eBooks

Diginomics verstehen

Ökonomie im Licht der Digitalisierung

0330
2020
978-3-8385-5339-9
978-3-8252-5339-4
UTB 
Thieß Petersen

Chancen und Risiken erkennen! Computer und Roboter sind auch aus der Ökonomie nicht mehr wegzudenken. Ihre Bedeutung wächst durch künstliche Intelligenz und Big Data rasant. Das wirkt sich auf ökonomische Entwicklungen aus, etwa auf die Preisbildung und die Produktivität. Mehr noch: Die Digitalisierung geht zudem mit Monopolisierungstendenzen, Arbeitsmarkt- und Verteilungseffekten einher. Darüber hinaus beeinflusst sie das Wirtschaftswachstum, die Inflation und die Finanzlage des Staates. Sie treibt die internationale Arbeitsteilung grundsätzlich voran, hat aber auch Effekte, die den Welthandel verringern. Der Autor geht auf diese mikro- und makroökonomischen Effekte ein und erläutert sie mit Hilfe ökonomischer Begrifflichkeiten auf verständliche Art und Weise. Chancen und Risiken werden ebenso behandelt wie die Notwendigkeit einer gesellschaftspolitischen Gestaltung der Digitalisierung.

<?page no="0"?> ,! 7ID8C5-cfddje! ISBN 978-3-8252-5339-4 Thieß Petersen Diginomics verstehen Ökonomie im Licht der Digitalisierung Chancen und Risiken erkennen! Computer und Roboter sind auch aus der Ökonomie nicht mehr wegzudenken. Ihre Bedeutung wächst durch künstliche Intelligenz und Big Data rasant. Das wirkt sich auf ökonomische Entwicklungen aus, etwa auf die Preisbildung und die Produktivität. Mehr noch: Die Digitalisierung geht zudem mit Monopolisierungstendenzen, Arbeitsmarkt- und Verteilungseffekten einher. Darüber hinaus beeinflusst sie das Wirtschaftswachstum, die Inflation und die Finanzlage des Staates. Sie treibt die internationale Arbeitsteilung grundsätzlich voran, hat aber auch Effekte, die den Welthandel verringern. Der Autor geht auf diese mikro- und makroökonomischen Effekte ein und erläutert sie mit Hilfe ökonomischer Begrifflichkeiten auf verständliche Art und Weise. Chancen und Risiken werden ebenso behandelt wie die Notwendigkeit einer gesellschaftspolitischen Gestaltung der Digitalisierung. Wirtschaftswissenschaften Informatik Diginomics verstehen Petersen Dies ist ein utb-Band aus dem UVK Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehrbücher und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb-shop.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel 53394 Petersen_M-5339.indd 1 53394 Petersen_M-5339.indd 1 06.03.20 14: 03 06.03.20 14: 03 <?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn Narr Francke Attempto Verlag / expert Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Ernst Reinhardt Verlag · München Ferdinand Schöningh · Paderborn transcript Verlag · Bielefeld Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlag · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld utb 5339 <?page no="3"?> Thieß Petersen Diginomics verstehen Ökonomie im Licht der Digitalisierung UVK Verlag ∙ München <?page no="4"?> Dr. Thieß Petersen ist Senior Advisor der Bertelsmann Stiftung im Projekt „Global Economic Dynamics“ und lehrt zudem an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlag 2020 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Lektorat: Rainer Berger, München Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: © style-photography · iStock Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck UVK Verlag Nymphenburger Straße 48 · 80335 München Tel. 089/ 452174-65 www.uvk.de Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Dischingerweg 5 · 72070 Tübingen Tel. 07071/ 9797-0 www.narr.de UTB-Nr. 5339 ISBN 978-3-8252-5339-4 <?page no="5"?> Liebe Leserinnen und Leser! Die voranschreitende Digitalisierung ergreift immer mehr Bereiche unseres Lebens. Nicht nur in Produktionshallen und Büros des verarbeitenden Gewerbes übernehmen Computer, Roboter, Maschinen und künstliche Intelligenz immer mehr Arbeitsschritte. Digitale Technologien finden sich auch in der Bildung, dem Gesundheitswesen, der öffentlichen Verwaltung und Justiz bis hin zu unseren Freizeit- und Kommunikationsaktivitäten. Digitalisierungstechnologien haben damit weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft. Ziel dieses Buchs ist es, zentrale volkswirtschaftliche Effekte der Digitalisierung zu skizzieren. Konkret geht es um die Auswirkungen auf makroökonomische Größen wie Produktionskosten und Preise, Produktion und Beschäftigung, Produktivität und wirtschaftliches Wachstum, die gesamtwirtschaftliche Einkommensverteilung, die öffentlichen Finanzen und den internationalen Handel. Dies alles umfasst lediglich einen Ausschnitt der wirtschaftlichen Dimensionen der Digitalisierung. Betriebliche Aspekte, also z. B. die Auswirkungen auf die Gestaltung von Arbeitsplätzen und betrieblichen Organisationsprozessen - um nur einige zu nennen - werden hier nicht behandelt. Der Text ist wie folgt strukturiert: Nach einer Klärung der zentralen Begriffe inklusive der Besonderheiten digitaler Güter (→ Abschnitt 1) werden im → 2. Abschnitt die wichtigsten Treiber der voranschreitenden Digitalisierung und die damit verbundenen Wechselwirkungen beschrieben. Der → 3. Abschnitt widmet sich den Besonderheiten, die die Märkte der Digitalökonomie ausmachen. Beispiele hierfür sind eine besondere Kostenstruktur (z. B. gegen null tendierende Grenzkosten der Produktion), Kosten des Wechsels eines Anbieters und Informationsasymmetrien, die den Anbietern eine Preispolitik mit individualisierten Preisen erlauben. Der → 4. Abschnitt beschäftigt sich mit der Frage, warum digitale Technologien eigentlich erhebliche Produktivitätssteigerungen hervorrufen sollten, aber die offiziellen Statistiken diese Produktivitäts- <?page no="6"?> 6 Liebe Leserinnen und Leser! zuwächse nicht oder nur unzureichend ausweisen (das so genannte Produktivitätsparadoxon). Der → 5. Abschnitt vertieft die effizienzsteigernden Effekte der Digitalisierung und beschreibt, welche wirtschaftlichen Vorteile die Konsumenten aus dem Zusammenspiel von Big Data und künstlicher Intelligenz ziehen können - preislich, quantitativ und qualitativ. Im → 6. Abschnitt wird jedoch dargestellt, dass diese positiven Effekte für die Verbraucher nicht automatisch vollständig realisiert werden können, weil die Digitalökonomie in bestimmten Bereichen eine Tendenz zur Monopolbildung hat. Die damit verbundene Marktmacht erlaubt dem Monopolisten einen höheren Gewinn, den die Verbraucher mit einem höheren Marktpreis bezahlen. Ein für die Menschen besonders wichtiger Aspekt betrifft die Frage, ob Digitalisierung, Computerisierung und Roboterisierung den Menschen perspektivisch die Arbeitsplätze wegnehmen. Sowohl theoretisch als auch empirisch lässt sich diese Frage nicht eindeutig beantworten: → Abschnitt 7 verdeutlicht, dass die voranschreitende Digitalisierung per Saldo sowohl beschäftigungserhöhende als auch -senkende Effekte haben kann. Eng verbunden mit den Arbeitsmarkteffekten der Digitalisierung sind deren Auswirkungen auf die Einkommensverteilung (→ Abschnitt 8). Grundsätzlich ist zu erwarten, dass zumindest in entwickelten Volkswirtschaften wie Deutschland digitalisierungsbedingt die Einkommensanteile für den Produktionsfaktor Arbeit zurückgehen, während Kapital- und Technologieeigentümer mit wachsenden Einkommensanteilen rechnen können. Im → 9. Abschnitt wird gezeigt, dass die Digitalisierung zwar grundsätzlich die den Verbrauchern zur Verfügung stehende Menge an Gütern und Dienstleistungen erhöht und somit zu einem Wirtschaftswachstum führt. Gleichzeitig aber wird auch deutlich, dass nicht alle mengenmäßigen Erhöhungen bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts erfasst werden. Bei der Diskussion der Auswirkung der Digitalisierung auf die öffentlichen Finanzen in → Abschnitt 10 zeigt sich, dass es sowohl digitalisierungsbedingte Steigerungen als auch Reduzierungen der staatlichen Ausgaben und Einnahmen gibt. → Abschnitt 11 beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Inflationsrate. Digitale Technolo- <?page no="7"?> Liebe Leserinnen und Leser! 7 gien haben sowohl inflationsdämpfende als auch inflationserhöhende Effekte. Per Saldo überwiegen dabei die preisniveausenkenden Auswirkungen. Der → 12. Abschnitt untersucht die Konsequenzen der Digitalisierung für die internationale Arbeitsteilung. Hier geht es u. a. um Fragen der internationalen Standortverlagerung, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit und den Strukturwandel sowie um die Frage, inwieweit die voranschreitende Digitalisierung den weltweiten Wohlstand neu verteilt. Abschließend wird diskutiert, welche Rolle eine stärkere Industriepolitik bei der Gestaltung des digitalen Wandels in Deutschland und Europa spielen kann (→ Abschnitt 13). Die Ausführungen sind bewusst knappgehalten, um den Umfang des Textes auf ein überschaubares Maß zu beschränken. Nahezu jeder Abschnitt könnte bei einer weiteren Ausdifferenzierung und der Berücksichtigung der rasant wachsenden Literatur zu den ökonomischen Aspekten der Digitalisierung ganze Bücher füllen. Der Text ist konzipiert als Einführung in ein relativ neues Thema, welches das Zusammenspiel aus digitalen Technologien und volkswirtschaftlichen Entwicklungen untersucht. Das erklärt auch den Titel dieses Buches: Diginomics ist die Kurzform für „Digital Economics“. Thematisch geht es bei diesem Begriff um die Auswirkungen der Digitalisierung auf wirtschaftliche Entwicklungen, insbesondere auf makroökonomische Größen. Im Mittelpunkt stehen dabei Märkte, vor allem Gütermärkte und der Arbeitsmarkt. Bei allen Erläuterungen muss stets betont werden, dass die Entwicklung der Digitalisierung keinen Naturgesetzen folgt. Weder das konkrete Ausmaß der zukünftigen Digitalisierung noch die damit verbundenen gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen lassen sich mit Gewissheit vorhersagen. Zu viele Einflussfaktoren spielen eine Rolle. Immerhin sind aber potenzielle Entwicklungslinien skizzierbar. Die hier präsentierten gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung stellen die Konsequenzen dar, die sich ergeben könnten, wenn die gängigen volkswirtschaftlichen Erklärungsmuster auf digitale Technologien angewendet werden. Ob jedoch das, was technologisch möglich und den ökonomischen Entscheidungslogiken folgend erwartbar ist, auch tatsächlich eintrifft, hängt letztendlich von <?page no="8"?> 8 Liebe Leserinnen und Leser! gesellschaftspolitischen Entscheidungen ab. Vor allem bei den makroökonomischen Effekten, die für die überwiegende Mehrheit der Menschen nachteilige Auswirkungen haben, ist ein gesellschaftspolitisches Gegensteuern zu erwarten. Aber auch bei Konsequenzen, die für die Volkswirtschaft als Ganzes positiv sind, kann es eine kleine Gruppe von Menschen geben, für die diese Entwicklung Einkommensverluste nach sich ziehen. Sie haben daher einen großen Anreiz, gesellschaftspolitische Entscheidungen herbeizuführen, die technologisch mögliche, aber für sie mit ungünstigen Konsequenzen verbundene Entwicklungen verhindern. Was eine Gesellschaft aus den Chancen und Risiken der Digitalisierung macht, hängt daher maßgeblich von den politischen Rahmenbedingungen ab, für die sich die Gesellschaft als Ganzes entscheidet. Im Ergebnis bietet dieses Buch damit einen groben Überblick über einen Korridor von makroökonomischen Konsequenzen, die auf Basis der wichtigsten Wirkungslogiken der Volkswirtschaftslehre wahrscheinlich sind. Dabei stehen drei Fragen im Mittelpunkt der Analyse: Welche Besonderheiten zeichnen die Märkte für digitale Güter aus? Welche ökonomischen Chancen bietet die Digitalisierung den Bürgern? Welche wirtschaftlichen Risiken gilt es zu beachten? Gütersloh, Februar 2020 Thieß Petersen <?page no="9"?> Inhalt Liebe Leserinnen und Leser! ....................................................................5 - 1 Begriffliche Klärungen .................................................................13 - 2 Treiber der Digitalisierung .........................................................23 - 2.1 - Gewinnmaximierung und Zwang zur Kostenminimierung ..............................................................23 - 2.2 - Globalisierungsbedingter Wettbewerbsdruck.......................25 - 2.3 - Staatliche Rahmensetzung .........................................................28 - - - Gewonnene Erkenntnisse ..........................................................31 - 3 Digitalisierung und Preisbildung...............................................33 - 3.1 - Nachfragekurve bei Netzwerkgütern ......................................33 - 3.2 - Abbau von Informationsasymmetrien ....................................38 - 3.3 - Manipulationsgefahren auf Bewertungsportalen.................42 - 3.4 - Aufbau neuer Informationsasymmetrien ...............................46 - 3.5 - Angebotskurve bei Null-Grenzkosten.....................................50 - 3.6 - Kundenbindung durch Umstellungs- und Wechselkosten ......................................................................52 - 3.7 - Preisdifferenzierung.....................................................................56 - 3.8 - Abbau von Marktmacht ..............................................................63 - 3.9 - Sind Daten und Kryptowährungen das neue Geld? ............64 -  Gewonnene Erkenntnisse ..........................................................67 - 4 Digitalisierung und das Produktivitätsparadoxon ................69 - 4.1 - Generelle Kostensenkung durch Digitalisierung .................69 - 4.2 - Das Produktivitätsparadoxon....................................................72 -  Gewonnene Erkenntnisse ..........................................................76 - <?page no="10"?> 10 Inhalt 5 Auswirkungen von Big Data und KI für Verbraucher...........77 - 5.1 - Optimierung von Geschäftsprozessen ....................................77 - 5.2 - Reduzierung der Transaktionskosten bestehender Produkte..................................................................79 - 5.3 - Optimierung bestehender Produkte ........................................81 - 5.4 - Entwicklung neuer Produkte.....................................................83 -  Gewonnene Erkenntnisse ..........................................................92 - 6 Monopolisierungstendenzen der Digitalisierung ..................95 - 6.1 - Ursachen der digitalisierungsbedingten Monopolbildung ...........................................................................95 - 6.2 - Nachteile digitaler Monopole ....................................................98 - 6.3 - Wettbewerbspolitische Herausforderungen....................... 102 - 6.4 - Kartellbildung durch algorithmische Preisbildung ........... 104 -  Gewonnene Erkenntnisse ....................................................... 106 - 7 Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung .............................. 109 - 7.1 - Freisetzungseffekte der Digitalisierung ............................... 109 - 7.2 - Kompensationseffekte der Digitalisierung.......................... 111 - 7.3 - Freisetzung und Kompensation in der Theorie ................. 112 - 7.4 - Freisetzung oder Kompensation: Was sagt die Empirie? .............................................................. 116 - 7.5 - Freisetzung oder Kompensation: Was prognostizieren Simulationsrechnungen? ................. 119 - 7.6 - Qualitative Beschäftigungseffekte der Digitalisierung .... 126 -  Gewonnene Erkenntnisse ....................................................... 130 - 8 Verteilungseffekte der Digitalisierung ................................. 133 - 8.1 - Strukturwandel und Einkommensverteilung ..................... 136 - 8.2 - Digitaler technologischer Fortschritt und Einkommensverteilung.................................................... 138 - 8.3 - Monopolbildung und Einkommensverteilung ................... 146 -  Gewonnene Erkenntnisse ....................................................... 147 - <?page no="11"?> Inhalt 11 9 Digitalisierung und Wirtschaftswachstum .......................... 149 - 9.1 - Investitionsbedarf, technologischer Fortschritt und Wachstum ...................................................... 150 - 9.2 - Entwicklung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit .............................................................. 154 - 9.3 - Sharing Economy und Wachstum......................................... 157 - 9.4 - Prosumtion und Wachstum .................................................... 160 - 9.5 - Wert der Daten .......................................................................... 163 - 9.6 - Zeitwohlstand und Wachstum............................................... 165 -  Gewonnene Erkenntnisse ....................................................... 167 - 10 Digitalisierung und Staatsfinanzen ....................................... 169 - 10.1 - Digitalisierung und Staatsausgaben ..................................... 169 - 10.2 - Digitalisierung und Staatseinnahmen .................................. 172 - 10.3 - Digitalisierung und Staatsverschuldung.............................. 175 - 10.4 - Digitalisierung und Steuerverlagerung................................ 176 -  Gewonnene Erkenntnisse ....................................................... 182 - 11 Digitalisierung und Inflation.................................................... 185 - 11.1 - Inflationsdämpfende Effekte................................................... 185 - 11.2 - Inflationserhöhende Effekte ................................................... 190 -  Gewonnene Erkenntnisse ....................................................... 191 - 12 Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung ............. 193 - 12.1 - Bisherige Auswirkungen auf die internationale Arbeitsteilung .......................................... 193 - 12.2 - Handelsinduzierter technologischer Fortschritt ................ 198 - 12.3 - Zukünftige Auswirkungen auf die internationale Arbeitsteilung ................................................. 199 - 12.4 - Wettbewerbsfähigkeit und internationale Arbeitsteilung............................................................................. 208 - 12.5 - Digitalisierung und Wechselkurs .......................................... 210 - 12.6 - Digitalisierung, Globalisierung und Strukturwandel ....... 214 - <?page no="12"?> 12 Inhalt 12.7 - Die Rolle der 3D-Druck-Technologie ................................... 217 - 12.8 - Neuverteilung des globalen Wohlstands durch Digitalisierung................................................................ 222 -  Gewonnene Erkenntnisse ....................................................... 225 - 13 Digitalisierung und Industriepolitik....................................... 227 - 13.1 - Ordnungspolitik versus Prozesspolitik ................................ 227 - 13.2 Digitale Industriepolitik der USA und in China ................ 229 - 13.3 - Marktversagen als Begründung für staatliche Industriepolitik........................................................ 233 - 13.4 - Der Unternehmerstaat ............................................................. 237 - 13.5 - Wie viel Open Data ist ökonomisch sinnvoll? ................... 239 -  Gewonnene Erkenntnisse ....................................................... 244 - 14 Fazit und Ausblick...................................................................... 245 - Literatur ........................................................................................................ 251 - Index .............................................................................................................. 269 - <?page no="13"?> 1 Begriffliche Klärungen Das Konzept der Digitalisierung kann sowohl eng - d. h. rein technisch - verstanden werden als auch breit und damit in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext. Rein technisch gesehen wird unter der Digitalisierung die Umwandlung von Informationen wie Ton, Bild oder Text in Zahlenwerte bzw. Bits und Bytes verstanden, um diese Informationen elektronisch zu speichern, zu bearbeiten und zu übertragen. Im gesellschaftspolitischen Kontext wird die Digitalisierung jedoch umfassender verstanden. Dort beschreibt sie im Wesentlichen die weltweite Ausbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien (im Folgenden: IKT), also den verstärkten Einsatz dieser Technologien in allen Bereichen des menschlichen Daseins. Der IKT-Einsatz betrifft nicht nur die ökonomischen Produktionsprozesse, sondern auch den Konsum (Online-Shopping), die Bildung (E-Learning), die politische Teilhabe und E-Governance, die elektronische Übermittlung von Steuererklärungen, das Verkehrswesen (Fahrkartenautomaten und E-Tickets), das Gesundheitswesen (telemedizinische Verfahren) und vieles mehr bis hin zum Freizeit- und Kommunikationsverhalten der Menschen (soziale Medien, wie z. B. Facebook). Ein wesentliches Element der Digitalökonomie sind digitale Güter. Dazu zählen nach Ansicht von Meisner Software (inklusive Unterhaltungssoftware), der so genannte Content (Musik, Filme, Informationsgüter, Bildungsgüter), die Übertragungstechniken im Kommunikationsmarkt (E-Mail, Internet, Datentransfer) und alle mit diesen Produkten verbundenen Beratungs- und Servicedienstleistungen (vgl. Meisner 2017: 9). Konkrete Beispiele sind digitale Bilder, Videos, E-Books, Anwendungssoftware, Informationsdienstleistungen, Musikdateien und Online-Dienstleistungen wie z. B. der gesamte Online-Handel (vgl. Urbach 2017). In diesem Kontext wird auch der Begriff Informationsgut verwendet. Dabei handelt es sich in einem weiten Verständnis um alles, „was sich digitalisieren lässt“, also z. B. „Fußballergebnisse, Bücher, Datenbanken, Filme, Musik, Aktienkurse und Webseiten“ (Linde 2008: 6). <?page no="14"?> 14 Diginomics verstehen Bei einer etwas weitergehenden Differenzierung lassen sich bei den digitalen Gütern noch verschiedene Digitalisierungsgrade feststellen, wobei sich die Digitalisierung auf drei Dimensionen bezieht: die Herstellung des Produkts, die Distribution des Produkts und schließlich die Anwendung (vgl. Richard, Hartmann und Boller 2016: 18):  Vollständig digitale Güter: Ein Beispiel für ein vollständig digitales Gut ist ein Anwendungsprogramm, das von den Nutzern von einem Softwareanbieter über einen Download bezogen werden kann. Die Software wird digital produziert, vertrieben und genutzt. Auch über das Internet transferierte Daten, digitale Bilder und Videos gehören in diese Kategorie.  Semidigitale Güter: Bei dieser Güterart wird das digitale Gut durch eine nichtdigitale Zusatzleistung - z. B. durch eine Dienstleistung in Form einer Beratung - ergänzt. Das Gut hat also sowohl digitale als auch physische Bestandteile, der Digitalcharakter steht jedoch im Vordergrund. Auch die Kombination aus dem Erwerb einer Anwendungssoftware und einer dazugehörigen kurzen Schulung, bei der die Software der Hauptbestandteil des Leistungspakets darstellt, ist ein semidigitales Gut.  Semiphysische Güter: Bei einem semiphysischen Gut steht der physische Charakter im Vordergrund. Ein Beispiel hierfür ist der physische Versand eines Produkts von einem E-Commerce- Anbieter an einen Kunden. Wegen des damit verbundenen digitalen Informationsflusses gehört diese wirtschaftliche Aktivität zur Digitalökonomie, auch wenn der überwiegende Teil dieser Transaktion aus dem postalischen Versand eines physischen Produkts besteht. Immaterielle Güter spielen ebenfalls eine wichtige Rolle für die Digitalökonomie. Hierbei handelt es sich um Dienstleistungen und Rechte. Dienstleistungen und Rechte (z. B. Patente, Urheberrechte, Lizenzen etc.) sind keine originären Phänomene der Digitalökonomie. Immaterielle Güter bzw. Werte gewinnen jedoch aus mindestens zwei Gründen im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung zunehmend an Bedeutung. Zum einen können viele digitale Güter ohne große Kosten vervielfältig werden. Dann ist es besonders wichtig sicherzustellen, dass der Eigentümer dieses Produkts seine Eigen- <?page no="15"?> Begriffliche Klärungen 15 tumsrechte geltend machen kann, und dass er das ihm dafür ggf. zustehende Geld erhält. Zum anderen werden in der Digitalökonomie auch immaterielle Investitionen immer wichtiger. Beispiele für derartige Investitionen sind die Ausgaben, die Unternehmen tätigen, um Ideen und Wissen zu produzieren, Software zu entwickeln, Marken zu etablieren sowie Netzwerke aufzubauen und zu pflegen (vgl. Haskel und Westlake 2018: 15). Die Durchsetzung von Eigentumsrechten ist bei immateriellen Werten schwieriger als bei materiellen Werten: Der Eigentümer eines Fernsehers stellt diesen in seine Wohnung und kann damit alle anderen Menschen von der Nutzung des Geräts ausschließen. Dem Entwickler eines Computerspiels fällt dies wesentlich schwerer. Wenn eine nahezu kostenlose Kopie eines immateriellen Produkts möglich ist, gefährdet dies die Eigentums- und Verwertungsrechte des Urhebers: In diesem Fall ist die Anfertigung von Raubkopien kostenlos und sie kann vom ursprünglichen Eigentümer auch kaum verfolgt bzw. nachgewiesen werden (vgl. Linde 2008: 8, 84). Besonders groß ist diese Gefahr bei der Nutzung personenbezogener Daten: Der einzelne Bürger kann letztendlich nicht nachvollziehen, ob z. B. ein Plattformbetreiber seine persönlichen Daten gegen seinen Willen an andere weitergibt (vgl. Dewenter 2018: 10). Ein eng mit der Digitalökonomie verbundenes neues Konsumkonzept ist die Share Economy bzw. die Sharing Economy. Hierbei werden Konsumgüter mithilfe einer digitalen Vernetzung von mehreren Nutzern geteilt. Beispiele sind Fahrdienste wie Uber, Carsharing-Netzwerke, Übernachtungsangebote wie Airbnb und Verleihplattformen (vgl. Berenberg und HWWI 2015: 13). Die Share Economy hängt daher eng zusammen mit dem Begriff der Plattformökonomie. Bei digitalen Plattformmärkten handelt es sich um Plattformen, die zwei oder mehr Gruppen von Marktakteuren miteinander verbinden und Markttransaktionen ermöglichen, die ohne diese Plattform nur zu erheblich höheren Transaktionskosten möglich wären (vgl. Engelhardt, Wangler und Wischmann 2017: 11). Das damit verbundene Konsumkonzept wird als Collaborative Consumption bzw. gemeinschaftlicher Konsum bezeichnet (vgl. Fücks 2016: 316). <?page no="16"?> 16 Diginomics verstehen Ein weiteres wesentliches Element, das mit der voranschreitenden Digitalisierung verbunden sind, ist der Einsatz von Big Data und die damit verbundenen Datenanalyseverfahren:  Daten sind in dem hier interessierenden Kontext vor allem Informationen über Internetnutzer und deren Verhalten. Neben personenbezogenen Daten gibt es auch nicht personenbezogene Daten. Zu ihnen gehören beispielsweise Positions- und Bewegungsdaten von Fahrzeugen (vgl. Dewenter und Lüth 2016: 648; Podszun 2019: 28). Daten sind dabei reine Fakten, d. h., sie werden nicht in irgendeinen Kontext gestellt und auch nicht interpretiert. Erst durch die Einbindung in andere Kontexte werden aus Daten Informationen (vgl. Kuzev 2016: 22).  Der Terminus Big Data lässt sich nicht bloß als eine große Datenmenge verstehen. Es handelt sich bei Big Data um eine Datenmenge, die sich durch drei zentrale Eigenschaften auszeichnet: Es geht erstens um eine besonders große Datenmenge (Volume), die zweitens aus unterschiedlichen, nicht standardisierten Daten besteht (Variety) - also viele Datenquellen hat und aus unterschiedlichen Arten von Daten (Text, Video, Audio) besteht - und die drittens so schnell analysiert wird (Velocity), das herkömmliche Datenbank-Softwaretools diese Analysen nicht durchführen können (vgl. Wambach 2018: 6). Die Grenze zwischen traditionellen Daten bzw. einer herkömmlichen Datenverarbeitung und Big Data sind dabei fließend (vgl. Wagner und Zentner 2019: 60).  Ein weiterer Begriff, der im Kontext von Big Data auftaucht, ist der Terminus Open Data. Hierbei handelt es sich um offene Daten, die von jedem frei benutzt, verwendet und geteilt werden können. Die einzige Einschränkung besteht darin, dass eine Nennung des Urhebers der Daten notwendig ist (vgl. Kuzev 2016: 22, Bitkom 2017: 24). Die Abgrenzung zu Big Data besteht darin, dass es sich bei Big Data nicht immer um offene Daten handelt (vgl. Kuzev 2016: 23). Open Data ist so gesehen eine Teilmenge von Big Data (vgl. Ksoll, Schildhauer und Beck 2017: 10). Aus ökonomischer Sicht haben große Datenmengen vor allem dann einen Wert, wenn der Eigentümer über den Zugriff auf diese Daten entscheidet und diejenigen, die für die Nutzung keine Gegenleistung <?page no="17"?> Begriffliche Klärungen 17 zahlen wollen (sei es in Form von Geld oder eigenen Daten), von einer Nutzung ausschließen kann. Sind die Daten erst einmal offen verfügbar, sinkt der rein ökonomische Wert für den ursprünglichen Eigentümer erheblich. Das Konzept von Big Data ist eng verbunden mit dem Konzept der künstlichen Intelligenz. Der Begriff künstliche Intelligenz (im Folgenden: KI) bezeichnet die Fähigkeit von Computern und Maschinen, kognitive Tätigkeiten - z. B. Probleme zu lösen, Entscheidungen zu treffen und zu lernen - selbstständig durchführen zu können (vgl. Vöpel 2018: 828). Dabei kann zwischen zwei Arten der KI unterschieden werden: [1] Schwache künstliche Intelligenz ist die Fähigkeit, klar definierte und strukturierte Prozesse durch KI zu steuern. [2] Starke künstliche Intelligenz bezeichnet hingegen eine KI mit der Fähigkeit, selbstständig zu lernen, und so die kognitiven Fähigkeiten eigenständig weiterzuentwickeln. Starke KI geht also einher mit dem Begriff des maschinellen Lernens. Dies bedeutet, dass Computer in der Lage sind, aus Daten und Erfahrungen zu lernen. Die Folge ist, dass IT-Experten nicht mehr das gesamte Verhalten von IT-Systemen programmieren müssen. Computer bauen stattdessen ein Modell ihrer Welt auf und können damit die ihnen zugedachten Aufgaben besser lösen (vgl. BaFin 2018: 24-26). Eine weiterentwickelte Form maschineller Lernverfahren ist das Deep Learning, das auf einer Nachahmung des menschlichen Gehirns durch künstliche neuronale Netze basiert (vgl. Scherk, Pöchhacker-Tröscher und Wagner 2017: 5, 16-18). Wichtig ist in diesem Kontext der Hinweis darauf, dass Big Data und KI letztendlich eine Einheit bilden (vgl. Vöpel 2018: 828, BaFin 2018: 18, → Abb. 1): Auf der einen Seite können große Mengen von nicht standardisierten Daten ohne KI gar nicht mehr verarbeitet bzw. analysiert werden. Big Data ist so gesehen ohne KI wertlos. Auf der anderen Seite ist KI ohne einen zu bearbeitenden Datensatz nutzlos. Für kleine Datensätze, die lediglich aus Zahlen in einer Excel-Tabelle bestehen, lohnt sich der Einsatz von KI - d. h. die damit verbundene Hard- und Software - nicht. <?page no="18"?> 18 Diginomics verstehen 1 | Stilisierter Zusammenhang zwischen Big Data und künstlicher Intelligenz (KI) »Big Data und künstliche Intelligenz (KI) bilden eine Einheit. Künstliche Intelligenz ist die Voraussetzung dafür, dass große Mengen nicht standardisierter Daten sinnvoll ausgewertet werden können. Gleichzeitig ist künstliche Intelligenz ohne analysierbare Daten mehr oder weniger wertlos, weil es dann keine Anwendungsgebiete für künstliche Intelligenz gibt.« Damit Big Data und KI wirtschaftlichen Nutzen generieren können, sind mindestens drei entscheidende Voraussetzungen zu erfüllen: [1] Ausgangspunkt ist eine große Datenmenge in einer angemessenen Datenqualität. Zu den wichtigsten Qualitätskriterien gehören Vollständigkeit, Konsistenz und Aktualität der Daten (vgl. BaFin 2018: 54). [2] Für die Analyse dieser Daten braucht es das Know-how über die Verarbeitung der Datenmengen, also vor allem Software (vgl. Dewenter 2018: 10). Das impliziert das Vorhandensein von entsprechend qualifizierten Arbeitskräften, die die dafür erforderlichen Tätigkeiten durchführen können. Big Data braucht KI, denn ohne KI ist Big Data nicht nutzbar KI braucht Big Data, denn ohne Big Data ist KI nutzlos Big Data  große Datenmenge  unterschiedliche, nicht standardisierte Daten (Text, Video, Audio etc.)  herkömmliche Datenbank- Softwaretools können Daten nicht mehr schnell genug analysieren KI Fähigkeit von Computern und Maschinen, kognitive Tätigkeiten selbstständig durchzuführen (Problemlösung, Treffen von Entscheidungen, Lernen etc.) <?page no="19"?> Begriffliche Klärungen 19 [3] Zum anderen muss für eine Auswertung und Analyse der Daten eine qualitativ hochwertige Dateninfrastruktur (Hardware) vorliegen (vgl. Kuzev 2016: 34). Zu den wichtigsten technologischen Voraussetzungen gehören dabei Übertragungstechnologien und physische Geräte, Prozessor- und Speichertechnologien, Steuerungstechnologien und die bereits erwähnten Informationsplattformen (vgl. Vogler-Ludwig 2017: 863). Entscheidend für die Auswertung großer digitaler Datenmengen sind vor allem hohe Speicherkapazitäten und Verarbeitungsgeschwindigkeiten (vgl. Wagner und Zentner 2019: 59f.). Die wirtschaftliche Nutzung bzw. Verwertung von Daten wird als Datenökonomie bezeichnet. Dieser Begriff umfasst die Generierung, Sammlung, Speicherung, Verarbeitung und Analyse von Daten bis hin zur Nutzung dieser Datenmengen für wirtschaftliche Zwecke. Dazu gehören u. a. die Optimierung von betrieblichen Prozessen, eine bessere Anpassung betrieblicher Leistungen an die Kundenwünsche sowie die Entwicklung neuer Produkte und Geschäftsmodelle (vgl. Spiekermann 2019: 16). Ein weiterer zentraler Begriff der Digitalökonomie betrifft Roboter. Sie werden definiert als Maschinen, die sensorische und motorische Leistungen erbringen. Sie bestehen aus mechanischen sowie elektronischen Komponenten und verfügen über Sensoren sowie rechnerbasierte Kontroll- und Steuerungsfunktionen. Damit unterstützen und erweitern Roboter die menschlichen Handlungsspielräume bzw. Handlungsfähigkeiten. Roboter lassen sich dabei grob unterteilen in Industrieroboter (sie werden in der industriellen Produktion eingesetzt, um die Produktivität zu steigern und Menschen von körperlich anstrengenden oder gefährlichen Tätigkeiten zu entlasten) und Serviceroboter. Beispiele für letztere sind Reinigungsroboter, Hotel- oder Bibliotheksroboter sowie Haushalts-, Transport- und Überwachungsroboter (vgl. Müller 2014: 595-597). Ein letzter wichtiger Aspekt der wirtschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung betrifft die Besonderheiten, die digitale Güter und Plattformmärkte gegenüber anderen Gütern haben. Zu den wichtigsten gehören fünf Eigenschaften (vgl. dazu Kuzev 2016: 31, Dewenter <?page no="20"?> 20 Diginomics verstehen und Lüth 2016: 649f., Vogler-Ludwig 2017: 863f., Vöpel 2018: 829, Petersen 2019a). [1] Fehlende Rivalität im Konsum: Daten und viele digitale Güter zeichnen sich zunächst einmal dadurch aus, dass es keine Rivalität im Konsum gibt. Rivalität bedeutet: Wenn eine Person ein bestimmtes Produkt nutzt (z. B. ein Paar Schuhe trägt oder ein Glas Wasser trinkt), kann niemand anderes dieses Produkt nutzen. Bei Daten - und Gleiches gilt für digitale Güter wie Online-Texte, digitale Bilder, Videos, E-Books, Informationsdienstleistungen, Musikdateien etc. - liegt diese Rivalität nicht vor. Fehlende Rivalität im Konsum ist ein Merkmal eines öffentlichen Guts im Sinne der Volkswirtschaftslehre. Es gibt daher Autoren, die im Kontext der Digitalisierung von einem Öffentlichen-Gut-Charakter digitaler Produkte sprechen (vgl. Bartholomae 2018: 23). [2] Ausschlussmöglichkeit: Trotz der fehlenden Rivalität im Konsum kann bei Daten und vielen digitalen Gütern die so genannte Ausschlussmöglichkeit angewendet werden. Dies bedeutet, dass der Eigentümer bzw. Anbieter von Daten und digitalen Produkten bestimmte Personen von der Nutzung der Daten ausschließen kann. Dies führt dazu, dass Daten ein handelbares Gut und damit ein wirtschaftlich wertvolles Gut sind. Eine Ausnahme sind Open Data. Wenn Daten einmal veröffentlicht sind, können sie von allen genutzt werden. Die Möglichkeit des Ausschlusses einzelner Personen von der Nutzung digitaler Produkte und Daten hat zur Folge, dass es sich nicht um ein öffentliches, sondern ein privates Gut handelt. [3] Netzwerkgut-Charakter: Digitale Plattformen, die mit großen Datenmengen arbeiten, haben in der Regel einen Netzwerkgut- Charakter. Bei Produkten, die den Charakter eines Netzwerkgutes haben, hängt der Nutzen für die Verbraucher von der Größe des Netzwerkes ab. Je mehr Teilnehmer beispielsweise in einem Telefonnetz, einem sozialen Netzwerk oder einer Online- Tauschbörse anzutreffen sind, desto attraktiver ist es für Menschen, sich dem entsprechend großen Netzwerk anzuschließen. Langfristig entscheiden sich also alle Nutzer für das Unterneh- <?page no="21"?> Begriffliche Klärungen 21 men, das über das größte Telefonnetz verfügt bzw. die meisten Teilnehmer hat. [4] Lock-in-Effekte: Plattformen zeichnen sich darüber hinaus häufig dadurch aus, dass der Wechsel zu einem anderen Anbieter mit so hohen Kosten verbunden ist, dass sich Kunden häufig gegen einen Wechsel entscheiden, selbst wenn es bessere Anbieter gibt. Wechselbzw. Umstellungskosten können unterschiedliche Formen annehmen. Wenn beispielsweise die Anmeldung bei einem Online-Händler viele Angaben erfordert und daher zeitintensiv ist, wird ein Nutzer möglicherweise bei seinem Händler bleiben, selbst wenn das gewünschte Produkt bei einem anderen Online- Anbieter fünf Prozent billiger ist. Gleiches gilt für viele digitale Produkte, z. B. Anwendungsprogramme: Wenn ein PC-Nutzer eine bestimmte Anwendungssoftware verwendet, für deren Beherrschung er viel Zeit investieren musste, wird er nicht ohne Weiteres zu einer anderen Software wechseln, selbst wenn diese qualitativ höherwertig ist und zudem geringere laufende Kosten aufweist. Die Kundenbindung durch hohe Wechselkosten wird Lockin-Effekt genannt (vgl. Meisner 2017: 17, Berenberg und HWWI 2015: 16). [5] Hohe Fixkosten und geringe variable Kosten: Daten bzw. digitale Güter und die für ihre Übertragung erforderlichen Netzwerke zeichnen sich häufig durch hohe Fixkosten aus. Der Aufbau von Netzen (z. B. Telefon und Breitband) ist grundsätzlich mit sehr hohen Anfangskosten verbunden. Auch die Entwicklung von Betriebssystemen und Anwendungssoftware weist hohe Fixkosten aus. Die Vervielfältigung und Auslieferung eines Computerprogramms, einer CD oder eines Musikstücks erfolgt jedoch häufig über einen Download und ist daher mit sehr geringen oder sogar gar keinen variablen Kosten verbunden (vgl. Varian 2003: 24- 26). Im Extremfall kann die Vervielfältigung der digitalen Güter sogar ohne zusätzliche Kosten erfolgen. Jeremy Rifkin spricht in diesem Kontext von einer Null-Grenzkosten-Gesellschaft (vgl. Rifkin 2014). <?page no="22"?> 22 Diginomics verstehen Die Bedeutung dieser Besonderheiten, z. B. für die Preisbildung und Monopolisierungstendenzen, wird im weiteren Verlauf der Ausführungen wieder aufgegriffen. <?page no="23"?> 2 Treiber der Digitalisierung Der verstärkte Einsatz digitaler Technologien in wirtschaftlichen Produktionsprozessen ist letztendlich das Resultat von Unternehmen, die nach Möglichkeiten zur Kostenreduzierung suchen, um so ihre Gewinne zu steigern und eine Verdrängung vom Markt durch kostengünstigere Anbieter zu verhindern. 2.1 Gewinnmaximierung und Zwang zur Kostenminimierung Gewinne kann ein Anbieter vor allem dadurch erzielen und steigern, dass er versucht, mithilfe des technischen Fortschritts seine Kosten zu senken. Technischer Fortschritt bedeutet, dass der Anbieter eine bestimmte Gütermenge zu geringeren Grenz- und Durchschnittskosten herstellen kann. Die Durchschnittskosten ergeben sich, indem die insgesamt anfallenden Produktionskosten durch die Anzahl der hergestellten Produkteinheiten dividiert werden. Die Durchschnittskosten werden auch Stückkosten genannt. Bei einem unveränderten Marktpreis bedeuten geringere Durchschnittskosten höhere Stückgewinne und damit auch eine Steigerung des Gesamtgewinns. In einer wettbewerblichen Gesellschaft hat jeder Anbieter daher einen Anreiz, das eigene Produktionsverfahren zu modernisieren, also die Produktivität durch technologischen Fortschritt zu erhöhen, um Gewinne zu realisieren und zu erhöhen. Zudem herrscht auf einem Markt mit Wettbewerb für jeden einzelnen Anbieter der Zwang, selbst innovativ zu sein und einen technologischen Fortschritt anzuwenden. Ein innovativer Produzent kann zu geringeren Kosten produzieren. Die geringeren Kosten erlauben es ihm, den Preis seines Produkts zu senken, um dadurch seinen Marktanteil auszudehnen. Die damit verbundene Angebotserhöhung bewirkt auf dem Markt einen Angebotsüberschuss. Dieser führt zu einer Verringerung des Marktpreises. Dann müssen auch die Konkurrenten ihren Preis senken, um ihre Produkte absetzen zu können. <?page no="24"?> 24 Diginomics verstehen Weil sie aber noch mit einem alten Produktionsverfahren arbeiten, erleiden sie Verluste (oder nur unterdurchschnittlich hohe Gewinne). Zwar werden sie über kurz oder lang ebenfalls das neue, kostengünstigere Produktionsverfahren anwenden, aber diese Anpassung kostet Zeit. Um also nicht in der Rolle eines hinterherhinkenden Produzenten zu sein, muss jeder einzelne Anbieter innovativ werden und ständig versuchen, seine Produktivität zu erhöhen. Da der Einsatz digitaler Technologien (Roboter, Automatisierung, Big Data und Algorithmen) gegenwärtig ein besonders effektives Instrument der technologisch bedingten Kostensenkung ist, bewegt dies die einzelnen Unternehmen dazu, die Digitalisierung voranzutreiben. Neben diesem generellen Anreiz bzw. letztendlich Zwang zur Durchführung eines kostenverringernden digitalen technologischen Fortschritts spielt die Veränderung relativer Preise für die Produktionsfaktoren eine Rolle. Dabei gilt: Wenn der Preis eines bestimmten Produktionsfaktors steigt, stellt das einen Anreiz dar, die notwendige eingesetzte Menge dieses Produktionsfaktors durch technologische Veränderungen zu senken und stattdessen auf Produktionsfaktoren zurückzugreifen, deren Preis weniger stark steigt oder sogar zurückgeht. Für entwickelte Industrienationen wie Deutschland spielen hier vor allem zwei Faktoren eine Rolle:  Westliche hoch entwickelte Volkswirtschaften zeichnen sich im internationalen Vergleich durch eine relative Knappheit an Arbeitskräften aus. In Kombination mit einem relativ hohen Einkommensniveau bedeutet dies, dass der Produktionsfaktor Arbeit einen relativ hohen Preis hat. Dies spricht dafür, dass Unternehmen verstärkt Sachkapital, aber auch digitale Produktionstechnologien einsetzen, um damit den teuren Produktionsfaktor Arbeit zu substituieren.  Verstärkt wird dieser Anreiz noch durch die Alterung der Gesellschaft, die in den kommenden Jahrzehnten für alle Industrienationen - allen voran Japan und Deutschland - zu erwarten ist. Wenn es demografisch bedingt in einer alternden Gesellschaft zu einem zunehmenden Fachkräftemangel kommt, erhöht der damit verbundene Lohnanstieg den Anreiz der Unternehmen, verstärkt Sachkapital und digitale Technologien (also voll automatische Ma- <?page no="25"?> Treiber der Digitalisierung 25 schinen, Roboter etc.) in der Produktion einzusetzen. Damit schreitet die Digitalisierung des Landes voran. Dieser Anreiz wird noch dadurch verstärkt, dass die Lohnnebenkosten in einer alternden Gesellschaft wegen der höheren Sozialbeiträge die Kosten des Faktors Arbeit für die Unternehmen zusätzlich steigern. Die Sozialbeiträge steigen, weil in einer alternden Gesellschaft die staatlichen Ausgaben in den Bereichen Rente, Pensionen, Gesundheit und Pflege wachsen. Schließlich kann sich eine kapital- und technologieintensive Produktionsweise sogar unabhängig von der Entwicklung der Preise für Produktionsfaktoren durchsetzen. Dies ist zu erwarten, wenn eine bestimmte Produktionstechnologie eine so hohe Leistungsfähigkeit oder Präzision besitzt, dass sie einer arbeitsintensiven Technologie selbst dann überlegen ist, wenn der Preis für den Faktor Arbeit gegen null tendiert. Der Ökonom Wassily Leontief verdeutlichte dieses Phänomen am Beispiel der Einführung von Traktoren in der Landwirtschaft. Deren Leistungsfähigkeit bzw. Produktivität war so enorm, dass alle Pferde in der Landwirtschaft überflüssig und somit arbeitslos wurden. Selbst wenn die von den Pferden als „Lohn“ geforderten Haferrationen reduziert worden wären, hätte dies langfristig nichts an der Substitution der Pferde durch Traktoren ändern können (Leontief 1983: 3f.). Die voranschreitende Digitalisierung kann den gleichen Effekt für zahlreiche Bereiche des Arbeitsmarktes und die dort tätigen Personen haben. Perspektivisch könnte sich beispielsweise die künstliche Intelligenz dieser Logik folgend als produktiver Faktor durchsetzen, weil die „Genauigkeit und Geschwindigkeit“, mit der große Datenvolumen erhoben, gespeichert und miteinander verknüpft werden können, ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sind (vgl. EY 2018: 9). 2.2 Globalisierungsbedingter Wettbewerbsdruck Die zunehmende Ausbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologien sowie anderer digitaler Technologien hat auch Auswirkungen auf das Ausmaß der internationalen Arbeitsteilung <?page no="26"?> 26 Diginomics verstehen und damit der Globalisierung. Eine Konsequenz dieser Technologien ist die massive Reduzierung der Kommunikationskosten. Darüber hinaus senkt die computergesteuerte Logistik über die Optimierung von Beschaffungs- und Versorgungsnetzwerken sowie Warenströmen, über die Vermeidung von Leerfahrten und von Störungen im Transportfluss etc. die Transportkosten für Güter sowie die Lagerungshaltungskosten (vgl. BVL 2017: 12, Liessem 2016). Erst die Senkung dieser Kosten und anderer Transaktionskosten durch digitale Technologien ermöglichen es, dass Unternehmen ihre Produktionsprozesse aufgliedern und anschließend in verschiedenen Ländern durchführen lassen können. Derartige Formen der weltweiten Arbeitsteilung wären ohne die niedrigen Transport- und Kommunikationskosten gar nicht möglich. Die Digitalisierung kann somit als Ursache der zunehmenden ökonomischen Globalisierung angesehen werden. Gleichzeitig aber wirkt die zunehmende Globalisierung wieder auf die Digitalisierung zurück: Globalisierung bedeutet, dass einzelne Unternehmen mit Anbietern aus der ganzen Welt in Konkurrenz stehen. Der damit verbundene Wettbewerbsdruck zwingt die Unternehmen, ihre Produktionskosten durch technologische Innovationen zu senken. Der verstärkte Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien ist ein Mittel, um diese Kosten- und damit auch Preisreduzierung zu erreichen. So gesehen kann die zunehmende ökonomische Globalisierung als Ursache der voranschreitenden Digitalisierung angesehen werden. Digitalisierung und Globalisierung beeinflussen und verstärken sich somit gegenseitig (→ Abb. 2). Das mit der ökonomischen Globalisierung verbundene Phänomen des handelsinduzierten technologischen Fortschritts, der den Einsatz digitaler Technologien forciert, wird in → Abschnitt 12.2 ausführlicher dargestellt. <?page no="27"?> Treiber der Digitalisierung 27 2 | Stilisierter Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Globalisierung »Digitalisierung und Globalisierung beeinflussen sich gegenseitig. Die Digitalisierung senkt die Kosten der internationalen Arbeitsteilung und ist damit ein Treiber der voranschreitenden Globalisierung. Die Globalisierung erhöht wiederum den internationalen Wettbewerbsdruck und ist daher ein Treiber für die voranschreitende Digitalisierung.« Verstärkt wird der Wettbewerbsdruck noch durch veränderte Kundenwünsche. Bei den Verbrauchern ist eine zunehmende Individualisierung der Nachfrage festzustellen. Gewünscht werden Produkte, die den individuellen Präferenzen und Ansprüchen der Menschen entsprechen. Im Extremfall läuft das auf die Herstellung von individuellen Gütern mit der Losgröße 1 hinaus (vgl. Lasi et al. 2014: 261). Diese Individualisierung der Produktion ist betriebswirtschaftlich nur möglich, wenn digitale Technologien die Kosten für derartige Produktanpassungen erheblich reduzieren. Zwang zur Kostensenkung ↑ Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologien ↑ Digitalisierung ↑ Wettbewerbsdruck ↑ Kommunikations-, Organisations- und Transportkosten ↓ Globalisierung ↑ <?page no="28"?> 28 Diginomics verstehen 2.3 Staatliche Rahmensetzung Wichtig für die konkrete Ausgestaltung der voranschreitenden Digitalisierung sind schließlich die gesellschaftspolitischen bzw. rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die gesellschaftliche Akzeptanz. Sie entscheiden darüber, ob technisch mögliche Automatisierungen tatsächlich durchgeführt werden. Dazu nur zwei Beispiele:  Wenn eine Gesellschaft vollautomatisch fahrende Automobile aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt, wird diese Technologie nicht zugelassen. Dann kommt es auch nicht zu einer Substitution von Bus-, Lkw- und Taxifahrern durch diese Automobile.  Gleiches gilt für den Fall, dass technologisch mögliche Automatisierungsprozesse von den Verbrauchern abgelehnt werden. So werden beispielsweis in Japan Roboter zur Pflege von Menschen eingesetzt. Der Einsatz bezieht sich nicht nur auf das Heben der Patienten, den Transport von Haushaltsgegenständen und andere körperlich anstrengende Tätigkeiten, sondern auch auf soziale Kontakte und therapeutische Tätigkeiten (vgl. Triner, Andresen und Imhof 2015: 3). In Deutschland scheint die Akzeptanz der Pflegerobotik wesentlich geringer zu sein, sodass sich diese technischen Möglichkeiten eventuell auch zukünftig nicht durchsetzen werden. Neben dem Ausmaß der voranschreitenden Digitalisierung wird auch das Tempo der digitalen Transformation maßgeblich von den staatlichen Rahmenbedingungen ab. Mit Blick auf die Geschwindigkeit, mit der die digitalen Entwicklungen zukünftig ablaufen, sind zwei entscheidende Einflussgrößen relevant (vgl. Körner, Schattenberg und Heymann 2018: 21f.):  Geschwindigkeit des technischen Fortschritts: Sie hängt maßgeblich von den Unternehmen und Forschungsinstituten ab. Je höher der internationale Wettbewerbsdruck wird und je besser die Finanzierungsbedingungen sind (auch in Form von Investitionsprogrammen und öffentlich-privaten Partnerschaften), desto größer dürfte diese Geschwindigkeit ausfallen. Der Staat kann diese Rahmenbedingungen durch Investitionen in die öffentliche Infra- <?page no="29"?> Treiber der Digitalisierung 29 struktur, durch Subventionen und steuerliche Regelungen oder auch durch die Bereitstellung verbilligter Kredite für digitale Investitionen fördern, um nur einige mögliche Maßnahmen zu nennen. Denkbar ist auch eine aktive staatliche Förderung des digitalen Fortschritts durch eine staatliche Industriepolitik - ein Aspekt, der im → 13. Abschnitt ausführlicher diskutiert wird.  Grad der staatlichen Regulierung der Technologien und ihrer Anwendung: Auch bei diesem Aspekt gilt, dass die staatlichen Rahmenbedingungen strukturgebend sind und damit den technischen Fortschritt maßgeblich beeinflussen. Diese Regulierungen können innovationsfördernd sein, aber auch innovationsbremsend ausfallen. Hier können sich erhebliche Zielkonflikte ergeben: Aus Gründen des Verbraucherschutzes kann ein hohes Maß an staatlicher Regulierung erforderlich sein. Diese Regulierung erhöht jedoch für die Unternehmen die Kosten, die mit der Entwicklung und Anwendung digitaler Innovationen verbunden sind. Die Folge ist ein langsamer - oder eventuell sogar gar nicht mehr stattfindender - technologischer Fortschritt. Bei der konkreten Ausgestaltung der staatlichen Rahmensetzung ist schließlich noch zu berücksichtigen, dass sich politische Entscheidungen in der Realität nicht immer an dem orientieren, was für die Gesellschaft als Ganzes optimal ist. Politische Entscheider werden von zahlreichen gesellschaftlichen Interessengruppen beeinflusst. Lobbyisten spielen dabei eine besonders wichtige Rolle. Lobbyismus kann definiert werden als „die systematische und kontinuierliche Einflussnahme von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, sozialen oder auch kulturellen Interessen auf den politischen Entscheidungsprozess“ (von Alemann und Eckert 2006: 4). Lobbyisten versuchen durch ihre Beeinflussung der Politiker eine Entscheidung herbeizurufen, die ihnen selbst nutzt. Dieses Ziel erreichen sie, indem sie die Politiker davon überzeugen, dass eine bestimmte Maßnahme von mehr Wählern gewünscht als abgelehnt wird, sodass die Maßnahme für den Politiker einen Zugewinn an Stimmen zur Folge hat. Eine Aktivität als Lobbyist verlangt den Einsatz knapper Ressourcen. Der ökonomische Anreiz, sich als Lobbyist zu betätigen, hängt wiederum von dem zu erwartenden Nettonutzen ab, der mit einer Beein- <?page no="30"?> 30 Diginomics verstehen flussung der Politik verbunden ist. Ein zentrales Ergebnis der Analysen zum ökonomisch motivierten Verhalten in der Demokratie besteht darin, dass eine Aktivität als Lobbyist für Produzenten wesentlich lohnender ist als für Konsumenten. Dies lässt sich wie folgt begründen: Jeder Bürger erzielt sein Einkommen im Wesentlichen aus ein bis zwei Quellen, an erster Stelle in den meisten Fällen aus der Arbeit. Deshalb ist ein Bürger stark betroffen, wenn die Politik eine Maßnahme beschließt, die die Branche betrifft, in der er sein Einkommen verdient. Als Konsument hingegen ist der Bürger von sehr vielen Branchen betroffen, weil er im Regelfall Produkte aus verschiedenen Branchen kauft. Anthony Downs, der sich intensiv mit Fragen der politischen Ökonomie in einer demokratisch organisierten Gesellschaft beschäftigt hat, schließt daraus, dass in einer Demokratie die Produzenten (das sind sowohl die Unternehmenseigentümer als auch die in einem Unternehmen angestellten Arbeitnehmer) einen wesentlich größeren Einfluss auf die Regierungspolitik ausüben als die Verbraucher: „Gewöhnlich ist eine demokratische Regierung also mehr für die Produzenten- und weniger für die Konsumenteninteressen voreingenommen, obwohl die Verbraucher eines beliebigen Gutes normalerweise dessen Produzenten der Zahl nach übertreffen“ (Downs 1969: 62). Die nachfolgenden Ausführungen werden zeigen, dass die voranschreitende Digitalisierung zwar grundsätzlich den materiellen Wohlstand einer Volkswirtschaft erhöht, dabei aber auch die Einkommen einzelner Bevölkerungsgruppen verringern kann. Diejenigen, für die der verstärkte Einsatz digitaler Technologien Einkommensverluste bedeutet, haben daher ein großes Interesse, die für sie negativen technologischen Entwicklungen zu verhindern. Daher ist es keinesfalls garantiert, dass die politischen Entscheidungen in einer demokratischen Gesellschaft den rechtlichen Rahmen setzen, der die Digitalisierung und die damit verbundenen gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsgewinne am besten fördert. Im Gegenteil: Es ist durchaus plausibel, dass Lobbyisten technisch mögliche Entwicklungen blockieren, um individuelle Einkommenseinbußen zu vermeiden. <?page no="31"?> Treiber der Digitalisierung 31  Gewonnene Erkenntnisse Vor allem der nationale und internationale Wettbewerb dürften dafür sorgen, dass sich digitale Technologien weltweit immer mehr durchsetzen werden. Dies gilt in besonderem Maß für hoch entwickelte Volkswirtschaften mit einer alternden Gesellschaft, in denen der demografisch bedingte Fachkräftemangel die Unternehmen dazu zwingt, menschliche Arbeitskräfte durch Sachkapital und digitale Technologien zu ersetzen. Angesichts dieser ökonomischen Zwänge haben diese Gesellschaften dann auch ein hohes Interesse an staatlichen Rahmenbedingungen, die die Digitalisierung fördern. Der Verbraucherschutz darf dabei jedoch nicht zu kurz kommen. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass der digitalisierungsbedingte Strukturwandel auch Verlierer hervorbringt. Diese haben einen hohen Anreiz, für sie schädliche digitale Entwicklungen zu verhindern. Sofern an der Wiederwahl interessierte politische Entscheider diesen Bestrebungen nachkommen, wird das Tempo des digitalen Wandels gebremst. <?page no="33"?> 3 Digitalisierung und Preisbildung Digitale Güter lassen sich grundsätzlich auf Märkten gegen die Zahlung eines Preises tauschen. Der Markt ist dabei der Ort, an dem sich Angebot und Nachfrage eines homogenen Gutes treffen. Dabei bezeichnet das Angebot die Bereitschaft eines wirtschaftlichen Akteurs, eine bestimmte Menge eines Gutes zu einem bestimmten Preis zu verkaufen. Im Normalfall nimmt die Bereitschaft, Mengeneinheiten des Gutes zu verkaufen, mit steigendem Preis zu. Die Nachfrage bezeichnet hingegen die Bereitschaft eines wirtschaftlichen Akteurs, eine bestimmte Menge eines Gutes zu einem bestimmten Preis zu kaufen. Im Normalfall nimmt die Bereitschaft, Mengeneinheiten zu kaufen, mit steigendem Preis ab. Auf einem Markt wird ein so genanntes homogenes Gut gehandelt. Ein homogenes Gut liegt vor, wenn die Konsumenten alle Mengeneinheiten dieses Gutes als absolut gleich ansehen. Verschiedene Einheiten sind aus Sicht der Konsumenten austauschbar, sodass eine vollkommene Ersetzbarkeit - in der Sprache der Ökonomen Substituierbarkeit - der Gütereinheiten vorliegt. Das Marktgleichgewicht ergibt sich schließlich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Es beschreibt den Marktpreis, bei dem die angebotene Menge exakt so groß ist wie die zu diesem Preis von den Kunden nachgefragte Menge. Dieses Prinzip gilt grundsätzlich auch für digitale Güter und die auf digitalen Plattformen gehandelten Produkte. Allerdings gibt es eine Reihe von Besonderheiten, die für die Preisbildung dieser Produkte relevant sind (die nachfolgenden Ausführungen des → 3. Abschnitts sind zu großen Teilen Petersen 2018a entnommen). 3.1 Nachfragekurve bei Netzwerkgütern Viele digitale Güter haben den in → Abschnitt 1 skizzierten Charakter eines Netzwerkgutes. Eine Besonderheit von Gütern mit Netzwerkeffekten betrifft den Verlauf der Nachfragekurve. Im <?page no="34"?> 34 Diginomics verstehen Normalfall äußert sich das Nachfrageverhalten darin, dass die Nachfragekurve in einem Preis-Mengen-Diagramm einen fallenden Verlauf hat. Dies bedeutet: Bei einer geringen Menge ist die maximale Zahlungsbereitschaft (MZB) der Verbraucher sehr hoch. Mit steigender Gütermenge geht diese Zahlungsbereitschaft zurück. Daraus ergibt sich das bekannte Gesetz der Nachfrage, d. h., mit einem sinkenden Marktpreis wird die nachgefragte Menge größer. Bei Netzwerkeffekten liegt eine andere Entwicklung der Zahlungsbereitschaft vor. Wenn beispielsweise ein Telefonnetz in ganz Deutschland nur zehn Teilnehmer hat, ist der Nutzen, der sich für einen potenziellen elften Teilnehmer ergibt, sehr gering. Daher ist auch seine Zahlungsbereitschaft gering (z. B. MZB A in → Abb. 3). Bei einer steigenden Teilnehmerzahl wächst der Nutzen für potenzielle neue Teilnehmer. Damit steigt auch deren Zahlungsbereitschaft. Der Anstieg dauert so lange an, bis alle Personen, die dieses Netzwerkprodukt schätzen, dem Netzwerk beigetreten sind (Punkt M in → Abb. 3). Danach kommen nur noch diejenigen hinzu, die diesem Produkt einen geringen Nutzen zuordnen und daher auch nur über eine geringe - bzw. im Vergleich zu den bisherigen Nutzern sinkende - maximale Zahlungsbereitschaft verfügen (vgl. Meisner 2017: 14-16). Die gesamtwirtschaftliche Kurve der maximalen Zahlungsbereitschaft, und damit zugleich die gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve, hat dann den Verlauf eines umgekehrten „U“. Neben diesem direkten Netzwerkeffekt gibt es auch noch indirekte Netzwerkeffekte. Wenn beispielsweise nur wenige Menschen einen DVD-Player besitzen, gibt es nur ein relativ geringes Angebot an DVDs. Mit einer steigenden Zahl von Personen, die einen DVD-Player kaufen, wächst auch die Nachfrage nach DVDs. Dies erhöht den Anreiz für die Hersteller von DVDs, ihr Angebot auszuweiten und eine Vielzahl von Filmen anzubieten. Damit steigt wiederum der Nutzen, den ein DVD-Player seinem Eigentümer stiftet (vgl. Varian 2003: 31). <?page no="35"?> Digitalisierung und Preisbildung 35 3 | Preisbildung auf einem Markt für ein Netzwerkgut »Bei einem Netzwerkgut hängt die maximale Zahlungsbereitschaft (MZB) von der Größe des Netzwerks ab. Erst wenn das Netzwerk eine bestimmte Mindestgröße erreicht hat - hier G B - ist die maximale Zahlungsbereitschaft so hoch, dass der daraus resultierende Marktpreis (P B ) die Grenzkosten (GK) deckt. Danach ist die Zahlungsbereitschaft größer als die Grenzkosten. Daher lohnt es sich für Verbraucher, dem Netzwerk trotz eines steigenden Marktpreises beizutreten. Erst wenn die Zahlungsbereitschaft erneut den Grenzkosten entspricht, kommen keine weiteren Teilnehmer hinzu. Der Punkt C stellt daher das Marktgleichgewicht mit der Netzwerkgröße G C dar.« Wird ein normales Angebotsverhalten unterstellt (also steigende Grenzkosten), können die Grenzkosten der Produktion (GK) zunächst einmal so hoch sein, dass es zu keinem Schnittpunkt mit der Nachfragekurve kommt (Angebotskurve 0 in → Abb. 3). Selbst wenn eine Reduzierung der Produktionskosten in Folge eines tech- MZB-Kurve = Nachfragekurve MZB, GK Netzwerkgröße (G) ● A P B G C G A G B ● ● ● ● B C M MZB A GK A technischer Fortschritt Angebotskurve 0 Angebotskurve 1 <?page no="36"?> 36 Diginomics verstehen nologischen Fortschritts (TF) dazu führt, dass es einen Schnittpunkt zwischen der neuen Angebots- und der ursprünglichen Nachfragekurve gibt, bedeutet dies noch nicht, dass es auch tatsächlich zu einem Marktgleichgewicht mit einem positiven Preis kommt: Wenn es nur wenige Nutzer gibt, kann die damit verbundene maximale Zahlungsbereitschaft geringer sein als die Grenzkosten der Produktion, die mit einem Netzwerk dieser Größe verbunden sind (GK A  MZB A in → Abb. 3). Damit kommt kein Austausch auf dem Markt zustande (G = 0). Erst wenn eine kritische Masse von Nutzern erreicht wird (G B ), wächst die maximale Zahlungsbereitschaft so weit an, dass die Grenzkosten gedeckt werden. Ab dem Punkt B finden sich also genügend Teilnehmer, sodass das entsprechende Netzwerk mit dem Gleichgewichtspreis P B realisiert wird. Das mit dem Punkt B verbundene Marktgleichgewicht ist jedoch kein stabiles Gleichgewicht: Weil das Netzwerk nun einen größeren Nutzen stiftet, kommen weitere Nutzer hinzu, selbst wenn der Preis steigt. Bis zum Punkt C ist die maximale Zahlungsbereitschaft neuer Teilnehmer größer als die Grenzkosten. Damit lohnt sich die Inanspruchnahme des Netzwerkes gegen die Zahlung eines Preises in Höhe der Grenzkosten - die Zahl der Netzteilnehmer wächst, bis das Netzwerk die Größe G C erreicht hat. Das stabile Marktgleichgewicht wird somit im Punkt C erreicht. Die Herausforderung für den Anbieter einer Netzwerkdienstleistung besteht darin, die kritische Größe (G B ) zu erreichen. Solange die Teilnehmerzahl diese Mindestgröße nicht erreicht hat, ist kein Nachfrager bereit, einen Preis in Höhe der Grenzkosten zu bezahlen. Der Anbieter muss also einen Preis fordern, der unter seinen Grenzkosten liegt. Sofern damit nicht alle Kosten gedeckt sind, fallen Verluste an. Der Anbieter muss diese jedoch akzeptieren, weil er sonst nicht die erforderliche Mindestzahl an Netzwerkteilnehmern erreicht. Der Verlust ist somit als eine Investition anzusehen. In den Folgejahren muss der Anbieter versuchen, durch höhere Preise die anfänglichen Verluste auszugleichen. Dabei können ihm die in → Abschnitt 3.6 noch zu behandelnden Wechselkosten helfen. <?page no="37"?> Digitalisierung und Preisbildung 37 Mit Blick auf das Modell der vollständigen Konkurrenz (→ Box 1) ergeben sich im Fall von Netzwerkeffekten also zentrale Unterschiede: Bei geringeren Nutzerzahlen ist die Realisierung eines Marktgleichgewichts nicht garantiert. Sollte das Marktgleichgewicht B realisiert werden, ist es zunächst noch kein stabiles Gleichgewicht. Im Zuge der Anpassung an das stabile Gleichgewicht C steigt der Marktpreis, obwohl die am Markt angebotene und nachgefragte Gütermenge größer wird. Ein Anstieg des Gleichgewichtspreises erfolgt hingegen nicht, wenn konstante Grenzkosten vorliegen. Die Angebotskurve verläuft dann parallel zur Achse der Netzwerkgröße (vgl. Varian 2003: 32). Box 1 | Vollständige Konkurrenz und Marktversagen Bei der vollständigen Konkurrenz handelt es sich um einen Markt, auf dem ein homogenes Gut gehandelt wird (alle Einheiten des Gutes werden von den Verbrauchern als absolut gleichwertig angesehen) und auf dem Markttransparenz herrscht. Damit gilt das Gesetz von der Unterschiedslosigkeit des Preises. Das heißt, dass es zu jedem Zeitpunkt nur einen Preis für das auf dem Markt gehandelte Gut gibt. Vollständige Konkurrenz verlangt zudem, dass es eine Vielzahl von Anbietern und Nachfragern gibt, die alle als Mengenanpasser agieren. Der Markteintritt und der Marktaustritt sind frei. Der Preis für das Gut ist nach oben und unten vollkommen flexibel. Ein Marktversagen liegt immer dann vor, wenn die marktmäßige Koordination zu einem Ergebnis führt, das von dem Ergebnis auf einem Markt mit vollständiger Konkurrenz abweicht. Für eine Abweichung von dem Ergebnis des Referenzmodells gibt es verschiedene Ursachen. Zu den wichtigsten zählen die Existenz von öffentlichen Gütern, externe Effekte, steigende Skalenerträge und asymmetrische Informationen. <?page no="38"?> 38 Diginomics verstehen 3.2 Abbau von Informationsasymmetrien Grundsätzlich kann die Digitalisierung zu einer höheren Markttransparenz führen. Hier ist vor allem an das Internet zu denken: Ohne die Informationen über das weltweite Angebot an Gütern und Dienstleistungen kennen Verbraucher letztendlich nur die Angebote der lokalen Anbieter. Suchmaschinen bieten in Sekundenschnelle einen Preisüberblick über vergleichbare Produkte und dienen den potenziellen Käufern somit als Entscheidungshilfe. Die überregionale Markttransparenz kann darüber hinaus auch für den Kauf eines Produkts von Anbietern genutzt werden, die hunderte von Kilometern entfernt ansässig sind. Digitale Technologien ermöglichen den Kauf von Produkten bei weit entfernten Anbietern - sowohl über die geringen Kosten der Bestellung und des Versands bzw. Transports als auch über die geringen Kosten der Bezahlung via Online-Banking. Die digitalisierungsbedingte höhere Markttransparenz in Kombination mit der Möglichkeit, Produkte nahezu weltweit einkaufen zu können, verbessert die Verhandlungsposition der Verbraucher. Diese werden ein gleichwertiges Produkt von einem lokalen Anbieter nur dann kaufen, wenn dessen Preis mehr oder weniger dem Preis entspricht, den das Internet ausweist. Die höhere Markttransparenz, die sich aus der fortschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft ergibt, kann darüber hinaus das Problem der asymmetrischen Informationen lösen. Wenn Anbieter und Nachfrager nicht über den identischen Informationsstand verfügen, kann sich daraus ein Marktversagen (→ Box 1) ergeben. Das Phänomen dieser Informationsasymmetrie geht auf den Wirtschaftsnobelpreisträger George A. Akerlof zurück. Es lässt sich am Beispiel des Marktes für Gebrauchtwagen verdeutlichen (vgl. Akerlof 1970 sowie Petersen 2007a). Die Informationsasymmetrie besteht darin, dass nur die Eigentümer - also die Verkäufer - der Gebrauchtwagen deren wahre Qualität kennen. Die Käufer sind ohne hohe Informationskosten nicht in der Lage, einen gut erhaltenen Gebrauchtwagen von einem Wagen schlechter Qualität zu unterscheiden. Sie wissen lediglich, dass es Gebrauchtwagen von <?page no="39"?> Digitalisierung und Preisbildung 39 verschiedenen Qualitäten gibt, ohne einem einzelnen Wagen die betreffende Qualität zuordnen zu können. Die potenziellen Käufer kennen lediglich die Qualitätsverteilung des gesamten Gebrauchtwagenmarktes. Geht man vereinfachend von fünf Qualitätsgruppen und einer Gleichverteilung der Qualität aus, lässt sich der Markt für Gebrauchtwagen aus Sicht der Käufer wie folgt beschreiben (→ Abb. 4). 4 | Der Markt für Gebrauchtwagen Qualitätsgruppe Wert des Gebrauchswagen Anteil der Qualitätsgruppe an allen Gebrauchtwagen 1. (beste Qualität) 5.000 Euro 20 % 2. 4.000 Euro 20 % 3. 3.000 Euro 20 % 4. 2.000 Euro 20 % 5. (schlechteste Qualität) 1.000 Euro 20 % »Bei einem Markt mit asymmetrischen Informationen kennen nur die Verkäufer der Gebrauchtwagen die tatsächliche Qualität jedes einzelnen Autos. Die Käufer wissen nur, dass es fünf Qualitätsgruppen gibt, deren Wert zwischen 1.000 und 5.000 Euro liegt. Zudem wissen sie, wie groß der Anteil jeder Qualitätsgruppe an der Gesamtheit aller Gebrauchtwagen ist (in diesem Fall jeweils 20 Prozent). Bei dieser Konstellation liegt der erwartete Wert eines Autos bei durchschnittlich 3.000 Euro. Zu diesem Preis werden die Eigentümer von Autos der beiden besten Qualitätsgruppen ihre Autos jedoch nicht verkaufen, sondern vom Markt nehmen.« Die Käufer werden in dieser Situation von einer durchschnittlichen Qualität ausgehen und deshalb maximal bereit sein, den entspre- <?page no="40"?> 40 Diginomics verstehen chenden Preis dieser Qualität zu bezahlen, denn auf die Dauer und im Durchschnitt werden sie dadurch eine dem Preis entsprechende Qualität erwerben. Hier stellt die dritte Qualitätsgruppe die durchschnittliche Qualität dar, sodass normal informierte Käufer maximal einen Preis von 3.000 Euro zahlen. Bei diesem Preis werden jedoch die Besitzer von Gebrauchtwagen der ersten und der zweiten Qualität nicht bereit sein, ihren Wagen zu verkaufen. Dieser Selektionsprozess setzt sich fort, bis nur noch die Wagen der schlechtesten Qualität zum Preis von 1.000 Euro gehandelt werden. Die Wagen der besten vier Qualitätsgruppen werden hingegen gar nicht mehr angeboten und verschwinden vom Markt. Ökonomen bezeichnen einen solchen Prozess als adverse Selektion:  Bei einem funktionierenden Wettbewerb werden Güter von schlechter Qualität vom Markt verdrängt, weil der Markt nur gute Leistungen belohnt. Daher setzen sich die Güter mit einer hohen Qualität durch und verdrängen die qualitativ minderwertigen Güter, sodass letztere vom Markt verschwinden.  In dem hier beschriebenen Beispiel des Gebrauchtwagenmarkts setzt sich am Ende nur die schlechte Qualität durch. Die qualitativ hochwertigen Güter verschwinden hingegen vom Markt. Dieses Phänomen widerspricht dem Selektionsmechanismus der vollständigen Konkurrenz und wird daher als adverse Selektion bezeichnet. Eine Steigerung der Markttransparenz - z. B. durch eine Online- Plattform, auf der die Gebrauchtwagenverkäufer von Kunden bewertet und kommentiert werden können - kann dazu führen, dass die potenziellen Käufer die tatsächliche Qualität der einzelnen Automobile kennen. Im Ergebnis würde dies dazu führen, dass es nicht nur einen Markt gibt, sondern fünf Märkte mit fünf Preisen. Damit würden dann auch die Automobile der besten Qualitätsgruppen auf dem Markt angeboten. Ein weiterer Bereich, in dem das Problem der asymmetrischen Informationen anzutreffen ist, sind Versicherungsmärkte. Die Versicherungsnehmer - z. B. Versicherte der Krankenversicherung, der Autoversicherung oder der Arbeitslosenversicherung - wissen im Normalfall wesentlich besser als die Versicherungen, wie hoch ihr <?page no="41"?> Digitalisierung und Preisbildung 41 Risiko ist, an einer Krankheit zu leiden, einen Autounfall zu verursachen oder arbeitslos zu werden. Durch die Übermittlung von individuellen Daten der Versicherten (z. B. die freiwillige Übermittlung von Fahrdaten oder die elektronische Überwachung der Lebensweise wie Sport treiben, Schlafverhalten und mehr, vgl. Haucap 2018a: 15f.) können die Versicherungen besser einschätzen, wie hoch die erwarteten Versicherungsschäden ausfallen. Damit können personenspezifische Versicherungsbeiträge berechnet und verlangt werden. Im Ergebnis kann es sogar zu vollkommen individualisierten Versicherungsprämien kommen, die sich an den individuell zu erwarteten Schäden orientieren. Denkbare Anwendungsbeispiele für die damit verbundenen Pay-as-you-live-Tarife finden sich vor allem im Gesundheitsbereich und bei den Kraftfahrzeugversicherungen (vgl. Wagner und Zentner 2019: 61-65 sowie Finger 2019: 267):  Beim Fahrverhalten lässt sich durch die Übertragung und Auswertung der Daten eines Versicherungsnehmers z. B. dessen Geschwindigkeits-, Beschleunigungs- und Bremsverhalten auswerten, was wiederum Rückschlüsse auf das individuelle Unfall- und Schadensrisiko zulässt. Über die zurückgelegten Strecken kann zudem eine kilometergenaue Versicherungsprämie berechnet werden.  Im Gesundheitsbereich können aus den Informationen über die von einer Person konsumierten Lebens- und Genussmittel sowie über deren sportliche Aktivitäten Schlussfolgerungen über die gesundheitlichen Risiken gezogen und für eine individuelle Versicherungsprämie genutzt werden. Aus derart individuellen Versicherungsprämien können sich jedoch ethisch problematische Folgen ergeben. So ist es durchaus denkbar, dass risikoabhängige Versicherungsprämien zumindest in einigen Bereichen gesellschaftlich nicht erwünscht sind. Dass vernünftig und langsam fahrende Personen einen geringeren Autoversicherungsbeitrag zahlen als Raser, dürfte auf wenig Widerstand treffen. Auch höhere Krankenversicherungsbeiträge für Raucher als für Nichtraucher könnten akzeptabel sein. Anders dürfte die Bewertung jedoch ausfallen, wenn Personen mit chronischen Krankhei- <?page no="42"?> 42 Diginomics verstehen ten, Erbkrankheiten etc. einen höheren Beitrag zahlen müssen als gesunde Personen. Dies könnte zu einer bisher gerade nicht erwünschten Entsolidarisierung führen (vgl. Haucap 2018a: 16). Gerade dieser Aspekt verdeutlicht, dass die voranschreitende Digitalisierung ein gesamtgesellschaftlicher Prozess ist, der politisch gestaltbar ist und auch einen politischen Gestaltungsprozess verlangt. Gleichzeitig ist aber auch zu bedenken, dass individuelle Versicherungsprämien Verhaltensänderungen zur Folge haben können, die sowohl aus Sicht des Einzelnen als auch der Gesamtgesellschaft positiv zu bewerten sind. Wenn ein risikoreiches Fahrverhalten zu einer höheren Kraftfahrzeugversicherungsprämie führt, kann diese monetäre Belastung den Versicherungsnehmer dazu bewegen, sein Fahrverhalten anzupassen. Denkbar wäre auch, dass eine App dem Fahrer eine Rückmeldung zu seinem Fahrstil gibt und ihn so motiviert, vorsichtiger zu fahren. Die Folgen wären ein geringeres individuelles Unfallrisiko und damit auch gesamtwirtschaftlich weniger Unfallschäden (vgl. Wagner und Zentner 2019: 66 sowie Finger 2019: 267). Ein denkbares Kriterium für die Frage, ob personalisierte Versicherungsbeiträge angemessen sind oder nicht, könnte der Grad der individuellen Beeinflussung eines Schadensfalls sein: Je stärker der Eintritt bzw. die Verhinderung eines versicherungsrelevanten Ereignisses von dem individuellen Verhalten des Versicherten abhängt, desto eher sind individualisierte Versicherungsprämien gerechtfertigt. Eine klare Grenze zwischen individuell beeinflussbaren Schäden und vom Einzelnen nicht zu verhindernden Schäden kann dabei jedoch nicht gezogen werden. 3.3 Manipulationsgefahren auf Bewertungsportalen Eine zentrale Voraussetzung für die skizzierte Funktionsfähigkeit von Plattformen ist aus Sicht der Verbraucher, dass die abgegebenen Bewertungen der Wahrheit entsprechen. Dies ist per se nicht garantiert: Unternehmen haben ein hohes Interesse an Bewertungen, die ihre eigenen Umsätze steigern. Hier sind zwei Wege möglich (vgl. Verbraucherzentrale Bayern e. V. 2018: 9): <?page no="43"?> Digitalisierung und Preisbildung 43  Zum einen können Kunden oder Dienstleister beauftragt werden, die angebotenen Leistungen des eigenen Unternehmens besser zu bewerten als sie tatsächlich sind.  Zum anderen haben die Unternehmen ein Interesse daran, dass negative Bewertungen für die Angebote von Konkurrenzunternehmen abgegeben werden. Daraus resultiert für die Unternehmen ein ökonomischer Anreiz, entsprechende Beurteilungen auf Bewertungsportalen (→ Box 2) zu platzieren. Unternehmen sind bereit, Dritte dafür zu bezahlen, dass diese Bewertung abgeben, die nicht den tatsächlichen Kundenerfahrungen entsprechen. Der Grund für diese Bereitschaft liegt darin, dass derartige Bewertungsportale als wichtige Entscheidungshilfe von Verbrauchern genutzt werden. Untersuchungen zeigen, dass rund zwei Drittel derjenigen, die Online-Angebote für ihre Käufe nutzen, auf solche Bewertungen zurückgreifen. Empfehlungen aus dem eigenen sozialen Umfeld spielen eine geringere Rolle (vgl. Verbraucherzentrale Bayern e. V. 2018: 7). Andere Studien kommen sogar zu der Einschätzung, dass über 80 Prozent aller Online-Konsumenten auf Bewertungsplattformen schauen, bevor sie ein Produkt kaufen bzw. eine Dienstleistung in Anspruch nehmen (vgl. Erenli 2015: 4). Dabei ist auch festzustellen, dass potenzielle Kunden stärker auf negative Bewertungen reagieren (und sich dann gegen einen Kauf entscheiden) als auf positive (vgl. Verbraucherzentrale Bayern e. V. 2018: 7). Derartige Fake-Bewertungen von - tatsächlichen oder angeblichen - Kunden gibt es u. a. für die Angebote von Online-Shops, Hotels, Handwerkern und anderen Dienstleistern. Dabei werden falsche Angaben teilweise auch von Reputation Management Agenturen platziert, die dafür von Unternehmen (im Fall von negativen Bewertungen sind es die Konkurrenzunternehmen) bezahlt werden. Fehlerhafte Kundenbewertungen sind für potenzielle Kunden fast noch schädlicher als gar keine Vergleichsmöglichkeiten, denn sie suggerieren eine Qualität, die nicht gegeben ist. Damit besteht die Gefahr, dass sich Verbraucher auf das Urteil anderer Kunden verlassen und selber keine weiteren Anstrengungen mehr unternehmen, um die tatsächliche Qualität des gewünschten Produkts her- <?page no="44"?> 44 Diginomics verstehen auszufinden. Das Ergebnis ist dann ein Fehlkauf in dem Sinne, dass für den gezahlten Preis eine schlechtere als die erwartete Qualität erworben wird. Dass Produkte und Dienstleistungen bewertet werden und diese Bewertungen den potenziellen Kunden als Entscheidungshilfe dienen, ist nicht neu. In Deutschland untersucht beispielsweise die 1964 gegründete Stiftung Warentest regelmäßig Waren und Dienstleistungen und veröffentlicht die Ergebnisse anschließend. Allerdings unterscheidet sich der damit verbundene Bewertungsansatz erheblich von dem Ansatz, der mit internetbasierten Bewertungsportalen verbunden ist (vgl. Erenli 2015: 9):  Bei dem Vorgehen der Stiftung Warentest handelt es sich um einen qualitativen Ansatz. Bei diesem klassischen Testverfahren bewerten Experten ein Produkt nach klar definierten Kriterien. Dies ermöglicht eine möglichst objektive Beurteilung. Die Einschätzungen der Kunden werden dabei nicht eingebunden, weil dies ohne digitale Technologien viel zu hohe Kosten verursachen würde. Das Ergebnis ist folglich eine reine Expertenmeinung.  Die Digitalisierung hat die Kosten für eine Bewertung von Produkten durch die Kunden erheblich reduziert. Bei diesem Bewertungsansatz handelt es sich um einen quantitativen Ansatz. Hier werden die subjektiven Bewertungen der Kunden eingesammelt und anschließend durch einen Algorithmus ausgewertet. Teilweise arbeiten Bewertungsportale ebenfalls mit vorgegebenen Kriterien. Es sind allerdings immer auch Kommentarfunktionen vorhanden. Expertenwissen ist mit diesem Ansatz „grundsätzlich nicht verbunden“ (Erenli 2015: 9). Der Vorteil des quantitativen Ansatzes besteht u. a. darin, dass die Ergebnisse unmittelbar verfügbar sind und eine große Zahl von Produkten bewertet werden kann. Bis die Ergebnisse einer Bewertung durch die Stiftung Warentest veröffentlicht sind, dauert es hingegen Monate (vgl. Stiftung Warentest 2019). Der Nachteil des quantitativen Ansatzes liegt in der beschriebenen Gefahr fehlerhafter Bewertungen. <?page no="45"?> Digitalisierung und Preisbildung 45 Box 2 | Bewertungsportale Es gibt unterschiedliche Formen einer Bewertung im Internet (vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Erenli 2015: 5-11). Eine Unterscheidung betrifft die Frage, ob es sich um eine eigenständige Plattform mit einem Betreiber handelt oder um eine Bewertungsmöglichkeit, die ein Unternehmen für seine Produkte und Dienstleistungen in die Internetseite des Unternehmens integriert. Diese Unterscheidung hat Auswirkungen auf die Regeln zur Teilnahme an den Bewertungen: Bei einer integrierten unternehmensgetriebenen Plattform wird häufig eine Registrierung verlangt, u. a. um zu prüfen, ob der Bewertung auch tatsächlich der Kauf eines Produkts oder die Inanspruchnahme einer Dienstleistung voranging. Damit werden zudem Mehrfachbewertungen verhindert. Bei einer eigenständigen Plattform ist hingegen nicht festzustellen, ob es sich um einen echten Kunden handelt. Bewertet werden können auf beiden Arten von Plattformen Produkte, Dienstleistungen (z. B. Restaurants, Hotels, Handwerksbetriebe), Unternehmen und schließlich auch natürliche Personen (Ärzte, Lehrer, Professoren). Sollten sich auf Bewertungsportalen fehlerhafte Bewertungen durchsetzen, wäre dies auch für die Unternehmen, die diese Strategie nicht anwenden und gleichzeitig Opfer von ungerechtfertigten negativen Bewertungen sind, ein großes Problem: Selbst wenn sie bessere Produkte anbieten als Unternehmen, die für manipulierte Bewertungen sorgen, könnten sie dennoch von den manipulierenden Anbietern verdrängt werden. Das wäre eine digitalisierungsbedingte adverse Selektion. <?page no="46"?> 46 Diginomics verstehen Glücklicherweise haben die Betreiber von eigenständigen Bewertungsportalen im Internet selber einen ökonomischen Anreiz, falsche Bewertungen zu identifizieren und umgehend zu löschen. Diese Portale erzielen ihre Einnahmen dadurch, dass die Händler, Geschäftsinhaber und Unternehmen, die bewertet werden, Geld an den Portalbetreiber zahlen (z. B. Provisionen je Klick oder je Kauf oder ein Entgelt für eine Werbefläche). Ein Bewertungsportal lebt dabei von dem Vertrauen, das potenzielle Kunden gegenüber dem Portal haben. Wird dies dadurch enttäuscht, dass Nutzer falsche Bewertungen abgeben und dies bekannt wird, verliert das Portal Verbraucher. Damit wird es auch für die Unternehmen uninteressant. Portalbetreiber setzen daher verschiedene Instrumente ein, um die Qualität der abgegebenen Bewertungen zu überprüfen (vgl. Verbraucherzentrale Bayern e. V. 2018: 7, 40). Auch wenn sich fehlerhafte Beurteilungen nicht vollständig ausschließen lassen, können Bewertungsportale also Maßnahmen ergreifen, die diese Gefahr reduzieren. Dies ist auch dringend erforderlich, denn falsche Bewertungen sind eine Realität. Auch wenn es schwierig ist, das genaue Ausmaß falscher Bewertungen zu quantifizieren, gibt es immerhin grobe Schätzungen. Sie liegen je nach Plattform bei bis zu 15 oder sogar 25 Prozent falscher Bewertungen (vgl. Erenli 2015: 6 und Verbraucherzentrale Bayern e. V. 2018: 8). Bei aller berechtigten Kritik darf jedoch nicht übersehen werden, dass Bewertungs- und Vergleichsportale die Informationsmöglichkeiten der Verbraucher erweitern und damit die Konsumentensouveränität stärken (vgl. Grundhöfer et al. 2017: 2). 3.4 Aufbau neuer Informationsasymmetrien Obwohl die Digitalisierung und Computerisierung grundsätzlich das Potenzial haben, die Markttransparenz zu erhöhen und damit bestehende Informationsunterschiede abbauen, besteht auch die Möglichkeit, dass diese Technologien zum Entstehen von neuen Informationsasymmetrien führen. <?page no="47"?> Digitalisierung und Preisbildung 47 So können beispielweise die Anbieter von Produkten mithilfe der systematischen Big-Data-Analyse Informationen über die maximale Zahlungsbereitschaft der einzelnen potenziellen Kunden gewinnen. Diese Informationen können wiederum genutzt werden, um jedem einzelnen Interessenten einen individuellen Preis anzubieten, der möglichst dicht an dem Preis liegt, den der potenzielle Kunde maximal zu zahlen bereit ist. Solche personalisierten Preise erhöhen den Gewinn der Anbieter zulasten der Verbraucher (vgl. ausführlicher → Abschnitt 3.7). Konsumenten haben hingegen nicht die Möglichkeit, mit den im Internet zur Verfügung stehenden Informationen ableiten zu können, wie hoch die Produktionskosten eines Anbieters sind. Daher können sie schwerer einschätzen, ob der geforderte Preis angemessen ist oder nicht. Diese Informationsasymmetrie ist aus Sicht der Verbraucher zudem problematisch, wenn die Unternehmen mit personalisierter Werbung arbeiten. Bei dieser Form der Werbung wird das Suchverhalten eines Nutzers im Internet analysiert. Wer sich beispielsweise im Internet über Waschmaschinen informiert, sieht daraufhin Werbeangebote für andere Waschmaschinen sowie für Waschmittel und ähnliche Produkte auf seinem Bildschirm. Das ist an sich sinnvoll, weil es den potenziellen Kaufinteressen des Internetnutzers entspricht: Der Nutzer erhält dadurch weniger Werbung, die ihn gar nicht interessiert (vgl. Dewenter 2018: 9). Problematisch wird es jedoch, wenn bei dieser Werbung auch andere Informationen verwendet werden. Sollte sich der Internetnutzer vorher für teure Markenkleidung interessiert hat, kann dies zur Folge haben, dass durch die personalisierte Werbung nur hochpreisige Waschmaschinen und Zusatzprodukte angeboten werden. Die Folge wäre, dass mögliche Kunden selektive Informationen erhalten, also z. B. nur teure Angebote, aber nicht die vollständige Übersicht über alle Angebote. Im Ergebnis kann dies dazu führen, dass der Kunde auf Basis der personalisierten Werbung ein Produkt kauft, das gemessen an seinen Präferenzen nicht optimal ist. Ein weiterer Aspekt der ungleich verteilten Informationen betrifft den Wert von persönlichen Daten. Viele Onlinedienste wie z. B. Suchmaschinen, Nachrichtenseiten oder soziale Netzwerke bieten <?page no="48"?> 48 Diginomics verstehen ihre Dienste an, ohne dafür einen in Geldeinheiten ausgedrückten Preis zu fordern. Diese Angebote scheinen also kostenlos zu sein. Tatsächlich aber zahlen die Nutzer „mit der Bereitstellung ihrer Daten den »Preis des Kostenlosen«“ (Buxmann 2018: 18). Die Dienstleister verwenden diese Daten für ihre Geschäftsmodelle, die auf der Sammlung, Analyse und Verwertung von Nutzerdaten basieren. Damit können sie den Wert der Nutzerdaten einigermaßen gut abschätzen. Welchen Wert diese persönlichen Daten für die Unternehmen haben, wissen die Nutzer jedoch nicht. Wenn die Nutzer aber gar nicht wissen, welchen Preis bzw. kommerziellen Wert ihre persönlichen Daten haben (vgl. Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen 2018: 17), können sie auch nicht einschätzen, ob der Preis für die in Anspruch genommene Dienstleistung angemessen ist oder nicht. Es besteht also die Gefahr, dass die Verbraucher ihre persönlichen Daten für einen zu geringen Preis abgeben und damit die Gewinne der Onlinedienstleister erhöhen. Diese Problematik wird bei der Diskussion des Themas „Wert der Daten“ unter Wachstumsaspekten im → Abschnitt 9.5 vertieft. Ohne einen echten Markt für Daten wird es also schwer möglich sein, deren wirtschaftlichen Wert richtig zu quantifizieren. Modellhafte Berechnungen bringen nur einen begrenzten Erkenntnisgewinn. Ein Grund dafür ist der Umstand, dass der Wert personenbezogener Daten immer von dem Geschäftsmodell abhängt, in dessen Kontext diese Daten ökonomisch genutzt werden. Dazu nur ein Beispiel: Ein durch verschiedene Studien untersuchter Fall für den wirtschaftlichen Wert von Daten sind die Mobilitätsdaten der privaten Fahrzeugnutzer in Deutschland (vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen BMVI 2017: 73f.). Je nach Studie wird der Wert dieser Daten - also der Mobilitätsbzw. Positionsdaten in Kombination mit den Fahrzeugdaten - mit rund 350,- Euro pro Fahrzeug und Jahr bis 500,bzw. sogar 650.- Euro angegeben. Letztendlich ist es somit bisher schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, den monetären Wert personenbezogener Daten seriös zu quantifizieren. Ein letztes zu behandelndes Informationsproblem betrifft das so genannte Informationsparadoxon. Dieses Paradoxon besagt Folgendes: Der potenzielle Käufer einer Information weiß nicht, wel- <?page no="49"?> Digitalisierung und Preisbildung 49 che Qualität eine ihm angebotene Information hat und ob sich der Kauf dieser Information für den vom Anbieter geforderten Preis lohnt. Bei einem physischen Gut, z. B. einem Auto, kann sich ein Verbraucher über die Eigenschaften des Produkts informieren, in dem er eine Probefahrt durchführt, Onlinebewertungen auswertet oder Bekannte befragt, die dieses Auto benutzen (vgl. Hoffmann 2007: 77). Diese Informationen über das potenzielle Kaufobjekt wird auch der Anbieter gerne bereitstellen, weil er damit die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass er sein Produkt verkaufen kann. Bei der Bewertung von Informationen funktioniert dieses Vorgehen nicht: Wenn ein Leser sich für einen Onlineartikel interessiert, der jedoch erst nach der Zahlung einer Gebühr sichtbar wird, weiß er vor dem Lesen nicht, ob der Text wirklich die Informationen enthält, die die Überschrift und die einführenden Sätze erwarten lassen und die ihn interessieren. Um dies richtig einschätzen zu können, müsste ihm der Anbieter des Textes dessen Inhalt offenlegen. Dies wird jedoch nicht passieren, denn damit kennt der potenzielle Kunde bereits den Inhalt, ohne die Gebühr zu zahlen. Die Auflösung der Informationsasymmetrie ist daher nicht im Interesse des Verkäufers. Sie bleibt folglich bestehen, was die Zahlungsbereitschaft eines Verbrauchers reduziert. Bei einer geringen Zahlungsbereitschaft ist es durchaus möglich, dass der vom Anbieter geforderte Preis über der maximalen Zahlungsbereitschaft der Kunden liegt und es somit nicht zu einem Kauf der Informationen kommt. Hieraus ergibt sich ein Dilemma: Ein Kauf kommt nur zustande, wenn der Kunde mehr Informationen über die Qualität des Informationsguts hat. Wenn er diese Informationen jedoch vor dem Kauf erhält, besitzt er bereits die gewünschten Informationen. Der Kauf kommt daher auch in diesem Fall nicht zustande (vgl. Linde 2007: 11 und Hoffmann 2007: 77f.). Dieses Dilemma ist keineswegs neu. Es geht auf den Wirtschaftsnobelpreisträger Kenneth Arrow zurück, der diese Überlegungen bereits Anfang der 1960er entwickelte. Es gewinnt jedoch im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung zunehmend an Relevanz, weil auch die Bedeutung von Informationsgütern zunehmen dürfte. Glücklicherweise gibt es allerdings Instrumente zum Abbau der <?page no="50"?> 50 Diginomics verstehen Informationsasymmetrien, die anschließend zum Abschluss eines Kaufs führen können. Beispiele sind Probebzw. Testabonnements in Form eines temporären Zugangs zu den Informationsdienstleistungen oder Testversionen von Softwareprogrammen. Letztere können zeitlich begrenzt sein oder nur mit eingeschränkten Funktionalitäten ausgestattet sein (vgl. Hoffmann 2007: 79f.). Perspektivisch dürfte der Einsatz dieser Instrumente im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung zunehmen. 3.5 Angebotskurve bei Null-Grenzkosten Viele digitale Güter zeichnen sich durch geringe variable Kosten aus. Im Extremfall können die Grenzkosten sogar gegen null tendieren. Konkret bedeutet dies, dass zusätzliche Gütereinheiten angeboten werden, ohne dass damit zusätzliche Kosten anfallen. Beispiele sind die Vervielfältigung bzw. Kopie von Musik-, Text- und Filmdateien. Auf einem Markt mit vollständiger Konkurrenz ergibt sich dann folgendes Problem: Grundsätzlich erzielt ein Anbieter den höchsten Gewinn, wenn er die Menge anbietet, bei der die Grenzkosten mit dem Grenzerlös bzw. dem Marktpreis übereinstimmen. Bei Grenzkosten in Höhe von null entspricht die Angebotskurve jedoch der Mengenachse. Die Folge ist ein Marktgleichgewicht, bei dem der Preis gleich den Grenzkosten - also null - ist (Punkt Q A in → Abb. 5). Dies ist jedoch keine praktikable Lösung, weil damit Verluste für das Unternehmen entstehen, denn dessen Fixkosten werden nicht gedeckt. Langfristig resultiert in diesem Fall ein Monopol: Unter der Berücksichtigung von Fixkosten (→ Box 3) setzt sich der Anbieter durch, der die größte Menge anbietet - also letztendlich die gesamte am Markt gehandelte Menge. Die Monopolisierung lässt sich wie folgt erklären: Eine wichtige Voraussetzung für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ist, dass die Durchschnittsbzw. Stückkosten des von ihm angebotenen Produkts geringer sind als der herrschende Marktpreis. Sollte dies nicht der Fall sein, könnte das Unternehmen nicht alle Kosten durch den Erlös decken. Die Stückkosten ergeben sich, indem die Summe aus Fix- <?page no="51"?> Digitalisierung und Preisbildung 51 kosten und variablen Kosten durch die Anzahl der hergestellten Gütereinheiten dividiert wird. Bei hohen Fixkosten hat eine permanente Erhöhung der Produktionsmenge zur Folge, dass die Stückkosten immer weiter sinken. Das bedeutet: Das Unternehmen, das die größte Menge an Gütern herstellt, hat die geringsten Stückkosten. Damit kann es auch den geringsten Preis aller Anbieter verlangen. Im Ergebnis verdrängt das Unternehmen mit der größten Produktionsmenge alle anderen Anbieter vom Markt und produziert schließlich die gesamte am Markt gehandelte Gütermenge. Box 3 | Volkswirtschaftliche Kostenarten Für die volkswirtschaftlichen Analysen spielen vier Kostenarten eine zentrale Rolle. Kurzfristig ist die Einsatzmenge einiger Produktionsfaktoren nicht veränderbar (z. B. der Einsatz von Gebäuden und Maschinen). Die mit diesen Faktoren verbundenen Kosten fallen folglich unabhängig von der produzierten Menge an. Diese Kosten sind die Fixkosten. Die variablen Kosten sind hingegen die Kosten der Faktoren, deren Einsatzmengen von der produzierten Menge abhängen (z. B. Energieverbrauch, notwendige Rohstoffe und Vorprodukte). Die Durchschnittskosten geben an, wie hoch die durchschnittlichen Kosten einer produzierten Gütereinheit sind. Die Grenzkosten sind schließlich die zusätzlichen Kosten, die entstehen, wenn die Outputmenge um eine Einheit erhöht wird (formal-mathematisch korrekt: für eine infinitesimal kleine Erhöhung der Produktionsmenge). Ein Monopolist bietet die Menge an, bei der der Grenzerlös gleich null ist (die Gewinnmaximierung verlangt, wie bereits erwähnt, die Einhaltung der Regel „Grenzerlös gleich Grenzkosten“). Angeboten wird diese Menge zu einem Preis (P B ), der der maximalen Zahlungsbereitschaft der Konsumenten für die Menge X B entspricht, sofern dieser Preis mindestens den Durchschnittskosten gleichkommt (→ Abb. 5). <?page no="52"?> 52 Diginomics verstehen 5 | Marktgleichgewicht bei Grenzkosten von null und der damit verbundenen Monopolbildung »Das Gewinnmaximum eines Monopolisten liegt dort, wo der Erlös der letzten verkauften Gütereinheit (Grenzerlös) mit den Grenzkosten der Produktion übereinstimmt. Die Grenzkostenkurve ist bei Grenzkosten von null mit der Gütermengenachse identisch. Die Grenzerlöskurve beginnt im gleichen Punkt wie die Nachfragekurve, hat aber eine doppelt so hohe Steigung. Die gewinnmaximale Gütermenge liegt folglich beim Punkt X B .« 3.6 Kundenbindung durch Umstellungs- und Wechselkosten Eine weitere Besonderheit vieler digitaler Güter und der damit verbundenen Plattformen besteht darin, dass Unternehmen den Wechsel zu einem anderen Anbieter erschweren können, indem sie die Kosten dieses Wechsels erhöhen. Das ist der in → Abschnitt 1 er- Nachfragekurve Preis (P) Gütermenge (X) Grenzerlöskurve ● ● Q A P B Q B X B ● <?page no="53"?> Digitalisierung und Preisbildung 53 läuterte Lock-in-Effekt. Ein Lock-in-Effekt liegt auch vor, wenn es zu einer Bündelung von Angeboten kommt. Die Kombination eines Druckers mit einer Tintenpatrone ist dafür ein Beispiel (vgl. Varian 2003: 21f.): Wenn ein Kunde erst einmal einen Drucker erworben hat, zu dem nur eine ganz bestimmte Marke von Tintenpatronen passt, muss er diese kaufen, selbst wenn andere Patronen preiswerter sind. Der Wechsel zu Patronen mit einem geringeren Preis macht den vorherigen Kauf eines neuen Druckers erforderlich, was wiederum hohe Wechselkosten bedeutet. Hohe Umstellungskosten verhindern also in vielen Fällen den Wechsel zu einem qualitativ gleichwertigen Produkt, das weniger kostet. Damit unterbleiben Preissenkungen und Wohlfahrtssteigerungen. Ohne die Wechselkosten würde sich auf einem Markt mit vollständiger Konkurrenz (VK) ein Gleichgewicht mit der Menge X VK und dem Gleichgewichtspreis P VK einstellen. Der Anbieter nutzt jedoch seine mit den hohen Wechselkosten verbundene Marktmacht aus, um seinen Gewinn zu steigern. Er bietet eine geringere Menge zu einem höheren Preis an (Gleichgewichtspunkt Q LiE in → Abb. 6 mit LiE = Lock-in-Effekt). Die Verbraucher bezahlen diese Gewinnsteigerung mit einem höheren Preis (P LiE  P VK ), weil sich ein Wechsel zu einem anderen Anbieter wegen der bestehenden Wechselkosten nicht lohnt. Die Folge ist ein gesamtwirtschaftlicher Wohlfahrtsverlust (Fläche Q LiE Q VK Q‘, → Box 4). Erst wenn der Anbieter den Preis für sein Produkt zu weit erhöht (die Preisdifferenz ist größer als die Höhe der Wechselkosten), lohnt sich für die Konsumenten ein Anbieterwechsel. Die Kunden des Unternehmens würden dann zu anderen Anbietern wechseln, die für das Produkt den Preis P VK verlangen. Damit würde auch der Wohlfahrtsverlust eliminiert. Sollte es jedoch bei den andren Anbietern ebenfalls Lock-in-Effekte geben, könnten auch sie nach kurzer Zeit ihren Preis erhöhen, woraus sich dann wiederum ein Wohlfahrtsverlust ergibt. <?page no="54"?> 54 Diginomics verstehen 6 | Marktgleichgewicht bei einem Lock-in-Effekt »Ein gewinnmaximierendes Unternehmen bietet im Fall der vollständigen Konkurrenz (VK) stets die Gütemenge an, bei der die Grenzkosten der Produktion mit dem Marktpreis übereinstimmen. Wenn es für die Kunden Wechselkosten gibt, kann der Anbieter jede beliebige Menge zu einem höheren Preis anbieten: Wegen der Wechselkosten bleiben ihm die Kunden selbst bei diesem höheren Preis treu. Mit dem höheren Preis (P LIE ) erzielt der Anbieter einen höheren Gewinn je verkaufter Gütereinheit. Die nachgefragte Menge geht jedoch zurück auf X LIE .« Mit Blick auf Online-Dienste besteht der Lock-in-Effekt, wie bereits erwähnt, vor allem in dem Zeitaufwand für die Anmeldung. Die Wechselkosten ließen sich durch eine Vereinfachung des erstmaligen Anmeldeprozesses verringern. Für das betreffende Unternehmen ist dies jedoch nicht notwendigerweise sinnvoll. Das Unternehmen kann mit hohen Wechselkosten einen einmal gewonnenen Kunden an sich binden und anschließend den Preis bzw. die Gebühren für die Inanspruchnahme der Dienstleistung erhöhen. Dies steigert den Ge- Nachfragekurve Preis (P) Gütermenge (X) Angebotskurve = Grenzkostenkurve Grenzkostenkurve + Wechselkosten ● ● Q VK Wechselkosten X VK P VK Q LIE X LIE P LIE ● Q‘ ● ● a b <?page no="55"?> Digitalisierung und Preisbildung 55 winn. Sofern der Preisanstieg nicht so stark ausfällt, dass sich ein Anbieterwechsel für den Kunden lohnt, ist trotz der Preiserhöhung kein mengenmäßiger Umsatzrückgang zu befürchten. Zudem kann ein vereinfachter Anmeldeprozess aber auch die Chance bieten, „sich von anderen, konkurrierenden Webseiten abzuheben und zusätzliche Nutzer zu gewinnen“ (Krämer 2018: 468). Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass die Aussicht auf (spätere) höhere Preise und Gewinne möglicherweise die Voraussetzung ist, ein anfangs noch verlustbringendes Geschäftsmodell zu beginnen. So erlaubt es beispielsweise die mit einem Lock-in-Effekt verbundene Möglichkeit, einen höheren Preis als die Grenzkosten zu fordern, den Anbietern von Netzwerkdienstleistungen, die anfänglichen Verluste, die mit dem Erreichen der kritischen Netzwerkgröße verbunden sind (→ Abschnitt 3.1), auszugleichen. So gesehen hat der Lock-in-Effekt auch eine positive Konsequenz: Erst die Aussicht auf Gewinne in der Zukunft durch Preisaufschläge in Höhe der Wechselkosten bewegen den Anbieter einer Dienstleistung mit einem Netzwerkgutcharakter dazu, in der Anfangsphase Verluste zu akzeptieren, die für das Erreichen der Mindestzahl von Netzwerkteilnehmern erforderlich ist. Box 4 | Konsumentenrente, Produzentenrente und gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt Die Konsumentenrente ist ein Maß für die Vorteile, die ein privater Haushalt daraus zieht, dass er eine bestimmte Menge eines Gutes kauft und konsumiert. Wenn beispielsweise ein Produkt 6,50 Euro kostet und der Haushalt bereit wäre, 9,00 Euro zu bezahlen, hat die in Geldeinheiten ausgedrückte Konsumentenrente dieser Produkteinheit eine Höhe von 2,50 Euro. Mit Blick auf den gesamten Markt, also alle Verbraucher, wird die Konsumentenrente in einem Preis-Mengen-Diagramm durch die Fläche zwischen der Nachfragekurve und dem Marktpreis dargestellt. Im Fall der vollständigen Konkurrenz entspricht die Konsumentenrente in Abbildung 6 der Fläche a Q VK P VK . <?page no="56"?> 56 Diginomics verstehen Die Produzentenrente ist ein Maß für die Vorteile, die ein Unternehmen daraus zieht, dass es eine bestimmte Menge eines Gutes produziert und verkauft. Wenn ein Produkt für einen Marktpreis von 6,50 Euro verkauft werden kann und die Produktionskosten bei 5,00 Euro liegen, hat die in Geldeinheiten ausgedrückte Produzentenrente dieser Produkteinheit eine Höhe von 1,50 Euro. Mit Blick auf den gesamten Markt, also alle Unternehmen, wird die Produzentenrente durch die Fläche zwischen dem Marktpreis und der Angebotskurve dargestellt. Im Fall der vollständigen Konkurrenz entspricht die Produzentenrente in Abbildung 6 der Fläche b Q VK P VK . Die Summe aus Konsumenten- und Produzentenrente ist schließlich ein Maß für die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt. Sie entspricht der Fläche a Q VK b. 3.7 Preisdifferenzierung Ein weiterer hier zu behandelnder Aspekt betrifft die Möglichkeit, dass Anbieter Informationen über die Präferenzen und Zahlungsbereitschaften potenzieller Kunden haben und diese Informationen für kundenindividuelle Preiseangebote nutzen, um so den Gewinn zu maximieren. Grundsätzlich sollte die höhere Markttransparenz, die sich im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung ergibt, dazu führen, dass es für ein bestimmtes Produkt nur einen Preis gibt, der zumindest kurzfristig stabil ist. Tatsächlich aber zeigen Untersuchungen, dass es bei Online-Händlern innerhalb kürzester Zeit erhebliche Preisschwankungen gibt. 2014 zeigte sich, dass der Preis für eine hochwertige Kamera in einem Zeitraum von 72 Stunden zwischen 700 und 1.680 Euro schwankte (vgl. Remmel 2016: 875). Ein Grund für diese hohe Preisvolatilität können so genannte personalisierte Preise sein. Hierbei handelt es sich um kundenindividuelle Preise, die die Online-Anbieter von unterschiedlichen Personen verlangen. Die Höhe des personalisierten Preises hängt von nutzerbezogenen Eigenschaften ab. Neben sozioökonomischen Ei- <?page no="57"?> Digitalisierung und Preisbildung 57 genschaften wie Alter und Geschlecht zählt zu den preisbestimmenden Faktoren beispielsweise auch das Suchbzw. Surfverhalten (vgl. Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. 2016: 3). Personen, die sich vor der Suche nach einer Pauschalreise für Luxusuhren und Sportwagen interessiert haben, kann tendenziell ein höherer Preis abverlangt werden als Personen, deren Internetsuchverhalten sich auf preiswerte Produkte beschränkt. Auch das verwendete Endgerät kann eine Rolle spielen. So zeigte eine zwischen August und Oktober 2015 in Deutschland durchgeführte Untersuchung, dass bei hochwertigen Pauschalreisen die Preisangebote, die einem Interessenten mit einem Windows-Betriebssystem unterbreitet wurden, systematisch unter den Preisen lagen, die bei der Verwendung eines Apple-Betriebssystems verlangt wurden (im Durchschnitt rund 2.400 Euro versus 2.700 Euro, vgl. Schleusener und Hosell 2016: 21). Auch wenn das Phänomen der personalisierten Preise bisher nur vereinzelt nachweisbar ist (vgl. Zander-Hayat, Domurath und Groß 2016: 2), ist es durchaus plausibel, dass mit der Weiterentwicklung der Datensammlung und der Datenauswertung sowie der verwendeten Algorithmen dieses Phänomen an Bedeutung gewinnt. Diese Entwicklung ist problematisch, weil die potenziellen Kunden oft gar nicht wissen, dass von ihnen andere Preise gefordert werden als von den übrigen Kunden. Das unternehmerische Ziel dieser Preissetzung ist es, die maximale Zahlungsbereitschaft der Kunden so weit wie möglich abzuschöpfen. In einem - aus Sicht eines gewinnmaximierenden Unternehmens - theoretischen Idealfall müsste jeder einzelne Kunde einen Preis zahlen, der exakt seiner maximalen Zahlungsbereitschaft für die entsprechende Mengeneinheit entspricht. Mit Blick auf → Abbildung 7 bedeutet diese maximale Anwendung der Preisdiskriminierung Folgendes: Die am Markt angebotene und nachgefragte Menge entspricht der Menge, die sich im Fall der vollständigen Konkurrenz einstellt (X VK ). Die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt wird daher auch bei einer derartigen Preisdifferenzierung maximiert. Allerdings schöpfen die Anbieter die Konsumentenrente komplett ab, sodass die Produzentenrente der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt (Fläche a Q VK b) entspricht. <?page no="58"?> 58 Diginomics verstehen 7 | Wohlfahrtseffekte bei vollständiger Preisdiskriminierung ohne Preisdiskriminierung mit Preisdiskriminierung Konsumentenrente a Q VK P VK - Produzentenrente b Q VK P VK a Q VK b gesell. Wohlfahrt a Q VK b a Q VK b »Die Nachfragekurve gibt an, wie groß die maximale Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für jede beliebige Gütermenge ist. Bei einer geringen Menge nahe null ist die maximale Zahlungsbereitschaft sehr hoch. Sie wird durch den Punkt a dargestellt. Bei der Menge X VK entspricht sie dem Preis P VK . Die Konsumentenrente gibt an, wie hoch der Nettonutzen ist, den die Verbraucher daraus ziehen, dass sie die Menge X VK zum Preis P VK kaufen und konsumieren. Sie entspricht der Fläche a Q VK P VK .« Nachfragekurve Preis (P) Gütermenge (X) Angebotskurve ● ● Q VK X VK P VK a ● b <?page no="59"?> Digitalisierung und Preisbildung 59 Das Phänomen der Preisdifferenzierung gibt es nicht erst seit dem Einsatz digitaler Technologien. Digitale Technologien reduzieren jedoch für die Unternehmen in erheblichem Ausmaß die Kosten, die mit individuellen Preisangeboten verbunden sind. Dazu ein Beispiel: Im Verlagswesen ist zu erwarten, dass diejenigen, die das Buch eines bestimmten Autors besonders schätzen, bereit sind, einen höheren Preis für dessen Roman zu zahlen als jemand, der nur schnell eine Urlaubslektüre sucht. Verlage schöpfen einen Teil dieser höheren Zahlungsbereitschaft ab, indem sie zunächst eine aufwendigere Hardcover-Version anbieten und nach einiger Zeit eine preiswertere Paperback-Ausgabe. Bei der ersten Version kann der Preis signifikant über den Produktionskosten liegen - die Liebhaber des Romanautors werden sich davon nicht abhalten lassen. Aus Sicht des Unternehmens ist diese betriebswirtschaftlich lohnende Strategie jedoch mit Kosten verbunden, denn es müssen unterschiedliche Varianten des Buchs produziert werden. Bei dem Einsatz personalisierter Preise wird hingegen ein unverändertes Produkt angeboten. Die Kosten für das Unternehmen bestehen lediglich in der Big-Data-Analyse, die Informationen über die individuellen Zahlungsbereitschaften der Kunden liefert. Sofern sich die Analysekosten zukünftig weiter verringern, ist mit einer Zunahme dieser Preisstrategie zu rechnen. Relevant wird dieses Phänomen beim Online-Handel mit einer Plattform, wenn die Kunden sich dort anmelden und die dafür erforderliche einmalige Anmeldung viele Informationen verlangt. In diesem Fall liegt der in → Abschnitt 3.6 beschriebene Lock-in- Effekt vor. Das bedeutet: Selbst wenn der Kunde weiß, dass er das gewünschte Produkt an anderer Stelle für einen etwas geringeren Preis erwerben kann, schrecken ihn die dafür erforderlichen erneuten Anmeldeformalität ab, sodass er letztendlich den höheren individuellen Preis akzeptiert. Dies gilt in noch stärkerem Maße, wenn der Anbieter seinen Kunden nicht nur ein einzelnes Produkt verkauft, sondern gleich ein Bündelprodukt. Ein Beispiel dafür ist Amazon Prime: Hier bekommt ein Kunde nicht nur das Recht auf Expresslieferung durch Amazon, sondern zusätzlich noch den Zugang zu einem Musikportal und einem Videoportal mit Spielfilmen <?page no="60"?> 60 Diginomics verstehen und Fernsehserien (vgl. Schäfer und Bieg 2016: 15). Falls der Kunde bei einer Erhöhung der Preise durch Amazon seinen Online- Händler wechselt, müsste er ggf. auch neue Anbieter für das Musik- und das Videoportal suchen. Die Gefahr, einen höheren als den eigentlichen Marktpreis zu zahlen, lässt sich dadurch vermindern, dass auch die Verbraucher auf digitale Technologien zurückgreifen, „um die für sie jeweils günstigsten erreichbaren Preise zu realisieren“ (Schleusener 2016: 871). Im theoretischen Idealfall müsste also eine Art „Waffengleichheit“ in dem Sinne herrschen, dass Verbraucher ebenfalls über leistungsfähige Algorithmen und Datenzugänge verfügen, die für einen gleichen Informationsstand sorgen wie aufseiten der Unternehmen. Erste Ansätze dazu gibt es bereits. So wenden bespielweise statistische Ämter das so genannte Web-Scraping an. Hierbei handelt es sich um eine computergestützte automatisierte Preiserhebung im Bereich des Online-Handels. Mit diesem Instrument können die Preise im Internet systematisch erfasst werden und Preisänderungen festgestellt werden (vgl. Schäfer und Bieg 2016: 8). Da diese Technologien jedoch gegenwärtig für die Verbraucher noch nicht zur Verfügung stehen, sind staatliche Maßnahmen notwendig, die die Verbraucher schützen. Der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen, der sich „grundsätzlich gegen die Anwendung personalisierter Preise auf Basis personenbezogener Daten“ ausspricht, empfiehlt u. a. die folgenden Maßnahmen (vgl. Zander-Hayat, Domurath und Groß 2016: 7-9): Preisangebote müssen als personalisierte Preise ausgewiesen werden. Die Kriterien, mit deren Hilfe Algorithmen personalisierte Preise festlegen, müssen offengelegt werden. Verbraucher müssen die Wahl zwischen personalisierten und nicht personalisierten Preisen haben. Das bedeutet, dass personalisierte Preise nur angeboten werden dürfen, wenn der Kunde dafür seine ausdrückliche Einwilligung gegeben hat. Sofern diese Einwilligung nicht erfolgt, dürfen dem Kunden daraus keine Nachteile entstehen. Schließlich sollte ein Einkauf stets auch ohne die Eröffnung eines Kundenkontos möglich sein, weil dann die dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Kundeninformationen geringer sind und es dem Unter- <?page no="61"?> Digitalisierung und Preisbildung 61 nehmen schwer fällt, die maximale Zahlungsbereitschaft der Kunden auszunutzen. Aber selbst wenn der Gesetzgeber dieser Forderung nicht nachkommen sollte, ist es keineswegs ausgemacht, dass sich der Einsatz personalisierter Preise - dort, wo er technisch möglich ist - auch tatsächlich flächendeckend durchsetzt. Wenn einzelne Kunden im Bekannten- und Freundeskreis erfahren, dass sie für ein identisches Produkt einen signifikant höheren Preis gezahlt haben als andere, kann dies schnell zu Unmut führen. Diejenigen, die einen höheren Preis bezahlt haben, werden dies als unfair ansehen (vgl. zur Bedeutung von Fairnesserwägungen für die Preisbildung Cavallo 2018: 29 und die dort angegebene Literatur). Diese Einschätzung kann sie dazu bewegen, bei dem betreffenden Unternehmen keine weiteren Produkte zu erwerben. Für das Unternehmen bedeutet dies Umsatzeinbußen. Besonders groß ist die Gefahr von Umsatzeinbußen, wenn Kunden auf den bereits erwähnten Bewertungsplattformen oder in sozialen Netzwerken diese Preispolitik eines ganz bestimmten Unternehmens anprangern. Wenn sich im Netz erst einmal herumspricht, dass ein Unternehmen durch zum Teil überhöhte Preise seine Kunden ausnutzt, kann das zu erheblichen Absatzproblemen führen. Die Angst vor diesen negativen Auswirkungen könnte Unternehmen davon abhalten, das Instrument der personalisierten bzw. individualisierten Preisen einzusetzen. Neben einer von den Anbietern ausgehenden Preisdifferenzierung gibt es auch Fälle, in denen die letztendlich vereinbarte Höhe des Preises von den Verbrauchern ausgeht. Beispiele hierfür sind Handwerker-Auktionsseiten, bei denen Kunden eine Dienstleistung, die sie benötigen, beschreiben und diese Beschreibung mit ihrer Preisvorstellung inserieren. Auch in diesem Fall kann es passieren, dass es für identische Dienstleistungen kundenspezifische Preise gibt. Die daraus resultierenden individualisierten Preise werden jedoch von der Kundenseite gesteuert (vgl. Schäfer und Bieg 2016: 9). Von individualisierten bzw. personalisierten Preisen zu unterscheiden ist die so genannte dynamische Preissetzung. Bei dieser Preissetzungsstrategie variiert der Preis im Zeitablauf. Während also bei personalisierten Preisen zum gleichen Zeitpunkt von ver- <?page no="62"?> 62 Diginomics verstehen schiedenen Personen unterschiedliche Preise zu bezahlen sind, zahlen bei der dynamischen Preisbildung alle Kunden zu jedem Zeitpunkt den gleichen Preis. Dieser kann sich aber in kurzer Zeit ändern. Die Festlegung der wechselnden Preishöhe im Zeitablauf erfolgt ebenfalls mithilfe von Algorithmen. Diese werten die Marktbedingungen aus und passen den Preis an Angebots- und Nachfrageschwankungen an (vgl. Schäfer und Biege 2016: 16). Untersuchungen zeigen, dass Online-Märkte in ihrer Preisgestaltung flexibler sind als herkömmliche Anbieter. Sie reagieren sensibler auf geänderte Rahmenbedingungen der Märkte wie z. B. Wechselkursänderungen oder Energiepreisschwankungen (vgl. Cavallo 2018: 28). Die digitalisierungsbedingte höhere Preisflexibilität kann den Ausgleich von Angebot und Nachfrage schneller herbeiführen. Grundsätzlich ist zu erwarten, dass Unternehmen stets versuchen, ihre Preise an geänderte Angebots- und Nachfragebedingungen anzupassen. Praktisch ist dies in der Vergangenheit jedoch eher selten der Fall gewesen. Im stationären Einzelhandel sind derartige Preisänderungen mit einem relativ hohen Aufwand verbunden. Preisauszeichnungen müssen physisch ausgewechselt werden. Zudem ist nicht klar, wie die Nachfrager auf den geänderten Preis reagieren. Falls bei einer höheren Nachfrage der durch das Unternehmen beschlossene Preisanstieg zu stark ausfällt, kann die Nachfrage als Reaktion auf den Preisanstieg erheblich zurückgehen, was spürbare Umsatzverluste zur Folge hätte. Die voranschreitende Digitalisierung kann hingegen mithilfe von Algorithmen die Preisgestaltung so anpassen, dass keine massiven Umsatzeinbußen zu erwarten sind. Auch die Änderung von Preisangaben im Onlinehandel erfolgt automatisch und faktisch kostenlos (vgl. Schäfer und Bieg 2016: 16). Rein technisch gesehen ist es deshalb durchaus plausibel, dass die Frequenz von Preisänderungen und damit das Ausmaß der Preisschwankungen zukünftig weiter zunimmt. Allerdings können häufig schwankende Preise von den Verbrauchern - ähnlich wie Preisunterschiede bei individualisierten Preisen - ebenfalls als unfair angesehen werden. Die damit verbundenen Reaktionen der Kunden könnten die Unternehmen daher dazu bewegen, ihre Preise kon- <?page no="63"?> Digitalisierung und Preisbildung 63 stant zu halten und nicht an die geänderte Marktsituation anzupassen (vgl. Cavallo 2018: 29), obwohl dies technisch ohne hohe Kosten möglich wäre. 3.8 Abbau von Marktmacht Digitale Technologien können einen Beitrag leisten, um auf lokalen Märkten bestehende Monopole (nur ein Anbieter) oder Oligople (wenige Anbieter) aufzubrechen. Dazu ein einfaches Beispiel. Angenommen wird eine kleine Stadt nahe der deutsch-dänischen Grenze mit nur einem lokalen Anbieter von Elektrogeräten. Dort kostet eine hochwertige Kaffeemaschine 220,- Euro. Ein qualitativ gleichwertiges Gerät gibt es bei Anbietern südlich von Hamburg für 200,- Euro. Ohne das Internet und Online-Plattformen sind diese Angebote, mit denen ein potenzieller Kunde 20,- Euro sparen würde, ökonomisch betrachtet irrelevant: Der in Zeit und Geld ausgedrückte Aufwand, der erforderlich ist, um sich über diese Angebote zu informieren und zu dem Anbieter zu fahren, um dort das Produkt zu erwerben, ist zu groß. Der für den Kunden relevante Markt ist daher nur der lokale Markt mit einem Anbieter. Letzterer verfügt somit über eine Marktmacht, die es ihm erlaubt, einen höheren Preis zu fordern und damit seinen Gewinn zu erhöhen. Mit der Verbreitung von internetbasierten Suchmaschinen und Online-Plattformen ändert sich diese Situation. Diese Form der Digitalisierung erhöht die Markttransparenz erheblich. Kunden können in Sekundenschnelle qualitativ vergleichbare Angebote identifizieren und Preisunterschiede erkennen. Zudem senken digitale Technologien die Transaktionskosten, die mit dem Versand der online erwerbbaren Produkte und der Abwicklung der Bezahlung verbunden sind. Im Ergebnis kann der in Norddeutschland wohnende Bürger den für ihn relevanten Markt mithilfe digitaler Technologien erheblich ausweiten. In Kombination mit der europäischen Gemeinschaftswährung, die ein Wechselkursrisiko eliminiert, ist nun prinzipiell die gesamte Eurozone ein für ihn relevanter Markt. Der lokale <?page no="64"?> 64 Diginomics verstehen Elektrohändler kann daher nicht länger als Monopolist agieren. Er muss sich an den deutschland- oder sogar europaweiten Marktpreis anpassen. Die einzig akzeptable Preisdifferenz betrifft die Versandkosten, die mit dem Online-Kauf verbunden sind. Die Digitalisierung trägt somit dazu bei, dass eine ggf. bestehende Marktmacht eines lokalen Anbieters abgebaut wird. Für die Verbraucher ist das eine positive Entwicklung, denn die mit der Marktmacht eines Unternehmens verbundenen Preisaufschläge sind nun nicht mehr durchsetzbar. Der digitalisierungsbedingte Abbau von Marktmacht bedeutet für die Konsumenten folglich eine Preisreduzierung. 3.9 Sind Daten und Kryptowährungen das neue Geld? Daten werden teilweise nicht nur als das Öl des 21. Jahrhunderts bezeichnet, sondern auch als neue Währung. Der Grund dafür ist vor allem, dass für viele Internet-Angebote kein in Geldeinheiten ausgedrückter Preis bezahlt werden muss, die Nutzer aber durch die Preisgabe ihrer individuellen Daten für diese Angebote bezahlen. Dabei ist jedoch unklar, ob Daten tatsächlich eine neue Währung sind (zumindest im Internet, vgl. Dewenter und Lüth 2016: 648) oder lediglich einen Tauschwert haben und somit keine Währung darstellen (vgl. Oehler und Horn 2018: 469). Meiner Ansicht nach sind Daten keine Währung im Sinne eines allgemein anerkannten Tauschmittels, also Geld. Daten sind jedoch ein wirtschaftliches Gut, das einen Tauschwert hat. Eine neue Währung wären Daten erst dann, wenn die Verbraucher damit alles bezahlen können (Brötchen beim Bäcker, Essen im Restaurant, Benzin an der Tankstelle) - das ist jedoch momentan und auch zukünftig keine realistische Entwicklung. Dennoch sind Daten ein wertvolles Gut, das in bestimmten Situationen als Tauschobjekt eingesetzt werden kann. Ökonomisch betrachtet ist dies jedoch ein Tauschhandel (Ware gegen Ware), bei dem Daten als ein Gut, aber nicht als Geld einzustufen sind. Ein anderer, geldpolitisch interessanter Aspekt betrifft die Frage, ob virtuelle Währungen bzw. Kryptowährungen wie Bitcoin eine <?page no="65"?> Digitalisierung und Preisbildung 65 Alternative zum traditionellen Geldsystem sind und dieses perspektivisch sogar ersetzen können. Auch wenn das Interesse an virtuellen Währungen relativ groß ist, ist es sehr unwahrscheinlich, dass Kryptowährungen bestehende Währungen ablösen. Ein Ende des Bargelds, über das spekuliert wird (vgl. Berenberg und HWWI 2015: 51), ist nicht in Sicht. Hierfür gibt es mehrere Gründe (vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Berenberg und HWWI 2015: 53f., Berenberg und HWWI 2017: 18-22, Hönig 2018: 3f. und 47):  Der Wert eines Bitcoins, der momentan bekanntesten virtuellen Währung, ist hohen Schwankungen unterworfen. Dies macht diese Währung eher zu einem Spekulationsobjekt als zu einer wertstabilen Anlage. Eine der zentralen Funktionen von Geld - die Wertaufbewahrungsfunktion - wird damit nicht erfüllt.  Auch als Zahlungsmittel sind virtuelle Währungen gegenwärtig nicht geeignet. Dies liegt nicht nur an der komplizierten technischen Aufbewahrung und den teueren Transaktionen, sondern auch an der geringen Akzeptanz und dem in weiten Teilen der Bevölkerung fehlenden Vertrauen in diese Währungen. Zudem fehlt es an der gesetzlichen Anerkennung virtueller Währungen als gesetzliches Zahlungsmittel.  Selbst als Recheneinheit sind Kryptowährungen wenig geeignet. Damit Menschen Preise tatsächlich in Bitcoin ausdrücken, müssen sie Euro-Preise in Bitcoin-Preise umrechnen. Wie schwer dies den Menschen fällt, zeigte sich bei der Ablösung der DM durch den Euro. Zudem erschweren die bereits erwähnten hohen Kursschwankungen bei virtuellen Währungen wie dem Bitcoin diese Umrechnung.  Ökologisch betrachtet sind diese Währungen wegen des hohen Stromverbrauchs nicht effizient. Auch wenn sich viele der genannten Kritikpunkte in den nächsten Jahren und Jahrzehnten entschärfen dürften, sehe ich auch auf Dauer nicht, dass Kryptowährungen die bestehenden Währungen ablösen und ersetzen können. Langfristig ist die durch den Algorithmus maximal erzeugbare Menge an Bitcoin auf 21 Millionen begrenzt (vgl. Berenberg und HWWI 2017: 54). Diese Begrenzung <?page no="66"?> 66 Diginomics verstehen spricht dafür, dass Bitcoin und andere virtuelle Währungen eher ein Spekulationsobjekt sind als eine Währung. Eine in diesem Kontext neue Entwicklung sind die Überlegungen von Facebook zu einer Verrechnungseinheit namens Libra (vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Deutscher Sparkassen- und Giroverband 2019: 2-5, Groß, Herz und Schiller 2019 sowie Holste und Mayer 2019). Im Juni 2019 veröffentlichte Facebook mit 28 Partnern ein White Paper zu diesem Projekt. Ziel ist es, den weltweiten Zahlungsverkehr zu vereinfachen und zu beschleunigen und damit auch Menschen ohne eine Bankverbindung monetäre Transaktionen zu ermöglichen. Das dafür geplante Instrument ist ein Währungskorb mit dem Namen Libra. Dabei handelt es sich - anders als bei der Kryptowährung Bitcoin - um ein digitales Buchgeld, das durch Papiergeld gedeckt ist. Da die Menge an Libra-Coins einer vom Volumen her unbegrenzten Menge an Dollar, Euro etc. entspricht, ist der Libra auch nicht auf ein bestimmtes technisch maximal mögliches Volumen begrenzt wie beim Bitcoin. Darüber hinaus hat die Bindung an die wichtigsten Währungen der Welt einen kursglättenden Effekt: Falls der Wert des Libra zu stark schwanken sollte, können die Libra-Betreiber durch Devisenkäufe oder -verkäufe den Libra-Kurs stabilisieren. Wenn beispielsweise der in Dollar ausgedrückte Wert einer Libra-Coin zu stark steigt, kann dieser Kursanstieg durch den Tausch von Libra-Coins gegen Dollar gebremst werden. Weitere Vorteile dieses digitalen Buchgelds gegenüber den Kryptowährungen sind geringere Anforderungen an die Rechnerleistungen und den Energieverbrauch als bei der Bitcoin-Generierung und die Größe des Netzwerks von Facebook. Diese Vorteile könnten die weltweite Verbreitung der Libra beschleunigen - vor allem, wenn „Facebook den an seinem Netzwerk beteiligten Händlern finanzielle Anreize“ bietet, sofern sie diese neue Währung nutzen (vgl. Deutscher Sparkassen- und Giroverband 2019: 5). Vor allem die Reduzierung der Transaktionskosten für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr sind ein gewichtiges Argument für eine globale digitale Währung (vgl. Fatás und Weder di Mauro 2019). Dieses Argument gewinnt zusätzlich an Bedeutung, weil es für Geldtransfers <?page no="67"?> Digitalisierung und Preisbildung 67 über jede beliebige Entfernung und über beliebige Höhen gilt (vgl. Holste und Mayer 2019: 568). So gesehen hat der Libra durchaus das Potenzial, sich zukünftig zu einer digitalen Währung zu entwickeln - und dabei auch den Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern eine finanzielle Inklusion zu ermöglichen (vgl. Groß, Herz und Schiller 2019: 628). Auf der anderen Seite ist eine nicht staatliche digitale Währung - selbst wenn sie an einen Währungskorb gekoppelt ist - mit zahlreichen Risiken verbunden. Dazu gehören unter anderem Fragen des Datenschutzes und der Datenkontrolle, operationelle Risiken und regulatorische Konsequenzen, allen voran Fragen des Bankgeheimnisses (vgl. Fatás und Weder di Mauro 2019 sowie Holste und Mayer 2019: 568). Da die Informationen über dieses Projekt noch unvollständig sind und zudem nicht klar ist, wie die Zentralbanken auf dieses Buchgeld reagieren, bleibt abzuwarten, ob diese Pläne überhaupt realisiert werden können. Hinzu kommt, dass es erhebliche Widerstände gegen die Einführung einer derartigen globalen Digitalwährung geben dürfte (vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Holste und Mayer 2019: 568f.). Zu den Gegnern gehören vor allem Geschäftsbanken, die Kunden verlieren würden, Zentralbanken, deren geldpolitische Wirkungskraft eingeschränkt werden könnte, und schließlich die Politik - allen voran die Finanzbehörden -, weil mit dieser Form von Geldtransaktionen Aktivitäten wie Geldwäsche und die finanzielle Abwicklung krimineller Aktivitäten erleichtert werden.  Gewonnene Erkenntnisse Die grundsätzlichen Gesetze bezüglich der Preisbildung auf Märkten gelten auch für digitale Güter und die mit ihnen eng verbundenen Plattformen. Allerdings ergeben sich aus der Digitalisierung auch einige Besonderheiten für die Bestimmung eines Marktpreises: Auf der einen Seite kann die Digitalisierung durch eine höhere Markttransparenz und verringerte Transaktionskosten zu einer Preissenkung und einem Abbau der Marktmacht lokaler Anbieter führen. Auf der anderen Seite kann es wegen der Monopolbildung, <?page no="68"?> 68 Diginomics verstehen die das Resultat geringen Grenzkosten der Produktion ist, und wegen hoher Wechselbzw. Umstellungskosten auch zu Preiserhöhungen kommen. Zudem ermöglicht die asymmetrische Markttransparenz - Unternehmen kennen die maximale Zahlungsbereitschaft der Verbraucher, aber die Verbraucher kennen nicht die Kostenstruktur der Unternehmen - Preisdiskriminierungen, die zulasten der Verbraucher gehen. Es ist daher nicht garantiert, dass die technologisch zu erwartenden Preissenkungen, die im Sinne der Verbraucher sind, in der wirtschaftlichen Realität auch tatsächlich umgesetzt werden. <?page no="69"?> 4 Digitalisierung und das Produktivitätsparadoxon Wie in → Abschnitt 2 erläutert, ist die Aussicht auf eine Reduzierung der betrieblichen Produktionskosten ein zentrales Motiv für den verstärkten Einsatz digitaler Technologien in allen Phasen der Produktionsprozesse. Digitale Technologien können über eine Steigerung der Produktivität die Kosten der Produktion - und damit auch den von den Verbrauchern zu zahlenden Marktpreis - verringern. Dass es „einen robusten positiven Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Produktivität“ gibt, belegen zahlreiche Studien (vgl. Lichtblau, Fritsch und Millack 2018: 77). Allerdings werden nicht alle Produktivitätssteigerungen und Kostenreduzierungen in den offiziellen Statistiken vollständig abgebildet. 4.1 Generelle Kostensenkung durch Digitalisierung Die voranschreitende Digitalisierung ist eine besondere Form des technologischen Fortschritts. Neue Technologien werden von den Unternehmen nur eingesetzt, wenn sie im Vergleich zu den bisher verwendeten Produktionstechnologien eine höhere Produktivität und damit geringere Produktionskosten bedeuten. So betrachtet, bewirkt der technologische Fortschritt im Bereich der digitalen Technologien eine Kosten- und Preissenkung. Sinkende Produktionskosten bedeuten, dass die Unternehmen ihre Produkte zu niedrigeren Preisen anbieten können. Grafisch bedeutet dies eine Verschiebung bzw. Drehung der Angebotskurve nach unten (→ Abb. 8). Digitalisierungsbedingte Kostensenkungen haben zur Folge, dass der Marktpreis sinkt (von P 0 auf P 1 ) und die am Markt umgesetzte Gütermenge größer wird (Anstieg von X 0 auf X 1 ). Die wohlfahrtstheoretische Konsequenz ist eine Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt. Sie wächst um die Fläche b Q 0 Q 1 c.  Die Verbraucher profitieren von dieser Entwicklung in jedem Fall, denn sie können eine größere Gütermenge zu einem geringeren <?page no="70"?> 70 Diginomics verstehen Preis konsumieren. Die Konsumentenrente steigt daher um die Fläche P 0 Q 0 Q 1 P 1 .  Die Veränderung der Produzentenrente ist nicht eindeutig: Bei einer hinreichend hohen Reduzierung der Produktionskosten ist es möglich, dass die Produzentenrente per Saldo sinkt (die ursprüngliche Fläche der Produzentenrente P 0 Q 0 b ist größer als die neue Produzentenrente P 1 Q 1 c). Die Verbraucher profitieren also eindeutig von dieser Entwicklung. Sie können eine größere Menge von Gütern und Dienstleistungen erwerben, für die sie einen geringeren Preis zahlen müssen. Zudem wächst damit die Kaufkraft ihrer Einkommen. Dazu nur ein Beispiel: Berechnungen für die USA kommen zu dem Ergebnis, dass ein durchschnittlicher amerikanischer Arbeiter im Jahr 2015 lediglich 17 Wochen arbeiten musste, um sich den Lebensstandard leisten zu können, für den ein US-Beschäftigter 1915 ein ganzes Jahr arbeiten musste (vgl. Berg, Buffie und Zanna 2016: 10f.). <?page no="71"?> Digitalisierung und das Produktivitätsparadoxon 71 8 | Auswirkungen des technologischen Fortschritts (TF) auf Marktgleichgewicht und gesellschaftliche Wohlfahrt vor TF nach TF Konsumentenrente a Q 0 P 0 a Q 1 P 1 Produzentenrente b Q 0 P 0 c Q 1 P 1 gesell. Wohlfahrt a Q 0 b a Q 1 c »Der technische Fortschritt reduziert die Produktionskosten. Das verschiebt die gesamtwirtschaftliche Angebotskurve nach unten. Das neue Marktgleichgewicht zeichnet sich durch eine größere Gütermenge (X 1  X 0 ) und einen geringeren Marktpreis aus (P 1  P 0 ). Die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt wird dadurch größer und entspricht der Fläche a Q 1 c.« Nachfragekurve Preis (P) Gütermenge (X) Angebotskurve 0 ● ● Q 0 X 0 P 0 a ● c Angebotskurve 1 Technologischer Fortschritt (TF) X 1 Q 1 ● ● b P 1 <?page no="72"?> 72 Diginomics verstehen 4.2 Das Produktivitätsparadoxon Von der voranschreitenden Digitalisierung ist folglich zu erwarten, dass sie die gesamtwirtschaftliche Produktivität erheblich steigert. Tatsächlich aber zeigen die offiziellen Statistiken der so genannten Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung diesen Produktivitätsschub nicht. Auf diesen Umstand wies der Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Solow bereits 1987 in einer Buchbesprechung hin, als er feststellte: „You can see the computer age everywhere but in the productivity statistics“ (Solow 1987: 36). Die gesamtwirtschaftliche Produktivität zeichnet sich in vielen Industrieländern in den letzten Jahrzehnten sogar durch eine nachlassende Produktivitätsentwicklung aus. So wuchs z. B. in Frankreich die Arbeitsproduktivität zwischen 1970 und 1996 jedes Jahr um fast drei Prozent. Zwischen1996 und 2004 lag die jährliche Wachstumsrate der Produktivität nur bei 1,8 Prozent und in den Jahren 2004 bis 2014 bei 0,65 Prozent. Ein ähnlicher Rückgang des Produktivitätswachstums erfolgte im Vereinigten Königreich sowie in Deutschland (vgl. Rürup 2016). Ökonomen bezeichnen dieses Phänomen als Produktivitätsparadoxon. Für ein nachlassendes Produktivitätswachstum in den entwickelten Industrienationen trotz des verstärkten Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Maschinen und Robotern gibt es eine Reihe von Gründen: die immer größere Bedeutung des produktivitätsschwächeren Dienstleistungssektors, eine Verringerung der Investitionen, eine mangelnde Verbreitung technischer Innovationen, die Integration weniger produktiver Personen in den Arbeitsmarkt, um nur einige zu nennen (vgl. Piller 1998; OECD 2016: 16-18, Rürup 2016). Abschließend gelöst ist dieses Paradoxon jedoch noch nicht. Mit Blick auf die hier interessierende Digitalisierung sind Messfehler eine mögliche Ursache für dieses Paradoxon. Fünf Phänomene spielen bei diesen Messfehlern eine besondere Rolle: [1] Falsch erfasste Preissenkungen: Ausgangspunkt aller Berechnungen der gesamtwirtschaftlichen Produktivität ist das Bruttoinlandsprodukt (im Folgenden: BIP). Das BIP entspricht dem Wert aller Sachgüter und Dienstleistungen, die innerhalb <?page no="73"?> Digitalisierung und das Produktivitätsparadoxon 73 eines Jahres in einem Land hergestellt werden. Dieser Wert ergibt sich aus der Multiplikation der Gütermengen mit den Marktpreisen. Technologischer Fortschritt bedeutet im Normalfall eine Verringerung der Produktionskosten und damit auch eine Preissenkung. Der geringere Marktpreis bewirkt eine höhere Nachfrage der Verbraucher, an die sich die Unternehmen anpassen. Ob der Beitrag des von der Preissenkung betroffenen Produkts zum nominalen BIP steigt oder sinkt, lässt sich nicht eindeutig vorhersagen. Wenn der technologische Fortschritt zu einem starken Preisrückgang von z. B. 60 Prozent führt, aber die nachgefragte Gütermenge nur um 10 Prozent wächst, geht der mit dem Marktpreis gemessene Wert des betroffenen Produkts zurück. In diesem Fall bewirkt der technologische Fortschritt also einen Rückgang des nominalen BIP. Für die Berechnung der Produktivität ist jedoch nicht das nominale, sondern das reale BIP relevant, denn Produktivität ist definiert als das Verhältnis von mengenmäßigem Output zum mengenmäßigen Input. Bei der Berechnung des realen BIP wird im Zeitablauf mit einem konstanten Preisniveau gearbeitet. Sofern die durch den technologischen Fortschritt ausgelöste Preissenkung nicht richtig herausgerechnet wird und die neue Gütermenge mit einem Preis bewertet wird, der geringer ist als der ursprüngliche alte Preis, kommt es zu einem Messfehler, der den Produktivitätszuwachs unterschätzt. [2] Nicht erfasste Qualitätsverbesserungen: Der technische Fortschritt verbessert häufig die Qualität von Produkten. Eine Qualitätsverbesserung wirkt für sich genommen ebenfalls wie eine Preissenkung: Bleibt der Preis eines Produkts bei verbesserter Qualität konstant, erhält der Verbraucher für die gleiche Geldmenge eine bessere Qualität. Umgekehrt bedeutet dies, dass der Verbraucher für eine unveränderte Qualität einen geringen Preis zahlen muss. Werden diese Qualitätsverbesserungen bei der Berechnung der Produktivität unterschätzt, kommt es zu einem Messfehler und die Produktivitätszuwächse werden erneut unterschätzt. Besonders gravierend sind diese Qualitätsverbesserungen, wenn dadurch andere Produkte vom Markt verdrängt werden. Dazu ein Beispiel: Ein Handy oder iPhone ist zunächst <?page no="74"?> 74 Diginomics verstehen einmal ein Kommunikationsgerät, dass die Menschen zusätzlich zu ihrem Festnetzanschluss nutzen. Bei einer hinreichend großen Nutzerzahl verschwinden dann öffentliche Telefonzellen. Darüber hinaus können Zusatzfunktionen nach und nach für das Verschwinden anderer Güter und Dienstleistungen sorgen. Zu denken ist an Fotoapparate und Videokameras, Filme und deren Entwicklung sowie Fotoalben, Taschenrechner, Terminkalender und Navigationsgeräte, um nur einige zu nennen. Um die Produktivitätsentwicklung im Zeitablauf vergleichen zu können, müssten alle diese Produkte in die Messung des BIP einbezogen werden. Geschieht dies nicht vollständig, weist das BIP eine zu geringe wirtschaftliche Wertschöpfung aus, was dann zu einer Unterschätzung der Produktivitätsfortschritte führt. [3] Tendenz zur kostenlosen Bereitstellung von Produkten: Die Digitalisierung ersetzt zunehmend Produkte, für die die Verbraucher einen Preis zahlen müssen (Zeitungen, Bücher, CDs, Beratungen im Reisebüro etc.) durch kostenlose digitale Produkte (Onlineportale, Wikipedia, kostenlose Apps etc.). Da die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung nur Produkte erfasst, für die ein Marktpreis gezahlt wird, werden die kostenlosen digitalen Produkte nicht erfasst. So werden der mengenmäßige Output und damit auch die Produktivitätsfortschritte der digitalen Technologien unterschätzt. [4] Tendenz zur Sharing Economy: In vielen Bereichen bewirkt die digitale Entwicklung eine Tendenz zur Sharing Economy. Dies bedeutet, wie bereits beschrieben, dass die Verbraucher bestimmte Produkte nicht mehr selbst kaufen, sondern für eine bestimmte Zeit mieten. In der Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung bewirkt dies einen Rückgang des BIP: Wenn sich vier Personen, die vorher alle ein eigenes Auto besaßen, nun einen Pkw teilen, geht die nachgefragte und produzierte Menge an Automobilen um drei zurück. Das BIP sinkt, aber die von den vier Personen durchgeführten Fahrleistungen verändern sich nicht notwendigerweise. Der gleiche Effekt ergibt sich, wenn die Verbraucher digitale Technologien nutzen, um Sachgüter und Dienstleistungen zu konsumieren, ohne dabei die üblichen Kanä- <?page no="75"?> Digitalisierung und das Produktivitätsparadoxon 75 le des Marktes zu nutzen. Beispiele sind die Nutzung privater Wohnungen über Airbnb oder Mitfahrgelegenheiten über Uber. Da die Entgelte für die Nutzung dieser Angebote geringer sind als Hotel- und Taxipreise, sinkt die in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erfasste Wertschöpfung, sodass auch die gesamtwirtschaftliche Produktivität geringer wird. Diese Messfehler vergrößern sich, wenn die privaten Anbieter ihre Einnahmen nicht versteuern. In diesem Fall erfolgt keine statistische Erfassung dieser Aktivitäten. Folglich fließen sie auch nicht in das BIP bzw. die Berechnung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität ein. [5] Technologisch bedingte Zeitersparnisse: Ein wesentlicher Produktivitätseffekt der digitalen Technologien besteht aus der Zeitersparnis für Informationsbeschaffung, Informationsverarbeitung und Kommunikation. Zeit ist jedoch eine Dimension, die in der Volkswirtschaftlichen Gesamtberechnung keine Relevanz hat. Wenn die eingesparte Zeit nicht genutzt wird, um zusätzliche Produkte herzustellen, kommt es zu keiner Output- Steigerung. Der Produktivitätsfortschritt äußert sich in einer höheren Freizeit, die jedoch bei der Berechnung des BIP nicht erfasst wird. Alle hier skizzierten Entwicklungen steigern die Menge bzw. die Qualität der von den Verbrauchern konsumierbaren Güter und Dienstleistungen. Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung erfasst diese Verbesserungen häufig aber gar nicht (Freizeit, kostenlos bereitgestellte Produkte, wirtschaftliche Aktivitäten jenseits der traditionellen Märkte) oder nur unzureichend (Preissenkungen und Qualitätsverbesserungen). Damit wird der tatsächliche Wert der geschaffenen Güter und Dienstleistungen unterschätzt, was dann auch zu einer Unterschätzung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität führt. Diese Messfehler sind keineswegs neu. Technologisch bedingte Preissenkungen und Qualitätsverbesserungen begleiten uns von jeher. Die offiziellen Statistiken reagieren darauf mit methodischen Verbesserungen bei der Messung der wirtschaftlichen Wertschöpfung. Ein Beispiel ist die so genannte hedonischen Preismessung <?page no="76"?> 76 Diginomics verstehen bzw. die hedonische Qualitätsbereinigung (vgl. Schäfer und Bieg 2016: 14). Dieses Verfahren wendet das Statistische Bundesamt seit geraumer Zeit an, um bei der Messung des realen BIP Qualitätsunterschiede angemessen zu berücksichtigen (vgl. Linz, Behrmann und Becker 2004). Die voranschreitende Digitalisierung verschärft jedoch den Druck auf die statistische Erfassung der wirtschaftlichen Wertschöpfung. Die mit der Digitalisierung einhergehende Tendenz hin zu einer Null-Grenzkosten-Gesellschaft (Rifkin 2014) kann in zunehmendem Maße kostenpflichtige Angebote ersetzen. Selbst wenn Nutzer hier mit ihren Daten „bezahlen“, bleibt dies im BIP unberücksichtigt, weil keine in Geldeinheiten ausgedrückten Marktpreise für diese Angebote gezahlt werden. Auch die Ausbreitung von Sharing- Netzwerken und Plattformen, die einen Austausch zwischen privaten Akteuren ermöglichen, entziehen wirtschaftliche Aktivitäten dem Marktgeschehen. Ein Festhalten am traditionellen Indikator der wirtschaftlichen Wertschöpfung - dem BIP - wird damit immer fragwürdiger (vgl. dazu ausführlicher → Abschnitt 9).  Gewonnene Erkenntnisse Die voranschreitende Digitalisierung bedeutet einen kostensenkenden technologischen Fortschritt, der dann auch zu einem geringeren Marktpreis führt. Das Ergebnis der digitalisierungsbedingten Produktivitätssteigerung ist eine Ausweitung der produzierten und konsumierten Mengen an Gütern und Dienstleistungen - und damit eine Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt bzw. des materiellen Wohlstands einer Volkswirtschaft. Die traditionellen Instrumente der offiziellen Statistiken zur Messung der wirtschaftlichen Wertschöpfung eines Landes können die mit der Digitalisierung verbundenen Produktivitätssteigerungen jedoch unterschätzen. Wie stark diese Messfehler ins Gewicht fallen, ist unter Ökonomen umstritten (vgl. Brandt 2017: 43). Dass es diese statistischen Unterschätzungen der tatsächlichen Produktivitätseffekte der Digitalisierung gibt, ist hingegen Konsens. <?page no="77"?> 5 Auswirkungen von Big Data und KI für Verbraucher Die Verbraucher profitieren grundsätzlich von der Digitalisierung, weil die Konsumenten wegen der in → Abschnitt 4.1 beschriebenen digitalisierungsbedingten Verringerung der Produktionskosten eine größere Gütermenge zu geringeren Preisen erwerben können. Darüber hinaus spielt die Nutzung und Analyse von Big Data eine wichtige Rolle für die Verbesserung der Versorgungslage der Menschen. Die systematische Nutzung von Big Data für wirtschaftliche Zwecke hat vier zentrale Anwendungsbereiche. Sie reichen von der Optimierung betrieblicher Abläufe und der Senkung der Kosten von Markttransaktionen über die Optimierung bestehender Produkte bis hin zur Entwicklung ganz neuer Güter und Dienstleistungen. 5.1 Optimierung von Geschäftsprozessen Die systematische Auswertung von Big Data durch hochwertige KI kann dazu beitragen, dass wirtschaftliche Entscheidungs- und Produktionsprozesse schneller, präziser und zuverlässiger durchgeführt werden können (vgl. Helbing 2014: 4, Wambach 2018: 6, Vöpel 2018: 829):  So lässt sich beispielsweise auf Basis des Kaufverhaltens in der Vergangenheit besser vorhersagen, wie viele Mengeneinheiten von schnell verderblichen Lebensmitteln an einem bestimmten Tag voraussichtlich von den Verbrauchern nachgefragt werden. Andere kommerziell verwertbare Zusammenhänge, die sich durch Big-Data-Algorithmen aufspüren lassen, sind Zusammenhänge zwischen dem Wetter und dem Kaufverhalten sowie zwischen den Lebensverhältnissen der Menschen und deren Kreditrisiko. Generell lassen sich durch Big-Data-Algorithmen Geschäftsrisiken besser erkennen (und damit auch vermeiden) und die Wahrscheinlichkeiten von unternehmerischen Fehlentscheidungen verringern. Dies bedeutet eine größere Effizienz beim Einsatz knapper Res- <?page no="78"?> 78 Diginomics verstehen sourcen in wirtschaftlichen Produktionsprozessen (vgl. Helbing 2014: 5).  Die Optimierung von internen Betriebsabläufen durch eine höhere Transparenz senkt Produktionskosten. So sorgt beispielsweise eine größere Transparenz über den gesamten Materialfluss eines Unternehmens dafür, dass die Lager- und Sicherheitsbestände geringer werden und das Unternehmen flexibler auf Auftragseingänge reagieren kann. Damit sinken die Kosten der Lagerhaltung (vgl. Fischer 2019). Ein anderes Beispiel für den kostensenkenden Effekt von Big Data ist die Auswertung von Daten von Maschinen, um diese aus der Ferne zu überwachen und zu warten und so die Wartungs- und Reparaturkosten zu verringern (vgl. Crocoll 2019: 31). Diese vorausschauende Wartung von Maschinen, die auf der Auswertung der Daten einer Maschine basiert, wird „predictive maintenance“ genannt (vgl. Spiekermann 2019: 17). Und Lieferanten können mithilfe eines Funkmodems feststellen, wann sie Öltanks oder Getränke- und Zigarettenautomaten wieder nachfüllen müssen und so die Routen der Tanklaster bzw. Transporter optimieren (vgl. Mattern und Flörkemeier 2010: 111). Damit sinken die Transportkosten.  Zudem beschleunigen die Automatisierung und die Algorithmisierung zahlreiche betriebliche Prozesse (z. B. Produktentwicklung, Verwaltung, Handel und Vertrieb, aber auch das gesamte Beschaffungswesen). Diese Beschleunigung bedeutet eine Effizienzsteigerung (vgl. BaFin 2018: 11). Besonders weit fortgeschritten ist der Einsatz von Big Data und KI in der Finanzdienstleistungsbranche. Die Auswertung großer Datenmengen erlaubt hier eine bessere Risikobewertung. Dies betrifft sowohl die Kreditvergabe durch Banken als auch die Anlageentscheidungen am Kapitalmarkt und die Preisgestaltung von Versicherungsunternehmen auf Basis differenzierter Risikoeinschätzungen. Darüber hinaus erlaubt die Identifizierung von bis dahin unbekannten Mustern eine frühzeitige Aufdeckung von Betrugsfällen im Zahlungsverkehr (vgl. BaFin 2018: 7-11; Schneider 2019: 47). Perspektivisch können digitale Technologien in der Finanzbranche auch bei der Kommunikation mit Kunden eingesetzt werden. So gibt es bei- <?page no="79"?> Auswirkungen von Big Data und KI für Verbraucher 79 spielsweise erste Versuche, bei denen Sprachassistenten Kreditnehmer anrufen, die in Zahlungsverzug geraten sind, um den Grund dieses Verzugs zu erfahren (vgl. Schneider 2019: 47). Alle diese Optimierungen von Geschäftsprozessen bedeuten letztendlich eine Reduzierung von Verwaltungs-, Entscheidungs- und Produktionskosten für bestehende Produkte. Geringere Produktionskosten ziehen in der Regel eine Preissenkung für die von diesen Kostensenkungen betroffenen Güter und Dienstleistungen nach sich. Im Normalfall reagieren Verbraucher auf sinkende Preise mit einer höheren Nachfrage. Unternehmen passen sich an diese Nachfrage an. Damit kommt es zu einer Steigerung der Produktion, also zu Wirtschaftswachstum. Für die Verbraucher bedeutet dies eine quantitative Verbesserung der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. 5.2 Reduzierung der Transaktionskosten bestehender Produkte Der Austausch von Gütern und Dienstleistungen über Märkte ist sowohl für die Unternehmen als auch für die Verbraucher mit Kosten verbunden. Unternehmen müssen Werbung bezahlen, um ihre Produkte absetzen zu können. Verbraucher müssen Zeit aufwenden, um aus der Vielzahl der vorliegenden Angebote die Produkte auszuwählen, die ihren Bedürfnissen am besten entsprechen. Darüber hinaus müssen Unternehmen vor der Produktion wissen, welche Produkteigenschaften die Kunden verlangen. Auch die dafür erforderliche Marktforschung ist mit Kosten verbunden. Big Data und KI können diese Kosten (gemeint sind damit neben Geld auch Zeit) über verschiedene Kanäle reduzieren:  Die systematische Auswertung des Käuferverhaltens gibt den Unternehmen Hinweise darauf, welche Eigenschaften die Verbraucher von Gütern und Dienstleistungen erwarten.  Personalisierte Werbung, die das bisherige Kaufverhalten von Menschen berücksichtigt, bedeutet eine zielgerichtete und damit verbesserte Kundeninformation über bestehende Angebote. <?page no="80"?> 80 Diginomics verstehen  Digitale Plattformen mit Bewertungsmöglichkeiten von Anbietern und deren Produkten erhöhen die Markttransparenz für Kunden und erleichtern ihnen damit die Entscheidung für das passende Produkt (→ Abschnitt 3.3).  Online-Banking und andere Bezahlsysteme verringern die Kosten, die mit der Abwicklung der Finanzierung von Tauschaktivitäten verbunden sind. Diese Maßnahmen senken für Kunden die Zeit, die sie benötigen, um das passende Produkt zu finden. Unternehmen müssen weniger Geld für Marktforschung und Werbemaßnahmen ausgeben. Dies ist aus Sicht der Unternehmen gleichbedeutend mit einer Verringerung der Produktionskosten. Eine Reduzierung der Kosten eines Austauschs über Märkte - Ökonomen nennen dies eine Reduzierung der Transaktionskosten - bedeutet letztendlich im Normalfall eine Preissenkung für bestehende Güter und Dienstleistungen. In Verbindung mit Angeboten, die den Präferenzen der Verbraucher entsprechen, stellt dies eine weitere Verbesserung der Güterversorgung der Verbraucher dar. Einschränkend ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass die Verarbeitung der Informationen, die die Digitalökonomie bereitstellt, Zeit kostet. Dies kann vor allem für die Verbraucher problematisch sein, weil ihnen im Normalfall nicht die leistungsfähigen Analyseprogramme zur Verfügung stehen wie den Unternehmen. Die Folge kann eine Informationsüberflutung sein. Für die Verbraucher kann dies letztendlich sogar zu einem Anstieg der Transaktionskosten führen. Sie müssen nun viel Zeit aufwenden, um relevante von irrelevanten Informationen zu trennen und die verbleibenden Informationen anschließend auswerten. Der Umgang mit großen Informationsmengen ist eine ökonomische Herausforderung, die in der Volkswirtschaftslehre bereits seit Mitte der 1950er-Jahre bekannt ist. Der amerikanische Sozialwissenschaftler Herbert A. Simon untersuchte diese Problematik und entwickelte für sie den Begriff Bounded Rationality, zu Deutsch begrenzte Rationalität: Für das Problem unübersichtlicher Mengen an Informationen bietet er verschiedene Lösungen an. Eine besteht darin, dass <?page no="81"?> Auswirkungen von Big Data und KI für Verbraucher 81 Entscheider mit der Suche nach weiteren Handlungsalternativen aufhören, wenn sie eine für sie befriedigende Lösung gefunden haben und sich für diese Option entscheiden (Satisficing versus Maximizing, vgl. Simon 1959: 262f.). Die so gefundene Lösung ist streng genommen keine rationale Entscheidung, weil unter den gegebenen Umständen nicht die nutzenmaximierende Lösung gewählt wurde, sondern lediglich eine befriedigende. Unter der Berücksichtigung der erforderlichen Zeit zur Informationsverarbeitung handelt es sich dennoch um eine vernünftige Wahl. Im Ergebnis bedeutet das, dass eine größere Informationsmenge theoretisch die Markttransparenz erhöht und so die Transaktionskosten von dezentralen Tauschaktivitäten reduziert. Beschränkte Informationsverarbeitungskapazitäten auf Seiten der Verbraucher verhindern jedoch möglicherweise in Einzelfällen, dass sie die für sie beste Handlungsalternative identifizieren können. Dennoch dürften digitale Technologien und Big-Data-Analysen zu einer generellen Reduzierung der Transaktionskosten führen, was eine Preissenkung nach sich zieht und zudem eine quantitative Verbesserung der Versorgungslage der Verbraucher bedeutet. Perspektivisch ist es zudem durchaus möglich, dass auch für Verbraucher Analyse-Tools entwickelt werden, die ihnen eine schnelle und preiswerte Auswertung der durch die Digitalisierung bereitgestellten Informationsmengen ermöglichen. 5.3 Optimierung bestehender Produkte Neben den skizzierten Preissenkungen können Big Data und KI auch die Qualität bestehender Produkte verbessern. Wenn Unternehmen das Such- und Kaufverhalten von Menschen im Internet systematisch analysieren, können sie dadurch ein besseres Verständnis für die differenzierten Kundenwünsche erhalten. Die Folge kann die Optimierung der angebotenen Produkte durch eine bessere Anpassung an die individuellen Kundenwünsche (vgl. Wambach 2018: 6) sowie durch verbesserte Services (vgl. Kuzev 2016: 32) sein. Der Einsatz von Big Data und KI verringert so die Koordinierungs- und Abstimmungskosten, die für eine kundenspezifische Anpassung be- <?page no="82"?> 82 Diginomics verstehen stehender Produkte an die individuellen Verbraucherwünsche erheblich sind. Die Anpassung geht daher über die bereits seit Längerem möglichen Produktanpassungen hinaus, die es beispielsweise im Automobilsektor (Lackierung und individuelle Zusammenstellung von Ausstattungsmerkmalen), bei Sportgeräten wie Fahrrädern (ergonomische und funktionale Anpassungen, Haltbarkeit und Gewicht, Abstimmung des Fahrradrahmens auf die individuellen Körpermaße) oder bei Kleidungsstücken (einzelne Anpassungen bis hin zur Maßfertigung) gibt (vgl. Baumberger 2007: 21-24, Hofbauer 2013: 10-12). Durch den Einsatz von Big-Data-Algorithmen zur Analyse des Kauf- und Suchverhaltens der Menschen im Internet können nun sogar die Kundenwünsche von Personen berücksichtigt werden, die sich gar nicht aktiv um eine Berücksichtigung ihrer Wünsche bei der Produkterstellung kümmern. Da die voranschreitende Digitalisierung zudem mit einer Flexibilisierung der Produktion einhergeht, sind auch kleine Stückzahlen von individualisierten Produkten kostengünstig herstellbar. Dies ermöglicht die Produktion von kundenspezifischen Produkten (vgl. Berenberg und HWWI 2015: 17). Der Einsatz von 3D-Druckern in der Produktion fördert die Herstellung kundenspezifischer Produkte zusätzlich (vgl. dazu ausführlicher → Abschnitt 12.7). Alle diese qualitativen Verbesserungen von Gütern und Dienstleistungen bedeuten eine verbesserte Versorgung der Verbraucher mit Produkten. Zudem verringert die Anpassung der Produkte an die individuellen Kundenwünsche spätere Nachbesserungswünsche und notwendige Reaktionen auf Reklamationen (vgl. Hofbauer 2013: 5). Für die Unternehmen wirkt das wie eine Verringerung der Produktionskosten, was sich normalerweise auch in geringeren Preisen für die Verbraucher niederschlägt. Schließlich gehören zur Verbesserung bestehender Produkte auch noch zeitliche Aspekte. Das bedeutet beispielsweise eine höhere zeitliche Flexibilität, wenn Online-24-Stunden-Services in Anspruch genommen werden können oder während einer Fahrt im Bus online ein Produkt bestellt werden kann. Zudem erlauben die modernen Informationstechnologien „weltweite Transaktionen in Echtzeit“, <?page no="83"?> Auswirkungen von Big Data und KI für Verbraucher 83 was eine Zeitersparnis für die Verbraucher bedeutet (vgl. Behrendt 2001: 20). 5.4 Entwicklung neuer Produkte Eine Voraussetzung für das erfolgreiche Zusammenbringen von Anbietern und Nachfragern sind geringe Transaktionskosten. Wenn die Kosten einer Koordinierung von Angebot und Nachfrage zu hoch sind, stellt sich kein Marktgleichgewicht ein: Der Preis, den die Anbieter für die Bereitstellung eines Produkts mindestens fordern, liegt über dem, den die Verbraucher maximal zu zahlen bereit sind. Digitale Plattformen können diese Kosten so weit senken, dass bisher wirtschaftlich nicht sinnvolle Transaktionen entstehen und sich somit ganz neue Produkte am Markt etablieren. Dazu ein Beispiel: Angenommen, eine Privatperson aus Hamburg ist an zehn Wochenenden im Jahr nicht in der eigenen Drei-Zimmer- Wohnung und möchte diese daher temporär vermieten. Gesucht werden Einzelpersonen oder Kleinfamilien, die von Freitagmittag bis Sonntagnachmittag eine entsprechende Wohnung in Hamburg suchen. Damit Vermieter und Mieter zusammenfinden, sind zahlreiche Voraussetzungen erforderlich:  Der Wohnungseigentümer muss dafür sorgen, dass sein Mietangebot bekannt wird. Ohne das Internet erfordert dies das Aufgeben von Werbeanzeigen in Zeitungen und Zeitschriften oder das Einschalten einer Wohnungsvermittlung bzw. eines Reisebüros. Gleichzeitig muss der Wohnungseigentümer sicher sein, dass ein möglicher Mieter die geforderte Miete tatsächlich bezahlt und die Wohnung in dem Zustand zurücklässt, indem er sie vorgefunden hat. Die Beschaffung der Informationen über die Qualität eines potenziellen Mieters ist auf einem Markt, bei dem diese Mieter aus ganz Deutschland oder dem Ausland kommen können, mit hohen Informationsbeschaffungskosten verbunden.  Ein interessierter Mieter muss sicher sein, dass die angebotene Wohnung tatsächlich an dem gewünschten Wochenende frei ist und über die versprochenen Eigenschaften verfügt (Nichtrau- <?page no="84"?> 84 Diginomics verstehen cherwohnung, ruhige Lage, Küche, Bad und Heizung etc.). Auch die Beschaffung dieser Informationen ist bei einem vollkommen unbekannten Vermieter in einer fernen Stadt zeit- und kostenintensiv. Nehmen wir weiter an, dass der Eigentümer seine Wohnung für 120 Euro pro Wochenende vermieten würde, wenn er sicher sein kann, dass das Geld überwiesen wird und die Wohnung unbeschädigt zurückgelassen wird. Der Mieter ist bereit, die Wohnung zu diesem Preis zu mieten, sofern er sicher sein kann, dass die Wohnung über alle zugesagten Eigenschaften verfügt und ihm an dem besagten Wochenende zur Verfügung steht. Im Modell der vollständigen Konkurrenz sind die genannten Bedingungen annahmegemäß erfüllt. Die Wohnung wird folglich für 120 Euro für ein Wochenende vermietet. Sofern keine vollständige Information vorliegt, kommt ein temporäres Mietverhältnis jedoch nicht notwendigerweise zustande:  Der Vermieter muss sich die genannten Informationen beschaffen. Die damit verbundenen Kosten wird er auf den Preis aufschlagen. Alternativ könnte er auf diese Informationen verzichten und stattdessen einen Risikoaufschlag erheben. Dieser deckt ggf. entstehende Mehrkosten für die Reinigung bzw. Instandhaltung der Wohnung oder anfallende Kosten zur Beseitigung von Vermögensschäden (gestohlene Einrichtungsgegenstände, nicht gezahlte Miete) ab. Die Miete steigt somit, z. B. auf 200 Euro.  Auch der Mieter muss Zeit und Geld aufwenden, um die Verlässlichkeit des Angebots zu prüfen. Diese Kosten schmälern seine Zahlungsbereitschaft. Alternativ könnte auch er auf diese Informationsbeschaffung verzichten und stattdessen einen Zahlungsabschlag als Risikopuffer berücksichtigen. Dieser Abschlag entspricht der erwarteten Nutzeneinbuße, die sich daraus ergeben könnte, dass die Wohnung an einer verkehrsreichen Straßenkreuzung neben einer Diskothek liegt, eine defekte Dusche hat und nur zwei anstatt der zugesagten drei Zimmer hat. Die Zahlungsbereitschaft eines potenziellen Mieters könnte so von 120 auf nur noch 80 Euro sinken. <?page no="85"?> Auswirkungen von Big Data und KI für Verbraucher 85  Im Ergebnis kommt dann kein temporäres Mietverhältnis zustande, weil die maximale Zahlungsbereitschaft des potenziellen Mieters unter dem Preis liegt, den der Wohnungseigentümer mindestens verlangt (Angebots- und Nachfragekurve mit dem Index 0 in → Abb. 9). Die genannten Kosten fallen grundsätzlich bei jedem Mietverhältnis an. In dem hier skizzierten Beispiel ist jedoch zu beachten, dass es sich jeweils nur um die Vermietung über ein Wochenende handelt. Die Informationsbeschaffung und -verarbeitung bringt so gesehen hohe Fixkosten mit sich, die eine Einigung zwischen Wohnungseigentümer und Mieter verhindern können. Die Digitalisierung kann über die Bereitstellung von entsprechenden digitalen Plattformen die gewünschten Informationen - zumindest teilweise - zur Verfügung stellen und so die Transaktionskosten senken. Ein Beispiel hierfür ist Airbnb (vgl. Brown 2016 und empirica 2019). Die zurzeit bekannteste Plattform für Kurzzeitvermietungen von Zimmern bzw. Wohnungen wurde 2008 gegründet. In Deutschland ist sie seit 2010 aktiv. Diese Plattform bringt Wohnungseigentümer und Mieter zusammen und senkt so die Suchkosten. Zudem wickelt Airbnb die Bezahlung ab. Damit ist der Wohnungseigentümer sicher, dass er das vertraglich vereinbarte Geld erhält. Der Mieter kann davon ausgehen, dass ihm für sein Geld auch tatsächlich eine Wohnung zur Verfügung gestellt wird. Schließlich sorgt die Möglichkeit, dass sich Vermieter und Mieter gegenseitig bewerten können, dafür, dass andere Wohnungseigentümer und Mieter mehr Informationen über die Qualität potenzieller Mieter und Vermieter erhalten. Alle diese Dienstleistungen haben zur Folge, dass der Risikoaufschlag eines Wohnungseigentümers sinkt und gleichzeitig der Zahlungsabschlag eines potenziellen Mieters geringer wird. Wenn sich dadurch die maximale Zahlungsbereitschaft des Mieters und der geforderte Mindestpreis des Wohnungseigentümers angleichen, kommt ein temporärer Mietvertrag zwischen beiden zustande (Angebots- und Nachfragekurve mit dem Index 1 in → Abb. 9). Die digitale Plattform senkt also für die Wohnungsanbieter und -nachfrager die Suchkosten und bringt so beide Seiten zusammen (vgl. Podszun 2019: 28). <?page no="86"?> 86 Diginomics verstehen 9 | Der Markt für temporäre Vermietung von privaten Wohnungen »Eine geringe Markttransparenz hat zur Folge, dass die maximale Zahlungsbereitschaft der Konsumenten relativ gering ist und die Kosten der Anbieter relativ hoch. Diese Marktsituation wird durch die Angebots- und Nachfragekurven mit dem Index 0 dargestellt (graue Linien). Da selbst die höchste maximale Zahlungsbereitschaft der Konsumenten geringer ist als der niedrigste Preis, zu dem überhaupt eine Mengeneinheit angeboten wird, kommt es zu keinen Tauschaktivitäten auf dem Markt. Das ist erst der Fall, wenn die Transaktionskosten durch das Einschalten einer Online-Plattform gesenkt werden und es einen Schnittpunkt der beiden neuen Angebots- und Nachfragekurven mit dem Index 1 gibt (schwarze Linien).« Die Zusammenführung privater - im Sinne nicht kommerzieller - Angebote mit Verbrauchern stellt auch in vielen anderen Bereichen ein neues Geschäftsmodell im Rahmen des Kaufs bzw. Verkaufs von Produkten über Computernetze dar. Neben dem traditionellen Modell im elektronischen Handel (Electronic Commerce bzw. kurz E- Nachfragekurve 0 Preis (P) Gütermenge (X) Angebotskurve 0 Q 0 X 0 = 0 ● Angebotskurve 1 X 1 Q 1 ● P 1 Nachfragekurve 1 Transaktionskosten ↓ Transaktionskosten ↓ <?page no="87"?> Auswirkungen von Big Data und KI für Verbraucher 87 Commerce), bei dem Unternehmen ihre Waren und Dienstleistungen an Konsumenten verkaufen (Business-to-Consumer-Modell bzw. kurz B2C-Modell), ermöglicht die voranschreitende Digitalisierung nun auch so genannte Consumer-to-Consumer-Geschäfte (bzw. kurz C2C-Modelle). Bei C2C-Geschäften verkaufen oder vermieten Privatpersonen ihre Produkte an andere Privatpersonen. Unternehmen wie Airbnb oder eBay leisten beim Zustandekommen dieser Geschäfte lediglich Unterstützung, aber sie bieten selbst keine Produkte an (vgl. OECD 2015: 85-87). Im Normalfall müssen die Kunden geringere Preise zahlen, was ihre Kaufkraft erhöht. Der Umstand, dass nun auch Privatpersonen als zusätzliche Anbieter auf dem Markt auftreten, hat Rückwirkungen auf die etablierten kommerziellen Anbieter. So hat das Zustandekommen eines Marktes für die temporäre Vermietung privater Wohnungen Auswirkungen auf den Markt für kommerzielle Übernachtungsmöglichkeiten: Der Gleichgewichtspreis auf dem Markt für private Wohnungsvermietungen liegt unter dem Preis für kommerzielle Übernachtungsangebote von Hotels und Pensionen. Grund dafür ist der Umstand, dass bei einer privaten Vermietung keine weiteren Kosten für Hotelpersonal und ähnliches anfallen. Der Umstand, dass es ein zusätzliches Angebot an privat zur Verfügung gestellten Übernachtungsmöglichkeiten gibt, reduziert die Nachfrage nach entsprechenden Angeboten von Hotels und Pensionen. Der damit einhergehende Angebotsüberschuss führt ceteris paribus zu einem Preisrückgang im kommerziellen Marktsegment (→ Box 5). Box 5 | Private Angebote auf Plattformen und kommerzielle Anbieter Ein dokumentiertes Beispiel für die Preisunterschiede zwischen privaten und kommerziellen Anbieter von Übernachtungsangeboten zeigt sich in einer Untersuchung des Beherbergungsmarktes in München. Zwischen Oktober 2018 und Februar 2019 lag die größte Zahl der angebotenen Airbnb-Übernachtungen zwischen 50 und 70 Euro pro Nacht. <?page no="88"?> 88 Diginomics verstehen Dies entsprach nur rund der Hälfte des Preises, der in diesem Zeitraum für ein Hotelzimmer bezahlt werden musste (vgl. Schmude 2019: 21). Dass private Angebote eine preissenkende Auswirkung auf kommerzielle Angebote haben, zeigt sich auch am Beispiel des Werts New Yorker Taxikonzessionen. Hier haben App-Anbieter wie Uber und andere die Nachfrage nach kommerziellen Taxifahrten in kurzer Zeit erheblich reduziert. Während es 2014 noch rund 15 Millionen Kundenfahrten pro Monat gab, waren es im Dezember 2017 nur rund 10 Millionen. Der Preis, für den eine Taxikonzession verkauft wird, sank daher drastisch: 2014 kostete eine solche Konzession noch rund eine Million Dollar. Im Februar 2018 waren es nur noch 125.000 Dollar (vgl. Hartmann 2018). Darüber hinaus kann eine Plattform für Kurzzeitvermietungen wie Airbnb auch Rückwirkungen auf den Wohnungsmarkt einer Region haben. Dabei ist zwischen zwei Arten der Kurzzeitvermietung zu unterscheiden (vgl. empirica 2019: 2, 26-32):  Wenn Wohnungen von ihren Eigentümern oder Mietern weiterhin bewohnt werden und nur sporadisch vermietet werden, hat das keine Rückwirkungen auf den Wohnungsmarkt. Dem Wohnungsmarkt gehen keine Wohnungen verloren. Folglich ergeben sich auch keine Änderungen des Mietniveaus in der betroffenen Region.  Falls eine Wohnung jedoch ausschließlich für Kurzzeitvermietungen verwendet wird, steht sie nicht als Wohnraum für den Eigentümer bzw. Mieter zur Verfügung. Die Umwandlung einer privaten Wohnung in eine dauerhaft auf Airbnb angebotene Wohnung reduziert für sich genommen das Angebot an Mietwohnungen auf dem regionalen Wohnungsmarkt. Die Folge dieses Angebotsrückgangs ist ein Anstieg der in der Region zu zahlenden Mieten. Gerade in Regionen, die sowohl ein attraktiver Wohnort als auch ein beliebtes Ziel für Kurzurlaube sind, kann die bereits bestehende Wohnraumknappheit durch diese Form der Kurzzeitvermietung auf Plattformen den Wohnungsmangel verschärfen und die Mie- <?page no="89"?> Auswirkungen von Big Data und KI für Verbraucher 89 ten erhöhen. Momentan ist das quantitative Ausmaß an Wohnungen, die dem Wohnungsmarkt dadurch verlorengehen, selbst in Orten wie Hamburg, München und Berlin gering (vgl. empirica 2019: 32). Perspektivisch könnte es jedoch größer werden und dann auch spürbare Auswirkungen auf die Mietentwicklung haben. Im Ergebnis führt die durch die Digitalisierung hervorgerufene Reduzierung der Transaktionskosten zu einer Senkung der Preise für temporäre Übernachtungen - sowohl im Segment der privaten als auch der kommerziellen Wohnungsanbieter. Die Konsumenten profitieren von geringeren Preisen, private Anbieter von zusätzlichen Einnahmen. Gleichzeitig aber verringern sich die Einkommen kommerzieller Anbieter. Die voranschreitende Digitalisierung führt also zu Verteilungskonflikten. Gleiches gilt für Transportleistungen, wenn z. B. über die Plattform Uber angebotene Mitfahrgelegenheiten von Privatpersonen auf kommerzielle Taxifahrer treffen. Diejenigen, die Einkommensverluste befürchten müssen, haben somit ein großes Interesse an einer Beeinflussung politischer Entscheidungen in dem Sinne, dass private Anbieter entweder gar nicht zugelassen werden oder zumindest hohe bürokratische Anforderungen erfüllen müssen (→ Abschnitt 2.3). Ob technologisch mögliche Markttransaktionen auch tatsächlich erlaubt werden, ist folglich nicht garantiert. Eng mit dem Begriff der Plattformökonomie verbunden ist die Tendenz hin zur in → Abschnitt 1 erwähnten Sharing Economy. Dies bedeutet, dass die Verbraucher bestimmte Produkte nicht mehr selbst kaufen, sondern für eine bestimmte Zeit mieten. Ein prominentes Beispiel hierfür ist das Car-Sharing. Bei dieser Nutzungsform werden die Menschen Mitglied in einem Car-Sharing-Netzwerk, das eine bestimmte Anzahl von Automobilen erwirbt. Die Mitglieder des Netzwerkes können diese Automobile dann gegen die Zahlung eines Mitgliedsbeitrags und/ oder einer nutzungsabhängigen Gebühr benutzen. Neben Car-Sharing-Netzen gibt es diese Einrichtungen für Fahrräder, wie beschrieben für Wohnungen (z. B. Airbnb), Werkzeuge, Haushaltsgeräte, Spielzeug (z. B. Rent That Toy! und Spark Box Toys), Designer-Krawatten (z. B. Tie Society), Designerkleider, Handtaschen oder Schmuck sowie in den Bereichen Medien und <?page no="90"?> 90 Diginomics verstehen Entertainment (z. B. Spotify und Netflix) (vgl. Rifkin 2014: 331-345; Eichhorst und Spermann 2015: 4; Theurl 2016: 605). Mittlerweile gibt es sogar erste Ansätze eines Mealsharings. Das bedeutet: Privatpersonen kochen in ihrer Wohnung für Touristen oder Zugezogene, die so erfahren, wie die Einheimischen leben. Für diese Mahlzeiten werden die Privatpersonen bezahlt. Allerdings sind diese Preise geringer als in Restaurants, weil sich diese an zahlreiche Auflagen halten müssen, die kosten- und preiserhöhend wirken (vgl. Heide 2018). Für Verbraucher, die sich für dieses Konzept entscheiden, bedeutet die Sharing Economy eine Nutzenerhöhung: Sie können die gewünschte Gütermenge zu einem geringeren Preis in Anspruch nehmen, weil sie nicht die gesamten Kosten des Güterverbrauchs tragen müssen, sondern nur anteilmäßige Kosten. Die damit gesparten Einkommensteile erhöhen die Kaufkraft der Verbraucher und können für andere Güter und Dienstleistungen ausgegeben werden. Der Marktpreis der vom Sharing betroffenen Güter sinkt, weil die Nachfrage nach Konsumgütern zurückgeht: Wenn sich vier Personen einen Pkw teilen, wird nur noch ein Pkw nachgefragt, aber nicht mehr vier. Der Nachfragerückgang bedeutet in einem Preis-Mengen- Diagramm eine Verschiebung der Nachfragegeraden nach links. Damit ergibt sich ein neues Marktgleichgewicht, das sich durch einen niedrigeren Marktpreis auszeichnet (→ Abb. 10: P 1 ist geringer als P 0 ). Die von den Verbrauchern konsumierte Gütermenge muss hingegen nicht notwendigerweise sinken: Auch, wenn die Zahl der nachgefragten und produzierten Pkw von vier auf eins sinkt, bleibt die Menge der in Anspruch genommenen Pkw-Leistungen unverändert, wenn die vier Car-Sharing-Teilnehmer sich den Pkw teilen, ohne den Umfang ihrer individuellen Fahrleistungen einzuschränken. <?page no="91"?> Auswirkungen von Big Data und KI für Verbraucher 91 10 | Auswirkungen des Car-Sharings auf das Gleichgewicht des Pkw-Markts »Car-Sharing bedeutet, dass sich viele Menschen keine eigenen Autos mehr kaufen, sondern für eine bestimmte Zeit mieten. Die insgesamt gekaufte Menge an Autos in einer Gesellschaft geht daher zurück. Dies bedeutet: Die Nachfragekurve verschiebt sich nach links. Das Ergebnis ist ein neues Marktgleichgewicht mit einer geringeren Menge an angebotenen und gekauften Autos (X 1  X 0 ) und einem geringeren Marktpreis (P 1  P 0 ). Die in Kilometern gemessenen Fahrleistung bleibt hingegen konstant, wenn die Mitglieder des Car-Sharing-Netzwerks ihre individuellen Fahrleistungen unverändert lassen.« Preis (P) Pkw-Menge (X) Angebotskurve ● ● Q 0 X 0 P 1 Q 1 X 1 P 0 Car-Sharing Nachfragekurve 0 Nachfragekurve 1 <?page no="92"?> 92 Diginomics verstehen Auch im Bereich des Finanzsektors führt die Digitalisierung zu zusätzlichen Angeboten, die neben den etablierten Finanzdienstleistern entstehen (vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Berenberg und HWWI 2015: 51f.). Ein Beispiel dafür ist die private Finanzierung über Online-Plattformen, entweder in Form einer Kreditgewährung zwischen Privatpersonen (das so genannte Social Lending) oder durch eine Finanzierung, die durch eine Vielzahl von Internet- Nutzern erfolgt (das so genannte Crowdfunding). In beiden Fällen sind in der Regel nur Privatpersonen beteiligt. Der traditionelle Bankensektor wird nicht eingeschaltet. Digitale Plattformmärkte bedeuten somit für die Verbraucher ein quantitativ und qualitativ größeres Güter- und Dienstleistungsangebot. Diese Angebotsausweitung geht einher mit einer Preissenkung, weil die Kosten des Austauschs sinken und weil ein zusätzliches Angebot von nicht kommerziellen Anbietern zu einem Angebotsüberschuss führt, der den zu zahlenden Preis senkt. Eine Preissenkung ergibt sich außerdem, weil private Anbieter nicht die Regulierungen kommerzieller Anbieter erfüllen müssen, z. B. die Anforderungen des Hotel- und Gaststättengewerbes im Bereich der temporären Wohnraumüberlassung über Airbnb.  Gewonnene Erkenntnisse Im Ergebnis führen die vier beschriebenen Effekte, die sich aus dem Einsatz von digitalen Produktionstechnologien und Big Data in Kombination mit KI für die Konsumenten ergeben, zu folgender Entwicklung (→ Abb. 11): Die Verbraucher können eine größere Menge von Gütern und Dienstleistungen zu geringeren Preisen erwerben (quantitative Verbesserung) und zudem von einer besseren Anpassung dieser Produkte an individuelle Kundenwünsche profitieren (qualitative Verbesserung). Die Preissenkung erhöht die Kaufkraft eines gegebenen Einkommens. Dadurch werden die Konsummöglichkeiten der Verbraucher erhöht - und zwar selbst im Bereich der Produkte, bei denen es gar keine technologisch bedingte Preisreduzierung gab. <?page no="93"?> Auswirkungen von Big Data und KI für Verbraucher 93 11 | Ökonomische Vorteile von Big Data und KI für die Verbraucher »Der verstärkte Einsatz von Big Data und künstlicher Intelligenz optimiert zahlreiche Geschäftsprozesse und Tauschprozesse, die über Märkte organisiert werden. Die systematische Auswertung großer Datenmengen über das Verhalten von Verbrauchern bewirkt eine Optimierung bestehender Produkte. Zudem erlauben Big Data und Digitalisierungstechnologien neue Produkte. Für die Konsumenten bedeutet dies eine quantitative und qualitative Verbesserung ihrer Versorgungslage - bei sinkenden Marktpreisen.« Einschränkend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Einsatz digitaler Technologien auch kostenerhöhende Elemente enthält. Zu denken ist an die erforderlichen Investitionen der Unternehmen. Die damit verbundenen Abschreibungen fließen während der Nutzungsdauer der entsprechenden Investitionsgüter in die Produktionskosten ein. In der Anfangsphase sind zudem häufig betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen erforderlich, die die Produktionskosten ebenfalls erhöhen. Wenn die Unternehmen nicht über das notwendige Know- Optimierung von Geschäftsprozessen schneller, präziser, zuverlässiger  Produktionskosten ↓ Marktpreis ↓ Reduzierung der Transaktionskosten Kosten der Organisation eines Austauschs von Produkten über den Markt ↓  Marktpreis ↓ Optimierung bestehender Produkte Produktanpassung an individuelle Kundenwünsche  Qualität der Produkte ↑ Entwicklung neuer Produkte vor allem Online-Plattformen wie Uber, Airbnb, Share Economy  Angebotsmenge ↑ Marktpreise ↓ Konsumenten erhalten eine größere Menge von Gütern und Dienstleistungen mit besserer Qualität zu geringeren Preisen. <?page no="94"?> 94 Diginomics verstehen how zur Einführung und Anwendung digitaler Technologien und der damit verbundenen Geschäftsmodelle verfügen, müssen sie dafür externe Beratungsangebote in Anspruch nehmen, was mit entsprechenden Beratungshonoraren verbunden ist (vgl. Strauß 2019: 7). Darüber hinaus können Digitalisierungstechnologien zu ganz neuen betrieblichen Ausgaben führen. Hierzu gehören z. B. Präventionsmaßnahmen, die ein Unternehmen zum Schutz vor Cyber- Angriffen ergreift. Derartige Maßnahmen erfordern neben dem Einsatz von Hard- und Software vor allem hoch qualifizierte Mitarbeiter (vgl. Schmalzl und Weigand 2019: 82f.). Besonders groß ist die Gefahr eines solchen Angriffs in dem Bereich, in dem der Einsatz von KI und Algorithmen gegenwärtig mit am weitesten vorangetrieben wird: im Bereich der Finanzdienstleistungen. Dort kann ein gezielter Cyber-Angriff auf kritische Infrastruktur im Devisen-, Aktien- und Wertpapierhandel diese Infrastruktur lahmlegen und zu einem erheblichen Risiko für die weltweite Finanzmarktstabilität werden (vgl. Körner, Schattenberg und Heymann 2018: 19). Entsprechend teuer sind die zu ergreifenden Präventionsmaßnahmen der Unternehmen. Dennoch ist im Ergebnis davon auszugehen, dass Unternehmen diese Kosten bei der Entscheidung zur Einführung digitaler Technologien berücksichtigen und diese Technologien nur anwenden, wenn sich dies betriebswirtschaftlich lohnt. Per Saldo bleibt es also selbst unter Einberechnung der digitalisierungsbedingten Zusatzkosten bei dem Ergebnis, dass Digitalisierungstechnologien die Betriebs- und Verwaltungskosten der Unternehmen verringern und damit auch eine Preissenkung bewirken. <?page no="95"?> 6 Monopolisierungstendenzen der Digitalisierung Die grundsätzlich zu erwartenden Preissenkungen sowie die damit verbundenen Mengenausweitungen für die Verbraucher stellen sich nicht bei jeder Marktform ein. Sobald es zur Entstehung von Marktmacht auf der Seite der Anbieter kommt, können Unternehmen diese Macht ausnutzen und höhere Preise fordern. Diese Gefahr ist besonders groß, wenn es auf einem Markt nur einen Anbieter, also einen Monopolisten, gibt. 6.1 Ursachen der digitalisierungsbedingten Monopolbildung Auf der einen Seite kann die Digitalisierung, wie in → Abschnitt 3.8 beschrieben, über eine Erhöhung der Markttransparenz und eine Reduzierung der Transaktionskosten die Marktmacht lokaler Anbieter - bzw. im Extremfall lokaler Monopolisten - reduzieren. Auf der anderen Seite aber können die im → 1. Abschnitt skizzierten Eigenschaften von digitalen Gütern und den häufig mit ihnen verbundenen Plattformmärkten über drei zentrale Kanäle dazu führen, dass sich langfristig nur ein Anbieter auf einem Markt durchsetzt und somit ein Monopol entsteht: [1] Kostenstruktur: Bei hohen Fixkosten und geringen Grenzkosten führt eine Ausweitung der Produktionsmenge zu sinkenden Stückkosten. Das hat zur Folge, dass das Unternehmen, welches die größte Menge anbietet, die geringsten Stückkosten aufweist und daher auch den niedrigsten Preis fordern kann. Die Verbraucher werden letztendlich bei dem Anbieter kaufen, der den geringsten Preis fordert. Langfristig überlebt somit nur ein Anbieter (→ Abschnitt 3.5). Ökonomen sprechen im Fall eines aus dieser Kostenstruktur resultierenden Alleinanbieters von einem natürlichen Monopol. [2] Netzwerk-Charakter: Je mehr Teilnehmer in einem sozialen Netzwerk oder einer Online-Tauschbörse anzutreffen sind, desto <?page no="96"?> 96 Diginomics verstehen attraktiver ist es für Menschen, sich dem entsprechend großen Netzwerk anzuschließen. Am Ende setzt sich das Unternehmen durch, das die meisten Teilnehmer hat („Winner takes all“- Phänomen). Erneut bleibt langfristig also nur ein Anbieter am Markt bestehen. [3] Lock-in-Effekte: Hohe Umstellungskosten verstärken die Monopolisierungstendenzen, die sich aus dem Einsatz von digitalen Technologien ergeben können. Derartige Kosten verhindern in vielen Fällen den Wechsel zu einem qualitativ gleichwertigen Produkt, das weniger kostet (→ Abschnitt 3.6). Das kann bedeuten, dass Wettbewerber sich nicht durchsetzen können, obwohl sie preislich bessere Angebote haben. Und wenn ein Unternehmen erst einmal die Position eines Monopolisten erreicht hat, wird es für neue potenzielle Anbieter sehr schwer, sich gegen diesen Alleinanbieter durchzusetzen. Besonders groß ist die Gefahr, dass es zur Monopolbildung kommt, wenn alle drei Eigenschaften zusammenfallen. Genau dies ist bei digitalen Plattformen häufig der Fall: Diese Plattformen haben den Charakter eines Netzwerkguts, ihr Aufbau ist mit hohen Fixkosten verbunden, und die erforderlichen Angaben bei der Erstanmeldung stellen einen Lock-in-Effekt dar. Die Kombination aus sinkenden Stückkosten und hohen Wechselkosten hat zur Folge, dass ein einmal gewonnener Kunde zu einem gefangenen Kunden wird (vgl. Haucap 2018b: 476 sowie die dort angegebene Literatur). Wenn sich digitale Technologien und die mit ihnen verbundenen Güter und Plattformen zukünftig weiter ausbreiten, ist es deshalb durchaus möglich, dass Monopole für das tägliche Wirtschaftsleben eine größere Bedeutung als bisher gewinnen. In der Digitalökonomie besteht somit „die Tendenz, das natürliche Monopole zum Normalfall werden“ (Quitzau und Broders 2019: 1). Das bedeutet nicht, dass ein einmal etablierter Monopolist seine Marktstellung dauerhaft verteidigen kann. Tatsächlich sind die Märkte der Digitalwirtschaft hart umkämpft. So hatte beispielsweise die Suchmaschine Yahoo lange Zeit eine marktbeherrschende Stellung. Mittlerweile ist Yahoo jedoch von Google verdrängt worden (vgl. Brandt 2017: 46). Ulrich Dolata spricht in diesem Kontext von <?page no="97"?> Monopolisierungstendenzen der Digitalisierung 97 einem volatilen Monopol (vgl. Dolata 2015). Für die Verbraucher macht es jedoch keinen großen Unterschied, ob sie dauerhaften einem Alleinanbieter oder wechselnden Monopolisten gegenüberstehen. Als alleiniger Anbieter eines Produkts verfügt ein Monopolist über eine Marktmacht, die er zur Erhöhung seine Gewinne ausnutzen wird. Ohne eine staatliche Monopolregulierung erfolgt eine marktmachtbedingte Preispolitik, die zulasten der Verbraucher, aber auch der Arbeitnehmer geht. Lediglich in der Phase, in der der aufstrebende neue Alleinanbeter den aktuellen Monopolisten vom Markt verdrängt, ist ein Wettbewerb zwischen den beiden Anbietern zu erwarten, was für die Verbraucher eine Preissenkung bedeutet. Allerdings wird es für potenzielle neue Anbieter zunehmen schwerer, einen etablierten Monopolisten zu verdrängen oder zumindest als zusätzlicher Anbieter einen Zutritt zu dem Markt zu erhalten. Hierfür gibt es mindestens zwei wichtige Ursachen:  Zum einen ist an das Phänomen der gefangenen Kunden zu denken. Wenn ein Verbraucher sich erst einmal für einen Online- Plattform-Anbieter entschieden hat, bleibt er ihm aus den weiter oben genannten Gründen treu. Und selbst wenn es wechselwillige Kunden geben sollte, kann der Plattformbetreiber diesen Personen attraktive Angebote machen, die ihn zum Bleiben bewegen. Bezahlt werden diese Bleibeprämien von den gefangenen Kunden, die trotz eines höheren Preises keine Wechselambitionen haben. Damit fehlen einem potenziellen neuen Anbieter zahlungswillige Kunden und er kann nicht die kritische Masse an Teilnehmern erreichen (Netzwerkgröße G B in → Abb. 3 in → Abschnitt 3.1), bei der die Stückkosten von der Zahlungsbereitschaft der Kunden gedeckt wird. Selbst wenn der potenzielle neue Anbieter einen Kostenvorteil gegenüber dem am Markt etablierten Anbieter haben sollte, kann letzterer mit seinen gefangenen Kunden und deren Quersubventionierung von attraktiven Angeboten für wechselwillige Verbraucher den Marktzutritt eines neuen Anbieters verhindern (vgl. Haucap 2018b: 476 und die dort angegebene Literatur). <?page no="98"?> 98 Diginomics verstehen  Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass das Geschäftsmodell großer Internetkonzerne auf einer großen Datenmenge vieler Konsumenten basiert. Diese Datenmenge bedeutet eine höhere Qualität der Schlussfolgerungen, die das Unternehmen aus der Analyse seiner Daten zieht. Deshalb kann ein Unternehmen mit einer großen Datenbasis seinen Kunden passendere individuelle Angebote machen als ein Unternehmen, dass nur über einen kleinen Datensatz verfügt - und dies zu geringeren Suchkosten für die Kunden. Gleichzeitig ist das Angebot bei vielen Teilnehmern größer. Im Ergebnis hat der Kunde eines Anbieters mit einer großen Datenmenge eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass er genau das Angebot findet, das seinen Präferenzen am besten entspricht. Im Ergebnis besitzen etablierte Unternehmen somit „durch eine überlegene Datenbasis einen Wettbewerbsvorteil gegenüber potenziellen Konkurrenten, da sie dadurch Produkte besser personalisieren und schneller (weiter-)entwickeln können“ (Wiewiorra 2018: 465). Auch dies kann den Marktzutritt eines zusätzlichen Anbieters verhindern. 6.2 Nachteile digitaler Monopole Monopole sind aus mindestens fünf Gründen ein wirtschaftliches und gesellschaftliches Problem: [1] Monopolisten fordern höhere Preise, weil sie keine Konkurrenz haben. Verbraucher müssen diese Preise zahlen, weil es keine anderen Anbieter gibt. Dies schmälert ihre Kaufkraft und verringert die Konsummöglichkeiten. Zudem ist ein Monopol mit einem gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlust verbunden: Ein Monopolist bietet zur Maximierung seines Gewinns die Gütermenge an, bei der der Grenzerlös den Grenzkosten der Produktion entspricht (vgl. dazu ausführlicher Petersen 2008). Bei steigenden Grenzkosten der Produktion und einem sinkenden Grenznutzen auf Seiten der Verbraucher führt dies zu einem Monopolgleichgewicht (Q M ), bei dem der Monopolist im Vergleich zum Gleichgewicht bei vollständiger Konkurrenz (Q VK ) eine kleinere Gütermenge anbietet (X M  X VK ) und dafür einen höheren <?page no="99"?> Monopolisierungstendenzen der Digitalisierung 99 Preis fordert (P M  P VK , → Abb. 12). Dadurch kommt es zu einer Verringerung der Konsumentenrente (a Q M P M  a Q VK P VK ), einer Steigerung der Produzentenrente (P M Q M c b  P VK Q VK b) und zu einem gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtsverlust in Höhe der Fläche Q M Q VK c. 12 | Auswirkungen der Monopolbildung auf Marktgleichgewicht und gesellschaftliche Wohlfahrt »Das Gewinnmaximum eines Monopolisten liegt bei der Gütermenge, bei der der Grenzerlös mit den Grenzkosten übereinstimmt. Die daraus resultierende Gütermenge (X M ) wird zu dem Preis verkauft, den die Verbraucher hierfür maximal bereit sind zu zahlen (P M ). Im Vergleich zum Marktgleichgewicht bei vollständiger Konkurrenz bietet der Monopolist eine geringere Menge an, für die ein höherer Preis zu zahlen ist. Der damit verbundene gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtsverlust entspricht der Fläche Q M Q VK c.« Nachfragekurve Preis (P) Gütermenge (X) Grenzerlöskurve ● ● P VK Q VK X VK ● Angebotskurve X M Q M P M c ● ● a b d <?page no="100"?> 100 Diginomics verstehen vollständige Konkurrenz Monopol Konsumentenrente a Q VK P VK a Q M P M Produzentenrente b Q VK P VK b c Q M P M gesell. Wohlfahrt a Q VK b a Q M c b [2] Ein Monopolist verfügt auch als Nachfrager über eine Marktmacht, mit der er die Preise für Vorleistungen und die Löhne senken kann. So gibt es Hinweise, dass das Aufkommen von so genannten Superstar-Firmen wie Google, Apple, Amazon, Facebook und Uber auf die Löhne bzw. auf Lohnsteigerungen drückt (vgl. Autor et al. 2017: 25f.). [3] Ohne Konkurrenz gibt es für einen Monopolisten keine Notwendigkeit, die Qualität seiner Produkte zu verbessern und die Preise der Produkte durch technologischen Fortschritt zu senken. Der zentrale Vorteil der Marktwirtschaft für die Verbraucher - ein verbessertes Produktangebot zu geringeren Preisen - kommt damit nicht zum Tragen. [4] Als Alleinanbieter mit entsprechenden Monopolgewinnen verfügt ein Monopolist über hohe finanzielle Mittel. Diese finanzielle Macht kann eingesetzt werden, um potenzielle Konkurrenten frühzeitig aufzukaufen. Sie kann auch genutzt werden, um weitere Unternehmen zu erwerben und damit zusätzliche Märkte zu betreten, die gar nicht zum ursprünglichen Geschäftsbereich gehören. Ein Beispiel dafür ist Google. Zu den neu gegründeten Unternehmen oder zugekauften Unternehmen und Produkten gehören u. a. Google Maps (ein Kartendienst), Google Earth (Bereitstellung von Satellitenbildern), Google Street View (eine fotorealistische Straßenansicht als Ergänzung zu Google Maps), Google Mail, das soziale Netzwerk Google Plus, Google Hangouts für Internettelefonate, die Bildverwaltungssoftware Picasa, das Betriebssystem Android, der Webbrowser Chrome, der Videokanal YouTube, um nur die wichtigsten zu nennen. Zudem besteht über Google Ventures eine Beteiligung an dem Fahrdienst Uber. Und schließlich beteiligt sich Google im Automobilbereich an der <?page no="101"?> Monopolisierungstendenzen der Digitalisierung 101 Entwicklung selbstfahrender Autos (vgl. zu der Aufzählung Rolf und Sagawe 2015: 75-84). [5] Wirtschaftliche Macht kann zu politischer Macht werden. Monopole sind als Arbeitgeber und als Steuerzahler ein wichtiger Player. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass politische Entscheider auf diese Unternehmen und deren Partialinteressen hören. Die Konsequenz können politische Entscheidungen sein, die zulasten der Verbraucher, der Arbeitnehmer und kleiner Unternehmen gehen. Dazu nur ein Beispiel: Unternehmen können mit den lokalen Steuerbehörden darüber verhandeln, ob bestimmte Ausgaben als laufende Geschäftskosten geltend machen können und so ihre effektive Steuerbelastung verringern. Dass dieses Ziel von Großunternahmen in der Praxis erreicht wird, zeigen beispielsweise Egger, Strecker und Zoller-Rydzek (2018). Ein weiterer Nachteil, der sich aus einer Monopolbildung ergeben kann, besteht darin, dass Monopolisten von einzelnen Käufern unterschiedliche Preise verlangen können. Mithilfe von Big-Data- Algorithmen lässt sich bestimmen, wie hoch die Zahlungsbereitschaft eines potenziellen Käufers ist (→ Abschnitt 3.7):  Grundsätzlich gilt, dass eine Person ein bestimmtes Produkt nur kauft, wenn der individuelle Nutzen, den er damit verbindet, größer ist als der zu zahlende Preis. So wird ein Verbraucher ein Produkt mit einem Marktpreis von 15,- Euro nur kaufen, wenn der in Geldeinheiten ausgedrückte individuelle Nutzen für ihn mindestens 15,- Euro beträgt.  Der Nutzen, den Menschen einem bestimmten Produkt zuordnen, ist stets subjektiv und daher von Individuum zu Individuum sehr unterschiedlich. Neben Personen, die dem genannten Produkt mit einem Marktpreis von 15,- Euro einen geringeren monetären Nutzen als 15,- Euro zuweisen und es daher nicht kaufen, gibt es auch Menschen, die sogar 20,- Euro und mehr zahlen würden. Wenn ein Monopolist nun mithilfe von Big Data und KI Informationen über die maximale Zahlungsbereitschaft der einzelnen Kunden hat, kann er mit individuellen bzw. personalisierten Preisen arbeiten (vgl. exemplarisch Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. 2016: 3, Schleusener und Hosell 2016: 21). Mit diesem Vorgehen, das <?page no="102"?> 102 Diginomics verstehen von Ökonomen als Preisdiskriminierung bezeichnet wird, können die Unternehmen ihren Gewinn erhöhen. Diese Gewinnsteigerung geht zulasten der Verbraucher. Ihr in Geldeinheiten gemessener Nutzen wird geringer. Dieses Vorgehen steht durch den Einsatz von Big Data und KI grundsätzlich jedem Unternehmen offen (→ Abschnitt 3.7). Im Fall eines Monopolisten ist eine Preisdiskriminierung durch personalisierte Preise jedoch besonders gravierend: Die Kunden können nicht ausweichen, weil es keine Konkurrenten gibt. Gerade in Kombination mit dem Informationsvorsprung der Unternehmen gegenüber den Kunden stellt die Monopolkommission in einem Gutachten zur Wettbewerbspolitik bei digitalen Märkten fest, dass „eine Stärkung der Position von Verbrauchern sinnvoll“ sei (vgl. Monopolkommission 2015: 3). 6.3 Wettbewerbspolitische Herausforderungen Natürliche Monopole sind keineswegs ein neues Phänomen. Sie betreffen sämtliche Netzwerkgüter, die mit extrem hohen Fixkosten verbunden sind, also Versorgungsnetzwerke wie Strom, Wasser und Bahngleise. Allerdings könnten die geschilderten Besonderheiten der digitalen Güter dafür sorgen, „dass sich die Tendenzen zur Bildung von Monopolen verstärken“ (Krämer 2019: 48). Dabei sind diese Monopolisierungstendenzen bereits heute in einigen Bereichen existent. Ein prominentes Beispiel ist Google/ Alphabet: Google hat mittlerweile (inklusive YouTube, Bildsuche und Maps) im Bereich des Suchgeschäfts einen Anteil von mehr als 90 Prozent (vgl. Monopolkommission 2015: 6; Hosseini und Schmidt 2018: 15). Dies ist unzweifelhaft eine marktbeherrschende Stellung. Hinzu kommt, dass Google sich nicht nur auf die ursprüngliche Funktion einer Suchmaschine beschränkt, sondern seine wirtschaftlichen Aktivitäten auch auf andere Bereiche wie Browser, Betriebssysteme und Hardware ausweitet (vgl. Monopolkommission 2015: 1). Und nach Überzeugung der EU-Kommission hat Google die damit verbundene Marktmacht auch mehrfach ausgenutzt. Seit Sommer 2017 verhängte die EU- Kommission drei Strafen wegen Missbrauchs der Marktmacht gegen <?page no="103"?> Monopolisierungstendenzen der Digitalisierung 103 Google, die zusammen 8,2 Milliarden Euro erreichten (vgl. Podszun 2019: 31):  Im Juni 2017 erfolgte eine Strafe in Höhe von 2,42 Milliarden Euro, was damals die mit Abstand höchste Geldbuße war, die von der EU gegen ein einzelnes Unternehmen verhängt wurde.  Im Juli 2018 gab es eine Geldbuße in Höhe von 4,3 Milliarden Euro, was erneut die bis dato höchste jemals gegen ein Unternehmen gerichtete Wettbewerbsstrafe war.  Die dritte Milliardenstrafe wegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung wurde im März 2019 verhängt. Sie lag bei 1,49 Milliarden Euro. Das Beispiel Google verdeutlicht, dass Marktmacht ein relevantes wettbewerbliches Problem werden kann. Eine zentrale wirtschaftspolitische Herausforderung besteht deshalb darin, durch wettbewerbspolitische Instrumente die Ausnutzung von Marktmacht zu verhindern, um so die beschriebenen preisreduzierenden und wohlfahrtserhöhenden Effekte der voranschreitenden Digitalisierung im Allgemeinen und des verstärkten Einsatzes von Big Data und KI im Speziellen auch tatsächlich realisieren zu können. Die traditionellen Instrumente der Wettbewerbspolitik stoßen hier rasch an ihre Grenzen. Dies beginnt bei der Abgrenzung des relevanten Marktes: Um festzustellen, ob ein Anbieter über eine so große Marktmacht verfügt, dass ein Einschreiten der Kartellbehörden erforderlich wird, muss der betreffende Markt geografisch abgegrenzt werden. Diese Abgrenzung fällt jedoch schwer, wenn das Internet dafür sorgt, dass der relevante Markt tendenziell global ist (vgl. Henseler-Unger, Arnold und Hildebrandt 2016: 244, Krämer 2016: 232). Für die praktische Anti-Monopolpolitik ergibt sich die zusätzliche Herausforderung, dass die Märkte der Digitalökonomie zwar tendenziell global sind, die zuständigen Wettbewerbsbehörden oder Kartellämter jedoch nur national handlungsfähig sind (vgl. Quitzau und Broders 2019: 1). Nach der Marktabgrenzung muss untersucht werden, ob ein bestimmter Anbieter über eine relevante Marktmacht verfügt. Dies ist typischerweise immer dann der Fall, wenn das Unternehmen für sein <?page no="104"?> 104 Diginomics verstehen Produkt einen Preis fordert, der über den Grenzkosten der Produktion liegt. Bei digitalen Gütern, deren Produktion mit sehr hohen Fixkosten verbunden ist, ist der Preis jedoch notwendigerweise höher als die Grenzkosten, weil der Preis auch die Fixkosten decken muss (vgl. Krämer 2016: 232). Noch schwerer wird es, wenn Angebote kostenlos abgegeben werden. In vielen Fällen zahlen die Nutzer mit der Hergabe ihrer Daten. Da sie jedoch den Wert ihrer Daten nicht einschätzen können, ist es durchaus möglich, dass der gezahlte Preis zu hoch ist (vgl. dazu die Ausführungen in → Abschnitt 9.5). Der Umstand, dass viele Produkte von Digitalunternehmen ohne monetäre Preise abgegeben werden, erschwert auch die Fusionskontrolle. In Deutschland und Europa müssen Unternehmen Zusammenschlüsse bzw. Übernahme nur dann den Behörden melden, wenn bestimmte Umsatzschwellen überschritten werden. Damit können Fusionen, die zu erheblicher Marktmacht führen, ggf. gar nicht von den Wettbewerbsbehörden erfasst werden. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Übernahme des Messaging-Dienstes WhatsApp durch Facebook 2014. Facebook bezahlte 19 Milliarden US-Dollar, aber die Umsätze von WhatsApp waren derart gering, dass diese Fusion „durch die Maschen der deutschen und der europäischen Fusionskontrolle“ rutschte (vgl. Podszun 2019: 32). Schließlich stellt sich die Frage, wer globale Monopole bändigen soll. Ein zentrales Instrument der Wettbewerbspolitik, die Zerschlagung eines natürlichen Monopols, entfällt. Eine Aufteilung von z. B. Facebook in mehrere Anbieter für verschiedene Regionen wäre nicht sinnvoll, weil damit der Vorteil der großen Teilnehmerzahlen verloren geht. 6.4 Kartellbildung durch algorithmische Preisbildung Ein weiterer, wettbewerbspolitisch relevanter Aspekt betrifft eine mögliche Kartellbildung. Bei einem Kartell gibt es zwar mehr als nur einen Anbieter, aber der Wettbewerb zwischen diesen Anbietern wird bewusst ausgeschaltet. Die Kartellmitglieder einigen sich auf einen Preis, der über dem liegt, der sich im Fall der vollständigen <?page no="105"?> Monopolisierungstendenzen der Digitalisierung 105 Konkurrenz ergibt. Der höhere Preis beschert den Anbietern einen größeren Gewinn. Gleichzeitig hat ein höherer Preis jedoch zur Folge, dass die am Markt absetzbare Menge zurückgeht. Ein Kartell ist daher auch noch mit einer Einigung unter den Mitgliedern verbundenen, die festlegt, wie groß die Mengen sind, die jeder einzelne Anbieter zu dem vereinbarten Preis anbieten darf. Ohne diese mengenmäßige Beschränkung könnte die insgesamt am Markt angebotene Menge zu einem Angebotsüberschuss führen, der einen Preisrückgang nach sich zieht. Im Normalfall entsteht ein Kartell nur nach einer Absprache der Anbieter untereinander. Dabei sollte die Anzahl der Unternehmen nicht zu groß sein: Wenn eine große Zahl von Anbietern beteiligt ist, droht ein so genanntes Trittbrettfahrerverhalten: Ein einzelner Anbieter hat einen großen Anreiz, sich nicht an die ihm auferlegte Mengenbeschränkung zu halten. Es besteht für ihn die Versuchung, zwar vom vereinbarten höheren Preis zu profitieren, gleichzeitig aber seine Angebotsmenge zu erhöhen und so seinen individuellen Gewinn noch weiter zu steigern. Wenn es zahlreiche Anbieter gibt, fällt dieses individuelle Fehlverhalten nicht auf. Allerdings gilt diese Überlegung für jeden einzelnen Anbieter. Falls alle Anbieter - oder zumindest ein großer Teil der Kartellmitglieder - ihre angebotenen Mengen über die abgemachten Mengenbeschränkungen hinaus ausdehnen, kommt es zu einem Angebotsüberhang samt Preisrückgang. Das Kartell bricht auseinander. Wenn Unternehmen im Rahmen der am Ende des → Abschnitts 3.7 beschriebenen dynamischen Preisfindung Algorithmen einsetzen, kann es durchaus passieren, dass die Preisfindungssoftware zu dem Ergebnis kommt, dass ein Kartellpreis den Gewinn des Unternehmens erhöht (vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Haucap 2018b: 475). Diese Gefahr ist besonders groß, wenn ein selbstlernender Preisanpassungsalgorithmus verwendet wird und die entsprechende Software von vielen Unternehmen des betreffenden Markts eingesetzt wird. Falls dieser Algorithmus nach einem Lernprozess zu der Erkenntnis kommt, dass eine kartellmäßige Preissetzungsstrategie gewinnerhöhend wirkt, wird sie einen entsprechend hohen Preis festlegen. Und wenn die Algorithmen der meisten ande- <?page no="106"?> 106 Diginomics verstehen ren Anbieter zu der gleichen Einschätzung kommen, resultiert daraus ein kartellanaloger Preis - und dies ohne eine Absprache zwischen den Anbietern. Eine algorithmische Preisfindung birgt also die Gefahr in sich, dass es ohne eine bewusste Absprache unter den Anbietern zu einem Kartellpreis kommt. Und ohne eine solche Absprache gibt es zumindest in Deutschland „kartellrechtlich momentan kaum eine Eingriffsmöglichkeit, sodass für Verbraucher durchaus Risiken in der Preisbildung durch Algorithmen bestehen“ (Haucap 2018b: 475).  Gewonnene Erkenntnisse Grundsätzlich führt die Digitalisierung - wie in den → Abschnitten 4 und 5 beschrieben - über unterschiedliche Kanäle zu sinkenden Preisen für Güter und Dienstleistungen. Dies geht einher mit einer Ausweitung der angebotenen und nachgefragten Menge und verbessert so den Versorgungsgrad der Bürger. Insgesamt erhöht sich die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt. Allerdings kann die Digitalisierung zum Entstehen von Monopolen führen. Ursachen dafür sind u. a. der Netzwerkcharakter vieler digitaler Güter, hohe Fixkosten und die Möglichkeit der Kundenbindung durch Lock-in-Effekte. Die damit verbundene Marktmacht führt zu Preiserhöhungen und gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlusten. Faktisch gibt es bereits heute in vielen Bereichen der Digitalökonomie - zumindest in bestimmten Marktsegmenten - Monopole. Neben der bereits genannten marktbeherrschenden Stellung von Google im Bereich der Suchmaschinen ist an Amazon für den Online-Handel zu denken, an Netflix bei den Online-Streamingdiensten und an Facebook bei den Social-Media-Plattformen. Bei den Computerbetriebssystemen beherrschen gegenwärtig zwei Unternehmen - Microsoft und Apple - den Markt. Auch auf dem Markt für Mobiltelefone gibt es mit Googles Android und Apples iOS zwei beherrschende Anbieter (vgl. Körner, Schattenberg und Heymann 2018: 4). Vollkommen zurecht weisen Quitzau und Broders allerdings darauf hin, dass die modelltheoretisch ableitbaren Nachteile für das prakti- <?page no="107"?> Monopolisierungstendenzen der Digitalisierung 107 sche Wirtschaftsleben im Bereich der Digitalökonomie bisher keine spürbare Relevanz haben (vgl. Quitzau und Broders 2019: 1f.):  Preissteigerungen finden bisher nicht statt, weil die meisten Dienstleistungen von digitalen Plattformen kostenlos (zumindest mit Blick auf eine monetäre Gegenleistung) bereitgestellt werden. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Kunden mit der Preisgabe ihrer Daten möglicherweise einen zu hohen Preis bezahlen. Gerade bei großen digitalen Dienstanbietern besteht die Gefahr, dass Kunden - bewusst oder unbewusst - den Unternehmen weitreichende Datennutzungsrechte einräumen, weil ihnen die Nutzung dieses Dienstes alternativlos erscheint (vgl. Krämer 2018: 466).  Die theoretisch zu erwartende Angebotsreduzierung eines Monopolisten ist gegenwärtig ebenfalls nicht erkennbar. Vielmehr wird das Angebot digitaler Güter zunehmend ausgeweitet - ein Umstand, der vor allem auf die bereits erwähnten geringen Grenzkosten der Produktion in diesem Bereich zurückzuführen ist.  Auch eine sinkende Innovationstätigkeit, die zu einem Nachlassen des technologischen Fortschritts führt, ist zurzeit nicht erkennbar. Wie im Kontext der volatilen Monopole der Digitalwirtschaft erläutert, zeichnet sich die Digitalökonomie durch ein hohes Maß an Innovationen aus, was sich vor allem in einer wachsenden Zahl von angebotenen digitalen Produkten äußert. Dennoch ist der Umstand, dass die aus theoretischen volkswirtschaftlichen Erwägungen erwarteten Nachteile für die Verbraucher bisher noch nicht eingetroffen sind, keine Garantie dafür, dass dies dauerhaft so bleibt. Wenn sich die Verbraucher so sehr an die digitalen Güter gewöhnt haben, dass sie schwer auf sie verzichten können bzw. wollen, ist es durchaus möglich, dass digitale Unternehmen beginnen, in Geldeinheiten ausgedrückte Preise für ihre Güter zu verlangen. Auch im Bereich der Innovationstätigkeiten gibt es erste Hinweise, dass die existierenden Monopole aufstrebende Konkurrenten aufkaufen und damit den Wettbewerb mit innovativen Anbietern verhindern. Arno Brandt vertritt daher folgende These: „Die Zeiten, in denen Google die Suchmaschine Yahoo verdrängte, sind mittlerweile vorbei“ (Brandt 2017: 46). <?page no="108"?> 108 Diginomics verstehen Eine zentrale wirtschaftspolitische Herausforderung besteht deshalb darin, durch wettbewerbspolitische Instrumente die Ausnutzung von Marktmacht zu verhindern, um so die preisreduzierenden und wohlfahrtserhöhenden Effekte der voranschreitenden Digitalisierung realisieren zu können. <?page no="109"?> 7 Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung Von besonderem gesellschaftlichem Interesse ist bei der Diskussion zur Bedeutung der voranschreitenden Digitalisierung die Frage, ob Roboter, Computer und KI den Menschen die Arbeit wegnehmen - und damit auch ihre wichtigste Einkommensquelle. Sowohl theoretisch als auch empirisch lässt sich nicht eindeutig beantworten, ob der verstärkte Einsatz digitaler Technologien per Saldo das gesamtwirtschaftliche Beschäftigungsniveau steigert oder verringert (die nachfolgenden Ausführungen des → 7. Abschnitts sind zu großen Teilen Petersen 2019b entnommen). 7.1 Freisetzungseffekte der Digitalisierung Die voranschreitende Digitalisierung hat schon jetzt in vielen Tätigkeitsbereichen dazu geführt, dass Maschinen die menschliche Arbeitskraft weitgehend ersetzt haben: Fahrkarten- und Bankautomaten ersetzen Schalterbedienstete, vollautomatische Produktionsanlagen produzieren Güter, die Logistikbranche arbeitet mit hoch automatisierten Einrichtungen, die nur wenige Beschäftigte brauchen, um nur einige Beispiele zu nennen (vgl. Kurz und Rieger: 142). Die Substitution menschlicher Arbeitskräfte durch Kapital bzw. Technologien entspricht dem Freisetzungseffekt der Digitalisierung. In den kommenden Jahren könnte sich die Substitution von menschlicher Arbeit durch digitale Technologien auf viele weitere wirtschaftliche Bereiche ausweiten. Dazu nur einige wenige Entwicklungen, die sich bereits heute andeuten bzw. sogar schon in der Praxis anzutreffen sind und die sich zukünftig fortsetzen werden (vgl. dazu Boeing 2014; Marin 2015; Kurz und Rieger 2014; Rolf und Sagawe 2015):  Moderne Industrieroboter produzieren mit immer weniger menschlicher Unterstützung Produkte, Vorleistungen, Maschinen und Industrieroboter. <?page no="110"?> 110 Diginomics verstehen  In vollautomatischen Lagern haben fahrerlose Gabelstapler und Lagerdatenbanken die menschlichen Arbeitskräfte weitgehend ersetzt.  Selbstfahrende Fahrzeuge gibt es gegenwärtig in Formen des teilautomatischen und des hochautomatischen Fahrens. Der letzte noch ausstehende Schritt ist das vollautomatische Fahren, bei denen ein Fahrzeug alle denkbaren Verkehrssituationen automatisch beherrscht. Perspektivisch ersetzt dies Lkw-, Bus- und Taxifahrer. Gleiches ist für den Schienenverkehr und die Schifffahrt zu erwarten.  Juristische Mustererkennungssoftware findet in kurzer Zeit Präzedenzfälle und macht damit viele Anwälte und Juristen überflüssig.  Immer leistungsfähigere Übersetzungssoftware übernimmt die Tätigkeiten von Dolmetschern und Übersetzern.  Schreibroboter werden zunehmend zu einer Konkurrenz für Journalisten.  Medizinische Diagnosesoftwareprogramme durchsuchen in Sekundenschnelle Datenbanken und stellen ärztliche Diagnosen. Zudem übernehmen Operationsroboter die Tätigkeiten von Chirurgen.  Im Finanzdienstleistungssektor ersetzen das Online-Banking, Online-Versicherungen, der Online-Wertpapierhandel und die Kreditvergabe durch Online-Anbieter wie beispielsweise Auxmoney Bankangestellte, Versicherungsmakler und Aktienhändler. Verstärkt wird diese Tendenz im Bereich des Wertpapierhandels durch Computerprogramme.  Im Tourismussektor ersetzen Online-Reservierungen sowie Reise- und Hotelbuchungsportale Reiseagenturen und die dort Beschäftigten.  Universitäre Online-Kurse ermöglichen es, dass Tausende von Studierenden eine Vorlesung besuchen können, was den Bedarf an Hochschullehrenden drastisch reduzieren kann. Gleiches gilt für den gesamten Aus- und Weiterbildungsbereich.  Pflegeroboter werden in der Altenpflege und bei der Kinderbetreuung eingesetzt.  Schließlich werden 3D-Drucker zunehmend dafür sorgen, dass Produkte von den Konsumenten selbst hergestellt werden können. Per- <?page no="111"?> Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung 111 spektivisch kann dies zum Ende zahlreicher Produktions- und Handelsunternehmen führen (vgl. ausführlicher → Abschnitt 12.7). Die Substitution von menschlichen Arbeitskräften in der Produktion durch Roboter, Maschinen, Computer und KI führt für sich genommen zu einer Verringerung der Nachfrage nach Arbeitskräften und damit zu einem Rückgang des gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsniveaus. Diese Freisetzung von Arbeitskräften bewirkt unter sonst unveränderten Bedingungen eine technologische Arbeitslosigkeit. Die Digitalisierung hat aber auch positive Arbeitsmarkteffekte. 7.2 Kompensationseffekte der Digitalisierung Wie im → 5. Abschnitt beschrieben, gibt es eine Reihe von Anwendungsbereichen für digitale Technologien, die zu Preissenkungen führen (Optimierung von Geschäftsprozessen, Reduzierung der Transaktionskosten, Optimierung bestehender Produkte und Entwicklung neuer Produkte). Die digitalisierungsbedingten Preissenkungen bewirken eine höhere Güternachfrage. Die damit verbundene Produktionsausweitung durch die Unternehmen bedeutet eine höhere Nachfrage nach Arbeitskräften. Dadurch können die Freisetzungseffekte der Digitalisierung (teilweise oder komplett) kompensiert werden. Vier Kompensationseffekte sind von besonderer Bedeutung: [1] Preiseeffekt: Die Produktivitätssteigerungen der Digitalisierung führen zu einer Verringerung des Marktpreises der betroffenen Güter und Dienstleistungen. Im Normalfall reagieren Konsumenten darauf mit einer höheren Nachfrage. Damit steigt die Konsumnachfrage. Für die Herstellung der zusätzlichen Konsumgüter müssen die Unternehmen in der Regel auch zusätzliche Arbeitskräfte einstellen. [2] Einkommenseffekt: Preissenkungen bedeuten, dass die Kaufkraft eines gegebenen Einkommens größer wird. Wird diese zusätzliche Kaufkraft für Konsumgüter ausgegeben, bedeutet dies <?page no="112"?> 112 Diginomics verstehen eine weitere Steigerung der Konsumnachfrage mit einer entsprechenden Steigerung der Nachfrage nach Arbeitskräften. [3] Wettbewerbseffekt: Digitalisierungsbedingte Preissenkungen erhöhen die internationale Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Unternehmen. Diese können mehr Produkte im Ausland verkaufen. Die Exportsteigerung stellt eine Nachfragesteigerung dar, auf die die einheimischen Unternehmen mit einer Ausweitung ihrer Produktion reagieren. Dafür sind wiederum zusätzliche Arbeitskräfte erforderlich. [4] Investitionseffekt: Die Digitalisierung betrieblicher Produktionsprozesse verlangt das Vorhandensein einer dafür erforderlichen digitalen Infrastruktur. Dies umfasst Übertragungstechnologien und physische Geräte, Prozessor- und Speichertechnologien, Steuerungstechnologien und Informationsplattformen sowie eine leistungsfähige Software. Dies alles erfordert entsprechende private und öffentliche Investitionen. Die damit einhergehende höhere Investitionsnachfrage sorgt für eine entsprechende Güternachfrage inklusive einer dafür erforderlichen Produktionsausweitung, die wiederum eine höhere Nachfrage nach Arbeitskräften nach sich zieht. Erforderliche Anpassungsqualifikationen und die dafür notwendigen Weiterbildungsmaßnahmen sorgen für eine höhere Beschäftigung in der Weiterbildungsbranche. Gleiches gilt für Beratungsunternehmen, die Betriebe bei der Einführung digitaler Technologien unterstützen. 7.3 Freisetzung und Kompensation in der Theorie Ob die voranschreitende Digitalisierung per Saldo mehr Arbeitsplätze schafft als sie vernichtet, lässt sich theoretisch mithilfe der Produktionsfunktion und der mit ihr verbundenen Faktorverbrauchsfunktion untersuchen. Eine Produktionsfunktion ordnet jeder Kombination von Mengen an Produktionsfaktoren - z. B. den drei Produktionsfaktoren Arbeit (L), Kapital (K) und Boden (B) - die maximal herstellbare Menge eines Gutes (X) zu. Daher gilt: X = f (L, K, B). Wird vereinfachend von einer Produktionsfunktion mit nur einem Produktionsfaktor - dem Faktor Arbeit (L) - ausgegangen, so lautet <?page no="113"?> Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung 113 die Produktionsfunktion X = f (L). Aus der Produktionsfunktion X = f (L) kann die Umkehrfunktion L = f -1 (X) gebildet werden. Diese Funktion gibt an, wie viele Einheiten Arbeit erforderlich sind, um eine bestimmte Produktionsmenge herzustellen. Sie wird daher auch Faktorverbrauchsfunktion genannt. Für eine neoklassische Produktionsfunktion mit positiven, aber abnehmenden Grenzerträgen ist der Zusammenhang zwischen der Produktionsfunktion X = f (L) und der Faktorverbrauchsfunktion L = f -1 (X) in → Abb. 13 dargestellt. 13 | Faktorverbrauchsfunktion bei einer neoklassischen Produktionsfunktion »Die Produktionsfunktion [X = f (L)] gibt an, wie viele Outputeinheiten (X) mit einer vorgegebenen Arbeitsmenge (L) hergestellt werden können. Die Umkehrfunktion [L = f -1 (X)] gibt an, wie viele Einheiten Arbeit (L) benötigt werden, um eine vorgegebene Menge an Output (X) herzustellen. Diese Umkehrfunktion wird Faktorverbrauchsfunktion genannt.« X = f (L) produzierte Gütermenge (X) [bzw. Arbeitsmenge L] Arbeitsmenge (L) [bzw. produzierte Gütermenge (X)] 45 o -Linie ● ● L = f -1 (X) <?page no="114"?> 114 Diginomics verstehen 14 | Auswirkungen der Digitalisierung auf den Faktorverbrauch »Die Digitalisierung hat zur Folge, dass eine bestimmte Menge an Gütern (z. B. X 0 ) mit einem geringeren Arbeitseinsatz hergestellt werden kann. Die Digitalisierung verschiebt die Faktorverbrauchskurve [L = f -1 (X)] daher nach unten. Der Rückgang der Beschäftigung von L 0 auf L 1 beschreibt den Freisetzungseffekt der Digitalisierung.« Der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien, von Big Data und KI ermöglicht die Produktion einer bestimmten Gütermenge mit einer geringeren Menge an Arbeit. Für die Faktorverbrauchsfunktion bedeutet dies, dass die dazu gehörende Faktorverbrauchskurve in einem Mengendiagramm nach unten verschoben wird. Das bedeutet, dass für die Herstellung einer gegebenen Gütermenge X 0 nun eine geringere Menge an Arbeit erforderlich ist (L 1 < L 0 , → Abb. 14). Die eingesparte Menge an Arbeit stellt den Freiseterforderliche Arbeitsmenge (L) produzierte Gütermenge (X) ● ● L = f -1 (X) alt X 0 L = f -1 (X) neu L 0 L 1 Digitalisierung Q 0 Q 1 <?page no="115"?> Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung 115 zungseffekt der Digitalisierung dar. Er ist mit einer technologisch bedingten Arbeitslosigkeit verbunden. Isoliert betrachtet führt die voranschreitende Digitalisierung somit zu einer Reduzierung des notwendigen Arbeitseinsatzes, also zu einem Rückgang der Beschäftigung und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass der technologische Fortschritt über die in → Abschnitt 7.2 beschriebenen Preis- und Einkommenseffekte auch zu einer Steigerung der produzierten Gütermenge führt. Der mit der zusätzlichen Produktion einhergehende Mehrbedarf an Arbeitskräften wirkt, für sich betrachtet, beschäftigungssteigernd (Kompensationseffekt). Eine Gesamteinschätzung des Beschäftigungseffekts der Digitalisierung verlangt somit eine Betrachtung des Faktorverbrauchs unter Berücksichtigung des Wachstumseffekts, der mit dem technologischen Fortschritt verbunden ist. Das Zusammenspiel von Freisetzungs- und Kompensationseffekten wird in → Abb. 15 abgebildet. Um die gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungseffekte zu analysieren, wird hier mit der Höhe des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) argumentiert. Wie zu erkennen ist, lässt sich a priori nicht sagen, welcher Effekt überwiegt. Entscheidend ist das Ausmaß des wirtschaftlichen Wachstums. Bei dem in → Abb. 15 unterstellten Freisetzungseffekt reicht ausgehend von einer Produktion in Höhe von BIP = BIP 0 ein Wirtschaftswachstum, das die Produktion lediglich auf das Niveau BIP 1 steigert, nicht aus, um den technologisch bedingten Beschäftigungsrückgang zu kompensieren. Erst wenn das wirtschaftliche Wachstum zu einer Produktion in Höhe von BIP BS führt, kann der digitalisierungsbedingte Beschäftigungsrückgang kompensiert werden. Dieser Schwellenwert des wirtschaftlichen Wachstums stellt die so genannte Beschäftigungsschwelle dar. Wird diese Schwelle überschritten (z. B. durch BIP 2 ), kann der Freisetzungseffekt der Digitalisierung von dessen Kompensationseffekten überkompensiert werden. Per Saldo kommt es dann sogar zu einer Steigerung der Beschäftigung (L 2 > L 0 ). <?page no="116"?> 116 Diginomics verstehen 15 | Auswirkungen der Freisetzungs- und Kompensationseffekte der Digitalisierung auf das Beschäftigungsniveau »Bei einem unveränderten gesamtwirtschaftlichen Output (BIP = BIP 0 ) führt die Digitalisierung dazu, dass der erforderliche Arbeitseinsatz sinkt (Freisetzungseffekt). Wenn das BIP infolge verschiedener Kompensationseffekte so weit steigt, dass wieder der ursprüngliche Arbeitseinsatz erforderlich ist (L 0 ), stellt das damit verbundene BIP die Beschäftigungsschwelle (BIP BS ) dar. Fällt der Anstieg des BIP geringer aus, kommt es zu einer digitalisierungsbedingten Arbeitslosigkeit (BIP 1 mit L 1  L 0 ).« 7.4 Freisetzung oder Kompensation: Was sagt die Empirie? Aus rein theoretischer Sicht bleibt es somit offen, welche Beschäftigungseffekte der Digitalisierung überwiegen. Der Blick auf die bisheerforderliche Arbeitsmenge (L) reales BIP ● L = f -1 (X) alt BIP 0 L = f -1 (X) neu L 0 L 1 ● ● ● L 2 Q 0 Q 1 Q 2 Q BS BIP 2 BIP 1 BIP BS <?page no="117"?> Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung 117 rigen Erfahrungen mit den Arbeitsmarkteffekten von Robotern, Automatisierung und anderen digitalen Produktionstechnologien bringt nur begrenzte Erkenntnisgewinne, weil diese Technologien bisher nur in begrenztem Umfang eingesetzt wurden. Belastbare Erfahrungen sind vor allem von den Ländern zu erwarten, die diese Technologien am stärksten einsetzen, also von hochindustrialisierten Volkswirtschaften wie den USA und Deutschland. Für die USA wurde 2017 eine Untersuchung veröffentlicht, die den Einfluss von Robotern auf regionale Arbeitsmärkte in den USA zwischen 1990 und 2007 empirisch schätzte (vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Acemoglu und Restrepo 2017). Die Studie stellte relativ geringe Auswirkungen fest, was vor allem auf den - noch - geringen Einsatz derartiger Roboter zurückzuführen ist. Die ökonometrischen Schätzungen kommen zu dem Ergebnis, dass ein neu eingesetzter Industrieroboter drei bis sechs Arbeitsplätze verdrängt. Für die gesamte US-amerikanische Volkswirtschaft ergibt dies einen Verlust von 360.000 bis 670.000 Arbeitsplätzen. Jeder zusätzliche Roboter pro 1.000 Beschäftigte senkt die Löhne um 0,25 bis 0,5 Prozent (vgl. ebd.: 35). Bei einer differenzierten Sicht zeigen sich zudem folgende Tendenzen: Abgesehen von Managern leiden alle Tätigkeiten unter negativen Beschäftigungseffekten. Besonders stark sind diese Effekte bei manuellen Routinetätigkeiten sowie bei „blue-collar workers, operators and assembly workers, and machinists and transport workers“ (ebd.: 33). Mit Blick auf die Qualifikationen zeigt sich, dass die negativen Beschäftigungs- und Lohneffekte vor allem gering qualifizierte Personen treffen („High School“-Abschluss und darunter liegende Abschlüsse bis hin zu einem fehlenden Schulabschluss). Beschäftigte mit einem Hochschulabschluss erleiden hingegen keine negativen Einkommens- und Beschäftigungseffekte. Schließlich zeigt sich auch, dass sich die negativen Einkommens- und Beschäftigungseffekte vor allem auf die unteren 50 Prozent der Einkommensverteilung konzentrieren. Die von Acemoglu und Restrepo verwendete Methode wurde 2017 auf Deutschland angewendet. Bezogen auf den betrachteten Zeitraum von 1994 bis 2014 kommt die empirische Analyse zu folgenden Einschätzungen: Im verarbeitenden Gewerbe hat ein neuer Roboter <?page no="118"?> 118 Diginomics verstehen im Durchschnitt zwei Arbeitsplätze verdrängt. Dies führt zu einem Verlust von rund 275.000 Vollzeitarbeitsplätzen, was wiederum 23 Prozent der Arbeitsplätze entspricht, die zwischen 1994 und 2014 im verarbeitenden Gewerbe verlorengingen. Für die gesamtwirtschaftliche Beschäftigungssituation werden jedoch keine negativen Effekte festgestellt, weil der Beschäftigungsabbau im verarbeitenden Gewerbe durch einen Zuwachs an neuen Arbeitsplätzen ausgeglichen wird. Untersucht wird zudem der Einfluss des Einsatzes von Robotern auf die Einkommensverteilung: Er erhöht zwar die Produktivität, dieser Produktivitätszuwachs schlägt sich jedoch nicht vollständig in höheren Arbeitseinkommen nieder. Stattdessen fließen Teile der produktivitätsbedingten Einkommenszuwächse an die Kapitaleigentümer. Dabei ruft ein verstärkter Einsatz von Robotern innerhalb der Lohnbezieher Einkommensveränderungen hervor: Hoch qualifizierte Beschäftigte, vor allem in den Bereichen Wissenschaft/ Forschung und im Management können Lohnsteigerungen erzielen. Gering qualifizierte Personen und Beschäftigte mit einem Abschluss in Fertigungsberufen bzw. Personen, die manuelle Routinetätigkeiten ausüben, erleiden hingegen Lohneinbußen (vgl. Dauth et al. 2017: 7f., 41). Mit Blick auf die bisherige Entwicklung besteht das arbeitsmarktpolitische Problem der Digitalisierung also nicht so sehr in einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit, sondern in einer stärkeren Ungleichheit der Einkommensverteilung und „in sinkenden Reallöhnen in der Mitte des Lohnspektrums“ (Südekum 2018: 19). Insgesamt zeigt sich also bereits jetzt ein statistisch nachweisbarer Einfluss des verstärkten Einsatzes von Kapital und Technologien auf Beschäftigung und Lohnhöhe in entwickelten Volkswirtschaften wie den USA und Deutschland. Die Bedeutung des Einsatzes von Robotern in der Produktion hat gegenwärtig allerdings nur geringe Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, dass zukünftig ein weitaus größerer Einsatz von Kapital und Technologien in den entwickelten Volkswirtschaften stattfinden kann. Damit wären dann auch gravierende Beschäftigungs- und Einkommenseffekte verbunden. Somit rücken Simulationsberechnungen in den Mittelpunkt der Diskussion. <?page no="119"?> Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung 119 7.5 Freisetzung oder Kompensation: Was prognostizieren Simulationsrechnungen? Es gibt eine Vielzahl von Szenarien und Modellrechnungen, die zu sehr unterschiedlichen Prognosen für die zukünftigen Auswirkungen der Digitalisierung auf das Beschäftigungsniveau führen. Werden lediglich die technologisch bedingten Freisetzungseffekte der Digitalisierung berücksichtigt, so werden zum Teil erhebliche Arbeitsplatzeinsparungen berechnet:  Frey und Osborne veröffentlichten 2013 eine viel beachtete Studie, in der sie berechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass bestimmte Tätigkeiten in den USA im Jahr 2035 computerisiert sein werden. Ausgehend von 702 Tätigkeiten kommen sie zu der Einschätzung, dass 2035 rund 47 Prozent der amerikanischen Beschäftigten durch Computer ersetzt sein könnten (vgl. Frey/ Osborne 2013: 1).  Wird die von Frey und Osborne verwendete Methode auf Deutschland angewendet, „stellt sich heraus, dass 59 % oder über 18 Millionen Arbeitsplätze gefährdet sind“ (Brzeski und Burk 2015: 2). Eine andere Berechnung, die diese US-Studie ebenfalls auf Deutschland überträgt, kommt zu dem Ergebnis, dass die Automatisierungswahrscheinlichkeit 42 Prozent der Beschäftigten betrifft, vor allem gering qualifizierte und gering verdienende Personen. Gleichzeitig weisen die Autoren darauf hin, dass dieses Automatisierungspotenzial nicht notwendigerweise auch zu einem tatsächlichen Beschäftigungsrückgang führen muss, weil es „gesellschaftliche, rechtliche und ethische Hürden der Einführung neuer Technologien“ gibt, die berücksichtigt werden müssen (vgl. Bonin, Gregory und Zierahn 2013: 23). Hohe Arbeitsplatzverluste, wenn auch ohne eigene Berechnungen als Beleg, werden auch von Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee erwartet. Beide sind der Ansicht, dass der technologische Fortschritt zunehmend menschliche Arbeitskräfte ersetzen wird: „General purpose computers are directly relevant not only for the 60% of labor force involved in information processing tasks but also to more and more of the remaining 40%“ (Brynjolfsson und McAfee 2012a: 5). <?page no="120"?> 120 Diginomics verstehen Noch größer sind die technologisch bedingten Jobverluste, die Jeremy Rifkin vorhersieht. Bereits Mitte der 1990er-Jahre ging er davon aus, dass uns die Erwerbsarbeit infolge des technologischen Fortschritts ausgehen wird: „Mitte des nächsten Jahrhunderts wird es keine Arbeiter und Arbeiterinnen mehr geben, sie werden alle der Dritten Industriellen Revolution […] zum Opfer gefallen sein“ (Rifkin 1996: 107). Rund 20 Jahre später wiederholt er diese These: „Die Möglichkeit eines unvorhergesehenen Rückschlags einmal außer Acht gelassen, werden wir auf unserem Weg in die Mitte des 21. Jahrhunderts den größten Teil der produktiven ökonomischen Aktivität der Gesellschaft zunehmend von intelligenten Technologien erledigen lassen, die unter der Aufsicht kleiner Gruppen hoch qualifizierter Geistes- und technischer Arbeiter stehen“ (Rifkin 2014: 195). Bei einem kürzeren Betrachtungszeitraum und der Berücksichtigung der Kompensationseffekte, die sich aus Preissenkungen, notwendigen Digitalinvestitionen und neuen Produkten ergeben können, werden lediglich geringe Arbeitsplatzverluste oder sogar Beschäftigungszuwächse erwartet:  Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstellt eine Prognose bezüglich der Auswirkungen der voranschreitenden bzw. beschleunigten Digitalisierung auf den deutschen Arbeitsmarkt bis zum Jahr 2030. Die Autoren gehen zwar von einer hohen Freisetzung von Arbeitskräften in digitalisierbaren Tätigkeitsfeldern aus, sehen aber gleichzeitig einen höheren Bedarf an „koordinierenden, forschenden, kommunikativen, kreativen und entscheidungsintensiven Tätigkeiten“ (Kriechel, Düll und Vogler-Ludwig 2016: 23). Per Saldo ergibt sich eine Zunahme der Erwerbstätigenzahl zwischen 2014 und 2030 um rund 240.000 (vgl. ebd.: 27).  Die Boston Consulting Group kommt in ihren Berechnungen zu dem Ergebnis, dass zwischen 2015 und 2025 in Deutschland rund 600.000 Arbeitsplätze im Rahmen des Übergangs zur Industrie 4.0 verloren gehen. Daneben entstehen jedoch auch rund eine Million neue Jobs, sodass per Saldo bis 2025 mit einem Arbeitsplatzzuwachs in Höhe von rund 400.000 zu rechnen ist (vgl. BCG 2016: 6f.). <?page no="121"?> Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung 121  Eine Simulationsberechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht in einer Basisberechnung davon aus, dass von 2015 bis 2025 rund 490.000 Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen (vor allem im verarbeitenden Gewerbe), gleichzeitig aber auch 430.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden (vor allem im Dienstleistungsbereich). Der Arbeitsplatzverlust liegt folglich bei rund 60.000 Arbeitsplätzen (vgl. Wolter et al. 2015: 61- 63).  Bei einer Ausweitung des Prognosezeitraums auf das Jahr 2035 und unter Berücksichtigung zusätzlicher Einflussfaktoren - allen voran der zu erwartenden demografischen Entwicklung - fallen die Ergebnisse des IAB größer aus: Zwischen 2018 und 2035 wird einerseits mit der Entstehung von rund 3,25 Millionen neuen Arbeitsplätzen gerechnet, gleichzeitig aber auch mit dem Verlust von fast vier Millionen Arbeitsplätzen. Hieraus resultiert per Saldo der Wegfall von rund 730.000 Stellen. Mit Blick auf den Zeitraum 2018 bis 2030 ergibt sich per Saldo ein prognostizierter Zuwachs von Arbeitsplätzen von rund 60.000, und zwischen 2018 und 2025 wird per Saldo sogar ein Arbeitsplatzzuwachs in Höhe von etwas mehr als 800.000 Stellen berechnet (vgl. BMAS 2019: 5, 17 sowie Zika et al. 2019: 33). Vor allem bei einem kürzeren Zeithorizont ergeben sich somit digitalisierungsbedingt sogar Arbeitsplatzzuwächse. Eine Simulationsberechnung für Deutschland, die sich auf die Beschäftigungseffekte neuer digitaler Technologien für fünf Jahre konzentriert, kommt zu folgenden Ergebnissen: Die Einführung neuer Technologien verlangt zusätzliches Personal. Im Basisszenario haben Digitalisierung und Automatisierung daher per Saldo einen arbeitsplatzschaffenden Effekt. Der berechnete Arbeitsmarkteffekt liegt bei einem Plus von 1,8 Prozent, was rund 560.000 Arbeitsplätzen entspricht (vgl. Arntz, Gregory und Zierahn 2019: 18). <?page no="122"?> 122 Diginomics verstehen 16 | Kurz- und mittelfristige Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung »Der Einsatz von digitalen Technologien bedeutet, dass Maschinen, Computer, Roboter und Algorithmen menschliche Arbeitskräfte ersetzen. Dieser Freisetzungseffekt hat zur Folge, dass die Unternehmen bei jedem beliebigen Lohn eine geringe Menge an Arbeit nachfragen. Die Arbeitsnachfragekurve verschiebt sich nach links. Digitalisierungsbedingte Preissenkungen führen gleichzeitig zu einer höheren Güternachfrage, die die Arbeitsnachfrage erhöht. Diese Kompensationseffekte verschieben die Arbeitsnachfragekurve nach rechts.« Lohn (W) Arbeitsmenge (L) Arbeitsangebot ● ● Q 1 L 1 W 0 Q 0 L 0 W 1 L d0 L d0‘ L d1 F-Effekt K-Effekt <?page no="123"?> Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung 123 Wie sind diese sehr unterschiedlichen Prognosen zu bewerten? Die Prognosen hinsichtlich der tatsächlichen Arbeitsmarkteffekte sind mit vielen Unsicherheiten verbunden - es ist ein Blick in die Glaskugel. Meine persönliche Einschätzung lautet wie folgt (vgl. Petersen 2017a und 2019b): Die voranschreitende Digitalisierung wird tendenziell dazu führen, dass sie die menschliche Arbeitskraft in den Produktionsprozessen hoch entwickelter Industrienationen wie Deutschland ersetzt. In den nächsten 10 bis 15 Jahren werden die damit verbundenen Arbeitsplatzverluste voraussichtlich noch moderat ausfallen. Kurz- und mittelfristig bedeutet dies, dass die Freisetzungseffekte relativ gering ausfallen. Sie können von den arbeitsplatzschaffenden Effekten ausgeglichen und sogar noch überkompensiert werden. Grafisch bedeutet dies Folgendes: In einem Lohn- Arbeitsmengen-Diagramm führen die Freisetzungseffekte (F-Effekt) zu einer relativ geringen Verschiebung der Arbeitsnachfragegeraden (L d ) nach links. Die Kompensationseffekte (K-Effekt) bewirken eine zweite, relativ große Verschiebung der Arbeitsnachfrage nach rechts. Per Saldo überwiegt der arbeitsschaffende Effekt: Im neuen Arbeitsmarktgleichgewicht ist das Beschäftigungsniveau größer als in der Ausgangssituation (→ Abb. 16: L 1 ist größer als L 0 ). Langfristig könnte es jedoch zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten kommen - sowohl im verarbeitenden Gewerbe als auch im Dienstleistungsbereich. Betroffen sind davon vor allem Tätigkeiten mit geringen Qualifikationsanforderungen, zunehmend aber auch anspruchsvolle Berufe. Dies kann dann nicht mehr von den arbeitsplatzschaffenden Effekten der Digitalisierung kompensiert werden. Per Saldo kommt es zu einem Beschäftigungsrückgang von L 0 auf L 1 (→ Abb. 17). <?page no="124"?> 124 Diginomics verstehen 17 | Langfristige Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung »Langfristig ist davon auszugehen, dass der mit dem Freisetzungseffekt verbundene Rückgang der Nachfrage nach Arbeitskräften stärker ausfällt als der kompensationsbedingte Anstieg der benötigten Arbeitskräfte. Per Saldo kommt es daher zu einem Rückgang des gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsniveaus (L 1 ist geringer als L 0 ).« Wird die hier angenommene zeitliche Entwicklung der arbeitsplatzschaffenden und arbeitsplatzvernichtenden Effekte der voranschreitenden Digitalisierung in ein Zeit-Mengen-Diagramm übertragen, so ergibt sich vereinfachend der in → Abb. 18 dargestellte Verlauf: Bei einer Betrachtung der absoluten Zahlen ist die Zahl der zusätzlich durch die Digitalisierung geschaffenen Arbeitsplätze in den ersten Jahren wesentlich höher als die Zahl der Arbeitsplätze, die durch Maschinen, Roboter und Algorithmen ersetzt werden (kurze Frist). In der mittleren Frist nimmt die Zahl der technologisch bedingt wegfallenden Arbeitsplätze zu, während die Zahl der durch Kompensati- Lohn (W) Arbeitsmenge (L) Arbeitsangebot ● ● Q 1 L 1 W 0 Q 0 L 0 W 1 L d0 L d0‘ L d1 F-Effekt K-Effekt <?page no="125"?> Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung 125 onseffekte neu geschaffenen Jobs abnimmt. Vom Betrag her nähern sich der Freisetzungs- und die Kompensationseffekte an. Die daraus per Saldo resultierenden Arbeitsmarkteffekte gleichen sich aus bzw. es gibt nur geringe positive oder negative Beschäftigungseffekte. Mit fortschreitender Zeit steigt die Zahl der technologisch nicht mehr benötigten Arbeitsplätze stark an. Die Kompensationseffekte sind hingegen weitgehend ausgeschöpft und daher nur noch gering. Langfristig überwiegt daher der Freisetzungseffekt. 18 | Arbeitsmarkteffekte der voranschreitenden Digitalisierung im Zeitablauf »Kurzfristig ist davon auszugehen, dass die Zahl der wegen der Digitalisierungstechnologien nicht mehr benötigten Arbeitsplätze (Freisetzungseffekt, schwarze Linie) geringer ist als die Zahl der erforderlichen Neueinstellungen (Kompensationseffekte, graue Linie). Langfristig können jedoch die arbeitsplatzvernichtenden Effekte der Digitalisierung überwiegen - die schwarze Linie verläuft dann über der grauen Linie, was per Saldo einen gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsrückgang bedeutet.« Arbeitsmarkteffekte in Vollzeitstellen Zeit in Jahren kurze Frist (0 bis 5 Jahre) 2020-2025 lange Frist (15 Jahre und länger) 2035 und länger mittlere Frist (5 bis 15 Jahre) 2025-2035 Freisetzungseffekt Kompensationseffekte <?page no="126"?> 126 Diginomics verstehen Trotz der zu erwartenden erheblichen Einsparungspotenziale der menschlichen Arbeit durch die voranschreitende Digitalisierung ist ein Ende der Arbeit (vgl. Rifkin 1996), das eine vollautomatische Produktion in allen Bereichen des menschlichen Daseins bedeutet, auch langfristig nicht zu erwarten. Diese Position wird u. a. auch von Daron Acemoglu vertreten, der sich intensiv mit den Auswirkungen von Automatisierung und Robotern auf den Arbeitsmarkt beschäftigt: „Bei allen Sorgen, die wir uns machen müssen, steht doch eines fest: Wir werden auch in den nächsten 200 Jahren nicht alles automatisieren können“ (Acemoglu 2019: 11). Die Einsparung an menschlichen Arbeitskräften könnte aber immerhin so erheblich sein, dass sie langfristig (also ab 2040/ 2050) in entwickelten Volkswirtschaften wie Deutschland die von Frey, Osborne und anderen hier genannten Autoren berechneten 40 bis 50 Prozent erreicht - auch unter der Berücksichtigung der arbeitsplatzschaffenden Effekte. 7.6 Qualitative Beschäftigungseffekte der Digitalisierung Die Digitalisierung hat nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Arbeitsmarkteffekte. Bei den qualitativen Effekten geht es um die Frage, welche Qualifikationen und Kompetenzen im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung in größerem oder geringerem Ausmaß benötigt werden. Auch bezüglich der Auswirkungen auf die Qualifikationsanforderungen, die sich aus dem zunehmenden Einsatz digitaler Technologien ergeben, gibt es unterschiedliche Einschätzungen, wobei die Differenzen jedoch geringer ausfallen als bei der Beurteilung der rein quantitativen Arbeitsmarkteffekte der voranschreitenden Digitalisierung. Grund dafür sind die bisherigen Erfahrungen mit den Auswirkungen des technologischen Fortschritts auf die Arbeitsmärkte in entwickelten Industrieländern. Dort haben die technologischen Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten die Nachfrage nach hoch qualifizierten Erwerbstätigen erhöht, während der Bedarf an gering qualifizierten Personen zurückging. So kommt beispielsweise eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit bei der Analyse <?page no="127"?> Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung 127 des strukturellen Wandels auf dem deutschen Arbeitsmarkt seit den 1970er-Jahren zu folgendem Ergebnis: Für hoch qualifizierte Erwerbstätige sind seit den 1970er-Jahren per Saldo mehr Arbeitsplätze entstanden. Bei den Arbeitsplätzen für gering qualifizierte Personen sind hingegen mehr Arbeitsplätze abgebaut worden als neu geschaffen wurden. Wenn der technologische Wandel diese Arbeitsmarkteffekte hat, sprechen Ökonomen von einem qualifikatorisch verzerrten technischen Fortschritt (vgl. Gartner und Stüber 2019: 4). Mit Blick auf die zukünftig zu erwartenden Auswirkungen der Digitalisierungstechnologien besteht weitgehende Einigkeit dahingehend, dass der verstärkte Einsatz digitaler Techniken den Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitskräften erhöht. Auch wenn dieser Tendenz grundsätzlich zuzustimmen ist, sind jedoch zudem Entwicklungen zu berücksichtigen, die den Bedarf an hoch qualifizierten Erwerbstätigen reduzieren:  Zum einen ist an die Vielzahl der möglichen Einsatzgebiete digitaler Technologien zu denken. Wie im → Abschnitt 7.1 gezeigt wurde, ist davon auszugehen, dass auch zahlreiche hoch qualifizierte Tätigkeiten perspektivisch von digitalen Technologien übernommen werden. Selbst Programmierer könnten im Zuge des maschinellen Lernens und Deep Learnings in immer geringerem Ausmaß benötigt werden.  Zum anderen ist zu bedenken, dass die digitalen Technologien, die in den Arbeits- und Produktionsprozessen der entwickelten Industrieländer eingesetzt werden, immer anwendungsfreundlicher werden. Wenn die Anforderungen an die Qualifikationen und Kompetenzen von Personen, die digitale Technologien anwenden, geringer werden, steigen die Qualifikationsanforderungen an die Erwerbstätigen nicht. Trotz dieser Einschränkungen dürfte es unstrittig sein, dass hoch qualifizierte Personen auch in Zukunft die besten Arbeitsmarktchancen haben werden. Die Auswirkungen auf den Bereich der gering qualifizierten Personen sind vom jetzigen Wissensstand her nicht eindeutig vorhersehbar. Studien, die sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung <?page no="128"?> 128 Diginomics verstehen auf den Arbeitsmarkt auseinandersetzen, arbeiten daher in der Regel mit verschiedenen Szenarien (vgl. exemplarisch Landmann und Heumann 2016; Wolter et al. 2015; Hirsch-Kreinsen 2016; Eichhorst et al. 2016: 3-5):  Denkbar ist, dass es zu einer umfassenden Automatisierung einfacher Tätigkeiten kommt. In diesem Fall ersetzen digitale Techniken gering qualifizierte Arbeitskräfte weitgehend. Die Beschäftigungschancen von Personen ohne eine berufliche Ausbildung gehen folglich stark zurück.  Ebenso ist es möglich, dass der verstärkte Einsatz digitaler Techniken in Produktionsprozessen vor allem Erwerbstätige mit einer Berufsausbildung ersetzt. In diesem Fall geht die Nachfrage nach Arbeitskräften im mittleren Qualifikationsbereich zurück.  Sofern es eine hinreichend große Nachfrage nach personennahen Dienstleistungen gibt, die sich nicht durch digitale Techniken erbringen lassen (oder bei denen sich der Einsatz von Technologien nicht lohnt, weil die Löhne für Erwerbstätige sehr niedrig sind) und geringe Qualifikationsanforderungen haben, kann die Nachfrage nach wenig qualifizierten Arbeitskräften sogar steigen.  Möglich ist schließlich auch ein „Upgrading einfacher Industriearbeit“ (Hirsch-Kreinsen 2016: 14). Hierbei kommt es zu einem hohen Digitalisierungsniveau in der Industrie, in der dann aber immer noch menschliche Arbeitskräfte notwendig sind. Diese haben auch anspruchsvollere Tätigkeiten zu erledigen. Die dafür notwendigen Qualifikationen und Kompetenzen können im Rahmen der Tätigkeit erworben werden. Es kommt zwar zu einer Reduzierung des Bedarfs an gering qualifizierten Erwerbstätigen. Dies ist jedoch insofern unproblematisch, als dass die davon betroffenen Personen am Arbeitsplatz so qualifiziert werden, dass sie ihren Job nicht verlieren. Die Beantwortung der Frage, ob sich eine dieser möglichen Entwicklungen durchsetzt oder ob sich andere Szenarien entwickeln, hängt von zahlreichen Rahmenbedingungen ab. Neben dem Umfang und der Qualität der digitalen Infrastruktur - vor allem im Bereich der Glasfasernetze - spielen beispielsweise auch arbeitsmarktbzw. bildungspolitische Maßnahmen eine Rolle (relevant für das Vor- <?page no="129"?> Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung 129 handensein genügend gut qualifizierter Erwerbstätiger) sowie die Lohnpolitik (je stärker die Löhne für gering qualifizierte Erwerbstätige steigen, desto größer ist für die Unternehmen der Anreiz, diese Tätigkeiten durch Automaten und Roboter zu ersetzen). Zu berücksichtigen ist schließlich noch, dass der qualifikatorisch verzerrte technische Fortschritt, der mit der voranschreitenden Digitalisierung verbunden ist, auch eine Bedeutung für das Ausmaß der Arbeitslosigkeit haben kann. Konkret besteht die Gefahr einer so genannten Mismatch-Arbeitslosigkeit. Bei dieser Form der Arbeitslosigkeit gibt es auf der einen Seite Unternehmen, die bestimmte Arbeitsplätze nicht besetzen können, und auf der anderen Seite arbeitslose Personen. Das gleichzeitige Auftreten von unbesetzten Stellen und arbeitssuchenden Menschen ist darauf zurückzuführen, dass die offenen Stellen und die Arbeitssuchenden nicht zusammenpassen. Für diesen Mismatch gibt es unterschiedliche Ursachen. Neben qualifikatorischen Gründen (die beruflichen Qualifikationen der Arbeitssuchenden passen nicht zu den Anforderungsprofilen der offenen Stellen) spielen auch regionale Aspekte eine Rolle: Es gibt zwar arbeitssuchende Personen mit den erforderlichen Qualifikationen und Kompetenzen, aber die zu besetzen Stellen sind in weit entfernten Regionen und bleiben daher unbesetzt (vgl. Bauer und Gartner 2014: 1-6). Zur Vermeidung einer digitalisierungsbedingten Mismatch- Arbeitslosigkeit bieten sich verschiedene arbeitsmarktpolitische Instrumente an. Zu den wichtigsten gehören: zielgenaue Weiterbildungsangebote, die den Arbeitssuchenden die erforderlichen Qualifikationen vermitteln; eine höhere Transparenz über offene Stellen und über die Qualifikationen bzw. Kompetenzen der arbeitssuchenden Personen (z. B. über Jobbörsen auf Online-Plattformen); eine verbesserte Beratung von Unternehmen und Arbeitssuchenden durch die zuständigen Behörden; Existenzgründungshilfen, mit denen Arbeitsplätze dort geschaffen werden, wo es die gesuchten Arbeitskräfte gibt; und Mobilitätshilfen für Arbeitssuchende, für die es nur in anderen Regionen passende Arbeitsplätze gibt (vgl. Bauer und Gartner 2014: 6f. sowie Gartner und Stüber 2019: 8). <?page no="130"?> 130 Diginomics verstehen  Gewonnene Erkenntnisse Entscheidend für das Ausmaß, in dem Roboter, Maschinen und digitale Technologien menschliche Arbeitskräfte ersetzen, sind letztendlich zwei Faktoren (vgl. Berg, Buffie und Zanna 2016: 12): [1] Wie stark fallen die Preise für Roboter, Maschinen und digitale Technologien? Je stärker und schneller der Preisrückgang erfolgt, desto stärker werden diese Technologien von den Unternehmen eingesetzt und desto größer sind die beschäftigungsverringernden Effekte der Digitalisierung. [2] Wie schnell und weitreichend entwickeln sich die Fähigkeiten der digitalen Produktionstechnologien? Konkret stellt sich die Frage, ob Roboter und Maschinen zur Erledigung ihrer Aufgaben auf die Unterstützung durch menschliche Arbeitskräfte angewiesen sind oder nicht. Falls eine Unterstützung durch Arbeitskräfte erforderlich ist, sind digitale Technologien und menschliche Arbeitskräfte als komplementäre Produktionsfaktoren anzusehen - nur gemeinsam sind sie in der Lage, eine wirtschaftliche Wertschöpfung zu erbringen. Wenn Roboter und Maschinen hingegen vollkommen autonom Produktionsprozesse erledigen können - sogar bis hin zur Programmierung und Weiterentwicklung der digitalen Technologien - sind digitale Technologien und Arbeitskräfte perfekte Substitute. Bestimmte Produktionsprozesse können also entweder ausschließlich mit digitalen Technologien durchgeführt werden oder auch mithilfe menschlicher Arbeitskräfte. Welcher Produktionsfaktor sich letztendlich durchsetzt, hängt dann vom zu zahlenden Marktpreis ab. Bei einer hinreichend starken Verringerung der Kosten, die mit dem Einsatz von Robotern, Maschinen und digitalen Technologien verbunden sind, können sich diese Technologien durchsetzen und die menschlichen Arbeitskräfte komplett ersetzen. Die Beantwortung beider Fragen hängt vom zukünftigen Tempo und Ausmaß des digitalen technologischen Fortschritts ab. Dieser lässt sich jedoch nicht seriös vorhersagen, sodass Prognosen über die Arbeitsmarkteffekte der voranschreitenden Digitalisierung mit einer hohen Unsicherheit verbunden sind. Unter Berücksichtigung dieser <?page no="131"?> Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung 131 Unsicherheit sind die nachfolgenden Einschätzungen mit Vorsicht zu betrachten - es ist eine begründete Vermutung, aber keinesfalls eine Gewissheit:  Die voranschreitende Digitalisierung wird tendenziell dazu führen, dass Sachkapital und digitale Technologien die menschliche Arbeitskraft in den Produktionsprozessen hoch entwickelter Industrienationen wie Deutschland und den USA ersetzen. -  In den nächsten 10 bis 15 Jahren dürften die damit verbundenen Arbeitsplatzverluste noch moderat ausfallen. -  Langfristig gehe ich jedoch davon aus, dass es zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten kommt - sowohl im verarbeitenden Gewerbe als auch im Dienstleistungsbereich. Betroffen sind davon vor allem Tätigkeiten mit geringen Qualifikationsanforderungen, zunehmend aber auch anspruchsvolle Berufe. -  Trotz der zu erwartenden erheblichen Einsparungspotenziale der menschlichen Arbeit durch die voranschreitende Digitalisierung sehe ich ein „Ende der Arbeit“, das eine vollautomatische Produktion in allen Bereichen des menschlichen Daseins impliziert, jedoch auch langfristig nicht. Die Einsparung an menschlichen Arbeitskräften könnte aber immerhin so massiv sein, dass sie langfristig in entwickelten Volkswirtschaften rund 50 Prozent erreichen könnten. - <?page no="133"?> 8 Verteilungseffekte der Digitalisierung Die voranschreitende Digitalisierung verändert die Einkommensverteilung in entwickelten Industrienationen über eine Reihe von Wirkungskanälen. Besonders relevant sind in diesem Kontext der beschleunigte Übergang von der Industriezur Dienstleistungsgesellschaft, der technologische Fortschritt hin zu einer kapitalintensiveren Produktion sowie schließlich der verstärkte Einsatz von Big Data und den dafür notwendigen Algorithmen in der Produktion. Wichtig für die nachfolgenden Überlegungen ist die Frage, ob Daten dem Faktor Kapital zugeordnet werden oder ein eigenständiger Produktionsfaktor sind. Die Rolle von Daten für die Produktionsprozesse ist noch nicht eindeutig geklärt. In der Wissenschaft besteht bisher keine Einigung dahingehend, ob Daten ein eigenständiger Produktionsfaktor sind (vgl. EY 2018: 11) oder ob die Technologien, die Daten verarbeiten und verknüpfen, der relevante Produktionsfaktor sind. Im zweiten Fall wäre die Technologie der entscheidende produktivitätserhöhende Faktor (vgl. McKinsey Global Institute 2018: 12-15). Im ersten Fall würden Daten hingegen als eigenständiger Produktionsfaktor einzustufen sein. Diese These wird z. B. vom Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) vertreten (vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Vöpel 2018: 829f.). Seiner Ansicht nach sind Daten neben den bisherigen traditionellen Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital ein neuer dritter Produktionsfaktor (→ Box 6). Daraus ergeben sich seiner Ansicht nach weitreichende Konsequenzen für unser Wirtschaftssystem:  Werden Daten als eigenständiger Produktionsfaktor angesehen, deren Bedeutung für wirtschaftliche Produktionsprozesse zukünftig erheblich größer wird, ersetzt dieser neue Produktionsfaktor nicht nur die menschliche Arbeitskraft, sondern auch den Produktionsfaktor Kapital.  Das damit verbundene neu zu definierende Verhältnis von Kapital, Arbeit und Daten hat Auswirkungen auf die Preise für diese drei <?page no="134"?> 134 Diginomics verstehen Produktionsfaktoren: Wenn Daten die beiden anderen Produktionsfaktoren ersetzen, senkt dies die Preise für Arbeit und Kapital, während der Preis für Daten steigt. Die in → Abschnitt 6.2 beschriebene Preispolitik von Monopolisten bewirkt dann beispielsweise keinen Anstieg der Kapitaleinkommen, sondern einen Anstieg der Einkommensanteile des Produktionsfaktors Daten.  Aus dem jetzt vorherrschenden Industriekapitalismus wird somit perspektivisch ein Datenkapitalismus, in dem „die Daten das Kapital beherrschen“ (Vöpel 2018: 830). Auch die Beratungsorganisation Ernst & Young sieht in Daten einen eigenständigen Produktionsfaktor. Im Zeitablauf wird dabei folgende Entwicklung bezüglich der Bedeutung der Produktionsfaktoren gesehen: In der Agrarwirtschaft gab es die Faktoren Boden und Arbeit, wobei der Boden der entscheidende Faktor war. In der Industriewirtschaft sind Kapital und Arbeit für den Output verantwortlich, wobei der Produktionsfaktor Kapital ausschlaggebend ist. In der nun anstehenden Datenwirtschaft gibt es die Produktionsfaktoren Daten, Kapital und Arbeit, wobei Daten zum entscheidenden Faktor werden (vgl. EY 2018: 11). Box 6 | Produktionsfaktoren im Sinne der Volkswirtschaftslehre Die volkswirtschaftliche Theorie der Produktion arbeitet vereinfachend mit ursprünglich drei Produktionsfaktoren (vgl. Petersen 2007b: 488): Der Faktor Arbeit umfasst die menschlichen Tätigkeiten im Rahmen der Herstellung von Gütern und Dienstleistungen. Der Faktor Kapital betrifft die bei der Produktion eingesetzten Sachmittel wie Maschinen, Gebäude, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie Vorprodukte. Beim Kapital handelt es sich daher um Sachbzw. Realkapital. Zum Faktor Boden gehören neben dem Boden als Anbauboden und als Standort auch alle natürlichen Ressourcen, die von der Natur quasi gratis bereitgestellt werden. Zur Produktion ist schließlich noch das technischorganisatorische Wissen - kurz Technik - notwendig, das bei der Kombination der drei Produktionsfaktoren eingesetzt wird. <?page no="135"?> Verteilungseffekte der Digitalisierung 135 Da der Boden im Zuge des wirtschaftlichen Fortschritts als Produktionsfaktor an Bedeutung verloren hat, arbeitet die Volkswirtschaftslehre heute nur mit den beiden Produktionsfaktoren „Arbeit“ und „Kapital“. Der häufig verwendete Vergleich, dass Daten das (neue) Öl des 21. Jahrhunderts seien (vgl. Haucap 2018b: 472, Kretschmer 2018: 459, Dewenter und Lüth 2016: 648), lässt darauf schließen, dass Daten ein Antriebsmittel der Wirtschaft sind. Allerdings wurde Öl niemals als ein eigenständiger Produktionsfaktor angesehen, sondern als Rohstoff. Zutreffender wäre es daher, „Daten als Rohstoff“ (Hosseini und Schmidt 2018: 15) einzustufen. Damit sind Daten kein eigenständiger Produktionsfaktor im Sinne der Volkswirtschaftslehre. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass Daten „schon im Zentrum der so genannten Informations- und Kommunikationstechnologierevolution“ standen (Kretschmer 2018: 462). Die damit verknüpften Produktivitäts- und Wachstumseffekte wurde den Technologien zugerechnet, was wiederum den Schluss zulässt, dass die Technologien entscheidend sind. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass für die Nutzung von Daten die Verfügungsrechte an ihnen entscheidend sind. Auch wenn viele Daten frei verfügbar sind, gibt es zahlreiche Datenhändler, die einen Handel mit den Daten - bzw. genauer mit den Verfügungsrechten an den Daten (vgl. Dewenter und Lüth 2016: 650) - betreiben. In diesem Fall ist der Erwerb dieser Rechte mit einer Zahlung verbunden. Sofern diese Daten über einen längeren Zeitraum genutzt werden können, wäre der Datenerwerb als eine Investition einzustufen und Daten könnten so gesehen auch dem Produktionsfaktor Kapital zugeordnet werden. Zusammenfassend erlauben diese Überlegungen folgende Schlussfolgerung: Weil die Verfügungsrechte über Daten ein wirtschaftliches Gut sind und weil der Aufbau einer notwendigen Dateninfrastruktur viel Kapital benötigt (hohe Fixkosten), sollten Daten noch nicht als eigenständiger Produktionsfaktor im Sinne der volkswirtschaftlichen Terminologie angesehen werden, sondern als eine Ausprägung des <?page no="136"?> 136 Diginomics verstehen Faktors Kapital. Alle Einkommen, die mit dem Eigentum an Daten verbunden sind, werden daher nachfolgend als Kapitaleinkommen angesehen. 8.1 Strukturwandel und Einkommensverteilung Die Höhe der Arbeitnehmerverdienste hängt schon heute maßgeblich davon ab, wie kapital- und technologieintensiv verschiedene Tätigkeiten sind. Während z. B. in einigen Dienstleistungsbereichen wie Teilen des Einzelhandels, Callcentern und dem Gastgewerbe die Vollzeitbeschäftigten 2018 in Deutschland im Durchschnitt ein jährliches Bruttoeinkommen von 30.000 Euro und weniger erzielten, war es in Bereichen des produzierenden Gewerbes wie der Telekommunikation, dem Maschinenbau, dem Automobilbereich und der Elektrizitätsversorgung mehr als doppelt so hoch (vgl. Statistisches Bundesamt 2019: 206-226). Die voranschreitende Digitalisierung beschleunigt den Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft, weil digitale Technologien gegenwärtig vor allem im verarbeitenden Gewerbe zur Anwendung kommen und dort Arbeitskräfte freisetzen, die dann im Dienstleistungssektor neue Arbeitsplätze finden. Diese Entwicklung hat gravierende Auswirkungen auf die Einkommensverteilung:  Der Industriesektor bzw. das verarbeitende Gewerbe zeichnen sich dadurch aus, dass in den Produktionsprozessen viel Sachkapital und viel Technologie eingesetzt werden. Der Einsatz menschlicher Arbeitskraft ist hingegen relativ gering. Folgen dieser produktionstechnologischen Gegebenheiten sind eine hohe Arbeitsproduktivität und daher auch hohe Marktlöhne. Im Zeitablauf führen der hohe Kapital- und Technikeinsatz, der mit der voranschreitenden Digitalisierung verbunden ist, zukünftig zu hohen Zuwächsen bei der Arbeitsproduktivität. Daher verzeichnet dieser Sektor auch relativ hohe Lohnzuwächse. Die Kehrseite der hohen Arbeitsproduktivitätssteigerungen ist jedoch ein Rückgang des notwendigen Arbeitseinsatzes - und damit auch eine sinkende <?page no="137"?> Verteilungseffekte der Digitalisierung 137 Zahl der dort beschäftigten Menschen (vgl. Bertelsmann Stiftung 2015: 30-31).  Die Produktionsbedingungen und die damit verbundene Entwicklung der Löhne und des notwendigen Arbeitseinsatzes im Dienstleistungssektor zeichnen sich durch entgegengesetzte Eigenschaften aus: Hier wird viel menschliche Arbeitskraft eingesetzt, während der Einsatz von Sachkapital und Technologie in der Regel relativ gering ist. Dies gilt vor allem für personennahe Dienstleistungen, wie z. B. in den Bereichen Alten- und Gesundheitspflege, Kinderbetreuung und Bildung. Die Arbeitsproduktivität ist daher geringer als im verarbeitenden Gewerbe. Außerdem kommt es im zeitlichen Ablauf auch nur zu geringen Zuwächsen bei der Arbeitsproduktivität und den Marktlöhnen. Wegen des relativ geringen Kapitaleinsatzes lassen sich die Arbeitskräfte nicht oder nur in geringem Ausmaß durch Kapital und digitale Technologie ersetzen. In Kombination mit einer tendenziell wachsenden Nachfrage nach Dienstleistungen kommt es beim Übergang der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft folglich zu einem Anstieg des notwendigen Arbeitseinsatzes im Dienstleistungssektor (vgl. Bertelsmann Stiftung 2015: 30-31). Angesichts dieser Zusammenhänge wird die Einkommensverteilung durch den Übergang von der Industriezur Dienstleistungsgesellschaft unter den Erwerbstätigen ungleicher: Im Industriesektor steigen die ohnehin schon hohen Marktlöhne stärker als im Dienstleistungssektor. Die Einkommensschere der Marktlöhne zwischen den Beschäftigten in der Industrie und denen im Dienstleistungssektor - gemessen durch die Bruttolöhne - wird dadurch größer. Gleichzeitig geht die Zahl der Industriebeschäftigten im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung zurück. Damit verringert sich auch der Anteil derjenigen, die im hochproduktiven Industriesektor tätig sind. Wenn eine kleine und zudem schrumpfende Zahl gut verdienender Industriearbeiter auf eine große und zudem wachsende Anzahl von Beschäftigten im Dienstleistungssektor trifft, die weniger verdienen, nimmt die Einkommensungleichheit zwischen den Topverdienern und den übrigen Erwerbstätigen zu. <?page no="138"?> 138 Diginomics verstehen Die Digitalisierung beschleunigt diese Entwicklung, weil digitale Technologien, Automatisierung und Roboterisierung gegenwärtig vor allem bei Produktionsprozessen im industriellen Sektor eingesetzt werden. Dort kann eine sinkende Zahl von Beschäftigten mit spürbaren Lohnzuwächsen rechnen, weil die Digitalisierung die Arbeitsproduktivität steigert. Im Dienstleistungssektor sind die produktivitätssteigernden Einsatzmöglichkeiten digitaler Technologien noch nicht so stark ausgeprägt - zumindest nicht im gesamten Dienstleistungsbereich. Der digitalisierungsbedingte Strukturwandel erhöht somit für sich genommen die Ungleichheit der am Markt erzielbaren Arbeitseinkommen. 8.2 Digitaler technologischer Fortschritt und Einkommensverteilung Zusätzlich zu den bereits bei der Diskussion des Einflusses des Strukturwandels auf die Einkommensverteilung behandelten Effekten hat der digitale technologische Fortschritt mindestens vier weitere zentrale Konsequenzen für die Einkommensverteilung in entwickelten Industriegesellschaften: [1] Der verstärkte Einsatz moderner Technologien in den gesamtwirtschaftlichen Produktionsprozessen erhöht grundsätzlich die Anforderungen an die Qualifikationen und Kompetenzen der Erwerbstätigen (→ Abschnitt 7.6). Damit steigt der Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitskräften, wodurch auch die Marktlöhne dieser Personen steigen. Der Bedarf an gering qualifizierten Erwerbstätigen geht hingegen zurück. Folglich werden in diesem Arbeitsmarktsegment die Löhne geringer. In den USA beispielweise sinken die Löhne für gering qualifizierte Arbeitskräfte seit mehr als 30 Jahren (vgl. Brynjolfsson und McAfee 2012b: 28). Im Ergebnis führt dies zu einem Auseinanderdriften der Marktlöhne für gering und für hoch qualifizierte Arbeitskräfte. [2] Der verstärkte Einsatz von Kapital und Technologien hat zur Folge, dass Arbeitskräfte tendenziell durch Kapital ersetzt werden. Zudem erhöht sich dadurch die Arbeitsproduktivität. Damit <?page no="139"?> Verteilungseffekte der Digitalisierung 139 wird es möglich, eine wachsende Menge von Gütern und Dienstleistungen mit immer weniger Arbeitseinsatz zu produzieren. In entwickelten Industriegesellschaften geht folglich der Bedarf an menschlicher Arbeit (gemessen in Stunden) zurück (→ Abschnitt 7.1). Dadurch sinkt der Lohn als Preis für den Produktionsfaktor Arbeit. Wenn sowohl die eingesetzte Arbeitsmenge als auch der Lohn sinken, verschiebt sich die gesamtwirtschaftliche Einkommensverteilung zugunsten des Faktors Kapital: Die Bezieher von Kapitaleinkommen erhalten einen wachsenden Teil des gesamtwirtschaftlichen Einkommens, der Einkommensanteil der Lohnbezieher geht zurück. [3] Der durch den digitalen technologischen Fortschritt hervorgerufene generelle Lohndruck in den Industrieländern wird durch den internationalen Wettbewerb mit Schwellenländern verstärkt. Die Möglichkeit, die Produktion arbeitsintensiv hergestellter Güter in arbeitsreiche Schwellenländer mit niedrigem Lohnniveau zu verlagern, reduziert die Nachfrage nach Arbeitskräften in den Industrieländern weiter. Dies erhöht den Lohndruck in den Industrieländern, vor allem für gering qualifizierte Beschäftigte. [4] Schließlich ist in den Industrieländern noch an die zunehmenden Einkommensunterschiede zwischen vollzeitbeschäftigten Personen und Teilzeitkräften sowie Arbeitslosen zu denken: Wenn technologisch bedingt der Bedarf an menschlicher Arbeitskraft zurückgeht, steigt die Zahl der Personen, die entweder arbeitslos sind oder nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen können. Damit sinken die Jahreseinkommen dieser Personen. Diese vier Entwicklungstrends haben zur Folge, dass die Verteilung der Markteinkommen im Laufe des digitalen technologischen Fortschritts in entwickelten Volkswirtschaften ungleicher wird. Perspektivisch wird der staatliche Umverteilungsbedarf damit zunehmen. Bei den konkreten Auswirkungen von digitalen Technologien, Big Data und KI auf die Einkommensverteilung sollen hier drei Aspekte ausführlicher betrachtet werden: die Verteilungswirkung auf die Einkommen der privaten Haushalte in entwickelten Volkswirtschaf- <?page no="140"?> 140 Diginomics verstehen ten wie Deutschland, auf die Gewinne der Unternehmen und auf die Einkommensentwicklung auf der Ebene der Volkswirtschaften. Einkommen der privaten Haushalte in entwickelten Volkswirtschaften Die skizzierten Effizienzgewinne von digitalen Technologien, Big Data und KI reduzieren langfristig den Bedarf an Arbeitskräften. Damit gehen das Beschäftigungsniveau und die Löhne tendenziell zurück. Diese Entwicklung ist gerade in hoch entwickelten Industrienationen wie Deutschland zu erwarten, weil hier der Anreiz zum Einsatz von digitalen Technologien, Big Data und KI besonders hoch ist: In hoch entwickelten westlichen Industrieländern herrscht ein - im internationalen Vergleich - überdurchschnittlich hohes Lohnniveau. Hohe Löhne stellen einen Anreiz dar, menschliche Arbeitskräfte durch Technologie und Kapital zu ersetzen, um so die Arbeitskosten zu verringern. In Deutschland wird dieser Anreiz noch dadurch verstärkt, dass die demografische Alterung den Fachkräftemangel verstärkt und dadurch einen zusätzlichen Lohnanstieg erwarten lässt. In der ersten Phase des verstärkten Einsatzes von digitalen Technologien, Big Data und KI - also grob in den nächsten 10 bis 15 Jahren - dürfte, wie am Ende von → Abschnitt 7.5 dargelegt, allerdings per Saldo noch der arbeitsplatzschaffende Effekt überwiegen. Dennoch ergeben sich Lohnänderungen, weil sich tendenziell die Nachfrage nach gering qualifizierten Erwerbstätigen verringert, während die Nachfrage nach hoch qualifizierten Personen zunimmt. Die Folge für die Arbeitseinkommen ist ein Auseinanderdriften der Löhne für hoch qualifizierte Arbeitskräfte und für gering oder gar nicht qualifizierte Erwerbstätige. Langfristig aber bleiben selbst hoch qualifizierte Personen nicht von Lohneinbußen verschont, denn der Rückgang des Arbeitskräftebedarfs betrifft langfristig auch dieses Arbeitsmarktsegment. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Wissen und Erfahrungen sind perspektivisch nicht mehr an Personen gebunden, sondern durch KI personenungebunden. Gleichzeitig können wegen Big Data und KI nun auch kognitive und nicht routinemäßige Leistungen von KI ausge- <?page no="141"?> Verteilungseffekte der Digitalisierung 141 führt werden (vgl. Vöpel 2018: 829). Beispiele sind Übersetzungsprogramme, die Dolmetscher und Übersetzer überflüssig machen, Analyseprogramme und mehr. Die Konsequenz ist, dass dann auch Löhne für hoch qualifizierte Arbeitskräfte zurückgehen können. Ein weiterer für die Einkommensverteilung wichtiger Aspekt ist der Umstand, dass Daten in Kombination mit KI zu einem immer wichtigeren Element der Produktion werden. Die Verfügungsrechte über die Daten gewinnen damit an Bedeutung für die Einkommensverteilung. Die Eigentümer von Big Data können somit wachsende Einkommensanteile für sich beanspruchen. Der Erwerb von Daten kostet Geld. Gleiches gilt für den Aufbau der Dateninfrastruktur. Beides verlangt einen höheren Kapitaleinsatz, der dann zu entsprechenden Kapitaleinkommen führt. Damit dürfte sich die Einkommensverteilung im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung zugunsten des Faktors Kapital und zulasten des Faktors Arbeit entwickeln. Gewinne der Unternehmen Die Einkommensbzw. Gewinnsituation der Unternehmen hängt maßgeblich davon ab, wie erfolgreich sie digitale Produktionstechnologien sowie die Big-Data-Analyse für ihre eigenen betrieblichen Abläufe und die Produktentwicklungen einsetzen können. Grob ist dabei zwischen zwei Arten von Unternehmen zu unterscheiden: den technologischen Vorreitern und den Nachzüglern (vgl. McKinsey Global Institute 2018: 4):  Unternehmen, die die digitalen Technologien frühzeitig und erfolgreich einsetzen, können Produktivitätsvorsprünge und Effizienzvorteile erzielen. Die Folge sind digitalisierungsbedingte Preissenkungen und damit verbundene Zuwächse bei den Marktanteilen. Dies geht einher mit höheren Gewinnen und Renditen für die technologischen Vorreiter.  Unternehmen, die diese Technologien spät oder sogar gar nicht einsetzen, verlieren als Nachzügler entsprechende Marktanteile. Zudem verringern die Preissenkungen, die die technologischen Vorreiter wegen geringerer Produktionskosten durchführen können, die Gewinnmargen und Renditen der Nachzügler. <?page no="142"?> 142 Diginomics verstehen  Die Produktivitätslücke sowie die Gewinnbzw. Renditeabstände zwischen den Vorreiter-Unternehmen und den Nachzüglern werden somit größer. Die Unterschiede bezüglich der Markteinkommen, die die Unternehmen erwirtschaften können, wachsen damit ebenfalls. Dies betrifft neben den Gewinnen bzw. Kapitaleinkommen auch die Arbeitseinkommen: Die Höhe der Löhne, die ein Unternehmen seinen Beschäftigten zahlen kann, hängt von der Arbeitsproduktivität des Unternehmens ab. Nur bei einer hohen Arbeitsproduktivität kann den Beschäftigten auch ein entsprechend hoher Lohn gezahlt werden. Wird zudem berücksichtigt, dass der Aufbau einer betrieblichen digitalen Infrastruktur (Hardware, Software und dafür erforderliche IT-Spezialisten bzw. Digitalisierungsexperten) für einzelne Unternehmen mit hohen Fixkosten verbunden ist, kann die Unternehmensgröße eine wichtige Rolle spielen:  Kleine Unternehmen haben in der Regel relativ geringe Umsätze. Sie müssen die mit der Digitalisierung verbundenen Fixkosten daher auf eine geringe Stückzahl verteilen, was zu relativ hohen zusätzlichen digitalen Stückkosten der Produktion führt. Sofern diese Preisaufschläge am Markt nicht durchsetzbar sind, lohnt sich der Einsatz der digitalen Technologien weder in der Produktion noch in der Verwaltung. Hinzu kommt, dass kleine Unternehmen häufig auch nur relativ geringe absolute Gewinne erzielen. Da diese Gewinne eine zentrale Quelle zur Finanzierung von digitalen Investitionen sind, fällt es diesen Unternehmen schwer, diese Investitionen zu finanzieren. Im Ergebnis haben beide Eigenschaften den Effekt, dass kleine Unternehmen digitale Technologien nicht oder nur in geringerem Ausmaß einsetzen können.  Große Unternehmen können die Fixkosten der digitalen Infrastruktur hingegen auf eine große Zahl von produzierten Waren- oder Dienstleistungseinheiten verteilen. Deshalb kommt es bei ihnen nur zu relativ geringen zusätzlichen digitalen Stückkosten. Betriebswirtschaftlich lohnt sich der Einsatz digitaler Technologien daher eher für große Unternehmen. Hinzu kommt häufig ein hoher jährlicher Gesamtgewinn, der als Quelle zur Finanzierung der erforderlichen digitalen Investitionen genutzt werden kann. <?page no="143"?> Verteilungseffekte der Digitalisierung 143  Im Ergebnis können die skizzierten Unterschiede dazu führen, dass große Unternehmen eher in der Lage sind, digitale Technologien einzusetzen als kleine und mittlere Unternehmen. Die Folge ist ein Auseinanderdriften der Gewinne und Rendite zwischen diese Unternehmenstypen. Die technologisch bedingten Produktivitätsunterschiede dürften im Normalfall, wie bereits weiter oben erwähnt, auch auf die Löhne durchschlagen, die in den jeweiligen Unternehmen gezahlt werden. Dies zeigt sich beispielsweise im Außenhandel: Internationale Studien belegen, dass exportierende Unternehmen in der Regel und im Durchschnitt höhere Löhne zahlen als Unternehmen, die ihre Umsätze nur im Inland erzielen. Der Grund dafür ist der Umstand, dass exportierende Unternehmen eine hohe Produktivität aufweisen, die ihnen eine hohe internationale Wettbewerbsfähigkeit beschert. Diese Unternehmen geben einen Teil ihrer hohen Produktivität in Form höherer Löhne an ihre Mitarbeiter ab. So lassen sich beispielsweise für Großbritannien durchschnittliche Lohnunterschiede in Höhe von 4,5 bis 6,4 Prozent ermitteln. In den USA liegt der Unterschied zwischen 4 und 9 Prozent, und für Deutschland ergeben sich für den Zeitraum von 1996 bis 2010 Exporteur-Lohnprämien in Höhe von 8 bis 16 Prozent (vgl. Petersen, Schoof und Felbermayr 2015: 5). Wichtig ist jedoch der Hinweis, dass die Verteilung der digitalisierungsbedingten Produktivitätszuwächse keine rein technologisch determinierte Entwicklung ist, sondern in erheblichem Maße durch gesetzliche Rahmenbedingungen (z. B. gesetzliche Mindestlöhne und staatliche Transferleistungen) und die Verhandlungsmacht der Sozialpartner (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) bestimmt wird. Dies bedeutet auch, dass eine technologisch bedingte Steigerung der Arbeitsproduktivität nicht ausschließlich für Lohnsteigerungen verwendet werden muss. Denkbar ist, dass sich Arbeitnehmer für eine Arbeitszeitverkürzung aussprechen und die digitalisierungsbedingten Produktivitätszuwächse somit für einen größeren Zeitwohlstand nutzen. In diesem Fall gibt es keinen Spielraum mehr für Lohnsteigerungen (vgl. Koll 2019: 42f.). Damit unterbleibt ein Auseinanderdriften der Marktlöhne für Beschäftigte in technologischen Vorreiter- Unternehmen und denen in Nachzügler-Unternehmen. <?page no="144"?> 144 Diginomics verstehen Allerdings ist in diesem Kontext zusätzlich zu berücksichtigen, dass der digitale Wandel Rückwirkungen auf die Verhandlungsmacht der Sozialpartner hat, vor allem die der Gewerkschaften. Hier sind zwei Aspekte relevant:  Zum einen bewirkt der tendenzielle Ersatz von menschlichen Arbeitskräften durch Kapital und digitale Technologien eine Schwächung der gewerkschaftlichen Verhandlungsmacht, weil - zumindest langfristig - der Bedarf an Arbeitskräften zurückgeht. Darüber hinaus steht die Gefahr im Raum, dass Unternehmen bei zu hohen Lohnforderungen der Gewerkschaften den digitalen Wandel in ihren Betrieben beschleunigen.  Zum anderen schafft die Digitalisierung auch neue Formen der Beschäftigung, die nicht mehr in den Bereich der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten fallen. Zwei prominente Beispiele sind das Cloudworking und das Clickworking. Beim Cloudworking vergibt ein Unternehmen auf Online-Portalen Arbeitsaufträge an so genannte Freelancer. Diese sind keine Angestellten des Unternehmens, sondern Selbstständige, die von den Aufträgen verschiedener Unternehmen leben. Beim Clickworking handelt sich ebenfalls um Tätigkeiten, die die Unternehmen über eine Auftragserteilung von Selbstständigen erledigen lassen. Es handelt sich bei den zu erledigenden Tätigkeiten um monotone Tätigkeiten, die keine hohen Qualifikationsanforderungen stellen und deshalb auch nur sehr gering entlohnt werden. I. d. R. geht es dabei um Resttätigkeiten, die bei ansonsten bereits automatisierten Prozessen noch nicht digitalisiert bzw. automatisiert worden sind (vgl. Rolf und Sagawe 2015: 36f. und 176). Sofern sich diese beiden Trends hin zu einer steigenden Zahl von Selbstständigen fortsetzen sollte, reduziert dies die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften und damit auch deren Verhandlungsmacht - sofern es den Gewerkschaften nicht gelingt, diese Beschäftigten zur Gewerkschaftsmitgliedschaft zu überzeugen. Für die Unternehmen bzw. Arbeitgeber bedeutet dies im Gegenzug eine Stärkung ihrer Verhandlungsposition, was sich positiv auf die Unternehmensgewinne auswirkt. <?page no="145"?> Verteilungseffekte der Digitalisierung 145 Ein letzter hier zu diskutierender Aspekt betrifft die Bedeutung der Sharing Economy für die Unternehmensgewinne. Konkret ist an die zusätzlichen Angebote von Privatpersonen über Plattformen und Netzwerke zu denken, also z. B. Übernachtungsangebote und Ferienwohnungen über Airbnb oder Mitfahrgelegenheiten über Uber. Wie in → Abschnitt 5.4 gezeigt, hat diese Angebotsausweitung eine Rückwirkung auf die entsprechenden kommerziellen Anbieter. Diese müssen Preisrückgänge und Umsatzeinbußen hinnehmen. Beides wirkt sich negativ auf die Gewinne der davon betroffenen Unternehmen aus. Einkommensentwicklung auf der Ebene der Volkswirtschaften Die Überlegungen zu den Auswirkungen technologisch bedingter Produktivitätsunterschiede auf die Gewinne und Löhne von Unternehmen lassen sich auf ganze Volkswirtschaften übertragen. Auch hier ist zu erwarten, dass die Produktivitätslücken zwischen Vorreiter-Volkswirtschaften und Ländern, die lediglich als technologische Nachzügler agieren können, größer werden. Dies bedeutet eine zunehmende Schere beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner (bzw. kürzer formuliert: beim Pro-Kopf-Einkommen). Schon heute bestehen erhebliche Unterschiede beim BIP je Einwohner zwischen den hoch entwickelten Industrienationen des Westens und den Schwellen- und Entwicklungsländern. Gleichzeitig sind die Rahmenbedingungen für den Einsatz von digitalen Technologien (Dateninfrastruktur, Fachkräfte, Bildungseinrichtungen, staatliche Förderungsmöglichkeiten etc.) in den Industrieländern besser als in den Entwicklungsländern. Für sich genommen dürften digitale Technologien also dazu führen, dass die Unterschiede beim Pro- Kopf-Einkommen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zunächst einmal größer werden. Einschränkend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Einsatz digitaler Technologien für die Schwellen- und Entwicklungsländer auch die Chance auf ein wirtschaftliches Aufholen in sich birgt: Wenn eine noch nicht entwickelte Volkswirtschaft in der Lage ist, eine funktionsfähige digitale Infrastruktur aufzubauen - möglicherweise auch durch die finanzielle Hilfe der Industrieländer in Form von <?page no="146"?> 146 Diginomics verstehen Krediten, Transferzahlungen oder Direktinvestitionen - verbessert dies die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieser Lands. Die mit der digitalen Infrastruktur verbundene Verringerung der Transaktionskosten der Kommunikation und des Handels mit den wirtschaftlichen Zentren der Weltwirtschaft (vgl. Breuer 2019: 6) erleichtert die Einbindung der Schwellen- und Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft. Dies erlaubt ihnen die Teilnahme an den wirtschaftlichen Vorteilen der internationalen Arbeitsteilung und die damit verbundenen Einkommenszuwächse. Dadurch könnte sich der wirtschaftliche Aufholprozess der Schwellenländer beschleunigen. 8.3 Monopolbildung und Einkommensverteilung Ein weiterer Aspekt, der die Einkommensungleichheit tendenziell erhöht, ergibt sich, wenn die voranschreitende Digitalisierung zu der im → 6. Abschnitt beschriebenen Monopolisierung führt. Im Vergleich zu einem wettbewerblich organisierten Markt bietet ein Monopolist eine geringere Gütermenge an, für die er einen höheren Preis fordert als im Fall eines Wettbewerbsmarkts. Der Monopolist kann folglich sein Einkommen steigern, indem er eine so genannte Monopolrente realisieren kann (vgl. ausführlicher Petersen 2008). Mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Einkommensverteilung führen Monopole somit tendenziell zu einer weiteren Erhöhung der Einkommensungleichheit, weil sich das Markteinkommen der wenigen Monopolisten erhöht. Gleichzeitig ist jedoch zu berücksichtigen, dass es in den meisten Marktwirtschaften kartellrechtliche Bestimmungen gibt, die ein staatliches Eingreifen in einen Monopolmarkt erlauben. Durch eine Regulierung, z. B. in Form von Preisvorschriften, kann die Monopolmacht eingeschränkt werden. Damit wird auch der Effekt der höheren Einkommensungleichheit gedämpft. <?page no="147"?> Verteilungseffekte der Digitalisierung 147  Gewonnene Erkenntnisse Die voranschreitende Digitalisierung dürfte die Ungleichheit der Markteinkommen in entwickelten Industrienationen erhöhen. Verantwortlich dafür ist eine Reihe von Ursachen. Der durch die Digitalisierung beschleunigte Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft vergrößert die Unterschiede zwischen den Markteinkommen im verarbeitenden Sektor und im Dienstleistungssektor. Der Trend zur Höherqualifizierung erhöht die Einkommensunterschiede zwischen gering und hoch qualifizierten Erwerbstätigen. Der verstärkte Einsatz von Sachkapital und Technologien anstelle menschlicher Arbeitskräfte steigert die Einkommensunterschiede zwischen Kapitaleinkommensbeziehern und Lohnbeziehern. Gleichzeitig vergrößert der verstärkte Kapitaleinsatz die Einkommensunterschiede zwischen teilzeit- und vollzeitbeschäftigten Arbeitskräften. Schließlich kann die voranschreitende Digitalisierung in einzelnen Bereichen zum Entstehen von Monopolen führen, die ihre Einkommen durch das Setzen höherer Preise steigern können. Auf der Ebene der Unternehmen ist ein Auseinanderdriften zwischen technologischen Vorreiter-Unternehmen und digitalen Nachzüglern zu erwarten. Gleiches gilt auf der Ebene der Volkswirtschaften. <?page no="149"?> 9 Digitalisierung und Wirtschaftswachstum Der verstärkte Einsatz digitaler Technologien beeinflusst das wirtschaftliche Wachstum einer Volkswirtschaft (→ Box 7) über zahlreiche Kanäle. Zu den wichtigsten gehören: der Investitionsbedarf zum Aufbau der notwendigen digitalen Infrastruktur, der durch die voranschreitende Digitalisierung hervorgerufene technologische Fortschritt, die Entwicklung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit im Zuge der weltweit voranschreitenden Digitalisierung, die Tendenz zur Sharing Economy und die Beschäftigungseffekte der voranschreitenden Digitalisierung (die nachfolgenden Ausführungen des → 9. Abschnitts sind zu großen Teilen Petersen 2017a entnommen). Box 7 | Wirtschaftswachstum und Bruttoinlandsprodukt In der Volkswirtschaftslehre wird von Wachstum gesprochen, wenn die Menge von Sachgütern und Dienstleistungen in einer bestimmten Gesellschaft zunimmt. Wachstum gilt als erstrebenswert, weil es den materiellen Wohlstand sowie die Lebensqualität der Menschen erhöht, Arbeitsplätze schafft, Verteilungskonflikte entschärft und die Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben (Bildung, Gesundheit, Umweltschutz etc.) erleichtert. Zentraler Indikator für das Wirtschaftswachstum ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung spricht von einem wirtschaftlichen Wachstum, wenn das BIP eines Landes größer wird. In der Regel liegt ein Wirtschaftswachstum nur vor, wenn das reale (also inflationsbereinigte) BIP wächst. <?page no="150"?> 150 Diginomics verstehen Häufig wird sogar nur dann von Wirtschaftswachstum gesprochen, wenn das reale BIP je Einwohner größer wird, denn nur so verbessert sich auch der materielle Wohlstand der einzelnen Bürger. Das BIP entspricht dabei dem Wert aller Güter und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres in einem Land hergestellt werden. Bewertet werden diese Güter zu ihren Marktpreisen. Das BIP erfasst daher nur die Aktivitäten, die über Märkte abgewickelt werden. Nicht zum BIP zählen z. B. wirtschaftliche Aktivitäten, die von Mitgliedern eines privaten Haushalts für andere Mitglieder dieses Haushalts erbracht werden, ehrenamtliche Aktivitäten, unentgeltliche Nachbarschaftshilfe und Tätigkeiten, die im Rahmen der so genannten Schwarzarbeit erbracht werden. 9.1 Investitionsbedarf, technologischer Fortschritt und Wachstum Der gesamtgesellschaftliche Investitionsbedarf zum Aufbau der digitalen Infrastruktur - sowohl in den Unternehmen als auch für die öffentliche Infrastruktur - erhöht kurzfristig die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage. Unternehmen passen ihr Produktionsniveau an die gestiegene Nachfrage an, sodass es zu einem stärkeren Wirtschaftswachstum kommt. Der höhere Investitionsbedarf hat weitere positive Beschäftigungs- und Einkommenseffekte für die gesamte Volkswirtschaft: Wenn in den Unternehmen der Investitionsgüterbranche die Produktion wächst, werden im Normalfall zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt. Damit steigen die Lohneinkommen, was zu einer höheren Konsumgüternachfrage führt. Auch in der Konsumgüterbranche kommt es somit zu Beschäftigungs- und Einkommenssteigerungen, die weitere Anstiege der Konsumnachfrage nach sich ziehen. Voraussetzung für diesen positiven Multiplikatoreffekt ist jedoch, dass die zusätzlich benötigten Investitionsgüter tatsächlich mithilfe von menschlichen Arbeitskräften erstellt werden. Sollte hingegen <?page no="151"?> Digitalisierung und Wirtschaftswachstum 151 eine vollautomatische Produktion der Investitionsgüter möglich sein, finden keine Beschäftigungszuwächse statt (vgl. Berg, Buffie und Zanna 2016: 11). Damit unterbleiben die Anstiege der Lohneinkommen und die mit ihnen verbundenen Zuwächse bezüglich der Nachfrage nach Konsumgütern. Auch der mit der Digitalisierung einhergehende technologische Fortschritt wirkt wachstumssteigernd: Technologischer Fortschritt bedeutet, dass die Produktionskosten sinken und die Unternehmen ihr Produkt zu einem geringen Preisen auf dem Markt anbieten können. Damit sinkt der Marktpreis für das betreffende Produkt. Im Normalfall reagieren Verbraucher auf einen sinkenden Preis, indem sie mehr Einheiten des betreffenden Produkts nachfragen. Sofern die Unternehmen sich an die steigende Nachfrage anpassen, nimmt die Produktion zu. Für die Volkswirtschaft als Ganzes bedeutet dies eine Zunahme der produzierten Sachgüter und Dienstleistungen, also eine Steigerung des BIP. Einschränkend ist jedoch zu berücksichtigen, dass der nominelle Wert der produzierten Sachgüter und Dienstleistungen sinken kann: dieser Wert ergibt sich aus der Multiplikation der Menge an Gütern mit den entsprechenden Marktpreisen. Wenn der Preisrückgang infolge des technologischen Fortschritts relativ groß ist (z. B. von 10 auf 6 Euro) und der damit verbundene Anstieg der produzierten und nachgefragten Gütermenge nur relativ gering ausfällt (z. B. von 1.000 Mengeneinheiten auf 1.100 Mengeneinheiten) geht der in Geldeinheiten ausgedrückte Wert der produzierten und nachgefragten Güter zurück (von 10 Euro 1.000 = 10.000,- Euro auf 6 Euro 1.100 = 6.600,- Euro). Bezogen auf das BIP bedeutet dieses Beispiel, dass das nominale BIP als Folge des mit der voranschreitenden Digitalisierung verbundenen technologischen Fortschritts sinken kann. Sofern der Preisrückgang bei der Umrechnung des nominalen BIP in das reale BIP nicht richtig berücksichtigt wird, kommt es zu einer Unterschätzung des tatsächlichen Zuwachses der Gütermenge und damit auch zu einer Unterschätzung des realen BIP-Anstiegs. Grafisch lässt sich dies wie folgt darstellen (→ Abb. 19): <?page no="152"?> 152 Diginomics verstehen  In der Ausgangssituation stellt eine Branche der Volkswirtschaft die Menge X 0 her, für die sich der Marktpreis P 0 einstellt. Der Beitrag dieses Produkts zum nominale BIP entspricht der Fläche P 0 Q 0 X 0 0. Wird dieses Jahr als Basis für die Berechnung aller zukünftigen BIP-Werte herangezogen, stellt diese Fläche auch den Beitrag dieses Sektors zum realen BIP dar.  Ein digitalisierungsbedingter technologischer Fortschritt verschiebt die Angebotskurve nach unten. Der nominale Wert, den der betrachtete Sektor erwirtschaftet, entspricht der Fläche P 1 Q 1 X 1 0. Das ist in diesem grafischen Beispiel geringer als der ursprüngliche Nominalwert der Ausgangssituation.  Die für den materiellen Wohlstand der Volkswirtschaft relevante makroökonomische Größe ist jedoch das reale BIP. Bezogen auf das hier betrachtete Produkt muss die Menge X 1 dafür mit dem Preis P 0 bewertet werden. Der Beitrag des Sektors zum realen BIP, der sich aus dem digitalisierungsbedingten technologischen Fortschritt ergibt, entspricht also der Fläche P 0 Q‘ 1 X 1 0. Dieser Realwert ist größer als der reale Wert in der Ausgangssituation.  Im Normalfall zeichnet sich die gesamtwirtschaftliche Preisentwicklung jedoch dadurch aus, dass es eine Inflation gibt. Das gesamtwirtschaftliche Preisniveau wird im Zeitablauf größer. Für die Umrechnung von Nominalwerten in Realwerte bedeutet dies Folgendes: Das nominale BIP wird deflationiert, d. h. die produzierten Gütermengen des Jahres 1 werden mit einem geringeren Preis bewertet. Bei einer Inflationsrate von zwei Prozent werden Preise des Jahres 1 also um zwei Prozent reduziert, um das BIP des Jahres 1 in Werten des Jahres 0 auszudrücken. Für → Abb. 19 bedeutet dies Folgendes: Für die Berechnung des von dem hier betrachteten Sektor geleisteten Beitrags zum realen BIP des Jahres 1 wird die hergestellte Menge X 1 mit einem um zwei Prozent geringeren Preis als P 1 bewertet. Der reale Beitrag dieses Sektors zum materiellen Wohlstand der Volkswirtschaft wird damit erheblich unterschätzt, denn der Preis des betroffenen Produkts muss zur Berechnung des realen BIP nicht reduziert, sondern erhöht werden. <?page no="153"?> Digitalisierung und Wirtschaftswachstum 153 19 | Auswirkungen des technologischen Fortschritts (TF) auf den Beitrag eines Sektors zum realen BIP »Der technologische Fortschritt reduziert die Produktionskosten und damit auch den Marktpreis. Das nominale BIP sinkt vom P 0 Q 0 X 0 0 auf die Fläche P 1 Q 1 X 1 0. Die Berechnung des realen BIP wird mit dem konstanten Preis P 0 berechnet. Das reale BIP steigt folglich durch den technologischen Fortschritt von P 0 Q 0 X 0 0 auf die Fläche P 0 Q‘ 1 X 1 0.« Noch gravierender fällt ein digitalisierungsbedingter Rückgang des BIP aus, wenn die Kosten der Produktion eines Produkts wegen des technologischen Fortschritts auf null sinkt. Dazu nur ein Beispiel (vgl. dazu Varian 2016: 9): Im Jahr 2000 wurden weltweit schätzungsweise 80 Milliarden Fotos gemacht und entwickelt. Der Preis je Foto - d. h. die Kosten des Films und der Entwicklung des Fotos - lagen bei rund 0,50 US-Dollar. 2015 lag die Zahl der weltweit gemachten Fotos bei schätzungsweise 1,5 Billionen. Sie wurden jedoch Nachfragekurve Preis (P) Gütermenge (X) Angebotskurve 0 ● Q 0 X 0 P 0 Angebotskurve 1 TF X 1 Q 1 P 1 Q‘ 1 0 ● ● <?page no="154"?> 154 Diginomics verstehen überwiegend mit Handys, Smartphones und anderen digitalen Technologien gemacht. Der Preis je Foto lag praktisch bei null, denn die Verbraucher müssen nun weder einen Film kaufen noch Fotos entwickeln lassen. Es finden also keine wirtschaftlichen Aktivitäten mehr statt, die über einen Markt abgewickelt werden. Ohne solche Markttransaktionen werden diese Aktivitäten aber gar nicht mehr in den offiziellen Statistiken zur Berechnung des BIP berücksichtigt. Der Wert dieser Fotos - abgesehen vom Kauf der dafür technologischen Geräte - taucht im BIP nicht mehr auf. Die Konsequenz ist: Das nominale und reale BIP sinken, obwohl sich die Zahl der Fotos verzwanzigfacht hat. Im Ergebnis lässt sich somit festhalten: Grundsätzlich ist zu erwarten, dass der digitale technologische Fortschritt die Menge an Gütern und Dienstleistungen, die der Bevölkerung eines Landes zur Verfügung stehen, erhöht. Dies wirkt wachstumssteigernd. Es ist jedoch durchaus möglich, dass die offiziellen Berechnungsmethoden der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung diese Zuwächse nicht vollständig erfassen. Das ausgewiesene nominale bzw. reale BIP kann daher sogar geringer werden, was wachstumsreduzierend wirkt - obwohl die produzierte Gütermenge tatsächlich gestiegen ist. 9.2 Entwicklung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Entscheidend für die skizzierten Wachstumseffekte ist, dass die betreffende Volkswirtschaft international wettbewerbsfähig ist. Eine Volkswirtschaft kann Güter und Dienstleistungen dauerhaft nur produzieren, wenn es auch eine Nachfrage nach diesen Produkten gibt. Damit die im Inland hergestellten Produkte nachgefragt werden, müssen sie - eine identische Qualität vorausgesetzt - im Vergleich zu ausländischen Gütern und Dienstleistungen preislich wettbewerbsfähig sein. Voraussetzung für wettbewerbsfähige Preise ist eine hohe Produktivität - und im Zeitablauf Produktivitätszuwächse, die mindestens so hoch ausfallen wie bei der ausländischen Konkurrenz. <?page no="155"?> Digitalisierung und Wirtschaftswachstum 155 Wenn der vermehrte Einsatz digitaler Technologien in einer Volkswirtschaft deren Produktivität steigert, wirkt sich dies tendenziell positiv auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes aus. Die Position eines Landes im internationalen Wettbewerb hängt jedoch immer auch von der wirtschaftlichen Stärke im Rest der Welt und weiteren Einflussfaktoren ab. Nur exemplarisch sind folgende Entwicklungen zu berücksichtigen:  Lohnpolitik: Entscheidend für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist letztendlich das Verhältnis von Produktivitätssteigerungen zu Lohnsteigerungen: Wenn eine Volkswirtschaft beispielsweise die Arbeitsproduktivität um acht Prozent steigern kann, gleichzeitig aber die Nominallöhne um neun Prozent steigen, erhöht dies die Lohnstückkosten und verschlechtert somit die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Umgekehrt kann ein Land, dessen Arbeitsproduktivität nur um zwei Prozent steigt, durch eine Nominallohnsteigerung von lediglich einem Prozent seine Lohnstückkosten reduzieren und somit die internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Ob eine voranschreitende Digitalisierung mit ihrer produktivitätssteigernden Wirkung tatsächlich die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes verbessert, hängt also sowohl von der Lohnpolitik in dem betreffenden Land ab als auch von der Lohnentwicklung im Rest der Welt. Folglich sind auch die Auswirkungen eines verstärkten Einsatzes digitaler Technologien in einem Land auf dessen internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht eindeutig vorhersehbar.  Wechselkursanpassungen: Wichtig für die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist die Entwicklung des Wechselkurses der eigenen Währung. Sollte es im Zuge des verstärkten Einsatzes digitaler Technologien zu einer Produktivitätssteigerung kommen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Landes erhöht, würde dies die Nachfrage nach den Produkten des Inlands im Rest der Welt erhöhen. Die daraus resultierende Zunahme der Exporte hat zur Folge, dass der Rest der Welt auf den Devisenmärkten mehr Währungseinheiten des Inlands nachfragt. Grund dafür ist der Umstand, dass die Exporte letztendlich in der Währung des Exportlands bezahlt werden müssen, weil die dort ansäs- <?page no="156"?> 156 Diginomics verstehen sigen Unternehmen ihre Löhne, Mieten, Zinsen und Steuern in der heimischen Währung bezahlen müssen. Die damit einhergehende Aufwertung der Währung des Inlands verteuert die heimischen Produkte im Rest der Welt und reduziert damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Im Fall eines vollkommen flexiblen Wechselkurses des Inlands würde die Aufwertung der heimischen Währung den technologisch bedingten Wettbewerbsvorteil wieder kompensieren - zumindest in einem theoretischen Idealmodell. Umgekehrt würde die Abwertung der Währung eines Landes, das den technologischen Anschluss an den Rest der Welt verpasst, dessen internationale Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen. In der Realität erfolgt diese Wettbewerbsherstellung jedoch nicht vollständig, weil der Wechselkurs eines Landes von weiteren Einflussfaktoren bestimmt wird. Immerhin aber kann ein flexibler Wechselkurs technologisch bedingte Wettbewerbsbachteile zumindest teilweise kompensieren. Der Zusammenhang zwischen einer digitalisierungsbedingten Veränderung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und dem Wechselkurs wird in → Abschnitt 12.5 weiter vertieft.  Technologischer Fortschritt im Rest der Welt: Wichtig für die Wettbewerbsposition ist schließlich der technologische Fortschritt im Rest der Welt, vor allem bei den wichtigsten Handelspartnern des Landes. Selbst technologische Fortschritte im Inland gehen mit einer Verschlechterung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit einher, wenn die entsprechenden Fortschritte im Ausland größer sind als im eigenen Land. Damit geht das reale BIP des Inlands zurück, weil die Produkte des Inlands in geringerem Maße nachgefragt werden und die Unternehmen ihre Produktion entsprechend einschränken. Auch wenn eine verstärkte Digitalisierung der heimischen Wirtschaft also nicht automatisch die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft verbessert, so leistet sie unzweifelhaft einen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit - und damit auch zum Wirtschaftswachstum. Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes wird in → Abschnitt 12.4 <?page no="157"?> Digitalisierung und Wirtschaftswachstum 157 erneut aufgegriffen, wenn es um die zukünftige Entwicklung der internationalen Arbeitsteilung geht. 9.3 Sharing Economy und Wachstum Eine weitere wachstumsbeeinflussende Entwicklung betrifft die Tendenz hin zur bereits skizzierten Sharing Economy. Dies bedeutet, dass die Verbraucher bestimmte Produkte nicht mehr selbst kaufen, sondern für eine bestimmte Zeit mieten. Mit Blick auf die Höhe des Wirtschaftswachstums - definiert als eine Zunahme des BIP im Zeitablauf - ergeben sich aus dieser Nutzungsform drei zentrale Konsequenzen: [1] Die Tendenz zur Sharing Economy senkt das Wirtschaftswachstum im Sinne der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, weil die Nachfrage nach Konsumgütern zurückgeht: Wenn sich viele Personen einen Pkw teilen, werden gesamtwirtschaftlich weniger Pkw nachgefragt und produziert. Ein nachfragedämpfender Effekt ergibt sich auch, wenn Verbraucher langlebige Konsumgüter auf internetbasierten Secondhand-Plattformen weiterverkaufen. Auch dies ist eine Form des Teilens bzw. gemeinschaftlichen Konsums (vgl. Fücks 2016: 316), was die Nachfrage nach Neuprodukten reduziert. Diese direkten wachstumssenkenden Effekte haben weitere indirekte Auswirkungen auf das BIP: Wenn in der Automobilindustrie die Produktion sinkt, geht dort die Beschäftigung zurück. Damit werden die verfügbaren Einkommen der von dem Beschäftigungsabbau betroffenen privaten Haushalte geringer. Dies schmälert deren Nachfrage nach Konsumgütern, sodass auch in der Konsumgüterindustrie Produktion und Beschäftigung geringer werden - was wiederum das Wirtschaftswachstum beeinträchtigt. [2] Die Tendenz zur Sharing Economy senkt das Wirtschaftswachstum zusätzlich, wenn die Verbraucher bei der Nutzung der Sharing-Netze die traditionellen Kanäle des Marktes umgehen (vgl. Rifkin 2014: 339): Wenn Touristen in der Stadt, die sie besuchen, auf private Wohnungen zugreifen, zahlen sie dafür eine weitaus geringere Gebühr als für ein Hotelzimmer. Mengenmäßig bleibt <?page no="158"?> 158 Diginomics verstehen die nachgefragte Gütermenge zwar konstant. Da das BIP die konsumierten Güter und Dienstleistungen jedoch zu ihren Marktpreisen bewertet, führt die Substitution von Hotelzimmern durch preiswertere private Wohnungen zu einem Rückgang des BIP. Noch gravierender ist der BIP-Rückgang, wenn die privaten Eigentümer der Wohnung (oder anderer Güter mit entsprechenden Netzen) ihre Einnahmen nicht bei der Steuererklärung angeben. In diesem Fall wird die Nutzung einer privaten Wohnung gar nicht im BIP erfasst. [3] Wenn diese beiden Effekte die Konsequenz haben, dass das Wirtschaftswachstum nachlässt bzw. das BIP sogar schrumpft, hat das Auswirkungen auf die Investitionstätigkeiten: Bei einer sinkenden Nachfrage nach Konsumgütern macht eine Erhöhung der Produktionskapazitäten in den Unternehmen keinen Sinn. Folglich gehen die Investitionen zurück. Eine sinkende Investitionsnachfrage hat zur Folge, dass die Unternehmen aus der Investitionsgüterindustrie weniger Maschinen und andere Produktionsmittel verkaufen können. Folglich reduziert die Investitionsgüterindustrie ihre Produktion, wodurch das wirtschaftliche Wachstum weiter verringert wird. Daneben ist noch ein vierter wachstumsdämpfender Effekt der Sharing Economy denkbar. Im → Abschnitt 5.4 wurde bei der Beschreibung des Car-Sharings festgestellt, dass bei diesem Konsumkonzept die Zahl der nachgefragten Autos zurückgeht. Für die in Kilometer gemessene Fahrleistung muss dies nicht gelten, denn die Teilnehmer eines Car-Sharing-Netzes könnten die Zahl ihrer Fahrten konstant halten. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Inanspruchnahme eines gemeinsam genutzten Autos einen zusätzlichen Organisationsaufwand erfordert. Es kostet Zeit, und möglicherweise auch Geld, die Nutzung des Autos für einen ganz bestimmten Zeitraum zu buchen, zum Standort des Pkws zu gelangen und nach Abschluss der Fahrt den Rückweg zur eigenen Wohnung zu absolvieren. Bei einem eigenen Auto, das nur wenige Meter von der Wohnung entfernt steht, entfallen diese Kosten. Das bedeutet: Die variablen Kosten, die mit einer einzelnen Fahrt verbunden sind, fallen bei der Mitgliedschaft in einem Car-Sharing-Netz höher aus als bei einem Pkw in Privateigen- <?page no="159"?> Digitalisierung und Wirtschaftswachstum 159 tum. Wenn aber der Preis für eine Einzelfahrt steigt, ist dem Nachfragegesetz folgend auch ein Rückgang der Nachfrage nach Einzelfahrten zu erwarten. Tatsächlich weist Jeremy Rifkin darauf hin, dass in den USA im Jahr 2009 die Mitglieder von Car-Sharing-Netzen insgesamt rund 31 Prozent weniger fuhren als vor der Mitgliedschaft in diesen Netzwerken mit ihrem privaten Automobil (vgl. Rifkin 2014: 332). Alle drei bzw. möglicherweise sogar vier wachstumsdämpfenden Effekte haben eine Rückwirkung auf den Arbeitsmarkt: Unternehmen passen sich an den geringeren Bedarf an und reduzieren ihre Produktion. Damit sinkt auch das Beschäftigungsniveau. Falls die damit freigesetzten Arbeitskräfte keine neuen Stellen finden, sinkt ihr verfügbares Einkommen. Folglich geht die Kaufkraft dieser Personen zurück, sodass sie ihren Konsum einschränken müssen. Die damit verbundene Verringerung der privaten Konsumnachfrage reduziert die Produktion in der Konsumgüterindustrie, wodurch das wirtschaftliche Wachstum weiter geschwächt wird. Allerdings ergibt sich aus der Sharing Economy auch ein wachstumsfördernder Effekt: Wenn die Menschen für die Nutzung von Gütern nicht mehr den vollen Preis zahlen müssen, sondern nur noch anteilige Nutzungsgebühren, bedeutet dies geringere Konsumausgaben. Die damit verbundene Erhöhung der verbleibenden Kaufkraft wirkt wie eine Einkommenssteigerungen. Wird die somit gewonnene Kaufkraft für den Erwerb weiterer Konsumgüter verwendet, kommt es zu einer Erhöhung der Konsumnachfrage. Unternehmen passen an die höhere Nachfrage an, was zu einem Wirtschaftswachstum führt. Werden dafür zusätzliche Arbeitskräfte benötigt, kommt es zudem zu einem Beschäftigungsanstieg, der einen weiteren Anstieg der Konsumnachfrage nach sich zieht. Per Saldo ist es wahrscheinlich, dass die Sharing Economy die Höhe des von den offiziellen Statistiken ausgewiesenen realen BIP reduziert und somit wachstumsdämpfend wirkt. Für die Konsumenten bedeutet dies jedoch keinesfalls eine Verschlechterung ihrer Versorgungslage, denn sie können nach wie vor die gleiche Menge an Gütern und Dienstleistungen konsumieren. Bislang führen die Sharing Economy und das damit verbundene Konzept des gemeinschaftlichen <?page no="160"?> 160 Diginomics verstehen Konsums zwar noch ein Nischendasein. Die Fortschritte digitaler Plattformen reduzieren jedoch den Aufwand des Teilens und Tauschens (gemessen in Geldeinheiten und Zeit), sodass die Konsumform perspektivisch erheblich an Bedeutung gewinnen könnte (vgl. Fücks 2016: 316f.). 9.4 Prosumtion und Wachstum Der verstärkte Einsatz von digitalen Technologien, Big Data und KI hat den Effekt, dass sich die Rolle der Konsumenten in vielen Bereichen verändert. Verbraucher werden dabei stärker in die Produktionsprozesse eingebunden. Der Umstand, dass der Verbraucher sowohl als Produzent als auch als Konsument tätig wird, führt zu dem Begriff Prosument. Das damit verbundene Konzept des Verbrauchs ist eine Kombination aus Produktion und Konsumtion, was zu dem Begriff Prosumtion führt. Dieser Begriff wurde 1980 von Alvin Toffler entwickelt. Er ist das Resultat der Verzahnung zweier wirtschaftlicher Akteure: dem Producer und dem Consumer zum Prosumer (vgl. Hellmann 2010: 14-17). Ein prominentes Beispiel für diese Form des Konsums ist das Konzept des schwedischen Möbelhauses Ikea. Dort erwerben die Kunden keinen fertigen Schrank, sondern eine Vielzahl von Einzelteilen, die sie selbst zu einem Schrank zusammensetzen. Der Umstand, dass der Hersteller die Arbeitsschritte, die mit der Fabrikation des Schranks verbunden sind, einspart, reduziert die Produktionskosten und damit den zu zahlenden Marktpreis. Für sich genommen reduziert dies das nominale BIP. Die gesamtwirtschaftlich relevante Arbeitszeit und die für die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung relevanten Produktionskosten sinken. Die tatsächlich anfallende Arbeitszeit dürfte hingegen größer werden, weil die Verbraucher in der Regel mehr Zeit benötigen, um aus den Einzelteilen den Schrank zu bauen. Allerdings spielt die Zeit, die der Käufer für den Aufbau des Schranks verwenden, für die offiziellen Statistiken und die Berechnung des BIP keine Rolle: Diese Arbeitszeit schafft im Sinne der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung keinen ökonomischen Wert. <?page no="161"?> Digitalisierung und Wirtschaftswachstum 161 Die zunehmende Verbreitung digitaler Technologien erweitert die Anwendungsbereiche für das Konzept der Prosumtion. Wenn Verbraucher im Internet Elektrogeräte kaufen oder Reisen buchen, übernehmen sie damit die Beratungsdienstleistungen der Angestellten in Elektrogeschäften und Reisebüros. Und wenn der Käufer eines Elektrogeräts später mithilfe eines Callcenter-Angestellten einen Defekt seines Geräts über die Einschaltung einer Hotline selber repariert, spart dies die Tätigkeiten eines Handwerkers ein. In allen diesen Beispielen fällt das BIP geringer aus, weil die für die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung relevanten - also mit einem Marktpreis bewerteten - wirtschaftlichen Aktivitäten durch die unentgeltlichen Tätigkeiten des Prosumenten sinken. Für sich genommen bewirkt dies eine Verringerung des BIP. Eine andere Form der interaktiven Wertschöpfung ist das Crowdsourcing. Hierbei verlagert ein Unternehmen Teile von Tätigkeiten, die üblicherweise von im Unternehmen angestellten Beschäftigten erbracht werden, an Kunden oder Privatpersonen. Sie erbringen diese Leistungen unentgeltlich. Crowdsourcing wird vor allem bei der Weiter- oder Neuentwicklung von Produkten eingesetzt, um so die Wünsche und Kreativität der Kunden einzubeziehen. Das Unternehmen veröffentlicht einen entsprechenden Aufruf, in dem die zu lösenden Probleme skizziert werden, und richtet sich damit an alle Internetnutzer. Eine spezielle Form dieses Einsammelns von Rückmeldungen der anonymen Massen (also der Crowd) zur Produktverbesserung ist das Crowdtesting. Hierbei wird eine Software oder eine App von den Internetnutzern getestet. Diese teilen ihre Verbesserungsvorschläge oder Hinweise auf Fehlern dem Unternehmen mit - ohne monetäre Anreize (vgl. dazu Rolf und Sagawe 2015: 35). Das Unternehmen kann so seine Kosten reduzieren. Sofern die damit geschaffenen ökonomischen Werten aber keine monetären Leistungen nach sich ziehen, wird diese Wertschöpfung nicht im BIP erfasst. Wenn also ehemals von angestellten Mitarbeitern gegen eine Lohnzahlung erbrachte Tätigkeiten durch unentgeltliche Leistungen der Masse der Internetnutzer erbracht werden, bewirkt dies für sich genommen eine Verringerung des durch die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung gemessenen BIP. <?page no="162"?> 162 Diginomics verstehen Perspektivisch könnte die Bedeutung der Prosumtion noch weiter zunehmen, wenn die Verbraucher mithilfe der 3D-Druck-Technologie Konsumgüter für den eigenen Gebzw. Verbrauch herstellen (vgl. dazu ausführlicher → Abschnitt 12.7). Ein letzter in diesem Kontext wachstumsrelevanter Aspekt betrifft die Möglichkeit, bestimmte digitale Produkte ohne relevante Kosten vervielfältigen zu können. Wenn diese Reproduktionsmöglichkeit nicht nur dem Hersteller eines Produkts möglich ist, sondern auch dem Käufer, kann der Käufer Kopien erstellen und diese auf dem Markt anbieten. Bei digitalen Informationsgütern kann diese Kopierproblematik weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Nehmen wir an, es ist technisch möglich, eine beliebige Menge von Kopien zu erstellen, ohne dass es dabei zu einem Qualitätsverlust kommt. Die Kopierkosten tendieren annahmegemäß gegen null. In diesem Fall reicht theoretisch eine Originaleinheit des betreffenden Guts aus, um damit den gesamten Markt zu versorgen (vgl. Linde 2008: 91f.). Beispiele für eine derartige digitale Reproduktion können Musikstücke, Filme oder auch Software sein. Wenn diese Form der Vervielfältigung technisch möglich ist (unabhängig von rechtlichen Beschränkungen), kann der kommerzielle Anbieter lediglich eine sehr geringe Anzahl von Produkteinheiten verkaufen. Das bedeutet, dass der Produzent seine hohen Fixkosten nur auf eine geringe Zahl von Produkten verteilen kann, was zu einer entsprechend hohen Preisforderung führt. Dieser hohe Marktpreis kann wiederum dazu führen, dass der Preis über der maximalen Zahlungsbereitschaft der Verbraucher liegt. Damit finden sich keine Kunden, die bereit sind, das Produkt käuflich zu erwerben. Und selbst wenn der Preis gerade noch akzeptabel ist, kann ein potenzieller Konsument auf den Erwerb eines Originalprodukts verzichten - er wartet einfach, bis jemand anderes das Produkt kauft und erwirbt anschließend von diesem Käufer eine Kopie zu einem geringeren Preis. Wenn jedoch alle Verbraucher dieses Verhalten an den Tag legen, kauft niemand das Produkt beim Originalanbieter. Damit kommt gar kein Markt für das betreffende Produkt zustande. Um dies zu verhindern, müssen technische Maßnahmen ergriffen werden, die eine qualitätsverlustfreie Kopie verhindern. Derartige Kopierschutzverfahren bedeuten jedoch <?page no="163"?> Digitalisierung und Wirtschaftswachstum 163 zusätzliche Produktionskosten, die den Marktpreis der betroffenen Produkte erhöhen. Mit Blick auf das Wirtschaftswachstum bedeuten diese Zusammenhänge im Kontext der Kopierproblematik Folgendes: Die Möglichkeit einer nahezu kostenlosen Vervielfältigung eines digitalen Produkts ohne Qualitätseinbußen kann dazu führen, dass es für dieses Produkt keinen kommerziellen Markt gibt. Dies wirkt wachstumsdämpfend. Und selbst wenn es zu einem Marktgleichgewicht kommt, besteht die Möglichkeit, dass zahlreiche Kopien von Ersterwerbern erstellt und verkauft werden. Der Verkauf dieser - rechtlich häufig nicht erlaubten - Kopien erfolgt im Normalfall jenseits der traditionellen Märkte und wird daher von der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht erfasst. Folglich fließen diese Produkte auch nicht in die Berechnung des BIP ein. 9.5 Wert der Daten Gegenwärtig werden zahlreiche Produkte der Digitalökonomie kostenlos, d. h. ohne die Zahlung eines in Geldeinheiten ausgedrückten Preis, abgegeben. Dies betrifft einzelne Dienstleistungen und vor allem personenbezogene Daten. Wie in → Abschnitt 3.4 erörtert, können diese Daten einen hohen ökonomischen Wert erreichen. So liegen, wie erwähnt, Schätzungen vor, nach denen der ökonomische Wert der Mobilitätsdaten von privaten Fahrzeugnutzern in Deutschland bei rund 350,- Euro pro Jahr und Fahrzeug liegt. Wird dieser Wert mit der Anzahl der privat genutzten Automobile in Deutschland multipliziert, ergibt sich daraus ein Marktwert in Höhe „eines zweistelligen Milliarden-Euro-Betrags“ (BMVI 2017: 72f.). Dieser wirtschaftlich erhebliche Betrag taucht in den offiziellen Statistiken zur Berechnung des BIP jedoch nicht auf, weil es für die Daten keinen Marktpreis gibt. Die fehlende statistische Erfassung des Werts von Daten ist für mindestens zwei Gruppen von wirtschaftlichen Akteuren problematisch:  Die Bürger bzw. Verbraucher bezahlen viele Dienstleistungen der Digitalökonomie mit der Hergabe ihrer Daten. Sie haben daher <?page no="164"?> 164 Diginomics verstehen ein Interesse zu erfahren, wie hoch der Wert bzw. Preis dieser Daten ist. Erst dann können sie einschätzen, ob der von ihnen in Form von Daten gezahlte Preis für eine bestimmte Dienstleistung angemessen oder viel zu hoch ist.  Eine der wichtigsten Quellen der staatlichen Steuereinnahmen ist die Umsatzbzw. Mehrwertsteuer. Der Staat hat daher ebenfalls ein großes Interesse, den Wert der gehandelten Daten zu kennen, um ihn entsprechend zu besteuern. Zudem würden die Digitalunternehmen ihre Dienstleistungen dann auch nicht mehr kostenlos abgeben. Neben den mit Marktpreisen bewerteten Daten würde also auch der Wert der erbrachten und verkauften Dienstleistungen in Geldeinheiten ausgedrückt werden. Dies erlaubt es dem Staat, diese Dienstleistungsumsätze adäquat zu besteuern. Sowohl die Verbraucher als auch der Staat haben somit ein hohes Interesse, eine höhere Transparenz über den Wert von personenbezogenen Daten zu erhalten. Möglicherweise führt dies in der Zukunft dazu, dass sich Märkte für personenbezogene Daten entwickeln, an denen sich ein Gleichgewichtspreis für Daten einstellt. Damit würden diese wirtschaftlichen Aktivitäten von der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erfasst und folglich in die Berechnung des BIP einfließen. Die positiven Wachstumsimpulse der Digitalisierung könnten damit zutreffend abgebildet werden. Damit ließe sich gleichzeitig das im → 4. Abschnitt behandelte Produktivitätsparadoxon - zumindest teilweise - auflösen. Ein Markt für Daten hätte darüber hinaus den Vorteil, dass die Bürger den ökonomischen Wert ihrer Daten besser einschätzen könnten. Damit könnten sie beurteilen, ob die Daten, die sie im Gegenzug für ein digitales Gut hergeben, ein angemessener Preis für dieses Gut sind oder nicht. Die im → Abschnitt 3.4 beschrieben Informationsasymmetrie zwischen den Bürgern und den Digitalunternehmen, die deren Daten nutzen, bezüglich des wirtschaftliches Werts der personenbezogenen Daten wird damit beseitigt. Damit ergibt sich aber auch ein Interessenkonflikt: Während sowohl die Verbraucher bzw. Bürger als auch der Staat ein hohes Interesse an einer größeren Transparenz über den wirtschaftlichen Wert von Daten haben, liegt diese Transparenz nicht im Interesse der Un- <?page no="165"?> Digitalisierung und Wirtschaftswachstum 165 ternehmen. Sie müssten ggf. höhere Marktpreise für die von ihnen gesammelten Daten bezahlen und zudem die Umsätze, die mit dem Handel von Daten anfallen, versteuern. Entscheidend für den Beitrag von Daten zum mit dem BIP gemessenen Wirtschaftswachstum ist also die Frage, ob es perspektivisch einen Markt mit einem Marktpreis für Daten gibt. Nur dann erfasst die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung die mit den Daten verbundene Wertschöpfung, die in die Berechnung des BIP einfließt. 9.6 Zeitwohlstand und Wachstum Wenn die im → 4. Abschnitt vertretene These einer zunehmenden Produktivität im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung zutreffend ist, bedeutet dies langfristig, dass hoch entwickelte Volkswirtschaften wie Deutschland eine konstante Menge an Sachgütern und Dienstleistungen mit immer weniger Arbeitsinput herstellen können (der Freisetzungseffekt der Digitalisierung ist größer als deren Kompensationseffekte). Ob das BIP der Gesellschaft dann steigt, hängt im Wesentlichen davon ab, wie die Menschen die gewonnene Zeit nutzen. Hier sind vier grundlegende Entwicklungen denkbar:  Die gewonnene Zeit wird für private Freizeitaktivitäten genutzt, bei denen kommerzielle Angebote in Anspruch genommen werden. Beispiele für solche Angebote sind Kreuzfahrten, Städtereisen und Urlaube, der Besuch von Freizeit- und Vergnügungsparks oder Wellnesshotels, der Besuch von Sportveranstaltungen und sportlichen Großereignissen wie Olympischen Spielen, Formel-1-Rennen und Fußballwelt- und Europameisterschaften, der Besuch von Konzerten, Opern, Museen und Kunstausstellungen, kommerzielle Weiterbildungsangebote und vieles mehr (vgl. Rolf und Sagawe 2015: 205-208). Diese Tendenz hin zu einer kommerziellen Event- und Erlebnisökonomie ist wachstumsfördernd, weil für derartige Angebote Marktpreise gezahlt werden und diese Angebote somit von der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erfasst werden. <?page no="166"?> 166 Diginomics verstehen  Die gewonnene Zeit wird für private Freizeitaktivitäten genutzt, ohne dass dabei jedoch auf kommerzielle Angebote zurückgegriffen wird. Die Bürger nutzen die freie Zeit, um z. B. zu musizieren, Theater zu spielen, im eigenen Garten zu arbeiten oder Sport zu treiben. Abgesehen von den für diese Aktivitäten notwendigen Produkten wie Musikinstrumenten und Sportbekleidung werden keine weiteren Produkte benötigt. Es kommt daher zu keiner nennenswerten Steigerung des BIP.  Die gewonnene Zeit kann für die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeiten verwendet werden. Da es für diese Tätigkeiten keinen Marktpreis gibt, erfasst die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung diese Aktivitäten nicht. Das BIP steigt somit nicht. Sofern das ehrenamtliche Engagement am Markt gehandelte Dienstleistungen verdrängt, sinkt das BIP sogar.  Denkbar ist schließlich auch, dass die Menschen die zusätzliche Zeit für die Ausübung von Erwerbsarbeit nutzen. Wenn die dadurch zusätzlich produzierten Produkte auf Märkten verkauft werden, kommt es zu einer Steigerung des BIP. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass es auch eine kaufkräftige Nachfrage für diese zusätzlichen Produkte gibt. Dies ist jedoch nicht garantiert: Wenn es wegen des verstärkten Kapitaleinsatzes zu einer erheblichen Reduzierung der Erwerbsarbeit kommt und die Einkommensverteilung damit ungleicher wird, fehlt es an einer entsprechenden Massenkaufkraft. Welcher bzw. welche dieser vier Entwicklungstrends tatsächlich Realität werden, lässt sich nicht vorhersagen. Entscheidend dafür sind die Wertvorstellungen bzw. Präferenzen der Bürger. Auf jeden Fall aber ist nicht auszuschließen, dass es im Zuge der mit der voranschreitenden Digitalisierung einhergehenden Zeitgewinne in hoch entwickelten Volkswirtschaften zu einer Stagnationstendenz kommt oder sogar zu einem Rückgang des BIP. Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass aus einer wachstumsdämpfenden Tendenz der voranschreitenden Digitalisierung in der langen Frist nicht notwendigerweise eine Stagnation oder Schrumpfung des BIP folgt. Neben der Digitalisierung gibt es weitere Einflussfaktoren auf die Höhe der Wirtschaftsleistung eines Landes: <?page no="167"?> Digitalisierung und Wirtschaftswachstum 167  Zu nennen ist in diesem Kontext vor allem das Bevölkerungswachstum. In einigen hoch entwickelten Industrieländern wie den USA, Kanada, Frankreich und dem Vereinigten Königreich wird die Bevölkerungszahl bis 2050 weiter steigen. Dies bewirkt eine Steigerung des BIP, die die wachstumsdämpfenden Effekte der voranschreitenden Digitalisierung überkompensieren kann. Für Deutschland und Japan ist hingegen bis 2050 von einem Rückgang der Bevölkerungszahl auszugehen.  International wettbewerbsfähige Länder können zudem ihr BIP durch Exportüberschüsse steigern. Selbst wenn die Binnennachfrage in einem Land zurückgeht, kann diese Stagnation oder sogar Schrumpfung des BIP durch eine Exportsteigerung kompensiert werden. Sofern eine Volkswirtschaft ihre internationale preisliche und qualitative Wettbewerbsfähigkeit stärker verbessern kann als der Rest der Welt, sind Exportüberschüsse möglich, die die Produktion und Beschäftigung im Inland ankurbeln. Damit würde das BIP steigen, selbst wenn die Binnennachfrage schrumpft.  Gewonnene Erkenntnisse Die voranschreitende Digitalisierung hat sowohl wachstumsfördernde als auch wachstumsdämpfende Effekte. Die notwendigen Investitionen im Rahmen der digitalen Transformation und der technologische Fortschritt wirken wachstumsfördernd. Die Tendenz hin zur Sharing Economy reduziert die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage und wirkt folglich wachstumsdämpfend. Kurzfristig dürften in entwickelten Volkswirtschaften wie Deutschland die wachstumsfördernden Effekte überwiegen. Damit setzt sich der aktuell beobachtbare Wachstumsbeitrag der Digitalisierung fort. Exemplarisch zeigt dies eine Studie für die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft e.V. (vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen vbw 2017: 27-33):  Für Deutschland kommen die Berechnungen zu der Einschätzung, dass der Beitrag der Digitalisierung zur jährlichen Wachstumsrate der Bruttowertschöpfung zwischen 1996 und 2014 im Durch- <?page no="168"?> 168 Diginomics verstehen schnitt bei 0,5 Prozentpunkten lag. Im verarbeitenden Gewerbe war der Beitrag mit 0,6 Prozentpunkten etwas höher.  Der Vergleich mit ausgewählten Ländern zeigt, dass der digitalisierungsbedingte Wachstumsbeitrag im gleichen Zeitraum in Japan mit 0,7 Prozentpunkten sowie in den USA und Südkorea mit rund 0,6 Prozentpunkten etwas größer war. Ein Grund dafür liegt in dem Umstand, dass die Unternehmen in diesen Ländern in stärkerem Maße digitale Technologien nutzen als in Deutschland. Mittel- und langfristig könnten sich hingegen die wachstumsdämpfenden Effekte behaupten und das BIP im Sinne der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung tendenziell sinken. Daraus ergibt sich jedoch nicht notwendigerweise ein sinkendes BIP, denn weitere wachstumsrelevante Aspekte wie z. B. ein Bevölkerungswachstum oder Exportüberschüsse können diesen wachstumsdämpfenden Effekt überkompensieren. Zudem ist an die Güter und Dienstleistungen zu denken, die zwar von der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht erfasst werden, aber dennoch den Menschen zur Verfügung stehen. Dies verdeutlicht, dass das BIP für eine digitale Wirtschaft ein zunehmend ungeeigneter Indikator zur Messung der Wirtschaftsleistung ist. Selbst wenn es zu einem Rückgang des BIP kommen sollte, bedeutet dies nicht notwendigerweise, dass sich die Lebenssituation der Menschen verschlechtert. Zum einen ist an die Steigerung der realen Gütermenge zu denken, die zwar nicht vollständig von der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erfasst wird, aber dennoch vorhanden ist und die materiellen Lebensbedingungen der Menschen verbessert. Zum anderen können die Bürger die gewonnene Zeit für selbstbestimmte Tätigkeiten nutzen, was ihre Lebenszufriedenheit erhöhen kann. Der Wohlstand der Menschen - definiert als Lebenszufriedenheit oder Glück - steigt dann, obwohl das BIP sinkt. <?page no="169"?> 10 Digitalisierung und Staatsfinanzen Die bisher skizzierten wirtschaftlichen Entwicklungen, die mit der voranschreitenden Digitalisierung verbunden sind, wirken sich sowohl auf die staatlichen Ausgaben als auch auf die Einnahmen aus. Die konkreten Konsequenzen sind ungewiss, weil die staatlichen Ausgaben und Einnahmen von vielen Einflussgrößen abhängen. Kommt es zu einer digitalisierungsbedingten Massenarbeitslosigkeit oder ergänzen sich digitale Technologien und Menschen, so dass sich lediglich geringe Arbeitsplatzeinbußen einstellen? Bleibt eine Volkswirtschaft international wettbewerbsfähig oder wird sie technologisch abgehängt? Dies sind nur zwei Fragen mit weitreichenden Auswirkungen auf die staatlichen Finanzen. Je nachdem, wie die Beantwortung in der wirtschaftlichen Realität ausfällt, kann es bei ungünstigen Entwicklungen zu erheblichen Belastungen für die öffentlichen Finanzen kommen. 10.1 Digitalisierung und Staatsausgaben Die Digitalisierung hat mit Blick auf die staatlichen Finanzen sowohl ausgabenerhöhende als auch -senkende Effekte. Auf der Ausgabenseite führen vier zentrale Entwicklungen zu einer tendenziellen Steigerung der Ausgaben. Zunächst einmal ist an die für die digitale Transformation notwendigen öffentlichen Investitionen zur Bereitstellung der erforderlichen physischen Infrastruktur zu denken. Dabei geht es allen voran um die für eine umfassende digitale Vernetzung erforderlichen Netze, aber auch die notwendigen Ausstattungen mit Computern, Robotern etc. und die Bildungsinvestitionen. Sie bewirken einen Anstieg der staatlichen Ausgaben. Dabei geht es nicht nur um die Bereiche der öffentlichen Verwaltung und Behörden, sondern auch um öffentliche Bildungseinrichtungen, Polizei und Bundeswehr bis hin zum Gesundheitssektor, wo moderne Medizintechnologien finanziert werden müssen. <?page no="170"?> 170 Diginomics verstehen Ein zweiter wichtiger Bereich der öffentlichen Ausgaben betrifft die in → Abschnitt 8 beschriebene Tendenz hin zu einer wachsenden Ungleichheit der Markteinkommen. Sie erhöht den Bedarf einer staatlichen Einkommensumverteilung. Eine Verringerung der Einkommensungleichheit sollte sich dabei nicht nur auf die reine Umverteilung durch das Steuer-Transfer-System beschränken. Mindestens ebenso sinnvoll und notwendig ist der Ausbau der Zugangschancen für Personen mit geringen Einkommen zu Bildung, Gesundheit und weiteren staatlichen Infrastrukturangeboten, was entsprechende staatliche Investitionen voraussetzt. Dies verbessert die Teilhabechancen dieser Personen und stärkt zudem die Wachstumskräfte. Für den Staat bedeutet dies jedoch zunächst einmal höhere Ausgaben. Drittens ist an die staatlichen Ausgaben im Kontext der digitalisierungsbedingten Arbeitslosigkeit zu denken. Sofern es, wie in → Abschnitt 7.5 angenommen, mittel- und langfristig zu einer steigenden Freisetzung von Erwerbstätigen kommt, nehmen die staatlichen Ausgaben zur Finanzierung der damit verbundenen Arbeitslosigkeit zu. In Deutschland hilft der zunehmende Einsatz von Kapital und Technologien zwar, den wachsenden Fachkräftemangel einer alternden Gesellschaft abzumildern. Nichtsdestotrotz muss der Staat die altersbedingt nicht mehr erwerbstätigen Personen finanziell versorgen. Den demografisch bedingten Einsparungen von Ausgaben im Kontext der Arbeitslosigkeit stehen somit höhere Ausgaben in den Bereichen Rente, Pensionen, Pflege und Gesundheit gegenüber. Viertens ist es durchaus denkbar, dass die voranschreitende Digitalisierung zu neuen staatlichen Ausgaben führt. So kann es erforderlich werden, dass der Staat stärker als bisher Maßnahmen finanzieren muss, die den digitalisierungsbedingten Strukturwandel forcieren - eine Frage, der in → Abschnitt 13 im Kontext der Industriepolitik nachgegangen wird. Denkbar ist auch, dass der Staat in Zukunft in der Sicherheitspolitik auf neue Herausforderungen in den Bereichen Cyber-Kriminalität, Cyber-Terrorismus und Cyber-Krieg reagieren muss, was aus heutiger Sicht neue Aufgabenfelder wären (vgl. Schratzenstaller 2018: 804). Die in → Abschnitt 6 beschriebenen digitalisierungsbedingten Monopolisierungstendenzen verlangen <?page no="171"?> Digitalisierung und Staatsfinanzen 171 eine Intensivierung der Maßnahmen im Bereich der Wettbewerbspolitik und Monopolaufsicht. Die in → Abschnitt 9.4 diskutierte Kopierproblematik kann auch die Anforderungen an den Staat erhöhen. Er muss sich ggf. in größerem Ausmaß als bisher mit der Bekämpfung der Produktpiraterie und dem Schutz des geistigen Eigentums beschäftigen. Schließlich ist an mögliche Gefahren im Kontext der 3D-Druck-Technologie zu denken: Wenn es zukünftig immer leichter wird, in der eigenen Wohnung mithilfe eines 3D-Druckers Konsumgegenstände herzustellen, kann es sich dabei auch um Gegenstände mit einem hohen Missbrauchsrisiko bzw. Gefahrenpotenzial handeln wie Schusswaffen oder noch größere Waffen (vgl. Schwab 2016: 222). Dies würde vermehrte Aufgaben für die staatliche Waffenkontrolle nach sich ziehen. Daneben hat die Digitalisierung aber - so wie in der privaten Wirtschaft - auch kostensenkende Effekte. In der staatlichen Verwaltung führen die Optimierung von Prozessabläufen und die Senkung von Transaktionskosten zu einer Verringerung der Verwaltungskosten und einer Einsparung von Arbeitskräften. Damit sinken die staatlichen Ausgaben. Dieses Einsparpotenzial betrifft wiederum nicht nur die öffentliche Verwaltung, sondern auch Dienstleistungen, die öffentlich finanziert werden. Beispiele hierfür sind die Gesundheitsausgaben, die durch den Einsatz digitaler Medizintechnologien gesenkt werden können, und der Pflegebereich (vgl. Schratzenstaller 2018: 804). Im Ergebnis führen die in den bisherigen Abschnitten skizzierten wirtschaftlichen Effekte der voranschreitenden Digitalisierung in entwickelten Volkswirtschaften wie Deutschland zumindest kurzfristig zu einem tendenziellen Anstieg der staatlichen Ausgaben. Grund dafür sind vor allem die unmittelbar anfallenden Investitionsausgaben - sowohl für die physische Infrastruktur als auch für die qualifikatorischen Anpassungen der Beschäftigten. Wenn erst einmal eine flächendeckende leistungsfähige digitale Infrastruktur bereitsteht, können die kostensenkenden Effekte der Digitalisierung überwiegen. Langfristig würde dies zu einer tendenziellen Verringerung der Staatsausgaben führen. <?page no="172"?> 172 Diginomics verstehen 10.2 Digitalisierung und Staatseinnahmen Auf der Einnahmenseite gibt es drei zentrale Konsequenzen, die sich aus der voranschreitenden Digitalisierung in entwickelten Volkswirtschaften für die Höhe der staatlichen Einnahmen ergeben. Die Höhe der staatlichen Einnahmen folgt der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes, vor allem der Entwicklung des BIP. Wie am Ende von → Abschnitt 9 erläutert, sollten bis etwa 2030 in entwickelten Volkswirtschaften wie Deutschland die wachstumsfördernden Effekte der voranschreitenden Digitalisierung überwiegen und somit auch die Staatseinnahmen steigen. Mittel- und langfristig könnten hingegen die wachstumsdämpfenden Effekte überwiegen und die Einnahmen des Staates daher ceteris paribus zurückgehen. Das muss noch nicht problematisch sein. Entscheidend für die Entwicklung der öffentlichen Finanzen ist das Verhältnis von Staatsschulden zum BIP, die so genannte Staatsschuldenquote. Falls der BIP-Rückgang prozentual genauso hoch ist wie der Rückgang der staatlichen Einnahmen, bleibt die Staatsschuldenquote konstant. Eine zweite Gefahr für die staatlichen Einnahmen ist der Trend, dass Verbraucher zunehmend die traditionellen Kanäle des Marktes umgehen und vermehrt Sachgüter und Dienstleistungen privater Anbieter nachfragen (Uber, Airbnb, eBay etc., → Abschnitt 9.3). Die Einkünfte, die in der Sharing Economy erzielt werden, müssen von den dort erwerbstätigen Personen versteuert werden. Zudem werden die entsprechenden Transaktionen von den Unternehmen, die die dafür notwendigen Plattformen bereitstellen, digital erfasst (vgl. Eichhorst und Spermann 2015: 24; Wambach 2016: 593). Die große Herausforderung besteht darin, die bestehende Steuerpflicht auch tatsächlich zu realisieren (vgl. Eichhorst et al. 2016: 16): In den offiziellen Statistiken werden derartige wirtschaftliche Aktivitäten gegenwärtig unzureichend erfasst, sodass auch die Besteuerung dieser Aktivitäten nur erfolgt, wenn die beteiligten Akteure diese bei den Finanzbehörden angeben. Sofern dies nicht der Fall, kann der Staat keine Steuern und Abgaben auf die entsprechenden Aktivitäten erheben. Dies senkt die Staatseinnahmen. Sollten sich jedoch, wie in → Abschnitt 9.5 beschrieben, perspektivisch Märkte für personenbe- <?page no="173"?> Digitalisierung und Staatsfinanzen 173 zogene Daten und die mit ihnen geschaffenen Dienstleistungen etablieren, gäbe es auch Marktpreise, die dieses Problem zumindest entschärfen würden. Daneben ist aber auch zu berücksichtigen, dass es mithilfe von Kryptowährungen leichter fällt, Steuern zu hinterziehen: Diese Währungen und die mit ihnen verbundene Blockchain-Technologie (→ Box 8) erlaubt ein hohes Maß an Anonymität. Daher sind Kryptowährungen ein potenzielles Mittel zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche (vgl. Schlatt et al. 2016: 23). Box 8 | Blockchain Eine Blockchain (deutsch Blockkette) ist eine Art Datenbank, die digitale Datensätze in Blöcken in einem dezentralen Computernetzwerk gruppiert und speichert. Weitere technische Details dieser Technologie sind z. B. bei Schlatt et al. 2016 zu finden. Der aus staatlicher Sicht relevante Aspekt betrifft den Umstand, dass die Datenspeicherung nicht mehr zentral stattfindet und zudem anonym erfolgt. Das bedeutet, dass mit der Blockchain- Technologie Geldtransaktionen von staatlichen Behörden nicht oder nur sehr schwer nachverfolgt werden können. Dies erleichtert eine kaum nachweisbare Bezahlung legaler und illegaler wirtschaftlicher Aktivitäten und kann so die Basis für eine Steuerhinterziehung sein (vgl. Schlatt et al. 2016: 23 sowie die dort angegebene Literatur). Eine dritte zentrale Einflussgröße der staatlichen Einnahmen betrifft die Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Mit Blick auf die Beitragsfinanzierung der sozialen Sicherungssysteme ergibt sich aus der digitalen Verdrängung der menschlichen Arbeitskraft ein Finanzierungsproblem: Wenn der Faktor Arbeit für die gesamtwirtschaftlichen Produktionsprozesse tendenziell an Bedeutung verliert, gehen die Beitragszahlungen an die sozialen Sicherungssysteme zurück, d. h. die staatlichen Einnahmen sinken. Der gleiche Effekt ergibt sich, wenn Leistungen im Rahmen der Sharing Economy angeboten werden, weil die Leistungserbringer keine sozi- <?page no="174"?> 174 Diginomics verstehen alversicherungspflichtigen Angestellten sind, sondern Selbstständige (vgl. Eichhorst und Spermann 2015). Selbst wenn es also keine oder nur eine geringe digitalisierungsbedingte Arbeitslosigkeit geben sollte, führt der Wandel hin zu selbstständigen Beschäftigten dazu, dass „die in den meisten Ländern überwiegend lohnbasierten Sozialversicherungssysteme in Zukunft […] enorme Finanzierungsprobleme bekommen könnten“ (Becker 2019: 6). Von zentraler Bedeutung für die Auswirkungen der voranschreitenden Digitalisierung auf die staatlichen Einnahmen ist es letztendlich, ob es dem Staat gelingt, die Wertschöpfung und die Einkommen (Arbeitseinkommen ebenso wie Gewinne bzw. Kapitaleinkommen) der Digitalökonomie vollständig zu erfassen und anschließend zu besteuern. Gelingt dies nicht, entgehen dem Staat die darauf anfallenden Einnahmen aus der Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer. Die Folge wäre eine Erosion der Steuerbasis und damit ein Rückgang der staatlichen Einnahmen (vgl. Schratzenstaller 2018: 801). Gleichzeitig ist jedoch zu berücksichtigen, dass Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen diesem Einnahmerückgang entgegenwirken können. So könnte beispielsweise eine Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen der Sharing Economy und den Steuerbehörden zu einer besseren Erfassung der wirtschaftlichen Aktivitäten der Sharing Economy führen, was die Steuerbasis erhöhen würde (vgl. Wambach 2016: 593). Grundsätzlich wäre es denkbar, dass die Unternehmen der Plattformökonomie stärker mit den Finanzämtern kooperieren und ihre Daten der Steuerverwaltung zur Verfügung stellen. Damit könnten die Finanzämter z. B. die Mieteinnahmen, die ein privater Hauseigentümer durch eine temporäre Vermietung über Airbnb erzielt, bei der Berechnung der zu zahlenden Einkommensteuer einbeziehen. Alternativ könnte der Betreiber einer digitalen Plattform für die dort durchgeführten ökonomischen Aktivitäten eine Quellensteuer erheben und diese an die Steuerbehörden abführen. Die Digitalunternehmen würden somit als Vollzugsgehilfen der Steuerbehörden agieren (vgl. Schratzenstaller 2018: 802). Zudem ist es durchaus möglich, dass die verbesserten Informationsverarbeitungsmöglichkeiten der Digitalisierung in Kombination mit einem <?page no="175"?> Digitalisierung und Staatsfinanzen 175 besseren Zugang zu den Daten der Steuerpflichtigen den Steuervollzug erleichtert und damit die staatlichen Einnahmen stabilisieren (vgl. Schratzenstaller 2018: 801f.). Darüber hinaus kann eine generelle Aufnahme von Selbstständigen in die Sozialversicherung die staatlichen Einnahmen stabilisieren oder sogar steigern (vgl. Eichhorst und Spermann 2015: 24). Denkbar wäre auch die Einführung neuer Steuern, z. B. einer Steuer auf den Einsatz von Robotern oder eine Steuer auf Daten. Derartige Steueränderungen habe jedoch wiederum Rückwirkungen auf wirtschaftliche Aktivitäten. Wenn beispielsweise die Eigentümer von Robotern eine Robotersteuer zahlen müssen, reduziert dies ihre Motivation, in die Entwicklung und den Einsatz der Robotertechnologien zu investieren. Die Folge wäre ein nachlassender technologischer Fortschritt im Bereich der Robotertechnologien. Wenn andere Volkswirtschaften diesen steuerpolitischen Weg nicht wählen, verliert das Land mit der Robotersteuer an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Dies hätte wiederum negative Konsequenzen für die gesamtwirtschaftliche Produktion und Beschäftigung. Die Folge wären sinkende Steuereinnahmen. 10.3 Digitalisierung und Staatsverschuldung Da sowohl die digitalisierungsbedingten Veränderungen der staatlichen Einnahmen als auch der Ausgaben des Staates ambivalent sind, lässt sich nicht eindeutig abschätzen, ob der staatliche Finanzierungssaldo dadurch für sich genommen defizitär wird (was einen Anstieg der Staatsverschuldung zur Folge hätte) oder ob der Staat Überschüsse erzielt. Eine entscheidende Einflussgröße für die zukünftige Entwicklung der öffentlichen Finanzen ist die Höhe des Beschäftigungsniveaus. Sebastian Becker hat dazu verschiedene Szenarien für die Länder der EU skizziert, die unterschiedliche Beschäftigungseffekte der Digitalisierung zugrunde legen, und deren Konsequenzen für die staatlichen Finanzen berechnet (vgl. für die nachfolgenden Ausführungen Becker 2019: 15-23): <?page no="176"?> 176 Diginomics verstehen  Im ungünstigsten modellierten Szenario erreichen die Arbeitsplatzeinsparungen der Digitalisierung die von Frey und Osborn berechneten Beschäftigungsrückgänge von rund 50 Prozent (→ Abschnitt 7.5). Wenig überraschend resultieren daraus gravierende Einnahmeausfälle für den Staat. Für Deutschland ergibt sich aus den Simulationsrechnungen eine jährliche Finanzierungslücke in Höhe von fast zehn Prozent des BIP.  In einer abgeschwächten Form dieses Szenarios erreicht der Arbeitsplatzabbau nur die Hälfte der von Frey und Osborn genannten Dimension. Die Beschäftigung geht also um 25 Prozent zurück. Je nachdem, welche Annahmen zur Lohnentwicklung getroffen werden, liegt die jährliche staatliche Finanzierungslücke in Deutschland zwischen 2,5 und 3,6 Prozent des BIP. Für sich genommen sind also durchaus Szenarien denkbar, in denen die voranschreitende Digitalisierung zu spürbaren Defiziten bei den öffentlichen Haushalten führen könnte. Aus dem Zusammenspiel von steigenden Staatsausgaben und sinkenden Staatseinnahmen ergibt sich dann auch ein Anstieg der staatlichen Verschuldung. Allerdings ist mit Blick auf Deutschland zu beachten, dass es eine Schuldenbremse gibt, die dem Bund ab 2016 lediglich eine - um konjunkturelle Effekte bereinigte - Nettokreditaufnahme in Höhe von maximal 0,35 Prozent des BIP erlaubt. Die Bundesländer müssen ab 2020 sogar ausgeglichene Haushalte vorlegen (vgl. Deutsche Bundesbank 2011: 17f.). Selbst wenn es also digitalisierungsbedingt einen tendenziellen Anstieg des staatlichen Defizits und damit auch der staatlichen Verschuldung gibt, muss sich daraus kein Anstieg der Staatsschulden geben: Der Staat kann dieses Defizit durch Ausgabenkürzungen in anderen Bereichen oder zusätzliche Einnahmen ausgleichen. 10.4 Digitalisierung und Steuerverlagerung Eine besondere Herausforderung für die staatlichen Einnahmen ergibt sich aus der Möglichkeit für Unternehmen, durch eine Gewinnverlagerung ins Ausland ihre Steuerbelastung im eigenen <?page no="177"?> Digitalisierung und Staatsfinanzen 177 Land zu reduzieren. Für den betreffenden Staat bedeutet dies eine Verringerung seiner Einnahmen. Das Problem der Gewinnverlagerung in Länder mit niedrigeren Steuersätzen als im eigenen Land ist nicht neu. Es gibt verschiedene Möglichkeiten für Unternehmen, ihre steuerliche Belastung durch eine legale Verlagerung ihres Gewinns in Niedrigsteuerländer zu verringern. Im Kern geschieht dies durch eine Reduzierung des Verkaufserlöses oder durch eine Erhöhung der Produktionskosten. Das erst genannte Instrument ist eine Verlagerung der Gewinne in ein Niedrigsteuerland, während die zweite Maßnahme bedeutet, dass Steuerabzüge in einem Hochsteuerland in Anspruch genommen werden (vgl. Becker 2019: 12). Dazu ein einfaches Beispiel: Angenommen wird ein in Deutschland angesiedeltes Unternehmen, das ein bestimmtes Produkt herstellt, für das es auf dem Weltmarkt 15,- Euro erzielen kann. Die Produktionskosten betragen 13,- Euro, was zu einem Stückgewinn von 2,- Euro führt. Die Verlagerung dieses Gewinns in ein Land, in dem geringere Steuersätze als in Deutschland gelten, lässt sich z. B. dadurch erreichen, dass das Unternehmen im Ausland ein eigenständiges Unternehmen gründet. Mit diesem Unternehmen im Ausland sind die beiden bereits erwähnten ökonomischen Transaktionen möglich:  Reduzierung des Verkaufserlöses: Das in Deutschland ansässige Unternehmen verkauft seine Produkte für 13,10 Euro an das Unternehmen im Ausland. Der in Deutschland zu versteuernde Stückgewinn schrumpft auf 0,10 Euro, was eine entsprechende Verringerung der zu zahlenden Steuer bewirkt. Im Ausland entsteht ein Stückgewinn von 1,90 Euro, für den nur geringe Steuern zu zahlen sind.  Erhöhung der Produktionskosten: Das deutsche Unternehmen bezieht Vorleistungen von dem Unternehmen aus dem Ausland, für das es höhere Preise zahlt als eigentlich notwendig sind. So kann das ausländische Unternehmen beispielsweise Beratungsdienstleistungen erbringen, für die das Unternehmen in Deutschland zwei Millionen Euro zahlt. Bei einer Produktion von einer Million Produkteinheiten bedeutet dies zusätzliche Stückkosten in <?page no="178"?> 178 Diginomics verstehen Höhe von 2,- Euro, wodurch der Gewinn des deutschen Unternehmens auf null schrumpft. Ein anderes Instrument zur Gewinnverlagerung besteht darin, dass das deutsche Unternehmen seine Patente für einen geringeren Preis an das Unternehmen im Ausland verkauft. In den Folgejahren zahlt das deutsche Unternehmen dann hohe Lizenzgebühren, die ihm die Nutzung dieses Patents erlaubt. Diese Gebühren erhöhen die Produktionskosten in Deutschland und reduzieren so den in Deutschland zu versteuernden Gewinn. Derartige steuerliche Manöver sind nicht neu. Gabriel Zucman veröffentlichte 2014 Berechnungen zum Ausmaß der Steuerausfälle, die dadurch entstehen, dass Steuerpflichtige ihre Einkommen und Vermögen in Steueroasen verlagern. Die Zahlen sind lediglich grobe Schätzungen, aber sie geben ein Gefühl für die Dimension dieser Problematik. Dazu nur einige wenige Ergebnisse (die nachfolgenden Ausführungen sind Zucman 2014: 7f., 58f., 63f. entnommen):  Zu Beginn des Jahres 2014 lag der geschätzte Vermögenswert, den die Deutschen in Steueroasen wie Singapur, Hongkong, Luxemburg, der Schweiz und den Bahamas angelegt hatten, bei rund 400 Milliarden Euro.  Weltweit werden rund 80 Prozent dieser Offshore-Vermögen steuerlich nicht deklariert. Bezogen auf die geschätzten 400 Milliarden Euro der Deutschen bedeutet dies eine Steuereinbuße wegen nicht gezahlter Einkommen- und Erbschaftssteuern in Höhe von rund 10 Milliarden Euro jährlich.  Hinzu kommen die Steuermindereinnahmen, die aus der Steueroptimierung der multinationalen Unternehmen resultieren. Sie liegen in Deutschland nach den Schätzungen von Zucman bei rund 20 Milliarden Euro pro Jahr. In der Summe kostet die Existenz von weltweiten Steueroasen den deutschen Staat somit rund 30 Milliarden Euro im Jahr.  Für Frankreich ergeben sich ähnliche Dimensionen. Die Folge der entgangenen Steuereinnahmen ist ein Anstieg der staatlichen Verschuldung. Ohne die in Steueroasen angelegten und nicht versteuerten Einkommen und Vermögen läge die Verschuldung des fran- <?page no="179"?> Digitalisierung und Staatsfinanzen 179 zösischen Staats 2013 nach Schätzungen von Zucman nicht bei 94 Prozent des BIP, sondern lediglich bei 70 Prozent.  Weltweit schätzt Zucmann die Höhe der so entgangenen Steuereinnahmen auf 130 Milliarden Euro jährlich. Eine 2018 veröffentlichte Aktualisierung dieser Überlegungen bestätigt die Größendimensionen: Zusammen mit zwei anderen Autoren kommt Zucman zu der Einschätzung, dass multinationale Unternehmen im Jahr 2015 rund 40 Prozent ihrer Gewinne in Steueroasen verlagern. Das Volumen der in Steueroasen anfallenden Gewinne belief sich auf rund 600 Milliarden US-Dollar. Die - absolut betrachtet - höchsten Gewinnverlagerungen betrafen die USA, die so auf die Besteuerung von Gewinnen in Höhe von rund 140 Milliarden US- Dollar verzichten mussten. Es folgten das Vereinigte Königreich (Gewinnverlagerung in Höhe von rund 60 Milliarden US-Dollar) und Deutschland (55 Milliarden US-Dollar) (vgl. Tørsløv, Wier und Zucman 2018: 22 und Tabelle 2). Staaten reagieren auf diese Maßnahmen, indem sie z. B. den Gewinn eines Unternehmens mithilfe von Transferbzw. Verrechnungspreisen korrigieren (vgl. OECD 2015: 17). Dies bedeutet, dass bei dem erwähnten Verkauf zu lediglich 13,10 Euro ein höherer - marktüblicher - Preis von den Finanzbehörden angesetzt wird, der den steuerlich relevanten Unternehmensgewinn erhöht. Alternativ können als überhöht angesehene Preise für aus dem Ausland bezogene Vorleistungen nach unten reduziert werden. In der Digitalökonomie wird dieses Vorgehen jedoch schwieriger: Bei vielen digitalen Gütern ist die Quantifizierung eines Verrechnungspreises außerordentlich problematisch, weil sich für diese Güter kein Herstellungspreis über den erforderlichen Wert der Inputs errechnen lässt (vgl. Fey 2016: 21). Bei einer Spezialmaschine, die nur ein einziges Mal für einen Käufer erstellt wird, können die Finanzbehörden über den erforderlichen Materialverbrauch und Arbeitsinput zumindest ansatzweise den Marktwert dieser Maschine über die Höhe der Produktionskosten abschätzen. Bei digitalen Gütern, deren Grenzkosten gegen null tendieren, ist dies jedoch nicht möglich. Voraussetzung für den Einsatz von Verrechnungspreisen ist zudem das Vorhandensein einer physischen Betriebsstätte im Inland. <?page no="180"?> 180 Diginomics verstehen Diese Betriebsstätte verkauft ihre Produkte und sie bezieht Vorleistungen. Aus der Differenz zwischen dem Verkaufserlös und den Ausgaben bzw. Produktionskosten, die von der Buchhaltung des Unternehmens dokumentiert werden müssen, lässt sich der steuerlich relevante Gewinn berechnen - notfalls auch erst nach einer Korrektur durch angepasste Verrechnungspreise. Das Konzept der physischen Betriebsstätte als Anknüpfungspunkt für die Berechnung des zu zahlenden Steuerbetrags ist besonders geeignet, wenn die betreffenden Unternehmen Sachgüter herstellen. Auch bei vielen Dienstleistungen funktioniert dieses Prinzip noch: Anwaltskanzleien, Friseurgeschäfte und Arztpraxen sind physische Standorte, die ihre Wertschöpfung vor Ort erbringen. Die Höhe ihrer Wertschöpfung lässt sich mithilfe der gesetzlich vorgeschriebenen Dokumentationspflichten feststellen. Viele digitale Geschäftsmodelle benötigen aber gar keine physische „Präsenz am Ort ihrer wirtschaftlichen Aktivität“ (SVR 2018: 310). Facebook und Google können ihre Dienstleistungen letztendlich über das Internet von einem einzigen Ort weltweit verbreiten. Damit wird es für die Finanzbehörden nahezu unmöglich, die Wertschöpfung zu bestimmen, die den Steuergesetzen des betreffenden Lands unterliegen. Dies erleichtert die Gewinnverlagerung in ein Land mit niedrigen Steuern erheblich. Die lokalen Steuerbehörden können dieser Verlagerung auch nicht mehr durch Verrechnungspreise entgegenwirken. Erschwerend für die Steuerbehörden kommt hinzu, dass die digitalisierungsbedingten Möglichkeiten einer Gewinnverlagerung nicht nur für reine Digitalunternehmen wie Alphabet/ Google und Facebook gelten, sondern für alle Unternehmen, die digitale Technologien und die damit verbundenen immateriellen Wirtschaftsgüter nutzen (vgl. Stiftung Marktwirtschaft 2018: 48). Problematisch ist zudem, dass häufig gar nicht klar ist, wo die wirtschaftliche Wertschöpfung in digitalen Netzwerken überhaupt entsteht. Wenn z. B. mit den Daten eines deutschen Internetnutzers von einem in Irland ansässigen Unternehmen Big Data Analysen in Indien durchgeführt werden - welchem Land wird dann welche Wertschöpfung zugeschrieben? <?page no="181"?> Digitalisierung und Staatsfinanzen 181 Eine denkbare Maßnahme der Steuerpolitik auf diese Herausforderungen ist das Konzept der digitalen Betriebsstätte (vgl. SVR 2018: 310-312 und Stiftung Marktwirtschaft 2018: 53f.). Im Kern geht es dabei um eine Schnittstelle zwischen einem Unternehmen und den Personen, die die digitalen Dienstleistungen dieses Unternehmen nutzen. Drei Arten von Dienstleistungen sind dabei zu betrachten: die Platzierung von Werbung, die Bereitstellung von digitalen Plattformen (sowohl für den Informationsaustausch als auch für den Warenhandel) und schließlich die Übermittlung der Nutzerdaten, die bei der Inanspruchnahme und Nutzung der digitalen Dienstleistungen entstehen (vgl. SVR 2018: 312). Mit diesem Konstrukt erhält das Land, in dem die digitalen Dienstleistungen in Anspruch genommen werden, die Möglichkeiten, die damit verbundenen wirtschaftlichen Erträge zu besteuern. Im Ergebnis bedeutet dies allerdings eine regionale Verlagerung der Besteuerung: Das Recht zu Besteuerung von wirtschaftlichen Erträgen liegt dann nicht mehr in dem Land, in dem die Wertschöpfung erfolgt, sondern in dem Land, dessen Bürger diese Wertschöpfung nutzen. Das Besteuerungsrecht wandert somit von dem Land der Produktion zu dem Land des Endverbrauchs (vgl. Stiftung Marktwirtschaft 2018: 54). Damit dürften Streitigkeiten zwischen den Ländern über das Recht der Besteuerung vorprogrammiert sein. Neben der Gewinnverlagerung in Niedriglohnländer stellt auch die Vermögensverlagerung in diese Länder eine Herausforderung für die Steuereinahmen von entwickelten Industrienationen wie Deutschland dar. Wie bei den Ausführungen zur aktuellen Relevanz von Steueroasen gezeigt, werden die mit diesen Vermögen verbundenen Einkommen zu großen Teilen nicht versteuert. Wenn die Ausführungen zu digitalisierungsbedingten Veränderungen der Einkommensverteilung aus dem → 8. Abschnitt zutreffend sind, ist mit einer spürbaren Umschichtung der Einkommensverteilung zu rechnen - vor allem in den entwickelten Volkswirtschaften, aber auch im Rest der Welt. Diese Veränderung der Einkommensverteilung bewirkt einen Anstieg des Einkommensanteils der Kapital- und Vermögenseinkommen und einem Rückgang des Anteils der Arbeitseinkommen. Damit wächst der Anteil der Einkommen, die für eine <?page no="182"?> 182 Diginomics verstehen Vermögensverlagerung in Frage kommen. Der „finanzielle Druck auf die von Steuervermeidung betroffenen Hochsteuerländer“ dürfte dadurch noch größer werden als er bereits ist (vgl. Becker 2019: 13). Im Ergebnis lässt sich die ohnehin schon häufig genutzte Möglichkeit zur Verlagerung von Gewinnen und Vermögen in Länder mit geringen Steuersätzen durch die Entwicklung der digitalen Technologien zusätzlich vorantreiben. Digitale Technologien machen es den international agierenden Unternehmen immer leichter, ihre Produktions- und Geschäftsprozesse so zu organisieren, dass sie durch regionale Verlagerungen die steuerliche Belastung verringern können. Gleiches gilt für die finanziellen Vermögen und die mit ihnen erzielten Einkommen. Hieraus ergeben sich wiederum weitreichende gesamtgesellschaftliche Konsequenzen: Wenn die Einnahmebasis des Staates durch diese Gewinn- und Einkommensverlagerung schrumpft, muss der Staat entweder an anderer Stelle die Steuern erhöhen oder in bestimmten Bereichen seine Ausgaben reduzieren (vgl. OECD 2015: 144). Hieraus ergibt sich eine gesamtgesellschaftliche Umverteilung der verfügbaren Nettoeinkommen, was zu Verteilungskonflikten und ggf. auch sozialen Spannungen führen kann.  Gewonnene Erkenntnisse Die voranschreitende Digitalisierung kann die öffentlichen Finanzen in entwickelten Industrienationen sowohl über die Ausgabenseite als auch über die Einnahmenseite erheblich unter Druck setzen: Die notwendigen öffentlichen Investitionen im Rahmen der digitalen Transformation, der steigende Bedarf einer staatlichen Einkommensumverteilung und die staatliche Finanzierung von Erwerbstätigen, die in den gesamtwirtschaftlichen Produktionsprozessen durch einen verstärkten Einsatz von Kapital und Technologie ersetzt werden, führen zu höheren Staatsausgaben. Die mittel- und langfristig wachstumsdämpfenden Auswirkungen der voranschreitenden Digitalisierung reduzieren für sich genommen die Einnahmebasis des Staates. Gleiches gilt für die zunehmende Umgehung traditioneller Kanäle des Marktes, für den wachsenden Einsatz von Kapital und Technologie anstelle menschlicher Arbeitskräfte sowie für die stei- <?page no="183"?> Digitalisierung und Staatsfinanzen 183 genden Möglichkeiten einer Steuerverlagerung in Niedrigsteuerländer. Die Folge dieser drei Entwicklungen sind sinkende Staatseinnahmen. Von entscheidender Bedeutung für die Stabilität der öffentlichen Finanzen ist letztendlich die Frage, ob es den Staaten zukünftig besser als bisher gelingt, die Wertschöpfung der Digitalökonomie zu erfassen und angemessen zu besteuern. <?page no="185"?> 11 Digitalisierung und Inflation Eine in der wissenschaftlichen und wirtschaftspolitischen Diskussion wichtige ökonomische Größe ist das gesamtwirtschaftliche Preisniveau bzw. dessen Veränderungsrate, also die Inflationsrate. Der verstärkte Einsatz digitaler Technologien hat eine Reihe von inflationsdämpfenden Effekten, aber auch einige preisniveauerhöhende Konsequenzen. 11.1 Inflationsdämpfende Effekte Ein erster direkter Effekt der Digitalisierung auf das gesamtwirtschaftliche Preisniveau ist der Umstand, dass sich die Preise für die meisten Produkte der Informations- und Kommunikationstechnologien seit dem Beginn der 1990er-Jahre erheblich verringert haben. Diese Produkte werden von den Konsumenten verbraucht und reduzieren unmittelbar das Preisniveau für Verbrauchsgüter (vgl. Charbonneau et al. 2017: 3). Ein zweiter, von zentraler Bedeutung für die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus im Zeitablauf, Effekt betrifft technologisch bedingte Kostensenkungen in weiten Teilen der Volkswirtschaft. Wie in → Abschnitt 4 gezeigt, bewirken digitale Technologien einen Produktivitätsanstieg, der die Kosten der Produktion verringert. Damit sinken normalerweise auch die Marktpreise der von diesem technologischen Fortschritt betroffenen Produkte. Je mehr Produktionsprozesse von digitalisierungsbedingten Preissenkungen profitieren, desto stärker ist der gesamtwirtschaftliche Effekt der Digitalisierung auf das Preisniveau. Das Ergebnis ist dabei ein Rückgang der Inflationsrate. Sollte der preisniveaudämpfende Effekt so groß sein, dass sich für die gesamte Volkswirtschaft sogar ein Rückgang des Preisniveaus ergeben, hätte die Inflationsrate ein negatives Vorzeichen. In diesem Fall dämpft die Digitalisierung nicht nur die Inflationsrate - also den Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus -, sondern sie verringert dieses Preisniveau. Ein gene- <?page no="186"?> 186 Diginomics verstehen reller Rückgang des Preisniveaus in einer Volkswirtschaft wird als Deflation bezeichnet. Ein dritter preis- und inflationssenkender Effekt ergibt sich dadurch, dass über digitale Plattformen das Angebot auf bestimmten Märkten durch private Anbieter erhöht wird. Beispiele sind Übernachtungsangebote auf Airbnb und Mitfahrgelegenheiten auf Uber. Auf Märkten mit flexiblen Preisen führt eine Angebotserhöhung ceteris paribus zu einem Angebotsüberschuss, der wiederum einen Preisrückgang hervorruft. Das zusätzliche Angebot durch private Haushalte wirkt somit preissenkend und inflationsdämpfend. Der gleiche Effekt stellt sich ein, wenn im Rahmen der Sharing Economy die Nachfrage nach Produkten zurückgeht. Ein Beispiel dafür ist das in → Abschnitt 5.4 erwähnte Car-Sharing: Der Umstand, dass sich nun mehrere Personen ein Fahrzeug teilen, verringert die Nachfrage nach Autos. Es kommt zu einem Nachfragerückgang, der ebenfalls einen Preisrückgang hervorruft. Die digitalisierungsbedingte Erhöhung der Markttransparenz und der Abbau von Marktmacht sorgen ebenfalls für sinkende Preise: Durch den sekundenschnellen Vergleich von Preisen für ein homogenes Gut können Verbraucher sehen, ob sie bei einem lokalen Anbieter einen angemessenen oder einen überhöhten Preis zahlen. Im Falle eines überhöhten Preises kann der Anbieter sein Produkt im Normalfall nicht mehr verkaufen. Die Kaufinteressenten weichen entweder auf ein preiswerteres Online-Angebot aus oder sie verzichten auf den Kauf, weil sie den überhöhten Preis als unfair ansehen. Somit werden lokale Anbieter gezwungen, ihre Preise auf die überregional niedrigeren Preise anzupassen. Die höhere Markttransparenz und der Abbau von Marktmacht erhöhen somit den Wettbewerbsdruck. Da dieses Prinzip für jeden lokalen Anbieter gilt, kommt es überall zu solchen Preissenkungen. Zentraler Treiber dieses höheren Wettbewerbsdrucks ist der Online- Handel. Er sorgt dafür, dass Unternehmen Preisaufschläge, die ihren Gewinn steigern, abbauen müssen. Dieser preissenkende Effekt, der vom Online-Handel ausgeht und sich auf den stationären Handel ausbreitet, wird Amazon-Effekt genannt (vgl. vgl. Cavallo 2018: 2; Charbonneau et al. 2017: 6f.). Die faktische Relevanz dieses Effekts <?page no="187"?> Digitalisierung und Inflation 187 für die Preisniveauentwicklung ist noch sehr gering. In einem Papier der Bank of Canada aus dem Jahr 2017 kommen die Autoren zu der Einschätzung, dass der Amazon-Effekt für Kanada nur gering ist. Grund dafür ist u. a., dass der Anteil des Online-Handels dort zu dem untersuchten Zeitraum noch sehr klein war (vgl. Charbonneau et al. 2017: 1). Auch für die EU wird nur ein geringer Einfluss auf das Preisniveau diagnostiziert. Nach einer Untersuchung der Europäischen Zentralbank hat „die zunehmende Nutzung des Online- Handels in der EU die Inflationsrate bei Industriegütern (ohne Energie) seit 2003 jährlich um 0,1 Prozentpunkte gesenkt“ (Weidmann 2018). Bei einer weiteren Ausdehnung des Online-Handels und einer steigenden Markttransparenz ist es jedoch durchaus vorstellbar, dass die preissenkende Wirkung des Online-Handels perspektivisch größer wird. Einschränkend ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Amazon-Effekt letztendlich ein Einmaleffekt ist: Er baut die Preisaufschläge ab, die einzelne Unternehmen auf die Produktionskosten aufschlagen. Bei einer vollständigen Markttransparenz mit vielen Anbietern lässt der Wettbewerbsdruck diese Aufschläge verschwinden. Ist dieser Zustand erreicht, „wären die Preissenkungspotenziale ausgeschöpft und der Einfluss auf die Inflationsrate verschwunden“ (Weidmann 2018). Schließlich ist noch an die Arbeitsmarkt- und Lohneffekte der Digitalisierung zu denken. Wie in → Abschnitt 7 beschrieben, führt der zunehmende Einsatz von digitalen Technologien, Robotern und Algorithmen dazu, dass zumindest langfristig der Bedarf an Arbeitskräften zurückgeht. Damit ist ein tendenzieller Lohndruck verbunden. Der Umstand, dass es digitalisierungsbedingt nur zu schwachen Lohnsteigerungen oder sogar Lohnsenkungen kommt, wirkt sich dämpfend auf das gesamtwirtschaftliche Preisniveau aus: Löhne sind ein Teil der Produktionskosten. Wenn sie steigen, resultieren daraus höhere Produktionskosten. Die Folge ist ein Anstieg des Marktpreises. Das bedeutet also auch: Je schwächer der Lohnanstieg ausfällt, desto geringer ist der Preisniveauanstieg. Wichtig ist dabei jedoch stets das Verhältnis des Lohnanstiegs zur Produktivitätsentwicklung (→ Box 9). <?page no="188"?> 188 Diginomics verstehen Box 9 | Lohnsteigerungen, Produktivitätsentwicklung und Inflationsrate Entscheidend für den Inflationseffekt einer Nominallohnsteigerung ist das Verhältnis dieser Lohnsteigerung zur Entwicklung der Arbeitsproduktivität. Dazu ein einfaches Beispiel: Die nominalen Löhne einer Volkswirtschaft steigen um 2,5 Prozent. Arbeit ist der einzige Produktionsfaktor dieser Volkswirtschaft. Vorleistungen von anderen Unternehmen werden nicht benötigt. Falls dieser Nominallohnsteigerung überhaupt keine Steigerung der Arbeitsproduktivität gegenübersteht, steigen alle Preise um 2,5 Prozent. Sollte hingegen die Arbeitsproduktivität ebenfalls mit einer Rate von 2,5 Prozent wachsen, bleibt das Preisniveau konstant. Die Unternehmen müssen zwar für eine Arbeitsstunde 2,5 Prozent mehr Lohn zahlen, was für sich genommen den Preis einer hergestellten Produkteinheit um 2,5 Prozent erhöht. Wegen der höheren Arbeitsproduktivität wird aber zur Herstellung einer Produkteinheit eine um 2,5 Prozent geringere Arbeitsmenge benötigt, was für sich genommen die Stückkosten und damit den Stückpreis verringert. Per Saldo bleiben die Stückkosten - und der zu zahlende Preis - unverändert. Ökonomen nennen diese Lohnpolitik, bei der der prozentuale Nominallohnanstieg mit dem Anstieg der Arbeitsproduktivität übereinstimmt, eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik. Sollte die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität stärker steigen, also z. B. um drei Prozent, würde bei der angenommenen Lohnsteigerung sogar ein Rückgang des Preisniveaus um 0,5 Prozent eintreten. Ob digitalisierungsbedingte Produktivitätsfortschritte also eine inflationsdämpfende Wirkung entfalten, hängt maßgeblich von der Lohnpolitik der Tarifpartner ab. Höhere Marktpreise haben wiederum Rückwirkungen auf die Lohnentwicklung im Zeitablauf: Steigende Preise für Konsumgüter schmälern die Kaufkraft der Lohnempfänger. Um diesen Kaufkraftverlust zu kompensieren, werden höhere Lohnforderungen gestellt. <?page no="189"?> Digitalisierung und Inflation 189 Ein Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus um drei Prozent führt so bei der nächsten Tarifrunde zu einer dreiprozentigen Lohnerhöhung. Damit steigen die Produktionskosten weiter, was erneute Lohnerhöhungen nach sich zieht. Dieses Phänomen ist die so genannte Lohn-Preis-Spirale. Sie kann ggf. zu einer schnell ansteigenden Inflationsrate führen. Der Grund dafür ist die Laufzeit von Tarifverträgen. Sie liegt i. d. R. bei einem Jahr. Sollten die Arbeitnehmer die Inflationsrate in ihren Tarifverhandlungen zu niedrig ansetzen, kommt es zu Kaufkraftverlusten. Falls die erwartete Inflationsrate für das kommende Jahr zwei Prozent beträgt, wird dafür ein Anstieg der nominalen Löhne um zwei Prozent vereinbart. Wenn die Beschäftigten ein Jahr später feststellen, dass die Inflationsrate im abgelaufenen Jahr tatsächlich bei drei Prozent lag, können sie die damit verbundenen Kaufkraftverluste von einem Prozentpunkt erst in der nächsten Tarifrunde durch eine entsprechende Nominallohnerhöhung ausgleichen. Zudem werden sie die erwartete Inflationsrate für die Zeit, in der der neue Tarifvertrag gilt, anpassen. Um einen unerwarteten Kaufkraftverlust zu vermeiden, werden in der nächsten Tarifrunde also nicht drei Prozent Preissteigerung angenommen, sondern vier. Diese erhöhen die Produktionskosten, sodass die Inflation tatsächlich stärker wächst - die Lohn-Preis-Spirale dreht sich immer schneller. Wenn es digitalisierungsbedingt jedoch zu den beschriebenen tendenziellen Preisrückgängen kommt, wird die Lohn-Preis-Spirale durchbrochen: Zum einen verhindern die weiter oben genannten Phänomene (technologischer Fortschritt, Angebotsausweitung, Erhöhung der Markttransparenz und Abbau von Marktmacht) einen Preisanstieg, d. h. es finden keine Preissteigerungen statt. Damit sind keine Nominallohnerhöhungen erforderlich, die einen inflationsbedingten Kaufkraftverlust kompensieren müssen. Zum anderen drückt die nachlassende Nachfrage nach Arbeitskräften auf den Lohn, sodass auch von dieser Seite keine Lohnsteigerungen erfolgen. Alle diese Effekte bewirken für sich genommen eine Dämpfung der Inflation, die sogar in eine Deflation umschlagen kann. Da jedoch, wie am Ende von → Abschnitt 7 erläutert, die für eine geringere Arbeitskräftenachfrage erforderlichen Freisetzungseffekte der Digita- <?page no="190"?> 190 Diginomics verstehen lisierung erst langfristig die Kompensationseffekte überflügeln, ist mit einem digitalisierungsinduzierten Lohnrückgang ebenfalls erst langfristig zu rechnen. 11.2 Inflationserhöhende Effekte Neben den preissenkenden Effekten hat die Digitalisierung allerdings auch preiserhöhende Auswirkungen. Zum einen ist an die in → Abschnitt 6 skizzierte Monopolisierungstendenzen der voranschreitenden Digitalisierung zu denken. Monopole verfügen über eine Marktmacht, die sie dahingehend ausüben, dass sie eine geringere Gütermenge zu einem höheren Marktpreis verkaufen. Digitalisierungsbedingte Monopole führen somit zu Preisanstiegen, die sich in einem höheren gesamtwirtschaftlichen Preisniveau und einer höheren Inflationsrate niederschlagen. Dass Unternehmen, die über Marktmacht verfügen, mit Preisaufschlägen arbeiten und so ihren Gewinn erhöhen, lässt sich bereits heute nachweisen. So lässt sich beispielsweise für die USA zeigen, dass es zwischen 1980 und 2014 einen Anstieg der Marktmacht gab. Dieser hatte zur Folge, dass die Unternehmen ihre Preisaufschläge (im Vergleich zu den Kosten) spürbar erhöhen konnten. Die Folge ist eine höhere Inflationsrate in den USA (vgl. De Loecker und Eeckhout 2017: 32). Unklar ist jedoch, wie groß dabei der Einfluss der Digitalisierung auf die Marktmacht ist. Dennoch verdeutlicht dies, dass Marktmacht zu höheren Preisen für die Verbraucher führt. Zum anderen ist das Instrument der Preisdifferenzierung mithilfe personalisierter Preise zu berücksichtigen (→ Abschnitt 3.7). Unternehmen erhöhen ihren Gewinn, indem sie von unterschiedlichen Käufern verschiedene Preise fordern. Dabei wird versucht, die maximale Zahlungsbereitschaft der Kunden so weit wie möglich auszunutzen. Für die Volkswirtschaft bedeutet das letztendlich ein höheres Preisniveau. <?page no="191"?> Digitalisierung und Inflation 191  Gewonnene Erkenntnisse Auch wenn die Digitalisierung inflationserhöhend wirken kann, dürften die preisniveausenkenden Effekte per Saldo überwiegen. Vor allem der mit den digitalen Technologien einhergehende Rückgang der Produktionskosten kann die Inflationsraten niedrig halten. Bisher ist der inflationsdämpfende Einfluss der Digitalisierung noch gering. Dies liegt vor allem daran, dass die Digitalisierung in weiten Bereichen immer noch in einer frühen Entwicklungsphase steckt. Die preisniveausenkenden Konsequenzen kommen folglich noch längst nicht alle zum Tragen. Dass ein höheres Entwicklungsniveau mit Blick auf digitale Technologien einen stärkeren preissenkenden Effekt haben kann, stellen die Autoren des bereits erwähnten Berichts der Bank of Canada fest. In Schweden, wo die Digitalisierung wesentlich weiter vorangetrieben worden ist als in Kanada, ist bereits ein signifikanter, wenn auch geringer inflationsdämpfender Effekt festzustellen - in Kanada hingegen gab es zum Zeitpunkt der Berichterstellung keinen signifikanten Einfluss der Digitalisierung auf die Inflation (vgl. Charbonneau 2017: 11). Die Frage, ob eine geringe Inflationsrate für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung positiv oder negativ ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten:  Ein gewisser Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus ist durchaus wachstumsfördernd. Wenn die Preise leicht steigen, erhöht dies die Umsatzerlöse und Gewinne der Unternehmen. Das wirkt sich positiv auf die Investitionstätigkeiten aus. Die Folge ist ein Anstieg der Beschäftigung.  Eine zu hohe Inflationsrate wirkt sich hingegen negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung aus. Bei hohen Inflationsraten lohnt sich die Bildung von Ersparnissen nicht, weil die Kaufkraft der gesparten Summe im Zeitablauf sinkt. Ohne Ersparnisse fehlen jedoch die finanziellen Mittel zur Durchführung von Investitionen. Außerdem schwächt eine hohe Inflationsrate die Kaufkraft gegebener Einkommen, was sich negativ auf die Konsumnachfrage auswirkt. Eine zu hohe Inflationsrate sollte daher verhindert werden. <?page no="192"?> 192 Diginomics verstehen Die Europäische Zentralbank hat sich das Ziel gesetzt, eine Inflationsrate bis zu zwei Prozent zu tolerieren und erst bei höheren Preisniveausteigerungen zu intervenieren. Sofern die Digitalisierung einen Beitrag dazu leistet, die Inflationsrate in diesem Korridor zu halten, ist dieser Einfluss der Digitalisierung auf das gesamtwirtschaftliche Preisniveau positiv zu bewerten. Problematischer ist eine Deflation, also ein Rückgang der Preise im Zeitablauf. Wenn die Preise für langlebige Konsumgüter im Zeitablauf sinken, haben Käufer ein Interesse, ihren Kauf zeitlich zu verschieben. Für die Gegenwart bedeutet dies einen Rückgang der Güternachfrage. Unternehmen passen sich an die nachlassende Nachfrage nach ihren Produkten an und reduzieren die Produktion. Die Folge sind Beschäftigungsrückgänge, nachlassende Investitionen und somit ein genereller Wirtschaftsabschwung. Darüber hinaus können Preisrückgänge im Zeitablauf auch zu Gewinneinbußen oder sogar Verlusten auf Seiten der Unternehmen führen. Wenn sie zu Beginn eines Jahres Vorleistungen einkaufen und Beschäftigte zu einem fest vereinbarten Lohn einstellen, verursacht dies entsprechend hohe Kosten. Falls anschließend die Preise deflationsbedingt sinken, geht der Erlös je verkaufter Produkteinheit zurück. Die Stückkosten sind jedoch in einer Zeit mit höheren Preisen für Vorleistungen und Produktionsfaktoren determiniert worden. Die Folge ist entweder eine Verringerung des Stückgewinns oder - wenn der Erlös je verkaufter Produkteinheit stärker fällt als der ursprüngliche Stückgewinn - sogar ein Verlust. Deflationäre Entwicklungen sollten daher verhindert werden. Dieser Entwicklung kann jedoch mit geldpolitischen Instrumenten entgegengewirkt werden. Im Ergebnis sind die tendenziell inflationsdämpfenden Effekte der Digitalisierung somit positiv zu bewerten, sofern eine Deflation verhindert wird. <?page no="193"?> 12 Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung Wie im → 2. Abschnitt erläutert, beeinflussen sich die Digitalisierung und die internationale Arbeitsteilung gegenseitig: die voranschreitende Digitalisierung ermöglicht eine Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung und die internationale Arbeitsteilung führt über den damit verbundenen Wettbewerbsdruck zu einem verstärkten Einsatz digitaler Technologien in der Produktion. Perspektivisch ist es jedoch durchaus plausibel, dass die Digitalisierung die internationale Arbeitsteilung wieder zurückfährt. 12.1 Bisherige Auswirkungen auf die internationale Arbeitsteilung In der Vergangenheit hat die voranschreitende Digitalisierung die Kommunikations- und Transportkosten weltweit erheblich reduziert und damit das Ausmaß der globalen Arbeitsteilung gesteigert. Dabei hat sich die folgende grobe Arbeitsteilung zwischen den Ländern ergeben: Produktionsprozesse, die viel Kapital, moderne Technologien und hoch qualifizierte Arbeitskräfte benötigen, erfolgen in entwickelten Industrieländern wie Deutschland. Produktionsprozesse, bei denen vor allem gering qualifizierte Arbeitskräfte benötigt werden, finden hingegen in Entwicklungsbzw. vor allem Schwellenländern statt. Die weltweiten Handelsströme folgen dieser internationalen Arbeitsteilung. Industrieländer exportieren vor allem kapital- und technologieintensive Produkte, die zudem hoch qualifizierte Arbeitskräfte benötigen, während Schwellenländer arbeitsintensiv hergestellte Produkte exportieren. Auch die weltweiten Kapitalströme folgen dieser internationalen Arbeitsteilung: Unternehmen aus entwickelten Industrienationen verlagern ihre Produktionskapazitäten für arbeitsintensiv hergestellte Produkte in Schwellenländer und tätigen dort entsprechende Direktinvestitionen. <?page no="194"?> 194 Diginomics verstehen Diese Form der internationalen Arbeitsteilung hat Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte und Einkommensverteilung in den am internationalen Handel beteiligten Ländern:  In den Industrieländern steigt tendenziell die Nachfrage nach hoch qualifizierten Arbeitskräften und damit steigen deren Löhne. Die Beschäftigungschancen und Löhne für gering qualifizierte Arbeitskräfte gehen hingegen zurück.  In den Schwellenländern kommt es zu einer verstärkten Nachfrage nach Arbeitskräften, was einen Lohnanstieg nach sich zieht und so einen Beitrag zum Abbau der Armut leistet.  Gleichzeitig ist zu beachten, dass Industrieländer sogar die Produktionsprozesse ins Ausland verlagern können, für die qualifizierte Fachkräfte benötigt werden. So haben beispielsweise viele deutsche Unternehmen nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ ihre Produktion nach Osteuropa verlagert, weil es dort zahlreiche qualifizierte Ingenieure gab, deren Löhne unter denen in Deutschland lagen. Für die Fachkräfte in Deutschland bedeutete diese Form des Outsourcings eine geringere Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften und damit geringere Lohnanstiege (vgl. Marin 2015).  Mit einer Produktionsverlagerung ins Ausland sind häufig Direktinvestitionen des Unternehmens im Ausland verbunden. Aus diesen Direktinvestitionen fließen Einkommen in Form von Zinsen und Gewinnen aus dem Ausland nach Deutschland. Gleichzeitig aber führen Direktinvestitionen im Ausland zu einer nachlassenden Investitionstätigkeit im eigenen Land, weil die entsprechenden Finanzmittel nicht für Investitionen im Inland zur Verfügung stehen. Auch wenn die internationale Arbeitsteilung für einzelne Regionen und Personengruppen nachteilige Auswirkungen auf deren Einkommen haben kann, ist festzustellen, dass diese Form der ökonomischen Globalisierung das BIP der beteiligten Volkswirtschaften erhöht. Hierfür gibt es eine Reihe von Gründen (vgl. ausführlicher Petersen 2016c sowie → Abb. 20): <?page no="195"?> Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung 195  Die internationale Arbeitsteilung hat zur Folge, dass sich die beteiligten Länder auf die Herstellung der Güter und Dienstleistungen konzentrieren können, bei denen sie die größten Kostenvorteile haben. Die Weltwirtschaft kann daher mit der gegebenen Menge an produktiven Ressourcen eine größere Menge an Gütern und Dienstleistungen herstellen. Für die Welt als Ganzes bedeutet dies: Es steht eine größere Menge an konsumierbaren Produkten zur Verfügung, für die die Verbraucher einen geringeren Preis zahlen müssen. -  Hiervon profitieren die Konsumenten, weil die Kaufkraft ihrer Einkommen steigt. Das verbessert die Versorgung mit materiellen Produkten. Die höhere Kaufkraft steigert in der Regel die Nachfrage nach im Inland hergestellten Konsumgütern und erhöht so Produktion und Beschäftigung im eigenen Land. In den Entwicklungsländern äußert sich die Steigerung des materiellen Wohlstands in einem Rückgang der absoluten Armut. -  Zudem nimmt durch den Import von Gütern und Dienstleistungen die Produktvielfalt für die Verbraucher zu. -  Die heimischen Unternehmen können Vorleistungen aus dem Ausland, die sie für die eigene Produktion benötigen, zu einem geringeren Preis beziehen. Dies senkt ihre Produktionskosten und im Normalfall auch den Preis der hergestellten und auf dem Markt angebotenen Produkte. Von den sinkenden Preisen profitieren wiederum die heimischen Konsumenten. Die Reduzierung der Produktionskosten verbessert darüber hinaus die internationale Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Unternehmen. Diese können daher ihre Exporte in den Rest der Welt steigern. Die damit verbundene Erhöhung der Produktion wirkt sich wiederum positiv auf das Beschäftigungsniveau aus. Von den Produktions- und Beschäftigungszuwächsen profitieren auch solche Unternehmen, die selber gar keine Produkte im Ausland verkaufen, aber Vorleistungen an Exportunternehmen liefern. - <?page no="196"?> 196 Diginomics verstehen 20 | Stilisierter Zusammenhang zwischen internationaler Arbeitsteilung und Wirtschaftswachstum »Die durch den Abbau von Handelsbeschränkungen und durch den Einsatz digitaler Technologien forcierte internationale Arbeitsteilung erhöht die Produktion und Beschäftigung in einem Land über verschiedene Kanäle: Preiswertere importierte Vorleistungen reduzieren die Produktionskosten und steigern die Exporte. Die Kaufkraft der einheimischen Konsumenten wächst und erhöht deren Konsumgüternachfrage. Von der höheren Güternachfrage profitieren auch die inländischen Zuliefererbetriebe und die Investitionsgüterindustrie.« Darüber hinaus führt die wirtschaftliche Integration zu einer Steigerung der Innovationsfähigkeit und Produktivität, was ebenfalls die Produktionskosten und die Preise der betroffenen Güter reduziert. Aus der voranschreitenden Globalisierung ergeben sich vor allem zwei zentrale Effekte, die zu dieser Produktivitätssteigerung führen: heimische Konsumnachfrage ↑ Internationale Arbeitsteilung senkt Preise für importierte Güter Internationale Arbeitsteilung steigert internationalen Handel Kaufkraft Konsumenten ↑ Preis importierte Vorleistungen ↓ Produktionskosten ↓ Exporte des Inlands ↑ Nachfrage nach Vorleistungen ↑ heimische Investitionen ↑ inländische Produktion und inländisches BIP ↑ inländische Beschäftigung ↑ <?page no="197"?> Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung 197  Zum einen können die Unternehmen für einen größeren Markt produzieren. Die damit einhergehende Ausnutzung von Vorteilen der Massenproduktion bedeutet geringere Stückkosten und geringere Preise, sodass die Kaufkraft der Konsumenten weiter steigt. -  Zum anderen erhöht die Intensivierung des Handels zwischen den Ländern den Wettbewerbsdruck. Unternehmen müssen darauf reagieren, indem sie durch Innovationen und technischen Fortschritt ihre Produktionskosten senken, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine Kostenreduzierung durch technischen Fortschritt - allen voran durch die voranschreitende Digitalisierung - bedeutet eine Erhöhung der Produktivität. Mit einer gegebenen Ausstattung mit produktiven Ressourcen lässt sich daher eine größere Menge an Gütern und Dienstleistungen herstellen. - Die skizzierten Entwicklungen verbessern also grundsätzlich die durchschnittlichen materiellen Lebensbedingungen der Menschen in allen beteiligten Ländern. Zudem erhöht ein höherer materieller Wohlstand die immateriellen Lebensbedingungen der Menschen. Mit einem steigenden BIP pro Kopf gehen u. a. folgende Verbesserungen der Lebensbedingungen einher:  Die medizinische Versorgung und der Gesundheitszustand der Menschen verbessern sich, die Kindersterblichkeit sinkt und die Lebenserwartung der Menschen steigt.  Die wirtschaftliche Notwendigkeit einer Beteiligung von Kindern an den wirtschaftlichen Produktionsprozessen geht zurück. Damit sinken die Opportunitätskosten der schulischen Bildung, sodass das Bildungsniveau steigt und die Chancen eines besseren Zugangs zum Arbeitsmarkt steigen.  Produktivitätszuwächse reduzieren die notwendige Arbeitszeit, sodass die Menschen mehr Zeit für selbstbestimmte Tätigkeiten haben und der Zeitwohlstand steigt. <?page no="198"?> 198 Diginomics verstehen 12.2 Handelsinduzierter technologischer Fortschritt Wie in den → Abschnitte 2.1 und 2.2 gezeigt, bedingen sich die Globalisierung und die Digitalisierung gegenseitig. Mit Blick auf die internationale Arbeitsteilung spielt der damit verbundene handelsinduzierte technologische Fortschritt eine besonders wichtige Rolle für die Arbeitsmarkteffekte des Handels. In → Abschnitt 7 wurde diskutiert, welchen Einfluss digitale Technologien auf den Arbeitsmarkt eines Industrielands wie Deutschland haben können. Der dort beschriebene Freisetzungseffekt ist auf den ersten Blick ausschließlich auf den Einsatz von Robotern, Computern und Maschinen zurückzuführen. Tatsächlich aber darf nicht übersehen werden, dass der Rationalisierungsdruck, der zu diesem technologisch bedingten Abbau von Arbeitsstellen führt, seinerseits - zumindest teilweise - auf den wachsenden Wettbewerbsdruck der voranschreitenden Globalisierung zurückzuführen ist: Wenn ein in Deutschland ansässiges Unternehmen in Konkurrenz zu Anbietern aus Asien und Osteuropa steht, können diese Konkurrenten ihre Produkte mit weitaus geringeren Arbeitskosten herstellen. Für ein Unternehmen in Deutschland ist es daher notwendig, den Einsatz des relativ teureren Produktionsfaktors Arbeit zu verringern und stattdessen verstärkt Kapital und Technologien in der Produktion einzusetzen. Das Ergebnis eines durch die Globalisierung forcierten Wettbewerbsdruck ist ein arbeitssparender technologischer Fortschritt. Das Ausmaß der internationalen Arbeitsteilung ist so gesehen ein wichtiger Treiber für den technologischen Wandel eines Industrielandes wie Deutschland. Der handelsinduzierte technologische Wandel hin zu einem verstärkten Einsatz digitaler Technologien in arbeitsarmen Industrieländern erhöht damit den Wettbewerbsvorteil dieser Volkswirtschaften im Bereich kapital- und technologieintensiv hergestellter Produkte. Gleichzeitig beschleunigt er den Abbau von Arbeitsplätzen in den Branchen, die in Konkurrenz zu asiatischen und osteuropäischen Anbietern stehen. Der Außenhandel wird folglich zu einer wichtigen Determinante des technologischen Fortschritts. So lässt sich beispielsweise empirisch nachweisen, dass die chinesischen Exporte in entwickelte Industrienationen den technolo- <?page no="199"?> Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung 199 gischen Fortschritt beschleunigt haben. Eine Untersuchung, die sich auf 12 europäische Volkswirtschaften und den Zeitraum zwischen 1996 und 2007 bezieht, zeigt: Die Importe aus China haben in diesen europäischen Ländern sowohl den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien forciert als auch die Entwicklung neuer Technologien. Der Wettbewerb mit chinesischen Anbietern erhöht also signifikant die Innovationen im entwickelten Ausland und verändert so den technologischen Wandel in den europäischen Volkswirtschaften (vgl. Bloom, Draca und van Reenen 2016). Im Ergebnis bewirkt die Globalisierung einen handelsinduzierten technologischen Fortschritt, der die bestehende Arbeitsteilung (arbeitsarme, aber kapital- und technologiereiche Industrieländer spezialisieren sich auf kapital- und technologieintensiv hergestellte Produkte, während sich kapital- und technologiearme, aber arbeitsreiche Länder auf die Herstellung arbeitsintensiv hergestellter Produkte konzentrieren) vorantreibt. Gleichzeitig aber ist zu berücksichtigen, dass die weltweite Zunahme der Kapitalintensität der Produktion den Wettbewerbsvorteil der arbeitsreichen Volkswirtschaften unterminiert. Wenn der Produktionsfaktor Arbeit perspektivisch an Bedeutung verliert, spielen geringe Arbeitskosten bei vielen Produkten keine entscheidende Rolle mehr. Dies kann die zukünftige globale Arbeitsteilung erheblich verändern. 12.3 Zukünftige Auswirkungen auf die internationale Arbeitsteilung Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die voranschreitende Digitalisierung die Kosten des internationalen Handels auch in Zukunft weiter senken wird. Der in → Abschnitt 12.2 beschriebene technologische Fortschritt, der Arbeit durch Kapital und Technologien ersetzt, dürfte sich also auch auf die Volkswirtschaften außerhalb der Gruppe der arbeitsarmen Industrieländer ausweiten. Mit Blick auf die Auswirkungen der Digitalisierung auf die internationale Arbeitsteilung sind technologische Entwicklungen mit sehr weitreichenden Konsequenzen vorstellbar. Hal Varian ist beispiels- <?page no="200"?> 200 Diginomics verstehen weise davon überzeugt, dass Spracherkennungs- und Übersetzungsprogramm schon in naher Zukunft Simultanübersetzungen ohne zeitliche Verzögerung ermöglichen werden. Das würde die sprachlichen Barrieren im internationalen Handel eliminieren und die Kosten des internationalen Handels erheblich reduzieren. Die Folge wäre eine Zunahme des grenzüberschreitenden Handels und der ihm zugrundeliegenden internationalen Arbeitsteilung (vgl. Varian 2016: 8). Auch bei anderen Handelskosten, z. B. in allen Bereichen der Logistik und des Marketings, sind niedrigere Handelskosten zu erwarten. Diese digitalisierungsbedingten Verringerungen der Kosten des internationalen Handels sprechen für eine Ausweitung der internationalen Arbeitsteilung. Einschränkend ist jedoch zu hinterfragen, ob es sich bei den handelserhöhenden Effekten der voranschreitenden Digitalisierung um einen vollständig neuen grenzüberschreitenden Austausch handelt, der das Welthandelsvolumen erhöht, oder lediglich um eine Umlenkung eines bereits bestehenden Handels. Der Frage, ob sinkende Handelskosten aus Sicht der Weltwirtschaft eine handelsschaffende oder eine handelsumlenkende Wirkung haben, lässt sich exemplarisch an der Bedeutung des Abbaus von Sprachbarrieren durch automatische Übersetzungsprogramme diskutieren (die nachfolgenden Ausführungen sind Melitz und Toubal 2019 und der dort aufgeführten Literatur entnommen):  Empirische Untersuchungen zeigen, dass die Höhe des Handels zwischen zwei Ländern (bilateraler Handel) u. a. auch davon abhängt, ob in den beiden Ländern die gleiche offizielle Sprache verwendet wird oder nicht. Die entsprechenden statistischen Schätzungen kommen zu dem Ergebnis, dass eine gemeinsame Sprache rund ein Drittel des bilateralen Handelsvolumens zwischen zwei Ländern erklären kann.  Wenn nun zwischen zwei Ländern, die unterschiedliche Sprachen verwendeten, die damit verbundene Sprachbarriere durch Übersetzungsprogramme beseitigt wird, müsste dies zu einem erheblichen Anstieg des grenzüberschreitenden Handels zwischen beiden Volkswirtschaften führen. Tatsächlich gibt es für diesen Zusammenhang erste Belege. Nach Schätzungen von Brynjolfsson, Hui und Liu (2018) hat die Einführung von maschinellen Übersetzun- <?page no="201"?> Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung 201 gen im Jahr 2014 dazu geführt, dass US-Firmen ihre Umsätze über die digitale Plattform eBay in Lateinamerika seitdem steigern konnten.  Offen bleibt jedoch, ob es sich dabei um einen neuen - sprich zusätzlichen - Export der USA in lateinamerikanische Länder handelt, oder ob dieses Umsatzplus zulasten anderer USamerikanischen Unternehmen ging. Im theoretischen Extremfall könnte es sein, dass der Zuwachs des über digitale Plattformen mit automatisierten Übersetzungsprogrammen erfolgenden bilateralen Handels durch einen Rückgang der traditionellen Exporte stationärer Anbieter vollkommen kompensiert wird. Das bilaterale Handelsvolumen würde dann unverändert bleiben. Hinzu kommt, dass eine sprachbedingte Intensivierung des bilateralen Handels zwischen zwei Ländern auch zulasten eines dritten Landes gehen kann. Dazu ein fiktives Beispiel: Angenommen, Deutschland importiert mehr Güter und Dienstleistungen aus Frankreich, weil der Einsatz digitaler Technologien die bisher bestehende Sprachbarriere zwischen beiden Ländern beseitigt. Der aus den geringeren Sprachbarrieren resultierende Zuwachs der deutschen Importe aus Frankreich um beispielsweise fünf Milliarden Euro pro Jahr resultiert daher, dass Deutschland diese Produkte vorher aus Österreich importierte. Die Handelsumlenkung lässt sich durch Preisunterschiede wie folgt erklären: Der Import aus Österreich erfolgte vor dem Einsatz der automatischen Übersetzungsprogramme, obwohl die österreichischen Produkte 1,5 Prozent teurer waren als die französischen. Dennoch entschieden sich die deutschen Importeure für die Güter aus Österreich, weil ein Handel mit französischen Unternehmen Übersetzungsdienstleistungen verlangt hätte, was zusätzliche Kosten in Höhe von 2,5 Prozent des Importwerts bedeutet. Erst der Wegfall der Sprachbarriere, der neben Geld vor allem auch Zeit spart, macht nun die französischen Produkte für deutsche Importeure wettbewerbsfähig. Für das Volumen des Welthandels bedeutet dies aber keine Veränderung. Die Frage, in welchem Ausmaß eine Beseitigung von Sprachbarrieren im bilateralen Handel den internationalen Handel steigert, wird in der Wissenschaft uneinheitlich beantwortet. Der zu Beginn des → Ab- <?page no="202"?> 202 Diginomics verstehen schnitts 12.3 bereits erwähnte Hal Varian ist bezüglich des Volumens sehr optimistisch. Melitz und Toubal (2019) warnen jedoch vor zu hohen Erwartungen. Ihrer Ansicht nach könnte es durchaus sein, dass ein digitalisierungsbedingtes Verschwinden von Sprachbarrieren vor allem handelsumlenkende Effekte hat, was das Volumen des weltweiten Handels nur in geringem Ausmaß steigern würde. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass im Zuge des verstärkten Einsatzes digitaler Technologien der wichtigste Wettbewerbsvorteil der arbeitsreichen Volkswirtschaften - preiswerte Arbeitskräfte - an Bedeutung verliert. Dies spricht für eine Verringerung der internationalen Arbeitsteilung. Die Möglichkeit einer Rückverlagerung bestimmter Produktionsschritte aus Entwicklungs- und Schwellenländern in Industrieländer lässt sich wie folgt erklären: Die voranschreitende Digitalisierung ersetzt zunehmend menschliche Arbeitskräfte durch Kapital und (digitale) Technologien. Dadurch werden die Produktionsprozesse weltweit kapital- und technologieintensiver. Das hat weitreichende Konsequenzen für die zukünftige internationale Arbeitsteilung und die damit verbundenen Handels- und Kapitalströme (die nachfolgenden Ausführungen sind Petersen 2014 entnommen):  Der verstärkte Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in der Produktion von Sachgütern und Dienstleistungen reduziert nicht nur in den Industrieländern die Nachfrage nach Arbeitskräften, sondern weltweit. Die globale Substitution des Faktors Arbeit durch den Faktor Kapital dürfte daher zukünftig auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern mit einer Verringerung der Arbeitsnachfrage einhergehen. Für diese Länder, die nur über ein geringes Ausmaß an sozialen Sicherungssystemen verfügen, stellt der damit verbundene Anstieg der Arbeitslosigkeit eine enorme Herausforderung dar. Zudem sind diese Länder gezwungen, ihr exportbetriebenes Wirtschaftswachstum durch ein stärker binnenwirtschaftlich getriebenes Wirtschaftswachstum zu ersetzen.  Die Standortentscheidungen der Unternehmen folgen zukünftig anderen Entscheidungslogiken. Während diese Entscheidung bisher dadurch determiniert wurde, „sich Zugang zu nicht genutzten <?page no="203"?> Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung 203 wertvollen Arbeitskräften auf der ganzen Welt zu verschaffen, besteht die treibende Kraft diesmal in der Kostenreduktion durch den Ersatz von Arbeitskräften“ (Spence 2014). Niedriglohnländer verlieren so an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Daher ist zu erwarten, dass Produktionsstandorte wieder dichter an den Absatzmarkt rücken, weil dadurch Transportkosten eingespart werden können. Aus der bisherigen Tendenz zur Verlagerung bestimmter Produktionsprozesse von Industrieländern ins Ausland (Offshoring) wird somit eine Tendenz zur Rückverlagerung (Reshoring) bzw. zur Re-Lokalisierung (vgl. IBM Institute for Business Value 2013: 10 sowie → Box 10). Für diese Rückverlagerung von Produktionsstandorten gibt es bereits erste Beispiele. So entschied der niederländische Philips-Konzern 2012, die Produktion hochwertiger Elektrorasierer aus China abzuziehen und wieder in die Niederlande zu verlagern (vgl. Noordhuis 2012). Der Sportartikelhersteller Adidas produziert seit 2017 Laufschuhe mithilfe von Robotern in Deutschland und den USA und nicht mehr in Asien (vgl. Magenheim-Hörmann 2016). Weitere Unternehmensbeispiele sind General Electric, Boeing und Bosch (vgl. Wan et al. 2019: 1).  Infolge des Reshorings und der Re-Lokalisierung ist zu erwarten, dass das Volumen der internationalen Warenströme tendenziell geringer wird und Außenhandelsaktivitäten reduziert werden, vor allem mit Blick auf den Warenhandel, aber auch bezüglich des Dienstleistungshandels. Die in der Vergangenheit festgestellte permanente Steigerung des internationalen Handels würde dadurch gestoppt werden. Diese Tendenz wird bereits jetzt sichtbar (Petersen 2016a).  Die Verringerung der grenzüberschreitenden Gütertransporte bewirkt eine Reduzierung von Treibhausgasemissionen, was wiederum einen Beitrag zur Abschwächung der globalen Erwärmung und des damit verknüpften Klimawandels leistet.  Die Verringerung der weltweiten Exporte und Importe hat darüber hinaus die Tendenz, bestehende Leistungsbilanzungleichgewichte abzubauen. Für Länder wie Deutschland, die über viele Jahre hinweg Exportüberschüsse erwirtschaftet haben, stellt sich <?page no="204"?> 204 Diginomics verstehen dann die Frage, wie der Rückgang der Exportnachfrage kompensiert werden kann. Gelingt dies nicht, ist ein Rückgang der Beschäftigung zu befürchten.  Die Tendenz zum Reshoring und zur Re-Lokalisierung hat keine eindeutigen Konsequenzen für ausländische Direktinvestitionen. Das Motiv, durch eine Produktionsverlagerung in Länder mit geringeren Arbeitskosten Wettbewerbsvorteile zu erlangen, verliert an Bedeutung, was tendenziell zu einer Reduzierung der ausländischen Direktinvestitionen führt. Gleichzeitig aber bewirkt die Verlagerung der Produktionsstandorte hin zu den Absatzmärkten tendenziell eine Erhöhung der ausländischen Direktinvestitionen, wenn Unternehmen ihre Produkte auch im Ausland verkaufen wollen. Box 10 | Offshoring, Reshoring, Nearshoring, Outsourcing und Insourcing Die Begriffe Offshoring und Reshoring beziehen sich auf die räumliche Verlagerung von Arbeitstätigkeiten und Geschäftsprozessen bzw. Produktionsstandorten. Beim Offshoring wird der Produktionsstandort (oder einzelne wirtschaftliche Aktivitäten) in ein anderes Land verlagert. In der Regel erfolgt diese Verlagerung von einem Hochlohnland wie Deutschland in ein Niedriglohnland wie z. B. Indien. Eine Sonderform des Offshorings ist das Nearshoring. Dabei wird der Standort bzw. bestimmte Arbeitstätigkeiten und Geschäftsprozesse in ein naheliegendes anderes Land verlagert. <?page no="205"?> Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung 205 Beim Reshoring wird der ursprünglich in ein (Niedriglohn-) Land verlagerte Standort wieder in das ehemalige Heimatland zurückverlagert. Gegenwärtig erfolgen derartige Rückverlagerung vor allem im Bereich kapitalintensiver Produktionsprozesse. Europäische und amerikanische Unternehmen holen dabei vor allem jene Aktivitäten zurück ins eigene Land, die vorher nach Ostasien und zum Teil auch nach Osteuropa verlegt wurden. Ursachen dafür sind neben Kostengründen auch Qualitätsargumente und eine raschere Reaktion auf die Wünsche der Endverbraucher (vgl. Hein, Matiz und Ehrat 2014: 920). Beim Outsourcing geht es hingegen nicht um eine geografische Verlagerung, sondern eine organisatorische Verlagerung. Bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten werden nicht von dem Unternehmen selbst erbracht, sondern von einem anderen Unternehmen. Die mit der wirtschaftlichen Aktivität verbundenen Leistungen - also materielle Vorleistungen oder Dienstleistungen - werden auf dem Markt von anderen Unternehmen gekauft. Eine Wiedereingliederung dieser Leistungserstellung in das Unternehmen wird dann als Insourcing bezeichnet (Bottel et al. 2016: 6f.). Im Ergebnis ist also davon auszugehen, dass die voranschreitende Digitalisierung die bisherige internationale Arbeitsteilung erheblich verändern wird: Wenn digitale Technologien für die Produktionsprozesse zunehmend wichtiger werden, verlieren Entwicklungsländern ihren auf niedrigen Löhnen basierenden Wettbewerbsvorteil. Dies kann dazu führen, dass Unternehmen in den hoch entwickelten Industrieländern einzelne Arbeitsschritte oder sogar ganze Produktionsstandorte aus den Niedriglohnländern zurückverlagern in das Industrieland. Dieses Reshoring erhöht im Industrieland die Beschäftigung. Allerdings wird damit der ursprünglich mit dem Offshoring verbundene Arbeitsmarkteffekt nicht ausgeglichen: <?page no="206"?> 206 Diginomics verstehen  Mit Blick auf das Qualifikationsniveau bedeutete die ursprüngliche Verlagerung von Arbeitsschritten und Produktionsstandorten in Niedriglohnländer einen Verlust von Arbeitsplätzen für gering qualifizierte Arbeitskräfte in den Industrieländern. Die Rückverlagerung erfolgt auf Basis des Einsatzes moderner Technologien, die im Normalfall wenige hoch qualifizierte Arbeitskräfte benötigen. Im Arbeitsmarktsegment der gering qualifizierten Arbeitskräfte gibt es daher in den Industrieländern keine zusätzliche Nachfrage nach entsprechenden Erwerbstätigen. Damit bleiben in diesem Arbeitsmarktsegment sowohl das Beschäftigungsniveau als auch der Marktlohn unverändert. In Industrieländern steigt jedoch die Nachfrage nach hoch qualifizierten Menschen. Dieser Nachfrageanstieg bewirkt einen Lohnanstieg. Ein digitalisierungsbedingtes Reshoring verbessert folglich in Industrieländern wie Deutschland und den USA zwar die Arbeitsmarktchancen qualifizierter Menschen, nicht aber die der gering qualifizierten Arbeitskräfte (vgl. Krenz, Prettner und Strulik 2018: 23). Die Einkommensungleichheit der Markteinkommen zwischen diesen Personengruppen nimmt somit zu.  Auch quantitativ werden die ursprünglichen Arbeitsplatzverluste in den Industrieländern nicht kompensiert. Grund dafür ist die Tatsache, dass digitale Produktionstechnologien wesentlich kapitalintensiver sind als die ursprünglich eingesetzten Technologien. Um also die gleiche Menge an Produkten herzustellen, werden im Vergleich zu Situation vor dem Offshoring nun wesentlich weniger Arbeitskräfte in den Industrieländern benötigt. Dass der verstärkte Einsatz von digitalen Technologien und Robotern die Tendenz zum Offshoring abmildert und stattdessen ein Reshoring hervorruft, lässt sich bereits heute empirisch nachweisen (vgl. exemplarisch Krenz, Prettner und Strulik 2018: 23 sowie Carbonero, Ernst und Weber 2018: 11). In diesem Kontext wird auch deutlich, dass die negativen Arbeitsmarkteffekte, die sich aus dem verstärkten Einsatz von Robotern und Automatisierung ergeben (geringeres Beschäftigungsniveau mit entsprechendem Lohndruck), in den Entwicklungsländern stärker sind als in den Industrieländern: <?page no="207"?> Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung 207  In den Entwicklungsländern werden arbeitsintensive Produktionsprozesse zurückgefahren. Damit geht eine relativ große Zahl an Arbeitsplätzen verloren.  In den Industrieländern, die bereits viele arbeitsintensive Produktionsschritte in das Ausland verlagert haben, werden jetzt nur relativ wenige Arbeitsplätze durch Automatisierung und Roboter ersetzt.  Zudem ist an den arbeitsplatzschaffenden Effekt des Reshorings in den Industrieländern zu denken. Eine Untersuchung, die sich mit den weltweiten Auswirkungen der Automatisierung auf das Beschäftigungsniveau auseinandersetzt, bestätigt diese Zusammenhänge (vgl. Carbonero, Ernst und Weber 2018: 11). Ein Vergleich der bisherigen mit der zukünftigen internationalen Arbeitsteilung zeigt, dass die Digitalisierung diese Arbeitsteilung spürbar verändern kann. Die bisherige Trennung - arbeitsarme Industrieländer produzieren kapital- und technologieintensiv hergestellte Produkte, arbeitsreiche Schwellen- und Entwicklungsländer konzentrieren sich auf arbeitsintensive Produkte - verliert an Bedeutung, weil die Produktionsprozesse weltweit kapital- und technologieintensiver werden. Niedrige Lohnkosten spielen nicht mehr die Rolle, die sie bisher hatten. Niedriglohnländer verlieren damit die Grundlage ihrer bisherigen internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Dies erhöht für die Schwellen- und Entwicklungsländer den Anreiz bzw. Zwang, ebenfalls vermehrt Kapital und Technologien in der Produktion einzusetzen. Die Produktionsverfahren gleichen sich folglich - zumindest tendenziell - weltweit an. Dies bedeutet auch, dass die Schwellen- und Entwicklungsländer zukünftig eine Konkurrenz für die Industrieländer im Bereich der kapital- und technologieintensiv hergestellten Produkte werden. Für China gilt dies bereits heute in vielen Bereichen. Das technologische Aufholen der Schwellen- und Entwicklungsländer wird somit eine ernstzunehmende Konkurrenz für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der entwickelten Industrieländer. <?page no="208"?> 208 Diginomics verstehen 12.4 Wettbewerbsfähigkeit und internationale Arbeitsteilung Ob die im → Abschnitt 12.3 skizzierten technologiegetriebenen Entwicklungen der internationalen Arbeitsteilung tatsächlich stattfinden, hängt u. a. davon ab, wie sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Länder zukünftig entwickelt. Mit Blick auf die voranschreitende Digitalisierung ist es für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit notwendig, dass alle Volkswirtschaften erhebliche Investitionen tätigen, um ihre digitale Infrastruktur wettbewerbsfähig zu gestalten. Die dafür notwendigen Investitionen umfassen sowohl staatliche als auch private Investitionen.  Die staatlichen Investitionen betreffen neben den erforderlichen physischen Investitionen in leistungsfähige Informations- und Kommunikationsnetze auch Investitionen in die digitalen Kompetenzen der Bürger, also Bildungsausgaben.  Die privaten Investitionen beziehen sich vor allem auf die Unternehmen, die ihre Produktionsanlagen und Arbeitsplätze an die digitalen Technologien anpassen müssen. Zudem sind betriebliche Weiterbildungsangebote sowie organisatorische Umstrukturierungen erforderlich. Angesichts der weltweiten aktuellen wirtschaftlichen Situation und den damit verbundenen Finanzierungsmöglichkeiten der Staaten und der Unternehmen ist davon auszugehen, dass es reichen Volkswirtschaften tendenziell leichter fallen wird, die digitale Transformation durch entsprechende Investitionen voranzutreiben als wenig entwickelten Ländern. Grundsätzlich sind hier vier Entwicklungen für die nahe Zukunft zu erwarten:  Industrienationen mit einer relativ soliden Wirtschaftsentwicklung und einer hohen Ersparnisbildung der Bürger bzw. günstigen Finanzierungsbedingungen können die notwendigen Investitionen am besten finanzieren. Dies betrifft sowohl den Staat als auch die Unternehmen. Beispiele sind z. B. Deutschland und Japan - zwei hochentwickelte reiche Länder, in denen es wegen der Alterung der Bevölkerung gegenwärtig eine relativ hohe Er- <?page no="209"?> Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung 209 sparnisbildung gibt, die für die Finanzierung der erforderlichen Investitionen bereitstehen.  Industrienationen mit einer schwachen wirtschaftlichen Entwicklung, einer hohen Arbeitslosigkeit und einer hohen Verschuldung des Staates und der Unternehmen sind hingegen kaum in der Lage, diese Investitionen zu finanzieren. Beispiele sind die südeuropäischen Krisenländer, allen voran Griechenland.  Schwellenländer mit einem relativ starken Wirtschaftswachstum und einer geringen Verschuldung von Staat und Unternehmen sind wiederum eher in der Lage, die für die digitale Transformation notwendigen Investitionen zu tätigen. Schwellenländer, die in den kommenden Jahren mit überdurchschnittlich hohen Investitionen im Bereich der digitalen Technologien rechnen können, sind u.a. Südkorea, Indonesien, Taiwan und Thailand (vgl. BCG 2016: 19).  Besonders schlecht stellt sich schließlich die Situation in Entwicklungsländern mit einem geringen realen Wohlstandsniveau und einer hohen Auslandsverschuldung dar. Das geringe Einkommensniveau hat zur Folge, dass die Bürger kaum Ersparnisse bilden können. Geringe Ersparnisse in Kombination mit schlechten wirtschaftlichen Aussichten für die kommenden Jahre versperren den Weg zu den internationalen Kapitalmärkten und machen eine Finanzierung der digitalen Infrastruktur nahezu unmöglich. Betroffen hiervon sind vor allem zahlreiche afrikanische Länder, die über keine wertvollen Rohstoffe verfügen. Konsequenz dieser vier Trends ist ein Auseinanderdriften der Wettbewerbsfähigkeit der hoch entwickelten Industrienationen auf der einen und den Entwicklungsländern auf der anderen Seite. Für Schwellenländer mit günstigen Finanzierungsmöglichkeiten ist eine Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit möglich, während schwächelnde Industrieländer wie Griechenland weiter an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Da die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes entscheidend für das Produktions- und Beschäftigungsniveau und damit auch für den materiellen Wohlstand ist, ist davon auszugehen, dass der Wohlstandsvorsprung von In- <?page no="210"?> 210 Diginomics verstehen dustrieländern wie Deutschland „noch weiter wachsen wird“ (Rolf und Sagawe 2015: 202). Allerdings besteht für Entwicklungsländer auch die Möglichkeit, dass es ihnen die Digitalisierung erlaubt, erhebliche technologische Sprünge durchführen zu können. Ökonomen nennen dieses Phänomen Leapfrogging. Dies bedeutet, dass wenig entwickelte Volkswirtschaften eine technologische Entwicklungsstufe überspringen und damit schneller zu den hoch entwickelten Volkswirtschaften aufschließen können. Ein prominentes Beispiel dafür sind Entwicklungsländer, die für ihre Kommunikation ein Mobilfunknetz aufbauen, ohne dass sie vorher ein leitungsgebundenes Telefonnetz für Festnetzanschlüsse hatten. Allerdings kann dieser technologische Sprung nur erfolgen, wenn die dafür erforderliche Infrastruktur vorhanden ist. Dazu gehört neben einem leistungsstarken Mobilfunknetz auch eine sichere Elektrizitätsversorgung (vgl. Deutscher Bundestag 2017: 5). Der Aufbau dieser Infrastruktur verlangt entsprechende Finanzierungsmittel. Wenig entwickelten Volkswirtschaften, die über keine auf den Weltmärkten nachgefragten Rohstoffe verfügen, fehlen die finanziellen Mittel, um den Infrastrukturaufbau zu realisieren. Ohne finanzielle Unterstützung aus dem Ausland drohen diese Länder den technologischen Anschluss zu verlieren und wirtschaftlich noch weiter abgehängt zu werden. 12.5 Digitalisierung und Wechselkurs Auch wenn eine Volkswirtschaft den Anschluss an die digitale Entwicklung verpassen sollte und somit an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verliert, bedeutet das noch nicht automatisch, dass die Unternehmen des Landes ihre Produkte nicht mehr verkaufen können. Technologisch bedingte Kostensenkungen sind nur ein Element der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Im Fall eines flexiblen Wechselkurses kann das Land durch eine Abwertung der heimischen Währung die Absatzchancen seiner Unternehmen verbessern und technologisch bedingte Wettbewerbsnachteile kompensieren. Dazu ein einfaches Beispiel: <?page no="211"?> Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung 211  Angenommen wird ein deutsches Unternehmen, das Maschinen herstellt. Der Preis der Maschine beträgt 10.000,- Euro. Wenn der Wert eines Euros an den Devisenmärkten einen US-Dollar beträgt, kostet das Produkt des deutschen Anbieters in den USA 10.000,- US-Dollar. Eine vergleichbare amerikanische Maschine kostet annahmegemäß 10.500,- US-Dollar. Daher ist das deutsche Produkt im Vergleich zum amerikanischen wettbewerbsfähiger.  Als Nächstes wird angenommen, dass die amerikanischen Hersteller durch den Einsatz digitaler Technologien ihre Produktionskosten auf 8.500 US-Dollar verringern können. Den deutschen Maschinenherstellern gelingen hingegen keine technologisch bedingten Kostensenkungen. Unter sonst gleichbleibenden Bedingungen verlieren die deutschen Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem US-Markt.  Der technologisch bedingte Wettbewerbsnachteil der deutschen Anbieter kann jedoch durch eine Abwertung des Euros kompensiert werden. Wenn der Wert eines Euros auf 0,80 US-Dollar sinkt, geht auch der Preis zurück, den die amerikanischen Käufer für die Maschinen aus Deutschland bezahlen müssen. Er sinkt auf 8.000,- US-Dollar und ist damit wieder geringer als der Preis einer in den USA hergestellten Maschine. Sofern sich der technologieinduzierte Wettbewerbsnachteil auf viele oder sogar alle deutschen Produkte bezieht, sorgen die Devisenmärkte dafür, dass die Euro-Abwertung auch tatsächlich stattfindet. Der Zusammenhang zwischen einer nachlassenden internationalen Wettbewerbsfähigkeit und einer Abwertung lässt sich wie folgt erklären: Ausgangspunkt ist der Umstand, dass die Exporte eines Landes letztendlich immer in der Währung dieses Landes bezahlt werden müssen. Deutsche Exporte in die USA werden also in Euro bezahlt, weil die deutschen Unternehmen ihre Löhne, Mieten, Pachten, Steuern etc. mit Euros bezahlen müssen. Selbst wenn vertraglich eine monetäre Gegenleistung in US-Dollar vereinbart wird, muss der deutsche Hersteller den Dollarbetrag in Euro umtauschen, um seine Ausgaben zu bezahlen. Deutsche Exporte bewirken somit eine Nachfrage nach Euro. Wenn es nun wegen einer nachlassenden Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen zu einer Verringerung <?page no="212"?> 212 Diginomics verstehen der deutschen Exporte kommt, wirkt sich das auf den Devisenmarkt aus: Ein Rückgang der deutschen Exporte bewirkt einen Rückgang der Nachfrage nach Euro auf dem Devisenmarkt. Eine geringere Nachfrage nach Euro hat für sich genommen ein Rückgang des Preises für den Euro zur Folge. Der Wert eines Euros sinkt, es kommt also zu einer Euro-Abwertung. Auf den ersten Blick ist ein technologiebedingter Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit also heilbar. Allerdings ist die Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit durch eine Abwertung der heimischen Währung nicht ohne Kosten: Die Euro-Abwertung hat zur Folge, dass der in US-Dollar ausgedrückte Erlös der deutschen Exporteure sinkt - in dem beschriebenen Maschinen-Beispiel von 10.000,- US-Dollar auf nur noch 8.000,- US-Dollar. Das hat zur Folge, dass die deutsche Volkswirtschaft nun weniger amerikanische Produkte mit ihren Exporterlösen kaufen kann. Wenn Deutschland beispielsweise Jeans aus den USA importiert und der Preis einer Jeans bei 100,- US-Dollar liegt, erhielt Deutschland vor der Abwertung 100 Jeans für eine Maschine. Nach der Euro-Abwertung können mit dem Erlös in Höhe von 8.000,- US-Dollar nur noch 80 Jeans erworben werden. Die Abwertung der heimischen Währung verschlechtert also die realen Austauschrelationen - die so genannten Terms of Trade - des Landes mit der Abwertung. Die Terms of Trade geben an, wie viele Gütereinheiten des Importgutes das Inland für eine Einheit seines Exportgutes erhält. Eine abwertungsbedingte Verschlechterung der Terms of Trade bedeutet, dass die inländische Bevölkerung eine geringere Menge an Gütern und Dienstleistungen konsumieren kann. Der materielle Wohlstand der Bevölkerung geht folglich zurück. Für ein Land, dessen Fortschritte bei digitalen Technologien überdurchschnittlich hoch sind, stellt sich eine Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ein. Die Folge ist eine Zunahme der Exporte, was zu einer Aufwertung der heimischen Währung führt. Diese Aufwertung verteuert die einheimischen Produkte im Rest der Welt und wirkt so exportreduzierend. Gleichzeitig aber verbessern sich die Terms of Trade dieses Landes. Die Bevölkerung kann daher eine größere Menge an Gütern und Dienstleistungen verbrauchen. <?page no="213"?> Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung 213 Darüber hinaus ergibt sich aus der Abwertung der heimischen Währung ein weiterer negativer Effekt für ein Land: die Inflationsrate steigt. Dies lässt sich wie folgt erklären: Eine Abwertung des Euros verteuert alle Produkte, die die Europäer aus den USA beziehen. Ein Rückgang des Wechselkurses von ursprünglich 1,- Dollar je Euro auf z. B. nur noch 0,80 Dollar pro Euro bedeutet eine 25prozentige Aufwertung des Dollars (aus 0,80 Dollar je Euro folgt, dass 1,- Dollar einen Wert von 1,25 Euro hat). Daher müssen europäische Verbraucher nun einen um 25 Prozent höheren Preis für die aus den USA importierten Produkte bezahlen. Wenn ein Eurozonen- Mitgliedsland viele amerikanische Produkte importiert und diese nicht durch Produkte aus anderen Ländern ersetzen kann, schlagen die aufwertungsbedingten Preiserhöhungen auf das einheimische Preisniveau durch. Es kommt also zu einer höheren Inflationsrate. Hieraus ergeben sich weiterreichende Konsequenzen:  Die Kaufkraft der einheimischen Verbraucher sinkt. Daher können sie weniger einheimische Produkte nachfragen. Dies reduziert im Inland Produktion und Beschäftigung.  Sofern es sich bei den Importen um Vorleistungen handelt, die von den einheimischen Unternehmen weiterverarbeitet werden, verringert der abwertungsbedingte Preisniveauanstieg die internationale Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Unternehmen. Die Folge sind sinkende Exporte mit negativen Effekten für den inländischen Arbeitsmarkt. Im Ergebnis kann eine technologisch bedingte Verschlechterung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit eines Landes also durch eine Abwertung der heimischen Währung abgefedert bzw. kompensiert werden. Erkauft wird dieser Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit jedoch durch eine Verschlechterung der Terms of Trade und einen Anstieg der heimischen Inflationsrate. Dies verringert die Konsummöglichkeiten der Bevölkerung und schmälert so den materiellen Wohlstand. Anstrengungen zur Förderung digitaler Technologien, die die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes verbessern, liegen daher selbst bei flexiblen Wechselkursen im Interesse der Verbraucher. <?page no="214"?> 214 Diginomics verstehen 12.6 Digitalisierung, Globalisierung und Strukturwandel Die Digitalisierung reduziert nicht nur die Produktionskosten und die Kosten zur Organisation von dezentralen, über Märkte organisierten Austauschprozessen, sondern auch die Kosten des grenzüberschreitenden Handels. Beispiele für derartige Verringerungen der Handelskosten durch digitale Technologien sind neben den in → Abschnitt 12.3 erwähnten Übersetzungsprogrammen zum Abbau von Sprachbarrieren u.a. eine effizientere Koordinierung der Logistik zur Überwindung der Landesgrenzen und zur Distribution der Produkte in den verschiedenen Auslandsmärkten, geringere Suchkosten zur Identifizierung geeigneter Abnehmer im Ausland sowie Softwarelösungen zur Bearbeitung digital vorliegender Transport- und Zolldokumente etc. (vgl. Bartholomae 2018: 9). Eine digitalisierungsbedingte Verringerung der Kosten des grenzüberschreitenden Verkaufs von Produkten kann die Exporte des Inlands steigern: Wenn die Transaktionskosten, die mit einem Verkauf der eigenen Produkte im Ausland verbunden sind, zu hoch sind, ist ein einheimisches Unternehmen mit seinem Produkt im Ausland nicht wettbewerbsfähig. Eine Reduzierung der Handelskosten kann bewirken, dass dieses Unternehmen sein Produkt nun zu einem Preis anbietet, der von den ausländischen Verbrauchern akzeptiert wird. Die Exporte des Inlands nehmen folglich zu. Die Umsatzsteigerung im Ausland verlangt eine Steigerung der Produktion. Ein höheres Produktionsniveau verlangt im Normalfall auch eine größere Zahl von Beschäftigten. Im Inland steigt die Beschäftigung, d. h. die Arbeitslosigkeit wird abgebaut. Mit der Zahl der Beschäftigten steigt das Einkommen, was im Inland zu einer höheren Konsumgüternachfrage führt und in der Konsumgüterindustrie die Zahl der Erwerbstätigen erhöht. Im Ergebnis führt die digitalisierungsbedingte Verringerung der Kosten des Außenhandels im Inland zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Dieser wirkt sich positiv auf die öffentlichen Finanzen aus: Der Staat erzielt höhere Einnahmen in Form von Steuern und Sozialabgaben, und er muss weniger Transferleistungen im Kontext der Arbeitslosenversicherungen zahlen. <?page no="215"?> Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung 215 Die skizzierten Zusammenhänge gelten allerdings ebenso für das Ausland. Auch dort können Unternehmen digitalisierungsbedingt ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit steigern. Für das Inland bedeutet dies eine Zunahme der Importe aus dem Ausland. Die ausländischen Produkte sind für die einheimischen Unternehmen eine zusätzliche Konkurrenz. Die inländischen Unternehmen müssen nun ihre Produktionskosten senken, um nicht vom Markt verdrängt zu werden. Hieraus ergeben sich zwei zentrale Konsequenzen:  Um die Absatzchancen im eigenen Land wieder zu verbessern, müssen die einheimischen Unternehmen technologisch bedingte Kostensenkungen erreichen. Für sie erhöht sich daher der Anreiz, ihre Forschungs- und Entwicklungsausgaben zu erhöhen und Investitionen durchzuführen, die ihre Produktionskosten senken. Für die Volkswirtschaft als Ganzes bedeutet dies einen technologischen Fortschritt, der eine Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Produktivität bewirkt - das ist der in → Abschnitt 12.2 behandelte handelsinduzierte technologische Fortschritt.  Unter dem verschärften Wettbewerbsdruck ausländischen Anbieter leiden vor allem die ohnehin schon wenig produktiven Anbieter. Wenn ihnen die notwendigen Produktivitätssteigerungen nicht gelingen, verschwinden sie vom Markt. Dieser Prozess der schöpferischen Zerstörung beschleunigt den Strukturwandel, was sich langfristig positiv auf die Produktivität der Volkswirtschaft auswirkt. Durch die Intensivierung des internationalen Wettbewerbsdrucks fördert die Digitalisierung somit den strukturellen Wandel einer Volkswirtschaft. Einschränkend ist hier jedoch darauf hinzuweisen, dass dieser Strukturwandel in dem betreffenden Land auch Verlierer hervorbringt: Die Branchen oder Regionen, die bisher wegen der hohen Handelskosten vor der ausländischen Konkurrenz geschützt waren, drohen nun vom Markt verdrängt zu werden. Dies kann mit erheblichen Einkommensverlusten verbunden sein: Beschäftigte verlieren ihren Arbeitsplatz und damit ihre wichtigste Einkommensquelle. Auf der Seite der Unternehmenseigentümer sinken die Kapitaleinkommen. Zudem verlieren ihre Unternehmensanteile an Wert - im Extremfall droht ein Totalverlust. Der durch das Zusammenspiel von voranschreitender <?page no="216"?> 216 Diginomics verstehen Digitalisierung und sinkenden Handelskosten forcierte Strukturwandel führt so zu erheblichen Verteilungskonflikten innerhalb der Volkswirtschaft (→ Abb. 21). Angesichts dieser Interessenslage ist es sehr wahrscheinlich, dass die betroffenen Wirtschaftsakteure politische Entscheider dahingehend beeinflussen, protektionistische Maßnahmen zu ergreifen, um die bedrohten Arbeitsplätze zu schützen. 21 | Stilisierter Zusammenhang zwischen Digitalisierung, Handelskosten, Strukturwandel und Verteilungskonflikten »Eine digitalisierungsbedingte Verringerung der Kosten des internationalen Handels bedeutet für die international wettbewerbsfähigen Unternehmen eines Landes höhere Exporte und damit eine Steigerung von Produktion und Beschäftigung. Dadurch nehmen in diesen Unternehmen die Kapital- und Arbeitseinkommen zu. Weniger wettbewerbsfähige Unternehmen leiden hingegen unter den zunehmenden Importen aus dem Ausland. Die Folge für diese Unternehmen sind Produktions- und Beschäftigungsrückgänge mit entsprechenden Einkommenseinbußen.« Importe des Inlands ↑ Exporte des Inlands ↑ Digitalisierung senkt die Handelskosten Produktion und Beschäftigung der wettbewerbsfähigen Unternehmen ↑ Produktion und Beschäftigung der weniger wettbewerbsfähigen Unternehmen ↓ Löhne und Kapitaleinkommen der wettbewerbsfähigen Unternehmen ↑ Löhne und Kapitaleinkommen der weniger wettbewerbsfähigen Unternehmen ↓ Strukturwandel ↑ Verteilungskonflikte ↑ <?page no="217"?> Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung 217 Ob die digitalisierungsbedingte Verringerung der Kosten des grenzüberschreitenden Handels also tatsächlich zu einer Intensivierung des internationalen Handels und des damit verbundenen Strukturwandels führt, ist nicht garantiert. Theoretische Überlegungen und historische Erfahrungen lassen eher erwarten, dass politische Entscheider auf die Interessen der gefährdeten einheimischen Anbieter - also auf die Kapitaleigentümer und Arbeitnehmer - hören und protektionistische Maßnahmen ergreifen (vgl. Petersen 2018b). 12.7 Die Rolle der 3D-Druck-Technologie Ein weiterer wichtiger Faktor, der die zukünftige internationale Arbeitsteilung erheblich verändern kann, ist die 3D-Druck-Technologie. Noch steckt sie in einer frühen Phase ihrer Entwicklung. Sie könnte sich aber, so wie bereits zahlreiche andere Technologien, perspektivisch zu einer flächendeckend eingesetzten Produktionstechnologie entwickeln. Das hätte gravierende Auswirkungen für die internationale Arbeitsteilung und den damit verbundenen internationalen Handel (die Ausführungen dieses Abschnitts sind Petersen 2019c entnommen). Mit 3D-Druckern werden Kunststoffe, Metalle und andere Grundstoffe zu neuen Objekten verschmolzen. Das 3D-Druckverfahren ist ein so genanntes additives Produktionsverfahren, das Materialien schichtweise zusammenfügt. Es wird also nur der Materialinput eingesetzt, der am Ende in das hergestellte Produkt einfließt. Die aktuellen Produktionsverfahren sind hingegen subtraktive Fertigungsprozesse. Das bedeutet: Die benötigten Materialien werden zugeschnitten und bearbeitet (Fräsen, Schleifen, Bohren, Feilen etc.), was mit Materialverlusten verbunden ist. Die 3D-Druck-Technologie führt also zu einer erheblichen Reduzierung der Materialverschwendung (vgl. ING 2017: 9). Dies bedeutet eine Steigerung der Produktivität und niedrigere Preise für die hergestellten Produkte - und spricht für eine verstärkte Anwendung dieser Technologie in der Produktion. <?page no="218"?> 218 Diginomics verstehen Der Einsatz von mit dem 3D-Drucker verbundenen Produktionsverfahren senkt die Kosten der Produktion und damit auch die Marktpreise der durch diese Verfahren hergestellten Produkte darüber hinaus über drei weitere Kanäle: [1] Das 3D-Druckverfahren erlaubt die Herstellung von Fertigprodukten vor Ort. Damit entfallen Transportkosten, sowohl von Vorleistungen zum Produktionsort als auch vom Produktionsort zum Verkaufsort. Die Kosteneinsparung durch eine Re-Regionalisierung der Produktion und eine Verkürzung der Lieferketten bewirkt eine Preisreduzierung (vgl. Berenberg und HWWI 2015: 36 und ING 2017: 10). [2] Die mithilfe eines 3D-Druckers hergestellten Einzelteile sind häufig belastbarer, haltbarer und leichter als traditionell produzierte Teile. So ist z. B. ein mit einem 3D-Drucker hergestelltes Bauteil eines in der Formel 1 verwendeten Stoßdämpfers doppelt so stark belastbar und „mindestens dreimal haltbarer […] als sein Vorgänger“ (Rosenbach 2016: 78). Diese Qualitätsverbesserung entspricht einer Produktivitätssteigerung und damit einer Preissenkung. [3] Wenn 3D-Drucker Einzelteile oder Endprodukte selbstständig drucken, stellt dies eine erhebliche Einsparung menschlicher Arbeitskraft dar, denn abgesehen von der Programmierung der Software „ist kaum menschliches Zutun erforderlich“ (Rifkin 2014: 134). Das bedeutet eine Einsparung an Arbeitskosten, die wiederum die Produktionskosten und Preise verringert. Zudem nimmt die Gefahr menschlicher Fehler ab, was das Ausmaß fehlerhafter Produkte verringert und ebenfalls kostensenkend wirkt (vgl. ING 2017: 9). Im Ergebnis ist also davon auszugehen, dass der vermehrte Einsatz von 3D-Druckern die Produktionskosten verringert und damit auch die Preise, die die Verbraucher für die mit dieser Technologie hergestellten Produkte bezahlen müssen. Obwohl diese Technologie mit Blick auf den Einsatz in der Massenproduktion von Konsumgütern noch am Anfang ihrer Entwicklung steht, werden bereits zahlreiche Produkte mit ihr hergestellt. Beispie- <?page no="219"?> Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung 219 le sind unter anderem Möbel, Maschinen-, Flugzeug- und Autoteile und sogar schon ganze Automobile und Fertighausteile (vgl. Caviezel et al. 2017: 10f.). Häufig geht es dabei um Prototypen (vgl. van Bracht et al. 2019: 8). Bis jetzt handelt es sich bei den hergestellten Gegenständen also meistens noch um Einzelanfertigungen oder kleine Stückzahlen. Für die Produktion großer Stückzahlen wird die 3D- Druck-Technologie momentan kaum genutzt. In der Vergangenheit haben sich die Kosten, die mit der Einführung und dem Einsatz neuer Technologien im Bereich der industriellen Produktion verbunden waren, jedoch im Laufe der Zeit erheblich verringert. Perspektivisch ist es deshalb durchaus plausibel, dass die technologische Entwicklung den Einsatz der 3D-Drucker auch für die Massenfertigung attraktiv macht (vgl. Berenberg und HWWI 2015: 34f.). In einer Umfrage aus dem Sommer 2019 unter Ingenieuren, die Mitglieder des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) sind, gaben immerhin knapp 13 Prozent der Befragten an, dass ihr Unternehmen diese Technologie bereits für die Produktion kompletter Endprodukte nutzt. Rund 17 Prozent konnten sich vorstellen, dass dies in ihrem Unternehmen innerhalb der nächsten zwei Jahre der Fall sein könnte (vgl. van Bracht et al. 2019: 8). Wenn sich diese Entwicklung tatsächlich einstellen sollte, wird sich die internationale Arbeitsteilung - und damit der Welthandel - erheblich verändern. Fünf denkbare Entwicklungen sind hierbei besonders relevant: [1] Regionales Zusammenrücken von Produktion und Verbrauch: Der verstärkte Einsatz von 3D-Druckern in der Produktion bedeutet, dass menschliche Arbeitskraft durch Kapitel und Technologien ersetzt wird. Niedriglohnländer verlieren damit weiter an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Das bedeutet eine Forcierung des in → Abschnitt 12.3 skizzierten Reshorings. Ein Beispiel dafür ist die bereits erwähnte Sportmarke adidas, die 2017 in Ansbach mit der Serienproduktion von Sportschuhen „aus dem 3D-Drucker“ begonnen hat (vgl. Fuchs 2017). Diese Tendenz der Produktionsortverlagerung wird noch dadurch verstärkt, dass eine Fertigung am Ort der Konsumenten Transportkosten einspart. Dies betrifft sowohl den Transport der Endpro- <?page no="220"?> 220 Diginomics verstehen dukte zum Verbraucher als auch den vorherigen Transport von Einzelteilen und Vorleistungen zum Produktionsort. Aus globaler Sicht bedeutet dies eine stärkere Regionalisierung der Produktion. [2] Verkürzung globaler Wertschöpfungsketten: Mit der Regionalisierung der Produktion geht die Bedeutung importierter Vorleistungen zurück. Einzelteile werden nicht mehr von Zulieferern aus dem Ausland produziert, sondern mithilfe der 3D-Druck- Technologie am Ort der Produktion. Dies ist günstiger (weil der Materialverbrauch geringer ist und Transportkosten entfallen), schneller (weil Zeit für Transporte eingespart wird) und flexibler (weil umgehend auf produktspezifische Besonderheiten und individuelle Kundenwünsche eingegangen werden kann). [3] Verringerung des internationalen Handels mit End- und Vorprodukten: Wenn Produkte zunehmend am Ort des Verbrauchs hergestellt werden, geht der internationale Handel mit Endprodukten zurück. Das weltweite Exportvolumen dieser Produkte wird somit ceteris paribus geringer. Gleiches gilt für Vorprodukte und Einzelteile, die ebenfalls verstärkt am Ort des Verbrauchs produziert werden. [4] Erhöhung des internationalen Handels mit Grundstoffen: Die skizzierten produktionstechnologischen Eigenschaften der 3D-Druck-Technologie haben zur Folge, dass der grenzüberschreitende Handel mit allen Grundstoffen, die für eine Produktion mit 3D-Druckern notwendig sind, zunehmen wird. Vor allem rohstoffarme Industrieländer wie Deutschland müssen also mehr Rohstoffe importieren. In der Summe dürfte das weltweite Handelsvolumen jedoch langfristig sinken, weil der Verbrauch an Grundstoffen bei dem additiven Produktionsverfahren der 3D- Drucker wesentlich geringer ist als bei dem traditionellen subtraktiven Verfahren. Im Ergebnis kann der Zuwachs an Exporten von Grundstoffen den Rückgang von Exporten im Bereich der Vor- und Endprodukte nicht kompensieren. Das weltweite Handelsvolumen wird also technologisch bedingt ceteris paribus kleiner. Aus ökologischer Sicht ist dies eine positive Entwick- <?page no="221"?> Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung 221 lung: Weniger weltweiter Handel bedeutet weniger Energieverbrauch. Damit werden Umweltbelastungen reduziert. [5] Zunahme der ausländischen Direktinvestitionen: Der Rückgang des grenzüberscheitenden Handels mit Vor- und Endprodukten bedeutet nicht, dass Unternehmen ihre Produkte nicht mehr im Ausland verkaufen. Dies kann nach wie vor geschehen. Die Unternehmen werden jedoch einen Großteil ihrer Produkte mithilfe der 3D-Druck-Technologie in dem Land des Verkaufs herstellen. Dafür ist es notwendig, die entsprechenden Produktionskapazitäten aufzubauen. Dies führt zu ausländischen Direktinvestitionen. Perspektivisch werden diese Investitionen daher deutlich an Bedeutung gewinnen. Diese fünf möglichen zukünftigen Entwicklungen der internationalen Arbeitsteilung vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung der 3D-Druck-Technologie sind jedoch mit einer hohen Unsicherheit verbunden. Unklar ist vor allem, wie schnell sich die skizzierten erwarteten Entwicklungen durchsetzen und in welchem Ausmaß sie die grenzüberschreitende Arbeitsteilung und den damit verbundenen internationalen Handel verändern. Wenn sich diese Technologie jedoch durchsetzen sollte, wären die Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Handel enorm. Das zeigen exemplarisch zwei Szenarien des niederländischen Finanzdienstleisters ING: In den Simulationsrechnungen wird davon ausgegangen, dass perspektivisch 50 Prozent aller produzierten Waren mithilfe von 3D-Druckern hergestellt werden. Die Szenarien unterscheiden sich lediglich dahingehend, wann dieser Anteil erreicht wird: 2040 oder 2060. Die Folge wäre, dass die Hälfte der bisher importierten Waren nun im Inland hergestellt wird. Bei einer langsamen Verbreitung der 3D-Druck- Technologie würde den Berechnungen zufolge der weltweite Handel mit Waren 2060 rund 20 Prozent geringer ausfallen als ohne diese Technologie. Bei einer raschen Verbreitung läge der Rückgang hingegen schon 2040 bei rund 40 Prozent (vgl. ING 2017: 11f. und 19f.). Noch ist die Bedeutung von 3D-Druckern für die weltwirtschaftliche Entwicklung vernachlässigbar gering. Es könnte daher Jahrzehnte dauern, bis die skizzierten Auswirkungen auf die internationale Arbeitsteilung Realität werden. Andererseits wurde in der Vergangen- <?page no="222"?> 222 Diginomics verstehen heit die Schnelligkeit, mit der sich neue Technologien wie das Automobil oder der Computer durchgesetzt haben, häufig unterschätzt - es könnte also auch schneller zu einer flächendeckenden Anwendung dieser Technologie kommen. Mit Blick auf die Schwellen- und Entwicklungsländer bietet die 3D- Druck-Technologie schließlich noch eine Möglichkeit für das im → Abschnitt 12.4 genannten Leapfrogging: Mithilfe dieser Technologie können Unternehmen in den Schwellen- und Entwicklungsländern die herkömmlichen Produktionsverfahren inklusive der dafür erforderlichen Infrastruktur überspringen und sofort mit der 3D- Druck-Technologie arbeiten (vgl. Körner, Schattenberg und Heymann 2018: 10). Dies würde die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schwellen- und Entwicklungsländer erhöhen und dort auch das wirtschaftliche Wachstum beschleunigen. 12.8 Neuverteilung des globalen Wohlstands durch Digitalisierung Wie beschrieben, reduziert die Digitalisierung die Kosten des internationalen Handels. Zudem erleichtert sie die Organisation arbeitsteiliger Prozesse über Ländergrenzen hinweg. Dies bedeutet ein voranschreitendes Zusammenwachsen der Märkte und führt dazu, dass sich mehr und mehr Weltmärkte bilden. Auf einem globalen Markt für einen bestimmten Gegenstand gibt es - zumindest in einem theoretischen Idealmodell - nur einen Weltmarktpreis. Bestes Beispiel dafür sind gegenwärtig die Finanzmärkte: Für Aktien, Devisen und Wertpapiere wird zu jedem Zeitpunkt weltweit mehr oder weniger ein identischer Preis bezahlt. Der Abbau von Kapitalverkehrskontrollen und geringe Transaktionskosten bewirken, dass Preisunterschiede zu so genannten Arbitragegeschäften führen. Bei ihnen werden Produkte dort gekauft, wo sie einen geringen Preis haben, und umgehend mit Gewinn in dem Marktsegment mit dem höheren Preis verkauft. Dadurch werden regionale Preisunterschiede in kürzester Zeit beseitigt. <?page no="223"?> Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung 223 Sollte die voranschreitende Digitalisierung dazu führen, dass sich sämtliche Märkte zu Weltmärkten entwickeln, bildet sich für alle Güter, Dienstleistungen und selbst für Produktionsfaktoren ein globaler Durchschnittspreis. Für einen weltweiten Arbeitsmarkt bedeutet dies: Es stellt sich ein globaler Durchschnittslohn ein, der zwischen dem hohen Lohnniveau entwickelter Länder wie den USA, Deutschland und Japan liegt sowie den Niedriglöhnen in weiten Teilen Asiens und erst recht Afrikas. Da das Arbeitseinkommen die wichtigste Einkommensquelle für die Mehrheit der Menschen ist, bedeutet diese Lohnangleichung (selbst wenn sie nur tendenziell ist) eine erhebliche Neuverteilung des globalen Wohlstands. Der bisher erreichte Stand zur Entwicklung von Weltmärkten zeichnet sich dadurch aus, dass die stärkste Marktöffnung bei den Finanzmärkten und bei industriell produzierten Gütern besteht. Dies sind die Bereiche, bei denen die entwickelten Industrieländer ein hohes Interesse an einer Marktöffnung haben: Die weltweite Ausstattung mit den Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital, Boden und Technologie zeichnet sich dadurch aus, dass Industrieländer erstens über viel Kapital verfügen, das renditeträchtige Anlageorte sucht, und zweitens einen internationalen Wettbewerbsvorteil bei kapital- und technologieintensiven Produkten haben. Bei Agrarprodukten, deren Erzeugung viel Land benötigt, haben die meisten Industrieländer einen Wettbewerbsnachteil, weil sie - relativ betrachtet - über wenig Land verfügen. Hier ist die wirtschaftliche Abschottung der Industrieländer daher relativ hoch. Mit dem bisher erreichten Stand der Weltmarktöffnungen haben die Industrieländer die Vorteile der globalen Märkte somit bereits weitgehend genutzt. Weitere Marktöffnungen sind nun eher im Interesse der Schwellen- und Entwicklungsländer. Dies betrifft die Agrarmärkte und noch mehr die Arbeitsmärkte:  Bei einem globalen Arbeitsmarkt nähern sich alle Löhne, wie beschrieben, tendenziell einem globalen Durchschnittslohn, der unter dem Niveau der Industrienationen liegt.  Gleiches gilt für einen Weltagrarmarkt: Der globale Durchschnittspreis für landwirtschaftliche Produkte, deren Herstellung viel Boden benötigt, liegt unter den Kosten, die in dichtbesiedelten <?page no="224"?> 224 Diginomics verstehen Industrieländern für die Herstellung von Agrarprodukten anfallen. Dass beispielsweise die EU einen offenen Weltmarkt für landwirtschaftliche Produkte fürchtet, zeigen die entsprechend hohen Importzölle und die geleisteten Agrarsubventionen.  Selbst im Bereich der kapital- und technologieintensiven Produkte droht den Industrieländern mit dem technologischen Aufholen der Schwellenländer (vor allem in Asien) der Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Im Ergebnis bewirkt die voranschreitende Digitalisierung eine stärkere ökonomische Integration und damit eine wirtschaftliche Konvergenz in dem Sinne, dass sich Löhne, Zinsen und damit auch Einkommen weltweit tendenziell angleichen. Angesichts dieser Zusammenhänge bedeutet ein digitalisierungsbedingtes weiteres Zusammenwachsen der Märkte eine Neuverteilung des globalen Wohlstands zugunsten der Schwellen- und Entwicklungsländer und zulasten der entwickelten Industrienationen. Aus globaler Sicht ist dies dennoch positiv, weil das BIP der Welt steigt und die Versorgung der Weltbevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen wächst. Einschränkend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese technologisch denkbare Entwicklung nicht zwangsläufig realisiert werden muss. Es ist durchaus möglich, dass die entwickelten Industrieländer protektionistische Maßnahmen ergreifen, um die aus ihrer Sicht negativen Einkommenseffekte für die Anbieter (dazu gehören neben den Unternehmenseigentümern immer auch die in entsprechenden Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer) zu verhindern. Die technologisch zu erwartende weltwirtschaftliche Entwicklung würde dann durch politische Entscheidungen verhindert oder zumindest abgeschwächt werden. Letztendlich wirkt die Digitalisierung mit Blick auf die Weltwirtschaft so wie auf einem lokalen Markt in → Abschnitt 3.8: Digitale Technologien verringern die Transaktionskosten von Austauschprozessen auf Märkten. Für die Konsumenten bedeutet dies eine Ausweitung des für sie relevanten Markts. Die Folge ist ein größeres Angebot mit mehr Auswahlmöglichkeiten. Für die Anbieter zieht die Marktausweitung eine größere Konkurrenz nach sich. So wie in dem Beispiel mit einem lokalen Markt für Kaffeemaschinen stellt sich <?page no="225"?> Digitalisierung und internationale Arbeitsteilung 225 auch auf dem Weltmarkt eine Tendenz hin zu einem Weltmarktpreis ein. Lokale - bzw. regionale oder sogar nationale - Anbieter müssen sich an den Weltmarktpreis anpassen. Höhere Preise können - abgesehen von Preisdifferenzen, die durch Transportkosten gerechtfertigt sind - nicht mehr gefordert werden. Für die Verbraucher bedeutet dies Preissenkungen, die Kaufkraftgewinne nach sich ziehen und so die wirtschaftliche Lage der Konsumenten verbessern. Auf Seiten der Anbieter sorgt diese Entwicklung hingegen für einen größeren Wettbewerbsdruck und möglicherweise für Einkommensverluste.  Gewonnene Erkenntnisse Die Digitalisierung hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass Produktionsprozesse, bei denen viele gering qualifizierte Arbeitskräfte eingesetzt werden, in Schwellen- und Entwicklungsländer ausgelagert wurden. Perspektivisch wird der Trend hin zu einem verstärkten Einsatz von Kapital und Technologien diese Form der internationalen Arbeitsteilung zurückfahren: Wenn sich die Produktionsprozesse weltweit dadurch auszeichnen, das die menschliche Arbeitskraft an Bedeutung verliert, macht eine geografische Auslagerung von Produktionsprozessen in arbeitsreiche Schwellen- und Entwicklungsländer wirtschaftlich betrachtet keinen Sinn mehr. Stattdessen ist eine weltweite Tendenz hin zum Reshoring zu erwarten. Damit ist ein Rückgang des Welthandelsvolumens verbunden, vor allem mit Blick auf den Warenhandel. Die 3D-Druck-Technologie beschleunigt diesen Trend. Tendenziell ist es schließlich möglich, dass ein durch die voranschreitende Digitalisierung getriebenes stärkeres Zusammenwachsen der Märkte zu einer weltweiten Angleichung der Löhne, Zinsen und letztendlich auch Einkommen der Menschen führt. Verstärkt wird diese Tendenz auch dadurch, dass sich die Produktionsverfahren weltweit annähern. Durch die zu erwartende globale Ausweitung digitaler Technologien werden die Produktionsprozesse überall zunehmend kapital- und technologieintensiv, während der Einsatz an menschlichen Arbeitskräften weltweit zurückgeht. Wenn sich die Kapitalintensität der Produktion weltweit angleicht, gilt die auch für die Grenzproduktiviät des Faktors Arbeit und damit für den <?page no="226"?> 226 Diginomics verstehen Lohn. Gleiches gilt für die weltweite Grenzproduktiviät des Faktors Kapital und den Preis für den Faktor Kapital, also den Zinssatz. Neben diesen technologischen Entwicklungen sind jedoch auch die gesellschaftspolitischen Reaktionen auf die damit verbundenen Einkommenseffekte zu berücksichtigen. Diejenigen, die aus dem Zusammenspiel des digitalen technologischen Fortschritts und der damit verbundenen internationalen Arbeitsteilung Einkommenseinbußen befürchten, haben einen großen Anreiz, diese wirtschaftlichen Entwicklungen durch eine Einflussnahme auf politische Entscheidungen zu verhindern. <?page no="227"?> 13 Digitalisierung und Industriepolitik Ein zentraler Treiber für den verstärkten Einsatz von digitalen Technologien in der Wirtschaft und im gesamten Gesellschaftsleben sind politische Maßnahmen. Über die Frage, wie weit staatliche Eingriffe reichen sollen, wird in den Wirtschaftswissenschaften intensiv diskutiert. Besonders umstritten ist dabei, ob der Staat eine industriepolitische Gesamtstrategie verfolgen soll. 13.1 Ordnungspolitik versus Prozesspolitik Eine grundlegende Frage der Wirtschaftsordnung einer Marktwirtschaft betrifft das Ausmaß staatlicher Eingriffe in ökonomische Abläufe. Hier ist zwischen zwei grundsätzlichen Konzepten zu unterscheiden, der Ordnungs- und der Prozesspolitik:  Im Fall einer reinen Ordnungspolitik setzt der Staat einen rechtlichen Rahmen, aber er greift ansonsten nicht in das Wirtschaftsgeschehen ein. Konkrete Maßnahmen sind vor allem die rechtlichen Rahmenbedingungen wie das Steuerrecht, das Wettbewerbsrecht und die Sicherung des Eigentumsrechts. Auch staatliche Infrastrukturmaßnahmen (also z. B. das Transport- und Bildungswesen sowie Infrastrukturinvestitionen in den Bereichen der Energie- und Wasserversorgung) gehören zur Bereitstellung eines stabilen Rahmens für die Wirtschaft.  Wird hingegen eine Prozesspolitik verfolgt, kommt es zu einem aktiven Eingreifen des Staates in die Wirtschaft. Dieses Eingreifen kann eine defensiv schützende Politik sein, bei der bestehende Wirtschaftsstrukturen erhalten werden. Es kann sich aber auch um eine proaktiv gestaltende Politik handeln, was eine gezielte Förderung von zukunftsträchtigen wirtschaftlichen Schlüsselbereichen bedeutet. Die dafür erforderlichen Instrumente sind weitreichender als bei der Ordnungspolitik. Sie umfassen z. B. Beihilfen und Subventionen und reichen bis hin zu einer Beteiligung des Staates an Unternehmen. <?page no="228"?> 228 Diginomics verstehen Die grundsätzliche Diskussion, die in diesem Kontext immer wieder aufkommt, betrifft die Frage, ob staatliche Eingriffe zur Förderung bestimmter wirtschaftlicher Strukturen in der Marktwirtschaft überhaupt sinnvoll sind oder nicht. Für ein derartiges Vorgehen ist es erforderlich, dass „der Staat zukunftsweisende Produktionszweige ausmachen“ (Gahlen 1978: 25) kann. Ob der Staat dazu in der Lage ist, ist in der Wissenschaft nach wie vor sehr umstritten. Kritiker der Industriepolitik sehen in ihr vor allem marktverzerrende Eingriffe, die in einer Marktwirtschaft keinen Platz haben. Grund für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands sind deshalb vor allem die Unternehmen, die aus Ideen Produkte machen, persönliche Verantwortung übernehmen und sich dem internationalen Wettbewerb samt dem damit verbundenen Marktrisiko aussetzen (vgl. Auer und Heymann 2017: 2). Auch wenn Deutschland bezüglich einer aktiven Industriepolitik bisher außerordentlich zurückhaltend war, hat dieses Thema in den letzten Jahren eine Renaissance erfahren. Grund dafür sind nicht zuletzt die positiven Erfahrungen, die Länder wie China und Südkorea mit einer aktiven Industriepolitik gemacht haben (vgl. Gerlach und Ziegler 2015: 526). Für einen zusätzlichen Schub sorgt die aktuelle Strategie Made in China 2025, mit der China eine weltweite Dominanz für zentrale Hochtechnologien erreichen möchte (vgl. SVR 2018: 80). Die generelle Skepsis gegenüber industriepolitischen Eingriffen in die Wirtschaft besteht dabei in Deutschland nach wie vor. So spricht sich die Mehrheit des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Jahresgutachten 2018/ 19 für einen Verzicht auf eine lenkende Industriepolitik aus (vgl. SVR 2018: 72). Gleichzeitig widerspricht Ratsmitglied Peter Bofinger dieser Mehrheitsmeinung (vgl. SVR 2018: 77ff.). Interessanterweise schloss sich der Bundeswirtschaftsminister in seiner Pressemitteilung zu diesem Gutachten der Mindermeinung an: „Die Auffassung, dass sich Wirtschaftspolitik allein auf die Schaffung von Rahmenbedingungen beschränken soll, also die ausnahmslose Ablehnung einer aktiven Industriepolitik, teile ich ausdrücklich nicht“ (BMWi 2018). Mit dem im Februar 2019 vorgelegten Entwurf „Nationale Industriestrategie <?page no="229"?> Digitalisierung und Industriepolitik 229 2030“ (BMWi 2019) und den dort skizzierten Leitlinien einer neuen deutschen Industriepolitik untermauerte er diese Position. 13.2 Digitale Industriepolitik der USA und in China Bei der Rolle des Staates im Kontext der Gestaltung der Digitalisierung spielen neben Fragen der Grundlagenforschung, des Steuerrechts, des Wettbewerbsrechts und anderer ordnungspolitischer Rahmensetzung zwei Aspekte eine besondere Rolle: die staatliche Förderung digitaler Technologien und die Eigentumsrechte an Daten. Bei der staatlichen Förderung und Unterstützung von digitalen Technologien - und hier vor allem im Bereich von Big Data und KI - lohnt sich ein Blick auf die beiden führenden KI-Länder der Welt: die USA und China. In beiden Ländern wird die Entwicklungsdynamik im Bereich von Big-Data-Analyse und KI maßgeblich vom Privatsektor bestimmt, der jedoch - in unterschiedlichem Ausmaß - staatlich unterstützt wird. Die USA nehmen gegenwärtig die globale Führungsposition bei der KI ein (vgl. KAS 2018: 6-8). Gründe dafür sind neben einer hohen Offenheit der Bevölkerung für digitale Technologien die nachfolgenden Aspekte (vgl. KAS 2019: 6 sowie Körner, Schattenberg und Heymann 2018: 17):  eine enge Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft, die eine hohe Durchlässigkeit bedeutet, was wiederum eine schnelle betriebswirtschaftliche Umsetzung von Forschungsergebnissen erlaubt,  eine große Zahl von Forschern und talentierten Entwicklern, von denen viele regional konzentriert an der US-Westküste ansässig sind,  große Datenmengen, die von den Privatunternehmen und Forschungsinstituten zur Optimierung der KI-Technologien genutzt werden können,  strategisch agierende Unternehmen, <?page no="230"?> 230 Diginomics verstehen  finanzkräftige (und risikobereite) privaten Investoren sowie  eine agile Legislative. Hinzu kommen in den USA der Aufbau und die Unterstützung neuer Technologien durch staatliche Mittel, die zum Teil über das Rüstungsbudget in diese Technologien fließen. Drei besonders relevante Programme bzw. Institutionen sind in diesem Kontext zu erwähnen (vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Mazzucato 2014: 98-113):  DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency): Diese Agency ist mit einem Jahresbudget von derzeit über 3 Milliarden US-Dollar und 240 Mitarbeitern ausgestattet. Sie entstand 1958 als Reaktion auf den „Sputnik-Schock“. DAPRA leistet Forschungsfinanzierung, unterstützt die Einrichtung von Informatik- Fachbereichen, leistet finanzielle Hilfe für Start-up-Firmen und Beiträge zur Halbleiterforschung, koordinierte die Anfänge des Internets und war beteiligt am Aufbau von Silicon Valley.  SBIR (Small Business Innovation Research): Dieses Programm stellt Hightech-Firmen jährlich über 2 Milliarden US-Dollar Wagniskapital zur Verfügung.  NNI (National Nanotechnology Initiative): Diese Initiative definierte zuerst, was Nanotechnologie überhaupt ist, und stellt über verschiedene Behörden gegenwärtig rund 1,8 Milliarden US-Dollar jährlich zur Förderung dieser Technologien zur Verfügung. Schließlich gibt es noch einen relativ banalen weiteren Vorteil der USA. Dieser besteht in dem Umstand, dass Englisch die zentrale Weltsprache ist. Dies erlaubt es den amerikanischen Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle rasch auf den gesamten Weltmarkt auszuweiten und sich damit große Anteile der Weltmärkte zu sichern (vgl. Körner, Schattenberg und Heymann 2018: 17). China weist zwar mit Blick auf KI-relevante international durchsetzbare Patente, Grundlagenforschung, qualifizierte Fachkräfte und Start-ups noch nicht die Werte der USA aus, gilt aber dennoch unbestritten als die zweitgrößte KI-Nation der Welt (vgl. McKinsey Global Institute 2018: 31, KAS 2018: 8). Der chinesische Staat nimmt erhebliche Mittel in die Hand, um bis 2030 zur weltweit führenden KI- Nation zu werden. Dazu nur drei Beispiele (vgl. KAS 2018: 8): <?page no="231"?> Digitalisierung und Industriepolitik 231  Für die Förderung der Chip-Industrie sind 16,4 Milliarden Euro angekündigt.  Die Stadt Tijian hat einen Fonds in Höhe von 12,8 Milliarden Euro zur Förderung von KI aufgelegt.  Zur Steigerung des Fachkräfteangebots will die chinesische Regierung mit dem „Thousand Talents“-Programm hoch qualifizierte im Ausland lebende Chinesen zurückholen. Deutschland und Europa verfügen zwar auch über komparative Vorteile im Bereich Big Data und KI, sind aber nicht so leistungsfähig wie die USA und China. So ist beispielsweise die Durchlässigkeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft längst nicht so ausgeprägt wie in den USA, sodass Forschungsergebnisse häufig nicht zur betriebswirtschaftlichen Anwendung kommen (vgl. KAS 2019: 6). Auch die staatliche finanzielle Förderung ist geringer als in China und den USA: In der im November 2018 veröffentlichten „Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung“ stellt der Bund 500 Millionen Euro für das Jahr 2019 zur Verfügung und bis 2025 insgesamt drei Milliarden Euro (Bundesregierung 2018b: 6). Das entspricht einem Viertel des Betrags, den die chinesische Stadt Tijian bereitstellt. Bezüglich der Eigentumsrechte an den Daten gibt es zwei extreme Lösungen (vgl. Crocoll 2019: 30):  Privateigentum an Daten: Ein Beispiel für eine weitgehende Privatisierung der Daten sind die USA. Dort können die Unternehmen „weitgehend bedenkenlos“ große Datenmengen sammeln und auswerten. Die Folge sind „Quasimonopolisten wie Facebook, Google und Amazon“ (Crocoll 2019: 30).  Staatliches Eigentum an Daten: Dies ist z. B. der chinesische Weg. Auf der einen Seite ermöglicht dieses Vorgehen eine große Menge an verfügbaren Daten für Analysezwecke, was die Qualität der datenbasierten Auswertung erhöht. Der Zugriff des Staates auf letztendlich alle verfügbaren Daten kann jedoch zu einer Überwachung der eigenen Bevölkerung führen - wobei darauf hinzuweisen ist, dass diese Möglichkeit grundsätzlich auch im Fall des Privateigentums an Daten besteht (siehe dazu die Enthüllungen zur NSA von Edward Snowden). <?page no="232"?> 232 Diginomics verstehen Deutschland und Europa befinden sich mit den zurzeit geltenden Datenschutzregelungen zwischen diesen beiden Extremen: Grundsätzlich liegen die Daten in der Hand von privaten Akteuren. Daneben gibt es aber auch eine Vielzahl von staatlichen Regulierungen, die die Nutzung dieser Daten beschränken. Der Grund für diese Regulierungen ist die Vermeidung von „potenziellen individuellen und gesamtgesellschaftlichen negativen Folgen“ (Mayer-Schönberger 2015: 19). Ein aktuelles Beispiel für diese Regulierungen ist die EU- Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Ob dies der internationalen Wettbewerbsfähigkeit hilft oder nicht, ist umstritten (vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Körner, Schattenberg und Heymann 2018: 18):  Kritiker dieser Regulierungen befürchten, dass die damit verbundene Einschränkung der Datennutzung einen Wettbewerbsnachteil bedeutet, der die weltweite Vormachtstellung der USA und Chinas im KI-Bereich weiter ausbauen könnte.  Möglicherweise kann sich ein hoher Standard beim Datenschutz aber auch zu einem Wettbewerbsvorteil entwickeln. Wenn die Bürger einen Schutz ihrer Privatsphäre wünschen, können die Unternehmen, die diesen Schutz glaubhaft zusichern können, für potenzielle Kunden ein attraktiver Anbieter sein. Die Weitergabe von Daten durch Facebook an das politische Datenanalyse- Unternehmen Cambridge Analytics haben deutlich gemacht, wie wertvoll der Datenschutz sein kann. Unabhängig davon, ob ein stärkerer Datenschutz perspektivisch ein Wettbewerbsvorteil für europäische Unternehmen werden könnte, ändert dies nichts an der gegenwärtigen Vormachtstellung der USA und Chinas als Weltmarktführer im Bereich von Big Data und KI. Dies lässt sich abschießend mit drei Beispielen verdeutlichen:  Der aktuelle Entwicklungsstand selbstfahrender Autos: Das aus dem Projekt „Google Driverless Car“ entstandene Unternehmen Waymo - jetzt eine Tochtergesellschaft von Alphabet - hat bereits so umfangreiche Erfahrungen mit dieser Technologie, dass im Durchschnitt lediglich alle 17.000 Kilometer ein Mensch intervenieren muss. Bei Mercedes ist hingegen im Durchschnitt schon nach weniger als drei Kilometern ein Eingriff erforderlich (vgl. <?page no="233"?> Digitalisierung und Industriepolitik 233 Crocoll 2019: 30). Für die deutsche Volkswirtschaft, die stark von der Automobilindustrie abhängt, ist dies ein gravierender Nachteil bezüglich der zukünftigen internationalen Wettbewerbsfähigkeit.  Der Anteil an der weltweiten Produktion von Batterien für Elektroautos: Batterien sind ein Kernelement der Elektroauto- Industrie. Gegenwärtig produziert China fast 60 Prozent aller Batterien für Elektroautos. Der Anteil der USA liegt bei rund 15 Prozent, der Anteil Europas bei nur vier Prozent (vgl. Marin 2019).  Der Anteil den Plattform-Unternehmen der Welt: Der Blick auf die 60 wertvollsten Plattform-Unternehmen der Welt (gemessen durch den Börsenbzw. Marktwert in US-Dollar, Stand: Dezember 2018) zeigt, dass die USA mit einem Anteil von 70 Prozent mit großem Abstand vor China liegen (Anteil von 27 Prozent). Europa kommt bei diesem Indikator gerade einmal auf drei Prozent (vgl. EPSC 2019: 7). Der Umstand, dass die USA und China ihre Länder mithilfe erheblicher industriepolitischer Maßnahmen zu den führenden Digital- und KI-Nationen der Welt machen konnten, kann als ein Argument für die Vorteilhaftigkeit dieser Strategie angesehen werden. Und selbst wenn z. B. Subventionen aus deutscher oder europäischer Sicht als ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die Marktwirtschaft angesehen werden, ändert dies nichts an dem Umstand, dass die USA und in noch stärkerem Maße China ihre Industrie mit diesem wirtschaftspolitischen Instrument unterstützen. Wenn Deutschland und Europa nicht wollen, dass ihre Unternehmen im globalen Digitalisierungswettbewerb den Anschluss verlieren, sind entsprechende Subventionen möglicherweise unumgänglich (vgl. Marin 2019). 13.3 Marktversagen als Begründung für staatliche Industriepolitik Auch wenn die Notwendigkeit einer Industriepolitik im Bereich digitaler Technologien abgelehnt werden sollte, kann es selbst für strikte Ordnungspolitiker Gründe für ein aktives Eingreifen des Staates zur Förderung digitaler Technologien geben. Eine entsprechende Förde- <?page no="234"?> 234 Diginomics verstehen rung ist ordnungspolitisch sogar geboten, wenn ein so genanntes Marktversagen vorliegt. Hiervon wird gesprochen, wenn die marktmäßige Koordination zu einem Ergebnis führt, das von dem Marktergebnis eines als optimal angesehenen Referenzmodells abweicht. Als Referenzmodell wird dabei in der Regel das Marktgleichgewicht auf einem Markt mit vollständiger Konkurrenz gewählt (→ Box 1 in → Abschnitt 3.1). Für ein Abweichen des Marktergebnisses von den Ergebnissen des Referenzmodells gibt es verschiedene Ursachen. Mit Blick auf die hier interessierende Frage, ob der Staat mit einer aktiven Industriepolitik in das Wirtschaftsleben eingreifen solle, spielen positive externe Effekte die wichtigste Rolle. Externe Effekte liegen vor, wenn die privaten Kosten einer ökonomischen Entscheidung nicht mit den sozialen - also den gesamtwirtschaftlichen - Kosten dieser Entscheidung übereinstimmen oder wenn der private Nutzen der Entscheidung nicht mit dem sozialen Nutzen übereinstimmt. Die privaten Kosten von ökonomischen Entscheidungen sind alle Kosten, die ein einzelnes Wirtschaftssubjekt trägt. Die sozialen Kosten sind hingegen die Kosten, die für die Gesellschaft - also die Summe aller Wirtschaftssubjekte - anfallen. Stimmen die privaten und die sozialen Kosten nicht überein, d. h. sind die sozialen Kosten höher als die privaten, liegen negative externe Effekte vor. Ein Beispiel für einen negativen externen Effekt ist die Umweltverschmutzung. Der private und der soziale Nutzen werden analog definiert. Ist der soziale Nutzen größer als der private, liegen positive externe Effekte vor. Ein Beispiel für einen positiven externen Effekt ist ein gepflegter Garten, an dem sich auch die Nachbarn des Eigentümers erfreuen und mit dem Imker mit ihren Bienen Honig produzieren können (vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Petersen 2016b). Eigeninteressierte Wirtschaftssubjekte berücksichtigen bei ihren Entscheidungen lediglich die privaten Kosten und den privaten Nutzen. Dabei wird eine bestimmte Handlungsalternative ausgewählt, wenn der in Geldeinheiten berechnete Nutzen dieser Alternative größer ist als die Kosten. Den größten Nettonutzen erzielt ein Wirtschaftssubjekt, wenn die privaten Grenzkosten dieser Entscheidung gleich dem privaten Grenznutzen sind. Das Ergebnis dieser individu- <?page no="235"?> Digitalisierung und Industriepolitik 235 ell rationalen Entscheidung ist aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nur dann optimal, wenn das Wirtschaftssubjekt alle anfallenden Kosten und Nutzen berücksichtigt. Falls ein wirtschaftlicher Akteur nicht alle Nutzenelemente seines Handels für sich nutzen kann, kommt es aus Sicht der gesamten Volkswirtschaft zu einem Wohlfahrtsverlust. Dieser resultiert daraus, dass rational entscheidende Akteure ein Aktivitätsniveau wählen, das gemessen an den gesamtwirtschaftlichen Vorteilen zu gering ist. Die Auswirkungen der positiven externen Effekte lassen sich mithilfe der Abbildung 22 verdeutlichen. Dabei wird von einem positiven, aber abnehmenden Grenznutzen (GN) einer bestimmten Aktivität ausgegangen. Dies bedeutet, dass eine Ausweitung der Aktivität um eine Mengeneinheit zwar einen zusätzlichen gesamtwirtschaftlichen Nutzen schafft, dass dieser Nutzenzuwachs aber mit steigender Aktivitätsmenge (X) immer geringer wird. Der gesamtgesellschaftliche Grenznutzen (GN soz ) der hier betrachteten Aktivität ist größer als der private Grenznutzen (GN priv ). Hinsichtlich der Grenzkosten (GK) wird von positiven und steigenden Grenzkosten ausgegangen. Annahmegemäß entsprechen die privaten Kosten den gesamtwirtschaftlich anfallenden Kosten (GK = GK soz = GK priv ). Eigeninteressierte Individuen werden bei ihrer Entscheidung lediglich die privaten, nicht aber die sozialen Grenzkosten berücksichtigen. Das aus individueller Sicht optimale Aktivitätsniveau liegt dort, wo der private Grenznutzen mit den privaten Grenzkosten übereinstimmt. Deshalb entscheiden sie sich für ein Aktivitätsniveau (X opt.priv ), das geringer ausfällt als das aus gesamtwirtschaftlicher Sicht optimale Niveau (X opt.soz ). Damit liegt ein Marktversagen vor, das mit einem Wohlfahrtsverlust in Höhe der Fläche a b c verbunden ist. Wenn dieser Wohlfahrtsverlust verhindert werden soll, ist ein staatliches Eingreifen erforderlich. Eine denkbare Maßnahme besteht darin, dass der Staat den privaten Wirtschaftsakteuren eine Subvention zahlt, deren Höhe der Differenz zwischen dem privaten und dem höheren gesamtgesellschaftlichen Nutzen entspricht. Der Grenznutzen des privaten Wirtschaftsakteurs entspricht dann dem gesellschaftlichen Grenznutzen, sodass sich die nutzenmaximierende <?page no="236"?> 236 Diginomics verstehen Privatperson für das aus gesamtwirtschaftlicher Sicht optimale Niveau (X opt.soz ) entscheidet. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass der Staat die fehlenden Aktivitäten ergreift und so das gesellschaftlich optimale Niveau realisiert. 22 | Aktivitätsniveau und Wohlfahrtseffekte bei positiven externen Effekten »Nutzenmaximierende Verbraucher fragen die Menge nach, bei der die privaten Grenzkosten mit dem privaten Grenznutzen übereinstimmen. Daraus resultiert die Menge X opt.priv . Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht liegt die wohlfahrtsmaximierende Menge dort, wo der gesellschaftliche Grenznutzen mit den Grenzkosten übereinstimmt, also bei X opt.soz . Ohne einen staatlichen Eingriff führt ein positiver externer Effekt zu einem Wohlfahrtsverlust, der der Fläche a b c entspricht.« Grenzkosten, Grenznutzen Grenzkosten ● ● c X opt.priv positiver externer Effekt ● a b X opt.soz Grenznutzen soz Grenznutzen priv <?page no="237"?> Digitalisierung und Industriepolitik 237 Mit Blick auf die Frage, ob der Staat industriepolitische Maßnahmen im Rahmen der voranschreitenden Digitalisierung ergreifen soll, gelten folgende Zusammenhänge: Private Aktivitäten im Kontext des digitalen technologischen Fortschritts haben eine Reihe von positiven Effekten, die über die privaten Vorteile des Handelnden hinausgehen und somit einen positiven externen Effekt darstellen. Wenn private Akteure z. B. durch Forschung und Entwicklung digitale Innovationen hervorbringen, können diese - selbst bei einem wirksamen Patentschutz - auch für andere Unternehmen von Vorteil sein. So genannte Spill-Over-Effekte befördern den technologischen Fortschritt in anderen Unternehmen. Die Verbilligung von Vorleistungen erhöht die Wettbewerbsfähigkeit aller Unternehmen, die Vorleistungen verwendet, für deren Herstellung die digitalen Innovationen genutzt werden. Innovative Unternehmen ziehen andere Innovatoren an und können so sich selbst verstärkende Innovations-Cluster schaffen. Wettbewerbsfähigere Unternehmen erhöhen die Beschäftigung und haben somit auch positive Auswirkungen auf die staatlichen Finanzen. Schließlich bedeutet eine durch digitale Innovationen erreichte Produktivitätssteigerung häufig auch höhere Löhne für die in diesen Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer. Alle diese positiven externen Effekte rechtfertigen ein staatliches Eingreifen zur Förderung digitaler Technologien. Verstärkt wird die Rechtfertigung für staatliche Interventionen in die Wirtschaftsprozesse der Digitalökonomie noch durch einige Besonderheiten der digitalen Basistechnologien. 13.4 Der Unternehmerstaat Die Bedeutung staatlicher Interventionen in die Förderung strukturverändernder Innovationen wird besonders eindrucksvoll von Mariana Mazzucato vertreten. Sie geht davon aus, dass die großen radikalen Innovationen, die die wirtschaftliche Dynamik in marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaften vorangetrieben haben, nicht von Unternehmen, sondern vom Staat realisiert wurden: „[…] bei den meisten radikalen, revolutionären Innovationen, die den Kapitalismus vorangetrieben haben - von der Eisenbahn über das Internet bis <?page no="238"?> 238 Diginomics verstehen aktuell zur Nanotechnologie und Pharmaforschung - kamen die frühesten, mutigsten und kapitalintensivsten »unternehmerischen« Innovationen vom Staat“ (Mazzucato 2014: 13). Die aktive Rolle des Staates für Wachstum und wirtschaftliche Dynamik betrifft Basistechnologien. Hierbei handelt es sich um Technologien, die sich in viele Wirtschaftssektoren ausbreiten, die im Zeitablauf immer besser und zudem günstiger werden und die ihrerseits die Erfindung und Herstellung neuer Produkte und Verfahren erleichtern. Beispiele dafür sind die Luftfahrt, die Raumfahrt, die Atomkraft, die Internettechnologien und die Informationstechnologien (vgl. Mazzucato 2014: 85). Private Unternehmen sind zu Investitionen in solchen Technologien nicht bereit, weil die Unsicherheit bezüglich des wirtschaftlichen Erfolgs zu groß ist und weil die Zeitdauer, die bis zur Marktreife und zum Erzielen von Gewinnen vergeht, zu lang ist. Der private Sektor investiert in der Regel nur in Produkte, die innerhalb von drei bis fünf Jahren wettbewerbsfähig sind, Basistechnologien wie z. B. die Nanotechnologie benötigen jedoch 10 bis 20 Jahre und mehr bis zur Marktreife (vgl. Mazzucato 2014: 112). Private Unternehmen sind daher nicht in der Lage, diese Innovationen durchzuführen. Für die große Bedeutung des Staates bei der Entwicklung von Basistechnologien gibt es zahlreiche Beispiele, die auch aus dem digitalen Bereich stammen. So ist das Internet „aus einem kleinen Netzwerkprojekt des Verteidigungsministeriums (ARPANET) entstanden, bei dem es darum ging, ein Dutzend Forschungsanlagen in den Vereinigten Staaten zu vernetzen“ (Mazzucato 2014: 86). Auch Silicon Valley verdankt seine Existenz in erheblichem Umfang der staatlichen Finanzierung und der Prioritätensetzung des Militärs im Rahmen der Verteidigungspolitik des Kalten Krieges (vgl. Mazzucato 2014: 86). Der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens Apple geht nach Ansicht von Mazzucato ebenfalls in ganz erheblichem Maß auf staatliche Grundlagenforschung zurück. Viele Technologien, die das iPhone und das iPad erst möglich machten, sind mit staatlicher Unterstützung entstanden: Halbleitertechnologien, die Grundlagen des Touchscreens und des Internets wie z. B. Kommunikationsprotokolle TCP/ IP, das Betriebssystem UNIX und E-Mail-Programme, das Glo- <?page no="239"?> Digitalisierung und Industriepolitik 239 bal Positioning System (GPS), die Entwicklung der notwendigen Akku-Technologie, um nur die wichtigsten zu nennen. Das Fazit zum Erfolg von Apple lautet dann auch wie folgt: „Der Erfolg dieser Technologien verdankt sich vielmehr vor allem der Weitsicht des amerikanischen Staates, der bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren radikale Innovationen auf dem Gebiet von Elektronik und Kommunikation in den Blick nahm. Weder die Manager noch die Aktionäre von Apple stellten sich den Herausforderungen, die mit risikoreichen Investitionen in Grundlagenforschung und Technologie verbunden waren. Als niemand sonst dazu bereit war, wagte es die amerikanische Regierung, vor allem das Militär, und landete letztendlich die Treffer“ (Mazzucato 2014: 215). Angesichts dieser grundlegenden Überlegungen zur Bedeutung digitaler Basistechnologien erscheint eine aktive staatliche Unterstützung digitaler Technologien, also eine aktive Industriepolitik, sinnvoll zu sein. 13.5 Wie viel Open Data ist ökonomisch sinnvoll? Bei dem Vergleich der industriepolitischen Strategien der USA, Chinas und Europas im → Abschnitt 13.2 wurde u. a. auf die unterschiedlichen Regelungen zu den Eigentumsrechten an Daten eingegangen. Ein wichtiger Aspekt im Kontext der Digitalisierung betrifft die grundsätzliche Frage, ob die verfügbaren Daten frei zugänglich sein sollen oder nicht. Es geht um das gesamtgesellschaftlich sinnvolle Ausmaß von Open Data, also den uneingeschränkten und kostenlosen Zugriff auf elektronische Daten. Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (kurz Bitkom) definiert diesen Begriff wie folgt: „Open Data sind ungefilterte und maschinenlesbare elektronische Daten, die jedem öffentlich, zweckfrei und unverbindlich zur Verfügung gestellt werden. Der Zugriff ist jederzeit, ohne verpflichtende Registrierung und ohne Begründung möglich. Sie werden unverzüglich und entgeltfrei zur uneingeschränkten Weiterverwendung für jedermann einfach angeboten“ (Bitkom 2017: 24). <?page no="240"?> 240 Diginomics verstehen Die Beantwortung der Frage, ob Datensätze als frei verfügbare Open Data angeboten werden sollen oder nicht, ist mit Zielkonflikten verbunden:  Grundsätzlich gilt: Je größer die Datenmenge ist, desto besser ist die Qualität der daraus gewonnenen Analysen, also der Schlussfolgerungen für betriebswirtschaftliche Entscheidungen, für die Produktentwicklung, für die Optimierung von Geschäftsprozessen, aber auch für gesamtgesellschaftliche Fragestellungen (z. B. ärztliche Diagnosen, Verkehrs- und Standplanung, um nur einige zu nennen). Dies spricht für Open Data.  Open Data kann zudem einen Beitrag zum Abbau der bereits diskutierten Informationsasymmetrien leisten und so die Informationsnachteile der Konsumenten reduzieren. Auch dies spricht dafür, möglichst viele Daten öffentlich zugänglich zu machen.  Sofern personenbezogene Daten in diesen Big-Data-Datensätzen enthalten sind, kann dies jedoch zu einer Beeinträchtigung oder sogar Verletzung der Privatsphäre führen. So gibt es Hinweise, dass den Menschen Privatheit etwas wert ist - und damit auch nutzenstiftend ist. Werden Menschen beispielsweise vor die Wahl gestellt, entweder eine bestimmte Smartphone-App ohne die Zahlung eines Preises zu erhalten, aber dafür ihre Daten für die Datensammlung durch die App zur Verfügung zu stellen, oder einen moderaten Preis zu zahlen und dafür auf die Hergabe ihrer Daten zu verzichten, entscheidet sich ein beträchtlicher Teil der Verbraucher für die Zahlung eines in Geldeinheiten ausgedrückten Preises (vgl. Kretschmer 2018: 460). Datenschutzrechtliche Überlegungen sprechen daher eher gegen das Open-Data-Konzept bzw. zumindest für eine Einschränkung der kompletten freien Verfügbarkeit.  Ein weiterer Zielkonflikt besteht bei Daten, die in der Wirtschaft anfallen. Hier gilt der in → Abschnitt 9.5 erörterte Grundsatz, dass Datensätze grundsätzlich einen kommerziellen Wert darstellen. Der freie Zugang zu diesen Daten inklusive deren Verwendung würde den wirtschaftlichen Wert reduzieren und damit die unternehmerischen Einkommen, die mit diesen Daten generiert werden können, schmälern. Hier trifft also das gesamtgesellschaft- <?page no="241"?> Digitalisierung und Industriepolitik 241 liche Interesse an Open Data mit einem freien Zugang auf das betriebswirtschaftliche Interesse an Big Data ohne einen freien Zugang.  Weitere Argumente, die gegen den frei verfügbaren Zugang zu Datensätze sprechen, sind die Gefahr von Datenmanipulationen und der Verlust von Wettbewerbsvorteilen (vgl. Bitkom 2017: 48f.). Bezüglich der Frage, wie weit das Konzept von Open Data gehen soll, besteht ein gesellschaftspolitischer Zielkonflikt zwischen den wirtschaftlichen sowie gesamtgesellschaftlichen Vorteilen frei verfügbarer Daten auf der einen und den schutzwürdigen „Interessen der Allgemeinheit und des Individuums“ (Bundesregierung 2018a: 5) auf der anderen Seite. Zu den schutzwürdigen Interessen des Individuums zählen auch die wirtschaftlichen Interessen von Einzelpersonen und Unternehmen. Die Lösung dieses Zielkonflikts ist letztendlich ein gesamtgesellschaftliches Werturteil. Rein theoretisch lässt sich dieses Abwägungsproblem ökonomisch lösen. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass es ein Kontinuum zwischen der vollständigen Offenlegung aller gesellschaftlich vorhandenen Daten (Open Data = 1) und dem vollständigen Verzicht darauf (Open Data = 0) gibt. Bezüglich der gesamtgesellschaftlichen wirtschaftlichen Vor- und Nachteile lassen sich vereinfachend folgende Annahmen treffen:  Nehmen wir an, in der Gesellschaft gibt es überhaupt keine frei verfügbaren Daten (Open Data = 0). Es gäbe also z. B. keine Telefonbücher und keine Adressbücher. Ohne solche Informationen ist die Organisation eines gesellschaftlichen Zusammenwirkens (inklusive arbeitsteiliger Produktionsverfahren) schwer denkbar. Eine sukzessive Offenlegung von Daten ist daher mit einem sehr hohen gesellschaftlichen Nutzenzuwachs verbunden.  Werden immer mehr Daten frei verfügbar gemacht, erhöht das auch den gesellschaftlichen Nutzen. Allerdings nehmen diese Nutzenzuwächse ab (Grenznutzen). Der Verlauf des abnehmenden Grenznutzens muss nicht zwingend - so wie in Abbildung 23 unterstellt - mit einer konstanten Steigung erfolgen. Die Kurve könnte <?page no="242"?> 242 Diginomics verstehen mit zunehmendem Grad der Offenlegung auch schwächer abnehmen und ggf. sogar nahezu parallel zur Achse „Ausmaß Open Data“ verlaufen.  Ohne irgendwelche frei verfügbaren Daten (Open Data = 0) besteht keine Gefahr, dass datenrelevante schutzwürdige Interessen verletzt werden. Die gesamtgesellschaftlichen Nachteile - also die gesamtwirtschaftlichen Kosten - von Open Data sind daher null.  Werden immer mehr Daten frei verfügbar gemacht, erhöht das die gesellschaftlichen Kosten. Dabei ist es plausibel, dass folgender Zusammenhang gilt: Je mehr Daten frei verfügbar sind und je stärker dabei auch personenbezogene Daten offengelegt werden, desto stärker steigen diese Kosten an: Angaben darüber, wie häufig ein bestimmter Suchbegriff innerhalb einer Woche in der Region Hamburg verwendet wird, sind datenschutzrechtlich weitgehend unbedenklich. Wenn jedoch im Zuge einer immer weiteren Offenlegung von Daten auch persönliche Informationen frei verfügbar werden, nehmen die Kosten in Form einer Verletzung bzw. Beeinträchtigung der Privatsphäre zu. Es liegen daher steigende Grenzkosten vor. Bei diesen Annahmen zu den Kosten und dem Nutzen von Open Data aus gesamtgesellschaftlicher Sicht lässt sich das optimale Ausmaß der Datenoffenlegung grafisch bestimmen (→ Abb. 23):  Solange die gesamtwirtschaftlichen Vorteile einer Ausweitung der frei verfügbaren Daten überwiegen (Grenznutzen  Grenzkosten), ist die Ausweitung des freien Zugangs zu Daten sinnvoll. Selbst wenn einzelne Individuen dadurch ökonomische Nachteile erleiden, überwiegen per Saldo die gesellschaftlichen Vorteile. Dies ermöglicht eine Kompensation derjenigen, denen aus der Offenlegung von Daten Nachteile entstehen.  Sobald jedoch eine Ausweitung der frei verfügbaren Daten größere gesamtgesellschaftliche Zusatzkosten hat, als der damit verbundene gesellschaftliche Nutzenzuwachs ist (Grenznutzen  Grenzkosten), macht diese Ausweitung - ökonomisch betrachtet - keinen Sinn mehr. <?page no="243"?> Digitalisierung und Industriepolitik 243 23 | Theoretisch optimaler Grad der Ausmaßes von Open Data »Ausgehend von einer Situation, in der es überhaupt keine frei verfügbaren Daten gibt (Open Data = 0), hat eine zusätzliche Bereitstellung von Daten einen hohen gesellschaftlichen Zusatznutzen (Grenznutzen). Der Grenznutzen wird mit jeder Ausweitung der frei verfügbaren Daten jedoch immer geringer. Die gesellschaftlichen Grenzkosten, die mit der Ausweitung der Datenoffenlegung verbunden sind, nehmen hingegen mit dem Ausmaß der Datenoffenlegung zu. Wenn alle Daten offengelegt sind (Open Data = 1), sind diese Kosten am höchsten. Das gesamtgesellschaftlich optimale Ausmaß an Open Data liegt dort, wo die Grenzkosten mit dem Grenznutzen übereinstimmen.« Daher gilt: Das gesamtgesellschaftlich optimale Ausmaß von Open Data (Open Data opt. ) liegt dort, wo der gesamtgesellschaftliche Grenznutzen mit den gesamtgesellschaftlichen Grenzkosten übereinstimmt. Für die praktische Politik ist diese theoretische Lösung jedoch nicht hilfreich: Es fehlen schlichtweg die notwendigen Infor- Grenzkosten, Grenznutzen Ausmaß Open Data Grenzkosten ● Open Data opt. Q Grenznutzen 0 1 <?page no="244"?> 244 Diginomics verstehen mationen darüber, wie hoch diese Kosten und der Nutzen sind. Wie sind z. B. die Nachteile, die einer einzelnen Person aus einer Verletzung ihrer Privatsphäre entstehen, zu bewerten? Die Frage, wie viele Daten frei verfügbar gemacht werden sollen, wird also weiterhin ein kontrovers diskutiertes Thema bleiben, weil es keine objektiven Kriterien für das richtige Ausmaß der Offenlegung von Daten gibt.  Gewonnene Erkenntnisse Dass staatliche Aktivitäten für die Förderung digitaler Technologien zwingend erforderlich sind, ist unumstritten. Über das Ausmaß dieser Aktivitäten herrscht jedoch sowohl in den Wirtschaftswissenschaften als auch in der Wirtschaftspolitik eine hohe Uneinigkeit. Die Erfolge der USA und Chinas bei digitalen Technologien, Big Data und KI sowie die positiven externen Effekte dieser Technologien lassen darauf schließen, dass die staatlichen Maßnahmen über die reine Ordnungspolitik hinausgehen sollten. Eine industriepolitische Gesamtstrategie zur Förderung digitaler Technologien kann also durchaus sinnvoll sein. Gerade für Deutschland, das bisher keine echte Industriepolitik kennt und stattdessen auf die Ordnungspolitik vertraut, würde dies eine strategische Kehrtwende der bisherigen Wirtschaftspolitik bedeuten. <?page no="245"?> 14 Fazit und Ausblick Die in diesem Buch präsentierten Überlegungen zu den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung geben einen ersten Überblick über mögliche Konsequenzen des verstärkten Einsatzes von Computern, Robotern, Big-Data-Algorithmen und anderen digitalen Technologien im Wirtschaftsleben. Mit Blick auf die Bedeutung der Digitalisierung für den Arbeitsmarkt, die Produktivität, die Einkommensverteilung, das Wirtschaftswachstum und den internationalen Handel handelt es sich um grobe Entwicklungsrichtungen, die sich ergeben können, aber nicht müssen. Wie immer wieder betont wurde, folgt die voranschreitende Digitalisierung keinem naturgesetzlichen Verlauf. Vielmehr sind viele, wenn nicht sogar alle Aspekte der Digitalisierung gesellschaftlich gestaltbare Entwicklungen. Zudem handelt es sich bei digitalen Innovationen häufig um disruptive Entwicklungen, die zu nicht vorhersehbaren technologischen Sprüngen führen können. Da es also keine Gewissheit über die konkreten zukünftigen Auswirkungen der Digitalisierung gibt, stellen die skizzierten Ausführungen denkbare Korridore möglicher Entwicklungen dar. Mit Blick auf die gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen zeichnet sich die Digitalisierung dabei sowohl durch wirtschaftliche Chancen als auch durch Risiken aus. Zu den Chancen gehört allen voran eine verbesserte Versorgung der Menschen mit Gütern und Dienstleistungen. Sie äußert sich darin, dass die Menschen im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung eine größere Produktvielfalt erhalten, eine größere Menge an Produkten konsumieren können (quantitative Verbesserung) und dafür geringere Preise zahlen müssen. Eine stärkere Anpassung von Produkten an individuelle Kundenpräferenzen bewirkt eine qualitative Verbesserung. Die digitalisierungsbedingte Verringerung der erforderlichen Arbeitsmengen zu Herstellung dieser Produkte bedeutet einen höheren Zeitwohlstand. Zudem kann die Di- <?page no="246"?> 246 Diginomics verstehen gitalisierung die Marktmacht lokaler Anbieter reduzieren, was für die Verbraucher mit einer Preissenkung einhergeht. Zu den Risiken gehören die Monopolisierungstendenzen, d. h. das Entstehen von Marktmacht, die zulasten der Verbraucher und Arbeitnehmer gehen können. Darüber hinaus kann die menschliche Arbeit langfristig ihre Rolle als entscheidende Einkommensquelle verlieren. In Kombination mit möglicherweise hohen Arbeitsplatzverlusten kann dies zu einer Verunsicherung großer Bevölkerungsschichten führen. Die durch die Digitalisierung forcierte Neuverteilung des globalen Wohlstands erhöht diese Unsicherheit der Bürger. Zudem erleichtert die Digitalisierung eine Gewinnverlagerung ins Ausland. Für den Staat bedeutet dies eine Verringerung seiner Einnahmen und damit eine Gefährdung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen. Mit Blick auf einzelne gesamtwirtschaftlich relevante Aspekte hat die Digitalisierung häufig ambivalente Auswirkungen:  Die Digitalisierung kann die Transparenz über Qualität und Quantität von angebotenen Gütern und Dienstleistungen erheblich steigern und damit Informationsasymmetrien abbauen (→ Abschnitt 3.2). Die Folge ist i. d. R ein geringerer Marktpreis, den die Verbraucher zahlen müssen. Gleichzeitig aber können neue Ungleichheiten bezüglich des Informationsstands verschiedener Marktteilnehmer entstehen (z. B. über den ökonomischen Wert von Daten oder die maximale Zahlungsbereitschaft der Kunden). In diesem Fall haben die Anbieter die Möglichkeit, ihren Informationsvorsprung zulasten der Kunden auszunutzen (→ Abschnitt 3.4 und 3.7).  Auf der einen Seite kann der verstärkte Einsatz von Computern, Robotern und KI die Marktmacht lokaler Anbieter verringern, weil den Verbrauchern ein wesentlich größerer Markt mit entsprechenden Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung steht (→ Abschnitt 3.8). Auf der anderen Seite haben viele digitale Güter und die mit ihnen verbundenen Plattformen die Tendenz, dass ein natürliches Monopol entsteht, was für den Alleinanbieter eine höhere Marktmacht bedeutet (→ Abschnitt 6). <?page no="247"?> Fazit und Ausblick 247  Digitale Technologien können die Transaktionskosten, die mit dem über Märkte organisierten Austausch von Gütern und Dienstleistungen verbunden sind, verringern. Die Reduzierung der Transaktionskosten hat für die Verbraucher neue Wahlmöglichkeiten zur Folge (z. B. private Übernachtungsangebote, Car- Sharing oder an individuelle Kundenwünsche angepasste Produkte, → Abschnitt 5.3 und 5.4) Gleichzeitig aber führen Wechselbzw. Umstellungskosten auch zu neuen Abhängigkeiten (→ Abschnitt 3.6).  Die voranschreitende Digitalisierung hat grundsätzlich einen produktivitätssteigernden Effekt, der den durch das BIP gemessenen materiellen Wohlstand der Gesellschaft erhöht (→ Abschnitte 4.1 und 5). Allerdings sind die offiziellen statistischen Verfahren momentan noch nicht in der Lage, die Wertschöpfung der Digitalökonomie zutreffend abzubilden (→ Abschnitt 4.2 und 9).  Mit Blick auf den Arbeitsmarkt schafft die Digitalisierung über Preissenkungen, Kaufkraftgewinne und erforderliche Investitionen in eine digitale Infrastruktur neue Arbeitsplätze (→ Abschnitt 7.2). Die Folge ist ein Anstieg der Nachfrage nach Arbeitskräften und damit auch ein Lohnanstieg. Gleichzeitig aber ersetzen Computer, Roboter, Maschinen und KI menschliche Arbeitskräfte (→ Abschnitt 7.1). Die sinkende Nachfrage nach Arbeitskräften wirkt für sich genommen beschäftigungs- und lohnsenkend.  Für die öffentlichen Finanzen kann die Digitalisierung positive Effekte haben: Digitalisierungsbedingte Effizienzgewinne reduzieren die Staatsausgaben, ein besserer Zugriff auf steuerrelevante Daten erhöht die staatlichen Einnahmen, und digitalisierungsbedingte Produktions- und Beschäftigungszuwächse entlasten die öffentlichen Kassen über steigende Einnahmen und sinkende Ausgaben. Gleichzeitig aber stellen eine mögliche technologisch bedingte Arbeitslosigkeit, die mangelnde Erfassung der digitalen Wertschöpfung, Ausgaben im Kontext der öffentlichen digitalen Infrastruktur und die durch digitale Technologien erleichterte Möglichkeit einer Steuerverlagerung ins Ausland die Staatsfinanzen auch unter Druck (→ Abschnitt 10). <?page no="248"?> 248 Diginomics verstehen  Mit Blick auf die Inflationsrate einer Volkswirtschaft hat die Digitalisierung sowohl inflationsdämpfende Effekte (technologisch bedingte Kostensenkungen, Angebotsausweitungen durch zusätzliche private Angebote, erhöhte Markttransparenz, Abbau von Marktmacht und nachlassende Lohnsteigerungen) als auch preiserhöhende Konsequenzen (Monopolpreise und erhöhte Preise im Kontext personalisierter Preise) (→ Abschnitt 11).  Die voranschreitende Digitalisierung reduziert die Handelskosten. Für sich genommen resultiert daraus eine Zunahme der internationalen Arbeitsteilung und des grenzüberschreitenden Handels. Gleichzeitig bedeutet die verstärkte Anwendung digitaler Technologien, dass die bisherige Verlagerung von Produktionsprozessen in Niedriglohnländer an wirtschaftlicher Attraktivität verliert, was für einen Rückgang des internationalen Handels spricht (→ Abschnitt 12).  Eine möglichst freie Verfügbarkeit von Daten hat den Vorteil, dass die Qualität der aus den Daten gezogenen Schlussfolgerungen besonders hoch ist und daher für die Verbraucher nutzensteigernd wirkt. Zu viele frei verfügbare Daten können jedoch die Privatsphäre der Bürger beeinträchtigen, was eine Nutzenreduzierung bedeutet (→ Abschnitt 13.5). Den grundsätzlich positiven Auswirkungen der Digitalisierungstechnologien stehen also auch einige ökomische Risiken gegenüber. Um die möglichen Vorteile für die Verbraucher auch tatsächlich zu realisieren, ist eine Verhinderung der Monopolisierungstendenzen erforderlich, was entsprechende staatliche Eingriffe erfordert. Zudem müssen die Menschen, für die derart umfassende technologisch bedingte Strukturveränderungen in der Regel eine hohe Verunsicherung bedeuten, sozial abgesichert werden. Ohne diese Absicherung besteht die Gefahr, dass große Teile der Bevölkerung den digitalen Wandel als Bedrohung sehen und versuchen, ihn zu verhindern. Langfristig können die durch die Digitalisierung vorangetriebenen strukturellen Veränderungen auch ganz neue Systeme der Einkommensverteilung erforderlich machen, z. B. das im Kontext der Digitalisierung häufig diskutierte Konzept des Bedingungslosen Grundeinkommens (vgl. dazu ausführlicher Petersen 2017b). Weitere <?page no="249"?> Fazit und Ausblick 249 denkbare Maßnahmen sind Arbeitszeitverkürzungen, um die verbleibende Arbeitszeit auf eine größere Anzahl von Beschäftigten zu verteilen, und eine stärkere Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten an den Kapitaleinkommen (vgl. Geiger, Prettner und Schwarzer 2018: 71-73). Letzteres könnte über eine stärkere Beteiligung der Menschen am gesamtwirtschaftlichen Produktivvermögen erfolgen. In diesem Fall würden die Menschen in ihrer Rolle als Erwerbstätige zwar Einkommen verlieren, dafür aber in ihrer Rolle als Kapitaleigentümer Einkommenszuwächse erhalten. Eine entscheidende Frage der voranschreitenden Digitalisierung lautet also: „Who will own the robots? “ (Berg, Buffie und Zanna 2016: 13) <?page no="251"?> Literatur A Acemoglu, D. (2019). „Automatisierung ist keine Naturgewalt“. WirtschaftsWoche. 8.3.2019, S. 10-11. Acemoglu, D., und P. Restrepo (2017). Robots and Jobs: Evidence from US Labor Markets. 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Jahrhunderts 64 Oligople 63 Online-Plattform 40 Open Data 16, 239, 243 Ordnungspolitik 227 Outsourcing 205 P Pay-as-you-live-Tarife 41 Personalisierung 47, 56, 79, 101 physische Betriebsstätte 179 Plattformökonomie 15 Politik 42 Präferenzen 166 Präzision 25 Preisanpassungsalgorithmus 105 Preisbildung 33, 35 Preisdifferenzierung 56, 190 Preisdiskriminierung 102 Preise personalisiert 47 unfair 61 Preiseeffekte 111 Preissteigerungen 107 Produkte Neuentwicklung 83 Optimierung 81 Produktionsfaktoren 134 Produktionsfunktion 112 Produktivität 217 Produktivitätsparadoxon 72 Produzentenrente 56 Prosument 160 Prosumtion 160 Prozesspolitik 227 Q Qualifikationsniveau 206 Qualitätsverbesserung 73, 218 R Raubkopien 15 rechtliche Rahmenbedingungen 28 regionale Verlagerung 181 regionales Zusammenrücken 219 Regulierung 29 Reklamationen 82 Rendite 143 Reshoring 205 Risikoaufschlag 84 Rivalität im Konsum <?page no="274"?> 274 Index fehlende 20 Roboter 19 für Industrie 19 für Service 19 S schöpferische Zerstörung 215 Schwellenländer 193, 194, 209 selbstlernender Preisanpassungsalgorithmus 105 Selektionsprozess 40 adverser 40, 45 semidigitale Güter 14 Share Economy 15 Sharing Economy 15, 74, 89, 145, 157 Simulationsberechnung 118 Software 18 soziale Sicherungssysteme 173 Sozialpartner 143 Spill-Over-Effekte 237 staatliche Förderung 229 Staatsausgaben 169 Steueroasen 178 Stiftung Warentest 44 Strukturwandel 136, 214, 215, 216 Substituierbarkeit 33 Suchkosten 85 Superstar-Firmen 100 T technischer Fortschritt 197 Beschäftigung 127 Geschwindigkeit 28 technologischer Fortschritt 71, 107, 138, 153, 215, 237 handelsinduzierter 198 Rest der Welt 156 Terms of Trade 212 Transaktionskosten 26, 80, 214 Transparenz 78 Transportkosten 26, 218 Trittbrettfahrerverhalten 105 U Ungleichheit 147 Unternehmerstaat 237 Upgrading 128 V variable Kosten 21 Verhaltensänderungen 42 Verhandlungsmacht 143 Versicherungsmärkte 40 Versicherungsprämien individualisiert 41 Verteilung Konflikte 216 Verteilungseffekte 133 Verteilungskonflikte 89 vollständige Konkurrenz 37 W Wachstum 160 Prosumtion 160 Sharing Economy 157 Zeitwohlstand 165 <?page no="275"?> Index 275 Web-Scraping 60 Weltagrarmarkt 223 Weltmarktpreis 222 Werbung personalisiert 47 Wertschöpfungsketten 220 Wettbewerb 186, 195, 208, 213 international 154 mit Schwellenländern 139 Nachteile 232 Vorteile 232 Wettbewerbsdruck 26 Wettbewerbseffekte 112 Wettbewerbspolitik 102, 103 Wirtschaftswachstum 149 internationale Arbeitsteilung 196 Wohlfahrt 56, 71, 99, 235 Effekte bei Preisdiskriminierung 58 Wohlstand globaler 246 Wohnungsmarkt 88 Z Zahlungsabschlag 84 Zahlungsbereitschaft maximale 34, 47, 57 Zeitersparnis 75, 83 Zeitwohlstand 165, 197 Zerschlagung 104 Zwang 23 <?page no="276"?> Antje Ries Das Projekt Studium meistern Erfolgreich studieren ohne sich zu verzetteln utb M 2018, 171 Seiten €[D] 14,99 ISBN 978-3-8252-5027-0 eISBN 978-3-8385-5027-5 Die nächste Präsentation steht an, der Text für das Seminar muss gelesen, mehrere Hausarbeiten geschrieben werden und die Klausurphase ist auch schon in Sicht. Und trotzdem noch Zeit für Freunde und Freizeit haben - wie ist das möglich? Dieser Ratgeber vermittelt anschaulich, wie mit Hilfe von Projektmanagement-Tools das eigene Studium geplant werden kann - ohne im Chaos zu versinken. Antje Ries hat BWL, Germanistik und Soziologie studiert und in mehr als 10 Jahren Unternehmensberatung “Projektmanagement“ von der Pike auf gelernt. Sie ist Geschäftsführerin des Unternehmens WissenReich Bildung & Consulting und kombiniert in ihrer Tätigkeit als Beraterin, Trainerin und Dozentin erfolgreich Projektmanagement und Erwachsenenbildung … weil Wissen erfolgreich macht. LEHRBUCH UVK Verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (07071) 9797-0 Fax +49 (07071) 97 97-11 \ willkommen@uvk.de \ www.narr.de <?page no="277"?> Günther Schanz Die BWL-Story Entwicklungsstadien einer Wissenschaft utb M 2019, 161 Seiten €[D] 19,99 ISBN 978-3-8252-5139-0 e ISBN 978-3-8385-5139-5 Eine kurze Geschichte der Betriebswirtschaftslehre Die BWL ist eine junge Wissenschaft. Ihre an Kontroversen reiche Geschichte stellt das Buch dar. Der Bogen reicht von wichtigen Wegbereitern über den zeitweilig dominierenden faktortheoretischen Ansatz von Gutenberg, das entscheidungs- und das systemorientierte Programm, die ökologische Öffnung des Fachs bis hin zum Neuen Institutionalismus und zur verhaltenstheoretischen BWL. Dieses Buch ist ein Must-have für (angehende) Betriebswirt- Innen, da es die Entwicklungsstadien dieser jungen Wissenschaft auf eindrucksvolle Art und Weise darstellt. BETRIEBSWIRTSCHAFT Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 9797-0 \ Fax +49 (0)7071 97 97-11 \ info@narr.de \ www.narr.de <?page no="278"?> Gerlinde Mautner Wissenschaftliches Englisch Stilsicher schreiben in Studium und Wissenschaft Studieren, aber richtig (STAR) 3., aktualisierte Auflage 2019, 264 Seiten €[D] 19,99 ISBN 978-3-8252-5219-9 eISBN 978-3-8385-5219-4 In Studium und Wissenschaft ist Englisch keine Fremdsprache. Um die Sprache wirkungsvoll und stilistisch angemessen einzusetzen, braucht es aber besondere sprachliche Kenntnisse. Die kompakte Darstellung bietet die nötigen Grundlagen, um Bachelor- und Masterarbeiten, Dissertationen oder sonstige wissenschaftliche Arbeiten in englischer Sprache zu verfassen. Das Buch richtet sich an Studierende mit deutscher Muttersprache und berücksichtigt typische Fehler von native speakers des Deutschen. LEHRBÜCHER \ RATGEBER UVK Verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (07071) 9797-0 Fax +49 (07071) 97 97-11 \ willkommen@uvk.de \ www.narr.de <?page no="279"?> ,! 7ID8C5-cfddje! ISBN 978-3-8252-5339-4 Thieß Petersen Diginomics verstehen Ökonomie im Licht der Digitalisierung Chancen und Risiken erkennen! Computer und Roboter sind auch aus der Ökonomie nicht mehr wegzudenken. Ihre Bedeutung wächst durch künstliche Intelligenz und Big Data rasant. Das wirkt sich auf ökonomische Entwicklungen aus, etwa auf die Preisbildung und die Produktivität. Mehr noch: Die Digitalisierung geht zudem mit Monopolisierungstendenzen, Arbeitsmarkt- und Verteilungseffekten einher. Darüber hinaus beeinflusst sie das Wirtschaftswachstum, die Inflation und die Finanzlage des Staates. Sie treibt die internationale Arbeitsteilung grundsätzlich voran, hat aber auch Effekte, die den Welthandel verringern. Der Autor geht auf diese mikro- und makroökonomischen Effekte ein und erläutert sie mit Hilfe ökonomischer Begrifflichkeiten auf verständliche Art und Weise. Chancen und Risiken werden ebenso behandelt wie die Notwendigkeit einer gesellschaftspolitischen Gestaltung der Digitalisierung. Wirtschaftswissenschaften Informatik Diginomics verstehen Petersen Dies ist ein utb-Band aus dem UVK Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehrbücher und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb-shop.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel 53394 Petersen_M-5339.indd 1 53394 Petersen_M-5339.indd 1 06.03.20 14: 03 06.03.20 14: 03