Forschen, Lehren, Führen
Das ABC für die Hochschulkarriere
0914
2020
978-3-8385-5425-9
978-3-8252-5425-4
UTB
Anette Hammerschmidt
Neela Enke
Universitäten und Hochschulen sind weitaus komplexer als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Dies bekommen v.a. Mitarbeiter*innen im Mittelbau, Dozenten*innen und Professoren*innen zu spüren. Sie sind nicht nur mit Forschung und Lehre betraut, sondern auch mit einem breiten Spektrum recht diverser Aufgaben und Verantwortungen. Welche Schlüsselkompetenzen braucht es, um sich in diesem Feld zurechtzufinden? Wie bereite ich mich auf den Berufungsprozess vor? Wie führt man ein Team oder Institut? Wie gehe ich mit Stress um?
Das Buch behandelt solche Schwierigkeiten und Herausforderungen. Es ist ein Handbuch, das man an der passenden Stelle aufschlagen kann, um über einen gegebenen Anlass zu reflektieren und so für sich einen Weg bzw. eine Lösung in einer gegebenen Situation zu finden. Das Buch gibt erste Anregungen, konkret erfahrene Schwierigkeiten aus einer anderen Perspektive zu betrachten, das eine oder andere auszuprobieren.
<?page no="0"?> Hammerschmidt | Enke (Hg.) Forschen Lehren Führen Das ABC für die Hochschulkarriere Forschen - Lehren - Führen Hammerschmidt | Enke 13.07.20 15: 51 13.07.20 15: 51 U1.indd 1 U1.indd 1 10.08.2020 08: 22: 10 10.08.2020 08: 22: 10 <?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn Narr Francke Attempto Verlag / expert verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Ernst Reinhardt Verlag · München Ferdinand Schöningh · Paderborn transcript Verlag · Bielefeld Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlag · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld utb 5425 <?page no="3"?> Anette Hammerschmidt, Neela Enke (Hg.) Forschen, Lehren, Führen Das ABC für die Hochschulkarriere UVK Verlag · München <?page no="4"?> Onlineangebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.dnb.de> abrufbar. © UVK Verlag 2020 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · 72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: © iStockphoto · Heiko119 Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck UTB-Nr. 5425 ISBN 978-3-8252-5425-4 (Print) ISBN 978-3-8385-5425-9 (ePDF) <?page no="5"?> Ge-Danken In so ein umfassendes Werk fließen, bis es spruchreif und schließlich druckreif ist, die Überlegungen, Anregungen und Gedanken vieler Menschen, denen wir als Herausgeberinnen an dieser Stelle herzlich danken wollen. Unser Dank gilt allen Autor*innen für ihre vielfältigen Beiträge, die ihr fundiertes Wissen und ihre langjährige Erfahrung als Coaches und Expert- *innen auf ihrem Gebiet auf wenige Seiten zu komprimieren wussten, um hieraus ein umfassendes und doch handliches Buch entstehen zu lassen. Ohne ihren Einsatz, trotz zuweilen widriger Umstände, und ohne ihre Geduld angesichts mehrerer redaktioneller Schleifen wäre dieses Kompendium nicht entstanden. Für uns hat sich auch hier wieder gezeigt, welcher Reichtum an Expertise sich im ‚Coachingnetz Wissenschaft’ versammelt und Kreise des kollegialen Austauschs zieht, die über das Netzwerk hinaus unsere Partner*innen in Hochschule und Forschung einschließt. Besonders danken möchten wir Claudia Eilles-Matthiessen und Monika Klinkhammer, die uns im Vorfeld noch in der Konzeptionsphase unschätzbar wertvolle Anregungen zu Kompetenzfeldern und Coachingsituationen gegeben haben, die in die Struktur des Buches und die Auswahl der Begriffe eingeflossen sind. Wir danken allen, insbesondere Silke Öhrlein-Karpi, die mit ihrem scharfen Blick und feinen Sprachgefühl vielen Texten den letzten Schliff gegeben haben. Und last, but definitely not least, gilt unser Dank Sarah Wodezki und Verena Hilpert, die all die Beiträge zusammengetragen, die Ruhe und den Überblick behalten, punktuell nachgehakt und uns an Deadlines und vieles mehr erinnert haben, damit aus diesem Fundus schließlich auch ein Buch wird. München, Berlin 2020 Anette Hammerschmidt & Neela Enke <?page no="7"?> Inhalt Rahmenbedingungen der Hochschulkarriere.....................................................11 Handlungsfelder und Begriffe....................................................... 21 ABC .................................................................................................... 23 Anfang gestalten........................................................................................................25 Anträge schreiben .....................................................................................................27 Ausstieg aus der Wissenschaft...............................................................................30 Berufungsprozesse ....................................................................................................33 Besprechungen und Meetings ................................................................................36 Betreuung von Abschlussarbeiten ........................................................................39 Change gestalten .......................................................................................................41 Delegieren ...................................................................................................................45 Drittmittel einwerben...............................................................................................48 Entscheidungen treffen............................................................................................51 Entscheidungsfindung..............................................................................................53 Feedback ......................................................................................................................55 Fremdbild/ Selbstbild .................................................................................................58 Führungsstile ..............................................................................................................61 Gespräche mit Mitarbeitenden...............................................................................66 Gleichstellung.............................................................................................................71 Gremienarbeit ............................................................................................................74 Habitusreflexion ........................................................................................................78 Haltung ........................................................................................................................81 Hochstapler-Syndrom ..............................................................................................84 Institutsleitung ...........................................................................................................88 Inter- und Transdisziplinarität...............................................................................90 <?page no="8"?> 8 Inhalt Interkulturelle Kommunikation.............................................................................92 Internationale Zusammenarbeit ............................................................................96 Internationalisierung................................................................................................98 Karrierebrüche ........................................................................................................ 102 Karriereplanung...................................................................................................... 106 Kollegiale Beratung................................................................................................ 109 Kommunikation ...................................................................................................... 113 Kompetenzentwicklung ........................................................................................ 120 Konfliktmanagement ............................................................................................. 122 Kooperationen......................................................................................................... 127 Kreativität ................................................................................................................ 129 Kritikkompetenz ..................................................................................................... 132 Laterale Führung .................................................................................................... 135 Lehrkompetenz ....................................................................................................... 138 Life Balance.............................................................................................................. 142 Mikropolitik............................................................................................................. 146 Misserfolge und Scheitern.................................................................................... 149 Mobbing.................................................................................................................... 152 Motivation................................................................................................................ 155 Nachwuchsförderung ............................................................................................ 158 Netzwerken.............................................................................................................. 161 Perfektionismus ...................................................................................................... 164 Persönlichkeiten von Mitarbeitenden ............................................................... 168 Personalauswahl ..................................................................................................... 170 Profilentwicklung................................................................................................... 173 Projektmanagement............................................................................................... 176 Promotionen betreuen .......................................................................................... 180 Publizieren ............................................................................................................... 183 <?page no="9"?> Inhalt 9 Qualitätsmanagement ........................................................................................... 186 Resilienz.................................................................................................................... 189 Rolle ........................................................................................................................... 193 Selbstführung .......................................................................................................... 195 Selbstpräsentation .................................................................................................. 198 Selbststeuerung ....................................................................................................... 201 Situative Führung ................................................................................................... 204 Stress und Stresskompetenz ................................................................................ 206 Teamentwicklung und -konflikte ....................................................................... 209 Teamstruktur und -führung ................................................................................ 213 Third Space .............................................................................................................. 216 Übergänge und Statuspassagen .......................................................................... 219 Umgang mit Verwaltung ...................................................................................... 222 Umgang mit Vielfalt............................................................................................... 225 Verhandeln............................................................................................................... 228 Visionsentwicklung ............................................................................................... 231 VUCA ........................................................................................................................ 233 Wissenschaftskommunikation ............................................................................ 236 Wissensmanagement............................................................................................. 238 Zeitmanagement..................................................................................................... 241 Zuhören .................................................................................................................... 244 Über die Autor*innen ............................................................................................ 249 Index .......................................................................................................................... 253 <?page no="11"?> Rahmenbedingungen der Hochschulkarriere Anette Hammerschmidt & Neela Enke Wer im akademischen Feld, sei es an einer Hochschule oder in einem Forschungsinstitut, Erfolg haben und Karriere machen möchte, braucht neben profundem Fachwissen, umfassenden Kenntnissen relevanter Forschungsmethoden und akademischen Fertigkeiten (wie z.B. das Verfassen wissenschaftlicher Texte) eine Reihe weiterer Kompetenzen, um verschiedenen Hürden und Herausforderungen, die sich auf diesem meist langen Weg einstellen, angemessen begegnen zu können. Das Spektrum ist breit - es reicht von Fragen der Selbststeuerung bis zur professionellen Entwicklung, über den konstruktiven Umgang mit anderen Akteur*innen in wechselnden Konstellationen und Rollen bis zum geschickten Agieren in der Organisation. Ob der persönliche und professionelle Werdegang gelingt, ist - wenn wir von Zuällen, Glücksällen, Herkunft und sehr unterschiedlichem Startkapital mal absehen - zu einem nicht unerheblichen Anteil eine Frage der individuellen Fähigkeiten und Anstrengungen. Aber ohne die Berücksichtigung und Kenntnis des akademischen Kontextes mit seinen spezifischen Eigenarten und Tücken, wäre es wie Navigieren in dichtem Nebel. Die Gefahr, von Strömungen mitgerissen zu werden, auf einer Sandbank aufzulaufen oder einen Felsen zu rammen wäre, um im Bild zu bleiben, recht hoch. Professionelles Handeln ist immer an den Kontext der Organisationsform und des sozialen Systems gebunden, in dem es stattfindet. Das macht das Besondere der hier als ABC zusammengestellten Begriffe aus: dass sie typische Fragen, Situationen und Stationen auf dieser Reise aufgreifen und in der Erörterung den systemischen Kontext immer mit(be)denken. Betritt man eine Hochschule, fällt als erstes ins Auge, dass diese Organisation in unterschiedliche Fachbereiche gegliedert ist, die außer dem institutionellen Rahmen, der bestimmte Anforderungen an die Forschung und Lehre vorgibt, fachlich nicht unbedingt miteinander etwas zu tun haben, obschon jederzeit die Möglichkeit besteht, in unterschiedlichen Konstellationen (z.B. in Forschungsprojekten und Exzellenz-Clustern) zusammenzuarbeiten. Die Grenzen zwischen Fachbereichen sind einerseits definiert und stabil, andererseits in Kooperationszusammenhängen und interdisziplinären Forschungsansätzen auflösbar. Im Allgemeinen besitzen die Fachbereiche einen hohen Grad an Autonomie und agieren, sofern es um fachspezifische Belange geht, unabhängig voneinander. Autonomie und Unabhängigkeit sind in Forschung und Lehre ein hohes Gut, das sich in den <?page no="12"?> 12 Rahmenbedingungen der Hochschulkarriere Organisationsstrukturen ebenso widerspiegelt wie in Anspruch und Selbstverständnis der Akteur*innen. Für viele ist gerade das ein Anreiz, in diesem System zu arbeiten und über die Hierarchien aufzusteigen. Das Privileg der Autonomie ist in der Regel Professor*innen und Lehrstuhlinhaber*innen oder dem Rektorat vorbehalten, die abhängig von ihren Überzeugungen und Werten, ihrem Hierarchie- und Führungsverständnis die strukturellen Freiräume sehr unterschiedlich nutzen und gestalten. Veränderungsprozesse auf Hochschulebene sind daher oft mühsam, benötigen viel diplomatisches Geschick und einen langen Atem, um die einzelnen Akteur*innen (Professor- *innen und Lehrstuhlinhaber*innen genauso wie die zu beteiligenden Gremien und ggf. die oft hochschulpolitisch organisierten Studierenden) zu einer gemeinsamen Linie zu bewegen. Veränderungsprozesse können leicht von einzelnen unterlaufen oder gar boykottiert werden. 1 Maßgeblich für den Erfolg und die Reputation der Akteur*innen in Forschung und Lehre ist die Anbindung an ihre Scientific Community und damit, weit über die Grenzen der eigenen Hochschule hinaus, in Forschungsprojekten, auf Konferenzen und über Publikationen den Austausch mit Kolleg*innen in aller Welt zu pflegen, die an ähnlichen Themen und Fragestellungen arbeiten. Netzwerke und Sichtbarkeit sind unerlässlich für eine wissenschaftliche Karriere. Ob man als Forscher*in zum Mainstream gehört, als Pionier*in einen Wettlauf gewinnt oder als Spinner*in aus der akademischen Community ausgeschlossen wird - die Spielregeln der Fachkulturen sind für die professionelle Positionierung entscheidend. Die lokalen universitären Strukturen, in die man eingebunden ist, spielen da eine untergeordnete Rolle. Die Anbindung der Fachkulturen an die Organisation ‚Hochschule‘ ist eher formaler Natur. Zwischen Forschung und Lehre auf der einen und Universitätssteuerung und Verwaltung auf der anderen Seite bestehen strukturelle und kulturelle Unterschiede, die sich in unterschiedlichen Erfahrungen 1 Die Situation an außeruniversitären Forschungseinrichtungen ist in sofern etwas anders, als es meist eine stärker formale Hierarchie gibt: an der Spitze des Instituts stehen in der Regel ein bis mehrere Direktor*innen, die die Institution nach innen und außen repräsentieren und strategische Entscheidungen treffen. Dabei handhaben die unterschiedlichen Institutionen Wechsel im Direktorium unterschiedlich: manchmal bleibt das Direktorium über Jahre bestehen, in anderen Fällen rotiert die Verantwortung in bestimmten Intervallen. Für festangestellte Gruppen- und Abteilungsleiter*innen gilt die Freiheit der Forschung im Prinzip ebenso; sie müssen ihre Forschung aber immer wieder in Bezug zur Forschungsstrategie der Institution positionieren oder gar einordnen. Auch hier kommt es letztlich sehr auf das Führungsverständnis und die fähigkeiten des Direktoriums an, wie direktiv und hierarchisch agiert wird. Anders als an Universitäten besteht zumindest formal eine durchgehende Hierarchie mit entsprechenden Weisungsbefugnissen. <?page no="13"?> Rahmenbedingungen der Hochschulkarriere 13 und Sichtweisen auf ‚Hochschule‘ niederschlagen und entsprechend zu Reibung oder gar Konflikten führen können. So entsteht in dem Begegnungsraum zwischen beiden Bereichen seit einigen Jahren ein ‚Third Space‘ mit neuen Aufgabenfeldern, in der Absicht, die traditionelle Kluft zu überbrücken und die wachsende Komplexität der Hochschul- und akademischen Selbstverwaltung zu ‚managen‘, um den steigenden Anforderungen nach innen und nach außen nachzukommen. Hochschulen selbst sind ‚Akteure‘ in einem nationalen und internationalen wissenschaftlichen Umfeld - ein akademischer ‚Markt‘, auf dem sie miteinander kooperieren, konkurrieren und um finanzielle Mittel kämpfen. Es bestehen Abhängigkeiten von anverwandten Akteuren: regulatorische Instanzen, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) oder der Wissenschaftsrat, die wissenschaftspolitische Rahmenbedingungen vorgeben - z.B. die Einführung der Exzellenzinitiative, die inzwischen durch die Exzellenzstrategie ersetzt wurde - über Finanzierungen entscheiden und Prüfungen, beispielsweise Akkreditierungsverfahren, durchführen. Auch gesellschaftliche Entwicklungen spielen in das akademische Umfeld hinein, als gesellschaftspolitische Fragen, politische Strömungen, Denkmuster eines Zeitgeistes oder als Anforderungen einer Leistungsgesellschaft, die wiederum eine hochschulspezifische Wirkung auf die einzelnen Akteur*innen entfaltet und sich im akademischen Berufsalltag, in Fragestellungen, Problemen und Herausforderungen wiederfindet. Was von innen u.U. als Desorientierung und Hürden der eigenen Organisation erlebt werden kann, ergibt aus der Gesamtschau von außen einen Überblick über die unterschiedlichen Ebenen und Schnittstellen, Erwartungen und Interessen sowie einen Eindruck der Konfliktpotentiale und Paradoxien der Organisation als Ganzes. Wie jede Organisation, so hat auch das Hochschulsystem seine Idiosynkrasien und Widersprüche. Vor dem Hintergrund dieser enormen Komplexität, einer vielschichtigen strukturellen Binnen-Diversität und den Freiräumen, die in den weniger genormten Zwischenräumen entstehen, sind diese Widersprüche allerdings schwerer einzudämmen und hängen stärker von der Einstellung und Persönlichkeit von einzelnen Personen in Schlüsselpositionen ab. Wir möchten hier kurz ein Modell sozialer Systeme 2 skizzieren, an dem sich zwei für Hochschulen wesentliche Strukturmerkmale gut abbilden lassen. 2 SIMON, Fritz B., 2004. Gemeinsam sind wir blöd! ? Die Intelligenz von Unternehmen, Managern und Märkten. Heidelberg: Carl Auer. <?page no="14"?> 14 Rahmenbedingungen der Hochschulkarriere Soziale Systeme bestehen erstens aus Personen, die zweitens je nach Kontext unterschiedliche Aktionen durchführen. „In jedem aktuell realisierten sozialen System - ob Paar, Familie, Verein, Unternehmen (...) - lassen sich zwei unterschiedliche Ordnungen diagnostisch unterscheiden: Muster, die durch die Kopplung von Akteuren entstehen, und Muster, die durch die Kopplung von Aktionen entstehen.“ (Simon 2004, 74) Erstere macht die Sozialdimension, letztere die Sachdimension eines sozialen Systems aus. Die Kopplung, also die Bindung der Akteur*innen, ist entscheidend für die Art und Größe des sozialen Systems. Aus den Aktionen ergeben sich stark oder wenig abgestimmte und festgelegte Prozessmuster wie Arbeitsabläufe, Formen der Zusammenarbeit, Interaktionen, Rituale usw., die bedingen welches Wissen und Können vorausgesetzt wird, um als Akteur*in mitspielen zu können. Als Strukturmerkmal können sowohl Aktionen als auch Akteur*innen entweder lose oder fest miteinander verbunden, also ‚gekoppelt‘ sein. (ebd. 82ff.) Daraus ergeben sich vier prototypische Organisationsformen, die sich unmittelbar auf das Gemeinschaftsverständnis der Beteiligten auswirken. In einer Familie, dem Prototyp des personenorientierten sozialen Systems, sind die Beziehungen unkündbar und die Mitglieder fest miteinander verbunden. Die Identität einer Familie definiert sich durch die dazugehörigen Personen. Kommunikationsmuster und Aktionen sind dagegen abhängig von den jeweiligen Rollen und über verschiedene Lebensphasen hinweg recht wandelbar. Im Kontrast dazu sind in Organisationen die Akteur- *innen austauschbar, 3 ohne dass die Identität der Organisation dadurch in Frage gestellt würde, wohingegen Aktionen in eingespielten Regeln, Prozessen und Abläufen relativ festgeschrieben, also fest gekoppelt sind. Organisationen sind daher „vergangenheitsorientiert. Sie setzen die Spielregeln fort, nach denen schon früher gespielt wurde.“ Und sie „sind exklusiv, d.h., sie lassen nicht jeden mitspielen, sondern sind selektiv in ihren Zugangsbedingungen.“ (ebd. 92) Womit wir wieder bei dem hier zusammengestelltem ABC und den hochschulspezifischen Herausforderungen und Anforderungen wären. Typisch für die Akteur*innen an Hochschulen ist, dass sie ständig in wechselnden Kontexten agieren, in denen sie mal ein hohes Maß an Ge- 3 Hier besteht ein weiterer charakteristischer Unterschied zwischen der Organisationsform ‚Hochschule‘ und beispielsweise wirtschaftlichen Organisationen darin, dass einzelne Akteur*innen, in erster Linie Professor*innen und Lehrstühle, durch ihr internationales Renommee zum Ansehen der Institution beitragen, an der sie arbeiten. Ivy- League-Universitäten nähren sich u.a. vom Ruf ihrer weltweit anerkannten Wissenschaftler*innen. In unterschiedlichen Abstufungen ist dieser individuelle ‚Mehrwert‘ auch eine Verhandlungsgrundlage in Berufungsverfahren. <?page no="15"?> Rahmenbedingungen der Hochschulkarriere 15 staltungsfreiheit und Autonomie besitzen, mal nach überkommenen Spielregeln starren Prozessen zu folgen haben. Auch als Akteur*innen sind sie in den jeweiligen Kontexten unterschiedlich aneinander gekoppelt, mal lose und formal (z.B. im Umgang mit regulatorischen Institutionen, Verwaltung etc.), mal enger und personenorientiert (z.B. in einem Forschungsteam). Dazwischen eröffnet sich ein breites Spektrum unterschiedlicher Situationen wie Lehre, Studienbetreuung, Gremienarbeit, Kooperationen, Institutssitzungen und -leitung, Akademische Selbstverwaltung, Verhandlungen, Prüfungssituationen, Verwaltungsarbeit, Forschungsprojekte uvm. Sie alle stellen Variationen loser und enger Kopplung sowohl auf der Beziehungsals auch auf der Handlungsebene dar. In jeder dieser Situationen müssen Beziehungen und Spielregeln angepasst, z.T. auch erst einmal verhandelt werden. Das bedingt eine vielschichtige Organisationsstruktur aus Unabhängigkeit und Miteinander, Machtansprüchen und kollegialer Zusammenarbeit, die spontanen und stark von Persönlichkeiten geprägten Interpretationen und Verhaltensweisen viel Spielraum lassen. Trotz staatlicher Richtlinien (der Staat ist ein Akteur auf dem Hochschul-‚Markt‘) und stark genormter Abläufe (Prüfungsverfahren, Zulassungen etc.) ühren Autonomieanspruch und Vielschichtigkeit der Organisation zu einer enormen Komplexität bei gleichzeitiger Starrheit. Ein zweites Charakteristikum betrifft den Umgang mit Macht und Hierarchie in den je wechselnden Konstellationen. Im Allgemeinen lassen sich, unabhängig von der Frage nach der Hierarchiestruktur, zwei Machtbegriffe unterscheiden. Üblicherweise versteht man unter Macht solche, die wir <?page no="16"?> 16 Rahmenbedingungen der Hochschulkarriere über andere haben und ausüben können. Die Alternative ist nicht Machtlosigkeit, sondern Macht zu teilen, also ein Machtbegriff, der auf Macht mit anderen baut. Auf der einen Seite bedingen die Strukturen der Universitätssteuerung, die Trennung von Wissenschaft und Verwaltung, die Hierarchien unter Amtsinhabern, Lehrstühlen und Professoren, sowie die damit einhergehenden Privilegien gegenüber Abhängigen (wie z.B. Doktorand- *innen) und insbesondere die Verteilung begrenzter finanzieller Mittel eine hierarchische Organisationsstruktur, die auf Macht über andere beruht. Auf der anderen Seite verlangen der Autonomieanspruch von Forschung und Lehre, der Austausch und die Zusammenarbeit in Expert*innennetzwerken und Forschungsprojekten sowie die Betreuung von Nachwuchswissenschaftler*innen, Promovierenden oder PostDocs einen kooperativen Kommunikations- und Führungsstil, der auf Macht mit anderen baut, um das jeweilige Ziel zu erreichen. Diese zwei Paradigmen sind nicht eindeutig nach Bereichen getrennt, sondern miteinander verwoben und führen so zu vielerlei Interferenzen, Verschiebungen und Überlagerungen, die häufig Thema in Coachingsitzungen sind. Aus all dem ergeben sich ür den Hochschul- und Forschungsbereich typische Coachingsituationen, Themen und Herausforderungen, die sich zur Orientierung in das folgende ‚Quadrantenmodell‘ einordnen lassen. 4 innen außen Psychologie Aspekte und Facetten, die die Persönlichkeit eines Individuums ausmachen und für andere nicht unmittelbar zugänglich sind - wie Gefühle, Ängste, Werte, Überzeugungen, Glaubenssätze, Denkmuster, etc. von denen einige halb- oder unbewusst sind. Q1 Verhalten Im menschlichen Handeln und an Verhaltensweisen zeigen sich die Persönlichkeit (Q1), die Talente und die erworbenen Fähigkeiten (das ‚Skillset‘), z.B. darin, wie wir kommunizieren, mit anderen interagieren, führen, wie wir Stellung beziehen, auf Konflikte reagieren etc. Q2 Kultur Wer wir als Gemeinschaft sind, hängt u.a. von den geteilten Überzeugungen, Werten, Paradigmen, Tabus usw., also den im Verborgenen nur teilweise bewusst wirkenden Bedeutungszuweisungen ab, die menschliches Handeln prägen. Q3 Soziales System Hierzu gehören alle ‚äußeren‘ Formen wie Sozialstrukturen (z.B. Familie) Hierarchien und Prozesse (Organisation, Abläufe, Vorgehensweisen), Regeln und Gesetze, die die greifbaren, beobachtbaren Strukturen eines sozialen Systems ausmachen. Q4 4 nach Ken Wilber, 2000, A Theory of Everything: An Integral Vision for Business, Politics, Science, and Spirituality. Boulder: Shambhala <?page no="17"?> Rahmenbedingungen der Hochschulkarriere 17 Die Merkmale aller ‚vier Quadranten‘ bedingen und beeinflussen sich wechselseitig. Persönlichkeit und Haltung prägen unser Verhalten so wie umgekehrt unser Verhalten auf unsere Überzeugungen und Befindlichkeiten zurückwirkt. Wechselwirkungen gibt es in alle Richtungen zwischen allen vier Quadranten. Veränderungen in einem Quadranten haben Auswirkungen auf die anderen - womit allerdings die Grenzen individueller Einflussnahme auf strukturelle und systemische Verhältnisse nicht ignoriert werden sollen. Die Annahme, man könne eine*n ,tyrannische*n Chef*in‘ oder systembedingte Ungleichheit allein durch innere Arbeit an den eigenen Überzeugungen, Ängsten und Bedürfnissen ändern, ist absurd. Und doch bewegt sich etwas, wenn jemand seine Einstellung ändert. Veränderung und Transformation geschieht schrittweise und bleibt ein Entwicklungsprozess. Gerade im akademischen Umfeld ist allerdings auch Vorsicht geboten. Die Verführung ist groß, die Entwicklung der eigenen Professionalität als Selbstoptimierung im Sinne des ,Systems Wissenschaft‘ zu betreiben - eine implizite Anforderung des Systems, die viele Wissenschaftler*innen in der Qualifikationsphase (unbewusst) verinnerlicht haben. Der Genialitätsmythos gepaart mit den hohen Leistungsanforderungen treibt viele in die Perfektionismusfalle: „Es ist nie genug. Es geht immer noch mehr“, meinte eine Professorin im Coaching. Nach oben gibt es keine Grenze - bis zum Nobelpreis. Dabei werden die strukturellen Probleme des Systems beim Individuum abgeladen - nur wer sich permanent ‚selbst optimiert‘ hat überhaupt eine Chance, erfolgreich zu sein. Wer ,es nicht bis zur Professur schafft‘, könnte versucht sein zu glauben, er*sie habe versagt. Weder werden dabei Probleme wie homosoziale Kooptation, soziale Schließung, explizit und implizit diskriminierende Gratifikationssysteme noch der strukturellen Überlastung Einzelner und die jahrelange serielle Befristung von Wissenschaftler*innen in den Blick genommen, oder die Frage gestellt, ob dieses System und seine Selektionsmechanismen überhaupt ,besseres‘ Wissen und ,bessere‘ Wissenschaftler*innen hervorbringt. Im Rahmen der Karriereentwicklung im akademischen System wird der Blick vor allem auf fachliche Qualifikationen sowie vermeintlich objektive und quantifizierbare Faktoren gerichtet (z.B. Abschlüsse, Publikationslisten, Vorträge etc.). Das ist eine sehr einseitige Sichtweise, die u.a. die Entstehungsbedingungen der Qualifikationen vernachlässigt: so ist beispielsweise ein herausragender Abschluss der Promotion keineswegs ausschließlich von der wissenschaftlichen Genialität der ausführenden Person abhängig, sondern auch von Rahmenbedingungen wie die Qualität der Betreuung, finanzielle Versorgung, Vertrautheit mit akademischen Gepflogenheiten, Passung der Kandidat*in zu bestehenden Normen und manchmal dem Glück, ein besonders spannendes Thema zugeteilt bekommen zu <?page no="18"?> 18 Rahmenbedingungen der Hochschulkarriere haben. Wir verstehen hier professionelle Entwicklung hingegen als Teil der Persönlichkeitsentwicklung und als Unterstützung zum selbstbestimmten Arbeiten, das auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem System selbst beinhaltet. Durch die Berücksichtigung notwendiger Kompetenzen kann ein umfassenderes Bild entstehen. Der Kompetenzbegriff wird unterschiedlich definiert und ist nicht immer scharf von Fähigkeiten und Qualifikationen abzugrenzen. In diesem Buch verstehen wir ,Kompetenz‘ als die Ressource einer Person, aufgrund von Erfahrung, Können und Wissen bestimmte Anforderungen bewältigen zu können. Kompetenzen lassen sich in Fachkompetenzen und personale Kompetenzen unterscheiden. Fachkompetenzen setzen sich aus kognitiv/ analytischen sowie methodischen Fertigkeiten zusammen. Personale Kompetenzen lassen sich nach Sozial- und Selbstkompetenzen einteilen. Im akademischen Kontext kommen sie in konkreten Situationen in unterschiedlichen Konstellationen zum Tragen. Zur Orientierung haben wir auf Seite 21 die Begriffe in diesem Handbuch den typischen Handlungsfeldern zugeordnet. Kompetenzen können auf unterschiedliche Art und Weise erworben werden. Oft entwickeln wir Kompetenzen aus einer Kombination theoretischer Wissensaneignung und dem Durchleben neuer Herausforderungen. Zentral ist dabei auch der (selbst)-reflektierende Umgang mit den gemachten Erfahrungen. So lässt sich Führungskompetenz durch das Besuchen von Fortbildungen, das ,Ausprobieren‘ des Erlernten in der Praxis sowie die begleitende Reflexion der gemachten Erfahrungen, z.B. im Rahmen von Mentoring, Coaching und/ oder kollegialer Beratung, entwickeln. Coaching - als Mittel zur professionellen und persönlichen Entwicklung - schafft in unserem Verständnis einen wertschätzenden Reflexionsraum, in dem die Klient*innen in geschützter Umgebung z.B. die Möglichkeit haben, Überforderung mit den vielfältigen Anforderungen des Systems ‚Wissenschaft‘, Konfliktsituationen, den Umgang mit Hierarchie und Machtansprüchen zu thematisieren und systematisiert zu reflektieren. Oder es geht um die eigene Rollenfindung (z.B. am Übergang von Promotion zu Postdoc, die Übernahme der ersten Führungsverantwortung, den Umgang mit ‚Sandwich‘-Positionen), fachliche und persönliche Abgrenzung oder schwierige Entscheidungen. Coaching unterstützt die Betreffenden bei der Entwicklung von Selbststeuerung und Selbstwirksamkeit und ist somit Hilfe zur Selbsthilfe. Dabei bleibt es immer dem Individuum überlassen, wo und wie es systemkonform oder systemirritierend agieren möchte, wo und wieviel Energie es in Konflikte und Abgrenzung investieren will. Durch die wertschätzende Betrachtung der eigenen Kompetenzen, Erfahrungen und Ressourcen sowie der individuellen Erfolge und Misserfolge <?page no="19"?> Rahmenbedingungen der Hochschulkarriere 19 stärkt Coaching das Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeitserwartung der Klient*innen. Es stärkt die Einzelnen und indirekt die Organisation. Auch darum ist es wichtig, Coaching aus der traditionellen Sicht als exklusives Instrument der Führungskräfteentwicklung herauszulösen und anderen Statusgruppen als Instrument der professionellen sowie persönlichen Entwicklung zugänglich zu machen. Coaching ist im Einzelsetting auf die Unterstützung von Individuen zugeschnitten und kann somit nur mittelbar Veränderungen in der Organisation erzeugen. Selbstverständlich kann und muss sich Coaching als Instrument der Personalentwicklung 5,6 auch der kritischen Frage stellen, ob und in welchem Ausmaß es systemerhaltend wirkt, indem es dazu beiträgt, Individuen zu ermächtigen, das bestehende System erfolgreich zu navigieren und u.U. die Stabilisierung der herrschenden Umstände befördert. Auf der anderen Seite kann es durch die begleitende Unterstützung von Akteuer*innen, die einen Wandel im Großen oder Kleinen anstoßen, als Veränderungskeim wirken. Coaching ist ein professionelles, dialog- und prozessorientiertes Beratungsverfahren, das Raum für alle mit der Berufsrolle und beruflichen Identität zusammenhängenden Themen und Fragen bietet. 7 Die Vorgehensweise ist pragmatisch-zielorientiert. Im Anschluss an eine Situationserhellung und der Entwicklung einer konkreten Fragestellung werden nächste Schritte erarbeitet und geschaut, mit welchen vorhandenen Ressourcen der*die Klient*in diese Schritte umsetzen kann. Dazu gehört neben der Betrachtung der sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen (Quadranten 3 und 4) auch die Auseinandersetzung mit den eigenen Denkschemata, Emotionen, Blockaden und Verhaltensweisen (Quadranten 1 und 2), sowie das Sich-Besinnen auf die eigenen Werte, Fähigkeiten und Ressourcen. Die im ABC behandelten Begriffe sind an - in vielen Jahren Beratungspraxis gesammelten - häufigen Coachinganliegen unserer Klient*innen orientiert und bieten in übersichtlicher Form neben kurzen Erklärungen erste Anregungen zur Selbstreflexion und Vorschläge für die praktische Umsetzung. Einen Coachingprozess können und wollen sie nicht ersetzen, aber durchaus Impulse zu einem vertiefenden Entwicklungsprozess geben. 5 HAMMERSCHMIDT, Anette und Franziska JANTZEN, 2018. Wie Zusammenarbeit wirksam wird. In: duz 02/ 2018, S.56-58 6 HAMMERSCHMIDT, Anette und Franziska JANTZEN, 2019. Der Blick von außen. Erfahrungen aus der Zusammenarbeit von externen Coaches mit Hochschule und PE. In: Personal in Hochschule und Wissenschaft entwickeln. Strategie, Praxis, Forschung. Berlin: duz Verlags- und Medienhaus GmbH. S.17-27. 7 Definition des Coachingnetz Wissenschaft e.V. laut www.coachingnetz-wissenschaft. de/ coaching/ (zuletzt abgerufen am 10.04.2020) <?page no="20"?> 20 Rahmenbedingungen der Hochschulkarriere In der Realität sind Situationen und Herausforderungen meist komplexer, als dass sie durch einen Begriff abgedeckt und/ oder erklärt werden könnten. Daher sind die Texte gespickt mit → Querverweisen, und die Literaturangaben sollen nicht nur den Anforderungen gewissenhaften Zitierens Genüge leisten, sondern darüber hinaus Anregungen zur vertiefenden Lektüre geben. Wir möchten den Leser*innen eine erste Orientierungshilfe an die Hand geben - Erfahrungen und Hinweise aus der Praxis für die Praxis. Für den wertvollen Erfahrungsaustausch, die Mitarbeit und viele Anregungen möchten wir an dieser Stelle allen Autor*innen herzlich danken. Unseren Leser*innen wünschen wir hilfreiche Anregungen für das Segeln in akademischen Gewässern, das Umschiffen professioneller Klippen und Untiefen und ein gelingendes Einlaufen in sichere Häfen. <?page no="21"?> Handlungsfelder und Begriffe Agieren in der Organisation Anfang gestalten ............................................................................. 25 Gleichstellung................................................................................... 71 Gremienarbeit................................................................................... 74 Institutsleitung ................................................................................. 88 Mikropolitik ....................................................................................146 Qualitätsmanagement................................................................... 187 Third Space .....................................................................................216 Umgang mit Verwaltung .............................................................222 Forschen Anträge schreiben ........................................................................... 27 Drittmittel einwerben..................................................................... 48 Inter- und Transdisziplinarität ..................................................... 90 Internationale Zusammenarbeit................................................... 96 Kooperationen ................................................................................ 128 Projektmanagement ...................................................................... 177 Publizieren.......................................................................................184 Wissensmanagement .................................................................... 238 Führen Besprechungen und Meetings ...................................................... 36 Change gestalten ............................................................................. 41 Delegieren ......................................................................................... 45 Entscheidungen treffen ................................................................. 51 Feedback ........................................................................................... 55 Führungsstile .................................................................................... 61 Gespräche mit Mitarbeitenden..................................................... 66 Interkulturelle Kommunikation ................................................... 92 Kommunikation ............................................................................. 114 Konfliktmanagement .................................................................... 123 Laterale Führung............................................................................136 Mobbing ...........................................................................................153 Motivation ......................................................................................156 Nachwuchsförderung ................................................................... 159 Personalauswahl ............................................................................171 Persönlichkeiten von Mitarbeitenden ...................................... 169 Situative Führung .......................................................................... 205 Teamentwicklung und -konflikte .............................................. 209 Teamstruktur und -führung........................................................213 <?page no="22"?> 22 Handlungsfelder und Begriffe Visionsentwicklung ...................................................................... 231 Zuhören ........................................................................................... 244 Karriere Ausstieg aus der Wissenschaft..................................................... 30 Berufungsprozesse .......................................................................... 33 Karrierebrüche ............................................................................... 102 Karriereplanung ............................................................................. 106 Netzwerken ..................................................................................... 161 Profilentwicklung .......................................................................... 174 Übergänge und Statuspassagen.................................................. 219 Wissenschaftskommunikation ................................................... 236 Lehren Betreuung von Abschlussarbeiten............................................... 39 Lehrkompetenz .............................................................................. 139 Promotionen betreuen.................................................................. 181 Professionelle Performance Entscheidungsfindung.................................................................... 53 Habitusreflexion .............................................................................. 78 Hochstaplersyndrom ...................................................................... 84 Kollegiale Beratung....................................................................... 110 Kompetenzentwicklung ............................................................... 121 Kreativität........................................................................................ 130 Kritikkompetenz ............................................................................ 133 Selbstpräsentation ......................................................................... 198 Verhandeln...................................................................................... 228 Zeitmanagement ............................................................................ 241 Selbststeuerung Fremdbild/ Selbstbild ....................................................................... 58 Haltung .............................................................................................. 81 Life Balance ..................................................................................... 143 Misserfolge und Scheitern........................................................... 150 Perfektionismus ............................................................................. 164 Resilienz ........................................................................................... 189 Rolle .................................................................................................. 193 Selbstführung ................................................................................. 195 Selbststeuerung .............................................................................. 201 Stress und Stresskompetenz........................................................ 206 Umfeld Internationalisierung ..................................................................... 98 Umgang mit Vielfalt...................................................................... 225 VUCA................................................................................................ 233 <?page no="25"?> Anfang gestalten Anette Hammerschmidt Bekanntlich zählt der erste Eindruck, aber einen positiven haben Sie schon hinterlassen, wenn Sie Ihre Stelle antreten. Wie nun den Anfang gestalten, sich einfinden und etablieren? Und wann stellt sich das Gefühl ein, endlich angekommen zu sein? Wer sich nach der Promotion ür die akademische Laufbahn entscheidet, braucht ür den Marathon von einem Etappenziel zum nächsten einen langen Atem, um irgendwann das avisierte Ziel - meist eine Professur - zu erreichen. Nach so vielen Jahren des wiederholten Durchstartens ist das Ankommen zunächst eine völlig neue Erfahrung. In der Wirtschaft spricht man von den ‚ersten hundert Tagen‘, die eine Führungskraft (bzw. jede*r) sich nehmen sollte, um anzukommen und sich zu orientieren, bevor man richtig loslegt. Mit einigen Anpassungen gilt das auch im akademischen Umfeld. Hier rechnet man in Semestern, in Lehrbetrieb und vorlesungsfreien Zeiten, die jeweils bestimmte Rhythmen und Aufgaben vorgeben. Um einen weiteren Vergleich zu bemühen: in der Wirtschaft haben einzelne Personen und Projekte ‚Stakeholder‘. Gemeint sind damit Personen, die direkt oder indirekt ein Interesse an und Einfluss auf die Erfolge eines Einzelnen, eines Teams oder Projekts haben. Das ist im akademischen Umfeld nicht anders. Den Anfang gestalten heißt zunächst, seine Stakeholder und das soziale System näher kennenzulernen. Als Professor*in bzw. Dozent*in haben Sie unterschiedliche Stakeholder- Gruppen: Kolleg*innen aus dem eigenen und anderen Fachbereichen, Kolleg- *innen in → Netzwerken, an anderen Hochschulen oder Forschungsinstituten, in der → Gremienarbeit und Hochschulverwaltung ( → Umgang mit Verwaltung), aber auch Verwaltungsangestellte, die Universitätsleitung und last but not least Student*innen und, ja, auch Ihre Familie und Freund*innen. Diese Gruppen haben sehr unterschiedliche Erwartungen an Sie. Es lohnt sich, die Eigenheiten, Interessen und Einflussmöglichkeiten wichtiger Stakeholder näher kennen zu lernen. Welche beruflichen Ziele verfolgen sie? Was für Interessen vertreten sie? Stehen sie Ihren eigenen Interessen und Zielen positiv, neutral oder kritisch gegenüber? Welchen Kommunikationsstil haben sie? Wer kann mit wem oder auch nicht? Wie viel Einfluss haben sie auf Ihre Vorhaben und wie viel Macht im System? <?page no="26"?> 26 Anfang gestalten Als Neuankömmling wird uns ein Bonus gewährt, der mit der Zeit sukzessive abnimmt. Am Anfang dürfen wir Fragen stellen, die uns womöglich später übel genommen werden. Führen Sie Gespräche. Erfragen Sie direkt oder indirekt auch Erwartungen, die man an Sie und Ihre Rolle hat ( → Gespräche mit Mitarbeitenden). Halten Sie diese Informationen fest! Gleiches gilt auch für die sozialen Regeln. Finden Sie heraus: Was muss man tun und lassen, um hier dazuzugehören? Welche offiziellen und inoffiziellen Regeln der Zusammenarbeit gelten? Welche Überzeugungen werden von Gruppen und Subgruppen geteilt? Während Sie systematisch Ihre Stakeholder näher kennenlernen und sich ein Bild des sozialen Gefüges verschaffen, gewinnen Sie zugleich ein Gefühl für Ihre Verortung im sozialen System. Wenn Sie Ihren Platz im sozialen Gefüge aktiv mitgestalten, hilft das beim Ankommen. Überlegen Sie, welche Rolle Sie im soialen Netz spielen und wie Sie gesehen werden wollen. Nehmen Sie Ihre Bedürfnisse ernst und sorgen Sie für sich - denn die Erwartungen, Muster und Regeln, die Sie am Anfang etablieren, stecken den Rahmen für die Zukunft ab ( → Übergänge und Statuspassagen, Selbststeuerung, Führungsstile, Haltung). Anregungen für den Einstieg Verschaffen Sie sich zunächst einen differenzierten Überblick und ziehen Sie keine voreiligen Schlüsse. Wie in der Feldforschung sammeln Sie erst Informationen und Daten; peu à peu ergeben sie ein Gesamtbild. Nehmen Sie aktiv Kontakt zu wichtigen Stakeholdern auf. Wer ist das? Stellen Sie offene Fragen und beobachten Sie Kommunikationsstil und Verhalten in unterschiedlichen Kontexten. Erfragen Sie Gepflogenheiten. Am Anfang gilt das als Interessensbekundung, später womöglich als Versäumnis. Wenn Sie sich einen Überblick verschafft haben, können Sie einschätzen, wie Sie ins System passen und wie Sie Ihre Rolle darin gestalten wollen. Nutzen Sie Spielräume! Klären Sie für sich, welche Erwartungen anderer Sie nicht erfüllen wollen und welche Erwartungen Sie an andere haben. Kommunizieren Sie zu gegebener Zeit Ihre Erwartungen und Grenzen. Setzen Sie sich einen Zeitrahmen und gönnen Sie sich diese Zeit. Für die erste Phase ein Semester, fürs Ankommen ein Jahr. Vielleicht brauchen Sie länger? Das ist auch in Ordnung! Ziehen Sie nach einem Jahr Bilanz: Wie fühlt es sich jetzt an? Inwieweit sind Sie angekommen? Was fehlt Ihnen noch? Was können und wollen Sie als nächsten Schritt tun? Sie sind nicht allein: Wer kann Sie dabei unterstützen? <?page no="27"?> Anträge schreiben 27 Literatur GÖTZ, Thomas, 2013. Professor für Anfänger. Tipps für (angehende) Professorinnen und Professoren. Konstanz. http: / / nbn-resolving.de/ urn: nbn: de: bsz: 352- 237192 HOFBAUER, Helmut und Alois KAUER, 2014. Einstieg in die Führungsrolle. Praxisbuch für die ersten 100 Tage. 5., erweiterte Auflage. München: Carl Hanser Verlag. KÖNIG, Eckard, Gerda VOLMER, 2016. Einführung in das systemische Denken und Handeln. Weinheim Basel: Beltz . Anträge schreiben Neela Enke Ich habe noch ein Jahr in meinem aktuellen Projekt. Und dann soll ich einen Antrag schreiben. Das will ich gern, aber wie geht das und wo fange ich an? Anträge sollten i.d.R. auf einer klaren und durchdachten Hypothese bzw. Fragestellung beruhen, die das Projekt entweder bestätigen oder widerlegen kann. Diese ist ein zentraler Bestandteil des Antrags und gibt ihm eine innere Logik und Klarheit in seiner Zielsetzung. Es ist wichtig, ausreichend Zeit für das Verfassen eines Antrags und dessen Bearbeitung durch den Fördermittelgeber einzuplanen. Zwischen Einreichung und dem Bescheid, ob der Antrag gefördert wird, liegen manchmal Monate. Lesen Sie die Vorgaben der Förderorganisation ganz genau! Nichts ist ärgerlicher als eine gute Idee, die an einer schludrigen Ausführung scheitert. Der Antrag wird zunächst von verschiedenen Mitarbeiter*innen der Förderorganisationen gelesen, z.B. den Fachreferent*innen, die prüfen, ob der Antrag die formalen Kriterien erfüllt. Das heißt, auch (relativ) fachfremde Personen müssen verstehen, wieso der Antrag in das Programm passt. Der Antrag wird anschließend von den Fachgutachter*innen gelesen, die oft viel mehr Anträge lesen müssen, als gefördert werden können und zudem mitunter nicht genau mit dem Spezialthema, das der Antrag behandelt, befasst sind. Daher sollte beim Verfassen des Antrags wenig Fachwissen vorausgesetzt werden (aber gleichzeitig nicht alles erklärt werden). Insgesamt ist eine präzise sowie knappe Ausdrucksweise zu bevorzugen. <?page no="28"?> 28 Anträge schreiben Den Gutachter*innen sollte es so leicht wie möglich gemacht werden, den Antrag zu lesen und zu verstehen. Die Gutachter*innen haben selten Zeit, sich tagelang in ein Vorhaben einzuarbeiten, daher sollten alle relevanten Informationen schnell zugänglich sein. Wissenschaftliche Exzellenz ist das wichtigste Begutachtungskriterium; andere Kriterien (z.B. Machbarkeit, ein realistischer Arbeitsplan, Budjetplanung, Konzepte zur Förderung von Nachwuchs und Vielfalt) können den Ausschlag geben, ob bei vergleichbarer Bewertung der Exzellenz ein Antrag besser oder schlechter abschneidet ( → Projektmanagement). Die Gutachter*innen empfehlen oftmals eine Förderung/ Nichtförderung bzw. eine Reihung der Anträge nach Güte, während ein anderes Gremium letztendlich darüber entscheidet, ob dem Vorschlag der Gutachter*innen gefolgt wird (in aller Regel ist dies so) oder nicht. Erst dann ist eine endgültige Entscheidung gefallen. Mitunter werden den Antragstellenden (Teile) des Gutachtens zur Verfügung gestellt bzw. werden manche Projekte nur unter Vorbehalt und mit Anweisung, Anmerkungen der Gutachter*innen einzuarbeiten, bewilligt. Diese dürfen auf keinen Fall einfach ignoriert werden. Da die Förderquoten rückläufig sind bzw. stagnieren, werden die meisten Wissenschaftler*innen früher oder später mit einem negativen Bescheid rechnen müssen. Ein ablehnender Bescheid heißt nicht notwendigerweise, dass ein Projekt schlecht ist. Die Antragstellenden sollten sich nicht entmutigen lassen, dafür haben sie schon viel zu viel Arbeit hineingesteckt. Hilfreich kann sein, nach der Ablehnung den Antrag ein paar Tage in die Ecke zu legen und dann mit frischen Gedanken an die Verbesserung des Antrags zu gehen. Überlegen Sie, welche anderen Förderlinien/ Förderorganisationen noch interessant sein könnten. Vorgehen bei der Antragstellung Zu Beginn der Antragstellung muss zunächst die Fragestellung konkretisiert werden. Folgende Fragen können dabei helfen: Welches Problem will ich lösen? Welches Phänomen untersuchen? Welches Ergebnis erwarte ich? Welche Frage möchte ich nicht beantworten? Welches Vorgehen/ welche Methoden können meine Fragestellung beantworten? Welche Vorarbeiten habe ich dazu schon unternommen? Der zweite Schritt ist der Arbeitsplan. Welche Arbeitspakete sind zu unternehmen, wieviel Zeit werden diese brauchen und welche Projektteile müssen logisch zuerst gemacht werden? Die Visualisierung des Arbeits- <?page no="29"?> Anträge schreiben 29 plans in einem Zeitstrahl (oder einem Gantt-Chart) kann unterstützen. Aus dem Arbeitsplan kann auch der Kostenplan abgeleitet werden. Projekte sollten nicht künstlich billig gerechnet werden aber auch nicht teurer als sie sind: das Budget soll angemessen sein. Wenn das Projekt steht, werden die anderen Teile des Antrags geschrieben, z.B. Stand der Forschung, eigene Vorarbeiten, Programmbezug etc. Checkliste Antragstellung Förderbedingungen und Ausschreibungstexte genau durchlesen und berücksichtigen. Beratung im Vorfeld: Wissenschaftler*innen sollten sich in allen Aspekten umfänglich beraten lassen. Universitäre Büros für die Forschungsförderung sind Ansprechpartner*innen, genau wie die Fachreferent- *innen der Förderorganisationen. Für die Förderung auf EU-Ebene ist KOWI die richtige Adresse. Das Gespräch gut vorbereiten und nichts erfragen, was der Website oder den zur Verfügung gestellten Informationen entnommen werden kann. Evaluationskriterien in Erfahrung bringen. Menschen, die für einzelne Förderorganisationen arbeiten, können diesbezügliche eine gute Quelle sein. Bezugnahme auf die Ziele des Förderprogramms. → Feedback zum Antrag von erfahrenen Kolleg*innen Sorgfalt im Layout und der Rechtschreibung etc.; Flüchtigkeitsfehler vermeiden! Netzwerke in Verbundprojekten vor allem auf etablierten → Kooperationen aufbauen und Auswahl der Partner*innen sorgfältig und in Hinsicht auf das Projektziel treffen. Hartnäckigkeit! Selbst bei einer Ablehnung des Antrags lohnt es sich dran zu bleiben! Literatur BAUER, Waldemar, BLECK-NEUHAUS, Jörn, Rainer DOMBOIS und Ingo S. WEHRTMANN, 2013. Forschungsprojekte entwickeln - von der Idee bis zur Publikation. 1. Auflage. Baden-Baden: UTB Nomos. HOFMANN, Angelika H., 2016. Scientific Writing and Communication. Papers, Proposals, and Presentations. 3. Auflage. Oxford: Oxford University Press. PREUSS, Stefanie, 2017. Drittmittel für die Forschung. Grundlagen, Erfolgsfaktoren und Praxistipps für das Schreiben von Förderanträgen. 1. Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler. <?page no="30"?> 30 Ausstieg aus der Wissenschaft Ausstieg aus der Wissenschaft Neela Enke Nach meiner Promotion habe ich ein Postdoc-Projekt begonnen, aber ich stelle fest, dass ich gern außerhalb der Wissenschaft arbeiten möchte. Aber wie soll das gehen? Ich kann doch gar nichts außer forschen? Der Wechsel aus einer wissenschaftlichen Tätigkeit an einer Forschungsinstitution in andere Organisationen (z.B. in der freien Wirtschaft) bringt ganz verschiedene Herausforderungen mit sich: wie im Beispiel oben haben viele Wissenschaftler*innen die Selbstwahrnehmung, außer ihrem Fachwissen ‚nichts‘ mitzubringen, das ür zukünftige Arbeitgeber*innen interessant sein könnte. Obendrein haben verschiedene Organisationswelten unterschiedliche Sprach- und Verhaltenserwartungen - es ist also ‚Übersetzungsarbeit‘ notwendig. Und dann müssen sich Personen, die das Berufsfeld wechseln, auch noch mit verschiedensten Zuschreibungen auseinandersetzen: den eigenen, denen der bisherigen Kolleg*innen und denen der zukünftigen. Um eine Einschätzung der eigenen Fähigkeiten vornehmen zu können, sollten Sie sich zunächst bewusst machen, dass Ihr ganz spezifisches Fachwissen außerhalb der Forschung womöglich eine untergeordnete Rolle spielt - mit Ausnahme des Falles, dass Sie eine entsprechende Position in Forschung und/ oder Entwicklung in der freien Wirtschaft finden. Da die Anzahl dieser Stellen aber begrenzt ist oder diese für Sie gar nicht mehr attraktiv sind, lohnt es sich, die vielen anderen Möglichkeiten auszuloten, für die Sie grundsätzlich qualifiziert sind. Hier sollten Sie die Kompetenzen ( → Kompetenzentwicklung), die Sie während Ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit erworben haben, genauer analysieren. Ihre individuellen Kompetenzen können in ganz unterschiedlichen Bereichen liegen, so gibt es u.a. kognitive Kompetenzen (z.B. analytisches und kritisches Denken, Problemlösung), Selbststeuerungs- und Arbeitsstrategien (z.B. Ziele setzen, Plandisziplin, Durchhaltevermögen), Interaktionskompetenzen (z.B. Gesprächsführung, Empathie, Zusammenarbeit), Führungskompetenzen (z.B. Motivation, Delegieren, Entscheidungen treffen) sowie unternehmerische Kompetenzen (z.B. Ressourcenmanagement, Kund*innen- und Profitorientierung). All diese sind den wenigsten Wissenschaftler*innen bewusst, es sind aber genau diese Kompetenzen, anhand derer außerhalb der Wissenschaft die Passung auf eine bestimmte Stelle beurteilt wird. Unterschätzen Sie nicht Ihre eigene Erfahrung und trauen Sie sich ruhig zu, auch zu- <?page no="31"?> Ausstieg aus der Wissenschaft 31 nächst weit von Ihren Qualifikationen entfernt scheinende Stellen in Betracht zu ziehen und auszufüllen. In jedem Berufsfeld und auch in einzelnen Organisationen gibt es andere Kultur-, ‚Habitus‘- und Rollenerwartungen ( → Habitusreflexion, Rolle), Normen, und (Sprach-)Gebräuche, die Sie zumindest soweit recherchieren sollten, dass Sie sich als Person und Ihre Fähigkeiten in einer Weise präsentieren können, die für die andere Seite nachvollziehbar ist. Sehen Sie davon ab, sich allen Erwartungen zu unterwerfen (das ist weder nötig noch möglich), aber finden Sie eine Sprache und Ausdrucksform, die für das Gegenüber verständlich ist. Neben dem Vorstellungsgespräch ist ein wichtiges Beispiel hierfür die schriftliche Bewerbung - der wissenschaftliche Lebenslauf unterscheidet sich stark von den Erwartungen in der freien Wirtschaft. Beachten Sie dabei auch, dass beim Thema → Selbstpräsentation durchaus ‚moralische‘ Bewertungen und Hierarchisierungen eine Rolle spielen können (z.B. im Spannungsfeld Understatement/ Aufschneiderei). Wenn Sie die Wissenschaft nach der Promotion verlassen wollen, werden Sie innerhalb des Systems Wissenschaft mit dem expliziten oder impliziten Glaubenssatz konfrontiert werden, dass Sie es ,nicht bis zur Professur geschafft haben‘ und dies ein Scheitern bzw. persönliches Versagen darstellt (,draußen‘ kann das ganz anders wahrgenommen werden). Dass Ihre Entscheidung, die Wissenschaft zu verlassen, freiwillig sein könnte, wird so fast kategorisch ausgeschlossen. Eine bewusste Auseinandersetzung mit diesem Glaubenssatz ist hilfreich, um das Narrativ des Versagens nicht als Selbstbewertung zu integrieren. Wenn Sie sich jahrelang für die wissenschaftliche Karriere engagiert haben und es dann keinen Platz für Sie gibt, kann das auch als tiefe Kränkung erlebt werden. Eine bewusste Auseinandersetzung mit diesem Gefühl und eine Neuausrichtung der eigenen Ziele können hier entlastend wirken. Geben Sie sich dafür Raum und Zeit und lassen Sie sich gegebenenfalls begleiten. Sie werden erstaunt sein, welche Schätze Sie aus dem Vergangenen bergen und welche Möglichkeiten sich Ihnen eröffnen werden! Ein Thema kann auch die Angst vor dem tatsächlichen oder angenommenen Statusverlust sein: Wissenschaftler*innen haben nach wie vor ein gewisses Ansehen in der Gesellschaft, während dies für andere Berufsgruppen u.U. weniger zutrifft. Übrigens hat ein Doktortitel außerhalb der Wissenschaft häufig mehr Gewicht als innerhalb - wo er oft nur ein erster Schritt zur ‚Menschwerdung‘ ist. Aufgrund der akademischen Freiheit wird Wissenschaftler*innen oft eine gewisse ,Unführbarkeit‘ nachgesagt - und je länger Sie in der Wissenschaft verharren, desto gewichtiger wird diese Unterstellung. Berücksichtigen Sie dies bei Bewerbungen und Gesprächen - eine Möglichkeit ist es, diesen Punkt proaktiv anzusprechen. <?page no="32"?> 32 Ausstieg aus der Wissenschaft Der Weg bis zur Entscheidung und zur ersten Stelle kann steinig sein und zwischen 1 und 3 Jahre dauern. Danach spielen Zweifel oft keine Rolle mehr und viele ehemalige Wissenschaftler*innen sind mit ihrem neuen Arbeitsumfeld zufrieden und genießen die Anerkennung, die Sie für ihre Arbeit erfahren. Auch die Statistik ist auf Ihrer Seite: 24 Monate nach der Promotion liegt der Anteil der arbeitslosen Promovierten je nach Quelle zwischen 0 und 5%, also deutlich unter dem gesellschaftlichen Durchschnitt. Auf ins Abenteuer! Fragen, die die Zukunft greifbarer machen Überlegen Sie, was Sie an Ihrer aktuellen Tätigkeit schätzen; manches davon lässt sich - in veränderter Form - in Ihre neue Tätigkeit übersetzen. Was wollen Sie auf jeden Fall los werden? Welche interessanten Tätigkeiten, Bereiche oder Aufgaben fehlen Ihnen aktuell? Welche Werte haben Sie und wie können Sie diese beruflich leben? Zu welchen Organisationen passen diese? ( → Haltung) Welche Fähigkeiten, Stärken und Kompetenzen besitzen Sie? Was macht Sie in Ihrer Professionalität aus? ( → Kompetenzentwicklung) Was wollen Sie in Ihrem Berufsleben bewegen und bewirken? Was soll über Sie am Tag Ihres Renteneintritts gesagt werden? Mehr über mögliche Tätigkeitsbereiche finden Sie durch Informationsrecherche heraus: zum Teil im Internet, das meiste über Gespräche mit unterschiedlichen Personengruppen ( → Netzwerken) oder in einem Coaching. Als Forscher*in haben Sie also alles, was Sie brauchen, um diese Nuss zu knacken! Literatur HILZINGER, Sonja, 2013. Berufsprofilierung - Ein Praxisbuch für Akademikerinnen und Akademiker. Leverkusen: Verlag Barbara Budrich. MÜLLER, Mirjam, 2017. Karriere nach der Wissenschaft - Alternative Berufswege für Promovierte. Frankfurt am Main: Campus Verlag. <?page no="33"?> Berufungsprozesse 33 Berufungsprozesse Franziska Jantzen Es wurde gerade eine sehr interessante Professur in meinem Fachgebiet ausgeschrieben. Die Stelle passt gut zu meinem Profil und ich möchte mich gerne bewerben. Was sind die Schritte im Verfahren und worauf muss ich achten? Berufungsverfahren sind komplexe Prozesse, in denen eine Gruppe von hochspezialisierten Menschen - die Berufungskommission - versucht, eine ür die ausgeschriebene Stelle geeignete Person zu finden. Dieses Prinzip der Kooptation ist nicht mit der → Personalauswahl in Industrie oder Verwaltung zu vergleichen. Es ist ein aufwendiger Prozess, in den neben der Berufungskommission noch weitere Gremien und Fachexpert*innen eingebunden sind. Das Beamten- und Hochschulrecht bilden den bindenden Rahmen für die Auswahl. Vor Ort gibt es aufgrund bisweilen unterschiedlicher Interessenlagen, mikropolitischer Interventionen ( → Mikropolitik) und des Grades der Professionalisierung der → Personalauswahl indes verschiedene Ausprägungen des Verfahrens. Eine professionelle Prozesssteuerung und ein guter kollegialer Umgang sollten Standard sein. Leider gibt es auch immer wieder Berichte von weniger wertschätzendem Umgang mit den Bewerber*innen. Dies alles liegt nicht in der Hand der Bewerber*innen. In deren Einflussbereich liegt jedoch, sich gründlich vorzubereiten und sich in Bewerbungsunterlagen wie auch später beim so genannten ,Vorsingen‘ als ein*e geeignete Kandidat*in zu präsentieren. Worauf kommt es bei den Bewerbungsunterlagen an? Zunächst lohnt es sich zu überlegen: Was macht mein Profil aus, warum passe ich gut auf diese Stelle? Wo ergeben sich Anschlussmöglichkeiten, was kann ich ein- und mitbringen? Das Anschreiben sollte dann die wichtigsten Aspekte des eigenen wissenschaftlichen Profils beleuchten und gleichzeitig die Passfähigkeit für den neuen Standort herausarbeiten. ( → Profilentwicklung) Dem Anschreiben folgt der CV. Zwischenüberschriften helfen hier, die entscheidenden Informationen leicht aufzufinden. Dann kommen die weiteren Anlagen wie Publikationsliste, Vorträge, eingeworbene Drittmittel ( → Drittmittel einwerben), Lehrveranstaltungen sowie betreute Qualifikationsarbeiten. Darüber hinaus kann ein Forschungskonzept die bisherige Forschung dokumentieren und aufzeigen, welche Schwerpunkte am neuen <?page no="34"?> 34 Berufungsprozesse Standort gesetzt werden sollen. An manchen Standorten wird auch ein Lehrprofil ( → Lehrkompetenz) gewünscht. Interessante Bewerber*innen werden dann zum ‚Vorsingen‘ eingeladen. Im Zentrum stehen hier der Berufungsvortrag und das Bewerbungsgespräch mit der Berufungskommission. Oftmals wird eine Lehrprobe erwartet, für die häufig ein Thema vorgegeben wird. Bisweilen werden auch alle Bewerber*innen zum gemeinsamen Essen mit der Kommission eingeladen oder es wird die Möglichkeit geboten, mit einzelnen Mitgliedern der Fakultät vorab zu sprechen. Vielleicht reisen Sie also für eine Stunde an, vielleicht aber auch für zwei Tage … Die Vorbereitung für das ,Vorsingen‘ kostet Zeit. Es ist hilfreich, sich diese Zeit auch zu nehmen und sich inhaltlich wie auch mental auf die Präsentation einzustellen ( → Selbstpräsentation). Da an Universitäten viel geprüft wird, verhalten sich Kommissionsmitglieder bisweilen eher wie Prüfer- *innen und weniger wie Menschen, die für eine vakante Position jemanden suchen, mit dem oder der sie in Zukunft auf Augenhöhe zusammenarbeiten möchten. Ein Teil der unbedingt notwendigen mentalen Vorbereitung ist daher, sich deutlich zu machen, warum Sie a) für diese Position geeignet sind und b) zu überlegen, welche Kriterien Sie selbst anlegen um zu entscheiden, ob das Umfeld und der Standort für Sie interessant sind. Das macht Sie souveräner. An Fachhochschulen wird das Vortragsthema oft vorgegeben, während es an Universitäten selbst gewählt werden kann. Hier ist es wichtig, aktuelle eigene Forschung zu präsentieren und gleichzeitig zu zeigen, wie gut diese in das Profil der ausgeschriebenen Stelle passt. Die Inhalte sollten spannend und ansprechend aufbereitet werden, um Interesse zu wecken. Bedenken Sie, dass das Auditorium nicht nur aus Fachexpert*innen besteht. Wird Ihr Vortrag nicht verstanden, ermüdet das Publikum und schweift schnell ab. Für das Kommissionsgespräch ist es wichtig, sich mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut zu machen. Seien Sie auf Fragen zu Ihrem Beitrag in Forschung, Lehre und Selbstverwaltung vorbereitet. Die Kommission möchte ein klares Bild davon bekommen, was die Bewerber*innen inhaltlich einbringen möchten, welche Drittmittel mitgebracht werden oder wie die Forschungsplanung für die nächsten Jahre konzipiert ist. Hier überzeugen Sie mit fundierten Überlegungen und anschlussfähigen Konzepten. Auf die Berufungsliste kommt, wer die Kommission überzeugt hat und von den beteiligten externen Gutachter*innen ebenfalls positiv bewertet wird. Die Liste umfasst in der Regel drei Plätze. Wird ihr auch durch die weiteren beteiligten Gremien (Fakultätsrat, Senat, Hochschulleitung) zugestimmt, erhält Platz eins den Ruf. <?page no="35"?> Berufungsprozesse 35 Sind Sie in dieser erfreulichen Position, gilt es jetzt erneut zu recherchieren und sich im Detail mit den Aufgaben, Ressourcen und Strukturen vor Ort vertraut zu machen ( → Anfang gestalten). In Vorgesprächen mit dem *der Dekan*in und anderen Fakultätsmitgliedern werden Spielräume und Erfordernisse der Ausstattung ausgelotet. Die mit der Professur verbundenen Ziele und notwendigen Ressourcen werden dann in einem Konzeptionspapier zusammengefasst. Die Hochschulleitung prüft das Konzept und lädt zum Verhandlungstermin ein. Stellen Sie hier hart in der Sache aber verbindlich im Ton dar, welche Chancen für die rufende Hochschule mit Ihren Planungen verbunden sind. In der Verhandlung um die Berufungsleistungsbezüge, also um das Plus auf Ihr W2- oder W3-Einkommen, gilt es zu zeigen, welche Erfolge Sie bereits in der Vergangenheit erreicht haben ( → Verhandeln). Hierfür kommen z.B. Publikationen, eingeworbene → Drittmittel oder innovative Lehrangebote in Frage. Das ‚Vorsingen‘ vorbereiten Wenn Sie eingeladen werden, ist es wichtig, sich möglichst umfassend über den Standort zu informieren. Nutzen Sie dazu auch Ihr → Netzwerk und informelle Kanäle. Über die Website sind die Studienordnungen, bestehende Forschungsverbünde oder Graduiertenprogramme zugänglich. Auch Strukturentwicklungspläne oder die Gleichstellungsbeauftragte können hilfreich sein. Bereiten Sie sich gründlich auf Fragen der Berufungskommission vor. Welche Projekte planen Sie für die nächsten fünf Jahre? Wie sieht Ihr Lehrkonzept aus? Wollen Sie wirklich nach xy ziehen? (Die Antwort lautet fast immer „ja“! ) Der Berufungsvortrag sollte Interesse wecken und zeigen, dass Sie Ihre Forschung überzeugend präsentieren können. Bereiten Sie sich für die nachfolgende Diskussion auch auf Fragen aus angrenzenden Fachbereichen vor. Mentale Vorbereitung ist wichtig: Ein Vorstellungsgespräch ist keine Prüfung! Auch wenn die Art und Weise so anmutet. Es geht weniger um Fehlerfreiheit als um Ihre Expertise und darum, ob beide Seiten gut miteinander arbeiten können. Literatur FÄRBER, Christine und Ute RIEDLER, 2016. Black Box Berufung. Strategien auf dem Weg zur Professur. Frankfurt am Main: Campus Verlag. KELSKY, Karen, 2015. The Professor is in - The essential guide to turning your Ph.D. into a job. New York: Three Rivers Press. WILDE, Anke, 2016. Auf dem Weg zur Professur - Die Postdoc-Fibel 2016. Hamburg: academics.de <?page no="36"?> 36 Besprechungen und Meetings Besprechungen und Meetings Anette Hammerschmidt Vorgesehen war eine Stunde. Daraus wurden dann zwei und am Ende war immer noch nicht klar, wer nun was macht. Nach zwei Wochen sind die Vereinbarungen schließlich versandet. Solche Erfahrungen sind nicht selten. Aber keine Sorge, das muss nicht so bleiben, denn Meetings lassen sich durchaus effektiv gestalten - und können sogar Spaß machen! Wer kennt das nicht! Gerade im akademischen Kontext, wo allzu strenge Regeln im Verdacht stehen, gegen den Anspruch des paritätischen Miteinanders zu verstoßen, verlaufen Besprechungen oft ineffektiv. Das gilt ür → Gremienarbeit und Fachbereichssitzungen ebenso wie ür Meetings am Lehrstuhl, in denen der*die Professsor*in als Führungskraft den Rahmen setzen darf und sollte. Struktur hilft! Systematisches Vorgehen und ein paar Grundprinzipien können müßigen Besprechungen zu mehr Klarheit, Orientierung und Effektivität verhelfen. Wenn die Beteiligten die Struktur verinnerlicht haben, ist es wie mit dem Autofahren: Sie schalten und bremsen automatisch und konzentrieren sich auf den Verkehr, sprich die Inhalte und die → Kommunikation. Zunächst zur Vorgehensweise. Im Grunde beginnt das Meeting, sobald ein Termin gesetzt wurde: mit der Einladung sollte eine Agenda mit den relevanten Tagespunkten, dem Anlass bzw. dem Ziel und natürlich Termin und Ort an alle Beteiligten verschickt werden. Je nach Situation würden Themen und Verfügbarkeit schon im Vorhinein mit den Beteiligten geklärt werden. Das Meeting selbst lässt sich in vier Phasen unterteilen, die je nach Anzahl der Themen wiederum ‚im Kleinen‘ den gleichen vier Schritten folgen. 1. Orientierungsphase - Wie im wirklichen Leben beginnen wir in der Regel mit einer den Umständen angemessenen Begrüßung, schließlich müssen alle erst einmal ‚ankommen‘. Die Einladung ist die Grundlage für den thematischen Einstieg, zu dem auch Anlass und Ziel sowie die Punkte auf der Agenda gehören. Änderungswünsche und Ergänzungen können gleich aufgenommen oder evtl. abgelehnt und vertagt werden. Wichtig ist, dass zu Beginn Einigkeit über Fokus und Ablauf besteht. Dazu zählt auch die vereinbarte Dauer des Meetings! 2. Situationsbeschreibung - Wir sind so darauf gedrillt möglichst schnell Ergebnisse zu liefern, dass wir uns häufig nicht die Zeit nehmen, eine <?page no="37"?> Besprechungen und Meetings 37 Situation ausreichend zu beschreiben, bevor wir zu Lösungen übergehen. Dadurch greifen Lösungsvorschläge oft zu kurz. In dieser Phase gilt es vor allem (offene) Fragen zu stellen, die der Klärung des Problems dienen. ( → Gespräche mit Mitarbeitenden) Eine Visualisierung der wesentlichen Aspekte der IST-Situation kann sehr hilfreich sein, damit alle das gleiche Verständnis haben. Nutzen Sie ein Flipchart, Whiteboard oder Metaplankarten - sie helfen auch beim nächsten Schritt. Erst nach der Diagnose der aktuellen Situation beginnt die Suche nach 3. Lösungsoptionen - Suchen Sie im Meeting gemeinsam nach Lösungen, so sammeln Sie erst verschiedene Optionen in einem ergebnisoffenen Brainstorming. Das ist ein kreativer Prozess, der durch Einwände und kritisches Infragestellen behindert wird. ( → Kreativität) Erst wenn diverse Alternativen auf dem Tisch sind, lohnt es sich diese auf Machbarkeit und Nebenwirkungen hin kritisch zu hinterfragen. Entscheiden Sie sich dann für eine Option oder Abfolge von Schritten. Sollte nach der IST- Darstellung ein*e Teilnehmer*in die Aufgabe übernehmen, eine Lösung zu erarbeiten, gehen Sie direkt zum nächsten Schritt (4) über. 4. Ergebnisse festhalten - Entscheidungen sollten unbedingt schriftlich festgehalten werden: Wer macht was bis wann? Das gilt erstens für jedes einzelne Thema auf der Agenda wie auch zweitens für das gesamte Meeting. Dafür sollte unbedingt ausreichend Zeit einkalkuliert werden! Kommt man mit den Themen nicht durch, gehören die offenen Punkte auf die Agenda der nächsten Besprechung. Die Abschlussphase ist auch der passende Moment, die Ergebnisse des gesamten Meetings kurz zusammenzufassen und einen Ausblick auf das weitere Vorgehen und Termine zu gegeben. Denn nach dem Meeting ist vor dem nächsten Meeting. Im Überblick sieht das so aus: 1. Orientierungsphase und Einführung in das Meeting 2/ 3. Thema 1 Thema 2 Thema 3 … 1. Orientierung Orientierung Orientierung … 2. aktuelle Situation aktuelle Situation aktuelle Situation … 3. Lösungssuche Lösungssuche Lösungssuche … 4. Ergebnisphase Ergebnisphase Ergebnisphase … 4. Ergebnisphase und Abschluss des Meetings Sollten Sie häufiger in Meetings sitzen, die endlos dauern und keine Ergebnisse bringen, schlagen Sie diese Struktur vor und bieten Sie dem*der Einladenden an, das Meeting zu moderieren. Erläutern Sie eingangs kurz die Vorgehensweise und schreiben Sie sie evtl. zur Erinnerung auf ein Flipchart. In der Regel sind die Teilnehmer*innen erleichtert, wenn sie ihre Zeit sinnvoll und effektiv nutzen können. ( → Zeitmanagement) Damit das <?page no="38"?> 38 Besprechungen und Meetings Zwischenmenschliche nicht zu kurz kommt, gönnen Sie allen vor dem Meeting einige Minuten zum Ankommen und Plaudern. Darüber hinaus stellt sich die Frage, nach der Häufigkeit und Regelmäßigkeit der Meetings. Die kurze Antwort darauf lautet: Das kommt darauf an. Für den regelmäßigen Austausch eignet sich ein Jour fixe, zu dem sich alle Team- oder Institutsmitglieder einmal wöchentlich, zweiwöchentlich oder monatlich treffen und nach einem bestimmten Ablauf Themen durchgehen. Diese Meetings brauchen mehr Zeit, sollten aber nicht unnötig ausgedehnt werden. Wenn Teilnehmende zu Selbstdarstellung oder Ausschweifen neigen, führen Sie Regeln ein. Wenn Sie gerade in einer heißen Projektphase stecken, dann werden sich die Meetings häufen. In solchen Phasen treffen Sie sich lieber oft und kurz. U.U. reichen einige Minuten, um sich gegenseitig über den Stand der Dinge zu informieren und nächste Schritte zu besprechen. Gehen Sie strukturiert vor, um nichts zu übersehen. Besorgen Sie eine Tischuhr (z.B. Time- Timer), wie sie im agilen Management eingesetzt wird. Die vorgesehene Zeitspanne ist rot markiert und läuft für alle sichtbar langsam ab. Kurze Meetings sorgen für Disziplin und Fokus und geben einen Kick zum Weiterarbeiten - wie ein guter Espresso. Grundprinzipien Kein Meeting ohne eine Agenda, die allen Teilnehmenden vorab bekannt ist und zu Beginn der Besprechung nochmals geklärt wird! Klären Sie am Anfang auch, wer Protokoll führt und was damit passiert. Falls notwendig holen Sie sich die Erlaubnis ein, das Meeting zu leiten. Erklären Sie die Struktur und Vorgehensweise zu Beginn. Falls Sie die Moderation abgeben, weisen Sie die Person in die Struktur ein und stellen Sie die Moderator*in in ihrer Rolle vor. Ergebnisse und Vereinbarungen sollten unbedingt visualisiert werden. Manchmal reicht ein Aktionsplan direkt auf dem Flipchart oder Laptop. Sorgen Sie für angemessene Visualisierungsmöglichkeiten und Material. Halten Sie den vereinbarten Zeitrahmen ein! Beginnen und enden Sie pünktlich. Offene Themen kommen ins nächste oder ein zusätzliches Meeting. So helfen Sie allen beim Zeitmanagement und planen in Zukunft realistischer. Literatur HECKER, Stefanie, 2018. Meetings und Besprechungen lebendig gestalten. Paderborn: Junfermann SEIFERT, Josef W., 2015. Besprechungen erfolgreich moderieren. Kommunikationstechniken für Leiter und Teilnehmer. 15. völlig überarb. und erw. Auflage. Offenbach: Gabal. <?page no="39"?> Betreuung von Abschlussarbeiten 39 Betreuung von Abschlussarbeiten Edda Wilde Mir ist die Betreuung meiner Studierenden sehr wichtig, aber sie kostet mich einfach zu viel Zeit. Wie kann ich gleichzeitig zeitsparend und qualitativ gut Bachelor- oder Master-Abschlussarbeiten betreuen? Wer gerne lehrt oder einen bestimmten Anspruch an seine Lehre hat, wird aller Voraussicht nach auch Mühe in das Betreuenvon Abschlussarbeiten stecken wollen. Doch diese Begleitung kann schnell zum Zeitfresser werden. Folgende ünf Tipps können helfen, um den Prozess effizient und gut zu gestalten: - Wenn die Betreuung zum festen Arbeitsablauf zählt, lohnt es sich erstens, eine klare Struktur zu etablieren. Erarbeiten Sie ein Betreuungs- und Bewertungsschema, das die Prozessbegleitung vergleichbar macht und dadurch automatisiert. Sie sparen Ressourcen und Zeit. Geklärt werden sollte, wie oft Studierende in dieser Phase üblicherweise Anspruch auf ein persönliches Gespräch haben, wie lange diese Gespräche dauern und wie sie ablaufen. Die Studierenden sollten die persönlichen Treffen gut vorbereiten und vorab Fragen an Sie schicken, damit das Gespräch fokussierter verlaufen kann. ( → Gespräche mit Mitarbeitenden) Eine Checkliste zum Start der Abschlussphase unterstützt dabei sowohl Sie als auch die Studierenden, an alle zu klärenden Punkte zu denken. Sehr hilfreich ist auch ein schriftlich fixierter Kriterienkatalog zur Bewertung der Arbeiten (was ist für ein ‚sehr gut‘ zwingend erforderlich, was für ein ‚gut‘ etc.), das schafft Vergleichbarkeit und Transparenz. Dabei kann es durchaus sinnvoll sein, bei einer solchen Struktur zwischen einer regulären Betreuung und einer Betreuung besonders engagierter Studierender, die sich für eine wissenschaftliche Karriere interessieren, zu unterscheiden. Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu binden, lohnt es, hier mehr Aufwand in die Betreuung zu stecken als bei Personen, die schlichtweg ihren Abschluss machen wollen. - Eine zweite Möglichkeit, die Betreuung effizienter zu gestalten, ist das Bündeln der Besprechungen in einem Bachelor-/ Masterkolloquium ( → Besprechungen und Meetings) So können wiederkehrende Themen in der Gruppe besprochen und zusätzlich der Austausch zwischen den Studierenden gefördert werden. <?page no="40"?> 40 Betreuung von Abschlussarbeiten - Wenn Sie eine klare Betreuungs- und Bewertungsstruktur besitzen, können Sie sich drittens von Assistent*innen unterstützen lassen. Sinnvoll ist, das Erstgespräch zu dritt (Dozent*in, Assistent*in, Studierende*r) zu führen. In diesem Setting kann das weitere Vorgehen besprochen und geklärt werden, wer auf welche Weise die Betreuung übernehmen wird. - Eine vierte Stellschraube ist, die Anzahl von Abschlussarbeiten einzuschränken. - Das ist ein schwieriges Thema, weil an Instituten häufig klare Regelungen fehlen, wer wie viele Arbeiten zu betreuen hat. Kollegialer Austausch lohnt sich, um Vergleichswerte zu bekommen und ggf. die Anzahl zu reduzieren. Ein gleichermaßen wichtiger wie sensibler Punkt ist hierbei, sich gut abzugrenzen. - Der fünfte und letzte Tipp betrifft das Selbstmanagement. Im Zeitmanagement gibt es eine einfache, aber sehr wirkungsvolle Regel. Sie heißt: Beginne den Tag mit der wichtigsten Aufgabe, also mit der Tätigkeit, die vollste Konzentration erfordert. Bei Wissenschaftler*innen ist das in der Regel das, was gerne hintenangestellt wird: Das Verfassen von Publikationen, Anträgen oder Vorträgen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Betreuungsarbeit niemals an den Anfang des Tages gelegt werden sollte. Und schließlich tun Sie gut daran, das Parkinsonsche Gesetz ernst zu nehmen. Es besagt, dass Arbeit sich genau in dem Maße ausdehnt, wie Zeit dafür vorhanden ist (und nicht etwa nach dem Maß der Aufgabenkomplexität). Anders gesagt: Nehmen Sie sich viel Zeit für die Betreuung, wird sie viel Zeit benötigen, nehmen Sie sich weniger, werden Sie - ohne notwendige Qualitätseinbußen - weniger Zeit brauchen. Klären Sie für sich, wie viel Zeit und Raum Betreuungsaufgaben einnehmen dürfen und handeln Sie danach. Sie werden sehen, das ist durchaus befreiend. Hilfe zur Selbsthilfe - So betreuen Studierende sich selbst Teilen Sie den Studierenden ein Blatt aus, wo die wichtigsten Infos zum Verfassen einer Abschlussarbeit bei Ihnen zusammengefasst sind. Nennen Sie passende Fachliteratur zum Verfassen einer Abschlussarbeit (in Ihrem Fach). Schlagen Sie ein Abschlussarbeits-Tandem vor, wo sich zwei Studierende gegenseitig begleiten und unterstützen. Bei Bedarf können Sie Studierende an die psychologische Betreuung der Universität oder an Weiterbildungszentren der Unis verweisen, die z.B. Seminare zu Zeitmanagement oder Wissenschaftlichem Schreiben anbieten. <?page no="41"?> Change gestalten 41 Literatur BUFF KELLER, Eva und Stefan JÖRISSEN, 2015. Abschlussarbeiten im Studium anleiten, betreuen und bewerten. Stuttgart: UTB. ECO, Umberto, 2014. Wie man eine wissenschaftliche Abschlussarbeit schreibt. 13. Auflage. Stuttgart: UTB. STICKEL-WOLF, Christine und Joachim WOLF, 2019. Wissenschaftliches Arbeiten und Lerntechniken: Erfolgreich studieren - gewusst wie! 9., überarb. Auflage. Wiesbaden: Gabler. WEBER, Markus. Abschlussarbeiten betreuen. Unter: https: / / www.einfach lehren.tu-darmstadt.de/ themensammlung/ details_13824.de.jsp (zuletzt abgerufen am 4. Februar 2020). Change gestalten Anette Hammerschmidt Die Mehrheit der Literatur über Vorgehensweise und Schwierigkeiten bei Change-Prozessen befasst sich damit, wie umwälzende Organisationsveränderungen von einer Konzernleitung oder Führungsebene im großen Stil durch- und umgesetzt werden. Auf den Hochschulkontext lassen sich solche Vorhaben allerdings nicht eins zu eins übertragen. Hier sind andere Strategien notwendig, um Veränderung bewirken zu können. Tiefgreifende Organisationsveränderungsprozesse sind an Hochschulen und Universitäten zwar möglich, aber sofern sie sich nicht durch gesetzliche und politische Rahmenbedingungen ergeben, schwierig und eher selten. Das Primat der Unabhängigkeit und Autonomie der Professor- *innen erschwert eine gemeinsame Ausrichtung zur Entwicklung der Organisation, die hier schnell als Einmischung und Übergriff erlebt wird. Bedarf und gestalterische Spielräume ür Veränderungen gibt es dennoch. Sie erfordern jedoch eher eine Strategie der kleinen Anpassungen, die den eigenen Wirkungs- und Einflussbereich nutzen und darüber auf die Organisation ausstrahlen. Nach dem Motto: Auch viele kleine Schritte verdichten sich zu einem Weg und verändern das Gelände. Dabei sind einige Prinzipien aus der klassischen Change-Literatur durchaus übertragbar und als Orientierungshilfe nützlich. <?page no="42"?> 42 Change gestalten Logische Ebenen der Veränderung nach Robert Dilts Wie bei jedem Weg, stellt sich bei Change-Prozessen als erstes die Frage nach dem Anlass und dem Ziel der Veränderung. Wandelt sich das Umfeld, sollten wir Anpassungen vornehmen. Widerstrebt uns, was wir vorfinden, können wir etwas unternehmen. Umfeld und Situation mögen uns in beiden Fällen auf den ersten Blick als gegeben und unveränderbar erscheinen. Und doch: wenn wir uns als selbstwirksame Beteiligte verstehen, erkennen wir Möglichkeiten Einfluss zu nehmen - sei es um eine kleine Kurskorrektur vorzunehmen oder tiefgreifende Umwälzungen in unserem Sinne mitzugestalten. Natürlich macht es einen Unterschied, ob wir selbst eine Veränderung wählen oder ob sie uns oktroyiert wird. Das sollten wir auch für diejenigen im Hinterkopf behalten, denen wir Veränderungsbereitschaft abverlangen. Ein entscheidender erster Schritt ist daher, Betroffene zu Beteiligten zu machen. Als Führungskraft heißt das, diese von Anfang an einzubeziehen, Bedenken zu hören, Notwendigkeit und Nutzen zu vermitteln und ihnen Freiräume zur Mitgestaltung zu ermöglichen. Eine Voraussetzung für Change-Initiativen jeder Größenordnung ist, das Umfeld gut zu kennen, um die Wirkung von Veränderungsmaßnahmen, kleine wie drastische gleichermaßen, einschätzen zu können. Wo sind wir heute? Wie sehen die Beteiligten das? Wie stehen sie zueinander? Die Gegenwart ist der Ausgangspunkt, den Sie eingehend unter die Lupe nehmen sollten. Alte Geschichten oder Rivalitäten gehören häufig noch zum gegenwärtigen Ballast. Auch damit muss man dann umgehen. Darüber, was es zu verändern gilt, sind die Betroffenen oft nicht einer Meinung. Bei dieser Frage wird es konkret. Sie rührt an den Interessen und Überzeugungen, an etablierten Privilegien und lieb gewonnenen Gewohnheiten, schürt u.U. Ängste, dem Neuen nicht gewachsen zu sein oder die eigene Identität zu bedrohen. Auch hier lohnt es sich, genauer hinzusehen, bevor man Maßnahmen einleitet. Dabei hilft das Modell der Logischen Ebenen der Veränderung (Dilts 2014), das die hierarchische Struktur der Verarbeitung von Denkprozessen veranschaulicht. Jede Ebene muss auf der nächst-höheren Ebene ‚abgesichert‘ sein, damit Veränderung gelingt. <?page no="43"?> Change gestalten 43 Geht es beispielsweise um eine Veränderung der Ausstattung in einem Labor, so müssen die Mitarbeiter*innen ihre Prozesse und Abläufe daran anpassen. Das bedarf einer Umstellung auf der Ebene des Verhaltens. Damit jemand sein Führungsverhalten ändern kann, braucht er oder sie entsprechendes Wissen und Fähigkeiten. All diese Veränderung lassen sich relativ leicht bewerkstelligen, solange sie mit den Überzeugungen und Werten der Person im Einklang sind, bzw. ihrer Identität und ihrem Rollenverständnis nicht zuwiderlaufen. Trifft die Veränderung Glaubenssätze, Werte, oder die Frage nach der Sinnhaftigkeit und Identität, wird der Widerstand exponentiell steigen. Je nachdem, auf welcher Ebene eine Veränderung die Betroffenen trifft, bedarf es anderer Maßnahmen, um den Change erfolgreich zu gestalten. Das gilt für Mitarbeiter*innen wie Kolleg*innen und Vorgesetzte gleichermaßen. Bei Verhalten hilft Übung, für das Können Training, für Wissen Information. Bei Werten, Bedürfnissen und Überzeugungen braucht es in erster Linie → Zuhören, Verstehen und Empathie, um so die Betroffenen ab- und mit ins Boot zu holen. Dabei mag sich ein augenscheinlicher Widerstand doch als berechtigter Einwand erweisen. Das übergeordnete Ziel lässt sich sicherlich auch mit anderen Strategien erreichen. Behalten Sie das Ziel im Blick und seien Sie bei der Umsetzung flexibel. Auch ohne offizielle Change-Initiative gibt es womöglich genügend Gründe, in Ihrem Umfeld einen Wandel voranzutreiben. Sei es, weil es Ihnen wichtig ist einen kollegialen Führungsstil zu pflegen, ohne dass man Ihnen auf der Nase herumtanzt ( → Führungsstile), um für mehr Gleichberechtigung ( → Gleichstellung, Umgang mit Vielfalt) zu sorgen oder um mehr → Life-Balance in Ihr Leben zu bringen? Schließlich finden wir eine Organisationskultur nicht nur vor, sondern nehmen immer auch daran teil. Ausgangspunkt solcher Veränderungen sind Werte und Überzeugungen, die essentiell an das eigene Identitätsverständnis geknüpft sind, aber im Arbeitsumfeld zu wenig oder keine Beachtung finden. ( → Haltung, Selbststeuerung) Diese Strategien des Wandels sind meist nuanciert und dennoch klar und nachhaltig. Wenn Sie sich als Outsider fühlen, der*die nicht so recht dazugehört, ist das ein kreativer Impuls, Veränderungsspielräume zu erkunden. Sei es, indem wir eingefahrene Gewohnheiten in Frage stellen (z.B. mehr Fragen stellen statt Anweisungen zu geben), etablierte Rituale für die Sensibilisierung nutzen (z.B. jüdische, muslimische oder andere für Mitarbeiter*innen wichtige Feiertage mit dem gleichen Selbstverständnis beachten wie der Mainstream die christlichen), Regeln abwandeln oder erweitern (z.B. persönliche Betroffenheit in einem akademischen Vortrag zum Ausdruck bringen), womit wir unser Büro dekorieren (Bilder sind Statements), wie <?page no="44"?> 44 Change gestalten wir über unsere Zeit verfügen (ab fünf gilt die Zeit den Kindern), uns kleiden (Pumps behindern nicht den Intellekt), Sprache benutzen (in Wortwahl und Aussprache) und mit anderen umgehen, sei es als Führungskraft oder Kollege*in - all das sind Mikroanlässe, in denen kulturelle und soziale Kräftespiele zutage treten, die wir mit unseren Handlungen bestätigen oder widerlegen. Subtile Strategien kommen zwar gemäßigt daher, sind aber nachhaltig wirksam, wenn sie konsequent umgesetzt werden. Damit sie nicht verpuffen, sollten Sie ein paar Dinge beachten. 1) Klären Sie zuerst, worum - um welche Bedürfnisse, Werte, Überzeugungen - es Ihnen eigentlich geht. Unterscheiden Sie das Anliegen von Ihrer persönlichen Betroffenheit. 2) Nutzen Sie Ihre Systemkenntnis, um die Motive und Bedürfnisse der anderen Partei zu verstehen. 3) Was ist für Sie verhandelbar, was nicht? Erwägen Sie mögliche Alternativen. 4) Überlegen Sie, wer Sie konstruktiv unterstützen kann und binden Sie diese Personen ein. 5) Erzählungen erschaffen Wirklichkeit. Berichten Sie von den Erfolgen im Licht der übergeordneten Anliegen und Werte. So verändert sich allmählich die Sicht auf das Selbstverständliche und damit die eingefahrenen Paradigmen des Status quo. Anregungen Analysieren Sie das soziale Umfeld und die aktuelle Situation. Hierfür eignen sich Instrumente aus dem klassischen Change-Management, z.B. eine Stakeholderanalyse, die die Interessen, Motivationen, Bedürfnisse, Macht und Einflussmöglichkeiten aller Beteiligten genauer in Augenschein nimmt. ( → Anfang gestalten, Projektmanagement) Der Wendepunkt, um vom Widerstand ins Mitgestalten zu kommen, ist die Akzeptanz der Realität. Fragen Sie sich: Was lässt sich nicht ändern? Worauf kann ich Einfluss nehmen? Was liegt in meiner Hand? Berücksichtigen Sie, dass andere ihre eigenen Gründe für Widerstände haben. Auf welcher logischen Ebene trifft es diese Person? Unterscheiden Sie zwischen Bedürfnissen und Strategien. Erstere sind abstrakt und universal wie Werte, letztere sind konkrete Handlungen und Präferenzen. Erstere sind die Wegweiser/ Beweggründe, letztere die Schritte, die Sie unternehmen. Hören Sie in die Tiefe. Hinter dem ‚Gemecker‘ liegen Bedürfnisse und Werte, die gehört, verstanden und wertgeschätzt werden wollen. Das heißt noch lange nicht, dass man den konkreten Wünschen nachkommen kann oder sollte! ( → Selbstführung) Wenn Sie Mitarbeiter*innen ‚mitnehmen‘ wollen, machen Sie deutlich, was nicht verhandelbar ist und was sie mitgestalten können. <?page no="45"?> Delegieren 45 Gehen Sie in sich, um herauszufinden, was Ihnen wirklich wichtig ist. Vertreten Sie das Wesentliche mit Verve und bleiben Sie flexibel in der Umsetzung. Erlauben Sie diese Freiräume. Halten Sie Ausschau nach Gelegenheiten in Ihrem Einflussbereich, um daran anzusetzen und etwas zu unternehmen. Konzentrieren Sie sich auf das, was Ihnen wichtig erscheint. Kulturwandel geht langsam und schrittweise. Bleiben Sie beharrlich. Denken Sie bei Veränderungsprozessen nicht in 100% Zielerreichung. Den Idealzustand gibt es nicht. 10% Veränderung in die gewünschte Richtung ist deutlich spürbar, kleine Erfolge zählen! Kommunizieren Sie Erfolge, auch die kleinen - informell und offiziell. Sorgen Sie gut für sich. Woher bekommen Sie Unterstützung und Anerkennung? Was gibt Ihnen Kraft? Gönnen Sie sich, was Ihnen gut tut! ( → Netzwerken, Resilienz) Literatur BERG, Maggie and Barbara SEEBER, 2016. The Slow Professor. Challenging the Culture of Speed in the Academy. Toronto, Buffalo, London: University of Toronto Press. DILTS Robert, 2014, A Brief History of Logical Levels. www.nlpu.com/ Artic les/ LevelsSummary.htm (zuletzt aufgerufen am 15. April 2020). HEATH Chip and Dan HEATH, 2011. Switch. How to Change Things when Change is Hard. London: Random House Business Books. MEYERSON, Debra, 2008. Rocking the Boat. How to Effect Change Without Making Trouble. Boston: Harvard Business Press. Delegieren Neela Enke Ich habe gerade eine Forschungsgruppe eingeworben - nun habe ich plötzlich Mitarbeiter*innen und muss delegieren. Wie mache ich das? Ich habe Angst, die Kontrolle zu verlieren. Nicht nur junge Führungskräfte haben Schwierigkeiten zu delegieren, Sie sind also in guter Gesellschaft! Neben dem Sinn, Sie als Führungskraft von bestimmten Aufgaben zu entlasten, können Sie Ihre Mitarbeitenden durch <?page no="46"?> 46 Delegieren das Übertragen von Aufgaben und Verantwortungen bei der professionellen Entwicklung unterstützen - zumindest manchmal. Zunächst lohnt es sich zu überlegen, wem Sie etwas delegieren wollen. Handelt es sich um eine Person, die frisch in der Arbeitsgruppe ist oder ein Projekt gerade neu übernommen hat? Oder um jemanden, der*die schon viel Erfahrung hat? Ist die Person schon geübt darin, Aufgaben selbstständig zu lösen oder braucht der*die Mitarbeiter*in viel Anleitung und agiert besser in klar umrissenen Rahmen ( → Situative Führung)? Welche Rolle haben die Mitarbeitenden in der Institution? Sind Sie auf unbefristeten Hausstellen beschäftigt oder handelt es sich um Promovierende, die ein Stipendium haben? Aus der Teamperspektive sollten Sie auch dafür sorgen, dass ‚langweilige‘ und ‚spannende‘ Aufgaben einigermaßen gleich verteilt sind. Die Übernahme von ‚Housekeeping‘-Aufgaben kann bei Personen, die nicht auf Hausmitteln bzw. befristet angestellt sind, zur professionellen Entwicklung dennoch beitragen und auch das Zugehörigkeitsgefühl zum Team stärken. Natürlich müssen Sie hier mit Fingerspitzengefühl agieren, um die befristeten Mitarbeiter*innen nicht zu überlasten. Dann gilt es, genau zu definieren, welche Aufgabe übernommen werden soll und wann sie als erfüllt gilt. Überlegen Sie sich, wie Sie die Kontrolle behalten wollen: Ist es ihnen egal, wie die Person die Aufgabe erfüllt? Wollen Sie über die Erfüllung der Aufgabe unterrichtet werden, oder wollen Sie nach der Delegation nie wieder etwas davon hören? Oder wollen Sie im Gegensatz dazu, über jeden Schritt unterrichtet werden? Es ist etwas anderes, ob Sie sagen: „Kümmern Sie sich um Organisation und Durchführung der Teamsitzung nächste Woche, ich bin eh nicht da und machen Sie das, wie Sie es für richtig halten.“ Oder: „Kümmern Sie sich um Organisation und Durchführung der Teamsitzung nächste Woche, ich lasse Ihnen alle Gestaltungsfreiheit. Wenn Sie Fragen haben, können Sie zu mir kommen.“ Oder: „Ich möchte Ihnen die Organisation und Durchführung der Teamsitzung nächste Woche übertragen; im ersten Schritt sammeln Sie die anstehenden Anliegen und Tagesordnungspunkte von allen Teammitgliedern ein und legen mir bis Montag eine detaillierte Tagesordnung vor - inklusive Reihenfolge und Zeitslots. Als Vorlage nehmen Sie die Tagesordnung vom letzten Mal. Nachdem ich diese Tagesordnung abgenommen habe, senden Sie diese bis spätestens Mittwoch 12.00h an alle Teilnehmenden. Am Tag der Sitzung seien Sie ca. 30 min vor Sitzungsbeginn im Gruppenraum und bereiten diesen vor - mit Getränken, Sitzordnung, Flipchart.“ Abhängig davon, wer Ihnen gegenüber steht, wie viel sie involviert sein wollen und wie wichtig die Aufgabe im <?page no="47"?> Delegieren 47 Gesamtkontext ist, kann Delegation sehr unterschiedlich ausfallen. Bei der Entscheidung kann Ihnen die → Situative Führung helfen. Eng verknüpft mit dem Thema Delegieren und Kontrolle ist auch das Thema Fehlerkultur: Was können Sie dazu beitragen, dass Ihre Mitarbeitenden aus Fehlern lernen? Halten Sie es aus, den Mitarbeitenden viel Spielraum und Eigenverantwortung zu lassen und dann mitunter zusehen zu müssen, dass Fehler passieren? Werten Sie die Fehler, wenn sie passieren, anschließend gemeinsam aus und stellen Sie sicher, dass die Mitarbeitenden einen Lernerfolg daraus ziehen? Oder verlangt es die Aufgabe, dass Sie eng führen, um Fehler tunlichst zu vermeiden? Finden Sie eine gute Balance zwischen beiden Optionen, je nachdem um welche Aufgabe es geht und was mögliche Folgen eines Fehlers sein könnten. Rückdelegation Es gibt verschiedene Formen der Rückdelegation: Aufgaben werden nur zum Teil oder gar nicht erledigt; die Qualität der Arbeit ist sehr schlecht; es gibt immer etwas Wichtigeres; Überforderung wird vorgetäuscht. Personen können sich auch durch Abwesenheit der Delegation von Aufgaben entziehen. Was Sie in all diesen Fällen auf gar keinen Fall tun sollten: sich selbst um die Lösung kümmern oder eine Lösungsmöglichkeit nach der anderen anbieten. Damit landet die Aufgabe wieder auf Ihrem Tisch. Zudem machen Sie es dem Gegenüber leicht, immer „Ja, aber ...“ zu sagen. Ermuntern Sie den*die Mitarbeitende*n stattdessen dazu, selbst Lösungsvorschläge zu machen, die Verantwortung bleibt somit bei den Mitarbeitenden. Prüfen Sie, ob alle Ressourcen, die für die Lösung benötigt werden, zur Verfügung stehen. Natürlich gibt es echte Überforderung mit der Aufgabe. Aber auch hier ist es nicht immer notwendig, die Verantwortung gleich wieder an sich zu nehmen. Unterstützen Sie lieber und ermöglichen Sie so den Mitarbeitenden eine Entwicklung. Delegieren leicht gemacht Aufgabe: Worum geht es? Was ist die Aufgabe? Anhand welcher Kriterien können Sie feststellen, dass die Aufgabe erfüllt ist? Bis wann genau soll die Aufgabe erledigt sein und wie viel Zeit soll die ausführende Person darauf verwenden? Welche Kompetenzen werden zur Aufgabenerfüllung benötigt? - Um zu prüfen, ob die Mitarbeitenden jeweils ihre Aufgabe verstanden haben, fragen Sie offen: „Was haben Sie verstanden? “ statt geschlossen: „Haben Sie verstanden? “. Die zweite Frage wird oft einfach mit „ja“ beantwortet und Missverständnisse tauchen erst später auf. <?page no="48"?> 48 Drittmittel einwerben Person: Wer kommt für die Aufgabenerfüllung in Betracht? Wer hat die benötigten Kompetenzen oder soll diese entwickeln? Wer ist vielleicht mal wieder ‚dran‘ mit einer ‚langweiligen‘ bzw. ‚spannenden‘ Aufgabe? Zu wessen Aufgabenfeld gehört die Aufgabe? Kontrolle: In welchen Abständen möchten Sie informiert werden? Und in welchem Umfang oder worüber genau? Möchten Sie durchgehend eingebunden sein oder nur falls etwas schiefzugehen droht? In welcher Form möchten Sie informiert werden: per e-Mail, persönlich ...? Rückdelegation vermeiden: Fragen Sie: „Wie genau stellen Sie sich meine Unterstützung vor? “, „Wo sehen Sie die Vorteile und Nachteile dieser Herangehensweise? “, „Was könnten Sie noch versuchen? “ oder „Was sind aus Ihrer Sicht die nächsten Schritte? “ Literatur BLANCHARD, Ken und Hal BURROWS, 2011. The One Minute Manager Meets The Monkey. 4. Auflage. Harper Collins. Drittmittel einwerben Neela Enke Postdoktorand Z. fragt: „Meine Chefin ist unglaublich gut darin, Drittmittel einzuwerben. Sie schreibt gute Anträge, aber das tun andere scheinbar auch - was ist ihr Geheimnis? “ Zum erfolgreichen Einwerben von Drittmitteln gehört es nicht nur, gute Anträge zu verfassen und Förderorganisationen und deren Programlinien gründliche zu recherchieren, sondern auch ein Gespür daür zu entwickeln, in welchen Förderlinien und bei welchen Förderorganisationen diese Erfolg haben könnten. Aus dem Antrag sollte deutlich werden, inwiefern Ihr Antrag zur Organisation und deren Programm passt ( → Anträge schreiben). Darüber hinaus gibt es auch viele wissenschaftliche Fragestellungen, deren Beantwortung den Umfang eines einzelnen Projektes überschreiten würde; hier gilt es, große Fragen intelligent in Päckchen und Unterfragen zu unterteilen und eine Strategie ür durchaus 10 oder 15 Jahre zu formulieren: welche Unterpunkte würde welche Organisation in welchem Umfang ördern? <?page no="49"?> Drittmittel einwerben 49 Es gibt ganz unterschiedliche Förderorganisationen und innerhalb dieser recht unterschiedliche Förderlinien, die jeweils Ihre eigenen Ziele verfolgen. Wichtige Förderorganisationen sind u.a. die DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft - fördert Grundlagenforschung und ist eher fachspezifisch orientiert), die Volkswagen-Stiftung (offen für experimentelle und risikoreiche sowie interdisziplinäre Forschung) und verschiedene Ministerien, darunter vor allem das BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Zielsetzung dieser Förderung kann sehr unterschiedlich sein, aber grundsätzlich sollten Ergebnisse für Gesellschaft und Politik ‚nutzbar‘ gemacht werden - z.B. in Form von Policy-Beratung). Daneben gibt es für Auslandsaufenthalte den DAAD (Deutscher akademischer Austauschdienst) und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Auch andere Förderorganisationen finanzieren einen Auslandsaufenthalt (z.B. Forschungsstipendien von der DFG oder auch Organisationen im Zielland, die den Austausch fördern). Hier gilt es ebenfalls, herauszufinden, was die Förderorganisationen damit bezwecken, Sie ins Ausland zu schicken. Oft geht es um den Aufbau von → Netzwerken, Capacity Building im Ausland und/ oder darum, Methoden im Ausland zu erlernen und dann nach Deutschland zu ‚importieren‘. ( → Internationale Zusammenarbeit) Es gibt darüber hinaus unzählige Stiftungen ganz unterschiedlicher Größe und Zielsetzung, die größere oder kleinere Forschungsprojekte fördern. Einen guten Überblick über diese Stiftungen und Ihre spezifischen Ziele bietet die Datenbank des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft. Auf europäischer Ebene gibt es, um die Komplexität etwas zu vereinfachen, Förderlinien, die themenoffen sind und auf die sich Einzelpersonen oder kleinere Netzwerke bewerben können (z.B. Marie-Curie-Sklodokovska-Programm, ERC-Grants, ITNs und ETNs) oder aber thematische Calls, bei denen Sie allerdings als Einzelperson keine Chance haben. Dort müssen Sie sich in einem größeren Konsortium bewerben. Mehr Informationen zu europäischer Forschungsförderung gibt es bei der Nationalen Kontaktstelle KoWi. Nicht zu vergessen sind auch kleine Förderprogrammeder Universitäten oder außeruniversitärer Einrichtungen. Manchmal lässt sich hier mit geringem Aufwand Geld für eine Überbrückung, eine Vorstudie o.ä. finden. Und natürlich gibt es auch die Möglichkeit, auf Crowdfunding zurückzugreifen. In den Förderorganisationen kann es ganz unterschiedliche Förderlinien geben: z.B. für Wissenschaftler*innen in der Qualifizierungsphase die eigene Stelle, Juniorgruppen, Forschungsaufenthalt im Ausland, Promotions- und Habilitationsstellen und -stipendien; es gibt frauenspezifische Förder- <?page no="50"?> 50 Drittmittel einwerben programme; es gibt Personal- und Sachmittel für Projekte, auf die die antragstellende Person andere einstellen kann; dann gibt es auch Fördermittel für Professuren, es gibt Verbundprojekte und Calls zu spezifischen Themen. Wenn Sie ganz unternehmungslustig sind, können Sie natürlich auch beginnen, sich für Ihr Fach und Ihre Anliegen politisch zu engagieren und aktiv neue Ausschreibungen beeinflussen, sei es in der DFG oder beim BMBF oder auf europäischer Ebene. Drittmittel einwerben - wichtige Fragen In welcher Karrierephase befinden Sie sich? Sind Sie gerade erst dabei, sich zu etablieren oder sind Sie schon gut verankert? Wie hoch ist der Aufwand für die Beantragung und Verwaltung? Angewandte Forschung oder Grundlagenforschung: wo ist Ihr Projekt verortet? Eigene Stelle, Forschungsaufenthalt im Ausland, Doktorand*innenstelle und Sachmittel: was brauchen Sie? Sind Sie allein oder im Verbund mit andern? Und nicht zuletzt: Drittmittel sind nicht gleich Drittmittel: Es gibt ,gutes‘ und ,schlechtes‘ Geld - erkundigen Sie sich, welche Drittmittel in Ihrer Community und Ihrer Organisation angesehen und honoriert werden und welche nicht (so werden z.B. BMBF-Mittel sehr unterschiedlich bewertet) Literatur HERRMANN, Dieter und Christian SPATH, 2016. Deutsches Forschungshandbuch 2016-2017. Förderinstitutionen, Förderprogramme und Drittmittel für die Wissenschaft. Lampertheim: Alpha Informationsgesellschaft mbH. www.dfg.de (zuletzt aufgerufen am 02. April 2020) www.foerderdatenbank.de (zuletzt aufgerufen am 02. April 2020) www.stifterverband.org (zuletzt aufgerufen am 02. April 2020) www.volkswagenstiftung.de (zuletzt aufgerufen am 02. April 2020) <?page no="51"?> Entscheidungen treffen 51 Entscheidungen treffen Anette Hammerschmidt & Anja Frohnen Mit Entscheidungen ist das so eine Sache: entscheidet man als Führungskraft allein, nimmt man u.U. die Leute nicht mit. Beteiligt man die Mitarbeiter*innen, brauchen demokratische Entscheidungsprozesse ihre Zeit und enden oft in einem halbherzigen Kompromiss. Was tun? Die Fragestellung pointiert ein weit verbreitetes Entscheidungsdilemma, auf das es keine pauschale Antwort gibt. Je nach Situation, Kontext und Ziel kann es durchaus sinnvoll oder gar notwendig sein, als Führungskraft ohne weitere Beteiligung eine Entscheidung zu treffen. Das gilt in erster Linie ür Entscheidungen, die unmittelbare Konsequenzen ür Ihre Rolle, Verantwortung und Arbeitsähigkeit als Führungskraft haben. Es gibt Entscheidungen, die der Führungskraft obliegen und nicht delegiert werden können bzw. sollten. Das gilt vor allem für Entscheidungen, die unter Gleichgestellten nicht ohne ‚Streit‘ getroffen werden können, sei es weil der*die eine keine Befugnisse hat, dem*der anderen etwas vorzuschreiben, oder Interessenskonflikte eine sinnvolle Einigung zwischen den Parteien verhindern. Vor Willkür sollte man sich allerdings hüten! Willkürlich getroffene Entscheidungen verbreiten Angst und Misstrauen, vergiften das Arbeitsklima und nehmen Mitarbeiter*innen die Motivation. Die Kriterien und Regeln, nach denen die Führungskraft entscheidet, sollten nachvollziehbar sein. Wenn wir eine Entscheidung begründen können, schafft das Transparenz. Es hilft anderen die Beweggründe zu verstehen und auch unliebsame Entscheidung eher zu akzeptieren. Ebenso sorgen Regeln, welche Entscheidungen grundsätzlich von wem getroffen werden können oder dürfen, für Klarheit. Sie geben den Mitarbeiter*innen einen Rahmen und gleichzeitig Freiräume für unabhängige Entscheidungen. Wenn jede*r weiß, welche Spielräume ihr und ihm zur Verfügung stehen, erleichtert das allen die Zusammenarbeit, ermöglicht der Führungskraft das → Delegieren und einen partizipativen Führungsstil ( → Führungsstile). Wichtiger noch, es schafft Vertrauen, sofern die Regeln für die Mitarbeitenden Sinn ergeben und die Freiräume ihren Fähigkeiten entsprechen, diese Entscheidungen treffen zu können. Diese Regeln können auch gemeinsam definiert werden. Immer dann, wenn Beschlüsse von allen mitgetragen werden sollen, ist Mitspracherecht ein geeignetes Mittel zu einer tragfähigen Entscheidung <?page no="52"?> 52 Entscheidungen treffen zu finden. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass der Weg dahin ohne eine strukturierte Strategie der Entscheidungsfindung oft langwierig und mühsam ist. Frustriert wird am Ende irgendwo ein Strich gezogen. Man einigt sich auf einen Kompromiss, der weder den Personen noch der Sache gerecht wird. Eine Möglichkeit, gemeinsam auf Augenhöhe zu einer tragfähigen Entscheidung zu kommen, bietet das Systemische Konsensieren (SK), das als Grundlage nicht nach Zustimmung fragt, sondern Einwände eruiert. Das geht z.B. (aber nicht nur) so: Zunächst sammeln alle Beteiligten Vorschläge für eine Problemlösung oder ein Vorhaben. Anschließend wird jeder Vorschlag von jeder*m Beteiligten auf einer Skala von 0 (kein Einwand) bis 10 (geht gar nicht) bewertet. Die Bewertung wird jeweils kurz erläutert und begründet, damit sie für alle nachvollziehbar ist. Bitten Sie die Beteiligten, ihre Bedürfnisse zu benennen, wozu etwas dient, warum es wichtig ist. Manche Einwände sind triftiger als andere. Daher entscheidet jede*r in einem dritten Schritt, wo ihre*seine ‚Zumutbarkeitsgrenze‘ liegt. Die Vorschläge innerhalb der ‚OK-Zone‘ sind die Alternativen mit dem größten Konsenspotential, die nun in einem vierten Schritt festgelegt werden können. Wenn es persönliches, volles Engagement bedarf, beispielsweise bei der Wahl eines Promotionsthemas, dann braucht es Zustimmung. In dem Fall stehen Interessen und Fähigkeiten an erster Stelle. Einen einzigen wahren Weg zur → Entscheidungsfindung gibt es nicht. In jedem Fall aber ist sie ein Führungsmerkmal, an dem Mitarbeiter*innen die Wertschätzung und das Interesse an ihrer Person festmachen. Grundsätze der Entscheidungsfindung Wägen Sie ab, was es zu entscheiden gilt und worum es dabei geht. Wer hat welche Interessen? Was steht auf dem Spiel? Führen Sie Entscheidungsregeln und Strategien ein und seien Sie transparent. Schieben Sie Entscheidungen nicht auf! Wenn Sie proaktiv agieren eröffnen sich dadurch Handlungsspielräume. Bedenken Sie: In den seltensten Fällen verfügen wir über alle Informationen, um 100% sicher zu sein. Bei den meisten Ent-Scheidungen bleibt daher ein Rest Unsicherheit, manchmal auch Bedauern, eine Option abgelehnt zu haben. Ermutigen Sie auch Ihre Mitarbeiter*innen, ihr Unbehagen bezogen auf Entscheidungen zu äußern, denn oft gibt die Intuition Hinweise darauf, dass etwas Wichtiges übersehen wurde. Holen Sie Informationen ein und nutzen Sie die Intelligenz Ihres ‚Schwarms‘. Sammeln Sie gemeinsam Optionen. <?page no="53"?> Entscheidungsfindung 53 Ob allein oder gemeinsam: wägen Sie die Alternativen nach logischen und intuitiven Kriterien ab. Literatur BADARACCO, Joseph L., 2012. Lautlos führen. Richtig entscheiden im Tagesgeschäft. Wiesbaden: Gabler HALLER, Reinhold, 2014. Mitarbeiterführung in Wissenschaft und Forschung. Grundlagen, Instrumente, Fallbeispiele. Berlin: BWV VISOTSCHNIG, Erich und Volker VISOTSCHNIG, 2016. Einführung in Systemisches Konsensieren. Einführung in das SK Prinzip. Gratis E-book: http: / / www.sk-prinzip.eu/ Entscheidungsfindung Edda Wilde Entscheidungen begleiten uns durch unseren Alltag und können uns viel Kopfschmerzen bereiten. Das passiert nicht nur bei großen Entscheidungen („Soll ich in der Wissenschaft bleiben? “), sondern auch bei kleineren („Soll ich den Vortrag annehmen trotz Zeitnot? “). Was gibt es ür Möglichkeiten, um eine gute Wahl zu treffen? Ein grundlegender Punkt bei Entscheidungen ist, sich zu Beginn zu fragen, was das Ziel (hinter) der Entscheidung ist. Was soll mit ihr erreicht werden? Was soll danach anders sein? Ganz allgemein ist es wichtig, sich Zeit zur Reflexion zu nehmen, Entscheidungen möglichst stressfrei zu treffen und sie so facettenreich und kreativ wie möglich zu beleuchten. Zwei Methoden können hier helfen: Gewöhnlich haben Menschen die Neigung, stärker emotional oder rational zu entscheiden. Um gute Entscheidungen zu treffen ( → Entscheidungen treffen), ist es jedoch wichtig, sie ganzheitlich zu fällen. Egal, ob man schnell oder langsam zu einer Entscheidung gelangt: Gut ist sie dann, wenn sie sowohl rational sinnvoll als auch emotional stimmig ist. Eine unterstützende Methode ist hier, seine inneren Stimmen zu befragen: Wie würde Ihr Verstand entscheiden, wie Ihr Bauch (die Intuition) und wie das Herz (orientiert an dem, was Ihnen wirklich wichtig ist)? Jede dieser inneren Stimmen sollte für sich - ohne von einer anderen Stimme unterbrochen zu werden - gehört werden. Welche Tendenzen hat die jeweilige <?page no="54"?> 54 Entscheidungsfindung Stimme? Was für Argumente? Welche Wünsche, Einwände, Ängste? Wozu rät sie? Wenn man aus den drei genannten Perspektiven auf die Situation sieht, ist die Entscheidung oft schon klar. In komplizierteren Fällen gilt es hingegen einen Konsens zu finden: Dazu sollten diese Stimmen an einen ,inneren Tisch‘ gesetzt werden und verhandeln, bis Sie einen ganzheitlichen Konsens finden. ( → Selbstführung) Die zweite Methode ist eine zielführende Praxis, um Dilemma-Strukturen (entweder-oder) aufzubrechen. Ein (empfundenes) Dilemma verunmöglicht die Entscheidungsfindung, da die Konsequenzen der Entscheidung für das eine oder das andere gleich negativ oder positiv erscheinen. Die sogenannte ,Tetralemma‘-Methode von Sparrer und Varga von Kibéd (2009) kommt aus der Aufstellungsarbeit und kann aber als Gedankenstruktur auch in der Einzelreflexion genutzt werden. Die Grundidee ist, Entscheidungen durchzuspielen, indem die Entweder-oder-Logik um fünf Positionen erweitert wird. Zu Beginn versetzt man sich möglichst plastisch in die erste Position: ,das Eine‘ - der Entscheidungspol, zu dem man eher tendiert (z.B. „Ich bleibe in der Wissenschaft.“): Wie fühlt es sich an, diese Entscheidung gefällt zu haben? Was spricht für sie? Was bringt sie u.U. für Nachteile mit sich? - Danach versetzt man sich in die zweite Position: ,das Andere‘ („Ich verlasse die Wissenschaft.“ → Ausstieg aus der Wissenschaft). Die dritte Position (,Beides‘) ist ein ,Sowohl als auch‘. Sie sucht nach Verbindungen, Kompromissen, ressourcenschonenden Lösungen, nach einem Hintereinander oder einem Haltungswechsel (etwa: „Ich probiere es noch zwei Jahre.“ „Ich mache weiter, jedoch pragmatischer.“ „Ich verdiene Geld außerhalb der Wissenschaft und arbeite als freie*r Wissenschaftler*in.“ etc.; → Haltung). Die vierte Position ,Keines von beiden‘ deckt mögliche blinde Flecken bei der Entscheidungsfindung auf und eröffnet neue Perspektiven und Optionen („Ich tue etwas ganz anderes.“). Die fünfte, paradoxe und rätselhafte Position ,all dies nicht und selbst das nicht‘ nimmt die Adlerperspektive ein. Was wäre, wenn man all dies, was man bislang gedacht und gefühlt hat, nicht täte und selbst das nicht täte? → Kreativität. Querdenken, Weisheit oder Humor können hier zum Vorschein kommen und die Entscheidung deutlich erleichtern, relativieren oder vor ganz neue Vorzeichen stellen. Wer all diese Positionen gut durchspielt, kommt bei schwierigen Entscheidungen einer Lösung deutlich näher. Zum Schluss noch ein Wort zu einem klassischen Stolperstein der Entscheidungsfindung: Menschen haben oft die Tendenz, sich für das Gewohnte, Vertraute zu entscheiden; aus Bequemlichkeit, aus Angst vor falschen Entscheidungen oder (vermeintlicher) Nicht-Revidierbarkeit, aus oft überzogenen Befürchtungen bezogen auf die Konsequenzen. Das erschwert Veränderung. Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen. Dinge anders zu machen als gewohnt, tut in der Regel weniger weh als gedacht. <?page no="55"?> Feedback 55 Hilfreiche Fragen Was ist das Ziel meiner Entscheidung? Was wird durch die Entscheidung möglich? Was nützt es mir, mich nicht zu entscheiden? Was kostet es mich, wenn ich die Entscheidung in die eine Richtung fälle? Und was in die andere? Wie könnte ich A und B verbinden oder wie könnte ein C aussehen? Wie werden ich meine Entscheidung in einem, zwei, fünf Jahren bewerten? Literatur DAIMLER, Renate, 2015. Basics der Systemischen Strukturaufstellungen: Eine Anleitung für Einsteiger und Fortgeschrittene mit Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd. 4., überarb. Auflage. München: Kösel, S. 110-130. SCHULZ VON THUN, Friedemann, 2006. Miteinander reden 3: Das ,Innere Team‘ und situationsgerechte Kommunikation. 15. Auflage. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. SPARRER, Insa und Matthias VARGA VON KIBÈD, 2009. Ganz im Gegenteil, Tetralemmaarbeit und andere Grundformen Systemischer Strukturaufstellungen - für Querdenker und solche, die es werden wollen. 6. Auflage. Heidelberg: Carl Auer. WILLNAUER, Elmar, 2016. Die richtigen Entscheidungen treffen! 60 Methoden und Techniken für den Berufsalltag. Weinheim und Basel: Beltz. Feedback Monika Klinkhammer & Anette Hammerschmidt Kürzlich habe ich meine Doktormutter um Feedback zu meinem Auftritt und Vortrag auf einer Fachtagung gebeten. Ich kann gar nicht nachvollziehen, was sie mir eigentlich sagen wollte …! Wenn wir bedenken, wie vielschichtig und mehrdeutig allein schon der Sprachgebrauch in Alltagssituationen ist, kann es nicht weiter verwundern, dass - wie der Philosoph Friedrich Schleiermacher bemerkte - Missverstehen wahrscheinlicher ist als Verstehen. Es ist also angeraten, sich zu vergewissern, dass das, was wir wahrnehmen, dem Gemeinten entspricht. Eine Möglichkeit dazu ist Feedback. <?page no="56"?> 56 Feedback Der Begriff stammt ursprünglich aus der Kybernetik und bezeichnet die Information von Rückkopplungssignalen, die zur zielgerichteten Steuerung beispielsweise eines technischen Systems benötigt werden. In der zwischenmenschlichen → Kommunikation dient Feedback der Rückmeldung, wie ein bestimmtes Verhalten, eine Äußerung oder Leistung von dem*der Kommunikationspartner*in verstanden wird und welche Auswirkung und Emotion bei anderen erzeugt wird ( → Fremdbild/ Selbstbild). Feedback kann ganz unterschiedlich aussehen: es reicht von einer spontanen Anmerkung bis zum strukturierten Feedbackgespräch ( → Gespräche mit Mitarbeitenden), das in vielen beruflichen Bereichen und Situationen, z.B. in der Weiterbildung, der Personalentwicklung, der Hochschuldidaktik, in Jahresgesprächen, Betreuungs- und Mentoring-Beziehungen oder im Coaching Eingang gefunden hat. Auch Feedback selbst ist vor Missverständnissen nicht gefeit. So manche Rückmeldung, die als Feedback verkleidet daherkommt, dient weder dem Verstehen noch der Verständigung. Ein weitverbreiteter Irrtum ist, dass Feedback eine empfängerverträgliche Form der Kritik sei. Wenn aber Kritik oder Belehrung als Feedback maskiert werden, macht es sie nicht verdaulicher, sondern die Empfänger zu Recht aversiv gegen den Versuch der Manipulation. Im Unterschied zur → Kritikkompetenz geht es bei Feedback nicht nur um eine sachliche oder fachliche Rückmeldung, sondern zugleich darum, die Beziehungsebene zu klären, zu halten bzw. zu stärken. Ein anerkennendes Feedback zu einem bestimmten Auftreten, zu guten Leistungen, Einsatz und Ideen hat nachhaltige Wirkung auf Motivation und Verhalten. Im Idealfall wirkt Feedback orientierend und fördernd - auf die Verständigung, das Leistungspotenzial, die persönliche Weiterentwicklung, die Kooperation und die Motivation im Team. Feedback kann sich jedoch auch kränkend oder negativ auswirken, wenn es beispielsweise unprofessionell, zu einem inadäquaten Zeitpunkt oder in einem ungünstigen Setting erfolgt. Letztlich entscheidet immer die Feedback empfangende Person, wie sie eine Nachricht versteht. Damit Feedback gelingt, gilt es ein paar Grundsätze zu beachten und sich mit einigen Feedbackregeln vertraut zu machen (z.B. Antons u.a. 1973, Fengler, 1998). Feedback ist stets eine subjektive Rückmeldung, die dahinter liegende Wahrnehmung selektiv und abhängig von persönlichen Erwartungen und Deutungsmustern. Eine absolute Wahrheit gibt es nicht. Grundvoraussetzung für eine möglichst wertfreie Rückmeldung ist daher, zwischen der (immer auch selektiven, subjektiven) Beobachtung beispielsweise eines Verhaltens und der Bewertung bzw. Interpretation des Beobachteten genau zu differenzieren. „Sie waren nervös und haben sich verhaspelt“ ist eine andere Aussage als: „Sie haben so schnell gesprochen, dass es mir <?page no="57"?> Feedback 57 schwer fiel zu folgen.“ Faires Feedback setzt im ersten Schritt gutes Beobachtungsvermögen und Wohlwollen voraus, damit für den*die Empfänger*in nachvollziehbar wird, woran der*die andere die Wirkung einer Äußerung oder Verhaltensweise festmacht. Wenn schon die Beobachtung subjektiv ist, dann erst recht die Interpretation. Äußern Sie im zweiten Schritt Ihre subjektive Deutung als Wirkung, die das, was Sie beobachten konnten auf Sie persönlich hat. Fügen Sie im dritten Schritt hinzu, was Sie stattdessen erwartet hätten oder wünschen. Es ist Ihre Perspektive, daher sollten auch alle drei Schritte als Ich-Aussagen formuliert werden. Feedback ist demnach „eher beschreibend als bewertend und interpretierend, eher konkret als allgemein, eher einladend als zurechtweisend“ (Fengler, 1998). Und es sollte zeitnah erfolgen. Folgt man den vier Schritten der ‚Gewaltfreien Kommunikation‘ nach Rosenberg, kann die Beziehungsdimension an Tiefe gewinnen. Im Anschluss an 1. die beobachtbare Situation, äußern Sie 2. die Gefühle, die in Ihnen hervorgerufen werden, um 3. die damit verbundenen Bedürfnisse zu benennen, und schließen Sie 4. eine konkrete und erfüllbare Bitte an. Die Bitte kann a) eine Aufforderung sein, das Gesagte in eigenen Worten wiederzugeben (Verständnisfrage), b) den*die Feedbackempfänger*in auffordern, seine*ihre Sicht hierzu zu äußern (Perspektivwechsel) und c) eine Handlung oder Verhaltensänderung anbieten (Lösungsvorschlag). Eine Bitte ist es allerdings nur, sofern dem Gegenüber auch zugestanden wird, sie abzulehnen. Wer eigentlich eine Forderung stellt, sollte das auch so ausdrücken! ( → Kommunikation) All das braucht etwas Übung und hängt natürlich von der konkreten Situation ab, z. B. ob dieses Feedback Bestandteil einer leistungsbezogenen und Karriere entscheidenden Bewertung ist (Disputation, Präsentation im Rahmen von Drittmittelakquisition, Bewerbungssituation, beim Hearing im Rahmen von Berufungsverfahren, Jahresgespräche und Zielvereinbarungen usw.), oder ob es in dem geschützten Rahmen beispielsweise eines Coachings oder im Austausch mit vertrauten Kolleg*innen erfolgt. Empfehlungen für Feedbackempfänger*innen Holen Sie aktiv Feedback - z.B. vor wichtigen Tagungen oder Hearings über Probepräsentationen in Bezug auf Ihre Performance - durch verschiedene Personen ein; zunächst vertraute, nach und nach auch eher kritische Personen wie Mentor*innen, Kolleg*innen und Vorgesetzte. 1. Wozu und wie möchten Sie Feedback haben? Wenn Sie um Feedback bitten, nennen Sie konkret, zu welchen Aspekten Sie dies wünschen (person- oder sachbezogen, Verhaltensweisen oder Performance, Wirkung Ihrer Person und der verbalen oder nonverbalen Kommunikation). <?page no="58"?> 58 Fremdbild/ Selbstbild 2. Vergewissern Sie sich: Versuchen Sie wirklich zu verstehen, was Ihr Gegenüber Ihnen sagen möchte. Fragen Sie nach! Wenn die Beobachtung nicht klar ist, fragen Sie konkret: „Woran machen Sie/ machst Du das fest? “ Wozu nutzt Ihnen dieses Feedback? Bringt es Ihnen neue Informationen und Erkenntnisse? Erst dann sollten Sie über die nachhaltige Bedeutung reflektieren, die das Feedback für Sie hat. 3. Teilen Sie Ihre Reaktionen auf das Feedback mit: Ihr Gegenüber sollte wissen, wie sein*ihr Feedback bei Ihnen ankommt, was hilfreich ist, was weniger. Teilen Sie mit, welche Schlüsse Sie aus ihrem*seinem Feedback ziehen und was Sie damit tun wollen. Halten Sie sich dabei selbst an die Feedbackregeln und - ganz wichtig - rechtfertigen Sie sich nicht! 4. Akzeptieren Sie Feedback nicht unkritisch: Legen Sie das empfangene Feedback im Geiste auf ein ‚imaginäres Tablett‘, bevor Sie es sich zu Herzen nehmen. Filtern Sie es zuerst nach den Ihnen wichtigen Kriterien. Überprüfen Sie, was Sie in ähnlichen Situationen an sich beobachtet haben. Können Sie die Rückmeldung bestätigen oder nicht? Wurde Ihnen Ähnliches schon einmal gesagt? Was davon wollen Sie annehmen und umsetzen? Seien Sie sich selbst gegenüber sowohl kritisch als auch fair. Und vor allem, sehen Sie Feedback als ein Geschenk. Literatur ANTONS, Klaus, EHRENSPERGER Heidi, MILESI Rita 2019: Praxis der Gruppendynamik. Übungen und Techniken. Göttingen: Hogrefe. FENGLER, Jörg, 1998. Feedback geben. Weinheim und Basel: Beltz. ROSENBERG, Marshall B., 2012. Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. 10. Auflage. Paderborn: Junfermann. Fremdbild/ Selbstbild Monika Klinkhammer Als Doktorandin habe ich im Graduiertenkolleg vor einiger Zeit einen guten Vortrag über meine ersten Forschungsergebnisse gehalten. Ich bin unsicher, ob die überarbeitete Version für den nun anstehenden Vortrag bei einer internationalen Tagung fachlich ausreicht. Meine Betreuerin hält mich für eine High Potential. Ich weiß jedoch nicht, ob ich fachlich gut bin, überzeugend vortragen kann und wie ich vor externen Expert*innen wirke. <?page no="59"?> Fremdbild/ Selbstbild 59 Dieses Beispiel wirft zwei wichtige Fragen auf: ,Wie gewinne ich Vertrauen in die eigene Person, meine Leistungsähigkeit, gerade in beruflich wichtigen Situationen und Bewertungsritualen? ‘ und ,Wie wirke ich und meine Leistungen auf andere? ‘ Das Selbstbild definiert, wie man sich selbst sieht, einschätzt und beschreibt. Es ist grundlegend ür die eigene persönliche, soziale und berufliche Entwicklung und Wirkung im professionellen Kontext. Dazu gehören auch Begriffe wie Selbstwertgeühl, Selbstwahrnehmung, Selbstvertrauen, → Selbststeuerung und → Selbstührung. Eigene Emotionen, Gedanken, Handlungen und → Haltungen werden ebenso vom Selbstbild beeinflusst wie Aspekte des professionellen → Habitus. Die Grundlagen ür das Selbstbild werden zwar maßgeblich in der Kindheit gelegt, jedoch sind auch die berufliche Sozialisation und Erfahrungen insbesondere mit Autoritätspersonen prägend. Mit Fremdbild ist die Wahrnehmung Anderer von einer Person gemeint: Wie sie z.B. mein Verhalten, Leistungspotential und meine Persönlichkeit oder meinen Umgang mit beruflichen Ansprüchen einschätzen. In Hochschule und Wissenschaft ist das Fremdbild ein entscheidender Karrierefaktor. Sowohl Selbstbild als auch Fremdbild beeinflussen stark die meisten Leistungs- und Bewertungssituationen in Hochschule und Wissenschaft, insbesondere bei Prüfungen, Bewerbungen, Vorträgen, Disputationen, Berufungsverfahren, Aufnahmeprozedere usw. Eine reflektierte und auf die jeweilige Situation ausgerichtete → Selbstpräsentation (Persönlichkeit, Stärken, sozialemotionale Kompetenzen usw.) und strategisches Selbstmarketing ( → Netzwerken) können dabei das Fremdbild und die Bewertung der erbrachten Leistungen positiv beeinflussen. Zudem ist es wichtig, die fortdauernd an die Person und Berufsrolle gerichteten eigenen Ansprüche und Erwartungen mit denen Anderer (z. B. Vorgesetzte oder Kolleg*innen) abzugleichen. Zudem kann zumindest partiell mit beeinflusst werden, welche Aspekte man in der Berufsrolle sichtbar machen möchte und was eher im Privaten oder Verborgenen bleiben soll. Gerade in Hochschule und Wissenschaft besteht die Tendenz zur (Selbst-)Überforderung, zu unangemessenen Ansprüchen an die (eigene) Leistung und Performance bis hin zum → Hochstaplersyndrom (Klinkhammer und Saul-Soprun, 2009). Selbstbild und Fremdbild stimmen nie vollständig überein. Sie beeinflussen sich wechselseitig in vielen Interaktionen und Kommunikationssituationen. Hilfreich ist hier das Modell des ,Johari-Fensters‘ (Luft und Ingham, 1955), das die Wahrnehmung einer Person in vier Bereiche untergliedert: <?page no="60"?> 60 Fremdbild/ Selbstbild MIR BEKANNT MIR UNBEKANNT ANDEREN BEKANNT Bereich A Öffentliche Person: sichtbares Handeln, mir und anderen bekannt Bereich B ,Blinder Fleck‘: Anderen bekannt, mir aber nicht ANDEEREN UNBEKANNT Bereich C: Privatperson und Geheimnis: Nur mir bekannt, anderen verborgen Bereich D: Unbewusstes: Weder mir noch anderen bekannt Johari-Fenster Sowohl man selbst (Selbstbild) als auch Andere (Fremdbild) können Eigenschaften oder Verhaltensweisen einer Person und Persönlichkeit jeweils nur ausschnittsweise wahrnehmen. Indem wir → Feedback einholen, erfahren wir, welchen Eindruck wir auf andere machen, und können unser Selbstbild relativieren und weiterentwickeln. So decken wir unsere ,blinden Flecken‘ auf, also das, was der subjektiven Wahrnehmung verborgen bleibt. Dies ermöglicht Wachstum als Person, aber auch die Entwicklung einer auf Selbstvertrauen basierenden (beruflichen) Identität und eines adäquaten Umgangs mit Ansprüchen. Dadurch entstehen Selbstwirksamkeit, also der Glaube an sich selbst, und das dauerhafte Vertrauen darauf, dass (berufliche) Anforderungen gut gemeistert und Gestaltungsmöglichkeiten durch die eigene Kreativität, Ressourcen und Kompetenzen genutzt werden können. So gelingt es, in Situationen wie der geschilderten, im Sinne der gelungen Selbstpräsentation der eigenen Person, Persönlichkeit und Kompetenzen, erfolgreich zu sein. Checkliste Selbstbild: Wer bin ich, wie sehe ich mich selbst? Wie möchte ich mich (beruflich) präsentieren, was sollte besser im Verborgenen bleiben? Fremdbild: Wie wirke ich auf andere? Wie kann ich von meinem ,blinden Fleck‘ profitieren? Die Selbstwirksamkeit steigern (nach Bandura, 1997): 1. Wie kann ich, wenn ich etwas erreicht habe, dies direkt erfahren und erleben? 2. Wie kann ich entsprechende positive Erfahrungen bei anderen, mir selbst möglichst ähnlichen Personen, gut beobachten? 3. Wer kann mich ermutigen im Sinne von „Ich weiß, dass Du das kannst! “? 4. Ich interpretiere meine entsprechenden emotionalen Erregungen und körperlichen Reaktionen, wie z. B. Schwitzen oder ein beschleunigter Herzschlag in diesem Zusammenhang positiv! ( → Selbstregulation) <?page no="61"?> Führungsstile 61 Literatur BANDURA, Albert, 1997. Self-efficacy: The exercise of control. New York: W. H. Freeman. LUFT, Joseph und Harry INGHAM, 1955. The Johari window, a graphic model of interpersonal awareness. In: Proceedings of the western training laboratory in group development, Los Angeles: UCLA. KLINKHAMMER, Monika und Gunta SAUL-SOPRUN, 2009. Das ,Hochstaplersyndrom‘ in der Wissenschaft. In: OSC 2, S. 165-182. www.charakterstärken.org - Universität Zürich Pädagogisches Institut, Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik wissenschaftlicher Fragebögen zur Einschätzung von Person und Stärken (zuletzt aufgerufen am 22. Juni 2020). Führungsstile Anette Hammerschmidt Ich hatte keine Vorbilder für einen Führungsstil, der mir entspricht. Ich möchte nicht so hierarchisch ‚regieren‘, wie ich das bei meinen Vorgesetzten erlebt habe. Aber wie sorge ich dann dafür, dass nicht jeder macht, was er will, und mir auf der Nase herumtanzt? Dieses Anliegen, mit dem eine Professorin ins Coaching kam, ührt die Bandbreite möglichen Führungsverhaltens auf, das der Sozialpsychologe Kurt Lewin in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts bereits untersuchte und in drei grundlegende Führungsstile unterschied: den ‚autokratischen‘ oder ‚autoritären‘ Führungsstil, den diese Coachee implizit ablehnt, den ‚Laissez-faire‘ Stil, in den sie nicht verfallen möchte und den ‚kooperativen‘ oder ‚partizipativen‘, den sie womöglich sucht. Das Autonomiegebot, das vor allem Professor*innen an Hochschulen große Freiheitsräume in ihrem Führungshandeln gewährt, ührt unweigerlich dazu, dass, je nach subjektiver Deutung, Interessen und Persönlichkeit, Führung hier sehr unterschiedlich interpretiert und praktiziert wird. Aus einer Studie zur Mitarbeiter*innenührung an deutschen Hochschulen (Schmidt und Richter 2009) geht hervor, dass viele Hochschullehrer*innen Führung gar nicht als Teil ihres Aufgabenbereichs sehen. Das mag sich seitdem geändert haben, aber eine systematische Kompetenzentwicklung, die gezielt auf Führungsaufgaben vorbereitet, Leitlinien vorgibt und den persönlichen <?page no="62"?> 62 Führungsstile Führungsstil reflektiert, befindet sich im Hochschulbereich noch in den Kinderschuhen. Mit diesem Leidesdruck kommen viele ins Coaching. Es gibt unzählige Definitionen von ‚Führung‘, von denen allerdings einige für den Hochschulbereich nicht passen. Eine klassische, „anwendbar auf alle interpersonellen Beziehungen“ stammt von Baumgarten: „Führung ist jede zielbezogene, interpersonelle Verhaltensbeeinflussung mithilfe von Kommunikationsprozessen.“ (Baumgarten 1977, 9) Es geht also um bestimmte Aufgaben und Ziele, Weisen der Einflussnahme auf andere, die Gestaltung von Beziehungen und das Medium → ‚Kommunikation‘, wofür verschiedene Methoden und Techniken zur Verfügung stehen ( → Delegieren, Entscheidungen treffen, Feedback, Gespräche mit Mitarbeitenden, Situative Führung u.a.m.), die unterschiedlich eingesetzt und gehandhabt werden können. Letzteres, das Wie, macht das Führungsverhalten aus, das in seiner Gesamtheit einen persönlichen Stil ergibt. Einen Führungsstil erkennt man an der Handhabung typischer Führungsaufgaben: wie Entscheidungen getroffen, Ziele vereinbart, Mitarbeiter*innen eingebunden und gefördert, Aufgaben übertragen, koordiniert und kontrolliert werden. Jeder Führungsstil ist durch ein bestimmtes Macht-, Status- und Rollenverständnis geprägt, das sich im Verhalten äußert. So erkennt man den autoritären oder autokratischen Führungsstil u.a. daran, dass die Führungskraft Entscheidungen in der Regel alleine trifft und Ziele vorgibt. Macht ist ungleich verteilt und wird als ‚Macht über‘ andere verstanden. Entsprechend asymmetrisch sind die Kommunikationsprozesse. Mitarbeiter*innen genießen kein oder wenig Mitspracherecht, ihre Bedürfnisse und Erwartungen spielen kaum eine Rolle. So wie Information in der Regel von oben nach unten fließt, steht es nur der Führung zu, Feedback zu geben, oft in Form von Lob und Tadel. Mitarbeiter*innen sind Ausführende. Erfolg misst sich an der korrekten Erfüllung der Vorgaben. Im Kontrast dazu lässt der Laissez-faire-Stil den Mitarbeiter*innen freie Hand bei Entscheidungen; die Führungskraft gibt Aufgaben und Ziele nur grob vor und vermeidet steuerndes Eingreifen. Ohne abgestimmte Ziele und Erfolgsparameter lässt sich Leistung nur schwer messen - die Mitarbeitenden wissen u.U. gar nicht, was von ihnen erwartet wird. Die Koordination verschiedener Aufgaben im Team ist geradezu unmöglich. Macht wird verstanden als ‚machtfreier Raum‘ und führt im Extremfall zu einem Machtvakuum, in dem jede*r auf sich selbst gestellt ist. Die Führungskraft zeigt kaum Interesse an den Erwartungen und Problemen der Mitarbeiter*innen, gibt wenig Feedback und vermeidet Auseinandersetzungen und Kontakt. In der Regel führt diese Art der Abwesenheit von Führung zu Orientierungslosigkeit, schlimmstenfalls zu internen Machtkämpfen, Animositäten und Chaos. <?page no="63"?> Führungsstile 63 Der kooperative Führungsstil zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass Mitarbeiter*innen aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden sind. Ziele werden gemeinsam erarbeitet, Entscheidungsbefugnisse in unterschiedlichem Umfang delegiert. Eigenverantwortliches Arbeiten wird den Aufgaben und Fähigkeiten gemäß gefördert. Macht wird interpretiert als ‚Macht mit‘ anderen, ohne dass Statusunterschiede dadurch aufgehoben würden. Beteiligung und Mitsprache sind ausdrücklich erwünscht, → Feedback wird auch ‚nach oben‘ gegeben und angenommen, Informationen fließen in alle Richtungen. Entsprechend verlangt dieser Führungsstil weitaus mehr Austausch und Kontakt mit allen Beteiligten, Koordination und ausgeprägte soziale und kommunikative Kompetenzen von der Führungskraft. Unter den genannten Alternativen scheint es naheliegend, dass der kooperative Führungsstil nicht nur wünschenswert, sondern für die Bedingungen wissenschaftlicher Arbeit wie geschaffen sei. Schließlich ist das wissenschaftliche Personal - trotz schwieriger Rahmenbedingungen wie zeitlich befristeter Stellen - in der Regel engagiert, intrinsisch motiviert und gewohnt selbständig zu arbeiten. Und doch nicht immer. Führung beschränkt sich an Hochschulen wie an Forschungsinstituten auch nicht auf Wissenschaftler*innen. Es gibt eine Reihe diverser Aufgabengebiete in der Administration, den Laboren, technischen Einrichtungen, Serviceabteilungen usw. - nicht-wissenschaftliches Personal also, das in unterschiedlichen Konstellationen geführt werden muss. Das Führungsspektrum ist vielfältig. In Anbetracht all dieser Einflussfaktoren ist es nicht überraschend, dass Schmidt und Richter (2009, 25ff.) in ihrer Studie mehrere Mischstile ausgemacht haben, die sich aus Kombinationen der drei Grundstile ergeben. Welcher Führungsstil angemessen ist, hängt von drei Kernelementen ab. Zunächst von der Person, die ihre Führungsposition, wie jede Rolle, die wir einnehmen, mit ihrer*seiner Persönlichkeit ausfüllt. Der Führungsstil muss dem eigenen Wesen entsprechen, womit - um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen - nicht gemeint ist, dass z.B. ein Choleriker seinen Wutausbrüchen freien Lauf lassen soll. ( → Selbststeuerung) Wer andere führt, muss zuerst sich selbst führen können. Außerdem hat eine Führungskraft situationsadäquat verschiedenen Aufgaben und Anforderungen gerecht zu werden, die je nach Kontext und Führungsauftrag (z.B. → Laterale Führung) unterschiedlich aussehen können und andere Führungsqualitäten erfordern. Und schließlich geht es um die Beziehung zu und den Umgang mit den geführten Menschen, was von der Dynamik der Zusammenarbeit gleichermaßen abhängt wie es sie prägt. Führung spielt sich immer im Spannungsfeld unterschiedlicher Erwartungen und teils gegensätzlicher Anforderungen ab, die gegeneinander abgewogen und ausbalanciert werden müssen. Einige typische Rollendilemma- <?page no="64"?> 64 Führungsstile ta (Hofbauer und Kauer, 2018 / Schulz von Thun, 2002) in der Führungsrolle sind: Steuern vs. Selbstorganisation - Einerseits müssen Sie auf Struktur und Vorgaben achten, andererseits auch Freiheiten gewähren und Eigenverantwortung von Ihren Mitarbeiter*innen fordern. ( → Entscheidungen treffen) Authentizität vs. Taktik - Obschon eine Führungskraft offen und transparent kommunizieren soll, um überzeugend zu wirken, kann zu viel Ehrlichkeit Vertrauen erodieren und muss mit taktischen Überlegungen abgewogen werden. ( → Selbstpräsentation) Nähe vs. Distanz - Wer anderen empathisch und auf Augenhöhe begegnet, gewinnt Vertrauen, sollte aber genügend Distanz wahren, um sich auch abgrenzen und Konflikten stellen zu können. Aufgabenorientierung vs. Personenorientierung - Beides muss stimmen: die Ergebnisse und die Stimmung im Team, die Effektivität und die → Motivation der Mitarbeitenden ( → Situative Führung). Anerkennung vs. Kritik - Nichts motiviert Menschen mehr als Anerkennung, aber manche Leistung oder Verhalten verlangen eine kritischen Rückmeldung. ( → Feedback) Strategie vs. operative Nähe - Eine Führungskraft braucht Verständnis für den Arbeitsalltag der Mitarbeitenden, muss aber den strategischen Überblick behalten und Zukunftsperspektiven aufzeigen können. Welche Balance angemessen ist, hängt vom Zusammenspiel aller drei Faktoren ‚Person-Situation-Beziehungen‘ ab. „Die Gestaltung der Vorgesetztenrolle ist das Ergebnis der Wechselwirkung zwischen den Erwartungen von außen und dem Verhalten des Rolleninhabers. Es ist ein Prozess gegenseitiger Beeinflussung und wechselseitigen Lernens, der sich immer wieder verändern kann.“ (Hofbauer und Kauer 2018, 49) Mit Blick auf die im Eingangskapitel vorgestellten vier Quadranten nach Ken Wilber wird deutlich, dass ‚Führung‘ sowohl Bedingungen in als auch Auswirkungen auf alle vier Felder hat. Auf der individuellen Ebene bedingen u.a. Werte, Überzeugungen, Bedürfnisse und Emotionen (Q1) unser Handeln (Q2), wobei sich auch Erfahrung und Fähigkeiten, die man in der Praxis oder z.B. in Führungsseminaren erworben hat, auf das Führungsverhalten auswirken und zu Einstellungsänderungen führen können. Auf der kollektiven Ebene macht die Dynamik aus gelebten Umgangsformen, geteilten Werten, Überzeugungen und Denkmustern eine Kultur (Q3) aus, die sich im Kontext bestimmter organisationaler Rahmenbedingungen mit ihren Strukturen, Prozessen und Regeln (Q4) entfaltet. Wie eine Führungskraft handeln kann hängt auch vom Umfeld ab. Deshalb ist Systemwissen über die Organisation und ihre Gepflogenheiten für jede*n, die*der darin <?page no="65"?> Führungsstile 65 agiert unerlässlich. Zugleich - sei es beabsichtigt oder ungewollt - hat Führung immer eine Wirkung auf die Betroffenen, die Beteiligten und das soziale System. Die Frage ist nicht ob, sondern welche Kultur sich etabliert. Daher lohnt es sich auf jeden Fall darüber nachzudenken, welche Kultur Sie fördern und hervorbringen möchten. Leitfragen zur Entwicklung des eigenen Führungsstils Führung beginnt bei uns selbst. Nehmen Sie sich Zeit zu reflektieren, welche Werte und Überzeugungen Sie leiten, welche Bedürfnisse Sie haben, welche Gefühle und Ängste Sie umtreiben. Welche Erwartungen stellen Sie an sich? Wer wollen Sie als Führungskraft sein? ( → Haltung, Fremdbild-Selbstbild, Selbststeuerung) Erkunden Sie Ihre inneren Anteile, die in bestimmten Situationen in Habachtstellung gehen, sich in den Vordergrund drängen oder zurückziehen. Übernehmen ihre Anteile die Regie? Wie beeinflussen sie Ihr Verhalten? Was brauchen diese Anteile von Ihnen, damit Sie Ihre Souveränität behalten? ( → Selbstführung) Wenn Sie sich unsicher fühlen, fragen Sie sich, was Sie dagegen tun können. Brauchen Sie Informationen z.B. von der Personalabteilung? Brauchen Sie ein Training z.B. in Gesprächsführung oder geht es um Persönliches, das sie in einem Coaching bearbeiten wollen? Holen Sie sich Unterstützung! ( → Netzwerken, Resilienz) Welche Einstellung haben Sie zu ‚Macht‘? Was verleiht Ihnen in Ihrer Rolle Macht - Ihre Position, Ihre Fachkenntnisse oder Ihr souveränes Auftreten? Das mag je nach Situation variieren. Gewinnen Sie ein positives Verhältnis zu Macht, das mit Ihren Werten in Einklang ist. ( → Mikropolitik) Damit Sie nicht zum Spielball der Umstände werden, sollten Sie die Erwartungen klären, die andere an Sie haben. Wer stellt welche Erwartungen an Sie? Fragen Sie nach. Welche Erwartungen können und wollen Sie erfüllen? Wo ziehen Sie Ihre Grenzen? Beziehen Sie Position! ( → Gespräche mit Mitarbeitenden) Rollen sind stets reziprok. Welche Erwartungen haben Sie an Ihre Mitarbeiter*innen, Kolleg*innen, Vorgesetzte? Teilen Sie Ihren Rollenpartner*innen mit, was Sie von ihnen erwarten. Ein klares Rollenverständnis ist die Basis eines kongruenten Führungsstils. Sehen Sie sich die organisationalen Rahmenbedingungen genau an: Welche Muster, Einschränkungen und Spielräume erkennen Sie? Was heißt das für Ihren Führungsstil? Wie können Sie Ihren Handlungsraum nutzen und erweitern? ( → Netzwerken) Bedenken Sie, dass Führungshandeln immer Symbolkraft hat. Ob Sie es beabsichtigen oder nicht: Führung setzt Zeichen und formt Kultur. Welche Spuren wollen Sie hinterlassen? ( → Change gestalten) <?page no="66"?> 66 Gespräche mit Mitarbeitenden Literatur BAUMGARTEN, Reinhard, 1977. Führungsstile und Führungstechniken. Berlin, New York: de Gruyter. BRYMAN, Alan, David COLLINSON, Keith GRINT, Brad JACKSON and Mary UHL-BRIEN, (eds.), 2011. The SAGE Handbook of Leadership. Los Angeles, London: Sage. HALLER, Reinhold, 2014. Mitarbeiterführung in Wissenschaft und Forschung. Grundlagen, Instrumente, Fallbeispiele. 2., erw. Auflage. Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag. HOFBAUER, Helmut und Alois KAUER, 2018. Einstieg in die Führungsrolle. Praxisbuch für die ersten 100 Tage. Mit Interviews aus der Praxis. 6., erw. Auflage. München: Carl Hanser. SCHMIDT, Boris und Astrid RICHTER, 2009. Zwischen Laissez-Faire, Autokratie und Kooperation: Führungsstile von Professorinnen und Professoren. In: Beiträge zur Hochschulforschung, 31. Jahrgang 4/ 2009. 8-35. SCHULTZ VON THUN, Friedemann, 2002. Miteinander reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte. 4. Auflage. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Gespräche mit Mitarbeitenden Anette Hammerschmidt „Die Ursache, warum wenige Leute im Gespräch angenehm sind, liegt darin, dass jeder mehr an das denkt, was er zu sagen beabsichtigt, als an das, was die anderen sagen, und weil man schlecht zuhört, wenn man große Lust hat zu reden.“ François de La Rochefoucauld Wenn Kommunikation das Mittel ist, so sind Gespräche das Band, mit dem wir miteinander in Beziehung treten und daraus ein Miteinander weben. Welche Gespräche, worüber und mit wem, in welcher Art und Weise ge- ührt werden, ist ein wesentliches Merkmal der Team- und Organisationskultur, die wir aktiv mitgestalten. ( → Zuhören) Insofern sind Gespräche auch ein wichtiges Führungsinstrument, das zusätzlich zum Austausch, der u.a. in → Besprechungen und Meetings, in der → Gremienarbeit, auf dem Flur oder an der Kaffeemaschine stattfindet, bestimmten Zielen und der Steuerung dient. <?page no="67"?> Gespräche mit Mitarbeitenden 67 Es gibt verschiedene Anlässe für systematische Mitarbeitergespräche, die institutionalisiert und periodisch durchgeführt werden und in der Regel unter vier Augen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter*in stattfinden. Gesprächsanlässe können sein: Mitarbeitenden Orientierung oder → Feedback zu geben, Ziele zu vereinbaren, eine Leistung zu beurteilen oder die Entwicklung des*der Mitarbeitenden gemeinsam in den Blick zu nehmen. Je nachdem, worum es geht, unterscheiden sich Themenschwerpunkte und Herausforderungen, aber es gibt auch Gemeinsamkeiten, die allen Gesprächen zugrunde liegen. So bedürfen Mitarbeitergespräche der Vorbereitung. Jede/ r Beteiligte sollte vorbereitet in das Gespräch gehen können. Daher ist es unerlässlich, vorab zu informieren, dass ein solches Gespräch stattfinden soll, worum es dabei geht, was das Ziel des Gesprächs ist und natürlich wann und wo es stattfindet. Damit beide Gesprächsteilnehmer*innen ausreichend Zeit haben sich vorzubereiten, müssen Anlass und Termin rechtzeitig mitgeteilt werden. Abhängig von der Arbeitsbelastung ist ein Vorlauf von 2-3 Wochen zu empfehlen. Je nachdem, in welch engem Austausch die Gesprächsparteien stehen, werden sie für die Vorbereitung mehr oder weniger Zeit brauchen. Dazu gehört, sich Gedanken über die Ziele des Gesprächs, die konkreten Themen, womöglich mit Beispielen und Priorisierung, über die eigenen Bedürfnisse und Erwartungen sowie die des Gegenübers und über potentielle Konflikte zu machen und diese festzuhalten. Listen mit ihrer linearen Struktur eignen sich weniger gut, den sich entwickelnden Verlauf eines Gesprächs abzubilden. Versuchen Sie es mit einem Mindmap, das Sie je nach Anlass mit entsprechenden ‚Themenästen‘ strukturieren können. So kann man sich flexibel auf sein Gegenüber einstellen und behält doch den Überblick, welche Themen bereits besprochen wurden und welche noch ausstehen. Das Gespräch sollte unter geeigneten Rahmenbedingungen stattfinden, angefangen mit einem adäquaten Raum mit einer Besprechungsecke, die eine Begegnung auf Augenhöhe erlaubt. Der Schreibtisch gehört nicht dazu! Stellen Sie sicher, dass alle Störungen, ob Telefonanrufe oder Unterbrechungen durch Dritte, für die Dauer des Gesprächs unterbunden werden. In der Regel braucht ein Mitarbeitergespräch ein bis eineinhalb Stunden. Orientierungsgespräche können zu Beginn einer Zusammenarbeit stattfinden, um den*die Mitarbeiter*in mit seinen*ihren Aufgaben vertraut zu machen. Was muss der*die Mitarbeitende wissen? Welche Aufgaben hat er oder sie? Welche Abhängigkeiten und Schnittstellen gibt es mit wem? Wie laufen Prozesse hier ab? Welche sozialen Regeln gilt es zu beachten? Aber auch: welche Vorstellungen und Erwartungen haben Führungskraft und <?page no="68"?> 68 Gespräche mit Mitarbeitenden Mitarbeiter*in an die Qualität der Ergebnisse und die Zusammenarbeit miteinander und im Team? Langjährige Mitarbeiter*innen brauchen ebenfalls Orientierung, wenn sie neue Aufgaben übernehmen oder an einem neuen Projekt mitarbeiten. Wie viel, hängt davon ab, welche Vorerfahrung der Mitarbeitende für diese Aufgaben mitbringt. Übernimmt beispielsweise ein Teammitglied eine Führungsrolle, sollten Sie gemeinsam auch Rollenverständnis, Umgangsstil, Verantwortungen und Befugnisse klären und mögliche Konfliktbereiche ansprechen. Zur Unterscheidung, was Sie delegieren könnten und was der Anleitung bedarf, ist das Modell der → Situativen Führung hilfreich. Können Sie eine Aufgabe getrost delegieren, beschränkt sich die Orientierung auf die Zielstellung und Klärung von Fragen. Je nachdem, welchen situativen → Führungsstil Sie wählen, werden Sie auch in der Folge seltener oder häufiger für Rücksprachen im engen Austausch stehen. Für Feedbackgespräche zum Beispiel, in denen Mitarbeiter*innen Rückmeldung zu ihrer Leistung bekommen. Ohne Feedback geht irgendwann jedem die Orientierung und womöglich auch die Motivation verloren. Feedbackgespräche sind ein wesentliches Instrument, Mitarbeitenden Klarheit zu geben, wo sich die Erwartungen decken und wo dies nicht der Fall ist. Dabei fällt es uns oft leichter, Wertschätzung und Anerkennung zu zeigen als auf konstruktive Weise Kritik zu äußern. Ein weit verbreiteter Rat meint daher, dass Kritik besser angenommen werden kann, wenn man eine positive Rückmeldung vorausschickt. Das führt oft dazu, dass Mitarbeiter*innen die Wertschätzung gar nicht mehr ernst nehmen und nur darauf warten, was danach kommt. Wenn Sie im Berufsalltag regelmäßig bestätigendes sowie korrektives → Feedback geben, braucht man kritische Rückmeldungen nicht in Pseudostrategien zu verpacken. Entscheidend ist, dass die Bewertung nachvollziehbar ist, sich also an vorab vereinbarten Kriterien orientiert. Für eine systematische Leistungsbeurteilung sollten Sie sich vorab Gedanken über die Qualität und Quantität der Arbeit machen, die Effizienz, mit der die Aufgaben erfüllt wurden, über die Einsatzbereitschaft sowie das Teamverhalten des Einzelnen. Wenn es fair zugehen soll, dann kennen die Mitarbeitenden die Maßstäbe und können sich darauf verlassen, dass alle nach den gleichen Kriterien beurteilt werden. Bereiten Sie sich entsprechend vor, damit Sie auch konkrete Beispiele benennen können. Kritisches → Feedback heißt nicht, dass wir dem Anderen Defizite und Fehler um die Ohren hauen. Vielleicht gibt es dafür Umstände und Gründe, die Ihnen nicht bekannt sind. „Ein Gespräch setzt voraus, dass der Andere Recht haben könnte“, so Hans-Georg Gadamer. In einem Gespräch wollen beide Seiten gehört und verstanden werden. Bitten Sie daher den*die Mitarbeiter*in um seine*ihre Einschätzung und über- <?page no="69"?> Gespräche mit Mitarbeitenden 69 denken Sie Ihre eigene. Konzentrieren Sie sich nicht auf das, was schief gegangen ist, sondern auf mögliche Lösungen, die beiden Parteien sinnvoll und akzeptabel erscheinen. Um eine Leistungsbeurteilung vornehmen zu können, sollten allerdings vorab Zielvereinbarungen stattgefunden haben. Zielvereinbarungsgespräche sind in vielen Organisationen institutionalisiert. Sie finden in regelmäßigen Abständen, oft ein Mal jährlich statt. An Hochschulen und Forschungsinstituten ist das bisher weniger üblich. Trotz Einwänden der Art, dass sich nicht vorhersagen lässt, ob ein Forschungsantrag genehmigt oder der Essay von der renommierten Fachzeitschrift veröffentlicht wird, sind sie nicht minder nützlich. Die vereinbarten Ziele müssen bestimmten Kriterien genügen. Dazu gehört, dass die Zielerreichung weitestgehend in der Hand des Betroffenen liegt. Dafür müssen die zu vereinbarenden Ziele so beschrieben werden, dass das Ergebnis daran gemessen werden kann. Orientierung bieten die SMART-Kriterien. Demnach sollen Ziele (S) spezifisch, also konkret und eindeutig formuliert sein, (M) messbar an konkreten Zahlen oder Beobachtungen festgemacht werden können, (A) attraktiv bzw. anspruchsvoll und motivierend, zugleich aber auch (R) realistisch, also den Fähigkeiten entsprechend erreichbar und (T) terminiert, sprich mit einem Lieferdatum versehen. Wenn sich im Laufe eines Jahres zeigt, dass gewisse Ziele nicht erreichbar sind oder sich als sinnlos erweisen, sollte es jederzeit möglich sein, in einem Folgegespräch diese Ziele anzupassen! Es handelt sich wohlgemerkt um keine ‚Anordnung von oben‘, sondern um eine Vereinbarung, der beide Parteien einvernehmlich zustimmen sollten. Fantasieziele demotivieren. Beide Seiten müssen diese Ziele angemessen finden und sicherstellen, dass sie den Möglichkeiten und dem Verantwortungsbereich entsprechend leistbar sind. Mitarbeitergespräche bedürfen also auch einer bestimmten Grundhaltung, die, wie im eingangs erwähnten Zitat, dem anderen Raum lässt, sich daran zu beteiligen und gehört zu werden. Aufmerksames, zugewandtes → Zuhören ist gelebte Wertschätzung. Stellen Sie Fragen, die den*die Gesprächspartner*in einladen, seine*ihre Sicht der Dinge einzubringen. Das sind in erster Linie offene Fragen, die ‚clean‘ sind und nicht suggestiv daherkommen, damit Ihre Mitarbeitenden Ihnen erzählen, was Ihnen wichtig ist, wie sie Dinge einschätzen, wo sie Zweifel hegen und welche Ideen sie haben. So öffnen sich neue Lösungsräume, von denen alle profitieren. Eine offene Haltung impliziert wiederum nicht, dass das Gespräch willkürlich seinen Lauf nimmt. Gesprächsführung braucht Struktur. Ähnlich wie bei → Besprechungen und Meetings sollten Sie darauf achten, dass Sie strukturiert vorgehen. Erwähnen Sie zu Beginn nochmals Anlass und Ziele des Gesprächs, also welches Ergebnis Sie im geplanten Zeitrahmen erreichen <?page no="70"?> 70 Gespräche mit Mitarbeitenden möchten. Fragen Sie Ihre*n Gesprächspartner*in nach ihren Anliegen und Zielen. Passen Sie u.U. das gemeinsame Gesprächsziel an. Kommen Sie dann zu den einzelnen Punkten. Bleiben Sie zunächst bei der aktuellen Situation, der Darstellung einer Aufgabe oder eines Problems, indem Sie auch Ihrem Gegenüber die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen und ihre*seine Sicht der Dinge einzubringen, bevor sie gemeinsam nach möglichen Lösungen suchen, um abschließend Vereinbarungen zu treffen. Vereinbarungen sollten immer auch schriftlich festgehalten werden, damit keiner sie vergisst und sich beide später darauf berufen können. ( → Gespräche mit Mitarbeitenden) Wenn Sie diese Praktiken in Ihrem Team einführen und leben, ist das die halbe Miete der Mitarbeiterführung. Sieben Tipps für kluges Fragen Stellen Sie offene, sogenannte W-Fragen. Dann erfahren Sie weitaus mehr. „Wie schätzen Sie die Situation ein? “, „Wo nahm das seinen Anfang? “, „Worauf müssen wir achten? “ usw. Eine Ausnahme bildet die Warum-Frage: sie verleitet zu Rechtfertigungen und bleibt unspezifisch. Differenzieren Sie die Warum-Frage nach dem Ursprung: „Welche Gründe vermuten Sie? “ von der nach der Absicht: „Was wollten Sie damit erreichen? “ Stellen Sie Fragen zur gegenwärtigen Situation, zur Vergangenheit (Ursachen, Herkunft) und Zukunft (Ausrichtung, Ziel, Lösung). Fragen Sie vielschichtig: Sie können nach Fakten und Gegebenheiten fragen („Was hat der Test ergeben? “), nach Gefühlen und Befindlichkeit („Wie geht es Ihnen mit der Situation? “), nach Bedürfnissen („Hätten Sie sich mehr Unterstützung gewünscht? “), nach Lösungen („Wie wollen Sie damit umgehen? “). Fragen geben dem (Nach-)Denken Struktur. Bedenken Sie: Fragen öffnen, Antworten schließen einen (Denk)Prozess. Wann sollte man den Geist (weiterhin) offen halten, wann (endlich) zu einem Schluss kommen? Dabei helfen Alternativfragen („Machen wir zuerst A oder B? ”). Vermeiden Sie manipulative Fragen! Die 12 „clean“-Fragen sind sehr wirksam, um mehr über das Denken Ihres Gegenübers zu erfahren. Das hilft auch, der*dem anderen ihre*seine Gedanken zu klären. Wenn der Denkprozess problembefangen ist, stellen Sie hypothetische Fragen, zirkuläre Fragen („Was, meinen Sie, denkt Ihre Doktormutter über Sie und Ihr Anliegen? ”) oder die Wunderfrage: („Nehmen wir an, das Problem ist gelöst. Wie sähe Ihre Situation dann aus? “) Literatur HALLER, Reinhold, 2018. Bedürfnis- und lösungsorientierte Gespräche führen - privat und beruflich. 10 Tipps zur erfolgreichen Kommunikation. Berlin: Springer. <?page no="71"?> Gleichstellung 71 NAGEL, Reinhart, Birgit OSWALD und Rudolf WIMMER, 2008, 4. Auflage. Das Mitarbeitergespräch als Führungsinstrument. Ein Handbuch der OSB für Praktiker. Stuttgart: Schäffer-Pöschel. SCHULZ VON THUN, Friedemann, Johannes RUPPEL, Roswitha STRAT- MANN, 2002. Miteinander reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte. 4. Auflage. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. SULLIVAN, Wendy, Judy REES, 2008. Clean Language. Revealing Metaphors and Opening Minds. Bancyfelin, Carmarthen: Crown House Publishing. WEHRLE, Martin, 2015. Die 500 besten Coaching-Fragen. Das große Workbook für Einsteiger und Profis zur Entwicklung der eigenen Coaching-Fähigkeiten. 4. Auflage. Bonn: managerSeminare Verlags GmbH. Gleichstellung Sabine Blackmore Obwohl ich genausoviele Publikationen habe und Drittmittel einwerbe wie meine männlichen Kollegen, lande ich in Berufungsverfahren immer auf Platz zwei oder drei oder werde gar nicht berücksichtigt. Werden meine Kollegen vorgezogen oder ist das nur Zufall? Das ist eine wichtige, wenn auch oft sehr zögerlich gestellte Frage im Coachingalltag. Tatsächlich zeigen zahlreiche Studien, dass Frauen, trotz einer formal-rechtlichen Gleichstellung, in Berufungs- und anderen Personalauswahlverfahren weiterhin auf benachteiligende Strukturen und geschlechterbezogene Vorurteile (Gender Biases) treffen und dadurch - bei gleicher Qualifikation - seltener berufen oder ausgewählt werden als ihre männlichen Kollegen. Sie können also den nächsten Karriereschritt nicht machen und stoßen an die sog. ‚gläserne Decke‘, eine Reihe von wenig sicht- und greifbaren Ausschlussmechanismen in Karriereverläufen im Unternehmens- und Hochschulkontext. Besonders bei berufungsrelevanten Kriterien tritt die ‚gläserne Decke‘ in Form von Gender Biases zutage. So schneiden Frauen schlechter ab als Männer, z.B. bei der Erstautor*innenschaft von Publikationen oder bei der Bewertung in Referenzschreiben. Konkret heißt das, dass sie beispielsweise weniger häufig als Erstautor*in genannt werden (Publication-Bias), Referenzschreiben für Forscherinnen* kürzer sind als die ihrer männlichen Kollegen und außerdem weniger karriererelevante Formulierungen beinhalten, die die wissenschaftlichen Leistungen unterstreichen (‚agentische Eigen- <?page no="72"?> 72 Gleichstellung schaften‘ wie z. B ‚forschungsstark‘, ‚innovative Forschung‘). Dagegen gibt es mehr Formulierungen, die die sozialen Kompetenzen stark hervorheben (‚kommunale Eigenschaften‘, z.B. Sozial- und Kommunikationskompetenz). Frauen müssen somit wesentlich ‚besser‘ als ihre männlichen Kollegen sein, um als ‚gleich qualifiziert‘ wahrgenommen zu werden (Double Standard). Achten Sie also als Wissenschaftlerin unbedingt darauf, wie Sie und Ihre wissenschaftlichen und fachlichen Leistungen in Empfehlungsschreiben dargestellt werden. Es sollten vorwiegend ‚agentische‘ Eigenschaften genannt werden. Machen Sie sich und Ihre Leistung sichtbar! Während viele Hochschulen daran arbeiten, ihrem gesetzlichen Gleichstellungsauftrag nachzukommen und z.B. Berufungsverfahren transparenter und chancengerechter zu gestalten - oftmals (maßgeblich) unterstützt durch ihre*n Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte*n -, sind Gender Biases eine tägliche Herausforderung für jede*n Einzelne*n (von uns). Zum einen, weil jede*r Einzelne durch die persönliche Sozialisation und durch die gesamtgesellschaftliche Prägung eine Reihe von Biases und Stereotypen bezüglich Gender entwickelt und zum anderen, weil genau diese Vorurteile dazu beitragen, dass herrschende Strukturen und Machtverhältnisse - auch im akademischen Betrieb - erhalten bleiben. Das bedeutet im Klartext: wir alle diskriminieren andere Menschen - oftmals ohne Vorsatz und gegen unsere besten Intentionen - und wir alle tragen in unterschiedlichem Maß dazu bei, Ungleichheitsstrukturen aufrecht zu erhalten. Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass wir alle dazu beitragen können, dies zu ändern. Seit den 1980er-Jahren setzen sich die unterschiedlichen Gleichstellungsakteur*innen vehement für die Sichtbarmachung dieser Ungleichheitsstrukturen und die Implementierung gleichstellungsförderlicher Maßnahmen und Verfahren ein. Ihre Arbeit rekurriert dabei auf der Trennung eines biologischen Geschlechts und eines sozial konstruierten Geschlechts (Sex-Gender-Modell) sowie damit einhergehender geschlechtsspezifischer Rollenerwartungen, Stereotypisierungen und die soziale Reproduktion von Geschlecht durch alltägliche Interaktionen (Doing Gender). Das Aufgabenfeld für die Gleichstellung im Hochschulbereich ist weit. Ein wesentliches Ziel ist die Erhöhung des Frauenanteils bei den Professuren und in anderen führenden Positionen. Obwohl die Frauenanteile auf allen Karrierestufen vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich angestiegen sind - 2018 lag der Professorinnenanteil bei ca. 23,4 % und der von Studentinnen bei 52,9 % -, sind die Zielvorgaben für die verschiedenen Fächer und Disziplinen sowie die tatsächliche Durchsetzung von Frauen in der Wissenschaft noch lange nicht erreicht. Hochschulische Gleichstellungsakteur*innen arbeiten daher mit einer Mischung aus spezifischen Maßnahmen zur individuellen, personengebundenen Frauenförderung (z.B. Promotionsund/ oder Habilitationsstipendien, Mentoring-Program- <?page no="73"?> Gleichstellung 73 me etc.) sowie strukturellen Gleichstellungsmaßnahmen (z.B. die Implementierung von gendergerechter Sprache, Genderkompetenz-Trainings etc.) mit dem Ziel eines umfassenden Kulturwandels an Hochschulen und Universitäten. Außerdem sind sie ein wesentlicher und konstanter Teil von Berufungs- und Auswahlkommissionen und setzen sich in den Verfahren selbst dafür ein, dass Bewerbungen von Frauen unter Gleichstellungskriterien wahrgenommen werden. Das macht sie zu guten Ansprechpartner*innen, wenn Sie Fragen zu den Verfahren haben. Auf interne Informationen dürfen Sie dabei selbstverständlich nicht hoffen - damit würden die Gleichstellungsbeauftragten die Verfahren stark gefährden -, aber für Verfahrensfragen oder auch die Bitte um ein → Feedback zu Ihrer Performance im Kommissionsgespräch sind viele Gleichstellungsbeauftragten offen. In den letzten Jahren hat sich das Aufgabenfeld der hochschulischen Gleichstellung vom Gender Mainstreaming in Richtung Diversity-Management stark erweitert. Viele Gleichstellungsakteur*innen verfolgen dabei einen intersektionalen Ansatz, der die Überschneidung unterschiedlicher Diskriminierungskategorien (z.B. Alter, Ethnizität, soziale Herkunft etc.) mit der Kategorie Geschlecht in den Blick nimmt und neue Impulse setzt. ( → Umgang mit Vielfalt) Die Gleichstellungspolitik ist für eine vielfältige, chancengerechte und diskriminierungsarme Hochschul- und Universitätslandschaft in Deutschland angetreten. Wenn wir diesem Ziel auch bereits nähergekommen sind, so haben wir es dennoch bislang nicht erreicht. Gleichstellung kann nur gemeinsam erreicht werden. Anregungen Machen Sie sich und Ihre Leistungen sichtbar und achten Sie darauf, dass sich dies in Ihrer Bewerbung widerspiegelt. Wenn Sie sich in der Bewerbungsphase für eine Professur befinden, lassen Sie sich von einem*r Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten beraten. Oftmals finden Sie dort eine*n kompetente*n und erfahrene*n Gesprächspartner*in, der*die Sie ggf. unterstützen kann. Werden Sie sich Ihrer eigenen Gender Biases (immer wieder) bewusst. Agieren Sie in dem Bewusstsein, trotz Ihrer Reflektiertheit sicher auch blinde Flecken zu haben. ( → Fremdbild/ Selbstbild) Setzen Sie sich für sich und andere ein, wenn Sie erkennen, dass Gender Biases jemanden ausschließen. Zeigen Sie sich beispielsweise solidarisch, wenn Ihre Kollegin im Gremium überhört wird und der gleiche Redebeitrag dann von einem männlichen Kollegen aufgegriffen und gewürdigt wird. Sie könnten z.B. sagen: „Ich freue mich, dass Sie die Idee der Kollegin xx nochmal unterstrichen haben! “ <?page no="74"?> 74 Gremienarbeit Integrieren Sie Gender- und Diversity-Aspekte in Ihre Lehre und sensibilisieren Sie Ihre Studierenden für das Thema. Ihre Lehre wird dadurch vielfältiger und Sie vermitteln eine wichtige Schlüsselkompetenz an Ihre Studierenden. Hilfestellungen zu diesem Thema finden Sie z.B. unter http: / / www.genderdiversitylehre.fu-berlin.de/ toolbox/ index.html. Der Erfolg der Gleichstellung lebt von der Mitwirkung der einzelnen Hochschulmitglieder und von der Umsetzung im akademischen Alltag. Unabhängig davon, wie ‚klein‘, ‚unbedeutend‘ oder ‚selbstverständlich‘ Ihnen Ihr Beitrag vorkommen mag, jeder einzelne Beitrag zählt! ( → Change gestalten) Literatur BEAUFAŸS, Sandra, 2003. Wie werden Wissenschaftler gemacht? Beobachtungen zur wechselseitigen Konstitution von Geschlecht und Wissenschaft. Bielefeld: Verlag transcript. KRELL, Gertrude, Renate ORTLIEB und Barbara SIEBEN, Hrsg., 2018. Gender und Diversity in der Organisation. Grundlegendes zur Chancengleichheit durch Personalpolitik. Wiesbaden: Springer Gabler. KAHLERT, Heike, 2013. Riskante Karrieren. Wissenschaftlicher Nachwuchs im Spiegel der Forschung. Opladen: Verlag Barbara Budrich. PEUS, Claudia, Susanne BRAUN, Tanja HENTSCHEL und Dieter FREY, Hrsg., 2015. Personalauswahl in der Wissenschaft. Evidenzbasierte Methoden und Impulse für die Praxis. Berlin: Springer Verlag. Gremienarbeit Monika Klinkhammer & Cornelia Edding Soll ich im nächsten Semester ins Dekanat gehen und die Rolle als Vizedekanin übernehmen, obwohl es bisher noch keine Frau in dieser Position gab? Ich habe zwar einige Zeit im akademischen Senat gesessen, bin mir aber nicht sicher, ob ich die notwendigen Kompetenzen besitze. Ein Großteil des Personals im Hochschulbereich steht immer wieder vor der Frage nach einer aktiven Mitwirkung in Gremien. So übernehmen z. B. Professor*innen regelmäßig Leitungsfunktionen wie Dekan*in oder den Vorsitz von Kommissionen. Auch junge Wissenschaftler*innen werden <?page no="75"?> Gremienarbeit 75 dazu eingeladen, sich in Hochschulgremien zu engagieren oder überlegen von sich aus, ob sie zu ihrer Profilierung ( → Profilentwicklung) in einem Gremium mitarbeiten sollen. Gremienarbeit ist ein fester Bestandteil der akademischen Selbstverwaltung und autonomen Steuerung der Hochschule. Die wichtigsten Gremien sind: Großer Senat (auch Konzil, Akademische Versammlung, Konvent oder Konsistorium), Akademischer Senat (Präsidium oder Rektorat ührt aus), Fachbereichsrat/ Fakultätenrat (Dekan*in ührt aus), Frauenrat, Hochschulrat, Institutsrat. Obwohl sich Aufgaben, Inhalte und Zuständigkeiten sowie Verfahren ähneln, sind die Gremien je nach Bundesland und Hochschule unterschiedlich gestaltet. Meist sind alle Statusgruppen (Professor*innen und Hochschullehrer*innen, wissenschaftliche und künstlerische, nicht wissenschaftliche und technische Mitarbeiter*innen sowie Studierende) im Gremium vertreten. Diese Gruppen, aber auch Fachbereichs- und Berufsgruppen verhandeln dort über die Verteilung von Ressourcen, über Schwerpunkte in Forschung und Lehre u. a. m. Informelle Netzwerke sowie die jeweilige Hochschul- und Fachkultur beeinflussen Stil und Ergebnis der Verhandlungen ( → Verhandeln). Als Mitglied eines Gremiums wird man gewählt oder durch die jeweilige Statusgruppe entsandt. Manchmal wird die Besetzung nach dem Prinzip der Rotation vorgenommen. Für Nachwuchswissenschaftler*innen, die sich weiter qualifizieren und den Weg zu einer Professur einschlagen wollen, ist Gremienarbeit als Teil der wissenschaftlichen Profilierung ein Muss. Vor der Entscheidung ist es sinnvoll, sich die Strukturen, die Vor- und Nachteile der Gremienarbeit vor Augen zu führen und zu prüfen, ob die notwendigen Kompetenzen für ein Engagement in diesem Feld mitgebracht oder erworben werden können. Gremienkompetenz umfasst neben der notwendigen Fachkompetenz (Themen, Aufgaben, Inhalte) eine Vielfalt von sozialen und persönlichen Kompetenzen (argumentieren und Debatten gestalten, präsentieren, moderieren, verhandeln, → Feedback geben und nehmen, Kritik formulieren, Entscheidungen vorbereiten und durchsetzen. ( → Entscheidungen treffen), sowie → Zuhören). Wer dort erfolgreich agieren will, braucht gremienspezifisches Wissen über formale Regularien, Statuten und Instrumente, außerdem Sach- und Fachkenntnisse bezogen auf die anstehenden Inhalte und die Fähigkeit, sich eine Meinung zu bilden und diese klar auszudrücken. Unabdingbar sind außerdem: Die Fähigkeit, mit anderen zu kooperieren und Kompromisse einzugehen; <?page no="76"?> 76 Gremienarbeit Die Fähigkeit, die im jeweiligen Gremium geltenden ungeschriebenen Regeln zu erkennen; Soziale Geschicklichkeit, um nach diesen Regeln zu agieren oder sie vorsichtig zu verändern; Einen Organisationsblick, um zu erkennen und zu berücksichtigen, wie das Gremium in Kräftefelder der Hochschule eingebunden ist. Für diejenigen, die sich zu einem Engagement entschließen, bietet Gremienarbeit Vorteile, enthält aber auch Risiken: Für ein Engagement sprechen folgende Punkte: Gremienarbeit ermöglicht, sich an organisationsrelevanten Diskursen zu beteiligen, sowie die eigene oder Statusgruppen bezogene Haltung und Meinung zu entwickeln und zu vertreten. Sie haben die Gelegenheit, sich kommunikativ, rhetorisch und strategisch zu erproben und eigene, status- oder institutsbezogene Interessen durchzusetzen. Berufsrelevante Kontakte können geknüpft und die Arbeitsbeziehungen zu Kolleg*innen und/ oder Vorgesetzten können fachbereichsintern oder hochschulübergreifend aufgebaut und gepflegt werden. Man wird im Institut oder Fachbereich sichtbarer und kann an Reputation gewinnen. Das eigene Profil wird durch das Kompetenzfeld ,Akademische Selbstverwaltung/ Gremienerfahrung‘ im CV angereichert. Der Einfluss auf Inhalte und Prozesse kann geübt und ausgeweitet werden. Risiken, die Sie bedenken sollten: Stolpersteine liegen im Reputationsverlust, wenn man z. B. den Aufgaben und Anforderungen des Gremiums nicht gewachsen ist und sich damit überfordert. Mangelnde strategische Ausrichtung und fehlende Information oder informelle Vorarbeit im Vorfeld können zu einer unangenehmen Wahlniederlage führen. Der individuelle oder kollektive Gewinn steht nicht im Verhältnis zum Aufwand; das Engagement kostet viel Zeit und Energie zulasten anderer Arbeitsbereiche. Es besteht die Gefahr, sich ,verführen‘ zu lassen, eine nicht passende Gremientätigkeit zu übernehmen, nur damit formale Vorgaben erfüllt werden (z. B. Frauenquote, Frauenförderplan). Wenn man während der Gremientätigkeit mit Kolleg*innen Konflikte auszufechten hatte, kann die Zusammenarbeit danach schwierig werden. <?page no="77"?> Gremienarbeit 77 Leitfragen für die Entscheidungsfindung Haben Sie geprüft, wie ein Engagement in einem Gremium in Ihre aktuelle Arbeitsbelastung, zu Ihren beruflichen Rollen und in Ihre → Karriereplanung passt? Welches Gremium erscheint Ihnen geeignet? Entscheidungskriterien sind u.a.: Prestige, Belastung, Voraussetzungen bezüglich Ihrer Position in der Hierarchie. Haben Sie einen Plan, wie Sie dorthin gelangen können? Wen müssten Sie ansprechen, wer muss Sie kennen lernen? Als Mitglied: Sind Sie vorbereitet? Haben Sie die Unterlagen gelesen? Welches ist Ihre eigene Position? Haben Sie im Vorfeld Kontakt zu wichtigen Akteuren gesucht? Nach welchen Regeln wird in dem Gremium gespielt? Wie ist der Einfluss verteilt? Welches ist Ihr eigener Platz? In welches Kräftefeld unterschiedlicher Interessen ist das Gremium eingebettet? Sind Sie, auch wenn es eng wird, ,klar in der Sache, freundlich im Ton‘? Wie wollen Sie Ihre Erfolge sichtbar machen? Wer sollte davon erfahren? Literatur EDDING, Cornelia und Monika KLINKHAMMER, 2019. Karrieresprungbrett Gremienarbeit. In: DUZ Wissenschaft & Management 3, S. 8-17. FRIEDRICHSMEIER, Andres und Manfred WANNÖFFEL, 2010. Mitbestimmung und Partizipation - Das Management von demokratischer Beteiligung und Interessenvertretung an deutschen Hochschulen. Arbeitspapier 203. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung. PHILLIPS UNIVERSITÄT MARBURG, 2014. Handbuch für Dekaninnen und Dekane (ISBN 978-3-00-046725-7). <?page no="78"?> 78 Habitusreflexion Habitusreflexion Susanne Lummerding Oft ist - im Rahmen von Berufungsverfahren - von Professorabilität, von professoralem Habitus oder von universitärem Habitus die Rede. Zugleich wird zunehmend auch Habitussensibilität als Kompetenz gefordert. Wie schaffe ich es, im Sinne des Habitus dazuzugehören und anerkannt zu werden? Wie geht das, ohne mich zu verbiegen, also mir treu zu bleiben? Und wie gehe ich in der Lehre und in einer Leitungsfunktion kritisch damit um? Mit Habitus als Selektionskriterium und professionsspezifischer Anforderung einerseits und Habitussensibilität als Qualifikationsfaktor andererseits sind zwei Handlungsdimensionen in Bezug auf Habitus benannt, die in der Wissenschaft von besonderer Relevanz sind: zum einen die Performanz (,Regelbefolgung‘) im Hinblick auf ,Passung‘, Feldzugehörigkeit und -akzeptanz und zum anderen die Wahrnehmung und der Umgang mit dem Habitus anderer Menschen und mit sozialer/ kultureller Differenz (z.B. der Diversität der Studierenden) sowie sozialen wie feldspezifischen Normen bzw. Berufskulturen. ( → Umgang mit Vielfalt). Was Performanz oder Auftreten betrifft, so ist die zumeist implizite Erwartung eines universitären bzw. eines professoralen Habitus kaum zu trennen von Kriterienkatalogen für so genannte Professorabilität. Habitus bzw. dessen Deutung als Ausdruck spezifischer sozialer Zugehörigkeit prägt jedoch Bildungskarrieren bereits von Beginn an und beeinflusst Zugang zu Hochschule und Wissenschaft (vgl. El-Mafaalani, 2014). Als professionelle Kompetenz bezeichnet Habitussensibilität sowohl die bewusste Wahrnehmung als auch den reflektierten Umgang mit dem eigenen wie auch beobachteten Habitus und vor allem mit habitusbezogenen Unterscheidungen sowie damit verknüpften Zuschreibungen und Stereotypen. Sie ist somit im Sinn einer Diversitätssensibilität bzw. Diversitätsreflexion zu verstehen. Als bildungssoziologischer bzw. ungleichheitssoziologischer Begriff bezeichnet ,Habitus‘ nach Pierre Bourdieu (1987) das gesamte, durch Sozialisation formierte Auftreten im Sinn von Alltagskulturen und Handlungsdispositionen einer Person, die durch die soziale Herkunft, Genderzuordnung und das soziale Feld geprägt werden. <?page no="79"?> Habitusreflexion 79 Eine besondere Herausforderung stellen Habitus-Struktur-Konflikte, also Spannungsverhältnisse und Konflikte zwischen den Habitusmustern einzelner Akteur*innen und den Konventionen und Erwartungen der Hochschul- oder Fachkulturen dar. Denn zum einen lassen sich in jedem Feld Gatekeeping-Mechanismen beobachten, die auf das Bewahren der Identität und des Zusammenhalts eines Feldes durch größtmögliche Homogenität der Feldkultur - und damit der im Feld Aktiven - hinwirken und für Feld- ,Fremde‘ (bzw. als solche wahrgenommene) nur schwer zu überwinden sind (El-Mafaalani, 2014). Ungeachtet zunehmender Heterogenität und Diversität an Hochschulen lässt sich daher zugleich eine unverminderte soziale Ungleichheit (auch hinsichtlich weiterer Differenzkategorien wie Gender- oder ethnische Zuschreibung) beobachten (Lange-Vester und Sander, 2016). Zum anderen gewinnen Habitusmuster gerade deshalb Wirkmächtigkeit, weil sie zumeist unreflektiert und damit unsichtbar bleiben. Dass Vertreter- *innen sozial privilegierter Gruppen leichter Zugang zu gesellschaftlich angesehenen Feldern und Spitzenpositionen finden, während so genannte ,Bildungsaufsteiger*innen‘ sich mangels kultureller Passung (Habitus-Feld-Konflikt) häufig deplatziert fühlen (El-Mafaalani, 2014), erscheint so als ,naturgegeben‘ bzw. als individuelles Defizit. Selbstselektion durch frühzeitiges Ausscheiden (aus Studium, aus Bewerbungsprozessen etc.) sowie Fremdselektion durch etablierte Akteur*innen des Feldes sind die Folge (vgl. Schmitt, 2019). Angesichts der Herausforderungen, die mit derartigen Distinktions- und Selektionsmechanismen sowohl in Hinblick auf Performanz als auch Umgang mit Differenzen verbunden sind, erweist sich eine kritische Reflexion vor allem sozialer und feldspezifischer Normen sowie gewohnter Stereotype und Vorurteile als unerlässlich, um eine entsprechende professionelle → Haltung und Handlungsmöglichkeiten zu generieren und zu stärken. Über eine Habitussensibilität hinausgehend ist dementsprechend eine Habitusreflexion bzw. Habitus-Struktur-Reflexion erforderlich, um die eigene Involviertheit in Privilegierungs- oder Diskriminierungsstrukturen, die Reproduktion stereotypisierter Zuschreibungen, Verstrickungen in gesellschaftlich und institutionell geprägte individuelle Muster und Vorannahmen und deren Auswirkung auf die Ausübung der Profession kritisch zu befragen und zu verändern (vgl. Lummerding, 2019; Schmitt, 2019). Auf allen Ebenen der professionellen Anforderungen - in Lehr- Lernprozessen ebenso wie in Berufungsverfahren, Personalmanagement und der Hochschulpolitik - sollte dies berücksichtigt werden, um Wege für eine Öffnung und Entwicklung des Bildungsraums sowie des professionellen Handelns aller darin wirkenden Akteur*innen zu befördern. Eine Öffnung in diesem Sinn betrifft zum einen Zugang und Teilhabe von bislang weitgehend ausgeschlossenen Akteur*innen. Zum anderen ist das <?page no="80"?> 80 Habitusreflexion Verständnis von Wissen bzw. Wissensproduktion selbst in den Fokus zu rücken, sollen Grundlagen gesellschaftlicher/ institutioneller Ungleichheits- und Machtstrukturen hinterfragt und verändert werden. Damit geht es nicht nur um die Funktion von Hochschule als Bildungsraum, sondern auch um das damit verknüpfte Professionsverständnis bzw. um eine Neudefinition von Professionalität (vgl. Lummerding, 2019). Externe Beratung bzw. Coaching und Organisationsentwicklung als strukturierte Begleitung von (Selbst-)Reflexion und individueller wie organisationaler Professionalisierung und Entwicklung ist hier als ein effektives Instrument hervorzuheben, um vertraute ‚Gewissheiten‘ zu hinterfragen und eine kritische Veränderung von Exklusions- und Diskriminierungsdynamiken in Strukturen und Prozessen der Wissensproduktion zu befördern. Anregungen zur Habitus-Reflexion Statt Individualisierung: Fokus auf Struktur! - Sehen Sie ,mangelnde Passung‘ nicht notwendig als individuelles Defizit, sondern ggf. als Habitus-Struktur-Konflikt. Dies erleichtert und unterstützt den reflektierten und kritischen Umgang mit Ausgrenzungs- oder Fremdheitserfahrungen ( → Umgang mit Vielfalt). Habitus-Struktur-Reflexion: Vermeiden Sie das unreflektierte Reproduzieren von Zuschreibungen und Klassifikationen aufgrund des Habitus von Personen, z.B. eine von einem bestimmten Sprachstil oder Auftreten abgeleitete Unterstellung von ,Unwissenschaftlichkeit‘ oder mangelnder ,Professorabilität‘ z.B. in der Lehre oder in Berufungsverfahren. Machen Sie Potentiale statt Herkunft zur Grundlage von Entscheidungen. Machtanalyse: Beziehen Sie die Reflexion von Hierarchien und Abhängigkeitsverhältnissen in Ihre Arbeit als Lehrende*r, Prüfende*r, Kommissionsmitglied, Führungskraft etc. mit ein. Dazu gehört auch die Definition des eigenen Verständnisses von Wissenschaft und Hochschule: Welches/ wessen Wissen soll vermittelt und geschaffen werden, wer soll gehört, gelesen, zitiert werden? Welche Positionen jenseits des gängigen Kanons sollten noch Berücksichtigung finden? Lehre als kollaborative Wissensproduktion: Wählen Sie partizipative, dialogische Lehrformate im Sinn von forschender Lehre und zugunsten eines offenen Zugangs für unterschiedliche Lerntypen, Erfahrungshintergründe und benachteiligte Gruppen. Sorgen Sie durch strukturierte Begleitung wie Supervision, Coaching oder Organisationsberatung für eine Unterstützung der reflektierten Auseinandersetzung mit Habitus-Strukturen und damit für Qualitätsentwicklung und -sicherung. <?page no="81"?> Haltung 81 Literatur BOURDIEU, Pierre, 1987. Die feinen Unterschiede - Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Aus dem Französischen von Bernd Schwibs und Achim Russer. Frankfurt am Main: Suhrkamp. EL-MAFAALANI, Aladin, 2014. Vom Arbeiterkind zum Akademiker. St. Augustin: Konrad-Adenauer-Stiftung. LANGE-VESTER, Andrea und Tobias SANDER, 2016. Soziale Ungleichheiten, Milieus und Habitus im Hochschulstudium. Zur Einführung. In A. LANGE- VESTER und T. SANDER, Hrsg. Soziale Ungleichheiten, Milieus und Habitus im Hochschulstudium. Weinheim: Beltz/ Juventa, S. 7-19. LUMMERDING, Susanne, 2019. Zur Herstellung von Wissen und Diversität - un_bedingte Frage der Profession. In: Birte HEIDKAMP und David KERGEL, Hrsg. Praxishandbuch diversitäts- und habitussensible Hochschullehre. Wiesbaden: VS Springer 2019, S. 67-79. SCHMITT, Lars, 2019. Der Herkunft begegnen ... - Habitus-Struktur-Reflexivität in der Hochschullehre. In: Birte HEIDKAMP und David KERGEL, Hrsg. Praxishandbuch habitus- und diversita ̈ tssensible Hochschullehre. Wiesbaden: VS Springer. Haltung Anette Hammerschmidt „Die größte Revolution unserer Generation ist die Entdeckung, dass die Menschen die äußere Lage ihres Lebens verändern können, wenn sie ihre innere Geisteshaltung ändern.“ William James Das Wort Haltung, soweit es hier in Betracht kommt, verweist im Deutschen in zwei Richtungen. Zum einen richtet es sich nach innen auf die Geisteshaltung also die „innere [Grund]einstellung, die jemandes Denken und Handeln prägt“. Zum andern verweist es nach außen auf das „Verhalten, Auftreten, das durch eine bestimmte innere Einstellung, Verfassung hervorgerufen wird“ (www.duden.de, zuletzt aufgerufen am 14. April 2020), das, was ür andere sichtbar wird und sich angesichts schwieriger Situationen beispielsweise daran zeigt, ob und wie man ‚Haltung wahrt‘. Letztere Bedeutung obliegt der Deutung anderer und wird im Sprachgebrauch meist normativ, also wertend verwendet. Die Grundeinstellung, dagegen, ist eine intime Angelegenheit, die uns als moralische Wesen ausmacht, der <?page no="82"?> 82 Haltung wir uns durch Introspektion und Einühlung nähern und nur selbst beurteilen können. Was Haltung ist, lässt sich in heuristischer Absicht in ‚Komponenten‘ auffächern. Zentral für unsere Haltung sind die leitenden Überzeugungen, einschließlich der Vorurteile, die wir hegen, bestimmte moralische Prinzipien und vor allem Wertvorstellungen, die sich im Laufe von Jahren geformt haben. Diese sind wie ein innerer Kompass, der es uns erlaubt, in mehrdeutigen, kontingenten und vielschichtigen Alltagserfahrungen einen Standpunkt einzunehmen, der uns als Person entspricht. „Unsere Haltung ist unser Fenster, aus dem wir auf die Welt schauen.“ (Permantier 2019, 118) Nach innen geben sie uns Halt, nach außen machen sie uns greifbar und ein Stück weit auch berechenbar für andere. Die Aufforderung an Apollons Tempel in Delphi, sich selbst zu erkennen, appelliert wesentlich daran, die eigene Haltung zu erkunden. ( → Selbstbild/ Fremdbild, Selbstführung, Selbststeuerung). Wie kann das gehen? Hier vier Anregungen als Einstieg und Einübung: Wenn wir uns der eigenen Haltung bewusst werden wollen, um stimmig im Sinne unserer Grundeinstellung zu handeln, lohnt es sich innezuhalten und sich im Voraus oder im Nachgang zu einer bestimmten Situation zu fragen, welche Werte einem hier besonders wichtig sind. Schreiben Sie diese Werte auf einen Zettel. Allein das ist aufschlussreich. Möglicherweise sind es eine Handvoll unterschiedlicher Werte, die in diesem Fall eine Rolle spielen. Fragen sie sich, wie Sie in anderen Situationen diese Werte gelebt haben, an welchen konkreten Verhaltensweisen Sie selbst erkennen, dass Sie dieser oder jener Wert leitet. Hierfür können Sie auch online das Personal Values Assessment (PVA) nutzen (s.u.). Wenn Sie die Liste durchgehen, werden Sie womöglich feststellen, dass Ihnen einige - ein bisschen oder viel - wichtiger sind als andere. Manche Werte stehen höher, andere sind diesen untergeordnet. Sollte Ihnen das nicht leicht fallen, machen Sie ein Gedankenexperiment: Wenn der Wert A erfüllt wäre, der Wert B aber nicht, wie ginge es mir damit? Das ist keine akademische, sondern eine praktische Übung! Werte sind immer wertvoll, passen aber nicht unbedingt in jeder Situation. Wertehierarchien machen Ihnen Prioritäten bewusst, die Sie im Zweifelsfall einen anderen Weg einschlagen lassen oder eine andere Grundhaltung verlangen. Bedenken Sie auch: Bei gleichen Werten könnten sich beispielsweise die Wertehierarchien zweier Personen deutlich voneinander unterscheiden. Wichtig ist diese Klärung, weil im wirklichen Leben verschiedene Werte nicht immer wunschgemäß in Einklang zu bringen sind. Wir stehen dann vor einem Dilemma: Ist mir hier Ehrlichkeit wichtiger oder Respekt? Womöglich beides, aber wie gehe ich dann mit der unerwünschten Reaktion des anderen um? Werte stellen zuweilen Polaritäten dar, die sich nicht <?page no="83"?> Haltung 83 leicht auflösen lassen. Hier hilft das Werte- und Entwicklungsquadrat (siehe Grafik). Wenn mir ein Wert wichtig ist, dann greife ich gerne darauf zurück, z.B. auf Ehrlichkeit. Es besteht die Gefahr, dass ich es übertreibe. Dann kippt, was gut gemeint war, ins Negative und aus Ehrlichkeit wird schroffe Direktheit. Respekt ist das Mittel zum Ausgleich, der Wert also, der hier Ehrlichkeit gegenübersteht. Auch damit können wir zu weit gehen und damit das Bedürfnis, die Karten auf den Tisch zu legen, um Klarheit zu schaffen, ür schmeichelhafte Scheinharmonie aufs Spiel setzen. Im Endeffekt geht es darum, sich der Polaritäten bewusst zu werden und ür sich Einsichten zu einem Weg der Versöhnung zwischen persönlichen ‚Schwesterwerten‘ zu gewinnen. Wenn dies gelingt, entsteht etwas Neues, eine Entwicklung der eigenen Haltung, die Ihnen entspricht und nichts mit einem faulen Kompromiss zu tun hat. Quelle: Friedemann Schulz von Thun Das Wertequadrat Haltung ist wohlgemerkt nichts Statisches. Sie hängt von konkreten Umständen ab, ist Ausdruck unserer inneren Vielschichtigkeit und durchaus entwicklungsähig. Deutlich wird das an Überzeugungen, die wir zu verschiedensten Themen (Arbeit, Zukunft, Weltfrieden) und in allen möglichen Situationen (Teammeeting, Konfliktgespräch, Abendessen) schon vertreten, revidiert und neu definiert haben. Wer z.B. zum ersten Mal eine Führungsrolle übernimmt, überdenkt womöglich Glaubenssätze, die er oder sie als Mitarbeiter*in noch ür wahr hielt. ( → Rolle). Glaubenssätze haben den Charakter von Wahrheiten, die unsere Weltsicht und unsere Reaktionen auf unterschiedliche Stimuli bestimmen. Ebenso halten wir an Überzeugungen fest, denen wir längst entwachsen sein sollten. Sie stammen aus anderen Kontexten oder rühren von frühkindlichen Erfahrungen, Ängsten und Verletzungen. Solche Überzeugungen hemmen die persönliche Weiterentwicklung und Entfaltung des eigenen Potenzials. Schreiben Sie Ihre Gedanken zu einem Thema, das Sie bedrückt, oder zu einer schwierigen Situation z.B. im Umgang mit einem Kollegen auf, ohne sich zu zensieren. Lassen Sie Ihre Aufzeichnung ein paar Tage liegen, um sie mit etwas Distanz später durchzugehen. Welche Überzeugungen entdecken Sie hinter Behauptungen oder- <?page no="84"?> 84 Hochstapler-Syndrom zwischen den Zeilen? Schreiben Sie diese auf ein zweites Blatt. Stellen Sie jede einzelne nach den folgenden vier Schritten auf die Probe: Ist das wahr? Falls die Antwort auf die erste Frage „ja“ lautet, fragen Sie sich: Kann ich sicher wissen, dass das wahr ist? Wie geht es mir, wenn ich diese Überzeugung für wahr halte? Was macht das mit mir? Wie reagiere ich? Wie verhalte ich mich anderen gegenüber? Wie würde ich in dieser Situation reagieren, wenn ich diese Überzeugung nicht hätte? Wie würde ich mich fühlen, verhalten, ausdrücken? Anschließend suchen Sie mindestens drei Beispiele, die jede dieser limitierenden Überzeugungen widerlegt (www.thework.com). Horchen Sie in sich hinein und lassen Sie neue Einsichten zu. Haltung ist innere Arbeit. Literatur PERMANTIER, Martin, 2019. Haltung entscheidet. Führung & Unternehmenskultur zukunftsfähig gestalten. München: Vahlen. SCHLIEPER-DAMRICH, Ralph, Petra KIPFELSBERGER und NETZWERK CoachPro (Hrsg), 2008. Wertecoaching. Beruflich brisante Situationen meistern. Bonn: managerSeminar Verlags GmbH. SCHULZ VON THUN, Friedemann, 1996. Miteinander reden 2. Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung. Differentielle Psychologie der Kommunikation. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. www.valuescentre.com (zuletzt aufgerufen am 20. April 2020) www.thework.com (zuletzt aufgerufen am 20. April 2020) Hochstapler-Syndrom Monika Klinkhammer & Gunta Saul Ich freue mich über die Einladung zu einem Hearing für eine W3- Professur, meine Traumstelle! Obwohl ich mittlerweile viel Erfahrung mit wissenschaftlichen Präsentationen habe und fachlich anerkannt bin, habe ich jetzt, wo der Termin näher rückt, schon wieder Angst, dass ich dem Berufungsverfahren nicht gewachsen bin, mich blamiere und meine Inkompetenz sichtbar wird. Die Art der Selbstdarstellung oder Statements zum Selbstbild und die geäußerten Ängste sind typisch ür ein ‚Hochstapler‘- oder ‚Impostor Syn- <?page no="85"?> Hochstapler-Syndrom 85 drom‘. Es bezeichnet, wenn (meist) hochqualifizierte Personen ihre (beruflichen) Erfolge nicht den eigenen Kompetenzen und ihrem Leistungspotenzial zuschreiben, sondern davon überzeugt sind, dass diese eher auf zuälligen, glücklichen oder außerhalb ihrer Person liegenden Faktoren basieren. Sie glauben - zeitweise von intensiven Emotionen begleitet - die Umwelt im Hinblick auf die eigenen Leistungen und Kompetenzen getäuscht zu haben oder überschätzt zu werden. Selten empfinden sie, sehr gute Arbeit geleistet zu haben oder talentiert zu sein und daür Anerkennung zu verdienen. Fakten zum eigenen Leistungsvermögen und nachgewiesene Erfolge werden negiert oder relativiert. Die Angst, künftig beruflichen Anforderungen nicht gerecht zu werden, dann zu versagen, ist latent vorhanden und wird bei der nächsten größeren Herausforderung, wie z.B. einem Hearing, aktiviert. Vom Hochstapler-Syndrom Betroffene sind tief davon überzeugt, eines Tages werde herauskommen, nicht so intelligent und leistungsstark zu sein, wie ihnen zugeschrieben oder von ihnen erwartet wird. Das Hochstapler-Syndrom ist bei leistungsorientierten Personen, Führungskräften und (Nachwuchs-)Wissenschaftler*innen stark verbreitet. Dies ist einerseits erstaunlich, denn in Hochschule und Wissenschaft - sollte man annehmen - gibt es eine Reihe nachweislicher Gütekriterien für Leistungen. Zudem werden Wissenschaftler*innen ständig durch die professionsspezifischen Prozedere und die Scientific Community überprüft (z.B. bei Bewerbungsritualen der Qualifikationsphasen vom Studienabschluss über Promotion, Habilitation bis zum Ruf, Publikationen, Peer Review, Drittmittelanträgen). Das Hochstapler-Syndrom ist keine diagnostizierbare psychische Erkrankung oder Störung, sondern ein Persönlichkeitskonzept mit vielschichtigen Hintergründen und Ursachen; Rohrmann (2019) befürwortet deshalb den Begriff ‚Hochstapler-Selbstkonzept‘. Es gibt zwei Varianten in der Ausprägung, die auch gemischt vorkommen: → Perfektionismus und Prokrastination. Obwohl Betroffene sich oftmals wie ein*e Hochstapler*in fühlen oder sich tendenziell mit Blick auf ihre Leistungen und Erfolge so beschreiben, sind sie genau das Gegenteil: denn wirkliche Hochstapler*innen betrügen, erschleichen oder erschwindeln sich akademische Titel oder Leistungsnachweise, fälschen Dokumente, Daten in Forschungsprojekten oder plagiieren. Sie eignen sich wissenschaftliche Forschungsergebnisse oder das geistige Eigentum Anderer unseriös an bzw. präsentieren es als eigene Leistung. In den ersten empirischen Studien zum Hochstapler-Syndrom wurden als Ursachen die primäre Sozialisation und familiäre Bindungsmuster zu Eltern, die zur Leistungs- und Wettbewerbsorientierung erziehen, identifiziert (Imes und Clance 1978). In Hochschule und Wissenschaft können <?page no="86"?> 86 Hochstapler-Syndrom zudem professionsbedingte, berufsrollen- und organisationsspezifische Ursachen das Syndrom verstärken oder auslösen: Die berufliche Sozialisation und die Hochschulkultur sind durch eine deutliche Leistungsorientierung geprägt. Die Wissenschaftskarriere ist auf Jahre darauf ausgerichtet, sich zu bewähren, weiter zu qualifizieren, andauernd Spitzenleistungen in Forschung und Lehre zu produzieren und zu performen. Die Anforderungen nehmen mit jedem Schritt auf der Erfolgsleiter zu und drücken sich in Publikationsdruck, → Drittmittel einwerben, → Internationalisierung, Mobilität, Interkulturalität, → Inter- und Transdisziplinarität, Anreicherung des Lehrportfolios, Digitalisierung, Selbst-PR, Wissenschaftsmarketing usw. aus. Das auf Spitzenleistung und Auslese bei Stellenvergaben und Berufungen basierende Arbeitsethos verstärkt entsprechende Dispositionen der Persönlichkeit und verleitet zu psychischen oder psychosozialen Phänomenen, wie Perfektionismus oder einem arbeitssuchtähnlichen Arbeitsmodus. Entgrenzung von Arbeitszeit, -ort und -inhalt nehmen - auch bedingt durch die Digitalisierung - stetig zu. Es gilt, zahlreiche Qualifizierungsstufen und damit zugleich Übergangs- oder Aufstiegssituationen zu bewältigen. Die damit verbundenen neuen (Führungs-)Rollen erfordern, diese zunächst zu ‚spielen‘. Eine stabile berufliche Identität und ein authentisches Aneignen der neuen Rollen gelingen erst nach und nach. Dies ist emotional verunsichernd, birgt zahlreiche Ambivalenzen und wird emotional als ‚Hochstapelei‘ erlebt, obwohl der neue Status und das dazu erforderliche professionelle Profil keinesfalls auf Lügen oder gefälschten Qualifikationsnachweisen basieren. Mit jeder neuen Rolle muss nach und nach die eigene berufliche Identität und ein stimmiges Selbstbild verankert werden, denn die Angst vor dem Scheitern ist der Wissenschaftskultur inhärent. ( → Fremdbild/ Selbstbild). Es gibt eine Vielfalt von Strategien, ein Hochstapler-Syndrom zu bewältigen und die damit verbundenen Ängste zu überwinden. So können z.B. die wissenschaftliche Qualifizierung, Profilbildung und Forschungspraxis der Kolleg*innen beobachtet werden und mit ihnen ein Austausch erfolgen. Scheinen eigene Ängste übertrieben, ist es Zeit, dem auf den Grund zu gehen. ( → Selbstführung, Selbststeuerung). Der Gedanke, vielleicht zu streng mit sich selbst sein, sollte weiter analysiert werden. Sind die Ansprüche an sich selbst unangemessen hoch, herrscht die Überzeugung, ständig Überragendes präsentieren zu müssen? Auch nach innen zu blicken, das eigene Selbstkonzept zu erforschen, zu erkennen, dass man auch außerhalb der Arbeit zu überzogener Selbstkritik neigt, hilft, ein Hochstapler-Syndrom zu diagnostizieren. Der Weg zum Umgang damit wird so bereitet, die Selbstachtung steigt. <?page no="87"?> Hochstapler-Syndrom 87 Checkliste: Fragen zur Selbstreflexion Erkunden Sie, ob bei Ihnen ein Hochstapler-Syndrom vorliegen könnte. Fragen Sie sich selbst: Habe ich im Rückblick häufiger übertriebene Versagensängste? Sind meine Ansprüche an mich selbst und meine Leistungen im Vergleich zu Kolleg*innen deutlich überhöht? Bin ich vielleicht zu perfektionistisch? Reflektieren Sie Ihren familiären Hintergrund: Herrschen eine starke Leistungs- und Wettbewerbsorientierung sowie ein erfolgsgeprägtes Bindungsmuster? Machen Sie einen Hochstaplertest (Clance 1988); vertiefen Sie sich in Fachliteratur. Dokumentieren und visualisieren Sie Ihre Erfolge, Ihre beruflichen und persönlichen Highlights in einem Erfolgstagebuch. Überlegen Sie: Was kann ich gut? Was ist mir gut gelungen? Was mag ich an mir? Was führt zu Selbstachtung und Selbstakzeptanz? Tauschen Sie sich dazu mit anderen aus und holen Sie → Feedback von Personen ein, denen Sie vertrauen. Suchen Sie Verbündete, nutzen Sie professionelle Unterstützung (Coaching, Mentoring, Beratung). Literatur und Links ANDRÉ, Christophe und Francois LELORD, 2000. Die Kunst der Selbstachtung. Berlin: Aufbau. CLANCE, Pauline Rose und Suzanne Ament IMES, 1978. The Impostor Phenome-non in High Achieving Woman: Dynamics and Therapeutic Intervention. In: Psychotherapy, Theory, Research and Practice. 15 (3). CLANCE, Pauline Rose, 1988. Erfolgreiche Versager. Das Hochstapler-Phänomen. München: Wilhelm Heyne Verlag. KLINKHAMMER, Monika und Gunta SAUL-SOPRUN, 2009. Das „Hochstaplersyndrom“ in der Wissenschaft. In: OSC. 2, S. 165-182. ROHRMANN, Sonja, 2019. Wenn große Leistungen zu Selbstzweifel führen. Das Hochstapler-Selbstkonzept und seine Auswirkungen. Bern: Hogrefe. http: / / impostortest.nickol.as/ (zuletzt aufgerufen am 18. Mai 2020) https: / / www.srf.ch/ sendungen/ passage/ als-ob-vom-nagenden-gefuehl-einhochstapler-zu-sein (zuletzt aufgerufen am 18. Mai 2020) <?page no="88"?> 88 Institutsleitung Institutsleitung Mechthild Dreyer Die Leitung des Instituts, dem man angehört, ist in der Regel die erste größere herausfordernde Tätigkeit in der akademischen Selbstverwaltung einer Hochschule. Was gilt es zu beachten? Fakultäten bzw. Fachbereiche als organisatorische Grundeinheiten von Hochschulen sind oft in Institute oder Seminare untergliedert. Diese fassen verwandte oder sachlich benachbarte Fachgebiete bzw. Fächer zu größeren wissenschaftlichen Einheiten zusammen mit dem Ziel verbesserter Effizienz und Effektivität. Institute nehmen Aufgaben in Forschung und Lehre sowie in der Betreuung und Unterstützung von Forschung, Lehre und Studium wahr. In der Regel sind unter den Mitgliedern eines Instituts alle vier Statusgruppen der Hochschule vertreten: Professor*innen, Studierende sowie wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Mitarbeiter*innen. Grundlegende Bestimmungen zur formalen Ausgestaltung einer Institutsleitung bietet die Organisationsregelung des Instituts oder die Grundordnung der Hochschule. Hier ist festgelegt, ob die Leitung dauerhaft oder befristet erfolgt, ob sie von einer Person oder aber kollegial wahrgenommen werden soll. Mit der Führung eines Instituts verbindet sich eine formelle Dienstvorgesetzteneigenschaft dann, wenn das Institut über eine eigene Geschäftsführung (wiss. Mitarbeiter*in, ggfs. Sekretariat, ggfs. studentische Hilfskräfte) verfügt oder wenn es Stellen gibt, die unabhängig von den Professuren formal der Institutsleitung zugeordnet sind. In den meisten Fällen kommt die Aufgabe einer Institutsleitung zu den sonstigen dienstlichen Verpflichtungen hinzu. Jedoch besteht je nach Umfang der anstehenden Aufgaben die Möglichkeit einer Deputatsreduktion, wenn die Landeslehrverordnung dies vorsieht. Aus den geschilderten Rahmenbedingungen ergeben sich zentrale Gesichtspunkte für die inhaltliche Ausgestaltung einer Institutsleitung. Allgemein formuliert umfasst sie gleichermaßen Managementwie Führungsaufgaben. Ist das Institut eine dem Fachbereich bzw. der Fakultät nachgeordnete Organisationseinheit, so liegt es im Verantwortungsbereich der Leitung - u.U. mit Unterstützung von Mitarbeiter*innen - dafür Sorge zu tragen, dass alle von dort übertragenen Aufgaben und Verpflichtungen angemessen und zweckmäßig wahrgenommen werden. Hierzu gehören bspw. die Planung des Lehrangebots, in bestimmten engen Grenzen die Auswahl von wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Mitarbei- <?page no="89"?> Institutsleitung 89 ter*innen, die Verausgabung der dem Institut zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel sowie ggf. die Bewirtschaftung und Verwaltung von Räumen, Laboren und Bibliotheken. Zugleich hat die Leitung die Belange und Bedarfe ihres Instituts gegenüber der Fakultät bzw. dem Fachbereich zu vertreten. Häufig ist sie daher auch Mitglied im Fakultätsbzw. Fachbereichsrat und den zugeordneten Ausschüssen. Ihre Führungsaufgaben kann eine Institutsleitung aufgrund ihrer Position im Gesamtgefüge der Hochschule (nur) lateral wahrnehmen ( → laterale Führung). Um einige Beispiele für solche Aufgaben zu nennen: So kann sie sich aufgrund ihrer Position für die Ziele ihrer Einrichtung und deren Umsetzung auf den verschiedenen Ebenen der Hochschule einsetzen. Innerhalb des Instituts wird ihr zumeist die Rolle eines Moderators zukommen, wenn es darum geht, von allen Mitgliedern gemeinsam getragene Positionen zu entwickeln und umzusetzen. Transparente → Kommunikation und integrative Kraft sind hier ebenso wichtig wie Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit. In der Konsequenz dessen wird eine Institutsleitung es als ihre Aufgabe ansehen, sich für ein gedeihliches Miteinander aller am Institut Tätigen zu engagieren und ihnen in der gemeinsamen Arbeit Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dies sind schon im normalen Alltagsgeschäft anspruchsvolle Tätigkeiten, erst recht fordern sie eine Institutsleitung dann, wenn gegenläufige Interessen und offene oder verdeckte Konkurrenzen die Erfüllung der Institutsaufgaben erschweren oder sogar verhindern können. Für das Dekanat des Fachbereichs bzw. der Fakultät, zu dem bzw. zu der das Institut gehört, aber ebenso für die Verwaltung der Hochschule wie auch für die Hochschulleitung ist eine Institutsleitung die wichtigste Ansprechperson für die Belange der Fachgebiete und Fächer, die im Institut zusammengefasst sind. Diese ‚Sandwich-Position‘ ist nicht immer einfach, besteht doch die Gefahr, sich darin aufzureiben. Auch hier ist es wichtig, stets verbindlich und transparent zu agieren. Diplomatisches Geschick ist gleichfalls förderlich. Immer wieder gibt es für eine Institutsleitung auch Gelegenheit mikropolitisch zu agieren und vorhandene Spielräume zu nutzen, um zusammen mit anderen Akteuren das Institut zu profilieren, es - wenn möglich - strategisch weiter zu entwickeln und die dafür notwendigen Veränderungsprozesse zu initiieren und zu begleiten. ( → Mikropolitik) Fazit: In der Funktion einer Institutsleitung kann man im Kleinen einüben, was man später auch auf der mittleren oder oberen Leitungsebene einer Hochschule können sollte: moderieren, kommunizieren, Verantwortung wahrnehmen, → Entscheidungen treffen, Personen fördern und Möglichkeiten eröffnen, Visionen und Ziele entwickeln ( → Visionsentwicklung) sowie strategisch denken. <?page no="90"?> 90 Inter- und Transdisziplinarität Inter- und Transdisziplinarität Neela Enke Sie sind an einem inter- oder transdisziplinären Projekt beteiligt. Was können Sie tun, damit es tatsächlich zu inter- oder transdisziplinärem Forschen kommt und nicht zu parallelen, disziplinären Einzelprojekten, bei denen zum Projektende krampfhaft Überschneidungspunkte gesucht werden? Multidisziplinarität beschreibt das Nebeneinander verschiedener Forschungsrichtungen, die aber durchaus eine gemeinsame, übergeordnete Fragestellung bearbeiten können. Interdisziplinarität geht weiter und beschreibt ein Vorgehen, in dem Methoden zwischen verschiedenen Disziplinen ausgetauscht und kombiniert werden, damit so Forschungsfragen innovativ bearbeitet werden können. Transdisziplinarität hat einen Fokus auf die Integration der Ansätze verschiedener Disziplinen plus die Einbindung der Perspektive nicht-wissenschaftlicher Praktiker*innen und kann auch die kritische Betrachtung des wissenschaftlichen Vorgehens umschließen. In der Praxis ist es oft so, dass als ‚interdisziplinär‘ titulierte Projekte multidisziplinär ausgeführt werden, da die Beteiligten auf die Alltags- Herausforderungen einer interdisziplinären Forschung nicht vorbereitet sind und auch die Zeitrahmen der Projekte an ‚normale‘ disziplinäre Projekte angelehnt sind und somit weder Raum noch Zeit vorsehen, sich z.B. mit den Grundannahmen, Denkkulturen, zentrale Begrifflichkeiten und Methoden der verschiedenen Disziplinen und den Umgang damit auseinander zu setzen. Dies setzt bei den Beteiligten die Bereitschaft voraus, sich in andere Disziplinen ein Stück weit hinein zu denken und neue Dinge zu lernen - das ist zeitaufwändig und widerspricht auch dem Ideal und dem erlernten Habitus des*der Wissenschaftler*in, ‚allwissend‘ zu sein. Damit geht oft auch eine (unbewusste) Hierarchisierung der unterschiedlichen Disziplinen in der Wahrnehmung des Stellungswertes der jeweils eigenen einher - besonders dann, wenn es um die kritische Betrachtung der eigenen Arbeitsweise geht ( → Umgang mit Vielfalt). Ein Beispiel ist hier das Zusammenspiel von empirischen und evidenzbasierten bzw. experimentellen Forschungsmethoden. Daraus ergibt sich wiederum die Frage von Kompatibilität und gemeinsame Interpretation der erhobenen und verwendeten Daten. Zentral ist auch der Umgang mit Promovierenden in interdisziplinären Projekten. Zum einen landen sie oft in einer (professionellen) Isolation, wenn sie als ‚disziplinfremde‘ Person in eine disziplinär ausgerichtete <?page no="91"?> Inter- und Transdisziplinarität 91 Arbeitsgruppe kommen: ihr Wissen wird meist nicht wahrgenommen und das Fachwissen der Arbeitsgruppe nicht ausreichend kommuniziert - das kann eine massive Fehleinschätzung der Leistung der Promovierenden zur Folge haben. Zum anderen ist die Frage der Karriereentwicklung in der aktuellen deutschen Forschungslandschaft für interdisziplinär arbeitende Wissenschaftler*innen nicht trivial, da z.B. Professuren sehr disziplinär ausgerichtet sind. Hierzu gehören u.a. Fragen des Netzwerkaufbaus, der Publikationsorgane und der Konferenzbesuche. Besonders herausfordernd ist, dass die Interessen der betreuenden Personen aufgrund der Zughörigkeit zu verschiedenen Disziplinen hier ganz anders gelagert sein können als die der Mitarbeitenden. Checkliste Erfolgsfaktoren inter- und transdisziplinärer Projekte Welche Vorerfahrungen haben die Projektbeteiligten mit Inter- und Transdisziplinarität? Welche Bilder und Vorstellungen existieren hierzu? Welche Bereitschaft besteht, sich kritisch mit der eigenen Forschung auseinanderzusetzten und sich in ganz neue Disziplinen hinein zu denken und zu arbeiten? Gibt es Zeit und Raum für die Verständigung über grundlegende Konzepte, Begriffe und Methoden der verschiedenen Disziplinen über den gesamten Projektzeitraum? Gibt es Ideen/ Strategien zum Zusammenspiel/ Kompatibilität der erhobenen Daten? Gibt es für die im Projekt beschäftigten Promovierenden es eine Strategie für Publikation und Karriereentwicklung, die das Dilemma zwischen interdisziplinärer Forschung und disziplinärer Qualifikation (besonders in Hinsicht auf eine Professur) berücksichtigt? Gibt es Strukturen zur Vermittlung in Konflikten? Literatur LYALL, Catheri ne, Ann BRUCE, Joyce TAIT und Laura MEAGHER, 2011. Making the Expedition a Success: Managing interdisciplinary projects and teams. In: Interdisciplinary Research Journeys: Practical Strategies for Capturing Creativity. London: Bloomsbury Academic. p. 51-79. POHL, Christian, Gabriela WUELSER, Peter BEBI, Harald BUGMANN, Alexandre BUTTLER, Ché ELKIN, Adrienne GRET-REGAMEY, Christian HIRSCHI, Quang Bao LE, Alexander PERINGER, Andras RIGLING, Roman SEIDL und Robert HUBER, 2015. How to successfully publish interdisciplinary research: learning from an Ecology and Society Special Feature. Ecology and Society 20(2): 23. http: / / dx.doi.org/ 10.5751/ ES-07448-200223 (zuletzt aufgerufen am 02.04.2020) <?page no="92"?> 92 Interkulturelle Kommunikation Interkulturelle Kommunikation Anette Hammerschmidt In einem Forschungsteam arbeiten zwei Chinesen, eine Brasilianerin, eine Inderin, ein Franzose, zwei US-Amerikaner*innen und vier Deutsche. Welche Kultur hat das Team? Das Beispiel entstammt nicht der Rätselkiste, sondern unserer zunehmend globalisierten Welt, in der mit einiger Wahrscheinlichkeit schon die eine oder der andere des oben genannten Teams in einem anderen Land studierte und - sofern er*sie sich adaptieren konnte - einige Denk- und Lebensweisen der Gastkultur in sein*ihr Verhaltensrepertoire übernommen hat. Die akademische Kultur, die Fachkultur und die berufliche Sozialisation gehören ebenfalls dazu, denn ‚Kultur‘ ist mehrschichtig und nicht auf ‚Landeskultur‘ reduzierbar. Als Individuen ühlen wir uns spezifischen geographischen, ethnischen und sozialen Subkulturen zugehörig. Für eindimensionale nationale Zuordnungen ist die Welt zu komplex. Mit den klassischen ‚Kulturstandards‘ über Länder, Sitten und Gebräuche allein kommen wir heute nicht mehr weit. Während Kulturstandards mit ‚Landkarten‘ vergleichbar sind, die uns Anhaltspunkte der Orientierung geben, brauchen wir, um uns zurechtzufinden, metaphorisch gesprochen noch einen ‚Kompass‘, also Orientierungsinstrumente und Fähigkeiten, die unabhängig von der spezifischen Region überall, so auch zuhause, Anwendung finden. Landkarten verallgemeinern und vermitteln Wissen über eine Kultur und ihre Gebräuche, soziale Regeln, Werte und Grundüberzeugungen. Orientierung dagegen ist ein Vermögen: die Fähigkeit sich in wechselnden konkreten Situationen immer wieder neu orientieren zu können. Landkarten heben hervor, was uns unterscheidet. Unser Orientierungsvermögen schlägt Brücken, ermöglicht Austausch und Verständigung. (Hammerschmidt 2006) Wo also ansetzen? An dem, was uns gemeinsam ist! Überall haben wir es mit Menschen zu tun, die ihre persönlichen Erfahrungen und Erwartungen, Eigenschaften und Fähigkeiten, Vorlieben und Interessen haben. Individuen sind schließlich keine Klone einer Kultur. Sie sind gezwungen zu wählen, wie sie auf Situationen reagieren, sich verhalten und als Person zum Ausdruck bringen. Ihre Persönlichkeit scheint immer durch - nur so können wir einschätzen, ‚mit wem wir es zu tun haben‘ und sozial verbindliche Beziehungen eingehen. In diesem Sinne ist jeder Mensch einzigartig. <?page no="93"?> Interkulturelle Kommunikation 93 Andererseits verbinden bestimmte anthropologische Lebensthemen jede*n Einzelnen mit der Spezies ‚Mensch‘: Geburt und Lebensphasen, Gemeinschaft, Sexualität, Ernährung, Krankheit und Tod. Wie diese universalen Themen interpretiert, gelebt und ritualisiert werden ist kulturell - nach Regionen, Subkulturen und Epochen - höchst unterschiedlich. Ähnlich verhält es sich mit ‚Erfahrungsdimensionen‘ unseres Daseins: mit Gefühlen wie Freude oder Trauer und mit Bedürfnissen wie Zugehörigkeit, Anerkennung, Autonomie oder Respekt, um nur einige wenige zu nennen. Dass wir sie haben ist uns gemein. Wie wir sie zum Ausdruck bringen hängt vom kulturellen Kontext, von der konkreten Situation und der individuellen Persönlichkeit ab. So kann man ‚Respekt‘ zeigen, indem man sich verbeugt, die Hand gibt oder auf die Schulter klopft, jemandem in die Augen sieht oder genau das vermeidet. Verhalten und Handlungen sind kulturell geprägt. Sie sind konkrete Strategien, mit denen Menschen sich - bewusst oder unbewusst - Bedürfnisse erfüllen, die universal und allen Menschen gemein sind. Diese Schlüsselunterscheidung - universale Bedürfnisse vs. konkretes Verhalten - eröffnet Handlungsspielräume und ermöglicht Verstehen über kulturelle Differenzen hinweg: Eine konkrete Handlung mag angemessen oder unangemessen, verständlich oder rätselhaft sein - das Bedürfnis dahinter (im oben genannten Beispiel ‚Respekt‘) ist grundsätzlich ‚verstehbar‘, vermittelt die Intention und macht Verhalten nachvollziehbar. In der eigenen Kultur so wie in einer fremden. Diese Unterscheidung und die Fähigkeit hinter der ‚Oberfläche‘ des Verhaltens Bedürfnisse zu erkennen, ist in sozialen Beziehungen allgemein und in der interkulturellen Zusammenarbeit im Besonderen ein Ansatzpunkt für Verstehen und gelingende → Kommunikation. Eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, zu beobachten ohne zu urteilen, zu beschreiben ohne zu interpretieren. Dieser Fähigkeit bedarf es auch für faires und motivierendes → Feedback. Im interkulturellen Kontext ist sie essentiell. Bedürfnisse mögen universal sein; das heißt aber noch lange nicht, dass Menschen in ein und derselben Situation die gleichen Bedürfnisse teilen. Auch das kennen wir von ‚zuhause‘. Dem einen geht es um Selbständigkeit, der andere braucht gerade Wertschätzung oder Unterstützung, die eine möchte mehr Autonomie, die andere wünscht sich Einbindung und Zugehörigkeit. Unterschiede ergeben sich aus dem subjektiven Erleben, den individuellen Präferenzen und der kulturellen Prägung. Und genau da können wir ansetzen! Verständigung braucht erstens die Fähigkeit zum aufmerksamen Zu- und Heraushören ( → Zuhören), um gleichermaßen zu verstehen und verständlich zu machen, worum, also um welche Bedürfnisse, es dem*der anderen oder mir gerade geht. Insofern setzt es zweitens die <?page no="94"?> 94 Interkulturelle Kommunikation Bereitschaft zur Introspektion voraus, sich seiner eigenen Bedürfnisse bewusst zu werden. Gefühle, Überzeugungen und Werturteile sind hilfreiche Wegweiser, wenn wir uns darauf einlassen. ( → Selbststeuerung) Und es braucht drittens die Bereitschaft und kommunikativen Kompetenzen, sich gemeinsam über das Wie auszutauschen und zu einigen: welche Verhaltensweisen situationsabhängig angemessen, wünschenswert oder notwendig sind. Kommunikative Praxis erzeugt Kultur. ( → Zuhören) So wird sich auch die Kultur des eingangs erwähnten Forschungsteams nach und nach herausbilden - je nachdem wie die Beteiligten miteinander umgehen und kommunizieren, welche Muster und sozialen Regeln sich etablieren und welche Werte und Überzeugungen sie miteinander teilen. Achtung: Wenn es Probleme gibt, führen uns kulturelle Zuschreibungen leicht in die Irre. Die möglichst objektive Beschreibung der konkreten Situation ist ein guter Anhaltspunkt, um sich Orientierung zu verschaffen. Auch hier ist die Unterscheidung zwischen Beobachtung und Interpretation grundlegend. Was genau ist geschehen? Wer war beteiligt? Wie hat es sich entwickelt? Welchen Einfluss haben die Strukturen, Hierarchien, Machtverhältnisse? Es ist hilfreich, die Informationen zu unterscheiden nach: 1. Aussagen über Situation, Strukturen und Rahmenbedingungen, 2. beteiligte Personen, ihre Bedürfnisse, Fähigkeiten und → Rollen und 3. kulturelle Erwartungen und Gepflogenheiten, die hineinspielen mögen. (Hammerschmidt 2009) Auf welcher Ebene liegen die Probleme begründet? Sollte der Konflikt auf ein strukturelles Problem zurückgehen (z.B. interner Wettbewerb, Ressourcenknappheit), sind individuelle und kulturelle Faktoren lediglich Spielarten des Streitens. Je nachdem worin die Ursache des Konflikts liegt, wird die Lösung woanders ansetzen müssen, um wirksam zu sein. ( → Konfliktmanagement) Sollte der Konflikt auf interkulturelle Missverständnisse und Gepflogenheiten zurückgehen, dann ist die Klärung kulturspezifischer Erwartungen und Bedeutungen durchaus angebracht. So hilft es natürlich auch, sich in internationalen Kooperationen ( → Internationale Zusammenarbeit) im Vorhinein mit der kulturellen ‚Landkarte‘ vertraut zu machen. Der Einstieg zählt und vorbauen ist besser als ausbügeln. Die Übung im Umgang mit den ‚Kompasskompetenzen‘ ist aber auch auf unbekanntem Terrain Voraussetzung dafür, sich zurechtzufinden. Erfolgsfaktoren für die interkulturelle Kommunikation Unterscheiden Sie zwischen Bedürfnissen und Handlungsstrategien. Üben Sie sich darin, die Bedürfnisse aus dem Gesagten herauszuhören. Wenn Sie hören: „Hier muss man alles alleine machen! “, geht es der- *demjenigen um Kooperation, Unterstützung, Fairness oder Anerkennung? Rückfragen helfen, das zu überprüfen. <?page no="95"?> Interkulturelle Kommunikation 95 Stellen Sie offene statt geschlossene Fragen. Sie erfahren nicht nur mehr; in manchen Kulturen würde man Ihnen als Autoritätsperson niemals mit „Nein“ antworten. Werden Sie sich Ihrer eigenen (sozio)kulturellen Prägung, Ihrer Bedürfnisse und daraus resultierenden Handlungsstrategien bewusst. Nur so können Sie vermitteln, worum es Ihnen eigentlich geht (Selbstständigkeit, Kooperation, Gerechtigkeit usw.), warum Ihnen das wichtig ist und wie das im akademischen Kontext aussehen könnte. Sollte es dafür kulturelle Überzeugungen oder Regeln geben, können Sie sie auch erklären. Keep in mind: Bedürfnisse sind wert-voll, Handlungsstrategien sind verhandelbar. Trainieren Sie Ihr Beobachtungsvermögen. Ist die Interpretation schon zur Stelle, fragen Sie sich: „Woran mache ich das fest? “ Ob allein oder zu mehreren: nehmen Sie die Geschehnisse unter die Lupe, indem Sie die Fakten nach Situation, Kontext, Personen und kulturellen Einflüssen unterscheiden. Wo liegen die Ursachen? Es kann verschiedene Gründe geben. Suchen Sie Lösungsansätze, die zur Problemursache passen. Klären Sie mit Ihrem Team, welche Werte Ihnen gemeinsam wichtig sind. Tauschen sie sich darüber aus, wie Sie diese Werte interpretieren und leben wollen. „Woran machen wir z.B. Fairness, Selbstständigkeit oder Kooperation fest? “ Erfolgreiche Teams können Vielfalt zulassen und leben, weil sie gemeinsame Werte teilen ( → Umgang mit Vielfalt). Verlassen Sie sich nicht auf länderspezifische „Dos and Don’ts“ ohne von Ihren ‚Kompasskompetenzen‘ Gebrauch zu machen! Am Ende haben wir es immer mit spezifischen Situationen und Individuen zu tun. Und die sind keine Klone ihrer Kultur! Literatur BLOEMMAERT, Jan and Jef VERSCHUEREN, eds., 1987. The Pragmatics of International and Intercultural Communication. Amsterdam, Philadelphia: John Benjamis Publishing Company. CASPARY, Sigrun und Kazuma MATOBA, Hrsg., 2000. Transkultureller Dialog. Marburg: Metropolis. FRITSCH, Gerlinde Ruth, 2009. Praktische Selbst-Empathie. Herausfinden, was man fühlt und braucht. 2., korr. Auflage. Paderborn: Junfermann. HAMMERSCHMIDT, Anette C., 2006. Interkulturelles Wissen als Orientierungsleistung. In: KÖNIG, Eckard und Stefan MEINSEN, Hrsg. Systemische Organisationsberatung in Wissensorganisationen - Wissensmanagement in sozialen Systemen. Weinheim: Beltz. <?page no="96"?> 96 Internationale Zusammenarbeit HAMMERSCHMIDT, Anette C., 2009. Sic! Ein Diagnoseinstrument zur Orientierung in der transkulturellen Unübersichtlichkeit. In: BARMEYER, Christoph und Jürgen BOLTEN, Hrsg. Interkulturelle Personal- und Organisationsentwicklung. Methoden, Instrumente und Anwendungsfälle. Sternenfels: Verlag Wissenschaft & Praxis. Internationale Zusammenarbeit Christine Scherer & Dina Falten Sie lieben Komplexität? Sie haben Freude daran, sich auf Neues ergebnisoffen einzulassen und finden es bereichernd, sich an Lebenserfahrung und Persönlichkeit weiterzuentwickeln? Dann sollten Sie unbedingt über internationale Zusammenarbeit im Rahmen Ihrer (Forschungs-)Arbeit nachdenken. Was aber, wenn Sie an all dem nicht viel Spaß haben? Die schlechte Nachricht ist: Auch dann steht zu beürchten, dass Sie sich in naher Zukunft mit internationaler Zusammenarbeit beschäftigen werden. Denn auch die letzten Elfenbeintürmchen werden bald global vernetzt sein. Die hoffnungsvolle Nachricht ist: Sie beteiligen sich in der Praxis Ihrer internationalen → Kooperation möglicherweise an wichtigen und dringenden Fragen der Wissens- (oder Wissenschafts-)reflexion. Nebenbei sozusagen. Klimawandel, Sicherheit, Ressourceneffizienz, Armutsbekämpfung oder globale Gesundheit erscheinen momentan in wissenschaftspolitischer Hinsicht als die drängenden Arbeitsfelder wissenschaftlicher Forschung - in Europa und darüber hinaus. Das Postulat ist deutlich und klar: entsprechende, ür die Menschheit zentrale Herausforderungen wie die des Sars-CoV-2 etwa, lösen Wissenschaftler*innen nicht im Alleingang und auch nicht in nationalen Forscherteams, sondern diese sind nur in internationalen koordinierten Teams mit weltweiter Vernetzung zu bearbeiten. Durch die rasante Digitalisierung der Forschung und Lehre und die damit einhergehende Möglichkeit, sich im Cyberspace weltweit mit Fachleuten zu vernetzen und dabei u.a. auch mit Unmengen von Daten - in welcher Form auch immer - arbeiten zu können, formiert sich das, was man gemeinhin digitale Wissensgesellschaft nennt. Da Wissen, so das Credo aus Bildungs- und Wissenschaftslandschaften aller Erdteile, über Wettbewerbsähigkeit von der persönlichen bis zur volkswirtschaftlichen Ebene <?page no="97"?> Internationale Zusammenarbeit 97 entscheidet, sind der Zugang zu und die Verügbarkeit von Wissen heute auch zur sozialen Frage geworden. Die marktwirtschaftliche Rede von ‚Wissensproduktion‘ und die Lesart von Wissen als einem veräußerbaren Gut erklärt auch, warum theoretische Konzepte von (internationaler) Kooperation wie z.B. organisations-, transaktionskosten-, interaktions- oder spieltheoretische Ansätze - um nur einige zu nennen - im Kern ökonomisch verortete Ansätze geblieben sind. In der Praxis ist internationale Zusammenarbeit selten altruistisch und häufig von Machtkonstellationen geprägt. Auch deshalb ist diese Arbeit gleichzeitig ein vielschichtiger Lernprozess. Auf welche Art sich Wissenschaftler*innen hierauf einlassen, ist eine individuelle Entscheidung. Ein Ende dieses Lernprozesses gibt es nicht unbedingt, aber mit großer Wahrscheinlichkeit (auch) Ergebnisse, die zu Beginn nicht vorstellbar waren und die es nur deshalb gibt, weil das gemeinsame Arbeiten zu einem fließenden Austausch führen durfte, der über die Lösung von Forschungsfragen hinaus seine Wirkung entfaltet. Im günstigsten Falle öffnen wir uns für andere Wissensweisen und hinterfragen die eigenen. Stellen Sie sich also vor, Sie könnten internationale Zusammenarbeit nach Wunsch gestalten; dann bieten sich Ihnen verschiedene Möglichkeiten, das anzugehen. Konkret: Sie nehmen aktiv an einer internationalen Konferenz teil und identifizieren interessierte Gesprächspartner*innen; sie recherchieren potentielle Kooperationspartner*innen in Ihrem fachlichen Bereich und kontaktieren diese. Parallel finden Sie über das Büro für Internationale Angelegenheiten an Ihrer Uni heraus, wer Sie bei Ihren Planungen unterstützen kann und klopfen nationale und internationale Förderprogramme ab. Sie stellen einen Antrag, dieser wird bewilligt. Sie legen los mit einem Auftaktreffen zum Kennenlernen und zur Arbeitsplanung. ( → Kooperationen). Bald greifen Sie auf Kontakte weltweit zurück, denn Sie haben sich über Jahre hinweg ein fachliches Netzwerk erarbeitet. Weil Sie und Ihre Kolleg*innen sich gut kennen und schätzen, beschließen Sie gemeinsam, Ihre Zusammenarbeit formaler zu gestalten als bisher. Auch dann brauchen Sie unterstützende Stellen und fördernde Finanzformate. Eines wird Sie dabei immer begleiten: die Frage nach einer gemeinsamen Vision ( → Visionsentwicklung). Was treibt unsere gemeinsame Projektarbeit an? Anstelle der üblichen Arbeitspakete des → Projektmanagements, wagen Sie eventuell etwas Mutiges: Wie wäre es, nebenbei die gegenseitige Ignoranz offenzulegen, um daraus gemeinsam Arbeitspakete zu entwickeln? Dann machen Sie sich in Richtung ‚lebenslanges Lernen‘ auf! Dabei beschäftigen Sie sich als internationale Wissenschaftler*in, die Sie nun im Prozess geworden sind, mit den Paradigmen und epistemologischen Grundlagen von Wissen und Wissenschaft - essentiell für internationale <?page no="98"?> 98 Internationalisierung Zusammenarbeit. Sie erkennen erstaunliche Gemeinsamkeiten und großartige Verschiedenheiten der Wissenskultur(en), was dem gemeinschaftlichen Wissensgewinn und auch den Forschungsergebnissen dient. Gegenseitige Zuerkennung von Handlungsspielräumen sorgt nicht nur für ein anerkennendes Miteinander, sondern auch für überraschend beglückende Momente in Ihrer Karriere. Das Ablegen von alten Denkmustern und akademischen Glaubenssätzen hilft dabei, neue Perspektiven zu entwickeln. Literatur KNAW (2014). International scientific cooperation challenges and predicaments. Options for risk assessment. Amsterdam: Royal Netherlands Academy of Arts and Sciences. Unter: www.knaw.nl/ en/ news/ publications/ internationalscientific-cooperation-challenges-and-predicaments (zuletzt aufgerufen am 17. April 202) Internationalisierung Christine Scherer Internationalisierung ist in nationalen und regionalen Wissenschaftslandschaften ein relativ junges Phänomen. Grundsätzlich kennzeichnet es einen Umbruch in der globalen Wissenschaftslandschaft, wo Wissenschafts- und Hochschulsysteme bislang weitgehend national geprägt sind. Internationalisierung in der Umsetzung hat jedoch immer auch höchst individuelle Ausprägungen, die dem gelebten Wissenschaftsverständnis der Wissenschaftler*innen entspricht. Internationalisierung, hier zunächst verstanden als institutionelle Querschnittsaufgabe und organisatorischer Prozess, der nach innen und außen wirksam ist, messen Hochschulen wachsende strategische Bedeutung bei. Sie gilt als Prämisse ür Spitzenforschung und daraus resultierende Innovation und ist im Wettbewerb um ‚herausragende Köpfe‘ ein wichtiges Profilierungsmerkmal geworden. Außer den wissenschafts- und forschungsgeleiteten Interessen hat Internationalisierung daher eine vorgeordnete politische Dimension für die deutsche Wissenschaftslandschaft im Sinne einer explizit formulierten ‚Außenwirtschaftspolitik‘: science diplomacy. Im Jahr 2009 haben Auswärtiges Amt (AA) und Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die <?page no="99"?> Internationalisierung 99 Errichtung der Deutschen Wissenschafts- und Innovationshäuser (DWIH) initiiert, die den Wissenschaftsstandort Deutschland in New York, Sao Paulo, Neu-Delhi, Moskau und Tokyo repräsentieren. Wissenschaft, wie wir sie heute kennen, lebt im besten Fall vom Austausch und von Zusammenarbeit, wird belebt durch Kritik und Wettbewerb, innerhalb von Universitäten genauso wie darüber hinaus. Das wohl größte und gewiss noch lange nicht abgeschlossene supranationale Internationalisierungsprojekt ist der auf europäischer Ebene initiierte ‚Bologna-Prozess‘. Hierdurch ist eine Vernetzung von Forschungsinitiativen und -interessen durch ganz Europa umspannende Kooperationen in Forschungsrahmenprogramme wie beispielsweise ‚Horizon 2020‘ möglich geworden, deren internationalisierende und integrierende Wirkung inzwischen auch über Europa hinaus in anderen Weltregionen Interesse hervorruft. Als europäisches Austauschprogramm für Studierende im Jahr 1987 gegründet, entwickelte sich Erasmus in mehr als 30 Jahren zu einem Internationalisierungsprojekt der EU, das in Erasmus+ heute auch über Europa hinaus Individuen ebenso wie Organisationen eine Vielzahl von zusätzlichen Möglichkeiten u.a. allgemeiner und beruflicher Aus- und Weiterbildung bietet. In heutigen regional oder gar global vernetzten Gesellschaften, die Wissen als Ressource für Produktivität und Wohlstand betrachten, kann Wissenschaft letztlich weder fachlich autonom noch strukturell unabhängig betrieben werden. Diese Wahrnehmung liegt auch der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder (2006-2018) sowie der nachfolgenden und 2019 ausgerufenen Exzellenzstrategie zugrunde, die für immensen Rückenwind bei der Internationalisierung deutscher Universitäten sorgte. Erfreulich ist, dass im Zuge dessen auch Weltregionen in den Blick genommen werden konnten, deren wissenschaftliche Arbeit bis dato von den dominierenden westlichen Wissenschaftslandschaften noch weitgehend marginalisiert wurden. Deutschland und seine in unterschiedlicher Ausprägung mit Wissenschaft befassten politischen Akteur*innen wie die Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF), für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie das Auswärtige Amt (AA) setzen Programme (in mehr oder weniger enger Abstimmung der Ressorts) nicht mehr nur innerhalb Europas auf, sondern natürlich auch mit Ländern in Asien, Lateinamerika und Afrika. Auch die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) gewinnen an Bedeutung für wissenschaftspolitische Agenden. Eine Fülle an Mobilitätsprogrammen und Förderformaten, u.a. angesiedelt bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), der Alexander von Humboldt Stiftung (AvH) <?page no="100"?> 100 Internationalisierung sowie bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen aus diesen Regionen steht einer Reihe an Forschungsförderformaten gegenüber, die sich üblicherweise an nationalen Forschungsinteressen mindestens ebenso zu orientieren haben wie an der Etablierung von Standards und internationalen Kooperationsstrukturen auf Augenhöhe. So formulierte etwa der Wissenschaftsrat (2018), dass „[…] die deutschen Hochschulen und Forschungsinstitute in internationalen → Kooperationen ihre eigenen Werte und Qualitätsansprüche geltend machen und klare Vereinbarungen treffen, z.B. mit Blick auf die freie Ausübung von Wissenschaft, die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen, die freie Meinungsäußerung sowie die Grundsätze für wissenschaftliche Integrität und zum Schutz des geistigen Eigentums“. Genau in solchen Formulierungen liegt heute aber bereits auch ein zentraler Konflikt der Internationalisierung: Welches sind die allgemein gültigen Qualitätsansprüche in einer globalen digitalen Wissenschaftslandschaft? Wem gehört welches Wissen und wann ist Wissenschaft wirklich offen und frei? Obwohl Internationalisierung als strategische Aufgabe in der Regel topdown gedacht wird, sind in der Praxis stets einzelne Individuen die Träger- *innen des Prozesses. Sie reflektieren, übersetzen und implementieren programmatisch formulierte Internationalisierungsbestrebungen gleichsam ‚von unten‘ in die kooperative Praxis: als Individuen mit heterogenen kulturellen und persönlichen Dispositionen und professionellen Sozialisationen. Hilfreich für entsprechende Praktiker*innen ist deshalb auch ein gewisses Verständnis des (internationalen) wissenschaftlichen Felds als ein soziales Feld der Macht. Als solches hat der französische Soziologie Pierre Bourdieu (1998) die Wissenschaft mit ihren Spielregeln schon vor einigen Jahrzehnten analysiert und darauf hingewiesen, dass hier in der Regel unterschiedliche Formen von Kapital aufeinandertreffen: das ökonomische, das soziale, das kulturelle 8 und das symbolische Kapital. In der transparenten Verhandlung der multiplen Bezüge der Kapitalsorten zueinander bestehen auch die besonderen Herausforderungen von internationalen Nord-Süd- Kooperationen (Scherer, 2016). Neben einem langen Atem charakterisieren die mit Prozessen der Internationalisierung betrauten Agent*innen üblicherweise folgende Fähigkeiten: 8 Bourdieu hatte seine Analyse der Kapitalsorten auf die französische Wissenschaftslandschaft begrenzt. Unter kulturellem Kapital verstand er vor allem über Zeit akquirierte Bildung. Im Rahmen von Internationalisierung kann dieser Begriff um den sozialwissenschaftlichen Kulturbegriff erweitert gedacht werden. <?page no="101"?> Internationalisierung 101 Erweiterte sprachliche, interkulturelle und soziale Kompetenzen, umfassende Projektmanagementkompetenzen, große Offenheit für Diversität und ein Verständnis der Regeln des jeweiligen anderen wissenschaftlichen Umfelds und Systems sowie das Lernen-Wollen von den Partner*innen. ( → Interkulturelle Kommunikation, Internationale Zusammenarbeit) Die positive Grundeinstellung der individuellen Agent*innen zu offenen Prozessen ist ferner zentral für jede Internationalisierungsagenda. Man sollte daher nicht vergessen, ihre Prozesshaftigkeit mitsamt ihren lehrreichen Fallstricken zu tolerieren. Denn der Weg ist mindestens ebenso das Ziel, wie der Blick darauf zu richten ist, was erreicht werden soll. Wichtig ist auch zu erleben, dass Kreativität und Muße wesentlich für das Gelingen und Konfliktsituationen überwindbar sind. Internationalisierung als Prozess liefert neben Mehrdeutigkeit und Unsicherheit zuweilen ausgezeichnete, wenn auch unerwartete Ergebnisse auf der Basis gegenseitigen Vertrauens und damit einhergehender interkultureller ‚Übersetzungsleistungen‘. Darin liegt ein enormes Potential für die Weiterentwicklung der Institution Hochschule. Zwar steht sie der zielorientierten Schnelllebigkeit des Förderwesens mit ihren kompromisslosen Deadlines entgegen. Der Gewinn eines etwaigen ‚trial and error‘ solcher Prozesse ist dennoch nicht unterschätzen. Man lernt ständig dazu - miteinander, über Grenzen und Kulturen und ganze Regionen hinweg. Gerade dies stellt auch den euro-amerikanisch geprägten Habitus der Wissenschaft immer wieder vor die große Herausforderung, diese eigene Prägung und sein sicher geglaubtes ,Wissen um das Wissen‘ kritisch zu reflektieren. Bedenken Sie im Voraus Internationalisierung kann zwar, muss aber nicht ein Selbstzweck sein. Es empfiehlt sich daher, Klarheit über ein oder einige Ziele zu haben. Decken sich Ihre Ziele mit denen Ihrer Kooperationspartner? Die Vertrauensfähigkeit (nicht Naivität) der Akteur*innen bedingt, welche Formen die Strategie annehmen kann: Brauche ich unbedingte Kontrolle oder kann ich Unsicherheit und unerwartete Ergebnisse zulassen? Wenn Internationalisierung Früchte tragen soll, dann benötigt sie vor allem Zeit, Kontinuität und die Verbindlichkeit aller Beteiligten. Wie viel Zeit wollen und können Sie investieren? Wie viel Zeit und andere Ressourcen haben Ihre Kooperationspartner*innen zur Verfügung? Nicht zu unterschätzen ist die Funktion der Koordination von Aktivität und der transparenten Allokation von Mitteln. Wer kann federführend die Projektkoordination übernehmen? Welche Mittel benötigen Sie und woraus finanzieren sie sich? <?page no="102"?> 102 Karrierebrüche Literatur BEERKENS, Eric, Uwe BRANDENBURG, Nico EVERS, Adinda VAN GAALEN, Hannah LEICHSENRING und Vera ZIMMERMANN, 2010. Indicator Projects on Internationalisation - IMPI Research Report. Gütersloh: CHE, 2010. BOURDIEU, Pierre, 1998. Vom Gebrauch der Wissenschaft. Für eine klinische Soziologie des wissenschaftlichen Feldes. Konstanz: UVK. SCHERER, Christine, 2016. The Hidden Balances in Higher Education Collaboration. Negotiating Forms of Capital in the Social Field of International Doctoral Research Training between Europe and Africa. In: Anne GOUJON, Max HALLER und Bernadette MÜLLER KMET, Hrsg. Higher Education in Africa. Challenges for Devepment, Mobility and Cooperation. Newcastle upon Tyne: Cambridge Scholars, S. 302-334. SCHERER, Christine, 2019. Relational Policies in Higher Education Partnership and Collaboration: Europe’s Approach to Africa and the Special Case of Germany. In: Emnet Tadesse WOLDEGIORGIS und Christine SCHERER, Hrsg. Partnership in Higher Education. Trends between African and European Institutions. Leiden: Brill Sense, S. 76-102. SCHÜTTE, Georg, Hrsg., 2008. Wettlauf ums Wissen. Außenwissenschaftspolitik im Zeitalter der Wissensrevolution. Berlin: Berlin University Press. WISSENSCHAFTSRAT, 2018: Empfehlungen zur Internationalisierung von Hochschulen. In: Drucksache 7118-18, 8. Unter: www.wissenschaftsrat.de/ download/ archiv/ 7118-18.html (zuletzt aufgerufen am 17. April 2020) Karrierebrüche Silke Oehrlein-Karpi Ich möchte Professorin werden. Von Kolleg*innen höre ich regelmäßig, dass eine lückenlose Wissenschaftskarriere die Voraussetzung für die Erreichung dieses Ziels ist. Werden biografiebedingte Verzögerungen wirklich als Karrierebruch interpretiert? Tatsächlich orientieren sich Vorstellungen von einem idealtypischen akademischen Karriereverlauf im deutschsprachigen Raum bis heute am traditionellen Bild des geradlinigen Qualifikationsaufstiegs eines männlichen Wissenschaftlers zum eigenen Lehrstuhl. Dieses konservativ stromlinien- örmige Karrierekonzept suggeriert, dass jegliches biografisches Mäandrie- <?page no="103"?> Karrierebrüche 103 ren die Chancen verringert, das angestrebte Ziel noch erreichen zu können und ein Karrierebruch den beruflichen Traum gleich ganz zum Platzen bringt. Das Damoklesschwert des beruflichen Scheiterns - durch Abweichen von dieser Ideallinie - schwebt damit immanent über den Köpfen aller Akteur*innen, die unterwegs zur akademischen Unabhängigkeit sind. Es liegt in der Hand der einzelnen Kandidat*innen, sich bewusst und konstruktiv mit diesem restriktiven Konzept und dessen Einfluss auf die eigene Berufslaufbahn auseinander zu setzen, herumgeisternde Vorannahmen zu überprüfen und bestenfalls über Bord zu werfen, um dann lösungsorientiert und mit ausreichendem Handlungsspielraum die Verwirklichung des persönlichen Karriereziels voran zu treiben. Es macht Sinn, regelmäßig zu analysieren, welche Lebensumstände mit der akademischen Laufbahn interferieren und ein Karrierehindernis darstellen könnten. Klassischerweise sind nach wie vor hauptsächlich Frauen durch Schwangerschaft, Geburt, Elternzeit und zeitaufwändiges Familienmanagement oder die Pflege von Angehörigen mit einer nicht selten mehrjährigen eingeschränkten beruflichen Verfügbarkeit konfrontiert. Unterbrechungen der akademischen Laufbahn ereignen sich allerdings auch unabhängig von Sozialisierungsphänomenen z.B. im Falle schwerer oder chronischer Erkrankungen und Behinderungen. Ebenso kann der vorübergehende Wechsel in eine außeruniversitäre Berufstätigkeit einem irreparablen Riss in der akademischen Vita gleichkommen. Selbst ein eigentlich strategisch implementierter Forschungsaufenthalt im Ausland kann die wissenschaftliche Karriere ungewollt beeinträchtigten, z.B. wenn man zunächst unvorhersehbar viel Zeit in das Erlernen einer neuen Sprache oder fachlichen Methode investieren muss oder völlig unerwartet einen Kulturschock erleidet, von dem man sich nur langsam erholt. Ein weiteres Karriererisiko kann aus dem Betreuungsverhältnis entstehen. Es gibt immer wieder sogenannte ,High Potentials‘, die schon während ihres Studiums durch exzellente Leistungen auffallen und bereits während ihrer Promotion mehrfach publizieren oder sogar tragfähige Projektideen generieren. Die aber während ihrer Postdoczeit unbewusst oder aktiv von ihren Vorgesetzten am weiteren Fortkommen gehindert werden. Betroffene sollten nicht zu lange ausharren und auf eine Verbesserung ihrer Situation hoffen, sondern sich aus diesem Betreuungsverhältnis lösen und bei einer geeigneteren Arbeitsgruppe oder gleich für ein eigenes Funding bewerben. ( → Anträge schreiben, Drittmittel einwerben). Verzögerungen während des mehrjährigen Prozesses der Karriereentwicklung sind quasi unvermeidlich und bedeuten nicht per se das Aus . Es ist wichtig, ein Bewusstsein dafür zu haben, dass diese nicht geschlechtsneutral bewertet werden, sondern bei der Beurteilung des wissenschaftlichen <?page no="104"?> 104 Karrierebrüche Werdegangs einem Gender-Bias ausgesetzt sind, der sich in erster Linie nachteilig auf die Karriere von Frauen auswirkt. ( → Gleichstellung). Für die transparente Darstellung der beruflichen Stationen im Lebenslauf und die Bewertung der sich daraus ergebenden Phase wissenschaftlicher Produktivität ist es wichtig, basierend auf dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz und dem jeweiligen Landeshochschulgesetz das ,Akademische Alter‘ (Jahre aktiver Forschung) genau zu ermitteln, das sich häufig vom biologischen Alter (Lebensjahre) unterscheidet, da die besonderen Lebensumstände berücksichtigt werden. Das ,Akademische Alter‘, das allein für die Forschungsleistung relevant ist, liegt manchmal deutlich unter dem biologischen und zeigt, dass man noch im Rennen ist. Übrigens entstehen im Kontext jener individuellen außerwissenschaftlichen Erfahrungssettings auf spezifische Weise konturierte Kompetenz- und Forscher*innenprofile. Diese ressourcenorientierte Perspektive auf die Persönlichkeit und das dadurch ermöglichte Betonen des Alleinstellungsmerkmals helfen dabei, sich im Wettbewerb um Drittmittel und die raren permanenten Positionen von den Konkurrent*innen wahrnehmbar abzuheben und so die eigenen Chancen zu verbessern. Des Weiteren kann der wissenschaftsrelevante Aspekt der ,Internationalität‘ gestärkt werden, wenn auch Kooperationen mit internationalen Partner*innen auf dieses Konto eingezahlt werden ( → Internationale Zusammenarbeit). Es ist empfehlenswert, alle relevanten Details im CV für Gutachter*innen und/ oder Mitglieder von Berufungskommissionen explizit zu machen. ( → Berufungsprozess) In der Tat ist es schwierig, subjektiv beurteilen zu können, welche biografischen Aspekte den Weg zum eigenen Karriereziel untermauern und welche es eher unterminieren. Deswegen sollte auf jeden Fall eine Beratung in Anspruch genommen werden. Auf formaler Ebene kommen dafür z.B. das Gleichstellungsbüro einer Universität oder der Deutsche Hochschulverband in Frage. Informell hat sich während der wichtigen Profilierungsphase sowie bei der Bewerbung auf eine Professur die Begleitung durch eine*n in der eigenen Fachdisziplin erfahrene*n Mentor*in bewährt. Ermutigung durch qualifiziertes → Feedback stärkt die Selbstwirksamkeit auf dem Weg zum Ziel. Gerade wenn ,wenig Zeit‘ zur Verfügung steht, ist es umso wichtiger vorausschauend und strategisch vorzugehen ( → Karriereplanung). Das bedeutet, dass Forschung und Lehre, Publikationen und Preise, Einwerbung von Drittmitteln, Kooperationen, Internationales, Personalführung und Wissenschaftskommunikation so früh wie möglich bewusst geplant und maßvoll ,abgearbeitet‘ werden. <?page no="105"?> Karrierebrüche 105 Fragen zum Umgang mit Karriereverzögerungen Welche bereits hinter mir liegenden oder aktuellen Biografieabschnitte haben meine Zeit für wissenschaftliche Aktivitäten bisher eingeschränkt? Wenn ich diese Besonderheiten meiner Vita berücksichtige, wie unterscheidet sich mein akademisches von meinem biologischen Alter? Wofür kann ich den daraus gewonnenen Spielraum strategisch am besten nutzen? Wie kann ich das sich aus meiner individuellen Geschichte resultierende Profil ( → Profilentwicklung) in meinen Bewerbungsunterlagen so hervorheben, dass mein Alleinstellungsmerkmal mich im Wettbewerb um finanzielle Förderung und Positionen gegenüber meinen Konkurrent*innen stärkt? Wie ist das Verhältnis zu meiner Betreuungsperson? Werde ich gefördert, neutral behandelt oder sogar an der Weiterentwicklung meiner Karriere gehindert? Welche unterstützenden Maßnahmen wurden mir in den letzten drei Jahren tatsächlich angeboten? Ist das auf dem Weg zu meinem Ziel perspektivisch gesehen genug oder sollte ich mich besser aus dieser Beziehung lösen? Wer kommt für mich als Mentor*in in Frage? Welche Person mit langjähriger Erfahrung im Wissenschaftssystem bzw. in einer verwandten Fachdisziplin kann mich über informelle Gepflogenheiten und Erfolgsstrategien auf dem Weg zur Professur vertrauensvoll in Kenntnis setzen und mich in unterstützender Weise begleiten? Literatur KAISER, Simone, Katharina HOCHFELD, Elena GERTJE und Martina SCHRAUD- NER, 2012. Unternehmenskulturen verändern - Karrierebrüche vermeiden. Stuttgart: Fraunhofer Verlag. MÜLLER, Mirjam, 2014. Promotion - Postdoc - Professur. Karriereplanung in der Wissenschaft. Frankfurt: Campus Verlag. Online Tutorial Genderbias, 2017. Modul 1: Individuelle Karrierewege, Modul 2: Leistungsbewertung in der Wissenschaft, Modul 3: Wissenschaftliche und überfachliche Kompetenzen. Heidelberg: Gleichstellungsbüro Universität Heidelberg. Unter: https: / / www.uni-heidelberg.de/ gleichstellungsbeauftragte/ kar riere/ onlinetutorial_genderbias.html (zuletzt aufgerufen am 17. April 2020) <?page no="106"?> 106 Karriereplanung Karriereplanung Monika Klinkhammer Ich muss zwischen zwei Stellenoptionen wählen und frage mich: habe ich als Juniorprofessor oder Nachwuchsgruppenleiter bessere Chancen auf die angestrebte W3-Professur? Mein Betreuer hat mir nach meiner Masterarbeit nun angeboten, bei ihm zu promovieren und sieht für mich eine Karriere in der Wissenschaft. Soll ich wirklich promovieren? Karriererelevante Fragen dieser Art sind in der akademischen Laufbahn typisch und entsprechende Entscheidungen immer wieder zu treffen. Karriereplanung ist dabei eine Orientierung gebende Methode, um die eigene berufliche Entwicklung nicht nur Zuällen oder Anderen zu überlassen, sondern diese proaktiv selbst in die Hand zu nehmen. Sie dient als Kompass, um sich mit grundlegenden Fragen systematisch auseinanderzusetzen und einen Plan ür den weiteren beruflichen Weg zu entwerfen. Darin sollten die eigenen Wünsche, Kompetenzen ( → Kompetenzentwicklung) und Ziele ür die (persönliche und berufliche) Zukunft sowie das Lebenskonzept eingewoben sein. Karriereplanung impliziert immer auch Lebensplanung, eng verbunden mit der konkreten Lebenssituation (Lebensalter, Familie, Elternschaft, Lebensgemeinschaften, Gesundheit, persönliche Dispositionen usw.) ebenso wie mit der bisherigen (Berufs-)Biografie. Bei der Karriereplanung sollten die drei Komponenten Person, Beruflicher Werdegang und Laufbahn systematisch retrospektiv und prospektiv durchforstet und gut miteinander austariert werden. Rappe-Giesecke (2008) hat daraus das Konzept der ,Triadischen Karriereberatung‘ entwickelt. Karriereberatung und -planung ist zudem auch grundlegender Inhalt von Coaching, Weiterbildung, PE und Mitarbeiterührung (z. B. in Ziel- oder Betreuungsvereinbarungen). Karriereplanung ist für alle Statusgruppen, Arbeitsfelder und Phasen der (wissenschaftlichen) Laufbahn empfehlenswert; für eine erfolgreiche Wissenschaftskarriere ist sie unverzichtbar. Je nach Karrierephase, Kompetenzprofil, Werdegang, Lebenskonzept und beruflicher Situation stellen sich dabei unterschiedliche Herausforderungen. Deshalb sollten Visionen, also (innere) Bilder zur eigenen Zukunft, kreiert, Weichen gestellt und immer wieder Entscheidungen (neu) getroffen oder überprüft werden: Sei es die Frage, das Ziel der Professur weiter zu verfolgen oder aus der wissenschaftlichen Karriere ausbzw. umzusteigen, beispielsweise in das Wissenschaftsmanagement, oder doch eine Top-Führungsposition in der <?page no="107"?> Karriereplanung 107 freien Wirtschaft anzustreben. Damit eng verbunden gilt es, das eigene (berufliche und wissenschaftliche) Profil weiter zu entwickeln ( → Profilentwicklung), karrierefördernde Kontakte aufzubauen, aktiv zu → netzwerken, Mentor*innen zu suchen und Selbst-PR zu betreiben ( → Selbstpräsentation). Zudem sollte Wissen um Spezifika der (wissenschaftlichen) Karriere, der Relevanz von strategischer Planung und Profilierung im eigenen Feld oder der eigenen Disziplin bzw. Themenschwerpunkten ebenso in die Planung einbezogen werden wie sich ändernde äußere hochschulpolitische Rahmenbedingungen (Förderlinien, z.B. Exzellenzinitiative, -cluster). Der permanente Bewerbungsdruck und die Bewertungsprozedere (Disputation, Präsentationen, Drittmittelanträge, Publikationsdruck/ Peer-Review-Verfahren usw.) in allen Qualifizierungsphasen sollten - auch in Bezug auf die eigene → Life-Balance und den eigenen Lebensstil - bewusst sein und bei der Planung berücksichtigt werden. Karriereplanung in der Wissenschaft schließt auch ein, verschiedene wissenschaftliche Karrierewege oder berufliche Perspektiven außerhalb der akademischen Forschung zu berücksichtigen ( → Ausstieg aus der Wissenschaft). Zudem sind Besonderheiten, wie die in der Wissenschaft zunehmend geforderte Mobilität und → Internationalisierung, Dual Career-Situationen, Migrationserfahrung und Geschlechterverhältnisse sowie die überwiegend befristete, teils prekäre Stellensituation in den Qualifizierungsphasen zu berücksichtigen. Auch aufgrund der wenigen unbefristeten Dauerstellen in Forschung und Lehre/ Professuren und der Auswahl nach dem Winner-takes-itall-Prinzip, ist es ratsam, alternative Karrierewege zu berücksichtigen und als Sicherungsnetz auf jeden Fall einen Plan B zu haben. Sich dazu z. B. zu fragen: Wie und wo könnte ich mit meinem Profil alternativ Geld verdienen und beruflich zufrieden sein? Welchen Markt und Marktwert hat mein Profil und CV? Sich dabei regelmäßig über Stellenangebote zu informieren, das eigene Profil in Datenbanken zu hinterlegen, Gatekeeper zu informieren oder Netzwerkkontakte zu nutzen, sind dabei hilfreich. Wie geht das? Lebens- und Karriereplanung in 4 Schritten Entscheidungszeitraum festlegen und einhalten: Legen Sie einen Entscheidungsstichtag fest: Ziel, Weg mit Weichen und Meilensteinen sind bis dahin klar, auch schriftlich definiert und in einer Timeline und in einem Zukunftsbild visualisiert. Entwickeln Sie dabei Ihre eigene Vorgehensweise: Welche Art der Karriere- und Zeitplanung passt zu mir, zu meinen Kompetenzen und meinem Profil? Wer kann mich unterstützen, beraten, fördern, empfehlen oder einführen? Nutzen Sie Karrierecoaching, Personalberatungsunternehmen und auch Gespräche mit Vorgesetzten oder Betreuer*innen. Fokussieren Sie in Jahres- <?page no="108"?> 108 Karriereplanung oder Betreuungsgesprächen auch persönliche Wünsche, Entwicklungs- und Qualifizierungsziele (z. B. Fortbildungen). Standortbestimmung : Wie ist meine momentane berufliche und persönliche Situation? Woher komme ich und wo stehe ich (meine Biografie, Berufsbiografie)? Was sind meine ,Karriereanker‘ (Schein, 1992), also Kompetenzen, Werte, Motive oder Persönlichkeitsmerkmale, auf denen meine Entscheidungen basieren? Was entspricht mir, meinen Begabungen, Kompetenzen, Werten und Vorstellungen von einem guten Leben und einer guten Arbeit? Über welche besonderen Talente, Stärken, Leidenschaften und fachlichen, sozialen und persönlichen Kompetenzen verfüge ich? Was ist daran u. U. kritisch, unangenehm und veränderungswürdig? Setzen Sie bei der Planung Ihre mögliche Beschäftigungsdauer an der Universität - die 3-6 Jahre der Promotion und die 6 Jahre als Postdoc - bewusst in Bezug auf Ihre langfristigen Karriereziele (z. B. Professur oder Firmengründung). Dabei können Tools wie die Erstellung eines Kompetenzprofils oder einer Potential- oder SWOT-Analyse unterstützen. Machen Sie sich bewusst, in welchem Kontext Sie arbeiten und arbeiten würden: Die Profession Wissenschaft hat ihre eigenen Spezifika. Vision entwickeln, Zukunftsbild(er) kreieren: Wohin will ich? Was ist mir in meinem Leben und in meiner Arbeit wirklich wichtig? Wie male ich das Bild meiner Zukunft? Was wollte ich schon immer mal gerne machen? Was wäre mein (persönlicher und beruflicher) Traum? Wohin strebe ich und welches Ziel lockt mich? Wo stehe ich idealerweise in X Jahren (z.B. mit meinem Profil, meinem Team, in welcher Organisation)? Wo möchte ich am Ende meines Berufswegs stehen? Visualisieren Sie Ihre Vision (und später Ihren konkreten Karriereplan) mit kreativen, sinnlichen Methoden ( → Kreativität); arbeiten Sie z. B. mit Kollagen, Geschichten, Fotos. Lassen Sie sich von erfolgreichen Kolleg*innen und Vorbildern zu attraktiven Zukunftsbildern und Wegen inspirieren. Karriereplan festigen : Welche Ziele leite ich aus den vorangegangenen Schritten ab? Entwickeln Sie dabei Ihr langfristiges Leitziel und alternative Optionen und loten Sie Pro- und Contra-Argumente aus; Pendeln Sie bewusst von einer Option zur anderen und erkunden Sie, wie es sich anfühlt, diese Option zu wählen. Wo liegen Stolpersteine und Hürden auf dem Weg? Was ist überhaupt planbar, wovon sind Weichenstellungen und Karrierewege abhängig? Welche alternativen Wege führen auch zum Ziel? Welche anderen Ziele und Karrierewege könnte es noch geben? Entscheiden Sie nun. Definieren Sie anschließend schriftlich Leitziel und Zwischenziele. Wie können diese in klei- <?page no="109"?> Kollegiale Beratung 109 nen Etappen (Meilensteinen) realisiert werden? Was und wen brauche ich konkret zur Umsetzung? Suchen Sie sich gute Wegbegleiter*innen und Mentor*innen. Ideal ist ein Ihnen wichtiger, innere und äußere Komponenten berücksichtigender Karriereplan als ,Kompass‘. Die Kunst dabei ist, die Planung immer wieder den Realitäten anzupassen, z. B. veränderte Rahmenbedingungen oder Lebensumstände aufzunehmen und sich neu ergebende Karrierechancen zu integrieren. Hilfreich dabei ist das Bild einer Wanderung: für den Karriereweg eine (innere) Landkarte zu entwerfen, die eine Orientierung für die Richtung, für Zwischenziele, für alternative Routen und für Anforderungen bei markanten Etappen oder bei ,Wetteränderungen‘ bietet. Literatur FÄRBER, Christine und Ute RIEDLER, 2016. Black Box Berufung: Strategien auf dem Weg zur Professur. 2. Auflage. Frankfurt am Main: Cam pus. MÜLLER, Mirjam, 2014. Promotion - Postdoc - Professur. Karriereplanung in der Wissenschaft. Frankfurt: Campus. RAPPE-GIESECKE, Kornelia, 2008. Triadische Karriereberatung. Begleitung von Professionals, Führungskräften und Selbständigen. Köln: EHP. SCHEIN, Edgar, 1992. Karriere-Anker. Die verborgenen Muster in Ihrer beruflichen Entwicklung. Darmstadt: Lanzenberger, Loos, Stadelmann Verlag. SHER, Barbara, 2004. Wishcraft. Lebensträume und Berufsziele entdecken und verwirklichen. Osnabrück: Edition Schwarzer. (Download der englischen Version: http: / / wishcraft.com; zuletzt aufgerufen am 02. Mai 2020) Kollegiale Beratung Ute Symanski Ich bin seit 20 Jahren Professorin, war schon Geschäftsführende Direktorin, auch Dekanin, habe Berufungskommissionen geleitet - und möchte mein Wissen gerne weitergeben. Ich hätte gerne mehr Austausch mit anderen Kolleg*innen - auch aus anderen Fachbereichen. Es ist eins der Merkmale, die die Profession Professor*in nach wie vor stark prägt: das autonome, eigenverantwortliche und damit auch immer wieder vereinzelte Arbeiten. Viele Professor*innen haben das Geühl, mit Anliegen und Fragestellungen alleine zu stehen. Für alle, die nicht länger <?page no="110"?> 110 Kollegiale Beratung Einzelkämpfer*in sein möchten, bietet die Kollegiale Beratung eine weitere Option. In diesem Format beraten sich Kolleg*innen gegenseitig bei Fragestellungen rund um berufliche Themen. Und zwar ohne Konsultation externer Expertise. Die grundlegende Annahme ist, dass die Kolleg*innen über hinreichende Erfahrungen und Kompetenzen verügen, um zu Anliegen und Fragestellungen hilfreiche Ideen und Anregungen entwickeln zu können. Kollegiale Beratung setzt zudem Impulse zur Entwicklung der eigenen professionellen Rolle, ist ein ideales Mittel zur Selbstreflexion und unterstützt das Bilden des eigenen professionellen Netzwerks. ( → Netzwerken) Nützlich sind unterschiedliche Erfahrungshorizonte, weil sie einen Perspektivwechsel anregen. Sprich: Eine langjährige Professorin kann ebenso nützliche Impulse von einer Neuberufenen erhalten, wie umgekehrt. Entscheidend ür das Gelingen der Kollegialen Beratung ist nicht die Expertise der Berater*innen rund um die zu beratende Frage. Entscheidend ist vielmehr das solide Vertrauensverhältnis innerhalb der Beratungsgruppe, die Abwesenheit von Konkurrenzdenken untereinander und die Gewissheit, dass niemand eine eigene Agenda in der Beratung verfolgt. Wer gute, vertrauensvolle Kontakte in die Hochschulverwaltung hat, könnte Führungskräfte aus diesem Bereich dazu holen - je vielältiger die Beratungsgruppe, desto bereichernder sind in der Regel die Impulse, die gesammelt werden. Wie läuft Kollegiale Beratung ab? Die Kolleg*innen setzen sich zusammen (ja! , im Stuhlkreis). In Einheiten von 30 bis 45 Minuten besprechen sie eine konkrete Fragestellung. Letztlich ist eine kollegiale Beratung ein strukturiertes Brainstorming und folgt ähnlichen Spielregeln. Ideal ist eine Gruppengröße von fünf bis acht Personen. In jeder Kollegialen Beratung gibt es fest verteilte Rollen. Es gibt eine Person, die eine Fragestellung oder ein Beratungsanliegen hat: der*die Fallgeber*in. Ein anderes Gruppenmitglied übernimmt die Rolle der Moderation. Alle in der Gruppe, die nicht Fallgeber*in oder Moderator*in sind, sind kollegiale Berater*innen. Alle Mitglieder der Gruppe können grundsätzlich jede dieser Rollen übernehmen. Die Rollen werden für jede Kollegiale Beratung neu verteilt. Entscheidend ist, einem klar strukturierten Ablaufschema zu folgen. Das hat unterschiedliche Phasen je mit einem klaren Ziel und einer Zeitvorgabe. Ich empfehle ein Schema, das sechs Phasen umfasst: Phase 1: Falldarstellung durch den*die Fallgeber*in (5 Minuten) Der*die Fallgeber*in schildert die Fragestellung, die sie oder ihn umtreibt. Das kann z.B. sein: „Wie kann ich als Lehrstuhlinhaberin erreichen, dass meine beiden altgedienten Senior-Scientists die jüngere Postdoc in ihrer Rolle als Projektleiterin akzeptieren? " oder „Ich bin nun für <?page no="111"?> Kollegiale Beratung 111 zwei Jahre zum Geschäftsführer des Instituts gewählt worden. Wie erreiche ich, dass zwei bestimmte Kolleg*innen sich an die Vereinbarungen halten und mich nicht auflaufen lassen? " Phase 2: Beratungsziel konkretisieren (3 Minuten) Mit Unterstützung durch die Moderation entwickelt der*die Fallgeber- *in eine konkrete Beratungsfrage und -ziel, zu der die Berater*innen Anregungen und Impulse sammeln werden. Die Moderation schreibt diese Beratungsfrage für alle sichtbar z.B. auf ein Flipchart. Phase 3: Klärungsfragen der Berater*innen (10 Minuten) Die Berater*innen erfragen weitere Informationen, um das Anliegen und die Situation noch besser zu verstehen. Wichtig ist in dieser Phase, offen zu fragen und noch keine Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Die Berater*innen stellen möglichst vielfältige Klärungsfragen, um die Situation von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Allein diese Fragen können dem*der Fallgeber*in neue Sichtweisen nahelegen. Phase 4: Ermutigung durch die Berater*innen (5 Minuten) Eine wichtige Phase! Die Berater*innen sammeln, was sie an der Schilderung des*der Fallgeber*in in einem positiven Sinne bemerkenswert finden und welche nützlichen Lösungsansätze sie bereits jetzt erkennen. Ab hier ist der*die Fallgeber*in in einer rein zuhörenden Rolle. ( → Zuhören) Wichtig ist, die Gedanken der jeweils anderen Berater*innen nicht zu kommentieren oder zu bewerten, sondern alle Gedanken und Ideen ohne Bewertung zusammenzutragen. Phase 5: Lösungsoptionen entwickeln (10 Minuten) Nun formulieren die Berater*innen, wie sie selbst in der Situation des*der Fallgeber*in vorgehen würden. Oder sie berichten von erfolgreichen Vorgehensweisen anderer, von denen sie gehört haben. Der*die Fallgeber*in kann sich Notizen machen und für sich die Vorschläge sichern, die sie passend und nützlich finden. Phase 6: Rückmeldung der Fallgeber*in (2 Minuten) Der*die Fallgeber*in gibt eine kurze Rückmeldung dazu, welche der Ideen ihm*ihr besonders nützlich erscheint und bedankt sich für Impulse. Die Moderation beendet die kollegiale Beratung. <?page no="112"?> 112 Kollegiale Beratung Die kollegialen Berater*innen haben dann einen guten Job gemacht, wenn der*die Fallgeber*in ,gestärkt‘ aus der Beratung geht. In der Regel dann, wenn er*sie neue Ideen oder Handlungsoptionen bekommen hat. Oder wenn er*sie das Geühl hat, dass er*sie mit seinen*ihren bisher unternommenen Schritten auf dem richtigen Weg war. Sich davon zu lösen, in der Beratung die eine perfekte Lösung zu finden, ist gerade im Wissenschaftssystem oft eine Herausforderung, die mit ein wenig Übung gut gelingt. Kollegiale Beratung nützt allen Beteiligten: Sie unterstützt die Fallgeber- *innen und gibt den Berater*innen gleichzeitig Impulse ür eigene ähnliche Fragestellungen. Wie starten Sie Kollegiale Beratung? Für den Start brauchen Sie vier bis fünf Kolleg*innen. Sprechen Sie diejenigen an, die Sie aus Hochschulveranstaltungen, anderen Seminaren oder Netzwerktreffen in guter Erinnerung haben und die Ihnen sympathisch sind. Zweitens brauchen Sie für den Start nun doch die externe Beratungsexpertise. Beauftragen Sie ein*e extern*e Berater*in damit, die Gruppe mit dem Instrumentarium vertraut zu machen. Der Ablauf und die Spielregeln sind schnell erlernt. Nach ein oder zwei Durchgängen, die von der externen Beratung moderiert wurden, kann die Gruppe die kollegiale Beratung dann ohne externe Moderation durchführen. Sie brauchen ein Büro oder einen Besprechungsraum, in dem die Gruppe ungestört von Besucher*innen oder Telefonanrufen arbeiten kann. Die Beratungen werden offener, vertrauter und intensiver ohne einen Besprechungstisch in der Mitte, der die Kollegialen Berater*innen voneinander trennt. Deshalb brauchen Sie ausreichend Platz für einen Stuhlkreis. Holen Sie nach einigen kollegialen Beratungen noch einmal die externe Beratung dazu, die Sie in der Anwendung des Instrumentariums geschult hat. In einer Supervision kann sie etwaig auftauchende Fragen oder Unsicherheiten in der Anwendung des Instrumentariums gemeinsam mit Ihnen klären. Literatur SCHMID, Bernd, Thorsten VEITH, Ingeborg WEIDNER, 2013. Einführung in die kollegiale Beratung. 2. unveränd. Auflage. Heidelberg: Carl Auer. SYMANSKI, Ute, 2018. Multitalent kollegiale Beratung. In: duz. 05/ 2018, S. 69- 72. TIETZE, Kim-Oliver, 2003. Kollegiale Beratung. Problemlösungen gemeinsam entwickeln. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. <?page no="113"?> Kommunikation 113 Kommunikation Anette Hammerschmidt „Mit diesen Modellen ist es ja so: Der Lehrling lernt sie anzuwenden, dem Gesellen fallen sie im richtigen Moment ein und der Meister hat sie ‚vergessen‘, weil sie in seiner gereiften Intuition aufgehoben sind.“ Schulz von Thun Die Aussage, man könne nicht nicht kommunizieren, mag heute ein Beispiel ür solch implizites Wissen sein. Als Paul Watzlawick et. al. dies Ende der 60er-Jahre als erstes „metakommunikatives Axiom“ (1985, 53) formulierten, markierte es einen Paradigmenwechsel in der Kommunikationstheorie, der auf der Einsicht beruht, dass menschliche Kommunikation eine Form von Verhalten ist und deshalb in zwischenmenschlichen Situationen - auch wenn wir schweigen oder uns zurückziehen - immer Mitteilungscharakter hat. Anders gesagt: ganz gleich was wir lassen oder tun, es wird interpretiert und mit Bedeutung versehen. Kommunikation ist demnach kein linearer Transfer von Informationen, sondern ein interaktives Geschehen auf zwei Ebenen: einer Inhaltsebene, auf der Informationen vermittelt werden und einer Beziehungsebene, die signalisiert, wie die Gesprächspartner*innen zueinander stehen. Entgegen der verbreiteten Meinung, dass es in erster Linie auf die Sachinhalte ankommt, ist vielmehr der Beziehungsaspekt tonangebend, weil er dem Gegenüber die ‚Anweisungen liefert‘, wie die geäußerten Inhalte aufzufassen sind. Störungen auf der Beziehungsebene ühren daher zu Verzerrungen auf der Inhaltsebene. Irritationen dieser Art resultieren häufig daraus, dass jede*r der Beteiligten den Mitteilungsaustausch unterschiedlich strukturiert. Weil wir im Kommunikationsprozess sowohl die Rolle des*der Mitteilenden als auch des*der Empfänger*in einnehmen, stellt sich die Frage: wer initiiert und wer reagiert? Natürlich hat der*die andere angefangen, ich verteidige mich ja nur! „Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt“ (ebd. 61) und die ist - vom Streit unter Eheleuten bis hin zu internationalen Beziehungen - oft gekennzeichnet von gegenseitigen Vorwürfen und Selbstverteidigung. Aus dem Wechselspiel wird nicht selten ein Teufelskreis, der zum Konflikt eskaliert. Dass Beziehungen symmetrisch oder komplementär (asymmetrisch) interpretiert werden können (ebd. 68ff.) und Gesten, Mimik sowie Tonfall ebenfalls Aussagekraft haben (ebd. 61ff.), führt uns vor Augen wie komplex und anfällig für Missverständnisse menschliche Kommunikation ist. <?page no="114"?> 114 Kommunikation Bei genauerer Betrachtung offenbaren sich neben Inhalts- und Beziehungsaspekt zwei weitere Ebenen, die der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun Anfang der 80er-Jahre zu einem ‚Kommunikationsquadrat‘ zusammenfasste. Denn jede*r der Beteiligten gibt - implizit oder explizit - stets etwas über sich, seine*ihre Persönlichkeit, → Haltung und Stimmung preis. Das ist die Ebene der Selbstkundgabe. Und in jeder Mitteilung geht es auch darum, Einfluss zu nehmen und etwas zu bewirken, sei es, dass ich gehört werden möchte oder jemand etwas tun soll. Das ist die appellative Seite. Die vier Seiten einer Botschaft betreffen das Senden und Empfangen gleichermaßen. Wann immer wir sprechen, bespielen wir „vier Spielfelder gleichzeitig“ (Pörksen, Schulz von Thun 2014, 19) und wenn wir eine Botschaft hören, empfangen wir sie mit ‚vier Ohren‘. Insofern die Art des → Zuhörens die Bedeutung des Gesagten mitbestimmt, empfiehlt es sich, die eigene Hörfähigkeit zu überprüfen, denn in der Regel sind nicht alle unserer vier ‚Ohren‘ gleichermaßen empfänglich. Wenn eines der Ohren ‚taub‘ oder ‚überempfänglich‘ ist, hat das Auswirkungen auf alle Ebenen der Botschaft. Ist z.B. das ‚Beziehungs-Ohr‘ ‚entzündet‘, wird der*die Hörer*in eine Äußerung schnell persönlich nehmen, womöglich auf Kosten seines*ihres Einfühlungsvermögens und der Fähigkeit zur sachlichen Auseinandersetzung. Ist er*sie dagegen auf dem ‚Beziehungs- Ohr‘ ‚schwerhörig‘, wird es zu Fehldeutungen der Beziehungsbotschaft und u.U. des Appellaspekts kommen. Missverständnisse können auf jeder Ebene des Kommunikationsquadrats entstehen und mit etwas Übung, sofern es uns ‚Gesellen‘ im richtigen Moment einfällt, anhand des Modells geklärt werden. Die in der Graphik aufgeführten Zugangsfragen sollen helfen, „musikalischer zu werden im Hören von Ober- und Untertönen“ (ebd. 34), um im Bedarfsfall eine Äußerung in ihre vier Botschaften zerlegen und heraushören zu können, was zwischen den Zeilen mitschwingt. Auf der Ebene der Sachinhalte geht es um Wahrheit und Faktizität, um Informationen und die Frage, worauf sich der*die Sprecher*in bezieht. Auf der Ebene der Selbstkundgabe geht es um die Person, die sich äußert (sic! ), um ihre Persönlichkeit und Befindlichkeit, die in der Äußerung mitschwingen und um die Frage der Authentizität. Auf der Ebene der Beziehung geht es um die Frage, wie ich mich behandelt fühle, um das Bedürfnis nach Wertschätzung, Respekt und Akzeptanz. Auf der Ebene des Appells geht es um Wirksamkeit und um die Frage, was ich aufgrund der vernommenen Äußerung nun denken, fühlen oder tun sollte. <?page no="115"?> Kommunikation 115 Quelle: Schulz von Thun, erweitert von A. Hammerschmidt Das erweiterte Kommunikationsquadrat Kommunikation ist ein Wechselgeschehen, das sich entfaltet, indem wir mittels Sprache soziale Handlungen vollziehen und dabei gemeinsam unsere Welt gestalten. Da spielt eine ganze Reihe weiterer Strategien hinein, die sich um oder in das Kommunikationsquadrat - zum Teil jeweils am Übergang zwischen zwei Ebenen - einordnen lassen. Die Kenntnis darüber verfeinert unsere kommunikative Kompetenz und hilft uns, Missverständnisse auszuräumen. Exemplarisch sollen hier vier Aspekte erwähnt werden. 1. Noch bevor wir uns ‚kundgeben‘ stellt sich die Frage, mit welcher → Haltung und Intention wir etwas zu sagen gedenken. Wir sind komplexe Wesen und zuweilen selbst verwundert darüber, woher z.B. diese aufgebrachte Bemerkung, eine ängstliche Reaktion oder Sprachlosigkeit gerade auftauchen. Wer reagiert da eigentlich? Welche Stimme in mir ergreift hier das Wort? Kommunikation beginnt mit dem inneren Dialog. Werden Sie sich darüber bewusst, welche Ihrer inneren Anteile auf eine Situation reagieren (siehe hierzu → Selbstführung). Damit Sie „Herr im eigenen Haus“ (Freud) bleiben, können Sie sich rückwirkend oder vorbereitend nach innen wenden, Ihren Anteilen Gehör schenken, um deren Bedürfnisse und Anliegen zu erkennen und eine Übereinkunft zu treffen. ( → Selbststeuerung) So gelingt es Ihnen, selbst-bewusst und souverän zu kommunizieren. Je mehr Klarheit Sie über Ihr Innenleben haben, desto kongruenter werden Sie Ihre Botschaften rüberbringen. <?page no="116"?> 116 Kommunikation 2. Wie eine Beziehung zu deuten ist, hängt u.a. von den → Rollen ab, die wir in einem gegebenen Kontext einnehmen. Stehen wir in einer symmetrischen Beziehung, die auf Gleichrangigkeit beruht, oder in einer komplementären, die einer Hierarchie und Rangfolge unterworfen ist? Wie stehen wir vor anderen da, wie werden wir gesehen? ‚Gesicht‘ ist das positive öffentliche Ansehen, das wir für uns einfordern oder genießen und das wir anderen geben oder entziehen. Es wird zwischen Selbstkundgabe und Beziehungsebene kontinuierlich mittels Kommunikation verhandelt. Die drei ‚Gesichter‘, um die es in zwischenmenschlichen Interaktionen geht sind: 1. Autonomie, 2. Zugehörigkeit und 3. Kompetenz. In der linguistischen Pragmatik spricht man von ‚Gesichtsarbeit‘. Dafür stehen uns verschiedene kommunikative Strategien zur Verfügung. Autonomie meint die Anerkennung unserer Eigenständigkeit, dass wir als Erwachsene für uns entscheiden und selbstverantwortlich handeln können. ‚Autonomie-Gesicht‘ wird durch Einmischung, Bevormundung und Kontrolle verletzt und durch Takt respektiert. Je nach Status können wir mäßigende Strategien wie ‚Rat geben‘ oder ‚Bitten‘ wählen oder jemandem ‚Gesicht‘ geben, indem wir uns unterordnen oder zur Verfügung stellen. Mit Zugehörigkeit sind eine Reihe menschlicher Bedürfnisse wie Einbeziehung, Teilhabe, Akzeptanz, Rücksicht, Kooperation, Freundschaft und Liebe angesprochen. Ausgrenzung, wie in → Mobbing-Situationen, Gleichgültigkeit und Ausschluss aus einer Gemeinschaft beschädigen das ‚Zugehörigkeits-Gesicht‘. Informelle Kommunikation, der Ausdruck von Empathie und Wertschätzung dagegen sind Solidaritätsstrategien die Zugehörigkeit bezeugen. Indem wir Ähnlichkeiten hervorheben schaffen wir Verbindung, betonen wir was uns unterscheidet, setzen wir uns von anderen ab. Kompetenz ist mit dem Bedürfnis verknüpft, als fähiges, erfahrenes, versiertes, intelligentes Mitglied der Gesellschaft anerkannt zu werden. ‚Kompetenz-Gesicht‘ wird durch Widerspruch, Infragestellung und Kritik moderat, durch Abwertung oder Diffamierung stark ‚beschädigt‘. Bestätigung, Zustimmung und Bewunderung stärken das ‚Kompetenz-Ansehen‘. Je nach Status und Kontext wären Zuspruch und Ermutigung Beispiele gemäßigter Kompetenzbezeugung. Welche Kommunikationsstrategien uns zur Verfügung stehen, um unser Gesicht zu wahren, Ausgleich herzustellen und das des*der anderen nicht zu gefährden, hängt von verschiedenen sozio-kulturellen Faktoren ab. Status und Macht spielen eine zentrale Rolle, denn quod licet Iovi, non licet bovi. Während eine hierarchisch höherstehende Person die Gesichts- Wünsche eines Untergeordneten ignorieren kann, ist es umgekehrt u.U. nicht einmal möglich, Lob auszusprechen oder Gemeinsamkeiten hervorzuheben, ohne dafür sanktioniert zu werden. Auch das sind Spielarten von <?page no="117"?> Kommunikation 117 → Mikropolitik. Welche kommunikativen Strategien angemessen sind, hängt insofern auch stark von kulturellen Erwartungen ab, die sich sowohl von Land zu Land als auch zwischen Institutionen, Professionen und Fachgebieten stark unterscheiden. 3. Das trifft ebenfalls auf den Appell zu, den wir an jemanden richten. Der eine darf kommandieren, der andere muss vorsichtig andeuten, eine andere kann etwas fordern, während die nächste freundlich bittet. Sprechakte sind natürlich nicht nur eine Frage von Autorität und Status, sondern auch eine Frage des Stils. Wie ein Appell geäußert wird, lässt Rückschlüsse auf Beziehung und Selbstkundgabe zu. Aber auch die Kenntnis struktureller Sprachmerkmale spielt eine Rolle. Das soll hier am Beispiel der ‚Bitte‘ dargelegt werden. Wenn wir eine Bitte - häufig implizit in Form einer Frage - äußern, so handelt es sich in der Regel um eine Aufforderung an jemanden, etwas zu tun („Kannst du bitte den Müll runtertragen? “) oder mit einer Lösung aufzuwarten („Wie wollen Sie das angehen? “). Zuweilen fordern wir jemanden mit einer Bitte zur gemeinsamen Lösungssuche auf („Was sollen wir jetzt tun? “). Sind wir uns über die Situation im Klaren und auf der Beziehungsebene einig, sind Handlungsbitten erfolgversprechend. In vielen Situationen geht es allerdings um die Qualität des menschlichen Miteinanders - um Verstehen, Verstanden-werden und Beziehungspflege. Dafür eignen sich zwei Arten von Beziehungsbitten. Zum einen die Bitte, das Gehörte in eigenen Worten wiederzugeben (paraphrasieren), um sicherzustellen, dass man verstanden wurde („Magst du mir sagen, was bei dir angekommen ist? “). Zum zweiten die Bitte an die*den andere*n, sich mitzuteilen („Wie geht es dir damit? “) (Karstädt 2019, 266ff.). Obwohl hilfreich und notwendig, vermeiden wir im beruflichen Kontext solcherlei Fragen, weil sie recht persönlich sind. Eine vergleichbare Wirkung lässt sich erzeugen, indem Sie von sich aus zusammenfassen, was Sie verstanden haben oder Auskunft geben, wie es Ihnen in bzw. mit der Situation geht. Und dafür steht Ihnen die gesamte Klaviatur der ,Gesichtsarbeit‘ zur Verfügung. Nur eines ist unabdingbar: eine Bitte ist es nur, sofern Sie dem anderen eingestehen sie abzulehnen. Ist das nicht der Fall, handelt es sich um eine Forderung und sollte als solche kenntlich gemacht werden. 4. Zu Verwirrung und Missverständnissen kommt es häufig aus ganz anderen Gründen. Kennen Sie das? Fakten werden präsentiert, Sichtweisen ausgetauscht, Standpunkte vertreten. Bevor man sich versieht, entartet die Diskussion zur Debatte, dann zum Schlagabtausch und schließlich liegt man im Streit. Nicht selten kam es da zu einer Diskursvermengung: Was als Beschreibung gemeint war wird als Erklärung gehört, eine Erläuterung kommt als Rechtfertigung an. Die Aussage hatte eine andere Intention. <?page no="118"?> 118 Kommunikation Nicht nur im wissenschaftlichen Diskurs werden Fakten mit Begründungen und Geltungsansprüchen verknüpft. Auch in Alltagsgesprächen - sei es in der Zusammenarbeit am Institut, einer Verwaltungssitzung oder Abstimmung in einem Projekt - wird argumentiert und dabei beschrieben (deskriptiver Diskurs), erklärt (explikativer Diskurs) und begründet, geurteilt, vorgeschrieben oder legitimiert (normativer oder präskriptiver Diskurs). Die Intentionen sind grundverschieden: das Beschreiben ist ein Zeigen, ein Hinweisen auf einen Sachverhalt, ein Verhalten oder Fakten, die dadurch in den Fokus genommen werden. Erklärend stellen wir einen Sinnzusammenhang her; wir ordnen und interpretieren das, worauf Bezug genommen wird, und geben ihm so Bedeutung. Und schließlich rechtfertigen wir unsere Sichtweise, indem wir Geltungsansprüche erheben, etwas für richtig oder falsch halten und dafür auf Normen, Überzeugungen und Glaubenssätze Bezug nehmen, die wir durch unsere Argumentationsführung zugleich bestätigen. Das alles bietet reichlich Anlass für Diskussion und Auseinandersetzung und verlangt aufmerksames → Zuhören. Verwirrend und unfair wird es, wenn die Diskursebenen verschoben und missverstanden werden. Manchmal geschieht das unwillkürlich im Eifer des Gefechts, zuweilen absichtlich als Manipulation oder Machtstrategie. Auch das ist eine Facette der kommunikativen Kompetenz: hellhörig werden für Diskursvermengungen, die Fähigkeit entwickeln, diese Ebenen zu unterscheiden und klärend einzugreifen, wenn Intentionen verdreht werden. Anregungen zum Einüben kommunikativer Kompetenzen Wollen Sie „musikalischer werden im Hören“ (a.a.O.), dann nutzen Sie Gelegenheiten, in denen Sie nicht direkt angesprochen und beteiligt sind, z.B. in Besprechungen, langweiligen Sitzungen oder als Zuschauer hitziger Diskussionsrunden im Fernsehen, um Kommunikationsmuster zu erkennen. Nehmen Sie sich ein bestimmtes Modell für eine Zeit lang vor. Wenn Sie sich z.B. für die vier Seiten einer Nachricht entscheiden, nehmen Sie kleinere Gesprächsabschnitte: eine Aussage und Antwort. Schreiben Sie die Äußerung auf und analysieren Sie die vier impliziten Botschaften. Die Leitfragen in der Graphik helfen Ihnen dabei. Womöglich entdecken Sie auch schon darin ‚Gesichtstrategien‘. Spitzen Sie die Ohren: um welche Bedürfnisse geht es den Beteiligten? Welches ‚Gesicht‘ wird angesprochen? Geben oder nehmen sich die Gesprächspartner*innen Gesicht und wie machen sie das? Wird Gleichheit bestätigt oder Hierarchie hergestellt? So lernen Sie viel über den Umgangsstil in der Organisation. In Machtkonstellationen gilt es sich zu behaupten und sich zugleich treu <?page no="119"?> Kommunikation 119 zu bleiben. Prüfen Sie Ihre → Haltung und Werte. Wie wollen Sie wem Gesicht geben, einfordern oder sich abgrenzen? Welche Appellform ist in Ihrem Umfeld üblich? Werden Forderungen als höfliche Bitten verkleidet, denen man doch nachkommen muss? Was würde passieren, wenn Sie „Nein“ sagen? Probieren Sie es mal aus. Mit welchen kommunikativen Strategien werden in Ihrem Umfeld Beziehungen etabliert und gepflegt? Wird die Beziehungsebene eher vernachlässigt, damit alles schön sachlich bleibt? Schwelt es unter der Oberfläche, ohne dass Störungen angesprochen werden? Wie könnten Sie auf der Beziehungsebene für mehr Klarheit sorgen? Eventuell helfen da die Beziehungsbitten. Ein wertschätzender, kreativer Dialog wird erst möglich, wenn wir auch mit dem Beziehungsohr → zuhören. Achten Sie auf die Bedürfnisse hinter der Äußerung. Worum geht es eigentlich? Greifen Sie das Bedürfnis auf und klären Sie, ob es zutrifft. So geht Empathie. Entarten Diskussionen öfter mal zu Debatten und Streitigkeiten? In welchem Moment kippt das Gespräch? Achten Sie auf den ‚Wendepunkt‘: Was ist da passiert? Wurde evtl. eine Sprechintention missverstanden? Oder lag es an Tonfall, Mimik oder Gestik? Sprechen Sie kongruent, d.h. im Einklang mit Ihrer Haltung, Ihren Bedürfnissen und Absichten? Authentizität schafft Vertrauen. Checken Sie, welche Kommunikationsstrategien Ihnen entsprechen und welche Sie verfeinern möchten. Literatur KARSTÄDT, Klaus, 2019. Gewaltfreie Kommunikation - das Basistraining. Tübingen: dgvt. LIM, Tae-Seop, 1994. Facework and Interpersonal Relationships. In: TING- TOOMEY, Stella, (ed.). The Challenge of Facework. Cross-Cultural and Interpersonal Issues. Albany: State University of New York Press. (209-229). PÖRKSEN, Bernhard, Friedemann SCHULZ VON THUN, 2014. Kommunikation als Lebenskunst. Philosophie und Praxis des Miteinander-Redens. Heidelberg: Carl-Auer. SCHNÄDELBACH, Herbert, 2012. Was Philosophen wissen und was man von ihnen lernen kann. München: C.H.Beck. SCHULZ VON THUN, Friedemann, 1981. Miteinander reden 1. Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. WATZLAWICK, Paul, Janet H. BEAVIN, Don D. JACKSON, 1985. Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien. 7., unveränd. Ausgabe. Bern, Stuttgart, Wiesbaden: Verlag Hans Huber. <?page no="120"?> 120 Kompetenzentwicklung Kompetenzentwicklung Iris Koall Mir ist unklar, wie ich mich auf mein Karriereziel Professur vorbereiten kann. Ich kann mir auch eine Tätigkeit in Forschungsprojekten vorstellen, auch eine Managementtätigkeit ist nicht ausgeschlossen. Aber welche Kompetenzen brauche ich für diese verschiedenen Perspektiven? Eine akademische Karriere ist nicht planbar, sondern vielmehr ein ,Hazard‘, wie Max Weber (1919) es bezeichnete. Dennoch können Sie im Rahmen einer realistischen Bestandsaufnahme schauen, wo Ihr Potenzial bereits als Kompetenz entfaltet ist und wo Sie auf diesem risikoreichen Weg gegebenenfalls noch einen Entwicklungsbedarf feststellen. Kompetenzmodelle bieten einen Ansatz über rein quantitative Aspekte hinaus (z.B. Anzahl der Publikationen, Menge der Drittmittel) die eigene Professionalität z.B. in Hinsicht auf Arbeitsmethoden, Denkmodelle, Lösungsstrategien oder Sozialkompetenzen zu entwickeln. Ein Modell, das Kompetenzen und Qualifikationen ür Wissenschaftler*innen verbindet, ist z.B. VITAE©. Es unterscheidet vier wissenschaftliche Handlungsfelder, in denen Ihre Professionalität in der Wissenschaft relevant ist: (1) (inter)disziplinäres Fachwissen und Methoden, (2) die persönliche Forschungswirksamkeit sowie (3) das Management von Forschungsprozessen und (4) die Dissemination von Forschung in Lehre, Vorträgen und Netzwerken. In der Handlungskompetenz wirken gleichzeitig Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz zusammen. Das bedeutet beispielsweise, dass Sie in der Projekt-Zusammenarbeit Ihre fachlichen Erfahrungen, Ihre Fähigkeit zur Zielverfolgung sowie Kooperations- und Kommunikationsähigkeit einsetzen und erfahren. Je nach Karrierestufe gilt es unterschiedliche Kompetenz zu entwickeln. Beispielsweise wird Ihre Fähigkeit zum kritischen, originellen Denken in der Fähigkeit, Theoriekonzepte zu durchdringen, zu vergleichen und anzuwenden deutlich. Ein weiterer Entwicklungsschritt ist, einen originären Standpunkt argumentativ zu vertreten, und realistische, evidenzbasierte Urteile zu treffen. Nicht nur die Mitarbeitenden Ihres Teams zu fördern, sondern darüber hinaus auch national/ international als intellektuell wegweisend wahrgenommen zu werden, ist ein weiterer Schritt zur Konkretisierung Ihrer Kompetenz im Rahmen Ihrer Karriere. (VITAE A2.3). Was können Sie für Ihre Kompetenzentwicklung tun? Zum einen gibt es unterschiedliche Weiterbildungsveranstaltungen an Ihrer Hochschule wie <?page no="121"?> Kompetenzentwicklung 121 beispielsweise Kurse im Bereich Wissenschaftsmanagement oder im Bereich der Soft Skills, die Ihre Interaktions- oder Führungsfähigkeiten verbessern können. Zum anderen können Sie die Angebote Ihrer Forschungsförderung nutzen, um sich ggf. gemeinsam mit Kolleg*innen auf den neusten Stand der Forschungsförderung zu bringen (s.u.). Es gibt auch die Möglichkeit, das sogenannte ,tacit knowledge‘ oder implizites Wissen im Austausch und der Zusammenarbeit mit erfahrenen Wissenschaftler*innen erfahren. Neben dem Fokus auf fachliche Fragen können Sie in der Zusammenarbeit mit erfahrenen Kolleg*innen auch Ihre soziale Kompetenz ausbauen und damit eine gute Basis für das Gelingen von Zusammenarbeit und → Kooperationen schaffen. In der gemeinsamen Tätigkeit können sie erleben und reflektieren, wo Ihre Stärken und Schwächen liegen. Holen Sie sich dazu → Feedback ein. Diese Reflexionsfähigkeit in der wissenschaftlichen Interaktion ermöglicht es Ihnen sich weiter zu entwickeln, indem Sie sich kritisch mit sich, mit Inhalten und anderen Personen auseinandersetzten. Wenn Sie sich auf den Weg Ihrer Kompetenzentwicklung begeben, ist es wichtig, dass Sie sich selbst und Ihr wissenschaftliches, soziales Umfeld einschätzen. Finden Sie heraus, was für Sie förderlich oder nicht förderlich ist. Nicht immer liegt es an Ihnen, wenn sich Ihre Kompetenzen nicht voll entfalten können. In der Selbsteinschätzung ist häufig ein sogenannter Gender Gap wirksam. Die Befürchtung nicht ausreichend kompetent für eine neue Stelle zu sein, ist bei Frauen signifikant häufiger anzutreffen als bei Männern. ( → Hochstapler*innensyndrom) Die Selbstkompetenz, sich qualitativ (nicht quantitativ! ) immer etwas mehr zuzutrauen, als zunächst möglich erscheint, ist ein Weg zur Entfaltung des eigenen Potenzials. Stellen Sie sich in Anbetracht Ihres Entwicklungspotenzials und der angebotenen Möglichkeiten die Frage: „Should I stay or should I go“ ( → Ausstieg aus der Wissenschaft, Karriereplanung). Anregungen Informieren Sie sich, ob und welche Weiterbildungen es an Ihrer Hochschule, bzw. beim Deutschen Hochschullehrerverband und im Rahmen der DFG-Förderung gibt. Suchen Sie sich über strukturierte Mentor*innen-Programme Unterstützung erfahrener Forscher*innen. Arbeiten Sie mit einer*einem Coach an Ihrem Kompetenzprofil, handlungsleitend können VITAE© oder andere Komptenzmodelle sein. Versuchen Sie herauszufinden, was für Sie realistisch ist und wo Ihre momentanen Stärken liegen. <?page no="122"?> 122 Konfliktmanagement Dabei finden Sie möglicherweise heraus: Was sind Ihre Stärken in Forschung, Lehre, Führung? Wenn Sie einem Problem begegnen, wie gehen Sie vor? Wenn Sie auf ein Vorbild schauen, welche Kompetenzen möchten Sie in den nächsten fünf Jahren erwerben? Wenn Sie auf die letzten fünf Jahre zurückschauen, welches waren die wichtigsten Entwicklungsschritte und wie haben Sie diese ermöglicht? Fordern Sie sich heraus: Wie können Sie die Bereitschaft zum persönlichen Wachstum forcieren? Können Sie sich eine Aufgabe zutrauen, von der Sie zunächst nicht annehmen, hundertprozentig geeignet zu sein? Literatur https: / / www.vitae.ac.uk/ researchers-professional-development/ about-thevitae-researcher-development-framework (zuletzt aufgerufen am 02. Mai 2020) https: / / www.dhvseminare.de/ (zuletzt aufgerufen am 02. Mai 2020) https: / / www.dfg.de/ foerderung/ grundlagen_rahmenbedingungen/ weiterbildun g/ forum_hochschulmanagement/ (zuletzt aufgerufen am 02. Mai 2020) Konfliktmanagement Neela Enke, Claudia Eilles-Matthiessen, Monika Klinkhammer Eine Professorin hat einen Konflikt mit ihrem Promovierenden, ein Gruppenleiter kann sich mit Kolleg*innen nicht über die Raumverteilung abstimmen - und im Dekanat gibt es Auseinandersetzungen über die Verteilung der Mittel. Konfliktanlässe können vielfältig sein … aber: Was tun? Immer dort, wo Menschen zusammenarbeiten, entstehen Reibungen und Konflikte. Zunächst einmal ist das ganz normal. Konflikte haben eine wichtige Rolle in sozialen Systemen: sie können unterschiedliche Positionen sichtbar und verhandelbar machen, sie können Arbeitsbeziehungen stärken, innovative Lösungen kreieren und dazu beitragen, den eigenen Standpunkt zu hinterfragen und so Lernen und Wachstum ermöglichen. Aber sie bergen auch Risiken: Kontaktabbruch, Produktivitätsverlust, Erkrankungen bei den Beteiligten, Schädigung des Ansehens, ‚Überschwappen‘ in andere Bereiche. <?page no="123"?> Konfliktmanagement 123 Um Konflikte möglichst konstruktiv zu lösen, gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte: Entwicklung einer Struktur zum Konfliktmanagement auf organisationaler, Konfliktklärung durch Gespräche und Mediationen auf zwischenmenschlicher und die → Selbststeuerung auf individueller Ebene. Ziele von Konfliktmanagement sind der Erhalt der Gesundheit und der Arbeitsfähigkeit, die Reduktion von Konfliktkosten und die Stärkung einer gesundheits- und produktivitätsförderlichen Organisationskultur durch frühzeitige Bearbeitung von Konflikten und Prävention von destruktiven Konfliktverläufen. Konfliktmanagement auf Organisationsebene Konflikte im Kontext der Arbeit haben immer Organisationsbezüge. Neben auch in anderen Berufsfeldern typischen Konflikten sind in Hochschule und Wissenschaft spezifische Konfliktfelder vorhanden, wie z.B. Konflikte zwischen Forschung und Lehre, wissenschaftlichem und nicht wissenschaftlichem Personal/ Verwaltung, unbefristet und befristet Beschäftigten oder bei Konkurrenzen in Forschungsgruppen um Anschlussfinanzierung. Individuen sind Seismographen für Konflikte, deren Ursachen in der Organisation, im Team, in der Aufgabenvielfalt und Rollenwidersprüchen, in der Führung, in Rahmenbedingungen für Arbeit usw. begründet sind. Ohne Berücksichtigung dieser Hintergründe werden Einzelne oder Personengruppen schnell zum ‚Sündenbock‘ und eine Konfliktbearbeitung verhindert. Wissenschaftliche Organisationen verfügen i.d.R. über Anlaufstellen und Konzepte zum Konfliktmanagement. Handlungspflichten ergeben sich für die Organisation, deren Interessenvertretungen und Führungskräfte aus der Fürsorgepflicht bzw. konkreten Rechtsvorschriften (Sozial- und Arbeitsrecht, Gleichstellung, Gleichbehandlung, Teilhabe usw.). In der Konfliktlösung ist zwischen informellen und formalen Prozessen zu trennen. Erste*r Ansprechpartner*in bei beruflichen Konflikten ist - neben dem direkten Gespräch mit der*dem Betroffenen - immer der*die Vorgesetzte. Je nach Konfliktinhalt und -hintergrund kann hier bereits ein formales Vorgehen erforderlich sein, so dass Führungskräfte auch rechtlich die Personalabteilung einbeziehen und Schritte zur Konfliktklärung einleiten müssen, z. B. bei Ereignissen von (sexualisierter) Gewalt am Arbeitsplatz. Daher ist es für Sie in der Rolle der Führungskraft ratsam, sich zunächst ein Bild zu Hintergründen, Entstehungsgeschichte, Dynamiken des Konfliktes usw. zu machen. Eine zeitnahe Konfliktbearbeitung kann sowohl die negativen Auswirkungen auf Arbeitsabläufe und Leistungsvermögen sowie die Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden (körperliche und psychische Belastungen) der Beteiligten begrenzen. Ansprechpartner*innen sind auch Interessenvertretungen (Personalrat, <?page no="124"?> 124 Konfliktmanagement Gleichstellungsbeauftragte, Schwerbehindertenvertretung/ Inklusionsbeauftragte, Antidiskriminierungsbeauftragte, Ombudsstellen z.B. für Studierende oder für die Wissenschaft usw.). In den meisten Hochschulen gibt es auch Konfliktberatungsstellen (z.B. Konfliktlotsen, eingebettet in interne psychologische Beratungsstellen, betriebliche Sozialarbeit, betriebliches Gesundheitsmanagement u.ä.). Hier sind oft eine Übersicht über die vor Ort zuständigen Stellen, über Verfahren, Literaturtipps oder Checklisten zur Durchführung von Konflikt- oder Vermittlungsgesprächen zu finden. Zudem gibt es auch hochschulübergreifende Beratungs- und Schlichtungsstellen, wie ‚Ombudspersonen‘ als Ansprechpartner*in für allgemeine Fragen zu den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis, z.B. bei verbreiteten Konflikten um Autorenschaft. Neben der grundlegenden Information (z.B. Wen kann, muss oder will ich informieren und was möchte ich auf keinen Fall? ) und Einordnung eines Konfliktgeschehens können diese Stellen Vermittlungsgespräche moderieren oder auch an externe Berater*innen (Mediation, Moderation, Coaching) verweisen. (Klinkhammer und Enke, 2018). Konfliktklärung und Mediation Konfliktklärung sollte möglichst frühzeitig einsetzen; je weniger ein Konflikt eskaliert ist, desto einfacher ist es, ihn zu klären. Neben der Organisation und Führungskräften haben auch die Beteiligten Handlungsspielraum und Eigenverantwortung. Laden Sie zu einem Konfliktgespräch ein (Enke und Klinkhammer 2018): Besprechen Sie als Betroffene*r zunächst den Konflikt direkt mit den beteiligten Parteien - natürlich im geschützten Rahmen (ideal ist ein neutraler Besprechungsraum, in dem ungestört gesprochen werden kann und Vertraulichkeit gewahrt wird). Stellen Sie sich im Vorfeld die Frage, worum es Ihnen geht und was mit der Konfliktlösung erreicht werden soll. Das Minimalziel ist immer der respektvolle Umgang und eine arbeitsbezogen adäquate → Kommunikation miteinander. Schwierige Punkte können Sie nach folgendem Schema ansprechen: Beschreibung der IST-Situation ohne Interpretation oder Wertung (z.B. nicht „Du kommst immer zu spät, weil Du mich nicht respektierst“ sondern: „bei unseren letzten drei Treffen bist Du zwischen 15 und 20 Minuten zu spät gekommen“) - wie im Ergebnisteil eines Experiments. Beschreibung der Auswirkungen (z.B. „das hat dazu geführt, dass mir unklar war, ob Du noch kommst und ob ich mich jetzt einer anderen Arbeitsaufgabe zuwenden kann“). Ihre Emotion (z.B. „das hat mich geärgert“) - Verbalisierung Ihrer Emotion hilft dem Gegenüber, die Situation zu verstehen; auch wenn es schwierig ist, hier dem Kontext angemessene Worte zu finden. <?page no="125"?> Konfliktmanagement 125 Fragen Sie nach, wie Ihr Gegenüber die Situation erlebt. Arbeiten Sie an Lösungen - wenn es schwierig ist, sich auf eine gemeinsame Lösung zu einigen, entwickeln Sie zunächst neutrale Kriterien, mit denen Lösungsoptionen bewertet werden können. Führt ein unmoderiertes Gespräch nicht zum Ziel oder ist der Konflikt sehr eskaliert, sollte - neben der Führungskraft - ein*e Mediator*in oder Coach hinzugezogen werden, z.B. wenn der Konflikt sich nicht mehr nur zwischen zwei Parteien abspielt, sondern bereits in der Öffentlichkeit ausgetragen wird. 9 Mediation ist dabei strukturierte Konfliktbegleitung, die neue Formen der Begegnung ermöglicht und Raum für Lösungen eröffnet, indem sie die Interessen aller Beteiligten einbezieht. Mediator*innen sind allparteiliche Gesprächsbegleiter*innen. Sie geben keine Lösung vor, sondern moderieren den Austausch zwischen den Konfliktparteien. Selbststeuerung bei Konflikten Selbststeuerung ist die Fähigkeit, das eigene Verhalten zu reflektieren, zu steuern und ggf. zu verändern, um es an den eigenen Zielen aber auch an den Anforderungen einer Situation auszurichten. ( → Selbstführung). Grundsätzlich sollte dabei auch der eigene Beitrag zum Konflikt reflektiert werden. Wer gerade mitten in einem Konflikt steckt, erlebt Veränderungen der Wahrnehmung, des Denkens und der Aufmerksamkeit, die die Fähigkeit zur Selbststeuerung vorübergehend beeinträchtigen: Die Aufmerksamkeit ist auf den Konflikt fokussiert, das Denken polarisiert in ‚gut‘ und ‚schlecht‘; hinzu kommen quälendes Grübeln und eine vorübergehende Trübung der kognitiven Fähigkeiten (vgl. Glasl 2017). Begleitet werden diese Veränderungen von Gefühlen wie Ärger, Anspannung oder Hilflosigkeit, die - wenn der Konflikt länger andauert - zu körperlichen Beschwerden wie Schlafstörungen, Kopf- oder Nackenschmerzen führen können. Ist dieser Zustand ausgeprägt - etwa bei langwierigen oder hocheskalierten Konflikten - erlebt die konfliktbetroffene Person eine Konflikt-Trance. (Eilles-Matthiessen 2019). Der Konfliktbetroffene ist dann nicht in einem Zustand, ein erfolgsversprechendes Klärungsgespräch zu führen oder kreative Lösungen zu entwickeln. Das erste Ziel im Umgang mit einem Konflikt ist es daher, die Fähigkeit zur Selbststeuerung wieder zu stärken. Stärkung der Selbststeuerung für Konfliktbetroffene: Akzeptanz unguter Gefühle: Wenn Sie sich gerade nicht gut fühlen, 9 Die Einschätzung der Eskalation kann nach den Eskalationstufen von Friedrich Glasl (1999, Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater, Haupt) erfolgen: ab Stufe 4 sollte eine externe Moderation hinzugezogen werden. <?page no="126"?> 126 Konfliktmanagement Grübeln, Anspannung, Zorn oder Hilflosigkeit erleben, nehmen Sie Ihre Gefühle als Signal und fragen Sie sich, welche Ihrer Bedürfnisse (z.B. Fairness, Wertschätzung) durch den Konflikt bedroht werden. Abstand: Gönnen Sie sich Abstand durch Zeit, Ortswechsel oder eine bewusste Fokussierung der Aufmerksamkeit auf Themen, Menschen, Pläne oder Projekte, die Ihnen guttun. Konflikt-Schnell-Check 10 : Analysieren Sie die Situation dann anhand folgender Fragen: - Worum geht es? - Was kann ich tun, damit es mir körperlich und emotional schnell besser geht? (Bewegung, soziale Unterstützung) - Welche Bedürfnisse hat der*die Andere? - Was ist mein Ziel? Was möchte ich erreichen? Wenn es Ihnen besser geht, Sie sich über Ihr Ziel in einem Konflikt im Klaren sind und Sie die Situation vielleicht sogar einmal aus der Perspektive der Anderen betrachtet haben, dann haben Sie die Voraussetzungen daür geschaffen, den Konflikt über Kommunikation und/ oder eine Veränderung auf Sachebene zu lösen oder zu entschärfen. Literatur EILLES-MATTHIESSEN, Claudia, 2018. Es muss nicht immer reden sein. So lösen Sie Konflikte am Arbeitsplatz. Frankfurt: Campus. EILLES-MATTHIESSEN, Claudia, 2019. Von der Konflikt-Trance zur Aktivierung von Lösungskompetenz. In: Zeitschrift für Beratung und Studium, ZBS, 2/ 2019. S. 54 - 60. GLASL, Friedrich, 2017. Selbsthilfe in Konflikten. 8. Auflage. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben. ENKE, Neela und Monika KLINKHAMMER, 2018. Konfliktgespräche führen. Anregungen und Reflexionen für die Praxis. In: Personalentwicklung in Hochschule und Wissenschaft, 2/ 2018: 47-63. KLINKHAMMER, Monika und Neela ENKE, 2018. (Konflikt-)Coaching als Veränderungspotential nutzen. In: DUZ 2/ 2018, S. 69-72. KLINKHAMMER, Monika und Neela ENKE, im Erscheinen. Konfliktmanagement. Strategien für Wissenschaft und Hochschule. Frankfurt a.M.: Campus. PATTON, Bruce, Douglas STONE, Sheila HEEN und Roger FISHER, 2011. Difficult Conversations: How to Disscuss What Matters Most. London: Penguin. 10 Eine ausführliche Methode zur Konfliktanalyse finden Sie bei Eilles-Matthiessen (2018). <?page no="127"?> Kooperationen 127 Kooperationen Neela Enke Ich bin gefragt worden, bei einer Kooperation mitzumachen. Soll ich? Und wenn ja, was kann ich tun, damit es eine gelungene Zusammenarbeit wird? Die Wissenschaftslandschaft (nicht nur in Deutschland) ist ein sehr von Konkurrenz geprägtes Feld; Konkurrenz um Stellen, Forschungsgelder, Sichtbarkeit und gute Wissenschaftler*innen. Aber auch um die Verknüpfung von Erkenntnissen mit dem eigenen Namen. Gerade in der Qualifikationsphase wird von Wissenschaftler*innen die Profilschärfung ( → Profilentwicklung) über Selbstprofilierung erwartet: Beiträge zu Verbundprojekten und Kooperationen werden nicht so hoch bewertet wie individuelle Leistungen. Bei einem Paper mit zahlreichen Autor*innen wird Ihr individueller Beitrag eher nicht gesehen, aber es kann zeigen: Sie haben Ihre ‚Finger im Spiel‘, wenn es um zentrale Fortschritte in Ihrem Feld geht. Akademische Unabhängigkeit muss über ein klares Profil dargestellt werden, während gleichzeitig das eigene Netzwerk ( → Netzwerken) erweitert werden muss - auch mit Personen, mit denen Sie in direkter Konkurrenz um Postdoc-Stellen und Professuren stehen. Ständig gilt es, in der → Selbstpräsentation eine Balance zwischen ,ich‘ und ,wir‘ zu finden. Gleichzeitig gibt es die geradezu paradoxe Anforderung, an Kooperationen teilzunehmen bzw. können komplexe Forschungsfragen gar nicht mehr sinnvoll von einer einzelnen Person beforscht werden. Kooperation und Konkurrenz berühren auch innere, (wissenschafts-)kulturelle und gesellschaftliche Haltungen: Wem gehört ,Wissen‘? Wie offen teilen wir ,unsere‘ Daten? Wessen Beitrag bei der Erzeugung von ,Wissen‘ wird (nicht) anerkannt und gesehen? Welche Strategien der Wissenserzeugung belohnen wir durch Zuschreibung von Qualität und Leistung? Wissenschaftliche Leitmotive wie Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Austausch und kritischer Diskurs stehen hier im Gegensatz zu Konkurrenz um individuelle Reputation. ( → Haltung) Kooperationen sind zweckgerichtetes Zusammenarbeiten zweier oder mehrerer Personen(kreise). Sie können in der Wissenschaft auf sehr unterschiedlicher Ebene stattfinden: mit ein oder mehreren Partner*innen innerhalb der eigenen Arbeitsgruppe, mit Kolleg*innen an der eigenen oder anderen Institutionen, über nationale Grenzen hinweg und auch über die Wissenschaft hinaus, z.B. mit Behörden oder Firmen. Kooperationen kön- <?page no="128"?> 128 Kooperationen nen mehr (z.B. gemeinsame Projektanträge) oder weniger (z.B. gemeinsame Publikation mir einem*einer Kolleg*in) formalisiert sein. Bestenfalls bringt kooperatives Forschen neue Erkenntnisse (oft denken zwei Köpfe besser als einer), erweitert die eigenen Perspektiven, steigert die Produktivität und macht Spaß. Sie arbeiten nicht einsam vor sich hin, sondern haben Raum für Austausch, kritische Diskussionen ( → Zuhören) und gemeinsames Engagement. Das motiviert! Auf der anderen Seite stehen Herausforderungen: Es ist in der Realität nicht immer der Fall, dass sich Aufwand und Nutzen für alle Beteiligten die Waage halten. Erwartungen werden enttäuscht, weil einzelne Partner*innen ihren Anteil nicht beitragen. Gerangel um Ressourcen, Kompetenzen und Zuständigkeiten entsteht. Internationale und interdisziplinäre Projekte stellen sich als so herausfordernd dar, dass in der kurzen Projektlaufzeit wenig vorangeht. ( → Internationale Zusammenarbeit, Inter- und Transdisziplinarität). Schließlich versuchen alle nur noch, wenigstens ein Minimum für sich selbst herauszuholen - das große Forschungsziel bleibt auf der Strecke. Zurück bleibt Frust. Aber das muss nicht sein! Anregungen für gelungene Kooperationen Partner*innen: Wie gut kennen Sie die Partner*innen? Welche Kriterien gelten für die Auswahl? Idealerweise haben Sie positive Vorerfahrungen zumindest mit einem Teil der Beteiligten. Zielfindung: Wer wird in Zielfindung und Design des Projekts einbezogen? Geht es um eine gemeinsam entwickelte Idee oder versuchen Sie Mitstreiter*innen für eine eigene Idee zu finden? Das kann Auswirkungen auf Motivation und Engagement der Partner*innen haben. Berücksichtigen Sie das im Projektplan. Erwartungsklärung: Was erwarten Sie von den Projektpartner*innen und umgekehrt? Welche Vorstellungen über Verbindlichkeit bestehen? Welchen Stellenwert nimmt das Projekt für die einzelnen Partner*innen in deren persönlicher Planung ein? Warum möchten die Beteiligten teilnehmen? Kosten/ Nutzen: Wie handhaben Sie die Verteilung von Arbeit und den zu erwartenden Gewinnen, wie z.B. Publikationen und Sichtbarkeit? Rollen, Mandate und Strukturen: Welche Rollen gibt es zu besetzen (z.B. Koordination, Sprecher*in)? Mit welchen Mandaten (z.B. für Entscheidungen) werden diese ausgestattet? Welche Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen braucht es? Soll es Sanktionen geben (welche? ), wenn einzelne Partner*innen ihren Beitrag nicht leisten? Auch klare Kooperationsverträge können hier eine Lösung sein. <?page no="129"?> Kreativität 129 Vertrauen: Menschen vertrauen bekannten Personen der Regel eher als gänzlich Unbekannten. Unterschätzen Sie nicht die Wirksamkeit eines intensiven, persönlichen Kennenlernens zu Beginn der Kooperation: Retreats und Kick-Off-Veranstaltungen brauchen Raum für den persönlichen Austausch und gemeinsame Erlebnisse! Und zuletzt vergessen Sie auf keinen Fall zu schauen, ob Sie Lust auf die Forschungsfrage und die Kooperationspartner*innen haben! Literatur PASTOORS, Sven und Helmut EBERT, 2019. Psychologische Grundlagen zwischenmenschlicher Kooperation: Bedeutung von Vertrauen für langfristig erfolgreiche Zusammenarbeit. Springer Essentials. Heidelberg: Springer-Verlag. Kreativität Edda Wilde Ich soll kreativ arbeiten und neue Ideen entwickeln. Aber wie geht das bei all dem Zeitdruck und wie kann ich mein kreatives Denken ausbauen? Kreativität jenseits von künstlerischen Prozessen ist die Fähigkeit, innovative Ideen hervorzubringen und (schöpferisch) Neues zu gestalten oder auch bestehende Probleme durch ein Out-of-the-box-Denken zu lösen. Sicherlich liegt kreatives Denken und Handeln einigen Menschen näher, anderen ferner. Dennoch ist es bis zu einem gewissen Grad auch erlernbar. Um kreativ sein zu können, bedarf es bestimmter Rahmenbedingungen. Erstens benötigt Kreativität eine gute Atmosphäre: Eine angenehme Räumlichkeit, am besten ausgestattet mit geeigneten Utensilien, wie Post-its, Moderationskarten, verschiedenfarbigen Stiften, Flipcharts, Pinnwänden, Sideboards oder auch Materialien, die das Unbewusste anregen, wie Bilder oder Gegenstände. Zweitens benötigt Kreativität Zeit und Freiraum. Unter Stress ist es schwer, kreativ zu denken. Ganz in diesem Sinne ist es drittens gut, entspannte Bewusstseinsphasen für kreative Prozesse zu nutzen, in denen der Verstand nicht zu aktiv und abgelenkt ist. Man nennt dies den ‚Alpha-Zustand‘, wie etwa in der Zeit nach dem Aufwachen oder vor dem Schlafengehen (gemäß dem Sprichwort „Die besten Ideen kommen einem unter der Dusche“). Viertens ist es für kreative Prozesse unabdingbar, Ideen <?page no="130"?> 130 Kreativität freien Lauf zu lassen und ihnen wertfrei zu begegnen. Unvoreingenommenheit und das Notieren aller auftauchenden Ideen - wirken sie noch so weit hergeholt - ist eine der Grundregeln beim kreativen Denken. Mit diesem Punkt ist noch ein fünfter Aspekt angesprochen: Kreativität benötigt ein Umfeld, in dem Fehler und Holzwege (innerlich wie äußerlich) erlaubt sind. Innovation und Problemlösung entstehen durch das Experimentieren. Eine hilfreiche Haltung lautet daher: „Wenn etwas nicht funktioniert, versuche etwas anderes.“ Und schließlich ist sechstens eine spielerische, experimentierfreudige und achtsame → Haltung kreativitätsfördernd. Wer sich täglich die Zeit nimmt, über etwas zu staunen und Lust am Ausprobieren hat, öffnet sich leichter kreativen Prozessen und Sichtweisen. Es gibt unzählige Methoden, um neue Ideen, Visionen oder Innovationen zu entwickeln, ob in Einzelarbeit oder institutionalisiert in Organisationen (etwa durch Design-Thinking-Teams). Nach Teresa M. Amabile gibt es bei kreativen Vorgängen stets fünf Phasen, die durchlaufen werden: 1. Zielsetzung, 2. Einarbeitung und Recherche zum Thema, 3. Ideenproduktion, 4. Ideenbewertung und 5. Umsetzung. - Ich stelle Ihnen nun eine Methode zur kreativen Ideenentwicklung vor, die in Einzelwie auch in Teamarbeit angewendet werden kann: die Walt-Disney-Methode. Phase 1 und 2 müssen hierfür bereits durchlaufen sein. Die Grundidee der Methode lautet, dass Innovation einer Vision (1) bedarf, einer geeigneten Realisierung (2) sowie einer kritischen Prüfung (3). Dabei werden diese drei Aspekte getrennt voneinander behandelt, um sich jeweils voll entfalten zu können. Ursprünglich werden für diese Methode passend zum jeweiligen Aspekt drei Räume eingerichtet. Es genügen jedoch auch drei Ecken in einem Raum z.B. mit drei Flipchartbögen und ggf. weiteren stimulierenden Materialien. Als erstes betritt man den ‚Visionsraum‘. Im freien Brainstorming entwickeln Sie Ideen zum gesteckten Thema, egal, wie verrückt sie klingen mögen. Je experimenteller, bildlicher und differenzierter, desto besser. Erst, wenn keine neuen Ideen mehr auftauchen, wird der zweite Raum betreten. Im ‚Realisationsraum‘ suchen Sie nach Umsetzungsmöglichkeiten. Welcher konkreten Schritte bedarf es, um die entstandenen Ideen wahr zu machen? Im dritten Raum, dem ‚Kritikraum‘, werden nun - allerdings nur produktive - Kritikpunkte angeführt. Was lässt sich noch verbessern? Wo sind die Stolpersteine, Risiken, Gefahren? Was gilt es unbedingt zu bedenken? Wenn auch hier alle Punkte benannt sind, geht es wieder von vorne los: Mit dem Wissen der ersten Runde wendet man sich erneut der Vision zu und modifiziert sie. Wenn keine Ideen mehr auftauchen, gehen Sie zur Umsetzung weiter, danach folgt erneut die Kritik. Das Verfahren wird so oft (zwei, drei, vier Mal) wiederholt, bis aus allen drei Perspektiven betrachtet ein gutes Ergebnis steht. Danach können erste <?page no="131"?> Kreativität 131 Umsetzungsschritte beginnen. Manchmal ist ein kreativer Prozess durch ein solches Verfahren schon abgeschlossen. Häufig ist es jedoch der Auftakt für einen Tage, Wochen oder auch mal Monate dauernden Prozess. Auch das Problemlösen profitiert von den Rahmenbedingungen für Kreativität und von kreativen Methoden. Wer out of the box denkt, weiß, dass Probleme weniger durch bisher genutzte Strategien, sondern vielmehr durch neues Denken und Handeln lösbar werden. Eine gute Problemlösung beschäftigt sich dabei kaum mit dem Problem selbst, sondern richtet sich gezielt auf den erwünschten zukünftigen Zustand. Aus Coaching und Therapie stammt der sogenannte ‚lösungsfokussierte Ansatz‘. Dieser vertritt, dass man sich beim Problemlösen mehr oder minder ausschließlich auf die Lösungsebene begeben sollte, um eine ‚Problemtrance‘ zu vermeiden (d.h. sich wiederholt zu erzählen, wie schlimm alles ist). Den Zugang zur Lösungsperspektive kann die Wunderfrage eröffnen: „Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgen auf und wie durch ein Wunder ist das Problem einfach verschwunden. Woran werden Sie es merken? Was ist anders? “ Sobald man den erwünschten Zustand plastisch vor Augen hat, kann man nun offen und wertfrei brainstormen, wie man zur Lösung gelangt. Wer von der Problematisierung nicht loskommt, kann als Zwischenschritt, der etwas Leichtigkeit und Humor in die Sache bringt, das Gegenteil versuchen und spielerisch fatalisieren. Fragen Sie sich: „Was müsste ich tun, um mein Problem noch deutlich zu verschlimmern? “ Kernpunkte kreativen Denkens und Arbeitens sind Offenheit für Neues, Experimentierfreude und die Verbindung von Verstand und Unbewusstem. Erlauben Sie sich Spielgeist, ein wenig Blödsinn und Fehler beim Ausprobieren. Ihre Kreativität wird es Ihnen danken! Wenn Sie Ihre Kreativität beflügeln wollen: Lassen Sie sich inspirieren durch alles, was Spaß macht, wie Bücher, Zeitschriften, Konferenzen, Ausstellungen, Spaziergänge u.v.m., und tauschen Sie sich in Gesprächen über Ideen aus. Nutzen Sie die Bisoziation: das Kombinieren zweier bislang nicht miteinander verbundener Bereiche, Konzepte, Begriffe, Technologien, Teams (z.B. mit Ideen des Science-Slams oder des Literaturcafés). Visualisieren Sie Ihr Ziel als inneren Film: Notieren Sie ein kurzes Drehbuch, z.B. zum Thema „Meine Promotion ist erfolgreich abgeschlossen“, und lassen Sie den Film vor Ihrem inneren Auge möglichst plastisch ablaufen. Nutzen Sie bildliche Mittel und Ausdrucksformen. Lassen Sie sich von Bildern inspirieren, machen Sie eine Collage zu ihrem Thema oder bauen Sie Ihr Ziel mit Lego. <?page no="132"?> 132 Kritikkompetenz Gehen Sie ungewöhnliche Wege. Wenn Sie z.B. einen Vortrag einüben wollen, erzählen Sie ihn sich als Märchen, Krimi, Nachrichtentext oder als politische Rede. Literatur CSIKSZENTMIHALYI, Mihaly, 2014. Flow und Kreativität: Wie Sie Ihre Grenzen überwinden und das Unmögliche schaffen. Stuttgart: Verlag Klett-Cotta. LUTHER, Michael, 2013. Das große Buch der Kreativitätsmethoden. Wie Sie in vier Schritten mit Pfiff und Methode Ihre Problemlösungskompetenz entwickeln und zum Ideen-Profi werden. Bonn: managerseminare Verlags GmbH. MIDDENDORF, Jörg, 2018. Lösungsorientiertes Coaching: Kurzzeitcoaching für die Praxis. Wiesbaden: Verlag Springer. WOLFF, Bernhard, 2018. 30 Minuten: Kreativität im Job. Offenbach: Verlag Gabal. Kritikkompetenz Susanne Lummerding Der Umgang mit Kritik bedeutet in meinem Arbeitskontext eine große Herausforderung, da Kritik oft aggressiv bis vernichtend geäußert wird. Umgekehrt fällt es mir auch schwer, selbst Kritik zu äußern, aus Sorge jemanden zu verletzen oder negative Konsequenzen fürchten zu müssen. Wie kann ich das ändern? Beide Aspekte - Kritikgeben wie auch Kritikannehmen - beschreiben die zwei wesentlichen Komponenten von Kritikkompetenz. Für den Umgang mit den damit verbundenen Sorgen, Ängsten und Herausforderungen (u.a. an das eigene Selbstkonzept, das Bedürfnis nach Stabilität, oder nach Konfliktvermeidung) kann es ür das Geben und Annehmen von Kritik hilfreich sein, diese nicht als Beurteilung oder Bewertung zu verstehen, sondern vielmehr als Angebot, in Austausch zu kommen. Kritikkompetenz stellt damit einen zentralen Schlüssel ür Veränderung ( → Change gestalten) und Entwicklung dar. Schon historische Kritikbegriffe der Philosophie heben die Überprüfung der eigenen Urteile und Handlungsmotive als zentrale Funktion von Kritik hervor. Foucault (1992) sowie Butler (2002) entwickeln ein erweitertes, <?page no="133"?> Kritikkompetenz 133 gesellschaftlich-politisch orientiertes Konzept von Kritik. Beide betonen, dass Kritik nicht Beurteilung oder Bewertung ist, sondern, ganz im Gegenteil, die Funktion hat, das Urteil auszusetzen und das System der Bewertung selbst kenntlich zu machen und zu hinterfragen. Kritik ist in diesem Sinn als Akt des In-Frage-Stellens als Modus des Fragens und des Anerkennens von Fraglichkeit zu verstehen. So formuliert auch Derrida, bezogen auf die Universität als Ort der Wissensproduktion: „Die Universität müsste […] der Ort sein, an dem nichts außer Frage steht.“ (Derrida, 2001) Es geht also um das Anerkennen unterschiedlicher, antagonistischer Positionen, um kontinuierliches Aushandeln und um das Ermöglichen von Entwicklung. Kritik hat einiges gemeinsam, ist aber nicht gleichzusetzen mit → Feedback. Der Impuls zu Veränderung bzw. Verstärkung ist im Fall von Kritik weniger auf die Einladung bzw. das Einwilligen des Gegenübers angewiesen, im Fokus eher sachorientiert denn beziehungsorientiert, vor allem aber eher auf das Eröffnen einer weiterführenden Diskussion ausgerichtet. ( → Zuhören) Kritik ist auch keine Vorstufe zu Konflikt, vielmehr ermöglicht der kompetente Umgang mit Kritik konflikthafte Entwicklungen zu vermeiden, indem divergierende Positionen und Sichtweisen argumentativ ausgetauscht oder verhandelt werden. Kritikkompetenz ist in diesem Sinn auch nicht ausschließlich als soziale Kompetenz zu verstehen (vgl. Hargie et. al., 2002; Bruce, 2007), sondern als ein zentraler Aspekt von Professionalität, insbesondere im Bereich der Wissensproduktion - in Lehr-/ Lernprozessen ebenso wie in Management- und Leitungsprozessen. Kritik zu geben wie auch anzunehmen erfordert, sich auf kritische Reflexion, auf herausfordernden Austausch und Argumentation, auf Unvorhergesehenes, sowie auf das Verändern eigener Sichtweisen einzulassen. Die Vorstellung von ‚Interaktionserfolg‘ sollte also all diese Dimensionen mitberücksichtigen. Kritikkompetenz, Anerkennungskultur und Entwicklungsbzw. Innovationspotenzial sind in enger Wechselwirkung zu sehen. Deshalb gilt es - insbesondere für Führungskräfte - eine kritik- (und fehler-)freundliche Kommunikations- und Organisationskultur zu etablieren und zu fördern. Checkliste für das Geben und Annehmen von Kritik Kritik geben Wählen Sie Zeitpunkt, Zeitrahmen und Situation so, dass Ihr Gegenüber die Kritik konstruktiv annehmen und nutzen kann. Argumentieren Sie möglichst klar und konkret. <?page no="134"?> 134 Kritikkompetenz Kritik sollte ein Angebot sein und die Diskussion öffnen (‚Ergebnisoffenheit‘ sollte mehr als ein Schlagwort sein). Formulieren Sie auch Ihre Wertschätzung und nennen Sie ebenso Positives (Dies erhöht die Bereitschaft Kritik anzunehmen). Bringen Sie Bereitschaft mit, gemeinsam Lösungen zu entwickeln oder die eigene Sichtweise zu revidieren. Fragen an sich selbst: Was motiviert mich, Kritik zu äußern und mit welcher → Haltung tue ich dies? Wovor habe ich Angst, wenn ich Kritik formuliere? Was könnte mein Gegenüber motivieren, die Kritik anzunehmen und weiter in der Kommunikation mit mir zu bleiben? Kritik annehmen: Hören Sie zu, lassen Sie Ihr Gegenüber ausreden. ( → Zuhören) Bleiben Sie locker, atmen Sie durch, vermeiden Sie selektive Wahrnehmung (‚Tunnelblick‘), machen Sie sich ggf. Notizen. Richten Sie den Fokus auf die Sachebene. Fragen Sie nach, um das Verständnis sicherzustellen (Worum geht es? ). Wechseln Sie die Perspektive, gehen Sie auf Argumente ein. Nehmen Sie Kritik wertschätzend als Angebot auf, als Zeichen für Vertrauen und für Respekt. Identifizieren Sie unterschiedliche Kommunikationsebenen sowie Aspekte, die für Sie hilfreich bzw. nicht hilfreich sind. Fordern Sie Kritik ein. Kritik wird nicht immer gern oder leicht gegeben. Sie als wertvolle Ressource zu verstehen fördert offenen Austausch, Kooperation und Entwicklung. Fragen an sich selbst: Weshalb fürchte ich Kritik? Wie kann ich Kritik bestmöglich als Ressource nützen? Was motiviert mich zu einer Veränderung? Literatur BUTLER, Judith, 2002. Was ist Kritik? Ein Essay über Foucaults Tugend. Übersetzung: J. Brenner. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie. 50(2), S. 249-265; BRUCE, Annette, 2007. Kritikkompetenz im Management - Der Einfluss der Kritikkompetenz auf den beruflichen Erfolg von Führungskräften. Kölner Wissenschaftsverlag. <?page no="135"?> Laterale Führung 135 DERRIDA, Jacques, 2001.Die unbedingte Universität. Frankfurt/ Main: Suhrkamp. FOUCAULT, Michel, 1992 (1990). Was ist Kritik? Übersetzung: W. Seitter. Berlin: Merve. HARGIE, Owen, Christine SAUNDERS und David DICKSON, 2002. Social skills in interpersonal communication. 3. Auflage. London/ New York: Routledge, Hove. LUMMERDING, Susanne, 2019. Zur Herstellung von Wissen und Diversität - un_bedingte Frage der Profession. In: Birte HEIDKAMP und David KERGEL, Hrsg. Praxishandbuch diversitäts- und habitussensible Hochschullehre. Wiesbaden: VS Springer, S. 67-79. Laterale Führung Anette Hammerschmidt & Neela Enke Ich bin Koordinator eines SFB und soll Kolleg*innen ,leiten‘, die z.T. erfahrener und älter sind als ich und an ganz anderen Institutionen sitzen ... wie soll das gehen? - Ich bin Postdoktorandin und soll für meine Professorin Promovierende betreuen. Manchmal klappt das, manchmal aber auch nicht. Was tun? Unter lateraler Führung werden Führungssituationen zusammengefasst, in denen die*der Führende keine disziplinarische Weisungsbefugnis besitzt. Im Unterschied zu klassischen Führungspositionen geht damit meist eine Einschränkung formaler Sanktionsmöglichkeiten, der Verügung über Ressourcen und der Karriereentwicklung von Mitarbeiter*innen einher. Daher wird laterale Führung manchmal auch als nichtdisziplinarische Führung bezeichnet. Veränderungen in der Arbeitswelt und die besonderen Anforderungen wissenschaftlicher Arbeit fordern flexible, fachlich differenzierte Steuerungsmöglichkeiten. Sei es die projektbezogene und vernetzte Arbeit in Forschungsteams, institutsübergreifende → Kooperationen und → internationale Zusammenarbeit, die Koordination unterschiedlicher Fachgebiete in Exzellenz-Clustern, → Gremienarbeit, die Teamleitung in einem Labor oder die Anleitung von Studierenden - in all diesen Konstellationen spielt laterale Führung in Forschung und Lehre eine wichtige Rolle. Laterale Führung kann mit wenig (Teamkoordinator*in) oder hoher Führungsverant- <?page no="136"?> 136 Laterale Führung wortung (stellvertretende Leitung) ausgestattet sein, einen geringen (lokale Teams) oder hohen (internationale Projektkoordination) Vernetzungsgrad beinhalten. In der klassischen Führungsrolle stehen dem*der Positionsinhaber*in drei Quellen der Autorität zur Verfügung, die insbesondere im akademischen Umfeld die Macht von Professor*innen ausmachen: 1. die fachliche Autorität, die durch die Professur geradezu verkörpert wird, 2. die positionale oder Statusmacht, die den hierarchischen Organisationsstrukturen entspricht, und 3. die personale Autorität, die sich aus der Persönlichkeit und dem Verhalten der Führungskraft speist. Wer lateral führt, befindet sich nicht nur in einer ‚Sandwich‘-Position zwischen verschiedenen Statusgruppen, sondern muss in erster Linie ohne formale Macht durch personale Autorität führen. Soziale Kompetenzen, Kommunikationsstärke und Klarheit, die Fähigkeit zu → Selbststeuerung und → Selbstführung sind Merkmale personaler Autorität, die sich teilweise erlernen und durch Anleitung, Erfahrung und → Feedback erweitern und festigen lassen. Laterales Führen beruht auf drei Prinzipien: Verständigung über gemeinsame Ziele, Transparenz in den Abläufen und Vertrauen zwischen den Beteiligten. In der Praxis heißt dies einerseits, den Beteiligten Vertrauen entgegen zu bringen (auch als Vorschuss! ) und sich gleichzeitig mit ihnen detailliert und transparent über Zuständigkeiten, Mandate und Entscheidungswege zu verständigen. Auf diese Vereinbarungen kann dann im Verlauf der Zusammenarbeit bei Unstimmigkeiten oder Konflikten zurückgegriffen werden ( → Kooperationen). Stellen Sie Mängel in den Vereinbarungen fest, die einer reibungsarmen Zusammenarbeit nicht förderlich sind, können und sollten Sie diese für alle nachvollziehbar anpassen. Je nach Konstellation, werden Sie unterschiedlich vorgehen, um Transparenz und Vertrauen zu schaffen: wollen Sie z.B. in einem Gremium Kolleg*innen für Ihre Sache begeistern, sollten Sie sich bemühen, Ihre Ziele in den Kontext der Ziele der Kolleg*innen zu setzen und diese so zu überzeugen. ( → Gremienarbeit) Wollen Sie in einem Forschungsteam bestimmte Abläufe verbessern, binden Sie Ihre Kolleg*innen unbedingt ein, damit sie die getroffenen Entscheidungen mittragen. ( → Entscheidungen treffen) Sind Sie in einer ,Sandwich‘-Position ist es zunächst wichtig, sich mit dem*der formal zuständigen Professor*in oder Leitung abzusprechen, welche Entscheidungskompetenzen und Aufgaben an Sie übergehen und welche bei dem*der Professor*in verbleiben. Führen Sie dieses Klärungsgespräch möglichst zu Beginn, bevor Sie die Rolle übernehmen. ( → Gespräche mit Mitarbeitenden) Klären Sie, ob Sie mit Unterstützung und Rückendeckung rechnen können. Falls das nicht der Fall ist, sollten Sie nochmals in sich gehen und sich überlegen, wie Sie damit umgehen wol- <?page no="137"?> Laterale Führung 137 len. Lateral zu führen ist herausfordernd genug. Unnötige Zwickmühlen sollten Sie sich ersparen. Für die laterale Führung stehen Ihnen eine Reihe von Führungswerkzeugen zur Verfügung: wie Sie → Gespräche mit Mitarbeitenden führen, kommunizieren ( → Kommunikation) und → Feedback geben; wie Sie Konflikte angehen ( → Umgang mit Konflikten), → Entscheidungen treffen oder Mitarbeiter*innen bzw. Kolleg*innen motivieren ( → Motivation, Situative Führung) - das ganze Repertoire der Führungsinstrumente. Auch hier gilt es eine → Haltung und den eigenen → Führungsstil zu finden. Gestalten Sie Ihre → Rolle so, dass Sie nicht nur den Aufgaben und anderen Personen, sondern auch sich selbst gerecht werden. Schlüsselkompetenzen lateraler Führung Rollenkenntnis : seine Rolle zu klären ist immer gut - aber in lateralen Führungskontexten ist Ihre Rolle oft noch weniger umrissen als anderswo. Welche Erwartungen werden an Ihre Rolle gestellt? Welche Erwartungen haben Sie an sich und andere? Sind diese Erwartungen realistisch? Überlegen Sie sich, welchen Erwartungen Sie nachkommen wollen, welche sie nicht erfüllen können. Welche Bedingungen und Mandate brauchen Sie, um die Rolle gut ausfüllen zu können? ( → Rolle) Kontext und Machtstrukturen lesen : Um lateral zur führen brauchen Sie ein gutes Verständnis des Kontexts, in dem Sie handeln, und der Machtstrukturen, mit den Sie es zu tun haben: formelle wie informelle! ( → Mikropolitik) Gemeinsame Ziele und Akzeptanz herstellen : Über gemeinsame Ziele lässt sich Akzeptanz auch über strittige Punkte am besten herstellen, wenn Sie es verstehen, diese für alle verständlich in Bezug zu den vereinbarten individuellen Zielen zu setzen. Fähigkeit zum Perspektivwechsel : Versuchen Sie, die unterschiedlichen Perspektiven aller Beteiligten zu verstehen. Bei vielen Meinungsverschiedenheiten geht es in erster Linie darum, die Beteiligten zu hören und ihre Sicht zu verstehen. (→ Zuhören) Es ist nicht notwendig, dass alle die gleiche Perspektive einnehmen! Konfliktfähigkeit und lösungsorientierte Kommunikation : Wenn unterschiedliche Interessen aufeinanderstoßen, hilft es, wenn Sie diese Reibereien und Konflikte aushalten, aber auch angehen und lösungsorientiert moderieren. Unterstützung mobilisieren : Können Sie andere Menschen für Ihre Anliegen gewinnen? Dann sind Sie in der lateralen Führung genau richtig - ohne die Unterstützung anderer haben Sie keine Chance. <?page no="138"?> 138 Lehrkompetenz Literatur HOFBAUER, Helmut und Alois KAUER, 2018. Einstieg in die Führungsrolle. Praxisbuch für die ersten 100 Tage. Mit Interviews aus der Praxis. 6., erw. Auflage. München: Carl Hanser. STÖWE, Christian und Lara KEROMOSEMITO, 2013. Führung ohne Hierarchie - Laterale Führung. Wie Sie ohne Vorgesetztenfunktion Teams motivieren, kritische Gespräche führen, Konflikte lösen. Heidelberg: Springer Gabler. Lehrkompetenz Susanne Lummerding Wenn in Berufungsverfahren oder Fragen der Vertragsgestaltung der Nachweis von Lehrkompetenz verlangt wird, was genau wird da erwartet und was bedeutet das für meine Praxis als Lehrende*r? Neben Forschungsleistungen, die in den hochkompetitiven Auswahlverfahren an Hochschulen in der Regel zu den ausschlaggebenden Kriterien gehören, wird zunehmend auch Lehrkompetenz als Beurteilungskriterium mit einbezogen. Vermehrt wird - entsprechend den Empfehlungen des Wissenschaftsrats - ein ,Lehrprofil‘ oder ein ,Lehrportfolio‘ als Nachweis gefordert. ( → Profilentwicklung) Hochschullehre steht also zunehmend im Fokus von Forschung und Qualit ä tssicherung ( → Qualitätsmanagement) in der Hochschulpolitik und -entwicklung. Nicht nur das Bewusstsein daür, dass es nicht reicht, Inhalte vermitteln zu können, wächst, sondern auch das Bewusstsein über die Heterogenität der Studierenden prägt das Design von Weiterbildungsangeboten. Neben didaktischen Erkenntnissen über verschiedene Lerntypen finden auch Fragen des → Umgangs mit Diversität und der kritischen Reflexion von Ungleichbehandlung Berücksichtigung in der Lehre. Lehrkompetenz umfasst, kurzgefasst, Wissen, Kenntnisse, Fertigkeiten und Einstellungen, die es Lehrenden ermöglichen, Lernprozesse zu fördern und Unterricht zu gestalten (vgl. Reinmann, 2011). Sie bezeichnet die Verbindung aus fachlichem und fachdidaktischem Wissen, praktischer Lehrerfahrung und hochschuldidaktischen Schlüsselkompetenzen wie Selbstreflexion, sozialer und kommunikativer Kompetenz, organisationsanalytischer Kompetenz, Planungs- und Gestaltungskompetenz und Konflikt- <?page no="139"?> Lehrkompetenz 139 lösungskompetenz. (vgl. Ecker, 2010). In einer Synthese unterschiedlicher Modelle lassen sich fünf Komponenten von Lehrkompetenz nennen: Wissen (Fachwissen und psychologisch-pädagogisches Wissen), methodisch-didaktisches Können (Formulieren von Lernzielen, pädagogisch sinnvolles Strukturieren von Lehrveranstaltungen, Einsatz am Lernziel orientierter aktivierender Lernmethoden), soziale Interaktion (Wertschätzung und Respekt im Umgang mit Studierenden, Umgang mit Störungen, Anerkennungs-, Kritik- und Feedbackkultur, etc.), Einstellung zur Lehre bzw. Lehrstil, Selbstreflexion (zu Rolle, Position, Wirkung, Methodeneinsatz, Lehrziele, Nützen von Evaluierungen für das Weiterentwickeln der eigenen Lehre, etc.) ( → Fremdbild/ Selbstbild). Ausschlaggebend für die Qualität der Lehre ist zum einen die Klärung der eigenen Rolle als Lehrende*r und die Gestaltung der Arbeitsbeziehung zu den Studierenden, zum anderen die Steuerung von Lernprozessen. Dazu gehören produktive Lehr-/ Lernsettings, entsprechende -Formate, die sorgfältige Planung von Lehrveranstaltungen und Evaluation von Lernprozessen und Lehre, die Leistungsbeurteilung sowie die Verortung der individuellen Lehrveranstaltung im curricularen Gefüge einer Studienrichtung (vgl. Ecker, 2010). Wenn „Lehrkompetenz bedeutet, Lernumgebungen zu schaffen, in denen Lernende kontextgebunden, aktiv, situiert und prozessorientiert Wissen erlernen, anwenden und erweitern können” (Auferkorte und Metz-Göckel 2000), so wird deutlich, dass Wissen vor allem als dynamischer und interaktiver Prozess gemeinsamen Herstellens zu verstehen ist. Sowohl bei der Aufbereitung und Kommunikation als auch bei der kritischen Reflexion und Weiterentwicklung von Wissen ist stets dem Aspekt der Bedingtheit und der Unabschließbarkeit von Wissen und dessen Herstellung sowie den diesem Prozess inhärenten Unwägbarkeiten Rechnung zu tragen. „Nicht der Fundus überlieferbaren Wissens macht das Fundamentale der Bildung durch Wissenschaft aus, sondern das Suchen und Finden, Problematisieren und Einsehen, ‚Staunen‘ und Erfinden“ (Huber, zitiert in Reinmann, 2011). Wissenschaftstheoretiker*innen wie Donna Haraway (1988) sprechen daher von ,situiertem Wissen‘. Nur das Offenlegen und Reflektieren des eigenen Standpunktes und der Forschungsinteressen und Entscheidungsschritte macht die Ergebnisse von Forschung und Wissensproduktion im Kontext ihrer Argumentation und Interpretation nachvollziehbar und damit auch offen für kritische Auseinandersetzung und Weiterentwicklung. Da Forschungs- und Lehr-Lernprozesse als Prozesse der Herstellung <?page no="140"?> 140 Lehrkompetenz von Wissen stets in ihrem historischen, kulturellen, gesellschaftlichen Kontext zu sehen sind, sind auch die darin wirksamen Machtkonstellationen von Interesse für deren Verständnis. Gleiches gilt für Lehr_Lernsettings. Sie sind ebenso wenig als interesse- oder machtfreie Räume zu verstehen und entsprechend gilt es reflektiert und verantwortungsbewusst mit der eigenen Rolle als Lehrende*r, mit der Rolle und den Interessen der Studierenden, den diesen Raum prägenden Machtrelationen und mit möglichen Handlungsspielräumen in der Gestaltung des Forschungsraums für die gemeinsame Arbeit umzugehen. ( → Führungsstil) Anregungen Reflektieren Sie die eigene → Haltung und Rolle. Klären Sie die Erwartungen an Sie als Lehrende*r. Achten Sie auf Transparenz und Klarheit in der Formulierung der Lernziele und der Leistungsbeurteilung - unter Berücksichtigung: nachvollziehbarer Kriterien, der Reflexion der eigenen impliziten Bewertungsmaßstäbe, lernfördernder Rückmeldung in Form von → Feedback. Forschungsgeleitete Lehre und forschendes Lernen kennzeichnet u.a.: das Schaffen einer forschungsorientierten, erkenntnisoffenen Lernumgebung, die Studierende im eigenständigen und selbstverantwortlichen Lernen und Forschen unterstützt, aktivierende, motivierende Vermittlung (auch in Vorlesungen) durch Problemorientierung, Methodenvielfalt und Förderung selbstgesteuerten Lernens bzw. Selbstverantwortung und Selbstermächtigung der Studierenden, Setzen Sie Medien und Online-Elemente (eLearning, Blended Learning) orientiert an den Lernzielen und als aktivierende und flexibilitätssteigernde Faktoren ein. Sorgfalt empfiehlt sich sowohl für die Planung als auch für die Nachbereitung und Auswertung der Lehre zur Qualitätssicherung ( → Qualitätsmanagement). Auseinandersetzung mit systemimmanenten Begrenzungen und Ausblendungen, Umgang mit Unsicherheiten, ‚Fehlern‘ etc. unterstützt die Weiterentwicklung. Checkliste Lehrportfolio Das Führen eines Lehrportfolios ermöglicht, kontinuierlich, systematisch und strategisch das eigene Lehrverständnis und die eigene Lehrpraxis reflexiv zu dokumentieren und zu professionalisieren. Den Kern des Lehr- <?page no="141"?> Lehrkompetenz 141 portfolios bildet dabei die Beschreibung der eigenen Lehrphilosophie. Lehrportfolios dienen zum einen der Selbstreflexion und zum anderen der Repräsentation z.B. in Berufungsverfahren ( → Berufungsprozesse), um: die eigene Lehrtätigkeit zu dokumentieren, die eigene Lernphilosophie zu reflektieren und zu begründen, Inhalte und Lehrmethoden aufzuzeigen und zu begründen, Perspektiven für die Lehre zu entwickeln, die eigene Professionalisierung aufzuzeigen. Möglicher Aufbau eines Lehrportfolios: Lehrphilosophie: Grundhaltung, Ansatz, Ziele und Rollenverständnis („mission statement“) Lehrpraxis: Darstellung der Umsetzung der Lehrphilosophie anhand ausgewählter Beispiele Lehrentwicklung: Umgang mit Evaluation und Feedback, Weiterbildung, Weiterentwicklung der Lehre in der Organisation Perspektiven für die Lehre: Weiterentwicklungsziele und -Perspektiven Anhang: Lehrverzeichnis, Auswahl an Evaluationen, Beispiel-Syllabus, etc. Literatur AUFERKORTE, Nicole und Sigrid METZ-GÖCKEL, 2000. Lehrportfolios - eine Methode zur Dokumentation und Evaluation der Lehre. In: HDZ-Rundbrief. 11(1). Dortmund. ECKER, Alois, 2010. Vorwort. In: Johanna MUCKENHUBER, Thomas SCHMI- DINGER und Claus TIEBER, Hrsg. Die Kunst der Lehre. Hochschuldidaktik in Diskussion. Münster: LIT Verlag, S. 7-10. HARAWAY, Donna, 1988. Situated Knowledges: The Science Question in Feminism and the Privilege of Partial Perspective. In: Feminist Studies, (14) 3. HRK, 2008. Eine Reform der Lehre in den Hochschulen. 3. Mitgliederversammlung der HRK vom 22.04.2008. Bonn, S. 3. REINMANN, Gabi, 2011. Förderung von Lehrkompetenz in der wissenschaftlichen Weiterbildung. In: M. WEIL, M. SCHIEFNER, B. EUGSTER und K. FUT- TER, Hrsg. Aktionsfelder der Hochschuldidaktik. Von der Weiterbildung zum Diskurs. Münster: Waxmann. WISSENSCHAFTSRAT, 2008. Empfehlungen z. Qualitätsverbesserung v. Lehre & Studium, http: / / www.wissenschaftsrat.de/ download/ archiv/ 8639-08.pdf. www.nhhl-bibliothek.de/ de/ handbuch (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2020) www.uni-konstanz.de/ asd/ infopool/ toolbox-lehre/ (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2020) <?page no="142"?> 142 Life Balance Life Balance Neela Enke Darf ich während der Doktorarbeit Urlaub machen? Wenn ich jetzt ein Sabbatical mache, dann ist meine Karriere im Eimer, oder? Ich bin so begeistert von meiner Forschung und Lehre, dass ich total gern super viel arbeite - aber kann ich das für immer durchhalten? Das sind drei sehr unterschiedliche Situationen, in denen Sie ür sich verschiedene Lebensbereiche balancieren sollen - eine Herausforderung. Der Begriff ,Work-Life-Balance‘ beinhaltet die Unterteilung der Lebensbereiche eines Individuums in zwei Hauptkategorien, nämlich die Arbeit (Beruf und Karriere) und das Privatleben (z.B. Gesundheit, Familie, Muße, Freunde, Hobbies und persönliche Entwicklung). Außerdem impliziert er eine sinnvolle Priorisierung der Kategorien zueinander sowie die Aufteilung der limitierenden Ressourcen Zeit und Energie auf die Hauptkategorien bzw. die einzelnen Aspekte dieser Kategorien. Für viele Menschen, so auch Wissenschaftler*innen, macht die Aufteilung in Arbeits- und Privatleben nur bedingt Sinn, da die Arbeit oft einen sinnstiftenden Teil des Lebens darstellt und mit dem Privaten in vielen Bereichen überlappt. Erwischen Sie sich auch manchmal dabei, vor sich selbst die Erlaubnis für Freizeit eher funktional zu begründen? Sie erlauben sich Freizeit und Erholung, weil Sie wissen, dass Sie erholt wieder viel ,produktiver‘ arbeiten können? Dahinter verschwindet der Gedanke, dass jeder Mensch ein Recht auf ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben haben sollte 11 - unabhängig von der Produktivität für die arbeitsgebende Institution. Die Perspektive auf das Leben als ein Ganzes kann helfen: In diesem Ganzen sollen die vielen verschiedenen Facetten Ihrer Person Ausdruck finden und in Balance miteinander stehen. Daher auch der hier verwendete Begriff ,Life-Balance‘. ,Life-Balance‘ kann (und muss) außer aus der Perspektive des Individuums und des persönlichen Handlungsspielraums auch aus der betrieblichen Perspektive betrachtet werden. In Organisationen finden sich Angebote, die die ,Life-Balance‘ unterstützen (sollen), in bestimmten Aspekten des betrieblichen Gesundheitsmanagements, Familienfreundlichkeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Diversity-Management wieder. Zur 11 Das Recht auf Erholung ist mit Artikel 24 auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als solches verankert. <?page no="143"?> Life Balance 143 erfolgreichen Umsetzung gehören aber auch die Betrachtung von Organisationskultur und impliziten Normen zu Arbeitsethik (z.B. „Mit einer kleinen Erkältung kann man ja wohl seinen Job machen“ oder „Im Home- Office ist niemand so produktiv wie im Büro“). Beim Herstellen Ihrer ,Life-Balance‘ geht es für Sie als Individuum letztlich darum, Verantwortung für Ihr Leben und Ihr Wohlergehen zu übernehmen. Das ist aber deutlich leichter gesagt als getan, denn die Herausforderungen sind mannigfaltig: Erstens ist es so, dass es immer mehr zu tun gibt, als Sie jemals schaffen können. Neue interessante Forschungsfragen, aufregende Kooperationen, noch bessere Lehre, noch ein Antrag mehr ... ( → Perfektionismus) Hier hilft auf der praktischen Seite, eine Forschungsstrategie als Entscheidungsgrundlage für sich zu entwickeln sowie ein gutes → Zeitmanagement. Auf der anderen Seite müssen Sie für sich einen Umgang damit finden, dass Sie niemals ,fertig‘ sein werden. Zweitens existiert in der Wissenschaft ein enormer Leistungsdruck, der auch impliziert, dass für Sie als ,richtige*r‘ Wissenschaftler*in Überstunden normal sind bzw. überhaupt der Blick auf Arbeitszeiten ,tabu‘ ist. Eine hohe Anzahl Überstunden wird als Ausdruck Ihres hohen Engagements gewertet. Forschung als Teilzeitjob ,geht gar nicht‘ - maximal für Menschen mit Kindern, dann aber auch nur übergangsweise. Sie haben es hier mit Glaubenssätzen 12 zu tun, die für das System Wissenschaft typisch sind und von vielen Wissenschaftler*innen im Laufe Ihrer Karriere verinnerlicht werden. Aber auch auf der individuellen Ebene bestehen Glaubenssätze: ‚Nein‘-Sagen - eine zentrale Strategie zur Balance-Erhaltung - ist oft mit der Enttäuschung ihrer eigenen, sozialer und/ oder berufsrollenspezifischer Erwartungen verknüpft. Fragen Sie sich selbst: Wann fällt es Ihnen persönlich schwer (oder auch leicht), Erwartungen zu enttäuschen und warum? Welche persönlichen Glaubenssätze (wie z.B. „Wenn ich ,nein‘ sage, könnte ich als egoistisch/ unkollegial/ überfordert wahrgenommen werden“; „Wenn ich ,nein‘ sage, verpasse ich ein wichtiges Projekt“) spielen bei Ihnen eine Rolle? Prüfen Sie immer wieder, ob Ihre Glaubenssätze in der aktuellen Situation auch tatsächlich relevant und realistisch sind. Dazu hilft es, sich Bedenkzeit zu verschaffen. Der bewusste Umgang mit Ihren Glaubenssätzen kann Ihnen eine objektivere Bewertung der Anfragen in Bezug auf Ihre Ziele und Prioritäten ermöglichen. ( → Selbstführung, Selbststeuerung). 12 Glaubenssätze sind Überzeugungen, die so oft gedacht wurden, dass sie als ,Wahrheit‘ akzeptiert wurden und nicht mehr hinterfragt werden. Sie werden in inneren Dialogen wirksam, die unbewusst ablaufen und so das eigene Verhalten steuern bzw. als ‚richtig‘ oder ,falsch‘ sowie ,gut‘ oder ,schlecht‘ bewerten. In der Regel handelt es sich um erlernte Sätze, die von Eltern, Respektspersonen, Vorbildern oder auch - wie im vorliegenden Fall - durch Kulturnormen und Ideale weitergegeben werden. <?page no="144"?> 144 Life Balance Drittens ist die Bewahrung der ,Life-Balance‘ eng mit dem Thema Selbstwert verknüpft. Zum einen stellen wir über ,Gebrauchtwerden‘ Selbstwert her. Sind Anfragen daher z.B. mit Komplimenten verknüpft, ist die Gefahr groß, Dinge zu tun, die Sie eigentlich nicht wollen: „Wenn Sie das machen, weiß ich, dass es gewissenhaft erledigt wird.“, „Niemand außer Ihnen hat diese Kompetenz! “, „Sie sind doch sonst immer so hilfsbereit! “ Diese Komplimente können durchaus ernst gemeint sein. Dennoch: bevor Sie geschmeichelt und spontan zustimmen, sortieren Sie sich kurz und beziehen Sie in Ihre Entscheidung Ihre Prioritäten und Forschungsstrategien ein. Zum anderen geht es um tiefe (organisations-)kulturelle Überzeugungen, Normen und Haltungen zu Produktivität, Genuss und Faulheit. Wann sind Menschen ,wertvoll‘ für eine Gesellschaft? Wieviel ,Genuss‘ ist angemessen? Ist ,Nichtstun‘ immer ,Faulheit‘ und welchen Wert hat ,Faulheit‘? Aber auch: Wie viel bin ich mir ,wert‘? Was erlaube und gönne ich mir? Viertens kann es auch um existenzielle Ängste und Realitäten gehen, z.B. um eine Anstellung oder Vertragsverlängerung - für internationale Wissenschaftler*innen ist damit häufig auch noch die Frage des Aufenthaltsstatus verbunden. Gerade für Wissenschaftler*innen in der Qualifikationsphase - der Karriere-Phase, in der Muster und Strategien für professionelles Verhalten entwickelt werden - sind die serielle Befristung und der hohe Konkurrenzdruck Gründe, das Thema ,Life-Balance‘ zu vernachlässigen und auf ,später‘ - nach Erhalt der festen Stelle - zu verschieben. Allerdings sind ,später‘ die erlernten Muster dann schon so verinnerlicht, dass sie dann oft nicht mehr hinterfragt werden. Fünftens hat durch die informationstechnologische Entwicklung eine Entgrenzung zwischen privatem und beruflichem stattgefunden und die Erwartung permanenter Verfügsowie Erreichbarkeit erzeugt. ( → VUCA) Werkzeuge dieser ‚Arbeitswelt 4.0‘, wie z.B. das Homeoffice, ermöglichen so auf der einen Seite mehr Raum für selbstgestaltete Arbeit und Flexibilität, benötigen auf der anderen Seite aber einen deutlich erhöhten Grad der Abgrenzung und → Selbststeuerung. Das Hinterfragen von individuellen, gesellschaftlichen und (organisations-) kulturellen Glaubenssätzen, Normen und Haltungen ( → Haltung) kann schwierig und mit (inneren) Konflikten verbunden sein. Hier braucht es eine kritische Auseinandersetzung mit den Glaubenssätzen - sowohl auf der individuellen Ebene (Was ist wichtig und richtig für Sie? Wie wollen Sie arbeiten? Welche Vorstellung von Arbeitsethik, Genuss und Freude haben Sie? ) wie auch auf der Ebene des sozialen Konstrukts ,Wissenschaft‘ (Welche Bedingungen brauchen wir, um Wissenschaft zu betreiben? Welche alten Prinzipien können wir loslassen? Welche gilt es zu bewahren? ). Es kann lohnend und befreiend sein. <?page no="145"?> Life Balance 145 Bevor Ihnen jetzt vor lauter Hinterfragen und Auseinandersetzung der Gedanke an Ihre ,Life-Balance‘ so viel Stress verursacht, dass sie das Thema lieber ignorieren, gibt es auch kleinere Schritte, die Sie unternehmen können, ohne sich selbst zu überfordern ( → Stress und Stresskompetenz). Die Veränderung Ihrer ,Life-Balance‘ ist ein komplexer Abwägungs-Prozess und integraler Bestandteils des modernen Lebens jenseits des Überlebens, der Zeit braucht und nachhaltig gedacht werden sollte. ( → Resilienz). Anregungen für die ,Life-Balance‘ Nehmen Sie sich ein Blatt Papier und etwas Zeit. Zeichnen Sie eine Tabelle mit zwei Spalten und notieren Sie: Welche Dinge in Ihren verschiedenen Lebensbereichen geben Ihnen Energie und welche rauben Ihnen Energie? Untersuchen Sie dann (kritisch): welche der energieraubenden Aktivitäten können Sie loswerden oder reduzieren? Und: welche der energiespendenden Aktivitäten sind Ihnen die wichtigsten? Blicken Sie im zweiten Schritt auf das Thema Zeit: Was ist schnell erledigt, was braucht Zeit und was raubt Zeit? Überlegen Sie auch hier: Welche zeitraubenden und unangenehmen Aktivitäten können ,weg‘? Wofür möchten Sie Ihre Zeit verwenden und ,verschwenden‘? Strategien: Fertigen Sie wieder eine zweispaltige Tabelle an; auf der einen Seite notieren Sie Strategien, die Sie befähigen, Ihre Balance zu halten, und auf der anderen notieren Sie solche Strategien, mit denen Sie Ihre Balance sabotieren. Konsultieren Sie diese Tabelle, sobald Sie das Gefühl haben, Ihre Balance zu verlieren. Und zuletzt noch ein Gedanke, der Bertolt Brecht zugeschrieben wird: „Ich rate, lieber mehr zu können, als man macht, als mehr zu machen, als man kann.“ Literatur BERG, Maggie und Barbara K. SEEBER, 2016. The Slow Professor. Challenging the Culture of Speed in the Academy. Toronto: University of Toronto Press. COLLATZ, Annelen und Karin GUDAT, 2011. Work-Life Balance. In: Praxis der Personalpsychologie (25). Göttingen: Hogrefe. SELTZER, Rena, 2015. The Coach’s Guide for Women Professors who want a successful career and a Well-balanced life. Sterling, Virginia: Stylus Publishing. <?page no="146"?> 146 Mikropolitik Mikropolitik Doris Cornils Mikropolitik, das sind die kleinen Spiele der Macht mit großer Wirkung. Macht und mikropolitisches Handeln werden häufig mit Destruktivität und Machtmissbrauch assoziiert. Viel zu selten werden andere Facetten der Macht(-spiele) beleuchtet. Da das persönliche Verhältnis zu Macht die Handlungsfähigkeit bestimmt und unmittelbaren Einfluss auf den beruflichen Erfolg hat, lohnt sich eine persönliche Auseinandersetzung. Mikropolitik ist auf der individuellen Ebene das „Arsenal jener alltäglichen ‚kleinen‘ (Mikro-)Techniken, mit denen Macht aufgebaut und eingesetzt wird, um den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern und sich fremder Kontrolle zu entziehen“ (Neuberger 1995, S. 14). Mittels mikropolitischer Taktiken nehmen die Mitglieder einer Organisation, wie z. B. Angestellte, Arbeiter*innen, Führungskräfte etc., Einfluss auf andere Organisationsmitglieder. Doch warum tun sie das? Weil Menschen Interessen haben, die sie verfolgen, wie beruflichen Aufstieg, Karriere, mehr Gehalt, Prestige oder eine erhöhte Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse - die Liste der Interessen ist lang. So auch die der mikropolitischen Einflusstaktiken, auf die sie dabei zurückgreifen. Zu den am häufigsten eingesetzten Taktiken im beruflichen Feld zählen beispielsweise ,inspirierende Appelle‘, um beim Gegenüber durch ,Emotionen, Werte und Ideale‘ Begeisterung hervorzurufen, ,Tauschangebote‘, ,Eigenwerbung‘, ,Koalitionsbildung‘, aber auch ,logische Argumente vortragen‘, ,Blockieren‘ oder ,unterstützende Informationen geben‘ (Blickle 2004). Grundlegend ür das individuelle Handeln ist mikropolitische Kompetenz. Sie umfasst: 1. Das Erkennen mikropolitischer Strategien von anderen Personen, die hinderlich oder örderlich ür die eigene Karriere sein können. 2. Die mikropolitischen Spielregeln in einer Organisation zu verstehen. Und 3. Taktiken in das eigene Handlungsrepertoire zu integrieren, die ür die erfolgreiche Gestaltung der Karriere und zur Verwirklichung beruflicher Interessen zielührend sind. (Cornils, Mucha und Rastetter 2014). Organisationen ohne Mikropolitik? Die gibt es nicht! Dies ist besonders für jene ernüchternd, die sich machtfreie Zonen oder gar eine Welt ohne Machtspiele wünschen. Besonders ausgeprägte Mikropolitiken finden wir in Institutionen, die von bürokratischen Strukturen und von Hierarchien geprägt sind, so auch in Hochschulen und anderen Wissenschaftsinstituti- <?page no="147"?> Mikropolitik 147 onen, der Verwaltung sowie in Kliniken und anderen mehr. Organisationen sind folglich mikropolitische (Spiel-)Felder. Mikropolitik ist demnach das Zusammenspiel von Organisations- und Handlungsebenen, die reflexiv aufeinander bezogen sind und fortlaufend von den Organisationsmitgliedern in gemeinsamen Interaktionen neu hergestellt werden (Crozier und Friedberg 1979). Sowohl die strukturelle Organisationsebene als auch die Handlungsebene sind durchwoben von Genderaspekten (wie z. B Stereotypen, geschlechtliche Sozialisationsprägungen). 13 Für Karriere und Aufstieg sind folgende Handlungsfelder relevant: Vereinbarkeit von Karriere und Familie/ Work-Life-Balance ( → Life- Balance), Netzwerke/ Koalitionen bilden, Selbstdarstellung → Netzwerken, Selbstpräsentation), Emotionen, Unternehmenskultur, Körperlichkeit und Verhältnis zu Macht. (Rastetter, Cornils und Mucha 2011; Cornils 2014) Als achtes Handlungsfeld entpuppte sich im weiteren Verlauf der Forschung ,Solidarität und Konkurrenz unter Frauen‘ (Cornils 2011). Dem persönlichen ,Verhältnis zu Macht‘ kommt eine besondere Bedeutung zu. Ob das Verhältnis zu Macht positiv, negativ oder ambivalent ist, hat Auswirkungen auf die mikropolitische Handlungsfähigkeit. ( → Führungsstile) Es stellt deshalb die Grundlage für alle Handlungsfelder dar. Aus Genderperspektive zeigt sich, dass Frauen häufig ein ambivalentes oder ablehnendes Verhältnis zu Macht haben, welches eng mit im Selbstbild verinnerlichten Werten, Moralvorstellungen und Geschlechterstereotypen verbunden ist. Auf der einen Seite verbinden sie mit Macht destruktive Assoziationen, wie Manipulation und Machtmissbrauch. Auf der anderen Seite bedeutet für sie über Macht zu verfügen, dass es sie befähigt, Einfluss zu nehmen und gestalten zu können. Diese Ambivalenz hat eine innere Zerrissenheit zur Folge, die sich auf die Handlungsfähigkeit auswirkt und dazu führt, dass die Gestaltung der Karriere davon beeinflusst wird. Z. B. geraten die Karriere bzw. der Aufstieg ins Stocken oder es werden destruktive Machtspiele von Anderen nicht frühzeitig erkannt. Frauen, die ein sog. Mikropolitik-Coaching in Anspruch nehmen, reflektieren die Facetten der Macht, gelangen darüber häufig zu einem positiven Verhältnis zu Macht und entwickeln die Fähigkeit destruktive Machtspiele frühzeitig zu erkennen und ihnen etwas entgegenzusetzen. Dieses führt zu deutlichen Auf- 13 Im Forschungsprojekt „Mikropolitik und Aufstiegskompetenz von Frauen“ (Universität Hamburg), das Teil des Verbundprojektes „Aufstiegskompetenz von Frauen - Entwicklungspotenziale und Hindernisse auf dem Weg zur Spitze“ war, wurden Mikropolitik und Gender in einem aufeinander bezogenen Kontext untersucht und „zum ersten Mal im Rahmen der Forschung zu Frauen und Karriere eine Interventionsstudie durchgeführt“, in der geklärt wurde, „ob mikropolitische Kompetenzen für den Aufstieg eine Rolle spielen und wie sie gelernt werden können“ (Rastetter, Cornils und Mucha, 2011, Freie Assoziation 14(3&4)). <?page no="148"?> 148 Mikropolitik stiegs- und Karriereerfolgen. Welche innere → Haltung haben Frauen mit einem positiven Verhältnis zu Macht? Sie wissen um Mikropolitiker*innen, die destruktive Machtspiele verfolgen. Sie wissen, dass es von zentraler Bedeutung ist, die Machtspiele dieser Personen zu verstehen, um nicht von ihnen in dunkle Machenschaften verstrickt zu werden und um rechtzeitig zu erkennen, wer ihnen und ihrer Karriere wohlgesonnen ist und wer nicht. Sie wissen, mit wem es sich lohnt sich zu verbünden und Netzwerke aufzubauen und wen es besser gilt zu meiden ( → Netzwerken). Sie definieren ihr persönliches Verhältnis zu Macht als positiv, im Sinne einer persönlichen Kraft (Power) mit der sie sich produktiv für Organisationsziele einsetzen und individuelle Karriereziele erfolgreich umsetzen können. Checkliste und Klärungshilfe Wie ist mein Verhältnis zu Macht? Was trägt dazu bei, dass ich Macht ablehne, ambivalent oder positiv betrachte? Welche Bilder zu Macht habe ich im Kopf? Könnte ich neu über Macht nachdenken und sie als eine Kraft entdecken, die unabhängig von einer (Organisations-)Position in mir schlummert? Wie kann ich mir mikropolitische Kompetenzen aneignen, die förderlich für meine berufliche Entwicklung sind? Welche benötige ich, um destruktive Machtspiele zu erkennen? Ihr Weg zu einem positiven Machtverhältnis: Schreiben Sie Ihre persönlichen Stärken, Kompetenzen, Ressourcen, über die Sie verfügen, auf. Sie werden entdecken, dass Sie bereits einen Schatz in sich tragen. Ihre Stärken für persönliche und gemeinschaftliche Ziele einzusetzen macht Sie zur*m machtvollen Mitgestaltenden. Ich wünsche Ihnen Offenheit, Mut und Freude am Experimentieren! Literatur BLICKLE, Gerhard, 2004. Einfluss ausüben, Ziele verwirklichen. Eine Übersicht über Einflusstaktiken in Organisationen und ihre situationsspezifischen Wirkmechanismen. In: Personalführung. 6, S. 58-70. CORNILS, Doris, 2011. Konkurrenz und Solidarität unter Frauen im Management. In: Freie Assoziation. 14 (3&4), S. 75-102. CORNILS, Doris, 2014. Mikropolitik-Coaching für den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen. In: Heidi MÖLLER und Ronja MÜLLER-KALKSTEIN, Hrsg. Gender und Beratung: auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit in Organisationen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. <?page no="149"?> Misserfolge und Scheitern 149 CORNILS, Doris, Anna MUCHA und Daniela RASTETTER, 2014. Mikropolitisches Kompetenzmodell: Erkennen, verstehen und bewerten mikropolitischer Kompetenz. In: OSC Organisationsberatung, Supervision, Coaching. 1(14), S. 3-19. CROZIER, Michel und Erhard FRIEDBERG, 1979. Macht und Organisationen: Die Zwänge kollektiven Handelns. Königstein: Athenaeum-Verlag. NEUBERGER, Oswald, 1995. Mikropolitik. Der alltägliche Aufbau und Einsatz von Macht in Organisationen. Stuttgart: Enke. Misserfolge und Scheitern Boris Schmidt Wenn ich mit einem Projektantrag, einer Publikationseinreichung oder mit einer Bewerbung scheitere, dann nagt das ganz schön an mir. Bin ich zu zart besaitet oder ist das normal? Wie kann ich damit umgehen, wenn (wieder) einmal alles schief läuft? In Wissenschaft und Hochschule sind Rückschläge, Scheitern und Misserfolge allgegenwärtig: Prüfungen werden nicht bestanden. Bewerbungen bleiben fruchtlos. Experimente gelingen nicht. Theorien müssen verworfen werden. Projektanträge scheitern. Manuskripte werden zurückgewiesen. Kandidaturen, Investitionen und Engagements bringen nicht die Früchte, die sie versprachen. Und so weiter und so fort. Das Scheitern gehört zum Geschäft der Wissenschaft und der Hochschule. Es ist in Lehre, Forschung, im Wissenschafts- und Hochschulmanagement und der individuellen Karriereentwicklung gleichermaßen präsent, erscheint in verschiedensten Formen, Intensitäten, Dauern und mit vielfältigen Auswirkungen. Trotz (oder gerade wegen? ) dieser Allgegenwärtigkeit des Scheiterns ist es höchst unangenehm, kann ärgern und wehtun. Manchmal allzu weh: Zu heftiges Scheitern, eine zu hohe Dosis oder Dauer kann mehr sein, als ein Individuum ,einfach so wegsteckt‘. Sowohl das einmalige Scheitern - etwa in einem besonders ans Herz gewachsenen Vorhaben - als auch die Aneinanderreihung vieler kleiner Rückschläge oder Misserfolge können zu einem belastenden Problem werden. Frustration, Verbitterung, Symptome des Burnouts, eine zynische Haltung oder der Gedanke, die Flinte ganz und gar ins Korn werfen zu wollen, können die Folge sein. <?page no="150"?> 150 Misserfolge und Scheitern Weil jedoch das Scheitern als solches zum menschlichen Handeln dazugehört und zahllose Generationen vor uns - ob innerhalb von Wissenschaft und Hochschule oder außerhalb - Erfahrungen damit gemacht haben und einen Umgang damit finden mussten, gibt es bewährte Ansatzpunkte, um auch in der schwierigen Situation des Scheiterns wieder nach vorne zu blicken. Wie Sie Rückschläge, Misserfolge und Scheitern überstehen Die zehn so genannten ,Weisheitskompetenzen‘ sind eine Zusammenfassung der Fähigkeiten, Haltungen und Denkweisen, die sich von jeher bewährt haben, um schwierigen, teils aussichts- oder hoffnungslosen Situationen dennoch das Bestmögliche abzugewinnen. Sie helfen, auch im Negativen noch den einen kleinen Funken Positives zu entdecken. Diese zehn Kompetenzen lassen sich auch im Umgang mit Rückschlägen, Scheitern und Misserfolgen anwenden: Situationen in ihrem Kontext verstehen: Scheitern findet nicht im luftleeren Raum statt. Zeitliche Zusammenhänge, Ereignisketten, aber auch die Bedeutung, die wir den Dingen beimessen, spielen eine Rolle. Beschreiben Sie ganz nüchtern, sachlich und Schritt für Schritt, in welchem Kontext Ihr Scheitern sich ereignete, was wann wozu führte und welche Faktoren dazu beitragen, dass Sie das Erlebte als ‚Scheitern‘ erleben und interpretieren. Die Perspektive wechseln: Am Scheitern ist selten nur eine einzige Person (zum Beispiel: Sie selbst) beteiligt. Andere haben auch ihren Teil dazu beigetragen, ob absichtlich oder unabsichtlich, als Ihre Verbündeten, als Gegenspieler*innen oder als Unbeteiligte. Versuchen Sie, die Ereignisse aus diesen verschiedenen Perspektiven zu schildern und zu verstehen: Was erlebten Sie, was erlebten die anderen? Die eigenen Emotionen wahrnehmen und akzeptieren: Scheitern geht mit unliebsamen Gefühlen einher, etwa Trauer, Wut, Scham, Angst, Schuld. Akzeptieren Sie, dass diese Gefühle in Ihnen auftreten - alles andere wäre sonderbar. Nehmen Sie sie wahr, benennen Sie sie und erlauben sie ihnen, sich zu zeigen. Sie werden nicht ewig bleiben. ( → Selbststeuerung) Probleme systematisch und faktenbasiert lösen: Scheitern schafft Probleme. Lösen Sie diese, und zwar nicht mit dem hektischen und emotionalen Blick des Scheiterns („Wie konnte das bloß passieren? “), sondern mit dem Blick eines bestmöglich zu lösenden Problems („Und was tue ich jetzt? “) - nüchtern und distanziert, als gute Anwältin oder guter Anwalt Ihrer Selbst. Gerne auch mit Hilfe externer Expertise und fachlichem Rat. ( → Selbstführung) <?page no="151"?> Misserfolge und Scheitern 151 Werte, Maßstäbe und Vorannahmen relativieren: Scheitern ist eine Bewertung - zumeist eine gut nachvollziehbare. Aber eine Bewertung. Nicht mehr. Machen Sie sich bewusst, anhand welcher Maßstäbe und Vorannahmen Sie das, was Ihnen geschah, als ‚Scheitern‘ erleben, und machen Sie sich gezielt auf die Suche nach alternativen, genau so ,wahren‘ Interpretationen und Bewertungen derselben Ereignisse. Zu sich selbst in eine angemessene Distanz gehen: Scheitern ist das unselige Ergebnis einer Kette von Ereignissen. Bloß weil in Ihrer Biografie ein Rückschlag oder Misserfolg vorgekommen ist, sind Sie noch lange nicht das personifizierte Scheitern. Betrachten Sie das, was Ihnen geschah, und das, was Sie daraus folgern, aus einer wohltuenden Distanz. Wie in einer Reportage, in der Sie das Thema und die liebenswerte Hauptfigur sind. Ambiguität und Unsicherheit tolerieren: Scheitern fühlt sich eindeutig, definitiv, endgültig und - im Rückblick - unausweichlich an. Die Welt ist es nicht und die Zukunft erst recht nicht. Nehmen Sie hin, dass Sie auch künftig nur so gut entscheiden und handeln können, wie es Ihnen jeweils möglich ist. Risiken, erneut zu scheitern, bleiben. Aber auch Chancen, es nicht zu tun. Nichts ist ganz gewiss. ( → VUCA) Nachhaltigkeit anstreben: Scheitern lädt oftmals zu Reaktionen ein, die radikal und von nur kurzfristig positiver, entlastender Wirkung sind. Bevor Sie Konsequenzen ziehen oder sich für eine Handlungsoption entscheiden, vergleichen Sie die kurz-, aber auch die langfristig zu erwartenden Auswirkungen mit Ihren übergeordneten Handlungszielen. Empathie für sich selbst und für andere aufbauen: Auf Scheitern reagieren viele Menschen, indem sie sich oder anderen die Schuld geben oder sich vorwerfen, dass sie anders hätten handeln müssen - wenn sie es denn rechtzeitig gewusst oder geahnt hätten. Haben Sie aber nicht. Erlauben Sie sich, für Ihr eigenes unvollkommenes Handeln und das der anderen Verständnis aufzubringen. Den Dingen mit Humor, Milde und Gelassenheit begegnen: Scheitern ist überhaupt nicht heiter und lädt zu Bitterkeit und Aufgeregtheit ein. Wenn es irgend möglich ist - fügen Sie die notwendigen Zutaten hinzu, um der ganzen Angelegenheiten am Ende doch noch etwas Versöhnliches abzugewinnen. Sei es aus einzelnen heiteren Details, aus der Absurdität des ganzen Spiels oder aus der Gesamtsituation heraus. Atmen Sie durch und machen Sie sich mit einer geklärten, milden Haltung daran, den Scherbenhaufen aufzukehren und etwas Neues zu beginnen. All diese Ansatzpunkte können und werden Sie nicht vor der Erfahrung des Scheiterns an sich, vor Misserfolgen oder Rückschlägen bewahren. <?page no="152"?> 152 Mobbing Aber sie können eine Hilfestellung sein, um aus einer solch emotional belastenden Situation wohlbehalten wieder herauszukommen. ( → Resilienz) Literatur BAUMANN, Kai und Michael LINDEN, 2008. Weisheitskompetenzen und Weisheitstherapie: Die Bewältigung von Lebensbelastungen und Anpassungsstörungen. Lengerich: Pabst. ENGELBRECHT, Sigrid und Michael LINDEN, 2009. Lass los! Es reicht - Wege aus der Verbitterung. Salzburg: Ecowin. Mobbing Monika Klinkhammer & Neela Enke Seitdem ich erfolgreich ein Drittmittelprojekt eingeworben habe, greift mich mein Kollege im Fachbereich ständig an. Er redet schlecht über mich, ich sei unkooperativ, hätte Daten manipuliert und mich auf Kosten anderer profiliert. Vom Dekan weiß ich, dass eigentlich ein für mich bestimmtes Büro - so eine alte Absprache im FB - nun ihm zugewiesen wurde. Ich denke die ganze Zeit darüber nach, schlafe kaum noch und fühle mich gemobbt. Bei Konflikten wird schnell das Wort ‚Mobbing‘ in den Mund genommen. Eine Klärung, ob ein eskalierender Konflikt tatsächlich Mobbing ist, ist auch ür die Gegenmaßnahmen wichtig. „Unter Mobbing ist zu verstehen, dass jemand am Arbeitsplatz häufig über einen längeren Zeitraum schikaniert, drangsaliert oder benachteiligt und ausgegrenzt wird.“ (Meschkutat, Stackelbeck und Langenhoff 2002: 19) Mobbing zielt damit vor allem auf die bewusste Schädigung und Ausgrenzung einer Person ab. Die Mobbinghandlungen sind massiv, gravierend bis gesundheitsgeährdend gegen die Person gerichtet; Täter*innen und Opfer bleiben erkennbar. Die systematischen Angriffe finden mindestens 1 x pro Woche über einen Zeitraum von wenigstens drei Monaten statt. Mobbing verläuft dabei in typischen Phasen: In Phase 1 wird ein anfänglicher Konflikt überdeckt und eskaliert; in Phase 2 nehmen Angriffe und Schädigungen zu, Betroffene reagieren auch psychosomatisch; in Phase 3 kommt es zu (arbeits-) rechtlich relevanten Maßnahmen von Vorgesetzten <?page no="153"?> Mobbing 153 und der Personalabteilung, die zum Teil überreagieren und dadurch teils unbewusst dem Mobbing Vorschub leisten, z.B. indem dem Betroffenen einseitig Schuld zugewiesen oder eine Kündigung nahe gelegt wird; in der 4. Phase verschlimmern ärztliche und/ oder psychologische Fehldiagnosen die Situation für die Betroffenen; in der 5. Phase erfolgt der Ausschluss aus dem Arbeitsleben (z. B. Versetzung, Krankheit, Frühverrentung, Kündigung). Aktiv mobbende Personen streben keine wirkliche Konfliktlösung an; Betroffene geraten zunehmend in eine schwächere Position (‚Opferrolle‘). Im späteren Verlauf werden Vorgesetzte, Personalräte etc. (teils unwissend) instrumentalisiert. Charakteristische Mobbinghandlungen, die oft vor den Augen Anderer erfolgen, sind z. B.: 1. Angriffe auf die Möglichkeit zur Kommunikation : Relevante Informationen werden nicht, falsch, zu früh oder zu spät weitergeleitet; Notebooks, Dateien oder Daten zu Experimenten verschwinden oder werden beschädigt; Einladungen zu wichtigen Meetings werden nicht weitergeleitet. 2. Angriffe auf die sozialen Beziehungen: Betroffene werden isoliert, oftmals ausgegrenzt, zu informellen Treffen oder bei Absprachen z. B. bei neuen Drittmittelanträgen, wie SFB oder Graduierteneinrichtungen, nicht einbezogen. 3. Angriffe auf das soziale Ansehen: Es werden Gerüchte über das Privatleben in die Welt gesetzt (z. B. zu politischen, religiösen, sexuellen Orientierungen oder Alkoholismus, Drogensucht, kriminellem Verhalten); es werden sexuelle Beziehungen zu Vorgesetzten oder Untergebenen unterstellt. 4. Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation : Die Leistungsfähigkeit oder erbrachte Leistungen werden abgewertet, unwissenschaftliches oder unethisches Verhalten z. B. bei Experimenten unterstellt; Insiderinformationen oder Forschungsergebnisse werden vor der Veröffentlichung nach außen getragen oder die Reputation auch durch Cybermobbing systematisch geschädigt. 5. Angriffe auf die Gesundheit: In Laboren werden z. B. ‚zufällig‘ gefährliche Substanzen freigesetzt; die Arbeitszeiten und -orte so gelegt, dass es für die betroffene Person riskant oder mit Nachteilen verbunden ist (z. B. Lärm, Hitze). Jede*r Dritte ist statistisch betrachtet im Leben einmal von Mobbing betroffen. Das Risiko, direkt oder indirekt von (Cyber-)Mobbing betroffen zu sein, ist im konkurrenz- und hierarchiegeprägten Arbeitsumfeld in Hochschule und Wissenschaft besonders hoch. <?page no="154"?> 154 Mobbing Als allgemeine Ursachen für Mobbing sind u. a. Neid, mangelnde → Feedback- und Kritikkultur, starke Leistungsorientierung, nicht situationsgerechtes Führungsverhalten oder ungleiche Belohnungssysteme empirisch nachgewiesen. Personen, die sich von anderen in einer Arbeitsgruppe (vermeintlich) unterscheiden, sind stärker gefährdet, in eine ‚Sündenbock- Rolle‘ zu geraten. Je stärker Mobbinghandlungen ausgeprägt sind, desto größer und nachhaltiger sind die individuellen und organisationalen negativen Auswirkungen, auch auf die Zusammenarbeit im Team und gesamte Organisation. Mobber*innen sollten früh Grenzen gesetzt werden. Zu Beginn kann dabei der Einbezug aller Strategien zur Lösung von Konflikten sinnvoll sein. ( → Konfliktmanagement) Ab der 2. Phase sollten Vorgesetzte und ggf. Interessenvertretungen einbezogen werden. Führungskräfte müssen schon beim Verdacht auf Mobbing aktiv werden und sich durch Expert*innen unterstützen lassen. Neben der Fürsorgepflicht gilt es, eine auf Kooperation und Wertschätzung basierende Arbeitskultur zu erhalten. Eine abwartende Strategie hat negative Vorbildfunktion und wirkt als Bestätigung bzw. Duldung der Mobbinghandlungen durch Vorgesetzte. In späteren Phasen bedarf es regelmäßig juristischer, psychologischer, medizinischer, supervisorischer Begleitung durch Experte*innen (Mediation, Coaching, Supervision, Psychotherapie, Arbeitsrecht, Arbeitsmedizin, Ombudsstelle usw.), die sich auch mit Mobbing auskennen. Checkliste bei typischen Anzeichen von Mobbing (als Betroffene*r, Kollege*in oder Führungskraft) sich fachlich informieren, beraten lassen und Mobbing- Tagebuch führen. → Konfliktmanagement frühzeitig angehen, Konfliktgespräche führen. Grenzen setzen, auf psychische und körperliche Gesundheit achten. Verbündete und soziale Unterstützung (beruflich und privat) suchen. Mobbing im Team und in der Organisation zum Thema machen (Teambesprechungen, Personalversammlungen, Weiterbildungen). eindeutige Positionierung als Leitungs- und Führungskraft: → Haltung verdeutlichen und Aufzeigen negativer Auswirkungen, auch auf Arbeit und Organisation. Benennen von Anlauf-/ Beratungsstellen und Ansprechpersonen. Installieren eines Beschwerdeweges, auch über Dienstvereinbarungen. <?page no="155"?> Motivation 155 Literatur / Links MESCHKUTAT, Bärbel, Martina STACKELBECK und Georg LANGENHOFF, 2002. Der Mobbing-Report. Eine Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland. Sozialforschungsstelle Dortmund. Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag. www.ombudsman-fuer-die-wissenschaft.de - DFG Ombudsgremium als Ansprechpartner für allgemeine Fragen zu den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis. Die Mitglieder des Gremiums sind in ihrer beratenden und unterstützenden Tätigkeit eigenständig. Die DFG wird nicht in ein Ombudsverfahren involviert oder über die Inhalte und Beteiligten informiert. (zuletzt aufgerufen am 18. Mai 2020) www.mobbingberatung-bb.de/ - Informationen zu Mobbing und Auswegen aus Konfliktbzw. Machtspiralen (zuletzt aufgerufen am 18. Mai 2020) Motivation Sylvia Löhken Bodo (Chef): „Ich verstehe das nicht, Katja. Sie wissen so viel. Sie sind die erfahrenste Kraft im Team. Und wir waren uns doch einig darüber, dass Sie die richtige Person sind, um Theo einzuarbeiten. Was ist denn los? “ - Katja schweigt. Menschliches Verhalten hängt von drei Faktoren ab: vom Dürfen (soziale Regeln, Befugnisse), vom Können (Kompetenz) und vom Wollen (innerer Antrieb, Motivation). Dies gilt auch ür die Leistung eines Teammitglieds. In unserem Eingangsfall sind Dürfen und Können gegeben, denn Katja darf, soll und kann Theo gut einarbeiten. Weil genau das nicht passiert, ist es wahrscheinlich, dass die Schwierigkeit im Wollen liegt, in Katjas Motivation. Eine Zielvereinbarung, wie Bodo sie mit Katja bespricht, ist etwas sehr Rationales. Motive aber ‚liegen im Bauch‘: Sie sind Gefühlssache und uns oft nicht einmal bewusst. Gerade deshalb ist es so wichtig, ihnen auf den Grund zu gehen. Sie sind die Grundlage für stabile Bedürfnisse und Werte, die uns dauerhaft beeinflussen und unsere Wahrnehmung prägen. ( → Fremdbild/ Selbstbild, Haltung) Im beruflichen Kontext sind Motive wie Einfluss, Wettbewerb, Sicherheit, Status, Neugier, Teamorientierung oder Anerkennung entscheidend. Moti- <?page no="156"?> 156 Motivation ve lassen sich gut in bipolaren Skalen darstellen. Anerkennung z.B. lässt sich wie folgt darstellen: Je stärker ausgeprägt ein Motiv ist, umso stärker wirkt es als Impuls. Nehmen wir einmal an, Katja hat ein sehr ausgeprägtes Fremdanerkennungsmotiv: Sie benötigt regelmäßig Bestätigung von anderen, dass ihre Leistung gut und hilfreich ist Darauf baut ihr Selbstbild auf. Begegnet ihr Theo kritisch oder herablassend, reagiert sie verunsichert oder gar verletzt. Emotionen, die an das Motiv gebunden sind, kann man von außen nicht ändern. Bodo kann aber herausfinden, was Katja wichtig ist und ihr Bedürfnis nach Anerkennung wahrnehmen und würdigen. Das ist schwerer, wenn er persönlich eher am anderen Ende der Skala angesiedelt ist und von der Selbstanerkennung geprägt ist. Er bezieht dann ihr Selbstbild aus seiner eigenen Einschätzung und erkennt Katjas Bedürfnis nach Bestätigung von außen nicht. Wenn er aber weiß, was Katja wichtig ist, kann er sein Führungsverhalten danach ausrichten und Katja die Anerkennung geben, die sie braucht. Ihre beste Leistung bringt Katja wie wir alle dann, wenn bewusst gesetzte Ziele mit ihren Motivausprägungen übereinstimmen. Die Arbeit wird als angenehm oder sogar freudvoll empfunden und geht leichter von der Hand. Dies ist der Zustand der intrinsischen Motivation. Nicht sehr nachhaltig ist dagegen die extrinsische Motivation, die durch äußeren Druck kommt. Würde Bodo Katja unter emotionalen Druck setzen (z.B. ihr drohen), würde Katja sich womöglich mehr Mühe mit Theos Einarbeitung geben. Dies würde sie aber erstens viel (Willens-)Kraft kosten. Zweitens würde Katja sehr wahrscheinlich mit ihrer Bemühung aufhören, sobald Bodos Einfluss nachließe - etwa durch eine Versetzung. Drittens würde Katja wohl jede Arbeitsfreude vergehen. Gegen die Macht der Gefühle kommt der Verstand letztendlich nicht an. Die intrinsische Motivation ist der extrinsischen immer überlegen. Wenn eine Leistung nicht erbracht wird, muss das nicht zwangsläufig an der Motivation liegen: Manchmal liegt es auch am Können, nicht am Wollen, manchmal an beiden Leistungsfaktoren. Zur Orientierung bieten Lorenz und Rohrschneider (2008) einen systematische Überblick (die Begriffe wurden abgeändert). <?page no="157"?> Motivation 157 Bei fachlicher oder sozialer Überforderung hilft eine Motivationsmaßnahme auch nicht weiter. Umgekehrt gilt das Gleiche: Bodo kann mit Katja den Grund der Schwierigkeiten abklären, ihre Bedürfnisse herausfinden und sie entsprechend unterstützen. Das Wichtigste auf einen Blick Leistungsfähigkeit beruht auf einem Miteinander von Dürfen, Können und Wollen. Motive sind stabile individuelle Eigenschaften der Persönlichkeit. Sie treiben dauerhaft dazu an, etwas zu tun oder zu lassen. Sie sind wichtig, um die Eignung, die Leistung und die Motivation von Teammitgliedern zu verstehen und zu fördern. Die Fähigkeit zur Veränderung, die Sinnhaftigkeit des eigenen Handelns und der Energiehaushalt hängen eng mit der individuellen Motivausprägung zusammen. Als Führungskraft tun Sie gut daran, die Motivausprägungen ihrer Teammitglieder zu erkennen: Diese sind der Schlüssel zu intrinsischer Motivation und zu langfristigem (Team-)Erfolg. Sehen Sie bei Low Performern genau hin: Liegt der Grund für die Minderleistung am Können (Kompetenz) oder am Wollen (Motivation)? Literatur HOFERT, Svenja, 2017. Psychologie für Coaches, Berater und Personalentwickler. Weinheim: Beltz. ION, Frauke und Markus BRAND, 2009. Motivorientiertes Führen. Offenbach: Gabal. LORENZ, Michael und Uta ROHRSCHNEIDER, 2008. Praktische Psychologie für den Umgang mit Mitarbeitern: Die vier Mitarbeitertypen führen. Frankfurt: Campus. ROHRSCHNEIDER, Uta, 2011. Macht, Neugier, Team ... Mitarbeiter individuell führen und motivieren mit dem Reiss-Motivationsprofil. Wiesbaden: Gabler. <?page no="158"?> 158 Nachwuchsförderung Nachwuchsförderung Mirjam Müller Bis neulich war ich noch selbst Nachwuchswissenschaftlerin, nun kann und soll ich meine eigenen Doktorand*innen und Postdocs fördern. Wie mache ich das wirkungsvoll - und ohne zu viel Zeit für meine Forschung zu verlieren? Für die Nachwuchsörderung bringen Wissenschaftler*innen viel passive Erfahrung mit - sind sie doch selbst durch diese Karrierephase gegangen. Umso mehr bedeutet die Übernahme der Betreuungsfunktion ür eigene Doktorand*innen und Postdocs einen Status- und Rollenwechsel, ür den eine bewusste Reflexion hilfreich ist. Die meisten Nachwuchsgruppenleiter*innen, Juniorprofessor*innen und Neuberufenen denken bei der Betreuung von Nachwuchswissenschaftler*innen zuallererst daran, diesen größtmögliche Freiheit ür die Entfaltung ihrer wissenschaftlichen Ideen zu geben, ihnen aber jederzeit ür Fragen und Unterstützung zur Seite zu stehen. Darüber hinaus müssen Betreuer*innen aber auch ihre Rolle als Projektleitung oder Führungskraft wahrnehmen, und dies beinhaltet, einen Rahmen ür die Arbeit zu setzen, z.B. Deadlines ür die Abgabe von Arbeitsergebnissen, Arbeits- und Anwesenheitszeiten, Urlaubsregelungen. Drittens geht es darum, die eigene Karriere im Blick zu behalten: Vielleicht tragen die Publikationen mit dem Nachwuchs zum eigenen Fortkommen bei (und müssen zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig werden). Sicher brauchen Sie Zeit ür all Ihre Projekte und Pflichten - jederzeit ansprechbar zu sein, ist da vermutlich nicht realistisch. Eine Reflexion über die eigene Erfahrung als Nachwuchswissenschaftler*in mit Betreuer*innen und Führungspersonen hilft dabei, bewusster an alle drei Rollen heranzugehen. Wichtig ist dabei, nicht nur die eigenen Präferenzen zum Maß der Dinge zu machen, sondern zu überlegen, welche Art von Betreuung unterschiedliche Persönlichkeiten benötigen. ( → Persönlichkeiten von Mitarbeitenden, Motivation). Gerade bei Doktorand*innen ist das Spektrum noch sehr breit. Einige Personen benötigen vor allem zu Beginn Rückmeldungen zu Erwartungen an ihr wissenschaftliches Arbeiten, methodische Einführungen und möglicherweise klare Strukturen. Eine gute Einarbeitung und klare Regeln im Team ersparen Konflikte und manch schwieriges Gespräch zu fortgeschrittenem Zeitpunkt. An den meisten Forschungseinrichtungen sind inzwischen Betreuungsvereinbarungen für Doktorand*innen verpflichtend vorgesehen. Nutzen Sie dies als Chance, Ihre (oft impliziten) Erwartungen transparent zu machen. Möglicherweise <?page no="159"?> Nachwuchsförderung 159 sind als Teil der Betreuungsvereinbarung auch Statusgespräche zum Stand der Qualifikationsarbeit vorgesehen. Zusätzlich gehört zu guter Nachwuchsförderung aber auch, → Feedback zur wissenschaftlichen Karriere zu geben, sei es einmal jährlich als Mitarbeitergespräch oder zumindest im letzten Jahr der Promotion und nach zwei Jahren Postdoc, wenn Entscheidungen über den Verbleib in der Wissenschaft gefällt werden müssen ( → Gespräche mit Mitarbeitenden, Karriereplanung). Ob die Wissenschaftskarriere eines Doktoranden oder einer Postdoc erfolgreich in eine Professur münden wird, kann natürlich niemand mit hundertprozentiger Sicherheit voraussagen. Erwartet werden darf jedoch ein → Feedback zum bisherigen Fortkommen und eine vergleichende Einschätzung zur Qualifizierungskohorte. Dies ist eine wichtige Rückmeldung, die oft auch helfen kann, die Fertigstellung von Arbeiten zu beschleunigen. Sollte der Weg des Nachwuchses aus der Wissenschaft herausführen ( → Ausstieg aus der Wissenschaft), müssen nicht Sie selbst eine Berufsberatung im fremden Feld bieten - dafür gibt es an den meisten Wissenschaftseinrichtungen Fachleute in Career Service, Graduiertenzentrum oder Personalentwicklung. Apropos Fachleute: Sicher gibt es an Ihrer Universität auch weitere Strukturen und Dienstleistungen zur Nachwuchsförderung. Machen Sie Ihre Doktorand*innen und Postdocs darauf aufmerksam und ermuntern Sie sie, diese zu nutzen, auch zu Ihrer eigenen Entlastung. Kerngeschäft für die Betreuung von Nachwuchswissenschaftler*innen ist es, Doktorand*innen und Postdocs gute Arbeitsbedingungen und Fortkommen in ihrer Karriere zu ermöglichen. Das beginnt bei der Finanzierung: Schließen Sie, wenn immer möglich, Verträge, die die ganze Dauer der Qualifizierungsphase umfassen und bei denen die volle Arbeitszeit ausfinanziert ist. Unterstützen Sie bei der Einwerbung von Stipendien, schaffen Sie so früh wie möglich Transparenz über Verlängerungsmöglichkeiten, setzen Sie sich etwa bei einer Verhandlung mit dem Rektorat auch für die Entfristung oder die Umwandlung einer Stelle in eine Juniorprofessur ein. Unterstützen Sie Ihren Nachwuchs bei seiner Sichtbarkeit und Vernetzung ( → Netzwerken): Ermöglichen Sie den Besuch von Konferenzen, Forschungsaufenthalte bei Expert*innen aus Ihrem Netzwerk, die Beteiligung an Publikationen und eine angemessene Selbstdarstellung auf der Webseite Ihres Teams. Das Ansehen Ihrer Nachwuchswissenschaftler- *innen trägt auch zu Ihrem eigenen Prestige bei - das gilt auch für die Ehemaligen, die Sie zur rechten Zeit gehen lassen sollten. Auch im Rahmen der akademischen Selbstverantwortung ist Nachwuchsförderung immer wieder Gegenstand. Allen, die sich für sinnvolle Bedingungen vor Ort einsetzen, ist anzuraten, einerseits die lokalen Gegebenheiten zu kennen und zu berücksichtigen, andererseits aber auch über den <?page no="160"?> 160 Nachwuchsförderung Tellerrand zu schauen und sich über die bundesweite hochschulpolitische Diskussion oder internationale best practice zu informieren. Anregungen Reflektieren Sie Ihre eigenen Betreuungserfahrungen als Nachwuchswissenschaftler*in - gewinnen Sie hieraus best practice für Ihren Betreuungsstil. Wählen Sie Ihre Doktorand*innen und Postdocs sorgfältig aus - das erspart allen Seiten spätere Enttäuschung. ( → Personalauswahl) Führen Sie Karrieregespräche - Ihr Feedback ist wichtige Grundlage für gute Karriereentscheidungen Ihrer Nachwuchswissenschaftler*innen. Schaffen Sie faire Arbeitsbedingungen - das wird die Produktivität in Ihrem Team steigern. Bieten Sie Möglichkeiten für Vernetzung und Sichtbarkeit - Ihr Nachwuchs schafft dort auch Netzwerke und Ansehen für Sie. ( → Netzwerken). Machen Sie Ihren Nachwuchs auf die Serviceangebote Ihrer Universität aufmerksam - auch zu Ihrer eigenen Entlastung. Engagieren Sie sich in Gremien für eine faire und fortschrittliche Nachwuchsförderung - das sind Sie der nächsten Generation schuldig. Literatur CARMESIN, Berit, Uta HOFFMANN, Gunda HUSKOBLA, Sebastian HUSTER, Jo-Anna KÜSTER, Jörg NEUMANN und Sigrun WEGENER-FELDBRÜGGE, Hrsg., 2014. Betreuung Promovierender. Empfehlungen und Good Practice für Universitäten und Betreuende. UniWiND-Publikationen, Bd. 4/ 2014, Freiburg: UniWiND. Download unter: www.uniwind.org/ fileadmin/ user_upload/ Publi kationen/ UniWiND_Bd4_2014_web.pdf (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2020) HOCHSCHULREKTORENKONFERENZ, 2014. Orientierungsrahmen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses nach der Promotion und akademischer Karrierewege neben der Professur, Bonn: Hochschulrektorenkonferenz. Download unter: www.hrk.de/ fileadmin/ _migrated/ content_uploads/ HRK_Empfehlung_Orientierungsrahmen_13052014.pdf (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2020) MÜLLER, Mirjam, 2017. Promotion, Postdoc, Professur. Karriereplanung in der Wissenschaft. 2. Auflage. Frankfurt/ New York: Campus. MÜLLER, Mirjam, 2017. Karriere nach der Wissenschaft. Alternative Karriereoptionen für Promovierte. Frankfurt/ New York: Campus. WISSENSCHAFTSRAT, 2014. Empfehlungen zu Karrierezielen und -wegen an Universitäten. Köln: Wissenschaftsrat. Download unter: www.wissenschafts rat.de/ download/ archiv/ 4009-14.pdf (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2020) <?page no="161"?> Netzwerken 161 Netzwerken Silke Oehrlein-Karpi Ich höre immer wieder, dass Netzwerken das entscheidende Kriterium für eine erfolgreiche Wissenschaftslaufbahn ist. Bisher war ich davon ausgegangen, dass eine herausragende Qualifizierungsleistung die größte Karriererelevanz besitzt. Was stimmt denn nun? Vordergründig mag es so erscheinen, als ob ür die erfolgreiche Wissenschaftskarriere allein Expertise und Forschungsleistung, belegt durch Publikationen, Auszeichnungen und Drittmitteleinwerbung, maßgebend seien. Derweil offenbaren diverse Studien: Netzwerken ist Karrierefaktor Nummer Eins. Mehr als drei Viertel der begehrten und gleichzeitig raren permanenten Positionen im akademischen Sektor werden innerhalb von Netzwerken besetzt. Soziale Vernetzung ist die fundamentale Voraussetzung ür die Beteiligung an innovativen, kreativen, partizipativen, zielgerichteten und nachhaltigen Forschungs- und Gestaltungsformaten (Weber et al. 2018). Dabei ist Networking kein neuartiges Phänomen. Schon seit jeher gab es Kollektive, die ihren Mitgliedern durch Aspekte wie Wissensteilung, Ressourcenkomplementarität und gegenseitiges Vertrauen, nachhaltige Handlungs-, Innovations- und Wettbewerbsvorteile sicherten (Wilkens 2004). Offensichtlich gelingt es gemeinsam besser als im Alleingang, sich an veränderte Gegebenheiten anzupassen und gleichzeitig dem Individuum auf dem Weg zu persönlichen Zielen und Erfolgen den daür nötigen Rückhalt zu bieten. Beziehungssysteme stellen also per se eine essentielle Ressource dar. Die Art und Weise des Netzwerkens entwickelt sich abhängig von der Persönlichkeitsstruktur, z. B. wird ein extrovertierter Mensch andere Herangehensweisen wählen, um mit Personen in Kontakt zu kommen, als ein introvertierter ( → Persönlichkeiten von Mitarbeitenden). Niemand ist von vornherein aufgrund seiner Persönlichkeit in puncto Netzwerken benachteiligt. Gleichzeitig ist es gut zu wissen, dass vergeschlechtlichte Substrukturen des Wissenschaftsbetriebs als versteckte Hindernisse oder Chancen auf akademische Laufbahnen wirken können (Maurer 2010). ( → Mikropolitik) Wenn es darum geht, sichtbares und aktives Mitglied eines beruflichen Netzwerkkollektivs zu sein, gehört es dazu, seine Komfortzone zu weiten, um die Netzwerkaktivitäten stetig auszubauen. Der Startpunkt des eigenen Netzwerks ist immer das eigene Selbst. Es ist deswegen sinnvoll, zunächst <?page no="162"?> 162 Netzwerken mit einer Standortbestimmung zum persönlichen Profil ( → Profilentwicklung, Selbstpräsentation) zu beginnen. Auf dem Weg in die akademische Unabhängigkeit gibt es klar voneinander unterscheidbare gegenläufige Prozesse, die quasi parallel zueinander stattfinden: In der Konkurrenz um die wenigen Professuren muss das Individuum einerseits lernen zunehmend autonom - geradezu einzelkämpferisch - zu agieren und die damit einhergehende Exponiertheit in der beruflichen Rolle - bis hin zum professoralen Habitus ( → Habitusreflexion) - zumindest auszuhalten, als positionsimmanente Notwendigkeit zu akzeptieren oder bestenfalls sogar zu genießen. Andererseits braucht es bereits ab der Promotion eine stabile soziale Einbindung auf dieser Reise, um kontinuierlich Zugang zu relevanten Informationen, persönlicher Unterstützung, Ermutigung, Beratung und konstruktivem → Feedback zu haben. Auf der Postdoc- und Habilitationsstufe gewinnt neben einer Vielfalt an Kontaktpflege eine bewusste Ausrichtung auf ,wissenschaftliche Freundschaften‘ an Bedeutung (Maurer 2010). Es lohnt sich darüber zu reflektieren, wie man sich selbst hinsichtlich der eigenen Beweggründe innerhalb dieser beiden gegenläufigen Prozesse verortet. ( → Haltung) Neigt man eher zur Autonomie? Hat man im Rahmen der eigenen Biografie in Wettbewerbssituationen durch dieses Motiv bereits positive Erfahrungen mit der Abgrenzung von anderen gesammelt und entsprechende Kompetenzen erworben? Wird Konkurrenz als Ansporn erlebt? Fällt es leicht, sich auf einer Bühne zu bewegen, wo es Gewinner*innen und Verlierer*innen gibt. Oder sind eher die Zugehörigkeit zu Gruppen und Kooperationen, verbunden mit einer Win-Win-Haltung sinnstiftende Beweggründe? Wurde in diesem Zusammenhang im Laufe des eigenen Lebens ein umfangreiches Repertoire an sozialen Kompetenzen generiert? Dann liegt es dieser Person womöglich besonders, verbindliche und produktive Beziehungen mit anderen Menschen einzugehen. Beide Prozessausrichtungen sollten berücksichtigt werden, um das anvisierte Ziel tatsächlich erreichen zu können. Die sozialisierungsabhängige persönliche Verortung hinsichtlich dieser Motive sollte ernst genommen werden, weil sie Hinweise auf die eigene Komfortzone gibt und so die Präferenzen bei der Etablierung einer individuellen Netzwerkstrategie mitbestimmt. Die Entwicklung einer geeigneten Strategie hängt von den eigenen Zielen ab. Sie zu definieren, vereinfacht und konkretisiert die nachfolgenden Aktivitäten. Geht man beim Netzwerken planvoll vor (siehe Toolbox), braucht man am Ende oft nur mit einer überschaubaren Anzahl an Personen in Kontakt zu treten, nämlich nur mit genau jenen, die man identifiziert hat und die tatsächlich mit den eigenen beruflichen Prozessen in einem erkennbaren fachlichen oder persönlichen Bezug stehen. Gerade die <?page no="163"?> Netzwerken 163 Beziehung mit einem*einer Mentor*in wird immer wieder als besonders fruchtbar erlebt, weil diese Person eine wertvolle Multiplikator*innenrolle übernehmen kann. Über die Zeit können insbesondere in echten Kooperationsprojekten auf Vertrauen und Verlässlichkeit basierende Arbeitsbeziehungen wachsen, in denen sich die Beteiligten regelmäßig in Win-Win- Situationen erleben. Letztlich erhöht das Eingebundensein in erfolgreiche → Kooperationen die Wahrscheinlichkeit eine Professur zu erlangen um den Faktor drei und ist ein echter Wettbewerbsvorteil. Toolbox für Strategisches Netzwerken Überblick verschaffen mit Netzwerkkarte: Systematische Visualisierung aller sog. warmen Kontakte (Personen = Punkte, in Beziehung sein = Linien, Beziehungsrichtung = Pfeilspitze). Personen, mit denen man im Laufe des Lebens persönliche Erfahrungen jedweder Art in unterschiedlichen Kontexten gesammelt hat: berufliche wie private Kontakte, formale und informelle, horizontale und vertikale, ehemalige Kolleg*innen oder Kommiliton*innen. Wichtige berufliche Meilensteine und Ziele definieren: Die eigenen Netzwerkaktivitäten auf ein Ziel auszurichten, gibt eine sinnvolle Orientierung und erhöht die Motivation. Genderkompetenz erwerben : Sich bewusst mit Sozialisierungsfallen auseinanderzusetzen, gibt neuen Handlungsspielraum. Enge Förderbeziehung mit einflussreichen (überwiegend männlichen) Netzwerkpartner*innen eingehen. Einflussreiche informelle Netzwerkrollen identifizieren: sich selbst und andere einordnen - Hub, Gatekeeper, Pulsetaker, Initiator, Coordinator, Representative, Liaison oder Mediator. Den eigenen Bedarf herausarbeiten: Es gilt zu ermitteln, welche Personen über entsprechende Ressourcen (Informationen, Unterstützung, Feedback oder Weiterempfehlung) verfügen, um den eigenen Zielen näher zu kommen. Die Netzwerkkarte erleichtert das Zuordnen von Personen, die wir brauchen, um unsere Pläne in die Tat umzusetzen. Wer hat die benötigten Ressourcen? Welche einflussreiche Person kommt als vertrauensvolle*r strong tie Förderer*in in Frage? Das bereits bestehende Netzwerk ausdehnen: Können nicht alle Anliegen über direkte Kontakte abgedeckt werden, geht es darum herauszufinden, welche indirekten Kontakte (Kontakte der direkten Kontakte) unterstützend sein können und wie man mit diesen Personen in Verbindung treten kann. Die Hürde zur aktiven Kontaktaufnahme ist von <?page no="164"?> 164 Perfektionismus Natur aus am höchsten bei den sog. kalten Kontakten, kurz gesagt: Unbekannte. Die Kontaktaufnahme legitimieren: Sich selbst über die intentionale Eindeutigkeit mit der Befugnis ausstatten, aktiv auf eine bestimmte Person zuzugehen, heißt de facto: Der Zweck heiligt die Mittel ( → Selbstpräsentation). Das alles sollte Sie ermutigen, Ihr Netzwerk gezielt auszubauen. Literatur MAURER, Elisabeth, 2010. Fragile Freundschaften. Networking und Gender in der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung. Frankfurt am Main/ New York: Campus. SCHMIDT, Uta C. und Beate KORTENDIEK, 2016. Netzwerke im Schnittfeld von Organisation, Wissen und Geschlecht. Essen: Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW. WEBER, Susanne M., TRUSCHKAT, Inga, SCHRÖDER, Christian, PETERS, Luisa und Andreas HERZ, 2018. Organisation und Netzwerke: Beiträge der Kommission Organisationspädagogik. Wiesbaden: Springer VS. WILKENS, Uta, 2004. Von der individuellen zur kollektiven Kompetenz? Herbstworkshop „Personalmanagement und Unternehmenskrisen“ der Kommission Personal 24./ 25.9. 2004 in Konstanz. Download unter: www.apf.ruhruni-bochum.de/ mam/ aup/ content/ lit/ wilkens_2004-von_der_individuellen_ zur_kollektiven_kompetenz.pdf (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2020) Perfektionismus Claudia Eilles-Matthiessen Klientin: „Ich bin völlig erschöpft, ich arbeite viel zu viel und bin nie zufrieden mit meinen Ergebnissen. Ich wäre froh, wenn mir einmal 120% Leistung reichen würden.“ Coach: „Wieviel erwarten Sie denn zurzeit von sich? “ Klientin: „180 Prozent.“ Perfektionismus ist ein Phänomen, das uns bei Wissenschaftler*innen recht häufig begegnet. Was aber verbirgt sich hinter diesem Begrif? Und wie kann man damit umgehen, wenn man bei sich selbst perfektionistische Anteile erkennt - und darunter leidet? <?page no="165"?> Perfektionismus 165 Wir sprechen von Perfektionismus dann, wenn ein Mensch ständig oder oft große Anstrengungen auf sich nimmt, um optimale, fehlerfreie, makellose und ‚nicht kritisierbare‘ Leistungen zu erbringen. Verbunden ist dieses Streben mit einem überkritischen Blick auf die eigene Leistung, ständigem Zweifel bezogen auf deren Qualität und entsprechenden Kontroll- oder Optimierungsbemühungen (Eilles-Matthiessen & Pohl, 2015). Kurz - in Anlehnung an einen Buchtitel von Raphael Bonelli (2014) - kann man formulieren: „Perfektionismus liegt vor, wenn das Soll zum Muss wird“. Von Perfektionismus zu unterscheiden ist die Leistungsmotivation. Das Bedürfnis, Leistungen zu zeigen, die eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln und sich selbst als kompetent zu erleben, ist ein Grundbedürfnis. Hoch leistungsmotivierte Menschen haben hohe, interne Qualitätsstandards, verfolgen anspruchsvolle Ziele und sind in überdurchschnittlichem Maße bereit, sich für ihre Ziele anzustrengen. Gelingt es, den eigenen Gütemaßstäben zu genügen, entstehen Zufriedenheit oder Stolz, welche als positiver Verstärker für künftiges leistungsmotiviertes Verhalten wirken. Wer sich für eine wissenschaftliche Karriere entscheidet oder entschieden hat, ist in der Regel überdurchschnittlich leistungsmotiviert. Die Grenze zwischen Engagement, Karriere- oder Leistungsmotivation einerseits und einer selbstschädigenden Form des Perfektionismus andererseits sind allerdings fließend. Perfektionismus ist die Schattenseite, die Überzeichnung von Leistungsmotivation und für den Betroffenen als auch sein Umfeld anstrengend und nachteilig. Die folgenden Merkmale weisen darauf hin, dass nicht mehr Lust auf Leistung- und Produktivität, sondern Perfektionismus vorliegt: Es werden große Anstrengungen unternommen, um fehlerfreie, makellose und ‚nicht kritisierbare‘ Ergebnisse zu erzielen. Es wird unverhältnismäßig viel Zeit und Mühe investiert, um die eigene Arbeit zu kontrollieren und zu optimieren. Die Betroffenen reagieren mit Ärger, Gereiztheit oder Angst, wenn sie nicht genug Ressourcen haben, um ihre Arbeiten zu kontrollieren, etwa, wenn Zeitdruck herrscht. Es bestehen ständig erhebliche Zweifel an der Qualität der eigenen Leistung. Diese wird mit überkritischem Blick betrachtet. ( → Hochstaplersyndrom) Offenkundige, eigene Erfolge oder Leistungen werden dagegen als selbstverständlich erachtet, nicht gewürdigt oder abgewertet. Die Diskrepanz zwischen einem wahrgenommenen Ist-Zustand und einem angestrebten, perfekten Soll-Zustand wird als quälend erlebt und zieht weitere Optimierungsbemühungen nach sich. <?page no="166"?> 166 Perfektionismus Nicht die Lust auf Erfolg, sondern Furcht vor Fehlern, Misserfolg und Angst vor beschämenden Bewertungssituationen motivieren das Handeln. Es wäre falsch, Perfektionismus als rein individuelles Problem zu betrachten. Perfektionismus und verwandte Probleme wie Erschöpfung oder Burnout sind selbstverständlich Ausdruck einer wechselseitigen Beeinflussung individueller und gesellschaftlicher Faktoren. ( → Life-Balance, Resilienz, Stress und Stresskompetenz). Sie entstehen, wenn persönliche Dispositionen und Kontextbedingungen zusammenwirken. Das System Wissenschaft stellt einige Bedingungen dafür bereit, die perfektionistische Tendenzen befördern: die raum-zeitliche Entgrenzung der Arbeit, eine deutlich überdurchschnittlich hohe Leistungsnorm in der Peer- Group, die Quantifizierbarkeit und Vergleichbarkeit von Leistungen, Konkurrenzdruck bzw. das ‚up or out‘ einer Wissenschaftskarriere, eine defizitorientierte Fehlerkultur sowie - speziell in der PostDoc- Phase - geringe Planungssicherheit durch befristete Verträge, wiederkehrenden Prüfungs- und Bewährungssituationen und Statusunsicherheit. Umgang mit Perfektionismus In frühen Phasen der Wissenschaftskarriere funktioniert die Gleichung ‚Leistung und Anstrengung führen zu Erfolg‘ meist noch gut. Das ändert sich, wenn die Struktur der Aufgaben und Rollen sich in der weiteren Karriereentwicklung wandelt und zusätzlich zu den fachlich-wissenschaftlichen Kernaufgaben Aufgaben wie Verwaltung, → Projektmanagement, Mitarbeiterführung, Networking und Hochschulpolitik an Bedeutung gewinnen. In dieser Phase gerät die bisherige Strategie an Grenzen. Wer auf die veränderten Anforderungen alleine mit einem Mehr an Anstrengung und Engagement antwortet, gerät schnell ans Limit - und manövriert sich in die Erschöpfung. Eine Erweiterung des eigenen ‚Erfolgsrezepts‘ um ein paar neue Zutaten ist hilfreich, um der Perfektionismus-Falle zu entgehen. Wertschätzung: Würdigen Sie Ihren Perfektionismus als einen Teil der eigenen Persönlichkeit, der zu Ihrer bisherigen Karriereentwicklung beigetragen hat. Schließlich ist Perfektionismus verwandt mit Leistungsmotivation und diese ist ein wichtiger Motor für Karriere und Erfolg. Reflexion: Manchmal trägt schon die Erkenntnis, dass das eigene Problem kein Ausdruck eines individuellen Defizits ist, zur Entlastung bei. <?page no="167"?> Perfektionismus 167 Es gibt - wie ich kurz gezeigt habe - viele Besonderheiten des Systems Wissenschaft, die perfektionistische Tendenzen geradezu einladen. Aber Einladungen kann man ablehnen. Logik: Als Wissenschaftler*in können Sie Ihren perfektionistischen Anteil vielleicht mit Logik überzeugen. Gibt es Perfektion überhaupt? Wann ist fehlerfreies Arbeiten notwendig und Teil Ihrer Professionalität? Und in welchen Situationen führt mehr Anstrengung nicht zu einer Verbesserung des ‚Produktes‘? Selbstempathie: Nehmen Sie das Bedürfnis, das hinter dem Perfektionismus steht, ernst. Was möchten Sie durch permanente Optimierung erreichen? Und was verhindern? ( → Selbstführung) Experimentieren Sie in kleinen Schritten damit, Kontrolle abzugeben und machen Sie die Erfahrung, dass Ihre Kompetenz, Ihr Auftritt, die Zugehörigkeit zu Anderen und Ihre Wirksamkeit nicht darunter leiden. Zeitgrenzen setzen: Definieren Sie Zeitgrenzen, die Sie bestimmten Aufgaben zugestehen. Dies funktioniert vor allem bei Routinearbeiten und Tätigkeiten, die nicht den Kern des wissenschaftlichen Arbeitens betreffen. ( → Life-Balance) System betrachten und verändern: Überprüfen Sie Ihre konkrete Arbeitssituation im Hinblick auf vermeidbare Belastungen, Verpflichtungen und Möglichkeiten der Unterstützung. ( → Delegieren) Professionelle Unterstützung: Gönnen Sie sich ein professionelles Coaching, oft reichen schon ein bis zwei Termine, um eine wertschätzende und umsetzbare Strategie im Umgang mit perfektionistischen Anteilen zu entwickeln. Literatur BONELLI, Raphael, 2014. Perfektionismus. Wenn das Soll zum Muss wird. München: Pattloch. EILLES-MATTHIESSEN, Claudia und POHL, Carsten, 2015. Perfektionismus als Thema im Coaching. Ideen für ein wertschätzendes Navigieren zwischen Leistungsmotivation und Optimierungszwang. In. Coaching-Magazin 1/ 2015, S. 34-38. <?page no="168"?> 168 Persönlichkeiten von Mitarbeitenden Persönlichkeiten von Mitarbeitenden Sylvia Löhken Die sehr erfolgreiche Professorin Ella lässt ihren Technischen Assistenten Igor, der ihr farblos und langweilig vorkommt, spüren: sie schätzt und erwartet mehr Aktion, mehr Teamgeist. Igor bewirbt sich erfolgreich an einem anderen Lehrstuhl. Sein Fehlen macht sich bemerkbar: Informationen bleiben aus, Analysen werden bemängelt, Kontakte brechen weg. Der Unterschied zwischen nach außen und nach innen gewandten Menschen gehört zu den wichtigsten Persönlichkeitsmerkmalen mit einem gut gesicherten Forschungsstand. 30 bis 50% einer Bevölkerung sind introvertiert. Die jeweilige neurobiologische Ausstattung ührt zu jeweils anderen Bedürfnissen. Intros (wie Igor) ... Extros (wie Ella) ... ... sind von zu vielen Eindrücken leicht überwältigt und mögen es deshalb überschaubar und kalkulierbar. Sie sind auf Reflektieren ausgerichtet, denken und planen am liebsten entsprechend, bevor sie aktiv handeln. ... lieben viele unterschiedliche Eindrücke und deshalb auch den Wechsel zwischen verschiedenen Informationen und Medien. Sie sind sinnesorientiert und schätzen tatkräftiges Zupacken. ... schätzen Sicherheit und Berechenbarkeit. ... schätzen Belohnungen und reizvolle Ziele. Wegen dieser sehr verschiedenen Sichtweisen auf die Welt kann es im Team zu Missverständnissen kommen, die sich in der Führungsaufgabe verhängnisvoll auswirken: Die Extro Ella hält den leisen Igor ür einen Minderleister - weil er anders kommuniziert als sie. Die Folgen sind fatal: Missverständnisse, Bevorzugungen, Kündigungen - und Spannungen im Team ( → Teamstruktur und -ührung, Umgang mit Vielfalt). Gar nicht zu reden von der Leistung: Beide Persönlichkeitstypen können Hochleistende <?page no="169"?> Persönlichkeiten von Mitarbeitenden 169 sein, wenn sie sich entsprechend ihrer Bedürfnisse gegenseitig respektieren. Und beide haben jeweils ihr eigenes Entwicklungspotenzial. 14 Hier ein paar Tipps, was die Persönlichkeitsausprägungen jeweils brauchen: Intros im Team erreichen und fördern Stimulationsarme Umgebung: Intros bringen ihre beste Leistung, wenn sie zumindest phasenweise ohne Unterbrechung und in aller Ruhe arbeiten können: z.B. online oder allein in einem Raum. Zwischen kommunikationsreichen Phasen tun ihnen kleine Auszeiten gut. Berechenbarkeit: In größeren Gruppen und unter dem Druck des Spontanen ziehen sich viele Intros zurück. Bitten Sie leise Teammitglieder unter vier Augen, etwas zu einem Thema beizutragen. Das nützt allen: gut vorbereitete Intros bereichern jedes Meeting. Sinn: Intros fühlen sich eher durch innere Vorgänge als durch äußere Anreize motiviert. Sie brauchen weniger Impulse von außen - aber einen Grund für ihr Tun. Sicherheit: Schaffen Sie gerade in unruhigen Zeiten ein Gefühl von Stabilität. Reduzieren Sie unnötige Risiken und lassen Sie unfaire Kommunikation und harte Statusspiele am besten ganz bleiben. Extros im Team erreichen und fördern Grundstimulation: Extros sind da, wo sich Intros wohl fühlen, oft unterstimuliert und brauchen ein ,Grundrauschen‘ für ihre stärker nach außen gewandten Sinne. Miteinander: Machen Sie es Ihrem Team leicht, ein Wir-Gefühl zu entwickeln: z.B. durch Meetings und informelle Kontaktmöglichkeiten. Die Resonanz spornt Extros besonders an. Erfolge anstreben und feiern: Extros schätzen Belohnungen, Anreize und einen sportlich verstandenen Wettkampf. Sichtbarkeit und Wertschätzung der Leistung innerhalb des Teams sowie Konkurrenz zu anderen Arbeitseinheiten erhöhen die Arbeitsfreude. Wichtig ist dabei die Grundhaltung: Spaß statt Verbissenheit. Feiern Sie Erfolge und Projektabschlüsse - etwa mit einer Team-Pizza zur Mittagszeit. Durchhalten: Das beharrliche Dranbleiben an einer Aufgabe ist für viele Extros anstrengend. Setzen Sie Teilziele, fragen Sie nach, geben Sie Rückmeldung. 14 Wer sich vergewissern möchte, wo die eigene Ausprägung liegt, kann unter www.intros-extros.com/ online-test/ (zuletzt aufgerufen am 17. Mai 2020) den Grad der eigenen Introversion oder Extroversion überprüfen. <?page no="170"?> 170 Personalauswahl Last but not least: Erkennen Sie als Führungskraft die Bedürfnisse und die Haltungen, die Ihre eigenen Persönlichkeitsausprägung mit sich bringt. ( → Haltung, Selbstführung) Hätte Ella das getan, wäre sie Igor sensibler begegnet. Und er wäre womöglich noch da … Literatur GRANT, Adam, Francesca GINO und David HOFMANN, 2011. Reversing the extraverted leadership advantage: the role of collective employee proactivity. In: Academy of Management Journal. 54(3), S. 528-550. BUND, Kerstin und Marcus ROHWETTER: Die Macht der Stillen. Titelthema in DIE ZEIT Nr. 49 v. 28. November 2019, S. 23-25. LÖHKEN, Sylvia, 2012. So fördern Sie die leisen Leister. In: managerSeminare. 169, S. 70-75. LÖHKEN, Sylvia, 2014. Intros und Extros. Wie sie miteinander umgehen und voneinander profitieren. Offenbach: Gabal. OTTO, Anne, 2018. Die Stärken der Stillen. In: Psychologie Heute 45(2), S. 18- 26. Personalauswahl Mirjam Müller Als Neuberufener kann ich mir mein erstes eigenes Team aufbauen. Wie finde ich die richtigen Leute und vor allem: Woran merke ich, dass es die richtigen sind? Hervorragende Frage! Ihre Kolleg*innen aus der Psychologie haben dazu viel geforscht und es lohnt sich, deren wissenschaftliche Erkenntnisse praktisch anzuwenden. Grundlage ür jede gute Personalauswahl ist ein Anforderungsprofil, das Ihnen hilft, die Kriterien, nach denen Sie suchen, klar zu formulieren und konsequent ür die Stellenbesetzung zu nutzen. Überlegen Sie dazu: Welche Aufgaben soll die Person, die die Stelle innehaben wird, erledigen, in welcher Qualität soll dies geschehen und welche Fähigkeiten und Qualifikationen sind daür erforderlich? Denken Sie dabei sowohl an Methodenkompetenz und wissenschaftliche Anwendungsfelder (Was soll getan werden? ) als auch an Arbeitsweise, Motivation, kognitive Fähigkeiten und die Zusammenarbeit im Team (Wie soll es getan werden? ) <?page no="171"?> Personalauswahl 171 ( → Teamentwicklung und -konflikte, Teamstruktur und -ührung). Hilfreich ist zu überlegen, woran sich ür Sie erfolgreichere von weniger erfolgreichen Kandidat*innen unterscheiden. Nutzen Sie Ihren individuell erstellten Kriterienkatalog schon bei der Erstellung einer aussagekräftigen Ausschreibung. Wenn Sie eher Begriffe wie ‚verantwortungsvoll‘, ‚engagiert‘ oder ‚gewissenhaft‘ verwenden als ‚durchsetzungsstark‘, ‚offensiv‘ oder ‚selbstbewusst‘, sprechen Sie damit auch Frauen stärker an. Neben einer Ausschreibung in den typischen Stellenbörsen Ihres Faches, z.B. über die Fachgesellschaften und internationale Newsletter, kann aktive Rekrutierung Ihnen helfen, geeignete Kandidat- *innen zu finden: Für die Besetzung von Doktorand*innenstellen können Sie vielversprechende Studierende aus Ihren Lehrveranstaltungen ansprechen; vor allem bei Frauen ist dies zielführend, um Bedenken abzubauen, dass die Anforderungen zu hoch sein könnten. Oder Sie bitten Kolleg- *innen, geeignete Kandidat*innen aus ihrem Umfeld auf die Ausschreibung hinzuweisen. Die schriftliche und die mündliche Auswahl verfolgen unterschiedliche Ziele: Die grundlegenden und formalen fachlichen Qualifikationen (das „Was? “) werden Sie bereits aus den Bewerbungsunterlagen herauslesen können. Wenn Sie um die Einsendung von Publikationen bitten, können Sie aus diesen bereits erste Rückschlüsse zu Arbeitsweise und Kreativität ziehen. Die mündliche Auswahl hingegen dient neben der vertieften Prüfung der fachlichen Qualifikation in erster Linie dazu, die überfachlichen und sozialen Kompetenzen (das „Wie? “) abzutesten. Um möglichst belastbare Erkenntnisse zur Arbeitsweise zu erhalten, ist eine Kombination aus strukturierten, verhaltensbasierten Interviews und Arbeitsproben empfehlenswert. Bauen Sie Ihre Interviews entlang der Kompetenzen auf, die Sie im Anforderungsprofil identifiziert haben. Für Informationen zu Arbeitsweise, Motivation und die Zusammenarbeit im Team empfiehlt es sich, Verhaltens- und situative Fragen zu stellen. Fragen Sie also nach der Erfahrung bei vergleichbaren Aufgaben in der Vergangenheit („Wie sind Sie bei Ihrer Masterarbeit mit Schwierigkeiten umgegangen? Wie haben Sie es bei Ihrer Promotion geschafft, Ihren Zeitplan einzuhalten? “) oder anhand von für die Stelle relevanten Beispielsituationen nach hypothetischen Verhaltensweisen („Stellen Sie sich vor, Sie sind kurz vor der Deadline für eine Publikation. Ein Kollege bitte Sie kurzfristig um Hilfe für ein anderes Projekt. Was tun Sie? “). Legen Sie sich im Vorfeld eine Bewertungsskala für die Antworten zurecht (Was wäre eine ideale Antwort, was eine durchschnittliche, was eine ungenügende? ). Für die Vergleichbarkeit ist es ratsam, allen Bewerber*innen dieselben Fragen in derselben Reihenfolge zu stellen. Gestalten Sie eine freundliche Gesprächsatmosphäre, vermeiden Sie Suggestivfragen <?page no="172"?> 172 Personalauswahl und halten Sie Ihren eigenen Gesprächsanteil gering - so werden Sie am meisten Informationen über die Kandidat*innen sammeln können. Einen besonders realitätsnahen Eindruck von den Fähigkeiten der Bewerber*innen werden Sie bekommen, wenn Sie Arbeitsproben in die Auswahl einbeziehen. Neben der Evaluation von Fachartikeln oder Kapiteln der Qualifikationsarbeit kann das zum Beispiel eine Präsentation von Arbeitsergebnissen, ggf. mit anschließender Diskussion, sein. Achten Sie dabei sowohl auf die fachliche Herangehensweise und Relevanz als auch auf den Aufbau, die Verständlichkeit und das Diskussionsverhalten. Alternative zu einem Vortrag kann z.B. die Diskussion einer Quelle oder eines Datensatzes sein. Die → Selbstpräsentation im Interview kann sich bisweilen erheblich von dem Eindruck unterscheiden, den Sie beim fachlichen Tun gewinnen. Nutzen Sie diese Möglichkeit. In jede Personalauswahl spielen Vereinfachungen hinein, die zur Komplexitätsreduktion automatisch im Gehirn ablaufen. Diese können dazu führen, dass möglicherweise die falsche Person ausgewählt wird: Bei einem positiven ersten Eindruck können später im Gespräch gezeigte Mängel übersehen werden. Ebenso kann eine einzelne herausragende Eigenschaft Defizite in anderen Bereichen überdecken. Erste und letzte Kandidat*innen bleiben besonders in Erinnerung, ebenso wie Interviews nach schlechten Bewerber*innen positiver bewertet werden. Wir können solche Beobachtungsfehler nicht verhindern, aber durch eine bewusste Reflexion vermeiden, dass sie zu Auswahlfehlern führen. Ein bewährtes Mittel ist es, sich der identifizierten Auswahlkriterien zu vergegenwärtigen und anhand der Skalen zu überprüfen, inwieweit jede*r Bewerber*in diese erfüllt. Achten Sie darauf, nicht nur Personen auszuwählen, die Ihnen in ihrer Arbeitsweise besonders ähneln: Unterschiedliche Herangehensweisen und Fähigkeiten können eine Bereicherung für Ihr Team sein. Für hervorragende Ergebnisse braucht es oft die konstruktive Zusammenarbeit von Visionär- *innen, Kritiker*innen und Macher*innen. Wann immer möglich, binden Sie Kolleg*innen oder Mitarbeiter*innen in Ihre Personalauswahl ein. Vier (und mehr) Augen sehen bekanntlich mehr als zwei. Je nach Verfahren sind auch Gleichstellungs- oder Schwerbehindertenbeauftragte hinzuzuziehen. Beschreiben Sie zunächst die Eindrücke, die Sie in der mündlichen Auswahlsituation gewonnen haben, gleichen Sie sie mit den zuvor festgelegten Kriterien ab und bewerten Sie erst danach. Unterschiedliche Eindrücke können eine Bereicherung sein und Ihren Blick schärfen. An einigen Wissenschaftseinrichtungen unterstützt Sie auch die Personalentwicklung mit Leitfäden und Handreichungen zur Personalauswahl, berät Sie zu geeigneten Auswahlverfahren oder bietet die Durchführung von Assessment Centern an. <?page no="173"?> Profilentwicklung 173 Checkliste Erstellen Sie ein Anforderungsprofil mit fachlichen und überfachlichen Kompetenzen - so stellen Sie sicher, dass Sie wissen, wonach Sie suchen, und können Ihre Auswahl danach ausrichten. Führen Sie strukturierte Bewerbungsgespräche - das bietet Ihnen eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den Bewerber*innen. Stellen Sie Verhaltens- oder situative Fragen - dadurch erfahren Sie mehr über Verhaltenstendenzen der Kandidat*innen. Nutzen Sie im Auswahlverfahren Arbeitsproben - diese bieten Ihnen einen möglichst realistischen Eindruck der Fähigkeiten. Reflektieren Sie typische Beobachtungsfehler - so schulen Sie Ihre Wahrnehmung und vermeiden Beurteilungsfehler. Ziehen Sie Kolleg*innen oder Mitarbeitende zur Auswahl hinzu und diskutieren Sie unterschiedliche Eindrücke - vier Augen sehen mehr als zwei. Nutzen Sie Handreichungen und Leitfäden Ihrer Personalabteilung - das hilft bei formalen Fragen und Sie können auf erprobte Methoden zurückgreifen. Literatur FINE, Eve und Jo HANDELSMAN, 2012. Searching for Excellence & Diversity: A Guide for Search Committees. Madison: Wiseli. https: / / wiseli.wisc.edu/ wpcontent/ uploads/ sites/ 662/ 2018/ 11/ SearchBook_Wisc.pdf PEUS, Claudia, Susanne BRAUN, Tanja HENTSCHEL und Dieter FREY, Hrsg., 2015. Personalauswahl in der Wissenschaft. Evidenzbasierte Methoden und Impulse für die Praxis. Heidelberg: Springer. Profilentwicklung Margarete Hubrath Im Zusammenhang mit Berufungsverfahren ist das Profil von Bewerber*innen ein wichtiges Kriterium. Was genau ist damit gemeint und wie lässt sich ein Profil entwickeln? Die Frage nach dem wissenschaftlichen Profil lässt sich je nach Wissenschaftssystem auf zweierlei Weise beantworten. Geht es um die Berufbar- <?page no="174"?> 174 Profilentwicklung keit auf Universitätsprofessuren in Deutschland, wäre zunächst an die Profilierung durch eigene Forschungsprojekte zu denken. Wesentliche Fragen sind in diesem Fall: Welche Schwerpunkte haben Sie in Ihrer bisherigen Forschung gesetzt, welche Themen und Fragestellungen haben Sie bearbeitet, über welches Methodenrepertoire verügen Sie und wo sind Sie theoretisch verortet? Ist Ihre Forschung vorrangig im Bereich einer Einzeldisziplin angesiedelt oder eher interdisziplinär ( → Inter- und Transdisziplinarität)? Grundlagen- oder anwendungsorientiert? Durch kompetitiv vergebene öffentliche Mittel oder Industriegelder finanziert? Betreiben Sie eher Einzel- oder Verbundforschung? Auf welchem Gebiet sind Sie hochspezialisiert, d.h. bei welchem Thema gehört Ihr Name zu den wenigen, deren Arbeiten man unbedingt kennen sollte, und in welcher Breite können Sie Ihr Fachgebiet vertreten? In der Regel markiert die während der Promotion geleistete Forschung einen ersten inhaltlichen Schwerpunkt, der in den Jahren nach der Promotion sukzessive erweitert wird. Was unter fachlicher Breite zu verstehen ist, variiert dabei je nach Disziplin erheblich. In den Lebenswissenschaften kann dies beispielsweise bedeuten, die Expertise im eigenen Forschungsgebiet durch die Anwendung neuer Methoden sowie die Entwicklung und Bearbeitung weiterführender Fragestellungen im Rahmen von Kooperationen auszuweiten. Diese sollten idealerweise eher unabhängig von bestehenden Betreuungsverhältnissen etabliert werden. In historisch ausgerichteten Disziplinen ist es dagegen üblich, die zeitliche Spannbreite systematisch zu vergrößern. Beispielsweise könnte nach einer Promotion, die thematisch im 19. Jahrhundert angesiedelt war, für weitere Projekte das 20. Jahrhundert oder die Gegenwart als Zeithorizont in den Blick genommen werden. Häufig wird im Zuge von Berufungsverfahren ( → Berufungsprozesse) die Frage nach der Einschlägigkeit des Profils diskutiert, also in welchem Verhältnis ein spezifisches fachliches Profil zur Denomination der ausgeschriebenen Professur steht. Mit einem als ‚nicht einschlägig‘ klassifizierten Forschungsprofil ist es so gut wie ausgeschlossen, auf eine Berufungsliste zu gelangen. In dem Zusammenhang kann auch die Habilitation - zumindest in den Fachwissenschaften, die ihr nach wie vor eine Funktion als Qualifizierung für eine Professur beimessen - ein wichtiges Element sein, da die verliehene Venia legendi das Gebiet definiert, für das aufgrund umfänglicher Forschungsexpertise die Lehrerlaubnis erteilt wird. Um für eine möglichst große Anzahl ausgeschriebener Professuren fachlich einschlägig qualifiziert zu erscheinen, ist es daher sinnvoll, im Habilitationsverfahren die Venia thematisch nicht allzu eng definieren zu lassen: „Anglistische Litera- <?page no="175"?> Profilentwicklung 175 tur- und Kulturwissenschaft“ wäre etwa günstiger als „Britische Literatur des 18. Jahrhunderts“. Auch wenn dies nach sehr strategisch ausgerichteter Forschungsplanung klingen mag: Die Vorstellung, das eigene Forschungsprofil ließe sich quasi am Reißbrett systematisch und gradlinig in die Zukunft hineingedacht planen und entwickeln, zielt ein gutes Stück weit an den Realitäten des Forschungsalltags vorbei. Forschungsprozesse sind immer auch Unwägbarkeiten unterworfen. Neue Forschungsergebnisse können den Blick in kaum vorhersehbare Richtungen lenken. Manchmal rücken lange marginalisierte Forschungsthemen plötzlich ins Zentrum von Förderprogrammen, und leider können auch gute Projektanträge zu vielversprechenden Forschungsfragen abgelehnt werden, so dass eine Neuausrichtung der Forschung erforderlich ist. Ebenso wenig ist freilich anzuraten, die Entwicklung der eigenen Forschung dem Zufall zu überlassen. Profilentwicklung findet immer in einem produktiven Spannungsverhältnis von eigenen Interessen, aktuellem Forschungsmainstream, konkreten Fördermöglichkeiten und nicht planbaren Faktoren statt. Hin und wieder innezuhalten, um die eigene Forschungsausrichtung zu reflektieren, ermöglicht klare Entscheidungen, mit welchen Themen und Fragestellungen Sie vorrangig in Verbindung gebracht werden und von welcher Community Sie als zugehörig wahrgenommen werden wollen. Diese Überlegungen wären z.B. auch bei der Entwicklung von Kooperationsbeziehungen oder der Planung von Konferenzbeiträgen und Publikationen zu berücksichtigen. ( → Kooperationen, Publizieren). Um den eigenen Namen mit bestimmten Forschungsthemen zu verbinden und mit der eigenen Expertise sichtbarer zu werden, formulieren viele Wissenschaftler*innen analog zu den research interests angelsächsischer Kolleg*innen auf ihren Internetseiten stichwortartig ihre Forschungsschwerpunkte. Ausformuliert werden daraus sogenannte Forschungskonzepte, die zunehmend in Berufungsverfahren erwartet werden und die ältere Textsorte ‚Darstellung des wissenschaftlichen Werdegangs‘ als Bestandteil von Bewerbungsunterlagen weitgehend abgelöst haben. Die Ausformulierung eines Forschungskonzeptes ermöglicht es, auch nicht-lineare Forschungsprozesse nachträglich narrativ zu rekonstruieren und zu einem Programm zu verdichten. Dabei entscheiden Sie, welche Aspekte Ihrer bisherigen Forschung Sie in den Vordergrund rücken wollen und welche Forschungsfragen Sie auf Ihrem Gebiet aktuell für relevant und anschlussfähig halten. Auf diese Weise formulieren Sie in Berufungsverfahren ein Angebot für die inhaltliche Ausgestaltung einer Professur und vermitteln eine Vorstellung davon, welchen Beitrag Sie mit Ihrer Forschung zum Erkenntnisgewinn auf Ihrem Fachgebiet leisten. <?page no="176"?> 176 Projektmanagement Mit einer Orientierung auf internationale Berufungsverfahren ist die Frage nach dem wissenschaftlichen Profil dagegen breiter zu beantworten. Neben der Ausrichtung der eigenen Forschung tragen je nach Art der Professur auch weitere Qualifikationsbereiche zum wissenschaftlichen Profil bei. So gewinnt in Wissenschaftssystemen, in denen Studiengebühren einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung der Hochschulen leisten, die Qualität der Lehre zusätzliche Bedeutung: Wie sind Sie inhaltlich sowie methodisch-didaktisch ausgewiesen? Waren Sie bereits an der Entwicklung von Studiengängen oder internationalen Studienprogrammen beteiligt? Welche Erfahrung haben Sie im Bereich → Nachwuchsförderung, etwa durch die → Betreuung von Abschlussarbeiten oder Promotionen ( → Promotionen betreuen)? International sollte außerdem die Kategorie Service to the field nicht unterschätzt werden: Wie prägen und gestalten Sie durch Ihr Engagement Ihr Fachgebiet mit - z.B. durch das Verfassen von Gutachten, konkretes Engagement in Fachgesellschaften, die Ausrichtung von Tagungen oder Übernahme von Herausgeberschaften? Erfreulicherweise lassen sich solche Profilbestandteile anders als im Bereich Forschung in der Regel leichter planen und über mehrere Jahre hinweg systematisch entwickeln. Projektmanagement Petra Pandur „Wie sinnvoll sind die Werkzeuge aus dem Projektmanagement für wissenschaftliche Projekte, deren Ausgang man nicht vorhersagen kann? “ fragt eine Professorin aus den Lebenswissenschaften. Diese Frage wird häufig von Wissenschaftler*innen aus der Grundlagenforschung gestellt, da Projektmanagement (PM) in erster Linie mit kundenorientierten Produkten in der Industrie assoziiert wird. Die große Nachfrage ür PM Workshops unter wissenschaftlichen Mitarbeitern- *innen zeigt jedoch, dass durchaus der Wunsch nach einem besser strukturierten Vorgehen bei wissenschaftlichen Arbeiten besteht. Dies rührt daher, dass Promovenden u.a. wegen nicht gut durchdachten Projekten mehr Zeit (nicht selten sind das mehrere Jahre! ) mit ihrer Promotion verbringen als nötig wäre. Auch in Forschungsanträgen werden Angaben erwartet, die aus dem PM stammen, z.B. eine klare Zielformulierung, Durchührbarkeit des Vorhabens hinsichtlich Umfang sowie vorhandener materieller Res- <?page no="177"?> Projektmanagement 177 sourcen und Zeit, alternative Strategien bei risikoreichen Ansätzen und Qualitätssicherung. Hier sind bereits Punkte gelistet, die bei Nicht-Beachten zu Problemen im Verlauf eines Projektes ühren, wenn nicht sogar ein Projekt zum Scheitern verurteilen. Ursachen, warum PM in der Praxis oft hinkt, sind u.a. unklare und/ oder unrealistische Ziele, nicht definierte Rollen der Akteur*innen und damit einhergehend ungeklärte Erwartungen und Verantwortlichkeiten, fehlende Ressourcen, schlechte Kommunikation und das Nicht-Einhalten von Deadlines. Alle wissenschaftlichen Arbeiten erfüllen die Definition eines Projektes. Sie sind durch einen Start und ein Ende gekennzeichnet und es handelt sich um etwas Neues. Beendet werden diese Arbeiten in der Regel mit einer Abschlussarbeit bzw. einer Publikation. Projekte gliedern sich in die Phasen Initiierung, Planung, Durchführung und Abschluss. Dabei überwacht man die Durchführung und modifiziert, wenn nötig, den ursprünglichen Plan Dies ist im PM als Plan-Do-Check-Act (PDCA-) Zyklus bzw. als Deming-Kreis bekannt. Insbesondere für Wissenschaftler*innen ist dieser Punkt, dass es sich um einen Zyklus handelt, wichtig. Das von Grundlagenforscher*innen häufig angebrachte Argument, PM sei für wissenschaftliche Arbeiten nicht anwendbar, weil man ja nicht wisse, welche Ergebnisse man im Verlauf eines Projektes erhalte und dadurch der Ausgang eines Projektes (anscheinend) nicht klar formuliert werden könne, wird damit entkräftet. PM unterliegt dem Spannungsfeld verschiedener Anforderungsebenen - dem sogenannten ‚magischen Dreieck‘ von Zeit, Kosten und Qualität. ( → Qualitätsmanagement) Dabei ist zu beachten, dass die Modifizierung eines Parameters stets die beiden anderen beeinflusst. Ein besorgniserregendes Beispiel aus der Wissenschaft ist der mittlerweile enorme Zeitdruck, unter dem qualitativ hochwertige Ergebnisse erzeugt und publiziert werden sollen, damit man im Kampf um Stellen wettbewerbsfähig bleibt. Dieser Zeitdruck führt u. U. zu Einbußen in der Qualität der Ergebnisse was sich auch in einigen Fällen von ,scientific misconduct‘ widerspiegelt. Damit einem die Zeit während eines Projektes nicht zwischen den Fingern zerrinnt, ist es wichtig, ein Projekt sorgfältig zu planen. Paradoxerweise wird die Projektplanung oft als Zeitverschwendung angesehen. Dabei wird nicht bedacht, dass ein schneller, planloser Start später ein Vielfaches an Zeit und an Geld kosten kann, um den Schlamassel, der durch vermeidbare Fehler erzeugt wurde, wieder in den Griff zu bekommen. Nach Stephen Covey startet man am besten mit dem Ende im Sinn und arbeitet sich an den Anfang zurück. Man geht also vom Ziel aus, das im Forschungsantrag formuliert wurde, und geht auf der Zeitachse rückwärts um die Zwischenziele, oder ,Meilensteine‘, festzulegen. Dazu eignet sich <?page no="178"?> 178 Projektmanagement z.B. die Darstellung in einem Gantt-Diagramm. Man macht z.B. für die nächsten drei Jahre eine Grobplanung, die eine Übersicht über den Ablauf des Projekts gibt. Die Feinplanung der einzelnen Schritte bzw. Experimente erstellt man jeweils nur für die nächsten drei bis sechs Monate. Meilensteine erfüllen dabei zwei Funktionen. Erstens fungieren sie als ,Zeitwächter‘ und dienen dem/ der Projektleiter*in als Kontrolle des zeitlichen Verlaufs des Projektes. Wird ein Meilenstein nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt erreicht, sollte man herausfinden, wo es stockt und welche Herausforderungen gelöst werden müssen. Zweitens geben die bis zu einem vereinbarten Meilenstein erhaltenen Ergebnisse Hinweise darauf, inwieweit das ursprüngliche Ziel noch der Realität entspricht oder ob dieses neu definiert werden muss. Meilensteine sind Checkpunkte für den Verlauf eines Projektes. Diese Checkpunkte sind auch für wissenschaftliche Arbeiten essentiell, weil Projekte innerhalb des finanzierten Zeitraums zu Ende gebracht werden müssen. Dann wäre da noch das unbeliebte Thema ,Risiko‘. Jedes Projekt birgt Risiken unterschiedlicher Art. Es lohnt sich darüber nachzudenken, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, mit der ein bestimmtes Problem innerhalb eines Projekts eintreten könnte und welche Konsequenzen damit verbunden wären. Man kann ein Risiko verringern, indem man die Wahrscheinlichkeit und/ oder die Konsequenzen minimiert. Besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein kostspieliger und zeitaufwändiger Risikofall eintritt, könnte es besser sein, das Projekt zu hinterfragen und gegebenenfalls zu terminieren. Als Betreuer*in von Promotionsarbeiten trägt man die Verantwortung dafür, dass der/ die Promovierende in einem vorgegebenen Zeitraum zu einem erfolgreichen Abschluss kommt. Daher sollten Sie von Anfang an im Auge behalten, ob Hindernisse in der Durchführbarkeit, wie noch nicht etablierte Methoden oder Verfügbarkeit von Untersuchungsmaterial, ein geringes, mittleres oder hohes Risiko darstellen. Gutachter- *innen achten mittlerweile darauf, ob mögliche Risiken, und der Umgang damit, von Anfang an bedacht wurden. Anders als die Sachebene ist die Personenebene, die in ein Projekt hineinspielt, nicht so leicht planbar. Es ist wichtig, dass die Akteur*innen regelmäßig und konstruktiv miteinander kommunizieren, damit ein Projekt nicht aus dem Ruder läuft ( → Gespräche mit Mitarbeitenden, Teamentwicklung und -konflikte, Teamstruktur und -führung). Regelmäßige → Besprechungen und Meetings sind essentiell. Eine gute Grundlage für eine Besprechung ist das zu Beginn des Projektes erstellte Gantt-Diagramm und eine ,Open Issues List‘. Sie zeigen am besten auf, inwieweit das Projekt im Zeitplan liegt und welche Probleme aufgetaucht sind, die einer Lösung bedürfen. Sofern bestimmte Probleme oder Risiken im Vorfeld einkalkuliert wurden, kann man jetzt auf die alternativen Strategien zurückgreifen. <?page no="179"?> Projektmanagement 179 Wenn Sie die Erfolgschancen für ein Projekt erhöhen möchten, lohnt es sich, sich mit den Konzepten und Werkzeugen des PMs auseinanderzusetzen. Probieren Sie es aus! Anregungen zur Projektabwicklung Zeit, die man zu Beginn eines Projektes in die Planung investiert, zahlt sich später aus: ,Work smarter, not harder‘. Beantworten Sie sich folgende Fragen im Voraus: Welche Ressourcen werden benötigt und stehen zur Verfügung oder müssen erst angeschafft werden? Welche Expertise ist notwendig? Wer sind die Akteur*innen und welche Interessen haben sie? Wer sind die Ansprechpartner*innen? Welche Qualitätsstandards setzen wir und wie kann die Qualität gesichert werden? Gut formulierte SMART-Ziele erhöhen die Erfolgschance eines Projektes. D.h. sie sind spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und zeitlich terminiert. Deadlines und Meilensteine sind Ihre Freunde. Sie helfen Ihnen, die Zeit für die einzelnen Arbeitspakete einzugrenzen. Denn, nach dem Parkinsonschen Gesetz füllt eine Aufgabe letztendlich die Zeit, die man ihr überlässt. Scheuen Sie sich nicht, alle möglichen Risiken zu bedenken. Es kommt oft blöder als man denkt. Visualisieren Sie Ihre Planung. Die Meilensteine sollten Sie immer im Blick haben. Betrachten Sie das Projekt als einen Prozess mit einer gewissen Eigendynamik. Steuerung, Kontrolle und Anpassungen sind dann selbstverständlich. Gute Kommunikation ist essenziell. Eine konstruktive Atmosphäre unter den Akteuren*innen ist die Grundlage für Vertrauen und erlaubt Diskussionen über Herausforderungen, die im Verlauf des Projektes natürlicherweise entstehen. Literatur COVEY, Stephen R., 2018. Die 7 Wege zur Effektivität: Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg. 51., überarb. Aufl. Offenbach: Gabal. NEUMANN, Mario, 2017. Abenteuer Projekte. Frankfurt am Main: Campus. OTTMANN, Roland, Hrsg., 2012. Der nackte ProjektManager. 3. Aufl. Nürnberg: Ottmann & Partner GmbH Management Consulting. PORTNY, Stanley E. und AUSTIN, Jim, 2002. Project Management for Scientists. ww w.sciencemag.org <?page no="180"?> 180 Promotionen betreuen Promotionen betreuen Neela Enke & Anette Hammerschmidt Ich bin Juniorprofessorin und bald startet mein erster Doktorand seine Dissertation. Was kann ich tun, damit die Promotion ein Erfolg wird? Es ist gut, diese Frage gleich zu Beginn zu stellen! Für Promotionsprojekte - und ganz besonders die ersten als Betreuer*in - ist es wichtig zu bedenken, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Promotion im vorgesehenen Zeitrahmen abgeschlossen werden kann und zu einem guten Ergebnis ührt. Das hängt natürlich auch von der Wahl des Themas ab. Hier spielt es zweifellos eine große Rolle, ob die Arbeit auf den Ergebnissen einer Feldforschung oder verschiedener Experimente aufbaut oder rein theoretischer Natur ist. Auch die Anforderungen und Erwartungen der Fachbereiche spielen da hinein. Wägen Sie den Betreuungsaufwand realistisch ab. Haben Sie Promovierende, die Sie bereits kennen (z.B. aus der Masterarbeit) und die gut in Ihre Abläufe eingearbeitet sind, denen Sie eine gewisse Frustrationstoleranz und große Hartnäckigkeit zutrauen, können trotz erhöhter Risiken auch ,gewagte‘ Themen zum Erfolg ühren. Allerdings sollten Sie auch in diesen Fällen einen Plan B parat haben und eine Vorstellung davon, wann Sie die Reißleine ziehen und die Strategie gemeinsam ändern müssen. Es empfiehlt sich von vornherein abzuklären, ob und wie die Zusammenarbeit gut funktionieren kann. Im Grunde können Sie da alle Grundsätze der → Personalauswahl befolgen - auch wenn es nicht um die Vergabe einer Stelle geht, sondern um eine*n Kandidat*in mit Stipendium. In jedem Fall sollten Sie ihre gegenseitigen Erwartungen klären ( → Gespräche mit Mitarbeitenden). Was erwarten Sie von Ihren Promovierenden? Stellen Sie auch Transparenz über für Sie ,Selbstverständliches‘ her; der*die Kandidat- *in könnte ganz andere Vorerfahrungen haben. Fragen Sie den*die Kandidat*in auch, was er*sie von der Betreuung erwartet. Können die Bewerber- *innen darauf keine genaue Antwort geben, hilft z.B. die Frage: „Was hat Sie in der Masterarbeit unterstützt, was behindert? “ Und schließen Sie zu Beginn der Zusammenarbeit eine Promotionsvereinbarung - darauf können Sie später zurückgreifen. Obwohl der traditionelle Weg in Deutschland nach wie vor die Einzelpromotion ist, gibt es mittlerweile auch die Möglichkeit, in strukturierten Graduiertenschulen zu promovieren. Klären Sie außerdem, ob die Arbeit als Monographie oder als kumulative Promotion angefertigt werden soll. <?page no="181"?> Promotionen betreuen 181 Stellen Sie sicher, dass Sie die fachlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen gut kennen, damit Sie die Promovierenden entsprechend aufklären und anleiten können. Nur so vermeidet man später Überraschungen - ein Blick in die Promotionsordnung kann ein Startpunkt sein. Wie jedes Projekt hat auch eine Promotion verschiedene Phasen ( → Projektmanagement). In jeder Phase benötigen die Promovierenden unterschiedliche Unterstützung von den Betreuenden. Zu Beginn geht es darum, Orientierung zu geben, das Thema einzugrenzen oder zu erweitern und die methodische Herangehensweise zu klären. Falls notwendig geben Sie eine Struktur vor. Sofern für die Promotion zusätzliche Anforderungen wie Publikationen in Fachzeitschriften oder die Teilnahme an einer Summer- School oder Tagung Bedingung sind, müssen sie im Zeitplan berücksichtigt werden. Treffen Sie sich regelmäßig in vereinbarten Abständen, um den Fortgang des Promotionsprojektes zu besprechen. Womöglich kann die*der Promovierende zu dem Zeitpunkt die Selbständigkeitserwartungen der Betreuer*innen (noch) nicht erfüllen. Einmal gut angeleitet, folgt in der Regel eine Phase des selbstständigen Arbeitens. Sofern Daten erhoben werden, kontrollieren Sie gelegentlich die Qualität dieser Daten. Ob in Natur-, Sozial- oder Geisteswissenschaften: geben Sie Feedback zur Entwicklung neuer oder der Schärfung existierender Fragestellung. Herausfordernd in dieser Phase ist es, die Balance zwischen Eigenständigkeit der Promovierenden, deren gelegentlicher Selbstüberschätzung und - sofern relevant - den Forschungsinteressen der Arbeitsgruppe bzw. der Betreuenden zu finden. Im 2. Drittel der Promotion kommt es nicht selten zu einer Krise - sei es aus Frustration, weil es nicht wie erwartet vorangeht, aus dem Gefühl der Desorientierung (ich weiß nicht, wo das ,wissenschaftlich‘ hingeht) oder Ängsten, die mit der eigenen Abwertung einhergehen ( → Hochstaplersyndrom). Hier ist Unterstützung von dem*der Betreuer*in gefragt! Bevor es in die Abschlussphase geht, sollte nochmals überprüft werden, was genau ‚genug‘ ist - unterschiedliche Erwartungen an Qualität ( → Qualitätsmanagement), die auch mit den Karrierevorstellungen der*des Promovierenden verknüpft sind, spielen hier eine Rolle. Das hängt von der Zukunftsperspektive des*der Promovierenden ab: „Möchte ich eine wissenschaftliche Karriere verfolgen? “ oder „Geht es ‚nur‘ um den Abschluss und Titel? “ - Letzteres stellt oft ein auf akademischen Normen beruhendes Tabu dar - fragen Sie sich selbst kritisch, wie Sie dazu stehen. Klären Sie auf der Basis der Vorarbeiten nochmals gemeinsam, welche Qualitätsansprüche Sie voraussetzen und für die Beurteilung zu Grunde legen. Promovierende befällt in der Abschlussphase gelegentlich eine Angst vor dem ,Danach‘, die zu Prokrastination führen kann. Oder haben vielleicht <?page no="182"?> 182 Promotionen betreuen Sie Angst, eine*n engagierte*n Mitarbeiter*in zu verlieren und zögern das Ende unbewusst hinaus? Regen Sie die Promovierenden zu einer aktiven Auseinandersetzung mit Karriereperspektiven an ( → Ausstieg aus der Wissenschaft, Karriereplanung), z.B. über Gespräche, Teilnahme an Mentoringprogrammen oder Hinweise über entsprechende Veranstaltungen der Institution. Sollten die Promovierenden nicht ,nur‘ an ihrem Promotionsprojekt, sondern auch für das Institut arbeiten, kann es zu Interessenskonflikten kommen, auf die Sie achtgeben sollten. Kommunizieren Sie transparent: Welche Aufgaben gehören in welchen Bereich? Wie ist die Belastung in den beiden Bereichen verteilt? U.U. müssen Sie die Angelegenheit nicht mit dem Promovierenden selbst, sondern einem*einer Kollegen*in klären, von dem*der die Anforderungen kommen. Gehen Sie auch mit sich selbst kritisch ins Gericht - gerade wenn Promovierende Sie durch gute Arbeit am Fachbereich entlasten, ist die Verführung groß, ihnen mehr und mehr ,zuzutrauen‘ was irgendwann zu einer Zumutung werden kann. Bedenken Sie: der erfolgreiche Abschluss einer Promotion ist sowohl für den Promovierenden als auch für Sie ein Erfolg. Das wollen Sie letztendlich gemeinsam feiern. Anregungen für eine Promotionsvereinbarung Legen Sie den Rahmen, das Thema und die Erwartungen, sowie eine ungefähre Zeitschiene fest. Planen Sie Pufferzeiten sein. Welche Infrastruktur, Kooperationen und Unterstützung können Sie zur Verfügung stellen? Welche Feedbackintervalle sind angedacht? ( → Feedback) Machen Sie Ihre Promovierenden unbedingt mit den Leitfäden und Richtlinien zu guter wissenschaftlicher Praxis vertraut. Ihre Kandidat*innen sollen kumulativ arbeiten? Planen Sie Zeitfenster für die Veröffentlichungen in Fachzeitschriften. Haben Sie eine Publikationsstrategie? Sprechen Sie darüber! An welchen Symposien und Konferenzen darf bzw. muss die promovierende Person teilnehmen? Planen Sie dafür Zeit ein. Welche Risiken können in den verschiedenen Phasen auftauchen. Unterstützen Sie die*den Promovierende*n bei der Risikoanalyse. Welche Verlängerungsmöglichkeiten gibt es, falls das Geld ausgeht? Was bieten Sie bzw. Ihre Institution zum Thema professionelle Entwicklung und Weiterbildung an? In welchem Umfang unterstützen Sie dies als Teil der Arbeitszeit? <?page no="183"?> Publizieren 183 Literatur STOCK, Steffen, Patricia SCHNEIDER, Elisabeth PEPER und Eva MOLITOR, Hrsg. 2014. Erfolgreich promovieren. Ein Ratgeber von Promovierten für Promovierende. Wiesbaden: Springer/ Gabler. PEELO, Moira, 2010. Understanding Supervision and the PhD. Essential Guides for Lecturers. New York: Continuum. PETRE, Marian und Gordon RUGG, 2004. The unwritten rules of PhD research. London: Open University Press. Publizieren Edda Wilde & Neela Enke Worauf muss ich beim Publizieren achten und wie gehe ich das Ganze am besten an? Wie wichtig ist der Publikationsort? Wie gehe ich mit Co-Autor*innenschaft um? Und wann ist meine Veröffentlichung gut genug? Publizieren ist eine Kernaktivität wissenschaftlichen Arbeitens - so kann die eigene Forschung der Community zur Diskussion zugänglich gemacht und das individuelle Profil gebildet werden, ( → Profilentwicklung) Außerdem stellt das Publizieren einen der wichtigsten Karrierefaktoren dar. Der Erfolg von Bewerbungen auf Professuren hängt maßgeblich mit der Anzahl der Publikationen, deren Qualität und dem Publikationsmedium zusammen. Zentral für Ihre Publikation ist die Festlegung des Themas: Bei der Themensuche sollten Sie vorab Art und Zweck der Veröffentlichung bestimmen: Es gibt ganz unterschiedliche Formen der wissenschaftlichen Publikation - und unterschiedliche Publikationstraditionen in den verschiedenen Fachdisziplinen. In den Naturwissenschaften ist die häufigste der Fachartikel (auch ‚Paper‘ genannt), der in einer Fachzeitschrift erscheint. In den Geisteswissenschaften bringen - neben Artikeln - Bücher viel Renommee. Die Art der Veröffentlichung bestimmt Umfang und Ausrichtung des Themas. Machen Sie sich zudem klar, welches Ziel Sie mit der Publikation verfolgen. Wollen Sie Ihr umkämpftes Thema möglichst früh platzieren, geht es um Ihre Karrierestrategie oder um ein Herzensthema? Das Ziel der Publikation bestimmt den Aufwand, den Sie mit dem Text und der Suche nach einem Publikationsort betreiben. <?page no="184"?> 184 Publizieren Nach diesen Entscheidungen folgt die Umsetzung. Wenn Sie ausreichend Recherchen betrieben und ggf. Experimente durchgeführt bzw. Daten erhoben haben, geht es an das Schreiben. Um die Angst vor dem ‚weißen Blatt‘ zu verlieren, sammeln Sie zu Beginn in einem freien Brainstorming alle inhaltlichen Ideen, ohne sie zu werten. Dann wird das Ergebnis strukturiert: Streichen Sie Überflüssiges, clustern Sie zusammenpassende Teile und ordnen Sie sie schließlich einzelnen Kapiteln oder Abschnitten zu. Die Struktur wissenschaftlicher Texte ist fachabhängig. Die naturwissenschaftliche Veröffentlichung hat eine vorgegebene Form mit festen Textteilen, auch wenn diese variiert werden können: Abstract - Einleitung - Material und Methoden - Ergebnisse - Diskussion - Zusammenfassung - Referenzen. Die geisteswissenschaftliche Veröffentlichung ist deutlich freier in der Gestaltung und folgt den Gepflogenheiten der einzelnen Fachbereiche. Beginnen Sie das Schreiben mit einem Teil, der Ihnen leichtfällt. Einzige Regel: Die Einleitung wird am Schluss verfasst. Für einen flüssigen Schreibprozess ist es wichtig, den Text basierend auf der entwickelten Struktur einfach herunterzuschreiben. Erst wenn die Gedanken in Rohform aufgeschrieben sind, beginnen die Überarbeitungsprozesse. Zwei bis fünf sind dabei absolut üblich. Bauen Sie wissenschaftlichen Belege ein, verfeinern Sie Argumentation und Logik und überarbeiten Sie am Schluss den Text sprachlich. Falls zu diesem Zeitpunkt bereits klar ist, wo Sie veröffentlichen, befolgen Sie die Vorgaben der Zeitschriften - niedergelegt in den Autor*innenleitfäden. Neben dem Schreiben selbst bringt auch das Publizieren Herausforderungen mit sich. Für den Fall, dass Sie in Co-Autor*innenschaft arbeiten, beginnen Sie die Diskussion, wer in welcher Reihenfolge genannt wird, möglichst frühzeitig. Die Kriterien für die Vergabe der Autor*innenschaften sollten transparent sein, sodass die gegenseitigen Erwartungen früh geklärt sind und der Aufwand der Beteiligten einigermaßen mit dem geernteten ‚Ruhm‘ übereinstimmt. 15 Die Diskussion der Autor*innenfrage ist aufgrund von Fachtraditionen aber auch Gepflogenheiten einzelner Arbeitsgruppen und konkurrierenden Interessen nicht immer einfach (z.B. gibt es Fachkulturen, in denen Promovierende stets an zweiter Stelle hinter ihren Professor*innen genannt werden, selbst wenn sie die Hauptarbeit geleistet haben), aber sie kann sich lohnen! 15 Stephen M. Kosslyn (Professor für Psychologie in Harvard) führte dazu z.B. 2002 ein Punktesystem in seiner Arbeitsgruppe ein, das er in dem Dokument „Criteria for Authorship“ niederlegte. Viele Journals geben Kriterien in Ihren Guidelines für Autor*innen vor. Unter https: / / www.nature.com/ articles/ d41586-018-05280-0 (zuletzt aufgerufen am 01. April 2020) werden die Ergebnisse einer Studie zu Praktiken der Vergabe von Autor*innenschaft diskutiert). <?page no="185"?> Publizieren 185 Eine wichtige Frage beim Publizieren ist, wo ein Text erscheinen soll, da mit dem Erscheinungsort die äußere Bewertung einhergeht, wie qualitätsvoll der Text ist: Welche Verlage oder Zeitschriften kommen in Frage, wie renommiert sind sie im eigenen Feld, handelt es sich um nationale oder internationale Journals, nutzen sie ein Peer Review-Verfahren oder nicht etc.? Abhängig davon, wieviel Zeit vorhanden ist, wählen einige Wissenschaftler*innen eine Top-Down-Strategie: Zunächst wird das Manuskript bei einem hochrangigen Journal eingereicht und wenn es dort abgelehnt wird, dann bei einem etwas weniger renommierten Journal usw., bis es publiziert wird. Dabei ist das Kriterium für ,Hochrangigkeit‘ zumindest in der Naturwissenschaft meist der Impact-Factor. Da Peer-Review-Verfahren die Qualität von Publikationen sichern sollen, gelten Paper, die dieses Verfahren durchlaufen haben, als besonders hochwertig. Erfahrene Kolleg*innen lesen den Artikel im Auftrag der Verlage, kommentieren ihn und empfehlen die Veröffentlichung - oder eben auch nicht. Die Autor*innen erhalten die Kommentare der Reviewer*innen und werden dazu aufgefordert, Stellung zu nehmen und die Veröffentlichung ggf. zu verändern. Das kann herausfordernd sein, da der Ton der Kommentare mitunter sehr schroff ist und/ oder Sie mit Kränkungen umgehen müssen, die durch kritische Kommentare hervorgerufen werden. Dann hilft das Weglegen für ein paar Tage, bis Sie sich beruhigt haben und eine möglichst sachliche Einschätzung, ob die ‚Unhöflichkeit‘ hingenommen werden muss oder nicht. Damit das System Peer Review funktioniert, sollte jede*r Wissenschaftler*in mindestens so viele Publikationen begutachten wie publizieren. Gleichzeitig ist das eine zeitaufwändige Angelegenheit, und Sie müssen darauf achten, dass Sie nicht in der Tätigkeit der Reviewer*in untergehen. Durch das hohe Gewicht von Publikationen für die Wissenschaftskarriere herrscht ein großer Publikationsdruck (‚publish or perish‘). Dies kann dazu führen, dass die Grundregeln der guten wissenschaftlichen Arbeit, wenn nicht gebrochen, so doch aber sehr großzügig ausgelegt werden. Letztlich ist die Entscheidung, was gut genug für die Publikation ist, auch immer eine individuelle. Bedenken Sie kurz- und langfristige Folgen: Die Publikation eines zweifelhaften Datensatzes kann kurzfristig zu einem schnelleren Publikationsergebnis führen. Das ist aber nicht nur moralisch bedenklich, sondern kann auch - sollte es später entdeckt werden - das Ende einer wissenschaftlichen Karriere bedeuten. Umgekehrt kann es manchmal gut sein, Forschungsergebnisse früh zu platzieren, auch wenn sie noch nicht gänzlich ausgereift sind, um sich ins Gespräch zu bringen. <?page no="186"?> 186 Qualitätsmanagement Hilfreiche Überlegungen zur eigenen Publikationsstrategie: Karrierephase: Sind Sie bereits gut etabliert oder befristet angestellt und brauchen eine Veröffentlichung für den Abschluss Ihrer Qualifikationsarbeit/ Antragstellung/ Besetzung einer Nische? Publikationsdruck: Bedenken Sie ethische Aspekte (Qualitätsanspruch) und prüfen Sie, ob Sie in einem sehr kompetitiven Feld unterwegs sind oder eher in ‚Ihrer‘ Nische forschen. ( → Qualitätsmanagement) Quantität: Lieber viele kleine Veröffentlichungen (Publikationsliste wird länger) oder eine große (u.U. ‚bessere‘ Wissenschaft)? Zielgruppe: Wer soll die Forschung lesen und wo verorten Sie sich mit Ihrer Forschung ( → Inter- und Transdisziplinarität)? Literatur BUDRICH, Barbara, 2019. Erfolgreich Publizieren. Grundlagen und Tipps für Autorinnen und Autoren aus den Sozial-, Erziehungs- und Geisteswissenschaften. Stuttgart: UTB. EBEL, Hans Friederich, Claus BLIEFERT und Walter GREULICH, 2006. Schreiben und Publizieren in den Naturwissenschaften. 5. Auflage. Weinheim: Wiley VHC. KOSSLYN, Stephen M., Criteria for Authorship. Unter: https: / / kosslynlab.fas. harvard.edu/ files/ kosslynlab/ files/ authorship_criteria_nov02.pdf (zuletzt aufgerufen am 01. April 2020). SCHEUERMANN, Ulrike, 2016. Schreiben als Denk- und Lernwerkzeug nutzen und vermitteln. 3., durchges. Auflage. Stuttgart: UTB. Qualitätsmanagement Boris Schmidt Seitdem ich in der Wissenschaft arbeite, will ständig irgendwer meine Arbeit bewerten. Das nennt sich wohl neudeutsch ,Qualitätsmanagement‘. Ob bei der Forschung, der Lehre oder meiner Organisation, ich habe das Gefühl, immer auf dem Prüfstand zu stehen. Zu Studienzeiten fand ich das ja noch verständlich - aber hört das denn nie auf? Nein, aufhören wird das auf absehbare Zeit in der Tat nicht: Qualitätsmanagement, also das systematische Bemühen, Qualität zu sichern und zu <?page no="187"?> Qualitätsmanagement 187 entwickeln, hat einen festen Platz im Hochschul- und Wissenschaftssystem - und zwar im Grunde schon seit jeher: Es betraf und betrifft alle, die in diesem System tätig sind. Direkt oder indirekt. Denn das System hat die Aufgabe, neues Wissen zu erschaffen und weiterzugeben. Und das geht eben nur mit Qualität, nicht ohne. Und diese gilt es zu sichern und zu entwickeln: → Berufungsverfahren (Wer ist der/ die beste ür diesen Lehrstuhl? ), Peer Review-Verfahren (Welcher Forschungsantrag ist örderungs- und welches Manuskript publikationswürdig? ) und kritisch-konstruktive → Feedbacks (Wie gut ist diese Prüfungsleistung? Was könnte an diesem Seminar noch besser gemacht werden? Welche Stärken und welche Schwächen hat diese Theorie oder dieser Ansatz? ) sind deswegen integrale Bestandteile jeglicher Wissenschaft, Hochschule, Forschung, Lehre und ihrer Organisation. Also Qualitätsmanagement. Neu, vielfach ungewohnt und manchmal unbequem sind sowohl die Intensität und Taktzahl der Bemühungen um Qualität, einige ihrer Methoden und Strategien als auch deren Bezeichnungen: ,Akkreditierung‘, ,Begehungen‘, ,Evaluation‘, ,Leistungsorientierte Mittelvergabe‘ und auch ,Qualitätsmanagement‘ an sich sind nur einige der Reizworte. Neu ist ebenfalls die (gefühlte) Relevanz, etwa wenn Evaluationsergebnisse veröffentlicht werden, wenn eine Kopplung mit Budgets (der Institution, des Fachbereichs oder auch ganz konkret: des Individuums) erfolgt oder wenn Karriereoptionen und Personalentscheidungen (z. B. Be-/ Entfristung, Tenure) betroffen sind ( → Personalauswahl). Nicht zuletzt neu ist auch die Vielfalt und Widersprüchlichkeit der Zielstellungen von Qualitätsmanagement: Mal geht es um Qualitätssicherung (d.h. Probleme oder Hindernisse frühzeitig erkennen und vermeiden), mal um Entwicklung (d.h. etwas Gegebenes in seiner Qualität verbessern, optimieren, innovieren), mal um den Versuch einer Qualitätsmessung (d.h. zu quantifizieren, wie gut etwas ist oder eben auch nicht ist), mal vorrangig um dekorative Zwecke (d.h. darstellen, wie gut eine Institution oder ein Angebot, etwa ein bestimmter Studiengang, sei) und mal ist Qualitätsmanagement eine bloße pro-forma-Aktivität (d.h. weder an Voraussetzungen noch an Konsequenzen gekoppelt, ,weil es eben so gemacht wird‘). Das ist nicht leicht auseinanderzuhalten. Zudem leben wir in einer gesellschaftspolitischen Situation, in der ein gewisser ,Messbarkeitswahn‘, hohes Tempo und der Wunsch nach Kontrolle vorherrschen - dies mag gelegentlich ein wenig überzogen sein, genauso wie es zu anderen Zeiten überzogen war, ganz und gar auf Vertrauen, Geduld und ,Qualitätshoffnung‘ zu setzen. Das Pendel schwingt zwischen diesen beiden Polen und wird auch wieder zurückschwingen. Im Moment aber noch nicht. <?page no="188"?> 188 Qualitätsmanagement Was tun bei und mit so viel Qualitätsmanagement? Kommen Sie allen anderen zuvor - managen Sie Ihre Qualität selber! Fragen Sie sich für Ihre wichtigsten Tätigkeiten, was in Ihren Augen und in Ihrem Selbstverständnis dort Qualität ausmacht: Wann ist Ihre Forschung gut? Woran zeigt sich, dass und wie Sie gut gelehrt haben? Was ist für Sie eine gute Organisation Ihrer Arbeit? Definieren Sie den Begriff ,Qualität‘ für sich, und überlegen Sie, wie Sie Qualität in diesem Sinne erkennen, sicherstellen und verbessern können. Verstehen Sie das Qualitätsmanagement! Im Grunde haben alle Ansätze des Qualitätsmanagements einen Sinn, auch wenn dieser manchmal nicht sofort erkennbar sein mag. Überlegen Sie, welchem Zweck das jeweilige Verfahren (z. B. eine bestimmte Evaluation oder ein Qualitätsmanagementsystem) dient und wie Sie persönlich zu diesem Zweck stehen. Was davon finden Sie richtig und was nicht? Nutzen Sie die Potenziale! Bei aller (manchmal berechtigten, manchmal anderweitig bedingten) Kritik birgt jedes Qualitätsmanagement auch Potenziale - sonst gäbe es dies gar nicht. Suchen und finden Sie diese: Was können Sie mit diesem → Feedback anfangen? Welchen Vorteil hat es, dass Sie gerade diese Evaluation mitmachen müssen? Was können Sie hierbei lernen, verstehen, für sich und Ihre Forschung ( → Profilentwicklung) oder Ihre Lehre ( → Lehrkompetenz) nutzbar machen? Schützen Sie sich vor Verletzungen! Manchmal können Feedbacks oder die Ergebnisse einer Evaluation weh tun (z. B. abgelehnter Forschungsantrag, zurückgewiesenes Manuskript, kritische Kommentare in der Lehrveranstaltungsevaluation). Holen Sie in einem solchen Fall tief Luft. Betrachten Sie die Ergebnisse mit etwas Abstand und - vielleicht mit einer Person, der sie vertrauen - aus einer anderen Perspektive. Tappen Sie nicht in die Falle Ihrer eigenen ,neuralgischen Punkte‘, bei denen es immer weh tut, sondern setzen Sie das Kritische und das Positive in Relation. ( → Kritikkompetenz) Ihre Arbeit steht im Fokus - nicht Sie! Gerade bei ,Ich-nahen‘ Themen (z. B. Ihre Lehrveranstaltung, Ihr Antrag, Ihr Studiengang) ist das Risiko hoch, dass Sie Rückmeldungen und Entscheidungen auf Sie selbst als Person beziehen. Tun Sie das nicht (außer vielleicht bei besonders positivem → Feedback). Bewertet, kritisiert, gemessen und evaluiert wurde das Ergebnis Ihrer Arbeitsleistung. Und diese ist nicht identisch mit Ihnen als Mensch, als Person. Trennen Sie dies. Machen Sie mit - die anderen tun es doch auch! Derzeit ist Qualitätsmanagement ,en vogue‘, und es ist quasi unvermeidbar, damit in Berührung zu kommen. Das kostet Zeit und Energie - aber nicht immer gleich viel. Dosieren Sie, wo es sich lohnt und wo nicht. Es ist legitim, <?page no="189"?> Resilienz 189 sich bei einigen Verfahren und Instrumenten zu schonen (z. B. die ,typischen wohlklingenden Berichtssätze‘ einzufügen) und sich dafür bei anderen so richtig ins Zeug zu legen. Unter dem Strich: Den allermeisten Menschen in Wissenschaft und Hochschule ist die Qualität ihres Tuns eines der höchsten Güter - sie wünschen und wollen gute, beste, exzellente Qualität: In der Lehre, in der Forschung und auch in den organisatorischen Rahmenbedingungen. Und die meisten wollen sich dabei weder beobachtet noch kontrolliert oder überwacht fühlen. Versuchen Sie, Qualitätsmanagement nicht als eine solche Beobachtung, Kontrolle oder Überwachung zu erleben, sondern als Begleitung, Unterstützung, Gelegenheit zur Weiterentwicklung. Akzeptieren und nutzen Sie Qualitätsmanagement als Teil der wissenschaftlichen Realität. Literatur BEITRÄGE ZUR HOCHSCHULPOLITIK 8, 2010. Wegweiser 2010 - Qualitätssicherung an Hochschulen. Bonn: Hochschulrektorenkonferenz. KAMISKE, Gerd F. und BRAUER, Jörg-Peter, 2011. Qualitätsmanagement von A bis Z (7. Aufl.). München: Hanser. SCHMIDT, Boris, 2013. Zwischen Belohnung, Bestrafung und „So tun als ob“: Anreize für gute Lehre. In: Philipp Pohlenz und Antje Oppermann, Hrsg. Exzellenz - Pakt - Lehre, S. 139-146. Bielefeld: UVW. Resilienz Anette Hammerschmidt „Ich setzte den Fuß in die Luft, und sie trug.“ Hilde Domin Das Wort Resilienz, vom lateinischen resilire, abprallen, bezeichnet die Fähigkeit, Krisen zu verkraften, sich von Rückschlägen zu erholen und mit den Widrigkeiten des Lebens gut umgehen zu können. Es ist das Vertrauen, dass wir getragen werden, auch wenn es uns momentan den Boden unter den Füssen wegzieht. Das Stehaufmännchen in uns, das, nachdem es auch mal umkippt, wieder auf die Beine kommt. ( → Misserfolge und Scheitern) Diese Fähigkeit und Widerstandskraft besaßen Menschen zweifellos von Anbeginn - ins heutige Bewusstsein sind sie mit den Erkenntnissen aus der Salutogenese, der Flow- und der Glückforschung gerückt. Die Resilienzforschung geht von verschiedenen Schlüsselfaktoren aus, die <?page no="190"?> 190 Resilienz uns helfen, wieder ins Gleichgewicht zu kommen und zu unserer inneren Stärke zurückzufinden. Sieben Kriterien des Gelingens sind: 1. Akzeptanz dessen was ist, 2. Optimismus, dass es sich wieder zum Besseren wendet, 3. Selbstwirksamkeit als Glaube an die Fähigkeit Einfluss zu nehmen, 4. Verantwortungsübernahme für das eigene Denken und Handeln, 5. Netzwerkorientierung oder die Fähigkeit sich Unterstützung zu suchen, 6. Lösungsorientierung, Dinge aktiv anzugehen und 7. Zukunftsorientierung als Ausrichtung auf Chancen und vorausliegende Ziele. Weil das nicht leicht zu beherzigen ist, wenn man ‚down‘ ist, folgen hier einige Tipps. Akzeptanz - Veränderungen und Krisen stellen uns vor die Herausforderung, dass uns Liebgewonnenes - Menschen, Gesundheit, Sicherheit, Arbeit, Wohlstand - meist gegen unseren Willen genommen wird. Wir verlieren Stabilität, Orientierung und Zuversicht. Wir trauern, fühlen uns ohnmächtig, können es nicht fassen. Das ist verständlich und darf auch sein. Es ist ok sich nicht ok zu fühlen - das gilt es zunächst zu akzeptieren! Irgendwann können wir dann auch ‚die Realität‘ akzeptieren, dass ‚es ist wie es ist‘. Erst dann beginnen wir uns neu zu orientieren, fassen wieder Mut und sind bereit, Neues auszuprobieren. Achtung: Gönnen Sie sich die notwendige Zeit für diese Trauerphase, denn sie lässt sich nicht überspringen! Gehen Sie in dieser Zeit wohlwollend mit sich und anderen um. Werden Sie sich dessen bewusst, was Sie verlieren und dabei empfinden. Es will gewürdigt werden. Aber dehnen Sie sie nicht länger aus als notwendig. Wenn Sie soweit sind, kann Ihnen ein angemessenes Abschiedsritual helfen, Altes loszulassen und in der Gegenwart anzukommen. Optimismus - meint die Fähigkeit das Gute im Schlechten zu erkennen und darauf zu vertrauen, dass nicht alles so düster ist wie es gerade aussieht. Auch in schwierigen Situationen gibt es Momente der Freude, einen Funken der Zuversicht und Hoffnung. Dankbarkeit ist ein wunderbarer Zugang zu positiven Gefühlen und kraftvollen Ressourcen. Fangen Sie klein an und notieren Sie z.B. abends, wofür Sie heute dankbar sind. Achtung: Wenn Sie Ihre ‚Strahlemaske‘ aufsetzen und so tun als ob, stellt sich selten Optimismus ein. Fragen Sie sich: Wozu dient das? Schämen Sie sich Ihrer Unvollkommenheit? ( → Perfektionismus) Wollen Sie niemandem zur Last fallen? Die Diskrepanz zwischen Schein und Wirklichkeit kann den inneren Druck noch erhöhen. Üben Sie sich weiter in Akzeptanz! <?page no="191"?> Resilienz 191 Selbstwirksamkeit - erwächst aus der Überzeugung, dass wir die Kraft und Fähigkeiten besitzen, Einfluss zu nehmen. Wenn wir auch die Umstände nicht ändern können - wie wir darüber denken, welche (hinderlichen) Überzeugungen uns leiten, ob wir unsere Bedürfnisse (er)kennen, liegt in unserer Hand. Wenn Sie unter Anspannung und Stress stehen, brauchen Sie Entspannung ( → Stress und Stresskompetenz). Was hilft Ihnen ‚runterzukommen‘? Musik, Poesie, Malen, Tanz und Bewegung, Sport oder ein Spaziergang im Grünen? Oder hilft es Ihnen sich zu informieren und Zusammenhänge zu verstehen? Welche Gedanken kreisen in Ihrem Kopf? Wenden Sie sich ihnen neugierig zu: Was wollen sie Ihnen sagen? Welche Ängste plagen Sie? Einschränkende Gedanken und Glaubenssätze lassen sich transformieren. ( → Selbststeuerung) Achtung: Wenn Sie sich Ihren Gedanken zuwenden, überlassen Sie ihnen nicht die ‚Show‘! Hören Sie ihnen zu, wie Sie einem*r Freund*in zuhören würden. Schenken Sie ihnen Aufmerksamkeit - sie wollen gehört, verstanden und wertgeschätzt werden. ( → Selbstführung) Sie entdecken sicher gute Absichten! Verantwortungsübernahme - heißt nicht, dass Sie sich die Schuld geben für das, was Ihnen widerfährt. Verantwortung können wir nur für unsere Gefühle und Gedanken, unser Verhalten und Handeln übernehmen. Es mag sein, dass wir an einer Situation nichts ändern können, aber wir können sie mitgestalten, darauf Einfluss nehmen, entscheiden, worauf wir uns einlassen, Grenzen setzen und wählen, wie wir besser für uns selbst sorgen. Wie Sie darüber denken, liegt in Ihrem und nur in Ihrem Vemögen. Lassen Sie es nicht zu, zum Opfer der Umstände zu werden. Sei der Spielraum auch klein, nutzen Sie ihn! Achtung: Prüfen Sie, wofür Sie wirklich Verantwortung übernehmen können. Wenn Sie die Verantwortung anderer übernehmen ist das genauso kontraproduktiv, wie eigene Verantwortung zu leugnen. Seien sie fair! Netzwerkorientierung - Resiliente Menschen sind fähig, um Hilfe und Unterstützung zu bitten. Wir müssen nicht alles alleine durchstehen. Kennen Sie Menschen, die ähnliches durchgemacht haben? Von dem einen oder der anderen können wir uns vielleicht etwas abgucken. Visualisieren Sie Ihr Beziehungsnetz. ( → Netzwerken) Ob Freund*innen, Familie oder professionelle Unterstützung von Therapeut*innen oder Coaches - achten Sie darauf, wer Ihnen gut tut, wer wirklich → Zuhören kann und Empathie zeigt, ohne Sie zu bemitleiden oder zu belehren. Checken Sie, wie viel und welche Qualität der Nähe oder Distanz Sie gerade brauchen. Achtung: Menschen, die Ihre Sorgen und Trauer herunterspielen, beschwichtigen, alles besser wissen oder Sie mit Rat ‚schlagen‘, können Sie in solchen Situationen nicht brauchen. Menschen, die Ihnen nicht gut tun, sollten Sie zumindest vorübergehend aus dem Weg gehen. ( → Konfliktmanagement) <?page no="192"?> 192 Resilienz Lösungsorientierung - Bevor Sie auf die Lösungssuche gehen, fragen Sie sich: welcher ‚Knoten‘ sollte eigentlich ‚gelöst‘ werden? Manchmal liegt es an der eigenen Perspektive, zuweilen ist nicht klar, was wichtig oder dringend ist, und in anderen Situationen lässt sich der gewünschte Konsens nicht herstellen. Bevor wir eine Lösung anvisieren, sollten wir wissen, worum es uns geht. Welche Bedürfnisse, Wünsche und Motive stehen dahinter? ( → Selbststeuerung) Das ist richtungsweisend, daraus ergeben sich neue Handlungsmöglichkeiten. Achtung: Vermeiden Sie Aktionismus! Oft sind ‚alte‘ Lösungsversuche die Ursache des Problems. Indem wir die Tendenz zu ‚mehr desselben‘ haben, verstärken wir das Problem. Legen Sie eine Reflexionspause ein, ohne in eine ‚Problem-Trance‘ zu verfallen. Denken Sie an Ihre Selbstwirksamkeit! Zukunftsorientierung - Zukunft hat mit ‚Aussicht‘ zu tun, mit Perspektiven und Sinnhaftigkeit. Wie soll es kurz-, mittel- und langfristig weitergehen? Welche Ziele setzen Sie sich für jeden dieser Zeiträume? Was ist Ihnen wirklich wichtig? Überprüfen Sie Ihre Werte, das, worum es Ihnen im Grunde geht. ( → Haltung) Werte sind wie ‚Leitsterne‘, die uns beim Navigieren des ‚Lebensmeeres‘ die notwendige Orientierung geben, um Nebel und Stürmen zu begegnen. Zeichnen Sie Ihren Lebensweg und wichtige Stationen auf: Welche Höhen und Tiefen haben Sie schon durchlebt? Wie haben Sie frühere Krisen überstanden? Was zieht sich als roter Faden durch Ihr Leben? Welche Werte haben sich gewandelt, welche sind beständig? Welche sind Ihnen heute wichtig? Achtung: Krisen verzerren das Zeitgefühl und verstellen den Blick auf Zukunft - Hoffnung schwindet. Die Haltung ‚no future‘, die Frage ‚wozu das alles? ‘ sind Anzeichen depressiver Phasen. Ihr Autonomes Nervensystem ist ‚in sich zusammengefallen‘, im Zustand der Paralyse (Dana 2018). Überlegen Sie, was Ihnen in der Vergangenheit geholfen hat, da wieder herauszukommen. Ziehen Sie Bilanz. Sie werden bestimmt einige wertvolle Ressourcen finden! Literatur BRIDGES, William with Susan BRIDGES, 2019. Transitions. Making Sense of Life’s Changes. New York: Lifelong Books. DANA, Deb, 2018. The Polyvagal Theory in Therapy. Engaging the Rhythm of Regulation. Foreword by Stephen W. Porges. London: Norton. HELLER, Jutta, 2013. Resilienz. 7 Schlüssel für mehr innere Stärke. München: Gräfe und Unzer. JOHNSTONE, Matthew, 2015. Resilienz. Wie man Krisen übersteht und daran wächst. München: Verlag Antje Kunstmann. REDDEMANN, Luise, 2006. Überlebenskunst. Von Johann Sebastian Bach lernen und Selbstheilungskräfte entwickeln. Unter Mitarbeit von Peer Abilgaard. Stuttgart: Klett-Cotta. <?page no="193"?> Rolle 193 Rolle Neela Enke Ich habe eine ganz tolle Doktorandin, die hervorragende Arbeit leistet. Sie wuppt mein Labor und macht großartige Lehre - ich kann mich wirklich auf sie verlassen und das entlastet mich. Aber mit ihrer Doktorarbeit kommt sie nicht richtig voran … Eine nicht ganz ungewöhnliche Situation! Hier sind zwei Ihrer ,Rollen‘ in Konflikt geraten: Als Führungskraft sind Sie dankbar ür Ihre tolle Mitarbeiterin, an die Sie wunderbar Aufgaben → delegieren können, als Betreuer*in wollen Sie, dass Ihre Doktorandin schnell fertig wird. Die Interessen dieser beiden Rollen stehen sich (zunächst einmal) gegenüber. Als ,Rolle‘ wird die Gesamtheit der einem bestimmten Status (z.B. Führungskraft, Betreuer*in, Postdoc ...) zugeschriebenen Erwartungen, Werte, Handlungsmuster und Verhaltensweisen (Linton 1936) bezeichnet. Diese werden stark vom umgebenden Kontext geprägt, so sind z.B. die Erwartungen an die Rolle ,Betreuer*in‘ von der akademischen Kultur, nationalen Normen und juristischen Rahmenbedingungen Ihrer Institution sowie des Fachgebiets geprägt. Professionelle ,Rollen‘ in einer Organisation sind zusätzlich in einer Hierarchie verortet und mit Aufgaben sowie Befugnissen ausgestattet. Aus Sicht der Organisation sollte der*die Rolleninhaber- *in bestimmte Qualifikationen und Kompetenzen mitbringen. Übernehmen Sie eine ,Rolle‘, lohnt es sich erstens mit den Rollenerwartungen und -festlegungen des Kontexts auseinanderzusetzen. Haben Sie es in einer ,Rolle‘ mit unterschiedlichen Personengruppen zu tun, können sich die Erwartungen, die an Sie gestellt werden, je nach Gruppe durchaus unterscheiden und gelegentlich auch widersprechen. Von Ihnen als Lehrende*r wünschen sich die Studierenden engagierte und mitreißende Lehre mit möglichst individueller Betreuung, das Präsidium möchte qualitativ hochwertige Lehre für möglichst viele Studierende. Zweitens werden Sie eine Vorstellung davon haben, wie Sie eine übernommene ,Rolle‘ ausfüllen möchten: Was sind Ihre Werte? Welche Erwartungen haben Sie an sich selbst? Was sind Ihre Prioritäten? Vielleicht ist Ihre Vorstellung der Rolle ,Führungskraft‘, Ihren Mitarbeitenden die bestmöglichen Arbeitsbedingungen zu bieten, oder wollen Sie Ihre Arbeitsgruppe nach außen optimal präsentieren und international bekannt machen? ( → Haltung) Eine Herausforderung besteht darin, äußere Rollenerwartungen und Ihre <?page no="194"?> 194 Rolle eigenen Vorstellungen miteinander abzugleichen und abzuwägen, wie viel Handlungs- und Gestaltungsspielraum Sie haben bzw. diese mit dem umgebenden System zu → verhandeln. Dazu helfen eine genaue Kenntnis der Rahmenbedingungen, Ihrer eigenen Interessen sowie die der Interaktionspartner*innen und die Fähigkeit zielorientiert zu kommunizieren ( → Fremdbild/ Selbstbild, Kommunikation). Die zweite Herausforderung ist, dass wir in der Regel Inhaber*innen verschiedener professioneller und privater ,Rollen‘ sind, die sich mehr oder weniger gut miteinander vereinbaren lassen: z.B. ,Institutsleitung‘, ,Arbeitsgruppenleitung‘, ,Betreuer*in‘, ,Kolleg*in‘ und ,Partner*in‘, ‚Eltern‘, ,Freund*in‘. Gibt es Synergien zwischen den ,Rollen‘, sind diese für Sie und andere klar umrissen und müssen Sie nicht im Minutentakt zwischen verschiedenen ,Rollen‘ wechseln, lässt es sich auch mit mehreren ,Rollen‘ gut leben. Stellen ihre ,Rollen‘ widersprüchliche Anforderungen an Sie, verschwimmen die Grenzen, und haben Sie zu viele ,Rollen‘ (Rollenmultiplikation), sind Konflikte und Stress die Folge. ( → Life-Balance, Stress und Stresskompentenz). Anregungen für mehr Rollenklarheit Erstellen Sie ein Liste (aller/ der wichtigsten) professionellen ,Rollen‘, die Sie innehaben. Beantworten Sie für jede dieser ,Rollen‘ folgende Fragen: - Welche Erwartungen stellt die Organisation an Ihre Rolle? - Mit welchen Bezugsgruppen haben Sie es in dieser Rolle zu tun? Welche Erwartungen haben diese? - Welche Befugnisse/ Aufgaben/ Kompetenzen sind mit dieser Rolle verknüpft? - Welche Ziele haben Sie in dieser Rolle? Mit welcher → Haltung füllen Sie diese Rolle aus? Passt diese Rolle zu Ihren Werten/ Kompetenzen/ Zielen? Schauen Sie nun, wo es Synergien/ Widersprüche/ Unklarheiten gibt. Klarheit für Sie selbst und Transparenz gegenüber anderen darüber, wann Sie aus welcher Rolle heraus handeln, ist ein Schlüsselaspekt Ihrer Professionalität. Literatur BEUMER, Ulrich, 2013. Rollogramm. In: MÖLLER, Heidi und Silja KOTTE, Hrsg. Diagnostik im Coaching: Grundlagen, Analyseebenen, Praxisbeispiele. Berlin/ Heidelberg: Springer. LINTON, Ralph, 1936. The Study of Man. New York: Appleton-Century-Crofts. <?page no="195"?> Selbstführung 195 Selbstführung Anette Hammerschmidt Manche Ereignisse werfen mich unverhofft aus der Bahn. Ich versuche mich zu fangen, was mir manchmal gelingt, manchmal überhaupt nicht. Was mache ich da bloß anders? In der Tat treffen uns Ereignisse unterschiedlich, weil wir verwundbare und weniger empfindliche Stellen haben. Nicht alle Wesensmerkmale unserer Persönlichkeit sind uns gleichermaßen bekannt. Bei Selbstührung geht es genau hierum: um die Fähigkeit unsere Bedürfnisse, Geühle und emotionale Reaktionsmuster zu erkennen und ausgleichend darauf Einfluss zu nehmen, um wieder in Balance zu kommen. ( → Selbststeuerung) Das braucht etwas Übung, ist aber gar nicht so schwer, wenn wir ein paar Grundannahmen beherzigen. Die erste Annahme lautet: Gefühle sind nicht das Problem! Gefühle sind vielmehr Hinweise, sehr wertvolle zudem, dass gerade ein Bedürfnis erfüllt oder nicht erfüllt wird. Unangenehme Gefühle wie Angst, Ärger, Frust, Entmutigung geben uns zu verstehen, dass wichtige Bedürfnisse nicht befriedigt werden. Bei Angst kann es das Bedürfnis nach Sicherheit, Vertrauen oder Zuversicht sein und Entmutigung könnte auf das Bedürfnis nach Zuversicht, Hoffnung, Sinnhaftigkeit oder Erholung hindeuten. Ob ein einzelnes Bedürfnis oder mehrere - worum genau es geht, das können wir nur in uns selbst entdecken. Allgemein gilt: Gefühle wollen wahrgenommen und gehört werden. Wenn wir innehalten, uns ihnen zuwenden und verstehen, worum es eigentlich geht, beruhigen sie sich und neue Möglichkeiten tun sich auf. Die zweite Annahme folgt der ersten auf dem Fuße: Bedürfnisse sind strikt von Handlungen zu unterscheiden. Ein Kaffee ist kein Bedürfnis, aber einen Kaffee zu trinken kann eine gute Handlungsoption sein, um sich mal eben das Bedürfnis nach Kontakt an der Kaffeetheke oder das Bedürfnis nach Erholung durch eine Pause zu erfüllen. Vielleicht sind aber ein kurzer Spaziergang, ein Telefonat mit einer Freundin oder eine Atemübung die bessere Erholungsstrategie. Ein und dasselbe Bedürfnis kann unterschiedlich bedient werden. Sobald wir wissen, um welche Bedürfnisse es geht, haben wir Wahlmöglichkeiten. Was tut mir gut? Denken Sie in Alternativen! Wenn Ihre Lieblingsstrategie nicht zur Verfügung steht - was könnten Sie sonst tun? Denken Sie nicht in Idealvorstellungen, sondern in Annäherungen. Auch wenn ein Problem sich nicht ganz lösen lässt - etwas können wir in jedem Fall für unser Wohlbefinden tun. <?page no="196"?> 196 Selbstführung Die dritte Annahme klingt zunächst etwas befremdlich: Ich bin viele. Besonders deutlich wird uns das, wenn wir uns hin- und hergerissen fühlen: „Einerseits will ich unbedingt das Buch fertigstellen, damit es endlich vom Tisch ist. Andererseits bin ich erschöpft und brauche dringend meine Osterferien.“ Nicht nur ,zwei Seelen wohnen ach in unserer Brust‘, sondern ein ganzer Klan! Wir haben Persönlichkeitsanteile, die uns antreiben und für Struktur sorgen, Anteile die für Abwechslung und (manchmal auch unerfreuliche) Überraschungen gut sind, andere, die uns beschützen, und verletzliche Anteile, die sich zurückziehen und beschützt werden wollen. Das zu wissen ist in mehrfacher Hinsicht hilfreich. Wenn wir uns ängstlich, verärgert oder entmutigt fühlen, tut es gut, zu erkennen, dass nicht unsere gesamte Person davon betroffen ist. Obschon es uns nicht gut geht, ist das nicht alles. Wenn wir innehalten, können wir weitere Facetten in uns aufspüren, die uns Zugang zu anderen Sichtweisen und unseren Ressourcen ermöglichen. Wichtig ist, dass wir verstehen, worum es diesen inneren Anteilen geht. Wie die Menschen um uns herum wollen sie gehört, verstanden und wertgeschätzt werden. Ganz bestimmt haben sie gute, wenn auch unterschiedliche Absichten und Bedürfnisse. Vielleicht stecken sie in alten Mustern fest, aber sie können auch heute noch dazulernen. Denken Sie in Alternativen und versuchen Sie unparteiisch allen Anteilen wohlwollend zu begegnen. Ein Ausweg aus dem oben erwähnten Beispiel könnte so aussehen, dass der u.U. perfektionistisch veranlagte Anteil ( → Perfektionismus), dem es darum geht, verlässlich exzellente Arbeit zu leisten und abzuschließen, dafür einen Zeitrahmen gewährt bekommt. Der Anteil, der Erholung braucht und sich um Ihre Gesundheit sorgt, bekommt dafür morgens eine halbe Stunde Zeit für Yoga und abends zur Erfrischung eine Dusche vor dem ins Bett gehen. Wenden Sie sich wertschätzend Ihren Anteilen zu, hören Sie mitfühlend hin und Sie werden eine Antwort erhalten. Selbstführung meint, dass wir aus unserer Mitte heraus handeln. Statt unserer Anteile führt unser Selbst, das alles zusammenhält, Regie. Haben Ihre Gefühle Sie im Griff oder haben Sie Gefühle? Haben Sie Anteile, die sich miteinander streiten und Sie gefangen halten? Oder einen inneren Kritiker, der Sie an den Pranger stellt? Weder Gefühle noch unterschiedliche Regungen oder Persönlichkeitsanteile sind das Problem, sondern wie wir damit umgehen. Dabei kann dann Coaching eine hilfreiche Unterstützung sein. Anregungen für den Umgang mit inneren Anteilen Meldet sich ein unangenehmes Gefühl oder kreisen Ihre Gedanken um eine Situation, so halten Sie inne und spüren Sie nach. Wo genau in Ihrem Körper oder um ihn herum spüren Sie, dass etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist? Gehen Sie in Gedanken an diese <?page no="197"?> Selbstführung 197 Stelle. Was genau fühlen Sie - ein mulmiges Gefühl im Bauch, ein Druck auf der Stirn oder vielleicht ein Ziehen in den Armen? Innere Anteile machen sich über den Körper bemerkbar. Nutzen Sie diese Empfindungen, um Kontakt aufzunehmen. Haben Sie innere Bilder, wenn Sie sich dem Anteil zuwenden? Hören Sie den Anteil als innere Stimme? Was sehen oder hören Sie? Fragen Sie den Anteil, was er meint, was passieren würde, wenn er das was er gerade tut und verursacht, nicht tun würde? Was befürchtet er bzw. sie? Erkennen Sie die positive Absicht! Wie stehen Sie zu dem Anteil? Was empfinden Sie für ihn oder sie? Wenn Sie dem Anteil kritisch gegenüberstehen, dann ist ein anderer Anteil im Weg. Fragen Sie letzteren, ob er bereit wäre, vorübergehend einen Schritt zur Seite zu treten. Wenden Sie sich ihm später zu. Schenken Sie jedem Anteil, der sich zeigt, Aufmerksamkeit und Wohlwollen. Jede*r soll gehört werden, nur nicht zur gleichen Zeit. Versichern Sie sich, dass Sie nichts als Wohlwollen, Empathie und Verständnis für Ihre Anteile aufbringen und bleiben Sie in dieser → Haltung. Sollten sich mehrere melden, fragen Sie, welcher Anteil zuerst Ihre volle Aufmerksamkeit bekommen soll. Wenn Sie den einen gehört und nach seinem Ermessen verstanden haben, wenden Sie sich dem nächsten zu. Erst wenn Ihre Anteile ausreichend gehört wurden, suchen Sie gemeinsam nach einer Lösung. Sie kann vorübergehend sein. Denken Sie in Optionen, Alternativen und Schritten. Danken Sie Ihren Anteilen wiederholt, dass sie sich zeigen, dass sie evtl. zur Seite treten, dass sie Ihnen Auskunft über ihre Anliegen und Bedürfnisse geben und vor allem für Ihre guten Intentionen. Halten Sie Zusagen und Versprechen Ihren Anteilen gegenüber unbedingt ein! Literatur EARLEY, Jay, 2014. Meine innere Welt verstehen. Selbsttherapie mit Persönlichkeitsanteilen. München: Kösel. FRITSCH, Gerlinde Ruth, 2009. 2., korrigierte Auflage. Praktische Selbst-Empathie. Herausfinden, was man fühlt und braucht. Paderborn: Junfermann. SCHULZ VON THUN, Friedemann, 1998. Miteinander reden 3. Das „innere Team“ und situationsgerechte Kommunikation. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. SCHWARTZ, Richard C., Martha SWEEZY, 2020. Internal Family Systems Therapy. 2 nd edition. New York, London: The Guilford Press. <?page no="198"?> 198 Selbstpräsentation Selbstpräsentation Silke Oehrlein-Karpi Es heißt, Selbstpräsentation sei ein bedeutender Erfolgsfaktor auf dem Weg zur akademischen Unabhängigkeit. Wie gelingt es auf angemessene Weise, Grundlagen für die eigene Sichtbarkeit in der Wissenschaft zu schaffen? Stellen wir uns vor, dass wir uns als Zuhörende in einem Plenarsaal befinden, in dem über den gesamten Tag ein 20-minütiger Vortrag nach dem anderen gehalten wird. Nicht selten erlebt man die PowerPoint-präsentierten Inhalte schon nach wenigen Vorträgen als beliebig, die Redner*innen als austauschbar. Die Aufmerksamkeit sinkt schnell und wir müssen uns regelrecht zum → Zuhören zwingen, damit das Gesagte nicht völlig an uns - den eigentlich Angesprochenen - vorbei rauscht. Und dann jener Augenblick, wenn plötzlich eine Person ans Rednerpult tritt, die uns unmittelbar durch ihr ‚In-Erscheinung-Treten‘ ür sich gewinnt. Unsere Konzentration steigt und wir wenden uns der*dem Vortragenden sofort interessiert und angeregt zu, um mehr von ihr*ihm zu erfahren. Wir ühlen uns geradezu persönlich angesprochen. Auf fast geschmeidige Art ist der Boden bereitet ür einen weiterührenden fachlichen oder persönlichen Austausch nach dem Vortrag. Ein Beispiel gelungener Selbstpräsentation. Die Präsentation fachlicher Inhalte und eigener Forschungsergebnisse in Seminaren, auf Tagungen und Konferenzen gehören quasi vom Studium an zum Standardrepertoire aller Wissenschaftler*innen. Vordergründig steht bei der Vorbereitung und während des Vortrags allein die Darstellung von Daten im Fokus. So soll die Qualität der eigenen Leistung transportiert werden und für sich sprechen. Formal ist bei diesem Konzept kein Raum für persönliche Aspekte vorgesehen. Informell sieht es allerdings anders aus: Auf dem hochkompetitiven Weg zur akademischen Unabhängigkeit ist eine wahrnehmbare, sich von anderen Kolleg*innen unterscheidende persönliche Präsenz in der wissenschaftlichen Community von essenzieller Bedeutung. Selbstpräsentation ist das Mittel, um Sichtbarkeit herzustellen, Präsenz zu schaffen und sich letztlich schrittweise auf eine individuell ausgeprägte Form des professoralen Habitus hin zu entwickeln. ( → Habitusreflexion) Im Umkehrschluss heißt das aber, dass alle bewussten oder unbewussten Verhaltensweisen, welche aufs Verstecken ausgelegt sind und die Unsichtbarkeit einer Person zur Folge haben, wie z.B. ausgeprägte Bescheidenheit, geringe Risikobereitschaft, ein auf Zweifel basie- <?page no="199"?> Selbstpräsentation 199 rendes Selbstkonzept, das fleißige-Bienchen-Phänomen, der Hang zu → Perfektionismus oder Einzelkämpfertum gravierende Karrierefallen sind. Neben der Konferenz gibt es unzählige andere Settings, in denen Sichtbarkeit bedeutsam ist. Naheliegend ist das Vorstellungs-/ Berufungsgespräch, bei dem es darum geht, die Eignung für die ausgeschriebene Stelle, einem Produkt aus Fachlichkeit und Persönlichkeit, maximal überzeugend darzustellen. ( → Berufungsprozesse) Selbst wenn man bereits in einer Institution beschäftigt ist, ist es weiterhin nötig, für Vorgesetzte, Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen (be-)greifbar zu machen, wie der persönliche Beitrag bei der gemeinsamen Gestaltung von Arbeitsprozessen aussieht. Ziel ist, dass andere Personen ein klares und realistisches Bild von uns entwickeln, das wir selbst mit interessanten Details nach und nach vervollständigen. Im Grunde besteht im beruflichen Kontext bei jeder Begegnung mit anderen die Chance, arbeitsrelevante Informationen über sich selbst zu teilen, aus denen so konkret wie möglich hervorgeht, welche Kompetenzen wir haben, was wir gerne tun, was sinn- und wertvoll für uns ist, und welche beruflichen Ziele wir verfolgen. Um unsere individuelle Kontur für die anderen zu schärfen, gehört auch dazu, unsere persönlichen Grenzen zu definieren. Kurz gesagt, geht es darum, in authentischer Weise deutlich zu machen: Das bin ich, als Wissenschaftler*in und Mensch. Hier fange ich an, da höre ich auf. Bevor wir in der Lage sind, dies für andere klar zu transportieren, ist es notwendig, sich eingehend mit sich selbst zu beschäftigen. Für das berufliche Weiterkommen zahlt es sich aus, kontinuierlich Zeit für die Introspektion zu investieren, dabei das bestehende Selbstkonzept zu überprüfen und über regelmäßiges Einholen von → Feedback abzugleichen und zu verfeinern. Es geht darum, eine differenzierte Selbstwahrnehmung zu Bedürfnissen, Handlungsmotiven, Werten, Fähigkeiten, Kompetenzen und last but not least den eigenen Ecken und Kanten zu entwickeln. ( → Haltung, Selbstführung) Das persönliche Potenzial realistisch einschätzen zu können, stabilisiert den Selbstwert und gibt Selbstvertrauen. Beides ist wichtig, um beim Teilen persönlicher Informationen über sich selbst locker, natürlich und offen zu bleiben. Allerdings sollte die Selbstdarstellung auf keinen Fall als ein bezugloser Monolog über sich selbst verstanden werden. Naturgemäß wohnt der Selbstpräsentation eine inhärente Polarität inne: Einerseits geht es darum, sich so wie man selbst sich sieht, versteht und empfindet zum Ausdruck zu bringen. Andererseits geht es darum, sich dem jeweiligen Gegenüber (Individuum, Gruppe, Gremium, Vertreter*innen von Organisationen) mit aufmerksamem Interesse zuzuwenden. ( → Selbstbild/ Fremdbild). Bei einer gelungenen Selbstpräsentation entsteht über die ausgewogene Einbeziehung beider Perspektiven eine tragfähige Verbindung zwischen den Dialogpartner*innen. <?page no="200"?> 200 Selbstpräsentation Wie genau gelingt Selbstdarstellung ohne auf das Gegenüber inszeniert oder arrogant zu wirken? Um eine Idee davon zu bekommen, was eine andere Person über mich wissen möchte, kann ich mich einfach selbst fragen: Was möchte ich von jemandem erfahren, um mich für die Person wirklich zu interessieren? Wie muss jemand mit mir kommunizieren, damit ich genau hinsehe und zuhöre? Welche Informationen brauche ich, um mich tatsächlich auf eine Person und gemeinsame berufliche Aktivitäten einzulassen? Woran erinnere ich mich auch nach 3 Monaten noch? Was wirkt überzeugend auf mich? Aus den Antworten auf diese Fragen ergibt sich folgende Best Practice-Strategie für die Selbstpräsentation Bereiten Sie sich vor: Sammeln Sie vor der Begegnung aktiv Informationen im Internet oder noch besser im Gespräch mit anderen Personen über Ihre*n Gesprächspartner*in. Versuchen Sie, ihre*seine Perspektive einzunehmen und sich vorzustellen, was sie*ihn besonders interessiert. Entwickeln Sie daraus Ihren Gesprächseinstieg. Knüpfen Sie an Gemeinsamkeiten an: Heben Sie gleich zu Beginn hervor, was Sie mit dem*der Zuhörer*in verbindet. Begegnen Sie Ihrem Gegenüber auf Augenhöhe: Nehmen Sie Ihr Sicherheitsbedürfnis ernst und sorgen Sie gut für sich, damit Sie der *dem anderen in komfortabler Weise mit offen-entspannter Körperhaltung und angemessen respektvoll zugewandt sein können. Portionieren Sie die Informationen, die Sie über sich selbst teilen: Etwa ein Drittel kann eine fachliche Ausrichtung haben, mindestens zwei Drittel sollten persönlicher Natur sein. Sich so zu exponieren macht immer ein Stück weit verletzlich. Gerade diese Fragilität, die sich beim Verlassen der Komfortzone ergibt, wird vom Gegenüber als echt wahrgenommen und macht Sie nahbar. Ergänzen Sie Ihr Bild noch durch ein konkretes Beispiel aus Ihrer Biografie. Achten Sie auf Authentizität: Üben Sie Ihre Selbstpräsentation vorher und holen Sie sich → Feedback dazu, wie Sie wirken. Zweckgebundenheit auf dem goldenen Tablett serviert: Sie präsentieren Ihrem Gegenüber den Grund für Ihr In-Beziehung-Treten in eindeutiger Weise, so dass sie/ er unmissverständlich verstehen kann, worum es Ihnen geht. Abhängig von Personen, Situation und Kontext der Begegnung kann man diese Aspekte unterschiedlich miteinander kombinieren. <?page no="201"?> Selbststeuerung 201 Literatur BORSTNAR, Nils und Karen BESTMANN, 2013. Präsentation und Selbstmarketing. Sicher und wirkungsvoll auftreten. Kiel: Steve-Holger Ludwig. ETRILLARD, Stéphane, 2015. Souverän überzeugen - im kleinen Kreis und vor großem Publikum. Paderborn: Junfermann. Selbststeuerung Claudia Eilles-Matthiessen Kennen Sie eine der folgenden Situationen? Sie sagen „Ja“, obwohl sie „Nein“ sagen wollen. Sie sind den ganzen Tag beschäftigt und haben trotzdem das Gefühl, mit den wichtigen Aufgaben nicht voranzukommen. Sie haben - mal wieder - nicht das umgesetzt, was Sie sich vorgenommen haben - und stattdessen 1000 andere Dinge erledigt. Sie fühlen sich auf eine unproduktive Art erschöpft? Wenn Sie diese Situationen kennen, dann sind Sie zum einen nicht alleine - zum anderen sind Sie in diesem Kapitel richtig. Denn es geht um eine Fähigkeit, die gerade in einer wissenschaftlichen Karriere als Schlüsselkompetenz ür Erfolg, ür die produktive Führung einer Arbeitsgruppe und nicht zuletzt ür persönliche Zufriedenheit und Gesundheit immer wieder benötigt wird: Die Fähigkeit zur Selbststeuerung. Selbststeuerung ist die Fähigkeit, das eigene Verhalten zu reflektieren, zu kontrollieren, ggf. zu verändern und an eigenen Zielen sowie an den Anforderungen einer Situation auszurichten (Eilles-Matthiessen, 2018). Selbststeuerung ist ein im wesentlichen bewusster Prozess und dient dazu, langfristige Ziele zu erreichen - und dabei die eigenen Ressourcen und Bedürfnisse im Blick zu behalten. Wer eine wissenschaftliche Karriere machen möchte, braucht die Fähigkeit, anspruchsvolle, selbstgesetzte Ziele zu erreichen und ein Projekt trotz Durststrecken, Hindernisse und scheinbarer Stagnationen hin zum Erfolg zu führen ( → Misserfolge und Scheitern). Dranbleiben - also Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen sind gefordert. Allerdings - und das ist die Schattenseite dieser Kompetenz - führt eine zu starre Fixierung auf Ergebnisse und Erfolge zu einem anderen Problem: Die eigenen Bedürfnisse - <?page no="202"?> 202 Selbststeuerung wie das Bedürfnis nach Erholung, Entspannung, Ausgleich oder dem kreativen Raum, der durch Muße und Entschleunigung entsteht - kommen zu kurz, ( → Selbstführung) → Motivation, Freude und Energie lassen nach, es drohen psychische Sättigung, Erschöpfung oder gar Burnout. Wie geht Selbststeuerung? Im Umgang mit Selbststeuerung lassen sich demnach zwei Fehlregulierungen unterscheiden: Überkontrolle durch zu viel Selbstdisziplin, häufig assoziiert mit Perfektionismus - oder ein Mangel an zielorientiertem Handeln, der sich durch Defokussierung, Verzettelung und nachlassende Produktivität bemerkbar macht. Hier ein paar Hinweise zum weiteren Vorgehen, wenn zu viel Kontrolle, Disziplin und damit einhergehend Erschöpfung oder Überlastung vorliegen: Gönnen Sie sich zunächst Abstand durch Pausen, Zeit- und Ortswechsel. Erlauben Sie sich, Ihren eigenen Bedürfnissen gegenüber eine Haltung der Selbstfürsorge einzunehmen: Achten Sie darauf, körperlichen und emotionalen Grundbedürfnisse wie Entspannung, Erholung, Bewegung, Genuss, Kontakt, Spiel, Kreativität oder einfach Ruhe ausreichend Raum zu geben. ( → Resilienz) Reflektieren Sie, ob Sie zu → Perfektionismus neigen. Nutzen Sie weitere Methoden zur Stärkung der Selbststeuerung wie das Züricher Ressourcen-Modell (ZRM) von Maja Storch. Hier ein paar Hinweise zum weiteren Vorgehen, wenn Sie zu wenig Kontrolle, Durchhaltevermögen und damit einhergehend Verzettelung, Defokussierung und Unzufriedenheit mit den eigenen Leistungen beobachten: Stärken Sie Ihre Motivation: Erinnern Sie sich an das Wofür Ihrer Handlung. Wozu haben Sie sich für eine wissenschaftliche Karriere entschieden? Wofür arbeiten Sie an diesem Projekt? Die Wofür-Frage richtet die Aufmerksamkeit auf die ursprüngliche Motivation für das eigene Handeln und erweitert den Zeithorizont in Richtung der erwünschten Zukunft. Entwickeln Sie ein motivierendes Zielbild. Formulieren Sie Ihr Ziel schriftlich oder - auch hier ist das ZRM (s.o.) hilfreich - als Bild. Entwickeln Sie einen möglichst konkreten ‚inneren Film‘ vom gewünschten Ziel. Was genau sehen, hören oder fühlen Sie, wenn Sie Ihr Ziel erreicht haben? Schaffen Sie sich im Alltag Erinnerungshilfen, die Sie immer wieder an diesen positiven Zielzustand erinnern. Entwickeln Sie zieldienliche Gewohnheiten in Form von Wenn-Dann- Plänen (Gollwitzer, 1999). Dabei werden wiederkehrende Auslöse- Situationen wie bestimmte Uhrzeiten, Orte, Personen oder auch innere <?page no="203"?> Selbststeuerung 203 Zustände mit bestimmten Verhaltensweisen verknüpft, die dem eigenen Ziel dienen. Beispiel: „Immer, wenn Montagvormittag ist, arbeite ich 3 Stunden konzentriert an meiner Dissertation“, oder „Immer, wenn ich unkonzentriert werde, mache ich eine kurze Pause, trinke ein Glas Wasser und bewege mich ein wenig (anstatt in soziale Netzwerke abzudriften).“ Innehalten Zur Stärkung der Selbststeuerung in beide Richtungen kann es helfen, im Alltag regelmäßig kurze Pausen und Rückkopplungsschleifen einzulegen. Dies gilt vor allem, wenn neue Anfragen oder Aufgaben an Sie herangetragen werden, bei Spannungen oder Konflikten, wenn Sie sich unwohl oder erschöpft fühlen und wenn Zeit- oder Termindruck herrscht. Jetzt hilft es kurz innezuhalten und folgendes zu prüfen: Wie geht es mir jetzt gerade, in diesem Moment? Welches Bedürfnis meldet sich? Was ist jetzt wichtig? Was sollte ich jetzt tun oder unterlassen, um ein Ziel zu erreichen, - Schaden zu verhindern, mein Wohlbefinden zu steigern, anderen etwas Gutes zu tun? Diese Fragen sind natürlich nur Beispiele. Letztlich geht es darum, in herausfordernden Situationen kurz innezuhalten und nicht dem ersten Handlungsimpuls zu folgen. Zum Schluss noch ein Hinweis: Die Techniken zur Regulierung von Überkontrolle und jene zur Stärkung des fokussierten, zielorientierten Handelns ergänzen sich. Im besten Falle entsteht so ein gesundheits- und leistungsförderlicher Wechsel von fokussiertem Arbeiten und Raum für Regeneration, in dem auch andere Bedürfnisse Platz haben. Literatur EILLES-MATTHIESSEN, Claudia, 2018. Es muss nicht immer reden sein. So lösen Sie Konflikte am Arbeitsplatz. Frankfurt: Campus. GOLLWITZER, Peter. M., 1999. Implementation intentions: Strong effects of simple plans. American Psychologist, 54, S. 493-503. STORCH, Maja und Frank KRAUSE, 2014. Selbstmanagement - ressourcenorientiert. Grundlagen und Trainingsmanual für die Arbeit mit dem Züricher Ressourcenmodell (ZRM). 5., erw. und vollst. überarb. Aufl. Bern: Verlag Hans Huber. STORCH, Maja, 2016. Mach Sie doch was Sie wollen! Wie ein Strudelwurm den Weg zu Zufriedenheit und Freiheit zeigt. 2., unveränd. Aufl. Bern: Hogrefe. <?page no="204"?> 204 Situative Führung 2 3 4 1 Situative Führung Anette Hammerschmidt Ich versuche Aufgaben gerecht auf meine Mitarbeiter*innen zu verteilen. Bei einigen geht das gut, bei anderen klappt das nicht so, wie ich es mir vorstelle, und am Ende erledige ich es dann doch selbst. Wie komme ich da raus? Es gibt verschiedene Zwickmühlen der Führung. Eine davon betrifft das Dilemma, dass alle Mitarbeiter*innen gleich behandelt werden sollten, obwohl sie doch unterschiedliche Bedürfnisse, Erfahrung und Fähigkeiten haben. Ein einziger Führungsstil kann dem nicht gerecht werden ( → Führungsstile). Das Modell der situativen Führung, das Paul Hershey und Kenneth Blanchard in den 80er-Jahren entwickelt haben, zeigt eine einfache Lösung. Entlang der Parameter ‚Kompetenz‘ und ‚Engagement‘ von Mitarbeitenden unterscheiden sie vier Anforderungsprofile, die ein jeweils situativ angepasstes Führungsverhalten bedingen: lenken, anleiten, unterstützen oder delegieren. Dirigierendes Verhalten legt den Fokus auf die Aufgabe. Die Frage ist, ob ich dem*der Mitarbeiter*in je nach Erfahrung und Kompetenzen eine Aufgabe einfach übertragen kann, ihn*sie kurz anleite oder im Detail erkläre, <?page no="205"?> Situative Führung 205 was wie genau und wann zu tun ist, und den Fortschritt aufmerksam überprüfe. Beim sekundierenden Verhalten liegt der Fokus auf der Beziehungsebene, indem ich der*dem anderen aufmerksam zuhöre, sie*ihn ermutige und bei ihren *seinen Bemühungen mal mehr, mal weniger unterstütze. Welcher Führungsstil angemessen ist, hängt von den Mitarbeitern und der zu bewältigenden Aufgabe ab. Auch am Kommunikationsverhalten lassen sich die vier → Führungsstile gut erkennen. 1) Wer lenkend führt, wird mehr sprechen als der*die Mitarbeiter*in, mehr geschlossene Fragen stellen und detaillierte Anweisungen geben. Überprüfen Sie die Ergebnisse in kürzeren Intervallen. 2) Wer anleitend führt, wird viel erklären, Zusammenhänge erläutern und offene Fragen stellen, um sicher zu gehen, dass der*die Mitarbeiter*in verstanden hat, worum es geht. Setzen Sie klare Ziele. 3) Wer unterstützend führt, wird vor allem offene Fragen stellen, gut zuhören und den*die Mitarbeiterin anregen, eigene Gedanken und Lösungswege zu entwickeln. Lassen Sie eigene Ideen zu und greifen Sie nur ein, wenn sich jemand auf den Holzweg begibt. 4) Wer delegierend führt, wird selbst viel weniger reden, mehr → zuhören und einen Dialog auf Augenhöhe führen. Binden Sie den*die Mitarbeiter*in in Entscheidungsprozesse ein. Das Modell ist so schlicht und anwendungsfreundlich, dass es auch als ‚Ein-Minuten-Manager‘ bekannt wurde. Es setzt allerdings voraus, dass Sie sowohl die Fähigkeiten und Entwicklungsstufe Ihrer Mitarbeiter*innen als auch den Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe zutreffend einschätzen und gegeneinander abwägen können. Mit dem → Delegieren klappt es oft deshalb nicht, weil der*die Mitarbeiter*in vorher nicht durch den Prozess geführt wurde. Dann gilt es gemeinsam einen Schritt zurück ins Anleiten oder Unterstützen zu tun. Anwendungshinweise Nehmen Sie sich immer wieder mal die Zeit, jede*n Mitarbeiter*in im Hinblick auf seinen*ihren Aufgabenbereich zu reflektieren: Was kann er*sie gut? Welche Aufgaben sind ihm*ihr neu? Sie können auch eine*n Mitarbeiter*in je nach Aufgabe unterschiedlich führen. Seien Sie transparent. Teilen Sie dem*der Mitarbeiter*in mit, wie Sie ihn*sie zu führen gedenken. Vielleicht sieht er*sie das anders. Treffen Sie eine Vereinbarung, wie lange Sie diesen Führungsstil praktizieren wollen und welche Fortschritte oder Ergebnisse Sie erwarten. Beobachten Sie sich selbst: Passt Ihr Kommunikationsverhalten zu dem situativen Führungsstil, den Sie sich vorgenommen haben? Was fällt Ihnen schwer? Können Sie loslassen oder machen Sie es doch lieber selbst? Geht es dabei um die Qualität des Ergebnisses oder um die Herangehensweise? Der Weg von 1 nach 4 ist ein Entwicklungsprozess für beide Parteien! <?page no="206"?> 206 Stress und Stresskompetenz Literatur BLANCHARD, Kenneth, Patricia ZIGARMI und Drea ZIGARMI, 2000. Der Minuten-Manager: Führungsstile. Wirkungsvolleres Management durch situationsbezogene Menschenführung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Stress und Stresskompetenz Jan Stamm & Anja Frohnen „Ich habe so viel zu tun, dass ich überhaupt keine Zeit mehr habe, auf meine To-do-Liste zu schauen.“ Diese Aussage eines Teilnehmers aus einem unserer Stressmanagement- Workshops bringt die herausfordernde Situation vieler Hochschullehrer- *innen sehr gut auf den Punkt. Eine enorme Aufgabendichte gepaart mit höchsten persönlichen Ansprüchen ührt unweigerlich zu Überlastung. Erstens lässt sich nicht alles bewältigen und zweitens bleibt mit Blick auf die Dinge, die man bereits erledigt hat, häufig eine nagende Unzufriedenheit zurück: „Eigentlich hätte ich daran noch feilen und das Resultat verbessern müssen.“ In der fehler- und lückenorientierten Wissenschaftskultur findet Stress einen guten Nährboden. Verschärft wird diese Situation noch dadurch, dass eine Forschungskarriere gerade ür diejenigen attraktiv ist, die höchste Ansprüche an sich selbst stellen. Viele Wissenschaftler- *innen reagieren auf diese Gemengelage mit Stress. ( → Perfektionismus) Was ist Stress und wie entsteht er? Bei der Entstehung von Stress kommen zwei Dinge zusammen: die Wahrnehmung einer Situation als potentiell negativ und die Befürchtung, diese Situation mit den eigenen Kräften nur unzureichend bewältigen zu können. Fürchte ich zum Beispiel, den Forschungsantrag nicht rechtzeitig fertig zu bekommen, und male ich mir dann den Ärger meiner Kooperationspartner*innen aus, dann reagiert mein Organismus mit Stress. Die Stressreaktion basiert auf dem evolutionär tief verankerten Angriffsund-Flucht-Reflex. Wittert der Organismus eine potentielle Gefahr, reagiert er automatisch mit erhöhter Alarm- und Handlungsbereitschaft, zum Beispiel durch die Ausschüttung von Adrenalin, die Erhöhung des Muskeltonus und das Anzapfen von Zucker- und Fettreserven. Als Hauptquellen von Stress verweisen Hochschullehrer*innen zumeist allerdings nicht auf <?page no="207"?> Stress und Stresskompetenz 207 Situationen, in denen es um eine Gefahr für Leib und Leben geht, sondern auf Anerkennungs- und Leistungskontexte. Häufig genannte Stressoren sind Lehre, Konkurrenz, administrative Vorgaben, Verwaltung, E-Mail-Flut und Personalführung. Reagieren wir mit Stress, erschwert das einen angemessenen Umgang mit der Situation. Hinzu kommt, dass die angeführten Stressoren dauerhaft zur Gesamtsituation gehören. Ein konstant alarmierter und zur Gefahrenabwehr bereiter Körper droht krank zu werden. Typische Stressreaktionen sind Rücken- und Kopfschmerzen, Schlafstörungen, gesteigerte Thrombosen- und Infarktgefahr, Magen- oder Darmgeschwüre. Zu den damit im Zusammenhang stehenden psychischen und verhaltensmäßigen Folgen gehören: Konzentrationsstörungen, eingeschränkte kognitive Leistungsfähigkeit, erhöhte Irritierbarkeit, Motivationsprobleme, Ängste, Burnout/ Depression, Komfortessen, erhöhter Alkohol- und Zigarettenkonsum, passives oder aggressives Verhalten, Prokrastinieren. Diese Symptomauflistung sensibilisiert nicht nur dafür, wie wichtig es ist, einer Überlastung entgegenzuwirken, sondern eignet sich auch hervorragend, um ein persönliches Frühwarnsystem zu entwickeln. Zeigt sich Stress bei mir beispielsweise durch Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen? Oder eher durch erhöhten Alkoholkonsum und Wutanfälle? Wenn ich dies weiß und frühzeitig erkenne, dass die Belastung zu groß wird, kann ich angemessen darauf reagieren. ( → Resilienz, Selbstführung, Selbststeuerung) Was kann ich gegen Stress tun? Der Marburger Psychologieprofessor Gert Kaluza (2017) teilt Stressgeschehen in drei Bereiche auf. Mit Blick auf die Ursachenseite spricht er von Stressoren (1) und persönlichen Verstärkern (2), die in Wechselwirkung miteinander die Stressreaktion (3) auslösen. Diesen drei Bereichen stellt er korrespondierende Stresskompetenzen an die Seite: Die instrumentelle Stresskompetenz bezieht sich auf Fähigkeiten und Ressourcen im Umgang mit Stressoren. Die mentale Stresskompetenz bezieht sich auf die kognitive Dimension von Stress. Bei der regenerativen Kompetenz geht es um Entspannung und den Energiehaushalt. Instrumentelle Stresskompetenz Die instrumentelle Kompetenz umfasst alle Fähigkeiten und sonstigen Ressourcen, die mir helfen, Herausforderungen zu bewältigen, wie zum Beispiel Zeit- und Projektmanagementexpertise, zur Bewältigung der Situation nützliches Wissen und kommunikative Fähigkeiten. Für Hochschullehrer*innen sind aus dem Bereich → Zeitmanagement insbesondere das Setzen von Prioritäten und das → Delegieren von Aufgaben bedeutsam. <?page no="208"?> 208 Stress und Stresskompetenz Wenn sich nicht alles erledigen und anpacken lässt, was man sich wünschen würde, dann gilt es, Struktur in die Aufgabenflut zu bringen und klar zu entscheiden, was ich wirklich erledigen und wo ich mich abgrenzen und Nein sagen muss ( → Life-Balance). Kluges und nachhaltiges → Delegieren von Aufgaben gehört zum Portfolio erfolgreicher Führungskräfte. Es gibt an Lehrstühlen eine Vielzahl an Aufgaben, die delegierbar sind. Hochschullehrer*innen sollten sich selbst entlasten, indem sie überprüfen, was sie an wen delegieren können. Mentale Stresskompetenz Mentale Stresskompetenz besteht darin, stressauslösende Überzeugungen und Denkmuster zu erkennen und zu verändern. Allgemein formuliert geht der stresserzeugende Gedanke so: „Ich müsste, aber ich schaffe es nicht, und das wird schlimm enden.“ Zum Beispiel: „Ich müsste alle diese Artikel in meinen eigenen Artikel einarbeiten, aber dazu habe ich keine Zeit, dann wird mein Artikel nicht gut und meine Zukunft in der Wissenschaft steht auf dem Spiel.“ Das ‚Ent-Katastrophieren‘ ist hier wichtig: Die Folgen sind nicht so dramatisch, wie sie in Krisensituationen erlebt und ausgemalt werden. Noch wichtiger ist es, eine angemessene Haltung zu den Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit zu entwickeln. Gerade Letzteres fällt vielen Wissenschaftler*innen besonders schwer, da die hohen Ansprüche und die über Jahre etablierte hohe Wochenarbeitszeit als Erfolgsfaktoren für die eigene Forschungskarriere gesehen werden. ( → Perfektionismus) Ein pragmatischer Umgang mit Grenzen steht im Spannungsverhältnis dazu. Doch ohne das Setzen und Akzeptieren von Grenzen geht es nicht. Bei aller Produktivitäts- und Effizienzsteigerung, bei aller Selbstoptimierung bleibt immer eine Grenze, jenseits derer weitere Aufgaben und Projekte liegen, die man nicht erledigen kann. Mentale Stresskompetenz besteht bei Wissenschaftler*innen deswegen insbesondere in der Fähigkeit, die eigenen Grenzen zu akzeptieren und gekonnt zwischen Pragmatismus und Perfektionismus zu balancieren. Stress-Check Kennen Sie Ihr persönliches Stress-Frühwarnsystem! Instrumentell: Identifizieren Sie Ihre Stressoren und organisieren Sie sich kompaktes Wissen und praktische Unterstützung. Setzen Sie Prioritäten und lernen sie zu delegieren. ( → Delegieren) Mental: Erkennen und widerlegen Sie stresserzeugende Überzeugungen und Gedanken. Stellen Sie sie in Frage: „Ist es wahr? “ ( → Haltung) Regenerativ: Sorgen sie für Ausgleich. Erlernen Sie eine Entspannungstechnik oder andere Tätigkeiten, die Ihnen liegen und gut tun. <?page no="209"?> Teamentwicklung und -konflikte 209 Literatur BURISCH, Matthias, 2013. Das Burnout-Syndrom. Theorie der inneren Erschöpfung. Berlin: Springer. KALUZA, Gert, 2017. Gelassen und sicher im Stress. Das Stresskompetenz- Buch: Stress erkennen, verstehen, bewältigen. Berlin: Springer. PUDDICOMBE, Andy, 2016. Mach mal Platz im Kopf. Meditation bringt’s! München: Verlag MensSana/ Knaur. STEINER, Verena, 2007. Energiekompetenz. Produktiver denken - Wirkungsvoller arbeiten - Entspannter leben. München/ Zürich: Pendo. Teamentwicklung und -konflikte Iris Koall Als Juniorprofessorin habe ich zum ersten Mal die Aufgabe, ein Team zu führen. Was muss ich dabei beachten? Wie kann ich es bewerkstelligen, die verschiedenen Persönlichkeiten des Teams zu einer produktiven Zusammenarbeit zu bewegen? Ihre eigentliche Aufgabe als Führungskraft eines Teams ist die Organisation der Zusammenarbeit. Daneben ist es wichtig, sowohl die Besonderheit der projektörmigen Beschäftigungsverhältnisse einer Wissenschaftskarriere im Blick zu behalten als auch dem Potenzial Ihrer Mitarbeitenden eine Perspektive zu geben. Teamführung bedeutet, ein gemeinsames Arbeitsklima zu schaffen, das von Offenheit und Vertrauen geprägt ist, in dem Enthusiasmus und Bereitschaft zur Zusammenarbeit lebendig sind. Dies lässt sich aber nicht verordnen, sondern entsteht aus den Erfahrungen der Mitarbeitenden und Ihrem Führungsverhalten. Dabei sind die Beachtung und soweit möglich die Gestaltung der Arbeitsbedingungen höchst relevant. Diese sind im Hochschulkontext sowohl von intellektuellen Herausforderungen und Wachstum geprägt als auch durch Unsicherheit und Unplanbarkeit der Optionen, Grenzen und Ressourcen. Dies beeinflusst in hohem Maße die Erwartungen und die Motivation Ihrer Mitarbeitenden. Erwarten Sie nicht, dass Ihr Team von ,Tag eins‘ an sofort reibungslos kooperiert. Ein Team benötigt Zeit und Phasen zur Reife, um in Beziehung produktiv zusammen zu arbeiten. Diese Entwicklung wird treffend mit den Teamphasen von Warming, Norming, Storming, Performing und Adjourning <?page no="210"?> 210 Teamentwicklung und -konflikte beschrieben. Stellen Sie sich diese Phasen in einer Team-Uhr vor, die 12 Stunden tickt. Im ersten Viertel der Zeit ist die Hauptaufgabe, das Team bei einem guten Start zu begleiten. Dazu sollen sich alle professionell und, soweit angemessen, persönlich kennenlernen, aber auch versuchen die Regeln der Zusammenarbeit auszuhandeln. Ihre Leitungsaufgabe ist einerseits, einzelne Teammitglieder mit ihrer Kompetenz wahrzunehmen, um sie in ihrem Potenzial an der Bewältigung der Projektaufgabe zu beteiligen. Andererseits soll das Team die Aufgabenteilung als fair akzeptieren. Im anschließenden Norming geht es dann um das gemeinsame Entwickeln von Regeln und Werten der Zusammenarbeit: Wie geht das Team mit Unterschieden im Zeitverständnis, der Bewertung verschiedener Arbeitsstile u.ä. um? Die Regeln der Zusammenarbeit sollten deutlich ausgesprochen und geklärt werden. Die darauffolgende Storming-Phase (etwa ab 4 Uhr) kann einerseits euphorisch von der neuen Erfahrung der Zusammenarbeit geprägt sein; sammeln Sie hier die ‚Erfolgsgeschichten‘, die dem Team den Zusammenhalt und Auftrieb geben. Andererseits werden in dieser Phase der Zusammenarbeit die Konfliktlinien deutlich, die von Ihnen moderiert werden müssen und für Ihr Team Lösungen finden sollte. Es ist eine Gratwanderung, wie viel Aufmerksamkeit Sie möglicherweise auftretenden ‚persönlichen‘ Spannungen geben oder wie stark Sie die Bewältigung der Konflikte an Ihr Team zurückgeben. Erst wenn diese Aushandlungs- und Klärungsprozesse ausgestanden sind, kommt das Team (wenn alles gut geht ab etwa 5 Uhr) in die Performing-Phase. Jetzt können Aufgaben kompetent bearbeitet, Konflikte kollegial gelöst und Karrieren fokussiert entwickelt werden. Wenn diese Phase erreicht ist, ist es Ihnen gelungen, kooperative Arbeitsbeziehungen zu fördern, indem Sie die Aufmerksamkeit auf eine produktive Zusammenarbeit für ein gemeinsames Ziel lenken. In der Teamarbeit sollte die Leistung der einzelnen wertgeschätzt werden und dies als Anerkennung deutlich ausgesprochen werden. ( → Feedback) Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen kann jedoch, je nach Erfordernis der Aufgabe, auch wechseln. Sich daraus ergebende Erwartungen, Wünsche, Leistungen und Konflikte sollten thematisiert werden. Dadurch erhalten Sie und Ihre Mitarbeitenden einen Blick auf die unterschiedlichen Bedarfe zur Entwicklung, Förderung und Anerkennung. In der letzten Phase, dem Adjourning (etwa ab 11 Uhr der Team-Uhr) geht es darum, die Beendigung Ihrer projektförmigen Zusammenarbeit vorzubereiten und zu begleiten. Für die Mitarbeitenden in zeitlich begrenzten Projekten bedeutet dies auch immer eine existenzielle Verunsicherung bzw. die Vorbereitung und Planung eines neuen beruflichen Abschnitts. Zur Fürsorgepflicht der Teamleitung gehört es, rechtzeitig das Projektende einzuleiten, weitere Beschäftigungsmöglichkeiten sowohl in Einzelgesprächen als auch im Team zu besprechen. ( → Gespräche mit Mitarbeitenden) <?page no="211"?> Teamentwicklung und -konflikte 211 Danach können Sie mit Ihrem Team (um 12 Uhr) Erfolge und Lernchancen auswerten, um das Projekt zu einem guten Ende zu führen. ( → Projektmanagement) Wenn Sie erkennen, wie wichtig diese strukturellen Bedingungen für die Leistungsfähigkeit Ihrer Mitarbeitenden sind, haben Sie einen großen Einfluss auf die Zufriedenheit in der Zusammenarbeit. TEAMLEAD (Graf und Lowiec 2017) empfiehlt, dass Sie sich zur Teamsteuerung an Systemfunktionen orientieren. Diese sind zunächst die Identifikation und Kommunikation des Projektziels (organisatorisch und persönlich); zweitens, die transparente Ressourcenverteilung (wobei Anerkennung eine großzügig zu verteilende Ressource ist! ); drittens, die Klärung von Verantwortlichkeiten unter Beachtung der sozialen Beziehungen im Team; viertens, ein Prozessmanagement, das Sicherheit in Routinen und Raum für Flexibilität schafft; fünftens, Raum und Zeiten für Reflexion der Zusammenarbeit, als Monitoring oder auch Qualitätssicherung ( → Qualitätsmanagement) zu schaffen; sechstens, einen realistischen Abschluss zu finden, und falls einiges nicht erreicht wird, eine Übertragung der Projektergebnisse auf weitere Anschlussprojekte zu entwickeln. Entstehen Konflikte im Team, ist die Reflexion Ihres Führungshandelns erforderlich. Prüfen Sie, ob Sie Aufgabenbzw. Arbeitsteilungen, Verantwortlichkeiten, Rollen, Zielsetzungen klar kommuniziert und im Team offen begründet haben. Konkurrenz, Fehlverhalten, Konflikte, Demotivation oder toxisches unkollegiales Verhalten in Teams sind häufig in ungeklärten Strukturen und Prozessen begründet. Diese können sowohl auf personaler als auch auf struktureller Ebene liegen. Bitte prüfen Sie auch Ihr Verhalten. Ist es Ihnen passiert, dass Sie einzelne vor dem gesamten Team kritisiert haben? Vermeiden Sie dies und führen Sie Vier-Augen-Gespräche, denn öffentliche Kritik kann zu erheblichen Verletzungen, Demotivation und Zerstörung des so wichtigen Wir-Gefühls in der Teamarbeit führen. Finden Sie beispielsweise auch in Gesprächen mit den Beteiligten heraus, warum eine Konstellation in der Zusammenarbeit Ihrer Mitarbeitenden ungünstig ist und wie Sie auf personaler Ebene intervenieren müssen. Ist dies in wissenschaftlichen Teams vielleicht durch unterschiedliche disziplinäre Sprachen oder Denkstile und die fehlende Wertschätzung dieser Unterschiedlichkeit begründet? ( → Inter- und Transdisziplinarität)? Gibt es Vorurteile oder sogar Diskriminierungen, die zu Verletzungen geführt haben? ( → Umgang mit Vielfalt)? Versuchen Sie diese Störungen gemeinsam zu bearbeiten, bevor eine produktive Zusammenarbeit verhindert wird. Sehr heterogene Teams benötigen es, dass Sie kontinuierlich auf die Gemeinsamkeit der Zielerreichung, also auf das Wir orientieren, besonders indem Sie den innovativen Gewinn der Kooperation im diversen Team moderieren und fördern. ( → Kooperationen). <?page no="212"?> 212 Teamentwicklung und -konflikte Führungsanregungen in den Phasen Warming: Geben Sie Orientierung und Sicherheit über die Erläuterung von Kontext und Regeln. Führen Sie sowohl Einzelgespräche und ermöglichen Sie gleichzeitig gemeinsame Erfahrungen (auch über ,informelle‘ Treffen wie gemeinsame Pausen). Warten Sie auf keinen Fall ab, sondern gestalten Sie die Phase aktiv. Storming: Moderieren und normalisieren Sie auftretende Konflikte und Frustration - erzwingen Sie auf keinen Fall Harmonie! Machen Sie (professionelle) Unterschiede/ Positionen sichtbar und verbalisieren Sie ggf. Unausgesprochenes. Betonen Sie die Wichtigkeit und Stärken der Einzelnen sowie innovative Zusammenarbeit zur Zielerreichung. Finden Sie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der fachlichen Herkunft heraus und erarbeiten Sie die bestmögliche Kombination der Zusammenarbeit je nach (Projekt-)Aufgabe und Phase. Lassen Sie sich nicht dazu hinreißen, Koalitionen mit Einzelnen zu bilden. Norming: Unterstützen Sie die Teammitglieder bei Zielsetzungen und etablieren Sie eine → Feedback-Kultur. Legen Sie gemeinsam Regeln, Routinen und transparente Kriterien für Arbeitsqualität fest. Akzeptieren Sie keine ,Wurschtigkeit‘. Performing: Nutzen Sie Führungspotential im Team und delegieren Sie Aufgaben. Halten Sie das Team über Rückmeldungen aus der Außenwelt auf dem Laufenden. Pflegen Sie die Teamkultur, aber vermeiden Sie ,Harmoniesuppe‘. Adjourning: Thematisieren Sie das Ausscheiden von Teammitgliedern frühzeitig. Evaluieren und wertschätzen Sie Geleistetes. Geben Sie Raum und Zeit für die Verabschiedungen, aber vermeiden Sie unnötiges ,In-die-Länge-Ziehen‘. Und ,last but not least‘: Job fit Wo/ Men: Passen Sie die Teamaufgaben an die jeweilige Kompetenz und Persönlichkeit des/ der Mitarbeitenden an und nicht umgekehrt, s. VITAE Research Framework. Weiterführende Literatur FLADERER, Martin P., Silke WEISWEILER, Katharina HAAS und Dieter FREY, 2017. Das Führungsprofil - Ein strategisches Tool zur Entwicklung der Führungskultur in Wissenschaftseinrichtungen. In: Personal in Hochschule und Wissenschaft entwickeln. 1 (1), S. 23-35. GRAF, Nele und David LOWIEC, 2017. Wir führe ich mein Team erfolgreich? Vortrag. Download unter: http: / / teamleadership.de/ wp-content/ uploads/ 2017/ 11/ Graf_Lowiec_Wie_führe_ich_mein_Team_erfolgreich.pdf (zuletzt aufgerufen am 20. Mai 2020) www.vitae.ac.uk/ researchers-professional-development/ about-the-vitaeresearcher-development-framework (zuletzt aufgerufen am 20. Mai 2020) <?page no="213"?> Teamstruktur und -führung 213 Teamstruktur und -führung Anette Hammerschmidt Ich habe schon in mehreren Teams gearbeitet, jetzt soll ich ein Team führen. Ich bin für die Koordination und Zusammenarbeit verantwortlich. Was muss ich dafür wissen? Will man ein Team etablieren oder übernehmen, so ist die Kenntnis einiger struktureller Besonderheiten hilfreich. Denn die Antwort auf die Frage, welches ‚Tier‘ oder Gebilde wir hier vor uns haben, gibt Hinweise darauf, wie dieses gezähmt und geührt werden kann. Daher gleich vorab eine Begriffsklärung. Damit von einem ‚Team‘ die Rede sein kann, müssen diese drei Grundbedingungen erfüllt sein: 1. Ein Team zeichnet sich dadurch aus, dass die Beteiligten auf ein gemeinsames übergeordnetes Ziel ausgerichtet sind und sich in ihren Rollen und Aufgaben auf dieses Ziel hin abstimmen und koordinieren. 2. Ein Merkmal von Teams ist, dass die Mitglieder in ihrem Arbeitsalltag die Möglichkeit haben, face-to-face miteinander zu kommunizieren. Bei vielen internationalen Teams, die virtuell miteinander kommunizieren, ist diese Bedingung daher nicht ohne Weiteres erfüllt. 3. Damit die fürTeamarbeit typische informelle Kommunikation funktionieren kann, haben wirkliche Teams in der Regel nicht mehr als acht bis maximal zwölf Mitglieder. Sind sie größer, zerfallen sie meist in kleinere Einheiten, die eine gemeinsame Ausrichtung und Kommunikation deutlich erschweren. In der Wissenschaft sind diese Bedingungen oft nicht gegeben. Häufiger haben wir es mit Arbeitsgruppen zu tun, in denen die Mitglieder teils selbständig an eigenen Themen arbeiten, teils in Subgruppen gemeinsame Projekte durchführen, obwohl doch alle zu einem institutionellen Rahmen gehören. Die strukturellen Besonderheiten eines Teams lassen sich teilweise, mit ein paar mit Einschränkungen übertragen. Um die besonderen Charakteristika von Teamstrukturen besser zu verstehen, eignet sich die im Einführungskapitel bereits erwähnte Unterscheidung. Zur Erinnerung: soziale Einheiten bestehen aus mehreren Akteur- *innen, die bestimmte, mehr oder weniger aufeinander abgestimmte Aktionen vollziehen. Sowohl die Akteur*innen als auch ihre Aktionen können lose oder fest miteinander verbunden bzw. ‚gekoppelt‘ sein. Während in Organisationen die Akteur*innen lose gekoppelt und damit relativ aus- <?page no="214"?> 214 Teamstruktur und -führung tauschbar sind, sind deren Aktionen als vorgegebene Aufgaben, Verantwortlichkeiten, Abläufe und Prozesse wechselseitig voneinander abhängig und eng miteinander verwoben. Das Gegenbeispiel bildet die Familie als Prototyp eines personenorientierten sozialen Systems, in dem die Beziehungen nicht kündbar, die Interaktionsmuster dafür entsprechend der Entwicklung der Familienmitglieder recht anpassungsfähig und veränderbar sind. In Familien sind die Akteur*innen fest und ihre Aktionen eher lose gekoppelt. Teams liegen dazwischen, je nach Kontext und Zusammensetzung näher am personenorientierten oder näher am sach- und aufgabenorientierten Ende des Spektrums. (Simon, 2004) Obschon der Struktur und Dynamik von Teams vergleichbar, funktionieren Arbeitsgruppen häufig nach formaleren Regeln, die sich aus dem Arbeitskontext (z.B. Labor) ergeben. Aus den strukturellen Merkmalen ergeben sich charakteristische Bedingungen, die ür die Teamührung von großer Bedeutung sind. Hierzu vier Anregungen: 1. Kommunikation - Anders als in bürokratischen, formalen Beziehungen sind die Teammitglieder nicht so leicht austauschbar und emotional enger miteinander verbunden. Deshalb menschelt es oft in Teams. Sei es, dass man Problemen um der Harmonie willen aus dem Weg geht oder immer wieder miteinander in Streit gerät. Weil personenbezogene informelle Kommunikationsprozesse überwiegen, etablieren sich Spielregeln eher spontan und lassen sich, falls überhaupt, nur schwer formalisieren. Solch evolutionäre Prozesse verlangen von der Teamführung besondere <?page no="215"?> Teamstruktur und -führung 215 Aufmerksamkeit für Stimmungen, nonverbale Kommunikation, Umgangs- und Kommunikationsformen, die kontinuierlich und in kleinen Interventionen gesteuert werden müssen. Diese Führungsarbeit erfordert hohe Beobachtungsgabe, kommunikative und soziale Kompetenz. 2. Befugnisse - Beziehungsorientierung bei geringer Formalisierung der Rollenbeziehungen sowie Unterschiede in den Kompetenzen und Aufgaben bei gleichzeitigem Gleichheitsanspruch der Mitglieder führen unweigerlich zu Widersprüchen, die nicht leicht zu handhaben sind. Das macht sich zum einen an inoffiziellen Teamrollen wie ‚Bedenkenträger‘, ‚Vermittler‘, ‚Sündenbock‘ u.a. bemerkbar, die Auswirkungen auf die Dynamik im sozialen System haben und in der Führungsaufgabe unbedingt mitberücksichtigt werden müssen. Weil sich Gleichheit schlecht formalisieren lässt, stellt sich zum anderen die Frage: Wer hat hier wem etwas zu sagen? Wenn Befugnisse nicht über hierarchische Strukturen ‚geregelt‘ werden, funktioniert die Koordination im Idealfall durch Selbstorganisation. Aber die braucht klare Regeln, die nur mit der Beteiligung und Zustimmung aller festgelegt werden können. ( → Entscheidungen treffen) Auch wenn Führung hier eher ein Ermöglichen, Rückmelden, Anregen ist, braucht sie klare Befugnisse - und sei es eben nur für eine bestimmte Zeit. Da Teams und Arbeitsgruppen häufig von gleichrangigen Kolleg*innen geführt werden, die weder Weisungsbefugnis noch Statusmacht besitzen ( → Laterale Führung), sollten Erwartungen, Aufgaben, Verantwortung und Befugnisse unbedingt mit der*dem Vorgesetzen geklärt, vereinbart und schriftlich festgehalten werden. 3. Ausrichtung - Egoismen und Statuskämpfe behindern die Kooperation im Team. Erfolgreiche Teams zeichnen sich dadurch aus, dass individuelle Interessen dem gemeinsamen Ziel untergeordnet werden, nicht als Akt der Unterwerfung, sondern als Teilhabe an einer gemeinsamen Mission, die den Beteiligten sinnvoll und attraktiv genug erscheint, dass sich ‚Dabeisein‘ für sie lohnt. Was Teams zusammenhält, sind geteilte Werte und ein gemeinsamer Sinnhorizont. Aufgabe der Teamleitung ist entsprechend auch, die Sinnfrage aufzuwerfen, um eine gemeinsame Mission und Vision zu erarbeiten. ( → Visionsentwicklung) Ganz allgemein wird das, worauf sich die Aufmerksamkeit richtet, verstärkt. Aufmerksamkeitsmanagement gehört daher zu den zentralen Aufgaben der Führung. 4. Systemgrenzen - Jedes soziale System, so auch Teams, haben eine Innen- und eine Außenseite, mit mehr oder weniger klaren Systemgrenzen zum Rest der Organisation, in der sie als eine Entität eine bestimmte Rolle spielen, Ansehen genießen, an ihr teilhaben und sich zugleich abgrenzen. „Systemgrenzen werden durch Regeln bestimmt, die festlegen, was nur innerhalb des Systems geschehen darf und was nach außen gegeben oder <?page no="216"?> 216 Third Space was von außen in das System kommen darf.“ (König und Volmer 2016, 84) Sind sie zu starr, kapselt sich das Team von seinem Umfeld ab. Sind sie zu durchlässig, werden Loyalität und Zusammenhalt im Team gefährdet und Teamfremde oder höherrangige Vorgesetzte haben leicht auch unerwünschten Einfluss. Das Management der Teamgrenzen hat also Auswirkungen auf die Teamkultur, den Zusammenhalt, die Identität und das Fortbestehen des Teams. Zur Teamführung gehört es, diesen Widerspruch zwischen Innen- und Außensicht zu managen und ins Bewusstsein der Mitglieder zu rücken, Probleme dieser Art zu thematisieren und u.U. gemeinsam neue Regeln festzulegen. Literatur KÖNIG, Eckard und Gerda VOLMER, 2016. Einführung in das systemische Denken und Handeln. Weinheim Basel: Beltz. KOHLMANN-SCHEERER, Dagmar, 2015. Gestern Kollege - heute Vorgesetzter. So schaffen Sie den Rollentausch. Offenbach: Gabal. RUSTLER, Florian, Nadine KRAUSS, Jens SPRINGMANN, Daniel BARTH, und Isabela PLAMBECK, 2019. Future Fit Company. Individuelle Trainingspläne für Macher, Entscheider und Veränderer. Freiburg: Murmann & Haufe. SIMON, Fritz, 2004. Gemeinsam sind wir blöd? ! Die Intelligenz von Unternehmen, Managern und Märkten. Heidelberg: Carl Auer. Third Space Jürgen Reimann & Neela Enke Ich habe soeben eine Stelle als Leitung der Abteilung Wissenschaft und Forschung einer kleinen Hochschule angetreten. Jetzt stelle ich fest, dass eigentlich niemand eine Vorstellung darüber hat, was meine Aufgaben eigentlich sind. Gesucht - gefunden - eingestellt: Wissenschafts-, Forschungs- und Qualitätsmanager*innen, Studienorganisator*innen ür Bologna, Strategie- und Strukturentwickler*innen, Hochschulentwicklungsplaner*innen und viele mehr - jeweils (m/ w/ d). Geühlt sind in den letzten 15 Jahren an Hochschulen unzählige neue Professionen an der Schnittstelle von akademischem Betrieb und Verwaltung entstanden. Entsprechend viele Akteur- *innen wurden - zumeist befristet - eingestellt. Ebenso schillernd wie die <?page no="217"?> Third Space 217 Tätigkeitsbezeichnungen sind auch deren Aufgaben und Qualifikationen. Dies ist eng verknüpft mit der Entwicklung der Hochschulen von Institutionen zu Organisationen, Hochschulautonomie, New Public Management, Umsetzung der Bologna-Reformen und nicht zuletzt mit der kontinuierlich steigenden Komplexität in Hochschul- und Akademischer Selbstverwaltung sowie bei Forschungs- und Drittmittelanträgen. In einem 2008 erschienenen Artikel hat die englische Hochschulforscherin Celia Whitchurch den Begriff ‚Third Space‘ der postkolonialen Theoriebildung entlehnt und die oben benannte Entwicklung damit auf einen Nenner gebracht. Whitchurch denkt den ,Third Space‘ im Sinne einer ‚Dritten Kraft‘ als Ort zwischen Verwaltung und akademischem Bereich. Dort wird, ausdrücklich jenseits von Forschung und Lehre, die Fähigkeit zu wissenschaftlich-kritischem Denken mit verwaltungskonformem, zugleich aber explizit innovativem und kreativem Handeln verbunden. Der ‚Third Space‘ ist als Raum für Verhandlungen zwischen Wissenschaft/ Lehre und Verwaltung allerdings schon deutlich länger in den Hochschulkulturen verankert, als die zusätzlichen Akteur*innen, mit denen als realen Dritten nun - auch noch - verhandelt werden muss. Letztlich soll der ‚Third Space‘ als Synthese vereinen, was in Hochschulen traditionell entzweit scheint. Nun aber von der Theorie zu den praktischen Rahmenbedingungen: Sind Sie selbst Mitarbeiter*in im ,Third Space‘ oder arbeiten Sie mit Personen aus dem ,Third Space‘ zusammen? Dann sind Sie mit der irritierenden Sonderstellung dieser Positionen und Personen wahrscheinlich schon in Kontakt gekommen. In Changeprozessen ( → Change gestalten) von Hochschulen sind die Akteur*innen des ‚Third Space‘ ein neues Element. Etablierte Einheiten in Forschung und Lehre sowie Verwaltung müssen sich vornehmlich in ihren sich verändernden Funktionen zurecht- und ggf. auch neu (er-)finden; dies geht teilweise mit herausfordernden Kulturveränderungen einher. Die neuen Hochschulprofessionen an der Schnittkante von Wissenschafts- und Verwaltungskultur können hingegen nicht auf eigene, personenunabhängige oder übergeordnete Traditionen, Rollenbilder, Erfahrungen zurückgreifen. Sie erfinden sich und ihre Rolle selbst und befinden sich damit organisationstheoretisch in einer Pionierphase. Sie sind mit spezifischen Herausforderungen konfrontiert: neben Rollen-, Ziel- und Aufgabenklärung („Was soll ich hier - eigentlich und überhaupt - tun? , Was sind meine Aufgaben - was nicht? Was ist meine (angemessene) Rolle und Position? “) geht es ganz praktisch darum, sich in komplexen Hierarchien selbst zu behaupten, mit Verantwortungsdiffusion umzugehen und sich mit Widerständen der etablierten Akteuer*innen auseinanderzusetzen (Reimann 2018). Schlüsselkompetenzen sind hier Ambiguitätstoleranz, Selbstmanagement, Konfliktkompetenz ( → Konfliktmanagement) und → Resilienz. Die neuen Rollen des ‚Third Space‘ werden immer noch oft als <?page no="218"?> 218 Third Space Fall-Back-Option der wissenschaftlichen Karriere angesehen. Daher, und weil Karrierewege und Aufstiegschancen in diesen teils noch undefinierten Professionen ebenfalls unklar sind, ist die eigene Karriereentwicklung herausfordernd: „Wie positioniere ich mich strategisch? Wie werde ich sichtbar in einer Rolle, in der ich in der Regel als Vertreter*in einer Institution agiere? “ Ein auf Dauer etablierter und strukturell verankerter ‚Third Space‘ könnte dem Dritten als Ort der Schnittstellen und Übergänge sowie den Dritten in den neuen Hochschulprofessionen einen Ort geben, an dem Widersprüche ausgehalten und zugleich ohne Vereinheitlichung oder Synthesezwang ausbalanciert und in Beziehung gesetzt werden. Dies ist eine Chance, dass und wie Interdisziplinarität und Transdisziplinarität in Hochschulen ‚Schule machen‘ kann. ( → Inter- und Transdisziplinarität). Ein professionalisierter ,Third Space‘ wäre vor diesem Hintergrund zu kultivieren als beständiges Plädoyer gegen alles allzu Eindeutige und für eine nichtabschließende Vielfalt ( → Umgang mit Vielfalt) - auch und vielleicht gerade auch an deutschen Hochschulen (Reimann, 2017). Anregungen für die Professionen des ,Third Space‘ Rollenfindung Recherche: Wofür wurde ich eingestellt? Was steht in meinem Vertrag? Was wird gebraucht? Was weiß ich über meine Profession und wo kann ich mehr erfahren? Ressourcen: Was sind meine Stärken und Kompetenzen? Was bringe ich für meine Stelle mit? Gibt es Mentor*innen und Netzwerke? Reflexion: Ist die Stelle für mich eine Zwischenlösung oder Passion? Agieren Gestalten statt ertragen: Wozu habe ich Lust? Welche Chancen sehe ich für meine Tätigkeit und meinen Bereich? Wo kann ich durch Vermittlung Räume in der Organisation gestalten? Verbünden: Wer unterstützt meine Anliegen? Wo und wie können wir gemeinsam wirksam werden? Wo decken sich meine Ziele mit den Strategien der Institution/ Abteilung? Reflexionen für den Umgang mit den neuen Professionen Wo und wie gibt es an meiner Hochschule einen ,Third Space‘? Sind die neuen Professionen eindeutig zugeordnet oder hybrid? Gretchenfrage: Wie halten Sie es mit dem/ den/ der Dritten? Ist die Spannung zwischen zwei Polen gut auszuhalten oder irritiert Sie das? Wel- <?page no="219"?> Übergänge und Statuspassagen 219 che Konflikte zwischen Verwaltung und akademischem Bereich gibt es? Und welche Übersetzungsmöglichkeiten? Worum geht es bei Widersprüchen und Missverständnissen? Manchmal hilft es, sich dazu in die Position der anderen Seite zu versetzen. Wer vermittelt in Ihrer Hochschule bei Konflikten? Sind es bestimmte Personen, die sich das aus Eigenantrieb zur Aufgabe machen oder ist diese Aufgabe klar institutionalisiert? Literatur MÜLLER, Mirjam, 2020. Wissenschaftsmanagement als Beruf - Strategien für den Einstieg. Frankfurt/ Main: Campus. REIMANN, Jürgen, 2017. Anmerkungen zur Professionalisierung des Third Space. In: POHLENZ, Philipp, Susann HARRIS-HUEMMERT und Lukas MIT- TERAUER Hrsg. Third Space revisited. Jeder für sich oder alle für ein Ziel? Bielefeld: Webler. S. 29-40. REIMANN Jürgen, 2018. Coaching für den Third Space. In: Deutsche Universitätszeitung duz. (2), S. 66-69. WHITCHURCH Celia, 2008. Shifting Identities and Blurring Boundaries: The Emergence of Third Space Professionals in UK Higher Education. In: Higher Education Quarterly. 62 (4), S. 377- 396. Übergänge und Statuspassagen Boris Schmidt Im Jahres- oder Semestertakt und noch häufiger ändert sich bei mir irgendetwas Wesentliches: neue Projekte, geänderte Rahmenbedingungen, andere Menschen um mich herum. Eigentlich bräuchte ich mal eine Zeit der Ruhe, Konstanz und Verlässlichkeit. Stattdessen muss ich mich ständig umstellen, eingewöhnen, immerzu anpassen. Wie kann ich damit umgehen? Das (Über-)Leben in Hochschule und Wissenschaft ist von stetem Wandel geprägt: Es gilt, Übergänge (etwa aus einem Projekt in das nächste, in ein Amt hinein oder aus einer Funktion heraus) möglichst reibungslos zu gestalten, Wechsel (des Personals oder der eigenen Stelle, von Aufgaben oder Ansprechpersonen) mit Kontinuität zu verbinden und Statuspassagen aller Art (vom Status ,Nachwuchs‘ in die Professur, Zustand vor vs. nach der <?page no="220"?> 220 Übergänge und Statuspassagen Promotion oder Habilitation, die Pensionierung als solche) wohlbehalten zu überstehen. Keine leichten Aufgaben. Einige dieser Veränderungen sind selbst gewählt und selbst initiiert, andere werden ‚vom System‘ oder von anderen Personen veranlasst. Manch Übergang findet Ihre Zustimmung (,endlich ist es vorbei/ geschafft/ überstanden‘), mit anderen sind Sie überhaupt nicht einverstanden und wären gerne noch eine Weile geblieben. Einige Wechsel sind nur partiell oder temporär, andere fundamental und dauerhaft. Übergänge können vollständig sein und alle bisherigen Aufgaben betreffen oder sich nur auf einzelne Funktionsbereiche (z. B. Lehre oder akademische Selbstverwaltung) beziehen. Auch angenehme Übergänge können anspruchsvoll sein, etwa eine besondere Auszeichnung, eine plötzliche Sichtbarkeit durch bahnbrechende Projekte oder der Moment, den langersehnten Ruf zu erhalten: „Endlich am Ziel“ zu sein bringt ebenso Herausforderungen wie „noch einen Zwischenschritt mehr“ dafür machen zu müssen. ( → Anfang gestalten) Private und familiäre Veränderungen, die sich direkt oder indirekt auf das Dasein in Hochschule und Wissenschaft beziehen (z. B. Partnerschaft, Elternschaft, Pflegebedürftigkeit von Angehörigen etc.), können ebenso relevant und folgenreich sein. All diesen Übergängen, Positionswechseln und Statuspassagen gemein ist die Tatsache, dass um einen bestimmten Zeitpunkt oder um ein bestimmtes Ereignis herum ,irgendetwas signifikant anders‘ ist als vorher. Ferner, dass sie gerade in Hochschule und Wissenschaft (in Ermangelung hinreichend verlässlicher und planbarer Karrierepfade) allgegenwärtig sind, und dass sie von der betreffenden Person (also von Ihnen) ein gerüttelt Maß an Flexibilität, Anpassungsbereitschaft und Durchhaltevermögen erfordern: Von ,irgendetwas‘ gilt es bei jedem Übergang sich zu verabschieden - und sich an ,irgendetwas anderes‘ zu gewöhnen, sich darauf einzustellen, es lieb zu gewinnen. Wenn möglich. Denn nur selten ist ein Übergang ausschließlich angenehm oder ausschließlich unangenehm, der Zustand nach der Veränderung dem bisherigen Zustand eindeutig und vollständig über- oder unterlegen: Ein Auf und Ab. Möglicherweise am schwierigsten zu meistern sind solche Veränderungen, die nicht oder nur zu einem geringen Anteil in Ihrer Kontrolle liegen: Es geschieht oder widerfährt Ihnen, möglicherweise plötzlich und unerwartet, ohne dass Sie das Gefühl entwickeln konnten, dass die Dinge in Ihrer Hand oder zumindest ein wenig in Ihrem Einflussbereich liegen. ( → Change gestalten) Die Auswirkungen all dieser Übergänge sind auf vielen Ebenen sichtbar und erlebbar: Angefangen mit neuen Visitenkarten und Türschildern über neue Wohn- und Arbeitsorte, weiter mit den täglichen Arbeitsaufgaben und Verantwortlichkeiten bis hin zu neuen Selbstverständnissen und Lebenszielen. Und auch innerlich gehen Übergänge nicht spurlos an denjeni- <?page no="221"?> Übergänge und Statuspassagen 221 gen vorüber, die sie zu meistern haben: Sie wirken auf der emotionalen Ebene (Unsicherheit, Ärger, Abschiedswehmut), auf der physiologischen Ebene (der Mensch ist ein Gewohnheitstier - Veränderungen bewirken Stress, Anspannung, Hektik) und auf der kognitiven Ebene („Werde ich das alles schaffen? “, „Muss das sein? “, „Schon wieder eine Veränderung? “). Es ist somit völlig verständlich, dass Übergänge - auch diejenigen, bei denen sich etwas zum Positiven wendet - Ihnen nicht nur Freude bereiten, sondern anspruchsvoll sind. Ab einer bestimmten Intensität, Dauer und Häufigkeit sowie erst recht bei aufkommenden Gefühlen von Unkontrollierbarkeit und Unvermeidbarkeit wider Willen können sie wahrhaft an die Substanz gehen - was tun? Wie Sie Übergänge meistern Kämpfen Sie gar nicht erst gegen die ständige Veränderung - es lohnt sich nicht. Keine einigermaßen zufrieden stellende berufliche Entwicklung in Hochschule und Wissenschaft kommt ohne erhebliche, zum Teil dramatische Übergänge, einschließlich manch eines Rückschritts, aus. ( → Misserfolge und Scheitern) Blicken Sie zurück auf all die Übergänge, die Sie schon gemeistert haben. Bei der Suche helfen kann die Frage, wann Sie jeweils zum ersten Mal etwas Neues getan oder angefangen haben - beispielsweise beim Übergang vom grundständigen Studium in die Promotionsphase, von der oder dem Promovierenden zum „Dr.“, beim Antritt neuer Stellen, erste Projekte, erste Führungsaufgaben. Legen Sie all diese Erfahrungen gedanklich übereinander und extrahieren Sie, welche Fähigkeiten, Vorgehensweisen etc. Ihnen dabei jeweils geholfen haben. ( → Resilienz, Selbststeuerung) Übergänge sind wie Reisen - packen Sie also gedanklich Koffer. Entscheiden Sie, was Sie aus der alten Situation, Ihrem bisherigen Dasein und Wirken bewusst mitnehmen, behalten und sich auch künftig bewahren wollen - und genau so bewusst, wovon Sie sich jetzt trennen, lösen, verabschieden möchten. Und werden. Holen Sie sich Unterstützung. Sichern Sie sich eine oder mehrere Personen, die Sie gezielt während der Übergangsphase begleiten, mit Ihrem Einverständnis kritisch hinterfragen, Ihnen Anregungen geben. Schauen Sie nach links und rechts, wie andere Menschen in ähnlicher Situation vergleichbare Übergänge meistern. Dies sei Ihre Referenz. Versuchen Sie, Ihren Übergang ‚nicht signifikant schlechter‘ als die anderen vor und neben Ihnen zu gestalten - aber auch nicht allzu viel besser. Mittelmaß genügt an dieser Stelle völlig. <?page no="222"?> 222 Umgang mit Verwaltung Wieviel Zeit geben Sie sich für den aktuell anstehenden Übergang? ‚Die ersten 100 Tage‘ sind eine gute Orientierung. Was wollen Sie am Ende dieser Übergangsphase erreicht haben? Was nicht? Und was bleibt? Während Sie mitten in einem Übergang stecken, schauen Sie auch auf all das, was konstant bleibt - innerhalb und außerhalb Ihres eigenen Wirkens in Hochschule und Wissenschaft. Wenn Ihnen nichts einfällt - Sie als Person bleiben der- oder dieselbe. Übergang hin oder her: Bleiben Sie sich selbst treu. Rechnen Sie damit, dass es immer wieder Übergänge, Positionswechsel, Neuanfänge und Statuspassagen geben wird, und entwickeln Sie mit jeder dieser Veränderungen Ihre ganz individuelle Fähigkeit weiter, damit umzugehen. Werden Sie mit jeder Statuspassage und mit jedem Übergang ein bisschen besser darin. Literatur HEATH, Fred Chip und HEATH, Jeffrey Dan, 2013. Switch: Veränderungen wagen und dadurch gewinnen! Berlin: Fischer. KOHLMANN-SCHERER, Dagmar, 2004. Gestern Kollege - heute Vorgesetzter: So schaffen Sie den Rollentausch. Offenbach: Gabal. PSYCHOLOGIE HEUTE COMPACT 51, 2017. Mut zur Veränderung: Wie Sie eingefahrene Wege verlassen und Ihrem Leben eine neue Richtung geben. Weinheim: Beltz. Umgang mit Verwaltung Neela Enke Schon wieder will die Verwaltung nicht alle Kosten meiner Forschungsreise auszahlen, obwohl das Geld bewilligt ist! Angeblich, weil die Belege nicht ausreichen ... das Thema haben wir jedes Mal und jedes Mal stellt die Verwaltung sich quer! An Hochschulen sind üblicherweise die Bereiche Forschung, Lehre und Verwaltung zu finden, die jeweils einer eigenen Organisationslogik folgen. Forschung und Lehre haben eine verhältnismäßig enge Kopplung (zumal es sich oftmals um einen weitgehend überlappenden Personenkreis handelt) und werden als ,Wissenschaft‘ zusammengefasst, während der Be- <?page no="223"?> Umgang mit Verwaltung 223 reich Verwaltung davon getrennt ist. Als noch relativ neuer Bereich ist der → Third Space dazugekommen, der einen Raum zwischen den ,etablierten‘ Bereichen gestalten und besetzen soll. Das Verhältnis zwischen Wissenschaft auf der einen und Verwaltung auf der anderen Seite ist aufgrund der losen Kopplung und der stark unterschiedlichen Funktionslogiken, Organisationskulturen und Aufgaben von Spannungen und Konkurrenz geprägt. Aufgabe der Forschung ist es, Wissen zu erzeugen - eine Tätigkeit, die den Umgang mit Unbekannten, Unvorhergesehenem und Uneindeutigkeiten, ständige Weiterentwicklung und große Flexibilität verlangt. Die Zusammenarbeit ist oft nur zu einem geringen Grad formalisiert und tendiert zur Selbstorganisation (diesem Drang zur Selbstorganisation und Freiheit wissenschaftlicher Arbeit stehen in Deutschland häufig als ,starr‘ empfundene und stark hierarchischformale Strukturen akademischer Organisationen entgegen - ein Konfliktherd). Lehre ist zwar deutlich besser planbar, ihre Ausgestaltung ist - je nach Lehrkonzept - aber dynamisch und durchaus ebenfalls selbstorganisiert bzw. Ergebnis von Aushandlungsprozessen von Lehrenden und Lernenden. ( → Lehrkompetenz). Verwaltung hingegen zeichnet sich durch einen hohen Formalisierungsgrad aus: sie ist an klaren Hierarchien orientiert und agiert weisungsgebunden. Prozesse müssen gesetzeskonform und nach Möglichkeit vergleichbar sein. Der Arbeitsalltag ist von Entwicklung und Einhaltung von Routinen bestimmt. Die professionellen Anforderungen durch das System - basierend auf den Schwerpunktaufgaben in den verschiedenen Bereichen - haben einen Einfluss auf die Kompetenzen der dort arbeitenden Menschen. Diese Unterschiede in Organisationslogik und Kompetenzmuster drücken sich auch in den Spannungen zwischen Vertreter*innen der jeweiligen Bereiche aus: Wissenschaftler*innen werfen Verwaltungsangestellten häufig vor, sie seien engstirnig und beeinträchtigen durch ewigen, unnützen Papierkram die wissenschaftliche Arbeit. Umgekehrt formulieren Verwaltungsangestellte die Wahrnehmung von Wissenschaftler*innen als ,ansprüchlich‘ und ,herablassend‘ und fragen sich, warum die einfachsten Regeln nicht befolgt werden. Diese gegenseitigen Stereotypisierungen sind vielleicht als Ausdruck der verschiedenen Organisationslogiken zu verstehen, sind damit aber in Arbeitsabläufen und nicht in Personen verortet und helfen in der Zusammenarbeit nicht weiter. Laut Nickel (2012) begegnen Hochschulen der „Gefahr, dass durch auftretende Paradoxien und Spannungen Koordinationsprobleme bis hin zur Selbstlähmung entstehen, [...] indem sie eine strukturelle Distanz zwischen Forschung, Lehre und Verwaltung gelegt und damit deren Berührungspunkte auf ein bestimmtes Maß beschränkt haben.“ Die Beschränkung der Berührungspunkte verhindert aber auch, sich - und damit auch die verschiedene Organisationslogiken - <?page no="224"?> 224 Umgang mit Verwaltung gegenseitig kennen zu lernen. Mangelnde Vertrautheit mit Personen und Arbeitsabläufen kann im Konfliktfall eskalierend wirken. Anregungen Kontextsensibilität: Sollten Sie Reibungen mit Vertreter*innen der Verwaltung erleben, machen Sie sich bewusst, dass Ihr Gegenüber einer anderen Logik und anderen Sachzwängen folgt als Sie selbst - und für Abweichungen auch zur Rechenschaft gezogen wird. Versuchen Sie genau zu verstehen, wo das Problem liegt und erläutern Sie umgekehrt den Kontext und die Logik Ihrer Sichtweise. In Bezug auf das Eingangsbeispiel könnte dies heißen, sich nochmals genau über die Richtlinien zur Gültigkeit von Belegen informieren zu lassen, dann den Hintergrund der Gestaltung ihrer Belege zu erläutern (bei Reisen ins Ausland könnten vor Ort z.B. andere Gesetze, Gepflogenheiten und Möglichkeiten gelten) und suchen Sie dann eine Lösung. Entpersonalisierung: Seien Sie sich bewusst, dass es sich hier nicht um einen Konflikt zwischen Ihnen und Ihrem Gegenüber handelt, sondern um z.T. gegensätzliche Systemanforderungen. ‚Richtige Kanal‘: Unter Umständen ist Ihr Gegenüber nicht der*die richtige Ansprechpartner*in und hat gar keine Entscheidungsbefugnis in Ihrer Sache. Auch sind Einzelfallentscheidungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen und der Logik von Verwaltung eher schwierig. Dennoch sind die bestehenden Instrumente der Verwaltung auf Ihre Situation nicht immer anwendbar - handelt es sich bei Ihrem Problem um eines, das häufiger u.U. auch bei Kolleg*innen auftritt? Suchen Sie hier eine umfassendere Lösung - beachten Sie dabei ggf. hierarchische Strukturen. Wertschätzung: provokativ ausgedrückt - eine funktionierende Verwaltung wird nicht wahrgenommen, die einzige Möglichkeit der Verwaltung, Aufmerksamkeit zu bekommen, ist nicht zu funktionieren ... Verleihen Sie Ihrer Wertschätzung für die funktionierende Arbeit der Verwaltungsmitarbeiter*innen Ausdruck und interessieren Sie sich auch für die Menschen, mit denen Sie in der Verwaltung zu tun haben - so können Sie tragende Arbeitsbeziehungen aufbauen, die auch Herausforderungen überstehen und sogar gemeinsam neue Konzepte und/ oder in den bestehenden Strukturen passendere Abläufe zu erarbeiten. Literatur NICKEL, Sigrun, 2012. Engere Kopplung von Wissenschaft und Verwaltung und ihre Folgen für die Ausübung professioneller Rollen in Hochschulen. In: Uwe WILKESMANN und Christian J. SCHMID, Hrsg. Hochschule als Organisation. Wiesbaden: Springer VS. <?page no="225"?> Umgang mit Vielfalt 225 Umgang mit Vielfalt Susanne Lummerding & Neela Enke „Meine Hochschule fordert von mir Diversity-Kompetenz, aber was genau heißt das eigentlich? “ fragt eine Juniorgruppenleitung. Der Umgang mit Vielfalt ist eine Querschnittsaufgabe, nicht zuletzt ür Personen mit Leitungsfunktion: Nicht nur in → Personalauswahl und Leistungsbeurteilung spielt der Umgang mit (und letztlich auch die Bewertung von) Vielfalt eine große Rolle, sondern auch im Alltag, wenn es darum geht, Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Bedürfnissen eine möglichst barriere- und diskriminierungsfreie Arbeitsumgebung zu bieten und Zusammenarbeit produktiv zu gestalten. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Institutionen keine machtfreien Räume darstellen, sondern als Spiegel gesellschaftlicher Strukturen von diesen und den darin wirksamen Machtverhältnissen und Ausschlüssen geprägt sind. Daher spielen auch gesellschaftliche und kulturelle Normen und Normerwartungen in der Zusammenarbeit eine Rolle. Diversity-Maßnahmen bzw. Maßnahmen des Diversity-Management (als ressourcenorientiertes und menschenrechtsorientiertes Organisations- und Personalentwicklungsinstrument) sind auf einen Nachteilsausgleich für die von Diskriminierung Betroffenen ausgerichtet. Doch häufig werden damit in erster Linie die (potentiell) Benachteiligten selbst adressiert und dadurch zugleich zu ‚Anderen‘ gemacht, die nicht der mehrheitlichen Norm entsprechen. Damit verknüpft ist meist die Erwartung einer Adaptationsleistung der ‚Anderen‘ an die Norm. Aus dem Blick gerät dabei oft die Verantwortung der Beschäftigten/ Kolleg*innen/ Vorgesetzten, die der Mehrheitsgesellschaft angehören. Sie müssen die eigenen Normvorstellungen und die daraus folgenden Ausschlüsse hinterfragen und auf dieser Basis mit den bislang benachteiligten Personen mögliche Neuordnungen verhandeln und gemeinsam entwickeln. Voraussetzung für diesen wichtigen Schritt ist das Entwickeln und Stärken von Diversitätskompetenz sowohl auf einer individuellen als auch auf einer institutionellen Ebene, um letztlich auch auf einer gesellschaftlichen Ebene Veränderungen zu ermöglichen. Dazu gehört die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Involviertsein in Diskriminierungsstrukturen und mit den eigenen Vorurteilen und Stereotypen - also unüberprüften klischeehaften, starren, verallgemeinernden (und häufig abwertenden) Bildern - sowie deren Funktion, Entstehung und Wirkung. Die <?page no="226"?> 226 Umgang mit Vielfalt Definition dessen, was als ‚Norm‘ gilt und was als ‚Anders‘ (auch ‚Othering‘ oder ‚Ver-Andern‘ genannt), basiert auf Unterscheidungen, die zumeist als ‚natürlich‘ begriffen werden. Allerdings liegt ihnen eine Entscheidung für ein bestimmtes Unterscheidungskriterium zugrunde. Mit dieser Definitionsmacht verbunden ist zugleich ein Machtgefälle zwischen Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft und den als ‚anders‘ Beschriebenen, die diese Zuschreibung in der Regel nicht selbst gewählt haben. Die Unterscheidung und ‚Ver-Anderung‘ ist nicht einfach nur eine individuelle und auch nicht notwendigerweise immer eine bewusste Entscheidung. Sie ist stets eingebettet in und geprägt von gesellschaftlichen Wahrnehmungs- und Denktraditionen, Machtverhältnissen und entsprechenden Kommunikations- und Handlungsmustern, die auch die Sozialisation der einzelnen Mitglieder einer Gesellschaft prägen. Genau diese Verschränkung macht Veränderung schwer, entbindet uns aber zugleich nicht der Verantwortung für die Gestaltung von Veränderung. Diversitätskompetenz bedeutet auch, sich sowohl der eigenen, individuellen Wahrnehmungs- und Exklusionsmuster bewusst zu werden als auch das Phänomen struktureller Benachteiligung und Exklusion zu kennen, zu benennen und Gegenstrategien im eigenen Handeln umzusetzen. Dazu gehört auch das Wissen um die Bedeutung der eigenen Positionierung in der Gesellschaft (z.B. neben den gemäß AGG geschützten Dimensionen Alter, Geschlecht, sexuelle Identität, Religion und Weltanschauung, Behinderung und ethnische Herkunft auch soziale Herkunft bzw. sozioökonomischer Status) für die eigenen Möglichkeiten in Bezug auf Zugang, Repräsentation, Teilhabe und Mitbestimmung und die Erkenntnis, dass es Erfahrungen und Perspektiven gibt, die mir aufgrund meiner (privilegierten) Positionierung in der Gesellschaft fehlen bzw. die ich nicht teile, deren Berücksichtigung aber im Sinn von Diversity entscheidend ist. Übersetzt in Leitungsaufgaben geht es auch darum, Kultur-Normen und -Erwartungen (sei es akademische, Fach- oder Nationalkultur) transparent zu machen und kritisch zu überprüfen. ( → Interkulturelle Kommunikation). Zu diesen Normerwartungen gehören nicht zuletzt auch Erwartungen bezüglich eines vermeintlich ‚typischen‘ wissenschaftlichen (oder professoralen) Habitus, den in diesem Feld Tätige haben sollten ( → Habitusreflexion). Diese Normerwartungen können je nach Fach durchaus variieren, spielen jedoch (oft unbewusst) fast immer eine wichtige Rolle und haben in der Personalbeurteilung, in Berufungsverfahren o.ä. häufig Einfluss auf die Zuschreibung oder Aberkennung von Kompetenz. Diese Zuschreibungen haben weitreichende Folgen nicht nur für persönliche Karriereverläufe, sondern auch für institutionelle und letztlich gesellschaftliche Entwicklungen. <?page no="227"?> Umgang mit Vielfalt 227 Anregungen für die diversitätskompetente Führung Was Sie bei der → Personalauswahl beachten sollten: Anforderungsprofil erstellen und Anforderungen konkret und präzise definieren, Reflexion: was ist tatsächlich notwendig für die Aufgabe? , Ausschreibung diversitätsorientiert gestalten: Wen schließe ich ein/ aus durch bestimmte Begriffe (‚junges dynamisches Team‘) oder nur vermeintlich neutrale Formen (generisches Maskulinum)? , Gesellschaftlich/ strukturell bislang Benachteiligte explizit adressieren, Schriftliche Bewerbung anhand Anforderungsprofil bewerten - Bewertung (nach klaren und einheitlichen Kriterien) aufschreiben, Interview/ Probeaufgabe: separat von schriftlicher Bewerbung beurteilen, mehr als eine Person in den Entscheidungsprozess einbinden (Berufungsrat als Gremium installieren und hinzuziehen), Entscheidung: schriftliche Bewerbung/ Interview abgleichen und auf das Anforderungsprofil bezogen betrachten. Was Sie bei der Leistungsbewertung beachten sollten: Transparent kommunizieren: nach welchen Kriterien bewerte ich Leistung bzw. Qualifikation? , Reflexion: Sind die Kriterien tatsächlich ‚objektiv‘? , Verfahren des Umgangs mit Kritik und Veränderung kommunizieren, (Jahresgespräche, Meetings, Sprechstunden, Feedbackgespräche, ...), Wertschätzung ausdrücken, Anerkennungskultur pflegen und überprüfen, ob diese angemessen und gerecht auch alle Adressat*innen gleichermaßen erreicht, oder ob es einen Aufmerksamkeits-Bias gibt. Was Sie bei der Gestaltung in der Zusammenarbeit beachten sollten: Auf wertschätzende und kollegiale Kommunikation über Zugehörigkeits-, Hierachie-, Feld-, Sprach- und andere Grenzen hinweg achten, Solidarität, eigene Privilegien zur Unterstützung Benachteiligter nützen, Eigene Normvorstellungen und Erwartungen kritisch reflektieren, Teilhabe divers gestalten: ‚Andere‘ in Entwicklung, Gestaltung und Entscheidungsfindungen maßgeblich einbinden, Ressourcenorientierten Blick auf die unterschiedlichen Beiträge Einzelner zum gemeinsamen Erfolg schärfen, Anerkennungskultur pflegen. <?page no="228"?> 228 Verhandeln Literatur ANTIDISKRIMINIERUNGSTELLE DES BUNDES, 2018. Leitfaden: Diskriminierungsschutz an Hochschulen. Ein Praxisleitfaden für Mitarbeitende im Hochschulbereich. www.antidiskriminierungsstelle.de/ SharedDocs/ Downloads/ DE/ publikationen/ Diskriminierungsfreie_Hochschule/ Leitfaden-Diskriminierung- Hochschule-20130916.html (zuletzt aufgerufen am 02. April 2020) ANTIDISKRIMINIERUNGSTELLE DES BUNDES, 2014. Diversity Mainstreaming für Verwaltungen. Schritt für Schritt zu mehr Diversity und weniger Diskriminierung in öffentlichen Institutionen. www.antidiskriminierungsstelle.de/ SharedDocs/ Downloads/ DE/ publikationen/ Diversity_Mainstreaming/ Leitfaden _Diversity_Mainstreaming_fuer_VerwaltuVerw_20140527.html (zuletzt aufgerufen am 02 April 2020) GARDENSWARTZ, Lee und Anita ROWE, 2003. Diverse Teams at Work. Capitalizing on the Power of Diversity. Alexandria (USA): Society for Human Research Management. PEUS, Claudia, Susanne BRAUN, Tanja HENTSCHEL und Dieter FREY, Hrsg., 2015. Personalauswahl in der Wissenschaft: Evidenzbasierte Methoden und Impulse für die Praxis. Heidelberg: Springer. Verhandeln Neela Enke Neuer Arbeitsvertrag: Vertragsbedingungen verhandeln - Kooperation mit anderen Forschenden: Rahmen für Zusammenarbeit diskutieren - Der erste Ruf: Berufsverhandlungen stehen an ... Diese und viele andere Situationen im beruflichen Alltag von Wissenschaftler*innen haben eines gemeinsam: Verhandlungsgeschick ist gefragt. In Verhandlungen - wie auch in Konflikten - nehmen wir zunächst oft die Positionen bzw. Forderungen der beteiligten Personen (inkl. unserer selbst) wahr. Diese erscheinen oft unvereinbar und bisweilen absurd und/ oder unrealistisch. Der erste Schritt zur erfolgreichen Verhandlungsführung ist, diese Positionen/ Forderungen erstmal zur Kenntnis zu nehmen, ohne sie als final zu akzeptieren. In der Regel sind Positionen Ausdruck von tieferliegenden, nicht explizit formulierten Interessen und Bedürfnissen, die es durch offene, ehrlich interessierte und geschickte Fragen zu ergründen gilt. <?page no="229"?> Verhandeln 229 Verhandlungen bestehen aus verschiedenen Phasen: der Vorbereitung, der eigentlichen Verhandlung sowie der Umsetzung. Expert*innen zufolge ist die Vorbereitung der wichtigste Teil der Verhandlung. Umfassende Recherche ist der Schlüssel: Klären Sie Fragen wie z.B. Was wissen Sie über Ihre Verhandlungspartner*innen? Perspektivwechsel: Welche Interessen könnten Ihre Verhandlungspartner*innen haben? Was ist üblich an Ausstattung an dieser Universität/ in diesem Fach? Welchen Spielraum bieten Tarifverträge? Natürlich sollten Sie sich auch Ihrer eigenen Interessen bewusst sein und ein Ziel festlegen. Zentral ist auch, dass Sie für sich eine Grenze definieren, an der Sie die Verhandlungen abbrechen bzw. das Ergebnis nicht annehmen. Das verhindert, dass Sie danach schlechter dastehen als vorher; in Bezug auf Vertragsverhandlungen heißt das z.B., dass Sie keine Verträge unterschreiben, die insgesamt schlechtere Arbeitsbedingungen beinhalten als der Vertrag, den Sie zuvor hatten. Allerdings steckt in diesem ,insgesamt‘ ein weiterer wichtiger Punkt in Bezug auf Verhandlungen: in jeder Verhandlung gibt es mehr als einen Verhandlungsgegenstand. In der Berufungsverhandlung müssen Sie neben Ihrer Besoldung u.a. auch Ausstattung, Lehrdeputat, Nebentätigkeiten, Dual-Career-Optionen aushandeln ( → Berufungsprozesse). Da die beteiligten Parteien oft unterschiedliche Prioritäten in Bezug auf die Verhandlungsgegenstände haben, gilt es diesen Umstand für ein gutes Ergebnis zu nutzen; z.B. kann eine Institution finanziell sehr schlecht dastehen und Ihnen nicht das zahlen, was Sie möchten, ist aber vielleicht bereit, Ihnen dafür inhaltliche Freiheiten und flexible Arbeitsbedingungen zuzugestehen. Andersherum könnten Sie der Institution etwas anbieten, das Sie nicht großartig schmerzt, der Institution aber einen bedeutenden Vorteil bringt und dafür eine bessere Ausstattung verhandeln. Auch dazu ist es wichtig, Interessen und Prioritäten der Verhandlungspartner*innen zu recherchieren oder zumindest informierte Hypothesen dazu zu entwickeln, die Sie dann in der Verhandlung überprüfen. Eine Verhandlung kann sich auf eine Sitzung beschränken oder über mehrere Termine hinziehen. Zu Beginn der Verhandlung gibt es eine Kontaktphase, in der sich die Verhandlungsparteien treffen und kennenlernen. Ein lockeres Gespräch kann hier als erster Einstieg in gute Beziehungen dienen. Sofern nicht im Vorfeld bereits geschehen, sollten zunächst die Rahmenbedingungen (z.B. Dauer, Ablauf, Moderation, → Rollen, Mandate) geklärt werden. Anschließend werden die verschiedenen Interessen erkundet, Verhandlungsgegenstände identifiziert und Argumente ausgetauscht. Darauf basierend sollten möglichst viele Lösungsoptionen entwickelt werden, die erst im nächsten Schritt anhand von gemeinsam festgelegten Kriterien evaluiert werden. Schließlich einigen sich die Parteien auf eine Lösung. <?page no="230"?> 230 Verhandeln Das Verhandlungsergebnis und getroffene Absprachen sollten schriftlich festgehalten werden, um Änderungen im Nachhinein zu verhindern. Es kann u.U. nötig sein, einen Termin zur Überprüfung der Umsetzung der Verhandlungsergebnisse zu vereinbaren. Obwohl Sie es mit vielen grundsätzlich fairen Verhandlungspartner*innen zu tun haben werden, schadet es nicht, sich mit unfairen (kommunikativen) Verhandlungsstrategien auseinanderzusetzen und sich darauf vorzubereiten. ( → Kommunikation) Es gibt Strategien, die Druck aufbauen, z.B. durch das Ausüben von Zeitdruck (kommt auch im Deckmantel der Zeiteffizienz daher), Einschüchterung, Ignorieren Ihrer Anliegen und Argumente oder auch durch häufigen Themenwechsel, was Verwirrung stiftet. Es können auch Verhandlungsgegenstände eingeführt werden, von denen vorher nicht die Rede war. Oder es gibt Strategien, die zunächst positiv daherkommen, z.B. Schmeichelei, die an Ihre Eitelkeit appelliert - Sinn dieser Strategien ist es, Sie in eine großzügige Stimmung zu bringen, in der Sie leichter Zugeständnisse machen. Setzen Sie von Anfang Grenzen, um sich nicht mit dem Rücken an der Wand wiederzufinden. Checkliste Verhandlungsebenen In jeder Verhandlung gibt es drei Ebenen, die Sie im Auge behalten sollten: die Sachebene, die Beziehungsebene und die Prozessebene. Die Sachebene Was wird verhandelt? Welche Verhandlungsgegenstände sehen Sie? Welche sachbezogenen Informationen (Zahlen, Daten, Fakten) können Sie beschaffen? Welche Perspektiven sind involviert? Welche Prioritäten vermuten Sie? Welche Finanzen und weiteren Ressourcen stehen zu Verfügung? … Die Beziehungsebene Wer verhandelt mit wem? Wer sitzt am Verhandlungstisch? Wie ist meine Beziehung zu den anderen Verhandlungsparteien? Wie offen kann ich sein? Werde ich angegriffen? Werde ich ernst genommen? Gibt es positive/ negative Vorerfahrungen? Wer hat welche Mandate? ... Die Prozessebene Wie wird verhandelt? Wie viele Sitzungen umfasst die Verhandlung? Mehr als eine? <?page no="231"?> Visionsentwicklung 231 An welchem Ort wird verhandelt und wie ist die Ausstattung? Wer übernimmt die Moderation? Wie wird die Redezeit verteilt? Wer übernimmt die Dokumentation der Resultate? ... Literatur FISHER, Roger, William L. URY und Bill PATTON, 1991. Getting to Yes: Negotiating Agreement Without Giving In. London: Penguin Books. KNAPP, Peter und Andreas NOVAK, 2014. Effizient verhandeln - Konstruktive Verhandlungstechnik in der täglichen Praxis. Hamburg: Feldhaus Verlag. Visionsentwicklung Ute Symanski Ich bin Lehrstuhlinhaberin eines gut ausgestatteten Lehrstuhls, mit vielen Mitarbeiter*innen und drei spannenden Drittmittelprojekten. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir immer mehr auseinanderdriften. Mir fehlt die Arbeit an einem gemeinsamen Ziel, das uns alle verbindet. Ich würde meinen Lehrstuhl auch gerne in der Fachgruppe noch sichtbarer machen. Egal ob Sie einen Lehrstuhl innehaben, einen Forschungsverbund leiten oder eine Projektgruppe - damit alle, die dort zusammenarbeiten ihre Arbeitskraft und Zeit im Sinne der gemeinsamen Sache einsetzen, braucht es ein gemeinsames Zielbild, eine Vision, an der alle ihre Arbeit ausrichten können. Wie kommen Sie als Lehrstuhlinhaber*in zu einer solchen Ausrichtung, die von allen getragen wird? Zwei Instrumente aus der lösungsfokussierten Beratung könnten Sie hierür nutzen: Das Bild der perfekten Zukunft und die Formulierung von Maßnahmen auf dem Weg zu diesem Zielbild. 1. Eine Vision finden: das Bild der idealen Zukunft Starten Sie mit einem Workshop, in dem es explizit um die Entwicklung eines gemeinsamen Zielbildes geht. Laden Sie unbedingt alle ein, nicht nur die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen. Beziehen Sie u.U. auch Personen aus dem Wissenschaftsmanagement mit ein - auch Sekretariatskräfte und administrative Kräfte aus den Drittmittelprojekten. Damit legen Sie einen <?page no="232"?> 232 Visionsentwicklung wichtigen Grundstein, die Motivation aller zu steigern, sich für die gemeinsame Sache zu engagieren. Die Entwicklung einer Vision, eines Zielbildes für den Lehrstuhl, gelingt mit den folgenden Leitfragen: Wenn alles genauso läuft, wie wir uns das wünschen: Was werden wir in einem Jahr alles erreicht haben? Wenn es ideal läuft: Wofür wäre unser Lehrstuhl innerhalb der Scientific Community berühmt? Wofür werden wir die gefragten und ausgewiesenen Fachexpert*innen sein? Wenn Kolleg*innen aus anderen Fachbereichen zu uns kommen, um unsere hervorragende Zusammenarbeit zu beobachten: Was genau sehen sie? Wer macht was genau? Und mit wem? Bitten Sie darum, die Antworten auf diese Fragen zu visualisieren - statt in Worte zu fassen. So entstehen in diesem ersten Schritt kraftvolle Zielbilder. Lassen Sie diese Zielbilder in Gruppen von vier bis fünf Personen entwickeln. Achten Sie auf eine gute Durchmischung der Gruppen: am besten arbeiten diejenigen zusammen, die sonst eher weniger Berührungspunkte haben. Anschließend entwickeln Sie mit allen aus den Teilbildern ein gemeinsames Bild, das die Gemeinsamkeiten der einzelnen Bilder umfasst. Dieses gemeinsame Zielbild ist der Dreh- und Angelpunkt und kann eine wahre Sogwirkung entfalten. Es kann nun im zweiten Schritt auf Maßnahmen, Teilprojekte und Meilensteine heruntergebrochen werden. 2. Das Zielbild konkretisieren Ab hier wird wieder geschrieben und verbalisiert, statt gemalt. Eine gängige Methode zur Konkretisierung von Zielbildern ist die ‚SWOT-Analyse‘, mittels derer die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken herausgearbeitet werden: Welche Stärken und welche Schwächen sehen wir in unserem Zielbild? Welche Chancen und Risiken sehen wir? Und welche konkreten Maßnahmen und Schritte leiten wir für die vier Felder ab? Eine lösungsorientierte Variante der Methode, die den Blick stärker auf die Zielerreichung und die konkreten Schritte und Maßnahmen richtet, ist das GABE-Schema (Czerny und Godat 2016). Hier wird die Entwicklung von Maßnahmen mit den folgenden Leitfragen vorgenommen: G ewünschte Zukunft entdecken: Wie sieht das ideale Zukunftsbild im Detail aus? Wer genau macht was genau (mit wem), um das Ziel zu erreichen? Welche Schritte gehen wir zur Erreichung des Zukunftsbildes oder zur Erreichung von Meilensteinen? A uswirkungen erkunden: Was wird anders sein, wenn wir unsere gewünschte Zukunft erreicht haben? Was konkret tun wir anders als jetzt? Welche Auswirkungen wird das intern wie extern haben? <?page no="233"?> VUCA 233 B ereits Funktionierendes erforschen: Was funktioniert bereits jetzt im Sinne des Zukunftsbildes? Was tun wir bereits jetzt dafür, was wir verstärkt tun könnten? E ntwicklungen erkennen: Woran werden wir und andere erkennen, dass wir auf dem Weg zu unserem Ziel sind? An welchen konkreten Handlungen? Auch wenn Sie eine inhaltliche Neuausrichtung planen oder Veränderungsprozesse einleiten ( → Change gestalten) können Sie mit diesen Instrumenten und Leitfragen arbeiten. Literatur BAARFUSS, Ruedy et al., 2012. Wirksames Management in der Wissenschaft: Die eigene Arbeitsgruppe erfolgreich führen. Frankfurt/ Main: Campus. BÄTSCHER, Rudolf und Johannes ERMATINGER, 2004. Strategieentwicklung in Sozialinstitutionen: Ein Leitfaden für die Praxis. Zürich: Versus. CZERNY, Elfride und Dominik GODAT, 2016. 50 inspirierende Ideen für Führungksräfte. Methodensammlung auf Karten. Zürich: Versus. SYMANSKI, Ute, 2017. Kunst der Kooperation verstehen und verfeinern: Aus der Perspektive guter Zusammenarbeit die Begründung für ein Management ableiten. In: Markus LEMMENS, Peter HORVATH, Mischa SEITER, Hrsg. Wissenschaftsmanagement. Handbuch und Kommentar. Bonn: Lemmens. S. 62-74. VUCA Anette Hammerschmidt Spätestens seit der ‚Corona-Krise‘ dürfte jedem klar geworden sein, dass wir in einer volatilen Welt leben, in der wir trotz Planung und verschiedenster Sicherheitsvorkehrungen vor unerwarteten, drastischen Ereignissen nicht gefeit sind, deren Ursache-Wirkungsverhältnisse vieldeutig bleiben und sich auf den gesamten Globus auswirken. Prägnanter hätte uns nicht vor Augen geührt werden können, was mit VUCA gemeint ist. Das Akronym steht ür Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity als Merkmale unserer vielschichtigen und hochgradig vernetzten Wirtschafts- und Lebenswelt. <?page no="234"?> 234 VUCA Volatilität - wir leben in einer Welt, die sich ständig und mit rasanter Geschwindigkeit verändert, wodurch kleine sowie massive Veränderungen gleichermaßen unvorhersehbare Folgen haben können. Ursache und Wirkung lassen sich weder genau feststellen noch begreifen. Ungewissheit - indem Ereignisse immer weniger vorhersehbar und berechenbar werden, verlieren Prognosen und Erfahrungen aus der Vergangenheit ihre Aussagekraft. Pläne, Maßnahmen und erfahrungsbasierte Strategien für die Zukunft werden obsolet. Komplexität - die Menge der Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Lebensbereichen, Orten und Kulturen führt zu einer enormen Komplexitätssteigerung, durch die Zusammenhänge noch unübersichtlicher werden. Es wird unmöglich, die eine richtige Entscheidung zu treffen. Ambiguität - in dieser Gemengelage ist selten etwas eindeutig oder exakt bestimmbar. Mit Entweder-oder-Denken kommen wir nicht weiter. Tertium datur! Paradoxien, Widersprüche und Mehrdeutigkeiten stellen unsere Urteilskraft und unsere Wertesysteme auf die Probe. Während die Wirtschaft diese Dynamiken seit Jahren zu spüren bekommt, ist der Hochschulbereich mit seinen staatlichen Strukturen zumindest im deutschsprachigen Raum trotz → Internationalisierung und steigendem Leistungsdruck von der Wucht derartiger Auswirkungen bisher verschont geblieben. Wenn aber diese Entwicklung Gesellschaft und Lebenswelt im Allgemeinen erfasst, wirkt dieses Umfeld auch unmittelbar auf Hochschule und Forschungsinstitutionen ein. ( → Übergänge und Statuspassagen) Welche Anforderungen stellt das an Professor*innen und Führungskräfte in der akademischen Arbeitswelt? Folgen wir dem Akronym ür ein paar Anregungen: Vertrauen - ist in einer volatilen Welt ein unschätzbarer Wert. Überlegen Sie: Worauf und wem können Sie vertrauen? Wie finden Sie in sich eine Quelle des Vertrauens, die Ihnen Stabilität gibt? ( → Selbsssteuerung) Was brauchen andere von Ihnen, um vertrauen zu können? Wie zeigt sich das in Ihrem Verhalten? ( → Netzwerken) Verlässlichkeit - Welche Themen und Strukturen sind verlässlich, welche eher instabil oder hinfällig? Was können Sie unmittelbar beeinflussen? Das könnten z.B. Themen sein, die Sie in Forschung und Lehre aufgreifen, um Ihre Student*innen aktuell auf ‚die Welt da draußen‘ vorzubereiten. Umsicht - Wortwörtlich heißt das, das Umfeld zu ‚sichten‘. Was zeichnet sich bereits ab? Auch in einer schnelllebigen Welt gibt es Vorzeichen für so manche Entwicklung, beispielsweise für online und webbasiertes <?page no="235"?> VUCA 235 Lernen. Nehmen Sie Anzeichen wahr und ziehen Sie sie früh in Betracht. Vorbereitung dient auch der persönlichen Stabilisierung. Unvoreingenommenheit - Um zu erkennen was sich am Horizont abzeichnet, brauchen wir einen offenen Geist. Alte Glaubenssätze wie z.B. „Online-Meetings bringen nichts! “ mögen da hinderlich sein. Erwägen Sie Potential und Möglichkeiten. Lassen Sie sich probeweise auf Neues ein und adaptieren Sie. So verändern Sie schrittweise Ihr Mindset. ( → Haltung) Unterstützung - Empathie und → Kooperation werden bei zunehmender Unsicherheit notwendiger denn je. Überlegen Sie: Wer braucht was - nicht nur fachlich, sondern auch menschlich? Wie können wir uns gegenseitig stützen? Etablieren Sie tragfähige → Netzwerke und Spielregeln. Courage - Es braucht Mut, in unübersichtlichen Verhältnissen Entscheidungen zu treffen. Es braucht Mut, Komplexität zu reduzieren, auf die Gefahr hin, dass man Wesentliches übersieht. Es braucht Mut, Fehler zuzulassen. Sorgen Sie dafür, dass Fehler sein und zugegeben werden dürfen. Ohne wird es nämlich nicht gehen. Nur so können alle daraus lernen. Anpassungsfähigkeit - ist das Antidot für Ambiguität - wenn nur wenig eindeutig und einschätzbar ist, hilft ein gewisses Maß an Flexibilität. Überlegen Sie, was Sie auf keinen Fall preisgeben wollen und ob Sie auch tatsächlich daran festhalten können. In welchen Dingen und welchem Maß sind Sie beweglich? Erweitern Sie schrittweise Ihre Komfortzone. Literatur HELLER, Jutta, Hrsg., 2019. Resilienz für die VUCA-Welt. Individuelle und organisationale Resilienz entwickeln. Wiesbaden: Springer. KÖNIG, Eckard und Gerda VOLMER, 2018. Handbuch Systemische Organisationsberatung. 3., komplett überarb. Auflage. Weinheim Basel: Beltz. WOLF, Carolin, 2019. Gemeinsam denken. Die VUCA-Welt braucht mehrere Köpfe. Göttingen: Business Village GmbH. <?page no="236"?> 236 Wissenschaftskommunikation Wissenschaftskommunikation Anke Kautz Die Institutsleitung will, dass wir unsere Forschung in die Öffentlichkeit tragen. Ich weiß gar nicht, wie ich das machen soll? Was muss ich dabei bedenken? Wissenschaft in die Gesellschaft zu kommunizieren, gehört inzwischen zum ‚Job‘ ,Wissenschaftler*in‘ genauso dazu wie → Publizieren. Es geht darum, Ergebnisse bekanntzumachen und wissenschaftliche Inhalte in die Gesellschaft zu transportieren. Sie sind eine Grundlage ür Diskussionen und Entscheidungen in der Politik und im Alltagsleben. Wissenschaft sollte als Prozess nachvollziehbar sein, der aus Fragen, Antworten suchen und finden, sie widerlegen und weitersuchen besteht. Diese Transparenz erhöht die Akzeptanz von Wissenschaft in der Öffentlichkeit. Außerdem muss Forschung sich legitimieren, um die Finanzierung und Förderung ihrer Arbeit zu sichern, durch Exzellenzoffensiven, Drittmittel und andere Zuwendungen. Wer notwendige Ressourcen sichern oder ausbauen will, muss seine Arbeit offenlegen. Es geht aber auch darum, Wissenschaft erlebbar zu machen, die Neugierde bei Kindern und Jugendlichen zu wecken und damit die Wissenschaftler*innen von morgen zu gewinnen. Ohne Empfänger*in keine Kommunikation. Je genauer ich weiß, wer meine Zielgruppe ist, desto genauer kann ich meine Botschaften zuschneiden. Die einfache Unterscheidung in ‚Expert*innen‘ und ‚Nicht-Expert*innen‘ kann nur der Anfang sein. Denn die Gruppe der ‚Nicht-Expert*innen‘ ist riesig und entsprechend divers. Von meiner Zielgruppe hängt maßgeblich meine Sprache ab. Eine zentrale Frage: Wie finde ich eine deutsche Umschreibung für meist englische Fachbegriffe? Übersetzen Sie Zahlen in Vergleiche mit allgemein Bekanntem. Nutzen Sie eine bildreiche Sprache, um Aussagen zu illustrieren. Kurze Sätze erhöhen die Verständlichkeit. Angst vor dem Vorwurf, komplexe Themen zu sehr zu vereinfachen? Machen Sie diesen Spagat transparent. Sagen Sie, dass Sie damit möglichst viele Menschen erreichen wollen. Wie komplex → Kommunikation ist, zeigt sich auch in der Wahl des Mediums. Zeitschriften und Wissenschaftssendungen in Hörfunk und Fernsehen sind die Klassiker. Heute ist Social Media angesagt. Überlegen Sie, welches Medium für Ihr Anliegen sinnvoll ist. Twitter z.B. gilt in der Wissenschafts-Community als Kanal für neueste Entwicklungen und Vernetzung unter Kolleg*innen. <?page no="237"?> Wissenschaftskommunikation 237 Wissenschaft zum Anfassen gibt es in Nächten der Wissenschaft, Kinder- Unis, Tagen der Offenen Tür. Für diese Art Infotainment brauchen Sie Spaß am Unterhalten und Geduld für viele Fragen. Unabhängig vom Medium ist gute Vorbereitung das A und O gelungener Kommunikation. Wichtige Fragen sind: Mit wem werde ich sprechen? Was erwartet mein Gegenüber? Wer ist die Zielgruppe? Wie will ich mich in einem Diskurs positionieren? Schreiben Sie sich Aussagen auf, die Sie auf keinen Fall vergessen wollen. Bitten Sie darum, Artikel oder Interviews vor der Veröffentlichung gegenlesen zu dürfen. Wenn Sie selbst ein Thema platzieren wollen, fragen Sie die Pressestelle Ihres Instituts. Die kann nicht alle interessanten Forschungsthemen im Blick haben. Beachten Sie die Nähe zur Zielgruppe - räumlich, zeitlich, emotional. Welche Relevanz hat das Thema - warum sollten die Menschen davon wissen, hat es Folgen für den Alltag? Für Printmedien brauchen Sie Bilder und Grafiken, die als sogenannte Eyecatcher die Aufmerksamkeit der Leser*innenschaft auf sich ziehen. Infokästen sind ein Mittel, wesentliche Informationen oder zusätzliche Fakten darzustellen. Seriosität vor Sensation: Widerstehen Sie dem Reiz, zu schnell mit einer Erkenntnis an die Öffentlichkeit zu gehen. Zu schnelles Ausposaunen von Neuigkeiten kann Ihren guten Ruf als Forscher*in kosten. Knackige Schlagzeilen werden Ihrem Thema selten gerecht. Die entscheidenden Ws für die Wissenschaftskommunikation Wen möchte ich ansprechen bzw. erreichen? - Zielgruppe Was will ich sagen? - Thema und Botschaft Wozu mache ich das? - Wirkung Wo will ich kommunizieren? - Medium Wie sage ich es? - Haltung Tipps ‚Küchenzuruf‘ - damit ist unter Journalist*innen die zentrale Botschaft gemeint. Dieser Aussage arbeitet alles zu, was Sie zu sagen haben. Verständlichkeit - stellen Sie sich immer vor, Sie erklären Ihr Thema Menschen, die nicht wissenschaftlich arbeiten. Persönlichkeit - sprechen Sie in der Ich-Form. „Ich habe gemacht…“ „Mein Team beschäftigt sich…“. So werden Sie auch als Mensch sichtbar, das schafft Nähe und Vertrauen. Transparenz - erklären Sie Wissenschaft als dynamischen Prozess. Was ist der Stand der Wissenschaft? Welche Fragen sind noch offen? <?page no="238"?> 238 Wissensmanagement Social Media - lebt von ständiger Präsenz und spannendem Content. Überlegen Sie, wie viel Zeit Sie investieren können und wollen. Als Wissenschaftler*in alle paar Wochen mal auf Twitter vorbeizuschauen bringt nicht den gewünschten Erfolg. Literatur KÖNNEKER, Carsten, 2012. Wissenschaft kommunizieren. Ein Handbuch mit vielen praktischen Beispielen. Weinheim. Wiley VHC. SCHNURR, Johannes und Alexander MÄDER (Hrsg.). 2020. Wissenschaft und Gesellschaft: Ein vertrauensvoller Dialog. Positionen und Perspektiven der Wissenschaftskommunikation heute. Berlin. Springer https: / / www.wissen schaftskommunikation.de (zuletzt aufgerufen am 22. April 2020) SCHRÖGEL, Philipp, Christian HUMM, Annette LESSMÖLLMANN, Bastian KREMER, Jona ADLER und Markus WEISSKOPF. Nicht erreichte Zielgruppen in der Wissenschaftskommunikation: Literatur-Review zu Exklusionsfaktoren und Analyse von Fallbeispielen. https: / / www.wissenschaft-im-dialog.de/ file admin/ user_upload/ Projekte/ Wissenschaft_fuer_alle/ Zwischenbericht_Wissen schaft_fuer_alle_final.pdf (zuletzt aufgerufen am 22.04.2020) Wissensmanagement Neela Enke & Harry Enke Mein*e Promovierende*r hat die Gruppe verlassen und die Daten sind völlig unsortiert. - In unserem Kooperationsprojekt hat jede*r irgendwie einen anderen Stand und Arbeit wird doppelt getan. - Mein*e älteste*e Mitarbeiter*in geht in Rente und nimmt alle Kniffe in der Bedienung des Rasterelektronenmikroskops mit. Alle diese Fragen haben eines gemeinsam: es geht um die Verügbarkeit von Wissen. Wissen kann aus mehr oder weniger systematisierten (Mess-) Daten und Informationen bestehen (,explizites‘ Wissen, das nicht an eine bestimmte Person gebunden ist) aber auch aus ‚impliziten‘ Wissen über Abläufe, Strukturen, Verfahren, das häufig personalisiert ist. Wissen ist immer kontextabhängig und spiegelt auch Prioritäten und Machtkonstellationen des Systems, in dem es entsteht, wider: Welches Wissen wird als wichtig anerkannt? Wer produziert dieses Wissen? Unter welchen Bedingungen wird Wissen hergestellt? <?page no="239"?> Wissensmanagement 239 Ziel von Wissensmanagement ist es, für die Organisation wichtiges Wissen zugänglich zu machen und zu erhalten. Wissensmanagement besteht aus den Teilbereichen Wissensgenerierung, Wissensbewahrung, Wissensnutzung und Wissenskommunikation. Wissensmanagement zu betreiben, kann unterschiedliche Motive haben: zum einen gibt es mittlerweile Vorgaben zum Thema Datenmanagement und Dokumentation (ein Aspekt von Wissensmanagement, der vor allem ,explizites‘ Wissen in den Blick nimmt), die sich aus Standards in der Community und der guten wissenschaftlichen Praxis ergeben, insbesondere aber von Förderorganisationen verlangt werden. Zum anderen kann es Arbeitsabläufe vereinfachen und effizienter gestalten sowie die Kontinuität in Projekten gewährleisten, indem es Erfahrungswissen der Organisationsangehörigen zugänglich macht. Forschung generiert Wissen und ist auf kreative Vorgänge angewiesen, die oft mit kaum strukturierten oder kategorisierten Daten und Wissen arbeiten. Andererseits gibt es wissensbasierte standardisierte Abläufe (z.B. bestimmte Protokolle im Labor). Diese lassen sich gut in Workflows, Handbüchern, SOPs (standard operating procedures) und relationalen Datenbanktabellen abbilden. Der erste Schritt zur sinnvollen Bewahrung und Nutzung ,expliziten‘ Wissens ist die Klärung, welche Daten und Methoden für Ihre Arbeit relevant und welche Arbeitsabläufe davon betroffen sind. Identifizieren Sie Schnittstellen zu anderen Projekten oder auch publikationsrelevante Datenbanksysteme. Die Erfassung von Daten sollte bereits in einer Form erfolgen, die die Eingabe in die notwendigen Datenbanksysteme möglichst unaufwändig gestaltet und zudem auch in ihrer Fachgemeinschaft anerkannte Metadaten verwendet. Die nächste Überlegung ist, welcher Personenkreis auf dieses ,explizite‘ Wissen Zugriff haben soll: geht es um interne Abläufe in Ihrer Gruppe, haben Sie andere Möglichkeiten und Freiheiten als wenn Sie communityweite Lösungen finden müssen. ,Implizites‘ Wissen, das nur direkt von Mensch zu Mensch weitergegeben werden kann, braucht andere Herangehensweisen. Um ,implizites‘ Wissen zu bewahren, können Sie einerseits Interviews führen und schriftliche Dokumentationsformate wählen, oder sozialen Austausch nutzen. Wenn z.B. ein*e sehr erfahrene*r Mitarbeiter*innen Ihr Team verlässt, können Sie zunächst wichtiges Wissen schriftlich erfassen und gleichzeitig den*die ausscheidenden Mitarbeiter*in ein Tandem mit der*dem Nachfolger*in bilden lassen, so dass diese*r durch gemeinsames Arbeiten lernt. Um Übergaben wie diese effizient zu gestalten, braucht es Zeit für die Etablierung eines für Ihre Gruppe geeigneten Verfahrens. Es lohnt sich aber, da Ihnen das Thema ‚Übergaben‘ durch die vielen befristeten Verträge und Zusam- <?page no="240"?> 240 Wissensmanagement menarbeit in verschiedenen Projekten regelmäßig begegnen wird. Das Interesse an der Bewahrung dieses ,impliziten‘ Wissens ist auch Ausdruck Ihrer Wertschätzung für die Arbeit Ihrer Mitarbeiter*innen. Neben der Generierung und Bewahrung von Wissen gilt es, dieses allen Mitarbeitenden zugänglich zu machen und sie dazu zu bewegen, es auch zu nutzen. Hier stellt sich manchmal - gerade bei digitalen Lösungen - die Herausforderung, dass Mitarbeitende über unterschiedliche Fähigkeiten und Zugänge verfügen, was die Etablierung eines Daten- und Wissensmanagements erschwert. Unter Umständen müssen Sie Ihre Mitarbeitenden weiterbilden. Die Etablierung neuer oder die Umstellung alter auf neue Systeme ruft gelegentlich Widerstand und Verunsicherung hervor, daher gilt es, den Veränderungsprozess zu moderieren ( → Change gestalten). Bis sich neue Abläufe und Strukturen etabliert haben, müssen Sie als Führungskraft aktiv deren Nutzung einfordern: es wäre ja Unsinn, viel Zeit in die Bewahrung von Wissen zu stecken, das dann nicht genutzt wird. Das Wissen zu identifizieren, das für Sie und Ihre Institution von Bedeutung ist, ist manchmal nicht ganz einfach, da es in der Regel eine Flut an Daten, Erfahrungen und Information gibt und nicht alles gleichermaßen relevant ist. Konzentrieren Sie sich auf das, was wirklich zentral für Ihre Forschung ist! Anregungen Prioritäten: Welche Art von Wissen wollen und welches müssen Sie erhalten? Welche Vorgaben zu Dokumentation gibt es durch Ihre Organisation/ Community? Nutzung: Wer soll und wer muss Zugriff auf das bewahrte Wissen haben? Synergien: Welche Abläufe/ Infrastruktur gibt es bereits in Ihrer Organisation/ Community? Wo braucht es neue Strukturen? Machbarkeit: Welche Ressourcen haben Sie für das Wissensmanagement zur Verfügung (z.B. Zeit, Finanzen, Expertise, Infrastruktur)? Literatur LUDWIG, Jens und Harry ENKE, Hrsg., 2013. Leitfaden zum Forschungsdaten- Management. Handreichungen aus dem WissGrid-Projekt. Glückstadt: Verlag Werner Hülsbusch. Download unter: https: / / escience.aip.de/ wissgrid/ publika tionen/ Leitfaden_Data-Management-WissGrid.pdf (zuletzt aufgerufen am 02. April 2020) Forschungdaten Wiki. https: / / www.forschungsdaten.org/ index.php/ Hauptseite (zuletzt aufgerufen am 02. April 2020) <?page no="241"?> Zeitmanagement 241 Research Data Management Organiser RDMO. Download unter: https: / / rdmorganiser.github.io/ (zuletzt aufgerufen am 02. April 2020) WEGGEMANN, Mathieu, 1999. Wissensmagement. Der richtige Umgang mit der wichtigsten Unternehmens-Ressource. Hamburg: MITP Verlag. www.implizites-mitarbeiterwissen.de/ methoden/ (zuletzt aufgerufen am 22. Mai 2020) Zeitmanagement Cornelia Rahn Ich bin Gruppenleiterin in einem Forschungsinstitut und Professorin an der Uni. Mein Tag ist voll mit Terminen und ich komme erst abends und an den Wochenenden zu meiner eigentlichen Forschungsarbeit, so dass ich kaum Freizeit habe. Was kann ich anders machen? „Zeitmanagement bedeutet, die eigene Zeit und Arbeit zu beherrschen, statt sich von ihnen beherrschen zu lassen.“ (Seiwert 2017: 9) Das ist leichter gesagt als getan, denn vor allem Professor*innen haben oft zu viele verschiedene Aufgaben zu bewältigen. Die Basis für Zeitmanagement bildet das Bewusstsein der eigenen Werte, die uns motivieren: Wozu tue ich das, was ich tue? ( → Haltung) Zudem sollten wir uns klar machen, welche Rollen wir wie ausfüllen möchten. Die Rollen im Wissenschaftskontext sind vielfältig: Forscher*in, Lehrende*r; Vortragende*r, Autor*in, Betreuende*r u.v.m. Sinnvoll ist es, Prioritäten zu setzen, da nicht alle Rollen gleichermaßen gelebt werden können. Welche Rollen wir wählen und wie wir sie ausfüllen, hat erheblichen Einfluss auf unsere zur Verfügung stehende Zeit. Auf dieser Grundlage können wir uns mit den Werkzeugen der Zeitgestaltung befassen. Es empfiehlt sich, zunächst die Ziele zu planen. Ziele helfen, die Kräfte gebündelt auf deren Erreichung auszurichten. Langfristige Ziele (Vision/ Karriereziele), mittelfristige Ziele (erreichbar in fünf Jahren) und kurzfristige Ziele (angelegt auf ein Jahr) werden zusammen mit den Maßnahmen zur Zielerreichung und dem Datum der Erledigung schriftlich festgehalten. Die Ziele sollten möglichst SMART formuliert werden, also s pezifisch, m essbar, a kzeptiert, r ealistisch und t erminiert. ( → Gespräche <?page no="242"?> 242 Zeitmanagement mit Mitarbeitenden) Das kann beispielsweise so aussehen: Am 7.10.2020 reiche ich den Artikel x mit 15 Seiten zu Thema y beim Journal z ein. ( → Karriereplanung) Mit diesem Bewusstsein über Werte, Motivation und Ziele stellt sich nun die Frage, wie der Transfer in den oftmals mit Aufgaben überladenen Alltag funktionieren kann. Bei den vielfältigen Aufgaben, die eine (Führungs-)Tätigkeit in der Wissenschaft mit sich bringt, muss man sich zunächst die Frage stellen: Wie viel Zeit kann ich jenseits meiner fixen Terminvorgaben überhaupt beherrschen i.S.v. gestalten und managen? Und: Wie viele der Terminvorgaben sind wirklich fix? Zeitplanung Um Entlastung zu schaffen hilft es, ein Zeitprotokoll zu führen und sich so der eigenen Zeitverwendung bewusst zu werden. An mindestens zwei typischen Arbeitstagen werden möglichst (minuten-)genau alle Tätigkeiten protokolliert. Auch kleine Unterbrechungen werden hier festgehalten. Nachdem die Zeitfresser identifiziert sind, werden Maßnahmen definiert, um diese zu reduzieren und falls irgend möglich zu eliminieren. Diese Erkenntnisse fließen nun in die Tagesplanung ein. Um Startschwierigkeiten am Morgen zu vermeiden, bietet es sich an, den Tag am Vorabend zu planen. Und vergessen Sie nicht, Ihre Privatzeit einzuplanen! Als Vorlage zur Tagesplanung kann die ALPEN-Methode genutzt werden: - A ufgaben, Aktivitäten und Termine aufschreiben Termine, Unerledigtes vom Vortag, Pausenzeiten - L änge (Dauer) der Aktivitäten schätzen Hinter jeder Aufgabe geschätzten Zeitaufwand notieren - P ufferzeit reservieren Grundregel der Zeitplanung: 60% verplanen, 40% Pufferzeit - E ntscheidungen treffen: Priorisieren, Kürzen, Delegieren Prioritäten setzen, Kürzungen vornehmen, Delegierungsmöglichkeiten prüfen ( → Delegieren) - N achkontrolle Bei mehrfacher Übertragung von Unerledigtem Entscheidung treffen: anpacken oder sein lassen Genau wie der Tagesplan sollten auch Wochen-, Monats- und Jahrespläne visualisiert werden - ob papierbasiert oder digital, bleibt Ihnen überlassen. <?page no="243"?> Zeitmanagement 243 Priorisieren Bei der Auswahl unserer Tätigkeiten müssen wir Entscheidungen treffen - für eine Sache und in dem Moment gegen eine andere. Um Prioritäten zu setzen, können die Aufgaben in A-, B- und C-Aufgaben unterteilt werden. A-Aufgaben sind am wichtigsten, B-Aufgaben sind durchschnittlich wichtige Aufgaben und C-Aufgaben sind (oft zeitraubende) Routineaufgaben. Im Arbeitsalltag soll ausreichend Zeit für A-Aufgaben in tendenziell eher ungestörten Zeiten reserviert werden. Laut Untersuchungen tragen A-Aufgaben zu 65% zum Gesamterfolg einer Tätigkeit bei - es werden ihnen oft nur 15% der Zeit gewidmet. Genau anders verhält es sich mit den C- Aufgaben: Diese brauchen mit 65% die meiste Zeit, sind aber nur zu 15% am Gesamterfolg beteiligt. Bei den B-Aufgaben halten sich Aufwand und Ergebnis die Waage. Die Einteilung in A-, B- und C-Aufgaben fällt anfangs nicht leicht. Wie bei dem täglichen Zeitprotokoll hilft es hier, zunächst den Status Quo zu erfassen: Erfassen Sie Ihre Tätigkeiten über einen längeren Zeitraum (ca. vier Wochen) quantitativ und qualitativ, d.h. z.B., wie lange Sie sich täglich mit welchem Projekt beschäftigt haben. Unterscheiden Sie ggf. zwischen Vorlesungs- und vorlesungsfreien Zeiten. Orientieren Sie sich an Ihren Zielen und ordnen Sie Ihre Tätigkeiten entsprechend nach Wichtigkeit. Wichtig für die Planung eines Standard-Arbeitstages mit acht Arbeitsstunden ist: Für A-Aufgaben sollten drei Stunden reserviert werden, für B-Aufgaben eine Stunde und für C-Aufgaben 45 Minuten - der Rest der Zeit ist die notwendige Pufferzeit. Bei der Planung überlegen Sie je nach Aufgabe: Muss ich das unbedingt selbst ausführen oder kann ich es → delegieren? In dem von Perfektionsanspruch geprägten Wissenschaftsbetrieb kann die Anwendung des Pareto-Prinzips helfen: Dieses besagt, dass 80% der Ergebnisse eines Projekts in 20% der Gesamtzeit erarbeitet werden. Die verbleibenden 20% werden in 80% der Arbeitszeit geschafft, d.h., sie verursachen die meiste Arbeit, ohne einen entsprechenden Erfolg zu bringen. Identifizieren Sie bei der Erledigung Ihrer Aufgaben also die 20% an Aufwand, die 80% des Erfolges bringen. Nutzen Sie diese und bleiben Sie gelassen, wenn Sie nicht alles schaffen. Natürlich gibt es in der Wissenschaft auch Aufgaben, die zu 100% erledigt werden müssen. Doch das sind weniger als Sie denken! Identifizieren Sie diese Aufgaben, und bei den Restlichen folgen Sie dem Pareto-Prinzip. Abgrenzung Zeit kann auch viel effizienter genutzt werden, wenn wir konsequent an einer Aufgabe arbeiten - Monotasking statt Multitasking. Hierdurch können bis zu 40% Zeit gewonnen werden (vgl. Seiwert 2017: 59). Das heißt <?page no="244"?> 244 Zuhören zum einen, dass ähnliche Aufgaben gebündelt bearbeitet werden sollten, und zum anderen, dass wir in konzentrierten Arbeitsphasen potentielle Störquellen ausschalten sollten. Es wird zur Erledigung der wichtigen A- Aufgaben empfohlen, pro Tag eine ‚Stille Stunde‘ in der individuell produktivsten Arbeitszeit einzuführen. Diese Stunde sollte als wichtiger Termin kommuniziert werden. Entlastung im Arbeitsalltag schafft außerdem häufigeres ‚Nein‘-Sagen zu angetragenen Aufgaben. Behalten Sie Ihre Ziele und Ihren Zeitplan im Auge und denken Sie daran: Diese sind mindestens genauso wichtig wie die Ziele und Zeitpläne Ihrer Mitmenschen. Literatur BLATTER, Ivan, 2017. Arbeite klüger - nicht härter. Hannover: humboldt. KNOBLAUCH, Jörg, Holger WÖLTJE, Marcus HAUSNER, Martin KIMMICH und Siegfried LACHMANN, 2019. Zeitmanagement. 4. Auflage. Freiburg: Haufe. RIEDENAUER, Markus und Andrea TSCHIRF, 2012. Zeitmanagement und Selbstorganisation in der Wissenschaft. Wien: Facultas UTB. SEIWERT, Lothar, 2017. Das 1x1 des Zeitmanagement. 39. Auflage. München: Gräfe und Unzer. Zuhören Anette Hammerschmidt „Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, das war: Zuhören. Das ist doch nichts besonderes, wird nun vielleicht mancher Leser sagen, zuhören kann doch jeder. Aber das ist ein Irrtum. Wirklich zuhören können nur ganz wenige Menschen.“ Michael Ende Mit dem Zuhören verhält es sich in etwa so wie mit dem Atmen: meistens geschieht es einfach, ohne dass wir besonders auf die Qualität und → Haltung achten, mit der es geschieht. Dabei entgeht uns, wie grundlegend sich die Güte des Zuhörens sowohl auf den inneren Ort, von dem aus wir hören, als auch auf die Beziehungen zu anderen auswirkt. Sofern Kommunikation Welt erzeugt, kann die Qualität des Zuhörens Welt verändern - in uns und um uns herum. Zuhören ist weitaus mehr als eine Technik; es erschafft soziales Miteinander. Das soll hier exemplarisch an vier Archetypen des Zuhörens erörtert werden, die Otto Scharmer (2019) in der Theorie U ausgeührt hat. <?page no="245"?> Zuhören 245 Eine verbreitete Form des rudimentären Zuhörens beschränkt sich darauf, herauszufiltern, was man ohnehin schon weiß und neuartige Informationen geflissentlich zu überhören, auszublenden oder abzuwerten. Es ist eine Art „Herunterladen“ (Scharmer 2019) bei dem die*der Hörende auf sich selbst und schon Bekanntes fokussiert und darauf gewohnheitsmäßig reagiert. Die Aufmerksamkeit richtet sich nach innen auf den eigenen Standpunkt, um im Geiste eine Antwort zurechtzulegen, noch ehe die*der andere ausgesprochen hat. Der innere Kommentar überblendet das Gehörte wie eine Tonspur. Bestenfalls führt diese Art des Zuhörens zu einer höflichen Konversation, in der man hinter Phrasen („Das wird schon! “, „Nicht fragen, machen! “) verbirgt, was man eigentlich denkt und fühlt, weil es bedrohlich scheint, sich zu zeigen. Wenn es gelingt, die Gewohnheit des Bewertens zu unterbrechen, öffnen sich Denken und Zuhören für neue Informationen, die den eigenen Standpunkt nicht notwendig bestätigen müssen. Wir sind neugierig. Im „faktischen Zuhören“ (ebd.) wird ein ehrlicher Meinungsaustausch möglich. Widerspruch und unterschiedliche Sichtweisen sind erlaubt, ja erwünscht. Der wissenschaftliche Diskurs erfordert diese geistige Öffnung im Zuhören, damit die Beteiligten ihre Perspektiven differenzieren, mit Daten belegen und argumentativ vertreten können. Wenn die Teilnehmenden verstehen, dass sie einen Standpunkt vertreten, aber nicht damit identisch sind, kann aus einer höflichen Vermeidung eine fruchtbare Diskussion werden. „Das erweitert den Raum nicht nur für weitere Plädoyers, sondern auch für Erkundung.“ (Isaacs 2002, 224) Aber wie leicht kann uns diese Aufgeschlossenheit verloren gehen! Wenn es um Rechthaben geht, die Gesprächspartner*innen miteinander konkurrieren und die*den anderen mit den eigenen Argumenten zu schlagen versuchen, verengt sich das Zuhören und die Diskussion entartet zur konfrontativen Debatte. Die Debatte zwingt „zu einem Entweder-oder-Denken. Der Fokus liegt auf Abschluss und Endgültigkeit.“ (ebd., 48) Denn wer als Sieger hervorgeht, behält dieser Logik zufolge recht. Tertium non datur. Das Vermögen „empathisch zuzuhören“ (Scharmer 2019) erfordert außer einen offenen Geist auch Mitgefühl und die Bereitschaft, die Sichtweise der*des anderen einzunehmen. Wir hören mit dem Verstand und dem Herzen. Wir vernehmen die Informationen und erspüren den Menschen, der da spricht, ihre*seine Gefühle, Bedürfnisse, Sorgen und Verletzlichkeit. Diese Art Zuhören verlangt eine Verlangsamung des Hörens. Es erfordert „den Lärm im eigenen Innern wahrzunehmen, zu akzeptieren und nach und nach loszulassen.“ (Isaacs 2002, 85) Im Zuhören ist unsere Aufmerksamkeit nun beim anderen, wir wenden uns ihr*ihm zu. Wir sind nicht mehr versucht, gegenläufige Ansichten zu bekämpfen - kein Entwederoder, sondern ein Sowohl-als-auch. Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit, <?page no="246"?> 246 Zuhören Informationen und Meinungen in der Schwebe zu halten und Urteile zu „suspendieren“, wie David Bohm (Bohm 2002) es nannte, d.h. sich zunächst für keinen Standpunkt zu entscheiden, sondern mehrere Perspektiven einzunehmen und in einer ‚pluralen Haltung‘ nebeneinander gelten zu lassen. Das ist der Beginn eines Dialogs. Wenn wir uns einen Schritt weiter öffnen, um uns gemeinsam auf einen Denkprozess einzulassen und die ungeahnten Möglichkeiten zuzulassen, die in einem Dialog entstehen können, dann betreten wir Neuland: wir öffnen den Raum für etwas Neues, das sich in einem co-kreativen Prozess entfalten und manifestieren kann. Zugang zu solch „schöpferischem Zuhören“ (Scharmer 2019) finden wir, indem wir innerlich still werden: aus dem Hören wird ein Lauschen, der Blick schweift umher und wird weit und die Aufmerksamkeit liegt nicht bei mir oder beim Anderen, sondern in dem Raum, der sich zwischen uns aufspannt, in dem Neues auftauchen und entstehen darf. Welche Form des Zuhörens möglich und angemessen ist, hängt vom Kontext und von unserer inneren Verfassung ab. Nicht immer sind wir dazu in der Lage, Mitgefühl zu zeigen oder Urteile zu suspendieren. Damit wir ein offenes Ohr haben für andere, müssen wir zuerst uns selbst zuhören - faktisch und empathisch. Die Bereitschaft zuzuhören ist allerdings eine Frage der → Haltung: denn Zuhören ist eine intentionale Handlung. Und ein Geschenk. Vier Kriterien achtsamen Zuhörens Achten Sie auf Ihre ‚innere Stimme‘: Ertappen Sie sich dabei, wie Sie sich eine Antwort zurechtlegen, während Ihr*e Gesprächspartner*in noch spricht? Steht Ihr Standpunkt schon fest? Dann sind Sie womöglich dabei ‚herunterzuladen‘. Legen Sie Ihre Meinung für einen Moment in eine imaginäre Schale; sie können später darauf zurückgreifen. Stellen Sie (ehrlich gemeinte) offene Fragen, um mehr zu verstehen. ‚Faktisches Zuhören‘ ist im wissenschaftlichen Kontext häufig der angemessene Modus, aber es gibt qualitative Unterschiede. Können Sie sich auf andere Standpunkte einlassen und gemeinsam das Thema erkunden? Oder geht es Ihnen darum, Ihr Argument durchzusetzen? Bevor Sie in eine Debatte verfallen, fragen Sie sich, welches Bedürfnis dahinter steht. Wünschen Sie sich vielleicht mehr Respekt, Fairness oder Offenheit? Denken Sie daran: Sie müssen sich nicht unbedingt auf einen Schlagabtausch einlassen. ( → Selbstpräsentation) ‚Empathisches Zuhören‘ heißt nicht, dass wir unseren Standpunkt aufgeben und der anderen Partei alles durchgehen lassen. Es bedeutet, dass <?page no="247"?> Zuhören 247 ich jemandem auf der Sach- und der Personenebene Gehör schenke. Welche Bedürfnisse hören Sie heraus? Was fühlt, meint oder braucht die*der andere? Wie hängen Sachinhalte und Gefühlslage zusammen? Wenn beide Ebenen unterschieden und berücksichtigt werden - ohne eine von beiden abzuwerten - eröffnen sich neue Wege. Wenn es uns gelingt, schöpferisch zuzuhören, entstehen ungeahnte Möglichkeiten, originelle Ideen und neue Denkräume. Der kreative Prozess des gemeinsamen Denkens ist äußerst inspirierend, aber auch selten. Mit wem ist Ihnen das schon einmal gelungen? ( → Netzwerken) In welcher Verfassung waren Sie, um von Altbekanntem abrücken zu können? Entdecken Sie in sich den ‚inneren Ort der Stille‘, der Ihnen die Gelassenheit gibt, Dinge geschehen und Neues zuzulassen. Literatur BOHM, David, 2002. Der Dialog. Das offene Gespräch am Ende der Diskussionen. 3. Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta. HARTKEMEYER Martina und Johannes, L. Freeman DHORITY, 2010. Miteinander Denken. Das Geheimnis des Dialogs. 5. Auflage. Stuttgart: Klett- Cotta. ISAACS, William, 2002. Dialog als Kunst gemeinsam zu denken. Die neue Kommunikationskultur in Organisationen. Grüningen, Zürich: EHP. SHARMER, C. Otto, 2019. Essential der Theorie U. Grundprinzipien und Anwendungen. Heidelberg: Carl-Auer. TORRALBA, Francesc, 2007. Die Kunst des Zuhörens. München: C.H. Beck. <?page no="249"?> Über die Autor*innen Herausgeberinnen Dr. Anette Hammerschmidt ar beitet als Organisationsentwicklerin und Trainerin mit den Schwerpunkten Führungs- und Kulturentwicklung, Selbstführung, Veränderungs- und Beratungskompetenzen sowie internationale Zusammenarbeit im Hochschul- und Forschungsbereich und weltweit für Unternehmen in der Wirtschaft. Als zertifizierte Coach begleitet sie Menschen in Führungspositionen, Professor*innen, Postdocs und Promovierende in beruflichen und persönlichen Anliegen. Sie ist u.a. in Systemischer Organisationsberatung, Anti-Rassismus-Training, Gewaltfreier Kommunikation, Internal Family Systems ausgebildet und zertifiziert. Vor der Selbständigkeit leitete sie mehrere Jahre die Trainingsabteilung ‚Intercultural Communication and Cooperation’ in einem multinationalen Unternehmen und lehrte an verschiedenen Hochschulen in Deutschland und den USA. Anette Hammerschmidt ist in Argentinien und Brasilien aufgewachsen. Sie hat an der Universität Hamburg Philosophie, Kultur- und Sprachwissenschaften studiert und zum Thema „Fremdverstehen“ promoviert. Das gleichnamige Buch (1997, München: Iudicium) wurde 1999 mit dem ‚Akademiepreis für interkulturelle Studien‘ der Universität Bayreuth ausgezeichnet. Sie ist Gründungs- und Vorstandsmitglied des Coachingnetz Wissenschaft e.V. sowie Partnerin von WIBK (Paderborn) und Liderança Integral (S-o Paulo) und Inhaberin von www.crosscultural-orientation. com. Dr. Neela Enke arbeitet als Trainerin mit den Schwerpunkten Konflikt- und Diversitymanagement sowie Karriereentwicklung im Bereich Hochschule und Forschung - Themen, zu denen sie auch regelmäßig publiziert. Als zertifizierte Coach und ausgebildete Mediatorin unterstützt sie Führungskräfte, Postdocs, Promovierende sowie andere Hochschulangestellte und begleitet Menschen, Teams und Organisationen bei der konstruktiven Lösung von Konflikten. Sie hat sich in den Bereichen Diversity- Management, interkulturelle Kompetenz, und systemische Organisationsentwicklung sowie Strukturaufstellungen fortgebildet, ist Vorstandsmitglied des Coachingnetz Wissenschaft e.V. sowie Mitglied des Fachverbands Gender_Diversity e.V., des Bundsverband MEDIATION und des ProFiL- Netzwerkverein, der für die Professionalisierung von Frauen in Forschung und Lehre eintritt. <?page no="250"?> 250 Über die Autor*innen Dr. Neela Enke hat Biologie an der Philipps-Universität Marburg studiert und an der Freien Universität Berlin promoviert. Als Postdoc und Dozentin hat sie an verschiedenen Hochschulen und Forschungsinstitutionen in Deutschland und im europäischen Ausland gearbeitet. Sie ist Inhaberin und Geschäftsführerin von Scienza Science Coaching. www.scienzaberlin.de. Autor*innen Dr. Sabine Blackmore ist anglistische Literaturwissenschaftlerin und langjährige Gleichstellungsakteurin. Sie arbeitet als systemische Coach, Trainerin und Speakerin an Universitäten und Forschungseinrichtungen. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Wissenschaft und Gleichstellung. https: / / blackmore-coaching.de Dipl.-Sozialökonomin Doris Cornils ist Mikropolitik- und Genderforscherin. Sie ist seit vielen Jahren als Speakerin, Beraterin und Trainerin für die Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und weitere Institutionen tätig und publiziert regelmäßig. http: / / www.doriscornils.de Prof. Dr. Mechthild Dreyer ist Professor für Philosophie. Sie verfügt über langjährige Erfahrung in universitären Leitungsfunktionen sowie im Bereich der Arbeit von Hochschulgremien und wissenschaftlichen Beiräten. https: / / www.philosophie.fb05.uni-mainz.de/ arbeitsbereiche/ aelterephilo sophiegeschichte/ mdreyer/ Dr. Cornelia Edding , Diplompsychologin, Supervisorin und Coach, berät seit vielen Jahren Frauen und Männer in schwierigen beruflichen Situationen. Dr. Claudia Eilles-Matthiessen , Sachbuchautorin und Dozentin für Organisationspsychologie, Univ. Frankfurt/ M., berät Führungskräfte und Wissenschaftler/ innen u.a. zu Selbstregulation und strategischem Konfliktmanagement. http: / / www.plan-c-frankfurt.de Dr. Harry Enke ist Physiker und arbeitet seit mehr als 15 Jahren im Bereich EScience und Forschungsdatenmanagement in der Astronomie. Er ist u.a. Mitherausgeber des Leitfadens für Forschungsdatenmanagement. Dina Katja Falten ist Sozial- und Afrikawissenschaftlerin. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören u.a. Soziale Medien, Politische Partizipation, Dekolonisierung, Transnationalismus, Entwicklungszusammenarbeit und Wissensproduktion. Dr. Anja Frohnen ist promovierte Soziologin, ist seit 20 Jahren in Forschungsinstituten und Universitäten als Beraterin, Coach für Leitungskräfte und Trainerin tätig. http: / / www.impulsplus.com <?page no="251"?> Über die Autor*innen 251 Dr. Margarete Hubrath ist seit 2001 national und international als Trainerin, Beraterin und Coach in der Wissenschaft tätig. Sie ist Inhaberin von uni-support und hat das Coachingnetz-Wissenschaft mitgegründet. http: / / www.uni-support.de/ Franziska Jantzen hat als Juristin im Wissenschaftsmanagement gearbeitet. Heute unterstützt sie als Coach Wissenschaftler*innen bei der Vorbereitung für das ,Vorsingen‘ in Berufungsverfahren. www.jantzen-entwick lungen.de Anke Kautz ist Mediatorin BM®, Coach und Trainerin für Kommunikation, Konfliktmanagement, Teambildung und Diversity. Sie ist Dipl.- Medienberaterin und hat mehr als 25 Jahre Berufserfahrung als Journalistin. http: / / www.anke-kautz.de Dr. Monika Klinkhammer , Erziehungswiss., Dipl. Supervisorin (DGSv), Gestalttherapeutin und Leiterin einer Supervisionsweiterbildung, berät seit 25 Jahren als Coach, Trainerin und Lehrcoach Wissenschaftler*innen und Führungskräfte in Hochschulen. http: / / www.monikaklinkhammer.de Dr. oec. Iris Koall arbeitete 25 Jahre in Forschung, Lehre, Personalentwicklung, Management an Hochschulen. Mehr als 20 Jahre berät sie als Supervisorin (DGSv) / Trainerin zu Kompetenzentwicklung, Teamführung, Diversität. www.kompetenz-entwicklung.de Dr. Sylvia Löhken ist Expertin für intro- und extrovertierte Kommunikation (über 500.000 verkaufte Bücher in 30 Sprachen). Sie ist Coach, Rednerin und Trainerin in Wissenschaft und Verwaltung. www.intros-extros. com Dr. Susanne Lummerding , Kunst- und Medienwissenschaftlerin, unterstützt und begleitet als Coach und Organisationsberaterin in der Forschung und an Hochschulen tätige Personen und Teams. www.lummerding.at Mirjam Müller ist Personalentwicklerin und Wissenschaftscoach für Postdocs an der Universität Konstanz. Sie ist Autorin mehrerer Karriereratgeber für Nachwuchswissenschaftler*innen. http: / / www.asd.uni-konstanz.de Dr. Silke Oehrlein-Karpi ist Biologin mit über 20 Jahren Forschungs- und Wissenschaftserfahrung. Sie arbeitet als Coach und Trainerin für Mitarbeiter*innen von Universitäten, Forschungsinstituten und Universitätskliniken. http: / / www.kte-coaching.de PD Dr. Petra Pandur ist Biologin und war elf Jahre lang Leiterin einer Forschungsgruppe. Seit 2014 arbeitet sie als Coach im Wissenschaftsbe- <?page no="252"?> 252 Über die Autor*innen reich und unterstützt Akademiker*innen bei ihren beruflichen Herausforderungen. http: / / www.akademikercoach.de Dr. Cornelia Rahn ist Geografin und war über 10 Jahre in Forschungseinrichtungen tätig. Heute arbeitet sie als Coach, Trainerin und Mediatorin mit Mitarbeiter*innen von Wissenschaftsinstitutionen. www.corneliarahn.de Jürgen Reimann ist Dipl.-Theologe, M.A. der Erziehungswissenschaften und Psychologie. Als Supervisor, Coach und Organisationsentwickler seit über 10 Jahren tätig. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit sind Musikhochschulen. http: / / www.grenzraum.info Gunta Saul , Diplom-Soziologin und Individualpsychologische Beraterin (DGIP) bietet seit 1995 Veranstaltungen, Trainings, Beratung und Coaching rund um die Promotion und für den weiteren wissenschaftlichen Werdegang an. http: / / www.academic-consult.de Dr. Christine Scherer lehrt seit zwei Jahrzehnten Internationalisierung im Wissenschaftsmanagement. Sie forscht über Hochschulentwicklung in Afrika und arbeitet im Exzellenzcluster ‚Africa Multiple‘, Universität Bayreuth. Dr. Boris Schmidt ist Psychologe und Wirtschaftswissenschaftler. Er arbeitet seit 15 Jahren als Coach und Berater für Hochschule und Wissenschaft sowie in den Bereichen Gesundheit, Verwaltung und Kultur. www.thema31.de Der promovierte Philosoph, Trainer und Coach Dr. Jan Stamm unterstützt seit zehn Jahren Forscher*innen von der Promotion bis zur Professur beim klugen Umgang mit knapper Zeit, vielen Aufgaben und höchsten Ansprüchen. http: / / www.impulsplus.com Dr. Ute Symanski gründete 2009 Hochschul-Coaching in Köln und ist Autorin, Vortragsrednerin und Coach mit 25 Jahren Erfahrung im Wissenschaftsmanagement. Sie arbeitet mit Führungspersönlichkeiten im Wissenschaftssystem. http: / / www.hochschulcoaching.de Edda Wilde ist Coachin, Teamentwicklerin und Trainerin mit einem Schwerpunkt auf den Wissenschaftsbereich. Vor ihrer Selbständigkeit arbeitete sie als Philosophin in Forschung und Lehre sowie im Wissenschaftsmanagement. http: / / polyfon-coaching.de/ <?page no="253"?> Index A-, B- und C-Aufgaben 243 Abläufe, wissensbasierte standardisierte 239 Abschlussarbeit 39, 40 Agenda 36, 37, 38 Akkreditierung 187 Akteur*innen 14, 213, 214 Aktionen 14, 213, 214 Akzeptanz 44, 87, 114, 116, 125, 137, 190, 236 Alleinstellungsmerkmal 104, 105 ALPEN-Methode 242 Alter, akademisches 104 Ambiguität 151, 217, 234, 235 Anerkennung 64, 68, 139, 156, 207, 210, 211, 227 Anerkennungskultur 133, 139, 227 Anfang gestalten 26, 230 Anforderungen 13, 18, 63, 125, 135, 165, 171, 181, 194, 223, 227 Anforderungsprofil 170, 171, 173, 227 Anspruch 15, 16, 39, 206, 208, 215, 243 Anteile, innere 65, 115, 164, 167, 196, 197 Antrag 27, 28, 48, 69, 177, 186, 187, 188 Arbeitsbedingungen 159, 160, 193, 209, 229 Arbeitsbeziehungen, kooperative 210, 224 Arbeitsethik 143 Arbeitsgruppen 213, 214 Arbeitsplan 28, 29, 97 Aufgaben, A-, B- und C-∼ 243 Aufstieg 86, 146, 147, 148, 218 Auslandsaufenthalt 49 Ausstattung 35, 43, 229 Ausstieg aus der Wissenschaft 30, 31, 32, 54 Auswahlkriterien 172 Auswahlverfahren 71, 138, 172, 173 Authentizität 64, 114, 119, 200 Autonomie 11, 12, 15, 41, 61, 93, 116, 162 Autor*innenschaften 184 Autorität, personale 59, 95, 136 Balance 43, 47, 64, 127, 142, 181, 195 Bedingungen, strukturelle 13, 41, 107, 189, 193, 211, 229 Bedürfnisse 17, 26, 43, 44, 52, 57, 62, 64, 65, 70, 85, 93, 94, 95, 115, 116, 118, 119, 126, 132, 155, 156, 157, 165, 167, 168, 170, 191, 192, 195, 199, 201, 202, 293, 204, 228, 245, 246, 247 <?page no="254"?> 254 Index Befugnisse 51, 63, 68, 135, 155, 164, 193, 194, 215 Beobachtung 56, 94 Beobachtungsfehler 172, 173 Berufsbiographie 106 Berufung 86, 199 Berufungskommission 33, 34, 104 Berufungsverfahren 33, 79, 80, 138, 141, 174, 175, 187, 226 Berufungsverhandlung 229 Berufungsvortrag 34, 35 Besprechung 36, 37, 38, 67, 69, 154 Betreuung 39, 158 von Nachwuchswissenschaftler- *innen 158, 159 Betreuungsvereinbarung 158, 159 Beurteilung 132, 133, 181 Bewerbung 31, 59, 73, 104, 183, 227 Bewerbung, schriftliche 31, 171, 227 Bewerbungsgespräch 34, 173 Bewerbungsprozesse 79 Bewerbungsunterlagen 33, 105, 171, 175 Bewertung 28, 31, 39, 40, 52, 56, 57, 59, 68, 71, 105, 107, 111, 130, 132, 133, 140, 143, 151, 166, 171, 185, 210, 225 Beziehung 57, 114, 116 Beziehungsbitten 117 Beziehungsebene 56, 113, 119, 205, 230 Beziehungsorientierung 215 Bitte 57, 73, 116, 117, 119 Blinde Flecken 60 Brainstorming 37, 110 Burnout 149, 166, 202, 207 Change 41, 42, 43, 217 Coaching 16, 17, 18, 19, 56, 57, 62, 65, 80, 87, 106, 107, 124, 131, 147, 154, 196 Crowdfunding 49 CV 104 Datenmanagement 239 delegieren 30, 45, 46, 47, 51, 63, 68, 204, 205, 207, 208, 212, 242, 243 Denkkulturen 90 Design-Thinking 130 Deutung, subjektive 56, 57, 61 Dialog 246 Digitalisierung 96 Dilemma 51, 54, 63, 83, 91, 204 Diskriminierung 72, 79, 80, 124, 211 diskriminierungsfrei 225 Diskurs 76, 117, 118, 127, 237, 245 deskriptiver 118 explikativer 118 normativer oder präskriptiver 118 Diskussion 117, 118, 119, 128, 133, 134, 172, 179, 184, 239, 245 Disziplin 30, 38, 107, 135, 201, 202 Diversität 79, 101, 138 Diversitätskompetenz 225, 226 <?page no="255"?> Index 255 Diversitätssensibilität 78 Diversity-Management 73, 142, 225 Doing Gender 72 Dokumentation 239, 240 Double Standard 72 Drittmittel 33, 34, 35, 48, 49, 50, 86, 104, 107, 120, 161, 217, 231, 236 Dual Career 229 Eigenschaften, agentische 72 Eigenverantwortung 47, 63, 109, 124 Einstellung 13, 17, 64, 65, 81, 82, 101, 138, 139 Einwand 43, 52, 54 Emotionen 19, 53, 56, 59, 64, 85, 86, 124, 146, 150, 156, 195, 202, 221 Empathie 30, 43, 116, 119, 151, 167, 191, 197, 235 Entfristung 159 Entgrenzung 86, 144, 166 Entmutigung 195 Entscheidung 51, 53, 54, 62, 106 Entscheidungsbefugnis 63, 224 Entscheidungsfindung 52, 54, 77, 146, 205, 227 Entscheidungsprozesse 51, 63 Entscheidungsregeln 52 Entwicklung 46, 60, 110, 132, 144, 162, 210 berufliche 19, 32, 56, 59, 106, 148, 221 in Hochschule und Wissenschaft 221 professionelle 18, 19 Erfolge 19, 32, 56, 59, 148, 211, 221 Ergebnisoffenheit 37, 134 Erholung 142, 195, 202 Erwartungen 19, 25, 26, 30, 31, 56, 59, 62, 63, 65, 67, 68, 72, 79, 94, 117, 128, 137, 143, 158, 177, 180, 181, 182, 184, 193, 194, 209, 210, 215, 225, 226, 227 Evaluation 29, 139, 141, 187, 188 Extroversion 169 extrovertiert 161 Fachbereich 11, 35, 75, 76, 88, 89, 180, 184, 232 Fakultät 35, 75, 88, 89 Feedback 29, 55, 56, 57, 58, 60, 62, 63, 68, 73, 75, 87, 93, 104, 121, 133, 136, 137, 140, 141, 159, 160, 162, 163, 181, 182, 187, 188, 199, 200, 212 Feedbackgespräch 56, 68 Feedback-Kultur 154, 212 Fehlerkultur 47, 166 Flexibilität 220, 223, 235 Förderlinien 48, 49 Fördermittelgeber 27 Förderorganisationen 49, 239 Forschung 174, 175 Forschung, Lehre und Verwaltung (Bereiche) 12, 16, 123, 217, 222, 223 Forschungskonzept 33 <?page no="256"?> 256 Index Forschungsprofil 174, 175 Forschungsprojekte 49, 174 Fragen 11, 13, 26, 28, 32, 34, 37, 50, 55, 59, 67, 69, 70, 73, 87, 91, 95, 96, 105, 106, 114, 115, 124, 126, 133, 134, 138, 171, 173, 174, 179, 194, 205, 237, 246 clean-∼ 70 manipulative 70 offene 69, 70, 246 situative 171 Fragestellung 27, 28, 110 Freiräume 51 Freizeit 142 Fremdbild 59, 60 Fremdselektion 79 Frust 195 Frustration 149, 181 Führung 62, 63, 65, 89, 170, 215, 242 laterale 135, 137 nichtdisziplinarische 135 situative 68 Führungsaufgabe 61, 89, 168, 211, 215, 221 Führungsinstrument 66, 137 Führungskraft 25, 36, 42, 44, 45, 51, 62, 63, 64, 65, 67, 80, 123, 125, 136, 154, 157, 158, 170, 193, 208, 209, 234, 240 Führungsposition 63, 106, 135 Führungsrolle 83 Führungsstil 16, 43, 61, 62, 63, 65, 68, 204, 205 autokratischer 62 kooperativer 63 Laissez-faire 62 partizipativer 51, 61 Führungsverhalten 62, 204, 209 Funding 103 Funktionslogik 223 Fürsorgepflicht 123, 154, 210 Gatekeeping 79 Geltungsansprüche 118 Gender Bias 71, 72, 73, 104 Gender- und Diversity-Aspekte 74 Genderaspekte 147 Gesichtsarbeit 116, 117 Gespräch 69, 211 Gewalt, sexualisierte 123 gläserne Decke 71 Glaubenssätze 16, 31, 43, 83, 98, 118, 143, 144, 191, 235 Gleichstellung 72, 73, 74, 104, 123, 172 Gremienarbeit 35, 75, 76, 135 Gremium 136, 160 Grobplanung 178 Gutachter*innen 28, 34, 104, 178 Habitus 59, 78, 79, 80, 81, 101, 226 professoraler 162, 198 Habitus-Erwartungen 31 Habitussensibilität 79 Haltung 17, 54, 69, 76, 82, 83, 84, 115, 130, 134, 140, 149, 162, 192, 194, 202, 208, 244, 246 <?page no="257"?> Index 257 Hierarchisierung 90 Hilfe zur Selbsthilfe 40 Hochschulpolitik 79, 138, 166 Hochstapler-Syndrom 84, 85, 86, 87 Homeoffice 144 Humor 54, 131, 151 Impact-Factor 185 Impostor Syndrom 84, 85 Infotainment 237 Inhaltsebene 113 Institut 40, 75, 88, 89, 111, 118, 182, 237 Institutsleitung 88, 89, 194 Interaktion 14, 59, 72, 116, 121, 133, 139, 147 Interaktionsmuster 214 Interdisziplinarität 90, 218 Interessen 229 Internationalisierung 98, 100, 101 Interpretation 56, 57, 90, 94, 95, 124, 139, 151 intersektionaler Ansatz 73 Interviews 171, 172, 227, 237, 239 Introspektion 82, 94, 199 Introversion 169 introvertiert 161 Jour fixe 38 Karriere 11, 146, 158, 161, 166 akademische 120 wissenschaftliche 31, 159 Karriereanker 108 Karriereentwicklung 17, 91, 135, 149, 166, 218 Karrieremotivation 165 Karriereplanung 77, 106, 107, 108, 109 Karrierestrategie 183 Karrierestufe 120 Karrierewege 105, 107, 108, 160, 218 Karriereziele, langfristige 108 Klärungsgespräch 125, 136 Kollegiale Beratung 110, 112 Kommission 34, 74 Kommissionsgespräch 34 Kommunikation 56, 62, 66, 93, 113, 124, 126, 128, 134, 136, 139, 153, 177, 179, 205, 213, 227, 236 gewaltfreie 57 informelle 213, 214 nonverbale 215 Kommunikationskultur 133 Kommunikationsquadrat 114, 115 Kompasskompetenzen 95 Kompetenz 11, 18, 30, 32, 47, 48, 59, 60, 72, 73, 75, 78, 85, 101, 106, 107, 108, 110, 116, 120, 121, 122, 136, 146, 147, 148, 150, 155, 162, 170, 171, 173, 193, 196, 199, 201, 204, 207, 210, 212, 217, 218, 223, 226 kommunikative 63, 94, 115, 118, 138 Konflikt∼ 217 mikropolitische 146 soziale 63, 72, 75, 101, 108, 121, 133, 136, 138, 162, 171, 215 <?page no="258"?> 258 Index Kompetenzbegriff 18 Kompetenzentwicklung 61, 120, 121 Kompetenzprofil 104, 108 Komplexität 13, 15, 217, 234 Konflikt 18, 51, 67, 76, 79, 80, 91, 94, 100, 101, 113, 122, 123, 124, 125, 126, 133, 137, 144, 152, 154, 158, 182, 193, 194, 203, 209, 210, 211, 212, 219, 224, 228 Konfliktbearbeitung 123 Konfliktfähigkeit 137 Konfliktgespräch 124, 154 Konfliktlösung 153 Konfliktmanagement 123, 154 Konkurrenz 89, 110, 127, 147, 169, 207, 211, 223 Konsensieren, systemisches (SK) 52 Kontextsensibilität 224 Kontrolle 46, 47, 48, 101, 116, 167, 179, 202, 203, 220 Konzeptionspapier 35 Kooperation 56, 94, 95, 96, 104, 116, 120, 121, 127, 128, 129, 143, 154, 162, 163, 235 im diversen Team 211 im Team 215 internationale 94, 96, 97, 100 Kopplung, lose und enge 15, 214, 223 Kreativität 54, 60, 101, 129, 130, 131, 202 Krise 181, 189, 190, 192, 208 Kriterienkatalog 171 Kritik 56, 64, 68, 75, 86, 99, 116, 130, 132, 133, 134, 188, 211, 227 Kritik- und Feedbackkultur 139, 154 Kultur 16, 64, 65, 92, 94 Kulturerwartungen 31, 226 Kulturstandards 92 Kulturwandel 73 Landkarte, innere 109 Laufbahn 106 Lebens- und Karriereplanung 107 Lebenskonzept 106 Lebenslauf 31, 104 Lehr_Lernprozesse 133 Lehrdeputat 229 Lehre 80, 223 forschungsgeleitete 140 Lehrportfolio 86, 138, 140 Lehrprobe 34 Lehrprofil 34, 138 Lehrveranstaltungsevaluation 188 Leistung 59, 85, 87, 155, 156 Leistungsbeurteilung 68, 69, 139, 140, 225 Leistungsbewertung 105, 227 Leistungsfaktoren 156 Leistungsmotivation 165 leistungsorientierte Mittelvergabe 187 Leistungsorientierung 86, 154 Leitung 88, 89, 135, 136 Leitungsfunktion 74, 78, 225 <?page no="259"?> Index 259 Leitungsprozesse 133 Lernziel 139, 140 Life-Balance 142, 143, 144, 145 Lösungsoptionen 37, 111, 125, 229 Lösungsorientierung 190, 192 Lösungsversuche 192 Macht 15, 16, 25, 44, 62, 63, 65, 72, 97, 100, 116, 118, 136, 140, 146, 147, 148, 238 Macht mit anderen 16, 63 Macht über andere 16, 62 Machtstrukturen 80, 137 Machtverhältnisse 225, 226 Mandat 128, 136, 137, 229, 230 Manuskript 185, 187 Mediation 123, 124, 125, 154 Meeting 36, 37, 38, 69, 169, 178 moderieren 37 Meilenstein 107, 177, 178, 179, 232 Mentor*in 104, 105, 163 Mikropolitik 33, 117, 146, 147, 148 mikropolitisch 33, 146, 147, 148 Minderleister 168 Mindmap 67 Misserfolge 149, 150, 151, 166 Missverständnis 47, 56, 94, 113, 114, 115, 117, 168, 219 Mitarbeiter*innenführung 61, 70, 166 Mitarbeitergespräch 67, 69, 159 Mitspracherecht 51, 62, 63 Mittelvergabe, leistungsorientierte 187 Mobbing 116, 152, 153, 154 Moderation 38, 110, 111, 112, 124, 229, 231 Monotasking 243 Motiv 155, 157, 162, 192 Motivation 51, 56, 64, 68, 128, 155, 157, 163, 170, 202, 207, 209, 232, 242 extrinsische 156 intrinsische 156 Motivausprägung 157 Multidisziplinarität 90 Multitasking 243 Nachwuchsförderung 158, 159 Nachwuchswissenschaftler * in 158, 159, 160 Nebentätigkeiten 229 Nein-Sagen 95, 119, 143, 201, 208, 244 Netzwerken 49, 107, 110, 147, 148, 160, 161, 166, 247 strategisches 163 Netzwerkorientierung 191 Netzwerkstrategie 162 Norm 79, 118, 143, 144, 166, 181, 193, 225, 226 Normerwartungen 225 Optimismus 190 Organisation 13, 14, 15, 19, 30, 31, 32, 48, 49, 76, 88, 118, 123, 146, 154, 193, 194, 213, 215, 218, 223, 239 Organisationsentwicklung 41, 80, 225 <?page no="260"?> 260 Index Organisationskultur 66, 123, 133, 223 Organisationsstrukturen 12, 15, 16, 136 Orientierung 92, 94, 106 Orientierungsgespräche 67 Orientierungsphase 36, 37 Orientierungsvermögen 92 Othering 226 Pareto-Prinzip 243 Parkinsonsches Gesetz 40, 179 Peer Review 85, 107, 185, 187 Perfektionismus 17, 85, 86, 164, 165, 166, 199, 202 Personalauswahl 33, 170, 172, 180, 225, 227 Personalführung 104, 207 Personalmanagement 79 Persönlichkeit 16, 63, 92, 157, 161, 168, 169, 195 Persönlichkeitsentwicklung 18 Perspektiven, berufliche 107, 182 Perspektivwechsel 57, 110, 137, 229 Plan B 107 Pläne, Wochen-, Monats- und Jahres-∼ 242 Planung 34, 88, 97, 107, 108, 109, 128, 138, 140, 177, 179, 210, 243 polarisieren 125 Polaritäten 82, 83, 199 Postdoc 18, 108, 158, 159, 160, 162, 166 Potenzial 83, 120, 121, 147, 169, 188, 199, 209, 210 Pragmatismus 208 Prioritäten 82, 143, 144, 193, 207, 229, 230, 238, 241, 242, 243 Problemlösung 52, 131 Profession 79, 80, 86, 108, 117, 216, 218 Professionalität 17, 32, 80, 120, 133, 167, 194 Profil 33, 34, 86, 105, 107, 162, 174, 183 berufliches und wissenschaftliches 107 wissenschaftliches 173, 176 Profilentwicklung 175 Profilierung 75, 98, 107, 174 Projekt 25, 27, 28, 29, 35, 48, 50, 68, 90, 91, 128, 158, 176, 177, 178, 179, 181, 201, 202, 211, 212, 219, 231, 239, 240 Projektmanagement 176 Projektplanung 177 Projektziel 211 Prokrastination 85, 181 prokrastinieren 207 Promotion 32, 52, 131, 159, 162, 174, 178, 180, 181, 182 Protokoll 38 Publication-Bias 71 Publikation 33, 35, 40 Publikationsdruck 185 Publikationsstrategie 182, 186 Publizieren 183, 236 <?page no="261"?> Index 261 Quadranten, vier 17, 64 Quadrantenmodell 16 Qualifikationen 18, 31, 71, 120, 170, 171, 193 Qualifizierungsphasen 49, 107, 159 Qualifizierungsziele 108 Qualität 68, 80, 100, 139, 153, 165, 170, 179, 181, 185, 186, 187, 188, 189, 212 Qualitätsmanagement 186, 187, 188, 189 Qualitätsmanager*innen 216 Querschnittsaufgabe 225 Regeln 14, 16, 26, 38, 43, 51, 64, 76, 77, 95, 101, 124, 158, 210, 212, 214, 215, 223 soziale 26, 67, 92, 94, 155 Reputationsverlust 76 Resilienz 189, 217 Ressourcen 18, 19, 35, 47, 60, 75, 101, 104, 134, 142, 148, 161, 163, 165, 177, 179, 190, 192, 196, 201, 202, 207, 209, 218, 225, 230, 236, 240 Reviewer*in 185 Risiko 103, 178, 182, 198 Rolle 14, 18, 26, 31, 46, 59, 63, 64, 65, 68, 72, 83, 86, 89, 94, 110, 111, 113, 116, 123, 128, 136, 137, 139, 140, 141, 154, 158, 163, 166, 193, 194, 215, 217, 218, 241 als Lehrende*r 139, 140 Rollendilemma 63 Rollenerwartungen 31, 72, 193 Rollenfindung 18, 218 Routine 167, 211, 212, 223, 243 Rückdelegation 47 Ruf 34, 220, 228 Sachinhalte 113, 114, 247 Sandwich-Position 89, 136 Scheitern 31, 103, 149, 150, 151, 177 Schreiben 27, 40, 184 Scientific Community 12, 85, 232 Selbstakzeptanz 87 Selbstbewertung 31 Selbstbild 59, 60, 84, 86, 147, 156 Selbstbild/ Fremdbild 199 Selbstdarstellung 38, 84, 144, 159, 199, 200 Selbstführung 59, 136, 195, 196 Selbstkonzept 85, 86, 132, 199 Selbstkundgabe 114, 115, 116 Selbstmanagement 40, 217 Selbstmarketing 59 Selbstoptimierung 17, 208 Selbstorganisation 64, 215, 223 Selbst-PR 86, 107 Selbstpräsentation 31, 34, 59, 60, 127, 172, 198, 199, 200 Selbstreflexion 19, 87, 110, 138, 139, 141 Selbstselektion 79 Selbststeuerung 18, 59, 123, 125, 136, 144, 201, 202, 203 Selbstverständnis 188, 220 <?page no="262"?> 262 Index Selbstverwaltung, akademische 13, 15, 34, 75, 76, 220 Selbstwahrnehmung 30 Selbstwert 144, 199 Selbstwirksamkeit 18, 60, 104, 190, 191 Sex-Gender-Modell 72 Sichtbarkeit 127, 128, 159, 160, 169, 198, 199, 220 SMART 241 -Kriterien 69 -Ziele 179 Social Media 236, 238 Solidarität 118, 147, 227 soziales System 11, 13, 14, 16, 25, 26, 65, 122, 214, 215 Sozialisation 59, 72, 85, 147, 226 Spielregeln 12, 14, 15, 100, 110, 146, 214 Stakeholder 25, 26 Stakeholderanalyse 44 Standards 100, 179, 239 Stereotype 72, 78, 79, 147, 223, 225 Stiftungen 49 Stille Stunde 244 Stimme, innere 53, 54, 115, 197, 246 Stress 129, 145, 191, 194, 206, 207, 208, 221 Stresskompetenz 207, 208 Struktur 69 Supervision 80, 112 System, soziales 11, 13, 14, 16, 25, 26, 65, 122, 214, 215 Systemfunktionen 211 Systemgrenzen 215 Tagesplanung 242 Taktiken, mikropolitische 146 Team 15, 46, 56, 62, 66, 68, 70, 95, 96, 130, 135, 136, 154, 157, 158, 160, 168, 169, 172, 209, 211, 212, 213, 214, 215, 239 Teamführung 209, 214, 216 Teamkultur 66, 212, 216 TEAMLEAD 211 Teamleitung 135, 210, 215 Teamorientierung 155 Teamphasen 209 Teamstrukturen 213 Teilprojekte 232 Third Space 13, 217, 218, 223 Transdisziplinarität 90, 91, 218 Transparenz 39, 51, 127, 136, 140, 159, 180, 194, 237 Übergaben 239 Übergänge 86, 218, 219, 220, 222 Überlastung 17, 202, 206 Überstunden 143 Überzeugungen 17, 26, 42, 43, 44, 64, 65, 82, 83, 84, 92, 94, 95, 118, 143, 144, 191, 208 Unabhängigkeit, akademische 41, 103, 127, 162, 198 Uneindeutigkeit 223 Ungleichheit, soziale 17, 72, 79 Unvoreingenommenheit 130, 235 <?page no="263"?> Index 263 Ver-Anderung 226 Veränderungen 19, 41, 42, 43, 45, 54, 80, 125, 132, 135, 157, 190, 220, 221, 225, 226, 234 Veränderungsbereitschaft 42 Veränderungsprozess 12, 41, 45, 233, 240 Verantwortung 46, 47, 64, 68, 89, 143, 159, 178, 190, 191, 215, 217, 225 Verhalten 17, 26, 43, 56, 62, 64, 65, 93, 113, 125, 136, 143, 144, 153, 155, 165, 171, 173, 201, 204, 205, 207, 211 unkollegiales 211 Verhaltensweisen 19, 57, 60, 82, 193, 198, 203 Verhältnis Wissenschaft und Verwaltung 223 Verhandlung 35, 75, 159, 217, 228, 229, 230 Verhandlungspartner*innen 229, 230 Vernetzung 96, 99, 159, 161 Veröffentlichung 100, 153, 182, 183, 184, 185, 186, 237 Verständigung 56, 91, 92, 93, 136 Verständlichkeit 172, 236, 237 Verstehen 43, 44, 51, 55, 56, 93, 117, 124, 137, 150, 188 Vertragsverhandlungen 229 Vertrauen 51, 59, 60, 64, 101, 119, 129, 136, 161, 163, 179, 209, 234, 237 Verwaltung 12, 16, 123, 147, 166, 216, 217, 219, 222, 223, 224 Vielfalt 95, 218, 225 Vision 89, 97, 106, 108, 130, 231, 232 Visualisieren 87, 108, 131, 179, 191, 232 Visualisierung 28, 37, 38 Volatilität 234 Vorsingen 33, 34, 35 Vorstellungsgespräch 31, 35 Vorurteil 71, 72, 79, 82, 211, 225 VUCA 233 Walt-Disney-Methode 130 Wandel 19, 43, 73, 219 Warum-Frage 70 Weisheitskompetenzen 150 Weisungsbefugnis 135, 215 Werte 12, 19, 32, 43, 44, 64, 65, 82, 83, 92, 94, 95, 100, 108, 119, 146, 147, 151, 155, 192, 193, 194, 199, 210, 215, 241, 242 Wertschätzung 52, 68, 69, 93, 114, 116, 126, 134, 139, 154, 166, 169, 211, 224, 227, 240 W-Fragen 70 Widersprüche 13, 116, 194, 215, 216, 218, 219, 234, 245 Widerstand 43, 44, 240 Wissen 14, 17, 18, 43, 80, 92, 97, 100, 101, 127, 138, 139, 140, 187, 208, 226, 238, 239, 240 explizites 238, 239 identifizieren 240 implizites 113, 121, 238, 239, 240 situiertes 139 Verfügbarkeit 238 Wissenschaftskarriere 106, 159, 166, 185 <?page no="264"?> 264 Index Wissenschaftsmanager*innen 216 Wissenschaftszeitvertragsgesetz 104 Wissensmanagement 239 Wissensproduktion 80, 97, 133, 139 Wohlbefinden 123, 195, 203 Work-Life-Balance 142, 147 Wunderfrage 70, 131 Wünsche, persönliche 108 Zeitfresser 39, 242 Zeitmanagement 38, 40, 143, 207, 241 Zeitprotokoll 242 Zielbild 202, 231, 232 Ziele 25, 29, 30, 31, 35, 49, 55, 62, 63, 67, 69, 70, 89, 101, 106, 108, 123, 125, 136, 137, 141, 143, 148, 156, 161, 162, 163, 165, 168, 177, 179, 192, 194, 199, 201, 202, 205, 213, 218, 243, 241, 244 des Gesprächs 67, 70, 125 gemeinsame 136, 137, 210, 211 SMART-∼ 67, 179, 241 visualisieren 131 Zielerreichung 45, 69, 211, 212, 232, 241 Zielgruppe 186, 236, 237 Zielvereinbarungsgespräche 69 Zugehörigkeit 78, 93, 116, 162 Zuhören 43, 69, 93, 111, 114, 118, 119, 191, 198, 205, 244, 245, 246 empathisches 245, 246 faktisches 245, 246 rudimentäres 245 schöpferisches 246 Zukunft gewünschte 190, 202, 232 ideale 231 perfekte 231 Zukunftsbild 107, 108, 232, 233 Zukunftsorientierung 190, 192 Zusammenarbeit 26, 51, 67, 99, 121, 127, 136, 172, 180, 209, 210, 212, 223, 227 im Team 170, 171 internationale 96, 97, 98 produktive 211 <?page no="265"?> ,! 7ID8C5-cfecfe! ISBN 978-3-8252-5425-4 „Es macht auf mich den Eindruck, als wäre es das Buch, das mir zu Beginn meiner Professur gefehlt hat! “ Prof. Dr. Simone Dietz, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Universitäten und Hochschulen sind weitaus komplexer als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Dies bekommen v.a. Mitarbeiter*innen im Mittelbau, Dozenten*innen und Professoren*innen zu spüren. Sie sind nicht nur mit Forschung und Lehre betraut, sondern auch mit einem breiten Spektrum recht diverser Aufgaben und Verantwortungen. Welche Schlüsselkompetenzen braucht es, um sich in diesem Feld zurechtzufinden? Wie bereite ich mich auf den Berufungsprozess vor? Wie führt man ein Team oder Institut? Wie gehe ich mit Stress um? Das Buch behandelt diese vielfältigen Schwierigkeiten und Herausforderungen. Forschung und Lehre Forschen - Lehren - Führen Hammerschmidt | Enke Dies ist ein utb-Band aus dem UVK Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehrbücher und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb-shop.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel 54254 Hammerschmidt_M-5425.indd 1 54254 Hammerschmidt_M-5425.indd 1 U4.indd 1 U4.indd 1 10.08.2020 08: 22: 26 10.08.2020 08: 22: 26