialoge getroffen und veröffentlicht werden. Basis dieser Regelwerke bildet oftmals der „Stakeholder Engagement Standard (SES) AA 1000“. Der Leitfaden ist online verfügbar: <?page no="108"?> 108 7 Normatives Nachhaltigkeitsmanagement Link: http: / / www.accountability.org/ images/ content/ 5/ 4/ 542/ AA1000SES% 2020 10% 20 PRINT.pdf. Herausgeber des Standards ist die weltweit tätige Organisation „AccountAbility“. Weitere Informationen hierzu finden sich auf www.accountability.org. Als Beispiel für einen Dialogstandard soll der von British American Tobacco Germany (BAT) dienen: [1] „Die Stakeholder-Dialoge von BAT werden durch einen externen und unabhängigen Moderator geleitet. [2] Der Meinungsaustausch ist getragen vom wechselseitigen Respekt der Dialogteilnehmer. [3] Alle Teilnehmer haben die gleichen Möglichkeiten und Voraussetzungen, ihre eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen. [4] Die Diskussion wird sachorientiert, offen und ehrlich geführt. Informationen werden nicht bewusst zurückgehalten. [5] Die Anwendung der Chatham House Rule stellt einen offenen und vertraulichen Informationsaustausch sicher. Dialogteilnehmer dürfen die Inhalte weitergeben, jedoch ohne die Identität von Teilnehmern und Rednern offenzulegen. [6] Das Einladungsprozedere sowie die vollständige und richtige Erfassung der Ergebnisse werden durch die Teilnahme eines Vertreters einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gewährleistet. Im Anschluss an den Dialog führt dieser einen Review der Ergebnisse durch und vergleicht sie mit seinen eigenen Beobachtungen.“ (BAT, Bericht über den 11. Stakeholderdialog, in: http: / / dialog.bat.de/ index.php, Abruf 31.01.15) Durchführung Stakeholderdialoge lassen sich auf sehr unterschiedliche Arten durchführen. Mögliche Alternativen sind hierbei: [1] Frequenz: jährlich oder sporadisch [2] Art der Erhebung: Workshops, Interviews, Fragebögen oder Kombination dieser Methoden [3] Handlungsfelder: vorab ausgewählte Handlungsfelder oder offen über alle Handlungsfelder [4] Format: Information, Konsultation, Dialog, Partizipation [5] Gewichtung: je Stakeholder eine Stimme oder Bündelung der Stakeholdergruppen, Gleichgewichtung der Stakeholdergruppen oder Priorisierung der Gruppen <?page no="109"?> 7.3 Stakeholderdialog 109 Die Durchführung eines Nachhaltigkeitsassessments im Unternehmen und mit Stakeholdern führt sowohl bei den Beteiligten zur Erkenntnis, wie sie zu Fragen der Nachhaltigkeit eingestellt sind und welche Felder als besonders bedeutsam betrachtet werden. Management und Stakeholdern wird somit aber auch transparent aufgeführt, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen allen Beteiligten bestehen. Diese Transparenz stellt eine geeignete Ausgangslage für den Stakeholderdialog dar. Dort wo ein gemeinsames Verständnis besteht, reicht es aus, bestimmte Maßnahmen abzustimmen. Wo es bedeutsame Unterschiede gibt, sollte ein Dialog geführt werden. Man wird einen recht fundierten Einblick gewinnen, welche Stakeholdergruppen abweichende Vorstellungen haben, ob die Gruppen überhaupt homogene Vorstellungen haben, und worin die Unterschiede begründet liegen. Auf dieser Basis können zielgerichtete Gespräche geführt werden oder auch Themen in Absprache vorerst noch ausgeklammert werden, wenn hierdurch der Dialog insgesamt beeinträchtigt wird. Die Erkenntnisse aus dem Assessment und dem Dialog können in einer Erweiterung bzw. Anpassung der Vision und der Mission münden. Die Vision und die Mission sind dann nicht mehr nur die Ergebnisse von außen nicht einsehbaren Management- und Gesellschaftermeetings. Sie sind nun vielmehr auf eine breite Basis gestellt, integrieren vielfältige Ansichten und sind transparent, so dass sie auch von den Stakeholdern insgesamt vertreten und gefördert werden. Kapitel 7: Erkenntnisse <?page no="110"?> 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling Input Mission und Vision sind geklärt Teilprozesse Wesentlichkeitsanalyse Strategietools Compliance-Strategie Konsistenzstrategie Suffizienzstrategie Effizienzstrategie Entwicklung der integrierten Nachhaltigkeitsstrategie Output Strategie ist fundiert entwickelt und ausformuliert Strategie ist im Unternehmen bekannt Umsetzung der Strategie ist geklärt und initiiert <?page no="111"?> 8.1 Grundlagen der Nachhaltigkeitsstrategie 111 Grundlagen der Nachhaltigkeitsstrategie Die Unternehmensstrategie hat die Aufgabe, den grundsätzlichen Weg vorzugeben, um die Vision zu erreichen. Sind in der Vision die Anforderungen der Nachhaltigkeit enthalten, muss auch die Strategie diese in sich integrieren. Wie bereits dargelegt, kann nur eine in das bestehende Controlling integrierte Nachhaltigkeitssteuerung als sinnvoll beurteilt werden. Das bedeutet auch für die strategische Ebene, dass die bisherige Unternehmensstrategie um die Nachhaltigkeit erweitert und angepasst werden muss. Es gibt also keine für sich alleinstehende Nachhaltigkeitsstrategie. Zahlreiche etablierte Strategieinstrumente, wie etwa die SWOT-Analyse oder die Balanced Scorecard, wurden bereits um ökologische und soziale Kriterien erweitert. In der Strategiearbeit lässt sich somit also mit grundsätzlich bekannten und im Management akzeptierten Methoden arbeiten. Damit wird die Gefahr vermieden, dass singuläre Nachhaltigkeitstools keine Akzeptanz finden oder parallel zu den bestehenden Instrumenten ausschließlich von den Nachhaltigkeitsexperten genutztwerden. Wesentlichkeitsanalyse Für die Unterscheidung der strategischen und der operativen Ebene eignet sich die prägnante Erläuterung von Peter Drucker: strategisches Management: „die richtigen Dinge tun“ operatives Management: „die Dinge richtig tun“ Kern der Strategiearbeit ist es, „die richtigen Dinge“ zu erkennen. Wenn diese bestimmt sind, werden sie im operativen Management bestmöglich umgesetzt. Die Strategie gibt damit die wesentlichen Inhalte für das operative Management vor. Folglich ist zu erkennen, welches die wesentlichen Inhalte für eine nachhaltige Entwicklung des Unternehmens sind. Dies stellt den Ausgangspunkt für die Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie dar. Mittlerweile hat sich hierfür die Methodik der Wesentlichkeitsanalyse im Nachhaltigkeitsmanagement etabliert. So berichtet etwa die KPMG, dass 80% der 250 weltweit größten Unternehmen eine Wesentlichkeitsanalyse durchführen. (vgl. KPMG 2015, in: http: / / www.kpmg.com/ DE/ de/ Biblio thek/ 2014/ Seiten/ sustainable-insight-grundlagen-wesentlichkeitsanalyse.aspx, Abruf 01.02.15). An Bekanntheit und praktischer Relevanz gewinnt die Wesentlichkeitsanalyse durch den GRI-Standard zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in der 2013 veröffentlichten Version G4. Dominierte in der Version G3 noch die Vorgabe vielfältiger Indikatoren, über die im Nachhaltigkeitsbericht informiert werden musste, wird in G4 von diesem Ziel der Vollständigkeit und Vergleichbarkeit abgewichen. Es setzte sich die Erkenntnis durch, dass Nachhaltigkeitsmanagement nur dann im Unternehmen Akzeptanz findet, wenn die für das Unternehmen wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen bearbeitet werden. Diese Entwicklung hin zur Wesentlichkeit war überfällig, da <?page no="112"?> 112 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling es im strategischen Management seit jeher darum geht, wesentliche Geschäftsfelder und Kompetenzen zu erkennen und zu entwickeln. Ebenso sind natürlich die wesentlichen Nachhaltigkeitsfelder zu erkennen und zu entwickeln. Im strategischen Management wurden vor allem in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts verschiedene Methoden entwickelt, um die strategische Relevanz zu identifizieren. Zu nennen sind hierbei etwa die SWOT-Analyse, die 5-Forces von Michael Porter, die BCG-Matrix oder die McKinsey-Matrix. Diese Methoden wurden in den letzten Jahrzehnten in zahlreichen Lehrbüchern zum strategischen Management hinreichend vorgestellt und kritisch beleuchtet. Sofern diese Methoden um Nachhaltigkeitsaspekte sinnvoll erweitert wurden, wird in Abschnitt 8.1.3 auf diese eingegangen. Der Grundsatz der Wesentlichkeit entstammt aus den angelsächsisch geprägten Rechnungslegungsvorschriften. Dort ist es notwendig, alle Tatbestände die „material“ (= wesentlich) sind und somit einen Einfluss auf den Gewinn haben, im Jahresabschluss offenzulegen. Übertragen auf sämtliche nachhaltige Auswirkungen des Unternehmens sind all diejenigen Faktoren relevant, die sich auf das ökonomische, ökologische oder soziale Ergebnis des Unternehmens auswirken. Im Folgenden wird die Wesentlichkeitsanalyse in der konventionellen Form, wie sie etwa in den GRI-Standards empfohlen wird, vorgestellt. Resultierend aus der Kritik an dieser Methodik wird eine weitere Methode vorgestellt, dem der systemisch-kybernetische Ansatz zugrunde liegt. Konventionelle Wesentlichkeitsanalyse Die Wesentlichkeitsanalyse bzw. Materialitätsanalyse soll dazu führen, dass die Nachhaltigkeitsstrategie auf die Themen fokussiert ist, die für das Unternehmen wie auch für die Stakeholder wesentlich sind. Liegen also Themen vor, die sowohl aus Sicht des Unternehmens als auch aus Sicht der Stakeholder besonders bedeutsam sind, gelten sie als wesentlich und müssen im Nachhaltigkeitsmanagement entsprechend priorisiert werden. Die Wesentlichkeitsanalyse setzt somit einen Stakeholderdialog voraus. Gerade bei großen Unternehmen, mit sehr vielen und auch sehr unterschiedlichen Stakeholdern, kann ein Einzeldialog als Vorstufe für die Stakeholderbefragung im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse dienen. So werden etwa bei Daimler im persönlichen Stakeholderdialog Handlungsfelder identifiziert, die anschließend in der Wesentlichkeitsanalyse, online an alle Stakeholder gerichtet, quantitativ gewichtetwerden. GRI schlägt zur Ermittlung der wesentlichen Inhalte einen vierstufigen Prozess vor: <?page no="113"?> 8.1 Grundlagen der Nachhaltigkeitsstrategie 113 Abb. 8.1: Vorgehensweise zur Festlegung der wesentlichen Aspekte gemäß GRI Schritt 1: Ermittlung Sammlung sämtlicher für die Nachhaltigkeit und für die Stakeholder relevanten Themen, die sowohl im Unternehmen, insbesondere aber auch außerhalb des Unternehmens auftreten. Schritt 2: Priorisierung Festlegung, welche der Themen wesentlich und damit berichtsfähig sind. Dies erfolgt gemeinsam mit den Stakeholdern. Schritt 3: Validierung Überprüfung der Vollständigkeit unter Einbindung der Stakeholder. Schritt 4: Überprüfung Überprüfung des veröffentlichten Berichts zur Vorbereitung des folgenden Berichtszeitraums. Eine detaillierte Beschreibung dieser Vorgehensweise findet sich in der Umsetzungsanleitung des GRI: Global Reporting Initiative 2013b, S. 33ff. Insbesondere die Ermittlung und die Priorisierung der wesentlichen Themen basieren auf einem umfangreichen Informationsstand. Die Suche sollte sich nicht einfach darauf beschränken, im GRI-Katalog nach Kriterien zu suchen, die auch dem Unternehmen relevant erscheinen. Hierbei fehlt der systematische Bezug zur Vision und zur Mission als Ausgangspunkt für die Strategiebildung. Man wird operative Messgrößen finden, denen der strategische Bezug fehlt. Auch in der Unternehmenspraxis finden sich wiederholt Ansammlungen operativer Kenngrößen, die als Nach- <?page no="114"?> 114 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling haltigkeitsstrategie ausgegeben werden. Auswahlkriterien einer Suche im GRI- Katalog wären dann eher die Popularität, die öffentliche Wahrnehmung, das Interesse des Managements oder ein geringer Aufwand, mit dem eine Kenngröße verbessert werden kann. Schließlich sollte beim hier verfolgten Ansatz des integrierten Nachhaltigkeitscontrollings keine von der strategischen Analyse getrennte Analyse der Nachhaltigkeit durchgeführt werden. Nochmals: Das Nachhaltigkeitsmanagement soll weder in den Prozessen noch in der Organisation parallel zum bestehenden Management aufgebaut werden. Die Integration der Nachhaltigkeit in die bestehenden Steuerungskonzepte ist der einzig sinnvolle Weg. Das Vorgehen zur Identifikation der für das Unternehmen relevanten Handlungsfelder zeigt Abbildung 8.2. Abb. 8.2: Herleitung der Wesentlichkeitsmatrix Die Ermittlung und Priorisierung der Handlungsfelder erfolgt seitens des Unternehmens auf Basis der bekannten und etablierten Strategiewerkzeuge. Da in der Vision auch ökologische und soziale Vorstellungen formuliert sind, ist auch die interne und externe Analyse um diese Felder erweitert: [1] Umfeldanalyse: PESTLE (Political, Economical, Social, Technical, Legal, Environmental), Chancen-Risiken-Analyse, Branchenanalyse, Kundenanalyse, Konkurrenzanalyse,... [2] Unternehmensanalyse: Stärke-Schwächen-Analyse, Produktportfolio, Wertschöpfungsanalyse, Ressourcenanalyse, ... <?page no="115"?> 8.1 Grundlagen der Nachhaltigkeitsstrategie 115 Identifikation der für das Unternehmen relevanten Handlungsfelder durch die Zusammenführung der externen und internen Analyse in der SWOT-Analyse. Aus der Kombination der relevanten Handlungsfelder der Unternehmen und der Stakeholder ergibt sich, wie in der vorangegangenen Abbildung zu sehen ist, die Wesentlichkeitsmatrix. Handlungsfelder, denen aus beiden Perspektiven eine hohe Relevanz zugesprochen wird, sind wesentlich. Die Auswahl und die Bewertung der Handlungsfelder sind das Ergebnis einer qualitativen und quantitativen Analyse. Diese Handlungsfelder stellen den inhaltlichen Fixpunkt der Nachhaltigkeitsstrategie dar und beeinflussen die Ausgestaltung der Messkonzepte, das operative Nachhaltigkeitscontrolling sowie das Berichtswesen. Das GRI-Stufenkonzept von der Ermittlung, Priorisierung und Validierung ist ausgehend vom Unternehmen und von den Stakeholdern als ein iterativer Prozess zu verstehen, der im Beschluss der Wesentlichkeitsmatrix und der wesentlichen Handlungsfelder mündet. Der Prozess zur Identifikation wesentlicher Handlungsfelder kann unternehmensindividuell durchaus unterschiedlich ausgestaltet sein. In den GRI-G4-Standards wird nicht streng vorgegeben, wie die Stakeholder auszuwählen und einzubinden sind und wie wesentliche Inhalte herausgearbeitet werden müssen. In der GRI-G4-Leitlinie heißt es etwa: „Subjektive Entscheidungen sind in dem Prozess zur Festlegung der Berichtsinhalte unvermeidbar. Es wird erwartet, dass die Organisation diesbezüglich Transparenz walten lässt. So können interne und externe Stakeholder den Prozess zur Festlegung der Berichtsinhalte nachvollziehen.“ (Global Reporting Initiative 2013b, S. 31). Es ist also eine nachvollziehbare Beschreibung dieser Prozesse notwendig. So ist beispielsweise detailliert aufzuführen, ob ein Aspekt für das Unternehmen bzw. für die Stakeholder wesentlich ist, für welche Organisationseinheiten bzw. Stakeholdergruppen die Wesentlichkeit zutrifft und für welche nicht (G4-20, G4-21). Zudem ist auszuführen, wie die Stakeholder ermittelt, ausgewählt und eingebunden werden (G4-25). Beispiel: Deutsche Bank Die Deutsche Bank orientiert sich an der Wesentlichkeitsanalyse des GRI- Standards und strebt hierdurch an, den eigenen Nachhaltigkeitsansatz mit den Stakeholdern abzugleichen. Diese Analyse führt zu Erkenntnissen, welche Nachhaltigkeitsfragen für die Stakeholder relevant sind und welche strategischen und operativen Themen besonders beachtet werden müssen, da sich aus ihnen nachhaltige Chancen und Risiken ergeben. Hierdurch wird ebenfalls bestimmt, über welche Themen berichtet werden soll. Als Quellen für die in der Matrix verarbeiteten Informationen nennt die Deutsche Bank: [1] „Auswertung von strukturierten Interviews zur Nachhaltigkeitsverantwortung der Deutschen Bank, die ein externer Dienstleister mit Vertretern von Nachhaltigkeitsratingagenturen, Investoren, Nichtregierungsorganisationen und Führungskräften der Bank geführt hat <?page no="116"?> 116 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling Abb. 8.3: Wesentlichkeitsmatrix der Deutschen Bank (Quelle: eigene Darstellung angelehnt an: Deutsche Bank, https: / / www.db.com/ cr/ de/ strategie/ stakeholderdialog. htm#tab_materialit-t, Abruf 03.02.15) [2] Auswertung von Anfragen, die von externen Anspruchsgruppen an die Deutsche Bank gerichtet wurden [3] Ergebnisse unserer globalen Mitarbeiterbefragung2012 [4] Auswertungen von Kommentaren unserer Kunden undGeschäftspartner [5] Untersuchungen unserer Analyseeinheit Deutsche Bank Research, die im Auftrag der Deutschen Bank relevante Trends auf dem Finanzmarkt sowie in Wirtschaft und Gesellschaft einschließlich der entsprechenden Chancen und Risiken verfolgt [6] unternehmensstrategische Schwerpunktsetzungen“ (Deutsche Bank, in: https: / / www.db.com/ cr/ de/ strategie/ stakeholderdialog.htm# tab_materialit-t, Abruf 03.02.15) <?page no="117"?> 8.1 Grundlagen der Nachhaltigkeitsstrategie 117 Systemische Wesentlichkeitsanalyse Im Strategieprozess werden Themenfelder extrahiert und nach ihrer Relevanz beurteilt. Die Themenfelder entstammen dabei zumeist aus sehr unterschiedlichen inhaltlichen Kategorien. Im vorangegangenen Beispiel der Deutschen Bank fanden sich etwa Themen wie Menschenrechte, Stakeholderdialog, Nachhaltige Produkte, Demografie oder Nachhaltige Richtlinien. Dahinter stehen folgende Kategorien: [1] Absolute Ziele: Einhaltung der Menschenrechte [2] Relative Ziele: möglichst nachhaltige Produkte [3] Maßnahmen: Durchführung von Stakeholderdialogen [4] Verhaltensregeln: Nachhaltige Richtlinien setzen und deren Einhaltung sicherstellen [5] Rahmenbedingungen: demografischer Wandel Aufgrund ihrer kategorialen Verschiedenartigkeit lassen sich diese Kriterien nicht in eine Zielhierarchie überführen. Diese Handlungsfelder stehen untereinander zudem in vielseitigen Wechselbeziehungen. Sie können sich gegenseitig fördern oder auch behindern. Manche Reaktionen werden schnell erfolgen, wenn etwa nach Beschluss einer Richtlinie bestimmte Verhaltensweisen unterbleiben. Andere Reaktionen entwickeln sich allmählich, wenn Stakeholderdialoge zu einem zunehmenden Verständnis der Stakeholder beitragen. Stellt man sich diese vielfältigen Beziehungen zwischen den Handlungsfeldern vor, ergibt sich ein komplexes Wirkungsnetz, bei dem die einzelnen Elemente, also die Handlungsfelder, nicht mehr autonom sind. Sie beeinflussen andere Handlungsfelder und werden von anderen beeinflusst und schließlich beeinflussen sie sich über Schleifenbeziehungen indirekt sogar selbst. Die Handlungsfelder werden dadurch mehr durch das Netzwerk, das kybernetische System, beeinflusst, als dass einzelne Elemente unabhängig agieren und autonom gesteuert werden können. Daher ist zur Gewinnung von Erkenntnissen und zur Ableitung von Handlungen vor allem das System und weniger das einzelne Element zu betrachten. Ein komplexes Netzwerk sollte nicht so behandelt werden, als ob jedes Handlungsfeld getrennt bearbeitet und gesteuert werden kann. Durch den modellhaften Aufbau dieses Netzwerkes, also durch eine Modellierung, kann ein Einblick in die Funktionsweise des Systems gewonnen werden und es können die Auswirkungen von Eingriffen, etwa die Veränderung einzelner Handlungsfelder, simuliert werden. Für die Untersuchung komplexer Systeme gibt es verschiedene Methoden, die zumeist als Software-Tool zur Verfügung stehen. Hierbei ist es die Aufgabe des Bearbeiters, die wesentlichen Handlungsfelder ausfindig zu machen und die Beziehungen zwischen diesen zu beschrieben. Diese Modellierung des Systems kann entweder qualitativ erfolgen (z.B. eine Reaktion ist stark, erfolgt aber eher langsam), oder sie wird quantifiziert (Bestimmung der funktionalen Beziehung zwischen zwei Elementen). Auf der strategischen Ebene und bei vorherrschender Unsicherheit über die Handlungsfelder und deren Beziehungen erweist sich eine qualitative Modellierung als ange- <?page no="118"?> 118 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling messener. Im Folgenden soll ein Modellierungsbeispiel vorgestellt werden, das mit Hilfe des Softwaretools iModelers von der Consideo GmbH erstellt wurde. Ein Überblick und einen Einstieg in die Nutzung von Werkzeugen für komplexe Systeme finden sich bei Sailer 2012, S. 132ff. Weitergehende Informationen zum hier benutzten Tool iModeler finden sich in: www.know-why.net. Beispiel einer systemischen Wesentlichkeitsanalyse Ein (hier nicht genanntes) Unternehmen im Bereich des Facility Managements, knapp 500 Mio. € Umsatz, hat auf Basis verschiedener Befragungen von Kunden und Mitarbeitern, Tiefeninterviews mit Stakeholdern sowie Audits erstmals eine Wesentlichkeitsmatrix erstellt. Dabei ergaben sich verschiedene, für das Unternehmen und für die Stakeholder bedeutsame Themenfelder. Teils wurden Ziele benannt, aber auch Maßnahmen oder Rahmenbedingungen. Die Wesentlichkeitsmatrix ist nachfolgend gekürzt dargestellt: Abb. 8.4: Wesentlichkeitsmatrix eines Facility-Management-Dienstleisters (gekürzt) Aufgrund der vielfältigen Zusammenhänge zwischen den Themenfeldern soll durch eine systemisch basierte Modellierung Transparenz verschafft werden. Hierbei wird erwartet, einen Einblick zu gewinnen, welche Maßnahmen wie wirken, welche Ziele wie eintreten werden und wie sich Rahmenbedingungen auswirken. <?page no="119"?> 8.1 Grundlagen der Nachhaltigkeitsstrategie 119 Abbildung 8.5 zeigt die (vereinfachte) Darstellung des Wirkungsnetzes. In diesem wurden die relevanten Handlungsfelder mit den zwischen ihnen bestehenden Beziehungen versehen, die ihrerseits nach der Wirkungsrichtung (steigernd, senkend), nach der Wirkungsstärke und nach der Dauer, bis die Wirkung eintritt, differenziert wurde. Abb. 8.5: Wirkungsnetz eines Facility-Management-Dienstleisters mit der Zielgröße Nachhaltiger Erfolg Das Wirkungsnetz beschreibt einen statischen Zustand. Im Zeitverlauf treten Wirkungen auf und das System reagiert. Einzelne Themenfelder werden positiv oder negativ verändert, stark oder schwach, schnell oder langsam. Schleifen wirken auf die Themenfelder wieder zurück und verändern diese abermals. Das Verhalten des Systems im Zeitverlauf kann simuliert und in der sogenannten Erkenntnismatrix ausgewertet werden. In Abbildung 8.6 findet sich die Erkenntnismatrix des zuvor erstellten Wirkungsnetzes. Die Erkenntnismatrix zeigt, wie die Faktoren längerfristig auf den nachhaltigen Erfolg wirken. Hierbei sind auch langsam ablaufende Reaktionen sichtbar, da ganze Reaktionsketten und auch Schleifen durchlaufen wurden. Kurzfristige Effekte sind in dieser Betrachtung längst verpufft. Bei der Erkenntnismatrix handelt es sich um eine 4-Felder-Matrix, die auf den nachhaltigen Erfolg hin ausgewertet wurde. Auf der rechten Hälfte finden sich Faktoren, die den nachhaltigen Erfolg steigern, auf der linken Hälfte senken sie ihn. Rechts oben wird der nachhaltige Erfolg nicht nur gesteigert, sondern es ist in Zukunft mit weiteren Steigerungen zu rechnen. Dieser dynamische <?page no="120"?> 120 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling Effekt wird durch Schleifen verursacht. Das Feld rechts unten zeigt an, dass der nachhaltige Erfolg zwar gesteigert wird, die Wirkung aber allmählich verpufft. Links unten befinden sich die besonders kritischen Faktoren. Sie verringern den nachhaltigen Erfolg und die Einbindung in negativen Schleifen führt dazu, dass sich dieser Trend weiter verstärkt. Das Feld links oben zeigt an, dass Faktoren den nachhaltigen Erfolg verringern, diese negative Wirkung aber zunehmend verpufft. Abb. 8.6: Erkenntnismatrix eines Facility-Management-Dienstleisters Im vorliegenden Beispiel ist etwa zu erkennen, dass für den nachhaltigen Erfolg langfristig die Mitarbeiterbindung der wichtigste Faktor ist. Das Management sollte diesem eine besonders hohe Bedeutung beimessen. Die Sicherung der Ertragskraft und die Mitarbeiterzufriedenheit sind ebenfalls sehr bedeutsam. Die positive Reputation und die Compliance stärken den nachhaltigen Erfolg zwar ebenfalls, allerdings besteht bei diesen Faktoren keine Dynamik, die den nachhaltigen Erfolg immer weiter antreibt. Es handelt sich also eher um Hygienefaktoren, die negative Auswirkungen auf den nachhaltigen Erfolg verhindern, ohne diesen aber positiv zu beeinflussen. Besonders negativ wirkt der Abbau von Arbeitsplätzen. Das Unternehmen sollte es soweit möglich vermeiden, Arbeitsplätze abzubauen. Dies würde den nachhaltigen Erfolg langfristig stark belasten. Der Abbau von Arbeitsplätzen, um kurzfristig das Ergebnis zu retten, sollte tunlichst vermieden werden. <?page no="121"?> 8.1 Grundlagen der Nachhaltigkeitsstrategie 121 Durch die Berücksichtigung der vielfältigen Wirkungsbeziehungen im System wird die Bedeutung der einzelnen Faktoren erkannt. Dabei existieren teilweise Elemente, die für sich allein betrachtet wenig bedeutsam erscheinen, aufgrund ihrer Einbindung in einem Wirkungsnetz aber enorm an Bedeutung gewinnen. Die Systemmodellierung erlaubt einen Einblick, wie sich ein System entwickelt und wie es sich durch eine Beeinflussung der Systemstruktur oder durch den Eingriff in einzelne Faktoren verändert. In einer konventionellen Wesentlichkeitsanalyse unterbleibt diese ganzheitliche, systemische und dynamische Betrachtung. Eingeschliffene Denkmodelle und vermutete Kausalitäten können somit aufgebrochen werden und Platz schaffen für neues Wissen. Wesentliche Einflussfaktoren und Zusammenhänge werden entdeckt und führen somit zu einer sinnvolleren und erfolgreicheren Nachhaltigkeitsstrategie. In der Unternehmenspraxis wird die Notwendigkeit einer ganzheitlichen und systemischen Betrachtung durchaus erkannt. Tatsächlich nutzen aber nur sehr wenige Unternehmen diesen Ansatz. Beispiel: Materialitätslandschaft der Allianz SE „Wir sind der Ansicht, dass Nachhaltigkeitsthemen nicht isoliert betrachtet werden können. Häufig bestehen direkte oder indirekte Verbindungen, die die einzelnen Themen sehr komplex erscheinen lassen. Um diese Verflechtungen darzustellen, haben wir eine Materialitätslandschaft erstellt. Auf diese Weise wollen wir nicht nur zeigen, welche Nachhaltigkeitsthemen für uns besonders wichtig sind, sondern auch, wie sie zusammenhängen. Wir erhoffen uns dadurch ein besseres Verständnis für das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen den Themen. Zudem können wir sie so von verschiedenen Standpunkten aus betrachten und uns entsprechend flexibel damit befassen.“ (Quelle: Allianz SE, Nachhaltigkeitsreport 2014: Strategie, in: https: / / www.allianz.com/ de/ nachhaltigkeit/ nachhaltigkeitsreport_2014/ nachhaltig keitsstrategie/ engagement_von_interessensgruppen.html, Abruf 20.09.15) Strategische Stoßrichtungen Durch die Wesentlichkeitsanalyse sind die zentralen Inhalte einer nachhaltig gestalteten Strategie gegeben. Diese haben sich aus der strategischen Analyse des Unternehmens und des Umfelds ergeben und sie haben sich für die Stakeholder als bedeutsam erwiesen. Diese Faktoren waren in der Wesentlichkeitsmatrix rechts oben zu finden. Die systemische Untersuchung hat zudem die verschiedenen Rollen dieser Inhalte aufgezeigt. Für die Nachhaltigkeitsstrategie sind insbesondere diejenigen Faktoren bedeutsam, die langfristig die stärksten Auswirkungen zur Erreichung der Vision haben. In der Erkenntnismatrix waren das diejenigen Faktoren, die möglichst weit rechts oben liegen. Es müssen aber auch die Faktoren einbezogen werden, welche die Zielerreichung am stärksten behindern. Dies waren in der Erkenntnismatrix die Faktoren links unten. <?page no="122"?> 122 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling Im strategischen Management geht es um den Aufbau, die Entwicklung und die Nutzung von Erfolgspotentialen. Solche Erfolgspotentiale sind für das Unternehmen lukrative Produkt-Markt-Einheiten, besser bekannt als strategische Geschäftseinheiten, und bedeutsame Ressourcen, wie etwa ein besonderes Fertigungs-Know-how oder der exklusive Zugriff auf bedeutsame Rohstoffe. Auch aus der Wesentlichkeitsanalyse im vorherigen Abschnitt ergaben sich teils am Markt und den Geschäftseinheiten ausgerichtete Inhalte (z.B. Kundenzufriedenheit, Reputation,) und auch teils an Ressourcen ausgerichtete Inhalte (z.B. Mitarbeiterbindung, Compliance). Neben dieser inhaltlichen Schwerpunktbildung sind im Rahmen der Strategieentwicklung zuerst zwei grundsätzliche Kategorien zu unterscheiden: Regeln und Gesetze der Nachhaltigkeit sind zwingend einzuhalten: Umwelt- und Sozialgesetze, wie etwa verpflichtende Grenzwerte bei der Umweltverschmutzung oder soziale Mindestvorgaben, beispielsweise Menschenrechte oder Arbeitsschutzvorgaben, müssen eingehalten werden. Die Umsetzung solcher Vorgaben gleicht eher einem juristischen Vorgehen. Es müssen Vorkehrungen getroffen werden, damit Regelverstöße möglichst nicht auftreten. Im Zweifelsfalle müssen diese Trennlinien durch Juristen oder Compliance-Experten bestimmtwerden. Nachhaltigkeit soll gestärkt werden: Es gibt entweder keine konkret benennbaren Mindestvorgaben (z.B. fairer Umgang mit Geschäftspartnern, nachhaltiges Produktsortiment, Mitarbeiter in Entscheidungen einbinden, Kunden ehrlich informieren,…) oder die Mindestvorgaben sind bereits erfüllt (z.B. der CO 2 -Ausstoß liegt unterhalb der Vorgaben, könnte aber noch weiter gesenkt werden; Kunden werden im gesetzlichen Rahmen über Schadstoffe informiert, weitere bedeutsame Informationen könnten aber gegeben werden; es werden umweltbelastende, aber legale Produkte hergestellt und beworben, obwohl weniger umweltbelastende Alternativen zur Verfügung stehen; …). Für die Umsetzung solcher Maßnahmen gibt es kein „erlaubt“ oder „nicht erlaubt“ und auch kein „richtig“ oder „falsch“. Innerhalb der Bandbreite möglicher Zielausprägungen muss ein Unternehmen seine eigenen Ziele definieren. Die Optimierung eines Sachverhalts hin zu mehr Nachhaltigkeit ist dabei grundsätzlich auf drei Wegen denkbar: Effektivität (oder Konsistenz): Es werden solche Maßnahmen ergriffen, mit denen das erwünschte Nachhaltigkeitsziel möglichst vollständig erreicht wird. Hierbei steht also die absolute Zielerreichung im Vordergrund („Die richtigen Dinge tun“). Suffizienz: Es wird ein maßvoller Umgang mit ökologischen und sozialen Ressourcen angestrebt. Effizienz: Ein vorgegebenes Unternehmensziel soll mit möglichst geringen negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen erreicht werden („Die Dinge richtig tun“). <?page no="123"?> 8.1 Grundlagen der Nachhaltigkeitsstrategie 123 Stoßrichtungen der Nachhaltigkeitsstrategie Regeln der Nachhaltigkeit einhalten Nachhaltigkeit optimieren Regelkonformität sicherstellen Konsistenz/ Effektivität sicherstellen Suffizienz steigern Effizienz steigern Gesetze und interne Richtlinien einhalten (Compliance), damit Sicherung der Legalität und der Legitimität des unternehmerischen Handelns. Bestehende Bedürfnisse sollen mit insgesamt weniger Ressourcen, mit regenerativen Ressourcen oder ohne einen Ressourcenverlust erfüllt werden. Der Lebensstandard soll mit weniger materiellen Bedürfnissen und damit auch mit weniger materiellen Ressourcen gesteigert oder zumindest gehalten werden. Bestehende Produkte und Dienstleistungen sollen mit einem geringeren Ressourceneinsatz hergestellt bzw. erbracht werden. Die Input-Output- Relation soll verbessert werden. Tabelle 8.1: Stoßrichtungen der Nachhaltigkeitsstrategie Beispiel: Automobilhersteller Ein Automobilhersteller ist regelkonform, wenn die Fahrzeuge die Umweltvorschriften erfüllen. Er ist effizient, wenn der Benzinverbrauch und der CO 2 - Ausstoß im Nachfolgemodell geringer sind. Er ist ökologisch aber nicht effektiv, wenn er schwere und leistungsstarke Fahrzeuge anstatt zweckmäßige Kleinwagen anbietet, da Verbrauch und Umweltbelastung je gefahrenem Kilometer größer sind. Suffizient ist er, wenn er Car-Sharing-Konzepte anbietet und dadurch die Anzahl an Fahrzeugen verringert und deren Nutzung optimiert. Nachfolgende Übersicht enthält Beispiele für die strategische Stoßrichtung in Kombination mit den drei Nachhaltigkeitsdimensionen: Beispiele Ökonomie Ökologie Soziales Gesetze und Richtlinien Rechnungslegungsvorschriften, aus dem Kapitalmarkt abgeleitete Mindestverzinsungsanforderungen, Publizitätspflichten, gesellschaftsrechtliche Vorgaben, Wett- Emissionsvorgaben und -verbote, Naturschutzgesetze, Abfallgesetze, Batteriegesetz, Chemikaliengesetz, Gefahrstoffverordnung, Verordnung zum Ver- Arbeitsschutzgesetze, Mindestlohn, Kündigungsschutz, Antikorruptionsvorgaben, Antidiskriminierungsgesetz, Kinder- und Jugendschutz <?page no="124"?> 124 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling bewerbsrecht, Kartellgesetze kehrslärm, Verordnung für genehmigungsbedürftige Anlagen Konsistenz / Effektivität Konzentration auf attraktive Geschäftseinheiten, Fokussierung auf Kernkompetenzen Senkung des absoluten Energieverbrauchs, Verringerung des gesamten Wasserverbrauchs, Verringerung der CO2-Emissionen für alle Geschäftsreisen Erhöhung Frauenanteil, Erhöhung der Anzahl an Ausbildungsplätzen, Verzicht auf Korruption Suffizienz Angebot von Share- Konzepten anstatt Verkauf einzelner Produkte: Car- Sharing, Mitfahrzentralen, Mitwohnzentralen, Musikportale, gemeinsame Softwarenutzung, Maschinenringe in der Landwirtschaft weniger Geschäftsreisen, Angebot langlebiger Produkte, gemeinschaftliche Nutzung von Produkten Verringerung der Arbeitsbelastung und der Arbeitszeiten, familiengerechte Arbeitszeitmodelle, Aufwertung nicht betrieblicher Tätigkeiten Effizienz Optimierung bestehender Produkte und Dienstleistungen, Kostensenkung durch schlankere Prozesse, Verkürzung von Durchlaufzeiten Verringerung des Energieverbrauchs je Produkt, Verringerung des Ressourceneinsatzes je Produkt, weniger Benzinverbrauch je Fahrzeug Verringerung der Arbeitsunfälle je Mio. € Umsatz, Fluktuationsrate verringern, Verringerung der Beschwerdequote Tabelle 8.2: Beispiele für strategische Stoßrichtungen In den Nachhaltigkeitsberichten und Veröffentlichungen von Unternehmen liegt der Schwerpunkt der Maßnahmen zumeist in der Effizienzsteigerung sowie in der Sicherstellung der Compliance. Maßnahmen zur Steigerung der Effektivität und der Suffizienz finden sich seltener. Die operativ getriebene Effizienz, Gegebenes richtig tun, optimieren und verbessern, ist im operativen Management angesiedelt. Auch die Compliance wird zumeist aus der faktischen Not geboren, dass nun Gesetze und Richtlinien einzuhalten sind. Hieraus erwachsen Änderungen in der Organisation, wie etwa unternehmensweite Compliance-Richtlinien und dafür verantwortliche Gremien, so dass sich dies auch auf die normative Ebene und damit auch auf die Strategie auswirkt. Die Effektivität ist vor allem ein strategischer Ansatz. Bevor man effizient arbeitet und optimiert steht die Entscheidung, auf welche Nachhaltigkeitsziele und Maßnah- <?page no="125"?> 8.1 Grundlagen der Nachhaltigkeitsstrategie 125 men sich das Unternehmen überhaupt einlässt. Eine schlechte Lösung zu optimieren verringert zwar das Übel, schafft aber noch keine gute Lösung. Ein geschlossener Ressourcenkreislauf im Sinne des Cradle-to-Cradle ist etwa effektiv, also wirksam. Es gehen keine Ressourcen verloren und es scheiden auch keine minderwertigen Abfallstoffe aus, die entsorgt werden müssen. In einem vollständig geschlossenen Kreislauf ist selbst die Effizienz irrelevant, da es nichts zu optimieren gibt. Beispiel Ein häufig genanntes Beispiel für eine hohe Effektivität, aber eine geringe Effizienz, ist die Natur. Im Frühjahr blühen die Pflanzen nicht so bescheiden, dass es zur eigenen Fortpflanzung gerade reicht, sondern sie blühen verschwenderisch, also in einem hohen Maße ineffizient. Für die Natur ist dies aber nicht von Nachteil, da die abfallenden Blüten wieder zu Nährstoffen und von den Pflanzen wieder aufgenommen werden. Und solange eine Pflanze genügend Sonnenlicht hat, muss sie mit dieser Energie auch nicht sparsam umgehen. Wer absolut effektiv ist, kann auf Effizienz verzichten. Die Sonne liefert der Erde in wenigen Minuten die Menge an Energie, die die gesamte Weltbevölkerung jährlich verbraucht. Könnte man die Sonnenenergie in einem größeren Umfang „einsammeln“, bräuchten wir überhaupt nicht mehr effizient mit Energie umzugehen. Schließen wir nun auch Maßnahmen der Suffizienz mit ein, geht es anstatt eines effektiven Einsatzes der Ressourcen um einen Verzicht derselben. Werden Ressourcen erst gar nicht benötigt, erübrigen sich Überlegungen zur Effektivität undEffizienz. Fassen wir zusammen: Es können vier grundlegende Stoßrichtungen der Nachhaltigkeitsstrategie unterschieden werden. Die Compliance ist dabei eine existenzielle Voraussetzung, da sich ein Unternehmen dadurch die Legalität und die Legitimität sichert. Suffizienzfördernde Maßnahmen verringern den absoluten Bedarf an Ressourcen und effektive Maßnahmen führen zu einem geschlossenen oder zumindest weitgehend geschlossenen Ressourcenkreislauf, wodurch der zusätzliche Bedarf an Ressourcen schwindet. Schließlich als letzter, operativer Schritt, verbleibt die Effizienz. Wo nach den Maßnahmen der Suffizienz und der Effektivität noch Ressourcen eingesetzt werden, soll dieser Einsatz möglichst effizient erfolgen. Je Outputeinheit sind also möglichst wenig Ressourcen einzusetzen. Das strategische Nachhaltigkeitscontrolling hat damit die Aufgabe, den Schwerpunkt auf die Suffizienz und die Effektivität zu legen. Insuffizienz und Ineffektivität können durch eine hohe Effizienz nur im geringen Umfang kompensiert werden. Aktuell ist zu beobachteten, dass im Nachhaltigkeitsmanagement Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz dominieren. Bestehendes wird optimiert: der Verbrauch je Fahrzeug wird verringert, Elektrogeräte haben einen geringeren Strombedarf, der Wasserverbrauch je Produktionseinheit sinkt, ... Zur Messung der Öko-Effizienz und der Sozio-Effizienz liegen anerkannte Konzepte vor, die teils auch von Dritten geprüft und zertifiziert werden können. Letztlich bleibt es aber eine Optimierung. Schlechte Lösungen werden etwas weniger schlecht, aber noch lange nicht gut. Es <?page no="126"?> 126 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling geht somit kurzfristig zwar in die richtige Richtung, ohne dass dadurch die bedeutenden Nachhaltigkeitsziele umfassend erreicht werden. Es werden oftmals Symptome behandelt anstatt Ursachen behoben. Bei der Öko-Effizienz und der Sozio- Effizienz steht die ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit stets im Vordergrund. Maßgeblich ist der wirtschaftliche Wert eines Produktes oder einer Dienstleistung im Vergleich zu den ökologischen oder sozialen Auswirkungen. Kann der wirtschaftliche Wert gesteigert werden, rechtfertigt dies auch höhere negative ökologische und soziale Effekte. Eine solche Herangehensweise ist daher der ökonomischen Triple- Bottom-Line zuzuordnen, was einer ausgeglichenen Berücksichtigung der drei Dimensionen widerspricht. Tools im strategischen Nachhaltigkeitscontrolling Im Folgenden werden bedeutsame Werkzeuge vorgestellt, die das strategische Nachhaltigkeitscontrolling unterstützen. Teils sind diese im strategischen Controlling bereits etabliert, teils sind sie um die Dimensionen der Nachhaltigkeit erweitert. PESTEL ein Tool zur Analyse des externen Unternehmensumfelds SWOT ein Instrument zur Bestimmung der strategischen Position und zur Ableitung von Strategien SBSC ein Instrument zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie PESTEL Strategische Analysen umfassen eine Analyse des Unternehmensumfelds und eine Analyse des Unternehmens. Das externe Umfeld beeinflusst das Unternehmen, ohne dass dieses das Umfeld seinerseits direkt beeinflussen kann. Dabei nehmen sehr viele und sehr unterschiedliche Faktoren Einfluss auf das Unternehmen. Diese sind dem Unternehmen oftmals nicht bewusst und wenn sie bekannt sind, können ihre Wirkungen häufig nicht vorausgesagt werden. Die Faktoren beeinflussen sich zudem untereinander. Somit liegt typischerweise eine komplexe Situation vor: es gibt eine große Anzahl verschiedener Faktoren, die untereinander wechselwirken und die sich im Zeitverlauf verändern. Bei solch einer Komplexität ist es schlichtweg nicht möglich, eine Situation im Detail zu verstehen und Entwicklungen vorherzusagen. Die strategische Umfeldanalyse soll die Komplexität soweit reduzieren, dass die wesentlichen Faktoren und Zusammenhänge erkannt werden, ohne aber der Täuschung zu unterliegen, man hätte das System durchschaut (vgl. Hungenberg 2011, S. 89). Zur Analyse des Unternehmensumfelds werden Modelle genutzt, die stets zu einer Vereinfachung der Realität führen. Den geringeren Realitätsgehalt wiegen zweckmäßige Modelle damit auf, dass sie in den leitenden Fragen Klarheit verschaffen. Modelle können also das Wesentliche vom Unwesentlichen trennen und bei den wesentlichen Inhalten Ursache-Wirkungszusammenhänge aufzeigen. Die Schwierigkeit besteht darin, die Relevanz von Faktoren zu erkennen. Eine klar formulierte <?page no="127"?> 8.1 Grundlagen der Nachhaltigkeitsstrategie 127 Vision und Mission kann diese Entscheidung aber erleichtern (vgl. Sailer 2012, S. 213f.). Das Unternehmensumfeld wird zumeist aufgeteilt in eine Makro- und in eine Mikrosichtweise (vgl. Hinterhuber 2004, S. 115). Das Makroumfeld umfasst die generellen, globalen Rahmenbedingungen, die sich auf das Unternehmen, aber auch auf die gesamte Branche sowie auf die Lieferanten und Kunden auswirken. Das Mikroumfeld lenkt den Blick hingegen auf die Branche, denen das Unternehmen bzw. die Geschäftsfelder zugehören. Die Faktoren des Makroumfelds werden im strategischen Management häufig mit Hilfe der PESTEL-Analyse untersucht. PESTEL ist das Akronym für Political, Economical, Social, Technological, Environmental und Legal. Damit sind sechs Gruppen von Einflussfaktoren auf das Makroumfeld benannt. Innerhalb dieser Gruppen sind die Faktoren zu identifizieren, die einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg einer Strategie haben (vgl. Johnson, Scholes, Whittington 2011, S. 80f.). Abb. 8.7: Makro- und Mikroumfeld des Unternehmens Ist der äußere Rahmen des Makroumfelds abgesteckt, folgt die Analyse des Mikroumfelds. Die bekannteste Methodik ist hierbei die Branchenstrukturanalyse von Michael Porter, auch bekannt als Five-Forces. Diese findet sich in den meisten Lehrbüchern zum strategischen Management und strategischen Controlling, weshalb auf diese verwiesen wird (vgl. etwa Johnson, Scholes, Whittington 2011, S. 86ff.; Hun- <?page no="128"?> 128 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling genberg 2011, S. 102ff.). Nach dem Mikroumfeld landet man beim Unternehmen bzw. bei der Unternehmensanalyse, innerhalb derer die Stärken und Schwächen, die Ausprägung spezifischer Kompetenzen etc. untersucht werden. In Abbildung 8.7 sind die drei Untersuchungsebenen dargestellt: der äußere Kreis stellt das Makroumfeld dar, im Inneren befindet sich das Mikroumfeld und das Unternehmen steht im Zentrum. Beispielhaft soll die PESTEL-Analyse für ein Unternehmen der Luftfahrtindustrie aufgezeigt werden (Quelle: Johnson, Scholes, Whittington 2011, S. 81). politisch staatliche Unterstützung der heimischen Fluglinien Sicherheitschecks wirtschaftlich nationale Wachstumsraten Treibstoffpreise sozial mehr Reiseaktivitäten älterer Menschen Internationale Studentenaustauschpro gramme technologisch effizientere Motoren und Flugzeuge Technologien zur Sicherheitsüberwachung Telekonferenzen im Unternehmensbereich ökologisch Lärmbelästigung Energieverbrauch rechtlich Fusionsbeschränkungen Vorzugsrechte auf Flughäfen für manche Fluglinien Durch die Berücksichtigung aller sechs Gruppen an Einflussfaktoren wird eine einseitig ökonomische oder technologische Analyse des Makroumfelds verhindert. Eine regelmäßige Überprüfung der Einflussfaktoren schärft den Blick auf die Veränderungen und die Dynamik im Unternehmensumfeld. SWOT Die SWOT-Analyse stellt die Chancen und Risiken des Unternehmensumfelds den Stärken und Schwächen des Unternehmens gegenüber: Strengths Opportunities Weaknesses Threats Für sich alleine betrachtet kann man weder aus dem Unternehmen noch aus dem Umfeld Strategien ableiten. Erst die Kombination integriert das Unternehmen in seine <?page no="129"?> 8.1 Grundlagen der Nachhaltigkeitsstrategie 129 Umwelt. Daraus lassen sich strategische Ansätze entwickeln, die insgesamt zu einer Strategie ausgearbeitet werden können. Chancen Risiken Stärken Welche Stärken helfen, die Chancen zu nutzen? Welche Stärken helfen, Risiken zu bewältigen? Schwächen Welche Chancen werden wegen eigener Schwächen vergeben? Welchen Risiken können wir aufgrund eigener Schwächen nichts entgegensetzen? Die SWOT-Analyse ist ein weit verbreitetes und bewährtes Instrument der Strategieentwicklung. In der praktischen Umsetzung besteht allerdings die Gefahr, dass die Kriterien subjektiv ausgewählt und gewichtet werden. Analysen sollten daher möglichst objektiviert werden und die Beteiligten sollten möglichst heterogen sein. Dies schließt etwa mit ein, Vertreter ökologischer und sozialer Belange ebenfalls einzubinden. Im Folgenden soll das Beispiel des Geschäftsfeldes Car-Sharing eines Automobilherstellers betrachtet werden: Chancen gesellschaftlicher Wandel vom Haben zum Nutzen Kommunen fördern moderne Mobilitätskonzepte Risiken Öffentlicher Nahverkehr bekämpft Car-Sharing nachlässiger Umgang der Kunden verursacht Qualitätsmängel Stärken Integration der IT zwischen- Car-Sharing und kommunaler Parkraumbewirtschaftung Mobilitäts-App zur Kombination von Car-Sharing und öffentlichem Nahverkehr hohe IT-Kompetenz (Social Media, Abrechnungssysteme) glaubwürdige Kommunikation der Vorteile des Nutzens sensorgesteuerte Überwachung von Fahrzeugen Bekanntheit/ Vertrauen Schwächen fehlende Präsenz verhindert Zusammenarbeit mit Kommunen öffentliche Wahrnehmung als Hersteller verbaut die Glaubwürdigkeit eines Dienstleisters keine Zusammenarbeit mit öff. Nahverkehr wegen fehlender regionaler Präsenz keine Erfahrung in der laufenden Betreuung der Kunden wenig Dienstleistungserfahrung geringe regionale Präsenz Tabelle 8.3: SWOT-Analyse eines Car-Sharing-Anbieters <?page no="130"?> 130 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling Sustainability Balanced Scorecard Die Balanced Scorecard (BSC) ist eine Anfang der 1990er Jahre von Robert Kaplan und David Norton entwickelte Methode zur Operationalisierung und damit zur Umsetzung von Strategien. Sie ist das bekannteste und bedeutsamste Instrument, um die Strategie mit der operativen Planung zu verbinden. Laut der Balanced- Scorecard-Studie der Beratungsgesellschaft Horváth & Partners setzen 60% der DAX- Unternehmen die BSC ein und vier von fünf Anwender sind hiermit sehr zufrieden (vgl. Horváth AG 2013). Der weltweite Erfolg der BSC liegt vor allem an der zunehmenden Dominanz finanzorientierter Steuerungskonzepte, wie dem Value Based Management. Der Einsicht folgend, dass eine rein an Finanzergebnissen orientierte Steuerung unausgewogen sei, ergänzt die BSC die Unternehmenssteuerung um die Perspektive der Kunden, der Prozesse und der Potentiale bzw. Ressourcen, wie folgende Abbildung zeigt. Diese vier Perspektiven stehen dabei nicht unabhängig nebeneinander, sondern in einer Ursache-Wirkungsbeziehung: Auf Basis geeigneter Potentiale und guter Prozesse können Kunden zufriedengestellt und damit auch finanzielle Ziele erreicht werden. Werden diese Perspektiven durch geeignete Kennzahlen unterlegt, kann das Unternehmen „ausbalanciert“ gesteuert werden (vgl. Hungenberg 2011, S. 314ff.; Sailer 2012, S. 224ff.). Abb. 8.8: Schematische Darstellung der Balanced Scorecard (Quelle: Sailer 2012, S. 225) Die Sustainability Balanced Scorecard (SBSC) ist eine Weiterentwicklung der BSC, um den Anforderungen einer nachhaltigen Unternehmenssteuerung gerecht zu werden. Hierfür werden die am ökonomischen Ziel ausgerichteten Kennzahlen und Maß- <?page no="131"?> 8.1 Grundlagen der Nachhaltigkeitsstrategie 131 nahmen um ökologische und soziale Kriterien ergänzt. Damit werden sämtliche strategisch relevante ökonomische, ökologische und soziale Ziele benannt, durch geeignete Kennzahlen ausgedrückt und durch Maßnahmen unterlegt. Die Nachhaltigkeitsstrategie wird somit systematisch umgesetzt. Maßgeblich entwickelt wurde die SBSC durch Schaltegger und Dyllick im Rahmen eines Forschungsprojektes der Universitäten Lüneburg und St. Gallen, gemeinsam mit mehreren Unternehmen (vgl. Schaltegger, Dyllick (Hrsg.), 2002). Unter den wenigen, bereits etablierten Instrumenten des Nachhaltigkeitscontrollings, ist die SBSC eine der bekanntesten Methoden. Dies liegt sicherlich auch schon an der Bekanntheit der BSC. Wer bereits die BSC nutzt, kann diese mit nicht allzu großem Aufwand um die „Sustainability“ erweitern. Damit ist die Steuerung der Nachhaltigkeit in das bestehende (ökonomische) Steuerungskonzept integriert. Der integrative Ansatz wurde vorangehend (Kapitel 6.2) bereits als wesentlicher Erfolgsfaktor für eine nachhaltige Steuerung des Unternehmens erkannt. Zwei Ansätze zur Integration der Nachhaltigkeit in die BSC: Die praktische Umsetzung der Nachhaltigkeit in der BSC kann auf zwei Weisen erfolgen. Zum einen kann die Nachhaltigkeit als fünfte Perspektive ergänzt werden, zum anderen können innerhalb der vier Perspektiven neben den ökonomischen Zielen jeweils auch ökologische und soziale Ziele benannt werden (vgl. Barth, Scheurer 2013, S. 230f.). Sofern ein Unternehmen bisher noch keinerlei Aktivitäten in der Nachhaltigkeit entfaltet hat und dies im Unternehmen noch fremd ist, scheint erst Mal ein Treiber für dieses Thema notwendig zu sein. Genau wie erste Nachhaltigkeitsaktivitäten häufig als ein abgegrenztes Projekt starten und noch nicht in allen Bereichen und Abteilungen als Selbstverständlichkeit angesehen werden, kann diese fünfte Perspektive eine Art Kümmerer und Motivator für die Nachhaltigkeit sein. Ein völlig neues Thema ist nun erst einmal von der Person abhängig, die hierfür steht, wirbt und überzeugt. Die Einführung der Nachhaltigkeit verändert für viele Mitarbeiter die Basis, wie Entscheidungen getroffen werden und wie gehandelt wird. Dies ist weit mehr als ein Zusatzauftrag, der ab sofort zu beachten ist. Es wird, gerade zu Beginn, Unsicherheiten, Wissensmängel und Widerstände geben. Hierfür muss jemand da sein, der dies erkennt, thematisiert, der überzeugt und der Lösungswege aufzeigt. Der alleinige Beschluss der Geschäftsleitung bzw. des Vorstands, dass ab sofort neben ökonomischen auch ökologische und soziale Kriterien relevant sind, wird kaum den Umschwung von einem traditionell ökonomischen hin zu einem nachhaltigen Unternehmen bewirken. Die Ergänzung der Nachhaltigkeit als fünfte Disziplin der SBSC sollte sich aber ausschließlich auf die Einführung der Nachhaltigkeit beschränken. Sobald die Nachhaltigkeit nicht mehr als exotisches Thema angesehen wird, die Mitarbeiter dieses kennen und annehmen, sollte der integrative Ansatz gewählt werden. Ökologische und soziale Kriterien sind also in die vier Perspektiven der BSC jeweils integriert. Damit wird vermieden, dass ökologische und soziale Aspekte als eine se- <?page no="132"?> 132 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling parate Aufgabe angesehen werden, für die alle anderen Manager und Mitarbeiter keine Verantwortung haben. Wenn es einen anderen Verantwortlichen gibt, werden sie sich geradezu von der Verantwortung entbunden fühlen. Das Management der Nachhaltigkeit ist jedoch eine Querschnittsfunktion, die, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, alle Bereiche des Unternehmens betrifft und damit auch in allen Unternehmensbereichen gleichermaßen verankert sein muss (vgl. Hahn, Wagner, Figge, Schaltegger (2002), S. 60f.). Abbildung 8.9 zeigt den integrierten Ansatz der SBSC. Abb. 8.9: Integrative Sustainability Balanced Scorecard In jeder Perspektive werden die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit beleuchtet. Es werden jeweils ökonomische, ökologische und soziale Ziele ausgewählt, geeignete Kennzahlen definiert und Maßnahmen benannt, die zur Zielerreichung führen. Beispielhaft könnten die vier Perspektiven mit folgenden ökonomischen, sozialen und ökologischen Zielen belegt werden: <?page no="133"?> 8.2 Nachhaltigkeitsstrategien 133 Finanzperspektive Kundenperspektive Prozessperspektive Lern- und Entwicklungsperspektive Ökonomie Rentabilität, Cashflow, Unternehmenswert Kundenzufriedenheit, Kundenbindung, Neukunden Produktivität, Durchlaufzeit, Ausschussquote Innovationsfähigkeit, Mitarbeiterzufriedenheit, Mitarbeiterqualifikation Soziales freiwillige Sozialleistungen, Gewinnbeteiligung, sozial-Sponsoring Produktsicherheit, Informationspolitik, sozialer Zusatznutzen Humanisierung derArbeit, Arbeitsunfälle, Verbesserungsvorschläge Aus- und Weiterbildungsaufwand, Partizipationsgrad Flexibilisierung derArbeitszeit Umweltschutzinvestitionen, Ressourcenkosten, Umweltsponsoring, Umweltabgaben Produktverantwortung, Rücknahme, Recycling, Langlebigkeit, Verkauf der Nutzung: Leasing, Miete Ressourcen-/ Energieeffizienz, Stoffströme, Flächennutzung Umwelt-F&E, umweltorientierte Mitarbeiterschulung Ökologie Tabelle 8.4: Beispiele für Ziele in der integrierten SBSC Erstellung und Anwendung der SBSC Wie kommt man nun aber auf die wesentlichen ökonomischen, ökologischen und sozialen Ziele innerhalb der vier Perspektiven? Diese Ziele müssen auf einer stärker operativen Ebene die Inhalte der Strategie ausdrücken und einen Beitrag zur Erreichung der Vision leisten. Damit schließt sich der Kreis zur Wesentlichkeitsanalyse. Die Wesentlichkeitsanalyse ist einerseits Ausgangspunkt einer mit den Stakeholdern entwickelten Vision und Strategie, andererseits sind zahlreiche Faktoren operativer Natur, die in der SBSC als relevante Faktoren genutzt werden können. Die Entwicklung von der Wesentlichkeitsanalyse über die Ableitung einer Vision und Strategie hin zur Operationalisierung der Strategie durch operative Faktoren, die in vier Perspektiven geordnet sind, ist als ein wechselseitig verlaufender, iterativer Prozess zu verstehen. Nachhaltigkeitsstrategien Wir haben die vier Ansätze einer Nachhaltigkeitsstrategie bereits kennen gelernt: Compliance-Strategie Konsistenzstrategie Suffizienzstrategie Effizienzstrategie <?page no="134"?> 134 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling In der Praxis dominieren der Effizienzansatz, bei dem Bestehendes nicht grundsätzlich hinterfragt, sondern im Sinne der Nachhaltigkeit optimiert wird, und der Compliance-Ansatz, da er aufgrund gesetzlicher Anforderungen und gesellschaftlicher Erwartungen unverzichtbar ist, um die Legalität und Legitimität zu sichern. Der Konsistenzansatz und vor allem der Suffizienzansatz sind seltener zu beobachten. Innerhalb dieser vier strategischen Ansätze wurden zahlreiche Methoden und Werkzeuge entwickelt, von denen die wichtigsten hier vorgestellt werden sollen. Stoßrichtungen der Nachhaltigkeitsstrategie Regeln der Nachhaltigkeit einhalten Nachhaltigkeit optimieren Compliance sicherstellen Konsistenz/ Effektivität sicherstellen Suffizienz steigern Effizienz steigern Gesetze und interne Richtlinien einhalten ( Compliance ), damit Sicherung der Legalität und der Legitimität des unternehmerischen Handelns. Bestehende Bedürfnisse sollen mit insgesamtweniger Ressourcen, mit regenerativen Ressourcen oder ohne einen Ressourcenverlust erfüllt werden. Der Lebensstandard soll mit weniger materiellen Bedürfnissen und damit auch mit weniger materiellen Ressourcen gesteigert oder zumindest gehalten werden. Bestehende Produkte und Dienstleistungen sollen mit einem geringeren Ressourceneinsatz hergestellt bzw. erbracht werden. Die Input-Output- Relation soll verbessert werden. Tabelle 8.5: Stoßrichtungen der Nachhaltigkeitsstrategie Durch die Wahl einer geeigneten Nachhaltigkeitsstrategie, durch eine sinnvolle Kombination der verschiedenen strategischen Ansätze sowie durch eine überzeugende Ausgestaltung der Strategie sollen die Nachhaltigkeitsziele erreicht werden. Die Eignung der verschiedenen strategischen Ansätze ist nach ihrem Beitrag zur Erreichung dieser Ziele zu beurteilen. Diese können verallgemeinert wie folgt beschrieben werden: <?page no="135"?> 8.2 Nachhaltigkeitsstrategien 135 Nachhaltigkeitsziele ökonomische Ziele ökologische Ziele soziale Ziele Es ist ein ausreichend hoher Cash flow zu erwirtschaften, der die Liquidität des Unternehmens jederzeit sichert und den Shareholdern attraktive Wertsteigerungen und Ausschüttung ermöglicht. Natürliche Ressourcen sollen höchstens in dem Umfang verbraucht werden, wie sich diese bzw. wie sich Substitute reproduzieren. Es sollen keine Emissionen verursacht werden, die die natürliche Aufnahmekapazität übersteigen und es soll nichts gemacht werden, was die natürlichen Ökosystemdienstleistungen zerstört. Für die Stakeholder soll der Wert durch eine Steigerung des Humankapitals Einzelner und durch die Erhöhung des Sozialkapitals der Gemeinschaft gesteigert werden. Das Sozialkapital soll stets im Interesse der Stakeholder gemanagt werden. Tabelle 8.6: Nachhaltigkeitsziele (vgl. Dyllick, Hockerts 2002, S. 133, frei übersetzt) Compliance-Strategie Stoßrichtungen der Nachhaltigkeitsstrategie Regeln der Nachhaltigkeit einhalten Nachhaltigkeit optimieren Compliance Konsistenz Suffizienz Effizienz Inhalt Compliance beinhaltet die regelkonforme Unternehmensführung. Regeln können dabei Gesetze und Verordnungen oder auch interne Vorschriften sein. Das Ziel der Compliance ist die Wahrung der Legalität, und damit die Vermeidung von Haftungsfällen und Schadensersatz, sowie die Wahrung der Legitimität, zur Sicherung der Akzeptanz und der Reputation. Bei den gesetzlichen Anforderungen sind insbesondere das Gesellschafts-, Aufsichts-, Wettbewerbs- und Strafrecht zu nennen. Die internen Vorschriften können konkretisierte Vorgaben zur Einhaltung der Gesetze sein, oder sie sind Ausdruck des Willens der Unternehmensleitung und des Aufsichtsgremiums. Diese ergeben sich oftmals aus einem in der Vergangenheit beobachteten Fehlverhalten oder aus branchenspezifischen Befindlichkeiten. Die Einrichtung einer Compliance-Abteilung ist nur für Banken und Wertpapierdienstleister gesetzlich vorgeschrieben. Für börsennotierte Aktiengesellschaften sind entsprechende Compliance-Vorgaben aus dem Deutschen Corporate Governance <?page no="136"?> 136 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling Kodex bedeutsam. Hiernach ist der Vorstand für die Compliance verantwortlich. Der Aufsichtsrat ist regelmäßig, zeitnah und umfassend zu informieren. Ansonsten sind die Unternehmen in der Ausgestaltung ihres Compliance Management Systems frei. Beispiel: Deutsche Bank Compliance in der verantwortungsvollen Unternehmensführung ist weit mehr als das Einhalten von Gesetzen, Vorschriften und Standards. Zusätzliche strikte Regeln und Leitsätze ziehen sich durch sämtliche Tätigkeitsbereiche der Deutschen Bank. Dadurch gewährleisten wir einen möglichst lückenlosen Schutz des Unternehmens, der Anleger, Kunden und Mitarbeiter. „Wir erwarten von allen Mitarbeitern der Deutschen Bank, dass sie unsere Compliance-Standards einhalten - durch ehrliches, verantwortungsbewusstes und integres Verhalten. Unser Verhaltenskodex (Code of Ethics) beschreibt die Werte und Standards für ethische Geschäftsführung und dient als Richtschnur bei all unseren Interaktionen - egal ob mit Kunden, Wettbewerbern, Geschäftspartnern, der Regierung und Regulierungsbehörden, Aktionären oder untereinander. Zugleich bildet er die Basis unserer Compliance-Grundsätze, die Mitarbeitern genaue Leitlinien für korrektes Verhalten zur Verfügung stellen. So wollen wir die Regelkonformität mit allen geltenden Gesetzen, Bestimmungen und Standards gewährleisten.“ (Quelle: Deutsche Bank AG, in: https: / / www.db.com/ cr/ de/ konkret-bestimmungen.htm, Abruf 08.03.15) Organisation Der Begriff Compliance (= Einhaltung, Regelbefolgung, Regelkonformität) hat sich auch im deutschen Sprachraum etabliert und häufig findet man bei großen Unternehmen auch entsprechend bezeichnete Abteilungen bzw. die Funktionsbezeichnungen Compliance-Manager. Die umfangreichen Anforderungen der Compliance haben dazu geführt, dass dies nicht mehr von einzelnen Managern nebenbei gesteuert werden kann, sondern auf spezialisierte Abteilungen übertragen wurde. Bei Banken und Versicherungen hat sich die Compliance als erstes etabliert, wobei die zahlreichen Regelverstöße in der Vergangenheit und auch die zunehmende Sensibilisierung der Öffentlichkeit hierfür ursächlich sind. Bei großen Banken, aber auch bei Konzernen wie Siemens, umfassen diese Abteilungen mehrere hundert Mitarbeiter. Mittlerweile hat sich die Compliance bei den meisten Großunternehmen über alle Branchen hinwegetabliert. Im Unternehmen werden Organisationseinheiten, Vorgaben, Schulungen und Kontrollen installiert, um die Compliance sicherzustellen. Wie das Nachhaltigkeitscontrolling handelt es sich auch beim Compliance-Management um eine Querschnittsfunktion. Insbesondere sind hiervon die Rechtsabteilung, die Interne Revision, das Controlling, die Personalabteilung, die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing betroffen. Teilweise sind auch der Datenschutz oder die Gleichstellungsbeauftragten in die Compliance integriert. In der Finanzbranche gehören zumeist auch die Geld- <?page no="137"?> 8.2 Nachhaltigkeitsstrategien 137 wäschebeauftragten zur Compliance. Vergleichbar mit der internen Revision ist eine Compliance-Abteilung nur wirksam, wenn sie fachlich, organisatorisch und disziplinarisch unabhängig ist. Sie muss also unabhängig vom operativen Geschäft sein. Dies geht soweit, dass auch ihre Vergütung unabhängig vom Erfolg des operativen Geschäftes sein muss. Neben dem Aufstellen von Regeln, der Information und Schulung sowie der Überprüfung der Regeleinhaltung ist insbesondere auch die Beratungsleistung der Compliancemanager bedeutsam. Sie werden beispielsweise in Projekte und in die Produktentwicklung eingebunden, um eine regelkonforme Ausgestaltung sicherzustellen. Die Kontrolle beinhaltet auch die Einrichtung eines sogenannten „Whistleblowing“-Systems, bei dem Mitarbeiter anonym Verstöße melden können. Was einstmals ein verachtenswertes „petzen“ war, ist nun ein Schutz zur Sicherung der Regeltreue. Wurde in manchen Branchen das Ausnutzen von Gesetzeslücken oder ein ausgeklügeltes Verstecken von Regelverstößen noch als besonders schlau und geschäftig betrachtet, wandelt sich dies nun mit der Bedeutungszunahme der Compliance. Beispiel: Organisation der Compliance im Pharmaunternehmen Roche „Der Chief Compliance Officer dient als Ansprechpartner für alle Mitarbeitenden, Aktionären, Geschäftspartner, Kunden und die Allgemeinheit bei Beschwerden im Zusammenhang mit vermuteten Verstößen gegen unseren Verhaltenskodex. Unser Netzwerk an Compliance Officern umfasst über 140 lokale Compliance Officers in den lokalen Roche-Gesellschaften weltweit. Diese arbeiten eng mit dem Chief Compliance Officer zusammen und sind für verschiedene Aufgaben im Bereich Risikoberichterstattung und Compliance verantwortlich, darunter: - Unterstützung des lokalen Linienmanagements bezüglich Risikomanagement im Zusammenhang mit Integritätsfragen - Koordinierung von lokalen Aktivitäten, Initiativen und Schulungsprogrammen zum Thema Compliance - Ermutigung von Mitarbeitenden, Compliance-Bedenken anzusprechen - Unterstützung des Linienmanagements bei der angemessenen Bearbeitung von lokalen nicht-regelkonformen Vorfällen, inklusive der Berichterstattung im Business Ethics Incident Reporting (BEIR) System Daneben nutzt Roche im Bereich Marketing und Vertrieb einen Compliance- Fragebogen, der lokalen Führungskräften dabei helfen soll, ein verantwortungsvolles Marketing zu erkennen und dessen Umsetzung einzuschätzen. Darüber hinaus müssen alle General Manager jedes Jahr eine Erklärung unterzeichnen, mit der sie die Einhaltung dieser Vorschriften bestätigen.“ (Quelle: Hoffmann-La Roche AG, in: http: / / www.roche.com/ de/ sustainability/ approach/ risk_management_and_compli ance.htm, Abruf 09.03.15) <?page no="138"?> 138 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling Umsetzung Ausgangspunkt des Compliance-Managements ist eine Gefährdungsanalyse. Wo treten also besonders kritische Interessenskonflikte auf, die zu einem Regelverstoß führen könnten? Wo spielen Betriebsgeheimnisse oder Insiderinformationen eine wichtige Rolle? Wo können Bestechungen auftreten, wo können Sanktionen hintergangen werden oder wo kann Geldwäsche vorkommen? All diese Gefahren sind zu erfassen, regelmäßig zu aktualisieren und mit Maßnahmen zu versehen. Durch eine dezentrale Organisation und einer Integration von Compliance Managern in den operativen Einheiten sollen die Regeln bekannt und akzeptiert sein. Hierdurch soll die Anzahl der Regelverstöße verringert und der Umfang an Prüfungen begrenzt werden. Beispiel: Siemens Vorbeugen Erkennen Reagieren Compliance-Risiko- Meldewege „Tell us“ Ahndung von Fehlmanagement Ombudsmann, Compliverhalten Richtlinien und Verfahren Training und Kommunikation ance-Kontrollen, Monitoring und Compliance Prüfungen Compliance-Audits Nachbereitung von Fällen globale Fallverfolgung Beratung und Unterstützung Compliance-Untersuchungen Integration in Personal- Prozesse Collective Action Tabelle 8.7: Siemens Compliance System (Quelle: Siemens AG 2013, S. 7) Durch die Orientierung an Regeln und dem Ziel der Verhinderung von Regelverstößen ist das Compliance-Management stärker an juristischen Methoden und Denkweisen orientiert. Das Verhalten der Mitarbeiter wird durch Regeln, durch Schulung, durch Überwachung und durch die Androhung von Sanktionen gesteuert. Gerade in einer Kultur des Misstrauens gewinnt die Rechtfertigung, keine Regeln verletzt zu haben, an Bedeutung. Eine moralisch fundierte Selbststeuerung der Mitarbeiter sollte durch umfassende Regelwerke nicht unterdrückt werden. Zur Wahrung der Flexibilität und der Resilienz sind Freiräume notwendig, die von Mitarbeitern eigenverantwortlich ausgenutzt werden. Der geringere Formalisierungsgrad bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, basierend auf einer ausgeprägten Unternehmenskultur, fördert deren Anpassungsfähigkeit. Dort finden sich sehr viel seltener ein Compliance-Management und formalisierte Vorgaben, dafür spielt das Vor- <?page no="139"?> 8.2 Nachhaltigkeitsstrategien 139 leben der Führungskräfte bzw. der Familie eine gewichtige Rolle (vgl. Hucke, Lorson 2013, S. 225). Neben der Einhaltung der Regeln soll also auch die moralische Selbstverantwortung des Managements und der Mitarbeiter zur Geltung kommen (vgl. Siller 2011, S. 112). Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW), die maßgebliche berufsständische Organisation für Wirtschaftsprüfer in Deutschland, hat mit dem Prüfungsstandard PS 980 Elemente definiert, die ein Compliance Management System enthalten soll. Hierdurch erhält das Management einen Leitfaden, was unbedingt erfüllt sein muss oder was individuell ausgestaltet werden kann. Damit ist eine Einschätzung möglich, ob das System funktioniert und externen Anforderungen gerecht wird. Dies ist insbesondere als unabhängiger und objektiver Nachweis gegenüber Externen sowie zur Sicherung der Reputation bedeutsam. Die Standards machen das Compliance Management System dahingehend überprüfbar, ob es angemessen und wirksam ist. Eine positive Überprüfung ist bei der Auswahl geeigneter Geschäftspartner hilfreich und kann schließlich auch zur Begrenzung von Haftungsrisiken führen, wenn ein Unternehmen zur Sicherung der Compliance all das unternommen hat, was man üblicherweise erwarten kann. Insbesondere wirkt dies für den Vorstand und den Aufsichtsrat haftungsbeschränkend. Nahezu alle größeren Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bieten ihre Dienstleistungen mittlerweile auch im Compliance Management an. Abb. 8.10: Elemente eines Compliance Management Systems (CMS) gemäß PS 980 (Quelle: eigene Darstellung angelehnt an: Ernst & Young 2014, S. 2.) <?page no="140"?> 140 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling Beispiel: Aufgaben der Compliance-Abteilung bei der Deutschen Bank die Geschäftsbereiche zu geltenden Gesetzen, Richtlinien, Standards und Regeln zu beraten und sie bei deren Einhaltung zu unterstützen; - Handelsgeschäfte, Transaktionen und Geschäftsverfahren zu überwachen, um mögliche Compliance-Risiken zu erkennen; global oder lokal geltende Prinzipien, Standards und Richtlinien zur Compliance auszuarbeiten, sie zu kommunizieren und zu kontrollieren, inwieweit sie eingehalten werden; bankinterne Listen von Projekten zu führen, bei denen besondere Achtsamkeit geboten ist (Watch- und Restricted-Listen); dazu beizutragen, dass interne Vertraulichkeitsvorschriften („Chinese Walls“) eingehalten werden; - Maßnahmen im Rahmen des Anti-Geldwäsche-Programms durchzuführen; sicherzustellen, dass Vorgänge, die einen Verdacht auf Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung begründen, aufgedeckt und den Strafverfolgungsbehörden gemeldet werden; - Mitarbeiter regelmäßig zu geltenden Vorschriften, Regeln und internen Standards zu schulen; die Risikosteuerung zu koordinieren und das Management von Reputationsrisiken zu überwachen; ... (Quelle: Deutsche Bank, in: https: / / www.db.com/ cr/ de/ konkret-bestimmungen. htm, Abruf 08.03.15 Controlling undCompliance Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Controlling und der Compliance besteht im Rahmen der Zielbildung, der Planung und Steuerung sowie im Reporting. Das Controlling berücksichtigt, wie sich regulatorische Eingriffe auf Entscheidungsprozesse und auf die Geschäftsentwicklung auswirken. Das Controlling kann zudem die Auswirkungen von Compliance-Verstößen abschätzen und somit Schwerpunkte für das Compliance-Management setzen. <?page no="141"?> 8.2 Nachhaltigkeitsstrategien 141 Konsistenzstrategie Stoßrichtungen der Nachhaltigkeitsstrategie Regeln der Nachhaltigkeit einhalten Nachhaltigkeit optimieren Compliance Konsistenz Suffizienz Effizienz Die Konsistenz bzw. die Effektivität wurde folgendermaßen gekennzeichnet: Bestehende Bedürfnisse sollen mit insgesamt weniger Ressourcen, mit regenerativen Ressourcen oder ohne einen Ressourcenverlust erfüllt werden. Hierbei geht es um eine absolute Verbesserung ökologischer, sozialer oder ökonomischer Standards und nicht nur um eine Verringerung der negativen Auswirkungen je produzierter oder konsumierter Einheit, wie dies beim Effizienzkriterium der Fall ist. Das ökonomische, ökologische und soziale Kapital bleibt erhalten oder wird hierdurch gesteigert. Es geht um die Frage, ob die richtigen Dinge getan werden. Konsistenz wird insbesondere im Zusammenhang mit der ökologischen Dimension kritisch diskutiert, wobei hier in den letzten Jahren der Cradle-to-Cradle-Ansatz Aufmerksamkeit gewonnen hat. Beispiele Ökonomie Ökologie Soziales Konsistenz/ Effektivität Konzentration auf attraktive Geschäftseinheiten, Fokussierung auf Kernkompetenzen Senkung des gesamten Energieverbrauchs, Verringerung des gesamten Wasserverbrauchs, Verringerung des CO2-Verbrauchs für alle Geschäftsreisen Erhöhung Frauenanteil, Erhöhung der Anzahl an Ausbildungsplätzen, Verzicht auf Korruption Konsistenz in der ökonomischen Dimension „Economically sustainable companies guarantee at any time cashflow sufficient to ensure liquidity while producing a persistent above average return to their shareholders.“ (Dylick, Hockerts 2002, S. 133) In der Betriebswirtschaftslehre ist die Konsistenz über das Rechnungswesen und über die wertorientierte Steuerung verankert. Das viel zitierte Beispiel aus der Forst- <?page no="142"?> 142 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling wirtschaft, dass nicht mehr Holz eingeschlagen werden soll als nachwächst, wird in der Bilanz offensichtlich. Ein Unternehmen, das den nutzungs- und altersbedingten Wertverlust des Anlagevermögens nicht durch Ersatzinvestitionen wiederaufbaut, verliert seine Substanz und geht seinem Ende entgegen. Im Rechnungswesen wird der Wertverlust in Form von Abschreibungen als Aufwand explizit erfasst. Diesen muss sich das Unternehmen wieder verdienen, weshalb die Abschreibungen in der Produktkalkulation anteilsmäßig eingepreist werden. Zumindest mittelfristig muss sich jedes Unternehmen durch seinen Erfolg im Markt refinanzieren können, um Ersatzinvestitionen zu tätigen. Vorrübergehend von außen finanzierte Investitionen müssen so erfolgreich sein, dass die externen Finanziers zukünftig durch Gewinnausschüttungen, Zins- und Tilgungszahlungen entschädigt werden können. Jedes Unternehmen muss aus der betrieblichen Tätigkeit heraus also ausreichend Geld erwirtschaften, um: Investitionen Gewinnausschüttung Zins- und Tilgung bezahlen zu können. Der betriebswirtschaftliche Fachbegriff für dieses selbst erwirtschaftete Geld ist der Cash flow. Über die Jahre hinweg muss der Cash flow ausreichend groß sein, um Investitionen zu tätigen und damit die Zukunft des Unternehmens zu sichern, um die Eigentümer durch attraktive Gewinnausschüttungen zufrieden zu stellen und um Zins- und Tilgungsverpflichtungen zuverlässig nachzukommen. Ein nachhaltig erfolgreiches Unternehmen muss für die drei genannten Verwendungsarten langfristig ausreichend hohe Cash flows erwirtschaften. Auch in den modernen, wertorientierten Steuerungskonzepten wird der Erfolg eines Unternehmens durch die Höhe der langfristig erwarteten Cash flows gemessen. Um diese zukünftigen Cash flows in einer griffigen Zahl auszudrücken, werden diese diskontiert und zu einem Barwert aufaddiert. Der Barwert aus dem Anteil der zukünftigen Cash flows, die an die Eigentümer ausbezahlt werden könnten, wird als Shareholder Value bezeichnet. Kurzfristig könnten die Gewinnausschüttungen durch einen Verzicht auf lukrative Investitionen zwar gesteigert werden, dies würde aber zu Lasten des zukünftigen Erfolgs gehen und den Shareholder Value verringern. Da der Shareholder Value alle zukünftigen Gewinnausschüttungen enthält, ist er resistent gegen kurzfristig attraktive, aber langfristig schädliche Maßnahmen. Der Shareholder Value kann somit, aus ökonomischer Sicht, die Werterhaltung bzw. -steigerung messen und damit den nachhaltigen Erfolg sichern. Auch wenn der Shareholder Value in der öffentlichen Diskussion oft missverstanden und mit einer rein kurzfristig ausgerichteten Unternehmenssteuerung gleichgesetzt wird, ist er tatsächlich ein ökonomisches Maß für eine langfristig ausgerichtete Unternehmenssteuerung. Zur Sicherung der ökonomischen Konsistenz ist eine nachhaltige Strategie danach auszurichten, dass die Cash flows langfristig gesteigert werden. Der Shareholder Value erhöht sich aber nicht nur durch höhere zukünftige Cash <?page no="143"?> 8.2 Nachhaltigkeitsstrategien 143 flows, sondern auch durch einen geringeren Kalkulationszinssatz. Diesen kann das Unternehmen verringern, indem es seine Risiken beherrscht und keine unkalkulierbaren Risiken eingeht. Beherrschbare Risiken und langfristige Erfolge im Markt erhöhen den Shareholder Value und die ökonomische Konsistenz. Konsistenz in der ökologischen Dimension „Ecologically sustainable companies use only natural resources that are consumed at a rate below the natural reproduction, or at a rate below the development of substitutes. They do not cause emissions that accumulate in the environment at a rate beyond the capacity of the natural system to absorb and assimilate these emissions. Finally they do not engage in activity that degrades ecosystem services.“ (Dylick, Hockerts 2002, S. 133) Eine Wirtschaft ist ökologisch konsistent, wenn die Einwirkungen der Unternehmen und Menschen auf die Umwelt nicht im Konflikt mit den natürlichen Abläufen stehen. Die menschlich verursachten Stoff- und Energieströme vertragen sich also mit der Natur. Die Technosphäre, die vom Menschen hervorgebrachte technische Umgebung, passt sich der Biosphäre, der natürlichen Umgebung, an. Die Natur ist dabei quasi die Referenz für die Technik. Sie hat sich bewährt, ist dauerhaft, also nachhaltig, und befindet sich im Gleichgewicht. Dieses Bild von der Natur, an deren Grundprinzipien sich die Menschen orientieren, basiert allerdings weder auf einem kulturübergreifenden Konsens, noch ist dieses im Zeitverlauf stabil. Man denke etwa, wie sich in den letzten Jahrzehnten die Einstellung gegenüber Eingriffen in die Natur verändert hat (z.B. Straßenbau, Flussbegradigungen, Austrocknung von Mooren). Unabhängig von solch grundlegenden, normativen Fragen können aus einer Orientierung an der Natur sehr gewichtige Erkenntnisse für eine ökologisch nachhaltige Produktions- und Wirtschaftsweise gewonnen werden. Insbesondere betrifft dies die Vorstellung von geschlossenen Kreisläufen. Da die Erde begrenzt ist, was ihre Ressourcen und die Aufnahmefähigkeit von Emissionen betrifft, muss dies auch in der Wirtschaftsweise berücksichtigt werden. Unbegrenzt ist einzig die der Erde von außen zugeführte Sonnenenergie. Daneben ist natürlich noch die Kreativität und die Lösungskompetenz der Menschen unbegrenzt. Allerdings wäre es eine bedenkliche Strategie, sich darauf zu verlassen, dass bei einer ökologischen Katastrophe schon noch jemanden rechtzeitig was einfallen wird. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft sind Produkte so zu gestalten, dass keine Abfälle in Form nicht mehr nutzbarer, nur minderwertig nutzbarer oder gar schädlicher Stoffe entstehen. Dies gilt für die Herstellung, die Nutzung und das Recycling der Produkte. Das Ziel eines völlig abfallfreien Wirtschaftskreislaufs wurde in den letzten Jahren unter dem von dem deutschen Chemieprofessor Michael Braungart und dem amerikanischen Architekten William McDonough entwickelten „Cradle-to-Cradle- Ansatz“ bekannt. Es finden sich bereits einige Unternehmen, die ihre Produkte auf <?page no="144"?> 144 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling Basis dieses Ansatzes entwickeln. Abfallfreie, geschlossene Kreisläufe führen zu einer vollständigen ökologischen Konsistenz. Links: www.epea.com www.mbdc.com „Weniger schlecht ist nicht gut“ (Braungart, McDonough 2014, S. 59) Cradle to Cradle, also „von der Wiege bis zur Wiege“, ist eine bewusste Abgrenzung von Cradle to Grave, bei dem das Produkt „von der Wiege bis zur Bahre“ betrachtet wird. Dies ist eben kein geschlossener Kreislauf, sondern es entstehen Abfälle, die möglichst begrenzt werden sollen. Dabei wird auf jeder Ebene versucht, effizient zu sein: es sollen wenig Rohstoffe eingesetzt werden, Energie wird eingespart, Emissionen werden verringert und der Recyclinganteil wird gesteigert. Der Ressourcenverbrauch und die Umweltbelastung werden somit begrenzt, aber nicht vermieden. Begrenzte, nicht erneuerbare Ressourcen sollen in der Konsistenzstrategie aber weder rationiert noch rationalisiert werden. Die Rationierung ist der Suffizienz zuzuordnen, die Rationalisierung der Effizienz (vgl. von Hauf 2011, S. 21). Die Konsistenz sichert einen dauerhaften Zustand, ohne dass Einschränkungen bei der Produktion und beim Konsum notwendig sind und ohne dass effizient produziert werden muss. Als Beispiel sei hierfür ein Kirschbaum genannt. Dieser bringt tausende Blüten und Früchte hervor, belastet damit aber nicht die Umwelt. Was zu Boden fällt sind wichtige Nährstoffe für Tiere und Pflanzen. Im Grunde ist die Natur hierbei äußerst ineffizient. Durch den geschlossenen Kreislauf besteht aber Konsistenz bzw. Effektivität. Bei vollständiger Effektivität ist die Effizienz irrelevant. Beispiele Emissionen werden nicht in die Umwelt entlassen, sondern gesammelt und in Produkte oder Rohstoffe umgewandelt. Daher ist es nicht notwendig, die Emissionen zuvor zu begrenzen. Hier handelt es sich um ein Upcycling, da höherwertige Produkte geschaffen werden. Metalle oder Kunststoffe werden nicht so verarbeitet, dass Hybride entstehen, die später nicht mehr getrennt werden können. Diese könnten allenfalls in Form des Downcyclings einer minderwertigen Nutzung zugeführt werden. Nicht mehr benötigte Kleidung, Verpackungen oder Waschmittel werden als biologisch abbaubare Produkte entwickelt und somit wieder in den biologischen Kreislauf zurückgeführt. Als Energiequellen werden keine endlichen Ressourcen genutzt, sondern ausschließlich erneuerbare Energien, die direkt oder indirekt von der Sonne stammen. Im Cradle-to-Cradle-Ansatz wird unterschieden, ob Materie der Biomasse oder der Industriemasse zuzuordnen ist. Biomasse wird im biologischen Kreislauf nach dem Verbrauch wieder der Natur als Nährstoff zur Verfügung gestellt, bevor später der Natur erneut die nachgewachsenen Ressourcen entnommenwerden. <?page no="145"?> 8.2 Nachhaltigkeitsstrategien 145 Abb. 8.11: Biologischer Kreislauf für Verbrauchsprodukte (Quelle: eigene Darstellung angelehnt an EPEA Internationale Umweltforschung GmbH, in: http: / / epea.com/ de/ content/ nährstoffkreisläufe) Abb. 8.12: Technischer Kreislauf für Gebrauchsprodukte (Quelle: eigene Darstellung angelehnt an EPEA Internationale Umweltforschung GmbH, in: http: / / epea.com/ de/ content/ nährstoffkreisläufe) Gebrauchsgüter zirkulieren in einem geschlossenen Kreislauf, ohne dass die Industriemasse hierdurch Qualitätseinbußen erleidet. Dies erfordert eine planvolle Materialauswahl sowie eine einfach Demontier- und Zerlegbarkeit. Der Cradle-to-Cradle-Ansatz setzt drei Prinzipien voraus: 1. Abfall ist Nahrung Es entstehen im herkömmlichen Sinne keine Abfälle in Form minderwertiger oder schädlicher Stoffe. Abfälle der einen Stufe sind Nährstoffe für die folgende Stufe. Produktkreisläufe sind in diesem Sinne zu entwickeln. Produktion Produkt Nutzung Biologischer Abbau Biologischer Nährstoff Pflanzen Produktion Produkt Nutzung Rücknahme Technischer Nährstoff <?page no="146"?> 146 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling 2. Nutzung erneuerbarer Energien Es sind ausschließlich erneuerbare Energiequellen wie Sonne, Wind und Biomasse zu nutzen. 3. Unterstützung von Biodiversität Die Vielfalt und Komplexität natürlicher Systeme soll auch in der Produktion gelebt werden. Einseitige und dominante Lösungen führen letztlich zur Instabilität. Mittlerweile wurde vom „Cradle to Cradle Product Innovation Institut“ ein Zertifizierungsverfahren zur Vergabe eines Gütezeichens entwickelt, das Produkten verliehen wird, welche fünf vorgegebene Kategorien erfüllen. Materialgesundheit Wiederverwendung des Materials erneuerbare Energien verantwortungsvoller Umgang mit Wasser soziale Fairness Werden für die Herstellung eines Produkts generische Materialien verwendet? Wird auf verbotene Chemikalien verzichtet? Das verwendete Material muss recyclingfähig oder schnell erneuerbar sein. Es wird angestrebt, erneuerbare Energiequellen zu nutzen und auf Treibhausgasemissionen zu verzichten. Es sind Herstellungsverfahren zu nutzen, die Wasserressourcen schonen. Die Interessen der Mitarbeiter, Kunden, Gemeinden, etc. sind zu berücksichtigen. Tabelle 8.8: 5 Gütezeichen des Cradle-to-Cradle (Quelle: Ecover Belgium N.V., in: http: / / www.ecover-professional.com/ de/ produkte/ cradle-to-cradle/ was-ist-cradle-to-cradle/ ) Auch wenn eine Produktentwicklung auf Basis des Cradle-to-Cradle-Ansatzes sicherlich schwieriger und manchmal auch noch nicht vollständig umsetzbar ist, stellt dieser eine bedeutsame und zukunftsträchtige Basis zur Sicherung der ökologischen Konsistenz dar. Als interessant hat sich hierbei herausgestellt, dass bei einer vollständigen Konsistenz die Suffizienz und Effizienz irrelevant sind. Investitionen in die Konsistenz erübrigen somit Investitionen in die Effizienzsteigerung und führen auch nicht zu Einschränkungen im Konsum, was oftmals als Bevormundung wahrgenommen wird und die Umsetzung der Nachhaltigkeit in der Praxis erschwert. Das Nachhaltigkeitsmanagement gelangt somit aus der restriktiven Ecke (weniger Ressourcen einsetzen, weniger Schadstoffe verursachen, weniger Konsum, weniger Autofahren, weniger Reisen, ...) heraus in ein kreatives Feld. <?page no="147"?> 8.2 Nachhaltigkeitsstrategien 147 Konsistenz in der sozialen Dimension „Socially sustainable companies add value to the communities within which they operate by increasing the human capital of individual partners as well as furthering the societal capital of these communities. They manage social capital in such a way that stakeholders can understand its motivations and can broadly agree with the company’s value system.“ (Dylick, Hockerts 2002, S. 133) In der sozialen Dimension sind die an das Unternehmen formulierten Erwartungen häufig der Ebene der Konsistenz zuzuordnen. So dürfte es etwa kaum als ernst zu nehmendes Ziel gelten, wenn ein Unternehmen je Millionen Euro Umsatz weniger Korruptionsfälle auffinden möchte. Diese Kennzahl würde selbst dann besser, wenn die Anzahl der Korruptionsfälle zwar insgesamt steigt, der Umsatz aber noch stärker ansteigt. Üblicherweise wird die Erwartung formuliert, dass Korruption, unabhängig vom Umsatz, gänzlich unterlassen wird. Genau so wenig wird ein Rückgang der Arbeitsunfälle in Relation zum Umsatz als Erfolg gefeiert, wenn die Anzahl der Arbeitsunfälle insgesamt gestiegen ist, nur eben schwächer als der Umsatz. Inhalte der sozialen Nachhaltigkeit, die gänzlich vermieden werden sollen, etwa Verstöße gegen Menschenrechte, sind per se auch der Konsistenz zuzuordnen. Generell erweist sich die Unterscheidung zwischen Effizienz und Konsistenz in der sozialen Dimension als weniger bedeutsam im Vergleich zur ökonomischen oder ökologischen Dimension. Es gibt Inhalte, die typischerweise als relative Verbesserungen in der Kategorie der Effizienz gemessen werden, bei anderen ist nur eine absolute Verbesserung vertretbar. Auf der Ebene relativer Verbesserungen sind beispielsweise zu nennen: Fluktuation Krankenstand Mitarbeiterzufriedenheit Förderung der Work-Life-Balance öffentliche Reputation Daneben gibt es Inhalte, bei denen in der Regel nur eine absolute Verbesserung oder gar eine völlige Vermeidung als sinnvoll erscheinen. Beispiele für solche Fälle der Konsistenz sind etwa: ausschließliche Zusammenarbeit mit Lieferanten, die Sozialstandards erfüllen keine Korruption keine Kinderarbeit keine schweren Arbeitsunfälle keine Diskriminierung In diesen Fällen besteht ein enger Zusammenhang zur Compliance, also zu einem regelkonformen Management. Hierzu sei auf die vorangegangenen Ausführungen in Kapitel 8.2.1 verwiesen. <?page no="148"?> 148 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling In der Formulierung der Anforderungen an eine soziale Nachhaltigkeit von Dyllick und Hockerts wird die Erhöhung des Humankapitals und des Sozialkapitals gefordert. Unter dem Humankapital versteht man das natürliche sowie das durch Ausbildung erworbene Leistungspotenzial einer Person. Die Konsistenz bzw. die Steigerung des für das Unternehmen nutzbaren Leistungspotenzials liegt im ureigenen Interesse des Unternehmens. Die Knappheit an qualifizierten Fachkräften und die Auswirkungen des demographischen Wandels verstärken den Bedarf, das Humankapital zu steigern. Ökonomische und soziale Ziele sind hierbei häufig gleichgerichtet. Maßnahmen sind beispielsweise eine systematische Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter, der Schutz vor einseitiger Arbeitsbelastung und Überlastung, die Förderung der Work- Life-Balance oder ein betriebliches Gesundheitsmanagement. „... Denn die Mitarbeiter sind das Herz des Konzerns. Ihr Können, Engagement und ihre Leistungsfähigkeit machen uns erfolgreich. Darum legen wir großen Wert auf die Entwicklung unserer Mitarbeiter und achten besonders auf ihre Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz.“ (ThyssenKrupp, in: http: / / www.thyssenkrupp.com/ de/ nachhaltigkeit/ unter nehmenskultur.html, Abruf 12.03.15) Das Sozialkapital stellt den Wert der sozialen Beziehungen in einer Gemeinschaft dar. Maßgeblich ist hierbei insbesondere das Vertrauen zwischen den einzelnen Akteuren. Wie vertrauensvoll gehen Mitarbeiter und Führungskräfte miteinander um, wie verlässlich sind die Vorgaben der Gesellschafter und können sich Geschäftspartner auf Zusagen des Unternehmens verlassen? Eine solide Vertrauensbasis verschafft einem Unternehmen erhebliche Vorteile. Es erleichtert oder ermöglicht überhaupt erst eine Zusammenarbeit. Kurzfristige Vorteile durch das findige Ausnutzen einer Vertragslücke, die Verschleierung von Informationen in Verhandlungen oder eine alleine auf Marktmacht beruhende Vorteilsnahme vernichtet hingegen das Sozialkapital. Insbesondere in der Mission und in den Leitsätzen der Unternehmenskultur, die von den Gesellschaftern, dem Management und den Stakeholdern entwickelt wurden, finden sich Verhaltensnormen, die sich das Unternehmen gegeben hat. Selbstverständlich reicht eine wohlwollende Formulierung von Verhaltensgrundsätzen nicht aus. Die Schwierigkeiten liegen mehr in der Umsetzung und vor allem im großen Graubereich. Sollte man also bei einem erheblichen wirtschaftlichen Vorteil eine unklare Vertragslage nicht doch für sich ausnutzen? Der andere würde dies doch sicherlich selber auch so machen. Hier gibt es weniger eindeutige Vorgaben wie etwa bei einem grundsätzlichen Verzicht auf Korruption. Bedeutsam ist, wie die Kultur im Unternehmen gelebt und wie sie vom Management vorgelebt wird. <?page no="149"?> 8.2 Nachhaltigkeitsstrategien 149 Suffizienzstrategie „Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.“ Mahatma Gandhi Stoßrichtungen der Nachhaltigkeitsstrategie Regeln der Nachhaltigkeit einhalten Nachhaltigkeit optimieren Compliance Konsistenz Suffizienz Effizienz Suffizienz stammt vom lateinischen sufficere und bedeutet ausreichen, genügen. Eine suffiziente Wirtschafts- und Lebensweise bzw. Kultur ist durch weniger Konsum, weniger Produktion, einen geringeren Ressourcenbedarf und durch weniger negative Effekte auf die ökologische und soziale Umwelt geprägt. Im Vergleich zur Steigerung der Effizienz und der Effektivität stellt die Suffizienz einen deutlichen Eingriff in eine am Wachstum ausgerichtete Unternehmenspolitik dar. Auch in der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags wurde kritisch diskutiert, ob mit der Begründung der Suffizienz in die freie Entscheidung der Unternehmen und Konsumenten eingegriffen werden solle. Es wurde bezweifelt, ob man hierdurch den Lebensstil in der Breite der Bevölkerung überhaupt verändern könne (vgl. Enquete-Kommission 2013, S. 714f.). Andererseits steht dem insuffizienten Verhalten des Einen auch das Recht des Anderen gegenüber, von den dadurch verursachten negativen externen Effekten verschont zu werden. Auch in den Medien fallen schnell Ausdrücke wie Bevormundung und Gängelung. Suffizienz ist aber nicht nur ein Verzicht, sondern kann in Form einer Umstellung von Lebens- und Arbeitsweisen auch als bereichernd wahrgenommen werden. Insgesamt scheint es für Unternehmen und auch für die Betriebswirtschaft aber noch nicht sonderlich interessant zu sein, eine Suffizienzstrategie zu entwickeln (vgl. Schneidewind 2012, S. 68). Diese Bedenken teilt auch Friedrich Schmidt-Bleek, Mitgründer des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie: „Wie gestalten wir eine Wirtschaft, die auch mit radikal weniger Ressourcen profitabel arbeiten kann, Spaß macht, und zukunftsfähige Wohlfahrt erzeugt? Wo sind die Bilder mit der Aussicht auf Lebensqualität, Sicherheit, und Gesundheit trotz radikal geringerer Ausbeutung des Planeten Erde? “ (Schmidt-Bleek 2014b, S.40). Im Nachhaltigkeitsmanagement bietet Suffizienz den Vorteil, dass jegliche Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz und der Effektivität hinfällig sind. Wenn ein Pro- <?page no="150"?> 150 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling dukt nicht mehr nachgefragt und auch nicht mehr hergestellt wird, erübrigen sich sämtliche Maßnahmen zur Sicherung der Effizienz und Effektivität. Andererseits erfordert Suffizienz oftmals eine gewisse Überwindung und Anpassungsbereitschaft. Soll beispielsweise der Flottenverbrauch des Fuhrparks gesenkt werden, könnten anstatt mit teurer Hybridtechnologie ausgestattete Oberklassefahrzeuge auch sehr viel leichtere und leistungsschwächere Klein- und Mittelklassewagen beschafft werden, die eine bessere Ökobilanz aufweisen. Oder aber das Mobilitätskonzept nimmt Abstand vom Statussymbol des Firmenwagens und fördert dagegen die Nutzung des öffentlichen Verkehrs. Mögliche Maßnahmen der Suffizienz können sein: Beispiele Ökonomie Ökologie Soziales Suffizienz Angebot von Share- Konzepten anstatt Verkauf einzelner Produkte: Car-Sharing, Mitfahrzentralen, Mitwohnzentralen, Musikportale, gemeinsame Soft warenutzung, Maschinen ringe in der Landwirtschaft weniger Geschäftsreisen, Angebot langlebiger Produkte, gemeinschaftliche Nutzung von Produkten, repara turfreundliche Produkte, günstige Ersatzteilversorgung Verringerung der Arbeitsbelastung und der Arbeitszeiten, familiengerechte Arbeitszeitmodelle, Aufwertung nicht betrieblicher Tätigkeiten In den letzten Jahren sind zahlreiche Veröffentlichungen zu einer suffizienten Wirtschafts- und Lebensweise erschienen. Hierbei handelt es sich überwiegend um Forderungen an Politik und Gesellschaft, die wachstums- und konsumorientierte Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik umzustellen und einen Wertewandel einzuleiten. Thematisiert werden etwa die „Postwachstumsgesellschaft“ oder die Erkenntnisse der „Glücksforschung“, dass die Lebensqualität weniger vom Konsum abhänge als von der Nachhaltigkeit. „Wie sich mehr Suffizienz konkret erreichen lässt, ist allerdings eine schwierige Frage ... Solange die Wirtschaft grundsätzlich auf Wachstum ausgerichtet ist und ohne Wachstum in Schwierigkeiten gerät, lassen sich die Tretmühlen zwar verlangsamen, aber nicht beseitigen ... Und diese stehen nun mal der Suffizienz im Weg, da sie dazu führen, dass das Glück von materiellem Konsum systematisch überschätzt wird. Dieser Widerspruch zwischen inhärenter Wachstumsdynamik der heutigen Wirtschaft und Suffizienz ist die wirklich zentrale Herausforderung“ (Binswanger 2013, S. 55f.). Die Suffizienz hat unter dem Stichwort der „Sharing-Economy“ an Bedeutung und an Attraktivität gewonnen. Auf Basis der Web 2.0-Technologie wurden verschiedene Sharing-Konzepte entwickelt, die im Markt teils mit großem Erfolg angeboten werden. Diesen liegt das Prinzip zugrunde, dass nicht der Besitz eines Produktes, sondern <?page no="151"?> 8.2 Nachhaltigkeitsstrategien 151 dessen Nutzung in den Vordergrund rückt und dieser entsprechend attraktiv ausgestaltet sein muss. Die CEBIT machte 2013 den Begriff „Shareconomy“ zu ihrem Leitthema. Der US-amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin bezeichnet die Sharing Economy gar als das erste neue Wirtschaftssystem seit der Entstehung von Kapitalismus und Sozialismus. Das Prinzip des Teilens und gemeinsamen Nutzens ist allerdings keine neue Erfindung. In der Landwirtschaft haben sich schon vor Jahrzehnten sogenannte Maschinenringe etabliert, die von einzelnen, kleineren Betrieben nur wenig genutzte Maschinen, wie beispielsweise Mähdrescher, beschaffen und zur gemeinsamen Nutzung anbieten. Das Internet und insbesondere mobile Dienste per Smartphone erschließen deutlich erweiterte Anwendungen. Neuere Entwicklungen sind etwa das Carsharing (z.B. Car2Go), aus der früheren Mitfahrgelegenheit entwickelte sich das private Taxi (z.B. Uber), Wohnungssharing (z.B. Airbnb), Booksharing (z.B. Bookelo), Tauschbörsen (z.B. TauschTicket), Gartensharing (z.B. Garten-Sharing.de) bis hin zum Crowdfunding (z.B. Startnext). Zwar ist die Suffizienz ein wesentlicher Motivator für die Entwicklung vieler Angebote, doch ob diese tatsächlich suffizient sind, ist in den meisten Fällen noch zu belegen. Teilweise sind auch Reboundeffekte zu erwarten, wenn etwa durch das Wohnungssharing zwar Wohnungen weniger leer stehen und besser genutzt werden, andererseits dadurch aber vermehrte Reisen und ein erhöhtes Flugaufkommen verursacht wird. Link: www.lets-share.de „Die Wirtschaft des Teilens gilt vielen Ökologiebewegten heute als Hoffnungsträgerin für eine nachhaltige Entwicklung. Werden Räume, Autos, Geräte, Maschinen, Nahrungsmittel oder Kleidungsstücke in der Sharing-Economy gemeinschaftlich genutzt - also geteilt, getauscht, verliehen oder verschenkt -, braucht man in aller Regel deutlich weniger Material, Energie und Fläche. Weniger Neues muss nachproduziert werden.“ (ZEIT Online, in: http: / / www.zeit.de/ 2014/ 43/ sharing-economy-kapitalismuswettbewerb, Abruf 13.03.15) Ansatzpunkte für Suffizienz-Geschäftsmodelle Ziel „Vermeidung“: Mobilitätskonzepte und Car-Sharing-Angebote insbesondere für Metropolen mit sehr hoher Verkehrsdichte und teuren Parkplätzen Contracting-Modelle bei denen die Investitionskosten durch eine Aufteilung der ersparten Verbrauchskosten bezahlt werden (z.B. Energie-Contracting mit der energetischen Sanierung von Fabrikgebäuden) Leasing- und Mietangebote für Produkte, die von mehreren genutzt werden können <?page no="152"?> 152 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling Ziel „Reduzierung“: Slow Food statt Fast Food Erhöhung der Lebensdauer von Produkten, Erleichterung der Reparatur, Aufbau einer Service-Infrastruktur, Angebot einzelner Ersatzteile anstatt umfangreicher Module Förderung einer längeren Nutzungsdauer durch die Möglichkeit der Aktualisierung (neue Software, Austausch abgenutzter Komponenten) Ziel „Regionalisierung“: regionale Herstellung und Beschaffung Ziel „dem Markt entziehen“ Open-Source-Entwicklung von Software Reparaturläden und -kurse (Quelle: vgl. Schneidewind 2012, S. 86; dies basiert auf Arbeiten von Sachs 1993 und Paech 2009) Im ethischen Sinne der Nachhaltigkeit hat ein Unternehmen auch verantwortlich mit Werbung und absatzsteigernden Methoden umzugehen. Eine Absatzsteigerung, die durch eine künstlich verkürzte Lebensdauer von Produkten verursacht wird, die durch kurze Garantiezeiten oder durch eine schlechte Reparierbarkeit und teure Ersatzteile forciert wird, verursacht unnötigen Ressourcenverbrauch, ohne dass ein Kundennutzen entsteht. Kritisch ist auch Werbung anzusehen, die neue Bedürfnisse erst weckt. Demzufolge hatte zuvor noch niemand eine Einbuße wegen des fehlenden Produktes wahrgenommen. Auch dem Wahrheitsgehalt von Werbung sollte in einem nachhaltig geführten Unternehmen Rechnung getragen werden. Die Verantwortung ist insbesondere dann wahrzunehmen, wenn die Zielgruppe der Werbung Kinder sind. Im Rahmen der Suffizienzstrategie ist die Verantwortung für die Auswirkungen der Werbung nicht ausschließlich auf die Konsumenten zu verlagern und durch die Konsumentensouveränität zu rechtfertigen. „Wohlstand ist, wenn man mit Geld, das man nicht hat, Dinge kauft, die man nicht braucht, um damit Leute zu beeindrucken, die man nicht mag.“ Alexander von Humboldt <?page no="153"?> 8.2 Nachhaltigkeitsstrategien 153 Effizienzstrategie Stoßrichtungen der Nachhaltigkeitsstrategie Regeln der Nachhaltigkeit einhalten Nachhaltigkeit optimieren Compliance Konsistenz Suffizienz Effizienz Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz dominieren im betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagement. Gerade die Ökoeffizienz ist hierbei eine der zentralen Begriffe. „In their quest to find a single concept, perhaps a single word to sum up the business end of sustainable development… most firms have opted for eco-efficiency as their guiding principle“ (Dyllick, Hockerts 2002, S. 131). Dies mag daran liegen, dass die Ökoeffizienz ein recht gut verständliches Konzept ist und sie sich durch seine methodische Nähe zur Betriebswirtschaft als ein eher niedrigschwelliger Einstieg in das Nachhaltigkeitsmanagement anbietet. Neben der Ökoeffizienz gibt es auch die klassische ökonomische Effizienz und die Sozioeffizienz. Das Ziel der Öko- und Sozioeffizienz ist hierbei, das Umwelt- und Sozialmanagement möglichst wirtschaftlich durchzuführen. Beispiele Ökonomie Ökologie Soziales Effizienz Optimierung bestehender Produkte und Dienstleistungen, Kostensenkung durch schlankere Prozesse, Verkürzung von Durchlaufzeiten Messung z.B.: Euro Wertschöpfung je Euro Kapitaleinsatz Euro EBIT je Mitarbeiter Verringerung des Energieverbrauchs und des Ressourceneinsatzes je Produkt, weniger Benzinverbrauch je Fahrzeug Messung z.B.: Euro Wertschöpfung je Tonne CO 2 Euro Deckungsbeitrag eines Produktes je Liter Abwasser Verringerung der Arbeitsunfälle je Mio. € Umsatz, Fluktuationsrate verringern, Verringerung der Beschwerdequote Messung z.B.: Euro Wertschöpfung je Arbeitsunfall Euro EBIT je Beschwerde Die Effizienz misst einen Wirkungsgrad, der zumeist gesteigert werden soll. Eine Produktionseinheit oder ein bestimmter wirtschaftlicher Erfolg sollen mit einem geringeren Ressourceneinsatz, mit weniger verursachten Schäden, mit weniger Energieeinsatz oder mit einem höheren Sozialkapital erzielt werden. Der Quotient aus der ökonomischen Wertschöpfung und den eingesetzten ökonomischen, ökologischen und sozialen Ressourcen misst jeweils die ökonomische Effizienz, die Ökoeffizienz <?page no="154"?> 154 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling und die Sozioeffizienz. Hierbei wird innerhalb des Rahmens bestehender Produkte und Prozesse optimiert. Es geht im Sinne Druckers darum, die vorgegebenen Dinge richtig zu tun. In der Vergangenheit haben viele Unternehmen umfangreiche Effizienzgewinne erzielt. Dabei war aber nur teilweise eine Entkopplung des Ressourceneinsatzes und Energieverbrauchs vom wirtschaftlichen Wachstum festzustellen. Zumeist handelt es sich um eine relative Entkopplung, bei der der Ressourcenverbrauch zwar weiterhin ansteigt, allerdings langsamer als die Produktion. Der Ressourceneinsatz und die negativen externen Effekte je produzierter Einheit nehmen ab. Zu einer tatsächlichen Entlastung führt die relative Entkopplung damit nicht. Erst bei einer absoluten Entkopplung, bei der der Ressourcenverbrauch trotz Wirtschaftswachstum insgesamt abnimmt, verringert sich die Belastung tatsächlich. Die reine Betrachtung der Effizienz reicht damit nicht aus, um negative Auswirkungen auf das ökologische und soziale Umfeld tatsächlich zu verringern. Natürlich ist Effizienz besser als Ineffizienz, aber für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele sind absolute und nicht nur relative Verbesserungen notwendig. Um den Zustand der Umwelt zu verbessern, kommt es auf den CO 2 -Ausstoß, ... insgesamt an und nicht darauf, ob der CO 2 -Ausstoß aus einem effizienten oder ineffizienten Prozess erfolgt. Die bedeutsame absolute Veränderung des ökologischen und sozialen Kapitals misst die Effektivität, nicht die Effizienz. Auch in der ökonomischen Perspektive reicht Effizienz alleine nicht aus. Zwar ist eine Kapitalrendite von 2% besser als eine von 1%, aber kein Aktionär wird sich damit zufriedengeben. Beispiel Zwischen 2015 und 2020 haben sich die produzierten Einheiten und der CO 2 - Ausstoß folgendermaßen entwickelt: 2015 2020 Produktionsmenge 4.000 Einheiten 5.600 Einheiten CO2-Ausstoß 112.000 t 137.000 t War das Unternehmen effizient und auch effektiv? 2015 2020 CO2-Ausstoß/ Produktionsmenge 28 t/ Einheit 24,46 t/ Einheit Das Unternehmen hat seine Öko-Effizienz gesteigert, da je Einheit weniger CO 2 verursacht wird. Effektiv war dies nicht, da der CO 2 -Ausstoß insgesamt gestiegen ist. Ohne die Effizienzsteigerung hätte der CO 2 -Ausstoß sogar 156.800 t (28 t/ Einheit 5.600 Einheiten) betragen. Er wäre somit um 19.800 t größer gewesen. In dieser Größenordnung wurde die Effizienz gesteigert. Wäre die Produktionsmenge nicht angestiegen, hätte sich aufgrund der gesteigerten Effizienz der CO 2 -Ausstoß <?page no="155"?> 8.2 Nachhaltigkeitsstrategien 155 auf 97.840 t verringert. Der Mengenanstieg um 1.600 Einheiten verursachte somit einen zusätzlichen CO 2 -Ausstoß in Höhe von 39.160 t. Dem Effizienzvorteil in Höhe von 19.800 t steht durch den Mengeneffekt ein erhöhter CO 2 -Ausstoß in Höhe von 39.160 t gegenüber. Der Mengeneffekt übersteigt den Effizienzeffekt um 19.360 t. In der ökologischen Dimension wurden in der Vergangenheit die Erwartungen gegenüber effizienzsteigernden Maßnahmen oftmals enttäuscht. Eine höhere Effizienz hat nur teilweise oder gar nicht zu geringeren Umweltbelastungen geführt. Ursache für den begrenzten Erfolg sind die Reboundeffekte. Bereits im 19. Jahrhundert stellte William Jevons fest, dass die aus technischem Fortschritt resultierende erhöhte Effizienz nicht zu einer Einsparung von Ressourcen, sondern sogar zu einem erhöhten Verbrauch führt (Jevons´ Paradoxon). Beispielsweise ist zu beobachten, dass der Wechsel von traditionellen Glühbirnen auf Energiesparlampen oftmals dazu führt, dass mehr Lichter installiert und diese länger benutzt werden. Und der Kauf eines verbrauchsärmeren Fahrzeugs verleitet wegen der geringeren Benzinkosten dazu, nun das Auto anstatt die Bahn zu benutzen (in Japan wurde ermittelt, dass Käufer nach dem Wechsel auf ein Hybridfahrzeug etwa um das 1,6-fache mehr fahren, vgl. Santarius 2012, S. 11). Trotz schnellerer Fahrzeuge und einer besser ausgebauten Infrastruktur für den Nahverkehr sind die Fahrzeiten, um zur Arbeit zu kommen, nahezu gleich geblieben. Die Effizienzvorteile haben dazu geführt, dass die Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort größer wurde und längere Arbeitswege in Kauf genommen werden. Der energie-effiziente Kühlschrank verleitet dazu, sich ein größeres Modell zu kaufen... Neben diesen direkten Reboundeffekten sind auch indirekte Effekte zu beobachten. So ermöglichen etwa die eingesparten Kosten nach einer energetischen Haussanierung jährlich eine zweite Flugreise. Die vorliegenden Studien zur Messung des Reboundeffekts gehen im Durchschnitt davon aus, dass mindestens 50% der Effizienzeinsparungen durch die Reboundeffekte zunichte gemacht werden (vgl. Santarius 2012, S. 4). Beispiel Ein häufig zitiertes Beispiel für einen Reboundeffekt ist der VW-Käfer und sein Nachfolger, 60 Jahre später. „1955 verbrauchte das Auto 7,5 Liter auf 100 Kilometer. Sein modernster Nachfahre, der VW-Beetle, hat zwar einen viel effizienteren Motor, der für die gleiche Leistung viel weniger Benzin schluckt als das alte Modell. Dennoch verbraucht das Auto im Durchschnitt weiterhin 7,1 Liter. Der Grund: Die Ingenieure tüftelten zwar an sparsameren Motoren, aber die Autos wurden zugleich schwerer und leistungsstärker“. (ZEIT Online, in: http: / / www.zeit.de/ 2013/ 45/ energieeffizienz-technik-umweltrebound, Abruf 13.03.15). Im Sinne des Ziels der Nachhaltigkeit, dass nicht nachwachsende Ressourcen auch möglichst nicht entnommen werden sollen oder dass die Emissionen nicht über der Aufnahmekapazität der Umwelt liegen dürfen, führt die Effizienz häufig nicht zu mehr Nachhaltigkeit. Effizienz führt zumeist nur dazu, dass die Umweltzerstörung oder die Verringerung des Sozialkapitals langsamer verläuft. Nur dort wo keine Kon- <?page no="156"?> 156 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling sistenz erreicht wird und wo die Bereitschaft zur Suffizienz nicht besteht, sollte ein vorerst nicht vermeidbarer Schaden durch die Steigerung der Effizienz wenigstens verringert werden. Startet man hingegen mit Effizienzmaßnahmen, werden die Anstrengungen dort gebündelt, wo sie eigentlich erst als letzter Schritt erfolgen sollten. Die Optimierung des Bestehenden steht somit im Zentrum, nicht deren Veränderung. Das finanzielle und personelle Engagement für diese Optimierung steht für die wesentlich bedeutsamere Konsistenz und Suffizienz damit nicht mehr zur Verfügung. Ein nachlassendes Engagement für die Nachhaltigkeit, nachdem der ganze Betrieb optimiert wurde, ist die Folge. Sieht man im Nachhaltigkeitsmanagement vor allem Effizienzsteigerung, sind die Maßnahmen bald ausgereizt und das Engagement lässt nach, ohne dass die Nachhaltigkeitsziele überhaupt erreicht wurden. Effizienz sollte also der letzte Schritt im Nachhaltigkeitsmanagement sein und nicht der erste und schon gar nicht der Einzige (vgl. hierzu auch Baumgartner, Biedermann 2009, S. 13f.). Integrierte Nachhaltigkeitsstrategien Im weiteren Verlauf liegt der Schwerpunkt auf den drei Teilstrategien Suffizienz, Konsistenz und Effizienz. Die Compliance unterscheidet sich von diesen, da sie sich an externen und internen Regeln ausrichtet und Maßnahmen ergreift, welche die Regeleinhaltung sichert. Es wurde erkannt, dass die Compliance in aller Regel nicht in der Verantwortung des Controllings liegt und deshalb gesondert zu betrachten ist. Da hier das Nachhaltigkeitscontrolling im Vordergrund steht, wird die Compliance im weiteren Verlauf nicht betrachtet bzw. nur an relevanten Schnittstellen wird auf diese verwiesen. Das Zusammenspiel der drei Strategieansätze Suffizienz, Konsistenz und Effizienz im Zeitverlauf veranschaulicht nachfolgende Abbildung 8.13. Die Effizienz- und die Konsistenzstrategie entkoppeln den Ressourcenverbrauch und damit auch die Umweltbelastung vom wirtschaftlichen Wachstum, also dem Anstieg der Waren- und Dienstleistungsproduktion. Diese beiden Strategien sollen einen Beitrag leisten, dass trotz Wirtschaftswachstum der Ressourceneinsatz absolut abnimmt. Basis sind hierfür der technologische Fortschritt, effizientere Prozesse sowie das Design konsistenter Produkte und Dienstleistungen. Die Suffizienzstrategie entkoppelt die Lebensqualität von der Menge konsumierter Produkte und Dienstleistungen. Betrachtet man die Wechselwirkungen zwischen diesen drei Teilstrategien, ist insgesamt eine Optimierung dieser Ziele anzustreben anstatt einer Maximierung von Einzelzielen. Die drei Strategien stehen nicht in einer durchweg komplementären Beziehung zueinander, sondern es bestehen auch Konflikte (vgl. Scherhorn 2008, S. 6). So könnte man etwa bei einer vollständigen Umsetzung der Konsistenzstrategie im Sinne des Cradle-to-Cradle beliebig verschwenderisch und ineffizient sein, da ja keine Ressourcen verbraucht werden und nichts verloren geht. Die Suffizienz hingegen führt zu einem Verzicht auf den Einsatz von Ressourcen, weshalb eine effiziente oder konsistente Ausgestaltung des Ressourceneinsatzes hinfällig würde. <?page no="157"?> 8.3 Integrierte Nachhaltigkeitsstrategien 157 Abb. 8.13: Zusammenspiel der drei Strategieansätze (eigene Darstellung in Anlehnung an Schneidewind 2012, S. 77) Wenn ein Unternehmen umfassend in die Steigerung der Effizienz investiert, kann es die Attraktivität seiner Produkte steigern und die Absatzmenge erhöhen. Dieser Reboundeffekt widerspricht der Suffizienzstrategie. Effizienz und Suffizienz können somit konfliktär zueinanderstehen. Vertreter des Cradle-to-Cradle-Ansatzes sehen in der Effizienz und in der Suffizienz vielfach sogar eine Gefahr für die ökologische Nachhaltigkeit. Effizienz reiche nicht aus, da das Schlechte nur etwas weniger schlecht wird und Suffizienz werde durch seine restriktive Wirkung sowie durch die Beschränkung der Autonomie des Konsumenten keine bedeutsame Wirkung entfalten. Vielmehr bestehe die Gefahr, dass die Nachhaltigkeit negativ assoziiert wird und sich Konsumenten von ihr abwenden. Die ökologische Nachhaltigkeit müsse daher vor allem durch die Konsistenzstrategie gesichert werden. Vielfach würden Unternehmen aber in die scheinbar schnelleren Erfolge der Effizienz flüchten und Umweltpolitiker würden vorschnell Suffizienz einfordern, anstatt mit Ausdauer konsistente biologische und technologische Kreisläufe zu entwickeln. Protagonisten der Suffizienz hingegen sehen in der Anpassung des Konsumverhaltens eine einfache, schnell wirksame Maßnahme zur Senkung des Ressourcenverbrauchs und haben die Erwartung, dass aus der Abkehr von der Konsumorientierung die Lebensqualität sogar steigt. Man könne sich die gesamten Investitionen in nur begrenzt wirksame Effizienz- und Konsistenzsteigerungen sparen, wenn die Gier nach Neuem und nach mehr gedrosselt wird. Ein erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement erfordert alle drei Strategien, da absehbar weder eine vollständige Suffizienz noch eine vollständige Konsistenz zu erwarten ist und eine hohe Effizienz allenfalls die Schäden mindert. Die dargestellten Beziehungen zwischen den drei Strategieansätzen verdeutlichen, dass ein Unternehmen einen übergeordneten strategischen Rahmen zur Umsetzung der drei Teilstrategien benötigt. Ist nicht klar abgestimmt, welche der drei Stra- <?page no="158"?> 158 8 Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling tegien jeweils mit welchen Zielen, Ressourcen und Maßnahmen vollzogen werden, sind Konflikte in der operativen Umsetzung wahrscheinlich. Die Nachhaltigkeitsstrategie sollte daher, wie nicht anders zu erwarten, „aus einem Guss“ kommen. Die Koordination von Teilplänen ist eine klassische Aufgabe der Controller. Hier muss er aktiv werden, wenn das Unternehmen Nachhaltigkeitsziele verfolgt. Beispielhafte Fragestellungen sind hierbei: Durch welche Kombination der drei Teilstrategien Suffizienz, Konsistenz und Effizienz kann das Nachhaltigkeitsziel kurz-, mittel- und langfristig bestmöglich erreicht werden? Welcher Teilstrategie sind die bisherigen Maßnahmen der Nachhaltigkeit zuzuordnen und wie erfolgreich waren diese? Sollte die Gewichtung der Strategien verändert werden? Treten zwischen den drei Teilstrategien Konflikte auf und wie lassen sich diese lösen? Folgt die Effizienzstrategie (die Dinge richtig tun) auch auf die Konsistenzstrategie (die richtigen Dinge tun)? Wird auf die Konsistenz und Suffizienz überhaupt ausreichend geachtet? Lässt sich aus den drei Teilstrategien eine schlüssige, integrierte Nachhaltigkeitsstrategie ableiten? Kapitel 8: Erkenntnisse Die Nachhaltigkeitsstrategie ist ein integrierter Bestandteil der Unternehmensstrategie und trägt dazu bei, die um die Nachhaltigkeit ergänzte Mission und Vision zu erreichen. Ausgangspunkt der Strategieentwicklung ist eine Wesentlichkeitsanalyse. Durch diese werden mit den Stakeholdern die nachhaltig relevanten Handlungsfelder identifiziert. Die Relevanz für die Unternehmen ergibt sich aus der strategischen Analyse, die in einer SWOT-Analyse zusammengeführt wird. Die Relevanz für die Stakeholder wird aus dem Stakeholderdialog gewonnen. Die verschiedenen Handlungsfelder sind nicht unabhängig voneinander, sondern stehen in einer vielfältigen Beziehung. Um in Erfahrung zu bringen, welche der Handlungsfelder wie auf die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele wirken, empfiehlt sich eine systemische Wesentlichkeitsanalyse. Die Modellierung von Ursache-Wirkungszusammenhängen zwischen den verschiedenen Handlungsfeldern führen mittels Simulation direkt zu Handlungsempfehlungen. Innerhalb der Nachhaltigkeitsstrategie können vier grundlegende Stoßrichtungen ausgemacht werden: - Compliance - Konsistenz - Suffizienz - Effizienz <?page no="159"?> 8.3 Integrierte Nachhaltigkeitsstrategien 159 Die Compliance sichert Legalität und Legitimität und ist weitgehend unabhängig von den anderen Dreien. Die anderen strategischen Stoßrichtungen sind teils komplementär, teils konfliktär. Innerhalb der Nachhaltigkeitsstrategie muss eine bewusste Entscheidung getroffen werden, wie diese Teilpläne ausgestaltet werden und zueinander in Beziehung stehen sollen. <?page no="160"?> 9 Nachhaltigkeit messen Input Die Nachhaltigkeitsstrategie ist entwickelt und die grundlegenden Ziele der Nachhaltigkeit sind gesetzt. Die Aufgaben und die organisatorische Verankerung des Nachhaltigkeitscontrollings sind bekannt. Teilprozesse Aufdeckung nachhaltigkeitsrelevanter Aspekte entlang der Wertschöpfungskette. Auswahl und Bewertung ökonomischer, ökologischer und sozialer Messkonzepte. Output Strategisch basierte und unternehmensindividuell angepasste Konzepte zur Messung und damit zur Steuerung der Nachhaltigkeit. Der Internationale Controller Verein befragte in seiner Studie zum Green Controlling die Controller nach den größten Herausforderungen beim Aufbau und bei der Umsetzung ökologischer Controllinglösungen. Mit deutlichem Abstand dominierte hierbei die Messung der Nachhaltigkeit und, daraus folgend, die Schaffung von Transparenz (vgl. Internationaler Controller Verein 2011, S. 25f.). Damit ist auch das Ziel dieses Kapitels beschrieben. Dieses Kapitel schafft die Grundlage zur Operationalisierung der Nachhaltigkeitsstrategie. Zur Umsetzung der Strategie müssen in einzelnen Geschäftsfeldern, bei Produk- <?page no="161"?> 9.1 Nachhaltigkeitsorientiertes Rechnungswesen 161 ten, innerhalb von Wertschöpfungsketten und in einzelnen Betrieben und Produktionsstätten konkrete Maßnahmen zur Steigerung der Nachhaltigkeit ergriffen werden. Die Entscheidung für einzelne Maßnahmen sowie die Beurteilung des Erfolgs setzt eine Messung voraus. Der Unternehmenserfolg wird in den Unternehmen zumeist mit Hilfe finanzieller Kennzahlen ermittelt. Dies können absolute Kennzahlen sein, wie etwa der Jahresüberschuss, der EBIT oder der Cash flow, dies können relative Kennzahlen sein wie der Return on Investment (ROI) oder der Return on Capital Employed (ROCE) oder es werden Wertkonzepte benutzt, wie der Shareholder Value oder der Economic Value Added (EVA ® ). Die hierfür notwendigen Daten stellt das betriebliche Rechnungswesen zur Verfügung, gegebenenfalls ergänzt um Daten aus dem Kapitalmarkt zur Bestimmung des Kalkulationszinssatzes. Ökologische und soziale Nachhaltigkeitsleistungen müssen hingegen gesondert durch ein ergänzendes nachhaltigkeitsorientiertes Rechnungswesen gemessen werden. Genau wie im betrieblichen Rechnungswesen, wo Kosten auf einzelne Produkte, Prozesse und Aktivitäten zugeordnet werden, um ökonomische Entscheidungen zu treffen, sind auch ökologische und soziale Kosten auf einzelne Produkte, Prozesse und Aktivitäten zuzuordnen, um ökologische und soziale Entscheidungen zu treffen. Hierfür steht eine Vielzahl an verschiedenen Instrumenten zur Verfügung, die sich nur schwer überblicken lassen. Ein allseits anerkannter Standard, der von der Mehrheit der Unternehmen in vergleichbarer Form genutzt wird, wie es beispielsweise beim betrieblichen Rechnungswesen der Fall ist, existiert nicht. Dabei ist etwa das Umweltcontrolling keinesfalls neu, sondern hierzu liegen seit den späten 1980er Jahren verschiedene Grundlagenwerke vor, die auch heute noch bedeutsam sind. Die Vielfalt der Konzepte und teils sogar uneinheitlich benutzte Begriffe erschweren ein einheitliches Verständnis und behindern die Transparenz über der Instrumente. Im Folgenden soll eine Auswahl bedeutsamer Instrumente des Nachhaltigkeitscontrollings vorgestellt werden. Zur weiteren Vertiefung sind die Literaturhinweise zu nutzen. Hierdurch werden Nachhaltigkeitsleistungen mess- und steuerbar. Nachhaltigkeitsorientiertes Rechnungswesen Umwelt- und Sozialrechnungswesen Das nachhaltigkeitsorientierte Rechnungswesen lässt sich aufteilen in ein Umweltrechnungswesen und in ein Sozialrechnungswesen, wobei hierfür zumeist der englischsprachige Begriff Social Accounting benutzt wird. <?page no="162"?> 162 9 Nachhaltigkeit messen Das Umweltrechnungswesen ist dabei bekannter und weiter verbreitet als das Social Accounting. Umweltaspekten wird in den Unternehmen allerdings auch schon seit den 1970er/ 1980er Jahren eine zunehmende Bedeutung zugemessen. Die sozialen Aspekte haben hingegen erst in der jüngeren Vergangenheit an Bedeutung gewonnen, jedoch mit rapidem Tempo. Teils sind diese aufgrund ihres oftmals stärker formalen, juristischen Charakters eher der Compliance zugeordnet, wo juristisch geprägte Methoden zur Regeleinhaltung genutzt werden. Insgesamt scheint sich die Bedeutung des Umwelt- und des Sozialrechnungswesens aber zunehmend anzugleichen (vgl. Greiling, Ther 2010, S. 50). Die Begriffe des Umweltrechnungswesens und des Social Accounting werden in der Literatur nicht einheitlich genutzt. Teils werden hiermit einzelne Instrumente bezeichnet, teils sind es Sammelbegriffe für verschiedene Instrumente. Wir wollen diesen ebenfalls als Sammelbegriffe nutzen. Darunter befinden sich verschiedene Instrumente, wie etwa einzelne Kennzahlen mit teils sehr umfangreichen methodischen Grundlagen (z.B. Carbon Footprint, MIPS, BRIX, Sustainable Value,…), Methoden, die einzelne Aspekte vertiefend untersuchen (z.B. Material- und Energieflussrechnung, Produktlinienanalyse,…) bis hin zu umfassenden Konzepten (z.B. Umweltkostenrechnungssystem, Umweltbilanz, Sozialbilanz,…). Umweltrechnungswesen Im Gegensatz zum betrieblichen Rechnungswesen, bei dem Erträge und Kosten gegenübergestellt werden, sind bei der Umwelt nur Kosten zu betrachten, da Eingriffe der Unternehmen im Vergleich zur unberührten Natur in aller Regel negativer Art sind. Das bedeutet nicht automatisch, dass keinerlei Eingriffe erfolgen sollten, da nur so Umweltkosten gänzlich vermieden werden. Dort wo Umweltschäden regeneriert werden können, sind in diesem Umfang auch ohne negative Auswirkungen Eingriffe möglich. Ziel des Umweltrechnungswesens Mit dem Umweltrechnungswesen wird das Ziel verfolgt, vom Unternehmen verursachte Umwelteinwirkungen nach Art und Umfang zu erfassen, ihre Entstehung und Einflussgrößen zu erkennen und sie den erstellten Produkten bzw. den erbrachten Dienstleistungen zuzuordnen. Die hierdurch geschaffene Transparenz ist eine wesentliche Voraussetzung für die Steuerung und Verminderung der Umweltbelastung. Umwelteinwirkungen können dabei keinesfalls immer in Geldeinheiten ausgedrückt werden. Dort wo ein Schaden nicht monetarisiert werden kann, ist dieser in physikalischen Einheiten, wie etwa in Tonnen, Liter oder Mikrogramm zu beziffern. In Geldeinheiten bewertete Umweltkosten sind entweder bereits im betrieblichen Rechnungswesen erfasst oder müssen mit Hilfe geeigneter Methoden in Geldgrößen umgewandelt, also monetarisiert werden. <?page no="163"?> 9.1 Nachhaltigkeitsorientiertes Rechnungswesen 163 Social Accounting Ziel des Social Accounting Die negativen und positiven Auswirkungen des unternehmerischen Handelns auf Mitarbeiter, Geschäftspartner bzw. Stakeholder sowie die Gesellschaft sollen erfasst und ihre Ursachen sollen aufgedeckt werden. Die Bewertung einer negativen oder positiven sozialen Auswirkung ist häufig normativ und setzt daher einen Dialog mit den Stakeholdern voraus. Das Social Accounting schafft für die Zielfindung die notwendige Transparenz, erleichtert die Auswahl geeigneter Maßnahmen und ermöglicht die Erfolgskontrolle. Der bekannte „Plan-Do-Check-Act-Zyklus“ erhält also seine notwendige Datengrundlage: Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Performance werden geplant, umgesetzt, überprüft und anschließend werden bei Bedarf Anpassungen vorgenommen. Rechnungswesen erfordert eine Quantifizierung Ökologische und soziale Kosten, die im betrieblichen Rechnungswesen bereits erfasst werden, können häufig mit einem geringen Aufwand auch als ökologische und soziale Kosten identifiziert werden. Dies sind beispielsweise Kosten durch Umweltschutzmaßnahmen, durch Fürsorgemaßnahmen für die Mitarbeiter, Umwelt- und Sozialabgaben oder Erstattungszahlungen für verursachte Schäden. Schwieriger ist es hingegen, Schäden zu bewerten, die im Rechnungswesen nicht erfasst wurden und für die keine finanziellen Daten vorliegen. Falls eine direkte Bewertung von Schäden nicht möglich ist, können mit Hilfe verschiedener Methoden diese Kosten geschätztwerden: Kosten, die zur Beseitigung bzw. zur Reparatur der Schäden anfallen würden. Kosten, die zur Vermeidung des Schadens anfallen würden (z.B. Kosten einer Kläranlage, eines Emissionsfilters). Kosten, die ein Geschädigter als faire Kompensation akzeptieren würde. <?page no="164"?> 164 9 Nachhaltigkeit messen Nicht selten verbleibt dennoch eine Unsicherheit in der Bewertung der Schäden. Dies führt dann dazu, dass recht große Preisspannen genannt werden (vgl. Nertinger 2014, S. 124). Noch größer ist die Unsicherheit in der Bewertung bei nur teilweise bekannten oder gar nur vermuteten Auswirkungen. So lässt sich schwerlich der ökonomische Schaden beziffern, der durch das Artensterben entsteht. Ganz davon zu schweigen, ob es moralisch vertretbar ist, ein Leben in Geldeinheiten auszudrücken. Ebenfalls fällt eine Bezifferung des Schadens schwer, wenn eine Vielzahl an Verursachern, Unternehmen und Konsumenten daran beteiligt sind. Welche konkreten Schäden entstehen beispielsweise durch eine zu hohe Feinstaubbelastung und wie werden diese Schäden einzelnen Unternehmen zugeordnet? Diese Unsicherheiten beeinträchtigen die praktische Umsetzung des Nachhaltigkeitscontrollings. Trotz der zahlreich auftretenden Unsicherheiten bei der Bewertung der positiven und negativen externen Effekte lässt sich zumeist eine Tendenz aufzeigen, wie groß die wahren Kosten und Erträge in etwa sind. Neben einigen unsicheren Faktoren wird es immer auch solche geben, die sich zuverlässig bestimmen lassen. Somit kann das aus dem betrieblichen Rechnungswesen resultierende ökonomische Ergebnis, der Gewinn, schrittweise um die internalisierten externen Effekte korrigiert werden, bis schließlich das tatsächliche Ergebnis übrig bleibt. Die positiven externen Effekte werden sukzessive addiert, die negativen subtrahiert. Abb. 9.1: Internalisierung externer Effekte (eigene Darstellung in Anlehnung an KPMG International 2014, S. 61) <?page no="165"?> 9.1 Nachhaltigkeitsorientiertes Rechnungswesen 165 Folgende Instrumente bzw. Konzepte werden im weiteren Verlauf (ab Kapitel 9.2) vorgestellt: 9.2 Umweltrechnungswesen 9.2.1 Traditionelle Umweltkostenrechnung - Umweltkostenrechnung auf Vollkostenbasis - Umweltkostenrechnung auf Teilkostenbasis 9.2.2 Prozessorientierte Umweltkostenrechnung - Energie- und Materialstromanalyse - Materialflusskostenrechnung (ISO 14051) 9.2.3 Umweltkostenrechnung unter Einbezug externer Kosten - Stoff- und Energiebilanzen - Ökobilanz - Ökologische Gewinn- und Verlustrechnung - Ökoeffizienzanalyse (ISO 14045) - Ökologischer Fußabdruck und Carbon Footprint - MIPS (Materialinput pro Serviceeinheit) - Öko-Kennzahlen 9.3 Social Accounting 9.3.2 Wertschöpfungsrechnung 9.3.3 Sozialindikatoren 9.3.4 Social Audit 9.3.5 Soziale Wirkungsanalyse Das Umweltrechnungswesen lässt sich in drei Bereiche unterteilen: in eine traditionelle Umweltkostenrechnung (9.2.1), bei der Kostenarten, Kostenstellen und die Zuordnung von Kosten auf Produkte betrachtet werden. Dieses Rechenwerk orientiert sich stark an der betriebswirtschaftlichen Kosten- und Leistungsrechnung. Der prozessorientierten Umweltkostenrechnung (9.2.2) liegen die Energie- und Materialströme zugrunde, die entlang der Wertschöpfungskette prozessförmig auftreten. Diese ersten beiden Rechenwerke betrachten unternehmensintern anfallende Kosten. <?page no="166"?> 166 9 Nachhaltigkeit messen Die Umweltkostenrechnung unter Einbezug externer Kosten (9.2.3) löst die Unternehmensgrenzen auf und erfasst die kompletten Kosten, intern und extern, die durch die betriebliche Leistungserstellung verursacht werden. Der Prozess kann somit von der Rohstoffgewinnung bis zum Recycling reichen. Im Social Accounting werden vier Rechenwerke vorgestellt. Die Wertschöpfungsrechnung (9.3.2) ermittelt auf Basis des bestehenden betriebswirtschaftlichen Rechnungswesens die monetären sozialen Auswirkungen. Mit Hilfe von Sozialindikatoren (9.3.3) sollen sämtliche relevante soziale Aspekte erfasst, gemessen und dokumentiert werden. Im Social Audit (9.3.4) erfolgt eine strukturierte Überprüfung, ob Standards und Regeln eingehalten werden. Die soziale Wirkungsanalyse (9.3.5) erfasst nicht nur einzelne Faktoren, sondern versucht systematisch zu erkunden, wie sich diese tatsächlich aufdie Ziele auswirken. Umwelt- und Sozialinformationssysteme Die im nachhaltigkeitsorientierten Rechnungswesen gewonnenen Informationen müssen in strukturierter Form gespeichert und für eine weitere Verarbeitung zur Verfügung gestellt werden. Hierfür ist ein Umweltbzw. Sozialinformationssystem zu errichten, wobei in der Praxis vor allem Umweltinformationssysteme etabliert sind. Zur Abgrenzung von staatlichen Umweltinformationssystemen, welche die Information der Bürger zum Ziel haben, werden Umweltinformationssysteme in Unternehmen oftmals als „Betriebliche Umweltinformationssysteme“ bezeichnet. Mit Hilfe eines Umweltbzw. Sozialinformationssystems werden die für das Unternehmen relevanten Umweltbzw. Sozialdaten systematisch erfasst, verarbeitet und bereitgestellt. Dies können sowohl physikalische als auch monetäre Daten sein. Die Datenverfügbarkeit und eine hohe Transparenz über die Auswirkungen des unternehmerischen Handelns auf Umwelt und Stakeholder ist eine wesentliche Grundlage für die Steuerung der Nachhaltigkeit. Die Daten des Nachhaltigkeitsrechnungswesens müssen daher in einem Informationssystem strukturiert zur Verfügung gestellt werden. Umfang und Auswahl der Daten eines Umwelt- und Sozialinformationssystems ergeben sich: [a] aus der Wesentlichkeitsanalyse, [b] aus den Anforderungen des Nachhaltigkeitsberichts, [c] aus den Informationserfordernissen der benutzten Nachhaltigkeitsinstrumente, wie beispielsweise einer Ökobilanz oder einer Energieflussrechnung und [d] aus den rechtlichen Anforderungen, wie etwa zum Umgang mit Gefahrstoffen oder zur Einhaltung von Grenzwerten für Emissionen. Die praktische Umsetzung kann sowohl mit einem Tabellenkalkulationsprogramm (z.B. Excel) als auch mit speziellen Softwarelösungen erfolgen. Insbesondere in grö- <?page no="167"?> 9.1 Nachhaltigkeitsorientiertes Rechnungswesen 167 ßeren, produzierenden Unternehmen ist eine geeignete Softwareunterstützung notwendig, da hierbei die Produktionsprozesse mit ihren vielfältigen Energie- und Materialströmen abgebildet bzw. modelliert werden. Ebenso können hiermit die spezifischen Informationsbedürfnisse einzelner Entscheidungsträger gezielt berücksichtigt werden. Zuverlässige und zeitnahe Informationen steigern die Akzeptanz und die Bereitschaft, diese Informationen in Entscheidungen einfließen zu lassen. Die gegenseitige Abhängigkeit zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Faktoren macht es notwendig, das Umwelt- und Sozialinformationssystem nicht als Insellösung zu führen, sondern mit dem ökonomischen Informationssystem, also den Daten aus dem bestehenden Controlling, zu verknüpfen. Hierdurch ergibt sich ein integriertes betriebliches Informationssystem. Es können Aussagen etwa dazu getätigt werden, ob die Kosten einer ökologischen Maßnahme wirtschaftlich vertretbar sind oder ob sich der Verzicht schädigender Stoffe positiv auf den Gesundheitszustand der Mitarbeiter auswirkt. Diese Daten dienen also nicht nur der Dokumentation, sondern auch der Planung und Beurteilung verschiedener Szenarien (vgl. Schaltegger u.a. 2007, S. 79). Ein näherer Blick auf die bedeutenden Softwareanbieter im Nachhaltigkeitsmanagement erfolgt in Kapitel 13. Typen von Nachhaltigkeitsindikatoren Ökonomische, ökologische und soziale Erfolge sind durch geeignete Indikatoren bzw. Kennzahlen zu messen. Generell sind Indikatoren geeignet, wenn sie eine Änderung der eigentlichen Zielgröße zuverlässig anzeigen. Der wirtschaftliche Erfolg wird etwa gleichgesetzt mit der Höhe des Gewinns oder der Kapitalrendite, der ökologische Erfolg wird mit einer Verringerung der Emissionen oder einer Erhöhung der Recyclingquote gemessen und der soziale Erfolg wird mit einer Verringerung der Fluktuationsrate oder durch eine geringe Beschwerdequote ermittelt. Diese Erfolgsgrößen haben also einen „Impact“ auf die tatsächliche Nachhaltigkeitsleistung des Unternehmens. Die Nutzung geeigneter Indikatoren hat verschiedene Vorteile: Es können beispielsweise Kennzahlen ausgewählt werden, die einen zeitlichen Vorteil bieten. Diese zeigen eine Änderung an, bevor sie in der Zielgröße ersichtlich wird. Andererseits sind Kennzahlen oftmals transparenter, weil die Zielgröße selber nur schwer messbar ist. So wird beispielsweise der Auftragseingang als Frühindikator für die Umsatzentwicklung genutzt und die Entwicklung der Wiederholungskäufe ist ein gut messbarer Indikator für die Kundenzufriedenheit. Indikatoren entlang der Wertschöpfungskette Um unternehmensweit relevante Indikatoren für die Nachhaltigkeit zu entdecken, bietet sich eine Analyse der Wertschöpfungskette an. Die Wertschöpfungskette umfasst alle unternehmensinternen Prozessschritte der Produktion bzw. der Dienstleistungserstellung. Entlang dieser können strukturiert nachhaltigkeitsrelevante <?page no="168"?> 168 9 Nachhaltigkeit messen Themen entdeckt werden. Neben den Primäraktivitäten, in nachfolgender Abbildung vertikal dargestellt, sind auch unterstützende Aktivitäten, horizontal dargestellt, enthalten. Eine Erweiterung dieser unternehmensinternen Perspektive um vor- und nachgelagerte Produktionsstufen, um die Nutzungsphase des Produktes bis hin zu Entsorgung und Recycling, ist ebenso möglich. Insbesondere beim Cradle-to-Cradle- Ansatz reicht eine Beschränkung auf die eigene Wertschöpfung nicht aus. Folgende Abbildung zeigt Beispiele für nachhaltigkeitsrelevante Aspekte innerhalb der betrieblichen Wertschöpfungskette. Abb. 9.2: Identifizierung von Nachhaltigkeitsthemen entlang der Wertschöpfungskette (Quelle: in Anlehnung an Ries, Wehrum 2011, S. 29) Um die Vielfalt der Nachhaltigkeitskennzahlen zu ordnen, werden bedeutsame Kriterien aufgezeigt, nach denen sich Kennzahlen unterscheidenlassen. Differenzierung nach der Position in der Wertschöpfungskette Ergebniskennzahlen <?page no="169"?> 9.1 Nachhaltigkeitsorientiertes Rechnungswesen 169 Gemessen werden hierbei die konkreten Ziele, wie etwa der Gewinn, der CO 2 - Ausstoß oder die Anzahl der Arbeitsunfälle. Leistungstreiber Es werden Größen gemessen, die das Ergebnis maßgeblich beeinflussen. Bei diesen Faktoren wurde also ein enger Wirkungszusammenhang zu den Nachhaltigkeitszielen festgestellt. Die Leistungstreiber lassen sich oftmals in einem iterativen Prozess finden, wenn wiederholt festgestellt wird, dass sich diese und die Ergebnisgrößen synchron verhalten. Konzeptionell lässt sich dies aber auch durch eine Systemmodellierung feststellen. Leistungstreiber sind etwa die Produktivität, die Energieeffizienz bei energieintensiver Produktion, die Reputation bei den Kunden, die Weiterbildungsbereitschaft der Mitarbeiter, eine hohe Marge bei nachhaltigen Produkten und flexible Prozesse. Inputkennzahlen Auch bereits auf der Inputseite können nachhaltige Ziele verfolgt werden. Hierbei werden die eingesetzten Ressourcen gemessen. Diese sind oftmals besser erfassbar als die später im Wertschöpfungsprozess anfallenden Größen. Mittlerweile existieren auch Konzepte zur Steuerung der ökologischen Nachhaltigkeit, die ausschließlich die Ressourcen erfassen. Dies gilt beispielsweise für das MIPS-Konzept, bei der der Materialinput je Serviceeinheit ermittelt wird. Dies können im ökologischen Bereich die eingesetzten Rohstoffe, der Input an Energie oder auch der Anteil recycelter Rohstoffe, der Umfang eingesetzter regenerativer Energien oder die Anzahl biologisch hergestellter Vorprodukte sein. Im sozialen Bereich sind hier beispielsweise der Anteil fair gehandelter Rohstoffe, der Anteil der nach SA8000 zertifizierten Lieferanten, die Ausgaben für den betrieblichen Gesundheitsschutz oder der Umfang geförderter sozialer Projekte zu nennen. <?page no="170"?> 170 9 Nachhaltigkeit messen Differenzierung nach der Form der Bewertung Des Weiteren können Kennzahlen danach differenziert werden, wie die Bewertung vorgenommen wird: I. qualitativ (z.B. Ausmaß der Akzeptanz der Verschmutzung durch Anwohner, technischer Stand der Umweltschutzmaßnahmen, Erfüllung der Anforderungen der Stakeholder, faire Behandlung der Lieferanten) II. quantitativ - naturwissenschaftlich (z.B. Lärmbelastung in Dezibel, Feinstaubbelastung in μg/ m 3 , CO 2 -Ausstoß in Tonnen, Krankheitstage) III. quantitativ - monetär (z.B. Entsorgungskosten, Entschädigungszahlungen, Kosten für Verschmutzungsrechte, Kosten fürWeiterbildungsmaßnahmen) Ob ökologische und soziale Effekte in Geldeinheiten bewertet werden sollen, ist nach verschiedenen Kriterien abzuwägen: Vorteile einer Monetarisierung Nachteile einer Monetarisierung konsequentes Hinterfragen der Auswirkungen, genaue und verbindliche Daten werden eingefordert teils ist dies methodisch nicht möglich und täuscht nur eine Scheingenauigkeit vor Konsequenzen verschiedener Maßnahmen sind besser miteinander vergleichbar Glaubwürdigkeit leidet, wenn Werte beliebig oder gar manipuliert erscheinen Verknüpfung mit dem betrieblichen Rechnungswesen, damit Nutzung vorhandener Tools, Methoden und IT-Werkzeuge widerspricht einer „starken Nachhaltigkeit“, wenn sich Schäden nicht gegenseitig aufrechnen lassen einfachere Integration in das bestehende Controlling und Steuerungssystem stärkere Wahrnehmung durch das Management Tabelle 9.1: Vor- und Nachteile einer Monetarisierung Insbesondere von den Anhängern einer starken Nachhaltigkeit wird empfohlen, auf eine Monetarisierung ökologischer und sozialer Effekte zu verzichten, wenn diese nicht zweifelsfrei ermittelt werden können. Bei einer starken Nachhaltigkeit sind verschiedene ökologische und soziale Auswirkungen nicht substituierbar. Erfolg und Misserfolg können nicht gegeneinander aufgerechnet werden. Innerhalb der ökologischen Dimension kann etwa ein erhöhter CO 2 -Ausstoß nicht mit einer Verringerung der Abwassermenge aufgewogen werden. Zwischen der ökologischen und der ökonomischen Dimension kann ebenfalls ein erhöhter CO 2 -Ausstoß nicht damit <?page no="171"?> 9.2 Umweltrechnungswesen 171 gerechtfertigt werden, dass die Wertschöpfung noch stärker angestiegen sei. Ebenso wenig entschädigt eine geringere Fluktuationsrate für die Verletzung von Sozialstandards bei Lieferanten. Wenn jedes Einzelziel erreicht werden muss, ist eine gegenseitige Aufrechnung nicht angebracht und damit ist eine Bewertung in Geldeinheiten weder notwendig noch angebracht. Im Sinne einer schwachen Nachhaltigkeit ist eine Aufrechnung hingegen grundsätzlich möglich. Hierfür ist eine Bewertung in Geldeinheiten notwendig, wenn die Auswirkungen verschiedener Maßnahmen nicht in der gleichen physikalischen Einheit gemessen werden. So kann die Abwassermenge nicht direkt mit der Feinstaubemission verrechnet werden. Werden beide Schädigungen zuvor aber in Geldeinheiten umgewandelt, können sie auch miteinander verrechnet werden. Differenzierung nach der Planungsebene Nach der Planungsebene lassen sich strategische Kennzahlen (z.B. Marktanteil grüner Produkte, Umfang der am Unternehmen beteiligten Nachhaltigkeitsfonds) operative Kennzahlen (z.B. Wasserverbrauch je Produkteinheit, Energieverbrauch) unterscheiden. Umweltrechnungswesen Im Folgenden werden verschiedene Konzepte zur Messung der ökologischen Nachhaltigkeit vorgestellt und bewertet. Erschwerend zu der großen Vielfalt an Methoden kommt hinzu, dass in der Literatur wie auch in der Praxis hierfür teilweise unterschiedliche Begrifflichkeiten benutzt werden. Ein einheitliches, allgemein anerkanntes Ordnungsraster, nach dem die verschiedenen Methoden strukturiert und eindeutig voneinander abgegrenzt werden können, liegt ebenso wenig vor. Dieses Feld operativer Umweltkenngrößen ist also recht intransparent, wodurch der Zugang erschwert wird. Nachdem ursprünglich die Umweltkosten durch einzelne, von der bestehenden Kostenrechnung losgelöste Rechenwerke ermittelt wurden, fand später eine Annäherung an die bestehenden Kostenrechnungssysteme statt. Umweltkosten wurden erst in Form einer Vollkostenrechnung, später vermehrt als Teilkostenrechnung ermittelt. Wie bei den betriebswirtschaftlichen Kosten wurde auch bei den Umweltkosten eine allmähliche Verlagerung von Einzelkosten hin zu Gemeinkosten beobachtet. Mit zunehmender Bedeutung der Gemeinkosten erwies sich die traditionelle Voll- und Teilkostenrechnung als weniger geeignet. Die Umweltkostenrechnung richtete sich daher verstärkt an der Prozesskostenrechnung aus. Die Umweltkosten wurden damit vermehrt entlang der Wertschöpfungskette erfasst, wodurch einzelne Glieder der Wertschöpfungskette gesteuert werden können. Grundlage sind hierbei Kosten, die im Unternehmen als solche bereits erfasst werden. Wird die gesamte Wertschöp- <?page no="172"?> 172 9 Nachhaltigkeit messen fungskette unter Einbezug der Lieferanten betrachtet, können auch die internen Kosten der Lieferanten einbezogen werden. Daneben existieren Ansätze, die auch die externen Kosten in das Kostenrechnungssystem einbeziehen. Diese Kosten finden sich im herkömmlichen Rechnungswesen nicht. Die Schwierigkeit, externe Effekte in Geldeinheiten auszudrücken, führt dazu, dass diese Rechensysteme teils auf eine einheitliche monetäre Darstellungverzichten. Insgesamt erweist es sich auch hier als schwierig, einzelne Rechenwerke eindeutig einer Kategorie zuzuordnen, da diese teilweise in unterschiedlicher Ausprägung vorliegen. Dennoch kann folgende Tabelle als Strukturierungshilfe für die vielfältigen Rechenwerke genutzt werden. Im Rahmen dieses Buches wird allerdings nur auf einzelne Methoden der Umweltkostenrechnung eingegangen. 9.2 Umweltrechnungswesen Umweltkostenrechnung auf Basis interner Kosten 9.2.3 Umweltkostenrechnung unter Einbezug externer Kosten 9.2.1 Traditionelle Umweltkostenrechnung 9.2.2 Prozessorientierte Umweltkostenrechnung Umweltkostenrechnung auf Vollkostenbasis Energie- und Materialstromanalyse Stoff- und Energiebilanzen Ökobilanz Umweltkostenrechnung Materialflusskostenrech- Ökologische Gewinn- Teilkostenbasis nung (ISO 14051) Verlustrechnung Ökoeffizienzanalyse (ISO 14045) Ökologischer Fußabdruck und CarbonFootprint MIPS (Materialinput pro Serviceeinheit) Öko-Kennzahlen Tabelle 9.2: Übersicht über die Arten der Umweltkostenrechnung (Quelle: in Anlehnung an Nertinger 2015, S. 111) Im Folgenden sei auf einige bedeutsame Werke des Umweltcontrollings bzw. der Umweltkostenrechnung verwiesen, die für eine vertiefte Lektüre empfohlen werden: Bundesumweltministerium / Umweltbundesamt (Hrsg.): Handbuch Umweltkostenrechnung, München 1996. Bundesumweltministerium / Umweltbundesamt (Hrsg.): Handbuch Umweltcontrolling, 2. Auflage, München 2000. <?page no="173"?> 9.2 Umweltrechnungswesen 173 Fichter, K./ Loew, T./ Seidel, E.: Betriebliche Umweltkostenrechnung: Methoden und praxisgerechte Weiterentwicklung, Berlin/ Heidelberg 1997. Günther, E.: Ökologieorientiertes Controlling, München 1994. Letmathe, P.: Umweltbezogene Kostenrechnung, München 1998. Loew, T. u.a.: Ansätze der Umweltkostenrechnung im Vergleich, Forschungsbericht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Berlin 2003, online verfügbar: https: / / www.umweltbundesamt.de/ sites/ default/ files/ medien/ publikation/ long/ 2428.pdf Traditionelle Umweltkostenrechnung Das betriebliche Rechnungswesen, insbesondere die Kosten- und Leistungsrechnung, sind in der Praxis das bedeutsamste Informationsinstrument und für das Controlling und die Unternehmensführung unverzichtbar. Ziel ist dabei, über die wirtschaftliche Konstitution des Unternehmens Transparenz zu verschaffen. Umfangreiche nationale und auch internationale Regelwerke bestimmen, was im Sinne des Rechnungswesens ein wirtschaftlicher Erfolg ist und wie dieser zu ermitteln ist. Diese Regelwerke legen fest, welche Erträge und Kosten im Unternehmen als solche erfasst werden und beeinflussen damit direkt unternehmerische Entscheidungen. Andererseits werden im Rechnungswesen manche Kosten nicht als solche erfasst, obwohl sie vom Unternehmen verursacht werden. Es handelt sich hierbei um externe Kosten. Die Kosten solcher negativen externen Effekte, beispielsweise die Krankheitskosten, die durch Giftstoffe in der Produktion oder durch Feinstaubbelastung entstanden sind, tragen Mitarbeiter oder Anwohner oder sie werden von der Versichertengemeinschaft bzw. vom Staat getragen. Würden die Rechnungslegungsvorschriften hingegen vorsehen, dass solche Kosten im Unternehmen erfasst werden müssen, würden diese den wirtschaftlichen Erfolg verringern. Zur Begrenzung dieser Kosten würden sich nun beispielsweise Investitionen in Umweltschutzmaßnahmen lohnen, die sich zuvor nicht gerechnet haben. Die Vorgaben des Rechnungswesens haben also einen direkten Einfluss auf die Wahrnehmung der Nachhaltigkeit und somit auch auf die Intensität des nachhaltigen Handelns im Unternehmen. Da das Rechnungswesen aus ökonomischer Sicht als überaus sinnvoll angesehen wird, kann ein nachhaltigkeitsorientiertes Rechnungswesen oder ein ökologisches Rechnungswesen bzw. eine Umweltkostenrechnung dieses nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Es wäre wenig sinnvoll, das bestehende Rechnungswesen durch ein neues, nachhaltig ausgerichtetes Regelwerk ersetzen zu wollen oder ein Parallelsystem zu errichten, das ausschließlich von Nachhaltigkeitsexperten verstanden und genutzt wird, bei den alltäglichen unternehmerischen Entscheidungen aber allenfalls punktuell Beachtung findet. Die bestehenden Systeme sind daher um die Anforderungen der Nachhaltigkeit zu erweitern, anstatt dass Satelliten- oder Parallelsysteme errichtet werden (vgl. Schaltegger (2013), S. 290). <?page no="174"?> 174 9 Nachhaltigkeit messen Umweltkostenrechnung auf Vollkostenbasis Zur grundlegenden Strukturierung der Umweltkostenrechnung erweist sich eine Anlehnung an die herkömmliche Kosten- und Leistungsrechnung als sinnvoll. Hierbei werden in der Vollkostenrechnung drei Rechnungen unterschieden. In der ersten, der Kostenartenrechnung, werden sämtliche relevante Kostenarten erfasst. Gleichfalls sind im ökologischen Bereich sämtliche Umweltkosten zu erfassen. Kostenartenrechnung Umweltkostenartenrechnung Einzelkosten können direkt den Produkten zugeordnet werden, für die sie entstanden sind. Gemeinkosten sind allgemein angefallen und können nicht bzw. nicht genau auf einzelne Produkte zugerechnet werden. Sie werden daher auf die Umweltkostenstellen verteilt, um den Ort ihrer Entstehung zu erfassen. Die Umweltkostenstellen müssen dabei keinesfalls deckungsgleich mit den bestehenden Kostenstellen sein, sondern sie können je nach Notwendigkeit gesondert hinzugefügtwerden. Kostenstellenrechnung Umweltkostenstellenrechnung Zur Ermittlung der Kosten, die für die Herstellung eines Produktes entstehen, müssen zu den Einzelkosten auch die Gemeinkosten hinzuaddiert werden. Dies erfolgt mit Hilfe eines angemessenen Verteilschlüssels, der die Kosten aus den Kostenstellen den Produkten (Kostenträger) zuordnet. Je umfangreicher eine Kostenstelle von einem Produkt in Anspruch genommen wird, desto größer ist der Anteil der Kosten, die diesem Produkt aus der Kostenstelle zugerechnet werden. Um die Umweltbelastung eines Produktes zu ermitteln, müssen daher neben den direkt zuordenbaren Schäden auch die indirekt verursachten Schäden (beispielsweise verursacht durch die Beheizung der Gebäude oder PKW-Fahrten des Vertriebs) nach einem möglichst verursachungsgerechten Verteilschlüssel zugeordnet werden. Kostenträgerrechnung Umweltkostenträgerrechnung Ein solch strukturiertes Vorgehen, in dem sämtliche Umweltschäden erfasst, auf verursachende Stellen verteilt und den Produkten zugeordnet werden, geht deutlich über eine reine Betrachtung von Umweltschutzkosten innerhalb des bestehenden Rechnungswesens hinaus. Hierbei würden nur solche ökologischen Kosten betrachtet (z.B. Umweltabgaben, Investitionen in Umweltschutzmaßnahmen, Entschädigungszahlungen, ...), wie sie auch gemäß den vorherrschenden Rechnungslegungsvorschriften erfasst werden (vgl. Schaltegger, Sturm 2000, S. 135ff.). Es interessieren also keinesfalls nur die Kosten der Umweltschutzmaßnahmen, sondern alle Kosten und Erträge, die durch die Nutzung der Umwelt als Ressourcenlieferant und als Aufnahmemedium für Abfälle und Emissionen, verursacht werden. Aus einer solch umfassenden Umweltkostenrechnung werden folgende Erkenntnisse gewonnen: Transparenz über sämtliche Arten verursachter und im Unternehmen erfasster Schäden <?page no="175"?> 9.2 Umweltrechnungswesen 175 Kenntnis, welche Organisationseinheiten für die Schäden verantwortlich sind Klärung, welche Produkte für die Schäden ursächlich sind Kenntnis der insgesamt für ein Produkt entstandenen Schäden Mit der Umweltkostenrechnung auf Vollkostenbasis wird vor allem das Ziel verfolgt, die Kosten der Umweltkostenstellen zu steuern und zu kontrollieren sowie die Umweltkosten der Kostenträger, also der Produkte, zu erfassen. Abb. 9.3: Traditionelles Umweltkostenrechnungssystem auf Vollkostenbasis Auch mit Hilfe einer Ökobilanz wird das Ziel verfolgt, die durch ein Produkt verursachten Schäden zu ermitteln. Das ökologische Rechnungswesen kann somit als Ergebnis eine Ökobilanz beinhalten, geht aber über die reine Ermittlung dieser Schäden hinaus und strukturiert die Erfassung und Verarbeitung der Daten in Anlehnung an das ökonomische Rechnungswesen. Im Gegensatz zur Ökobilanz, die produkt- oder betriebsbezogen erstellt wird, werden in der Umweltkostenrechnung sämtliche Produkte vor dem Hintergrund des gesamten Unternehmens betrachtet. Dies erlaubt nicht nur eine Zuordnung der direkt vom Produkt verursachten Schäden, sondern auch eine systematische Verteilung der nur indirekt entstandenen Schäden auf die Produkte. Hierdurch wird zugleich die organisatorische Verantwortung für die Umweltschäden aufgezeigt. <?page no="176"?> 176 9 Nachhaltigkeit messen Die Erweiterung des Rechnungswesens um ökologisch relevante Größen kann nun direkt unternehmerische Entscheidungen verändern. Beispiel Eine Umweltschutzmaßnahme wurde bisher aus Kostengründen nicht ergriffen. Durch das ökologische Rechnungswesen werden die kompletten Einsparungen ökologischer Kosten ermittelt, die den Investitionskosten gegenübergestellt werden. Hierdurch kann sich die Investition nun insgesamt lohnen, da die Investition in den Umweltschutz die Gesamtkosten verringert. Die Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung liegen weiterhin darin, die Umweltkosten überhaupt zu erkennen, sie strukturiert zu erfassen und sie schließlich zu quantifizieren. Erst wenn sie zuverlässig erfasst und auf die Produkte zugerechnet werden können, beeinflussen sie die unternehmerischen Entscheidungen. Die systematische Erfassung der Umweltkosten entfaltet eine umweltbezogene Lenkungswirkung. Es erfolgt unter Umweltgesichtspunkten eine veränderte Produktionsweise, Produkte werden anders gestaltet oder vom Markt genommen und die Sortimentspolitik wird neu ausgerichtet (vgl. Burschel, Loosen, Wiendl 2004, S. 471). Das ökologische Rechnungswesen soll dabei keinesfalls wie das betriebliche Rechnungswesen als ein grundsätzlich in Geldeinheiten ausgedrücktes Zahlenwerk verstanden werden. Dort wo eine Monetarisierung nur sehr schwer möglich ist, sollte zur Wahrung der Glaubwürdigkeit auch darauf verzichtet werden. Hier sind dann eben technische bzw. naturwissenschaftliche Maßeinheiten anzusetzen, um die Schadstoff- und Abfallmengen zu erfassen. Um der Umweltkostenrechnung eine vergleichbare Glaubwürdigkeit zu verleihen wie dem ökonomischen Rechnungswesen, bedarf es auch vergleichbarer, ökologiebezogener Rechnungslegungsvorschriften. Die Einhaltung dieser Vorschriften kann durch den Staat oder durch unabhängige Treuhänder überprüft werden. Kunden, Geschäftspartner und die Öffentlichkeit können den Daten somit vertrauen und die Principal-Agent-Problematik zwischen Unternehmen und Stakeholdern wird behoben. Durch die gesteigerte Glaubwürdigkeit lohnt es sich für Unternehmen, das ökologische Rechnungswesen auszubauen und damit die ökologischen Entscheidungen zu fundieren (vgl. Schaltegger, Sturm 2000, S. 195). Umweltkostenrechnung auf Teilkostenbasis Bei der Teilkostenrechnung werden fixe und variable Kostenbestandteile strikt voneinander getrennt. Da fixe Kosten unabhängig von der produzierten Menge anfallen, sind sie für kurzfristige Entscheidungen nicht relevant. Dies gilt genauso für fixe und variable Umweltkosten. Periodische Abschreibungen auf Umweltschutzinvestitionen haben für kurzfristige Entscheidungen keine Relevanz, da sie kurzfristig eben unveränderlich sind. Ergänzend zur Vollkostenrechnung werden in der Teilkostenrechnung die Umweltgemeinkosten danach unterschieden, ob sie fix oder variabel sind. Die Umwelteinzel- <?page no="177"?> 9.2 Umweltrechnungswesen 177 kosten sind hingegen grundsätzlich variabel. Damit fließen die Umwelteinzelkosten und die variablen Umweltgemeinkosten in die Entscheidungen ein. Häufig sind die fixen Umweltkosten deutlich größer als die variablen Umweltkosten. Hier wäre im Sinne einer mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung zu empfehlen, die Fixkosten nicht als ein Kostenblock zu betrachten, sondern auch diesen zu differenzieren. So kann es etwa fixe Umweltkosten geben, die einer Produktgruppe oder einem Geschäftsfeld zugerechnet werden können, andere können hingegen nur dem Unternehmen insgesamt zugerechnet werden. Durch diese verursachungsgerechte Berücksichtigung der fixen Umweltkosten können umweltbezogene Aussagen zu einzelnen Produkten, zu Produktgruppen, Geschäftsfeldern oder für das ganze Unternehmen getroffen werden. Es ist eine deutlich differenziertere Beurteilung möglich als bei einer einstufigen Deckungsbeitragsrechnung (vgl. Burschel, Loosen, Wiendl 2004, S. 475f.). Beurteilung der traditionellen Umweltkostenrechnung: Die Umweltkostenrechnung baut auf der Kosten- und Leistungsrechnung auf, differenziert aber die Kostenarten und die Kostenstellen nach ihrer ökologischen Relevanz. Die Abgrenzung der Umweltkosten und die Zuordnung auf die Umweltkostenstellen lassen sich oftmals nur unter Schwierigkeiten bewerkstelligen. Als Ergebnis wird aber eine hohe Transparenz über die Höhe und Struktur der Umweltkosten gewonnen. Allein diese Erkenntnis kann schon zu gewichtigen Optimierungen und Einsparungen führen. Andererseits wird bei der Umweltkostenrechnung die Umwelt nur als Kostenfaktor betrachtet, wodurch ein häufig gehörtes pauschales Vorurteil, dass Umweltschutz halt was koste und man sich den Umweltschutz doch erst leisten können müsse, gefestigt wird. Bei der Kostenbetrachtung treten mögliche Vorteile für das Unternehmen weniger deutlich auf. Konsequenz dieser eingeschränkten Betrachtung war unter anderem eine zeitliche Erweiterung. Werden die Umweltkosten nicht nur auf Monate, ein Quartal oder ein Jahr bezogen, sondern über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg, dann sind temporär höhere Kosten, etwa durch die Investition mit späteren Einsparungen, beispielsweise durch geringere Energiekosten oder durch einen größeren Markterfolg, abzugleichen. Später wurde die Umweltkostenrechnung vermehrt prozessorientiert entwickelt, wie nachfolgend zu sehen sein wird (vgl. Burschel, Loosen, Wiendl 2004, S. 476f.). Prozessorientierte Umweltkostenrechnung Der prozessorientierten Umweltkostenrechnung liegen die physikalischen Energie- und Materialströme zugrunde, die analysiert und bewertet werden. Hierdurch können im ökonomischen und im ökologischen Sinne Verbesserungen entdeckt und deren Umsetzung kann gesteuert werden. Ausgangs sind daher die Energie- und Materialströme zu analysieren. <?page no="178"?> 178 9 Nachhaltigkeit messen Energie- und Materialstromanalyse Ökologische Auswirkungen ergeben sich durch den Einsatz von Material in Form von Rohstoffen oder Vorprodukten sowie durch den Einsatz von Energie. Das Verständnis, wo, welches und wie viel Material eingesetzt wird und wo in welchem Umfang welche Energie verbraucht wird, stellt daher die Grundlage für eine Steuerung dieser Verbräuche dar. Die Analyse der Energie- und Materialströme verschafft die Transparenz, um die Notwendigkeit von Maßnahmen zu erkennen, diese zu priorisieren und den Erfolg zu kontrollieren. Beschränkt sich die Ermittlung der Energie- und Materialströme nicht auf eine einmalige Analyse, sondern wird diese regelmäßig und systematisch durchgeführt, wird dieses zu einem Instrument des ökologischen Rechnungswesens. Energie- und Materialströme können somit detailliert geplant werden, der Erfolg ergriffener Maßnahmen kann kontrolliert werden, bei Abweichungen kann steuernd eingegriffen werden und die Daten können in den Nachhaltigkeitsbericht überführt werden. In diesem Falle wird dann nicht mehr nur von einer Analyse, sondern von einer Material- und Energieflussrechnung gesprochen, die im folgenden Abschnitt vorgestellt wird. Das Management dieser Daten erfolgt mit Hilfe eines Umweltinformationssystems. Zur transparenten Darstellung der Energie- und Materialströme bieten sich Sankey- Diagramme an. Hierdurch wird ersichtlich, in welchem Umfang welches Material und welche Energieform für welche Zwecke eingesetzt werden. Die Dicke der Pfeile repräsentiert jeweils den quantitativen Umfang. Nachfolgendes Beispiel zeigt, wie sich der Stromverbrauch in einem produzierenden Unternehmen aufteilt. Abb. 9.4: Darstellung des Stromverbrauchs mit Hilfe eines Sankey-Diagramms <?page no="179"?> 9.2 Umweltrechnungswesen 179 Auf der Grundlage bekannter Energie- und Materialströme können Einsparpotentiale gesucht und geplant werden, wodurch die Effizienz gesteigert wird. So können weniger Energie und Material eingesetzt werden und Emissionen, Abfälle oder unerwünschte Nebenwirkungen, wie Abwärme, können verringert werden. Um mit der Energie- und Materialstromanalyse nicht nur die Effizienz zu steigern, sondern Konsistenz sicherzustellen, muss geklärt werden, ob sich Energie und Material in einem geschlossenen Kreislauf befinden. Bei vollständig geschlossenen Kreisläufen gibt es keine Abfälle oder Schadstoffe, sondern nur Ressourcen, die in jeweils unterschiedlichen Zuständen vorliegen. Hierfür reicht eine rein interne Betrachtung des Unternehmens nicht mehr aus, da die Kreisläufe zumeist über das Unternehmen und die Kunden hinweg erst über Recyclingunternehmen etc. geschlossen werden. Aus einer Energie- und Materialstromanalyse können sich folgende Einsparpotenziale ergeben: Einsparobjekt Beispielhafte Maßnahmen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe Optimierung des Verbrauchs Weiterentwicklung der Produkte bzw. des Sortiments zur Verringerung oder Vermeidung des Verbrauchs Erhöhung der Recyclingquote Wasser, Abwasser Produktionsmethoden mit geringerem Wasserverbrauch Reinigung und Wiederverwendung der Abwässer Energie Wechsel auf alternative Energien energieeffiziente Produktion Transport regionale Beschaffung weniger umweltbelastende Transportmittel Verpackung Recycling der Verpackung bzw. Mehrwegverpackung weniger umweltschädliches Verpackungsmaterial Tabelle 9.3: Einsparpotenziale als Ergebnis einer Energie- und Materialstromanalyse (Quelle: in Anlehnung an Burschel, Loosen, Wiendl (2004), S. 479f.) Die Transparenz über Energie- und Materialverbrauch kann auch eine wichtige Voraussetzung für Suffizienzmaßnahmen sein. Dort wo Effizienz nur schwer oder mit hohen Kosten erreicht wird, kann gezielt die Suffizienz gefördert werden, um Material- und Energieeinsparungen zu erreichen. Die Transparenz über Energie- und Materialströme im Unternehmen ist also für die Effizienz- und Suffizienzstrategie <?page no="180"?> 180 9 Nachhaltigkeit messen bedeutsam. Für die Konsistenzstrategie muss eine unternehmensinterne Betrachtung jedoch erweitert werden. Die Durchführung einer Energie- und Materialstromanalyse kann vor allem in produzierenden Unternehmen aufgrund komplizierter Beschaffungs- und Produktionsprozesse sehr aufwendig sein. Vorab ist daher das Ziel der Analyse, der konkrete Nutzen eines hohen Detaillierungsgrades der Informationen und der Aufwand der Informationsbeschaffung einander gegenüberzustellen. Bedeutsame Erfolgspotenziale werden schließlich nicht erst durch eine detaillierte Messung entdeckt. Mit zunehmender Erfahrung und Professionalisierung können Daten detaillierter erfasst und feiner gesteuert werden. Materialflusskostenrechnung (ISO 14051) In der traditionellen Umweltkostenrechnung werden Einzelkosten direkt den Produkten zugeordnet. Damit bleibt unklar, wofür einzelne Materialien verwendet wurden und wo diese bzw. auch die eingesetzte Energie verblieben sind. Zudem werden nur die direkt zur Wertschöpfung, also zur Herstellung eines Produktes entstehenden Kosten, diesen auch zugerechnet. Alle weiteren Kosten, wie etwa Abfälle, Ausschuss, Verpackung oder nicht direkt zur Wertschöpfung beitragende Energie, werden nicht näher analysiert. Kostensenkungspotentiale können so nicht aufgedeckt werden, obwohl eine Verringerung des Material- und Energieeinsatzes zu wesentlichen positiven ökologischen Effekten führt. Hierfür ist eine Betrachtung der Stoff- und Energieströme notwendig. Bei Abfallstoffen ist dann beispielsweise nicht nur bekannt, wie hoch die Entsorgungskosten sind, sondern ebenso welche Kosten angefallen sind, bis das Material als Abfall angesehen wird. In der Literatur finden sich verschiedene Beispiele, bei denen die Materialverluste zwischen 10% und bis zu 50% des Materialinputs ausmachen. Gemäß nachfolgender Abbildung 9.5 ist nicht nur der direkte Weg von den Inputfaktoren hin zu den Produkten zu betrachten, sondern sämtliche Prozesse vom Input zu den verschiedenen Formen des Outputs. Ergänzend zur Ökobilanz werden neben den Input- und Outputfaktoren die Prozesse analysiert und die Faktoren werden als Kostenbewertet. Die Materialflusskostenrechnung (Material Flow Cost Accounting, MFCA) baut auf der Energie- und Materialstromanalyse auf. Die Kosten werden monetarisiert und in einem strukturierten Rechenwerk zur Steuerung der Umweltbelastung und der Kosten genutzt. Nachdem die Materialflusskostenrechnung bereits Ende der 1980er Jahre entwickelt wurde, fand sie als Umweltmanagementnorm ISO 14051 erst 2011 nach einem mehrjährigen internationalen Abstimmungsprozess ihre formale Grundlage. Hierbei wurde das Ziel verfolgt, durch eine Steigerung der Material- und Ressourceneffizienz Produktionskosten einzusparen und die Umweltbelastung zu verringern, indem die tatsächlichen Kosten von Abfällen und Materialverlusten aufgedeckt werden. Die ISO 14051 unterstützt bei der Analyse und Berechnung der Material- und Energiekosten, die nicht in das Produkt eingehen. Hierfür beschreibt sie das methodische Vorgehen zur Durchführung der Ma- <?page no="181"?> 9.2 Umweltrechnungswesen 181 terialflusskostenrechnung und gibt Empfehlungen, wie die Ergebnisse dargestellt werden sollen. Damit können die Material- und Energieflüsse in der Produktionsplanung, in der Beschaffung und auch schon in der Produktentwicklung berücksichtigt werden. Abb. 9.5: Input- und Outputfaktoren der Materialflusskostenrechnung (Quelle: eigene Darstellung angelehnt an International Federation of Accountants, 2005, S. 31) Definition Materialflusskostenrechnung nach DIN EN ISO 14051: 2011 „Materialflusskostenrechnung ist ein Managementinstrument, das Organisationen dabei unterstützen kann, potenzielle umweltbezogene und monetäre Auswirkungen ihrer Nutzung und ihres Verbrauchs von Material und Energie besser zu verstehen.“ In der Materialflusskostenrechnung werden für jeden Prozess sogenannte Mengenstellen eingerichtet, bei denen der Input und Output jeweils in physikalischen und in finanziellen Einheiten bestimmt wird. Die Kosten werden differenziert in Materialkosten, Energiekosten, Systemkosten (z.B. Personalkosten, Transport, Abschreibungen, ...) und Entsorgungskosten. Der Output einer Mengenstelle wird danach unterschieden, ob dieser in das Produkt einfließt oder zu einem Materialverlust führt. Hierdurch wird deutlich, dass die im konventionellen Rechnungswesen erfassten Entsorgungskosten nur einen Bruchteil der tatsächlich angefallenen Abfallkosten ausmachen. Die durch den Materialverlust anfallenden Kosten sind in vielen Unternehmen nicht bekannt. In der Materialflusskostenrechnung werden Abfälle nicht einfach pauschal dem Produkt zugeordnet, sondern als eigenständiges, quasi negati- <?page no="182"?> 182 9 Nachhaltigkeit messen ves Produkt aufgefasst, denen sämtliche Kosten zugeordnet werden und das somit auch gesondert ausgewertet werden kann. Damit ergänzt sie die konventionelle Kostenrechnung. Abb. 9.6: Vereinfachte Darstellung des Schemas der Materialflusskostenrechnung nach ISO 14051 Beurteilung der Materialflusskostenrechnung Die Materialflusskostenrechnung schafft die notwendige Transparenz, um ökoeffiziente sowie auch konsistente Prozesse zu gestalten. Insbesondere in Japan hatte sich dieses Instrument des Nachhaltigkeitsmanagements rasch etabliert, wodurch Prozessinnovationen entstanden und Kosteneinsparungen erzielt werden konnten. Der Materialflusskostenrechnung wird in der Literatur teils eine sehr große Bedeutung beigemessen (vgl. Günther, Stechemesser 2011, S. 422). Die Erfassung der Material- und Energieströme kann allerdings sehr aufwendig sein, vor allem, wenn nur wenige Daten vorliegen und erst umfangreiche Messungen durchgeführt werden müssen. Zudem muss beachtet werden, dass die Kenntnis der Energie- und Materialströme nicht gleichzusetzen sind mit deren Umweltwirkungen. Um ökonomisch und ökologisch vorteilhafte Entscheidungen zu treffen, müssen daher neben den Kosten auch die Umweltauswirkungen analysiert werden. <?page no="183"?> 9.2 Umweltrechnungswesen 183 Verschiedene Softwarehersteller bieten Tools zur Durchführung der Materialflusskostenrechnung an. Ein einfaches und kostenloses Softwaretool zur Kosten- und Material-/ Energiestromanalyse für kleine und mittelständische Unternehmen, inklusive eines Abgleichs mit Branchenwerten, findet sich unter: www.ressource-deutschland.de/ instrumente/ kostenrechner-tool/ Ein weiterer Anbieter ist beispielsweise Umberto: http: / / www.umberto.de/ de/ mfca/ Umweltkostenrechnung unter Einbezug externer Kosten Im Allgemeinen verstehen wir unter Kosten einen in Geld bewerteten Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen. Bei negativen Auswirkungen auf die Umwelt fällt es aber oftmals schwer, diese in Geldeinheiten zu bewerten. Wir wollen deshalb den Kostenbegriff über die rein monetären Grenzen hinaus erweitern. In diesem Zusammenhang wollen wir deshalb auch dann von Kosten sprechen, wenn ein Schaden hinreichend erfasst und in physikalischen Einheiten gemessen werdenkann. Der heute in der Betriebswirtschaftslehre übliche Kostenbegriff muss um die ökologische Dimension erweitert werden, damit auch externe, aber vom Unternehmen verursachte Kosten erfasst werden. Mit diesem erweiterten Kostenbegriff können Umweltziele geplant, Maßnahmen gesteuert und kontrolliert werden. Als Kostenansatz können beispielsweise diejenigen Ausgaben dienen, die notwendig wären, um die negativen Auswirkungen zu vermeiden. Hierdurch wird das Ziel verfolgt, die ökologische Substanz zu erhalten (vgl. Müller 2011b, S. 425). Im Folgenden werden verschiedene Instrumente und Messkonzepte vorgestellt, die externe Kosten einschließen. Stoff- und Energiebilanzen Stoff- und Energiebilanzen sind das Ergebnis einer regelmäßigen, systematischen und möglichst vollständigen Erhebung der Stoff- und Energieströme. Diese können für ein ganzes Unternehmen bzw. für eine Betriebsstätte, für technische Einheiten innerhalb eines Betriebs (Prozesse, Anlagen, Werkstätten) oder für Produkte und Produktgruppen aufgestellt werden. Somit gibt es Stoff- und Energiebilanzen für organisatorische Einheiten („Betriebsbilanzen“) und für die erbrachten Produkte und Dienstleistungen („Produktbilanzen“). Bei Betriebsbilanzen ist zumeist eine recht genaue Abgrenzung möglich, welche Stoff- und Energiemengen innerhalb des Betriebes benötigt werden bzw. angefallen sind. Daher fällt die Erstellung einer Betriebsbilanz zumeist leichter als die Erstellung einer Produktbilanz. Die räumlich abgegrenzt, innerhalb des Unternehmens in einem Monat, einem Quartal oder einem Jahr entstandenen Stoff- und Energieflüsse können als „ökologischer Rechenschaftsbericht“ regelmäßig erstellt werden, genau wie ein Jahresabschluss über den ökonomischen Erfolg Rechenschaft ablegt. Auf dieser Basis kann das Management ökologische Entscheidungen treffen und diese, je nach Detailliertheit der Daten, bis auf einzelne Unternehmenseinheiten (z.B. Kostenstel- <?page no="184"?> 184 9 Nachhaltigkeit messen len) herunterbrechen. Um eine Stoff- und Energiebilanz eines Produktes zu ermitteln, müssen sämtliche vorgelagerten Produktionsstufen der Vorprodukte bis hin zur Rohstoffgewinnung und -verarbeitung, aber auch nachgelagerte Stufen des Einsammelns der zu entsorgenden Produkte und des Recycelns, eingerechnet werden. Oft lassen sich dabei keine genauen Grenzen ziehen, ob ein Material- und Energieeinsatz eindeutig durch ein später hergestelltes Produkt verursacht wurde. Um mit einem vertretbaren Aufwand zu hilfreichen Ergebnissen zu kommen, müssen in der Regel recht pragmatisch Grenzen gezogen werden, welche Produktions- und Arbeitsschritte noch eingerechnet werden und welche nicht (vgl. Dyckhoff, Souren 2008, S. 165f.). Zwischen den Stoff- und Energiebilanzen und einer Bilanz im betriebswirtschaftlichen Sinne bestehen große Unterschiede. In der Betriebswirtschaft enthält die Bilanz Bestände und ist das finale Zahlenwerk, das auch den Erfolg aus der Gewinn- und Verlustrechnung aufnimmt. Bei den Stoff- und Energiebilanzen werden tatsächlich aber zumeist Stoff- und Energieströme betrachtet und keine Bestände. Ebenso ist keine Aufrechnung zwischen Erträgen und verschiedenen Aufwendungen möglich. Im Rechnungswesen sind sämtliche Positionen in Geldeinheiten bewertet und damit addier- und saldierbar. Die Stoff- und Energiebilanzen quantifizieren ihre Bestandteile zwar ebenfalls, allerdings liegen diese in unterschiedlichen Einheiten vor. Der Einsatz von einem kg Sand, einem Liter Wasser, einer kWh Strom, der Emission von einer Tonne CO 2 usw. kann nicht miteinander verrechnet werden. Eine Verrechnung, wie dies etwa beim MIPS-Konzept erfolgt, ist nur unter sehr restriktiven Annahmen möglich, die teils willkürlich wirken und deshalb zu Akzeptanzproblemen führen. Gleiches gilt für eine Übertragung der Mengen in Geldeinheiten. Stoff- und Energiebilanzen verschaffen somit die notwendige Transparenz über alle Arten und Mengen von Input- und Outputfaktoren. Der große Umfang und die Verschiedenartigkeit der Faktoren erschwert jedoch die Entscheidungsfindung. So besteht beispielsweise Unklarheit darüber, welche Faktoren vorrangig begrenzt werden sollen (100t CO 2 einsparen oder 200t weniger Einsatz an Eisenerz, ...? ) oder wie alternative Maßnahmen miteinander verglichen werden sollen, wenn eine die Emissionen begrenzt, eine andere zu Energieeinsparungen führt und eine weitere den Materialinput verringert. Einzelne Inputbzw. Outputfaktoren können dadurch gesteuert werden, dass sie als relative Größe in Abhängigkeit von der Leistungserbringung gemessen werden. Dies kann beispielsweise der Energie- oder der Materialeinsatz je Produkteinheit sein, der mit dem Wettbewerb oder mit früheren Perioden verglichen werden kann (vgl. Dyckhoff, Souren 2008, S. 166). Ökobilanz Die Begriffe Ökobilanz, Life Cycle Assessment und Lebenszyklusanalyse können im Wesentlichen als identisch betrachtet werden, wenn diesem in der Literatur und in der Praxis auch nicht durchgehend gefolgt wird. Die Ökobilanz baut auf der Energie- und Materialstromanalyse, die sämtliche ökologisch relevanten Input- und Outputgrößen in einer Art Sachbilanz zusammenfasst, auf. Hierbei werden die sachlich erfassten Energie- und Materialströme um die spezifischen Umweltwirkungen <?page no="185"?> 9.2 Umweltrechnungswesen 185 ergänzt. Eine Ökobilanz kann somit für einzelne Produkte und für organisatorische Einheiten, bis auf die Prozessebene, erstellt werden. Abb. 9.7: Betriebsbilanz, Produktbilanz, Prozessbilanz Die ISO 14040 und 14044 stellen die Normen zur Durchführung einer Ökobilanzierung zur Verfügung. Demnach besteht eine Ökobilanz aus vierElementen: Abb. 9.8: Bestandteile einer Ökobilanz [1] Definition des Ziels und Untersuchungsrahmens Für welches Produkt oder welche Einheit soll die Ökobilanz erstellt werden, wofür soll diese verwendet werden und wo liegen die Grenzen der Untersuchung? <?page no="186"?> 186 9 Nachhaltigkeit messen [2] Erstellung der Sachbilanz Über eine Organisationseinheit bzw. über einen Produktlebenszyklus hinweg werden die Inputs an Energie und Ressourcen dem Output in Form eines Produktes sowie der Emissionen gegenübergestellt. [3] Abschätzung der Umweltauswirkungen Ermittlung der ökologischen Auswirkungen der In- und Outputs nach wissenschaftlich anerkennten Kriterien, wie etwa Förderung des Treibhauseffekts oder Erhöhung der Feinstaubbelastung sowie Kategorisierung der Schwere der Umweltbelastung. [4] Auswertung der Ökobilanz Beurteilung der Ergebnisse und Ableiten von Empfehlungen für eine wirksame Verringerung der Umweltbelastung. Teils werden die Ergebnisse hierbei auch in einer einzelnen Spitzenkennzahl aggregiert, wie das etwa beim MIPS- Konzept oder beim ökologischen Fußabdruck der Fall ist. Abb. 9.9: Schematische Darstellung einer Sachbilanz Die Ökobilanz wird in der Praxis in sehr unterschiedlichen Ausprägungen verwendet und durch verschiedenartige Methoden unterstützt. Auch dies unterscheidet sie deutlich von einer betriebswirtschaftlichen Bilanz, die nach einheitlichen Vorschriften erstellt wird und durch die verschiedenen Unternehmen miteinander vergleichbar gemacht werden. Die Ökobilanz kann für das Nachhaltigkeitscontrolling umfassend genutzt werden, da sie sowohl der Zielbildung (maximale Umweltbelastung je Produkt oder je Geschäftseinheit), der Planung (Priorisierung und Ausgestaltung von Maßnahmen) und der Steuerung (korrigierende Eingriffe bei Zielabweichungen) dient. Beurteilung der Ökobilanz Aufgrund vielfacher subjektiver Elemente, wie etwa die Abgrenzung des Untersuchungsfeldes, die Abschätzung der Umweltauswirkungen oder die Beurteilung der Ergebnisse, ist ein unternehmensübergreifender Vergleich nur sehr eingeschränkt <?page no="187"?> 9.2 Umweltrechnungswesen 187 möglich. Durch die Abhängigkeit von subjektiven Einschätzungen kann eine Ökobilanz auch nur eingeschränkt für eine objektive Berichterstattung oder gar als eine Ziel- und Steuerungsgröße genutzt werden. Um Willkür zu vermeiden, sollten daher stets auch die Annahmen offengelegt werden, auf denen die Ökobilanz beruht (vgl. Dyckhoff/ Souren 2008, S. 168f.). Die vielfältigen Ergebnisse einer Ökobilanz sollten zudem nicht in einer einzigen Kennzahl aggregiert werden. Auch die betriebswirtschaftliche Bilanz kann nur mit Hilfe zahlreicher Bilanzkennzahlen interpretiert werden und nicht nur mit einer einzigen. Die Aggregation der verschiedenen Erkenntnisse in einer Kennzahl erfordert die Aufrechnung von Teilergebnissen. Hierdurch gehen nicht nur Informationen verloren, wenn etwa die aggregierte Kennzahl unverändert bleibt, obwohl einige Teilergebnisse besser, andere schlechter wurden. Eine Aufrechnung unterstellt auch, dass die verschiedenen Faktoren substituierbar seien, was zumeist, im Sinne einer starken Nachhaltigkeit, negiert wird. Ein hoher CO 2 -Ausstoß wird nicht dadurch erträglich, dass die Menge an Abwässer verringert wurde. Die Ökobilanz weist daher verschiedene Teilergebnisse aus, die nach ökologischen Problemfeldern differenziert sind, wie etwa Klimawandel, Versauerung der Böden oder die Biodiversität. In der ökonomisch ausgerichteten Unternehmensführung sind zwar Spitzenkennzahlen wie etwa der ROCE oder der EVA durchaus üblich, allerdings arbeitet das Management seit jeher auf Basis vielfältiger Informationen, wie sie beispielsweise im Managementreport oder in einem Management-Cockpit zur Verfügung gestellt werden. Das Management kann deshalb auch mit vielfältigen Informationen aus dem Bereich der Nachhaltigkeit umgehen (vgl. Schaltegger 2013, S. 290f.). Beispiel: Continental AG „Durch das gewachsene Umweltbewusstsein ist die Aufmerksamkeit für umweltschonende Produkte sowohl während des Herstellungsprozesses als auch während der Nutzung gestiegen. Um die Umweltauswirkungen von Produkten festzustellen, wurden verschiedene Methoden entwickelt. Eine davon ist die Ökobilanz (Life Cycle Assessment). Die Ziele einer Ökobilanz: - Gewinnung von Umweltinformationen zu Produkten und Produktgruppen. - Identifizierung von Verbesserungsmöglichkeiten der Umweltleistung von Produkten während des gesamten Produktlebenszyklus. - Sammeln von Informationen für den Dialog mit Entscheidungsträgern in Industrie, Behörden oder Nichtregierungsorganisationen. - Entwicklung relevanter Indikatoren für die Umweltleistungsbewertung - Unterstützung der Produktentwicklung. - Unterstützung des Marketing, beispielsweise bei der Umsetzung eines Öko- Label-Konzepts oder bei der Erstellung einer Produkt-Umwelterklärung. - Unterstützung der innerbetrieblichen strategischen Planung. <?page no="188"?> 188 9 Nachhaltigkeit messen Anhand einer Ökobilanz können die mit einem Produkt verbundenen potenziellen Umweltbeeinträchtigungen über den gesamten Lebensweg des Produkts nachvollzogen werden - von der Rohstoffgewinnung über die Produktion, Nutzung und die Verwertung.“ Die Erstellung einer Ökobilanz für PKW-Reifen ergab, dass ca. 90% der Umweltauswirkungen in der Nutzungsphase eines Reifens entstehen. Die Rohstoffgewinnung umfasst ca. 5%, die Herstellung 3% und durch Transporte entstehen ca. 2% der Umweltauswirkungen während des gesamten Lebensyklus. (Quelle: Continental AG, in: http: / / www.continental-corporation.com/ www/ csr_com_de/ themen/ umwelt/ produktverantwortung/ oekobilanzen.html, Abruf 20.09.15) Eine Erweiterung erfährt die Ökobilanz um die Produktlinienanalyse, die bereits in den 80er Jahren vom Freiburger Öko-Institut entwickelt wurde. Die Ökobilanz wird hierbei um die sozialen und ökonomischen Auswirkungen erweitert. Hierdurch soll eine umfassende Beurteilung der Nachhaltigkeit eines Produktes ermöglicht werden. Die drei Dimensionen werden zuerst getrennt dargestellt, anschließend aber integriert bewertet. Die bei der Ökobilanz auftretenden Schwierigkeiten in der Erfassung und Bewertung sämtlicher Auswirkungen treffen in der Produktlinienanalyse durch die Erweiterung um die Sozialverträglichkeit der Produkte sowie um deren wirtschaftliche Auswirkungen noch vermehrt zu. Der Aufwand zur Erstellung einer Produktlinienanalyse ist groß, weshalb diese oftmals nur vereinfacht und ansatzweise aufgestellt wird. Insgesamt ist die praktische Verbreitung gering. Ökologische Gewinn- und Verlustrechnung Die ökologische Gewinn- und Verlustrechnung (Environmental Profit and Loss Account) wurde vor allem durch den Sportartikelhersteller Puma bekannt, der seinen Jahresabschluss 2010 um eine umfangreiche Darstellung der ökologischen Auswirkungen seines Handelns ergänzte. Symbolhaft stellte sich Puma die Frage: „Wenn unser Planet ein Unternehmen wäre - wie viel würde er für die Dienste berechnen, die er für PUMA erbringt? Welchen Betrag würde er für die Beseitigung des ökologischen Fußabdrucks durch Verschmutzung und Beschädigung, den PUMA hinterlässt, dem Unternehmen in Rechnung stellen? “ (Puma, Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht 2011, S. 37). Um die ökologischen Kosten zu ermitteln, wurden die Umweltauswirkungen entlang der gesamten Lieferkette bis zur Rohstoffgewinnung monetär bewertet. Hierdurch entstand eine Kostentransparenz sowohl über die ökonomischen als auch über die internen und externen ökologischen Kosten. Da dieses Messkonzept durch Puma bekannt wurde, soll dieses auch hierdurch erläutert werden. Neben den Kosten für den Verkauf, Lager und die Administration wurden vier Lieferantenebenen, im Englischen als „tier“ bezeichnet, berücksichtigt: <?page no="189"?> 9.2 Umweltrechnungswesen 189 Operations Büros, Läden, Läger, Logistik, Geschäftsreisen, IT Tier 1 Produktion: Bekleidung, Schuhe, Accessoires Tier 2 Outsourcing: Stickereien, Drucke, Außensohlen Tier 3 Processing: Gerbereien, Färbereien, Chemische Industrie Tier 4 Rohstoffe: Baumwollanbau, Viehzucht, Öl- und Gummigewinnung Tabelle 9.4: Stufen in der Lieferkette bei Puma (Quelle: in Anlehnung an Puma 2011, S. 6) Die Kosten der Operations und der TIER 1 konnten den primären Quellen, vor allem dem eigenen Umweltmanagementsystem entnommen werden. Dies umfasst etwa den CO 2 -Ausstoß, den Wasserverbrauch oder die Abfallmenge. Bei der dritten und vierten Ebene stehen nahezu keine primären Daten zur Verfügung. Hier wurde weitgehend mit Daten des britischen Beratungsunternehmens Trucost (www.trucost.com) gearbeitet. Trucost hat sich zum Ziel gesetzt, Umweltschäden in Geldeinheiten zu bewerten. Die TIER 2-Ebene kann teils mit primären, teils aber auch nur mit sekundären Daten indirekt bewertet werden. Insgesamt wurden entlang der Lieferantenkette fünf Schadenstypen erfasst, die gemäß Puma für die eigenen Aktivitäten die größte Relevanz haben: Wassernutzung, CO 2 -Ausstoß, Landnutzung, Luftverschmutzung und Abfälle. Puma ermittelte insgesamt einen ökologischen Schaden in Höhe von 145 Millionen €, der in den ökonomischen Daten nicht erfasst wird. Dies umfasst etwa 10% der im Finanzbericht ausgewiesenen Umsatzkosten und würde den ausgewiesenen Konzerngewinn um mehr als die Hälfte reduzieren. Dabei entfallen 76% der Schäden auf die am weitesten entfernten Lieferanten der Ebenen 3 und 4. Die Einflussmöglichkeiten sind hier zumeist entsprechend gering. Bezogen etwa auf ein einzelnes T-Shirt im Wert von 20 € betrugen die zusätzlichen Umweltschäden 3,42 €. Bei einer ökologischenProduktreihe konnte Puma diese Kosten auf 2,36 € je T-Shirt senken. EUR Mio. Wassernutzung CO2- Ausstoß Landnutzung Luftverschmutzung Abfälle Summe in % Operations <1 7 <1 1 <1 8 6% Tier 1 1 9 <1 1 2 13 9% Tier 2 4 7 <1 2 1 14 9% Tier 3 17 7 <1 3 <1 27 19% Tier 4 25 17 37 4 <1 83 57% Summe 47 47 37 11 3 145 100% 33% 33% 25% 7% 2% 100% Tabelle 9.5: Ergebnis der ökologischen Gewinn- und Verlustrechnung bei Puma (Quelle: Puma 2011, S. 8) <?page no="190"?> 190 9 Nachhaltigkeit messen Abb. 9.10: Auswertung der ökologischen Gewinn- und Verlustrechnung bei PUMA (Werte in Mio. €, Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Puma 2011, S. 8) Auf Basis der ökologischen Gewinn- und Verlustrechnung können Ziele definiert und Maßnahmen ergriffen werden, um Umweltschäden wirksam zu verringern. So wäre bei Puma auf Basis der vorliegenden Daten vor allem eine Fokussierung auf den Verbrauch von Wasser und Land sowie auf den CO 2 -Ausstoß vorzunehmen. Die Landnutzung ist dabei auf der Lieferantenebene 4, der Wasserverbrauch auf den Ebenen 3 und 4 und der CO 2 -Ausstoß über die gesamte Lieferkette und innerhalb von Puma zu betrachten. Es wurde beispielsweise erkannt, dass die Wassereinsparung in den eigenen Büros, Lagern und Verkaufsstätten nur wenig lohnend ist, da 99,9% der Kosten des Wasserverbrauchs in der Lieferkette auftritt. Maßnahmen können in einer Optimierung der Produkte und Prozesse, in der Lieferantenauswahl, in den Anforderungen an die Lieferanten oder auch in einer Veränderung des Produktangebots liegen. Der Erfolg der Maßnahmen kann dabei sowohl im Zeitverlauf als auch im Vergleich zu Wettbewerbern - sofern entsprechende Daten vorliegen - gemessen werden. Beurteilung der ökologischen Gewinn- und Verlustrechnung Die ökologische Gewinn- und Verlustrechnung ist grundsätzlich vergleichbar mit einer Produkt-Ökobilanz, allerdings werden dort die Schäden zumeist in physikalischen Einheiten erfasst. Die Besonderheit liegt hierbei also vor allem in der monetären Bewertung der Umweltschäden. Die Schwierigkeiten einer Übersetzung von Umweltschäden in Geldeinheiten wurden bereits thematisiert. Ebenso wurde bereits darauf verwiesen, dass im Sinne einer starken Nachhaltigkeit in kritischen Fällen auf eine Monetarisierung verzichtet werden solle. Verschiedene Umweltschäden sind nicht substituierbar, da für ein funktionierendes Ökosystem zahlreiche Umweltverschmutzung nach der Stufe in der Lieferkette Art der Umweltverschmutzung <?page no="191"?> 9.2 Umweltrechnungswesen 191 Parameter in bestimmten Ausprägungen vorliegen müssen. Zudem ist beispielsweise die Wasser- oder Landnutzung regional unterschiedlich zu bewerten. In wasserreichen bzw. schwach besiedelten Gebieten sind andere Kosten anzusetzen als in wasserarmen bzw. dichtbesiedelten Gebieten. Diese Kritik soll aber nicht als KO- Kriterium für die ökologische Gewinn- und Verlustrechnung gewertet werden, sondern dies erfordert letztlich einen sensiblen Umgang mit den Daten. Das Nachhaltigkeitscontrolling muss dementsprechend sicherstellen, dass Entscheidungsträger dies wissen und die Daten nicht falsch interpretieren und etwa verschiedene Umweltschäden gegenseitig aufrechnen. Dass Informationen verständlich sind und nicht fehlerhaft genutzt werden, ist für das Controlling aber seit jeher eine Kernaufgabe. Die Erstellung einer ökologischen Gewinn- und Verlustrechnung ist sehr aufwendig. Puma kündigte beispielsweise an, diese alle zwei Jahre zu aktualisieren. Eine begründete Beschränkung des Umfangs erscheint daher gerechtfertigt. Zum einen sollte die Berechnung vor allem für die wichtigsten Produkte erstellt werden, zum anderen ist vorab zu definieren, welche Umweltschäden in die Betrachtung einbezogen werden sollen. Hier hat sich Puma auf fünf Schäden beschränkt. Erweitert werden könnte das Konzept hingegen um den Einbezug der Nutzungswie auch der Entsorgungsphase. Hierdurch gelänge man zu einer Erfassung der gesamten Lebenszykluskosten. Somit könnte die ökologische Gewinn- und Verlustrechnung auch für die Konsistenzstrategie genutzt werden, da hierfür die Lebenszykluskosten notwendig sind. Generell darf die ökologische Gewinn- und Verlustrechnung aber nicht mit der Genauigkeit einer konventionellen Gewinn- und Verlustrechnung. Ökoeffizienzanalyse (ISO 14045) Die Ökoeffizienzanalyse verfolgt das Ziel, die Umweltauswirkungen eines Produkts oder einer Dienstleistung über den gesamten Lebenszyklus hinweg, „von der Wiege bis zur Bahre“, zu verringern. Die Ökoeffizienz ist dabei eine Kennzahl, welche den wirtschaftlichen Wert in Relation zur Umweltbelastungmisst. Ökoeffizienz = wirtschaftlicher Wert / Umweltwirkung (z.B. Wertschöpfung in € / CO 2 -Ausstoß in t) Ein Unternehmen ist ökoeffizient, wenn es je Einheit Umweltbelastung möglichst viel wirtschaftlichen Wert schafft bzw. wenn ein bestimmter wirtschaftlicher Wert mit möglichst wenig Umweltbelastung einhergeht. Hierbei sind sämtliche wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen von der Rohstoffgewinnung über den Transport, die Energiegewinnung, die Herstellung und Nutzung bis hin zur Entsorgung zu erfassen. Beispiel: BASF SE Die BASF war nach eigenen Angaben eines der ersten Unternehmen der chemischen Industrie, welches die Ökoeffizienzanalyse als Instrument zur Steuerung der Nachhaltigkeit etabliert hat. Grundlage ist hierfür sind die ISO-Normen 14040, 14044 und 14045. Als wirtschaftliche Größe werden die Kosten angesetzt, die Umwelt- <?page no="192"?> 192 9 Nachhaltigkeit messen wirkungen werden mit Hilfe von neun Einzelgrößen gemessen, aus denen sich die Gesamtumweltbelastung eines Produktes oder eines Verfahrens ergibt. Bei den umweltrelevanten Einzelgrößen setzt BASF folgende Kriterien an: - Abiotischer Rohstoffverbrauch - Konsumptiver Wasserverbrauch (Wasser) - Flächenbedarf (Fläche) - Humantoxizität (Humantox.) - Eutrophierung (EP süss, EP mar) - Versauerungspotenzial (AP) - Ozonzerstörungspotenzial (ODP) - Photochemisches Ozonbildungspotenzial (POCP) - Treibhausgaspotenzial (GWP) Die ökologischen und die ökonomischen Daten werden in eine zweiachsige Grafik übertragen, aus der sich der Grad der Ökoeffizienz ermitteln und mit Alternativen vergleichen lässt: Abb. 9.11: Ökoeffizienz-Portfolio (Quelle: eigene Darstellung angelehnt an: BASF SE, in: https: / / www.basf.com/ global/ de/ who-we-are/ sustainability/ we-drivesustainable-solutions/ quantifying-sustainability/ eco-efficiency-analysis.html, Abruf 26.10.19) In voranstehender Abbildung sind die Varianten 1 und 2 ökoeffizienter als 3 und 4. Die Diagonale von links oben nach rechts unten trennt eine hohe von einer niedri- <?page no="193"?> 9.2 Umweltrechnungswesen 193 gen Ökoeffizienz. Die Varianten 1 und 2 verursachen zwar höhere Kosten, führen aber zu deutlich geringeren Umweltbelastungen. Variante 1 kann zudem weiterentwickelt werden, so dass der wirtschaftliche Erfolg aufgrund sinkender Kosten spürbar steigt, ohne dass dies zu Lasten einer höheren Umweltbelastung geht. Aus wirtschaftlicher wie aus ökologischer Sicht ist Variante 1 samt Weiterentwicklung als ökoeffizienteste Alternative zu empfehlen. Beurteilung der Ökoeffizienzanalyse Die Ökoeffizienzanalyse stellt immer einen relativen Vergleich dar. Wird die Ökoeffizienz einmalig für ein einzelnes Produkt oder für ein einziges Verfahren ermittelt, kann die Ökoeffizienz nicht beurteilt werden. Die einzelne Kennzahl lässt noch keine Aussage zu, ob diese gut oder schlecht ist. Erst durch den Vergleich mit anderen Produkten, mit anderen Produktionsverfahren oder auch durch einen zeitlichen Vergleich ist eine Bewertung möglich. Wie es der Name sagt, wird durch dieses Instrument die Effizienz beurteilt, nicht aber die Effektivität bzw. Konsistenz. Es wird also das relativ Beste ausgewählt, unabhängig davon, ob es auch absolut gut ist. Für die operative Ebene ist die Ökoeffizienzanalyse aber ein durchaus hilfreiches und praktikables Instrument. Voraussetzung ist, dass sinnvolle, unternehmensspezifische Kriterien zur Bestimmung der Umweltbelastung gewählt werden. Ökologischer Fußabdruck und Carbon Footprint Der ökologische Fußabdruck ist eine sehr anschauliche Methodik zur Messung der Umweltbelastung und daher auch recht bekannt. Allerdings wird der „klassische“ ökologische Fußabdruck, wie in Kapitel 2.2 vorgestellt, in Unternehmen selten verwendet. Häufiger wird er zur Messung der Umweltbelastung eines ganzen Landes genutzt oder er wird heruntergebrochen auf eine einzelne Person. Die verschiedenen Inhalte der Umweltbelastung, wie beispielsweise Land- und Wasserverbrauch oder CO 2 -Ausstoß, werden umgerechnet in den notwendigen Flächenbedarf, um diese Ressourcen zur Verfügung zu stellen und um Emissionen und Abfälle aufzunehmen. Die Maßeinheit ist hier also die notwendige Fläche anstatt Geldeinheiten. In der Betriebswirtschaftslehre liegt es natürlich näher, in Geldeinheiten zu rechnen. In der Ökologie ist der Vergleich, wie viel Fläche zur Verfügung steht und wie viel in Anspruch genommen wird, hingegen sehr anschaulich. Die Problematik einer Übernutzung ist unmittelbar ersichtlich, wenn der Flächenbedarf die vorhandene Fläche übersteigt. Im Vergleich dazu ist ein hoher errechneter Geldbetrag für Umweltschäden, zumindest für Unternehmensexterne, schwieriger einzuordnen. Dabei bestehen bei beiden Maßeinheiten ähnliche Probleme. Eine Ermittlung des Flächenbedarfs für Stoffe, welche die Natur aufnehmen und umwandeln kann, ist unter bestimmten Prämissen möglich. Weit schwieriger ist dies aber bei Stoffen, die von der Natur nicht ohne weiteres aufgenommen und umgewandelt werden (z.B. Plastikabfälle). <?page no="194"?> 194 9 Nachhaltigkeit messen Der ökologische Fußabdruck enthält daher nicht alle menschlichen Eingriffe in die Natur, weshalb ihm unterstellt wird, er unterschätze die ökologische Belastung tendenziell. Der Begriff des Fußabdrucks wird sinnbildlich auch für den Carbon Footprint genutzt, dessen Berechnung in der ISO 14067 beschrieben ist. Hierbei werden die Treibhausgasemissionen von Produkten und Dienstleistungen über deren gesamte Lebensdauer hinweg ermittelt. Es wird eine Methodik zur Verfügung gestellt, nach der anhand weltweit einheitlicher Standards Konsumenten transparent über die Belastung durch Treibhausgase informiert werden. Methodisch ist der Ansatz mit der Ökobilanz vergleichbar, allerdings beschränkt er sich auf die Betrachtung von Treibhausgasen. Begründet liegt dies in der Bedeutung der Treibhausgase für den Klimawandel und dessen hohe Wahrnehmung in Gesellschaft und Politik. Mit dem zuvor beschriebenen Verständnis eines Flächenbedarfs hat der Carbon Footprint hingegen nichts zu tun, auch wenn der Name dies suggeriert. Es geht hierbei ausschließlich um die physikalische Messung der Treibhausgase, die durch ein Produkt bzw. eine Dienstleistung verursacht werden. Treibhausgas ist ein Sammelbegriff, unter dem zumeist sechs für das Klima bedeutsamsten Gase zusammengefasst werden (Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid, Fluorkohlenwasserstoff, Sulphurhexaflouride, Fluorkohlenstoffverbindungen). Da die Klimaschädlichkeit dieser Stoffe unterschiedlich ist (Methan hat beispielsweise eine um das 25fache stärkere Treibhausauswirkung als Kohlendioxid), wird das sogenannte Treibhauspotenzial ermittelt. Der Footprint eines Produktes entspricht somit dem gesamten Treibhauspotenzial, das insgesamt durch die verschiedenen Gase verursacht wurde. Mit der Kenntnis, an welchen Stellen in welchem Umfang Treibhausgase entstehen, können Maßnahmen zu deren Reduktion ergriffen werden (vgl. Pape, 2013, S. 303f.). Beurteilung des Carbon Footprint Die Messung der Treibhausgas-Emissionen eines Produkts schafft die notwendige Transparenz, um Maßnahmen zu deren Senkung zu ergreifen. Da die Umweltbelastung aber durch vielfältige Eingriffe erfolgt, wird dies kaum zu einer ausgewogenen Optimierung der gesamten Umweltbelastung führen. Teils kann die Verringerung eines Schadens sogar zu einer Verstärkung anderer Schäden führen. So kann die Intensivierung der Landwirtschaft den Carbon Footprint verbessern, zugleich aber die Artenvielfalt einschränken. Aus ökologischer Perspektive wird die politisch und gesellschaftlich recht starke Fokussierung auf die Treibhausgasemission teils kritisiert. Zum einen gibt es viele andere, kritische Umweltschädigungen und zum anderen entsteht in der Öffentlichkeit die trügerische Erwartung, dass die Umweltschäden weitgehend behoben sind, wenn nur die Treibhausgasemissionen verringert werden. <?page no="195"?> 9.2 Umweltrechnungswesen 195 MIPS (Materialinput pro Serviceeinheit) Das MIPS-Konzept hat zum Ziel, die Ressourcen zu messen, die für ein Produkt oder für eine Dienstleistung aufgewendet werden. Als Ressourcen werden dabei die Entnahmen aus der Natur betrachtet und gemessen werden diese in Tonnen des insgesamt bewegten Materials (nachwachsendes und nicht nachwachsendes Rohmaterial ebenso wie Wasser, Luft und Bodenbewegungen). Dabei fließt nicht nur der Materialverbrauch für die Herstellung mit ein, sondern auch der durch die Nutzung und durch die Entsorgung bzw. das Recycling anfallende Materialverbrauch. Es werden aber nicht nur die Ressourcen erfasst, sondern diese werden in Relation zum Produktnutzen, einer Serviceeinheit, gestellt. Der „Materialinput pro Serviceeinheit“ misst also den für eine Serviceeinheit aufzubringenden Ressourcenaufwand (vgl. Ritthoff, Rohn, Liedtke 2002, S. 10f.). Entwickelt wurde das MIPS-Konzept Anfang der 90er Jahre vom „Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie“ unter Federführung des Chemikers Friedrich Schmidt- Bleek, der MIPS auch als „materiellen Fußabdruck“ bezeichnet. Das Konzept erwuchs aus der Kritik an der sehr einseitig am CO 2 -Ausstoß ausgerichteten Umweltdebatte und der daraus resultierenden umweltpolitischen Schwerpunktsetzung zur Reduktion des CO 2 -Ausstosses. MIPS misst die gesamten Ressourcenströme anstatt nur einen einzigen Schadstoff. Der Klimawandel ist zwar bedeutsam, aber nicht das einzige Umweltproblem und CO 2 ist nicht der einzige Schadstoff, der diesen verursacht. Das MIPS-Konzept möchte nicht nur punktuell einzelne Schadstoffe messen und deren Einsatz begrenzen, sondern strebt eine Dematerialisierung der Wirtschaft an. Ebenso können somit die oftmals übersehenen Reboundeffekte berücksichtigt werden. So weist etwa Schmidt-Bleek darauf hin, dass bei Fahrzeugen mit Hybridantrieb zwar der Verbrauch an Treibstoffen um 10-15% sinke, sich zugleich aber der Materialrucksack des Autos verdoppele (vgl. Schmidt-Bleek, 2014b, S. 37). Nur wenn alle Ressourcen für eine erbrachte Serviceeinheit erfasst werden, kann mit diesen auch verantwortlich umgegangen werden. Je nach Produkt beziehen sich die MIPS auf unterschiedliche Einheiten. Bei der Herstellung von Nahrungsmitteln wird als Serviceeinheit ein Kilojoule Nährwert betrachtet. Als MIPS wird hierbei ein Kilogramm Nahrungsmittel ins Verhältnis gesetzt zu einem Kilojoule Nährwert. Die Leistung ist umso besser, je weniger Nahrungsmittel benötigt werden, um den Nährwert zu erbringen. Bei der Erstellung von Gebäuden wird das eingesetzte Material in Verhältnis zum umbauten Raum gemessen. Die MIPS werden als gut beurteilt, wenn für den umbauten Raum möglichst wenig Material eingesetzt werden muss. Beurteilung des MIPS-Konzepts Die sehr breite Erfassung des Materials ist konzeptionell gut begründet und überzeugt im Vergleich zu einer einseitigen Fokussierung auf einzelne, möglicherweise in der öffentlichen Diskussion gerade populäre Schadstoffe. Andererseits ist dieses <?page no="196"?> 196 9 Nachhaltigkeit messen Konzept im Vergleich zur simplen Messung eines Schadstoffs weniger verständlich. Von Nachteil ist die Gleichbehandlung qualitativ unterschiedlicher Stoffe sowie der Verzicht auf eine differenzierte Bewertung des Outputs. In der Praxis hat sich dieses Konzept bis heute noch nicht durchgesetzt. Vertreter des Ansatzes schlagen vor, die Inanspruchnahme von Ressourcen jedweder Art zu besteuern, anstatt wie heute im Wesentlichen die Arbeitsleistung und den Konsum zu besteuern. Als Folge würden Unternehmen mit Hilfe der MIPS rasch die Ressourcen erfassen und steuern. Öko-Kennzahlen In den vorangehenden Abschnitten wurden verschiedene, teils umfangreiche Konzepte vorgestellt, mit denen die Umweltleistungen eines Unternehmens gemessen werden können. Sofern sich ein Unternehmen nicht, oder noch nicht für die Implementierung etwa einer Ökobilanz oder einer Ökoeffizienzanalyse entscheidet, wird es zumeist einzelne ökologische Kennzahlen nutzen, um zwar noch nicht konzeptionell geschlossen, aber zumindest punktuell die ökologischen Leistungen zu messen. Aber auch ergänzend zu einer Methode der Umweltkostenrechnung können einzelne Öko-Kennzahlen benutzt werden, wenn Stakeholder diese als bedeutsam erachten und darüber informiert werden wollen. Schließlich decken die vorgestellten Methoden der Umweltkostenrechnung auch nicht alle ökologisch relevanten Themenfelder ab, weshalb eine Ergänzung um weitere Öko-Kennzahlen sinnvoll erscheint. In der Praxis sind umweltorientierte Kennzahlen und Indikatoren insgesamt sehr verbreitet und bedeutsam. Gemäß dem Sustainability Barometer der Leuphana Universität Lüneburg nutzen 69,1% von 152 befragten großen Unternehmen in Deutschland Umweltkennzahlen. Eine Umweltkostenrechnung findet sich mit 22,4% nur bei einer deutlich geringeren Anzahl an Unternehmen. Ein betriebliches Umweltinformationssystem findet sich in 40,8% der befragten Unternehmen (vgl. Schaltegger, Hörisch, Windolph, Harms 2012, S. 40, 44). Beispiel: Robert Bosch GmbH Zur Steuerung der ökologischen Nachhaltigkeit nutzt Bosch folgende Öko-Kennzahlen: - CO2-Emissionen - Energiebedarf - Abfall - Wasserbezug laufende Umweltschutzkosten - Umweltschutzinvestitionen (Quelle: Robert Bosch GmbH, Nachhaltigkeitsbericht 2014, S. 23) Maßgeblichen Einfluss auf die Auswahl von Kennzahlen haben die Berichtsstandards der GRI. Nahezu alle großen Unternehmen erstellen ihre Nachhaltigkeitsberichte gemäß den Vorgaben der GRI, so dass die hierfür notwendigen Kennzahlen <?page no="197"?> 9.2 Umweltrechnungswesen 197 ermittelt und veröffentlicht werden. Zwar werden nicht alle diese Kennzahlen zum Bestandteil des betrieblichen Steuerungssystems, doch alleine die Veröffentlichung einer Kennzahl zwingt dazu, sich mit dieser inhaltlich zu beschäftigen. Durch ihre Veröffentlichung im Nachhaltigkeitsbericht gewinnen die Kennzahlen anBedeutung. In den G4-Leitlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung der GRI aus dem Jahre 2013 heißt es in der Einleitung zur ökologischen Kategorie: „Die ökologische Dimension von Nachhaltigkeit betrifft die Auswirkungen einer Organisation auf die belebte und unbelebte Natur einschließlich Boden, Luft, Wasser und Ökosysteme. Die Kategorie ‚ökologisch‘ umfasst Auswirkungen in Bezug auf Eingangsprodukte (z.B. Energie und Wasser) und Ausgangsprodukte (z.B. Emissionen, Abwasser und Abfall), Auswirkungen in Bezug auf Artenvielfalt, Transport, Produkte und Dienstleistungen sowie Aufwendungen für den Umweltschutz und die Einhaltung von Umweltvorschriften.“ (Global Reporting Initiative, 2013a, S. 52). Eine konkrete Beschreibung der Inhalte sowie eine Umsetzungsanleitung finden sich auf www.globalreporting.org. Die GRI-Leitlinien sind inhaltlich am 3-Säulen-Modell ausgerichtet und enthalten dementsprechend eine wirtschaftliche, eine ökologische und eine gesellschaftliche Kategorie. Im Folgenden wird eine Übersicht über die Kennzahlen der ökologisch relevanten Kategorie gegeben. Diese unterteilt sich in 12 Aspekte sowie in insgesamt 34 Indikatoren. Detaillierte Informationen sowie Hinweise zur Ermittlung einzelner Kennzahlen können direkt aus den beiden GRI- Veröffentlichungen („Berichterstattungsgrundsätze und Standardangaben“ sowie aus der „Umsetzungsanleitung“) entnommen werden, die auf der angegebenen Homepage zur Verfügung stehen. Aspekte Indikator Erläuterung Materialien G4-EN1 eingesetzte Materialen nach Gewicht oder Volumen getrennt nach erneuerbaren und nicht erneuerbaren Materialien G4-EN2 Anteil der Sekundärrohstoffe am Gesamtmaterialeinsatz zur Herstellung der wichtigsten Produkte und Dienstleistungen Energie G4-EN3 Energieverbrauch innerhalb der Organisation aus erneuerbaren und nicht erneuerbaren Quellen G4-EN4 Energieverbrauch außerhalb der Organisation Standards, Methoden und Annahmen benennen G4-EN5 Energieintensität Erläuterung der Parameter des Energieintensitätsquotienten <?page no="198"?> 198 9 Nachhaltigkeit messen G4-EN6 Verringerung des Energieverbrauchs Umfang, Energieart und Berechnungsmethode G4-EN7 Senkung des Energiebedarfs für Produkte und Dienstleistungen Umfang und Berechnung der Senkung des Energiebedarfs Wasser G4-EN8 Gesamtwasserentnahme nach Quelle Umfang Seen, Flüsse, Grundwasser, Regenwasser G4-EN9 durch Wasserentnahme beeinträchtigte Wasserquellen Größe, Schutzgrad, Biodiversitätsgrad, lokale Bedeutung G4-EN10 aufbereitetes und wiederverwendetes Wasser Gesamtvolumen und Prozentsatz der Wasserentnahme Biodiversität G4-EN11 Standorte an Schutzgebieten, mit hohem Biodiversitätswert Merkmal des Schutzgebiets und Schutzstatus G4-EN12 Beschreibung erheblicher Auswirkungen auf die Biodiversität z.B. Veränderung Lebensräume, Verringerung Artenvielfalt, ... G4-EN13 geschützte oder renaturierte Lebensräume Größe, Standort, Zustand G4-EN14 Gesamtzahl der gefährdeten Arten Intensität der Gefährdung von Arten auf der roten Liste Emissionen G4-EN15 direkte THG-Emissionen (Scope 1) Emissionen aus Quellen im Eigentum der Organisation G4-EN16 indirekte energiebezogene THG-Emissionen (Scope 2) Emissionen durch Stromerzeugung, Heiz- und Kühlenergie G4-EN17 indirekte THG-Emissionen (Scope 3) Emissionen außerhalb der Organisation, vor- und nachgelagert G4-EN18 Intensität der THG- Emissionen Intensitätsquotient und dessen Berechnung G4-EN19 Reduzierung der THG- Emissionen Umfang, Berechnung, Basisjahr und Scope 1, 2 oder 3 G4-EN20 Emissionen ozonabbauender Stoffe Berechnung als FCKW- Äquivalent <?page no="199"?> 9.2 Umweltrechnungswesen 199 G4-EN21 NO X , SO X und andere signifikante Luftemissionen Angabe in kg, Benennung der Standards, Methoden, Annahmen Abwasser und Abfall G4-EN22 Gesamtvolumen der Abwassereinleitung nach Qualität und Einleitungsort G4-EN23 Gesamtgewicht des Abfalls nach Art und Entsorgungsmethode z.B. Recycling, Kompostierung, Verbrennung, Deponie, ... G4-EN24 Gesamtzahl und -volumen signifikanter Verschmutzungen z.B. durch Öl, Treibstoffe, Abfälle, Chemikalien G4-EN25 Gewicht des Abfalls, der als gefährlich eingestuft wird Abfallart: transportiert, importiert, exportiert, behandelt G4-EN26 Gewässer, die von Abwassereinleitungen betroffen sind Größe, Lebensraum, Schutzstatus, Biodiversitätsgrad Produkte und Dienstleistungen G4-EN27 Verringerung der ökologischen Auswirkungen der Produkte und DL Anzahl der Maßnahmen G4-EN28 zurückgenommene Produkte und Verpackungen Prozentsatz und Berechnung Compliance G4-EN29 Bußgelder und Strafen wegen Verstoß gegen Umweltgesetze Gesamtgeldwert sowie Anzahl nicht monetärer Strafen Transport G4-EN30 ökologische Auswirkungen durch verursachte Transporte Transporte von Produkten sowie durch die Belegschaft Insgesamt G4-EN31 Aufwendungen und Investitionen für Umweltschutz nach Art z.B. Abfallentsorgung, Sanierung, Prävention, Umweltmanagement Ökologische Lieferantenbewertung G4-EN32 ökologisch bewertete neue Lieferanten Prozentsatz G4-EN33 erhebliche ökologische Auswirkungen in der Lieferkette überprüfte Lieferanten, Auffälligkeiten, Auswirkungen, Abhilfe Beschwerdeverfahren G4-EN34 Anzahl und Verlauf ökologisch bedingter Beschwerden Anzahl eingegangener und gelöster Beschwerden Erläuterung: DL = Dienstleistungen EN = Environmental THG = Treibhausgas Tabelle 9.6: Ökologisch relevante Kennzahlen nach GRI G4 (Quelle: eigene Darstellung angelehnt an Global Reporting Initiative 2013a, S. 52ff. und 2013b, S. 85ff.) <?page no="200"?> 200 9 Nachhaltigkeit messen Im Sustainability Barometer der Leuphana Universität Lüneburg wird aufgezeigt, in welchen ökologischen Feldern die befragten Unternehmen besonders häufig Kennzahlen ermitteln: Abb. 9.12: Ökologische Felder nach der Nutzungshäufigkeit von Kennzahlen (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Schaltegger, Hörisch, Windolph, Harms 2012, S. 46) Die Messung des Energie-, Wasser- und Materialverbrauchs sowie der Emissionen, der Abwässer und Abfälle erfolgt demnach am häufigsten. Diese werden so häufig genannt, dass das Vorliegen entsprechender Kennzahlen bei den befragten großen Unternehmen fast schon generell erwartet werden kann. Praxisbeispiel Die Messung und Steuerung von CO 2 , bzw. erweitert, von Treibhausgasen, nimmt in vielen Unternehmen, nicht zuletzt durch die hohe öffentliche Aufmerksamkeit, eine bedeutende Rolle ein. Der Frage, wie Treibhausgase zu messen sind, was hierbei zu beachten ist und welche Tools hierfür genutzt werden können, beantwortet das „Greenhouse Gas Protocol“. Auf der Homepage http: / / www.ghg protocol.org werden die hierfür notwendigen Standards, die in der Unternehmenspraxis umfassend anerkannt sind, ebenso wie zahlreiche Tools zur Messung und Steuerung der Treibhausgase kostenlos zur Verfügung gestellt. Beurteilung der Öko-Kennzahlen Eine Messung, Steuerung und Berichterstattung auf Basis vielfältiger Öko- Kennziffern stellt sicher, dass nicht nur einzelne, eventuell gerade „moderne“ ökologische Aspekte betrachtet werden, sondern dass der ökologische Zustand umfassend betrachtet wird. Viele der Kennziffern sind vor allem bei großen Unternehmen heute etabliert und fester Bestandteil des Berichtswesens, wobei die GRI-Leitlinien für eine gewisse Einheitlichkeit und einen qualitativen Mindeststandard sorgen. Die Auffüh- <?page no="201"?> 9.2 Umweltrechnungswesen 201 rung im Nachhaltigkeitsbericht stellt zudem sicher, dass die Kennzahlen regelmäßig ermittelt werden und dass diese im Unternehmen unter Beobachtung bleiben. Die Bewertung einer Kennzahl kann im zeitlichen Verlauf erfolgen oder aber im Vergleich zu Wettbewerbern bzw. zur Branche. Teils gibt es gesetzliche Höchstgrenzen für ökologische Auswirkungen, die ebenfalls durch eine Kennzahl gemessen werden. Jedoch fehlt eine ökologisch zu rechtfertigende „hurdle rate“, ab der ein Unternehmen als nachhaltig anzusehen ist. Auch wenn eine ökologische Kennziffer von Jahr zu Jahr besser wird und auch besser ist als bei Wettbewerbern, ist dies keinesfalls auch absolut nachhaltig. Möglicherweise ist dies nur etwas weniger schlecht als in der Vergangenheit. Die in Kapitel 2.1 vorgestellte ökologische Managementregel, dass natürliche Ressourcen höchstens in dem Umfang verbraucht werden sollen, wie sich diese bzw. wie sich Substitute reproduzieren, dass keine Emissionen verursacht werden sollen, die die natürliche Aufnahmekapazität übersteigen und dass nichts gemacht werden soll, was die natürlichen Ökosystemdienstleistungen zerstört, definiert die Obergrenze ökologischer Eingriffe. Bei jeder Öko-Kennzahl sollte daher die Ausprägung bekannt sein, die die Einhaltung dieser Grenzen sicherstellt. Konkrete Werte liegen aber selten vor, weshalb Kennzahlen in aller Regel ausschließlich für eine relative und nicht für eine absolute Verbesserung der Nachhaltigkeit genutzt werden. Sie sind damit vor allem für die Effizienzstrategie geeignet. Dennoch können sie auch für die Konsistenz- und teils auch für die Suffizienzstrategie hilfreiche Daten liefern. Umweltchecklisten als praktisches Hilfsmittel Umweltchecklisten enthalten die für eine Bearbeitung der ökologischen Dimension notwendigen Inhalte in einer strukturierten Form. Einerseits helfen sie zur Überprüfung der Vollständigkeit der eigenen Handlungen und zur Aufdeckung von Schwachstellen und Chancen, andererseits werden sie auch als Ausgangspunkt genutzt, um das Vorgehen zu strukturieren. Die Checkliste dient damit als Aufgabensammlung, die Schritt für Schritt abgearbeitet wird. Typischerweise erfolgen externe Begutachtungen und Zertifizierungen auf Basis von Checklisten. Der externe Gutachter prüft hiermit, ob sämtliche notwendigen Anforderungen einer Zertifizierung erfüllt werden. Somit werden Checklisten zur Messung der Nachhaltigkeit genutzt. Auch für ein Nachhaltigkeitsassessment, also einer Bestandsaufnahme des Nachhaltigkeitsengagements, werden in der Regel Checklisten benutzt. Der GRI-Kriterienkatalog wurde nicht als Checkliste entwickelt, sondern als Leitfaden für die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten. Durch die große Akzeptanz des GRI-Reportingstandards und durch die weite Verbreitung der GRI-Nachhaltigkeitsberichte dient der Kriterienkatalog auch als Checkliste zur Gestaltung und Überprüfung des eigenen Nachhaltigkeitsengagements. In der Praxis sind Checklisten immer dann beliebt, wenn ein Aufgabengebiet sehr umfangreich ist oder wenn hierüber noch Unsicherheit besteht. Wer wenig erfahren ist mit Themen der Nachhaltigkeit, wird sich zumeist an solch einer inhaltlich strukturierten Themensammlung orientieren. Diese gibt die Sicherheit, dass man das <?page no="202"?> 202 9 Nachhaltigkeit messen grundsätzlich Richtige und Bewährte macht. Darüber hinaus stellt die Checkliste in sehr umfangreichen Aufgabengebieten, wie es die Nachhaltigkeit ist, schlichtweg auch sicher, dass keine Aspekte übersehen werden. Schließlich dienen „abgehakte“ Checklisten auch zur Rechtfertigung einer vollständigen Aufgabenerfüllung. Insbesondere im Bereich der Compliance, wo die Vollständigkeit der eingehaltenen Regeln sichergestellt werden muss, sind Checklisten ein hilfreiches Instrument. Checklisten stellen ein einfaches und in der Praxis beliebtes Arbeitsmittel dar. Es werden inhaltliche Mindeststandards gesetzt und deren praktische Umsetzung ermöglicht. Kleinen Unternehmen bieten Checklisten einen niedrigschwelligen Einstieg in das Nachhaltigkeitsmanagement. Großen, arbeitsteilig organisierten Unternehmen helfen Checklisten, die Vollständigkeit der Umsetzung zu gewährleisten. Die Gefahr ist hierbei jedoch, dass die vollständige Umsetzung allgemeingültiger Standards wichtiger wird als eine unternehmensindividuell angepasste Umsetzung. Die vollständig ausgefüllte Checkliste wird damit wichtiger als das tatsächliche Nachhaltigkeitsziel, zu dem die Standardcheckliste möglicherweise nur zum Teil passt. Darüber hinaus kann ein umfangreicher Einsatz von Checklisten und deren Nutzung für Zertifizierungen oder für die Beurteilung von Mitarbeiterleistungen auch zu einem taktischen Umgang führen. Checklisten dienen dann vor allem der Rechtfertigung. Die Kriterien werden soweit erfüllt, dass in der Checkliste ein Haken gesetzt werden kann. Ziel ist dabei, den Aufwand geringstmöglich zu halten, um sich nicht angreifbar zu machen. Werden Checklisten in diesem Geiste genutzt, erwächst daraus weder Engagement noch Kreativität. Komplexe Zusammenhänge können durch eine Checkliste ebenfalls nur unvollständig dargestellt werden. Eine Checkliste kann dann im Einzelfall unpassend, nicht hilfreich oder gar schädlich sein (vgl. hierzu auch Colsman 2013, S. 60f.). Social Accounting Inhalt des Social Accounting Das Social Accounting, im Deutschen Sozialrechnungswesen, verfolgt das Ziel, die sozialen Kosten und den sozialen Nutzen einer unternehmerischen Tätigkeit in einer Sozialbilanz gegenüberzustellen. Wie schon bei der Ökobilanz gesehen, ist auch die Sozialbilanz weder mit der Struktur noch mit der stark ausgeprägten Standardisierung einer betriebswirtschaftlichen Bilanz zu vergleichen. In der Literatur herrscht weder ein einheitliches Verständnis, was unter einer Sozialbilanz zu verstehen ist, noch gibt es hierzu gesetzliche Vorgaben. Unter dem Begriff der Sozialbilanz wurden in der Vergangenheit sehr unterschiedliche und vielfältige Ansätze zur Messung der sozialen Auswirkungen von Unternehmen subsumiert. Erstmals veröffentlichten Unternehmen in den 1970er Jahren Sozialbilanzen, in denen die Versorgung der Arbeitnehmer sowie erbrachte soziale Leistungen aufgezeigt wurden. Durch verschiedene Umweltkatastrophen in den 1980er Jahren sowie dem zunehmenden Umweltbewusstsein wurde das Interesse verstärkt auf Umweltberichte gelenkt. Nach der Jahrtausendwende ergänzten immer mehr Unternehmen ihre Umweltberichte um soziale Informationen, woraus <?page no="203"?> 9.3 Social Accounting 203 sich die heute üblichen Nachhaltigkeitsberichte ergaben (vgl. Fifka 2013, S. 122f.). Bei einer umfassenden Steuerung der sozialen Dimension spricht man, in Abgrenzung zum Öko- oder Green-Controlling, von einem Sozio-Controlling (vgl. Dubielzig 2009). Definition Durch das Social Accounting werden die sozialen Kosten und die sozialen Erträge aufgezeigt, die vom Unternehmen ausgehen und die von der Gesellschaft getragen werden oder ihr zugutekommen. Die Berichterstattung erfolgt regelmäßig und in einer nachvollziehbaren Systematik. Durch das Social Accounting soll die gesellschaftliche Verantwortung, welche das Unternehmen übernimmt, messbar gemacht werden. Dabei überrascht nicht, dass eine Quantifizierung teils nur unter sehr rigiden Annahmen möglich ist oder gar überhaupt nicht mehr sinnvoll erfolgen kann. So können beispielsweise zwar die Kosten einer Weiterbildungsmaßnahme gemessen werden, selten lässt sich aber der Nutzen quantifizieren. Soziale Indikatoren lassen sich insgesamt (noch) schlechter messen als ökologische Indikatoren. Von daher nimmt im sozialen Bereich der Stakeholderdialog mit der Klärung sozialer Ziele und die Umsetzung mittels geeigneter Prozesse eine größere Rolle ein (Nertinger 2015, S. 79). Zwischen Maßnahmen und ihren Wirkungen bestehen zudem oftmals nur Hypothesen, anstatt gesicherte Erkenntnisse über kausale Beziehungen. Zur Prognose möglicher Ergebnisse können aber auch hier Ursache-Wirkungs-Modellierungen genutzt werden. Die sozialen Auswirkungen der unternehmerischen Tätigkeit sind sehr vielfältig, weshalb zuerst ein Überblick über die betroffenen Personen bzw. Gruppen zu verschaffen ist: eigene Mitarbeiter (z.B. Arbeitsbedingungen, Entwicklungsmöglichkeiten, Sicherheit, ...) Mitarbeiter über die gesamte Wertschöpfungskette der Lieferanten bis hin zur Rohstoffgewinnung (z.B. Vergütung, Einhaltung Menschenrechte, Diskriminierung, ...) Kunden (z.B. Fairness, Zuverlässigkeit, Produktsicherheit, ...) Anwohner und Kommune (z.B. Gesundheitsschutz, gesellschaftliches Engagement in der Kommune, sichere Arbeitsplätze, ...) Staat (z.B. Sicherung des wirtschaftlichen Wohlstands, Ausbildung von Mitarbeitern, Schaffung von Arbeitsplätzen, Steuerzahlung, ...) Bevölkerung bzw. Gesellschaft (z.B. soziales Engagement des Unternehmens, Angebot von Arbeitsplätzen, verantwortungsvolles Handeln als Corporate Citizen, ...) Eine klare Trennung zwischen der sozialen und der ökologischen Kategorie ist nicht immer möglich. So bergen beispielsweise der Verzicht auf die Verwendung gesundheitsschädlicher Substanzen in der Produktion oder die Verringerung des Stickoxidausstosses im Anlieferverkehr sowohl ökologische als auch soziale Aspekte. Da eine <?page no="204"?> 204 9 Nachhaltigkeit messen intakte Umwelt im Interesse der Gesellschaft ist, können ökologische Ziele im weiteren Sinne auch der gesellschaftlichen Dimension zugeordnet werden. So wird beispielsweise unter dem Begriff „Corporate Social Responsibility“ eben nicht nur die soziale, sondern auch die ökologische Verantwortung zugeordnet. Da ökologische Inhalte bereits im vorangehenden Abschnitt 9.2 dargestellt wurden, wird hier der Fokus auf die sozialen Belange im engeren Sinne gelenkt. Die Sozialbilanz wird in Deutschland häufig in Anlehnung an den Arbeitskreis „Sozialbilanz-Praxis“, der sich bereits in den 1970er Jahren aus mehreren Unternehmen zusammensetzte und Standards diskutierte, untergliedert. Demnach setzen sich diese aus drei Bestandteilen zusammen: [1] Sozialbericht: Verbale Beschreibung der gesellschaftsbezogenen Ziele und Maßnahmen, ggf. quantitativ belegt. [2] Wertschöpfungsrechnung: Der Ausweis des den Kapitelgebern zustehenden Gewinns wird erweitert um die für die anderen Stakeholder geschaffenen finanziellen Werte. [3] Sozialrechnung: Ermittlung der für die Gesellschaft erbrachten Leistungen („gesellschaftsbezogene Aufwendungen“: z.B. Löhne, Steuern, Spenden, Umweltschutzkosten,…) und der von der Gesellschaft für das Unternehmen erbrachten Leistungen („gesellschaftsbezogene Erträge“: z.B. Infrastruktur, Subventionen,…) Eigenständige Sozialberichte und Sozialrechnungen findet man heute in den Unternehmen nur selten. Eine Ausnahme bilden mehrere genossenschaftlich organisierte Banken. In gesonderten Sozialberichten wird über das soziale Engagement in Form finanzieller Zuwendungen an verschiedene gesellschaftliche Gruppen berichtet, teils finden sich auch Ausführungen über soziale Leistungen gegenüber den Mitarbeitern. Andere Unternehmen veröffentlichen teilweise auch Wertschöpfungsrechnungen. In der Regel erfolgt die Berichterstattung über soziale Belange jedoch integriert im Nachhaltigkeitsbericht und hierbei ausgerichtet an den jeweiligen Berichtsstandard, zumeist also dem GRI. Im Folgenden wird daher zum einen die Wertschöpfungsrechnung vorgestellt und zum anderen werden die Sozialindikatoren gemäß GRI G4 aufgeführt. Wertschöpfungsrechnung Die Wertschöpfungsrechnung wird von Unternehmen teilweise im Geschäftsbzw. im Lagebericht veröffentlicht. Dabei interessiert einerseits der Wert, den das Unternehmen insgesamt geschaffen hat. Um wie viel liegt also der Umsatz des Unternehmens über dem Wert der eingesetzten Vorprodukte, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie der Inanspruchnahme von Anlagevermögen, gemessen durch die Abschreibungen? In diesem Umfang wurde Wert geschaffen. Zweitens interessiert, wer in welchem Umfang von dieser Wertschöpfung profitiert hat: wie wird der Kuchen also verteilt. Die Entstehung und Verwendung der Wertschöpfung am Beispiel des Stapler- und Förderzeugeherstellers Jungheinrich AG zeigt folgende Abbildung: <?page no="205"?> 9.3 Social Accounting 205 Abb. 9.13: Wertschöpfung - Entstehung und Verwendung bei der Jungheinrich AG (Quelle: eigene Darstellung angelehnt an Jungheinrich Geschäftsbericht 2014) Beim Baukonzern Hochtief AG stellt sich die Wertschöpfung folgendermaßen dar: Abb. 9.14: Wertschöpfung - Entstehung und Verwendung bei der Hochtief AG (Quelle: eigene Darstellung angelehnt an Hochtief Geschäftsbericht 2018) <?page no="206"?> 206 9 Nachhaltigkeit messen Zieht man vom Umsatz (bzw. den erbrachten Unternehmensleistungen) die Material- und Sachkosten (z.B. Vorprodukte, Rohstoffe, Betriebsstoffe, ...) sowie die Abschreibungen ab, verbleibt die Nettowertschöpfung. Dieser geschaffene Wert wird auf die Mitarbeiter, den Staat, die Kreditgeber, die Aktionäre sowie auf einen im Unternehmen verbleibenden Anteil verteilt. Die Größe dieser Anteile erlaubt ein Urteil zu den gesellschaftlichen Wirkungen des Unternehmens. So kommen bei Jungheinrich 82,7% und bei Hochtief 83,5% des geschaffenen Wertes den Mitarbeitern und dem Staat, also direkt der Gesellschaft zugute. Die Aktionäre erhalten bei Jungheinrich 2,9%, bei Hochtief (inkl. Zahlungen an andere Gesellschafter) 11,0%. Zur Bewertung dieser Anteile kann deren Entwicklung im Zeitverlauf oder im Vergleich zu anderen Unternehmen erfolgen. Beurteilung der Wertschöpfungsrechnung Die Wertschöpfungsrechnung nutzt somit die im Rechnungswesen vorliegenden Daten und zeigt den finanziellen Nutzen verschiedener Gruppen auf. Insgesamt werden hierdurch aber nur in einem geringen Umfang soziale Aspekte erfasst. Die Entstehung der Wertschöpfung wird überhaupt nicht berücksichtigt, obwohl vor allem hierbei kritische soziale Aspekte auftreten können. Die Wertschöpfungsrechnung beschränkt sich auf den finanziellen Nutzen, klammert soziale Kosten aber aus. Diese sind so vielgestaltig, dass sie zum großen Teil im Rechnungswesen nicht erfasst werden. Daher werden sozial relevante Aspekte zumeist über Indikatorenkataloge erfasst. Sozialindikatoren Die GRI-G4 stellen einen umfassenden Katalog an Sozialindikatoren zur Verfügung, über die Unternehmen, sofern die Indikatoren für sie wesentlich sind, berichten sollen. Die Sozialindikatoren werden dabei in vier Bereiche aufgeteilt: Arbeitspraktiken und menschenwürdige Beschäftigung Menschenrechte Gesellschaft Produktverantwortung Zahlreiche Indikatoren sind quantitativ. Im Vergleich zu früheren Versionen der GRI hat die quantitative Darstellung von Sozialindikatoren deutlich an Bedeutung gewonnen. Hiermit einher geht auch eine vorrangige Betrachtung von Wirkungen anstatt von reinen Inputgrößen. Durch den Quasi-Standard der GRI sind diese Indikatoren auch in der Unternehmenspraxis besonders bedeutsam. Im Folgenden findet sich eine Zusammenfassung der Sozialindikatoren gemäß GRI-G4 (vgl. Global Reporting Initiative, 2013a, S. 145ff.): <?page no="207"?> 9.3 Social Accounting 207 A sp Indikator Unterkategorie: Arbeitspraktiken und menschenwürdige Beschäftigung Beschäftigung G4-LA1 Neueinstellungen und Fluktuation G4-LA2 Betriebliche Sozialleistungen für Vollbeschäftigte G4-LA3 Rückkehrrate nach Elternzeit Arbeitgeber- Arbeitneh mer- Verhältnis G4-LA4 Mitteilungsfrist vor signifikanten betrieblichen Änderungen Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz G4-LA5 Anteil Mitarbeiter in formellen Arbeitgeber- Arbeitnehmer-Ausschüssen G4-LA6 Verletzungen und Todesfälle G4-LA7 Erkrankung durch Beschäftigung G4-LA8 formelle Vereinbarungen mit Gewerkschaften zu Gesundheit und Sicherheit Aus- und Weiterbildung G4-LA9 Stundenzahl für Aus- und Weiterbildung G4-LA10 Programme für lebenslanges Lernen zur SicherungderBeschäftigungsfähigkeit G4-LA11 regelmäßige Mitarbeiterbeurteilung Vielfalt/ Chancengleichheit G4-LA12 Diversität der Mitarbeiter und der Kontrollorgane Gleicher Lohn für Männer und Frauen G4-LA13 Grundgehalt bei Frauen und bei Männern Bewertung der Lieferanten hinsichtlich Arbeitspraktiken G4-LA14 auf Arbeitspraktiken überprüfte neue Lieferanten G4-LA15 negative Auswirkungen auf Arbeitspraktiken in der Lieferkette und ergriffene Maßnahmen Beschwerdeverfahren hinsichtlich Arbeitspraktiken G4-LA16 Anzahl Beschwerden in Bezug auf Arbeitspraktiken Unterkategorie: Menschenrechte Investitionen G4-HR1 Menschenrechtsklauseln bei signifikanten Investitionsvereinbarungen G4-HR2 Schulungsumfang zu Menschenrechten Gleichbehandlung G4-HR3 Anzahl Diskriminierungsvorfälle und Maßnahmen <?page no="208"?> 208 9 Nachhaltigkeit messen Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen G4-HR4 eigene Standorte und Lieferanten, bei denen die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen verletzt wurde, Maßnahmen Kinderarbeit G4-HR5 eigene Standorte und Lieferanten mit Kinderarbeit Zwangs- und Pflichtarbeit G4-HR6 eigene Standorte und Lieferanten mit Zwangs- und Pflichtarbeit Sicherheitspraktiken G4-HR7 Sicherheitspersonal geschult zu Menschenrechten Rechte derindigenen Bevölkerung G4-HR8 Vorfälle, bei denen Rechte der indigenen Bevölkerung verletzt wurden Prüfung G4-HR9 Standorte, die auf Menschenrechte überprüft wurden Bewertung derLieferanten hinsichtlich Menschenrechte G4-HR10 auf Menschenrechtskriterien überprüfte neue Lieferanten G4-HR11 erhebliche negative menschenrechtliche Auswirkungen in der Lieferkette und Maßnahmen Beschwerdeverfahren bei Menschenrechtsverletzungen G4-HR12 formell eingereichte Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen Unterkategorie: Gesellschaft lokale Gemeinschaften G4-SO1 Standorte mit Maßnahmen zur Einbindung lokaler Gemeinschaften G4-SO2 Tätigkeiten mit erheblichen negativen Auswirkungen auf lokale Gemeinschaften Korruptionsbekämp fung G4-SO3 Standorte, die auf Korruptionsrisiken überprüft wurden G4-SO4 Schulungen über Korruptionsbekämpfung G4-SO5 Korruptionsfälle und ergriffene Maßnahmen Politik G4-SO6 Wert der politischen Spenden nach Empfänger wettbewerbswidriges Verhalten G4-SO7 Verfahren wegen wettbewerbswidrigem Verhalten Compliance G4-SO8 Strafen wegen Nichteinhaltung von Gesetzen und Vorschriften <?page no="209"?> 9.3 Social Accounting 209 Bewertung der Lieferanten hinsichtlich ge sellschaftlicher Auswir kungen G4-SO9 Überprüfte neue Lieferanten auf gesellschaftliche Auswirkungen G4-SO10 negative gesellschaftliche Auswirkungen in der Lieferkette und ergriffene Maßnahmen Beschwerdeverfahren hinsichtlich gesell schaftlicher Auswirkungen G4-SO11 formelle Beschwerdeverfahren in Bezug auf Auswirkungen auf die Gesellschaft Unterkategorie: Produktverantwortung Kundengesundheit und -sicherheit G4-PR1 auf Gesundheit und Sicherheit überprüfte Produkte und Dienstleistungen, Verbesserungspotenziale G4-PR2 Verstöße gegen Gesundheits- und Sicherheitsstandards von Produkten und Dienstleistungen G4-PR3 Produktinformationen über Herkunft, Zusammensetzung und sicherer Nutzung Kennzeichnung von Produkten und Dienstleistungen G4-PR4 Nichteinhaltung der Informationsvorschriften und Art der Folgen G4-PR5 Ergebnisse von Kundenzufriedenheitsbefragungen Marketing G4-PR6 Verkauf verbotener oder umstrittener Produkte G4-PR7 Verletzung von Vorschriften und freiwilligen Regeln durch die Werbung Schutz der Privatsphäre von Kunden G4-PR8 Beschwerden wegen Verletzung der Privatsphäre von Kunden und Verlust von Kundendaten Compliance G4-PR9 Bußgelder wegen Gesetzesvorstößen bei der Bereitstellung und Nutzung von Produkten Tabelle 9.7: Sozial relevante Kennzahlen nach GRI G4 (Quelle: eigene Darstellung angelehnt an: Global Reporting Initiative 2013a, S. 52ff. und 2013b, S. 85ff.) Innerhalb der gesellschaftlichen GRI-Indikatoren finden sich in einem großen Umfang solche, die der Compliance zuzuordnen sind. Verstöße gegen Gesetze und Regelungen sollen vermieden werden und Maßnahmen, um deren Eintreten zu begrenzen, möglichst umfangreich ergriffen werden. So sollen also beispielsweise im Unternehmen und bei Lieferanten Sozialstandards eingehalten werden (G4-LA15, G4- LA16) und zur Sicherstellung sollen die Lieferanten hierauf überprüft werden (G4- LA14). Oder die Produkte sollen nicht gegen Gesundheits- und Sicherheitsstandards <?page no="210"?> 210 9 Nachhaltigkeit messen verstoßen (G4-PR2) und deshalb sollen diese hierauf überprüft werden (G4-PR1). Hierbei ist also nicht die Rendite, also die ökonomische Denkweise vorherrschend, sondern die juristische. Es geht um die Einhaltung von Vorgaben und um die dafür ergriffenen Maßnahmen. Bei den GRI-Indikatoren finden sich in einem deutlich geringeren Umfang solche, die in eine ökonomische Kategorie fallen. Dies sind Maßnahmen, die der Effizienz- oder der Konsistenzstrategie zugeordnet werden können (vgl. Kapitel 8.2). Solche Maßnahmen bzw. Investitionen sollen entweder die Effizienz steigern, also z.B. die Kosten verringern, oder die Konsistenz bzw. die Effektivität steigern, also die Ausgaben auf zielführende Maßnahmen lenken. Hierzu können allenfalls der Umfang an Aus- und Weiterbildung (G4-LA9), die Maßnahmen zur Sicherstellung der Beschäftigungsfähigkeit (G4-LA10), die Schulungen über Korruptionsbekämpfung (G4-SO4) oder die Schulung von Sicherheitspersonal über Menschenrechte (G4-HR7) zugerechnetwerden. Die praktische Bedeutung der verschiedenen, im GRI-Katalog aufgeführten sozialen Aspekte, wird im Sustainability Barometer der Leuphana Universität Lüneburg aufgeführt: Abb. 9.15: Praktische Bedeutung sozialer Aspekte im GRI-Katalog (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Schaltegger, Hörisch, Windolph, Harms 2012, S. 46) Fast alle der befragten Unternehmen messen Sozialindikatoren in den Feldern Arbeitsschutz und -sicherheit (z.B. Anzahl Arbeitsunfälle, Durchführung von Arbeitsschutzmaßnahmen), Arbeitsplätze und Beschäftigung (z.B. Einstellung von Mitarbeitern, Fluktuation) und Aus- und Weiterbildung (z.B. Weiterbildungstage, regelmäßige Mitarbeiterbeurteilung). In einem hohen Umfang werden zudem noch Indikatoren aus <?page no="211"?> 9.3 Social Accounting 211 dem Bereich Vielfalt und Chancengleichheit erfasst (z.B. Anteil weiblicher Führungskräfte, Anzahl behinderter Mitarbeiter, Diversität derKontrollorgane). Beurteilung der Sozialindikatoren Die GRI-Sozialindikatoren lassen sich recht einfach messen, wobei sie auch so ausgewählt wurden, dass eine Quantifizierung erleichtert wird. Von Vorteil ist, dass sehr verschiedenartige soziale Aspekte berücksichtigt werden. Wie auch schon bei den ökologischen Indikatoren angemerkt, fehlt zumeist eine eindeutige Orientierung, welche Ausprägung eines Indikators zufriedenstellt. Dies gilt beispielsweise für die Bewertung des gesellschaftlichen Engagements durch die Höhe von Spenden an politische Parteien oder die Messung der Kundenzufriedenheit durch Befragungen. Einfacher fällt die Bewertung hingegen bei Kriterien, die überhaupt nicht verletzt werden sollten, wie etwa Verstöße gegen Menschenrechte oder wettbewerbswidriges Verhalten. Social Audit Ein Audit ist eine Überprüfung, ob Standards, Prozesse und Regeln eingehalten werden. In einem Social Audit wird dementsprechend überprüft, ob soziale und ethische Standards, Prozesse und Regeln eingehalten werden. Die Regeln können Gesetze oder unternehmensinterne Vorgaben, Standards können beispielsweise die GRI-Indikatoren, der Deutsche Nachhaltigkeitskodex oder der UN Global Compact sein. Schließlich können die zu überprüfenden Prozesse aus einem Sozialmanagementsystem stammen, etwa SA8000 oder ISO 26000. Ein Social Audit misst damit, ob und in welcher Ausprägung ein Unternehmen die soziale Dimension der Nachhaltigkeit erfüllt. Umfassende Audits decken Schwachstellen auf, die später zu Reputationsschäden oder gar zu Gesetzesverstößen führen können. Social Audits können entweder unternehmensintern oder unternehmensextern durchgeführt werden. Ein externes Audit bietet sich an, wenn intern das Know-how nicht zur Verfügung steht, wenn die Einschätzung eines unabhängigen Experten gewünscht wird oder wenn die Einhaltung der Standards Dritten gegenüber glaubwürdig in Form einer Zertifizierung dokumentiert werden soll. Externe Social Audits werden beispielsweise von den meisten großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder auch von spezialisierten Beratungsbzw. Zertifizierungsgesellschaften angeboten. Link mit einem Beispiel: KPMG: https: / / home.kpmg.com/ de/ de/ home/ services/ audit/ assurance/ social-audit.html Soziale Wirkungsanalyse Soziale Maßnahmen werden, sofern sie nicht aus rechtlichen Gründen zwingend sind, oftmals als „Luxus“ angesehen. Diese könne man sich in wirtschaftlich guten Zeiten leisten, nicht aber, wenn das Ergebnis unter Druck gerät. Verzichtbar sind dann solche Maßnahmen, die weder gesetzlich gefordert noch rentabel sind. Ob sozia- <?page no="212"?> 212 9 Nachhaltigkeit messen le Maßnahmen nicht aber auch rentabel sein können, ist selten bekannt. Die Messung der Wirkungen und der Rendite sozialer Maßnahmen hat die Methodik des „Social Return on Investment“ (SROI) zum Ziel. Soziale Maßnahmen werden damit nicht nur als Kosten erfasst, sondern auch als eine vorteilhafte Investition. Der Social Return on Investment, im Deutschen auch als „Sozialrendite“ bezeichnet, ist eine Kennzahl, die in Anlehnung an die ökonomische Kennzahl “Return on Investment” die Wirkungen sozialer Leistungen misst. Dies ist eine bewusste Abkehr davon, dass nur der Input (wie viel Geld wurde in ein soziales Projekt investiert? ) und die erbrachten sozialen Leistungen (wie viele Beratungsgespräche wurden geführt? ) gemessen werden. Dieses Konzept wurde entwickelt, um den Erfolg von Non-Profit-Organisationen dergestalt zu messen, wie dies bei der Messung des wirtschaftlichen Erfolgs längst üblich ist. Soziale Unternehmen und Einrichtungen werden daran gemessen, ob sie mehr an die Gesellschaft zurückgeben, als diese ihnen zuvor Mittel zur Verfügung gestellt hat. Es wird der gesellschaftliche Mehrwert gemessen, der aus einem sozialen Projekt resultiert. Die Wirkung verschiedener Maßnahmen wird transparent, sie werden vergleichbar, können entsprechend priorisiert und die Ergebnisse können nachgewiesen werden. Der SROI kann somit zu einer Neubewertung sozialer Maßnahmen führen. Ebenso fördert er ein konsequentes Weiterdenken vom alleinigen Glauben, dass soziale Maßnahmen schon irgendwie förderlich sind, hin zu einer konkreten Untersuchung der verschiedenen Wirkungen dieser Maßnahmen. Im Verteilungskampf um knappe finanzielle Mittel können somit Beweise vorgelegt anstatt nur Überzeugungen verkündet werden (vgl. Halfar 2013). Auch wenn der SROI im Hinblick auf soziale Unternehmen entwickelt wurde, lässt er sich grundsätzlich auch auf soziale Maßnahmen von Wirtschaftsunternehmen übertragen. Die Unternehmen können hiermit die Auswirkungen ihrer sozialen Leistungen bewerten und dies gegenüber ihren Stakeholdern kommunizieren. In der Praxis wird der SROI Stand heute aber überwiegend von sozialen Einrichtungen und Organisationen mit öffentlichem Auftrag benutzt. Beispiele sind hierfür etwa die Ermittlung des SROI bei Kindergärten, Hochschulen, Behindertenwerkstätten oder bei Einrichtungen für Menschen mit sozialen Schwierigkeiten. In den letzten Jahren gewann der SROI in sozialen Einrichtungen stark an Bedeutung und es wurden verschiedene Untersuchungen durchgeführt und veröffentlicht. Bei sozialen Maßnahmen spielt im Vergleich zu wirtschaftlichen Maßnahmen nicht die Steigerung des Gewinns oder Unternehmenswertes eine besondere Rolle, sondern es sollen die sozialen Erwartungen der Stakeholder erfüllt werden. Nicht selten sind diese nur ungenau oder überhaupt nicht spezifiziert. Unklare Ziele haben aber eine unklare Steuerung zur Folge. Die Anwendung des SROI erfordert daher, die Ziele der Stakeholder deutlich herauszuarbeiten, die Auswirkung unternehmerischer Maßnahmen auf diese Ziele abzuschätzen und den Stakeholdern hierüber Transparenz zu verschaffen. Es erfolgt also ein systematisches Wirkungscontrolling, weshalb die Beurteilung sozialer Maßnahmen nicht mehr nur eine Frage der Wertevorstellung und der persönlichen Überzeugung ist. <?page no="213"?> 9.3 Social Accounting 213 Die Wirkungen sozialer Maßnahmen können hierbei auf verschiedenen Ebenen gemessen werden. Die International Group of Controlling unterscheidet vier Wirkungsebenen des Controllings bei Non-Profit-Organisationen, die auch auf soziale Investitionen bei wirtschaftlich orientierten Unternehmen übertragen werden können (vgl. International Group of Controlling 2010). Vier Wirkungsebenen sozialer Maßnahmen: Output Der Output ist das direkte quantitative Leistungsergebnis und damit Ausgangspunkt für die daraus entstehenden Wirkungen. Dies können beispielsweise die Anzahl an Gesundheitskursen oder die zur Verfügung gestellten Plätze im Betriebskindergarten sein. Outcome Dieser erfasst die weitergehenden Effekte des Outputs und somit den daraus entstehenden gesellschaftlichen Nutzen. Outcome der Gesundheitskurse wäre beispielsweise ein Rückgang der Krankheitsquote mit einer Verringerung der Krankheitskosten für die Unternehmen oder eine höhere Erwerbsquote von Frauen aufgrund des Ausbaus von Betriebskindergärten. Effect Ein Effect misst die tatsächliche Wirkung für die einzelnen Stakeholder, wie etwa weniger Rückenschmerzen bei Mitarbeitern nach einem Kurs zur ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung oder weniger Ausfalltage bei Mitarbeiterinnen seit Eröffnungdes Betriebskindergartens. Impact Impacts sind die persönlichen, subjektiv empfundenen Auswirkungen bzw. Reaktionen auf Output, Outcome und Effect. Durch den Rückgang der Rückenschmerzen fühlt sich ein Mitarbeiter leistungsfähiger und kann sich besser konzentrieren. Die Zufriedenheit der Mitarbeiterin, die ihr Kind im Betriebskindergarten versorgt weiß, hat zugenommen und der Stresspegel ist gesunken. Traditionell werden im Controlling der Output und die hierfür angefallenen Kosten gemessen: Was kostet dem Unternehmen ein Platz im Betriebskindergarten pro Jahr? Wie viele ergonomische Arbeitsplätze können mit einem Betrag x eingerichtet werden? Was kostet der Zuschuss zur Betriebskantine je Mitarbeiter? ... Durch die Gegenüberstellung von Output und Input wird somit die Effizienz gemessen. Bekanntermaßen sagt die Effizienz zwar etwas über die Wirtschaftlichkeit aus, nicht aber über den Sinn einer Maßnahme, ob sie also auch einen Beitrag zur Zielerreichung leistet. Die Messung der Effektivität erfordert hingegen den Einbezug der Wirkungen, die durch eine soziale Maßnahme beabsichtigt sind. Effektiv ist eine Maßnahme, wenn sie die gewünschte Wirkung entfaltet. <?page no="214"?> 214 9 Nachhaltigkeit messen Abb. 9.16: Wirkungsebenen sozialer Maßnahmen (Quelle: eigene Darstellung angelehnt an das Modell der vier Wirkungsarten bei Non-Profit-Organisationen der International Group of Controlling, vgl. Halfar 2009, S. 7) Die International Group of Controlling empfiehlt, die verschiedenen Wirkungen sozialer Maßnahmen getrennt nach den unterschiedlichen Stakeholdern zu erfassen. Werden vier Stakeholder-Gruppen unterschieden, ergeben sich insgesamt 16 Felder, bei denen jeweils die Wirkungsziele mit geeigneten Indikatoren bzw. Kennzahlen versehen werden können. Dabei sind aber nicht in jedem Falle stets auch alle Felder relevant, weshalb eine geeignete Auswahl zu treffen ist. Die Aufgliederung der Wirkungen ist zumeist eine Voraussetzung dafür, dass diese operationalisiert und gemessen werden können. So ist etwa die Verringerung der Krankheitstage der Mitarbeiter oder die Senkung der medizinischen Ausgaben einfacher zu messen als beispielsweise die Steigerung des Wohlbefindens. einzelner Wirkungsempfänger interne Stakeholder externe Stakeholder Finanziers Outcome Effect Impact Output Tabelle 9.8: Stakeholderbezogene Wirkungsmatrix <?page no="215"?> 9.3 Social Accounting 215 Um die finanziellen Auswirkungen sozialer Maßnahmen sichtbar zu machen, wird ein umfassendes Modell der direkten und indirekten Zusammenhänge und der kurzbis langfristigen Wirkungen benötigt. Auf Basis eines solchen Modells können die finanziellen Wirkungen gemessen bzw. geschätzt werden. Beispiel: BASF SE Die BASF SE führte für ihre Betriebskindertagesstätte „LuKids“ eine SROI-Analyse durch und ermittelte hierbei u. a. folgende Aufwendungen: - Zahlungen des Unternehmens für den Betrieb der Kindertagesstätte - Zuschüsse des Staates - Beiträge der Eltern Andererseits ergaben sich auch vielfältige finanzielle Vorteile, die bei den verschiedenen Stakeholdern anfielen. Dies waren beispielsweise: höhere Gehälter durch den schnelleren Wiedereinstieg in den Beruf, vor allem der Mütter - Einsparungen bei staatlichen oder kirchlichen Kindertagesstättenbetreibern, da weniger Plätze zur Verfügung gestellt werden müssen - Einsparungen bzw. Mehrertrag im Unternehmen, da erfahrene Mitarbeiter eingesetzt werden können eine höhere Beschäftigung und unternehmerischer Erfolg erhöhen die Steuereinnahmen des Staates Insgesamt wurden jährliche Kosten in Höhe von 1,152 Mio. € für 85 Betreuungsplätze ermittelt. Diesen wurden monetarisierte Erträge in Höhe von 1,665 Mio. € gegenübergestellt. Daraus ergibt sich ein SROI in Höhe von 1,44 - die Erträge übersteigen die Kosten also um das 1,44-fache. Alleine die Betrachtung finanzieller Größen lässt den Betrieb der Kindertagesstätte somit rentabel erscheinen. Die verschiedenen Stakeholder profitieren hiervon aber unterschiedlich stark, was eine stakeholderbezogene Berechnung des SROI zeigt: - SROI Staat: 5,98 - SROI Mitarbeiter: 1,78 - SROI BASF: 1,02 Aufgrund einer nur geringfügigen finanziellen Unterstützung des Staates profitiert dieser am meisten von der Betriebskindertagesstätte. Für BASF verbleibt ebenfalls ein positiver Effekt, wenn auch nur knapp. Nicht monetarisiert wurden jedoch Faktoren wie die gesteigerte Motivation der Mitarbeiter, das bessere Arbeitsklima und die stärkere Bindung an das Unternehmen. Diese Wirkungen konnten jedoch ebenfalls als besonders signifikant nachgewiesen werden (vgl. Stahlschmidt 2015, S. 200ff.). Der Blick auf die Wirkungen anstatt nur auf den Output ermöglicht ein wirkungsorientiertes Controlling und die gezielte Weiterentwicklung der positiven Wirkungen. Traditionell wurde vor allem die Effizienz der sozialen Maßnahme gemessen, <?page no="216"?> 216 9 Nachhaltigkeit messen also etwa die Kosten je zur Verfügung gestelltem Kindertagesstättenplatz. Durch den SROI wird hingegen die Effektivität gemessen, also die Vorteilhaftigkeit einer Maßnahme insgesamt. Bei einem SROI kleiner als 1 hätte das Wirkungscontrolling das Ziel, geeignete Maßnahmen zu finden, welche Wirkungen erhöhen oder die Kosten verringern. Auch bei großen Unterschieden zwischen den verschiedenen Stakeholdern könnte ein Wirkungscontrolling beitragen, die Kosten und die Wirkungen gerechter zu verteilen. Das grundlegende Vorgehen zur Ermittlung des SROI ist dabei folgt: Klärung, welche Personen bzw. Gruppen als Stakeholder betroffen sind Ermittlung der Investitionen für die soziale Maßnahme Aufbau des Wirkungsmodells und Verknüpfung des Inputs mit den verschiedenen Wirkungen auf die Stakeholder Messung der Wirkungen auf die Stakeholder auf Basis eines quantitativen oder qualitativen Untersuchungsdesigns, ggf. Nutzung vorhandenen Datenmaterials Monetarisierung der erzielten Wirkungen, sofern möglich, auf Basis von Kosten (entstehende oder vermiedene) oder auf Basis von Präferenzen (Erfragung des Wertes eines Gutes oder einer Dienstleistung) Gegenüberstellung des Inputs und der Wirkung, Berechnung desSROI Praxisbeispiel Für ein kirchlich betriebenes Männerwohnheim in Bayern wurden jährliche Kosten in Höhe von 1,8 Millionen Euro ermittelt. Mit Hilfe eines Wirkungsmodells wurden verschiedene Verhaltensänderungen der Bewohner berücksichtigt und bewertet. Dies sind etwa Veränderungen in der Straffälligkeit, einer geringeren Verschuldung, einer Integration in das Arbeitsleben, die Rückkehr in eine eigene Wohnung und der Erwerb von Sozialkompetenzen. Je eingesetztem Euro wurde ein kurzfristiger Rückfluss von 0,96 € ermittelt. Mit Berücksichtigung der eher mittelfristig wirkenden gesteigerten Sozialkompetenzen erhöhte sich der Rückfluss auf 1,11 € je eingesetztem Euro. Eine differenzierte Erfassung der verschiedenen Wirkungen sowie eine Aufgliederung auf die verschiedenen Stakeholder ermöglicht eine Bewertung der sozialen Maßnahme sowie eine zielgerichtete Weiterentwicklung. (vgl. Halfar 2013, online verfügbar: http: / / www.caritas.de/ neue-caritas/ heftarchiv/ jahrgang 2013/ artikel/ die-wirkung-sozialer-arbeit-ist-messbar) Beurteilung der sozialen Wirkungsanalyse Die soziale Wirkungsanalyse verschafft einen erweiterten und strukturierten Einblick in die Effekte sozialer Maßnahmen. Trotz teils nur begrenzt vorhandener Daten können soziale Maßnahmen zumeist fundierter bewertet werden. Der SROI erhebt keinesfalls den Anspruch, die Wirkung sozialer Maßnahmen vollumfänglich zu erfassen. Es wird versucht, sämtliche finanziellen Auswirkungen zu erfassen und hier- <?page no="217"?> 9.4 Messung der ökonomischen Nachhaltigkeit 217 über informiert die SROI-Kennzahl. Nicht oder zweifelhaft monetär erfassbare Wirkungen sind daher zusätzlich zum SROI qualitativ zu beschreiben und im Bericht sichtbar zu machen. Schließlich besteht ansonsten die Gefahr, dass soziale Maßnahmen nur noch aus finanzieller Sicht bewertet werden. Das Soziale ist dann nicht mehr das eigentliche Ziel, sondern hängt von der Rentabilität ab. Eine dominant finanzielle Bewertung wäre genauso unvollständig wie ein Verzicht auf die Beachtung finanzieller Wirkungen. Die SROI-Kennziffer ist demnach immer nur ein Bestandteil einer Gesamtanalyse. Link: Ein praktischer Leitfaden zur Ermittlung des SROI ist kostenlos verfügbar unter: http: / / socialvalueuk.org/ what-is-sroi/ the-sroi-guide Messung der ökonomischen Nachhaltigkeit Wesentlich für das Nachhaltigkeitscontrolling ist die Erweiterung der ökonomischen Betrachtungsweise um eine ökologische und eine soziale Dimension. Diese sind dabei nicht nur isoliert zu betrachten, sondern es bestehen vielgestaltige gegenseitige Abhängigkeiten. Innerhalb der ökonomischen Dimension bedeutet Nachhaltigkeit vor allem eine Ausrichtung am langfristigen wirtschaftlichen Erfolg. So wird in den Medien häufig den Unternehmen, die ihre Steuerung an einer Steigerung des Shareholder Values ausrichten, vorgeworfen, nur kurzfristig zu agieren, dem langfristigen Erfolg des Unternehmens zu schaden und damit eben nicht nachhaltig zu sein. Es ist also insbesondere das übergeordnete wirtschaftliche Ziel, oftmals ausgedrückt als eine ökonomische Spitzenkennzahl, die das tatsächliche wirtschaftliche Verhalten im Unternehmen beeinflusst. Diese Spitzenkennzahl ist zugleich Ausgangspunkt für ein Steuerungsbzw. Kennzahlensystem, das sämtliche der Spitzenkennzahl untergeordneten Teilziele in Form eines Ursache-Wirkungsdiagramms strukturiert darstellt. Am bekanntesten dürfte hierbei das nach dem amerikanischen Chemie-Unternehmen benannte „DuPont-Kennzahlensystem“ (im Original: DuPont-System of Financial Control) sein, das als Spitzenkennzahl die Gesamtkapitalrendite, also den Return on Investment (ROI), nutzt. Dieses bereits aus dem Jahre 1919 stammende System nutzt ausschließlich monetäre, ökonomisch relevante Faktoren, die den ROI beeinflussen. Die Daten sind dem Rechnungswesen zu entnehmen und für das Controlling dahereinfach verfügbar. Dieses Kennzahlensystem wurde in der Vergangenheit vielfach erweitert und abgewandelt. So liegen vergleichbare Systeme auch für wertorientierte Kennziffern, wie dem Economic Value Added (EVA), vor. Zudem existieren zahlreiche, unternehmensindividuell ausgestaltete Kennzahlensysteme. Entscheidend für die Eignung zur langfristig ausgerichteten Unternehmenssteuerung ist somit die Spitzenkennzahl als Wurzel des Kennzahlenbaums. Diese sollen im Folgenden auf ihre Eignung zur langfristig ausgerichteten Steuerung untersucht werden. <?page no="218"?> 218 9 Nachhaltigkeit messen Abb. 9.17: DuPont-Kennzahlensystem Eine Kennzahl, welche über den langfristigen Erfolg eines Unternehmens informieren soll, muss in ihre Berechnung selbstverständlich den zukünftigen Erfolg einbinden. Zumindest wäre es notwendig, dass eine Kennzahl über die Erfolgspotenziale informiert, die eine Voraussetzung für zukünftigen Erfolg sind. Eine von der Methode her sehr langfristige Ausrichtung hat der von Alfred Rappaport 1986 veröffentlichte Shareholder Value. Dies ist der Barwert aller zukünftigen freien Cash flows, also aller betrieblichen Einzahlungsüberschüsse, die an die Fremd- und Eigenkapitalgeber ausgeschüttet werden können. Es handelt sich damit um eine Zahlungsgröße, bei der sämtliche betrieblichen Ausgaben und auch Investitionen bereits getätigt wurden. Dieser freie Cash flow ist quasi übrig und kann somit an die außenstehenden Kapitalgeber bezahlt werden. Sofern auf Investitionen verzichtet wird, können kurzfristig die Zahlungen an die Kapitalgeber auch erhöht werden. Dies muss aber keinesfalls im Interesse der Kapitalgeber sein. Sofern Investitionen im Unternehmen rentabler sind als außerhalb, soll das Geld am Ort der rentabelsten Verwendung bleiben, also im Unternehmen. Ausschüttungen würden somit den Shareholder Value sogar verringern. Kapitalgeber wünschen keine Ausschüttung, wenn deshalb attraktive Investitionen unterlassen werden, die zukünftig noch höhere Ausschüttungen ermöglicht hätten. Eine am Shareholder Value ausgerichtete Unternehmenssteuerung, so einseitig sie durch den Ausschluss anderer Stakeholder auch sein mag, ist keinesfalls an kurzfristigen Zielen ausgerichtet. Es wird stets abgewogen, ob wei- <?page no="219"?> 9.4 Messung der ökonomischen Nachhaltigkeit 219 tere Investitionen im Unternehmen für die Kapitalgeber attraktiver sind als sofortige Ausschüttungen. Dieser Abgleich erfolgt durch die Barwertmethode und dem Diskontierungszins: bei einem Marktzins von 10% wird das Unternehmen freie Finanzmittel in Höhe von 100 nicht ausschütten, sondern selber investieren, wenn aus diesen in einem Jahr 115 werden. Der Kapitalwert dieser Investition ist positiv und damit wertsteigernd. Es ist daher im Interesse der Shareholder, dass das Geld nicht ausgeschüttet wird. In den Medien, selbst in ökonomischen Kreisen, wird dieser Zusammenhang oftmals ignoriert. So heißt es bei Losbichler: „...wird die Orientierung am Shareholder Value als eine der Hauptursachen für die Finanzkrise angesehen und mit Kurzfristigkeit, Habgier und Gehaltsexzessen gleichgesetzt. Der Shareholder Value ist jedoch das wahrscheinlich am wenigsten verstandene Führungsinstrument, sowohl bei Befürwortern, als auch bei Kritikern“ (Losbichler 2012, S. 266). Weiter heißt es: „Der Shareholder Value ist aus Sicht der Kritiker damit das exakte Gegenteil nachhaltiger Unternehmensführung“ (Losbichler 2012, S. 268). Bei Malik heißt es hingegen: „Das Shareholderprinzip hat die geschichtlich größte Fehlleitung der Unternehmensführung verursacht und die tiefgreifendste Fehlsteuerung von wirtschaftlichen Ressourcen .... Die Shareholder-Orientierung verhindert Investitionen und Innovationen und das schädigt gerade dem Shareholder“ (Malik 2012, online). Woran liegt es, dass der Shareholder Value als Synonym für ein an kurzfristigen Zielen ausgerichtetes Management gilt, obwohl die Methodik doch sehr langfristig ausgerichtet ist? Festzuhalten ist, dass der Shareholder Value methodisch den klassischen Ergebnisgrößen wie etwa dem Gewinn oder dem EBIT oder den Renditen wie dem ROI oder dem ROCE überlegen ist. Durch das Barwertkonzept beinhaltet er die Zukunft, durch einen angemessenen Diskontierungszinssatz berücksichtigt er das Risiko und durch die Nutzung des Cash flows löst er sich von rein buchhalterischen Ergebnisgrößen (vgl. Sailer 2012, S. 85f.). Die Methodik an sich kann also nicht Ursache der Kritik sein, sie ist vielmehr in der praktischen Umsetzung zu suchen. Nur der kurzfristige Erfolg ist faktisch messbar und vom Shareholder überprüfbar. Die Principal-Agent-Problematik wird dadurch aufgelöst, dass der Shareholder auf von unabhängigen Dritten überprüfte Quartals- und Geschäftsberichte zurückgreifen kann und somit den tatsächlichen Erfolg, wie ihn die Rechnungslegungsvorschriften vorsehen, kennt. Der Shareholder Value wird aber maßgeblich vom zukünftigen Erfolg beeinflusst. Dieser ist vom Shareholder nicht überprüfbar, vielmehr muss er den Erwartungen des Managements vertrauen. Abweichende Einschätzungen zwischen Management und Shareholder können an unterschiedlichen Erwartungen bezüglich der Marktentwicklung und des unternehme- <?page no="220"?> 220 9 Nachhaltigkeit messen rischen Erfolgs liegen, oder aber an der Prinicpal-Agent-Problematik. Vertraut der Shareholder den positiven Erwartungen des Managements nicht, ist auch der vom Management ermittelte Shareholder Value hinfällig. Die Principal-Agent-Problematik verhindert die Nutzung des Shareholder Values als Spitzenkennzahl der Unternehmenssteuerung. Auch der Aktienkurs kann nicht als zuverlässige Messgröße des Unternehmenserfolgs genutzt werden, da er von vielen weiteren, vom Management nicht beeinflussbaren Faktoren abhängt. Aktienkurse bilden die Wertsteigerung zwar über längere Zeiträume zuverlässig ab, sie eignen sich aber nicht, um den Erfolg kurzfristiger operativer Maßnahmenzu messen. Die grundlegende Voraussetzung, dass eine Kennzahl objektiv ermittelbar und unabhängig von persönlichen Interessen und Erwartungen ist, liegt beim Shareholder Value nicht vor. Als Steuerungsgröße versagt der methodisch überzeugende Shareholder Value. Es können nur indirekt die sogenannten Werttreiber ermittelt werden, die den Shareholder Value beeinflussen. Führt beispielsweise eine Maßnahme dazu, dass das Risiko verringert wird, erhöht sich der Wert. Ebenso wird der Wert gesteigert, wenn durch eine Maßnahme die zukünftigen Cash flows gesteigert werden. Für eine bewusst subjektive Unternehmensbewertung im Falle des Kaufs oder Verkaufs eines Unternehmens, ist der Shareholder Value hingegen unverzichtbar. Dort haben Käufer und Verkäufer schon gar nicht die Erwartung, dass es einen objektiv richtigen Wert gibt. Die subjektiv unterschiedlichen Einschätzungen sind ja gerade die Ursache, dass ein Transfer zustande kommt. Wenn der Käufer dem Unternehmen einen höheren Wert beimisst als der Verkäufer, kommt die Transaktion zustande, sonst nicht. Im Falle der Unternehmensführung wird aber ein objektiv richtiger Shareholder Value benötigt, der so vom Management und Kapitalgebern akzeptiert wird. Eine Untersuchung der Steuerungsgrößen der DAX 30-Unternehmen zeigt, dass keines den Shareholder Value als Spitzenkennzahl nutzt. Bei diesen dominieren Renditekennzahlen, insbesondere wird der „Return on Capital Employed“ (ROCE) genutzt. Hierbei handelt es sich um eine weiterentwickelte Gesamtkapitalrendite. Liegt diese Rendite über den individuellen Kapitalkosten des Unternehmens, erzielt das Unternehmen eine positive Zinsdifferenz, einen Spread. Durch die Multiplikation dieses Spread mit dem eingesetztem Kapital, dem Capital Employed, ergibt sich der Betrag, den das Unternehmen mehr geschaffen hat, als wenn das Capital Employed extern zum Kapitalkostensatz angelegt worden wäre. Dieser im Unternehmen zusätzlich geschaffene Betrag wird im Allgemeinen als Wertsteigerung bezeichnet. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass diese Wertsteigerung nicht dem Bartwertprinzip unterliegt, sondern ausschließlich den „Übergewinn“ innerhalb einer Periode aufzeigt. Zukünftige Cash flows werden hierbei nicht berücksichtigt. Es handelt sich somit um eine kurzfristige Erfolgsmessung, selbst wenn von einer Wertsteigerung gesprochen wird (vgl. Sailer 2012, S. 87). <?page no="221"?> 9.4 Messung der ökonomischen Nachhaltigkeit 221 Es bleibt festzuhalten, dass die Steuerung mit Hilfe periodischer Finanzkennzahlen zu einer Kurzfristorientierung führt. Der Shareholder Value kann über seine Werttreiber zwar positiv beeinflusst werden, allerdings lässt es sich nicht objektiv messen. Periodische Finanzkennzahlen sind nicht dazu geeignet, den langfristigen Erfolg zu messen. Zur langfristigen und strategischen Steuerung wird daher auch nicht nur eine einzelne Finanzkennzahl genutzt. Der langfristige Erfolg ergibt sich aus dem Aufbau zukunftsträchtiger Erfolgspotenziale und deren Entwicklung wird durch die Strategie beschrieben. Zur Umsetzung der Strategie hat sich die Balanced Scorecard etabliert, die vielgestaltige Ziele aus verschiedenen Dimensionen integriert. Für eine langfristige, strategische Steuerung wird die Balanced Scorecard genutzt, innerhalb derer finanzielle Kennzahlen neben anderen ein Bestandteil sind. Im Sinne einer nachhaltigen Unternehmenssteuerung sind Finanzkennzahlen im Zusammenhang mit den Interessen der anderen Stakeholder zu sehen und nicht nur für sich isoliert zu bewerten. Vielfach bewerten Anleger, wie auch der Kapitalmarkt, die konkret messbaren, wenn auch kurzfristigen Jahres- und Quartalsergebnisse höher als die schlecht messbaren und unsicheren Erfolgspotenziale. In der Praxis sind daher oftmals kurzfristige, am Rechnungswesen ausgerichtete Ziele bedeutsamer als es für eine nachhaltige Steuerung des Unternehmens zweckmäßig wäre. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die am Kapitalmarkt notiert sind. Aufgrund der weitgehend anonymen Beziehung zwischen Eigentümern und Management ist die Principal-Agent-Problematik weit stärker ausgeprägt als etwa in einem mittelständischen Familienunternehmen, wo Familienangehörige selbst im Management tätig sind. Aus ökonomischer Sicht können ökologische und soziale Maßnahmen danach beurteilt werden, welchen Einfluss sie auf die ökonomische Spitzenkennzahl nehmen. So können ökologische Investitionen beispielsweise zu Kosteneinsparungen führen und damit den Gewinn erhöhen. Ein am Gewinnziel orientiertes Unternehmen würde der ökologischen Investition daher zustimmen. Allerdings steigert die Investition auch die Kapitalbindung. Die Rendite erhöht sich somit nur, wenn der Gewinn relativ stärker steigt als die Kapitalbindung. Dies wäre notwendig, dass ein am Renditeziel orientiertes Unternehmen diese Maßnahme ergreift. Ein am Shareholder Value orientiertes Unternehmen würde die Maßnahme ergreifen, wenn die Investition die Werttreiber positiv beeinflusst. Dies kann beispielsweise eine Verringerung der Risiken sein, dass Umweltgesetze verschärft werden oder Kunden umweltbelastende Produkte plötzlich meiden. Geringere Risiken verringern den Diskontierungszinssatz und steigern somit den Unternehmenswert. Fassen wir zusammen: Die Messung der ökonomischen Nachhaltigkeit ist einerseits schwierig, da er sich nicht als eine langfristig ausgerichtete Kennzahl, die den Anforderungen einer Steuerungsgröße entspricht, ausdrücken lässt. Andererseits ist das Controlling seit jeher mit dieser Schwierigkeit konfrontiert und im Umgang damit zumeist geübt. <?page no="222"?> Das Controlling sorgt dafür, dass kurzfristige Ziele zwar erreicht werden, da hierdurch ein konkreter Erfolg erfasst werden kann. Andererseits ist aber sicherzustellen, dass kurzfristige Ziele nicht zu Lasten des langfristigen Erfolgs gehen. Dieser Ausgleich ist anzustreben, auch wenn er nicht durch eine eindeutige Messung und Zielvorgabe herbeigeführt werden kann. Aus der Kritik an einer ungeeigneten Leistungsmessung entwickelte sich das Performance Measurement, das mit Hilfe finanzieller und nicht-finanzieller Kennzahlen neben dem kurzfristigen auch den langfristigen Erfolg sicherstellt. Als längerfristig orientierte, nicht-finanzielle Kennzahlen können beispielsweise die Kundenzufriedenheit, die Innovationskraft oder die Anpassungsfähigkeit genutzt werden (vgl. Prammer 2010, S. 11f.). In einem nachhaltig ausgerichteten Controlling sollten solche, längerfristig ausgerichteten Kennzahlen genutzt, das heißt im Planungs- und Berichtswesen integriert werden. Das Controlling sollte zudem gegenüber den Stakeholdern schlüssig begründen, wie eine längerfristig wirkende Investition im Vergleich zu einem kurzfristigen Erfolg zu bewerten ist. Zudem sollten Anreize, die zu kurzfristig ausgerichtetem Handeln führen, identifiziert und korrigiert werden. Beispielsweise sollte die Erfolgsbeteiligung des Managements nicht primär am Jahresüberschuss, sondern an der Erreichung langfristiger Ziele ausgerichtet sein. Die ökonomische Nachhaltigkeit kann somit durch ein Nachhaltigkeitscontrolling auf verschiedenen Wegen gestärkt werden. Entwicklung nachhaltiger KPI-Sets Vorangehend wurden verschiedene Messkonzepte für ökologische, soziale und ökonomische Inhalte aufgezeigt. Diese verschaffen insgesamt einen guten Einblick in die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen und stellen eine Voraussetzung zur Steuerung der Nachhaltigkeit dar. Wählt ein Unternehmen aus den drei Dimensionen für sie geeignete Kennzahlen und Messkonzepte aus, verfügt es über ein Set nachhaltiger KPI´s, die als Grundlage einer nachhaltigen Unternehmenssteuerung dienen. Die verschiedenen Kennzahlen müssen keinesfalls in eine einzige nachhaltige Spitzenkennzahl, wie dem Sustainable Value, verschmolzen werden, um eine nachhaltige Steuerung zu ermöglichen. Das Management ist darin geübt, mit verschiedenen und teils auch konfliktären Zielen und Kennzahlen umzugehen. Somit liegen zwei grundsätzliche Möglichkeiten vor, die Vielzahl der für ein Unternehmen relevanten Kennzahlen und Messkonzepte zusammenzutragen: Zusammenführung der verschiedenen Kennzahlen in ein Werk bzw. in einen Bericht Aufrechnen der Kennzahlen zu einer einzigen Nachhaltigkeits-Spitzenkennzahl Zusammenführung der Nachhaltigkeitskennzahlen In einem Nachhaltigkeitsaudit werden die verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekte erfasst und dokumentiert. Durch die Vielzahl an Daten über ökologische, soziale und ökonomische Aspekte wird ein Gesamtbild zur Nachhaltigkeit eines Unternehmens <?page no="223"?> 9.5 Entwicklung nachhaltiger KPI-Sets 223 entwickelt, ohne dass diese in eine Kennzahl verdichtet werden oder dass Interdependenzen zwischen den Teilaspekten berücksichtigt werden. Ebenso stellt ein Nachhaltigkeitsbericht eine Vielzahl an Einzelergebnissen dar, die nacheinander aufgeführt werden. Interdependenzen werden zumeist nur punktuell berücksichtigt, etwa in Kennzahlen zur Messung der Öko-Effizienz (z.B. Umsatz je Tonne CO2- Ausstoß) bzw. der Sozio-Effizienz (z.B. Arbeitsunfälle je Mio. € Umsatz). Ebenso lässt sich hier die Sustainability Balanced Scorecard nennen. Zwar stellt diese ein grobes Raster zur Verfügung, das grundsätzlich einer Ursache-Wirkungs-Logik folgt, doch ist dieses sehr stark vereinfacht. Ausgehend von vorhandenen Ressourcen bzw. Potenzialen (Potenzialperspektive) werden über geeignete Prozesse Produkte erstellt und Leistungen erbracht (Prozessperspektive), die Kunden zufriedenstellen (Kundenperspektive) und somit das finanzielle Ergebnis (Finanzperspektive) beeinflussen. Diese kausale Beziehung wird in der sogenannten Strategy Map visualisiert. Es handelt sich um ein statisches Konzept, da jegliche Rückkopplungen und Interdependenzen fehlen. Im Corporate Sustainability Barometer der Universität Lüneburg wird aufgeführt, dass: 22,4% der befragten Unternehmen ein Nachhaltigkeitsaudit durchführen, 11,8% der Unternehmen mit einer Sustainability Balanced Scorecard arbeiten und dass 62,5% einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen (vgl. Schaltegger, Hörisch, Windolph, Harms 2012, S. 40). Auch wenn im Nachhaltigkeitsaudit, im Nachhaltigkeitsbericht und in der Sustainability Balanced Scorecard die Inhalte eher nebeneinander aufgeführt und die Interdependenzen nicht berücksichtigt werden, stellen sie dem Management ein wohlgeordnetes Set an Kennzahlen zur Verfügung, mit dem die unternehmerische Nachhaltigkeit gesteuert werden kann. Die Relevanz der Faktoren begründet sich im vorangegangenen Stakeholderdialog sowie in einem strukturierten Managementprozess. Dies ist zweifelslos ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zu einer selektiven Nutzung verschiedener Einzelkennzahlen und daher auch zu empfehlen. Da sich die umfangreichen Kriterienkataloge für Audits oder für die Nachhaltigkeitsberichte, wie die GRI, nur bedingt zur Steuerung eignen, wählen viele Unternehmen die für sie wichtigsten Kennzahlen aus. Dies hängt zum einen von den Branchenspezifika ab, zum anderen aber auch von der spezifischen Unternehmenssituation. So wird sich ein Qualitätsführer, der überwiegend in der Heimat produziert, anderen Herausforderungen gegenübersehen als ein in Billiglohnländern produzierender Kostenführer. Und ein Unternehmen, das kommunale oder staatliche Gesellschafter hat, wird andere Prioritäten haben als ein Unternehmen, deren Gesellschafter Private- Equity-Unternehmen sind. Die KPI´s sind daher im Management und mit den Stakeholdern herauszuarbeiten. <?page no="224"?> 224 9 Nachhaltigkeit messen Beispiel: Deutsche Telekom AG, Corporate Responsibility Bericht 2013 Die Telekom nutzt zur Steuerung ihrer Corporate-Responsibility-Performance seit 2009 konzernweit ein Kennzahlensystem, die CR Key Performance Indikatoren (CR KPI). Diese bestehen aus zwei ökonomischen, drei ökologischen und zwei sozialen Spitzenkennzahlen. Ökonomische KPI Nachhaltige Investments: Es wird der Anteil der Telekom-Aktien gemessen, die von Investoren mit einer an der Nachhaltigkeit ausgerichteten Anlagestrategie gehalten werden (2013: 21%, 2010: 14%). Nachhaltiger Einkauf: Es wird gemessen, wie viel Prozent des Einkaufsvolumens auf Lieferanten entfallen, die die Einhaltung der Umwelt- und Sozialstandards der Telekom durch ein Selbst-Assessment oder ein Audit bestätigt haben (2013: 54%, 2010: 55%). Ökologische KPI Energieverbrauch: Es wird der Stromverbrauch in Relation zum Umsatz gemessen: Stromverbrauch in Tausend MWh / Umsatz in Mrd. € (Faktor ist seit 2010 von 107 auf 121 in 2013 angewachsen, somit ist der Stromverbrauch schneller gestiegen als der Umsatz). CO 2 -Emissionen: Es wird die Veränderung der CO 2 -Emissionen im Vergleich zum Basisjahr 2008 gemessen (in 2013 liegen die Emissionen 23% über dem Basisjahr 2008). Handy-Rücknahme: Es wird die Zahl zurückgenommener Handys gemessen (die absolute Anzahl zurückgenommener Handys ging seit 2010 permanent auf 167.200 Stück zurück; der relative Rückgang im Vergleich zur Anzahl der Telekom-Kunden war noch größer). Soziale KPI Gesellschaftliches Engagement: Es wird die Differenz zwischen dem Prozentsatz der Befragten, die die Telekom als ein sozial engagiertes Unternehmen ansehen und dem Prozentsatz der Befragten, die ein gesellschaftliches Engagement von Unternehmen als wichtig ansehen (der Faktor liegt 2013 bei +6 Prozentpunkte (2010: -8), da 37% (2010: 44%) die Telekom als engagiert ansehen und 31% (2010: 52%) das soziale Engagement von Unternehmen als wichtig erachten. Mitarbeiterzufriedenheit: Es wird durch Mitarbeiterbefragungen gemessen, ob die Telekom ihre ökologische und gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt und ob sich die Mitarbeiter hiermit identifizieren (67% (2010: 50%) nehmen die Telekom als verantwortliches Unternehmen wahr und 69% (2010: 55%) identifizieren sich mit diesem Engagement) (vgl. Deutsche Telekom AG, Corporate Responsibility Bericht 2013, in: http: / / www.telekom.c om/ verantwortung/ cr-strategie-und-management/ zahlendaten-fakten/ 9818, Abruf 02.11.15) <?page no="225"?> 9.5 Entwicklung nachhaltiger KPI-Sets 225 Branchenabhängige KPI´s wurden auch von der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) erarbeitet. Diese liegen mittlerweile in der dritten Version vor und haben über die europäische Mutterorganisation, der European Federation of Financial Analysts Societies (EFFAS), europaweit an Geltung erlangt. Die Motivation der DVFA war es, für Investoren, Finanzanalysten und Kreditgeber in einer überschaubaren Anzahl geeignete Kennzahlen für Nachhaltigkeitsleistungen zur Verfügung zu stellen. Die deutliche Reduktion der Anzahl an Kennzahlen und die Priorisierung leicht messbarer Größen führt zu einer sehr starken Vereinfachung des Nachhaltigkeitskomplexes. Zugleich ist dies aber auch ein Bekenntnis, dass Finanzinvestoren die Nachhaltigkeit als einen wesentlichen Faktor für Investitionsentscheidungen ansehen. Die sogenannten ESG-KPI (ESG = Environmental, Social and Governance)informieren insbesondere über die für Investoren bedeutsamen Risiken, aber auch über die Zukunftsorientierung der Unternehmen. Der Index-Anbieter Stoxx wählt beispielweise für seinen Index „Stoxx ESG Leaders“ die Unternehmen mit Hilfe der ESG-KPI´s aus. Beispiel: ESG-KPI´s der DVFA für die Automobilbranche Die DVFA benennt die 10 wichtigsten KPI, die von den teilnehmenden Unternehmen zwingend berichtet werden müssen, als Entry Level. Darüber hinaus gibt es noch optionale Midlevel und Highlevel. Als Entry Level für die Automobilbranche werden genannt: [1] Energieeffizienz, gemessen durch den gesamten Energieverbrauch [2] Ausstoß von Treibhausgasemissionen [3] Fluktuationsrate [4] Weiterbildungsausgaben je Mitarbeiter [5] Altersstruktur der Mitarbeiter [6] Vergütung, insbesondere die finanziellen Anreize [7] Strafzahlungen aufgrund wettbewerbswidrigen Verhaltens [8] Umsatzanteil der Länder mit besonders ausgeprägterKorruption [9] Umsatzanteil der maximal ein Jahr alten Produkte [10] Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen sowie Patentanmeldungen der letzten 12 Monate Quelle: DVFA (2010): KPIs für ESG. A Guideline for the Integration of ESG into Financial Analysis and Corporate Valuation. Version 3.0, Frankfurt, online verfügbar: http: / / www.effas-esg.com/ wp-content/ uploads/ 2011/ 07/ KPIs_for_ESG_ 3_0_Final.pdf, Abruf 28.10.15) Schließlich finden sich Kennzahlenkonzepte für nachhaltiges Management auch bei etablierten Beratungsgesellschaften. So hat etwa die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PWC das Konzept des Total Impact Measurement and Management (TIMM) entwickelt, welches anhand von 20 Kriterien aus den Bereichen Ökono- <?page no="226"?> 226 9 Nachhaltigkeit messen mie (z.B. Profit, Investitionen), Ökologie (z.B. Abfall, Landnutzung), Gesellschaft (z.B. Gesundheit, Ausbildung) und Steuern (z.B. Gewinnsteuern, Umweltabgaben) verschiedene Maßnahmen auf ihre Auswirkungen untersucht. Eine solchermaßen strukturierte Analyse mündet zwar nicht in einer einzigen Kennzahl, zeigt aber, auf welche der zwanzig nachhaltigen Kennzahlen verschiedene Maßnahmen stark oder schwach, positiv oder negativ reagieren. Somit können nachhaltig bedachte Entscheidungen getroffen werden. Link: http: / / www.pwc.de/ de/ nachhaltigkeit/ pwc-studie_neues-rahmenwerk-zeigt-die -langfristigen-folgen-unternehmerischen-handelns.html Sustainable Value als integrierte Nachhaltigkeitskennzahl Wird eine schwache Nachhaltigkeit mit substituierbaren Nachhaltigkeitszielen unterstellt, lassen sich verschiedene Nachhaltigkeitskennzahlen aufrechnen und in einer einzigen Spitzenkennzahl verschmelzen. Die Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens wird somit in nur einer Kennzahl ausgedrückt. Ebenso wie ökonomische Spitzenkennzahlen über den wirtschaftlichen Erfolg informieren, stellen diese den nachhaltigen Erfolg dar. Somit können die Nachhaltigkeitsleistungen verschiedener Unternehmen direkt miteinander verglichen werden. Zwar gehen durch die Verdichtung in eine Kennzahl Informationen verloren, doch dies ist mit der einfacheren Kommunizierbarkeit abzuwägen. Keinesfalls sollen dadurch sämtliche detaillierten Messkonzepte ersetzt werden. Eine Spitzenkennzahl lässt sich ebenfalls zur Planung und Steuerung der Nachhaltigkeitsleistungen des Unternehmens nutzen. In der Literatur wurde als eine solche Spitzenkennzahl der Sustainable Value intensiv diskutiert. Die praktische Bedeutung im Nachhaltigkeitscontrolling ist Stand heute allerdings noch gering, obwohl es sich hierbei um einen logisch aufgebauten und auch gut kommunizierbaren Ansatz handelt, der sich zudem an ökonomischen Prinzipien orientiert. Neben der Prämisse einer schwachen Nachhaltigkeit weist dieser Ansatz aber auch mehrere Schwächen auf. Der Sustainable Value nutzt die in der Ökonomie etablierte Methodik des Vergleichs mit der besten Alternative. Im Sinne des Opportunitätskostenprinzips soll ein Unternehmen immer dann investieren, wenn diese Investition rentabler ist als eine vergleichbare Verzinsung im Markt. Ebenso wird auch ein Investor nur dann Anteile eines Unternehmens kaufen, wenn diese mindestens so rentabel sind wie eine andere Investition zu vergleichbaren Risiken. Die Entscheidung für eine Investition fällt also immer im Vergleich zu den Alternativen. Gemäß Sustainable-Value-Ansatz sollte auch die Nachhaltigkeit im Unternehmen entsprechend beurteilt werden. Wenn ein Unternehmen beispielsweise weniger CO 2 emittiert als im Vorjahr, kann daraus noch nicht geschlossen werden, dass bereits ein gutes Niveau erreicht wurde. Die Beurteilung hängt vor allem davon ab, ob andere Unternehmen bei vergleichbaren Produkten mehr oder weniger CO 2 emittieren. Das Opportunitätskostenprinzip findet damit nicht nur beim Einsatz von Finanzmitteln, sondern auch beim Einsatz ökologischer und sozialer Ressourcen Anwendung. Solche Ressourcen werden immer dann wün- <?page no="227"?> 9.5 Entwicklung nachhaltiger KPI-Sets 227 schenswert eingesetzt, wenn sie zu einem höheren Wertbeitrag führen als im Branchendurchschnitt oder als in einer Volkswirtschaft insgesamt. Das Opportunitätskostenprinzip ist ein alternativer Ansatz zur direkten Messung von externen Effekten, die zum Teil mit sehr großen Unsicherheiten behaftet sind oder nicht mehr sinnvoll machbar sind. Diese Schwierigkeiten wurden bereits vorangehend in den Ansätzen des Social Accounting und der Umweltkostenrechnung erkannt (z.B. finanzielle Bewertung von Stress und Frust am Arbeitsplatz, Ermittlung der Kosten einer erhöhten Feinstaubbelastung oder einer ungesunden Ernährung). Anstatt sämtliche Schäden mit allen Neben- und Folgewirkungen zu quantifizieren und zu monetarisieren, werden nun für eine bestimmte Auswahl an Ressourcen die Opportunitätskosten ermittelt. Kosten sind damit entgangene Erträge, die bei einem alternativen Einsatz entstanden wären. Diese lassen sich zumeist einfacher ermitteln als die Kosten tatsächlicher Schäden oder als die Kosten der Schadenvermeidung. Für jede eingesetzte ökonomische, ökologische und soziale Ressource wird ein positiver oder negativer Wertbeitrag ermittelt, wenn das Unternehmen beim Einsatz dieser Ressource erfolgreicher oder weniger erfolgreich ist als der Benchmark. Der Sustainable Value integriert somit verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit, wie dies sonst vor allem bei der Sustainability Balanced Scorecard geschieht. Beispiel Ein Unternehmen verursacht 5 Tonnen Abfälle, um eine Wertschöpfung von 1.000 € zu erzielen. Die Abfalleffizienz beträgt damit 200 € je Tonne Abfall. Wenn in der Branche im Durchschnitt nur 180 € Wertschöpfung je Tonne Abfall erzielt werden, dann ist das Unternehmen je Tonne Abfall um 20 € effizienter als die Branche. Mit 5 Tonnen Abfällen wird in der Branche im Durchschnitt ein Wert in Höhe von 5 × 180 € = 900 € erzielt. Bezogen auf die einzelne Ressource Abfälle schafft das Unternehmen somit einen Sustainable Value in Höhe von 100 € (1.000 € - 900 €). Wird für sämtliche eingesetzten ökologischen, sozialen und ökonomischen Ressourcen der Durchschnitt aller einzelnen Wertbeiträge ermittelt, ergibt sich hieraus der Sustainable Value des Unternehmens. Ein positiver Sustainable Value bedeutet, dass das Unternehmen die Ressourcen insgesamt effizienter einsetzt als der Branchendurchschnitt oder als die Volkswirtschaft, je nachdem, womit das Unternehmen verglichen wird. Ein negativer Sustainable Value bedeutet hingegen, dass das Unternehmen seine Ressourcen weniger effizient einsetzt und damit weniger nachhaltig ist als andere Unternehmen. Das Unternehmen setzt Ressourcen ineffizient ein. Selbst wenn ein Unternehmen hohe Gewinne ausweist und wirtschaftlich erfolgreich ist, kann es durch einen ineffizienten Einsatz ökologischer und sozialer Ressourcen zu einem negativen Wertbeitrag gelangen. Ohne dieses Unternehmen wäre die Branche oder die Volkswirtschaft nachhaltiger als mit diesem. Die „License to operate“ des Unternehmens wird somit in Frage gestellt. Der Sustainable Value erweitert die betriebliche Erfolgsmessung auf Basis von Finanzgrößen um ökologische und soziale Inhalte. Eine Investition ist nicht schon <?page no="228"?> 228 9 Nachhaltigkeit messen dann erfolgreich, wenn nach der Investition mehr Geld zur Verfügung steht als vor der Investition. Vielmehr ist auch der Einsatz der Umwelt, als Lieferant für Boden, Rohstoffe und als Aufnahmemedium für Schadstoffemissionen, und der Einsatz von Menschen, als Arbeitskräfte, Kunden oder Anwohner, in die Erfolgsermittlung einzubeziehen. Link: www.sustainablevalue.com Der Sustainable Value Ansatz folgt der in der Betriebswirtschaftslehre weit verbreiteten Logik der wertorientierten Steuerung und erweitert diese über die finanziellen Kennzahlen hinaus: Beispiel Abb. 9.18: Beispiel zur wertorientierten Methodik des Sustainable Value (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Hahn, Figge, Barkemeyer, Liesen, Müller 2013, S. 9). Nachfolgendes Beispiel ist aus der Studie „Sustainable Value in Automobile Manufacturing“ aus dem Jahr 2013 entnommen (vgl. Hahn, Figge, Barkemeyer, Liesen, Müller 2013). Hierbei wird der Sustainable Value für 17 Automobilhersteller aus Europa, Amerika und Asien im Zeitraum von 1999 bis 2010 ermittelt. Im Folgenden sind die Werte für BMW, Daimler, Ford, General Motors, Renault, Toyota und Volkswagen für das Jahr 2010 exemplarisch aufgeführt. 2010 (in Mio. €) BMW Daimler Ford GM Renault Toyota VW Kapitaleinsatz 652 1.879 1.560 -440 -1.762 -6.607 -995 CO2- Emissionen 3.759 3.529 1.043 -4.448 -201 -3.466 -963 NOX- Emissionen 4.163 5.418 - -14.631 -116 746 1.317 SOX- Emissionen 5.058 7.242 - -29.928 938 3.644 5.474 VOC- Emissionen 4.509 5.884 3.173 -5.153 -1.714 -755 -385 <?page no="229"?> 9.5 Entwicklung nachhaltiger KPI-Sets 229 Abfallmenge 4.350 4.943 - -1.434 -4.321 433 3.658 Wasserverbrauch 4.497 4.806 2.078 -3.541 -891 -1.098 280 Arbeitsunfälle 2.243 -7.657 5.082 0 -862 - 1.463 Beschäftigte 2.867 1.355 2.761 -883 -1.761 -3.278 -2.175 Sustainable Value 3.567 3.044 2.061 -6.718 -1.188 -1.153 853 Sustainable Value Margin 5,90 % 3,11 % 2,12 % -6,59 % -3,05 % -0,69 % 0,67 % Rang 1 2 5 15 14 9 6 Tabelle 9.9: Sustainable Value in der Automobilbranche (Quelle: Hahn, Figge, Barkemeyer, Liesen, Müller 2013, S. 41ff.) Der Berechnung des Sustainable Value liegen neun Ressourcen zugrunde. Hierin sind eine ökonomische, zwei soziale und sechs ökologische Ressourcen enthalten. Dem Sustainable Value liegen damit ungleiche Anteile der drei Dimensionen zugrunde. Ein dermaßen berechneter Sustainable Value ist damit vor allem von der ökologischen Leistung der Unternehmen geprägt und nur schwach von der sozialen und ökonomischen Leistung. Die ökonomische Ressource „Kapitaleinsatz“ misst im Sinne einer Rendite, wie groß die Wertschöpfung im Vergleich zum eingesetzten Kapital ist. So hat BMW beispielsweise sein Kapital im Vergleich zur Branche um 652 Mio. € effizienter eingesetzt. Anders gesagt: wäre BMW so effizient wie die Branche im Durchschnitt, wäre die Wertschöpfung um 652 Mio. € geringer ausgefallen. Bezogen auf die CO 2 -Emissionen hat BMW eine um 3.759 Mio. € höhere Wertschöpfung erzielt als im Branchendurchschnitt, ... Der Sustainable Value entspricht dem Durchschnitt der neun angesetzten Ressourcen. Anzahl und Auswahl der Ressourcen ist im Sustainable Value Ansatz nicht vorgegeben, sondern fallspezifisch und in Abhängigkeit von der Datenverfügbarkeit zu entscheiden. Die einzelnen Ressourcen werden jeweils in Beziehung zur gesamten Wertschöpfung gesetzt. Daher dürfen die einzelnen Wertbeiträge der Ressourcen auch nicht aufaddiert, sondern nur gemittelt werden. Falls für ein Unternehmen keine Daten für einzelne Ressourcen vorliegen, können diese ausnahmsweise ignoriert werden. Im Falle von Ford, wo für drei Ressourcen keine Daten zur Verfügung stehen, stößt der Aussagegehalt allerdings an Grenzen. Der Sustainable Value ist ein absoluter Wert, der somit auch von der Größe des Unternehmens abhängt. Unterschiedlich große Unternehmen können somit nicht mit dem absoluten Sustainable Value verglichen werden. Hierfür ist ein relativer Wert notwendig. In der vorliegenden Studie wurde daher eine Sustainable Value Margin ermittelt, die den Sustainable Value als Prozentsatz vom Umsatz ausdrückt. Ebenso kann ein Ertrags-Kosten-Verhältnis ermittelt werden. Hierbei wird die <?page no="230"?> 230 9 Nachhaltigkeit messen Wertschöpfung des Unternehmens ins Verhältnis zu den Opportunitätskosten gesetzt. Ist der Wert größer als eins, wurde mehr Wert geschaffen, als wenn die Ressourcen im Benchmark verwendet würden. Die Spitzenreiter von insgesamt 17 Automobilherstellern weltweit waren im Jahr 2010 BMW und Daimler. Der Vergleich zwischen diesen beiden Herstellern zeigt, dass Daimler in den meisten Kriterien erfolgreicher ist als BMW, jedoch gibt es bei den Arbeitsunfällen bei Daimler eine eklatante Abweichung. Zur Klärung dieser gravierenden Differenz wäre eine Untersuchung der Datenqualität notwendig. Beispiel: Berechnung des Sustainable Value für die Deutsche Telekom AG (2009) Indikatoren Telekom EBIT/ Ressource Benchmark EBIT/ Ressource Differenz Wertbeitrag Energieverbrauch 760 1.983 - 1.223 - 9.673.549.911 Kraftstoffverbrauch 64 254 - 189 - 17.753.682.596 direkter Energieverbrauch 3.638 10.972 - 7.334 - 12.121.653.818 Total CO 2 2.864 6.035 - 3.171 - 6.658.127.879 Gesamt Abfall 78.093 189.115 - 111.021 - 8.546.982.600 gefährlicher Abfall 679.937 1.295.314 - 615.377 - 5.441.165.906 Wasserverbrauch 1.520 2.099 - 579 - 2.287.447.043 Arbeitsplätze 23.130 57.358 - 34.228 - 8.896.545.247 Unfälle 5.073.589 5.937.422 - 863.833 - 1.023.607.934 Kapitaleinsatz 0,06 0,13 - 0,07 - 7.442.580.370 Summe - 79.845.343.304 Sustainable Value - 7.984.534.330 Quelle: Arnsfeld, Wübben 2011, S. 46 Die Deutsche Telekom wurde hier mit einer Benchmark-Gruppe, bestehend aus den Unternehmen Orange, Telefonica, Vodafone und Telekom Italia verglichen. In diesem Vergleich hat die Deutsche Telekom insgesamt einen negativen Wert von knapp 8 Mrd. €. Da dieser absolute Wert von der Unternehmensgröße abhängt, wird für den Vergleich unterschiedlich großer Unternehmen das Ertrags- Kosten-Verhältnis berechnet. Hierbei wird der Ertrag des Unternehmens ins Verhältnis zu den Opportunitätskosten gesetzt. Diese wiederum ergeben sich aus der Subtraktion des Sustainable Value vom Ertrag: <?page no="231"?> 9.5 Entwicklung nachhaltiger KPI-Sets 231 EBIT - Sustainable Value = Opportunitätskosten 6.012.000.000 - (- 7.984.534.330) = 13.996.534.330 Ertrags-Kosten-Verhältnis = 6.012.000.000 / 13.996.524.330 = 0,43 Die Deutsche Telekom hat damit nur 43% der Effizienz der Benchmarkgruppe erreicht. Wird der Sustainable Value zur Steuerung der Nachhaltigkeit genutzt, interessieren nicht nur die Spitzenkennzahl, sondern vor allem die Einzelwerte der verschiedenen Ressourcen. Hieran können Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz ansetzen. Über die einzelnen Ressourcen hinaus kann mit Hilfe von Ursache-Wirkungsbeziehungen ein unternehmensindividuelles Kennzahlen- und Steuerungssystem modelliert werden. Bis auf die Ebene einzelner Mitarbeiter können somit notwendige Informationen zur Verfügung gestellt werden, um die Ressourceneffizienz zu steigern. Ebenso kann der Sustainable Value zur Beurteilung von Investitionen genutzt werden, wie in Kapitel 12 noch zu zeigen ist. Beurteilung des Sustainable Value Ansatzes Der Sustainable Value nimmt einen relativen Vergleich mit ausgewählten Wettbewerbern, der Branche oder mit der Volkswirtschaft vor. Ein Wert wird geschaffen, wenn das Unternehmen effizienter ist als der Durchschnitt. Ein Finanzinvestor wird sich hingegen selten damit begnügen, dass die Rendite über dem Durchschnitt liegt, vielmehr wird er die beste Alternative als Vergleich heranziehen. Beim Sustainable Value wäre es demnach anspruchsvoller, sich mit den ökologischen und sozialen Branchenführern zu vergleichen als nur mit dem Durchschnitt. Zur Berechnung des Sustainable Value sollte deshalb ein anspruchsvoller Benchmark festgelegt werden. Ohne Kenntnis der Benchmark, lässt sich ein Sustainable Value daher nicht beurteilen. In einer Erweiterung der Methodik wäre es auch denkbar, den Benchmark als eine erwünschte Zielgröße zu definieren. Diese könnten aus den gesellschaftlichen Erwartungen zum Umweltschutz und zur sozialen Rolle der Unternehmen abgeleitet werden. Damit wäre quasi die „License to operate“ die Benchmark. Die Kritik an einer nur schwachen Nachhaltigkeit und der daraus folgenden Substituierbarkeit einzelner Nachhaltigkeitsziele wurde bereits an anderer Stelle ausgeführt. Gerade in der Nachhaltigkeit gibt es zahlreiche Ziele, die auf jeden Fall erreicht werden sollen und nicht mit anderen aufgerechnet werden können. So kann beispielsweise ein Verstoß gegen Kinderarbeit nicht mit einer deutlichen Verringerung der Abwassermenge aufgewogen werden. Vergleiche von Unternehmen mit unterschiedlichen Geschäftsfeldern und Konzernstrukturen sind ebenfalls nur eingeschränkt möglich. So sind beispielsweise die Automobilhersteller Daimler und BMW nur eingeschränkt vergleichbar, da Daimler der weltgrößte Nutzfahrzeughersteller ist, BMW in diesem Segment aber nicht tätig ist. Zwar werden in einer Segmentberichterstattung ökonomische Daten veröffentlicht, <?page no="232"?> 232 9 Nachhaltigkeit messen selten geschieht dies aber für ökologische und soziale Informationen. Kritisch ist ebenfalls, dass Vorprodukte und somit die gesamte Wertschöpfung keinen Eingang in die Beurteilung finden. Zwei Unternehmen derselben Branche sind nur eingeschränkt vergleichbar, wenn sie eine unterschiedliche Fertigungstiefe aufweisen. Stellt beispielsweise ein Unternehmen ressourcenintensive Vorprodukte selber her, ein anderes bezieht diese hingegen extern, schneidet das Unternehmen mit geringer Fertigungstiefe besser ab. Das Unternehmen gilt als nachhaltiger, obwohl nur eine Produktionsstufe ausgelagert wurde und dieses Unternehmen möglicherweise überhaupt nicht nachhaltig arbeitet. Eine konsequente Nutzung des Sustainable Value würde somit einen Anreiz bieten, die Fertigungstiefe möglichst gering zu halten und alle nachhaltig kritischen Aufgaben auszulagern. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn das Unternehmen die Vorprodukte ökologisch und sozial selber effizienter herstellen könnte als der Lieferant. Erst wenn jedes Unternehmen den Sustainable Value ermittelt, könnte die gesamte Wertschöpfungskette optimiert und nachhaltigere Produkte und Prozesse etabliert werden. Diese Problematik tritt allerdings nicht nur beim Sustainable Value auf, sondern auch bei anderen Messkonzepten. Daher sollte idealerweise die gesamte Wertschöpfungskette in die Betrachtung einbezogen werden. Der Sustainable Value misst die Ressourceneffizienz. Die verschiedenen strategischen Ansätze zur Steuerung der Nachhaltigkeit haben aber gezeigt, dass Effizienz dort an Bedeutung verliert, wo Konsistenz erreicht wird. In einem vollständig geschlossenen Ressourcenkreislauf, wie er etwa beim Cradle-to-Cradle-Ansatz angestrebt wird, ist Effizienz gar irrelevant. Wird der Strom komplett CO 2 -frei gewonnen, ist eine Stromeinsparung aus ökologischen Gründen unnötig. Somit ist auch die Messung, ob das Unternehmen den Stromverbrauch je hergestelltem Produkt verringert hat, irrelevant. Ein solches Unternehmen ist, bezogen auf den Stromverbrauch, absolut nachhaltig. Zur Berechnung des Sustainable Value dürfte daher der Energieverbrauch nicht berücksichtigt werden, der CO 2 -Ausstoß aus der fossilen Energiegewinnung hingegen schon. Schließlich liegt eine Grenze des Sustainable-Value- Ansatzes darin, dass nicht oder nur sehr schlecht monetarisierbare Faktoren keinen Eingang in den Sustainable Value finden. Fairness im Umgang mit Geschäftspartnern, die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit oder die Transparenz sind schlecht quantifizierbar und eignen sich somit nicht für den Sustainable Value. Insgesamt stellt der Sustainable Value ein interessantes Konzept für das Nachhaltigkeitscontrolling dar. Genau so wenig wie es die eine ökonomische Kennzahl gibt, die über alle relevanten ökonomischen Aspekte informiert, gibt es auch keine entsprechende Nachhaltigkeitskennzahl. Der Sustainable Value kann zur operativen Bewertung der Nachhaltigkeit, zur Planung, Steuerung und auch zur Anreizgestaltung genutzt werden. Der Blick wird über die ökonomische Dimension hinaus erweitert und auch auf die entsprechenden Leistungen der Wettbewerber gelenkt. Hierfür muss die Kennzahl aber eindeutig definiert werden, es muss eine geeignete Benchmark gewählt werden und es ist eine hohe Datenqualität notwendig. Für Unternehmen mit unterschiedlichen Geschäftsfeldern, worunter die meisten Konzerne fallen, und mit <?page no="233"?> 9.5 Entwicklung nachhaltiger KPI-Sets 233 unterschiedlichen Fertigungstiefen, eignet sich der Sustainable Value hingegen kaum. Sofern die Datenqualität aber zufriedenstellend ist, kann der Sustainable Value hierbei als internes Steuerungsinstrument genutzt werden, um etwa Geschäftsfelder, verschiedene Landesgesellschaften oder Produktionsstätten zu vergleichen (vgl. Arnsfeld, Peters, Wübben 2011, S. 84f.; Arnsfeld, Wübben 2011, S. 51ff.). Aufgrund der unterstellten schwachen Nachhaltigkeit und der dadurch möglichen Aufrechnung der verschiedenen Ressourcen sollte der Sustainable Value weiterentwickelt und ergänzt werden. Beispielsweise könnten Mindestanforderungen für einzelne Ressourcen oder KO-Kriterien definiert werden, die nicht einfach verrechnet werden können. Zudem kann die Effizienz einzelner Ressourcen gesondert bewertet werden oder es werden die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit in Form eines Economic Value, eines Environmental Value und eines Social Value getrennt und nicht saldiert betrachtet. Kapitel 9: Erkenntnisse Basis für gute Entscheidungen sind gute Informationen. Die Nachhaltigkeit muss deshalb konkret operativ erfasst werden. Eine Messung der Nachhaltigkeit ist auf vielfältige Arten möglich, im Vergleich zum betrieblichen Rechnungswesen gibt es aber nicht den einen etablierten Standard. Neben einer Systematik, wie Daten ermittelt werden, wird ein Informationssystem benötigt, das aktuelle Daten empfängerorientiert zur Verfügung stellt. Schließlich sind relevante Kennzahlen abzuleiten, die zur Planung und Steuerung der Nachhaltigkeit genutzt werden können. Gemäß 3-Säulen-Modell lassen sich eine Umweltkostenrechnung, das Social Accounting und die ökonomische Nachhaltigkeit unterscheiden. Insbesondere in der Umweltkostenrechnung besteht eine Vielzahl an Messkonzepten, wie etwa der Ökobilanz oder den Öko-Kennzahlen, die ihrerseits stark durch den Berichtsstandard GRI beeinflusst werden. Soziale Belange sind tendenziell schwieriger messbar. Neben den, ebenfalls häufig an GRI angelehnten Sozialindikatoren, ist hier die Wertschöpfungsrechnung und soziale Wirkungsanalyse zu nennen. Soziale Faktoren werden insgesamt häufig durch die Compliance gesteuert und weniger durch das Controlling. Selbst die ökonomische Nachhaltigkeit ist schwer zu messen, da hierbei die langfristigen Auswirkungen in eine Kennzahl einfließen müssten. Zukünftige Erwartungen sind aber subjektiv geprägt und eignen sich daher kaum als Steuerungsgröße. Ökologische, soziale und wirtschaftliche Indikatoren können in Form eines Kennzahlenkatalogs zusammengeführt werden, wie dies etwa in einem Nachhaltigkeitsbericht erfolgt. Ebenso könnten die Indikatoren in einer Sustainability Balanced Scorecard integriert werden. Unter gewissen Prämissen können die verschiedenen Kennzahlen aber auch zu einer Spitzenkennzahl, wie dem Sustainable Value, verdichtet werden. <?page no="234"?> 10 Operatives Nachhaltigkeitscontrolling Input Das strategische Nachhaltigkeitscontrolling gibt den Rahmen für das operative Nachhaltigkeitscontrolling vor. Es liegen zahlreiche Messkonzepte vor, auf deren Grundlage die operative Steuerung erfolgt. Teilprozesse Nachhaltigkeit ist ein Bestandteil der Unternehmensplanung. Hierfür ist die Nachhaltigkeit in einem Kennzahlensystem zu integrieren. Output Nachhaltigkeit ist fester Bestandteil der Controlling-Regelprozesse und keine hiervon abgetrennte Zusatzaufgabe. Bisher wurde dargestellt, wie die Nachhaltigkeit im Unternehmen normativ zu verankern und in der Vision zu integrieren ist, wie eine passende Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln ist und wie diese, insbesondere mittels Sustainability Balanced Scorecard (SBSC), umzusetzen ist. Schließlich wurden im vorangehenden Kapitel zahlreiche Messkonzepte vorgestellt, die zur operativen Steuerung der Nachhaltigkeit unumgänglich sind. Sind die Vision, die Strategie und die Messkonzepte zueinander stimmig, ist das operative Nachhaltigkeitscontrolling auszugestalten. Nachhaltigkeitsziele und Maßnahmen müssen geplant werden, die für Entscheidungen notwendigen Informationen müssen zur Verfügung gestellt werden, die Zielerreichung muss gemes- <?page no="235"?> 10.1 Planungs- und Kennzahlensysteme 235 sen und Zielabweichungen müssen analysiert werden. Darüber hinaus sind die Manager und die operativ Handelnden zu beraten, wie Nachhaltigkeitsziele erreicht werden können und wie Maßnahmen auf die Nachhaltigkeitsziele wirken. Dies sind die typischen Controller-Aufgaben. Planungs- und Kennzahlensysteme Wie bereits im 4. Kapitel dargestellt, ist das operative Nachhaltigkeitscontrolling keine gesonderte, vom traditionellen Controlling losgelöste Einheit. Es geht hier also darum, wie das bestehende Controlling angepasst und erweitert werden kann, um neben den ökonomischen auch die ökologischen und sozialen Ziele zu erreichen und nicht darum, Parallelprozesse zu errichten. Ökologische und soziale Effekte entstehen durch die Leistungserbringung auf der Ebene einzelner Prozesse und müssen daher mit diesen geplant und gesteuert werden. So hat beispielsweise die Produktions- oder Logistikplanung unmittelbare Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit, weshalb eine Integration des Nachhaltigkeitscontrollings unumgänglich ist. Jede Variation in den Prozessen und bei den Inputfaktoren kann ökonomisch, ökologisch und sozial relevant sein. Die Messung der Nachhaltigkeit findet in den operativen Prozessen der Leistungserbringung statt. Nur dort wo der Energieverbrauch anfällt und Ressourcen eingesetzt werden, wo deutlich wird, welche Maßnahmen diese beeinflussen, welche Abhängigkeiten bestehen und wo die Mitarbeiter über diese praktischen Erfahrungen verfügen, kann der Controller die Zusammenhänge von Betrieb und Nachhaltigkeit erlernen und sich zu einem kompetenten Business Partner entwickeln. „Dabei ist es für die erfolgreiche Steuerung und langfristige Verankerung von ökologischen und sozialen Aktivitäten unerlässlich, sie in die Wertschöpfungs- und Leistungserstellungslogik des Unternehmens zu integrieren.“ (Schaltegger, Hörisch, Windolph, Harms 2012, S. 12). Eine der bedeutsamsten Aufgaben des operativen Controllings ist die Planung. Diese setzt sich aus verschiedenen Teilplänen zusammen, die ihrerseits die wichtigsten Aufgaben (z.B. Beschaffung, Fertigung, Vertrieb, ...) und Inhalte (z.B. Ergebnis, Investitionen, Personal, ...) präsentieren. Zwischen diesen Teilplänen bestehen vielfältige Abhängigkeiten, die im Planungsprozess berücksichtigt werden müssen. Die vielfältigen Abstimmungsprozesse zur Erstellung eines in sich stimmigen Gesamtplans kennt jeder Controller, der mit der Budgetierung befasst ist. Die folgende Abbildung enthält beispielhaft Teilpläne der operativen Planung sowie einige der bedeutsamen Beziehungen zwischen diesen. Hierbei sind neben dem wirtschaftlichen Ergebnis auch die Sozial- und Umweltziele ein integrierter Bestandteil der Gesamtplanung. Das Controlling stellt die Zielerreichung sicher, koordiniert die Teilziele und klärt den Umgang mit Zielkonflikten. Hierbei wird offensichtlich, dass die ökologischen und sozialen Pläne nicht aus dem Controlling herausgelöst und getrennt erstellt werden können. Wie bereits dargelegt, sind die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit integriert zu steuern. <?page no="236"?> 236 10 Operatives Nachhaltigkeitscontrolling Abb. 10.1: Teilpläne der operativen Planung und ihre Wechselbeziehungen Nicht nur im Prozess der operativen Planung sind Sozial- und Umweltziele zu integrieren, sondern auch im Steuerungs- und Kennzahlensystem. Aus diesem ergeben sich die Werttreiber und die Stellhebel, um die Ziele letztlich auch zu erreichen. Bereits im vorangehenden Kapitel wurden die für die Nachhaltigkeit relevanten Messkonzepte und Kennzahlen vorgestellt. Nun sind hieraus ausgewählte Messkonzepte und Kennzahlen in das Steuerungssystem einzubinden. Beispielsweise können die von vielen Unternehmen benutzten ROI- oder Werttreiberbäume entsprechend erweitert werden. Wird etwa der ROI als ökonomisches Spitzenkennzahl des ROI- Treiberbaums durch das integrierte Nachhaltigkeitsziel des Sustainable Value ersetzt, kann, wie nachfolgende Abbildung 10.2 zeigt, ein umfangreicher Werttreiberbaum als nachhaltiges Kennzahlensystem aufgebaut werden. Auch hierbei werden die zahlreichen Interdependenzen zwischen den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit offensichtlich. Ein solcher Treiberbaum ist unternehmensindividuell aufzustellen, um die spezifischen Ziele, Produkte und Prozesse zu berücksichtigen. Eine sinnvolle Erweiterung wäre zudem die Ergänzung um Rückkopplungen. So wirkt beispielsweise die Mitarbeiterzufriedenheit nicht nur auf das Sozialziel, sondern auch auf die Fluktuation. Diese beeinflusst wiederum die Produktqualität und die Zuverlässigkeit, die ihrerseits den ökonomischen Erfolg beeinflussen. Wenn der unternehmerische Erfolg die Zufriedenheit der Mitarbeiter stärkt, ergänzen sich die verschiedenen Wirkungen hin zu einer sich selbst verstärkenden Schleife. Aus einem linearen Ursache- Wirkungsbaum, dem eine mechanistische Vorstellung des Unternehmens zugrunde liegt, entsteht ein dynamisches Ursache-Wirkungsnetz. Ein solches Modell kommt realen Zusammenhängen sehr viel näher, weshalb die daraus abgeleiteten Erkennt- <?page no="237"?> 10.2 Operatives Steuerungssystem am Beispiel SAP 237 nisse und Empfehlungen in aller Regel auch bedeutsamer sind. Hierdurch wird das Steuerungsmodell dynamisiert, wodurch zukünftige Entwicklungen auch simuliert werden können. Dazu eignet sich die Nutzung von Modellierungssoftware, wie etwa der iModeler oder Vensim. Abb. 10.2: Treiberbaum für den Sustainable Value Beim Aufbau eines solchen Modells sollte nicht nach Vollständigkeit gestrebt werden, sondern nach der Wesentlichkeit. Manager und Controller müssen daher die wesentlichen Faktoren und Beziehungen erkennen und priorisieren. Wurde ein Ursache-Wirkungsnetz mit Hilfe einer Modellierungssoftware aufgebaut, können mittels Simulation bedeutsame Faktoren erkannt werden. Es lassen sich Faktoren differenzieren, die besonders stark oder schwach wirken und solche, die nur kurzfristig wirksam sind, während andere zwar langsam, aber dauerhaft wirken. Operatives Steuerungssystem am Beispiel SAP SAP entwickelte ebenfalls ein Steuerungssystem, das verschiedene, finanzielle und nichtfinanzielle Kennzahlen in Beziehung setzt. Vier dieser Kennzahlen fungieren als oberste Unternehmensziele: Umsatz, Marge, Mitarbeiterengagement, Kundentreue. Daneben sind noch zehn weitere Kennzahlen genannt. Zwischen diesen <?page no="238"?> 238 10 Operatives Nachhaltigkeitscontrolling Kennzahlen gibt es vielfältige Ursache-Wirkungsbeziehungen. Im Online-Unternehmensbericht werden die Kennzahlen und ihre jeweiligen Beziehungen zu den anderen Kennzahlen erläutert. Abbildung 10.3 zeigt die Ursache-Wirkungsbeziehungen, die das Mitarbeiterengagement beeinflussen bzw. von diesem ausgehen. Eine Kennzahl kann eine andere positiv oder negativ beeinflussen. Es gibt aber auch Beziehungen, die in einem geringen Umfang positiv, in einer starken Ausprägung hingegen negativ wirken. SAP erkannte beim Mitarbeiterengagement zahlreiche Rückkopplungsprozesse, etwa über den Umsatz, die Marge, die Treibhausgasemission und das Arbeitgeber-Ranking. Die Ursache-Wirkungsbeziehungen der anderen Kennzahlen können im Online-Unternehmensbericht aufgerufen werden. Abb. 10.3: Ursache-Wirkungsbeziehungen des Mitarbeiterengagements bei SAP (Quelle: eigene Darstellung, angelehnt an SAP, Integrierter Bericht 2013, online verfügbar: http: / / www.sapintegratedreport.com/ 2013/ index.php? id=354) Das Mitarbeiterengagement wertet SAP als eine Kennzahl, die das Engagement, die Loyalität, den Stolz und die Identifikation mit dem Unternehmen ausdrückt. SAP erwartet, dass sich ein erhöhtes Engagement positiv auf die Marge auswirkt und begründet dies mit einer Gallup-Studie, dass Unternehmen mit einem hohen Mitarbeiterengagement eine um 12% höhere Ertragskraft haben. Andererseits fördert eine hohe Marge wiederum das Mitarbeiterengagement, da dies für die Mitarbeiter eine positive Nachricht ist, die ihre Arbeitsmoral verbessert und die Identifikation mit den Unternehmenszielen fördert (vgl. SAP 2014, online: http: / / www.sap-integrated report.com/ 2013/ index.php? id=354). <?page no="239"?> 10.2 Operatives Steuerungssystem am Beispiel SAP 239 Diese vielfältigen Beziehungen aus ökonomischen, ökologischen und sozialen Indikatoren sind Bestandteil eines umfassenden Wirkungsnetzes. Zwischen den Faktoren bestehen verschiedene Ursache-Wirkungs-Beziehungen und teils bestehen auch Schleifen, wodurch eine ausgehende Wirkung über einen oder über mehrere Faktoren hinweg auf denselben Faktor wieder rückwirkt. Ausgehend von den vier Zielen von SAP wurde ein beispielhaftes Modell mit Ursache-Wirkungsbeziehungen entwickelt, wobei die Beziehungen nach ihrer Stärke und nach der Reaktionsgeschwindigkeit differenziert wurden. Hieraus ergibt sich nachfolgendes Ursache-Wirkungsnetz für die Attraktivität einer Investition: Abb. 10.4: Ursache-Wirkungsnetz einer lohnenswerten Investition (vereinfachte Darstellung) Die vier von SAP genannten Unternehmensziele sind unterschiedlich stark in das Wirkungsnetz eingebunden. Deren Bedeutung variiert, ob nun kurzfristige oder längerfristige Auswirkungen betrachtet werden. Längerfristig sind vor allem die Kundentreue und das Mitarbeiterengagement bedeutsam, wie Abb. 10.5 zeigt. Je weiter rechts die Faktoren sind, desto stärker wirken sie auf das Ziel. Weiter oben liegende Faktoren verstärken sich dabei im Zeitablauf und werden auf Dauer somit noch bedeutsamer. <?page no="240"?> 240 10 Operatives Nachhaltigkeitscontrolling Abb. 10.5: Erkenntnismatrix: Attraktivität einer Investition Hinterfragt man den bedeutendsten Faktor, die Kundentreue, durch welche Faktoren diese ihrerseits beeinflusst wird, kann die Auswertung auch nach diesem Faktor erfolgen. In Abb. 10.6 erkennt man die Faktoren, welche die Kundentreue längerfristig beeinflussen. Der bedeutsamste Faktor, um treue Kunden zu gewinnen, ist die Zuverlässigkeit, gefolgt von einem guten Preis-Leistungsverhältnis sowie von der Befriedigung zusätzlicher Kundenbedürfnisse. Wird also die Attraktivität einer Investition beurteilt, sollte diese insbesondere die Zuverlässigkeit fördern. Dafür müsste beispielsweise bei der Investition in ein neues Rechenzentrum ein besonderes Augenmerk auf die Robustheit, auf die Qualität und auf eine sehr geringe Ausfallswahrscheinlichkeit gelegt werden. Durch die Modellierung und Auswertung des Modells mit Hilfe der Erkenntnismatrix werden die besonders bedeutsamen Faktoren für die Erreichung der Unternehmensziele deutlich. Die systemische Betrachtung der operativen Steuerung enthält eine große Anzahl relevanter Faktoren samt ihrer vielfältigen Beziehungen. Die Simulation erlaubt einen Einblick in die zukünftige Entwicklung und verdeutlich die Erfolgsfaktoren sowohl für einen kurzfristigen wie auch für einen langfristigen Erfolg. <?page no="241"?> 10.2 Operatives Steuerungssystem am Beispiel SAP 241 Abb. 10.6: Erkenntnismatrix: Kundentreue Auf Basis eines Steuerungssystems, definierter Messkonzepte und Kennzahlen sowie der Unternehmensplanung, ist die Nachhaltigkeit operativ integriert. Durch eine regelmäßige Erfassung von Ist-Werten und den Abgleich mit den Plan-Werten wird die Zielerreichung erkannt und ggf. können geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Zielerreichung erlassen werden. Aus dem Plan-Ist-Vergleich werden zahlreiche Erkenntnisse gewonnen, die in der weiteren Planung berücksichtigt werden können. So wird beispielsweise erfahrbar, wie sich ein Mengenanstieg auf den CO 2 -Ausstoß auswirkt, wie die Flexibilisierung der Arbeitszeiten die Fluktuation und die Zuverlässigkeit des Unternehmens verändert usw. Über die Nachhaltigkeitsziele werden somit zunehmend Erfahrungen gesammelt, wie sie in der ökonomischen Dimension häufig schon bestehen. Nachhaltigkeit etabliert sich damit zusehends als fester Bestandteil des Controllings. Beispiel: CO 2 -Umweltcontrolling-Konzept der Deutschen Post DHL Bereits im Jahr 2011 wurde die Deutsche Post DHL für ihr Umweltcontrolling- Konzept mit dem Green-Controlling-Preis der Péter Horváth-Stiftung ausgezeichnet. Die Basis ist ein Controlling-Regelkreis, der die Verringerung der CO 2 - Emissionen zum Ziel hat und das Management bei der Erreichung dieses Ziels unterstützt. Hierbei werden mit dem Management KPIs entwickelt und die Treiber für eine hohe CO 2 -Effizienz identifiziert. Auf der Basis modellierter Szenarien <?page no="242"?> 242 10 Operatives Nachhaltigkeitscontrolling werden Maßnahmen geplant, die in die bestehenden Controllingprozesse integriert werden. Die Implementierung erfordert eine Beratung und Unterstützung des Managements. Ebenso sind Projekte und neue Geschäftsideen, aber auch Investitionen bezüglich ihrer Auswirkungen auf das Ziel der Verringerung des CO 2 - Ausstosses zu prüfen. Schließlich ist sowohl intern als auch extern über die Ziele, Maßnahmen und Erfolge zu berichten. Die Berichtsinhalte sollen dabei automatisiert, aber auch differenziert generiert werden. (Quelle: Aschenbrücker 2012, S. 10) Kapitel 10: Erkenntnisse Die Integration der Nachhaltigkeit in die Controlling-Regelprozesse, insbesondere in Kennzahlensysteme, die im Unternehmen etabliert sind und in die operative Planung, in die Abweichungsanalysen und in das Berichtswesen, verortet die Nachhaltigkeit im Controlling. Einzelne neuartige Messkonzepte, wie ein Sustainable Value, eine Ökoeffizienzanalyse oder eine soziale Wirkungsanalyse, finden somit einen Platz in den Controllingprozessen und verkümmern nicht als ein zwar interessantes, aber nicht zuordenbares exotisches Instrument. Die Integration und damit eine regelmäßige Beschäftigung mit der Steuerung der Nachhaltigkeit ist wirksamer als ein perfektioniertes, sehr aufwendiges, aber alleine stehendes Instrument. Durch die Integration und regelmäßige Beschäftigung mit den Methoden zur nachhaltigen Steuerung werden die Controller diese zunehmend beherrschen, kontinuierlich weiterentwickeln und unternehmensindividuell anpassen. Bei Bedarf werden neue und bessere Tools und Konzepte gesucht, adaptiert und genutzt. Es entsteht ein Lernprozess für Controller und Manager hin zu einem effektiven und effizienten Nachhaltigkeitsmanagement. Dass dieser Prozess überhaupt in Gang gesetzt wird, ist bedeutsamer als eine vorsorgliche Perfektionierung der Instrumente. Das operative Nachhaltigkeitscontrolling ist seinerseits in das strategische Nachhaltigkeitscontrolling eingebunden und somit Bestandteil eines Gesamtsystems, wodurch nicht nur nach Effizienz gestrebt wird, sondern auch die Konsistenz und die Suffizienz umgesetzt werden können. <?page no="243"?> 11 Nachhaltigkeitskommunikation Input Die Steuerung der Nachhaltigkeit ist in die Controlling-Regelprozesse integriert. Es liegen geeignete Kennzahlen vor, die geplant und gemessen werden. Teilprozesse Identifikation der Zielgruppen der Kommunikation: Markt/ Kunden, Mitarbeiter, Stakeholder. Klärung der Ziele und der Instrumente der Nachhaltigkeitskommunikation. Zur Steuerung dient die interne Berichterstattung, dem Austausch mit den Stakeholdern dient die externe Berichterstattung. Hierfür sind die Berichtsstandards zu beachten. Eine integrierte Berichterstattung ist die logische Konsequenz einer integrierten Steuerung des Nachhaltigkeitscontrollings. Output Durch den Nachhaltigkeitsbericht wird der Controlling-Regelkreis von Zielfindung, Planung und Steuerung geschlossen, ebenso der Kommunikations- Regelkreis mit den Stakeholdern. Durch die Vielgestaltigkeit der Nachhaltigkeit und der beteiligten Akteure erweist sich auch die Kommunikation über die Nachhaltigkeit als herausfordernd. Fasst man den Begriff der Nachhaltigkeitskommunikation sehr weit, ist darunter jede Kommu- <?page no="244"?> 244 11 Nachhaltigkeitskommunikation nikationsmaßnahme zu verstehen, die Nachhaltigkeit zum Inhalt hat: Werbung, Pressemitteilungen, Social-Media-Aktivitäten, persönlicher Austausch mit Geschäftspartnern, interne Kommunikation mit Mitarbeitern sowie Nachhaltigkeitsberichte. Zielgruppen der Nachhaltigkeitskommunikation sind somit neben aktuellen und potentiellen Kunden die Mitarbeiter sowie generell die Stakeholder bzw. die Öffentlichkeit. Im Controlling wird üblicherweise zwischen internen Berichten, den für die Entscheidungsträger bestimmten Managementreports, und den für die Stakeholder bestimmten externen Berichten unterschieden. Unter dem Begriff der Nachhaltigkeitsberichterstattung wird in der Praxis und in der Literatur in aller Regel die externe Berichterstattung verstanden. Der Nachhaltigkeitsbericht erweitert somit den ebenfalls für die Stakeholder bestimmten Geschäftsbericht, wobei er sich von diesem aber deutlich unterscheidet. Der Nachhaltigkeitsbericht ist im Vergleich zum Geschäftsbericht oftmals weniger einheitlich strukturiert und standardisiert, er ist weniger nüchtern, sondern benutzt eine bildhafte Sprache. Nicht selten stehen auch werbliche Aussagen im Vordergrund, die den Verdacht auf Greenwashing lenken. Es wird dann beispielsweise von der Erschließung neuer umweltfreundlicher Technologien, von einer Clean- Production-Philosophie, Clean-Car-Policies, von hoher Ressourceneffizienz, von der Attraktivität als Arbeitgeber und von der Gesundheitsförderung der Mitarbeiter gesprochen. Die Einordnung, ob hierbei jeweils bereits ein gutes Niveau erreicht wurde, ob das Unternehmen besser ist als der Wettbewerb, ob das Ergebnis den Vorstellungen der Stakeholder entspricht oder ob noch umfangreiche Potentiale zur Steigerung der Nachhaltigkeit bestehen, bleibt nicht selten fraglich. Ebenso finden sich in Berichten umfangreiche Zahlenwerke zu teils sehr speziellen Indikatoren, die der Leser zumeist nicht beurteilen und einordnen kann. So dürften die Wenigsten mit der Information, dass in einem Fahrzeug 4% Elastomere und 2% Duromere enthalten sind, etwas anfangen. Ist dies ein herausragender Erfolg aufgrund jahrelanger Bemühungen oder gab es hierbei noch gar keine nennenswerten Aktivitäten? Ist der Einsatz dieser Materialien überhaupt ökologisch bedenklich oder ist dies ökologisch irrelevant, da sie in einem Kreislaufkonzept eingebunden sind? Ebenso dürfte es schwer zu beurteilen sein, ob ein Anteil von 20% an Kunststoffrezyklaten in einem Auto als großer Erfolg zu werten ist oder ob eine Smartphone- App, die den Aufenthaltsort von Familienmitgliedern auf einer Karte zeigt, eine nachhaltige Mobilitätsleistung ist. Zwar gibt es durchaus konkrete Nachhaltigkeitsziele, die oft durch pauschale Prozentsätze oder Jahresziele (20% weniger CO 2 - Ausstoß, ab 2025 nur noch regenerativ gewonnene Energie nutzen,...) beschrieben werden. Fast nie findet sich hierfür eine plausible Herleitung: Leisten diese Ziele einen wirksamen Beitrag hin zu einer nachhaltigen Entwicklung oder führen sie nur zu einer etwas weniger schnellen Schädigung? Ist die Ziel-Schadschöpfung daraus abgeleitet, dass erneuerbare Ressourcen nur in dem Maße genutzt werden, wie sie nachwachsen oder dass Emissionen nur in dem Umfang ausgestoßen werden, wie sie in der Umwelt abgebaut werden können? <?page no="245"?> 11.1 Nachhaltigkeitskommunikation: Inhalte, Ziele, Instrumente 245 Nachhaltigkeitsberichte von zum Teil über 100 Seiten (Allianz 2018: 109 Seiten, BASF (Integrierter Bericht) 2018: 290 Seiten, BMW 2018: 126 Seiten, Daimler 2018: 128 Seiten, Deutsche Bahn (Integrierter Bericht) 2018: 276 Seiten, RWE 2018: 98 Seiten, Siemens 2018: 63 Seiten) erwecken den Eindruck, dass ein Unternehmen umfassend nachhaltig engagiert ist, eine tatsächliche Bewertung des Erfolgs fällt aber schwer. Der Vergleich von Unternehmen auf der Basis einheitlicher Indikatoren ist nur eingeschränkt möglich. Ein genauer Blick auf zu vergleichende Unternehmen zeigt, dass sich Geschäftsfelder und Produkte, Produktionsweisen und die Wertschöpfungstiefe doch vielfach unterscheiden. Die Indikatoren werden auf verschiedene Arten gemessen und die hierbei vorliegenden Freiräume werden individuell genutzt. Für einen internationalen Vergleich kommen politische, gesellschaftliche und kulturelle Unterschiede noch hinzu. Sicherlich werden sich die Standards, die Indikatoren und deren Messverfahren in der Zukunft noch weiterentwickeln. Ob jemals eine Vergleichbarkeit wie bei den Finanzdaten auf Basis einer international vereinheitlichten Rechnungslegung, den International Financial Reporting Standards (IFRS), besteht, bleibt mit einer gewissen Skepsis abzuwarten (vgl. Kleinfeld, Martens 2014, S. 230f.). Nachhaltigkeitskommunikation: Inhalte, Ziele, Instrumente Nachhaltigkeitskommunikation läßt sich folgendermaßen definieren (in Anlehnung an Zerfaß 1996, S. 287): „Unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation umfasst alle kommunikativen Handlungen über soziales und ökologisches Engagement sowie über die Zusammenhänge ökologischer, sozialer und ökonomischer Perspektiven in den drei Teilbereichen Marktkommunikation, Organisationskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, mit denen ein Beitrag zur Aufgabendefinition und -erfüllung in gewinnorientierten Wirtschaftseinheiten geleistet wird.“ (Brugger 2010, S. 3f.) Die Nachhaltigkeitskommunikation umfasst demnach: Kommunikation über ökologisches und soziales Handeln des Unternehmens Verständlich machen der Zusammenhänge ökologischer, sozialer und ökonomischer Inhalte Aufzeigen, welchen Beitrag das Nachhaltigkeitsmanagement zur Erreichung der strategischen und operativen Unternehmensziele leistet Aufzeigen, welchen gesellschaftlichen Beitrag das Unternehmen für die nachhaltige Entwicklung leistet Zielgruppen sind insbesondere Kunden, die Mitarbeiter des eigenen Unternehmens sowie die Öffentlichkeit Die Nachhaltigkeitskommunikation ist der Teil der Unternehmenskommunikation, der den inhaltlichen Fokus auf die Nachhaltigkeit legt. Wurde die Unternehmenskommunikation in den 1960er Jahren noch primär als Produktinformation für Kun- <?page no="246"?> 246 11 Nachhaltigkeitskommunikation den verstanden, die eine hohe Glaubwürdigkeit besaß, haben sich Inhalt, Zielgruppe und auch deren Bewertung seitens der Informationsempfänger deutlich gewandelt. Man spricht von einer integrierten Unternehmenskommunikation, Zielgruppen sind die Stakeholder, zur einseitigen Information kam der Dialog und statt nur über Produkte zu informieren sind heute umfassende Unternehmensbelange Inhalt. Unternehmen werden medial beobachtet und müssen sich einer kritischen Öffentlichkeit gegenüber erklären. Einher geht diese Veränderung mit einem gravierenden Wandel der Medienlandschaft und der Mediennutzung. Medien bilden nicht mehr nur die Wirklichkeit ab, sondern konstruieren diese (vgl. Brugger 2010, S. 56ff.). Neben den klassischen Medien wie Werbeanzeigen, Unternehmensberichte oder Kundenveranstaltungen werden Plattformen (z.B. Facebook, Twitter, Instagram, Snapchat), beziehungsstiftende Kanäle (z.B. Content-Marketing, Blogger-Relations, Audience- und Influencer-Mapping) und Online-Marketing-Tools (z.B. interaktive Werbung, Online-Targeting) genutzt (vgl. Kirf, Eicke, Schömburg 2018, S. 8). Es entstanden professionelle Kommunikationsabteilungen mit multimedialen Kompetenzen, die häufig in der obersten Unternehmensebene angesiedelt sind. Unternehmenskommunikation gilt heute als eine selbstverständliche Managementaufgabe. Die praktische Umsetzung der Nachhaltigkeitskommunikation erfolgt typischerweise in Form des PDCA-Zyklus: Kommunikationsziele, etwa nach Zielgruppen, nach Inhalten bzw. Botschaften und der beabsichtigten Wirkung sowie Maßnahmen, wie Kommunikationskanäle und die Dialogform, werden geplant. Nach der Durchführung erfolgt ein Abgleich zwischen den Ergebnissen und den Zielen, woraus wiederum eine Anpassung der Maßnahmen oder auch der Ziele erfolgen kann. Nachhaltigkeit behandelt Fragestellungen, die mittelbis langfristig von höchster Relevanz für die Menschheit sind, in den Massenmedien dominieren hingegen Ereignisse von aktueller und kurzfristiger Relevanz, die mehrmals täglich durch wiederum neue Meldungen verdrängt werden. Zudem ist die Nachhaltigkeit eine komplexe Angelegenheit, die sich wenig dafür eignet, simplifiziert und leicht verständlich dargestellt zu werden (vgl. Brugger 2010, S. 63ff.). Zwischen den medialen Voraussetzungen einer hohen Aufmerksamkeit und den Inhalten der Nachhaltigkeitskommunikation bestehen somit vielfältige Dissonanzen, die im Folgenden - durchaus etwas pauschaliert - dargestellt werden. Typisch für die Nachhaltigkeit Typisch für die Massenmedien vorwiegend zukunftsorientiert vorwiegend vergangenheitsorientiert komplexe, schwer verständliche Inhalte einfache, gut verständliche Inhalte interdisziplinär Ressortorientierung überwiegend mittelbis langfristige Relevanz überwiegend aktuelle und kurzfristige Relevanz <?page no="247"?> 11.1 Nachhaltigkeitskommunikation: Inhalte, Ziele, Instrumente 247 Verhaltensänderungen und das Vorsorgeprinzip erfordern dauerhafte Präsenz und Sensibilität laufend wechselnde Themen von jeweils nur kurzer Dauer, schnelle Ermüdungseffekte besonders bedeutsam für Entwicklungs- und Schwellenländer Fokus auf Industrieländer Tabelle 11.1: Typische Ursachen für Dissonanzen zwischen Nachhaltigkeit und Medien (in Anlehnung an Fiedler 2007, S. 89) Der Unternehmenswie auch der Nachhaltigkeitskommunikation werden zumeist drei Zielgruppen zugeordnet: die Kunden bzw. der Markt zur direkten Erfüllung des Unternehmenszwecks, die Mitarbeiter des eigenen Unternehmens bzw. der eigenen Organisation und die für das Unternehmen relevante Gesellschaft, die Stakeholder (vgl. Brugger 2010, 79). Nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die wesentlichen Kommunikationsziele und Instrumente der drei Zielgruppen: Markt/ Kunden Mitarbeiter Gesellschaft transaktionsorientiert aufgabenorientiert interaktionsorientiert externe Kommunikation/ Kunden interne Kommunikation externe Kommunikation/ Stakeholder Wirtschaftlichkeitsperspektive: Gewinnung von Kunden, Umsatz- und Gewinnsteigerung, Nachhaltigkeit als relevantes Kaufkriterium Wirtschaftliche Perspektive sowie Schaffung von Vertrauen: Mitarbeiterzufriedenheit, Loyalität und Engagement, Employer Branding, gemeinsames Nachhaltigkeitsverständnis Schaffung von Vertrauen und Goodwill: Nachhaltigkeit zur Sicherung der License to operate, Risiken erkennen, Informationsrecht der Gesellschaft Kommunikation im Rahmen des Marketingmix (z.B. Product Placement, Werbeanzeigen, Kundenzeitung, Eventmarketing, Online-Werbung, TV- Spot, Influencer-Marketing,) Interne Kommunikation (z.B. Mitarbeitergespräche, Teamsitzungen, Intranet, Mitarbeiterzeitschrift, Rundschreiben, Broschüren, Informationsveranstaltungen, Schulungen, Wikis, Blogs,…) Public Relations/ Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Nachhaltigkeitsbericht, Stakeholderdialog, Pressearbeit, Homepage, Unternehmensdarstellung in sozialen Medien,…) Tabelle 11.2: Zielgruppen der Unternehmenskommunikation (in Anlehnung an Mast, Güller, Huck 2005, S. 37) <?page no="248"?> 248 11 Nachhaltigkeitskommunikation Aus der Kombination der drei Zielgruppen mit den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit ergeben sich neun Felder, die mit Zielen und Maßnahmen ausgestaltet werden müssen (vgl. Brugger 2010, S. 86ff.). In der Tabelle ist für jedes Feld ein Beispiel genannt. Ökonomie Ökologie Soziales Markt/ Kunden Produktwerbung Information über die CO2-Produktbilanz Fairtrade-Siegel auf der Verpackung Mitarbeiter Kommunikation der Ergebniserwartungen Handlungsanweisungen zum Umgang mit Gefahrstoffen Information über Compliance- Richtlinien Stakeholder Veröffentlichung Geschäftsbericht Information über die Entwicklung der Emissionen im Nachhaltigkeitsbericht Veröffentlichung einer Sozialbilanz Tabelle 11.3: Kombination der Kommunikationszielgruppen und der Nachhaltigkeitssäulen mit beispielhaften Maßnahmen (eigene Darstellung) Über die Nachhaltigkeit wird auf vielfältige Weise kommuniziert. Nachhaltigkeitsberichte sind hierbei ein zentraler Bestandteil, da soziale und ökologische Belange im Rahmen eines strukturierten und formalisierten, zielgerichteten Prozesses erstellt werden (vgl. Schaltegger 2014, S. 23). Die Darstellung einzelner, medial wirksamer Nachhaltigkeitserfolge reicht bei der Berichtserstellung nicht aus. Sowohl beim Prozess der Erstellung als auch bei der Auswahl der Inhalte sind die Anforderungen der CSR-Standards, zumeist die der Global Reporting Initiative, zu erfüllen. Im Folgenden werden daher die Nachhaltigkeitsberichte näher beleuchtet. Interner und externer Nachhaltigkeitsbericht Ansätze der Nachhaltigkeitsberichtserstattung Inside-outvs. Outside-in-Ansatz Die Nachhaltigkeit wird systematisch umgesetzt und anschließend wird über die erzielten Erfolge berichtet. Die Berichtsinhalte ergeben sich aus der internen Steuerung und es besteht die Erwartung, dass die interessierte Öffentlichkeit die Berichte versteht und dass ihre Informationswünsche befriedigt werden. Da unternehmensintern definiert wird, welche Ziele verfolgt und welche Maßnahmen ergriffen werden und anschließend hierüber berichtet wird, ergibt sich die externe Bestätigung quasi <?page no="249"?> 11.2 Interner und externer Nachhaltigkeitsbericht 249 von selbst (vgl. Schaltegger 2014, S. 29). Die inhaltliche Ausgestaltung der Nachhaltigkeitsberichte orientiert sich hierbei alleine am intern als relevant erachteten Informationsbedarf, weshalb diese Vorgehensweise als Inside-out-Ansatz bezeichnet wird. Sind hingegen die Informationswünsche der Stakeholder für die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts maßgeblich, handelt es sich um den Outside-in-Ansatz. Der Bericht soll dafür sorgen, dass keine wesentlichen nachhaltigkeitsbezogenen Fragen der Stakeholder unbeantwortet bleiben. Eine hohe Transparenz und Glaubwürdigkeit sollen die „License to operate“ wahren. Sich im Zeitverlauf verändernde Informationsbedürfnisse der Stakeholder müssen durch entsprechende Anpassungen des Nachhaltigkeitsberichts berücksichtigt werden. „Während eine radikale Outside-in-Perspektive Gefahr läuft der Beantwortung eines „Konzerts an Stakeholder-Wünschen“ zum Opfer zu fallen und strategisch bedeutende und ökonomisch wesentliche Aspekte zu vernachlässigen, schwächelt eine zu ausgeprägte Inside-out-Sichtweise an möglicher Betriebsblindheit und der Vernachlässigung der aus gesellschaftlicher Sicht wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen“ (Schaltegger 2014, S. 29). Twin-Track-Ansatz Da die beiden Ansätze nicht ausreichen, den internen wie den externen Informationsbedarf zu befriedigen, bietet es sich an, diese miteinander zu verbinden. Hierbei spricht man vom Twin-Track-Ansatz. Mit diesem „Zwillingsansatz“ können sowohl externe als auch interne Informationsbedürfnisse befriedigt werden. Er sorgt für die Transparenz nach außen und kann intern zur Sicherstellung guter Entscheidungen genutzt werden. Den Stakeholdern werden weder Informationen nach dem Motto „nimm oder lass es bleiben“ aufgetischt, noch unterwirft sich das Unternehmen den Stakeholdern und erfüllt als „Laufbursche“ alle Wünsche (vgl. Brugger 2010, S. 169; Schaltegger 2014, S. 30). Extern und intern formulierte Informationsbedürfnisse sind nicht gänzlich unterschiedlich. Durch die Stakeholder formulierte externe Erwartungen müssen im Unternehmen umgesetzt werden, weshalb der Informationsbedarf grundsätzlich gleichgerichtet ist. Unterschiede mag es aber im Detaillierungsgrad der Informationen und im zeitlichen Rhythmus geben. Unternehmensintern müssen Informationen für die jeweiligen Entscheidungsträger relevant sein und gegebenenfalls monatlich aktuell vorliegen. Unternehmensextern reichen möglicherweise aggregierte Kennzahlen im Jahresrhythmus aus. Darüber hinaus werden unternehmensintern noch weitere und detailliertere Informationen benötigt, auch wenn deren Inhalte für die Stakeholder nicht relevant sind oder die Inhalte in der öffentlichen Diskussion momentan keine Rolle spielen. Die Unterschiede zwischen internem und externem Informationsbedarf legen nahe, dass sowohl externe als auch interne Berichte benötigt werden. <?page no="250"?> 250 11 Nachhaltigkeitskommunikation Interne Managementreports Über welche nachhaltigkeitsrelevanten Inhalte im internen Managementreport berichtet wird, wird im Rahmen des operativen Nachhaltigkeitscontrollings entschieden. Durch die Integration der Nachhaltigkeit in die Controlling-Regelprozesse wurden Nachhaltigkeitsziele benannt und in einem operativen Steuerungsbzw. Kennzahlensystem integriert. Die Zielerreichung wird gemessen, mit dem Plan abgeglichen und anschließend wird über diese intern berichtet. Die Berichterstattung ist Bestandteil des Controllingprozesses, bei dem im vorangehenden Prozessschritt die steuerungsrelevanten Inhalte bereits definiert wurden. Die Erfassung der nachhaltigkeitsrelevanten Daten ist unterschiedlich schwer und aufwendig. Daher ist bei der Entscheidung für eine Kennzahl und für ein Messverfahren darauf zu achten, dass dies regelmäßig ermittelt werden muss und die Infrastruktur und die Ressourcen hierfür zur Verfügung stehen. Die automatisiert erfassbaren Daten, also vor allem die Daten aus dem Rechnungswesen, werden zumeist im monatlichen Rhythmus als Managementreports den Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt. Dies gilt gleichfalls für nachhaltigkeitsrelevante Daten, die im Rechnungswesen erfasst werden (z.B. Gehaltszahlungen, Umsatzanteile für nachhaltige Produktlinien, Kosten aus Arbeitsunfällen, ...). Bei eher einfach messbaren Nachhaltigkeitskennzahlen, die aber nicht im Rechnungswesen generiert werden, wie beispielsweise der Energie- oder Wasserverbrauch, die CO 2 -Emissionen, die Anzahl an Arbeitsunfällen oder die Anzahl an Beschwerdeverfahren, kann ebenfalls durchaus eine monatliche Berichterstattung erfolgen. Zeitnahe Informationen haben den Vorteil, dass Ursache-Wirkungszusammenhänge besser erkannt und somit auch rasch Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Wenn der Energieverbrauch erst jüngst angestiegen ist, lässt sich die Ursache hierfür in der Regel finden. Wird im Gegensatz dazu nur in sehr langen zeitlichen Rhythmen berichtet wird, ergaben sich im Berichtszeitraum so viele Veränderungen, dass eine eindeutige Erklärung für eine Wirkung nur schwer möglich ist. Inhaltlich überzeugende, dafür aber aufwendige und deshalb nur selten durchgeführte Messungen enttäuschen, wenn aus diesen nur wenig gelernt werden kann und sie deshalb auch nur einen geringen Wert für zukünftige Entscheidungen bieten. Es besteht ein ungünstiges Kosten- Nutzen-Verhältnis. Der Trade-off zwischen einfachen und schnell messbaren Ergebnissen, die die Nachhaltigkeit möglicherweise nur unvollständig messen, aufwendige und deshalb nur selten durchgeführte Messverfahren auf der anderen Seite, sollte deshalb bedacht werden. Entscheidend für die Auswahl von Kennzahlen und Messverfahren ist ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis. Das theoretisch überzeugendere Konzept muss keinesfalls auch für die Praxis hilfreich sein. Der Aufbau von automatisierten Regelprozessen, einer standardisierten Umweltkostenrechnung und eines Social Accounting befördern eine schnellere und wenig aufwendige Ergebnismessung. Sofern also Methoden entwickelt und eine geeignete IT- Infrastruktur erstellt wurde, lassen sich auch umfangreichere und bedeutsamere <?page no="251"?> 11.2 Interner und externer Nachhaltigkeitsbericht 251 Kennzahlen ermitteln. Die nachhaltigkeitsbezogenen Inhalte in den Managementreports werden daher parallel zu den zunehmenden Kompetenzen im Nachhaltigkeitscontrolling inhaltlich wertvoller, zugleich aber automatisiert ermittelt. Externe Nachhaltigkeitsberichte Nachhaltigkeitsberichte werden mittlerweile von der Mehrheit der großen Unternehmen erstellt und veröffentlicht. So stellte etwa die KPMG in ihrer umfangreichen Studie „The KPMG Survey of Corporate Responsibility Reporting 2017“ (vgl. KPMG International 2017) fest, dass bei den jeweils 100 größten Unternehmen aus 41 Ländern 75% einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. Bei den 250 weltweit größten Unternehmen beträgt der Anteil 93%. Mittlerweile wurde hierbei seit etwa 2013 in Niveau erreicht, das seither kaum noch gesteigert werden konnte. Die drei großen Wirtschaftsräume Amerika, Asien/ Pazifik und Europa liegen dabei insgesamt auf einem vergleichbaren Niveau auf etwa 80%, wobei es innerhalb der Wirtschaftsräume größere Differenzen gibt. In den USA, in Großbritannien, Frankreich, Japan, Indien oder Südafrika veröffentlichen im Jahr 2017 nahezu alle der jeweils untersuchten 100 Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte, da sie hierzu entweder gesetzlich verpflichtet sind oder da dies eine Zugangsvoraussetzung zum Kapitalmarkt ist. Deutschland liegt mit einer Quote von 67% auf einem Niveau mit Russland, Südkorea und Rumänien. Zu erwähnen ist dabei allerdings auch, dass die Qualität der Nachhaltigkeitsberichte zwischen den Ländern durchaus variiert. Folgende Auswahl gibt einen Überblick darüber, wie viel Prozent der jeweils 100 größten Unternehmen in einem Land einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. Großbritannien 99% Brasilien 85% Japan 99% Niederlande 82% Indien 99% Schweiz 82% Malaysia 97% Italien 80% Frankreich 94% Australien 77% Südafrika 92% Russland 73% USA 92% Deutschland 73% Mexiko 90% Österreich 62% Norwegen 89% Polen 59% Schweden 88% Türkei 50% Spanien 87% Israel 26% Tabelle 11.4: Anteil der 100 größten Unternehmen eines Landes, die im Jahr 2017 einen Nachhaltigkeitsbericht erstellt haben (vgl. KPMG International 2017, S. 15f.) <?page no="252"?> 252 11 Nachhaltigkeitskommunikation Fasst man diese Gruppe weiter und bindet nicht nur die 100 größten Unternehmen ein, nimmt der Anteil der über Nachhaltigkeit berichtenden Unternehmen rapide ab. Die EU-Kommission bemängelt etwa, dass von den 42.000 größten europäischen Unternehmen nicht einmal 10% über die Nachhaltigkeit berichten. Dies gab den Ausschlag für die Entwicklung und Verabschiedung der EU-Richtlinie für eine Berichtspflicht zur gesellschaftlichen Verantwortung (vgl. European Commission 2016). Genauso wie es zwischen einem internen Managementreport und einem extern gerichteten Quartals- und Geschäftsbericht Unterschiede gibt, unterscheiden sich auch die an das Management gerichteten Nachhaltigkeitsergebnisse von denen, die an die Stakeholder gerichtet sind. Die externen Berichte sollten folgenden Informationsanforderungen gerecht werden: [a] gesetzliche Vorgaben bzw. Vorgaben von Aufsichtsbehörden [b] im Stakeholderdialog formulierte Informationsbedürfnisse [c] allgemein akzeptierte Vorgaben unabhängiger Organisationen zur Standardisierung von Nachhaltigkeitsberichten (GRI, DVFA, ...) [d] Anforderungen der Prüforganisationen (z.B. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Auditierungsgesellschaften, ...) Ein Nachhaltigkeitsbericht sollte im Hinblick auf diese Vorgaben erstellt werden. Damit wird zudem deutlich, dass sich die Nachhaltigkeitskommunikation von Marketing und Public Relations unterscheidet. Nicht Image und Reputation sollen verbessert werden, sondern man muss sich die „License to operate“ verdienen. zu [a] Gesetzliche Vorgaben und Vorgaben von Aufsichtsbehörden Seit 2006 sind in Deutschland Unternehmen, die einen Geschäftsbericht veröffentlichen müssen, verpflichtet, im Lagebericht über die Nachhaltigkeit zu informieren, sofern Entwicklungen in Bezug auf die Mitarbeiter und auf die Umwelt für den Erfolg des Unternehmens relevant sind (HGB §§ 289, 315). Im Jahre 2014 haben das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten der EU die Richtlinie zur Offenlegung nicht-finanzieller Informationen beschlossen. Ziel war die Steigerung der Transparenz über ökologische und soziale Aspekte der Unternehmen innerhalb der EU. Unternehmen ab 500 Mitarbeitern, bei denen ein öffentliches Interesse besteht, müssen seit 2017 über nachhaltigkeitsrelevante Inhalte berichten. Neben börsennotierten Unternehmen betrifft dies insbesondere Finanzdienstleister und Versicherungen. Europaweit sind hiervon 6.000 Unternehmen betroffen. In Deutschland wurde die Richtlinie durch das CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) in nationales Recht umgesetzt. Die Berichtspflicht erstreckt sich auf die Unternehmensstrategie, auf mitarbeiterbezogene Risiken, auf ökologische und soziale Risiken, auf die Korruptionsbekämpfung sowie auf die Wahrung der Menschenrechte. Bei der Form der Umsetzung dieser Berichtspflicht bestehen hingegen weitreichende Freiheiten. Der Bericht kann in Form <?page no="253"?> 11.2 Interner und externer Nachhaltigkeitsbericht 253 von Schlüsselindikatoren erfolgen, die für das Unternehmen relevant sind. Diese Informationen können entweder den Geschäftsbericht ergänzen oder als gesonderter, kompakter Nachhaltigkeitsbericht publiziert werden. Als Berichtsstandard kann hierbei der GRI, der Deutsche Nachhaltigkeitskodex, die ISO 26000, der UN Global Compact oder die OECD-Leitlinie für multinationale Unternehmen benutzt werden (vgl. European Commission 2016). Zwar ist die Anzahl der von der Berichtspflicht betroffenen Unternehmen insgesamt gesehen eher gering, doch erstreckt sich die Wirkung über die Beschaffungs- und Wertschöpfungsketten hinweg auch auf zahlreiche Zulieferer, die nicht in den Kreis der betroffenen Unternehmen fallen. Mittlerweile liegen erste Erfahrungsberichte und Studien über die Auswirkungen des CSR-RUG vor. Gemäß einer an der Nürtinger Hochschule durchgeführten Erhebung mit einer Stichprobe von 37 Unternehmen haben rund zwei Drittel der vom CSR-RUG betroffenen Unternehmen auch schon vor 2017 über die Nachhaltigkeit berichtet. Für etwa ein Drittel war das Gesetz aber Anlass, dies erstmals zu tun. Knapp die Hälfte der Unternehmen bestätigt, dass nun umfangreicher über Nachhaltigkeit berichtet wird als in der Vergangenheit. Der Aufwand zur Erstellung des Berichts wird mehrheitlich als hoch im Vergleich zur bisherigen Berichterstattung beschrieben. Insbesondere scheinen sich zahlreiche Unternehmen damit schwer zu tun, die notwendigen Nachhaltigkeitskennzahlen zeitnah zu ermitteln. Aufgrund anfänglich notwendiger Klärung von Inhalten und Prozessen dürfte der Aufwand zukünftig geringer werden. Bei über 80% der befragten Unternehmen führte die Berichtspflicht zu einer intensiveren Beschäftigung mit der Nachhaltigkeit sowie zu einer erhöhten Aufmerksamkeit in der Unternehmensleitung und in den Aufsichtsgremien, was sich durch die Prüfpflicht und die Haftung erklärt. Einzelne Unternehmen berichten gar, dass die Nachhaltigkeit hierdurch verstärkt unternehmensweit wahrgenommen wird und nicht mehr nur als eine Aufgabe des betrieblichen Umweltschutzes. Insgesamt überwiegt aber die Skepsis, ob das Gesetz in seiner jetzigen Ausprägung die Nachhaltigkeit spürbar fördert. zu [b] Im Stakeholderdialog formulierte Informationsbedürfnisse Die Nachhaltigkeitsziele der Stakeholder wurden in Kapitel 5.4 behandelt und die Organisation und Durchführung des Stakeholderdialogs und der Wesentlichkeitsanalyse erfolgten in Kapitel 7.3 bzw. 8.1.1. zu [c] Vorgaben unabhängiger Organisationen zur Standardisierung von Nachhaltigkeitsberichten Der weltweit am häufigsten genutzte Berichtsstandard ist der GRI der Global Reporting Initiative, seit 2016 in der Version G4. Von den jeweils 100 größten Unternehmen eines Landes nutzen diesen Standard 63% aller Unternehmen. Bei den 250 weltweit größten Unternehmen sind dies 75% und innerhalb der DAX-Unternehmen nutzen ihn 85%. Bei dieser Dominanz kann man von einem De-facto-Standard sprechen, der sich weltweit durchgesetzt hat (vgl. KPMG International 2017, S. 28). <?page no="254"?> 254 11 Nachhaltigkeitskommunikation Die Inhalte des GRI wurden bereits in den vorangehenden Kapiteln vorgestellt: Kapitel 5.2.1: Herkunft und Grundlagen Kapitel 9.2.3: Vorstellung der GRI-Umweltkennzahlen Kapitel 9.3.3: Vorstellung der GRI-Sozialindikatoren Der GRI G4-Standard stellt eine Korrektur der bisher sehr umfangreichen und wenig fokussierten Ermittlung von Daten dar. Einerseits war dies sehr aufwendig, andererseits führte dies oftmals nur zu geringen Erkenntnissen. Es lassen sich keinesfalls alle Unternehmen mit den gleichen Nachhaltigkeitsindikatoren messen und schon gar nicht sind diese für alle Unternehmen gleichermaßen relevant. Nach G4 müssen die Unternehmen, bevor sie ihre Nachhaltigkeit messen, klären, welche Nachhaltigkeitsziele für ihr Kerngeschäft überhaupt relevant sind. Das Unternehmen muss sich sowohl intern systematisch mit der Nachhaltigkeit auseinandersetzen als auch extern mit den Stakeholdern in den Dialog treten. Damit sollen die wesentlichen Nachhaltigkeitsfaktoren gefunden werden. Hieraus lässt sich ein für das Unternehmen passender Bericht, der für dieses und die Stakeholder von Interesse ist, erstellen. Die Wesentlichkeit ist damit der zentrale Begriff des neuen GRI-Standards. Erst die wesentlichen Faktoren der Nachhaltigkeit, die mit dem Kerngeschäft verbunden sind, ermöglichen eine integrierte Steuerung und damit auch die Erstellung eines integrierten Berichts (vgl. Kleinfeld, Martens 2014, S. 231). Die GRI-Berichterstellung kann auf einer Einsteiger- und auf einer Fortgeschrittenenebene erfolgen. Diese sogenannten „In-Accordance“-Optionen heißen dementsprechend „Core“ bzw. „Comprehensive“. Die beiden Ebenen unterscheiden sich in der Anzahl der Nachhaltigkeitsindikatoren und im inhaltlichen Umfang der Standardangaben. Aber auch ohne eine Ausrichtung an diesen beiden Ebenen kann der GRI als Hilfe zur Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts genutzt werden. Aus der Kritik, dass Investoren, Finanzanalysten und Kreditgeber sowohl aus dem Lagebericht als auch aus den herkömmlichen Nachhaltigkeitsberichten nur unzureichend die für sie relevanten Informationen finden, wurden von der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) eigene Schlüsselkriterien für die Nachhaltigkeit entwickelt. Diese KPIs decken die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit ab, weshalb sie ESG-KPI genannt wurden (Ecological, Social, Governance). Mit Hilfe dieses branchenspezifischen Kriterienkatalogs sollen Chancen und Risiken erkannt werden, die einen Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben. Mittlerweile wurden die Standards des DVFA auch vom europäischen Verband für Finanzanalysten, dem EFFAS (European Federation of Financial Analysts Societies) sowie über Europa hinaus auf internationaler Ebene vom ICGN (International Corporate Governance Network) übernommen. Die ESG-KPI sind relevant, wenn Finanzanalysten für das Unternehmen bedeutsam sind und diese mit geeigneten Informationen versorgt werden sollen. <?page no="255"?> 11.3 Integrated Reporting 255 zu [d] Anforderungen der Prüfgesellschaften Insbesondere die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten, die sogenannte Assurance, als neues Tätigkeitsfeld entdeckt. Obwohl es mit wenigen Ausnahmen keine Pflicht zur Prüfung der veröffentlichen Nachhaltigkeitsberichte gibt, lassen diesen 45% der jeweils 100 größten Unternehmen eines Landes prüfen, bei den weltweit größten 250 Unternehmen sind dies 67%. In Deutschland beträgt der Anteil 46% und bei den DAX 30-Unternehmen werden 69% aller Nachhaltigkeitsberichte geprüft. In 9 von 10 Fällen erfolgt die Prüfung durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Ziel der Prüfung ist neben der Verbesserung der internen Prozesse, die Steigerung der Glaubwürdigkeit gegenüber den Stakeholdern (vgl. KPMG International 2017, S. 26; KPMG 2014, S. 22). Beispiel: PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (PwC) „Eckpunkte beim Aufbau eines CR-Berichtsprozesses: - Dialog mit den Stakeholdern - Aufbau eines CR-Managements zur Entwicklung einer CR-Strategie und - Umsetzung - Definition eines CR-Reportingprozesses - Bestimmung der Inhalte des Nachhaltigkeitsberichts - Zusammenführung qualitativer Informationen - Prüfung und Bestätigung durch unabhängige dritte Partei - Berichtsproduktion (ggf. durch Agentur) und Freigabe durch zentrale CR- Abteilung“ Quelle: PwC, online verfügbar: http: / / www.pwc.de/ de/ nachhaltigkeit/ prozesseund-kontrollen-sind-auch-in-der-nachhaltigkeitswelt-unverzichtbar.jhtml Integrated Reporting Geschäftsbericht + Nachhaltigkeitsbericht = Integrated Reporting? - Nein, Integrated Reporting ist weit mehr als die gemeinsame Veröffentlichung zweier bisher getrennter Berichte. Die Integration bezieht sich auf die Inhalte, auf die vernetzten Beziehungen ökonomischer, ökologischer und sozialer Faktoren sowie die Steuerung und Erfolgsmessung innerhalb dieses vernetzten Systems und keinesfalls nur auf das äußere Format. Ziele des Integrated Reporting „Integrated Reporting möchte zugleich das traditionelle ‚Silo‘-Denken, d.h. die isolierte Betrachtung einzelner Themengebiete und die damit verbundene separate Berichterstattung per Finanzbericht, Nachhaltigkeitsbericht, Umweltbericht etc. auf- <?page no="256"?> 256 11 Nachhaltigkeitskommunikation brechen. Integrated Reporting ist letztlich auch ein Gradmesser dafür, wie stark der Gedanke des ‚Integrated Thinking‘ in den Unternehmen verankert ist.“ (Ernst & Young 2012, S. 6) Seit wenigen Jahren finden sich erste Unternehmensberichte in Form der integrierten Berichterstattung, also einer gemeinsamen Berichterstattung über ökonomische, ökologische und soziale Sachverhalte. Hierdurch wird der Entwicklung Rechnung getragen, dass gesellschaftliche und ökologische Aspekte zunehmend Einfluss auf den Unternehmenserfolg und den Unternehmenswert nehmen und der traditionelle Geschäftsbericht hierüber nur unzureichend informiert. Wenn im Stakeholderdialog und in der Wesentlichkeitsanalyse Ziele aller drei Nachhaltigkeitsdimensionen als wesentlich erachtet werden, sind diese in der Steuerung zu verankern und die Stakeholder sind hierüber zu informieren. Integrierte Nachhaltigkeitsziele führen somit zu einer integrierten Steuerung und diese führt zu einer integrierten Berichterstattung. Eine getrennte Berichterstattung in Form eines Geschäfts- und eines Nachhaltigkeitsberichts scheint allenfalls eine Übergangslösung zu sein, solange die Nachhaltigkeit auch noch getrennt von der Ökonomie gesteuert wird und solange die ökonomischen Ziele höher gewichtet und ökologische und soziale Belange als Nebenbedingung verstanden werden. Aus der KPMG-Studie aus dem Jahr 2017 ergibt sich, dass 15% der 250 weltweit größten Unternehmen ihre Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht zu einem integrierten Bericht zusammengefasst haben. In Deutschland sind hier beispielsweise die BASF (seit 2011), SAP (seit 2012), Bayer (seit 2013) und die Deutsche Bahn (seit 2014) zu nennen. In Südafrika sind für börsennotierte Unternehmen integrierte Berichte gar verpflichtend. Sämtliche große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften publizieren in den letzten Jahren umfassend über Anforderungen, Standards und erste Erfahrungen beim Integrated Reporting. Beispiel: Integrierter Unternehmensbericht der BASF „Der BASF-Bericht vereint die wesentlichen finanziellen und nichtfinanziellen Informationen, die notwendig sind, um unsere Leistung umfassend bewerten zu können. Bei der Auswahl der Berichtsthemen orientieren wir uns an den Grundsätzen der Wesentlichkeit, Nachhaltigkeitskontext, Vollständigkeit sowie Einbeziehung unserer Stakeholder“.... Quelle: BASF SE (2015): BASF-Bericht 2014. Ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Leistungen, online verfügbar: basf.com/ basf_bericht_2014.pdf Beispiel: SAP Integrierter Bericht „Im Integrierten Bericht der SAP 2013 führen wir bereits im zweiten Jahr in Folge unseren Geschäftsbericht und unseren Nachhaltigkeitsbericht zusammen. So erreichen wir eine ganzheitliche Darstellung und können analysieren, wie sich unsere finanziel- <?page no="257"?> 11.3 Integrated Reporting 257 len und nicht-finanziellen Erfolgskennzahlen gegenseitig beeinflussen. Zugleich hilft uns dies bei der Entwicklung einer integrierten Strategie, die ihrerseits auf einer ganzheitlichen Bewertung aller ökonomischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen unserer Geschäftstätigkeit fußt. Unsere Entscheidung für eine integrierte Berichterstattung hat sowohl praktische als auch symbolische Bedeutung. Wir wollen damit ein Zeichen setzen. Denn es genügt unserer Meinung nach nicht mehr, unsere Wertschöpfung rein nach unseren Finanzergebnissen zu bemessen und einen Ausblick auf das kommende Geschäftsjahr zu geben. Vielmehr hängt unser langfristiger Erfolg auch davon ab, wie gut wir uns innerhalb unseres wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Umfelds insgesamt bewegen.“ Quelle: SAP AG (2014): Integrierter Bericht 2013, online verfügbar: http: / / www.sapintegratedreport.com/ 2013/ index.php? id=345 International Integrated Reporting Council Ein maßgeblicher Treiber des „Integrated Reporting“ mit weltweiter Bedeutung ist das 2010 gegründete International Integrated Reporting Council (IIRC). Mitglieder sind die bedeutenden Standardsetzer der Rechnungslegung, der Nachhaltigkeitsberichterstattung, die vier weltweit größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und mehrere globale Konzerne. Diese große Bandbreite an Initiatoren ist zugleich auch Ausdruck einer großen Unzufriedenheit mit der bestehenden Berichtspraxis. Im Dezember 2013 wurde das Rahmenwerk zur integrierten Berichterstattung (IIRC 2013) verabschiedet, in welchem einleitend folgendes Ziel genannt wird: „Integrated Reporting (<IR>) promotes a more cohesive and efficient approach to corporate reporting and aims to improve the quality of information available to providers of financial capital to enable a more efficient and productive allocation of capital. The IIRC’s long term vision is a world in which integrated thinking is embedded within mainstream business practice in the public and private sectors, facilitated by <IR> as the corporate reporting norm.“ (International Integrated Reporting Council (2013): The International IR Framework, online verfügbar: http: / / integratedreporting.org/ wp-content/ uploads/ 2013/ 12/ 13- 12-08-THE-INTERNATIONAL-IR-FRAMEWORK-2-1.pdf, Abruf: 06.12.15) Link: www.integratedreporting.org Der IIRC strebt eine neue Qualität der Unternehmensberichterstattung an. Der Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht soll nicht summarisch zusammengeführt werden, sondern es wird mit der auf Quantität ausgerichteten Berichterstattung in Form <?page no="258"?> 258 11 Nachhaltigkeitskommunikation detaillierter Finanz- und ESG-Kennzahlen gebrochen. Es wurde die Idee entwickelt, auf 30 Seiten alle bedeutsamen Informationen zu einem Unternehmen darzustellen. Hierin sollen die Geschäftsentwicklung, die ökonomischen, ökologischen und sozialen Leistungen sowie wesentliche Chancen und Risiken aufgeführt werden. Durch die integrierte Berichterstattung sollen die Stakeholder, insbesondere die Kapitalgeber, besser informiert werden als durch mehrere, umfangreiche und sachlich voneinander getrennte Berichte. Es werden die Wechselwirkungen zwischen den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit deutlich und es können sowohl langfristige Entwicklungen, die beispielsweise für die Aktionäre oder auch für die Gesellschaft insgesamt relevant sind, als auch kurzfristige Entwicklungen, wie sie für die periodische Ergebniserzielung oder auch für die Liquiditätssicherung wichtig sind, beurteilt werden. Finanzielle und nicht-finanzielle Leistungsindikatoren werden hierfür miteinander verknüpft, um die Erfolgsfaktoren des Geschäftsmodells zu erkennen. Damit sichert ein integrierter Bericht die License to operate, da kurz- und langfristig der wirtschaftliche Erfolg, der ökologische Fußabdruck, die Sozialbilanz, die wesentlichen ESG-Ziele und die Maßnahmen um diese zu erreichen, verständlich dargestellt werden. Die integrierte Berichterstattung wird nicht nur von den bekannten Unterstützern der Nachhaltigkeit gefordert, sondern auch von traditionellen Akteuren der finanziellen Rechnungslegung, wie dem IFRS und der US-GAAP. Ausgangspunkt ist das Ziel, informativere Berichte zu erstellen, die zwangsläufig zu einer Zusammenführung von Geschäftsbericht, Nachhaltigkeitsbericht, Vergütungsbericht, Lagebericht, ... führt. Der langfristige Erfolg des Geschäftsmodells, die Strategie und die zukünftigen Chancen und Risiken können nicht alleine auf der Basis von Finanzkennzahlen beurteilt werden. Ein integrierter Bericht muss auch konform zu den Rechnungslegungsstandards sein, um den traditionellen Geschäftsbericht zu ersetzen. Die umfangreiche Beteiligung von Organisationen der Rechnungslegung, der Nachhaltigkeitsberichterstattung, Prüfgesellschaften, Unternehmen und Wissenschaft stellt somit eine geeignete Basis dar, um eine neue Art der Berichterstattung zu etablieren. Die Erweiterung des Blicks über den finanziellen Erfolg hinaus geschieht durch die Ergänzung um zusätzliche Kapitalarten, die insgesamt als ein „Wertspeicher“ betrachtet werden können. Neben dem Finanzkapital, das traditionell im Mittelpunkt der Steuerung und Berichterstattung steht, werden fünf weitere Kapitalarten benannt: Finanzkapital (finanzielle Mittel des Unternehmens) Produktionskapital (physische Objekte im Wertschaffungsprozess) intellektuelles Kapital (wissensbasierte, immaterielleVermögensgegenstände) Humankapital (Kompetenzen, Fähigkeiten, Erfahrungen derMitarbeiter) natürliches Kapital (regenerative und nicht-regenerativeUmweltfaktoren) Sozialkapital (förderliche Gemeinschaft) <?page no="259"?> 11.3 Integrated Reporting 259 Abb. 11.1: Value Creation Process (Quelle: eigene Darstellung, angelehnt an: International Integrated Reporting Committee IIRC 2013, S. 13) Diese Kapitalarten erweitern den finanzorientierten Blick und integrieren die ökologische und die soziale Perspektive der Nachhaltigkeit. Dabei fördern sie auch einen differenzierten, längerfristig ausgerichteten, strategischen Blick auf das Geschäftsmodell. Dieser Ansatz ist somit auch mit einem streng betriebswirtschaftlich orientierten Unternehmen, selbst wenn es keine ökologischen und sozialen Ziele formuliert hat, kompatibel. Die Beschäftigung mit den verschiedenen Kapitalarten fördert das Verständnis, wie die Stakeholder sowohl kurzals auch langfristig den Unternehmenserfolg beeinflussen. Dies setzt allerdings einen intensiven Austausch mit den Stakeholdern voraus. Die Kapitalarten stellen den Input für ein Unternehmen dar und zugleich lässt sich durch die Veränderungen der verschiedenen Kapitalarten auch der Erfolg messen. Der Erfolg bezieht sich also auf alle Kapitalarten und nicht nur auf den finanziellen Erfolg. Die Wertschaffung erfolgt durch die Ausgestaltung des Geschäftsmodells. Das Geschäftsmodell wiederum wird durch den Einsatz der Kapitalarten beschrieben. Zwischen den Kapitalarten bestehen vielfältige Wirkungszusammenhänge, deren Kenntnis, insbesondere im zeitlichen Verlauf, für die Steuerung der Geschäftsaktivitäten fundamental ist (vgl. Link, Beyhs 2014, S. 18). Dort wo die Inhalte relevant sind, erscheinen diese und zwar am Ort der Wertschaffung. Hiermit ist der Zusammenhang zur Unternehmensaktivität hergestellt und auch die Wechselwirkungen mit anderen Faktoren können berücksichtigt werden. Schließlich beschränkt sich das Selbstverständnis des IIRC nicht darauf, einen besseren Bericht zur Verfügung zu stellen. Der Bericht soll auch ein Nachweis dafür sein, <?page no="260"?> 260 11 Nachhaltigkeitskommunikation ob ein Unternehmen integrativ geführt wird, ob also das Management die Komplexität der Wertschaffung versteht und ob dies in die Unternehmensentscheidungen einfließt. Diese Fähigkeit wird als „Integrated thinking“ bezeichnet. Die Verknüpfung zwischen „Integrated reporting“ und „Integrated thinking“ verdeutlicht, dass das Ziel nicht nur ein neuer Bericht ist, sondern dass hiermit eine veränderte, integrierte Form der Unternehmensführung angestrebt wird (vgl. IIRC 2011, S. 6). Auch der Internationale Controller Verein hat die Konzeption der Kapitalarten und des Value Creation Processes in sein Diskussionspapier „Moderne Wertorientierung“ übernommen und schlägt dieses als Weiterentwicklung der finanzlastigen Shareholder-Value-Orientierung in der Unternehmensführung vor (vgl. Internationaler Controller Verein 2015a). Das Rahmenwerk IIRC 2013 erfuhr aber auch Kritik. So erscheint es fraglich, ob die international unterschiedlichen und häufig sehr detaillierten Berichtsanforderungen harmonisiert und vom Umfang her gekürzt werden können. Allerdings setzt der IIRC 2013 zumindest einen gewichtigen Akzent und stellt die Entwicklung der letzten Jahre, hin zu einer Vielzahl umfangreicher, detaillierter Berichte und ihren Nutzwert in Frage. Es sprechen zahlreiche Gründe dafür, die bisherige Entwicklung kritisch zu betrachten und eine Kurskorrektur hin zu mehr Qualität einzuleiten. Mit dem IIRC 2013 wurde ein Prozess angestoßen, der das Berichtswesen von der Quantität hin zur Qualität lenkt. Da ein integrierter Bericht kürzer und informativer sein soll, ist ein Weg zu beschreiben, wie diese wesentlichen Informationen ausgewählt werden. Auch hierbei wird der IIRC 2013 kritisiert. Es fehlen objektive Kriterien, wie die relevanten Inhalte ausgewählt werden. Damit bestehe die Gefahr, dass unangenehme und nachteilige Informationen als unwesentlich gekennzeichnet werden und deshalb nicht veröffentlicht werden. Es fehlen zudem genaue Vorgaben für Kennzahlen und Bewertungsmethoden. Dies ist natürlich keine Nachlässigkeit, sondern soll eine unternehmensindividuelle Ausgestaltung ermöglichen (vgl. Kajüter, Hannen 2014, S. 75f.). Kritisiert wurde zudem die einseitige Ausrichtung an den Informationsbedürfnissen der Kapitalgeber, was im IIRC 2013 selbst auch als Ziel genannt wird. Andere gesellschaftliche Gruppen werden hierdurch vernachlässigt. Seitens des IIRC ist dies dem Pragmatismus geschuldet, dass man eben mit einer Interessengruppe starten müsse und man dies in den Folgejahren sukzessive erweitert. In diesem Stand sind ökologische und soziale Faktoren somit als Werttreiber für das übergeordnete Finanzziel zu sehen. Dem entsprechend sind ökologische und soziale Ziele zu fördern, sofern sie damit das Finanzziel unterstützen. Dies hatten wir eingangs als eine ökonomische und nicht als eine nachhaltige Unternehmensführung bezeichnet. Es wird daher zum Teil die Meinung vertreten, dass ein integrierter Bericht den Nachhaltigkeitsbericht noch nicht ersetzen könne (Peters 2014, S.35). <?page no="261"?> 11.3 Integrated Reporting 261 Element gegenwärtige Berichterstattung integrierte Berichterstattung Denken isoliert integriert und vernetzt Verantwortung Finanzkapital alle Kapitalarten Fokus vergangenheitsorientiert vergangenheits- und zukunftsorientiert, verbunden Zeitrahmen kurzfristig kurzbis langfristig Vertrauen durch eine Vielzahl verpflichtender Angaben durch eine erhöhte Transparenz Anpassung regelgebunden prinzipienorientiert, anpassbar auf individuelle Umstände Prägnanz ausführlich und komplex prägnant und wesentlich Technologie Papier/ pdf IT-basiert Tabelle 11.5: Wesentliche Unterschiede zwischen traditioneller und integrierter Berichterstattung (Quelle: in Anlehnung an: KPMG International 2011, S. 3) Ziele der integrierten Berichterstattung am Beispiel SAP Transparente Zusammenhänge: Eine höhere Transparenz erfordert, dass wir unsere wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Leistungen nicht nur offenlegen, sondern zeigen, wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Damit konkretisieren wir unseren Mehrwert und unseren Umgang mit Risiken. Mit diesem integrierten Ansatz können unsere Stakeholder besser beurteilen, ob wir für die Zukunft gut aufgestellt sind und auch unter veränderten Bedingungen langfristigen Mehrwert schaffen können. Innovativer Vorreiter: Ein integrierter Ansatz wirft viele Fragen auf. Diese kann ein Unternehmen alleine nicht beantworten. Deshalb nehmen wir am Pilotprogramm des International Integrated Reporting Council (IIRC) teil, dessen Ziel es ist, ein weltweit anerkanntes Rahmenwerk für die integrierte Berichterstattung zu entwickeln. Wir haben uns bemüht, in diesem Bericht die Prinzipien des IIRC anzuwenden: Wir zeigen eine langfristige Perspektive auf und legen sowohl positive als auch negative Ergebnisse offen. Für uns ist es wichtig, unsere Erkenntnisse mit anderen zu teilen und ihre Anforderungen kennenzulernen. Ist ein Berichtsmodell in einem Unternehmen erfolgreich, können auch andere Unternehmen davon profitieren - darunter unsere Kunden. Deshalb setzen wir auch künftig auf diesen konstruktiven Austausch. <?page no="262"?> 262 11 Nachhaltigkeitskommunikation Neues Wissen weitergeben: Wir möchten unseren Kunden helfen, den Herausforderungen eines dynamischen Umfelds zu begegnen. Dafür müssen wir diese zunächst selbst angehen. Wir haben uns ehrgeizige Ziele für unsere ökologische, soziale und finanzielle Leistung sowie für stetige Innovation gesetzt. Diese Innovationen wollen wir in die Lösungen für unsere Kunden integrieren. Wir verstehen uns als Vorreiter in der integrierten Berichterstattung und möchten die Erfahrungen, die wir auf diesem Weg sammeln, auch an unsere Kunden weitergeben. Effiziente Berichterstattung: Investoren und andere Stakeholder möchten heute mehr über die Leistungen eines Unternehmens in den nicht finanziellen Bereichen erfahren. Deshalb ist die Berichterstattung oft sehr umfangreich, jedoch nicht unbedingt präziser oder effizienter. Wir führen unsere Berichterstattung zentral zusammen, um Zusammenhänge und Resultate schlüssig darzustellen und gleichzeitig interne Doppelarbeit zu vermeiden. So erreichen wir mehr Effizienz und einen einheitlicheren Ansatz in unserem Berichtswesen. (Quelle: SAP Integrierter Bericht 2013, online verfügbar: http: / / www.sapintegra tedreport.com/ 2013/ de/ ueber-diesen-integrierten-bericht/ ueber-die-integrierteberichterstattung.html) Berichtsprinzipien Zur inhaltlichen und formalen Ausgestaltung stellte der IIRC 2013 sieben Berichtsprinzipien zur Verfügung (vgl. IIRC 2013, S. 16ff.): Strategischer Fokus und Zukunftsorientierung: Die Strategie ist darzustellen und es ist zu verdeutlichen, welchen Beitrag die Berichtsinhalte zur Strategie und Wertschaffung leisten. Informationsverknüpfung: Die Wechselbeziehungen und Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Kapitalarten, auch im zeitlichen Verlauf, ist darzustellen. Ebenso sind die Informationen, die zur Steuerung genutzt werden und über die berichtet wird, aufzuführen. Stakeholderbeziehungen: Die Beziehung zu den Stakeholdern, deren Informationsbedürfnisse und der Umgang mit diesen ist zu beschreiben. Wesentlichkeit: Wesentlich sind die Sachverhalte, die zur Wertschaffung beitragen. Der Prozess zur Ermittlung der Wesentlichkeit ist zuerläutern. Prägnanz: Es werden nur solche Informationen aufgeführt, die für das Verständnis der Strategie, der Führung, der Leistung und für die Beurteilung der zukünftigen Chancen und Risiken notwendig sind. Verlässlichkeit und Vollständigkeit: Die Informationen werden ausgewogen und glaubwürdig dargestellt und sie können auch überprüft werden. Stetigkeit und Vergleichbarkeit: Die Informationen werden stetig dargestellt, um einen zeitlichen und zwischenbetrieblichen Vergleich zu ermöglichen. <?page no="263"?> 11.3 Integrated Reporting 263 Daneben werden acht inhaltliche Themenfelder als Mindestanforderung vorgegeben, die zu erläutern sind und bei denen auch die Beziehungen untereinander darzustellen sind: 1. Unternehmensüberblick und Geschäftsumfeld 5. Strategie und Ressourcenallokation 2. Unternehmensführung und Überwachung 6. Unternehmensleitung 3. Geschäftsmodell 7. Ausblick 4. Risiken und Chancen 8. Grundlage der Erstellung und Darstellung Tabelle 11.6: Inhaltliche Themenfelder des IIRC (Quelle: IIRC 2013, S. 24ff.) Ein solcher Wandel des Berichtswesens hat auch unmittelbare Auswirkungen auf das Controlling. Wenn es eine integrierte Steuerung und einen integrierten Bericht gibt und somit ein „Integrated Thinking“ vorherrscht, gibt es auch nur noch ein integriertes Controlling. Eine Aufteilung in ein wirtschaftlich orientiertes Finanzcontrolling und in ein Nachhaltigkeitscontrolling ist damit hinfällig. Es wurde allerdings schon in den vorangehenden Kapiteln erkannt, dass die Beschäftigung mit der Nachhaltigkeit eine Weiterentwicklung des Controllings ist und keine funktionale Ergänzung (vgl. Kapitel 4). Solch eine drastische Veränderung des Berichtswesens, weg von der Vollständigkeit und einer Vielzahl an Kennzahlen, hin zu einer Auswahl qualitativ hochwertiger Aussagen, zu einer Betrachtung von Strategie, Geschäftsmodell, Chancen und Risiken über ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Perspektiven hinweg, verändert auch die Aufgaben und notwendigen Kompetenzen der Controller. Kapitel 11: Erkenntnisse Nachhaltigkeitsberichte werden zukünftig noch weiter an Bedeutung gewinnen, insbesondere weitet sich der Kreis berichtender Unternehmen von großen Konzernen auf mittelständische Unternehmen aus. Der Berichtsstandard GRI hat sich bereits als „Quasi-Standard“ durchgesetzt und wird wohl auch zukünftig der bedeutendste Standard sein. Die Nachhaltigkeitsziele, Indikatoren und Messkonzepte erwachsen aus einer systematischen Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie. Der Bericht ist einerseits das Ergebnis dieses Prozesses und andererseits Ausgangspunkt, da die gewünschten Berichtsinhalte im Nachhaltigkeitsmanagement integriert sein müssen. Da sich die Nachhaltigkeitsziele zwischen den Unternehmen unterscheiden, <?page no="264"?> 264 11 Nachhaltigkeitskommunikation werden auch die im Bericht dargestellten Nachhaltigkeitsleistungen verschiedener Unternehmen schlechter vergleichbar. Es ist zu erwarten, dass sich das „Integrated Reporting“ mittelfristig durchsetzen wird und die getrennte Berichterstattung eines zusammengehörigen Komplexes, einer ökonomisch, ökologisch und sozial verantwortlichen Unternehmensführung, ersetzt. Im Fokus der Berichterstattung stehen das Geschäftsmodell, die Wertschaffung und die verschiedenen Kapitalarten. Über die Nachhaltigkeit wird zukünftig wohl immer weniger werblich, sondern transparent und glaubwürdig berichtet. Die Toleranz für eine an Greenwashing grenzende Berichterstattung wird weiter abnehmen. <?page no="265"?> 12 Nachhaltiges Investitionscontrolling Input Der Controllingprozess ist geschlossen, von der strategischen und operativen Planung, den Messmethoden und dem Report. Das Investitionscontrolling ist der strategischen bzw. operativen Planung zuzuordnen und fällt an, wenn Investitionen geplant sind. Teilprozesse Investitionsbedarf, Anforderungen an die Investition, Alternativensuche, Entscheidungsfindung, Umsetzung, Kontrolle Output Kenntnis verschiedener Methoden zur Beurteilung einer nachhaltigen Investitionsentscheidung Bedeutung und Ziel Investitionen sind die entscheidenden Maßnahmen, um ein Unternehmen weiterzuentwickeln und um es zu verändern. Die gegenwärtigen Investitionen prägen die Produkte, die Produktionsweisen und den Erfolg der nächsten Jahre. Werden Investitionen getätigt, bei denen neben der Wirtschaftlichkeit auch ökologische und soziale Standards beachtet werden, wird sich ein Unternehmen zunehmend zu einem nachhaltigen Unternehmen wandeln. So wird ein Unternehmen in neue Maschinen und <?page no="266"?> 266 12 Nachhaltiges Investitionscontrolling in Know-how investieren, um ressourcenschonender zu produzieren. Es wird in Forschung und Entwicklung investieren, wenn es ökologische Produkte anbieten möchte und es wird in Personal und Prozesse investieren, um die Compliance sicherzustellen. Aus der Art der Investitionen lässt sich auf Inhalt und Umfang des nachhaltigen Engagements schließen. Da Investitionen kostenintensive unternehmerische Entscheidung sind, ist diese Information zumeist gewichtiger als öffentliche Willensbekundungen zu verantwortlichem Handeln. Die Stakeholder können über einen fundierten Investitionsbericht somit glaubwürdig über das nachhaltige Engagement informiert werden (vgl. Frank 2014, S. 245f.). Die Investitionsentscheidung stellt einen entscheidenden Hebel für mehr Nachhaltigkeit dar. Wenn Investitionen nicht nach Nachhaltigkeitsgesichtspunkten bewertet werden, verbleibt in der laufenden operativen Steuerung nur ein begrenzter Handlungsspielraum für mehr Nachhaltigkeit. Der Investitionsbedarf erwächst erst aus der strategischen und operativen Planung, wenn mit der gegenwärtigen betrieblichen Infrastruktur zukünftige strategische Erfolgspotenziale nicht erschlossen oder operative Effizienzziele nicht erreicht werden können. Ein nachhaltiges Investitionscontrolling ist somit von herausragender Bedeutung für die Entwicklung hin zu einem nachhaltigen Unternehmen. Dies ist der Grund dafür, das nachhaltige Investitionscontrolling gesondert in einem eigenen Kapitel zu behandeln. In Konzernen, aber auch in großen mittelständischen Unternehmen, dominiert das Unternehmensziel der Wertsteigerung. Somit muss auch jede Investition einen Beitrag leisten, diesen Wert zu steigern. Die Wertsteigerung einer Investition misst die Kapitalwertmethode: der Kapitalwert einer Investition ist positiv, wenn der Gegenwartswert der hierdurch erwarteten zukünftigen Einzahlungsüberschüsse die Investitionskosten überwiegt. Ein Unternehmen steigert also den Wert, solange es sicherstellt, dass nur Investitionen mit einem positiven Kapitalwert getätigt werden. Unternehmensziele spiegeln sich eins zu eins in den Investitionszielen wider. Die Investition ist an den gleichen Zielgrößen zu messen wie das Unternehmen. Wenn ein Unternehmen mit seinen Stakeholdern neben ökonomischen auch ökologische und soziale Ziele vereinbart, müssen auch die Investitionen nach ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen beurteilt werden. Im Investitionscontrolling müssen wir also nicht erst überlegen, woran die Vorteilhaftigkeit einer Investition festgemacht werden könnte (vgl. Internationaler Controller Verein 2015b, S. 14). Beim Unternehmensziel des Sustainable Value ist der Sustainable Value der Investition zu berechnen. Sollen der Gewinn gesteigert und die Treibhausgasemissionen um 20% verringert werden, ist die Investition danach zu beurteilen, ob sie zur Gewinnsteigerung und zur Reduktion der Treibhausgase beiträgt. Im Investitionscontrolling ist allenfalls zu klären, wie die Unternehmensziele auf die einzelne Investition heruntergebrochen werden können. Wenn auch nicht jede einzelne Investition einen Einfluss auf sämtliche Unternehmensziele hat, so müssen doch aber in Summe alle Investitionen zu den Zielen beitragen. Dabei ist zu beachten, dass vor allem die ökologischen und sozialen Anforderungen an einzelne Investitionen in aller Regel sogar über dem <?page no="267"?> 12.2 Nachhaltige Investitionsentscheidung 267 Unternehmensziel liegen. Sollen also beispielsweise die Treibhausgasemissionen in den nächsten fünf Jahren um 20% gesenkt werden und wird in diesem Zeitraum 50% des Anlagenbestands ersetzt, müssen die neuen Anlagen eine um 40% geringere Treibhausgasemission aufweisen, wenn im Altbestand der Anlagen keine weiteren Optimierungen möglich sind. Und möchte ein Unternehmen den Anteil nachhaltiger Produkte in den nächsten 3 Jahren von 10% auf 25% steigern, dann müssen in diesem Zeitraum 50% der neuen Produkte nachhaltig sein, wenn jährlich ein Anteil von 10% neuer Produkte in den Markt gebracht wird. Nachhaltige Investitionsentscheidung Ein Investitionsprozess besteht aus folgenden Phasen: Investitionsbedarf systematisch aufdecken aus dem Unternehmensziel abgeleitete Bewertungskriterienfestlegen Investitionsalternativen suchen und Daten erheben Alternativen bewerten (Investitionsrechnung) und entscheiden Investition realisieren und Steuerung der Umsetzung Kontrolle Der Investitionsbedarf wird in der strategischen und operativen Planung systematisch aufgedeckt. So kann beispielsweise durch eine GAP-Analyse die Abweichung zwischen dem Ziel und dem erwarteten Ergebnis einer Unternehmensfortführung ohne grundsätzliche Änderungen ermittelt werden. Lässt sich diese Lücke nur durch Investitionen schließen, ist der Bedarf systematisch begründet. Im Rahmen der operativen Planung wird beispielsweise erkannt, dass der im nächsten Jahr erwartete Absatz die Produktionskapazität übersteigt, weshalb Erweiterungsinvestitionen notwendig sind. Oder es wird erkannt, dass zur Sicherstellung der geplanten Compliance-Standards Know-how und notwendige Prozesse fehlen, weshalb in den Aufbau zu investieren ist. Nach Aufdeckung des Investitionsbedarfs sind, wie bereits dargelegt, die Unternehmensziele auf die Ebene der Investition herunter zu brechen, wodurch die Bewertungskriterien für eine Investition festgelegt werden. Die Investitionsziele können dabei identisch sein: das Unternehmen möchte seinen Gewinn steigern und die Investition führt zu neuen Produkten mit überdurchschnittlichen Margen. Das Unternehmen möchte seine CO 2 -Emissionen verringern und beschafft eine Ersatzmaschine mit geringerem CO 2 -Ausstoß. Die Investitionsziele können andererseits auch Werttreiber für das Unternehmensziel sein: das Unternehmen möchte den Gewinn steigern und investiert in ein Anreizsystem für die Mitarbeiter. Das Unternehmen möchte das Mitarbeiterengagement steigern und investiert in Maßnahmen zur Gesundheitsförderung sowie in die Arbeitsergonomie. Es besteht eine begründete Erwartung, dass der Werttreiber das Unternehmensziel fördert. Wenn das Unterneh- <?page no="268"?> 268 12 Nachhaltiges Investitionscontrolling mensziel also nicht direkt auf der Ebene der Investition gemessen werden kann, so kann dies dennoch indirekt über die Werttreiber gemessen werden. Nach der Aufdeckung der Bewertungskriterien werden Investitionsalternativen gesucht und die für eine Bewertung notwendigen Daten beschafft. Diese Phase hängt von der Charakteristik einer Investition ab (Ersatzmaschine, Prozessoptimierung, Übernahme eines Wettbewerbers, ...), weshalb keine allgemeingültigen Vorgehensweisen und Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden können. Liegen die Alternativen samt ihrer Daten vor, folgt die Alternativenbewertung. Es ist eine geeignete Methodik auszuwählen, welche die Vorteilhaftigkeit einer Investition verdeutlicht. Eine Investition ist umso vorteilhafter, je stärker sie das Unternehmensziel unterstützt. Genau dieses muss die Methodik also messen können. Im Folgenden werden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie der Beitrag einer Investition zur Förderung nachhaltiger Unternehmensziele erreicht werden kann. Anschließend erfolgt die Realisation der besten Alternative, ihre Umsetzung wird begleitet und die Zielerreichung wird kontrolliert. Finanzorientierte Investitionsrechnung Sofern sich nachhaltige Investitionen auf das Rechnungswesen auswirken, finden sie auch in die statische Investitionsrechnung Eingang. Der Kauf einer ressourcenschonenden Anlage findet sich beispielsweise zum einen im Anlagevermögen in der Bilanz und zum anderen im gesunkenen Ressourcenaufwand in der GuV. Somit kann die Auswirkung der Investition auf den Gewinn oder auf die Rendite ermittelt werden. Sicherlich bestehen teilweise Abgrenzungsschwierigkeiten, solange aber die GuV und Bilanz durch eine nachhaltige Investition beeinflusst werden, kann dieser Einfluss quantifiziert und für die Investitionsentscheidung genutzt werden. In der dynamischen Investitionsrechnung werden sämtliche Investitionsauszahlungen detailliert erfasst, unabhängig von ihrer bilanziellen Behandlung, ob sie also aktiviert werden müssen (z.B. Anlagen, Immobilien, ...) oder ob sie direkt als Aufwand gewertet werden (z.B. Beratungsaufwand, Schulungsaufwand, Personalaufwand in der Forschung, ...). Verlässt man also die statische Investitionsrechnung mit den buchhalterisch bestimmten Gewinnen und Renditen und wechselt zur zahlungsstromorientierten dynamischen Investitionsrechnung (Kapitalwert, interner Zinssatz), erweitert sich der Spielraum zur Bewertung nachhaltiger Investitionen. Ob Zahlungen für den Kauf einer energieeffizienten Maschine, für die Weiterbildung der Mitarbeiter in Bezug auf die Compliance oder Forschungsausgaben für die Entwicklung nachhaltiger Produkte anfallen, kann in eine Investitionsrechnung eingebunden werden. Den Investitionsauszahlungen auf der einen Seite sind die zukünftigen finanziellen Vorteile gegenüber zu stellen. Die monetäre Bewertung dieser zukünftigen Vorteile einer nachhaltigen Investition fällt dagegen unterschiedlich schwer aus. Dies können einfach zu messende Einzahlungen aus dem Verkauf nachhaltiger Produkte sein, oder <?page no="269"?> 12.2 Nachhaltige Investitionsentscheidung 269 ebenfalls noch gut messbare Einsparungen an Energie und Ressourcen, nachdem die Produktionsprozesse optimiert wurden. Führt andererseits eine Investition zu weniger Feinstaubbelastungen in der Umgebung, fällt die finanzielle Bewertung ungleich schwerer, ebenso wie etwa eine Maßnahme zur Sicherung der biologischen Artenvielfalt. Die klassischen betriebswirtschaftlichen Investitionsrechenverfahren können Nachhaltigkeitsinvestitionen nur danach beurteilen, ob sie wirtschaftlich vorteilhaft sind, also zu einer höheren Rendite führen oder den Unternehmenswert steigern. Weitere Auswirkungen auf die Stakeholder, die sich nicht finanziell auf das Unternehmen auswirken, werden nicht beachtet. Dies soll aber nicht vorschnell als KO-Kriterium für die klassische Investitionsrechnung gewertet werden. Wie bei jeder verwendeten Methode müssen deren Grenzen bekannt sein, um sie richtig anwenden zu können. Nehmen wir das Beispiel einer Investition zur Steigerung der Energieeffizienz der Produktionsanlagen. Den Investitionsauszahlungen können Einsparungen aus dem geringeren Energiebedarf gegenübergestellt werden. Ergibt sich hieraus eine Rendite, die knapp unter den Verzinsungsanforderungen der Kapitalgeber liegt, wäre sie aus rein finanziellen Gründen abzulehnen. Andererseits gibt es aber bedeutsame nicht-monetäre Vorteile für andere Stakeholder bis hin zu Vorteilen für zukünftige Generationen, so dass die Entscheidung dennoch für die Investition getroffen wird. Die nicht-monetären Vorteile sind so umfangreich, dass sie die ökonomischen Nachteile aufwiegen. Wenn die Kapitalgeber wissen, wie sich eine nachhaltige Investition für sie auswirkt, also beispielsweise die Kapitalkosten nicht komplett gedeckt werden können, können sie dennoch eine fundierte Entscheidung treffen. Die Aussage, dass man auf die Anwendung der betriebswirtschaftlichen Investitionsrechenmethoden im Nachhaltigkeitscontrolling getrost verzichten könne, da externe Kosten nicht komplett monetär bewertet werden können, ist daher abzulehnen. Wie gesagt: wenn man die Grenzen einer Methode kennt, wird es dennoch zahlreiche Anwendungsfälle geben, um sie sinnvoll einzusetzen. Wertschöpfungsbasierte Investitionsrechnung Der Wertschöpfungsrechnung wurde als eine Methode des Social Accounting in Kapitel 9.3.2 vorgestellt. Die Vorteilhaftigkeit einer Investition wird nicht mehr nur danach beurteilt, ob der den Eigentümern zustehende Gewinn ausreichend groß ist oder ob die den Kapitalgebern zustehenden Erträge über deren Kapitalkosten liegen. Im Sinne der sozialen Nachhaltigkeit werden nicht nur die finanziellen Vorteile für die Eigentümer, sondern auch für die anderen Stakeholder erfasst. Die Daten stammen dabei aus dem Rechnungswesen. Eine Investition ist somit dann vorteilhaft, wenn die Wertschöpfung (Zahlungen, die im Unternehmen verbleiben (Gewinnthesaurierung), Gewinnausschüttungen an die Eigentümer, Zinszahlungen an die Kreditgeber, Steuerzahlungen an den Staat, Gehalts- und Lohnzahlungen an die Mitarbeiter) insgesamt in einem günstigen Verhältnis zu den Investitionsauszahlungen steht. Eine Investition kann sich also auch dann lohnen, wenn einzelne Stakeholder <?page no="270"?> 270 12 Nachhaltiges Investitionscontrolling wenig oder nicht profitieren, andere aber dafür umso mehr. Die Verteilungsfrage, wie viel welcher Stakeholder von der Wertschöpfung profitiert, ist hierfür also nicht relevant. Entscheidend ist, dass die Wertschöpfung insgesamt groß genug ist. Eine wertschöpfungsbasierte Investitionsrechnung misst die Nachhaltigkeit in der Form, dass alle Stakeholder, die an der Wertschöpfung teilhaben, berücksichtigt werden. Investitionsrechnung ergänzt um externe Effekte Die traditionelle betriebswirtschaftliche Investitionsrechnung, welche die unternehmensintern anfallenden Zahlungen erfasst, kann um negative oder positive externe Effekte erweitert werden. Negative externe Effekte sind Schäden, die das Unternehmen zwar verursacht, die aber für andere anfallen und auch von diesen zu tragen sind. Verursacht das Unternehmen für andere hingegen Vorteile, ohne dass diese hierfür etwas bezahlen müssen, handelt es sich um positive externe Effekte. Dass eine monetäre Bewertung externer Effekte unter Umständen schwierig sein kann und durch die große Unsicherheit ggf. auch an Akzeptanz durch das Management und die Stakeholder verliert, wurde bereits hinreichend dargestellt. Wo externe Effekte hingegen nachvollziehbar bewertbar sind, können diese auch in die Investitionsrechnung eingebunden werden. Dienstleister, wie etwa die britische Trucost, liefern bereits recht umfassend monetär bewertete externe Effekte und erleichtern somit deren Einbindung in unternehmerische Entscheidungen (vgl. www.trucost.com). Ebenso arbeiten Softwareanbieter, wie etwa die Software GaBi oder Umberto für die Erstellung einer Ökobilanz, mit langjährig gewonnenen Daten über externe Auswirkungen von Materialien und Produkten (vgl. www.thinkstep.com). Die im Unternehmen anfallenden und erfassten Kosten und Erträge, hier als private Kosten und Erträge bezeichnet, sind um die extern anfallenden Kosten und Erträge zu ergänzen. Hieraus ergeben sich die insgesamt, für das Unternehmen und die Gesellschaft, anfallenden, sogenannten sozialen Kosten und Erträge: Erweiterung der Gewinnvergleichsrechnung private Erträge private Kosten + + externe Erträge externe Kosten = = soziale Erträge soziale Kosten privater Gewinn + externer Gewinn = sozialer Gewinn Zum privaten Gewinn wird der externe Nettoeffekt (externe Erträge externe Kosten) hinzuaddiert, wodurch sich der soziale Gewinn ergibt. Somit sind Investitionen auszuwählen, die zu einem positiven sozialen Gewinn führen. Einer Studie der Initiative Carbon Tracker (www.carbontracker.org) zur Folge, würden die ausgewiesenen Gewinne der Unternehmen aufgrund einer Internalisierung negativer externer Umweltkosten um 41% sinken (vgl. KPMG International 2014, S. 10; Bergius 2015, S. 7). Chancen und Grenzen einer monetären Bewertung externer Effekte wurden bereits in Kapitel 9.1.1 diskutiert. Hierbei ist zu erwähnen, dass solche Ansätze das Entwick- <?page no="271"?> 12.2 Nachhaltige Investitionsentscheidung 271 lungsstadium längst verlassen haben, zunehmend an Akzeptanz gewinnen und mittlerweile auch von angesehenen Organisationen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in praktikable Konzepte gegossen wurden. Zu erwähnen ist dabei insbesondere die True-Value-Methode der KPMG. Hierbei werden die Unternehmensgewinne um die externen Effekte korrigiert, so dass „True-Earnings“ entstehen (vgl. KPMG International 2014). Erweiterung der Kapitalwertrechnung Die Auszahlungen für eine Investition werden mit dem Barwert der zukünftigen Einzahlungsüberschüsse verglichen. Ist dieser Barwert größer als die Auszahlung, und damit der Kapitalwert positiv, sollte investiert werden. Werden neben den tatsächlichen betrieblichen Ein- und Auszahlungen auch fiktive Zahlungen erfasst, die externen Geschädigten zur Kompensation des Schadens zufließen müssten oder die externe Begünstigte dem Unternehmen zahlen müssten, kann ein sozialer Kapitalwert bestimmt werden. Die externen Effekte würden somit internalisiert. Als externe Auszahlungen würden beispielsweise Ausgleichszahlungen an Anwohner erfasst, die durch den Transportverkehr Werteinbußen ihrer Immobilien erleiden. Externe Einzahlungen wären etwa denkbare Zahlungen der Kommune an das Unternehmen, wenn diese durch die Errichtung eines Betriebskindergartens Einsparungen erzielt. Erweiterte Ermittlung des Einzahlungsüberschusses private Einzahlungen + externe Einzahlungen = soziale Einzahlungen private Auszahlungen + externe Auszahlungen = soziale Auszahlungen privater Einzahlungsüberschuss + externer Einzahlungsüberschuss = sozialer Einzahlungsüberschuss Die durch die Investition anfallenden zukünftigen sozialen Einzahlungsüberschüsse werden auf die Gegenwart diskontiert und mit den Auszahlungen für die Investition verglichen. Eine Investition ist vorteilhaft, wenn der Barwert der sozialen Einzahlungsüberschüsse größer ist als die Investitionsauszahlung. Somit verlieren beispielsweise Investitionen in fossile Energien aufgrund eines in einigen Jahrzehnten erwarteten Ausstiegs aus der fossilen Energiegewinnung deutlich an Wert. Bei der Berechnung des Barwerts ist zum einen das Ende der positiven Einzahlungsüberschüsse einzuplanen, zum anderen müssen zukünftige Kosten für Abbruch und Rückbau eingeplant werden. In der Literatur zur Nachhaltigen Entwicklungen wurde kritisch diskutiert, ob die in der Finanzwirtschaft übliche Diskontierung zukünftiger Werte für ökologische Sachverhalte angemessen sei (vgl. Bayer 2001, S. 257ff.). Der Methodik wird vorgeworfen, dass sie zu einer Geringschätzung zukünftiger Werte führe. Ein in 50 Jahren entstehender Schaden in Höhe von 1 Mio. € hat bei einem Kalkulationszinssatz von 10% heute einen Wert von rund 8.500 €. Es wäre damit wirtschaftlich lohnend, diesen Schaden in 50 Jahren in Kauf zu nehmen, wenn man heute mehr als 8.500 € erzielen könnte. Die <?page no="272"?> 272 12 Nachhaltiges Investitionscontrolling Unterschiede in den absoluten Beträgen schrecken ab. Man würde also einen relativ kleinen finanziellen Vorteil in der Gegenwart einen großen Schaden in der Zukunft vorziehen und somit nach dem Motto „nach mir die Sintflut“ handeln. Solch eine Interpretation der Diskontierung ist jedoch fehlerhaft. Die Diskontierung sagt eben nicht, dass ein kleiner Betrag in der Gegenwart wertvoller ist als ein deutlich größerer Betrag in der Zukunft. Die Diskontierung unterstellt ja gerade stets einen gleichen Wert. 8.500 € heute sind so wertvoll wie 1 Mio. € in 50 Jahren. Der Wert ist gleich, die absolute Zahl ist hingegen unterschiedlich. Die Diskontierung ist so zu interpretieren: wenn ich heute 10.000 € erziele, würde ich 8.500 € für 50 Jahre zu 10% anlegen, woraus 1 Mio. € entstünden. Damit könnte ich den zukünftigen Schaden komplett begleichen und hätte in der Gegenwart zusätzlich 10.000 - 8.500 = 1.500 € erzielt. Die Diskontierung an sich ist nicht falsch und auch bei ökologischen Investitionsentscheidungen nicht unangemessen. Die Schwierigkeiten, weshalb die Ergebnisse einer Diskontierung in der Nachhaltigkeit wenig Akzeptanz finden, liegen in der Unsicherheit begründet (Wie groß wird der zukünftige Schaden tatsächlich sein? ), sie liegen in der schwierigen finanziellen Bewertbarkeit begründet (Kann man drastische Einbußen an Lebensqualität in Geld ausdrücken? ) und sie liegen in der Wachstumsperspektive begründet, die ja eben den Zins rechtfertigen (Ist ein Kalkulationszins von 10% angemessen? ). Ein hohes erwartetes Wachstum von Wirtschaft und Wohlstand führt zu einem entsprechend hohen Zinssatz. Bezüglich des zukünftigen Wachstums gehen die Erwartungen weit auseinander: aus der Perspektive der Postwachstumsökonomie („in einer begrenzten Welt kann es kein unbegrenztes Wachstum geben“) wäre kein oder nur ein sehr geringer Zinssatz sinnvoll. Aus einer fortschrittlich, optimistischen Sicht (Innovationen, Verlagerung auf Dienstleistungen, geschlossene Ressourcenkreisläufe, ... erlauben auch zukünftig Wachstum, das umweltverträglich ist) ist auch zukünftig ein positiver Zinssatz zu rechtfertigen. Langfristig sollte ein Zinssatz vorsichtig und damit eher niedrig angesetzt werden. Bei Investitionen über wenige Jahre hinweg sind die Auswirkungen des Zinsniveaus deutlich geringer und eine Diskontierung daher weniger bedenklich. Die Kritik an der Diskontierung ist zumeist eine Kritik an der Wachstumsorientierung, an ethisch bedenklichen finanziellen Bewertungen und an der Unsicherheit, wie groß Schäden zukünftig sein werden. Diese Schwierigkeiten sind ernst zu nehmen, aber nicht mit der Methodik der Diskontierung zu verwechseln. Generell sollte man nur finanzielle Beträge diskontieren, da man Geld anlegen kann, wodurch der absolute Betrag zunimmt und der Wert erhalten werden kann. Eine Diskontierung physikalischer Größen sollte hingegen nicht erfolgen: eine Tonne CO 2 in 50 Jahren entspricht einer Tonne CO 2 heute. Schließlich kann eine physikalische Größe auch nicht verzinslich angelegt werden. Eine weniger systematisierte Einbindung der Nachhaltigkeit in die Investitionsentscheidung kann durch eine ergänzende Betrachtung von Nachhaltigkeitskriterien erfolgen. Dabei wird ein Investitionsantrag um eine Checkliste der wichtigsten Nachhaltigkeitsziele erweitert. Somit beschäftigen sich zum einen der Antragsteller <?page no="273"?> 12.2 Nachhaltige Investitionsentscheidung 273 5.000 kg 800 kg und das Investitionscontrolling mit den Auswirkungen der Investition auf die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele und zum anderen kann das Management wenig formalisiert und situativ Entscheidungen treffen. Sofern das Management die Nachhaltigkeitswirkungen der Investitionen ernst nimmt und die Bewertung der Nachhaltigkeitswirkungen entscheidungsrelevant ist, wird dies auch von den Fachabteilungen antizipiert (vgl. Frey, Gänßlen 2013, S. 12). Ökologische Rückzahldauer Mit Hilfe der ökologischen Rückzahldauer wird die Effizienz einer ökologischen Investition bewertet. Gemessen wird hierbei die Anzahl an Jahren, bis der Schaden, der durch die Herstellung und Inbetriebnahme des Investitionsobjektes entstanden ist, durch die in der Nutzungsdauer entstandenen Einsparungen an Schäden kompensiert wurde (vgl. Schaltegger, Sturm 2000, S. 193f.): Rück zahldauer = verursachte Schadschöpfung der Investition jährliche Schadstoffeinsparungen während der Nutzung Damit sich eine Investition ökologisch lohnt, muss die Rückzahldauer innerhalb der Nutzungsdauer liegen. Reicht hingegen die Nutzungsdauer gar nicht aus, um die Schadschöpfung der Investition zu kompensieren, ist der ökologische Schaden der Investition größer als der Nutzen. Die Investition lohnt sich dementsprechend nicht. Einfacher als die Ermittlung einer gesamten Schadschöpfung ist die Berechnung der Rückzahldauer für einzelne Schadstoffe. Anstatt der Zeitdauer, bis sich eine ökologische Investition rechnet, kann auch die Leistungsmenge berechnet werden, ab der sich eine Investition lohnt. So wird etwa bei Fahrzeugen typischerweise ein Verbrauch oder ein CO 2 -Ausstoß jeweils auf die Laufleistung bezogen, da dieses einen wesentlich größeren Einfluss auf die Umwelt hat als der Faktor Zeit. Der Energieeinsatz wird in Liter je 100 km gemessen und der CO 2 - Ausstoß in Gramm je Kilometer. Da Fahrzeuge mit einer unterschiedlichen Laufleistung benutzt werden, ist eine zeitliche Angabe (Verbrauch pro Jahr) nicht sinnvoll. Beispiel: Ökologische Rückzahldauer für den CO 2 -Ausstoß eines Autos Es wird die Überlegung getätigt, ob ein älteres, die Umwelt belastendes Auto durch ein neues, umweltfreundlicheres Auto ersetzt werden soll. Die Umweltbelastung wird hierbei vor allem am CO 2 -Ausstoß festgemacht. Durch die Herstellung eines Autos entstehen ca. 5 Tonnen CO 2 . Verursacht das alte Auto je km 160 Gramm CO 2 , das neue Auto 120 Gramm und wird mit einer jährlichen Laufleistung von 20.000 km gerechnet, ergibt sich eine jährliche CO 2 - Einsparung von 800 kg. Die ökologische Rückzahldauer beträgt: Rück zahldauer = = 6,25 Jahre 800 kg <?page no="274"?> 274 12 Nachhaltiges Investitionscontrolling Der zusätzliche CO 2 -Ausstoß durch die Herstellung des Autos führt erst nach 6,25 Jahren zu einer Reduktion der Gesamtbelastung durch CO 2 . Beispielsweise kann berechnet werden, ab welcher Gesamtlaufleistung ein stromgetriebenes Fahrzeug weniger CO 2 ausstößt als ein benzinbetriebenes Fahrzeug. Diese Fragestellung ist relevant, weil durch die Herstellung der Batterie der CO 2 -Ausstoß bei der Fertigung eines Elektro-Fahrzeugs größer ist als bei der Fertigung eines benzinbetriebenen Fahrzeugs. Beispiel: Nissan Leaf (strombetrieben) vs. VW Golf (benzinbetrieben) CO 2 -Ausstoß in der Produktion: CO 2 -Ausstoß durch die Batterieproduktion: 3.000 kg CO 2 -Einsparung im Vergleich zur Produktion eines Benzinmotors: 260 kg Die Produktion eines Nissan Leaf verursacht 2.740 kg CO 2 mehr als die Produktion des VW Golf. CO 2 -Ausstoß im Fahrbetrieb: CO 2 -Ausstoß in Gramm je km beim Nissan Leaf, bei einem durchschnittlichen deutschen Mix an Stromquellen: 106 Gramm/ km CO 2 -Ausstoß in Gramm je km beim VW Golf: 169 Gramm je km + 20% Aufschlag CO 2 -Ausstoß durch die Ölförderung, Raffinerie und den Transport („von der Quelle bis zum Rad“): 203 Gramm/ km Einsparung des Nissan Leaf: 97 Gramm CO 2 / km Ab welcher Laufleistung lohnt sich das strombetriebene Fahrzeug? Zusätzlicher CO 2 -Ausstoß durch die Produktion: 2.740.000 Gramm CO 2 -Einsparung durch den Betrieb: 97 Gramm/ km 2.740.000 / 97 = ca. 28.000 km Ab einer Gesamtlaufleistung von 28.000 km verursacht das strombetriebene Fahrzeug weniger CO 2 als das benzinbetriebene Fahrzeug. (Quelle: Schwarzer, C. (2014): So sauber ist das Elektroauto, in ZEIT online, 16.01.2014, online verfügbar: http: / / www.zeit.de/ mobilitaet/ 2014-01/ elektroautoenergiebilanz, abgerufen am 11.12.15) Nachhaltigkeitsorientierte Nutzwertanalyse Der Internationale Controller Verein empfiehlt, Investitionen anhand einer „nachhaltigkeitsorientierten quantitativen Nutzwertanalyse“ zu bewerten. Neben der in den Unternehmen üblichen finanziellen Investitionsrechnung soll eine separate, quantitative Bewertung der Nachhaltigkeit erfolgen. Anschließend sind die beiden Teilbewertungen zusammenzuführen und integriert zu analysieren (vgl. Internatio- <?page no="275"?> 12.2 Nachhaltige Investitionsentscheidung 275 naler Controller Verein 2015b). Die Nachhaltigkeit von Investitionen soll zwar quantitativ bewertet werden, wobei aber ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass Stoff- und Energieströme in physikalischen und nicht in monetären Einheiten erfasst werden sollen. Hierdurch soll die Objektivität der Methodik gewahrt werden, da eine Monetarisierung externer Effekte häufig subjektiv geprägt ist und deshalb als Entscheidungsgrundlage im Unternehmen nur eingeschränkt nützlich ist. Somit stehen die verschiedenen Maßeinheiten wie CO 2 / Tonne oder Liter für Abwasser, ... nebeneinander und bleiben auch als solche erkennbar. Durch eine Monetarisierung ginge diese Transparenz verloren. Nicht sinnvoll quantifizierbare Entwicklungen sollen die Investitionsbewertung in Form einer qualitativen Chancen- und Risikoeinschätzung ergänzen. Die Nutzwertanalyse, teils auch als Scoring-Modell bezeichnet, ist eine Methode zur nicht-monetären Bewertung von Alternativen anhand mehrerer Zielkriterien. Ausgehend vom Oberziel (z.B. Investition zur Erhöhung der Produktionskapazität) werden Subziele ausgewählt (zügige Fertigstellung, geringe Kosten, Produktqualität, ...). Üblicherweise erfolgt in der Nutzwertanalyse eine Gewichtung der Faktoren. Der Ansatz des Internationalen Controller Vereins sieht hiervon allerdings ab. Der Verzicht auf die Gewichtung ist allerdings selbst bereits eine Gewichtung, nämlich eine Gleichgewichtung aller Subziele. Neben der Gewichtung kann einzelnen, überragend bedeutsamen Kriterien auch der Status eines KO-Kriteriums zugeordnet werden. Wird dieses Kriterium nicht erfüllt, entfällt die Alternative, unabhängig von ihren Ergebnissen bei den anderen Subzielen. Dies kann beispielsweise das Ziel eines positiven Kapitalwerts sein, der auf jeden Fall erreicht sein muss. Nach der Festlegung der Subziele und der Messmethode wird für jede Investitionsalternative und für jedes Subziel der Wert in einer geeigneten Maßeinheit ermittelt. Für die Investition in eine neue Produktionsanlage kann dies beispielsweise so aussehen: Anlage Kapitalwert CO2-Ausstoß Ergonomie-Index A 7,6 Mio. € 4.200 t 83% B 8,4 Mio. € 5.800 t 78% C 6,0 Mio. € 4.000 t 86% D 7,7 Mio. € 3.800 t 82% Tabelle 12.1: Beispiel für die quantitative Bewertung in der Nutzwertanalyse Wenn Werte nicht direkt gemessen (z.B. in kg CO 2 ) oder berechnet (z.B. als Kapitalwert) werden können oder keine einzelne Maßgröße existiert, die ein Ziel zutreffend bewertet, kann auch ein Bündel bewährter Kriterien benutzt werden, um die Zielausprägung zu bestimmen. In diesem Beispiel wurde etwa ein Ergonomie-Index ermittelt, den Experten checklistenbasiert bestimmen können. <?page no="276"?> 276 12 Nachhaltiges Investitionscontrolling Wird innerhalb jedes Ziels die Rangfolge der Alternativen ermittelt, können, bei unterstellter Gleichgewichtung, Durchschnitte berechnet werden: Anlage Kapitalwert CO2- Ausstoß Ergonomie- Index nicht-ökonomische Nachhaltigkeit Nutzwert Zielart ökonomisches Ziel ökologisches Ziel soziales Ziel A 3 3 2 2,5 8 B 1 4 4 4 9 C 4 2 1 1,5 7 D 2 1 3 2 6 Tabelle 12.2: Nutzwertberechnung Die Produktionsanlage D erzielt insgesamt den besten Nutzwert und wird als Investition empfohlen. Für die Kommunikation kann eine graphische Darstellung als Portfolio hilfreich sein, bei dem das ökonomische und die nicht-ökonomischen Ziele verdeutlicht werden. Hierdurch wird die Erweiterung des Entscheidungsfeldes über rein wirtschaftliche Ziele hinaus sichtbar: Abb. 12.1: Gegenüberstellung ökonomischer und sozialer/ ökologischer Zielerreichung (Quelle: in Anlehnung an Internationaler Controller Verein 2015b, S. 19) Die Alternative D ist bei keiner der beiden Kriterien am besten, insgesamt aber am ausgewogensten. Die graphische Darstellung verschleiert allerdings den tatsächlichen Nutzwert, da die sozialen und ökologischen Kriterien bei der Nutzwertberechnung <?page no="277"?> 12.2 Nachhaltige Investitionsentscheidung 277 jeweils einzeln gewichtet wurden, in der Graphik aber als eine Dimension quasi gleichrangig zum ökonomischen Ziel zusammengefasst sind. Die Graphik suggeriert damit, dass die soziale und ökologische Nachhaltigkeit zusammen genommen gleichbedeutend ist wie das ökonomische Ziel. Kritisch ist die Frage der Gewichtung der einzelnen Faktoren anzumerken. Wenn also eine Vielzahl an ökologischen und sozialen Kriterien benutzt wird, sollen dann jedes dieser Kriterien soviel zählen wie das einzelne ökonomische Kriterium Kapitalwert? Würden beispielsweise dem ökonomischen Ziel des Kapitalwerts zehn ökologische und fünf soziale Ziele gemessen, soll dann das ökonomische Ziel den Nutzwert mit 1/ 16 beeinflussen oder aber mit einem Drittel, wenn die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit gleichgewichtet werden? Die Frage der Gewichtung ist also relevant. Weiterhin sind die Kriterien mit Bedacht zu wählen. Nicht immer sind sie unabhängig voneinander. Werden beispielsweise die Kriterien Energieverbrauch und CO 2 - Ausstoß als ökologische Ziele genutzt, findet teilweise eine Doppelbewertung eines Sachverhalts statt, da im Allgemeinen ein höherer Energieverbrauch mit einem höheren CO 2 -Ausstoß einhergeht. Wenn sich dies nicht vermeiden lässt, sollte solch eine Doppelung durch eine entsprechend geringere Gewichtung ausgeglichenwerden. Die verschiedenen Kriterien werden zueinander in einem additiven Verhältnis betrachtet. Die Rangfolgen bei den verschiedenen Kriterien werden aufaddiert und es wird der Durchschnitt berechnet. Zwischen den Kriterien bestehen aber vielfältige Beziehungen, nach denen sich die Kriterien teils gegenseitig fördern, teils aber auch behindern. Das Mitarbeiterengagement fördert den wirtschaftlichen Erfolg und die Verringerung der Emissionen kann diesen behindern. Die Beziehungen sind unterschiedlich und daher wäre hierfür eine systemische Betrachtung und Analyse der Beziehungen sinnvoll. Schließlich ist die Methodik zur Berechnung des Nutzwerts aus der durchschnittlichen Rangfolge eines jeden Kriteriums kritisch zu beurteilen. Eine direkte Aufrechnung der verschiedenen Kriterien ist nicht möglich, da sie unterschiedliche Maßeinheiten aufweisen. Der Umweg über die Berechnung der Rangfolgen kann aber zu starken Verzerrungen führen. Ist etwa der Kapitalwert einer Investition um 2% größer, die Umweltbelastung aber um 20% schlechter als die nächstbeste Alternative, verlieren sich diese deutlich unterschiedlichen Abstände bei der Rangfolge. Die verschiedenen Kardinalskalen (Kapitalwert, CO 2 -Ausstoß, ...) werden in eine Ordinalskala umgewandelt (Rangfolge), damit sie verrechnet werden können. Der Informationsverlust kann unter Umständen hierdurch aber enorm sein, worunter die Qualität des Ergebnisses leidet. Somit bleibt festzuhalten, dass die nachhaltigkeitsorientierte Nutzwertanalyse ein pragmatischer Ansatz zur nachhaltigen Investitionsbewertung ist, die den Einstieg über die bekannte Nutzwertanalyse systematisiert und erleichtert. Die Methodik ist gut nachvollziehbar und fördert die Auseinandersetzung mit der Nachhaltigkeit. So <?page no="278"?> 278 12 Nachhaltiges Investitionscontrolling ist zu klären, welche Kriterien überhaupt bedeutsam sind und zur Entscheidung genutzt werden sollen, ebenso ist die gewünschte Ausprägung der Kriterien und deren Messung abzustimmen. Die Methodik erleichtert somit den Einstieg in die Nachhaltigkeit und rechtfertigt sich daher trotz der genannten Schwächen. In einer fortgeschrittenen Verwendung sollten diese aber behoben werden. KPIs für Investitionen In Kapitel 9.5.1 wurden Ansätze zu einer KPI-basierten Nachhaltigkeitssteuerung vorgestellt. Ein solches KPI-Set kann auch auf einzelne Investitionen übertragen werden. Hierbei besteht wiederum die gleiche Logik: die KPIs, die zur nachhaltigen Steuerung des Unternehmens genutzt werden, finden auch bei den Investitionsentscheidungen Anwendung. Wenn sämtliche Investitionen gemäß den KPIs ausgewählt werden, wird das Unternehmen mittelfristig auch insgesamt die KPIs in einem hohen Maße erreichen. Beispiel: ESG-KPI´s der DVFA für die Automobilbranche [1] Energieeffizienz, gemessen durch den gesamten Energieverbrauch [2] Ausstoß von Treibhausgasemissionen [3] Fluktuationsrate [4] Weiterbildungsausgaben je Mitarbeiter [5] Altersstruktur der Mitarbeiter [6] Vergütung, insbesondere die finanziellen Anreize [7] Strafzahlungen aufgrund wettbewerbswidrigen Verhaltens [8] Umsatzanteil der Länder mit besonders ausgeprägterKorruption [9] Umsatzanteil der maximal ein Jahr alten Produkte [10] F&E-Aufwendungen sowie Patentanmeldungen der letzten 12Monate (Quelle: DVFA (2010): KPIs für ESG. A Guideline for the Integration of ESG into Financial Analysis and Corporate Valuation. Version 3.0, Frankfurt, online verfügbar: http: / / www.effas-esg.com/ wp-content/ uploads/ 2011/ 07/ KPIs_for_ESG_3_0_ Final.pdf) Größtenteils beziehen sich diese Kriterien auf das Unternehmen insgesamt, teils sind sie aber auch auf einzelne Investitionen übertragbar. So können etwa die Energieeffizienz und die Treibhausgasemission einer Investition direkt ermittelt werden. Schwieriger ist hingegen die Prognose, wie die Investition die Fluktuation oder die Weiterbildungsausgaben beeinflusst. Dennoch können diesbezüglich Zusammenhänge prognostiziert und in die Investitionsentscheidung eingebunden werden. Greifen wir aus Kapitel 10, dem operativen Nachhaltigkeitscontrolling, das Beispiel SAP nochmals auf. SAP hat vier Unternehmensziele genannt: Umsatz, Marge, Mitarbeiterengagement und Kundentreue. Sämtliche Investitionen müssen einen wesentli- <?page no="279"?> 12.2 Nachhaltige Investitionsentscheidung 279 chen Beitrag zur Zielerreichung leisten. Die Vorteilhaftigkeit einer Investition ist also danach zu beurteilen, wie diese zur Zielerreichung beitragen. Diese Ziele sind, wie im Kapitel 10 dargestellt, zusammen mit weiteren ökonomischen, ökologischen und sozialen Indikatoren Bestandteil eines umfassenden Wirkungsnetzes. Es wurde ein beispielhaftes Modell mit Ursache-Wirkungsbeziehungen entwickelt, wodurch die wesentlichen Indikatoren und Hebel für die Zielerreichung und damit auch für die Entscheidung, ob es sich um eine lohnenswerte Investition handelt, aufgezeigt wurden. Die vier Ziele, die insgesamt zu einer lohnenswerten Investition führen, sind unterschiedlich stark im Wirkungsnetz eingebunden. Auf Basis dieser Beziehungen kann die Bedeutung der einzelnen Faktoren für die Attraktivität der Investition simuliert werden. Dabei kann die Bedeutung der Faktoren variieren, je nach dem, ob die kurzfristige oder eine längerfristige Auswirkung betrachtet wird. Längerfristig sind für die Attraktivität einer Investition insbesondere die Faktoren Kundentreue und Mitarbeiterengagement bedeutsam, wie Abb. 10.5 zeigt. Das sind genau die Faktoren, die auch für den Unternehmenserfolg relevant sind. Die Modellierung und Auswertung des Modells lenkt den Blick auf die besonders bedeutsamen Faktoren für eine Investitionsentscheidung. Anhand dieser Faktoren sollte die Attraktivität einer Investition beurteilt werden. Eine solche systemischbasierte Betrachtung der Entscheidungssituation bindet eine große Anzahl relevanter Faktoren ein, integriert die Vielzahl der Beziehungen zwischen diesen Faktoren und erlaubt durch die Simulation einen Blick in die zukünftige Entwicklung. Somit lässt sich nicht nur erkennen, welche Faktoren für den kurzfristigen Erfolg einer Investition verantwortlich sind, sondern auch solche, die langfristig und nachhaltig bedeutsam sind. Sustainable Value für Investitionen Als letzte Methode, um die Nachhaltigkeit einer Investition zu beurteilen, wollen wir den Sustainable Value nutzen. Diesen haben wir in Abschnitt 9.5.2 als eine integrierte Nachhaltigkeitskennzahl kennen gelernt. So wie mit dieser Kennzahl ein gesamtes Unternehmen oder eine Geschäftseinheit gemessen werden kann, lässt sich nun auch der Sustainable Value einer Investition messen. Hierbei werden neben dem ökonomischen Ziel, etwa dem Kapitalwert oder der Rendite, auch verschiedene ökologische und soziale Kriterien eingebunden und zu einer integrierten Kennzahl verdichtet. Der methodische Vorteil liegt hierbei wiederum in der Anwendung des Opportunitätskostenprinzips. Folgendes Zahlenbeispiel, das in ähnlicher Form in Abschnitt 9.5.2 zur Messung der nachhaltigen Unternehmensleistung genutzt wurde, soll nun auf die Bewertung der Nachhaltigkeit einer Investition angewendet werden: <?page no="280"?> 280 12 Nachhaltiges Investitionscontrolling Abb. 12.2: Beispiel zur Ermittlung des Sustainable Value einer Investition Wird die Attraktivität einer Investition vereinfacht nur an den zwei Merkmalen Rendite und Abfalleffizienz gemessen, kann hierbei jeweils der Wertbeitrag der Investition im Vergleich zum Markt bestimmt werden. Aus ökonomischer Sicht scheint die Investition nicht vorteilhaft, da im Markt eine um einen Prozentpunkt höhere Rendite erzielt werden könnte. Bei einem Kapitaleinsatz von 100.000 € führt die Investition zu einer Wertvernichtung in Höhe von 1.000 €. Allerdings weist die Investition eine hohe Abfalleffizienz aus. Je Tonne Abfall beträgt die Wertschöpfung 800 €. Dies liegt um 200 € über dem Marktdurchschnitt. Bei insgesamt 15 Tonnen Abfällen entsteht ein Vorteil, im Vergleich zum Markt, in Höhe von 3.000 €. Saldiert verbleibt ein Vorteil der Investition in Höhe von 2.000 €, der noch durch zwei geteilt werden muss, da bei zwei Faktoren der Wertbeitrag doppelt erfasst wurde. Der Sustainable Value der Investition beträgt somit 1.000 €. Damit lohnt sich die Investition aus einer nachhaltigen Sicht, da der ökologische Vorteil den ökonomischen Nachteil der Investition überwiegt. Bei der Bewertung des Sustainable Value wird auf die vorrangehenden Ausführungen in 9.5.2 verwiesen, die hier gleichermaßen gelten. Kapitel 12: Erkenntnisse Das Investitionscontrolling stellt eine Art „Schleusenfunktion“ für die nachhaltige Entwicklung eines Unternehmens dar. Werden nur noch nachhaltige Investitionen durchgeführt, entwickelt sich das Unternehmen auch hin zu mehr Nachhaltigkeit. Ohne ein nachhaltiges Investitionscontrolling erscheint es hingegen kaum möglich, Nachhaltigkeitsziele mittelfristig zu erreichen. Ein an Nachhaltigkeitszielen ausgerichtetes Investitionscontrolling hat deshalb eine elementare Bedeutung für die Entwicklung nachhaltiger Unternehmen. Die Ziele für Investitionen leiten sich direkt aus den Unternehmenszielen ab. Dies sind entweder die identischen Ziele (z.B. Gewinn, Wertsteigerung, ...) oder es sind Unterziele, die einen positiven Einfluss auf die Unternehmensziele haben (z.B. Kosten senken, Lieferfähigkeit erhöhen, ...). Dies trifft auch für die Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens zu, die auf einzelne Investitionen übertragen werden. <?page no="281"?> 12.2 Nachhaltige Investitionsentscheidung 281 Es bestehen verschiedene Methoden, um die Nachhaltigkeit in die Investitionsentscheidungen einzubinden: - Teilweise werden Nachhaltigkeitseffekte im Rechnungswesen erfasst, weshalb diese Effekte auch in der klassischen Investitionsrechnung (statisch/ dynamisch) Verwendung finden. - In die Investitionsentscheidung kann die gesamte Wertschöpfung eingebunden werden. - Eine Investitionsrechnung kann um internalisierte externe Effekte erweitert werden. - Die ökologische Rückzahldauer misst die Vorteilhaftigkeit einer Investition vergleichbar mit einer Amortisationsdauer. - In einer Nutzwertanalyse können Nachhaltigkeitskriterien eingebunden werden. - Unternehmensweite KPIs können auf die einzelne Investition übertragen und bewertet werden. - Die Spitzenkennzahl Sustainable Value kann auch für eine einzelne Investition ermittelt werden. <?page no="282"?> 13 IT-Werkzeuge für das Nachhaltigkeitscontrolling Input Die Konzeption des Nachhaltigkeitscontrollings, die Vorgehensweisen und Methoden sind bekannt. Teilprozesse Einsatzmöglichkeiten für eine IT-Unterstützung, Anforderungen, Überblick über das Softwareangebot zur Nachhaltigkeitssteuerung Output Strukturierter Überblick über Software-Lösungen für das Nachhaltigkeitscontrolling und ihre grundlegenden Funktionalitäten Eine ernsthafte und fortdauernde Steuerung der Nachhaltigkeit erfordert eine verbindliche Konzeption des Nachhaltigkeitscontrollings mit klaren Zielen, standardisierten Prozessen und Methoden. Hierfür müssen in regelmäßigen Abständen Daten generiert, verarbeitet und ausgewertet werden. Nicht nur das Management, sondern auch die Stakeholder erwarten eine laufende Berichterstattung auf einem qualitativ hohen Niveau. Im ökonomischen Bereich ist es selbst für kleine Unternehmen undenkbar, dass die Verarbeitung der Daten ohne eine entsprechende IT-Unterstützung funktionieren könnte. Im ökologischen und sozialen Bereich ist die Verwendung professioneller Software in den Unternehmen aber bei weitem nicht so weit fortgeschritten. Der Durchdringungsgrad spezifischer Software ist deutlich geringer. Dies liegt natürlich auch daran, dass viele Unternehmen erst in den letzten Jahren begannen, sich systematisch mit der Nachhaltigkeit zu beschäftigen. <?page no="283"?> 12.2 Nachhaltige Investitionsentscheidung 283 Andererseits werden insbesondere im Umweltbereich bereits seit einigen Jahren anspruchsvolle „Betriebliche Umweltinformationssysteme“ (BUIS) sowie technisch orientierte Softwarelösungen, etwa zur Steuerung des Energie- und Ressourcenverbrauchs oder zur Erstellung einer Ökobilanz, entwickelt. Die Anforderungen an die Entwickler und Anwender dieser Informationstechnik- und Softwarelösungen sind so stark gestiegen, dass zur adäquaten Ausbildung mittlerweile auch eigenständige Bachelor- und Masterstudiengänge für Umweltinformatik bestehen. Die Breite der angebotenen Softwarelösungen reicht von kostenlosen Web-Applikationen für einen Quick-Check der Nachhaltigkeit über Speziallösungen zur Steuerung des Energieverbrauchs von Anlagen und Maschinen bis hin zu integrierten Tools, die eine Erstaufnahme, die Datenerhebung, die Strategieentwicklung und -umsetzung, die Kontrolle und operative Steuerung bis zur Berichterstellung unterstützen, und dabei noch mit einem Umweltmanagementsystem und den GRI-Kriterien verknüpft sind. In Teilen ist daher bereits umfangreiches Expertenwissen in der Umweltinformatik notwendig, über das die Controller in der Regel nicht selber verfügen. Dies muss deshalb von Experten abgedeckt werden. Definition Nachhaltigkeitsmanagement-Software Nachhaltigkeitsmanagement-Software „umfasst unternehmensbezogene Desktop-Angebote und webbasierte Programme zur Unterstützung des Managementprozesses, inklusive Planung, Umsetzung, Überwachung und Kommunikation von unternehmerischen Nachhaltigkeitsmaßnahmen.“ (Johnson/ Schaltegger 2015, S. 5) Begreift man die Steuerung der Nachhaltigkeit als einen integralen Bestandteil der Unternehmenssteuerung, ist auch die Nachhaltigkeitssoftware an die Standards und Methoden des Controllings anzupassen. Ökologische und soziale Informationen müssen demnach schnell verfügbar, belegbar, individuell und konsistent zum bestehenden Berichtswesen sein. Schließlich sollte eine Nachhaltigkeitssoftware auch die interne und externe Berichterstattung unterstützen. Um die vielfältigen internen Informationsbedürfnisse zu befriedigen, muss das Tool flexibel und individualisierbar sein. Und um externen Anforderungen zu genügen, muss die Konformität zu den gültigen Berichtsstandards, insbesondere den GRI, gewährleistet sein. Beispiel: Beiersdorf AG „Seit Juli 2014 unterstützt eine neue IT-Software das globale Nachhaltigkeitsmanagement von Beiersdorf. Mit Hilfe von „susy” (Sustainability System) werden weltweit Nachhaltigkeitskennzahlen erfasst, ausgewertet und aufbereitet. Das neue System zeichnet sich durch Anwenderfreundlichkeit, Datentransparenz und Überprüfbarkeit aus. Darüber hinaus können alle Geschäftsbereiche, die Teil des Berichtswesens sind, von „susy” profitieren, denn mit Hilfe der Software lassen sich individuelle Nachhaltigkeitsleistungen nachvollziehen. So vereinfacht das neue <?page no="284"?> 284 13 IT-Werkzeuge für das Nachhaltigkeitscontrolling System zukünftig unter anderem die Berichterstattung nach den Standards der „Global Reporting Initiative” (GRI).“ (Quelle: Homepage der Beiersdorf AG: http: / / www.beiersdorf.de/ nachhaltigkeit/ unsere-verantwortung/ nachhaltigkeitsmanagement ) Systematisiert man die Einsatzbereiche der Nachhaltigkeitssoftware, so können diese in drei Kategorien unterteilt werden (vgl. Conrad 2014, S. 196f.). Die Basis stellen die operativen Nachhaltigkeitsdaten dar. Hier werden mit Hilfe geeigneter Softwarelösungen die grundlegenden Daten gesammelt, wie etwa detaillierte Energie- und Ressourcenverbräuche, Emissionen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die zweite Ebene, das Nachhaltigkeitscontrolling, ist die Steuerungsebene. Die vorliegenden Daten werden zu Steuerungszwecken genutzt: Auswahl bzw. Berechnung entscheidungsrelevanter Kennzahlen, Entwicklung von Kennzahlensystemen und Kennzahlen-Cockpits, Nutzung der Daten für die SBSC, ... Schließlich erfolgt auf der dritten Ebene ein Softwareeinsatz für die Berichterstattung, ausgerichtet an den Standards wie den GRI und ggf. auch integriert mit dem Finanzberichtswesen. Datenaufbereitung, Datenanalyse Berichtsstandards Visualisierung, Texterstellung Berichtsebene Datenmanagement Indikatoren und Kennzahlen Dashboards, Steuerungssysteme Steuerungsebene Gesundheit- und Arbeitsschutz Energiedaten, Ressourcendaten Produktsicherheit, Schadstoffe Ebene der operativen Daten Tabelle 13.1: Einsatzbereiche von Nachhaltigkeitssoftware (Quelle: in Anlehnung an Conrad 2014, S. 197) Die generellen Anforderungen an eine IT-Unterstützung zur Nachhaltigkeitssteuerung ist im Grunde vergleichbar mit den Anforderungen an Softwarelösungen im traditionellen Controlling (vgl. Prengel 2015, in: http: / / www.pwc.de/ de/ nachhal tigkeit/ im-nachhaltigkeitsreporting-steckt-hinter-den-kulissen-noch-viel-handarbeit.html, abgerufen am 21.12.15 sowie Conrad 2014, S. 197 und Muuß 2015, S. 10): einfache Datenerhebung und -konsolidierung keine Medienbrüche und Mehrfach-Erfassungen automatisierte Schnittstellen einheitliche und nachvollziehbare Datengrundlagen Echtzeiterfassung <?page no="285"?> 12.2 Nachhaltige Investitionsentscheidung 285 definierte und nachvollziehbare Umrechnungsfaktoren hohe Datenqualität und effiziente Datenverwaltung einfache und flexible Auswertungen und Analysen Unterstützung der Steuerung von (automatisierten) Nachhaltigkeitsprozessen Kompatibilität zu bestehenden Software-Lösungen und Systemplattformen automatisierte Berichterstattung Revisionssicherheit, damit sowohl intern als auch extern vertrauenswürdig und auditierfähig Auf der Ebene der operativen Nachhaltigkeitsdaten existieren zahlreiche spezialisierte Softwarelösungen, die etwa dem Energiemanagement oder der Emissionsmessung dienen. Für das Nachhaltigkeitscontrolling und die Berichterstattung existieren teils auf einzelne Aufgabenfelder spezialisierte Softwarelösungen, teils gibt es aber auch alle drei Ebenen übergreifende Lösungen. Da die Eignung von Softwarelösungen zum Teil stark von den Besonderheiten einer Branche abhängt, haben sich auch branchenspezifische Tools etabliert. Verschiedentlich wird genannt, dass es weltweit mehr als 100 Softwarelösungen für das Nachhaltigkeitsmanagement gäbe (vgl. Muuß 2015, S. 13). Einen Überblick über einige der bedeutsamen Softwarelösungen bietet nachfolgende Tabelle 13.2. Nachhaltigkeitsmanagementsoftware wird insbesondere für folgende Aufgabenfelder als hilfreich angesehen (1 ist die minimale, 7 die maximale Ausprägung): Abb. 13.1: Wichtigkeit der Aufgabenunterstützung bei der Anwendung von Nachhaltigkeitsmanagementsoftware (Quelle: Johnson, Schaltegger 2015, S. 11) <?page no="286"?> 286 13 IT-Werkzeuge für das Nachhaltigkeitscontrolling Tabelle 13.2: Anbieter von Nachhaltigkeitssoftware im Vergleich (Quelle: in Anlehnung an Muuß, K. (2015), S. 16ff.; Conrad, C. (2014), S. 199ff., ergänzt um Veröffentlichungen der angegebenen Unternehmen) Software CR360 Enablon SoFi TS Enterprise EcoWebDesk SAP SuPM Corporate Sustainability Management (CSM) WeSustain Enterprise Sustainability Management (ESM) Anbieter cr360 Ltd Enablon Thinkstep AG EcoIntense GmbH SAP SE Tofuture Oy WeSustain GmbH Sitz Cambridge, UK Paris Leinfelden-Echterdingen, Stuttgart Berlin Walldorf Espoo, Finnland Buxtehude, Hamburg Referenzkunden Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Heineken, Linde, McDonald’s, Nestlé, O2, Otto, Philips Airbus, Air France, AXA, Beiersdorf, Canon, Danone, Dell, L’Oréal, Puma, Robert Bosch, Renault, Timberland Axel Springer, BASF, Beiersdorf, Bosch, Continental, Daimler, Infineon, RWE, Siemens, SPAR, Volkswagen Kärcher, Arburg, Datev, Pirelli, dm, e-on, Siemens, Flughafen München, Unilever, Vorwerk, ZF Atos, CSC, Kansai, Lexmark, Rhein Chemie, SAP, Unilever verschiedene Unternehmen, insb. aus Finnland und Skandinavien Allianz, Commerzbank, Daimler, Lanxess, Celesio, T- Systems, WMF Umfang Operatives NH-Mgt, NH-Controlling, NH- Reporting Operatives NH-Mgt, NH-Controlling, NH- Reporting Operatives NH-Mgt, NH-Controlling, NH- Reporting Operatives NH-Mgt, NH-Controlling, NH- Reporting NH-Controlling, NH- Reporting NH-Controlling, NH- Reporting NH-Controlling, NH- Reporting Zusatzmodule Supply-Chain-Mgt., Compliance, Energy & Carbon, Gesundheits- und Arbeitsschutz, u.a. Compliance, Lieferanten-Mgt., Gesundheits- und Arbeitsschutz, Qualitäts- Mgt., u.a. Material-Full-Cost (Trucost), Lieferanten-Mgt., Energie- Mgt., Gesundheits- und Arbeitsschutz, Link zu Software GaBi, u.a. Arbeitssicherheit, Auditmgt., Gefahrstoffmgt., Legal Compliance, Prozessmgt. Energie- und Ressourcen-Mgt., Supply- Chain-Mgt., Compliance, Produktsicherheit, u.a. Lieferanten-Mgt.,Carbon-Mgt., Prozess- Mgt. Lieferanten-Mgt., Carbon-Mgt., Link zu Software Umberto unterstützte Berichtsstandards GRI, DJSI, Carbon Disclosure Project, Global Conformance Mark GRI, DJSI, Carbon Disclosure Project, Global Conformance Mark GRI, DJSI, Carbon Disclosure Project, Global Conformance Mark GRI GRI GRI, GHG-Protocol, UN Global Compact, ISO 14000/ 26000 GRI, DJSI, Carbon Disclosure Project, Global Conformance Mark, Deutscher Nachhaltigkeitskodex Link www.cr360.com/ de www.enablon.de www.thinkstep.com www.ecointense.de http: / / go.sap.com/ germany/ solution/ lob/ sustainability.html www.tofuture.eu www.wesustain.com <?page no="287"?> 12.2 Nachhaltige Investitionsentscheidung 287 Am bedeutsamsten ist die Messung der Daten sowie ihre Aufbereitung. Zwar werden die Meisten zu Beginn ihres Nachhaltigkeitsengagements erst einmal mit Excel starten, doch spätestens wenn mehrere Nutzer cloudbasiert gleichzeitig arbeiten und Daten „realtime“ verarbeitet werden sollen, entsteht der Bedarf für spezifische Software-Lösungen. Am Zweithäufigsten wurde „Controlling & Benchmarking“ genannt. Die erhobenen Daten sollen also zur Steuerung genutzt werden, wobei hierbei ein kennzahlenbasierter Abgleich im Zeitverlauf oder mit einem Benchmark, etwa in Form eines Branchendurchschnitts, durchgeführt werden kann. Einzelne Anbieter stellen Daten für Branchenvergleiche direkt zur Verfügung. Einfacher als ein externer Vergleich ist allerdings ein solcher mit verschiedenen Standorten desselben Unternehmens (vgl. Johnson, Schaltegger 2015, S. 11f.). Neben den Softwaretools für das Nachhaltigkeitsmanagement gibt es auch zahlreiche Angebote für Spezialanwendungen, wie etwa für die Erstellung einer Ökobilanz bzw. eines Life Cycle Assessments (z.B. GaBi, SimaPro, Umberto), für das Stoffstrommanagement (z.B. Umberto), für Nachhaltigkeitsanalysen bzw. Audits (z.B. N-Kompass) oder auch die Anbindung an Datenbanken zur Herstellung der Kostentransparenz (z.B. Trucost). In der Praxis bedeutsam sind zudem sogenannte EHS- Softwaresysteme (Environment, Health, Safety). Diese unterstützen das Umweltmanagementsystem, die rechtliche Compliance sowie Arbeits- und Anlagensicherheit. Ein Schwerpunkt liegt hierbei häufig in der Einhaltung von Rechtspflichten und der Sicherstellung notwendiger Genehmigungen. Es sind hier also eher formale, rechtliche und technische Sachverhalte abgebildet, die in Abteilungen wie Umweltschutz oder Arbeitssicherheit bedeutsam sind. In diesem Feld unterstützen die EHS-Tools aber auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung und damit die Steuerung. Beispiel: Ökobilanz/ LCA mit SimaPro „SimaPro ist die derzeit wahrscheinlich am meisten verkaufte Ökobilanz-Software weltweit mit Nutzern in über 60 Ländern. Darüber hinaus gibt es ein internationales Partnernetzwerk von LCA-Experten, die als lokale Ansprechpartner dienen... Umfangreiche Datenbanken..., ausführliche Analysemöglichkeiten, unterschiedlichste Ergebnisansichten und zahlreiche Wirkungsabschätzungsmethoden in einer einfach zu bedienenden Anwendung sind einige der Pluspunkte. Darüber hinaus ist es möglich, auf verschiedenen Ebenen Parameter zu definieren, die Abhängigkeiten veranschaulichen oder bei vorläufigen Daten eingesetzt werden können. Zudem können schnell und unkompliziert mehrere Versionen eines Lebenszyklusses erstellt werden (Szenarienanalyse). Auch auf externe Links in Excel-Tabellen kann zurückgegriffen werden. Weiterhin zeichnet sich SimaPro durch die Fähigkeit aus, große Systeme schnell berechnen zu können sowie Rückkopplungen (Loops) korrekt zu berechnen.“ (Quelle: www.simapro.de) <?page no="288"?> 288 13 IT-Werkzeuge für das Nachhaltigkeitscontrolling Beispiel: Ökobilanz/ LCA mit Umberto NXT LCA „Ökobilanzen und Environmental Product Declaration (EPD) mit professioneller Software: Schnell und komfortabel zur umfassenden Ökobilanzierung Umberto NXT LCA unterstützt Ökobilanzen und CO 2 -Fußabdrücke gemäß der entsprechenden ISO-Normen. Durch die graphische Modellierung erreichen Sie schnell eine übersichtliche Darstellung des Produktlebenszyklus. Auf dieser Grundlage erhalten Sie mit wenigen Klicks eine zuverlässige Berechnung der Umweltauswirkungen Ihres Produktes. Benutzungsfreundlichkeit der Software ist für uns selbstverständlich: Mit Funktionen wie dem einfachen Einfügen von Modellen durch Copy & Paste und der Undo/ Redo- Funktion erleichtern wir Ihnen die tägliche Arbeit bei der Erstellung von Ökobilanzen.“ (Quelle: www.umberto.de) Kapitel 13: Erkenntnisse Für ein professionelles Nachhaltigkeitscontrolling wird eine geeignete Softwareunterstützung benötigt. Sowohl für Spezialanwendungen als auch für eine ganzheitliche Nachhaltigkeitssteuerung existieren mittlerweile zahlreiche Softwareangebote, wobei die Transparenz über dieses Angebot noch eher gering ist. Mangels eines im Unternehmen ausgeprägten Nachhaltigkeitscontrollings sind sich Unternehmen oftmals unklar, welche konkreten Anforderungen sie haben und welches die beste Lösung hierfür ist. Bedeutsam ist die Softwareunterstützung für die Datenerhebung und die Aufbereitung, sowie für das Controlling und das Benchmarking. Bedarf besteht ebenfalls in der Strategieentwicklung und -umsetzung. Eine Nachhaltigkeitssoftware soll zudem die Erstellung eines an anerkannten Berichtsstandards ausgerichteten Nachhaltigkeitsberichts unterstützen. Eine Software, die sowohl ökonomische, ökologische als auch soziale Belange integriert und damit einem nachhaltigen Unternehmen eine Gesamtsteuerung ermöglicht, gibt es gegenwärtig noch nicht. Zu ökonomischen Tools bestehen allenfalls Schnittstellen. <?page no="289"?> 12.2 Nachhaltige Investitionsentscheidung 289 Kurzfassung: Nachhaltigkeitscontrolling umsetzen Erwartungen an die Unternehmen Jedes Unternehmen muss sich gegenüber seinen Stakeholdern die „License to operate“ verdienen. Hierfür muss das Unternehmen die Erwartungen seiner Stakeholder kennen und sich mit diesen austauschen (Stakeholderdialog). Es existieren zudem zahlreiche, beachtenswerte CSR-Standards, die teils inhaltliche Vorgaben machen und teils Prozesse zum Nachhaltigkeitsmanagement vorgeben. An diesen orientieren sich die meistenUnternehmen bei der praktischen Umsetzung der Nachhaltigkeit. Konzeption des Nachhaltigkeitscontrollings Nachhaltigkeitscontrolling ist keine gesonderte Controllingfunktion, sondern ein integrierter Bestandteil des Controllings, hier verstanden im Rollenbild des Business Partners. Die Steuerung der Nachhaltigkeit erfolgt grundsätzlich im Rahmen der bestehenden Controllingprozesse, wobei diese teilweise erweitert werden müssen. Ein Nachhaltigkeitscontrolling lässt sich nur eingeschränkt mechanisch steuern, da die Erweiterung der wirtschaftlichen Dimension um ökologische und soziale Aspekte zu einer erhöhten Komplexität führt. Hierauf ist bei der Wahl und bei der Anwendung der Methoden zu achten. Normatives Nachhaltigkeitsmanagement Ein Nachhaltigkeitsassessment schafft Transparenz über die Ausgangslage (wie nachhaltig ist das Unternehmen, welche Einstellungen und Erwartungen bestehen zur Nachhaltigkeit) und dient als Grundlage eines Stakeholderdialogs. Die Erwartungen des Managements und der Stakeholder prägen die Verankerung der Nachhaltigkeit <?page no="290"?> 290 13 IT-Werkzeuge für das Nachhaltigkeitscontrolling in den grundlegenden Werten und Zielen des Unternehmens. Die Nachhaltigkeit wird somit auch ein Bestandteil der Mission und der Vision. Strategisches Nachhaltigkeitscontrolling Enthält die Vision neben ökonomischen Zielvorstellungen auch ökologische und soziale Ziele, dann sind diese auch in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Die Strategie stellt hierbei den Weg zur Vision dar. Die strategisch relevanten Handlungsfelder der Nachhaltigkeit werden aus der Wesentlichkeitsanalyse gewonnen. Diese enthält die Erwartungen des Unternehmens und der Stakeholder. Für eine Nachhaltigkeitsstrategie lassen sich vier grundlegende Stoßrichtungen festmachen: Compliance, Konsistenz, Suffizienz und Effizienz. Dabei ist die Compliance nicht dem Controlling zuzuordnen. Die drei anderen Teilstrategien sind untereinander abzustimmen und auszugestalten. Diese empfehlen ein sehr unterschiedliches Vorgehen und sind teils konträr zueinander. In der Vergangenheit wurde überwiegend die Effizienzstrategie verfolgt. Zukünftig sollte vermehrt die Konsistenz- und Suffizienzstrategie betrachtet werden. Nachhaltigkeit messen Fundierte Informationen über die Nachhaltigkeit sind grundlegend für deren Bewertung, Planung und Steuerung. Es stehen eine Vielzahl an Methoden zur Verfügung, um die ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit zu messen. Insbesondere eine Messung in Geldeinheiten gilt oft als kritisch. Teils erfolgt die Messung in physikalischen Einheiten, teils mit Hilfe von Kriterienkatalogen und teils ist sie nur beschreibend. Kennzahlen lassen sich durch eine Sustainability Balanced Scorecard oder durch die Ermittlung des Sustainable Value systematisch zusammenführen. Operatives Nachhaltigkeitscontrolling Die Nachhaltigkeit ist in die operative Unternehmensplanung und in die Kennzahlensysteme zu integrieren, wobei diese hierfür aber erweitert werden müssen. Somit wird sie im Controlling gesteuert und ist in die Regelprozesse eingebunden. Aufgrund von komplexen, netzartigen Beziehungen zwischen den ökonomischen, ökologischen und sozialen Kennzahlen und Werttreibern sind die Methoden jedoch zu erweitern. Insbesondere eine systemisch basierte Modellierung und Simulation kann hierbei hilfreich sein. Nachhaltigkeitskommunikation Die GRI haben sich quasi als Standard für die Berichterstattung durchgesetzt. Zukünftig verlieren umfassende Kennzahlenkataloge allerdings an Bedeutung. Wichtig wird hingegen eine unternehmensindividuelle Bestimmung der wesentlichen Inhalte, die der Steuerung und der Berichterstattung dienen. Der Bericht ist nicht das Ende eines Regelkreises, sondern er gibt zugleich vor, welche Inhalte im Nachhaltigkeitscontrolling aufzunehmen sind. Es ist zu erwarten, dass das „Integrated Reporting“ zukünftig <?page no="291"?> 12.2 Nachhaltige Investitionsentscheidung 291 sehr bedeutsam sein wird. Dies ist weit mehr als ein verändertes Reporting, sondern dies erfordert ein „Integrated Thinking“, welches das zukünftige Nachhaltigkeitsmanagement wesentlich beeinflussen wird. Nachhaltiges Investitionscontrolling Investitionen prägen die zukünftige Entwicklung eines Unternehmens maßgeblich. Ohne ein nachhaltiges Investitionscontrolling kann sich ein Unternehmen daher auch nicht zu einem nachhaltigen Unternehmen entwickeln. Die Nachhaltigkeit lässt sich dabei auf verschiedene Arten in die Investitionsentscheidung einbinden. Die Entscheidungskriterien für eine Investition sind dabei aus den Nachhaltigkeitszielen des Unternehmens abzuleiten. IT-Werkzeuge für das Nachhaltigkeitscontrolling Eine professionelle Steuerung der Nachhaltigkeit erfordert eine entsprechende Softwareunterstützung. Es existieren Tools für einzelne Messkonzepte wie auch für eine ganzheitliche Steuerung der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit. <?page no="293"?> Glossar Im Folgenden werden wichtige Begriffe aus der betrieblichen Nachhaltigkeit erläutert, um bei der Vielzahl an Ansätzen und Konzepten eine Orientierung zu geben (einige Begriffe sind entnommen aus Ernst/ Sailer 2013, S. 353ff.). 3-Säulen-Modell Das 3-Säulen-Modell ist ein Leitbild der Nachhaltigkeit, das dieser drei inhaltliche Fundamente gibt: die Ökonomie, die Ökologie und die Gesellschaft. Bei der Umsetzung der Nachhaltigkeit sind stets diese drei Dimensionen zu beachten. Brundtland-Bericht Gro Harlem Brundtland leitete die UN Kommission „World Commission on Environment and Development“. Der Abschlussbericht aus dem Jahr 1987 enthält die gebräuchliche Nachhaltigkeitsdefinition: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, welche die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation befriedigt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“ Business Partner Business Partner ist ein modernes Rollenbild des Controllers, bei dem die umfassende Unterstützung des Managements betont wird. Dies geht über die Fokussierung auf die Daten des Rechnungswesens deutlich hinaus und beinhaltet ein proaktives Zugehen auf das Management. Er ist ein Berater des Managements mit einem fachlichen Fokus auf die Analytik und nimmt dabei eine ganzheitliche Perspektive ein. Compliance Im engeren Sinne: Unternehmen halten sich an Recht und Gesetz. Im weiteren Sinne: Unternehmen halten sich nicht nur an Gesetze, sondern erfüllen auch die gesellschaftlichen Erwartungen. Corporate Citizenship Über die eigentliche Geschäftstätigkeit hinausgehendes gesellschaftliches Engagement im lokalen Umfeld der Unternehmen, z.B. Sponsoring, Stiftungen, Spenden. Corporate Governance Eine gute und transparente Unternehmensführung, die sich in Deutschland zumeist am Corporate Governance Kodex orientiert. Dieser enthält Regelungen für eine <?page no="294"?> 294 Glossar transparente Unternehmensführung und -überwachung und soll damit das Vertrauen in die Unternehmensführung stärken. Corporate Social Responsibility (CSR) Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren. (CSR-Definition im Grünbuch der Europäischen Kommission) CSR-Standards Unter CSR-Standards sind öffentlich zugängliche Dokumente zu verstehen, die Leitideen, Handlungsfelder, Maßnahmen und Normen vorgeben, die in der Wissenschaft, in der Politik und in den Unternehmen als zweckmäßige Form zur Operationalisierung der Nachhaltigen Entwicklung angesehen werden. Deutscher Nachhaltigkeitskodex Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex soll die Nachhaltigkeitsleistungen von Unternehmen in einer Datenbank sichtbar machen, um diese mit einer höheren Verbindlichkeit transparent und vergleichbar zu machen. Effizienz (Öko-/ Sozioeffizienz) Ökologische und soziale Maßnahmen sollen möglichst wirtschaftlich durchgeführt werden. Global Reporting Initiative (GRI) Gemeinnützige Stiftung mit dem Ziel, Unternehmen bei der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten durch die Bereitstellung von Richtlinien zu unterstützen. Die GRI haben sich weltweit mittlerweile zu einem Quasi-Standard für Nachhaltigkeitsberichte entwickelt. Global Compact Aufruf der Vereinten Nationen im Jahre 1999 an die führenden Unternehmen, Minimalstandards im Bereich der Menschenrechte, des Umweltschutzes, der Arbeitsstandards und der Korruptionsbekämpfung zu etablieren. Integrated Reporting Der Geschäftsbericht und der Nachhaltigkeitsbericht sind integriert, wobei sich dies nicht nur auf die äußere Form bezieht, sondern auch auf die Inhalte, auf die vernetz- <?page no="295"?> Glossar 295 ten Beziehungen ökonomischer, ökologischer und sozialer Faktoren sowie auf die Steuerung und Erfolgsmessung. Ein Integrated Reporting erfordert ein Integrated Thinking. Konsistenz/ Effektivität Bestehende Bedürfnisse sollen mit insgesamt weniger Ressourcen, mit regenerativen Ressourcen oder ohne einen Ressourcenverlust erfüllt werden. Managementregeln der Nachhaltigkeit Diese konkretisieren das 3-Säulenmodell als Leitbild der Nachhaltigkeit und benennen konkrete Regeln für alle drei Dimensionen. Durch die Einhaltung dieser drei Handlungsprinzipien wird Nachhaltigkeit gesichert. Nachhaltige Entwicklung Nachhaltige Entwicklung und Nachhaltigkeit werden meist synonym verwendet. Ökonomischer Triple-Bottom-Line-Ansatz Die Relevanz der drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales wird anerkannt, aber ökologische uns soziale Maßnahmen werden nur dann ergriffen, wenn sie wirtschaftlich vertretbar sind. Reboundeffekt Maßnahmen führen direkt zu einer Verringerung der ökologischen oder sozialen Belastung, allerdings werden hierdurch weitere (Rückstoß-) Effekte verursacht, die indirekt wieder zu einer Zunahme der Belastung führen. Damit ist der Nettoeffekt kleiner als die unmittelbare Wirkung. Social Accounting Eine Rechenmethodik, um die negativen und positiven Auswirkungen des unternehmerischen Handelns auf Mitarbeiter, Geschäftspartner bzw. Stakeholder sowie die Gesellschaft zu erfassen und ihre Ursachen aufzudecken. Die Berichterstattung erfolgt regelmäßig und in einer nachvollziehbaren Systematik. Stakeholderdialog Stakeholderdialoge sind organisierte und strukturierte Gespräche zwischen Vertretern des Unternehmens und Vertretern von Anspruchsgruppen, die dem gegenseitigen Informationsaustausch dienen, insbesondere in Bezug auf die für die Anspruchsgruppen relevanten Themen. <?page no="296"?> 296 Glossar Suffizienz Eine suffiziente Wirtschafts- und Lebensweise bzw. Kultur ist durch weniger Konsum, weniger Produktion, einen geringeren Ressourcenbedarf und durch weniger negative Effekte auf die ökologische und soziale Umwelt geprägt. Sustainability Balanced Scorecard Instrument zur Umsetzung der Strategie und eine Erweiterung der Balanced Scorecard um den Aspekt der Nachhaltigkeit. Neben den Potenzialen, Prozessen, Kunden und Finanzen wird auch die Nachhaltigkeit in der Strategieumsetzung berücksichtigt. Triple-Bottom-Line-Ansatz Ökonomische, ökologische und soziale Anforderungen werden als gleichrangige Dimensionen angesehen. Nachhaltigkeit ist da gegeben, wo die drei Dimensionen im Kerngeschäft des Unternehmens eingehalten werden. Umwelt-/ Sozialinformationssystem Mit Hilfe eines Umweltbzw. Sozialinformationssystems werden die für das Unternehmen relevanten Umweltbzw. Sozialdaten systematisch erfasst, verarbeitet und bereitgestellt. Dies können sowohl physikalische als auch monetäre Daten sein. Die Datenverfügbarkeit und eine hohe Transparenz über die Auswirkungen des unternehmerischen Handelns auf Umwelt und Stakeholder ist eine wesentliche Grundlage für die Steuerung der Nachhaltigkeit. Umweltrechnungswesen Mit dem Umweltrechnungswesen wird das Ziel verfolgt, vom Unternehmen verursachte Umwelteinwirkungen nach Art und Umfang zu erfassen, ihre Entstehung und Einflussgrößen zu erkennen und sie den erstellten Produkten bzw. den erbrachten Dienstleistungen zuzuordnen. Wesentlichkeitsanalyse Aus einer unternehmensinternen Sicht und aus der Perspektive der Stakeholder werden die relevanten ökologischen, sozialen und ökonomischen Handlungsfelder herausgearbeitet. Diese werden zu den wesentlichen Handlungsfeldern im strategischen und operativen Nachhaltigkeitsmanagement. <?page no="297"?> Literaturverzeichnis Accenture/ United Nations Global Compact (2013): The UN Global Compact- Accenture CEO Study on Sustainability 2013, in: http: / / www.accenture.com/ SiteCollectionDocuments/ PDF/ Accenture-UN-Global-Compact-Acn-CEO- Study-Sustainability-2013. PDF, abgerufen: 26.10.14. Arnsfeld, T./ Peters, H.-G./ Wübben, G. 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A. Sailer „Wer die einzelnen Bausteine der Nachhaltigkeitssteuerung im Unternehmen und im Controlling verankern möchte, muss wissen, dass es sich um einen mehrstufigen Prozess handelt, der eine klare Zielrichtung, Geduld und Einsatz voraussetzt. Dieses Buch ist ein wichtiger Ratgeber und Helfer für eine erfolgreiche Implementierung der Nachhaltigkeit in die Unternehmenspraxis.“ Siegfried Gänßlen Ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Internationalen Controller Vereins Ehemals Vorstandsvorsitzender der Hansgrohe SE „Integrierte Konzepte der Nachhaltigkeitssteuerung kennzeichnen die Praxis noch selten. Eine systematische Koordination und Ausrichtung auf die Unternehmensstrategie wird immer häufiger eine Aufgabe des Controllings. Aktuell sind nur wenige Controller hierauf vorbereitet. Dieses Buch zeigt Wege auf, wie Nachhaltigkeitscontrolling praktisch funktionieren und organisiert sein kann und welche Aufgaben hierbei anfallen.“ Prof. Dr. Stefan Schaltegger Professor für Nachhaltigkeitsmanagement Leiter des Centre for Sustainability Management Leiter des MBA Sustainabililty Management Leuphana Universität Lüneburg Betriebswirtschaftslehre ,! 7ID8C5-cfddcf! ISBN 978-3-8252-5332-5 Dies ist ein utb-Band aus dem UVK Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehrbücher und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb-shop.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel 3. Auflage 53325 Sailer_XL_geb.indd 1 53325 Sailer_XL_geb.indd 1 03.12.19 15: 43 03.12.19 15: 43