Die NATO
Institution, Politiken und Probleme kollektiver Verteidigung und Sicherheit von 1949 bis heute
1026
2020
978-3-8385-5441-9
978-3-8252-5441-4
UTB
Falk Ostermann
Seit 1949 organisiert die NATO die kollektive Verteidigung der transatlantischen Gemeinschaft. Sie hat sich dabei zu einem global handelnden Akteur gewandelt, der auch jenseits des Bündnisgebiets Herausforderungen wie Terrorismus und failed states bearbeitet. Dabei hat die Allianz stets Krisen überwunden und innere wie äußere Problemlösungsfähigkeit bewiesen. Heute sieht sich das Bündnis jedoch mit vielen Konflikten zwischen den Partnern über Themen wie Geld, Vertrauen und Strategie konfrontiert, die an ihm nagen - nicht erst seit Trump -, während der alte Gegner Russland wieder aggressiver seine Interessen vertritt und gegen die westlich-liberale Ordnung rebelliert.
Dieses Buch führt in die NATO als Organisation und ihre Politiken ein und bietet vielschichtige Perspektiven zum Verständnis vergangener und gegenwärtiger politisch-militärischer Probleme des transatlantischen Raums an.
<?page no="0"?> Falk Ostermann Die NATO <?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn Narr Francke Attempto Verlag / expert verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Ernst Reinhardt Verlag · München Ferdinand Schöningh · Paderborn transcript Verlag · Bielefeld Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlag · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld utb 5441 <?page no="2"?> Dr. Falk Ostermann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen der Universität Gießen. Er ist Außenpolitikforscher, Frankreichexperte und spezialisiert auf Sicherheits- und Verteidigungspolitik im europäischen und transatlantischen Raum. Er forscht außerdem zur Rolle von Parteien in der Außenpolitik und außenpolitischer Identität. <?page no="3"?> Falk Ostermann Die NATO Institution, Politiken und Probleme kollektiver Verteidigung und Sicherheit von 1949 bis heute UVK Verlag · München <?page no="4"?> © UVK Verlag 2020 ‒ ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart CPI books GmbH, Leck utb-Nr. 5441 ISBN 978-3-8252-5441-4 (Print) ISBN 978-3-8385-5441-9 (ePDF) ISBN 978-3-8463-5441-4 (ePub) Einbandmotiv: ©iStockphoto Bet_Noir Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="5"?> 11 19 1 21 26 2 29 2.1 29 2.1.1 30 2.1.2 32 2.1.3 34 2.2 35 2.2.1 35 2.2.2 42 2.2.3 44 2.3 46 2.3.1 47 2.3.2 50 2.3.3 55 2.3.4 64 2.3.5 64 2.3.6 66 Inhalt Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Danksagungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung: Die NATO zwischen kollektiver Verteidigung, Sicherheit und demokratischer Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Allianz als Institution: Strukturen, Geld und Macht . . . Institutionalismus und Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Basiskonzepte des Institutionalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . Institutionen und Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Institutioneller Wandel und die NATO . . . . . . . . . . . . . . . . Verträge und Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gründungsmitglieder: Brüsseler Vertrag 1948 und Nordatlantikpakt 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beitritte in den 1950ern: Griechenland, Türkei, Deutschland und die Pariser Verträge 1954/ 55: Kampf dem Kommunismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die späteren Erweiterungen von 1982 bis 2020 . . . . . . . . . Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politische Führung und Komitees . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Generalsekretariat und der International Staff . . . . . Die militärische Struktur: Komitees und Hauptquartiere Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kooperationsgremien: Der NATO-Russland-Rat . . . . . . . . Die Parlamentarische Versammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 2.4 67 2.5 71 2.5.1 71 2.5.2 75 2.5.3 77 2.6 78 2.7 80 3 83 3.1 83 3.1.1 84 3.1.2 87 3.2 91 3.3 96 3.4 103 3.4.1 103 3.4.2 109 3.5 114 3.6 121 3.7 124 3.8 127 NATO-Kapazitäten und Verteidigungsplanung: Getrennt und gemeinsam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzen und Budgets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Militärbudgets der Mitgliedstaaten und die Rolle der USA Finanzierung der NATO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . NATO-Budgets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung: Die NATO als Vehikel amerikanischer Hegemonie versus die Macht der Institution . . . . . . . . . . . Diskussionsfragen und weiterführende Literatur . . . . . . . Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs: Beistand, Bipolarität, Atomwaffen und Krisen . . . . . . . . . . . . Neorealismus und neorealistische Allianztheorie . . . . . . . Neorealismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neorealistische Allianztheorie und die NATO . . . . . . . . . . Die Anfänge 1949-1955: Allianzbildung und Aufbau einer gemeinsamen Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die deutsche Frage: Wiederbewaffnung, NATO-Beitritt und die Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nuklearstrategien: Abschreckung, massive Vergeltung, Kuba, und flexible response . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Entwicklung der nuklearen Abschreckung: Grundsätze und massive Vergeltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konflikte: Kubakrise und die Debatte um flexible response Beginn der Abrüstung und Entspannungspolitik ab 1963 Schlussbetrachtungen zu kollektiver Verteidigung während des Kalten Kriegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Ende des Kalten Kriegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussionsfragen und weiterführende Literatur . . . . . . . Inhalt 6 <?page no="7"?> 4 129 4.1 129 4.2 136 4.3 141 4.3.1 141 4.3.2 149 4.3.3 153 4.4 160 4.5 169 4.6 175 5 179 5.1 180 5.2 186 5.2.1 187 5.2.2 189 5.2.3 196 5.2.4. 198 5.2.5 201 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg: Über Transformation, Terrorismus und die Krim . . . . . . . . . . . . . . . Das Ende der Geschichte, die Friedensdividende und die strategische Neuausrichtung der NATO . . . . . . . . . . . . . . . Die Osterweiterung(en) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9/ 11 und der Kampf gegen den Terror: Die NATO zwischen Solidarität, Dauerzwist und politisch-strategischer Neuausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . 9/ 11, Solidarität und kollektive Verteidigung in Afghanistan: Der Kampf gegen den Terror . . . . . . . . . . . . Das Ende der Solidarität: Irak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Normalisierung der Beziehungen und das neue Strategische Konzept (2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kriminvasion, die Rückkehr kollektiver Verteidigungsfragen seit 2014 und das Ende des INF-Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zurück zu den Ursprüngen? Die neue Sicherheitslage in Europa nach der Krim und die Gefahren hybrider Kriegsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussionsfragen und weiterführende Literatur . . . . . . . Kollektive Sicherheit: out of area-Missionen und Kooperation in Europa und der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kollektive Sicherheit in der NATO im Wandel der Zeit . . Sicherheitskooperation in Europa und der Welt: Partnerschaften (Arena I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Euro-Atlantische Partnerschaftsrat (EAPC) . . . . . . . . Das Partnership for Peace-Programm (PfP) . . . . . . . . . . . . . Der Mediterranean Dialogue und die Istanbul Cooperation Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bilaterale Beziehungen, globale Partner und neue Ziele . Beziehungen zu Institutionen: EU, OSZE, UN et al. . . . . . Inhalt 7 <?page no="8"?> 5.3 205 5.3.1 206 5.3.2 208 5.3.3 217 5.3.4 226 5.4 235 5.5 239 6 241 6.1 241 6.2 247 6.3 252 6.4 257 6.5 259 7 261 7.1 262 7.2 267 7.3 275 7.4 283 7.5 287 Krisenmanagement: NATO-Missionen als politische und zivil-militärische Herausforderung (Arena II) . . . . . . . . . Ein tour d’horizon: Die NATO im globalen Einsatz . . . . . Jugoslawien: Die NATO mit und gegen die UN . . . . . . . . . Die NATO in Afghanistan: Terrorismusbekämpfung und state-building . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Libyen: Der toolbox-Modus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung: Kollektive Sicherheit nach Afghanistan - Das war’s! ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussionsfragen und weiterführende Literatur . . . . . . . Kollektive Identität: Die NATO als Werte- und Sicherheitsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Krise der IB und das konstruktivistische Argument . Die NATO als Teil einer pluralistischen Sicherheitsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Historischer Wandel, kollektive Sicherheit und Verteidigung aus konstruktivistischer Perspektive . . . . . . Zusammenfassung: Konstruktivismus und theoretischer Pluralismus als Schlüssel für das Verständnis der Allianz Diskussionsfragen und weiterführende Literatur . . . . . . . Trump und andere Probleme: Neue (? ) Krisen in der Allianz Theoretische Perspektiven: Politisierung, Illiberalismus, Populismus und die Kontestation des Internationalen . . . Rhetorik, Strategie und andere Probleme: Die neue alte Wirklichkeit der NATO unter Trump . . . . . . . . . . . . . . . . . Eine stärkere NATO! ? Militärische und andere Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „The Rise of Illiberal Hegemony”? Das Auseinanderdriften der transatlantischen Sicherheitsgemeinschaft . . . . . . . . . Diskussionsfragen und weiterführende Literatur . . . . . . . Inhalt 8 <?page no="9"?> 8 289 293 349 361 363 365 Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkursverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 9 <?page no="11"?> Abkürzungsverzeichnis * = nicht mehr aktive Institution/ nicht mehr aktuelle Abkürzung Abkürzung Bedeutung Träger/ Institution ABC(-Waffen) Atomare, biologische und chemische Waffen ABM* Anti-Ballistic Missile Treaty (Vertrag zur Begrenzung anti-ballistischer Raketensysteme) Sowjetunion, USA ACLANT* Allied Command Atlantic (Norfolk, VA, USA nun ACT) (Alliiertes Atlantikkommando) NATO ACO (SHAPE) Allied Command Operations (Mons, Belgien) ([Strategisches] Alliertes Oberkommando Operationen) NATO ACT Allied Command Transformation (Norfolk, VA, USA) ([Strategisches] Alliiertes Oberkommando Transfor‐ mation) NATO AGS Allied Ground Surveillance (Alliiertes Bodenüberwachungssystem [Drohnen]) NATO ASEAN Association of Southeast Asian Nations (Vereinigung Südostasiatischer Nationen) AU Afrikanische Union AWACS Airborne Warning and Control System (Luftgestütztes Luftraumüberwachungs- und Kon‐ trollsystem [Radarflugzeug]) NATO BIP Bruttoinlandsprodukt BND Bundesnachrichtendienst BRD BRD Bundesrepublik Deutschland C2 command and control (Kommando- und Führungsfähigkeiten) CFE (VKSE) Conventional Forces Europe Treaty (Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa) <?page no="12"?> CIA Central Intelligence Agency (US-Auslandsgeheimdienst) USA CJTF Combined Joint Task Forces (Teilstreitkraftübergreifende multinationale Einsatz‐ truppe) NATO, WEU CTBT Comprehensive Test Ban Treaty (Umfassender Teststoppvertrag [für Atomwaffen]) DDR Deutsche Demokratische Republik DSACEUR Deputy Supreme Commander Allied Forces Europe (Stellvertretender Alliierter Oberbefehlshaber Eu‐ ropa) NATO DSACT Deputy Supreme Allied Commander Transformation (Stellvertretender Alliierter Oberbefehlshaber Transformation) NATO EAPC Euro-Atlantic Partnership Council (Euro-Atlantischer Partnerschaftsrat) NATO EDI European Deterrence Initiative USA eFP enhanced Forward Presence (NATO-Truppen im Baltikum und Polen) NATO EG* Europäische Gemeinschaften (Vorläuferorganisation der EU) (EU) EGKS* Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Vorläuferorganisation der EG/ EU) (EG/ EU) ERI* European Reassurance Initiative (nun EDI) USA ESVP* (ESDP) Europäische Sicherheits- und Verteidigungpolitik (jetzt GSVP) EU EU Europäische Union EUPOL European Union Police Mission (Polizeimission der Europäischen Union) EU EVG* Europäische Verteidigungsgemeinschaft FCAS Future Combat Air System ( Jagdflugzeugprojekt) Deutschland, Frankreich, Spanien et al. GG Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Ver‐ fassung) BRD Abkürzungsverzeichnis 12 <?page no="13"?> GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GSVP (CSDP) Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (Common Security and Defence Policy) EU GUS (CIS) Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (Commonwealth of Independent States) HQ AIRCOM Allied Air Command (Ramstein, Deutschland) (Alliiertes Luftkommando) NATO HQ LANDCOM Allied Land Command (Izmir, Türkei) (Alliiertes Landkommando) NATO HQ MARCOM Allied Maritime Command (Northwood, Großbritannien) (Alliiertes Marinekommando) NATO IAEA International Atomic Energy Agency (International Atomenergiebehörde) UN ICBM Inter-Continental Ballistic Missile (ballistische Interkontinentalrakete) Reichweite min 5.500 km IB Internationale Beziehungen (Teildisziplin der Poli‐ tikwissenschaft) ICI Istanbul Cooperation Initiative (Istanbuler Kooperationsinitiative) NATO IFOR Implementation Force (Bosnien-Herzegowina) (Internationale Schutztruppe/ Umsetzungstruppe) NATO IMS International Military Staff (Internationaler Militärstab) NATO INF Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty (Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme) Sowjetunion, USA IPAP Individual Partnership Action Plan (Individueller Partnerschaftstätigkeitsplan) NATO IPCP Individual Partnership and Cooperation Programme (Individuelles Partnerschafts- und Kooperationsprogramm) NATO IPP* Individual Partnership Programme [PfP] (Individuelle Partnerschaftsprogramme) NATO IRBM Intermediate-Range Ballistic Missile (ballistische Mittel-/ Langstreckenstreckenrakete) Reichweite 3.000-5.500 km Abkürzungsverzeichnis 13 <?page no="14"?> IS International Staff (Internationaler Stab/ Personal der NATO) NATO ISIS s.g. Islamischer Staat (internationale Terrororganisation) ISAF International Security Assistance Force (Internationale Sicherheitstruppe [Afghanistan]) NATO JALLC Joint Analysis and Lessons Learned Centre (Lissabon, Portugal) (Gemeinsames Analyse und Lessons Learned-Zen‐ trum) NATO JFC Joint Force Command (Streitkräfteübergreifendes Kommando, ACO unter‐ geordnet) NATO JFTC Joint Force Training Centre (Bydgoszcz, Polen) (Gemeinsames Truppentrainingszentrum) NATO JSEC Joint Support and Enabling Command (Ulm, Deutschland) (Unterstützungskommando) NATO JWC Joint Warfare Centre (Stavanger, Norwegen) (Gemeinsames Kriegsentwicklungszentrum) NATO KFOR Kosovo Force (Kosovo-Truppe) NATO KSZE Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (Helsinki, 1973-75) LTBT (PTBT) Limited Test Ban Treaty (Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser) M.A.D. Mutually Assured Destruction (Garantierte gegenseitige Auslöschung [nuklear]) MAP Membership Action Plan (Mitgliedschaftsplan) NATO MC Military Committee (Militärkomitee) NATO MD Mediterrenean Dialogue (Mittelmeerdialog) NATO MILREP Permanent Military Representative (Ständiger militärischer Repräsentant der Mitgliedstaaten) NATO Abkürzungsverzeichnis 14 <?page no="15"?> MIRV Multiple Independently Targetable Re-entry Vehicles (Unabhängig lenkbare Wiedereintrittsvehikel [für ballistische Raketen]) MLF* Multilateral Force (Multilaterale Atomstreitmacht) NATO MRBM Medium-Range Ballistic Missile (ballistische Mittelstreckenrakete) Reichweite 1.000-3.000 km NACC* (NAKR) North Atlantic Cooperation Council (jetzt EAPC) (Nordatlantischer Kooperationsrat) NATO NATO North Atlantic Treaty Organization (Nordatlantik‐ paktorganisation) NCIA NATO Communications and Information Agency (Kommunikations- und IT-Behörde) NATO NCISG NATO Communication Information Services Group (Belgien) (Kommunikationsservicegruppe des ACO) NATO NDPP NATO Defence Planning Process (NATO-Verteidigungsplanungsprozess) NATO NGO (NRO) Non-Governmental Organization (Nichtregierungsorganisation) NPG Nuclear Planning Group (Nukleare Planungsgruppe) NATO NPT Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons (Atomwaffensperrvertrag) NRC NATO-Russia Council (NATO-Russland-Rat) NATO, Russland NRF NATO Response Force (Schnelle Eingreiftruppe) NATO NSA National Security Agency ([eine] US-Geheimdienstbehörde) USA NSIP NATO Security Investment Programme (NATO-Sicherheitsinvestitionsprogramm [Infrastruktur]) NATO NSO NATO Standardization Office (Standardisierungsbehörde) NATO NSPA NATO Support and Procurement Agency NATO Abkürzungsverzeichnis 15 <?page no="16"?> (Unterstützungs- und Anschaffungsbehörde) NTM-A NATO Training Mission Afghanistan (NATO-Trainingsmission Afghanistan [Sicherheits‐ kräfte]) NATO OEF Operation Enduring Freedom (Afghanistan, Horn von Afrika, Philippinen) USA, NATO OSZE Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (NATO-)PA NATO Parliamentary Assembly (Parlamentarische Versammlung der NATO) PARP Partnership for Peace Planning and Review Process (Partnerschaft für den Frieden Planungs- und Begu‐ tachtungsprozess) NATO PfP Partnership for Peace (Partnerschaft für den Frieden-Programm) NATO PJC* Permanent Joint Council (Ständiger Gemeinsamer Rat, NATO-Russland) NATO, Russland PRT Provincial Reconstruction Team (Afghanistan) (regionales Wiederaufbauteam) NATO R2P Responsibility to Protect (humanitäre Schutzverantwortung) SAC Strategic Airlift Capability (Strategische Lufttransporteinheit) ausgewählte NATO-Staaten, Finnland, Schweden SACEUR Supreme Commander Allied Forces Europe (Alliierter Oberbefehlshaber Europa) NATO SACLANT* Supreme Allied Commander Atlantic (NATO-Oberbefehlshaber Atlantik) NATO SACT Supreme Allied Commander Transformation (Alliierter Oberbefehlshaber Transformation) NATO SALT I, II Strategic Arms Limitation Talks (Gespräche zum Abbau strategischer Waffen) Sowjetunion, USA SDI Strategic Defense Initiative (Strategische Verteidigungsinitiative [Ronald Rea‐ gans, Raketenabwehrprogramm]) USA SFOR Stabilisation Force (Bosnien-Herzegowina) (Stabilisierungstruppe) NATO Abkürzungsverzeichnis 16 <?page no="17"?> SHAPE (ACO) Supreme Headquarters Allied Powers Europe (Mons, Belgien) (Hauptquartier der Alliierten Mächte in Europa) NATO SITCEN Situation Centre (Frühwarnzentrum) NATO SLBM Submarine-Launched Ballistic Missile (U-Boot-gestützte ballistische Rakete) SORT (START III) Strategic Offensive Reduction Treaty (Vertrag zur Reduzierung von Offensivwaffen) Russland, USA SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SRBM Short-Range Ballistic Missile (ballistische Kurzstreckenrakete) Reichweite unter 1.000 km SSR Security Sector Reform (Maßnahmen zur Reform von staatlichen Sicher‐ heitsinstitutionen) START (I, II, III, New S.) Strategic Arms Reduction Talks (Gespräche zur Reduzierung Strategischer Waffen) ▸ START I: 1991 (1994) ▸ START II: 1993 ▸ START III (SORT): 2002 ▸ New Start: 2010/ 11 Kasachstan, Russland, Ukraine, USA, Weißrussland STO NATO Science and Technology Organization (Wissenschafts- und Technologiebüro) NATO UAE United Arab Emirates (Vereinigte Arabische Emirate) UÇK (KLA) Ushtria Çlirimtare e Kosoves (Kosovarische Befreiungsarmee) UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken UNAMA United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UN-Hilfsmission Afghanistan) UN UNMIK United Nations Mission in Kosovo (UN-Mission im Kosovo) UN UN(O) United Nations Organization (Vereinte Nationen) UNPROFOR United Nations Protection Force ( Jugoslawien) (UN-Schutztruppe) UN Abkürzungsverzeichnis 17 <?page no="18"?> UNSCR United Nations Security Council Resolution (UN-Sicherheitsratsresolution) UN USEUCOM United States European Command, (Stuttgart, DE) (US-Regionalkommando Europa) USA VJTF Very High Readiness Joint Task Force (Sehr schnelle gemeinsame Eingreiftruppe) NATO WEU* Westeuropäische Union WHO World Health Organization (Weltgesundheitsorganisation) UN WMD Weapons of Mass Destruction (Massenvernichtungswaffen) WTO World Trade Organization (Welthandelsorganisation) Abkürzungsverzeichnis 18 <?page no="19"?> Danksagungen Ein Buch trägt am Ende zwar den Namen des Autors, ist aber jenseits des Schreibprozesses immer ein Gemeinschaftswerk, bei dem Viele mithelfen oder die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass man in Ruhe schreiben kann. Ich bin daher an dieser Stelle zuerst meinem Chef, Helmut Breitmeier, zu Dank verpflichtet, der mir die Zeit und den Raum gegeben hat, mich diesem Unterfangen zu widmen. Ein Buch über das älteste, größte und aktivste Verteidigungsbündnis der Welt zu schreiben erfordert eine Sach- und Literaturkenntnis, bei der man sich manchmal Hilfe suchen muss. Daher geht mein Dank an Lusine Badalyan, Helmut Breitmeier, Denis Cenusa, Christopher Finke, Andrea Gawrich, Annemarie Ickler, Katarzyna (Kasia) Kubiak, Sebastian Mayer, Stéfanie von Hlatky und Valerio Vignoli für die Unterstützung bei der Literatursuche. John Deni (American University, US Army War College), Michael O’Hanlon und Adam Twardowski (Brookings) waren hilfreich bei Fragen zu Truppenstärken. Bei der NATO halfen Mit‐ arbeiter*innen aus ACT, Multimedia Team, Public Diplomacy und ACO/ SHAPE zur Klärung institutioneller Fragen und bei der Materialbeschaffung. Ein herzlicher Dank geht an das Zentrum für Militärgeschichte und Sozi‐ alwissenschaften der Bundeswehr für die Überlassung von Abbildung 7 sowie Diego Ruiz Palmer von der NATO für zusätzliche Informationen dazu. Michal Onderco war eine verlässliche Hilfe in nuklearen Fragen. Florian Böller und Alexander Reichwein haben vereinzelte Kapitel und Abschnitte kommentiert und so zu ihrer Verbesserung beigetragen. Außerordentlicher Dank gilt außerdem meiner Hilfskraft Stephan Friebe für die kontinuierliche Unterstützung bei der Literaturrecherche sowie Tabellen und Grafiken, die das Buch besser gemacht haben. Alle verbliebenen Fehler sind die meinigen! Des Weiteren fühle ich mich dem Team des UVK-Verlags verbunden. Frau Verena Artz gebührt der Dank dafür, mich geheadhuntet und von diesem Projekt überzeugt zu haben. Jürgen Schechler war ein verlässlicher und ver‐ ständnisvoller Ansprechpartner in der Verlagsleitung. Der Verdienst, dieses Manuskript zu einem Buch gemacht zu haben, gebührt meiner Lektorin Uta Preimesser, die bereits während des Schreibprozesses eine ständige Hilfe und danach eine erste, kritische Leserin war. Weiterhin bedanke ich mich bei Arkin Keskin für den professionellen Produktionsprozess. <?page no="20"?> Schließlich möchte ich mich bei Familie und Freunden bedanken. Ich habe während des Schreibprozesses, vor allem während der letzten Monate, nicht immer so viel Zeit für Euch aufbringen können wie sonst und war häufig kurz angebunden. Ich gelobe jetzt wieder Besserung! Ohne den kontinuierlichen Beistand meiner Frau, Katharina Monaco, wäre das Buch ganz bestimmt nicht zustande gekommen: Du hast mir neben Deinem Job stets den Rücken freigehalten und musstest mehr als einmal meine Ausbrüche wegen langsamer Datenbankprogramme oder Zeitproblemen ertragen. Ich hatte viel weniger Zeit an Abenden und Wochenenden, die Dir und der Familie gehört hätten. Am Ende hast Du trotzdem noch das Manuskript gelesen und mit Deinem professionellen Blick besser gemacht. Ohne Dich hätte ich das nicht geschafft. Mille grazie! Einbeck, im Juni 2020 Allgemeiner Hinweis zum Sprachgebrauch Dieses Buch nutzt dort, wo es der Leserlichkeit dienlich ist, einfach verständliche und gängige englische Bezeichnungen der NATO-Organe. Für einen besseren Lesefluss sind in diesem Einführungswerk kurze direkte Zitate aus dem Englischen oder Französischen vom Autor selbst übersetzt worden, der in beiden Sprachen fließend kommuniziert. Zur Wahrung einer hohen Genauigkeit, z. B. bei Seminararbeiten, empfiehlt es sich jedoch, die (meist englische) Originalquelle zu nutzen. Aus Rücksicht auf eine gleichberechtigte Ansprache verschiedener Gender nutzt das Buch die *-Schreibweise. Wo sie nicht genutzt wird, ist dies i. d. R. ein historischer Bezug zu einer männlichen Person in männ‐ lich dominierten militärischen Strukturen. Außerdem wird aus Gründen der Übersichtlichkeit auf das Gendern von Funktionsbeschreibungen verzichtet. Danksagungen 20 <?page no="21"?> 1 Zur Vereinfachung des Leseflusses werden NATO, Allianz, Atlantische Allianz oder Bündnis synonym genutzt. 1 Einleitung: Die NATO zwischen kollektiver Verteidigung, Sicherheit und demokratischer Identität Die Nordatlantikvertragsorganisation (North Atlantic Treaty Organization, NATO) 1 ist mit mehr als 70 Jahren sowohl die älteste als auch die am stärksten institutionalisierte multilaterale Militärallianz der Welt. Seit ihrer Gründung am 4. April 1949 in Washington D.C. ist es ihre Hauptaufgabe, ihre Mitglieder gegen Angriffe Dritter zu schützen und so „die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten“ (NATO 1949a, Art. 5). Ihre anfangs 12 und heute 30 Mitglieder haben sich zu gegenseitigem politischen und militärischen Beistand verpflichtet und sichern diesen durch ihre mili‐ tärische Kapazitäten, gemeinsame Verteidigungsplanung in politischen und militärischen Strukturen, gemeinsame Missionen sowie kooperative Praktiken mit Partnern, die Sicherheit im nordatlantischen Raum herstellen sollen. Die breite Hauptquartierstruktur mit ca. 10.500 Mitarbeiter*innen ist für ein Militärbündnis einzigartig (s. Kap. 2.3; NATO 2018d, f). Während des Kalten Kriegs, der die Weltsicherheitspolitik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestimmte, hatte die NATO einen klaren Auftrag: die Ver‐ teidigung gegen einen Angriff auf das Bündnisgebiet durch die Sowjetunion (UdSSR) und die Staaten des Warschauer Pakts (1955-1991). Dieser Konflikt wurde durch den ideologischen Gegensatz zwischen Kommunismus in der UdSSR und (meist) liberalen Demokratien innerhalb der NATO angetrieben. Die Atlantische Allianz versuchte, durch eine Politik der militärischen und politischen Stärke und des gesellschaftlichen Engagements gegenüber anderen Staaten den Einfluss der Sowjetunion einzudämmen (containment). Zur Ver‐ teidigung entwickelten die NATO-Staaten bedeutende konventionelle Kapazi‐ täten, waren dem Warschauer Pakt allerdings zahlenmäßig stark unterlegen, sodass Nuklearwaffen eine wichtige Rolle als Abschreckungsmittel spielten. Die gesammelten Militärausgaben der Alliierten lagen bei 4,3 % ihres Bruttoin‐ landsprodukts (BIP, 1990), in der Russischen Föderation bei ca. 4,4 % (1992). Lord Ismay, der erste Generalsekretär der NATO (1952-1957), fasste den Auftrag <?page no="22"?> des Bündnisses pointiert zusammen: „to keep the Russians out, the Americans in, and the Germans down.“ (Meier-Walser 2017, 1). Damit brachte er die Dynamiken europäischer Sicherheitspolitik der Nachkriegszeit auf den Punkt, für die es wichtig war, die USA als Sicherheitsanker in Europa zu halten, eine neue friedliche Rolle für (West-)Deutschland zu finden und dadurch russische Aggression abzuwehren. Diese Auseinandersetzung war von 1949 bis 1991 die bestimmende Bruchlinie internationaler Politik (Bockenförde 2013, 30). Sie sorgte für eine Bipolarität des internationalen Systems, der sich nur wenige Staaten machtpolitisch entziehen konnten. Zwar blieb der Kalte Krieg ultimativ doch kalt, er kannte jedoch Episoden der gegenseitigen Beinahe-Zerstörung und unsäglichen menschlichen Leids in Stellvertreterkriegen um Einfluss. NATO-Staaten alphabetisch sortiert, mit Beitrittsjahr Land Beitrittsjahr Land Beitrittsjahr Albanien 2009 Luxemburg 1949 Belgien 1949 Montenegro 2017 Bulgarien 2004 Niederlande 1949 Dänemark 1949 Nordmazedonien 2020 Deutschland 1955 Norwegen 1949 Estland 2004 Polen 1999 Frankreich 1949 Portugal 1949 Griechenland 1952 Rumänien 2004 Großbritannien 1949 Slowakei 2004 Island 1949 Slowenien 2004 Italien 1949 Spanien 1982 Kanada 1949 Tschechien 1999 Kroatien 2009 Türkei 1952 Lettland 2004 Ungarn 1999 Litauen 2004 USA 1949 Tabelle 1: NATO-Mitglieder (Quelle: NATO (2018i), eigene Darstellung) 1 Einleitung 22 <?page no="23"?> Diese Blockkonfrontation endete mit dem Fall des Eisernen Vorhangs in Europa durch die deutsche Wiedervereinigung (1989/ 90) und den Zusammenbruch der Sowjetunion im Dezember 1991. Die NATO versuchte danach, mit Part‐ nern (inkl. Russland) ein institutionalisiertes Sicherheitssystem mit sich selbst im Zentrum aufzubauen (z. B. Partnership for Peace, s. Kap. 5.2.2), um für Stabilität zu sorgen und Sicherheit kooperativ zu organisieren. Nach einer Übergangsphase traten aber viele ehemalige Mitglieder des Warschauer Pakts und frühere Teilrepubliken der UdSSR der NATO (und der Europäischen Union, EU) bei, weil sie sich der durch die NATO und EU verkörperten westlichen Lebensweise zugehörig fühlten und ihre neue Unabhängigkeit von Russland absichern wollten. Aus russischer Perspektive hat sich die NATO seit dem Ende des Kalten Krieges immer weiter in die post-sowjetische Einflusssphäre hineinbewegt, auf die es nach wie vor Hegemonialansprüche erhebt (Mearsheimer 2014). Hierin besteht aus russischer Perspektive letztlich die Ursünde der Neuordnung seit dem Ende des Kalten Kriegs, die Russland ab 2007 zu einer erneuten Gegenmachtbildung, Kriegen in Georgien und der Ukraine sowie der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der NATO-Staaten führte (s. Kap. 4), sodass seit 2014 wieder von einer begin‐ nenden Blockkonfrontation gesprochen werden kann. Obwohl der Verteidigungsauftrag der NATO 1991 zunächst zu Ende war, transformierte sich die Allianz in den 1990er Jahren bald zu einer Sicherheitsmanagementinstitution, die im Namen der UN (und im Kosovo illegal auf eigene Rechnung) in den Konflikten auf dem Balkan versuchte, Frieden und Sicherheit herzustellen. Durch ihr militärisches Engagement in diesen neuen Kriegen (Kaldor und Vashee 1997; Münkler 2002), die durch innerstaatliche, z. B. ethische und nicht mehr zwischenstaatliche Gewalt geprägt waren, wurde die NATO zur wichtigsten Sicherheitsinstitution in Europa. Nach den terroristischen Attentaten des 11. September 2001 in den USA etablierte sich die Allianz mit ihrer Intervention in und dem Wieder‐ aufbau von Afghanistan zudem als ein globaler Akteur und verstetigte ihre neue raison d’être als Stabilitätsexporteur. Kollektive Verteidigung entfiel zwar nicht als formaler Auftrag der NATO, stand aber bis 2014 eindeutig nicht im Fokus der sicherheitspolitischen Aufmerksamkeit. Exkurs: Der erweiterte Sicherheitsbegriff Im Zuge der gesellschaftlichen Debatten um Krieg und Frieden hat sich auch der Sicherheitsbegriff selbst verändert. Während Gegenstand der Sicherheitspolitik bis in die 1960er Jahre hinein quasi ausschließlich 1 Einleitung 23 <?page no="24"?> das war, was einen Nationalstaat militärisch bedrohte, sollte sich der Fokus danach öffnen. Wo früher Friede rein negativ als die Abwesenheit von Krieg angesehen wurde, sprechen wir heute von ganz anderen Sicherheitsfragen unterhalb oder außerhalb der militärischen „Sachdi‐ mension“ (Daase 2009, 138), z. B. Umweltsicherheit, wirtschaftlicher Sicherheit, Human Security (Glasius und Kaldor 2005) oder sogar pla‐ netarer Sicherheit (z. B. Asteroideneinschläge). Der Sicherheitsbegriff hat sich also erweitert und wurde zunehmend positiv, d. h. mit zu erfüllenden Eigenschaften oder Zuständen jenseits der Abwesenheit von Krieg, besetzt (s. z. B. Galtung 1969; Senghaas 2004). Christopher Daase (2009) unterscheidet vier Dimensionen des Sicher‐ heitsbegriffs: ▸ Sachdimension: militärische, ökonomische, ökologische, humani‐ täre Sicherheit; ▸ Raumdimension: nationale, regionale, internationale, globale Si‐ cherheit; ▸ Gefahrendimension: Umgehen mit Bedrohungen, Verwundbar‐ keiten, Risiken; ▸ Referenzdimension: Bezug auf Staat, Gesellschaft, Individuum. Zu verstehen sind diese Unterscheidungen als historische Entwick‐ lungen von eng nach weit oder von traditionell zu modern. D.h., dass der engste Sicherheitsbegriff der ist, der sich mit militärischen (Sachd.) Bedrohungen (Gefahrend.) des National-(Raumd.) Staats (Referenzd.) befasst. Das Konzept der ökologischen Sicherheit wird heutzutage i. d. R. auf der regionalen (z. B. EU) oder globalen Ebene behandelt, als ein gesellschaftliches Problem angesehen und beschäftigt sich nicht ausschließlich mit konkreten Bedrohungen (wie z. B. einem Tsunami), sondern langfristigen Risiken (z. B. einem point of no return des Klimawandels). Gleichzeitig findet sich ein Fokus auf individuelle Sicherheit nicht gleichermaßen in allen Gesellschaften oder Politiken von Staaten wieder, was mit gesellschaftlichen Begebenheiten (z. B. Freiheitsgrad des Individuums) und politischen Prozessen (und somit Machtbeziehungen) zu tun hat. Das Positive am erweiterten Sicherheitsbegriff ist, dass er Dinge ins Zentrum des gesellschaftlichen Diskurses stellt, die früher selten oder gar nicht unter Sicherheitsgesichtspunkten diskutiert wurden, wie z. B. Umweltschutz. Gleichzeitig unterstreicht aber die s. g. Kopenhagener 1 Einleitung 24 <?page no="25"?> Schule, die die Theorie der Versicherheitlichung (securitization) gesell‐ schaftlicher Prozesse aufgestellt hat (Balzacq 2011; Buzan 1998; Wæver 1995), dass so das Risiko besteht, Lösungsmöglichkeiten eines Problems zu beschränken, da Sicherheitsdenken in eher engen, kurzfristigen Ge‐ fahr-Antwort-Mustern abläuft, die sodann allzu gerne nur auf die Sicher‐ heit der Nation bezogen und mit militärischen Mitteln durchgesetzt werden. Beispielsweise führt die Versicherheitlichung der Flüchtlingskrise (2015) dazu, dass der Fokus politischen Handelns eher auf dem Schutz der nationalen oder europäischen Grenzen lag als auf dem Beseitigen der Fluchtursachen in den Herkunftsländern, wofür entwicklungs- oder wirtschaftspolitische Ansätze vielversprechender sind. Ein erweiterter Sicherheitsbegriff entgrenzt Sicherheit somit auch (Daase 2009, 143). Der Gründungsauftrag der NATO gehört in der Sachdimension zum eher engen, militärischen Problembereich, der jedoch als regionale Verantwortung bereits jenseits des Nationalstaats institutionalisiert wurde. Andere Aspekte des Handelns der NATO, wie z. B. die Koope‐ rationsprogramme mit Partnern oder ein großer Teil ihrer Auslandsin‐ terventionen, befinden sich jedoch in anderen Sicherheitsdimensionen. Weder das kollektive Verteidigungshandeln noch die kollektiven Sicher‐ heitstätigkeiten liefen in der NATO ohne interne Konflikte ab. Einzelne Alliierte hatten Konflikte untereinander (z. B. Griechenland-Türkei, Frank‐ reich-USA), die NATO-Staaten deswegen miteinander, während sie sich ebenfalls nicht immer adäquat außenpolitisch koordinierten (Suez-, Kuba‐ krise, s. Kap. 3) oder über Strategie, Missionen und Gelder stritten. In den USA kam bald nach 1949 eine wachsende Unzufriedenheit ob der ungleichen Lastenverteilung (burden-sharing) für die gemeinsame Verteidigung zu ihren Ungunsten auf - ein Problem, das bis heute zu teils heftigen Diskussionen führt und unter Donald Trump die Allianz an die Belastungsgrenze führt. Die USA gaben 2019 3,42 % ihres (großen) BIP für Verteidigung aus, während nur acht weitere Alliierte über 2 % (worauf man sich als Ziellinie geeinigt hatte) und viele teils weit darunter liegen, u.a. Deutschland (NATO 2019h). Da die US-Amerikaner*innen bis 2020 zudem 22 % (ca. $685 Mio.) der direkten NATO-Ausgaben schultern und insgesamt ca. $6,86 Mrd. für NATO-Kapazitäten und europäische Verteidigung ausgaben (Kosten für US-Truppen in Europa nicht mitgerechnet), sind die Finanzen heute ein bedeutender Stolperstein in den transatlantischen Beziehungen geworden. Trump nutzt diese Schieflage und andere Konflikte zur grundsätzlichen 1 Einleitung 25 <?page no="26"?> Infragestellung der Allianz, ihrer Beistandsverpflichtung, ihres Handelns und ihres Fortbestands. Die Binsenweisheit, dass es im Moment um die transatlantischen Beziehungen nicht zum Besten gestellt ist, basiert somit auf manifesten, ideellen und materiellen Politik-, Meinungs- und Vertrau‐ ensproblemen zwischen den Alliierten sowie unterschiedlichen politischen und strategischen Prioritäten, die zunehmend schwer unter einen Hut zu bringen sind. Dass es diese gibt, ist an sich nicht neu (s. die bekannte Debatte aus der 2000er Dekade in Cox 2005a; Pouliot 2006; Risse 2003). Die NATO hat sich in ihrer 70-jährigen Geschichte als erstaunlich widerstandsfähig in der Bewältigung solcher Probleme erwiesen. Mit Trump kann man aber im Jahr 2020 durchaus von einem „perfekten Sturm“ (Riddervold und Newsome 2018, 507) in der NATO sprechen. Durch die zunehmende Aggressivität Russlands, das sich wieder mit ei‐ genen Großmachtansprüchen in Europa positioniert, diese mit der Invasion und Annexion der Krim gewaltsam durchsetzt und in die demokratischen Prozesse von NATO-Mitgliedern aktiv einmischt, muss sich die Atlantische Allianz seit 2014 wieder um kollektive Verteidigungsplanungen kümmern. Somit ist das Bündnis heute mit einem externen Sicherheitsproblem kon‐ frontiert, das die Fortsetzung der seit den 1990er Jahren aufgebauten ko‐ operativen Agenda mit Russland in Frage stellt, während es gleichzeitig bedeutende innere Konflikte zu lösen hat. Sind wir 2020 also mit Russland "zurück in der Zukunft", wie es der Chicagoer Professor John Mearsheimer bereits 1990 formulierte und damit auf eine wahrscheinliche Rückkehr zu instabilen Zeiten der Krisen und Kriege verwies (Mearsheimer 1990, 52)? Die Antwort auf diese Frage steht in Anbetracht der großen Herausforderungen, vor der die NATO momentan sowohl intern durch ihre eigene Zerrüttung als auch extern durch Russland steht, aus. Diesen Problemen und den damit zusammenhängenden Politiken, Strukturen und Akteuren wollen wir uns in diesem Buch widmen. Aufbau des Buches Um die NATO als Akteur der Weltsicherheitspolitik einerseits und Regie‐ rungsorganisation mit ihren komplexen politischen Prozessen andererseits zu verstehen, wird dieses Buch separat die verschiedenen Funktionen und Eigenschaften der NATO herausarbeiten, um Komplexität zu reduzieren, aber gleichzeitig ein umfassendes Bild der Atlantischen Allianz zu vermit‐ 1 Einleitung 26 <?page no="27"?> teln. Während Forschungsliteratur notwendigerweise meist eine bestimmte Perspektive einnimmt, sollen in diesem Lehrbuch Wege in verschiedene Theorien und Zugänge sowie ihre Erklärungen und Interpretationen aufge‐ zeigt werden. In Anbetracht ihres beträchtlichen Alters und vielfältigen Wirkens gibt es kaum einen Ansatz, der nicht auf die Atlantische Allianz angewendet wurde - von vorherrschenden realistischen (Kap. 3) und insti‐ tutionalistischen Interpretationen (Kap. 2) über die English School (Buzan und Gonzalez-Pelaez 2005), den Feminismus (Hardt und von Hlatky 2020; Ruohonen 2014) oder den Konstruktivismus (Kap. 6). Vor diesem Hinter‐ grund kann dieses Buch nur ein Einstieg sein und nicht allen Strömungen gerecht werden, aber fünf Zugänge sollen helfen, einen ersten, aber dennoch umfänglichen Überblick über die Allianz zu bekommen: ▸ ein institutioneller Ansatz, der Basisdaten vermittelt und institutiona‐ lisierte politische Prozesse seit 1949 diskutiert (Kap. 2 und teilweise Kap. 5); ▸ eine Befassung mit kollektiver Verteidigung während und nach dem Kalten Krieg, die neorealistische und institutionalistische Theorie diskutiert (Kap. 3, 4); ▸ eine Darstellung zweier Arenen kollektiver Sicherheitspolitiken der NATO außerhalb des Bündnisgebiets und mit verschiedenen Partnern (Kap. 5); ▸ ein konstruktivistischer, identitätsbezogener Zugang, in dem die NATO als kulturelles Bündnis liberaler Staaten westlicher Prägung diskutiert wird (Kap. 6); sowie ▸ ein (il)liberaler Zugang, der sich auch der Populismusliteratur bedient, um die aktuellen Probleme der Allianz zu analysieren. Diese fünf Zugänge sollen theoretischen Pluralismus vorleben und verschie‐ dene Interpretationswerkzeuge an die Hand geben, um Entwicklungen in alliierten Verteidigungspolitiken differenziert beurteilen zu können. Die Ka‐ pitel führen dabei zunächst in Theorien ein, die als Rahmung für empirische Entwicklungen in der Allianz dienen. Bei Bedarf werden spezifische politische Krisen oder Konzepte in Exkursen dargestellt, um den Lesefluss zu erleichtern. Schlussbetrachtungen fassen die theoretischen und empirischen Ergebnisse zusammen. Um Anregungen für die weitere Bearbeitung im Vorlesungs-, Seminar- und Hausarbeitskontext zu geben, schließen die Kapitel mit einer Auswahl von Diskussionsfragen und Vorschlägen für weiterführende Lite‐ ratur. Aufbau des Buches 27 <?page no="29"?> 2 Die Allianz als Institution: Strukturen, Geld und Macht Die NATO ist eine Organisation mit einer gewachsenen Struktur und einer beträchtlichen Anzahl von Mitarbeiter*innen. Dadurch ist sie in ihrem Institutionalisierungsgrad als Militärallianz einzigartig in der Welt. Bevor wir uns ein Verständnis über das Handeln der NATO (policies) erarbeiten können, müssen zunächst institutionelle (polity) und Verfahrensgrundlagen (politics) erörtert werden, auf Basis derer die NATO funktioniert. Dazu werden in diesem Kapitel sechs verschiedene Sach- und Problembereiche angesprochen. Abschnitt 2.1 führt zunächst in den Neoliberalen Instituti‐ onalismus ein, der es uns erlaubt, ein grundlegendes Verständnis über das Funktionieren einer internationalen Institution zu erzielen. In den Folgekapiteln wird dieses Wissen ebenfalls genutzt, um Entwicklungen, z. B. die von kollektiver Verteidigung zu kollektiver Sicherheit, einordnen zu können. Abschnitt 2.2 beschäftigt sich mit der Gründung der NATO und dem Vertragswerk, bevor die verschiedenen Erweiterungen der Allianz thematisiert werden. Abschnitt 2.3 wirft einen Blick auf die politischen und militärischen NATO-Strukturen. Abschnitt 2.4 erklärt den Unterschied zwischen nationalen und alliierten Kapazitäten. Die NATO-Budgets und weitere Finanzfragen werden im Abschnitt 2.5 besprochen. Abschnitt 2.6 schließt mit Betrachtungen zur hegemonialen Rolle der USA im Bündnis. 2.1 Institutionalismus und Sicherheit Der (Neoliberale) Institutionalismus ist eine der Basistheorien der Interna‐ tionalen Beziehungen, die zur Erklärung von Kooperation zwischen Staaten herangezogen wird. Er wurde maßgeblich von den US-amerikanischen Po‐ litikwissenschaftler*innen Robert O. Keohane und Joseph S. Nye (Keohane 1984, 1989; Keohane und Nye 2012) sowie Celeste Wallander (Wallander 2000, 1999) beeinflusst. Im deutschsprachigen Raum gelten Helga Haften‐ dorn und Otto Keck (Haftendorn und Keck 1997; Haftendorn et al. 1999) sowie Helmut Breitmeier (Breitmeier et al. 2006), Bernhard Zangl (Rittberger et al. 2019) oder Michael Zürn (2018) als prominente Vertreter*innen. Nach <?page no="30"?> 2 In einem noch breiteren Verständnis kann man z. B. auch Familien, Universitäten oder die Allgemeinen Studierendenausschüsse als Institutionen ansehen. allgemeiner Auffassung sind internationale Institutionen, um die es mit der NATO in diesem Buch geht, „dauerhafte und verbundene Regelwerke, häufig mit Organisationen einhergehend, die über internationale Grenzen hinweg agieren“ (Wallander et al. 1999, 1 f.). Nach diesem Verständnis zählen zu Institutionen sowohl internationale Organisationen wie die UN oder die EU als auch Regelwerke wie der Atomwaffensperrvertrag (NPT), die zum Ziel haben, politische Interaktion zwischen verschiedenen Akteuren (Staaten, in‐ ternationale Organisationen u. v. a. m.) dauerhaft zu gestalten/ beeinflussen. 2 Institutionen wie der NPT, die keine Organisationsstruktur haben, sondern nur aus Verträgen oder (impliziten/ expliziten) Absprachen und Verhaltens‐ normen bestehen, die ein spezifisches internationales Politikfeld (z. B. die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen) verregeln, werden als Regime bezeichnet (Breitmeier et al. 2006, 3; Krasner 1982, 186). Organisationen als Subtyp von Institutionen sind tiefer in eigenen Strukturen und Poli‐ tikprozessen verwurzelt und können ursprünglich staatliche Funktionen ausüben (z. B. EU). Die NATO ist mit ihren vielen Strukturen ebenfalls tief institutionalisiert, in ihrer Aufgabenwahrnehmung aber stark an Vorgaben der Mitglieder gebunden. Sie ist daher keine supranationale Organisation wie die EU, sondern eine internationale Organisation intergouvernementaler Prägung. 2.1.1 Basiskonzepte des Institutionalismus Der Institutionalismus teilt die Basisannahme des Neorealismus, dass Staaten die primären Akteure in der globalen Ordnung sind, die grund‐ sätzlich anarchisch aufgebaut ist. Das heißt, dass es keine den Staaten übergeordnete Instanz gibt, die ein bestimmtes Staatshandeln erzwingen kann. Somit agieren Staaten stets unter Bedingungen der Unsicherheit - darüber, wie andere Staaten auf das eigene Handeln reagieren, ob Koope‐ rationsvereinbarungen Folge geleistet wird bzw. Kooperation von Dauer ist (Mearsheimer 2001, 3; Wallander et al. 1999, 3; Waltz 1979, Kap. 6, 8). Im Gegensatz zur neorealistischen Denkschule gehen Institutionalist*innen jedoch davon aus, dass Kooperation verstetigt und die Anarchie des interna‐ tionalen Systems somit zwar nicht überwunden, aber bewältigt werden kann (mitigation logic). Dabei verändern sie zwei Grundannahmen realistischer 2 Die Allianz als Institution 30 <?page no="31"?> 3 Grundlage dieser theoretischen Spielmodelle ist häufig das sogenannte Gefangenendi‐ lemma (Axelrod 1984; Jervis 1978; Stein 1990). Theorien: Zum einen ist für Institutionalist*innen Macht keine relative Größe, sondern eine absolute. In Anlehnung an liberale Wirtschaftstheorie (auch Vertragstheorie) streben Staaten nach institutionalistischer Auffas‐ sung daher nicht nach relativen Gewinnen (z. B. stärker als der Nachbarstaat zu sein), sondern bevorzugen absolute Gewinne - unabhängig davon, wie der Gewinn des Kooperationspartners aussieht (Wallander 1999, 20 ff.). Kooperation kann also beständig sein, solange ein absoluter Gewinn ent‐ steht. Diesen Annahmen liegt keine Gutgläubigkeit zugrunde, dass Staaten nur harmonisch miteinander interagierten oder nie ein Sicherheitsproblem bestünde. Vielmehr bauen sie auf der Einsicht auf, dass Staaten ein Interesse daran haben, das Sicherheitsproblem zu überwinden oder zumindest zu bearbeiten und dass dazu mehr als nur militärische Mittel genutzt werden können (Wallander et al. 1999, 3 ff.). Diese Beständigkeit von Kooperation kann durch verschiedene Wirkme‐ chanismen erreicht werden. Der einfachste davon ist Informationsgewinn. Durch das Einrichten einer gemeinsamen Institution - z. B. eines Vertrags mit Konsultationsmechanismus - treffen Akteure zusammen und können so Informationen über Motivationen, Politiken etc. der anderen Seite erhalten. Unsicherheit wird so teilweise reduziert - teilweise, weil die Möglichkeit der Nichterfüllung der Kooperationsabsicht bestehen bleibt. Verschiedene andere Mechanismen sind jedoch in der Lage, auch dieses Problem des Betrugs oder der Untreue - in spieltheoretischer Sprache (game theory) cheating genannt - zu bewältigen. So fand Robert Axelrod (1984, Kap. 1) heraus, dass der so genannte shadow of the future die Wahrscheinlichkeit von cheating verringert. Da bei wiederholtem Handeln die Wahrscheinlichkeit besteht, erneut auf dieselben Akteure zu treffen, würde unnötiges cheating zu einer Belastung zukünftiger Interaktionen führen, deren Kosten erhöhen und somit den eigenen Interessen zuwiderlaufen. 3 Ebenfalls besteht bei wiederholter Kooperation in Institutionen ein Transaktionskostenvorteil, da die Institution nicht jedes Mal wieder neu aufgebaut werden muss, wenn sie einmal geschaffen wurde - die Kosten für Zusammenarbeit sind versunken („sunk costs“, Stinchcombe zitiert nach Keohane 1984, 102). Somit haben Institutionen langfristig das Potential, Kosten-Nutzen-Kalkulationen der in ihr organisierten Akteure zu verändern. Mehr noch: Durch wiederholte Ko‐ operation kann sich auch eine Kooperationsnorm entwickeln, die wiederum 2.1 Institutionalismus und Sicherheit 31 <?page no="32"?> 4 Wichtige Beiträge zur Debatte finden sich in International Security (Mearsheimer 1990; Hoffmann et al. 1990; Russett et al. 1990) oder bei Keohane (1986), Lebow und Risse-Kappen (1995), Wohlforth (1994). normkonformes Verhalten der Akteure fördert und nicht-normkonformes Verhalten sozial bestraft. Langfristig ist es so also denkbar, dass Staaten ihre Interessen zunehmend so formulieren, dass sie von vornherein koope‐ rationskompatibel sind (Wallander et al. 1999, 9 f.). Gerade mit Bezug zur deutschen Außenpolitik wurde eine derartige Erklärung ihres kooperativen und multilateral-integrativen Impetus über die vergangenen Jahrzehnte immer wieder vorgebracht (Hellmann 2007; Wallander 1999, 148 ff.). 2.1.2 Institutionen und Sicherheit Es gibt eine offene Debatte zwischen Institutionalismus und Realismus über die Anwendungsfähigkeit des Institutionalismus auf Sicherheitsfragen. Während die institutionalistische Schule (auch unterstützt durch liberale Ansätze, s. Moravcsik 1997) die Auffassung vertritt, dass der Anwendung ihrer Theorie auch im Feld Sicherheit nichts Prinzipielles entgegensteht und sich viele Analysen von Sicherheitsphänomenen und Sicherheitsorganisa‐ tionen des Institutionalismus bedienen (Dembinski und Hasenclever 2010; Wallander 1999), ist der Neorealismus der Auffassung, dass Kooperation im Feld Sicherheit zu unbeständig ist, vermeintlich institutionalistische Erklärungen in Wirklichkeit auf andere Faktoren zurückzuführen sind und Institutionen somit im Feld Sicherheit epiphänomenal seien, also keine oder nur eine marginale Relevanz hätten (s. Kap. 3.1). 4 Die bedeutendste Kritik der Anwendbarkeit des Institutionalismus auf Sicherheit wurde von Mearsheimer geschrieben, dem wichtigsten Vertreter des (offensiven) Neorealismus. In seiner Brandschrift The False Promise of International Institutions vertritt Mearsheimer die Auffassung, dass der Institutionalismus lediglich auf Kooperationssituationen anwendbar sei, in denen zwei (oder mehr) Seiten gegenseitig kompatible Interessen haben. Dies sei gerade bei Fragen von Krieg und Frieden nicht der Fall, deren fundamentale Unsicherheitsbedingung sich nicht wie ökonomische Wech‐ selbeziehungen institutionalisieren lasse. Cheating habe hier im Zweifelsfall die Konsequenz, die territoriale und politische Integrität eines Staates zu beenden bzw. ihn schlichtweg auszulöschen. Daher könne man in Si‐ cherheitsbeziehungen nicht das Problem relativer Gewinne bzw. relativer 2 Die Allianz als Institution 32 <?page no="33"?> Machtkalkulationen ausblenden. Findet Kooperation in Sicherheits- und Kriegsfragen statt, seien Machtbeziehungen und relative Gewinne stets ausschlaggebend (s. Kap. 3.1). Von einer Relevanz von Institutionen könne nur dann gesprochen werden, wenn Staaten eine Politik betrieben, bei denen sie relative Gewinne missachteten oder wenn Institutionen trotz relativer Machtprobleme erfolgreich seien. Für beides gäbe es nur schwache empirische Befunde (Mearsheimer 1994, 14 ff.). Mearsheimers Fundamentalopposition wurde von verschiedenen Seiten kritisiert. Bereits früher hat Keohane darauf hingewiesen, dass Institutionen die Befolgung von gemeinsamen Entscheidungen als soziale, normative Verhaltenserwartung hervorrufen. Außerdem sei es unlogisch für Staaten, sich einer Institution anzuschließen und die Interessen, deren Erreichung zur Gründung der Institution geführt haben, dann nicht zu verfolgen (Keo‐ hane 1984, 98 ff.). Sozialisations-, Identitäts- und Normbefolgungsargumente wurden danach vielfach von Konstruktivist*innen empirisch analysiert (Lebow und Risse-Kappen 1995; Katzenstein 1996), gerade auch mit Bezug zur NATO (Behnke 2000; Risse-Kappen 1996) oder zu den Außenpolitiken ihrer Mitgliedstaaten (Duffield 1999; Hemmer und Katzenstein 2002; Oster‐ mann 2019b). Gewissermaßen als Antwort auf Mearsheimer formulieren Haftendorn, Keohane und Wallander (1999) in Imperfect Unions - Security Institutions over Time and Space, wie der Einfluss einer Sicherheitsinstitution gemessen werden kann: 1. Feststellen der normativen Gemeinsamkeiten; 2. Spezifizität von Normen und internen Regeln, die Kooperation steuern; 3. funktionale Differenzierung von Aufgaben zwischen Mitgliedern, durch die gegenseitige Abhängigkeitsverhältnisse entstehen (Wal‐ lander und Keohane 1999, 24 ff.). So argumentieren McCalla (1996, 456 ff.), Wallander und Keohane (1999, 41 ff.) sowie Tuschhoff (1999) mit Bezug zur NATO, dass ein zunehmender Institutionalisierungsgrad, normative Konvergenz, die Existenz von klaren Verhaltensregeln und funktionale Vielfalt sowie Anpassungsfähigkeit maß‐ geblich für das Fortbestehen der Allianz und ihren politischen Erfolg, Sicherheit und Verteidigung im nordatlantischen Raum zu organisieren, gesorgt haben. Wallander (1999, 19 ff.) weist zudem darauf hin, dass Interak‐ tionen zwischen Staaten sowohl aus machtbezogenen als auch kompatiblen Interessen bestehen können - beide können in Institutionen bearbeitet werden. Ungeachtet der auch heutzutage offen zutage tretenden Meinungs‐ 2.1 Institutionalismus und Sicherheit 33 <?page no="34"?> verschiedenheiten zwischen den beiden Seiten des Atlantiks hat die NATO ihre Fähigkeit zu dieser Konfliktbearbeitung bisher immer wieder unter Beweis gestellt. 2.1.3 Institutioneller Wandel und die NATO Die NATO hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 1949 fundamental ver‐ ändert. Dies drückt sich nicht nur im Wandel ihrer Mitgliederstruktur aus, sondern auch in den Machtverhältnissen innerhalb der Allianz, vor allem aber in der Verschiebung ihres Aufgabenspektrums von kollektiver Verteidigung gegen die UdSSR hin zu kollektivem Sicherheitshandeln im Namen der Weltgemeinschaft/ UN und seit 2014 (russische Kriminvasion) wieder zurück Richtung Verteidigung. Wie konnte eine Allianz, die sich erfolgreich verteidigt und ihren Gegner 1991 verloren hat, diesen Wandel überleben, ohne sich aufzulösen oder ineffektiv zu werden, wie es realisti‐ sche Allianztheorie vorhersagt? Institutionalist*innen argumentieren, dass der einzigartig hohe Institutionalisierungsgrad der Atlantischen Allianz, die Existenz von Regeln sowie ihre normativ-ideologischen Gemeinsamkeiten die Transformationsfähigkeit der NATO erklären (s. auch Kap. 6, Konstruk‐ tivismus). Tuschhoff (1999, 146 ff.) unterstreicht, dass trotz der Macht der USA eine Machtverschiebung zugunsten Europas stattgefunden hat, weil sie durch die integrierte Militärstruktur sowie die Beteiligung an gemeinsamen Missionen Einfluss auf Politiken der USA gewannen. Diese Erkenntnis hebt gleichzeitig Keohanes (1984, Kap. 6) früheres Argument hervor, dass Akteure innerhalb einer Institution an ihr festhalten, wenn sie die Interessen des Akteurs repräsentiert, auch wenn diese sich in der Zwischenzeit gewandelt haben mögen. Wegen der hohen Kosten, die mit der Initiierung einer neuen Institution verbunden sind, ist es zudem u. U. sinnvoll, eine Institution zu erhalten und anzupassen, anstelle eine neue aufzusetzen. Auch in Zeiten geringeren institutionellen Ertrags fallen zudem nicht die Informationsvorteile und der Aspekt der geringeren Transaktions‐ kosten weg. Ein psychologischer Grund für den Erhalt einer Institution kann zudem die Bevorzugung von Stabilität gegenüber Unsicherheit sein (ibid., 100 ff.). Damit deutet Keohane das in der Organisationstheorie entwickelte und im Institutionalismus übernommene Argument der Pfadabhängigkeit (path dependency) an (Keohane 1989, 169 f.; March und Olsen 1984, 745). Pfadabhängigkeit bedeutet, dass einmal Geschaffenes die Tendenz hat, entweder zukünftige Lösungswege vorzugeben - z. B. eher kooperative Lö‐ 2 Die Allianz als Institution 34 <?page no="35"?> 5 S. dazu die Principal-Agent Theory ( Jensen und Meckling 1976). sungen als konfrontative - und sich selbst nicht abschaffen zu wollen. Somit muss man internationale Organisationen auch als Bürokratien verstehen, in denen internationale Beamt*innen ein Eigeninteresse am Fortbestand ihres Wirkens haben und u. U. unabhängig von politischen Vorgaben 5 oder Krisen handeln (Barnett und Finnemore 2004; March und Olsen 1989; McCalla 1996, 456 ff.). Je höher der Institutionalisierungsgrad, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine Organisation Krisen und weltpolitische Wandelprozesse, wie das Ende des Kalten Krieges, überleben können und dabei ihre Aufgaben verändern (s. Kap. 5). Diese theoretischen Überlegungen zum Institutionalismus zeigen, dass seine Anwendung auf Sicherheitsorganisationen keinesfalls so abwegig ist, wie Mearsheimer impliziert. Wenngleich seine Kritikpunkte, vor allem mit Blick auf das Problem relativer versus absoluter Machtgewinne, Grund zum Nachdenken geben und zu einer vorsichtigen Analyse von politischen Interessenlagen und Konfliktdynamiken anhalten, so erscheint eine insti‐ tutionalistische Perspektive zumindest als eine valide Betrachtungsweise der NATO unter anderen. Seine ökonomisch inspirierten, rationalistisch geprägten Konzepte zu Kostenvorteilen und absoluten Gewinnen durch Kooperation sowie zur Regelbefolgung sind ein fundiertes Gerüst zum Begreifen von Vorgängen in Sicherheitsinstitutionen. Bei der folgenden Befassung mit der NATO als Organisation können uns diese theoretischen Überlegungen bereits hilfreich sein. 2.2 Verträge und Erweiterungen 2.2.1 Gründungsmitglieder: Brüsseler Vertrag 1948 und Nordatlantikpakt 1949 Von Jalta und Berlin nach Brüssel Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde den westlichen Sieger‐ mächten und den Verantwortlichen der von ihnen befreiten Staaten schnell klar, dass die gemeinsamen Absprachen über die europäische Nachkriegs‐ ordnung und Kooperation in den neuen Vereinten Nationen, die in Jalta zwischen der UdSSR, den USA und dem Vereinigten Königreich ausgehan‐ 2.2 Verträge und Erweiterungen 35 <?page no="36"?> 6 Diese Einschätzung beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit, wie von Gersdorff (2009, 73) berichtet. delt wurden, keinen Bestand haben würden. Die Sowjetunion verfolgte angesichts eines schwachen Westeuropas eine Expansions- und Annexions‐ strategie und mischte sich in die internen Prozesse anderer Staaten, z. B. Bulgariens, Polens, Rumäniens oder der Tschechoslowakei, offensiv oder subversiv ein (Harbutt 2010; Schöllgen 2013a, 250 ff.; von Gersdorff 2009, 74 f.). Durch das Verlassen des Alliierten Kontrollrats Anfang 1948 bildete sich ein westlich-liberales und ein östlich-kommunistisches Lager (ibid., 92 ff.). Dass die politische Ideologie als fundamentaler Unterschied zwischen den beiden Lagern angesehen wurde, wurde am besten durch das Long Telegram illustriert, die Fundamentalkritik des politischen und gesellschaft‐ lichen Systems der Sowjetunion durch den amerikanischen Diplomaten George F. Kennan (1946). In seinem langen, analytischen Telegramm an den damaligen amerikanischen Außenminister identifizierte Kennan den sowje‐ tischen Expansionismus als Hauptgefahr für die freie, westlich geprägte Welt. 6 So nahm die Politik des Containment, der militärischen, ökonomi‐ schen und politisch-ideologischen Eingrenzung der Sowjetunion, ihren Lauf. Die Blöcke des Kalten Krieges begannen, sich zu konstituieren (Combs 2012, 210 ff.; Czempiel und Witzel 1998; Welch Larson 1985). Die Teilung Europas wurde durch die Gründung der westgebundenen Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949 und der Deutschen Demokratischen Republik als Satellitenstaat der Sowjetunion am 7. Oktober 1949 besiegelt. In Anbetracht der wahrgenommenen Gefahr von Osten, verdeutlicht durch den Staatsstreich der Kommunistischen Partei in der Tschechoslo‐ wakei im Februar 1948, wurde am 17. März 1948 von Belgien, Frankreich, Irland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich der Brüsseler Vertrag unterzeichnet, der die Westunion begründete (Kaplan 1984, 63 f.). Das Abkommen sah sowohl Aspekte der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Kooperation als auch der kollektiven Selbstverteidigung vor, wobei letztere in Anbetracht der politischen Ereignisse zunehmend im Zentrum der Verhandlungen standen (Grosser 1986, 95 ff.; Georgantzis 1998, 27 ff.; von Gersdorff 2009, 94 ff.). Dazu bestimmt Art. 4 unter Verweis auf Art. 51 der UN-Charta (Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung, United Nations 2013), dass ein angegriffener Unterzeichnerstaat „alle mili‐ tärische und andere Hilfe und Unterstützung“ (NATO o. J.-a) der anderen 2 Die Allianz als Institution 36 <?page no="37"?> 7 Selbstverteidigung und eine durch den UN-Sicherheitsrat genehmigte Maßnahme zur Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit sind die einzigen beiden Ausnahmen vom Gewaltverbot der UN-Charta. 8 Lord Ismay schreibt unmissverständlich, dass „es nichts Anderes gab, außer den amerikanischen Besitz der Atombombe, um die Sowjets abzuschrecken, Westeuropa zu überrennen“ (Ismay 1955, 7). Staaten erhalten soll. 7 Somit ist die Formulierung bereits nah an die späteren Ausführungen des Nordatlantikvertrags angelehnt, implizierte jedoch im Gegensatz zu letzterem einen Automatismus (Georgantzis 1998, 29; Raflik 2011, 212). Der Wille zur Schaffung eines langfristigen Bündnisses spiegelte sich in der 50-jährigen Vertragslaufzeit wider (Art. 9, s. auch Grosser 1986). Im September 1948 richteten die Brüsseler Vertragsstaaten ein eigenes Hauptquartier in Fontainebleau bei Paris, einen Ministerrat und einen Rat der militärischen Stabschefs ein, die als Vorbild für die NATO-Strukturen dienten (Georgantzis 1998, 29; Ismay 1955, Kap. 1; Kaplan 1984, 102). Im Verlauf der kommenden Monate hatte sich die politische Lage in Europa so verschlechtert, dass immer deutlicher wurde, dass eine gemein‐ same kollektive Verteidigungslösung mit den USA erarbeitet werden musste, um sich gegen sowjetische Einmischung, Expansion und Machtgebaren (s. Exkurs Berlin-Krisen Kap. 3) zu wehren (Grosser 1986, 96; Schöllgen 2013b, 24 ff.). Diese Aktionen machten klar, dass der UdSSR nicht an einer gemeinsamen Neuorganisation von Europa gelegen war. Vielen Verant‐ wortlichen, allen voran US-Präsident Truman, war daher bewusst, dass der vom Krieg zerstörte Kontinent weiterhin starke Partner nötig hatte, um sich gegenüber der Sowjetunion zu behaupten (Combs 2012, 210 ff.; Kaplan 1984, 65 ff.). 8 Durch das Europäische Wiederaufbauprogramm - den Marshall-Plan - unterstützten die USA seit April 1948 zwar schon massiv die westeuropäischen Wirtschaften, aber es setzte sich die Einsicht durch, dass dies nicht reichen würde, um den Frieden zu sichern. Letztlich ging es den US-Amerikaner*innen auch darum, dass die europäischen Staaten in Anbe‐ tracht der Nähe zu Russland und seiner militärischen Präsenz in Westeuropa nicht ein kommunistisches rapprochement eingehen würden. So wurde die Truman-Doktrin geboren, die allen demokratischen Staaten Unterstützung gegen innere und äußere Feinde zusicherte (Combs 2012, 210 ff.; Kaplan 1984, 49 ff.; von Gersdorff 2009; Schöllgen 2013b, 24). Der republikanische US-Senator Arthur H. Vandenberg und der kanadische Außen- und spätere Premierminister Louis Saint Laurent brachten schließlich erfolgreich Reso‐ lutionen in ihren Parlamenten ein, die den Startschuss zu Verhandlungen 2.2 Verträge und Erweiterungen 37 <?page no="38"?> 9 Artikelnennungen beziehen sich stets auf den angegebenen Nordatlantikvertrag. Portugal unter Salazar war keine Demokratie, aber die Bedeutung der Azoren als Militärbasis im Atlantik wurde als zu wichtig angesehen, um es außen vor zu lassen. Des Weiteren bestand der Eindruck, dass Portugal nicht totalitär sei (Kaplan 1984, 109 f.; von Gersdorff 2009, 124, 362 ff.). für eine Sicherheits- und Verteidigungsallianz markierten. Die USA traten aus militärischen Gründen außerdem dafür ein, dass die Allianz nicht nur die Brüsseler Vertragsstaaten und sich selbst umfassen sollte, sondern auch Kanada sowie die weiteren NATO-Gründungsmitglieder, um territoriale und somit auch im Angriffsfall logistische Kontinuität herzustellen. Frankreich wollte durch die Einbeziehung Italiens die Südflanke der Allianz bedacht wissen. Es dauerte daher eine Weile, bis man sich auf den genauen Zuschnitt des Bündnisses geeinigt hatte (Kaplan 1984, 42, 70 ff.; Ismay 1955, Kap. 1; von Gersdorff 2009). Der Nordatlantikvertrag von 1949: Die Gründung der NATO Unter dem Eindruck einer immer noch andauernden Berlin-Blockade (bis 12. Mai 1949) und sowjetischer Gegendiplomatie (Kaplan 1984, 96) wurden die Verhandlungen für einen transatlantischen Pakt fortgesetzt. Die NATO wurde schließlich am 4. April 1949 in Washington D.C. mit der Unterzeich‐ nung des Nordatlantikvertrags - auch Washingtoner Vertrag genannt - durch Belgien, Dänemark, Frankreich, Island, Italien, Luxemburg, Kanada, die Niederlande, Norwegen, Portugal, das Vereinigte Königreich und die USA gegründet. In der Präambel verpflichten sich die Unterzeichner sowohl auf die Prinzipien der UN, darunter das Ziel der friedlichen Konfliktbeilegung, als auch auf die „Grundsätze[n] der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts“ (NATO 1949a). 9 Damit wird gleich zu Beginn deutlich, dass das Wertefundament der Atlantischen Allianz und der Unterzeichnerstaaten demokratisch-liberal geprägt ist. Ohne jemals die UdSSR direkt zu erwähnen positioniert sich der Nordatlantikvertrag klar gegen das gesellschaftliche und politische System des kommunistischen Feindes im Osten, ganz im Sinne von Kennans Long Telegram. Die Staaten bekennen sich des Weiteren zu einer friedlichen Konfliktbeilegung (Art. 1) sowie zur Intensivierung ihrer wirtschaftlichen Zusammenarbeit (Art. 2, s. von Gersdorff 2009, 396 ff., 407 ff.). Der Vertrag spricht ebenfalls gegenseitige Kooperation und Unterstützung beim Aufbau von Verteidigungskapazitäten (Art. 3) als notwendige Bedingung einer gemeinsamen Verteidigung an. 2 Die Allianz als Institution 38 <?page no="39"?> 10 Die Bestimmungen führen des Weiteren aus, dass der NAC unabhängig von der zusammentretenden Formation stets die gleichen Beschlussrechte hat (NATO 2017g). Als Kern des Vertrags gilt Art. 5. Dieser führt unmissverständlich aus, dass „Die Parteien vereinbaren, daß ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, daß im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidi‐ gung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten. […]“ (NATO 1949a, Artikel 5) Dieser Artikel beinhaltet zwei deutliche Formulierungen: zum einen die Formel, dass ein Angriff auf ein Mitglied als ein Angriff auf alle Mitglieder zu zählen ist und zum anderen die Verpflichtung zum militärischen Bei‐ stand. Gleichwie ist dies nicht als Beistandsautomatismus misszuverstehen (Grosser 1986, 96 f.; von Gersdorff 2009, 436 ff.). Der Antrag auf Ausrufung des Bündnisfalls bedarf des einstimmigen Votums der Mitglieder. Seine Akzeptanz präjudiziert nicht die automatische Entsendung von Truppen (Georgantzis 1998, 31; Raflik 2011, 210). Er impliziert jedoch indirekt genau das (Kaplan 1984, 26). Staaten entscheiden in Übereinstimmung mit ihren verfassungsgemäßen Bestimmungen über die konkrete Art der Reaktion und Form der Hilfe (ibid., 84 ff., 113 ff.). Lord Ismay (1955, Kap. 2) weist zudem darauf hin, dass schon in den Verhandlungen klar war, dass Alliierte unterschiedliche (militärische, wirtschaftliche, logistische) Beiträge zur „ge‐ genseitigen Unterstützung“ (Art. 3) leisten würden, je nach ihren eigenen ökonomischen Fähigkeiten und geografischen Gegebenheiten. Art. 9 führt weiter aus, dass Entscheidungen eines Rats bedürfen, der später den Namen Nordatlantikrat (NAC) erhielt und seit 1952 wöchentlich tagt - i. d. R. auf Botschafter/ Permanente Repräsentanten-Niveau sowie zweimal jährlich mit Außenministern, dreimal mit Verteidigungsministern und bei Bedarf (i. d. R. einmal jährlich als Gipfeltreffen) mit den Staats- und Regierungschefs (NATO 2017g). 10 Obgleich kürzer als beim Brüsseler Vertrag (s. Kaplan 1984, 118 f.), legt Art. 13 eine mindestens zwanzigjährige Vertragsdauer fest. 2.2 Verträge und Erweiterungen 39 <?page no="40"?> Mit der Unterzeichnung des Nordatlantikvertrags konstituierte sich somit vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine neue europäische Sicherheitsordnung. Im westlichen Block waren die demokratisch-liberalen Staaten vereinigt, während die Länder des Ostblocks vor allem kommunis‐ tisch geprägt waren, der Sowjetunion angehörten oder ihre abhängigen Satellitenstaaten waren. Diese Blockbildung sollte bis zur Zeitenwende 1989-1991 eine der bestimmenden Größen der Weltpolitik sein und auch Konflikte in anderen Teilen der Welt durch den ideologischen Gegensatz der beiden Blöcke und ihren Kampf um eine jeweilige Vormachtstellung beeinflussen. Bald nach der Unterzeichnung wurde den Vertragsstaaten jedoch be‐ wusst, dass zur Erreichung des Vertragszwecks ein vertraglich vorgesehener gemeinsamer Rat und Verteidigungsausschuss nicht ausreichen würden und weitere Integrationsschritte gegangen werden mussten. Das Jahr 1950 stand somit am Beginn des Aufbaus gemeinsamer Planungs-, Trainings- und Kommandostrukturen der Allianz, die vorsahen, dass die Staaten ihre Truppen unter das Kommando international bestimmter Militärs stellten. Lord Ismay erklärt, dass „diese Allianzprinzipien niemals in der Geschichte zu Friedenszeiten auf so eine Stufe gebracht wurden“ (Ismay 1955, 14). Mindestens genauso zentral war aber die Organisation der Militärhilfe und die Erstellung von Plänen zum Aufbau der nationalen Armeen (Kaplan 1984, Kap. 7; von Gersdorff 2009, 229 ff.). Bereits seit Ende 1949 liefen amerikanische Waffenlieferungen für eu‐ ropäische Vertragsstaaten, um die Verteidigungsfähigkeit der Alliierten zu erhöhen. Auf seinem ersten Zusammentreffen am 17. September 1949 beschloss der NAC zudem die Einrichtung eines Verteidigungskomitees, eines Militärkomitees, regionaler Verteidigungsplanungsgruppen und einer Standing Group der Vertreter der Stabschefs von Frankreich, Großbritan‐ nien und der USA, die permanent in Washington angesiedelt war. Die Gründung weiterer technischer Komitees folgte, die in London angesiedelt wurden. Diese Schritte führten zum ersten Strategischen Konzept von 1949 (s. Kap. 3.2) und Aktivitäten zur Bestandsaufnahme von Verteidigungsaus‐ gaben sowie Ressourcenmanagement. Da dieser dezentrale Prozess sehr schleppend lief, beschlossen die Alliierten bald, ein permanentes ziviles Hauptquartier einzurichten, in dem die Aktivitäten durch politische Ver‐ treter besser koordiniert werden sollten (Kaplan 1984, 139 ff.). Dies geschah mit einem Gefühl der Dringlichkeit, da die russischen Kräfte östlich der Elbe weit stärker und einheitlicher organisiert waren, als die der Alliierten, 2 Die Allianz als Institution 40 <?page no="41"?> bei denen nicht einmal eine Verteidigungslinie an der deutsch-deutschen Grenze bestand (ibid., 142 f.; ähnlich Ismay 1955, Kap. 3). Der Ausbruch des Koreakriegs am 25. Juni 1950 hatte zwei Effekte auf die NATO: Zum einen zeigte er durch die Intervention der USA und anderer Alliierter zugunsten Südkoreas, dass liberale Staaten füreinander einstehen konnten. Die Vertrauenssache Artikel 5 erhielt somit indirekt Substanz. Zum anderen bestätigte der Angriff Nordkoreas die Gefahr, die von einem nicht-eingegrenzten Kommunismus ausging. Ein Dominoeffekt wurde gefürchtet, der Pläne zum Aufbau der gemeinsamen Verteidigung beschleunigte (Kaplan 1984, 145 ff., 150 ff.; Schöllgen 2013b, 35 f.). Der NAC beschloss daher, dass eine integrierte Kommandostruktur unter einem gemeinsamen Truppenkommandeur geschaffen werden sollte, um einer möglichen sowjetischen Aggression besser begegnen zu können. Abbildung 1: NATO-Strukturen 1950 (Quelle: Pedlow (1997), eigene Darstellung) 2.2 Verträge und Erweiterungen 41 <?page no="42"?> 11 Alfred Grosser (1986, 110) schreibt, dass Eisenhower als „Befreier Frankreichs“ verehrt wurde. Als erster gemeinsamer Kommandeur - den Supreme Allied Commander Europe, oder SACEUR - wurde der hoch-dekorierte US-Armeegeneral und Oberbefehlshaber der Befreiung Europas, Dwight D. Eisenhower bestimmt, der den Respekt aller Alliierten genoss 11 und am 2. April 1951 sein Amt an‐ trat. Eisenhower erhielt daraufhin den Oberbefehl über alliierte Einheiten in Europa, z. B. auch der drei französischen Divisionen in Deutschland (Ismay 1955, Kap. 4), und baute in der Folge das neue militärische NATO-Haupt‐ quartier zuerst in Paris und dann in Versailles auf, das Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE). Mit der Etablierung von SHAPE nahm die Institutionalisierung der NATO als Militärallianz ihren Lauf. Sie wurde über die Jahre mit einer Intensität durchgeführt, die in der modernen Militärgeschichte ihres Gleichen sucht. Kapitel 2.3 wird sich hiermit genauer befassen, während wir uns jetzt zunächst der weiteren Mitgliederentwicklung der NATO widmen. 2.2.2 Beitritte in den 1950ern: Griechenland, Türkei, Deutschland und die Pariser Verträge 1954/ 55: Kampf dem Kommunismus Die bereits während der Gründung der NATO geführten Diskussionen zum Umfang der Mitgliedschaft (s. von Gersdorff 2009, 326 ff.) wurden auch nach der Aufnahme der täglichen Arbeit durch das Bündnis weitergeführt. Verhandlungen ab 1951 führten zum Beitritt Griechenlands und der Türkei am 18. Februar 1952, um so die antikommunistische Zone in Europa auszu‐ weiten. Die USA hatten den beiden Ländern bereits in den 1940er Jahren wirtschaftliche und militärische Unterstützung zukommen lassen, um sie an den Westen zu binden, sodass der NATO-Beitritt eine logische Konsequenz war, um die Südflanke der Allianz militärisch und politisch abzusichern (CSIA European Security Working Group 1978; McGhee 1990). Verschiedene bilaterale Abkommen der USA mit Alliierten sorgten zudem für eine erhöhte und konsolidierte Truppenpräsenz der US-Amerikaner*innen. 1952 waren so bereits 400.000 US-amerikanische Soldat*innen in Europa stationiert und auch Kanada entsandte Truppen (Ismay 1955, Kap. 5). Um die Koordination in den NATO-Strukturen weiter zu verbessern, wurden die verschiedenen Komitees unter der Ägide des Nordatlantikrats neu organisiert, sodass seit Mai 1951 der Rat auch die Verteidigungs- und 2 Die Allianz als Institution 42 <?page no="43"?> 12 Ismay (1955, 62) berichtet, dass am 1. Juli 1954 189 Offiziere im militärischen Bereich ihren Dienst taten und 596 Zivilist*innen den International Staff bildeten. Finanzminister sowie bei Bedarf weitere Vertreter einschloss. Die Perma‐ nenten Stellvertreter/ Botschafter wurden das Rückgrat der zivilen Organi‐ sationsstruktur (Ismay 1955, 41). Ein wichtiger Beschluss war, die zivilen Ko‐ mitees der NATO alle in Paris zusammenzubringen und unter die Führung eines Generalsekretärs zu stellen, der die Geschicke der Allianz leiten sollte. So stellt der spätere erste Generalsekretär Ismay dann auch fest, dass der bis dahin größte Erfolg der NATO zu der Zeit nicht militärischer Natur war, sondern darin lag, die „NATO-Methode“ zu entwickeln, „eine Technik, nach der die Repräsentanten der zwölf (später vierzehn) souveränen Regierungen einstimmige Einigkeit erreichten, ohne formal abzustimmen“ (Ismay 1955, 48). 12 Bereits auf dem ersten Pariser Nordatlantikrat am 28. April 1952 wurde ein neuer Oberbefehlshaber bestimmt, da Eisenhower sich für eine US-Präsi‐ dentschaftskandidatur interessierte, und die Regel eingeführt, dass dies stets ein US-amerikanischer General sein sollte. Man entschied sich auch für eine Doppelstruktur aus formellen und informellen Zusammenkünften des nun permanenten Rats, um verschiedene Arten vertraulicher Kommunikation und der Entscheidungsvorbereitung zu etablieren bzw. um sich über Fragen allgemeiner Natur auszutauschen. Später sollte Informalität eine wichtige Rolle bei der Lösung komplexer Probleme der Allianz spielen, z. B. im International Staff (Mayer und Theiler 2014). Problematisch war in den 1950er Jahren vor allem die Einbeziehung Deutschlands in die Verteidigungsplanungen. Die Gründung einer Europäi‐ schen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) mit neuen, vollintegrierten deut‐ schen Kräften scheiterte am Widerstand Frankreichs. Als Alternativlösung wurde Deutschland am 6. Mai 1955 in die NATO aufgenommen, nachdem Großbritannien und die USA weitere Sicherheitsgarantien für Europa abge‐ geben hatten. So konnte Deutschland an der Verteidigung Westeuropas, die auf seinem Territorium erfolgen musste, beteiligt werden, aber verblieb gleichzeitig unter Kontrolle (s. ausführlich Kap. 3.3). In den folgenden Jahren baute die NATO sowohl die Anzahl verfügbarer Streitkräfte als auch die militärische Infrastruktur (Kommunikation, Luftwaffenbasen, Pipelines), die für die gemeinsame Verteidigung benötigt wurde, stark aus (Kaplan 1984, 170 ff.). Durch den Beitritt der BRD zur NATO und WEU wurde das Grundpro‐ blem der Verteidigung Westeuropas mit/ ohne Deutschland gelöst und die 2.2 Verträge und Erweiterungen 43 <?page no="44"?> BRD fest im Westen verankert, was der politischen Mehrheitsmeinung entsprach. Gleichzeitig wurde so die Teilung Deutschlands und Europas zementiert (Kaplan 1984, 173). Die Unterzeichnung der Pariser Verträge und der Beitritt der BRD zur NATO waren auch der Anlass, dass im Osten am 14. Mai 1955 der Warschauer Pakt zwischen der Sowjetunion und Albanien, Bulgarien, der Tschechoslowakei, Ungarn, Polen und Rumänien gegründet wurde (Schöllgen 2013b, 56 f.). Der Verteidigungspakt schuf ein vereintes Oberkommando aller Streitkräfte unter sowjetischer Führung. Die Breschnew-Doktrin, benannt nach dem damaligen Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, sah für die Ostblockstaaten nur noch eine beschränkte Souveränität vor (Dembinski 2013). Abbildung 2: NATO-Strukturen nach April 1952 (Quelle: Pedlow (1997), eigene Darstellung) 2.2.3 Die späteren Erweiterungen von 1982 bis 2020 Zu Zeiten des Kalten Kriegs erfuhr die Mitgliederstruktur der NATO kaum eine Veränderung und auch der Warschauer Pakt blieb mit Ausnahme des Austritts Albaniens im Jahr 1968 (Protest gegen den Einsatz von Warschauer Pakt-Truppen im Prager Frühling, s. bpb 2016) ebenfalls stabil. Frankreich 2 Die Allianz als Institution 44 <?page no="45"?> war von 1966/ 67 bis 2009 nicht Teil der integrierten Militärstruktur, da es seine Unabhängigkeit wahren wollte (s. Exkurs Kap. 3), blieb aber aktives Mitglied. 1982 trat Spanien bei, nachdem es nach dem Tod Francos unter König Juan Carlos I. wieder zu einer parlamentarischen Monarchie wurde. So endete die iberische Spaltung der NATO und es entstand territoriale Kontinuität von der amerikanischen Seite des Atlantiks nach Europa bis ans Mittelmeer und die Ostgrenze der Türkei, der nur die Balkanstaaten mit Ausnahme Griechenlands nicht angehörten. Portugal, Mitglied seit 1949, wurde zwischen 1974 und 1976 durch die Nelkenrevolution wieder ein demokratischer Staat. Das Ende des Kalten Krieges nach der deutschen Wiedervereinigung 1989/ 90 sowie dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 stellt das ein‐ schneidendste Ereignis der Geschichte der NATO dar, da der Feind aufhörte zu existieren. Die Allianz setzte daraufhin einen tiefgreifenden Transfor‐ mationsprozess um (s. Kap. 4, 5). In vielen der ehemaligen Sowjet- und Warschauer Paktstaaten gab es nach den Revolutionen um 1990 klare politische Mehrheiten, die eine Anbindung an die westlichen Institutionen suchte, denen sie sich kulturell und wertebasiert verbunden fühlten (Alamir und Pradetto 1998). Dies geschah nicht zuletzt aufgrund der Unterdrückung demokratischer Prozesse während der UdSSR-Zeit. Daher dauerte es nicht lange, bis viele Staaten Beitrittsgesuche zur NATO (und für Wirtschafts‐ fragen zur EU) stellten, um sich den Beistand der Allianz - und der USA als einzig verbliebener Supermacht - zu sichern und nie wieder in eine Abhängigkeits- und Unterdrückungssituation wie vor 1989/ 90 zu geraten (ibid., s. ausführlich Kap. 4.2). Die Beitritte erfolgten in drei Etappen. Am 12. März 1999 wurden die Tschechische Republik, Ungarn und Polen Mit‐ glieder. Am 29. März 2004 (Prag-Gipfel) folgten Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien (NATO 2019j). Nach dieser größten Beitrittswelle der Allianz waren somit alle Warschauer Pakt-Staaten mit Ausnahme Albaniens (Beitritt 2009) und drei Staaten der ehemaligen Sowjetunion Mitglieder der NATO, sodass es nun 26 Bündnisstaaten gab. Mit den Demokratisierungswellen in Südeuropa (1970er) und in mittel- und Osteuropa (1990er) bekam auch das liberale Wertefundament des Bündnisses erneute Bedeutung. Nach 2004 gab es noch vier weitere Beitritte. 2009 wurden zeitgleich Albanien und Kroatien aufgenommen. Nach Slowenien war Kroatien somit bereits die zweite ehemalige jugoslawische Teilrepublik, die sich der NATO angeschlossen hatte. Die jüngsten Mitglieder der Atlantischen Allianz 2.2 Verträge und Erweiterungen 45 <?page no="46"?> 13 Bis 2019 wegen Namensstreitigkeiten mit Griechenland meist als Ehemalige Jugoslawi‐ sche Republik Mazedonien (FYROM) bezeichnet. 14 Zur Theorie des Demokratischen Friedens s. Doyle (1983a, 1986), Morgan und Campbell (1991), Müller (2008). sind im Moment Montenegro und Nordmazedonien, 13 die 2017 bzw. 2020 beitraten. So wurde die Adria zu einem NATO-Binnenmeer (NATO 2018i). Mit ihren 30 Mitgliedern und ihrer mehr als 70-jährigen Geschichte ist die Nordatlantikvertragsorganisation die größte und beständigste multilaterale Militärallianz der Welt. Ihr Auftrag hat sich über die Jahre gewandelt (mehr in Kap. 4, 5), doch kollektive Verteidigung spielt immer noch eine große Rolle in der NATO - das erste Mal wieder nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA und erneut seit der russischen Annexion der Krim 2014. Bis 2014 erlebte Europa so im Wesentlichen eine Epoche ohne Großmachtkonfrontation. Alte, jüngere und wieder unabhängige De‐ mokratien haben sich dabei nicht nur in der NATO zusammengeschlossen, sondern auch in der EU und OSZE, um ihre gegenseitigen Beziehungen zu verstetigen. Damit wurde die demokratische Friedenszone ausgeweitet. 14 Es gibt immer noch politische Konflikte zwischen den Mitgliedern, aber ihre Austragung mit Gewalt ist quasi undenkbar. Kooperation ist sowohl interessenbasiert (Schutz) als auch durch eine gemeinsame demokratische Kultur untermauert. Wie diese westlich-liberale Wertebasis Kooperation und Konflikt strukturiert, werden die Kapitel 5 und 6 genauer aufzeigen. 2.3 Strukturen Struktur Anzahl (2019) International (Military) Staff in Brüssel (zivil und militärisch) 1.700 nationale Delegationsmitglieder (national representatives) 1.500 militärische Kommandostruktur (International Military Staff) 6.800 Agenturen 500-650 GESAMT ca. 10.500 Tabelle 2: Mitarbeiter NATO-Strukturen (Quelle: NATO (2018d), persönliche Anfrage; eigene Darstellung) 2 Die Allianz als Institution 46 <?page no="47"?> 15 Während ihrer NATO-Mitgliedschaft kannten nur Griechenland, Portugal und die Türkei Phasen von Diktatur oder Illiberalismus. Zu illiberalen Tendenzen heute - auch in NATO-Staaten - s. Kap. 7. Seit dem Aufbau der NATO-Strukturen hat sich innerhalb der Atlantischen Allianz ein umfangreiches, weit verzweigtes institutionelles und organisa‐ torisches Geflecht entwickelt. Zum Ende des Kalten Kriegs arbeiteten 32.000 Militärs in NATO-Strukturen (plus 500-1.000 Zivilist*innen, NATO 2018d). 2019 beläuft sich diese Zahl nach Wandelprozessen auf ca. 10.500 Beschäf‐ tigte - eine Zahl, die bis 2021 angesichts aktueller sicherheitspolitischer Herausforderungen auf 12.000 ansteigen soll. 2.3.1 Politische Führung und Komitees Als Militärallianz von meist liberalen Demokratien 15 herrscht in der NATO trotz des hohen Grades militärischer Integration ein Primat der Politik gegenüber dem Militär. Dieses Primat reicht bis zum Kern der Allianz, dem Beistandsartikel, der nur durch eine einstimmige politische Entscheidung des Nordatlantikrats ausgerufen werden kann (Michel 2014, 107 ff.; NATO 2017g; Pouliot 2016, 90). Der NAC ist das einzige Organ, das explizit im Text des Nordatlantikpakts erwähnt wird (Art. 11) und dem es freisteht, weitere Organe einzusetzen. Es gibt keine formalen Regelungen zum Abstimmungs‐ verhalten. Lord Ismay schreibt hierzu: „The Council have no written rules of procedure; nor has the need for such rules ever been felt. […] Decisions are unanimous; there is no voting. When govern‐ ments hold divergent views, negotiation continues until unanimous agreement has been attained. There is no question of, say, ten nations forcing four to do what they do not want to do. The Council are no supranational body; their members are representatives of sovereign states. It is true that unanimity is not always achieved without considerable patience and a good deal of give and take; but it has always been reached in the end. That is because the interests and objectives of all NATO countries are fundamentally the same, and because the habit of thinking alike and acting alike for the common good is growing daily.“ (Ismay 1955, 60). Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird die folgende Darstellung den heutigen Stand der NATO-Strukturen wiedergeben. Dort, wo es notwendig ist, werden bedeutende historische Aspekte angesprochen. 2.3 Strukturen 47 <?page no="48"?> Abbildung 3: Politische Struktur der NATO (Quelle: NATO (2017a, 2018i), eigene Darstellung) Der Generalsekretär weist in dieser Beobachtung zum einen auf die Erleich‐ terung von Kooperation durch gemeinsame Interessen hin und spricht zum anderen die Existenz von Sozialisationsmechanismen an (Michel 2014, 107 ff.), die im Verlauf des Buches weiter thematisiert werden. 2 Die Allianz als Institution 48 <?page no="49"?> 16 Lord Ismay weist auf die wichtige Funktion der informellen Treffen auf Botschafter‐ ebene hin, die i. d. R. ohne Beteiligung Dritter stattfänden und so eine direkte Austausch- und Vorbereitungsfunktion für spätere Entscheidungen hätten (Ismay 1955, Kap. 6; s. auch Mayer und Theiler 2014). Die Zusammensetzung und Tagungsweise des Rats hat sich seit der Grün‐ dung gewandelt, heute finden Sitzungen in vier Formaten statt, nämlich als Zusammenkünfte ▸ der ansässigen NATO-Botschafter (permanent representatives, wö‐ chentlich mind. 1x inoffiziell 16 und 1x offiziell); ▸ der Außenminister (2x jährlich); ▸ der Verteidigungsminister (3x jährlich); ▸ der Staats- und Regierungschefs im Gipfelformat (i. d. R. 1x jährlich, s. NATO 2017g). Der Nordatlantikrat spiegelt somit die Struktur der NATO als intergouverne‐ mentale Institution wider, in der alle Macht von den Mitgliedstaaten ausgeht. Daher ist der Austausch enorm wichtig, um gegenseitiges Verständnis über nationale Positionen herzustellen und diese in gemeinsame Politiken zu transformieren, bei denen sich alle Staaten mitgenommen fühlen. Dieser zentrale Bündniskoordinationsprozess im NAC wird durch 20 sek‐ torale Komitees (s. Abb. 3), an denen nationale Delegationsmitglieder sowie Mitarbeiter*innen des International Staff (IS) teilnehmen, den Generalse‐ kretär (s. u.) und die Militärstruktur unterstützt. In den Komitees werden ähnlich dem Ausschusswesen in Parlamenten Fachthemen besprochen, sodass daraus gemeinsame Politiken hervorgehen. Durch die Zusammen‐ arbeit von nationalen Delegierten mit internationalen Mitarbeiter*innen werden in den Komitees die Mitglieder- und die institutionelle Ebene verschränkt, wodurch für inhaltliche Kohärenz und Wissenstransfer gesorgt sowie nationalen Positionen Rechnung getragen wird. Auch transaktional sind die Komitees wichtig, da Politiken durch ständige Strukturen einfacher umgesetzt werden können, als das bei ad hoc-Zusammenarbeit möglich wäre. Genau wie der NAC funktionieren diese Komitees und alle anderen untergeordneten Arbeitsgruppen nach dem Konsensprinzip (NATO 2017a). Der NAC nimmt also im Handeln der Allianz eine zentrale Rolle ein, weil er für politische Direktion auf Basis nationaler Interessen der Mitgliedstaaten sorgt und daraus Leitlinien für gemeinsames Handeln beschließt. Diese werden dann von den Hauptquartieren umgesetzt. Das einzige Gremium, das auf einer 2.3 Strukturen 49 <?page no="50"?> 17 Auch nach seiner Reintegration in die Militärstruktur (2009) nimmt Frankreich nicht an der NPG teil, sodass die Koordinationsfunktion nur eingeschränkt wahrgenommen werden kann (von Hlatky 2014). 18 Unter dem Begriff Strategie wird die Gesamtheit aller planerischen Aspekte um ein Problem verstanden, während Taktik konkretes Handeln auf Schlachtfeldern ausgestaltet (Strachan 2005, 35). Barry Posen unterscheidet im militärischen Bereich grand strategy - die Gesamt‐ heit aller politisch-militärischen „Mittel-Ziele-Ketten“, die nötig sind, um Sicherheit zu gewährleisten - von military doctrine, die sich mit den militärischen Mitteln zur Umsetzung der politischen Ziele befasst (Posen 1984, 13). Atomwaffen werden wegen ihrer enormen Zerstörungskraft heute meist als strategische Waffen aufgefasst (Brodie 1959, Introduction, 325 f.). ähnlichen Ebene wie der NAC angesiedelt ist, ist die Nuclear Planning Group (NPG). Die NPG ist für Fragen zur nuklearen Verteidigung, die Koordination der Nuklearpolitiken der Mitglieder mit Atomwaffen (USA, Frankreich, Großbritan‐ nien), sowie Abrüstung und Rüstungskontrolle zuständig (NATO 2019n). Der NAC hat nuklearstrategische Diskussionen komplett in die NPG verschoben. 17 2.3.2 Das Generalsekretariat und der International Staff Der NATO-Generalsekretär - eine Funktion, die bisher ausschließlich von Männern ausgeübt wurde - steht im Zentrum des Politikprozesses der Allianz zwischen nationalen Regierungen, International Staff (IS) und Militärstruktur. Nach den ersten militärischen Integrationsschritten wurde deutlich, dass es einer umfangreicheren politischen Koordination der Allianzmitglieder bedurfte. Daher wurde 1952 das Generalsekretariat geschaffen. Es ist mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet, um sicherzustellen, dass Entscheidungen der Allianz umgesetzt werden, oder um neue Politiken und Prozesse anzustoßen, hat aber nur eine begrenzte formale Macht (Hendrickson 2010, 52). Damit ist der Generalsekretär de facto das Gesicht und der Sprecher der NATO nach außen und ihr oberster politischer Beamter nach innen, der dem IS vorsteht (NATO 2016b). Um die regionale Balance zu wahren, wird das Generalsekretariat durch einen Europäer bekleidet, während der Posten des obersten Militärbefehlshabers (SACEUR) - in Personalunion ist dies der Kommandeur des strategischen 18 Kommandos Allied Command Operations (ACO) in Mons (Belgien) - durch einen US-Amerikaner besetzt wird (s. auch Ismay 1955, Kap. 6). Bis heute gab es 13 Generalsekretäre und 17 Stellvertretende Generalsekretär*innen. Generalsekretäre sollen nach heutiger Praxis zuvor wichtige nationale Posten (ab Ministerebene) bekleidet haben, um die nötige Versiertheit mit dem Thema und vor allem diplomatische Erfahrungen und Kontakte zu haben. 2 Die Allianz als Institution 50 <?page no="51"?> Generalsekretär Nat. Amtszeit Stellvertretende/ r Generalsekretär*in Nat. Amtszeit Jens Stoltenberg NOR 2014 - ~ Mircea Geoană ROU 2019 - ~ Rose Gottemoeller USA 2016-2019 Alexander Vershbow USA 2012-2016 Anders Fogh Rasmussen DK 2009-2014 Claudio Bisogniero ITA 2007-2012 Jaap de Hoop Scheffer NL 2004-2009 Alessandro Minuto Rizzo ITA 2001-2007 Lord Robertson of Port Ellen GB 1999-2003 Javier Solana ES 1995-1999 Sergio Balanzino ITA 1994-2001 Willy Claes BEL 1994-1995 Manfred Wörner DE 1988-1994 Amedeo de Franchis ITA 1989-1994 Lord Carrington GB 1984-1988 Marcello Guidi ITA 1985-1989 Joseph Luns NL 1971-1984 Eric da Rin ITA 1981-1985 Rinaldo Petrignani ITA 1978-1981 Paolo Pansa Cedronio ITA 1971-1978 Manlio Brosio ITA 1964-1971 Osman Olcay TUR 1969-1971 James A. Roberts CAN 1964-1968 Dirk U. Stikker NL 1961-1964 Guido Colonna di Paliano ITA 1962-1964 Paul-Henri Spaak BEL 1957-1961 Alberto Casardi ITA 1958-1962 Lord Ismay GB 1952-1957 Baron Adolph Bentinck NL 1956-1958 Jonkheer van Vredenburch NL 1952-1956 Tabelle 3: NATO-Generalsekretäre und Stellvertreter (Quelle: NATO (2016b), eigene Darstellung). Zeitliche Darstellung nur annähernd, formal nicht zusammenhängend. Um diesen Rollen gerecht zu werden, steht der NATO-Generalsekretär nicht nur dem IS als verantwortlicher Beamter vor, sondern leitet auch 2.3 Strukturen 51 <?page no="52"?> die Sitzungen des NAC sowie weiterer untergeordneter Gremien wie der NPG oder von Kooperationsräten (NATO 2016b). Die Kombination der bü‐ rokratischen Kapazitäten und Expertise des IS mit dem eigenen politischen Gewicht versetzt den Generalsekretär in die Lage, die Geschicke der Allianz maßgeblich zu beeinflussen bzw. Debatten zu lenken. Er wird bei Konflikten zwischen Alliierten zum Diplomaten und Vermittler. Vor allem nach dem Ende des Kalten Kriegs ist der Einfluss der Generalse‐ kretäre auf die Strategiedebatte gestiegen. Während der erste Generalsekretär, der britische Lord Ismay, im Wesentlichen eine koordinierende Rolle im Hintergrund des NAC spielte und kaum politische Akzente setzte, entwickelte der Belgier Paul-Henri Spaak eigene Vorstellungen, die sich jedoch zunächst nicht durchsetzen. Die folgenden Generalsekretäre Stikker, Brosio, Luns und Carrington setzten daher wieder auf eine moderierende Rolle, die mit Blick auf die starken Ungleichgewichte zwischen den Alliierten schwer genug war. In Anbetracht dieser Rolle besagt ein Sprichwort, „dass der Generalse‐ kretär weniger General und mehr Sekretär sei“ (Giegerich 2012a, 24). Nach dem Kalten Krieg gab die Notwendigkeit eines strategischen Wandels den Generalsekretären mehr Möglichkeiten, die Strategieentwicklung zu lenken. Der Deutsche Manfred Wörner hatte mit seiner Erfahrung als Verteidigungs‐ minister zwischen 1988 und 1994 einen prägenden Einfluss auf das 1991er Strategische Konzept, der Gestaltung kooperativer Sicherheitsinstitutionen, auf Osterweiterung und Bosnieneinsatz. Dem Belgier Willy Claes kam danach die Aufgabe der Durchführung des Bosnieneinsatzes zu, die ebenfalls die Amtszeit des Spaniers Javier Solana prägte. Beide bleiben als Moderatoren im Gedächtnis, die persönliche Autorität gegenüber den Alliierten genossen, und auch bei taktischen Entscheidungen in Bosnien und im Kosovo mitwirkten. Der Brite George Robertson setzte die Kapazitätsdebatte auf die Bündnisagenda und spielte eine wichtige Rolle in der Ausweitung des NATO-Mandats im Kampf gegen den Terror nach 9/ 11. Der Niederländer Jaap de Hoop Scheffer führte diese Ziele fort und fokussierte sich stark auf Afghanistan (Hendrickson 2010). Die beiden Nachfolger, der Däne Anders Fogh Rasmussen und der aktuelle Ge‐ neralsekretär, der Norweger Jens Stoltenberg, brachten jeweils ihr politisches Gewicht als ehemalige Ministerpräsidenten sehr aktiver NATO-Staaten mit ins Amt. Rasmussen zeigte zwischen 2009 und 2014 eine bisher nie gesehene Unabhängigkeit im Amt und pflegte einen direkten, öffentlichen und teils forschen „Maverick“-Stil (Hendrickson 2014, 132 ff.), der die an Diplomatie und Konsens gewöhnten Botschafter*innen herausforderte. Trotzdem genossen Rasmussen und Stoltenberg mit ihrem diplomatischen Geschick hohe Autorität 2 Die Allianz als Institution 52 <?page no="53"?> 19 Die folgenden Funktionsbeschreibungen orientieren sich notwendigerweise eng an den zur Verfügung gestellten Informationen der NATO. unter den Alliierten. Beiden kam die Aufgabe zu, die NATO wieder stärker auf kollektive Verteidigungsfragen zu trimmen und über zunehmende strate‐ gische Divergenzen zu präsidieren (s. Kap. 7). Rasmussen gelang trotz seines eigenwilligen Stils die Verabschiedung des 2010er Strategischen Konzepts, das seine Handschrift trug (Giegerich 2012a, 24 f.). Auch der IS der NATO, dem der Generalsekretär vorsteht, nimmt seit 1951 eine wichtige Rolle im Politikprozess des Bündnisses ein. Wie jede Bürokratie hat er die Fähigkeit, durch institutionelles Wissen und materielle Durchführungsressourcen das Handeln der Allianz zu gestalten. Durch seine Komposition aus primär zivilen, aber auch militärischen Mitarbeiter*innen und seine Stärke von ca. 1.700 Personen bildet er das politische und militärische Aufgabenspektrum der NATO ab. Der Brüsseler IS steht allen Allianzakteuren als Experte zur Verfügung, arbeitet den NATO-Komitees zu und implementiert Entscheidungen (NATO 2017d). Momentan ist der IS in acht Abteilungen (divisions), drei unabhängige Büros sowie das Büro des Generalsekretärs (Private Office) eingeteilt. Im Private Office sind sowohl der Stellvertretende Generalsekretär untergebracht als auch eine Repräsen‐ tantin für Frauen, Frieden und Sicherheit, die Genderaspekte von Sicherheit und Verteidigung sowie Fragen der Gleichberechtigung bearbeitet. Ange‐ gliedert ist dem Private Office das NAC-Sekretariat sowie eine Politikpla‐ nungseinheit. Diese Organisation verdeutlicht die zentrale Position des Generalsekretärs zwischen NAC und anderen NATO-Strukturen. Neben den Abteilungen gibt es außerdem Büros für juristische Angelegenheiten, Finanzkontrolle und gemeinsame Ressourcen, die zur Wahrung administra‐ tiver Neutralität formal vom Generalsekretär weisungsunabhängig sind. Die acht Abteilungen des International Staffs (s. Abb. 3) nehmen aktuell die folgenden Aufgaben wahr: 19 ▸ Political Affairs and Security Policy: Sicherheitskooperation mit regio‐ nalen Partnerinstitutionen oder Partnerstaaten; Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nicht-Verbreitung von Massenvernichtungswaffen; politische Konfliktprävention; ▸ Defence Policy and Planning: Planung der konventionellen und nu‐ klearen Bündnisverteidigung in Koordination mit den Mitgliedstaaten (Tuschhoff 2014, 195 ff.); 2.3 Strukturen 53 <?page no="54"?> ▸ Joint Intelligence and Security: Bearbeitung von Geheimdienstinfor‐ mationen (intelligence), Gefahreneinschätzung; ▸ Emerging Security Challenges: moderne Gefahren (cyber security, hy‐ brid warfare, nichtstaatliche Akteure, Energiesicherheit), strategische Analyse, Einholen wissenschaftlicher Expertise; ▸ Operations: Durchführung aller militärischen oder zivilen Aktivitäten im Bereich kollektiver Verteidigung und Krisenmanagement; ▸ Defence Investment: Koordination der Verteidigungsaufgaben der Mitgliedstaaten, NATO-Ausgaben bzgl. Bereitstellung, Betrieb oder Erneuerung gemeinsamer Kapazitäten; ▸ Public Diplomacy: Medien-/ Presse- und Öffentlichkeitsarbeit; ▸ Executive Management: Personal- und Finanzwesen (NATO 2017d). Trotz dieser Ausdifferenzierung bleibt der IS bei der Erfüllung seiner Aufgaben auf die Kooperationsbereitschaft der Mitglieder angewiesen, da die Umsetzung der Planungsprozesse in nationaler Kompetenz verbleibt und es mit Ausnahme einiger weniger integrierter Einheiten keine gemeinsame NATO-Armee gibt. Die NATO bleibt eine durch Intergouvernementalität ge‐ prägte Organisation, deren Mitglieder teils eigene politische Ziele verfolgen und deren Verteidigungsorganisation bis hin zur Material- und Führungs‐ ebene unterschiedlich bleibt. Negativ könnte man daher formulieren, dass bedeutende Integrationsschritte (stärker standardisierte Streitkräftestruk‐ turen, technische Standards) teils unterblieben sind. Positiv ist anzumerken, dass durch die NATO-Planungen, gemeinsame Übungen und Missionen eine Interoperabilitätsfähigkeit entstanden ist, die weltweit einzigartig ist (Tuschhoff 2014). Außerdem haben sich die NATO-Strukturen in ihrer 70-jährigen Existenz angepasst, um neuen sicherheitspolitischen Entwick‐ lungen Rechnung zu tragen. Somit haben die Strukturen im Sinne institu‐ tionalistischer Theorie Anpassungsfähigkeit und Nützlichkeit bewiesen. Aufgrund des intergouvernementalen Charakters der Zusammenarbeit sind Präferenzannäherungsprozessen Grenzen gesetzt. Sie sind aber nicht unmöglich, da die permanente Repräsentation der Mitgliedstaaten durch Botschafter sowie das Konsensprinzip für Sozialisations- und Angleichungs‐ prozesse sorgen können (Mayer und Theiler 2014; Michel 2014; Pouliot 2016, Kap. 4). 2 Die Allianz als Institution 54 <?page no="55"?> 2.3.3 Die militärische Struktur: Komitees und Hauptquartiere Abbildung 4: NATO-Militärstruktur (Quelle: NATO (2020c), eigene Darstellung) 2.3 Strukturen 55 <?page no="56"?> 20 Die EU betreibt erst seit 2017 permanent ein kleines Hauptquartier, die Military Planning and Conduct Capability mit max. 60 Soldat*innen (EEAS 2018). 21 Da Island kein eigenes Militär unterhält, stellt es im MC eine/ n Zivilist*in als MILREP (NATO 2019k). Die militärische Kommandostruktur der NATO sucht in ihrer Größe und funktionalen Breite/ Tiefe ihresgleichen. Es gibt nur wenige andere Alli‐ anzen, die begrenzte gemeinsame Einrichtungen mit Alliierten unterhalten (z. B. USA-Südkorea). 20 Somit stellt die Militärstruktur ein beeindruckendes Bekenntnis zu gemeinsamem Handeln dar und soll eine permanente und schnelle Reaktionsfähigkeit sichern. Das Militärkomitee und der International Military Staff In das zivile Hauptquartier in Brüssel sind das Militärkomitee (MC) und der International Military Staff (IMS) integriert. Das NATO-Militärkomitee existiert genau wie der NAC bereits seit 1949 und berät den NAC sowie andere NATO-Institutionen in militärischen Aspekten (NATO 2019k, 2020c). In der militärischen Hierarchie steht der Vorsitzende (Chairman) des MC, ein für drei Jahre bestimmter Drei- oder Vier-Sterne-General, als oberster Militärdienstposten noch oberhalb der Kommandeure der beiden strategi‐ schen Hauptquartiere (ACO, ACT, s. u.). Er sorgt für die militärische Umsetzung politischer Entscheidungen bzw. trägt in den Hauptquartieren entwickelte Themen und Positionen an den NAC heran (NATO 2018b). Dreimal im Jahr leitet der Vorsitzende Komiteesitzungen mit den Militär‐ stabschefs der Mitgliedstaaten, dem jeweils höchsten Offizier der nationalen Armeen. Das MC tagt regelmäßig auf Ebene der Permanenten Militäri‐ schen Repräsentanten (MILREP), von den Mitgliedstaaten abgeordnete Drei-Sterne-Generale (NATO 2019k). 21 Neben der Beratung des NAC gibt das MC Empfehlungen zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeiten und zur Durchführung von NATO-Operationen ab, zu denen es vor einem möglichen Durchführungsbeschluss gehört wird. Das MC ist des Weiteren in alle relevanten Operationsprozesse eingebunden, die eine Koordinierung zwischen politischer und militärischer Ebene verlangen, inklusive Themen wie der Erstellung von Einsatzrichtlinien oder den Schwellen zur Nutzung militärischer Gewalt. Das MC ist auch an der Erstellung der strategischen Konzepte der Allianz beteiligt und verfasst einen jährlichen Gefahrenbericht (NATO 2019k). Um diese Aufgaben schultern zu können, steht dem MC der ca. 500 Mitarbeiter*innen starke IMS zur Seite, der das notwendige 2 Die Allianz als Institution 56 <?page no="57"?> militärische Fachwissen zur Verfügung stellt. Durch seinen Arbeitsplatz im Brüsseler Hauptquartier hat der IMS gleichermaßen Zugriff auf politische wie militärische Organe der Allianz und auf die nationalen Delegationen mit den MILREPs, sodass der Austauschprozess von Informationen und Positionen zwischen der zentralen Allianz- und Mitgliederebene erleichtert wird (NATO 2017c). Ähnlich wie der zivile International Staff ist die Arbeit des IMS in fünf thematischen Abteilungen organisiert: ▸ Intelligence (INT): geheimdienstliche Informationen, inkl. Früh‐ warnungsaufgaben Verbesserung des nachrichtendienstlichen Aus‐ tauschs; ▸ Operations and Plans (O&P): Missionsplanung, Übungen/ Training, Monitoring- und lessons learned-Prozesse; Koordination Luftraum‐ verteidigungsmaßnahmen (z. B. über dem Baltikum), Luftraumüber‐ wachung, Raketenabwehr ▸ Policy and Capabilities (P&C): strategische Verteidigungsplanung, ABC-Abwehr, Rüstungskontrolle und Nicht-Verbreitung; ▸ Cooperative Security (CS): Partnerschaften, Kontakte zu internatio‐ nalen Organisationen, NGOs; ▸ Logistics and Resources (L&R): Personalmanagement, Verwaltung ge‐ meinsamer Kapazitäten, logistische Koordination/ Voraussetzungen (NATO 2017c). Neben diesen militärischen Planungsabteilungen unterhält der IMS ge‐ meinsam mit dem IS drei Zentren von übergeordneter Bedeutung für die Allianz. Dies sind ein Standardisierungsbüro (NATO Standardization Office, NSO), ein gemeinsamer Stab für Kommando-, Kontroll- und Konsultations‐ fragen (NATO Headquarters C3 Staff, NHQC3S) sowie das Situationszentrum (Situation Centre, SITCEN). Das SITCEN erfüllt klassische militärische und diplomatische Frühwarnfunktionen (NATO 2017c). Die militärische Hauptquartierstruktur, die im Folgenden vorgestellt wird, übernimmt von den politischen Strukturen delegierte, spezifisch militärische Aufgaben der Bündnisverteidigung und kollektiven Sicherheit. Militärische Hauptquartierstruktur Die NATO-Kommandostruktur ist seit ihrer Gründung im Jahr 1950 starken Veränderungen unterworfen gewesen. Dies erklärt sich durch die unter‐ schiedlichen Herausforderungen an die Allianz während und nach dem 2.3 Strukturen 57 <?page no="58"?> Kalten Krieg sowie heute einer erneuten Aufwertung kollektiver Verteidi‐ gungsfragen. Gegen Ende des Kalten Kriegs leisteten ca. 22.000 Soldat*innen in 33 alliierten Kommandos Dienst (78 mit Unterkommandos), während es im Jahr 2018 nur noch 6.800 waren (NATO 2018d; NATO ACT o. J.-b). Diese drastische Reduktion ist der geringeren Bedeutung von Territorial‐ verteidigung und der subsequenten, massiven Verkleinerung der nationalen Armeen nach dem Ende der Blockkonfrontation geschuldet. Das sich seit Mitte der 1990er Jahre abzeichnende Engagement im Krisenmanagement erforderte weniger Planungskapazitäten als die Organisation einer umfäng‐ lichen Territorialverteidigung. Mit Blick auf die erneuten Probleme mit Russland sind eine leichte Aufstockung der Mitarbeiter*innenzahl und ein erneuter Umbau der Kommandostruktur geplant. Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) Nr. Name Amts‐ zeit Nr. Name Amts‐ zeit 1. Dwight D. Eisenhower 1951-1952 11. George A. Joulwan 1993-1997 2. Matthew B. Ridgway 1952-1953 12. Wesley K. Clark 1997-2000 3. Alfred M. Gruenther 1953-1956 13. Joseph W. Ralston 2000-2003 4. Lauris Norstad 1956-1963 14. James L. Jones 2003-2006 5. Lyman L. Lemnitzer 1963-1969 15. Bantz J. Craddock 2006-2009 6. Andrew J. Goodpaster 1969-1974 16. James G. Stavridis 2009-2013 7. Alexander M. Haig, Jr. 1974-1979 17. Philip M. Breedlove 2013-2016 8. Bernard W. Rogers 1979-1987 18. Curtis M. Scaparrotti 2016-2019 9. John R. Galvin 1987-1992 19. Tod D. Wolters seit 2019 10. John M. Shalikashvili 1992-1993 (alle USA) Tabelle 4: Supreme Allied Commanders Europe (Quelle: NATO (2000) NATO ACO (o. J.), NATO SHAPE (o. J.-b), eigene Darstellung). An der Spitze der Militärstruktur stehen die zwei strategischen Haupt‐ quartiere, die eine leitende Funktion gegenüber den anderen Kommandos einnehmen: 2 Die Allianz als Institution 58 <?page no="59"?> 22 Während des Kalten Kriegs standen Teile der nationalen Armeen unter direktem Kommando (assigned forces) des SACEUR, um eine effektive Organisation und schnelle Befehlskette sicher‐ zustellen (Ismay 1955). Heute wird sich verstärkt auf vorher definierte Truppenkontingente (earmarked forces) verlassen, die Mitgliedstaaten auf fester Basis für die Allianz bereithalten (Deni 2017, 27 ff.). Darüber hinaus gibt es von Staat zu Staat unterschiedliche Arrangements für den Transfer von Truppenkontingenten unter alliiertes Kommando (NATO 2018b). ▸ Allied Command Operations (ACO, Mons, Belgien); ▸ Allied Command Transformation (ACT, Norfolk, Virginia, USA). Das ACO wird im allgemeinen Sprachgebrauch auch als Supreme Headquar‐ ters Allied Powers Europe, kurz SHAPE, bezeichnet. Dies liegt daran, dass sein kommandierender General, der SACEUR, gleichzeitig Kommandeur des United States European Command (USEUCOM Stuttgart) ist (NATO ACO o. J.-c). (Er ist double-hatted oder dual-hatted, hat also sprichwörtlich zwei Hüte auf.) Hiermit erklärt sich ebenfalls die Tradition, dass der SACEUR von den USA gestellt wird. Der SACEUR und somit das ACO haben das Oberkommando über alle NATO-Operationen - gleichgültig, ob es sich hierbei um die Territorialvertei‐ digung oder das Krisenmanagement handelt. 22 Daher muss das ACO strategi‐ sche Antizipations- und Planungsarbeit leisten, d. h. Krisen in der Welt und Gefahren für die Allianz erkennen, die militärischen Verteidigungs- und Ein‐ griffskapazitäten in Kooperation mit den Mitgliedstaaten sicherstellen, Szenarien planen und ultimativ NATO-Missionen durchführen. Dabei wird es von drei Regionalkommandos unterstützt, die für verschiedene geografische Gebiete verantwortlich sind: Dies sind die drei streitkräfteübergreifenden Joint Force Commands (JFC) Brunssum (Niederlande) und Neapel (Italien) sowie das sich im Aufbau befindliche JFC Norfolk (Virginia, USA; NATO ACO 2019). Diese Hauptquartiere fungieren als entfernte Kommandoposten für Missionen, sie können aber auch operative Hauptquartiere im Einsatzgebiet bereitstellen. Als Daueraufgabe organisiert und leitet JFC Brunssum die seit 2005 bestehende NATO Response Force (NRF) und, im Wechsel mit Neapel, die im Zuge der Ukrainekrise eingerichtete neue Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), die extrem schnell in auftretende Kriseneinsätze geschickt werden kann. Momentan werden auch die Resolute Support Mission (RSM) in Afghanistan und die enhanced Forward Presence (eFP) aus Brunssum geführt, die unter den Mitgliedstaaten rotierend die baltischen Staaten und Polen schützt (NATO JFC Brunssum o. J.). JFC Neapel ist z. B. für die Dialoginitiativen der Allianz verantwortlich und führt die Irak-Trainingsmission (s. 5.2, NATO JFC Naples o. J.-b). 2.3 Strukturen 59 <?page no="60"?> Deputy Supreme Allied Commander Europe (DSACEUR) Nr. Name Nat. Amtszeit 1. Bernard Montgomery GB 1951-1958 2. Sir Richard Gale GB 1958-1960 3. Sir Hugh Stockwell GB 1960-1964 4. Sir Thomas G. Pike GB 1964-1967 5 Sir Robert Bray GB 1967-1970 6. Sir Desmond Fitzpatrick GB 1970-1973 7. Sir John Mogg GB 1973-1976 8. Sir Harry Tuzo GB 1976-1978 zwei DSACEURs von Januar 1978 bis Juni 1993 9. Gerd Schmueckle DE 1978-1980 Sir Jack Harman GB 1978-1981 10. Gunther Luther DE 1980-1982 Sir Peter Terry GB 1981-1984 11. G. Kiessling DE 1982-1984 Sir Edward Burgess GB 1884-1987 12. H.J. Mack DE 1984-1987 Sir John Akehurst GB 1987-1990 13. E. Eimler DE 1987-1990 Sir Brian Kenny GB 1990-1993 14. D. Clauss DE 1990-1993 Sir John Waters GB 1993-1994 ein DSACEUR ab Juli 1993 15. Sir Jeremy Mackenzie GB 1994-1998 16. Sir Rupert Smith GB 1998-2001 17. Sir Ian Garnett GB 2001-2004 18. Sir John Reith GB 2004-2007 2 Die Allianz als Institution 60 <?page no="61"?> 19. Sir John McColl GB 2077-2011 20. Sir Richard Shirreff GB 2011-2014 21. Sir Adrian Bradshaw GB 2014-2017 22. Sir James Everard GB 2017-2020 23. Tim Radford GB seit 2020 Tabelle 5: Deputy Supreme Allied Commanders Europe (Quelle: NATO (2000), NATO ACO (o. J.-b), persönliche Kommunikation; eigene Darstellung) Dem ACO sind außerdem drei Hauptquartiere für die Land-, Luft- und Seestreitkräfte der NATO-Staaten unterstellt, die Aufgaben der Führung, Planung und Beratung übernehmen: ▸ HQ MARCOM (Northwood, Großbritannien): Führung Marineein‐ heiten; ▸ HQ AIRCOM (Ramstein, Deutschland): Raketenabwehr sowie Luft‐ raumüberwachung für Albanien, Estland, Island, Lettland, Litauen, Luxemburg und Slowenien (NATO AIRCOM o. J.); ▸ HQ LANDCOM (Izmir, Türkei): Führung Landstreitkräfte. Im Zuge des wiedererstarkten Fokus auf die Bündnisverteidigung wurde im Oktober 2019 zudem das Joint Support and Enabling Command ( JSEC) in Ulm eingerichtet, das ab 2021 im Bündnisfall die Planung, Durchführung und Sicherung militärischer Bewegungen in Europa übernehmen soll (BMVG 2019; NATO JSEC 2019). Zusätzlich zu diesen Kommandos gibt es eine NATO Communication Information Services Group (NCISG), die übergreifende Auf‐ gaben in der Kommunikationstechnik wahrnimmt (NATO 2018d). Wegen des Fehlens einer eigenen NATO-Armee ist ACO natürlich nach wie vor auf die Mitarbeit der Mitgliedstaaten angewiesen, die beim Beschluss eines Einsatzes der Allianz Truppen zur Verfügung stellen müssen, die dann mit der oben beschriebenen Kommandostruktur geführt werden. Das zweite strategische Kommando der NATO, das deutlich kleinere Al‐ lied Command Transformation (ACT, ca. 1.250 Mitarbeiter*innen, Giegerich 2012a, 29), hat im Gegensatz zum ACO keine operativen Aufgaben, sondern soll den permanenten Transformationsprozess der Allianz begleiten und Impulse zur Weiterentwicklung in einem sich ständig verändernden interna‐ tionalen Umfeld geben. Daher beschäftigt sich ACT mit Fortbildung, lessons 2.3 Strukturen 61 <?page no="62"?> learned-Prozessen aus allen Allianzaktivitäten, Gefahrenantizipation und der damit verbundenen Kapazitäts- und Doktrinentwicklung (NATO 2018a). Wegen des Aufgabenschwerpunktes in der Streitkräfteentwicklung spielen in ihm auch die Entwicklung neuer Technologien und die dafür notwendigen Forschungsschritte (Forschung und Entwicklung, FuE) eine Rolle, genauso wie das Sichern und Vorantreiben von Interoperabilität zwischen den alliierten Streitkräften (Terriff 2013, 97 ff.). Bei Übungen der Allianz nimmt ACT eine Beobachterrolle ein (NATO 2018a; NATO ACT o. J.-b). Supreme Allied Commander Trans‐ formation (SACT) Deputy Supreme Allied Commander Transformation (DSACT) Name Nat. Amts‐ zeit Name Nat. Amts‐ zeit 1. Edmund P. Giambastiani USA 2003-2005 1. Ian Forbes GBR 2003-2004 2. Lance L. Smith USA 2005-2007 2. Mark Stanhope GBR 2004-2007 3. James N. Mattis USA 2007-2009 3. Luciano Zappata ITA 2007-2010 4. Stéphane Abrial FRN 2009-2012 4. Mieczysław Bieniek POL 2010-2013 5. Jean-Paul Paloméros FRN 2012-2015 5. Mirco Zuliani ITA 2013-2016 6. Denis Mercier FRN 2015-2018 6. Manfred Nielson DEU 2016-2019 7. André Lanata FRN seit 2018 7. Paolo Ruggiero ITA seit 2019 Tabelle 6: (Deputy) Supreme Allied Commanders Transformation (Quelle: NATO (2019r), eigene Kommunikation; eigene Darstellung) Als einziges Kommando der NATO in den USA war das Hauptquartier ursprünglich als Atlantikkommando für die USA, Kanada und die Sicherung des Atlantischen Ozeans zuständig (Allied Command Atlantic, ACLANT, s. NATO 2018a). Im Zuge der 2002 in Prag angestoßenen Kommandoreform wurde es im Juni 2003 mit seinen neuen Aufgaben als ACT betraut (Terriff 2013, 94 ff.). Mit Ausnahme eines geschäftsführenden britischen Admirals 2 Die Allianz als Institution 62 <?page no="63"?> wurde der Posten des Supreme Allied Commander Atlantic (SACLANT) ausnahmslos von US-Amerikanern besetzt. Erst mit dem Wiedereintritt Frankreichs in die integrierte Militärstruktur im Jahr 2009 wurde diese Tradition beendet, um die militärischen Verantwortlichkeiten besser aufzu‐ teilen. Somit wird das ACT seit September 2009 von französischen Generalen geleitet, die den Posten des Supreme Allied Commander Transformation (SACT) bekleiden (NATO ACT o. J.-a) und genau wie der SACEUR von einem Deputy Supreme Allied Commander Transformation (DSACT) unterstützt werden, der ebenfalls Viersterner ist. Dem ACT unterstehen keine weiteren Hauptquartiere, sondern drei thematische Zentren, die sich mit verschiedenen Aspekten der Streitkräfte‐ entwicklung befassen: ▸ Joint Analysis and Lessons Learned Centre ( JALLC, Lissabon, Portugal); ▸ Joint Force Training Centre ( JFTC, Bydgoszcz, Polen); ▸ Joint Warfare Centre ( JWC, Stavanger, Norwegen). Die Zentren koordinieren spezifische Teile der ACT-Kernaufgaben. Vor allem Übungen und Training kommen dabei eine große Bedeutung zu, da die 30 Armeen der Mitgliedstaaten lernen müssen, effektiv zusammenzuar‐ beiten. Im Zuge dieses Übungs- und Trainingsprozesses kooperiert das ACT mit 25 Centres of Excellence der Mitgliedstaaten und 31 Partner Training and Education Centres von Nichtmitgliedern, die zusammen ein Angebot von über 750 Themenkursen bereitstellen. Die NATO hält zudem bis zu 250 Übungen verschiedener Natur und Größe jährlich ab (NATO ACT o. J.-b; NATO ACO 2020). Das Transformationskommando kooperiert außerdem mit dem NATO Defense College in Rom oder der Industrie. Mit diesem Aufgabenspektrum in der Operationsführung und Reform/ Transformation decken die beiden strategischen Hauptquartiere die wesentli‐ chen Aufgabenfelder ab, denen sich die Allianz in ihrem täglichen Handeln, aber auch mit Blick auf die Zukunft und neuen Sicherheitsherausforderungen widmen muss. Wenngleich viele Implementierungskompetenzen auf der Ebene der Nationalstaaten verbleiben, sorgt die militärische und zivile Hauptquar‐ tierstruktur für einen intensiven Politikkoordinationsprozess, der über die tagtägliche Zusammenarbeit in Hauptquartieren Bindungswirkungen hat und Sozialisationsmechanismen zwischen den Alliierten in Gang setzt. 2.3 Strukturen 63 <?page no="64"?> 2.3.4 Agenturen Neben den bisher vorgestellten Strukturen wurden vom Bündnis weitere Agenturen gegründet, die zentrale Dienstleistungsaufgaben bereitstellen und für konkrete Politikkoordination unter den Mitgliedstaaten sorgen. Seit der letzten Reform im Jahr 2011 gibt es über 15 Teilbereichsagenturen, die diese Zentralaufgaben wahrnehmen und bestimmte Programme koordi‐ nieren (NATO 2017e). Daraus wurden vier übergreifende Agenturen an ver‐ schiedenen Standorten im Bündnis gebildet: die NATO Communications and Information Agency (NCIA: IT-Systeme, Cyberabwehr, C2); die NATO Sup‐ port and Procurement Agency (NSPA: gemeinsame Beschaffungsverfahren, Lufttransportkoordination); die NATO Science and Technology Organization (STO: Forschungskooperation, wissenschaftliche Beratung); und das NATO Standardization Office (NSO: Implementierung von Standardisierungsver‐ fahren; NATO 2015d). Die NATO-Agenturen sollen zu mehr Kohärenz im Handeln der NATO-Institutionen und Mitgliedstaaten sorgen und dienen als ermöglichender Akteur in ihren jeweiligen Aufgabenbereichen. 2.3.5 Kooperationsgremien: Der NATO-Russland-Rat Nach dem Ende des Kalten Kriegs hat die NATO im Zuge der Verlagerung auf kollektive Sicherheitsaufgaben Kooperationsinitiativen mit Drittstaaten eta‐ bliert, um Sicherheit im transatlantischen Raum herzustellen oder im Rahmen von konkreten Missionen zusammenzuarbeiten (s. Kap. 5.2). Aufgrund der historischen Umstände nimmt die Kooperation mit Russland eine besondere Stellung ein. Russland wurde sowohl Mitglied im Euro-Atlantic Partnership Council (EAPC) als auch in dessen Partnership for Peace (PfP)-Programm (Hill 2018, Kap. 4). Es nahm in den 1990er Jahren ebenfalls an NATO-geführten UN-Peacekeeping-Missionen auf dem Balkan teil und gewährte für die späteren Afghanistaneinsätze der Allianz logistische Unterstützung (NATO 2019p). Im Jahr 1997 unterzeichneten die NATO und Russland eine sogenannte Grundakte (Founding Act) über ihre Beziehungen, die festhält, dass sie sich nicht mehr als Gegner ansehen, sie Demokratie und kooperative Sicherheit stärken wollen, strategisch-doktrinale Transparenz herrschen und das Denken in Einflusssphären samt seiner Missachtung von nationaler Souveränität enden soll (NATO 1997a). Ein Ständiger Gemeinsamer Rat (Permanent Joint Council, PJC) sollte monatlich auf Botschafter- und zweimal jährlich auf Mi‐ nisterialebene unter Beteiligung von Militärs tagen und Themen gegenseitigen 2 Die Allianz als Institution 64 <?page no="65"?> Interesses, u.a. Konfliktbearbeitung, Anti-Terror, gemeinsame Operationen, Rüstungskontrolle oder WMD-Proliferation, bearbeiten. Der PJC war somit auf Zusammenarbeit und das Bilden von Vertrauen ausgerichtet, wobei die unabhängige Entscheidungsfähigkeit nicht beeinträchtigt werden sollte (Hill 2018, 136 f.; Peterson Ulrich 2003, 32 f.). 2002 löste der aufgewertete NATO-Russland-Rat (NATO-Russia Council, NRC) das PJC ab (NATO 2019 l). Während die NATO und Russland im Bereich des Terrorismus durchaus produktiv kooperierten, zeugten Debatten um die von der Bush Jr.-Regierung initiierten Raketenabwehr (missile defense, Stationierung von neuen Abfangsystemen in Polen, Rumänien) davon, dass Russland zwar informiert, ihm aber keine Mitentscheidungsrechte eingeräumt wurden. Ideen zu einer russischen Beteiligung am neuen Verteidigungssystem, das gegen Staaten wie Iran gerichtet sein und nicht etwa das russische Nukle‐ arpotential lahmlegen sollte, wurde von den Alliierten letztlich ausgeschlagen, da dies als ein zu tiefer Einblick in militärische Fähigkeiten gesehen wurde (Ratti 2013, 266 ff.). Es entstand der Eindruck, dass die Kooperation mit der NATO nicht auf Augenhöhe stattfand und alte Konfrontationsmuster nicht vollends überwunden werden konnten (Hill 2018, 253 f.; s. auch Wæver 2014, 54 ff.). (Man muss sich wohl auch fragen, ob dies so kurz nach dem Ende des Kalten Kriegs eine realistische Annahme war.) Die Beziehungen zwischen Russland und den NATO-Staaten verschlech‐ terten sich seit 2006 im Zuge der russischen Unterstützung von Unabhän‐ gigkeitsbewegungen in zwei georgischen Teilrepubliken, Abchasien und Südossetien, die bis zum militärischen Eingreifen Moskaus zum Zurück‐ schlagen georgischer Kräfte im Jahr 2008 führte. Die USA favorisierten eine NATO-Mitgliedschaft Georgiens (und der Ukraine), worauf Russland nicht gut zu sprechen war (Hill 2018, Kap. 8). NRC-Treffen wurden bis zum Frühjahr 2009 eingestellt. Zu einer noch deutlicheren Verschlechterung der Beziehungen führte die Invasion der Krim ab Februar 2014 mit ihrer völker‐ rechtswidrigen Annexion und der darauf aufbauende Konflikt im Osten der Ukraine. Durch die gewaltsame Veränderung von Grenzen hat sich eine neue Bedrohungsperzeption in der Allianz entwickelt. Alle Kooperationsformate mit Russland wurden von April 2014 bis 2016 komplett eingestellt. Die Arbeit des NRC läuft seit 2016 mit wenigen Sitzungen pro Jahr und der Feststellung gegenseitiger Uneinigkeit bzgl. der Ukraine, Syriens und Rüstungskontrolle langsam wieder an (NATO 2019 l, p). Nichts kann jedoch im Moment darüber hinwegtäuschen, dass die Beziehungen auch mit Blick auf die russischen 2.3 Strukturen 65 <?page no="66"?> 23 Die Plenumssitzungen sind öffentlich und sollen Transparenz erzeugen. Ausschüsse tagen geschlossen, es sei denn, die jeweiligen Gremien beschließen abweichend. Abgeordnete sind frei in ihrer Stimme und nicht an Positionen ihrer nationalen Delegationen gebunden - umgekehrt bindet ihre Positionierung so die Staaten nicht politisch (Marschall 2005, 264, 286 f.). Einmischungsversuche in politische Prozesse der NATO-Staaten auf einem Tiefpunkt angelangt sind (s. Kap. 4.4, 7; Hill 2018, 370 ff.). 2.3.6 Die Parlamentarische Versammlung Wenngleich formal nicht Teil der NATO-Strukturen, existiert seit 1955 eine Parlamentarische Versammlung (NATO-PA) aus Mitgliedern der nationalen Parlamente der NATO-Mitgliedstaaten. Seit 1979 tagt die Parlamentarische Versammlung an rotierenden Orten zweimal jährlich und arbeitet ähnlich nationaler Volksvertretungen auch dazwischen in Ausschüssen. Die Grund‐ satzidee ist, Parlamentarier*innen in NATO-Themen einzubinden und den transatlantischen Austausch demokratisch legitimierter Vertreter*innen zu fördern, womit die Versammlung das in der Präambel und Art. 2 des Nordatlantikvertrags vorgesehene Wertefundament und transatlantische Solidarität betont. Seit 1967 bestehen formale Kontakte zur NATO durch Besuche des Generalsekretärs und seinen Stellungnahmen zu Empfehlungen der Versammlung. Die Versammlung war eine Vorreiterin der Integration der östlichen Staaten Europas nach 1991, die früh einen Beobachterstatus be‐ kamen (Flockhart 2004). Die NATO-PA unterhält auch Kontakte zu weiteren Staaten und Versammlungen anderer Organisationen (EU, OSZE, Europarat; Marschall 2005, 164 f., 198 ff.; NATO-PA o. J.-a, b). Die Parlamentarische Versammlung der NATO ist eine so genannte interparlamentarische Versammlung. Das heißt, dass ihre Mitglieder ein parlamentarisches Mandat auf höchster nationaler Ebene ausüben und in die PA proportional zu ihrer Vertretung in nationalen Parlamenten entsandt werden (Habegger 2005, 20; Marschall 2005, 22 f.). 2020 gehören der NATO-PA 266 Mitglieder an, wobei die verschiedenen Nationen je nach Bevölkerungsstärke unterschiedlich starke Delegationen entsenden (Marschall 2005, 237 f.; NATO-PA o. J.-b). 23 Die fachliche Arbeit wird im Wesentlichen in fünf Ausschüssen geleistet: ▸ Zivile Sicherheitsfragen (Civil Dimension of Security); ▸ Verteidigung und Sicherheit (Defence and Security); 2 Die Allianz als Institution 66 <?page no="67"?> 24 Deutschland ist das Führen von Angriffskriegen nach Art. 26 GG verboten. ▸ Wirtschaft und Sicherheit (Economics and Security); ▸ Politischer Ausschuss (Political Committee); ▸ Wissenschaft und Technologie (Science and Technology). Diese Ausschüsse sind teils weiter unterteilt und befassen sich mit Heraus‐ forderungen und Politiken der Allianz in ihren jeweiligen Kompetenzberei‐ chen. Wie in Parlamenten üblich, verfassen diese Ausschüsse Berichte zu spezifischen Themen sowie auf der Annual Session im Herbst Handlungs‐ empfehlungen, die an den Nordatlantikrat, den NATO-Generalsekretär und die nationalen Regierungen weitergeleitet werden (NATO-PA o. J.-b). Der NAC kann ebenfalls Anfragen zu Stellungnahmen an die NATO-PA stellen (Marschall 2005, 165). In der Regel spricht der NATO-Generalsekretär vor der Versammlung, antwortet für die Allianz auf deren Handlungsempfeh‐ lungen und unterstützt die NATO-PA mit seiner Expertise (ibid., 200 f.). Die Versammlung führt zudem Seminare und Dialogforen mit Partnerinstituti‐ onen und -ländern durch (Flockhart 2004, 371 ff.; NATO-PA o. J.-b). Die PA erfüllt die wichtige Funktion, die Volksvertretungen an einer gemeinsamen Meinungsbildung im transatlantischen Raum teilhaben zu lassen und so das gesellschaftliche Fundament der Allianz zu untermauern (kritisch s. Šabič 2013, 2016). 2.4 NATO-Kapazitäten und Verteidigungsplanung: Getrennt und gemeinsam Im Gründungsmoment der NATO wurde die Schaffung gemeinsamer mili‐ tärischer Kapazitäten zwar angedacht (s. Art. 3, 5 Nordatlantikvertrag), die akuten Umstände führten aber zunächst zum Rückgriff auf vorhandene Kapazitäten der Alliierten und deren Koordination. Bis heute entscheiden Nationalstaaten zwar NATO-koordiniert, aber meist unabhängig, welche militärischen Kapazitäten sie vorhalten wollen, ob sie z. B. Fähigkeiten entlang des kompletten militärischen Aufgabenspektrums - also von Lan‐ desverteidigung über Krisenmanagementmissionen bis hin zur Expeditions- und Kriegsfähigkeit 24 - haben oder Atomwaffen besitzen wollen. Einerseits wird so das Demokratieprinzip umgesetzt, das vor allem in der Bundesrepu‐ blik Deutschland die Streitkräfte einer strikten parlamentarischen Kontrolle 2.4 NATO-Kapazitäten und Verteidigungsplanung 67 <?page no="68"?> unterzieht und das Budgetrecht bei den nationalen Parlamenten belässt. Andererseits entstehen durch diese nationalen Entscheidungsprozesse aber Probleme für eine gemeinsame Verteidigungsplanung. Dies kann z. B. das Fehlen bestimmter Fähigkeiten sein (europäische Lufttransportkapazitäten sind lange schon ein wunder Punkt), eine starke Unterentwicklung von Teilstreitkräften (wie Panzer gegenüber Russland) oder im umgekehrten Fall die Duplizierung von Kapazitäten (z. B. die Existenz verschiedener Waffen‐ systeme für denselben Zweck, wie Jagdflugzeuge). Nicht zuletzt stecken dahinter nationale industriepolitische Entscheidungen oder Sorgen um die Wahrung nationaler Souveränität. Letzterer Punkt ist vor allem für Mächte wie Frankreich, Großbritannien oder die USA, die sich entschlossen haben, das volle Spektrum militärischer Fähigkeiten aufrechtzuhalten, relevant. Aufgrund enger gewordener finanzieller Spielräume haben sich verschie‐ dene Staaten mittlerweile entschlossen, Fähigkeiten gar nicht vorzuhalten, zu poolen oder gemeinsam zu entwickeln. Ein Extremfall ist Island, das mit Ausnahme einer Küstenwache komplett auf ein eigenes Militär verzichtet und von NATO-Verbündeten Unterstützung bei der Landesverteidigung erhält. Der Luftraum einiger Staaten wird von den Alliierten gemeinsam überwacht, wenn die Länder nicht über eigene Luftwaffen verfügen (NATO 2019d). Belgien und die Niederlande koordinieren ihre Marinekräfte seit den 1950er Jahren bereits sehr eng (BENESAM-Abkommen, Sauer 2015). Diese Art der Zusammenarbeit wird als pooling bezeichnet, weil die Staaten nationale Kapazitäten zwar erhalten (sowohl die Niederlande als auch Bel‐ gien haben Fregatten und Minenräumboote), aber sie nur noch gemeinsam nutzen und führen. Eine wiederum andere Form der Zusammenarbeit ist die bi- oder multinationale Entwicklung spezifischer Waffensysteme, wie die deutsch-französisch-spanische Kooperation für das FCAS-Jagdflugzeug (Future Combat Air System) oder der seit den 1980er Jahren von denselben Ländern entwickelte Tiger-Kampfhubschrauber. Die Projekte unterliegen meist spezifischen Vereinbarungen. Das FCAS ist somit nicht etwa ein von der NATO entwickeltes Kampfflugzeug, sondern eines der Mitgliedstaaten, das zudem in Konkurrenz zu Produkten anderer Alliierter steht, wie z. B. dem F35 Joint Strike Fighter, der unter Leitung der USA mit vielen anderen NATO-Alliierten und befreundeten Staaten entwickelt wurde. Nationale industriepolitische Aspekte (und manchmal auch Prestige) werden an diesen Beispielen klar. Diese Probleme machen deutlich, dass Kooperation in einer Allianz trotz offensichtlicher Vorteile nicht konfliktfrei verläuft, was theoretischen Annahmen des Institutionalismus entspricht, der nicht von 2 Die Allianz als Institution 68 <?page no="69"?> einer rein funktionalistischen Kooperationslogik (form follows function) ausgeht. Dies legt die Relevanz relativer Machtlogiken nahe, wie sie die realistische Theorie für Kooperation im Sicherheits- und Verteidigungsbe‐ reich postuliert (s. nächstes Kapitel). Um die Verteidigungsplanungen der Armeen der 30 NATO-Mitglied‐ staaten dennoch ansatzweise zu koordinieren und in Übereinstimmung mit festgelegten Aufgaben zu bringen, gibt es in der Allianz den so genannten NATO Defence Planning Process (NDPP). In Vierjahreszyklen legt der NDPP mögliche Einsatzbereiche und Umfänge von NATO-Missionen fest und definiert die militärischen Mittel, die für die Durchführung der Missionen notwendig sind. Entsprechend der festgelegten Lastenverteilung innerhalb der Allianz tragen unterschiedliche Mitglieder unterschiedliche Lasten und bekennen sich zur Entwicklung spezifischer Kapazitäten (Fleischer 2015; Major 2019, 33 f.). Der NDPP umfasst z. Zt. 14 Planungsbereiche, die alle zwei Jahre evaluiert werden: NATO Defence Planning Process: Planungsbereiche Cyberabwehr nukleare Abschreckung Flugplanung Ressourcen Konsultation, command and control Standardisierung & Interoperabilität Logistik Streitkräfteplanung Luftverteidigung und Raketenabwehr Waffensysteme medizinische Versorgung Wissenschaft und Technologie nachrichtendienstliche Aufklärung zivile Notfallplanung Tabelle 7: NDPP-Planungsbereiche (Quelle: NATO (2018e), eigene Darstellung) Die Unterschiedlichkeit dieser Planungsprozesse zeigt, dass die alliierte Verteidigungsplanung über Fragen der Rüstungspolitik hinausgeht und andere Aspekte von Konflikten wie Zivilschutz oder Nachrichtendienste genauso einschließt wie die Querschnittsaufgaben Standardisierung, Inter‐ operabilität und Ressourcenausstattung. Der NDPP muss zivile und mili‐ tärische, aber auch finanzielle und technologische Aspekte vereinen, die sehr unterschiedlichen Zeiträumen unterliegen. Daher differenziert der NDPP zwischen drei Planungszeiträumen: kurzfristig (0-6 J.), mittelfristig 2.4 NATO-Kapazitäten und Verteidigungsplanung 69 <?page no="70"?> 25 In diesem Prozess gilt interessanter Weise eine angepasste Konsensregel, die besagt, dass ein Alliierter nicht einem ihm zugewiesenen capability target package widerspre‐ chen kann, wenn alle anderen Alliierten der Meinung sind, dass der betreffende Staat diese Ziele erreichen sollte (NATO 2018e). (7-19 J.) und Langfristvorhaben (20+ J., ibid.). 25 Aufgrund des Umfangs und der Komplexität dieser Planungsprozesse stellt die permanente Exis‐ tenz multilateraler NATO-Institutionen einen enormen Vorteil dar. Die im Kapazitätsentwicklungsbereich teils Jahrzehnte langen Planungsprozesse können so maßgeblich unterstützt werden. Wegen der nationalen Hoheit über die Verteidigungsplanung hat die Allianz selbst nur ein kleines eigenes Budget von ca. $2,7 Mrd. (2019, s. NATO 2019g) für die zivile und militärische Kommandostruktur sowie gemeinsame Einrichtungen und Kapazitäten. Demgegenüber stehen Verteidigungsaus‐ gaben der Mitgliedstaaten von insgesamt ca. $971 Mrd. (2018, s. NATO 2019h). Eigene militärische Kapazitäten der Allianz beschränken sich auf folgende Bereiche und Waffensysteme: Abbildung 5: AWACS-Maschine der NATO (Quelle: NATO) ▸ 14 Flugzeuge des Airborne Warning & Control System (AWACS), von 16 Alliierten betrieben, für Luftraumüberwachung, Kommando- und Gefechtsmanagement (NATO 2019b); ▸ Strategic Airlift Capability (SAC): Lufttransportflotte, von zehn Alli‐ ierten sowie Schweden und Finnland gemeinsam betrieben, die sich Anschaffungs- und Betriebskosten der Flotte teilen; Betrieb durch ein multilaterales Kommando (NSPA o. J.; Giegerich 2012a, 27); 2 Die Allianz als Institution 70 <?page no="71"?> 26 Nordmazedonien trat erst im Jahr 2020 bei und wird daher hier noch nicht berücksich‐ tigt. ▸ Alliance Ground Sourveillance (AGS)-Drohnensystem zur Bodenüber‐ wachung, von 15 NATO-Mitgliedern für die Allianz angeschafft, NATO-gemeinsame Übernahme der Betriebskosten (NATO 2019a). Diese wichtigen, aber im Verhältnis zu den im nationalen Besitz verbleibenden Kapazitäten verschwindend geringen NATO-gemeinsamen Systeme unterstrei‐ chen den Charakter der Allianz als Zusammenschluss souveräner Staaten, die nur wenig Kontrolle über den letztlichen Einsatz militärischer Macht abgeben. Gleichzeitig sollte diese kurze Liste nicht darüber hinwegtäuschen, dass die NATO wesentliche Trainings- und Kommandozentren unterhält oder bezuschusst und Kommando- und Kontrollfähigkeiten bereitstellt, die diese und andere nationale Systeme erst für die Allianz als Ganzes adäquat nutzbar machen. Die NATO nimmt somit die ihr zugedachte Rolle als strategische Er‐ möglicherin (strategic enabler) von Verteidigungspolitik ein, für die sie integrierte und/ oder interoperable Funktionsmöglichkeiten geschaffen hat. 2.5 Finanzen und Budgets Die Finanzierung der NATO und ihre Budgets unterliegen verschiedenen Finanzierungsmodellen und -kanälen. Zwei wichtige Unterscheidungen müssen dabei getroffen werden: Zum einen die zwischen permanenten und projekt- oder missionsbezogenen Ausgaben und zum anderen Ausgaben der NATO selbst oder ihrer Mitgliedstaaten. Besonders letzterer Punkt gerät in der öffentlichen Debatte häufig durcheinander. 2.5.1 Militärbudgets der Mitgliedstaaten und die Rolle der USA Die NATO hat für sich nur ein relativ kleines Budget zur Verfügung, wenn man es mit den gesamten Militäretats der Mitgliedstaaten vergleicht. 29 der 30 NATO-Mitgliedstaaten 26 haben nach der Berechnungsmethode der NATO im Jahr 2018 zusammen $971 Mrd. für ihr Militär ausgegeben. Neben Island, das keine Militärausgaben im engeren Sinn hat, weist Montenegro mit $76 Mio. (! ) den geringsten Wehretat auf, gefolgt von Albanien ($176 Mio.) und Luxemburg ($355 Mio.). Im Mittelfeld liegen Staaten wie die 2.5 Finanzen und Budgets 71 <?page no="72"?> Niederlande, Polen, Spanien oder die Türkei ($11-14 Mrd.) sowie Italien ($25 Mrd.) und Kanada ($22 Mrd.). In der Hochausgabengruppe liegen Deutschland und Frankreich (ca. $50 Mrd.) und das Vereinigte Königreich ($60 Mrd.). Spitzenreiter in den Militärausgaben sind die USA mit $672 Mrd., also mehr als dem Elffachen des Militäretats Großbritanniens (NATO 2019h). Militärausgaben der NATO-Staaten 2018 in $ Mio. und Prozentanteil des Bruttoinlandprodukts NB: Island unterhält keine Streitkräfte und ist deshalb nicht aufgeführt. Zahlen 2018, vor Beitritt Nordmazedoniens. Land 2018 total % des BIP Land 2018 total % des BIP Albanien 175,9 1,2 Luxemburg 355,4 0,5 Belgien 4840,4 0,9 Montenegro 76,0 1,4 Bulgarien 961,3 1,5 Niederlande 11161,9 1,2 Dänemark 4558,8 1,3 Norwegen 7543,6 1,7 Deutschland 49725,4 1,2 Polen 11857,0 2,0 Estland 606,6 2,0 Portugal 3391,9 1,4 Frankreich 50459,4 1,8 Rumänien 4358,8 1,8 Griechenland 5383,0 2,5 Slowakei 1296,5 1,2 Großbritan‐ nien 60308,4 2,1 Slowenien 546,1 1,0 Italien 25003,7 1,2 Spanien 13187,4 0,9 Kanada 22400,0 1,3 Tschechien 2749,8 1,1 Kroatien 966,5 1,6 Türkei 14145,5 1,8 Lettland 724,0 2,1 Ungarn 1791,3 1,2 Litauen 1055,9 2,0 USA 672255,0 3,3 Tabelle 8: Militärausgaben der NATO-Mitgliedstaaten (Quelle: NATO (2019 f), eigene Darstellung) Nach dieser Rechnung fallen in den USA 69 % der Militärausgaben aller NATO-Staaten an. Wenn in der öffentlichen Debatte also vereinfachend davon die Rede ist, dass die USA ca. 75 % der Militärausgaben der Al‐ 2 Die Allianz als Institution 72 <?page no="73"?> 27 Auf die USA entfällt davon mit ca. $58 Mrd. der Löwenanteil der Erhöhung, Deutschland steuert weitere ca. $5 Mrd. bei (NATO 2019h). lianz tragen, so meint dies in Wirklichkeit den Anteil der zusammenge‐ rechneten Militärausgaben der Nationalstaaten. Im Jahr 2019 sollten die Militärausgaben der Alliierten nach vereinbarten Erhöhungen auf $1.039 Mrd. ansteigen. 27 Nach teils erheblichen Einsparungen im Zuge der Finanz‐ krise kann bereits seit 2016 ein steigender Trend der Ausgaben in den meisten Staaten festgestellt werden (NATO 2019h), was mit der neuen Bedrohungslage nach der russischen Kriminvasion, der ISIS-Bedrohung sowie länderspezifischen Aspekten (z. B. Terroranschläge) zusammenhängt. Besondere politische Relevanz hat in den letzten Jahren die Zahl des prozentualen Anteils am BIP, der für Verteidigung ausgegeben wird, ge‐ wonnen. Auf dem Waliser Gipfel (2014) beschlossen die Mitgliedstaaten, dass um das Jahr 2024 herum alle Mitglieder 2 % ihres BIPs für Verteidigung aufwenden sollen. Von diesen 2 % sollen wiederum 20 %, also ein Fünftel, für Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie Kapazitäten ausgegeben werden (NATO 2014, Art. 14). Damit wurde ein Ziel für alle Alliierten verbindlich festgeschrieben, das bereits im Jahr 2002 als Absichtserklärung zur Allianzreform und wegen des Beitritts neuer Staaten formuliert wurde (Deutschlandfunk 2019; Kamp 2019, 2). Dieser Fokus auf eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben geht auf eine lange zurückreichende US-ameri‐ kanische Frustration gegenüber sinkenden europäischen (und kanadischen) Budgets seit dem Ende des Kalten Kriegs zurück, die sich nach der Finanz‐ krise und dem gestiegenen US-amerikanischen Fokus auf Asien seit Obama (pivot to Asia) zuspitzte. Im Jahr 2018 gaben die USA 3,3 % ihres BIP für Verteidigung aus. Das 2 %-Ziel erreichten 2018 neben den USA nur Griechenland, das Vereinigte Königreich, Estland, Lettland und Polen. Deutschland und Italien haben quasi dieselben BIP-Anteile an Verteidigungsausgaben (ca. 1,2 %), das BIP der Bundesrepublik war aber 2018 fast doppelt so hoch wie das Italiens. Deutschland gab dementsprechend ca. $49 Mrd. für Verteidigung aus und Italien $25 Mrd. (NATO 2019h). Nach angekündigten Erhöhungen sollten 2019 neun von 29 Alliierten (31 %) das 2 %-Ziel erfüllen. 2.5 Finanzen und Budgets 73 <?page no="74"?> 28 Umgekehrt ist jedoch auch die Frage berechtigt, ob die momentane Ausgabenhöhe reicht, um die Landesverteidigung und Bündnisfähigkeit Deutschlands im Falle eines Angriffs auf das eigene Territorium oder einen Alliierten zu sichern. Diese Fähigkeiten werden im Moment von Fachleuten in Zweifel gezogen (Deutsche Welle 2014; Löfflman 2015; spiegel-online 2014). Ostermann │ Die NATO Abbildungen Abbildung 1: Anteil Verteidigungsausgaben der NATO-Staaten am BIP in Prozent (Quelle: NATO (2019f), eigene Darstellung) --- 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 Anteil der Verteidigungsausgaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (mit 2%-Ziel 2024) % des BIP 2013 % des BIP 2018 Abbildung 6: Anteil Verteidigungsausgaben der NATO-Staaten am BIP in Prozent (Quelle: NATO (2019f), eigene Darstellung) Die oben dargestellten Zahlen - und dabei vor allem die BIP-Anteile - sind der Hauptgrund für die aktuellen, auf den Vorwurf der Vorteilsnahme abzielenden Attacken von Donald Trump auf die NATO (s. Kap. 7). Natürlich darf beim Betrachten von BIP-Anteilen nicht vergessen werden, dass eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent in Deutschland oder Frankreich eine wesentlich höhere Zunahme an Ausgaben bedeuteten würde, als wenn Albanien zwei Prozent erreichte. Hierin liegt jedoch auch die unwidersprochene Wahrheit der Aussagen des US-Präsidenten, denn ein deutscher Verteidigungsetat von 2 % des BIP würde mit ca. $65 Mrd. (2015er Preise und Wechselkurse) beträchtlich höher ausfallen, als er im Moment ist. Ob dies innenpolitisch oder außenpolitisch wünschenswert ist, steht auf einem anderen Blatt Papier und kann kontrovers diskutiert werden (s. Kap. 7.3, 7.4). 28 Diese Aspekte ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass das 2 %-Ziel im Moment die in der Allianz vereinbarte Leitlinie ist. Man kann 2 Die Allianz als Institution 74 <?page no="75"?> 29 Im Falle der USA ist dieser Anteil aufgrund ihres hohen Verteidigungsetats gedeckelt. somit nicht der Frage nach dem Erfüllen von getroffenen Vereinbarungen aus dem Weg gehen. 2.5.2 Finanzierung der NATO Während die nationalen Verteidigungsbudgets häufig als indirekte Finanzie‐ rung der NATO bezeichnet werden, überweisen die Mitgliedstaaten eben‐ falls einen kleinen Anteil aus ihren Verteidigungsbudgets zur Finanzierung der Strukturen und ihrer Aufgaben direkt an die NATO. Hierfür gibt es eine Faustregel von ≤ 0,5 % des nationalen Verteidigungsetats, 29 realiter einigen sich die Staaten aber untereinander, nach ihren jeweiligen Möglichkeiten zum Allianzbudget für zivile (2019: ca. $266 Mio.) und militärische Struk‐ turen und Kapazitäten (ca. $1,6 Mrd.) sowie zum NATO Security Investment Programme (NSIP, ca. $785 Mio.), einem Fonds für strategische und taktische, zivile und militärische Infrastruktur, beizutragen. Hieraus ergibt sich ein aktueller Finanzbedarf von jährlich ca. $2,7 Mrd. für die permanenten Ausgaben der Allianz (NATO 2019g). Bis ins Jahr 2020 sind auch bei dieser direkten NATO-Finanzierung die USA mit 22,1 % die größten Lastenträger. Dahinter folgen Deutschland mit 14,8 % der Ausgaben sowie mehrere große Staaten (Frankreich, UK) mit ca. 10 %, während Polen oder die Niederlande um 3 % liegen. Auch Island steuert 0,06 % bei und liegt damit noch vor Montenegro (0,03 %, alle Zahlen NATO 2019g). Mitgliedstaaten Vereinbarte Kostenverteilung Anteile in Prozent (%) 2018-19 2020 2021-24 Albanien 0,08 0,08 0,09 Belgien 1,95 1,95 2,10 Bulgarien 0,34 0,34 0,37 Dänemark 1,22 1,22 1,31 Deutschland 14,76 14,77 16,34 Estland 0,12 0,12 0,12 2.5 Finanzen und Budgets 75 <?page no="76"?> Frankreich 10,50 10,50 10,49 Griechenland 0,98 0,98 1,06 Großbritannien 10,46 10,46 11,28 Island 0,06 0,06 0,06 Italien 8,14 8,14 8,78 Kanada 6,38 6,38 6,88 Kroatien 0,28 0,28 0,30 Lettland 0,15 0,15 0,16 Litauen 0,24 0,24 0,26 Luxemburg 0,16 0,16 0,17 Montenegro 0,03 0,03 0,03 Niederlande 3,20 3,20 3,45 Nordmazedonien* - 0,07 0,08 Norwegen 1,65 1,65 1,78 Polen 2,77 2,77 2,99 Portugal 0,97 0,97 1,05 Rumänien 1,14 1,14 1,23 Slowakei 0,48 0,48 0,52 Slowenien 0,21 0,21 0,28 Spanien 5,55 5,55 5,99 Tschechien 0,98 0,98 1,06 Türkei 4,38 4,38 4,73 Ungarn 0,70 0,70 0,76 USA 22,14 22,14 16,34 * Nordmazedonien ist erst im März 2020 NATO-Mitglied geworden. Die Beiträge der anderen Staaten werden dadurch kaum verändert. Tabelle 9: Kostenverteilung direktes NATO-Budget (Quelle: (NATO 2019g, inkl. pdfs), eigene Darstellung). 2 Die Allianz als Institution 76 <?page no="77"?> 30 Frankreich fürchtet eine generelle Rückzugsstrategie der USA aus der Mitarbeit und Mitfinanzierung internationaler Institutionen und wollte dieses Quid pro quo daher nicht unterstützen. 31 Dieser Budgetteil wird meist von den Außenministerien der Mitgliedstaaten getragen, während das gemeinsame miltärische Budget aus Verteidigungshaushalten stammt (NATO 2019g). Ende des Jahres 2019 gab es eine Einigung auf eine neue Kostenaufteilung für das direkte Budget der Jahre 2021-2024 in Höhe von $2,38 Mrd., die vor allem den deutsch-amerikanischen Streit um zu geringe deutsche Militärausgaben und Beiträge zur NATO mildern sollte (von Salzen 2019; Welt.de 2019). Nach dieser Einigung werden ab 2021 Deutschland und die USA jeweils gleich viel - 16,34 % - zum direkten NATO-Budget beitragen (NATO 2019g). Dadurch steigt der deutsche Beitrag von $351 Mio. auf $388 Mio., während der amerikanische um $138 Mio. im Jahr geringer ausfällt. Die verbliebene Differenz aus dem geringeren US-Anteil zahlen alle Alliierten außer Frankreich, das wegen einer grundsätzlichen Ablehnung dieses Deals auf gleichem Level bleibt (von Salzen 2019). 30 Der Konflikt bezüglich der weitaus gewichtigeren indirekten Finanzierung der NATO - sowohl, was die nationalen Verteidigungsetats angeht als auch die indirekten Kosten durch Truppenstellung und die Teilnahme an Missionen - wird dadurch jedoch nicht gelöst. 2.5.3 NATO-Budgets Die oben beschriebene Kostenaufteilung der direkten Beiträge zur NATO macht nur einen Teil des Budgets der Allianz aus, das sich zudem auf zivile und militärische Ausgaben und Aufgaben erstreckt. Es gibt in der NATO viele weitere Finanzierungsmechanismen, die sich grob anhand von vier Kategorien unterscheiden lassen: zivile Ausgaben, militärische Permanentausgaben, militärische Projektausgaben und Missionsausgaben (NATO 2019g). ▸ ziviles Budget: Kosten für administrative, politische Governance (IS-Ausgaben); Gebäudeinfrastruktur und Sicherheit; 31 ▸ gemeinsames militärisches Budget: Kosten für die integrierte Kom‐ mandostruktur (inkl. IMS, ohne Sold); 35 Unterbudgets, inkl. AWACS, Operationshauptquartiere; 2.5 Finanzen und Budgets 77 <?page no="78"?> ▸ projektbezogene Budgets: Verwaltung von nationalen Geldern durch NATO(-Agenturen), z. B. Rüstungsprojekte; NATO Security Invest‐ ment Programme, kritische gemeinsame Infrastruktur; ▸ indirektes Budget: Missionskosten, von truppenstellenden Staaten getragen (außer NATO-Infrastruktur, s. gemeinsames Budget). Fälsch‐ licherweise hierunter oft auch Diskussion über nationale Verteidi‐ gungsetats (s. o.; NATO 2019g) Zusammenfassend hängt die budgetäre Ausstattung der NATO somit von drei Faktoren ab. Erstens ist die Allianz bei der Durchführung kollektiver Sicherheitsmissionen (indirekte Ausgaben) stark von der Bereitschaft der Mitgliedstaaten abhängig, Missionen auszuführen und dafür Kosten zu übernehmen. Zweitens ist das direkte Budget der NATO vom Gelingen von Aushandlungsprozessen zwischen allen 30 Mitgliedstaaten abhängig. Zwar gibt es einen allgemein anerkannten Kostenaufteilungsschlüssel, doch sind diese Aushandlungsprozesse politischen Konjunkturen von Einheit und Missstimmungen unterworfen. Drittens und abschließend ist der Unter‐ schied der nationalen Verteidigungsetats der 29 europäischen Alliierten und Kanadas einerseits und der USA andererseits eklatant. Dies hängt natürlich zunächst mit der globalen Rolle zusammen, die die USA sicherheitspolitisch weit über die NATO hinaus innehat, spielt in der aktuell politisch ange‐ spannten Situation aber in die Hände derer, die eine 69: 31 %-Aufteilung (USA/ Rest) der Verteidigungsausgaben als nicht länger tragbar ansehen. Die Angleichung des direkten Budgetfinanzierungsanteils der NATO zwischen Deutschland und den USA ändert hieran nichts. Letztlich sagt die Höhe der Verteidigungsausgaben zumindest mittelbar etwas über die Einsatzfähigkeit einer Armee für die Allianz aus. 2.6 Zusammenfassung: Die NATO als Vehikel amerikanischer Hegemonie versus die Macht der Institution Dieses Kapitel hatte den Zweck, seine Leser*innen mit den institutionellen Grundlagen, die die Allianz organisatorisch definieren, und damit verbun‐ denen politischen Aspekten vertraut zu machen, die das Bündnis in seinem täglichen Handeln prägen. Unter Mithilfe des Neoliberalen Institutiona‐ lismus konnte verdeutlicht werden, warum die NATO in einigen Bereichen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik intensiv zusammenarbeitet und 2 Die Allianz als Institution 78 <?page no="79"?> einzigartige kooperative Institutionen, Praktiken und Politiken in diesen politischen Feldern geschaffen hat. Trotzdem bleibt die NATO eine zwi‐ schenstaatliche Institution, deren Strukturen in ihrer Existenz und ihrem Handeln an die Vorgaben der Mitgliedstaaten, Kooperationswillen und Ein‐ stimmigkeit gebunden sind. Es besteht allerdings eine verbindliche Kultur der Konsenssuche (Pouliot 2016, 90). Diese Konstellation hat zur Folge, dass der Großteil militärischer Kapazitäten und Entscheidungen auf national‐ staatlicher Ebene verbleibt. Vor allem im Bereich der Kapazitätsplanung und Beschaffung wären noch große Zuwächse an Kooperation und Integration möglich, die Kosten reduzieren und die gemeinsame Handlungsfähigkeit und Interoperabilität vergrößern würden, aber letztlich sind hier zentrale Fragen der nationalen Souveränität, des technologischen Knowhows und der Unabhängigkeit sowie der Industriepolitik miteinander verknüpft, die bereits nationalstaatlich nicht einfach zu lösen sind. Die Diskussion der Grundlagen der Allianz, vor allem bezüglich der Finanzen, hat auch das große Gewicht der USA herausgestellt. Seit der Gründung 1949 sind die US-Amerikaner*innen der militärisch stärkste Bündnispartner. Die europäischen Staaten akzeptierten in Anbetracht der Blockkonfrontation daher einen gewissen Grad an Gefolgschaft gegenüber den USA. Auch nach dem Ende des Kalten Kriegs hat sich an dieser Machtverteilung nichts geändert, da die finanzielle Lastenverteilung noch einseitiger wurde. Mit dem Willen und den Mitteln, ein sicherheitspoliti‐ scher Akteur globaler Reichweite zu sein, haben die USA automatisch eine Führungsposition in der NATO, die sich z. B. in der Tradition äußert, dass der SACEUR stets ein US-Amerikaner ist. Weitere Merkmale dieser Führungsposition sind auch die Ausrichtung von NATO-Doktrinen an ame‐ rikanischen Vorlagen, die hohen US-amerikanischen Truppenkontingente bei gemeinsamen Missionen wie in Afghanistan oder die Tendenz der USA, Rüstungsprojekte und -produkte eigener Firmen in der Allianz bzw. bei den Alliierten platzieren zu wollen. Weder kleine Bündnispartner noch größere spielen hier in derselben Liga wie die USA - und dies in vollem Bewusstsein. Man kann den USA also auch nicht verübeln, dass sie führen, wenn andere das nicht können oder wollen. Gleichwie gibt es jedoch Grenzen der Gefolgschaft, die wir z. B. in der französischen Entscheidung zum Verlassen der Militärstrukturen 1966 oder im Irakkrieg 2003 gesehen haben, und Momente, in denen die US-Ame‐ rikaner*innen in ihrem Führungsanspruch über die Stränge schlagen. Trotzdem ermöglicht gerade in solchen Situationen die NATO mit ihren 2.6 Zusammenfassung 79 <?page no="80"?> Strukturen, dass auch die Positionen anderer, kleiner wie großer Staaten gehört werden und berücksichtigt werden müssen, wenngleich die USA mit ihrer Macht und Expertise Entscheidungen in ihre Richtung lenken können (Rösch 2016, 171 ff.). Die Probleme und Leistungen dieser Kooperation sollen in den nächsten Kapiteln aus verschiedenen Perspektiven vertieft werden. 2.7 Diskussionsfragen und weiterführende Literatur Diskussionsfragen: ▸ Welche Sicht hat der Institutionalismus auf die Möglichkeiten und Chancen internationaler Kooperation? ▸ Wie verändern Institutionen internationale Politik? ▸ Welche verschiedenen Interessen mussten bei der Gründung der Allianz und der Auswahl der Mitglieder unter einen Hut gebracht werden? ▸ Welche Bedeutung kommt der Existenz gemeinsamer politischer und militärischer Strukturen in der NATO zu? Wobei helfen sie ihr, was machen sie möglich, was erschweren sie? ▸ Welche Vorzüge und Nachteile hat das Konsensprinzip? ▸ Welche Rolle kann der Generalsekretär in der NATO spielen? Worauf muss er bei seinen Initiativen Rücksicht nehmen? ▸ Welche Faktoren spielen bei der Budgetplanung und den Finanzen der NATO eine Rolle und wo liegt Konfliktpotential? ▸ Warum hat die NATO nur wenige eigene Kapazitäten und wie funktio‐ niert dann die Verteidigungs-/ Einsatzplanung? Auf welche Probleme stößt sie durch den notwendigen Rückgriff auf nationale Kapazitäten? Weiterführende Literatur: Dülffer, Jost (1999). Jalta, 4. Februar 1945 - der Zweite Weltkrieg und die Entstehung der bipolaren Welt. München: dtv. Ehlert, Hans, Christian Greiner, Georg Meyer und Bruno Thoß, Hrsg. (1993). Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945-1956: Band 3, Die NATO-Option. München: Oldenbourg. Haftendorn, Helga, and Otto Keck, Hrsg. (1997). Kooperation jenseits von Hege‐ monie und Bedrohung. Sicherheitsinstitutionen in den internationalen Beziehungen. Baden-Baden: Nomos. 2 Die Allianz als Institution 80 <?page no="81"?> Haftendorn, Helga, Robert O. Keohane, and Celeste A. Wallander, Hrsg. (1999). Imperfect Unions. Security Institutions over Time and Space. Oxford and New York: Oxford University Press. Harbutt, Fraser J. (2010). Yalta 1945: Europe and America at the crossroads. Cambridge (UK): Cambridge University Press. Hendrickson, Ryan C. (2006). Diplomacy and War at NATO: The Secretary General and Military Action After the Cold War. Columbia (MO): University of Missouri Press. Krell, Gert und Harald Müller, Hrsg. (1994). Frieden und Konflikt in den internatio‐ nalen Beziehungen. Festschrift für Ernst-Otto Czempiel, Studien der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Bd. 26. Frankfurt am Main: Campus. Wallander, Celeste A. (1999). Mortal Friends, Best Enemies: German-Russian Coope‐ ration after the Cold War. Ithaca et al. (NY): Cornell University Press. 2.7 Diskussionsfragen und weiterführende Literatur 81 <?page no="83"?> 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs: Beistand, Bipolarität, Atomwaffen und Krisen Dieses Kapitel bespricht die kollektive Verteidigungsstrategie und die daraus erwachsenden Handlungen und Praktiken des transatlantischen Bündnisses während des Kalten Kriegs mit der Sowjetunion. Dazu werden zunächst der Neorealismus und die neorealistische Allianztheorie vorgestellt, die als zen‐ trale Theorien zur Erfassung sicherheitspolitischen Handelns von Staaten gelten und mit Bezug zur NATO auch den Aspekt der US-Hegemonie dis‐ kutieren (3.1). Diese Theorien sollen die folgenden Ausführungen rahmen. Abschnitt 3.2 befasst sich mit dem Aufbau der kollektiven Verteidigung zwischen 1949 und 1955. Den Veränderungen der kollektiven Verteidigung durch die deutsche Wiederbewaffnung im Jahr 1955 wird in Abschnitt 3.3 nachgegangen. Zentral für das Verständnis der Blockkonfrontation während des Kalten Kriegs sind zudem Fragen der Nuklearstrategie (3.4) und der Abrüstung (3.5). Dabei werden zentrale Krisen wie die Kuba- und Berlin‐ krisen oder der NATO-Doppelbeschluss dargestellt, die als heiße Episoden der Auseinandersetzung gelten. In Abschnitt 3.6 wird ein kurzes Résumé über den betrachteten Zeitraum seit 1949 gezogen, bevor sich Abschnitt 3.7 mit dem vorläufigen Schlussstrich unter die Blockkonfrontation, dem Ende des Kalten Krieges seit dem deutschen Mauerfall im Jahr 1989 und dem darauffolgenden Ende der Sowjetunion bis 1991 befasst. 3.1 Neorealismus und neorealistische Allianztheorie Der Neorealismus, und vor ihm der Klassische Realismus (Carr 1939; Herz 1951; Morgenthau 1948), gilt seit den 1980er Jahren trotz einer mittlerweile deutlich ausdifferenzierteren Theorielandschaft und grundlegender Kritik (Keohane 1986; Lebow und Risse-Kappen 1995) nach wie vor als Basistheorie der Internationalen Beziehungen, vor allem im Feld Sicherheit. Wenngleich gerade die NATO mit ihrer Langlebigkeit und ihrer Anpassungsfähigkeit zur Theoriebildung über Sicherheits- und Verteidigungszusammenarbeit jenseits neorealistischer Erklärungen beigetragen hat (Risse-Kappen 1996; <?page no="84"?> 32 Zum Unterschied zwischen Strukturtheorie und Weltsystemtheorie siehe Masala (2017, 152). 33 Waltz (1996) hat selbst klargestellt, dass seine Theorie nicht zur Erklärung von Au‐ ßenpolitik gedacht ist. Später hat sich auch eine neorealistische Außenpolitiktheorie entwickelt (Baumann et al. 2001; Elman 1996; Grieco 1988; s. auch Brummer und Oppermann 2014, Kap. 2). Vor allem haben Autor*innen des Neoklassischen Realismus (Rose 1998; Sterling-Folker 1997; Wohlforth 2008; Meibauer et al. 2020 (online first)) durch die Inklusion innenpolitischer und ideeller Variablen zur außenpolitischen Analysefähigkeit des Realismus beigetragen (s. auch Feng und Ruizhuang 2006, 121 ff.; Masala 2017, 160 f.). Tuschhoff 1999; Wallander 2000; Wallander und Keohane 1999), so ist der Neorealismus dennoch hilfreich, um grundlegende Allianzdynamiken und -probleme zu verstehen. 3.1.1 Neorealismus Der Neorealismus ist eine Strukturtheorie 32 internationaler Politik und zielt daher zunächst nicht auf die spezifische Erklärung konkreter außenpoliti‐ scher Entscheidungen, sondern auf das Verstehen von Gesamtdynamiken im System internationaler Politik, denen Staaten in ihrem Handeln unterworfen sind (Waltz 1996; Feng und Ruizhuang 2006, 117 ff.). 33 Begründet wurde die Theorieschule 1979 durch Kenneth Waltz mit seiner Theory of International Politics (Waltz 1979). Hauptvertreter sind heute der Chicagoer Professor John Mearsheimer und sein Harvard-Kollege Stephen M. Walt, der auch maßgeblich zur Theorisierung von Allianzen beigetragen hat (s. u.). In Deutschland gilt Carlo Masala, der in einem Dialog mit Waltz stand (Masala 2014), als bekanntester Verfechter des neorealistischen Erklärungsansatzes. Neorealist*innen sind Materialist*innen und Rationalist*innen. D.h., dass sie ausschließlich beobachtbare materielle Kapazitäten - das relative Ver‐ hältnis ökonomischer und militärischer Fähigkeiten von Staaten - als Er‐ klärungsvariablen für internationale Politik anerkennen. Zum einen wollte Waltz mit seiner Theorie maßgeblich zu einer Verwissenschaftlichung der realistischen Schule beitragen, während es im Klassischen Realismus rein induktive Annahmen, z. B. zum schlechten Charakter der menschlichen Natur, gibt (Feng und Ruizhuang 2006, 6; Morgenthau 1948, Kap. 1). Daher wollte Waltz Aussagen lediglich auf Basis theoretisch fundierter Annahmen und beobachtbarer Tatsachen treffen (Waltz 1979, Kap. 1, 2; Masala 2017, 151 f.). Zum anderen liegt dem Neorealismus die Annahme zugrunde, dass sich Staaten als zentrale (und nach orthodoxer Meinung einzige) Akteure 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 84 <?page no="85"?> 34 Gleichzeitig werden wirtschaftspolitische und sicherheitspolitische Interaktionen zwi‐ schen Staaten nicht als völlig identisch angesehen (Mearsheimer 1994, 15). internationaler Politik in ihrem Handeln und ihrer Existenz in einer unabän‐ derlichen Unsicherheitssituation begegnen. Diese Unsicherheitsbedingung internationaler Politik erwächst aus dem Fehlen einer dem Nationalstaat übergeordneten Autorität, die das Einhalten von Regelungen und Vereinba‐ rungen verbindlich durchsetzen könnte. Daher ist das Beziehungsgeflecht dieser Staatseinheiten grundsätzlich anarchisch (Waltz 1979, 66 ff.). Staaten sind in ihrem Handeln somit zuerst System getrieben, ohne in ihrem Handeln vom System determiniert zu sein. Das heißt, dass sie primär auf Anreize des Systems (Anarchie und Machtverteilung) reagieren und nicht etwa auf innenpolitische Gemengelagen oder außenpolitische Präfenzen von Parteien. Akteure können sich nach realistischer Überzeugung nie den Intentionen eines Gegners (oder zeitweiligen Partners) sicher sein. Selbst in kooperativen Interaktionen besteht die Gefahr des Hintergehens, was in existenziellen Situationen wie der Frage von Frieden oder Krieg verheerend sein könnte. Gegen diese Gefahren können sich Staaten nach realistischer Auffassung nur schützen, indem sie sich in einer auf ihren Gegner bezo‐ genen ökonomischen und militärischen Machtüberlegenheit befinden, um sich im Falle des Betrugs oder Angriffs selbst helfen (self-help mentality) zu können (Mearsheimer 1994, 9 ff.; 2001, 17 ff.; Masala 2017, 151). Das Handeln des Gegners muss rational erfasst werden, um das eigene Überleben zu sichern (ibid.). Durch den anarchischen Charakter des Systems sind Staaten somit dazu angehalten, stets machtbasiert und auf Unsicherheit reagierend zu handeln, um ihr Überleben zu sichern und ihre Interessen realisieren zu können. Der Interessenbegriff ist im Neorealismus uneinheitlich besetzt. Durch den Fokus auf Anarchie und Unsicherheit besteht eine Tendenz, Staats‐ interessen zu versicherheitlichen. Das heißt, dass das erste Interesse des Staates zunächst das Sichern seines Überlebens sein muss und erst danach sekundäre Ziele wie wirtschaftliche Interessen stehen sollten. Umgekehrt werden wirtschaftliche Interessen, z. B. im Rohstoffbereich, schnell unter dem Aspekt der Sicherheit gesehen, weil wirtschaftliche eine Vorbedingung für militärische Stärke darstellt. Somit sind Interaktionen zwischen Staaten stets auf relative Vorteile bezogen (Mearsheimer 1994, 20; Masala 2017, 143). 34 Der Neorealismus ist sich aber nicht vollends einig, welche gene‐ rellen Handlungsimperative hieraus für Staaten erwachsen. Es wird daher 3.1 Neorealismus und neorealistische Allianztheorie 85 <?page no="86"?> 35 Bipolare Ordnungen seien stabiler und friedlicher als unipolare oder multipolare: Unter Bipolarität ist Macht gleich verteilt und andere Staaten fügen sich darin ein. Unipolarität produziert stets Herausforderer, Multipolarität ist unübersichtlicher (z. B. Mearsheimer 1990; Waltz 1979, 168; kritisch Grieco 2007). zwischen defensivem Realismus und offensivem Realismus unterschieden. Joseph M. Grieco (1990) und Stephen Walt gelten als Verfechter des defensive structural realism, und Kenneth Waltz’ struktureller Realismus wird eben‐ falls defensiv charakterisiert (Masala 2017, 159). Defensive Realist*innen unterstreichen die Gefahren von (zu) offener Konfrontation und Macht‐ projektion, die zu mehr Unsicherheit führen können, da Konfrontationen stets mit einem Unvorhersagbarkeitsmoment einhergehen. Daher ziehen sie ein Status quo-orientiertes Handeln von Staaten vor, bei dem Akteure Gefahren neutralisieren (balance of threat) und relative Macht erhalten, ohne sie notwendigerweise zu maximieren (Walt 1987, 5; Elman 2008, 20 ff.). Macht ist dabei nur Mittel zum Zweck. Dem halten Vertreter des offensive structural realism wie Mearsheimer oder Randall Schweller (1994) entgegen, dass es im internationalen System revisionistische Staaten gibt, die mehr Macht wollen, um sich selbst in eine bessere Position zu bringen. Gegen solche Akteure, die die ursprüngliche, oben beschriebene Unsicherheit erst erzeugen, helfe nur Machtexpansionismus (Schweller 1994; Masala 2017, 159). Für sie balancieren Staaten nicht Gefahren, sondern Macht (balance of power), weil hohe relative Macht das Aufkommen von Gefahren im Keim erstickt. Im offensiven Realismus ist also die Maximierung von Macht gleichbedeutend mit der Sicherung des Überlebens - Macht ist ein Ziel an sich (ibid., 22 ff.; s. auch Mearsheimer 2001, 21; Feng und Ruizhuang 2006, 123 f.). Diese Überlegungen verdeutlichen, dass Neorealist*innen - vor allem die offensiven - in ihrer Theorie besonders das Verhalten von Großmächten (China, Russland, USA) thematisieren, während die Entscheidungen von weniger mächtigen Staaten stets von der Polarität des Systems (unipolar, bi‐ polar oder multipolar) und somit von der Anzahl der Großmächte bestimmt werden. 35 In offensiv-realistischer Lesart ist es deshalb die beste Versiche‐ rung des Überlebens, ein regionaler Hegemon zu werden, der anderen Staaten in seinem Umfeld ihre Politiken diktieren oder zumindest sicher‐ stellen kann, dass diese aufgrund des Machtgefälles nicht gegen ihn gerichtet sind. Den mit weniger Macht ausgestatteten Staaten bleibt manchmal nur die schlechtere Handlungsstrategie des bandwagoning, sich einem größeren Staat zur Herstellung der eigenen Sicherheit anzuschließen, was 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 86 <?page no="87"?> sie aber mit Freiheitseinbußen bezahlen. Daher ist bandwagoning niemals die bevorzugte Strategie, sondern stets die Fähigkeit zum balancing (Walt 1987, 17) - entweder von Gefahren (defensiv) oder von Machtansprüchen (offensiv). 3.1.2 Neorealistische Allianztheorie und die NATO In ihrer Skepsis gegenüber der Relevanz von Institutionen in der Sicher‐ heits- und Verteidigungspolitik haben Realist*innen dennoch die Rolle von Allianzen theorisiert, die Staaten zum Zweck der Abwehr eines Feindes gründen. Stephen M. Walt hat mit seinem 1987er Buch The Origins of Alliances eine umfassende Studie vorgelegt, die das Zustandekommen, Bestehen und die Auflösung von Allianzen in historischer Perspektive betrachtet. Walt definiert Allianzen als formelle oder informelle Sicher‐ heitsarrangements zwischen Staaten, die auf Gegenseitigkeit beruhen und exklusiv gegen andere Akteure gerichtet sind, von denen eine Gefahr für die Mitglieder ausgeht (Walt 1987, 12; 1997; s. auch Wallander und Keohane 1999, 23 ff.). Walt führt fünf Erklärungen für das Zustandekommen von Allianzen an: 1. balancing: Staaten verbündeten sich gegen eine Gefahrenquelle; 2. bandwagoning: Ein Staat verbündet sich mit der Gefahrenquelle, um Appeasement zu betreiben oder als Sieger dazustehen; 3. ideologische Gemeinsamkeiten: eine Allianz wird auf Basis gemein‐ samer Prinzipien gegründet, um die Legitimität des eigenen Handelns zu steigern; 4. Bereitstellung von Gütern: Allianzgründung erfolgt, weil ein Staat gemeinsame Güter bereitstellt (z. B. militärische Fähigkeiten), die ein anderer Staat nicht hat. Abhängigkeitsbeziehungen (Dankbarkeit, Gefolgschaft) werden geschaffen oder gute Absichten kommuniziert; 5. Einflussnahme von außen verändert die öffentliche Meinung (z. B. durch Propaganda) oder politische Positionen von Personen in einem anderen Land (Walt 1987, Kap. 2). In seinen ursprünglichen Überlegungen sah Walt vor allem die balancing- und bandwagoning-Logiken als bestimmend für Allianzgründungen an, während er den anderen drei Erklärungen nur eingeschränkte Gültigkeit attestierte. Im Bereich der Ideologie gäbe es sowohl trennende als auch einende Aspekte (z. B. würde die Zusammenarbeit mit oder unter autori‐ 3.1 Neorealismus und neorealistische Allianztheorie 87 <?page no="88"?> 36 Mearsheimer (2014) sieht in Ideologie immer noch einen Grund für fehlgeleitete Osterwei‐ terungspolitiken der NATO und EU mit ihren Konsequenzen für das russisch-westliche Verhältnis und letztlich die Ukraine und die Krim seit 2014. tären Staaten eher konfliktiv, die unter liberalen Republiken eher einend verlaufen). Die Bereitstellung von Gütern als Grund, eine Allianz einzu‐ gehen, funktioniere nur, wenn der Anbieter des Gutes (z. B. Sicherheit) ein Monopol innehabe (nur er kann Sicherheit für den Käufer garantieren) und der annehmende Staat bedroht sei, der Anbieter jedoch nicht. Und schließlich sah er den Grund der innenpolitischen Beeinflussung von vielen gesellschaftlichen Kontextfaktoren im Zielland abhängig. Insgesamt wies Walt somit den Erklärungen 3-5 nur einen mittelbaren, intervenierenden Einfluss auf Allianzgründungen zu. Niemals sei das ideologische Argument wichtiger als die Sicherheit eines Staates. Der primäre Grund, in eine Allianz einzutreten, sei daher immer in der Herstellung von Sicherheit und Überleben zu suchen (Walt 1987, 33 ff.). Gemein ist den verschiedenen Ansätzen der Allianztheorie die Betonung des nichtdauerhaften Charakters von Allianzen. Sie sehen auf militärischen Beistand zielende Bündnisse als spezifische Antworten auf konkrete Probleme, die beim Wegfall dieser Probleme erhebliche Kosten, vor allem für den Hegemon, erzeugen können (buck-passing, s. Mearsheimer 1990, 15 f.; Mearsheimer und Walt 2016). Der Wandel internationaler Politik nach dem Ende des Kalten Krieges hat zu Anpassungen der realistischen Allianztheorie geführt. Mearsheimer hat der NATO im Jahr 1990 den Untergang prophezeit, weil die Bedrohung durch die Sowjetunion nicht mehr bestand und das wiedervereinigte Deutschland bald seine neuen Machtmöglichkeiten ausspielen würde (Mearsheimer 1990). Be‐ kanntlich ist weder das eine noch das andere eingetreten: Die NATO feierte im Jahr 2019 ihren 70. Geburtstag und Deutschland setzte seine zurückhaltende Zivilmacht-Außenpolitik unbeeindruckt von der Verbesserung seiner Macht‐ position fort (Duffield 1999; Maull 2007). Walt überdachte daraufhin seine Theorie und räumte vier Aspekten größere Bedeutung ein: Erstens müsse man die identitätsstiftende Rolle von gleichgerichteter Ideologie zwischen Staaten höher bewerten. Mit dieser Neubewertung bezieht er sich u.a. auf die Forschung zu Sicherheitsgemeinschaften von Karl W. Deutsch (Deutsch et al. 1968 [1957]; Deutsch 1970 [1954]; Adler und Barnett 1998). 36 Politische Debatten wie die um ein globales Concert of Democracies (Alessandri 2008; Balladur 2008) oder eine Global NATO (Adam 2007; Daalder und Goldgeier 2006; Bunde und Noetzel 2010; Clarke 2009; McCain 2008; Müller 2008, 45 f.; 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 88 <?page no="89"?> Alessandri 2008) spiegeln letztlich die Rolle und Bedeutung von Ideologie für die Allianz wider. Zweitens wirke sich ein hoher Institutionalisierungsgrad - also das Vorhandensein von Gremien, Bürokratie und Prozessen - auf das Fortbestehen von Bündnissen aus. Drittens könnten mächtige innenpo‐ litische Eliten ein Interesse an der Aufrechterhaltung einer Allianz haben. Viertens könnte eine stark ungleiche Kostenverteilung zu Ungunsten eines wohlwollenden Hegemonen (Layne 2006, 17, mit Bezug zu Ikenberry), der daraus Vorteile zieht, ein stabilisierender Faktor sein (Walt 1997, 164 ff.; ähnlich McCalla 1996, 456 ff.). Die USA nehmen die Rolle des wohlwollenden Hegemon seit 1949 ein und haben sie trotz alle Konflikte in der Allianz um die Lastenverteilung aufrechterhalten. Erst unter Trump ist die NATO in einen manifesten Konflikt hierüber geraten, ohne die Rolle völlig abzulegen (s. Kap. 7.4). Auch Mearsheimer (1994, 13) unterstreicht die Relevanz von Hegemonie für Allianzen, zieht daraus aber im Gegensatz zu Walt den Schluss, dass Allianzen immer auf einer balance of power-Logik beruhten, die in diesem Fall dem stärkeren Partner die Möglichkeit gibt, die Allianz in seinem Sinne zu prägen, wenn er bereit ist, dafür die Kosten zu tragen. Walts 2009er Aufsatz zu Alliances in a Unipolar World (Walt 2009) geht noch stärker auf die Folgen eines extrem übermächtigen Hegemonen wie den USA ein - eine Situation, die es so bisher in der Weltpolitik noch nicht gab. Er streicht heraus, dass Allianzen unter unipolaren Bedingungen einerseits dem Unipol/ Hegemonen selbst quasi unbeschränkte Freiheit in seinen Politiken ermöglichen (s. auch Rösch 2016) und alliierte wie andere Staaten gleichzeitig dieser Übermacht kritischer gegenüberstehen. Gleichzeitig wird Gegenmacht‐ bildung schwieriger. Auch intra-Allianzdynamiken seien kompliziert, weil Mitgliedstaaten weniger Verhandlungsgewicht als zu bipolaren Bedingungen haben, in denen der Hegemon auf Kooperation angewiesen ist. Diese Tendenzen und Probleme der NATO sind unserer Tage erkennbar, reichen aber bis zu ihrer Gründung zurück. Die für den Beistandsfall des Nordatlantikvertrags (Art. 5) gefundenen Formulierungen stellen einen Kompromiss zwischen einer von europäischen Staaten gesuchten militäri‐ schen Beistandspflicht und einer nordamerikanischen Vorsicht gegenüber Beistandsautomatismen dar (Grosser 1986, 96 f.; Ismay 1955, Kap. 2; Raflik 2011, 210). Der Beistandsartikel bewegt sich somit auf einer feinen Linie zwischen impliziter Verpflichtung zur Hilfe und Wahrung nationaler Selbst‐ bestimmung. Er ist daher im Endeffekt ein im Vertrauen gegebenes Verspre‐ chen. Es lässt sich aus neorealistischer Sicht somit eine gewisse Vorsicht erkennen, sich zu fest an andere Staaten und ihre Handlungen zu binden, 3.1 Neorealismus und neorealistische Allianztheorie 89 <?page no="90"?> die den eigenen Interessen entgegenlaufen könnten. Die Formulierungen des Nordatlantikvertrags schützen die Verbündeten vor militärischen Aben‐ teuern einzelner Mitglieder, indem sie durch die theoretische Möglichkeit der Nichtausrufung des Bündnisfalls zur Vorsicht anhalten. Die geogra‐ fischen Einschränkungen der Vertragsgültigkeit gehen in eine ähnliche Richtung. Praktisch bleibt dadurch vor allem der Hegemonialmacht USA als militärisch eigenständigem Akteur ein größerer Freiheitsraum erhalten. Dieser Raum führt zu Situationen, in denen US-amerikanische Strategien mehr oder weniger unverändert auf die Allianz übertragen werden, z. B. bei Diskussionen um nukleare oder konventionelle Verteidigungsstrategien während des Kalten Kriegs (s. Kap. 3.4). Vor allem Frankreich kritisierte deshalb US-Paternalismus scharf (s. Exkurse). Diese historischen Ereignisse und Debatten legen Zeugnis davon ab, dass die starke Rolle der USA in der Allianz gleichzeitig unabdingbar, notwendig und problematisch war. So beobachtete Kugler im Jahr 1991: „The United States made many tactical errors in Alliance management and perhaps a few strategic blunders. Often it behaved too unilaterally, without due regard for Allied sensitivities and the need for advance consultation. Sometimes, it sought too much, too quickly. And its larger visions for West European integration and transatlantic relations often were curiously blind to the goals of key allies, especially France. In later years, the United States was able to correct many of these shortcomings by behaving more patiently within NATO and by treating France with greater respect.“ (Kugler 1991, 141). NATO-Handlungen gingen also häufig von US-Initiativen aus bzw. waren durch die überlegenen US-amerikanischen militärischen Fähigkeiten ge‐ prägt, die der Allianz ihren Stempel aufdrückten (Nötzel und Schreer 2009, 212 f.). Die vertraglichen Regelungen und die Allianzpraxis sind also nicht völlig frei von relativen Machtverhältnissen zwischen den Partnern. Aber vor allem während des Kalten Kriegs war die Kehrseite der Medaille stets auch die Sicherstellung der Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses, die klar im Blick der USA stand und im Interesse der europäischen Alliierten lag (Kugler 1991, 143; Nötzel und Schreer 2009, 212 f.). Somit kann die Zusam‐ menarbeit in der Atlantischen Allianz auch als ein Fall gesehen werden, in dem im Feld Sicherheit kompatible, wenngleich nicht immer konfliktfreie Interessen vorliegen (Keohane 1988, 380 ff.; 1984, Kap. 6), die gleichzeitig durch Machtbeziehungen beeinflusst werden. Die USA sind durch ihre militärisch wie institutionell herausgehobene Position in der NATO zwar 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 90 <?page no="91"?> in der Lage, eine Agenda entlang ihren Vorstellungen zu verfolgen, die Akzeptanz dieser Agenda und ihre Umsetzung sind aber von der Koopera‐ tion der Alliierten und dem Konsensprinzip abhängig. Dies macht deutlich, dass wahrscheinlich mehr Wirkmechanismen am Entstehen (und dem Ende) von Allianzen beteiligt sind, als Mearsheimer einräumt, und sich somit die revidierte, dem Institutionalismus und Liberalismus annähernde Version der Walt’schen Allianztheorie als besseres Erklärungsgerüst anbietet (McCalla 1996). Die neorealistische Allianztheorie hält uns aber zur Vorsicht an, in Ideologien und Institutionalisierung nicht die einzigen Triebfedern von Militärbündnissen zu sehen. 3.2 Die Anfänge 1949-1955: Allianzbildung und Aufbau einer gemeinsamen Verteidigung Nach dem Rückzug der UdSSR aus dem Alliierten Kontrollrat 1948, der Berlin‐ blockade (1948-1949) sowie der Machtübernahme der Kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei waren die hegemonialen Absichten der Sowjetunion in Deutschland und Europa deutlich (Kaplan 1984, 63 f.; Grosser 1986, 95 ff.; Geor‐ gantzis 1998, 27 ff.). Die NATO-Alliierten mussten nun das Bündnisversprechen in die Praxis einer gemeinsamen Verteidigung umsetzen. Dafür wurden die bereits oben genannten institutionellen Schritte umgesetzt (s. 2.3). In Anbetracht der starken und einheitlich organisierten sowjetischen Militärpräsenz östlich der Elbe war aber vor allem der Aufbau einer echten militärischen Verteidi‐ gungsfähigkeit zentral. Amerikanische Waffenlieferungen (und natürlich der Marshall-Plan) bildeten bereits seit 1950 einen materiellen Anfang, der in Anbetracht des durch den Krieg zerstörten Europas enorm wichtig war (Ismay 1955, 24). Die USA verlegten bis 1952 400.000 US-amerikanische Soldat*innen nach Westeuropa (Ismay 1955, 40). Wichtig waren ebenfalls ein Voranschreiten bei der gemeinsamen Verteidigungsplanung, der Etablierung gemeinsamer Prozeduren, einer Kommandokette und einer militärischen Strategie (Ismay 1955, Kap. 2; NATO 1949b, 6, Art. 8). Dies stellte eine enorme Hürde dar, weil große Uneinigkeit über den Verlauf der Verteidigungslinien bestand (weiter im Osten und somit schwerer zu verteidigen oder tiefer im Westen? ) - eine Frage, die durch den Beitritt der BRD im Jahr 1955 noch zentraler wurde, da die Strategiewahl das bundesdeutsche Territorium als Kriegsschauplatz direkt betraf (Kaplan 1984, 142 ff.). Letztlich ist in einer Allianz die Entwicklung 3.2 Die Anfänge 1949-1955: Allianzbildung und Aufbau einer gemeinsamen Verteidigung 91 <?page no="92"?> 37 In einem Entwurf (DC 6) des Verteidigungskomitees vom 29. November 1949 hieß es sogar noch deutlicher, dass die Pläne „die Fähigkeit zu strategischen Bombardements inklusive einer schnellen Bereitstellung der Atombombe garantieren“ müssten (NATO 1949b). Dieser explizite Bezug zu Atomwaffen wurde auf Bitten Dänemarks gestrichen, ohne inhaltlich etwas Anderes zu bedeuten (Pedlow 1997, XIII). einer Strategie immer ein Ausgleich zwischen den Interessen aller Mitglieder (Strachan 2005, 40). Die strategischen Konzepte der Jahre 1949 und 1952 setzten wegen der Realität sowjetischer konventioneller Überlegenheit auf die Garantie nuklearer Abschreckung durch die USA. Das Konzept vom 1. Dezember 1949 (DC 6/ 1) stellt daher zu Beginn der Auflistung der militärischen Maßnahmen klar, dass Verteidigungspläne „die Fähigkeit zu strategischen Bombardements mit allen möglichen Mitteln und allen Waffentypen, ohne Ausnahme, garantieren“ müssen (NATO 1949c, 5, Art. 7a). 37 Die europäi‐ schen Mitgliedstaaten sollten konventionelle Mittel bereitstellen, bis Hilfe aus den USA und Kanada eintreffen konnte (ibid., Art. 7b). Des Weiteren seien die USA und das Vereinigte Königreich für die Sicherung der transat‐ lantischen Luft-, Schifffahrts- und Kommunikationslinien verantwortlich, während die anderen Partner ihre Häfen oder Luftbasen und andere Infra‐ struktureinrichtungen schützen müssten (ibid., Art. 7d, e). Die zahlenmä‐ ßige, konventionelle Unterlegenheit sollte durch technischen Fortschritt der alliierten Kräfte ausgeglichen werden. Fünf regionale Planungsgruppen (USA, Kanada, Nordatlantik, Westeuropa, Nordeuropa, Südeuropa und west‐ liches Mittelmeer) arbeiteten für ihre Bereiche Streitkräfteplanungen aus. Dies war bei allen Mängeln ein Fortschritt gegenüber individuellen oder nur durch die USA verantworteten Plänen (Kaplan 1984, 142 f.; Pedlow 1997, XIff.). Teil dieser Pläne war im zunehmenden Maße das Konzept der Forward Defence (Vorneverteidigung, später auch Vorwärtsverteidigung), wonach die Staaten der drei kontinentaleuropäischen Planungsregionen versuchen sollten, sowjetische Angriffe so weit wie möglich im Osten aufzuhalten oder zu verzögern, um die Zeit bis zum Eintreffen weiterer Truppen von Westen her zu überbrücken und der Luftverteidigung Zeit zu geben, der Sowjetunion empfindliche Schäden zuzufügen (s. Abb. 7). Allerdings kam das Prinzip der Vorneverteidigung erst mit dem Beitritt der BRD zur NATO und dem darauffolgenden Aufbau der Bundeswehr zur Geltung, da die neuen westdeutschen Streitkräfte hierbei eine zentrale Rolle spielten. Bis dahin konzentrierten sich die alliierten Planungen stärker auf weiter westlich gelegene Verteidigungslinien, die militärisch mit den vorhandenen Kräften 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 92 <?page no="93"?> der westeuropäischen Bündnismitglieder besser haltbar waren (Kugler 1991, 112 f.; NATO 2013). NORDSEE OSTSEE Ma in Elbe Weser Donau Mosel Ijssel Rhein 6. PzGrenDiv I. NE I. GE I. UK I. BE III. GE V. US VII. US II. GE I. FR xxxxxx xxxxxx xxxxxx xxx xxx xxx xxx xxxx xxx xxx xxx xxx xxx xxx xxx xxx Alpha- Linie Alpha-Linie AFNORTH AFCENT NORTHAG CENTAG xxx xxx Saargebiet Pilsen Dresden Chemnitz Erfurt Leipzig Halle Magdeburg Potsdam Schwerin Rostock Lübeck Kiel Flensburg Hamburg Bremerhaven Wilhelmshaven Groningen Bremen Hannover Braunschweig Krefeld Essen Münster Osnabrück Bielefeld Dortmund Lippstadt Kassel Siegen Gießen Köln Düsseldorf Aachen Mainz Trier Mannheim Würzburg Nürnberg Bayreuth Regensburg Salzburg Augsburg Ulm Stuttgart Nancy Straßburg Freiburg Belfort Basel Zürich Innsbruck Ingolstadt München Karlsruhe Saarbrücken Frankfurt BERLIN BONN Č S S R D D R D E U T S C H L A N D B U N D E S R E P U B L I K Ö S T E R R E I C H F R A N K - R E I C H BEL- GIEN NIEDER- LANDE DÄNE- MARK LUXEM- BURG S C H W E I Z SCHWEDEN Quelle: BArch, Bw 2/ 2546 02/ 60. ZMSBw 05181-08 © Vorwärtsverteidigung 1960 100 km 50 0 Abbildung 7: Vorwärtsverteidigung 1960 (Grafik 05181-08; Quelle: ZMSBw (o. J.)). 3.2 Die Anfänge 1949-1955: Allianzbildung und Aufbau einer gemeinsamen Verteidigung 93 <?page no="94"?> 38 1987 verzeichnet ein Dokument der Bundesregierung (jeweils NATO/ Waschauer Pakt) für Einheiten in Europa oder seiner Nähe 2,8: 4,0 Mio. Heeressoldaten (102: 121 Divisionsäquivalente), 17.885: 32.200 Kampfpanzer und 3.700: 7.465 Flugzeuge (Bundes‐ regierung 1988). Um die Strategie des ersten Konzepts von 1949 umzusetzen, plante die NATO für 1954 mit 90 Divisionen, ca. 8.000 Kampfflugzeugen, 2.300 Schiffen und 3.200 Marinefliegern (Ismay 1955, Kap. 9; Pedlow 1997, XIV). Diese Zahlen sollte die NATO allerdings nie erreichen. Im Mai 1950 konnten die NATO-Alliierten gemeinsam nur ca. 14 stehende Divisionen (d. h. sofort verfügbare, ohne Mobilisierung von Reservisten) und weniger als 1.000 Kampfflugzeuge in Westeuropa aufbieten, denen direkt 25 sowjetische Divisionen in Ostdeutschland (weitere 60-75 weiter im Osten) und 6.000 Flugzeuge unter einheitlichem Kommando gegenüberstanden (Ismay 1955, 29, Annex B; Bitzinger 1989, 4 f.). 1959 verfügte die NATO in Westeuropa über ca. 644.000 Soldaten (ca. 17 Divisionsäquivalente), 2.300 Panzer und 1.800 Jäger, denen 1.530.000 Soldaten des Warschauer Pakts, 23.000 Panzer, und 4.000 Jäger gegenüberstanden (Kugler 1990, 102; 1991, 127, 131 f.). An diesem grundsätzlichen Ungleichgewicht sollte sich lange nichts ändern (Canby 1972). Im Jahr 1974 weist die NATO die Existenz von 27 Divi‐ sionen aus, denen 43-58 Divisionen des Warschauer Pakts in Mitteleuropa gegenüberstanden (NATO o. J.-b; ähnlich Bitzinger 1989, 26; Kugler 1991, viii). Diese Zahlen verdeutlichen, wie groß die Bedeutung der nuklearen Abschreckung in der Verteidigungsstrategie der Allianz war (Kaplan 1984, 142 f.). Durch ihre Existenz sollte schon der gegnerische Gedanke an einen konventionellen Krieg als zu teuer und gefährlich erscheinen. 38 Das Strategische Konzept vom 3. Dezember 1952 enthielt wenig substan‐ tielle Änderungen. Es zementierte die 1949 etablierten Verteidigungsstrate‐ gien und spiegelte im Wesentlichen die Konsequenzen aus dem Beitritt Griechenlands und der Türkei am 18. Februar desselben Jahres wider, die das zu verteidigende Territorium der Allianz veränderten und praktisch über das gesamte Mittelmeer ausdehnten. Eine Überarbeitung wurde aber als not‐ wendig angesehen, weil sich in der Zwischenzeit mit der Einführung des al‐ liierten Oberbefehlshabers - des SACEUR in erster Besetzung durch Dwight D. Eisenhower - und des NATO-Generalsekretärs die Planungsstrukturen erheblich verändert hatten. Mit der Einführung des SACEUR wurden die Streitkräfte der Mitgliedstaaten unter ein einheitliches Kommando gestellt. Dies verbesserte die notwendigen Planungs- und Angleichungsprozesse 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 94 <?page no="95"?> sowie die Kampfkraft der Alliierten erheblich (Ismay 1955, 35 f.). Bedeu‐ tender als die leichten Veränderungen am Strategischen Konzept stuft Pedlow die Anpassungen der Strategischen Richtlinien (Strategic Guidelines) ein, die das Konzept erläutern und operationalisieren. Die Strategic Guide‐ lines ziehen aus der Betrachtung der weit hinter Plan liegenden konventio‐ nellen Kräfte den Schluss, dass die Rolle der nuklearen Abschreckung nach wie vor zentral sei, zumal der Warschauer Pakt im Kriegsfall mehr Soldaten mobilisieren kann als die Atlantische Allianz (NATO 1952, 9 ff.; Pedlow 1997, 12 ff.). Somit waren konventionelle Aufrüstung als auch technologische Fortentwicklung der nuklearen Kapazitäten wichtige Ziele des Bündnisses, und die NATO sah dies gleichzeitig als Sicherung des Friedens und Versi‐ cherung für den Kriegsfall (NATO 1952, 6). Vor diesem Hintergrund basierte ein nicht zu unterschätzender Teil der NATO-Strategie auf der Androhung und im Zweifelsfall auch der Nutzung von Nuklearwaffen, um eventuelle sowjetische Vorstöße aufhalten zu können (s. 3.4). Exkurs: Die Suezkrise oder das Versagen alliierter Solidarität Der Nordatlantikvertrag zielte nicht nur auf die Errichtung einer gemeinsamen Verteidigung, sondern er sah sowohl im Geiste als auch im Text (Art. 2, 4) vor, dass sich die Alliierten in grundlegenden Fragen der Außenpolitik konsultieren sollten. Er etablierte eine Norm der Zusammenarbeit (Risse-Kappen 1996, 379 ff.). Diese Vereinbarungen haben im Falle der sogenannten Suezkrise (Oktober 1956 bis März 1957) noch nicht gut funktioniert. Der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser hatte durch die Ver‐ staatlichung der britisch-französischen Suezkanalgesellschaft, die den Verkehr durch den Kanal zwischen Rotem Meer und Mittelmeer regelte und Gebühren für die Abgeltung der Baukosten einnahm, eine Intervention israelischer, französischer und britischer Streitkräfte ausgelöst. Während Nasser Ägypten aus dem Einflussbereich Großbri‐ tanniens entfernen und Gelder für den Bau des Assuan-Staudamms einnehmen wollte, hatte der Kanal für Frankreich und Großbritannien geostrategische und wirtschaftliche Bedeutung. Israel bemühte sich darum, die Oberhand im Konflikt mit der arabischen Welt und den Palästinenser*innen zu gewinnen und sich durch die Intervention auf der Sinai-Halbinsel geostrategisch zu entlasten (Combs 2012, 241 f.; Moharram 1999, 197, 208 ff.). 3.2 Die Anfänge 1949-1955: Allianzbildung und Aufbau einer gemeinsamen Verteidigung 95 <?page no="96"?> Durch die Annäherung Nassers an die Sowjetunion hatten die Suez‐ krise und der gesamte Nahostkonflikt geopolitische Züge (Orlow 1999). Da die NATO-Alliierten durch Frankreich und Großbritannien allerdings nicht konsultiert worden waren, bevor sie militärisch losschlugen, und die USA eine Verschlechterung der Beziehungen mit Dritte Welt-Staaten in der Blockkonfrontation als wenig vor‐ teilhaft ansahen, verweigerten sie ihre Unterstützung und strebten stattdessen zusammen mit der Sowjetunion eine friedliche Lösung in der UNO und damit letztlich den Abzug der israelischen, britischen und französischen Truppen an. Die USA stellten dabei ebenfalls Hilfszahlungen an die Verbündeten ein. Anfang November wurde der politische Druck auf die drei intervenierenden Staaten so groß, dass zunächst Großbritannien, Frankreich und später auch Israel die Kampfhandlungen einstellten und von Dezember 1956 bis März 1957 ihre Truppen abzogen. Nasser entschädigte die Kanalaktionäre im Zuge von Friedensverhandlungen. Die Stationierung von UN-Frie‐ denstruppen auf dem Sinai und an der Grenze zu Gaza sicherte zudem Israels Sicherheit gegen Angriffe ab (Combs 2012, 242; Moharram 1999, 214 f.; Risse-Kappen 1996, 384). Das offensichtlich neokoloniale Vorgehen Großbritanniens und Frank‐ reichs zeigte einerseits gewisse Grenzen alliierter Solidarität auf. An‐ dererseits wurde deutlich, dass es zur Realisierung der Werte- und Verteidigungsgemeinschaft der NATO mehr als nur des Aufbaus einer gemeinsamen Verteidigung bedurfte, sondern auch der Koordination und Konsultation über andere Außenpolitiken, die bis heute nicht immer funktioniert, aber trotzdem ein permanenter Prozess ist (Raflik 2011, 216). Es ging in Suez letztlich nicht um die Allianz an sich, sondern um andere außenpolitische Interessen (Thies 2009, 203 ff., 299). 3.3 Die deutsche Frage: Wiederbewaffnung, NATO-Beitritt und die Folgen Seit 1950 wurde in alliierten Kreisen die Einbeziehung der BRD in die Verteidigungsbemühungen diskutiert, sollte doch ein Teil der Verteidigung des westlichen Bündnisses auf ihrem Gebiet stattfinden, ohne dass West‐ deutschland in seinem nach dem Zweiten Weltkrieg unbewaffneten Zustand 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 96 <?page no="97"?> eigene Kräfte dazu beitrug. Diese Überlegungen standen auch unter dem Eindruck eines zunehmenden gesellschaftlichen Unsicherheitsbewusstseins in der BRD mit Blick auf die Aufrüstung im Osten (Ismay 1955, 32 ff.). Wenngleich Ideen zur Wiederbewaffnung Westdeutschlands aufgrund der mehrmaligen Kriegserfahrungen des vergangenen Jahrhunderts auf starken Widerstand aus Frankreich stießen (Grosser 1986, 99, 108 ff.; Kaplan 1984, 24 f., 154 ff., 160 ff.; Raflik 2011, 212 ff.), war die Idee militärisch mit Blick auf die Vorneverteidigungsdoktrin einleuchtend. Ein Ausweg aus dem deutsch-französischen Problem wurde schließlich durch den im Oktober 1950 aufgestellten Plan des französischen Außenmi‐ nisters René Pleven gefunden, der die Gründung der Europäischen Verteidi‐ gungsgemeinschaft (EVG) vorsah. In der EVG sollte eine Wiederbewaffnung Deutschlands mit 100.000 Soldat*innen (es sollte zunächst ausschließlich ein Heer geben) bei gleichzeitig kompletter Einbettung dieser Kräfte in eine multinationale Kommandostruktur erfolgen (Kaplan 1984, 162 f.). Die Staaten Westeuropas - Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande - würden eigene Armeen behalten. Aufgrund seiner Macht‐ position auf dem europäischen Festland wäre Frankreich eine Führungspo‐ sition zugekommen, was nach Ansicht der USA in den EVG-Plänen zu offensichtlich verankert war. Großbritannien wiederum fürchtete durch die EVG den Verlust der Westbindung und somit der Anbindung der beiden amerikanischen Alliierten an die europäische Verteidigung (Duke 2005, 18 f.). Diese und andere Punkte wurden lange kontrovers diskutiert, weil Deutschland als Gegenleistung für seine Integration in eine europäische Armee das Besatzungsstatut weitgehend aufgehoben sehen wollte, um seine eigene Souveränität wiederzuerlangen (Grau und Würz 2016; Schöllgen 2013b, 50 ff.). Während die Verhandlungen zur EVG über die kommenden Jahre weiter fortgesetzt wurden, bereiteten Frankreich zwei Entwicklungen Bauchschmerzen: Zum einen wurde deutlich, dass eine so tiefgreifende Verteidigungsintegration langfristig nicht unabhängig vom Integrations‐ prozess West- und Südeuropas in der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) implementiert werden könnte, den Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande und Westdeutschland 1952 ins Leben gerufen hatten. Damit wäre langfristig ein Verlust nationaler Souveränität in der Verteidigungspolitik einhergegangen, den das unabhängigkeitssensitive Frankreich im Verteidigungsbereich noch nicht bereit war zu gehen, sondern nur im ökonomischen (Cerny 1980; Raflik 2011; Vaïsse 2009b, 93 f.). Zum 3.3 Die deutsche Frage 97 <?page no="98"?> 39 Raflik (2011, 213) erwähnt, dass auch der französische General Paul Stehlin diese Idee hatte, die jedoch von der französischen Regierung nicht aufgegriffen wurde. 40 Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, Luxemburg, Nie‐ derlande und USA. anderen achtete Deutschland darauf, dass in den Verhandlungen zur EVG die Westbindung an die USA nicht verloren ging. Bei der Ratifizierung durch den Bundestag und Bundesrat wurde dem EVG-Vertrag daher eine Präambel vorangestellt, die ebendies ausdrückte. Frankreich wollte einen derart direkten Bezug auf die USA wiederum nicht akzeptieren. Der neuen französischen Regierung aus rechten Gaullist*innen gingen somit viele Bestimmungen der EVG zu weit und die deutsche Wiederbewaffnung war eine bittere Pille, die man in Anbetracht der Vergangenheit von drei Kriegen nur schmerzlich schlucken wollte (Kaplan 1984, 25). Diese Schwierigkeiten, schlechtes Management und Verhandlungsgeschick sowie Ereignisse in Indochina, die die französische Aufmerksamkeit banden, führten schließlich zur Ablehnung des EVG-Vertrags durch die Assemblée nationale im August 1954 (Duke 2005, 26 ff.; Raflik 2011, 213 f.). Frankreich war in seinem Macht‐ anspruch als Mitglied des UN-Sicherheitsrats und ehemalige Weltmacht nicht bereit, sich in dieser Weise an die USA und Europa zu binden und seine Souveränität einschränken zu lassen - erwartete aber eben dies vom besiegten Westdeutschland. Damit war die Europäisierung der Sicherheits- und Verteidigungspo‐ litik und die Lösung des deutschen Problems durch die EVG zunächst gescheitert. Dem britischen Außenminister Anthony Eden wird daraufhin allgemein die Idee zugeschrieben, Deutschland (und Italien) dem Brüs‐ seler Vertrag (der Westunion) beitreten zu lassen. 39 Durch die 50-jährige Vertragslaufzeit der Westunion (nur 20 Jahre im Nordatlantikvertrag) war eine ausreichend lange Gültigkeit gewährleistet, um Frankreich zu beruhigen, was zudem durch schriftliche Bekenntnisse Großbritanniens und der USA zur langfristigen Truppenpräsenz untermauert wurde. Die Neunmächtekonferenz 40 am 28. September 1954, auf der die Londoner Akte verabschiedet wurde, und die Pariser Verträge vom 23. Oktober 1954 regelten zusammen den Beitritt Deutschlands zur Westunion, die zur Westeuropäischen Union (WEU) umbenannt wurde, und die direkte Anbindung der WEU an die NATO (Duke 2005, 39; Georgantzis 1998, 35; Schöllgen 2013b, 50 ff.). Da der SACEUR gleichzeitig den Oberbefehl über alle Truppen der WEU und der Alliierten in Europa erhielt, die nicht 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 98 <?page no="99"?> 41 Die BRD musste in diesem Zuge zusagen, niemals atomare, biologische oder chemische(ABC-)Waffen zu produzieren (Georgantzis 1998, 37 f.). Sie trat 1969 dem Atomwaffensperrvertrag (1969) bei und verpflichtete sich letztmalig im Zwei-plus-Vier-Vertrag zur deutschen Einheit (1990), keine atomaren Kapazitäten zu entwickeln. explizit ausgeschlossen waren (und Deutschland keine Truppen außerhalb Europas unterhielt), war die Einbindung der BRD in die NATO und die WEU somit vollumfänglich (Georgantzis 1998, 35; Grosser 1986, 137 ff.) Westdeutschland brachte diese Lösung einen weiteren Zuwachs seiner Souveränität (bpb 2014; Bockenförde 2013, 36 f.). 41 Der Beitritt der BRD zur NATO erfolgte formal am 6. Mai 1955 nach der Ratifizierung der Pariser Verträge durch Bundespräsident Theodor Heuss (nach Abstimmungen im Parlament). Der Beitritt institutionalisierte zusammen mit der Gründung des Warschauer Paktes als formales Verteidi‐ gungsbündnis der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten in Mittel- und Osteuropa den Kalten Krieg bis zu seinem Ende zu Beginn der 1990er Jahre und ließ das Streben nach der deutschen Einheit in den Hintergrund treten (Bockenförde 2013, 26). In der Folge musste Deutschland wieder Streitkräfte aufbauen. Zu diesem Zweck wurde aus der sich mit den Alliierten in Militärfragen koordinierenden Dienststelle Blank, benannt nach ihrem Leiter Theodor Blank, das neue Bundesministerium für Verteidigung gegründet und Blank erster Verteidigungsminister der BRD. Die Bundeswehr wurde formal am 12. November 1955 mit der Aushändigung der Ernennungsur‐ kunden für 101 Soldaten gegründet. Daraufhin begann die Wiederbewaff‐ nung Westdeutschlands, die durch die WEU kontrolliert wurde (bpb 2014; Georgantzis 1998, 36 ff.). 1.000 freiwillige Rekruten traten ihren Dienst im Januar 1956 in Heer, Luftwaffe und Marine an. Die nächsten Jahre waren vom Aufbau von Strukturen, der Ausbildung der Soldaten und Beschaffung von Material geprägt, das vor allem von den USA geliefert wurde. Anfang 1957 waren die ersten drei deutschen Divisionen einsatzbereit und wurden der NATO zugewiesen. Der Einzug von 100.000 Wehrpflichtigen begann ebenfalls im Januar 1957 und stellte die Bundeswehr als gemischte Berufs- und Wehrpflichtarmee auf - ein System, das bis ins Jahr 2011 beibehalten wurde (Schlaffer 2015, 176 ff.). Im Laufe des Kalten Kriegs erreichte die Bundeswehr eine Größe von ca. 486.000 Soldat*innen (Varwick 2007; Wehr‐ beauftragter 2020, 96 f.). 3.3 Die deutsche Frage 99 <?page no="100"?> Entwicklung der Truppenstärke der Bundeswehr (1957-2020) 1957 122.400 1985 495.361 2000 318.713 1960 258.000 1989 486.825 2005 251.722 1965 437.236 1990 458.752 2010 245.823 1970 468.484 1991 476.288 2015 179.633 1975 486.206 1992 445.019 2020 184.289 1980 490.243 1995 344.960 Tabelle 10: Truppenstärke der Bundeswehr, ohne Aufwuchskräfte (Quelle: Bundes‐ wehr (2020), Schlaffer (2015, 180), Wehrbeauftragter (2020, 96 f.), eigene Darstel‐ lung) Ostermann │ Die NATO Abbildungen Abbildung 1: Truppenstärke der Bundeswehr 1959-2019 (Quelle: Wehrbeauftragter (2020, 96f.), eigene Darstellung) 0 50.000 100.000 150.000 200.000 250.000 300.000 350.000 400.000 450.000 500.000 550.000 1959 1964 1969 1974 1979 1984 1989 1994 1999 2004 2009 2014 2019 Truppenstärke der Bundeswehr 1959 bis 2019 Abbildung 8: Truppenstärke der Bundeswehr 1959-2019 (Quelle: Wehrbeauftragter (2020, 96 f.), eigene Darstellung) Die neue Verteidigungspolitik der BRD sah im Rahmen der Bündnisverein‐ barungen einen Verzicht auf eigene Nuklearwaffen und eine Fokussierung auf ein großes konventionelles Militär vor (Küntzel 1992, 19 ff., 58 ff.). So sollte Westdeutschland einen substantiellen Beitrag zur Vorneverteidigung leisten und die Alliierten in die Lage versetzen, das Bündnisgebiet bis an die Grenzen des Warschauer Paktes an der innerdeutschen Grenze zu verteidigen, bis Verstärkung aus Westen/ Übersee eintreffen konnte. Gleichzeitig ließen sich solche Fähigkeiten in Anbetracht des entwaffneten 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 100 <?page no="101"?> Status der BRD bis 1955 natürlich nicht über Nacht herstellen. Es dauerte bis zur Mitte der 1960er Jahre, bis die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr hergestellt war und die Vorneverteidigungslinie (s. Abb. 7) ab 1960 deutlich nach Osten verschoben werden konnte (NATO 2013). Als erste Rückfalllinie der Vorneverteidigung sollten die vorteilhaften Flusssysteme in Nord- (Aller, Leine, Weser), Mittel- (Fulda, Main) und Süddeutschland (Donau) fungieren. Erst wenn diese Linie wegen sowjetischer Übermacht nicht mehr haltbar war, sollte auf die Rheinlinie zurückgefallen werden. Kugler unterstreicht auch die politische Bedeutung dieser Strategie, die letztlich die Bürger*innen der BRD davon überzeugen musste, dass ihr ganzes Territorium verteidigt werden sollte, auch wenn die wirklichen, militärisch haltbaren Sicherheits‐ linien letztlich weiter im Westen lagen. Es war daher auch die Strategie der westdeutschen Regierung, die Alliierten mit ihren Truppen zur Verteidigung Deutschlands Seite an Seite einzuplanen und so einen Angriff durch die Sowjetunion wirklich zu einem Angriff auf alle Bündnispartner werden zu lassen. Die NATO setzte diese Ideen in ihrer Verteidigungsplanung um, obwohl nicht alle militärischen Argumente dafürsprachen. Ultimativ war dies also eine konventionelle Abschreckungsstrategie (Kugler 1991, 112 ff.), die die NATO heute z. B. auch im Baltikum gegen Russland einsetzt (NATO 2018c). Das so aufgestellte Vorneverteidigungskonzept der NATO blieb bis zum Ende des Kalten Kriegs in seinen groben Zügen erhalten. Der Beitritt der Bundesrepublik zur NATO war 1955 somit der folgerichtige Schritt der Containment-Politik und des Marshall-Plans, der die BRD fest im freiheitlich-westlichen Politik- und Bündnissystem verankern sollte, um ideologisch wie politisch stark gegenüber der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten dazustehen. Die relativ kompromisslose Haltung der USA bezüglich einer Lösung der Berlin-Krise ab 1958 zeugt von der wichtigen Rolle, die Deutschland im Kampf gegen den Kommunismus und die Sowjet‐ union beigemessen wurde (Münger 2003, Kap. 2). Diese Absicherungspolitik, die darauf abzielte, das militärische Kapazitäts- und Machtgefälle mit der Sowjetunion auszugleichen, lässt sich mit neorealistischer Theorie gut er‐ klären. Die Staaten der Atlantischen Allianz reagierten in ihrer Außenpolitik auf die Bedrohung durch die UdSSR und bauten einen entsprechenden Si‐ cherheits- und Verteidigungsapparat auf. Die gewählte Form der intensiven Zusammenarbeit in einem formalen und institutionalisierten Militärbündnis wurde zusätzlich durch ideologische und zunehmend auch institutionelle Gründe unterstützt (s. Kap. 2, 6). 3.3 Die deutsche Frage 101 <?page no="102"?> Exkurs: Die Berlin-Krise(n) Berlin geriet aufgrund seiner Teilung zwischen den vier Besatzungs‐ mächten (Frankreich, Großbritannien, UdSSR, USA) und seiner expo‐ nierten Lage inmitten der sowjetischen Zone (später die DDR) mehr‐ fach zwischen die Fronten und wurde zum Zankapfel zwischen den Mächten. Die erste Krise war die sogenannte Berlin-Blockade vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949. Noch vor der Gründung der BRD und DDR riegelte die Sowjetunion das zwischen den vier Besatzungsmächten geteilte Berlin ab. Grundlage war ein Streit zwischen der UdSSR und den Westmächten über Reparationszahlungen Deutschlands an die Sowjetunion, die Gründung eines westdeutschen Staates aus den drei Westzonen, die dazu eingeführte Währungsunion und den Wie‐ deraufbau Deutschlands. Aufgrund einer Blockadehaltung der UdSSR entschlossen sich die drei Westmächte zur Aufnahme der Westzonen in den Marshall-Plan und die o. g. Schritte, um Deutschland wirtschaftlich wieder auf eigene Beine zu stellen. Durch die dadurch entstehende Tei‐ lung Deutschlands sah die UdSSR keinen Grund mehr, mit Westberlin eine westliche Insel in seinem Territorium zu dulden und riegelte die drei Westzonen Berlins und ihre Versorgung ab. Da den Westalliierten schriftlich nur ein Luftzugang zugesichert worden war und Präsident Truman darüber keinen Krieg vom Zaun brechen wollte, entwickelten die Alliierten den Plan einer Luftbrücke, über die Berlin versorgt wurde. Dazu landete im Schnitt alle 90 Sekunden ein Versorgungsflugzeug in Berlin-Tempelhof. 5.000 Tonnen (teilw. 13.000 t) Lebensmittel und Treibstoff (zur Stromerzeugung) wurden so für die zwei Mio. Westber‐ liner*innen jeden Tag transportiert. Stalin gab die Blockade nach 318 Tagen auf, weil sie den Westen stärker einte, als dass sie ihn spaltete, und so die eigenen Ziele konterkariert wurden (Allinson 2019; Combs 2012, 214 f.; Schöllgen 2013b, 26 ff.). Die zweite Berlinkrise begann 1958, als Chruschtschow erneut die Entmilitarisierung Berlins forderte, um sich der westlichen Truppen inmitten der DDR zu entledigen und die Westalliierten zu einem Friedensvertrag zu zwingen, der die DDR anerkennen, die Besatzung beenden und so die westalliierten Truppen nach Hause schicken würde. Die BRD hielt von diesem Angebot nichts, weil sie sich damit der alliierten Sicherheitsgarantien der NATO hätte entledigen müssen. Gespräche zwischen den vier Mächten führten zu keinem Ergebnis. Der 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 102 <?page no="103"?> 42 Nuklearwaffen verursachen eine Explosion durch Kernspaltung oder Kernfusion, die eine große Menge Energie und Strahlung freisetzt (Krause 2015a, 383). Unter radiologischen neue US-Präsident John F. Kennedy machte nach seinem Amtsantritt im Januar 1961 klar, dass es eine US-amerikanische militärische Präsenz in Berlin geben würde, dass Berlin einen Zugang zur BRD haben müsse und dass die Stadt selbstbestimmt leben können müsse, dass also Berliner*innen nicht erneut als Geiseln gebraucht werden dürften wie zuletzt 1948/ 49 (Kennedys three essentials). 1963 bekräftigte er dieses Bekenntnis mit seinem berühmten Satz „Ich bin ein Berliner! “. In der Zwischenzeit erfolgte allerdings mit dem Mauerbau vom 13. August 1961 die Abriegelung Westberlins, die auch von Seiten der UdSSR einer Absage an die Idee einer baldigen deutschen Einheit unter neutralem Status gleichkam. Die Situation blieb nach dem Mauerbau angespannt und im Oktober 1961 kam es zur ebenfalls berühmten Konfrontation sowjetischer und US-amerikanischer Panzer am Checkpoint Charlie, als dort US-Soldat*innen und Diplomat*innen trotz des vereinbarten freien Grenzverkehrs kontrolliert werden sollten. Chruschtschow und Kennedy mussten sich persönlich einschalten, um die Situation zu entspannen. Die Situation endete schließlich, weil Chruschtschow aufgrund der US-amerikanischen nuklearen Überlegenheit kein ulti‐ matives Druckmittel in der Hand hatte. Im Herbst 1962 wurde aber als Folge der Niederlage in Berlin erneut Druck auf die Westmächte aufgebaut, als die Kubakrise ausbrach und so diese Unterlegenheit wettgemacht werden sollte (s. Abschnitt 3.4; Münger 2003, Kap. 2; Schöllgen 2013b, 70 ff.; Wettig 2005). 3.4 Nuklearstrategien: Abschreckung, massive Vergeltung, Kuba, und flexible response 3.4.1 Die Entwicklung der nuklearen Abschreckung: Grundsätze und massive Vergeltung Es wurde bereits ab Mitte der 1950er Jahre deutlich, dass das alliierte Ziel der 90 einsatzbereiten Divisionen nicht gehalten werden konnte. Daher spielten Nuklearwaffen 42 früh eine Rolle in den Verteidigungsplanungen der NATO 3.4 Nuklearstrategien: Abschreckung, massive Vergeltung, Kuba, und flexible response 103 <?page no="104"?> Waffen werden konventionelle Sprengkörper verstanden, die nuklear strahlendes Material verteilen (schmutzige Bomben). 43 Snyder (1961, 139) erklärt den Abschreckungszweck nuklearer Gefechtsfeldwaffen durch die Konsequenz, dass Truppen des Gegners nicht an einer Stelle für einen Durch‐ bruch zusammengezogen werden können, da sie sich so der Gefahr der Vernichtung durch eine taktische Atomwaffe aussetzen würden. (Bockenförde 2013, 37 ff.; Pedlow 1997, XVII). Dabei ging es zunächst weniger um atomare Langstreckenraketen (Inter-Continental Ballistic Missiles, ICBMs), die sich noch in der Entwicklung befanden, sondern primär um den Einsatz von Langstreckenbombern. Während die vorhergehenden strategischen Konzepte der NATO bisher nur verklausuliert den Einsatz von Atomwaffen vorsahen, formulierte das 1957er Strategische Konzept erstmals klar die Prinzipien zur Nutzung von Nuklearwaffen: Atomwaffen sollten nicht als erstes Mittel eingesetzt werden, aber ihr Einsatz war in der Verteidigungsdoktrin auch nicht ausgeschlossen (NATO 1957; Bockenförde 2013, 40). So sollte die NATO nach Auffassung des US-amerikanischen Außenministers John Foster Dulles eine Politik verfolgen, „Atomwaffen als konventionelle Waffen gegen die militärischen Ziele des Gegners anzusehen, wo und wann auch immer das vorteilhaft sein würde.“ (Dulles, zitiert nach Pedlow 1997, XVII). Dies sei mit Blick auf die konventionelle Unterlegenheit der NATO in Europa nur folgerichtig (NATO 1957, 9, Art. 13.c). Neben diesen Überlegungen zum Einsatz von Nuklearwaffen auf dem Gefechtsfeld oder zumindest der Abschreckung durch sie 43 stellt das Strate‐ gische Konzept von 1957 eine Doktrin der massiven Vergeltung (massive re‐ taliation) auf. Den Schlüssel zur Vermeidung eines totalen nuklearen Kriegs sahen die Planer*innen in der Sicherstellung einer Zweitschlagsfähigkeit (Brodie 1959, Kap. 6). Der Einsatz von Nuklearwaffen durch die Sowjetunion wurde so lange als unwahrscheinlich angesehen, wie der Westen sicher‐ stellen konnte, dass ein russischer Erstschlag zur massiven Zerstörung der UdSSR durch westliche Zweitschläge führen würde (NATO 1957, 11, Art. 18). Gleichzeitig wurde aufgrund dieser beiderseitigen Gefahr davon ausge‐ gangen, dass sowjetische Aktionen häufig kleinerer und konventioneller Natur sein würden, um bewusst einen totalen Nuklearkrieg zu vermeiden. Folglich mussten dadurch erhebliche konventionelle Verteidigungskräfte aufrechterhalten werden, was sozusagen die europäische Gegenleistung zur US-amerikanischen Nuklearkapazität war. Die NATO-Strategie war somit nicht eine reine massive Vergeltungsstrategie, aber die Möglichkeit zur Begrenzung von Kriegen, also solchen ohne Einsatz von strategischen 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 104 <?page no="105"?> 44 Brodie (1959, 336 ff.) sieht diese vermutete Unwahrscheinlichkeit begrenzter Kriege jedoch als einen Irrtum veralteten militärischen Denkens an, der den neuen Charakter totalen Kriegs im nuklearen Zeitalter nicht adäquat erfasst. Nuklearwaffen mit ihren enormen Folgen für Zerstörung und Menschen‐ leben, wurde gleichzeitig als schwierig angesehen, weil man sich so strate‐ gisch seines effektivsten, nuklearen Vorteils beraubte (Brodie 1959, 309 ff.; Pedlow 1997, XX). 44 Die konventionellen Kräfte sollten deutlich machen, dass ein Angriff der Sowjetunion den gefährlichen Weg in einen totalen, nuklearen Krieg bedeuten würde (Snyder 1961, 6, 126 ff.). Sie hatten also eine Stolperdrahtfunktion (engl. tripwire, s. Brodie 1959, 252 f.), die der Nuklearstratege Herman Kahn (1960, 34 ff.) auch als eine Form der Abschreckung (deterrence) ansah, weil sie auf den Zusammenhalt und Entschlossenheit der/ des Bedrohten gegenüber zu aggressivem Verhalten eines Gegners beruht. Ein gutes Stück der nuklearen Abschreckungsdoktrin basiert somit auf den Prinzipien der Unsicherheit, was bei ihrem Einsatz ausgelöst werden würde (Deudney 2018, 338 f.; Snyder 1961, 27 ff.), und der Glaubwürdigkeit sowie Überlegungen zu Zielen und möglichen Handlungen des Gegners (Snyder 1961, 12 ff.). Bockenförde (2013, 29) beobachtet, dass durch diese Form der Abschreckung seit den 1960er Jahren eine gewisse Stabilität der Auseinandersetzung entstand (s. auch Deudney 2018, 340). Hew Strachan erläutert, dass dies daran liegt, dass Strategie im Nuklearzeitalter kriegsver‐ hindernd und somit zu gewissen Teilen passiv sein musste: „The meaning of strategy had now changed. Conventional strategy was a strategy of action; it prepared for war and then implemented those preparations. Nuclear strategy was a strategy of dissuasion; it prevented war.“ (Strachan 2005, 43) Snyder nutzt auch die Gegenüberstellung von Abschreckung und Verteidigung, um auf die neue Sicherheitssituation im nuklearen Zeitalter hinzuweisen: „Essentially, deterrence means discouraging the enemy from taking military action by posing for him a prospect of cost and risk outweighing his prospective gain. Defense means reducing our own prospective costs and risks in the event that deterrence fails.“ (Snyder 1961, 3) Somit ergibt sich auch die Konsequenz, dass Abschreckung bereits zu Friedens‐ zeiten stattfindet, Verteidigung aber erst im Krieg (Snyder 1961, 4). Wenngleich es also insgesamt eher um Kriegsverhinderung ginge, sei die wichtigste Form der Abschreckung immer noch sehr aktives militärstrategisches Planen und 3.4 Nuklearstrategien: Abschreckung, massive Vergeltung, Kuba, und flexible response 105 <?page no="106"?> 45 Diese Auffassung ist moralisch in Anbetracht der Zerstörungskraft von Nuklearwaffen natürlich fragwürdig, aber Krieg oder seine Vorbereitung bringen uns immer an die Grenzen von Moralität. Dies kann an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden. Rüsten, sowohl im nuklearen als auch im konventionellen Bereich (Kahn 1960, 18 ff.). Die Verschiebung zu einer auf nukleare Abschreckung fokussierten Stra‐ tegie der NATO fand parallel zur Entwicklung der akademisch-strategischen Diskussion darüber graduell ab Mitte der 1950er Jahre statt und setzte darauf, Krieg gar nicht erst stattfinden zu lassen, weil er am Ende des Tages im Nuklearzeitalter zu gefährlich war (Brodie 1959, Kap. 8; Niedhart 2014, 12). Die meisten NATO-Partner sahen in konventionellen Kräften die Garantie einer glaubwürdigen Territorialverteidigung, während andere aus Kostengründen stärker auf nukleare Abschreckung setzten, vor allem bis zur russischen Entwicklung der Atombombe (Pedlow 1997, XIX; s. auch Brodie 1959, 201 f.; Snyder 1961, 44, 46 f., 121; Heuser 1995, 53 f.). 45 Die Abschreckungsdoktrin sollte ultimativ die Intentionen des Gegners im eigenen Sinne beeinflussen. Gefechtstaktiken mit nuklearen Elementen wurden von den Alliierten aber dennoch durchdacht, um im Angriffsfall der konventionellen Überlegenheit der Sowjetunion etwas entgegensetzen zu können. Die Strategie der NATO wird daher häufig als ein Zwitter aus einem amerikanisch-britischen nuklearen Schwert und einem kontinentaleuropäi‐ schen, konventionellen Schild beschrieben (Snyder 1961, 3, 10, 120 ff.). Ballistische Trägersysteme (Raketen) für Nuklearwaffen Abk. Waffentyp Reichweite SRBMs Short Range Ballistic Missile ballistische Kurzstreckenrakete < 1.000 km MRBMs Medium Range Ballistic Missile ballistische Mittelstreckenrakete 1.000-3.000 km IRBMs Intermediate Range Ballistic Missile ballistische Mittelstreckenrakete 3.000-5.500 km ICBMs Intercontinental Ballistic Missile ballistische Interkontinentalrakete > 5.500 km Tabelle 11: Ballistische Trägersysteme für Nuklearwaffen (Quelle: Davenport (2017), Gillis (2017, 63 f.), eigene Darstellung) 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 106 <?page no="107"?> Die Nukleare Triade: Die strategischen Nuklearwaffensysteme der USA Abk. Waffensystem Reichweite ICBMs Intercontinental Ballistic Missile landgestütze Interkontinentalrakete Nu‐ kleare Triade 13.000 km SLBMs Submarine-launched Ballistic Missile U-Boot-gestützte ballistische Rakete > 7.400 km Strategic bombers strategische Bomber 11.000-16.000 km Tabelle 12: Strategische Nuklearwaffen der USA (Quelle: Kristensen (2015), Watson (2017), eigene Darstellung) Anzahl gefechtsbereiter und in Reserve gehaltener Nuklearwaffen (Erstbesitz) ( Jahr des ersten Atombombentests/ erster einsatzfähiger Waffe) [Anzahl der gefechtsbereiten Sprengköpfe]* USA (1945/ 1945) UdSSR/ RUS (1949/ 1949) UK (1952/ 1953) FR (1960/ 1964) CHN (1964/ 1964) ISR (? / 1967) IND (1974/ 1998) PAK (1998/ 1998) NKO (2006/ ? ) 1945 2 (1949) - - - - - - - 1950 299 5 (1953) - - - - - - 1960 18.638 1.627 105 (1964) (1964) (1967) - - - 1970 26.008 11.736 375 36 75 8 - - - 1980 24.104 30.665 500 250 205 31 - - - 1990 21.392 32.980 350 505 232 53 (1998) (1998) - 2000 10.577 12.188 280 470 232 72 13 12 (2008) 2010 5.066 5.215 225 300 240 80 80 90 <10 2020 3.800 [1.750] 4.313 [1.572] 195 [120] 290 [280] 320 90 150 160 35 * Zahlen der SIPRI-Jahrbücher sind meist höher, da das SIPRI auch ausgemusterte Sprengköpfe mitzählt. Tabelle 13: Anzahl gefechtsbereiter und in Reserve gehaltener Nuklearwaffen (Quelle: Kristensen und Korda (2020), Kristensen et al. (2020), Kimball (2019), eigene Darstellung) 3.4 Nuklearstrategien: Abschreckung, massive Vergeltung, Kuba, und flexible response 107 <?page no="108"?> 46 Im Bereich der Unterseeboote bezeichnet strategisch die Bestückung mit Atomraketen. Diese U-Boote werden zudem selbst durch einen Nuklearreaktor angetrieben, um ihnen maximale Unabhängigkeit und Geräuschlosigkeit zu sichern. Ab den 1960er Jahren herrschte zwischen den beiden Polen ein Gleichgewicht des Schreckens (balance of terror), in dem die Sowjetunion die USA und umgekehrt hätten auslöschen bzw. beträchtlichen Schaden an Territorium und Bevölkerung zufügen können. Zu diesem Gleichgewicht trugen auch Frankreich und das Vereinigte Königreich bei. Nachdem es bereits mit dem USA im Rahmen deren Manhattan-Projekts, das die US-amerikanische Atomwaffe hervorbrachte, kooperiert hatte, entwickelte Großbritannien ab 1945 allein weiter, zündete seine erste Atomwaffe im Jahr 1952 und baute danach eine Atomstreitmacht auf. Großbritannien verlässt sich bis heute auf US-amerikanische ballistische Trägerraketen, die es mit selbstent‐ wickelten Sprengköpfen bestückt und auf eigenen strategischen U-Booten 46 stationiert (Görtemaker 1979, 56 ff.; Schrafstetter 2010, Kap. 1; Yost 1984, 50). Das Vereinigte Königreich besitzt ca. 120 einsatzbereite Atomwaffen. Frankreich hatte seit 1951, vor allem aber unter dem Antrieb des ehe‐ maligen Weltkriegsgenerals und späteren Staatspräsidenten Charles de Gaulle den Erwerb von Nuklearwaffen vorangetrieben, sodass Frankreich 1960 seine erste Atombombe zündete und in den Jahren danach eine unabhängige Abschreckung und Nuklearstreitmacht, die sogenannte force de frappe (Schlagkraft), entwickelte (Tertrais 2007, 71 ff.). Zunächst basierte die französische Nuklearstreitmacht auf Bombern, während in den 1970er Jahren auch landgestützte ballistische Raketen und strategische U-Boote mit Nuklearraketen entwickelt wurden. Heute besitzt Frankreich keine Boden-Boden-Raketen mehr, sondern nur noch ca. 300 luftgestützte und seegestützte Atomwaffen auf strategischen U-Booten (Kristensen und Korda 2019). Strategische Unterseeboote haben eine zentrale Rolle in der Sicherung der Zweitschlagsfähigkeit, da sie nur schwer auffindbar sind und die nu‐ klearen Kapazitäten eines Landes somit verteilen und vor Angriffen schützen (Brodie 1959, 218, 285). Dadurch wird das zweite Prinzip der Abschreckung implementiert: Glaubwürdigkeit der Zweitschlagsfähigkeit (ibid., 273 ff.). Die Entwicklung und der Erhalt eigener Atomwaffen sind bis heute für beide Länder ein Zeichen ihres Machtstatus in der internationalen Politik, von grandeur und empire (Grosser 1986; Schrafstetter 2010, 27, 37 f.; Tertrais 2007, 76). Neben der Abschreckungskomponente gegenüber Gegnern sind sie aber vor allem auch ein Unterpfand der eigenen, nationalen Unabhängigkeit. 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 108 <?page no="109"?> 47 Die Existenz taktischer Atomwaffen auf Kuba sowie von existierenden Einsatzbefehlen zu ihrer Nutzung ohne weitere Rücksprache mit dem Kreml waren den Alliierten damals nicht bekannt (George 2013, 118). Durch die Suezkrise mussten sowohl Frankreich als auch Großbritannien lernen, dass ihr eigener Machtstatus nicht mehr dem früherer Kolonialzeiten entsprach. Die Nuklearwaffen sollten deshalb die ultimative souveräne Ent‐ scheidungsfähigkeit der Nation in sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen herstellen (Schrafstetter 2010, 33 f.; Vaïsse 2009b, 79 ff.; Yost 1984, 49 f., 54 f.). Neben anderen Problemen war die nukleare Unabhängigkeit ein Grund für das französische Verlassen der integrierten Militärstruktur der NATO in den Jahren 1966/ 67 - eine Entscheidung für eine Sonderstellung, die Frankreich bis 2009 beibehielt (Irondelle 2009). 3.4.2 Konflikte: Kubakrise und die Debatte um flexible response Das Gleichgewicht des Schreckens sollte nicht dazu führen, dass es keine Konflikte mehr zwischen den Nuklearmächten gab. Im Herbst 1962 stand die Welt am Rand eines nuklearen Abgrunds, als die Sowjetunion damit begann, nukleare taktische Sprengkörper und Marschflugkörper (cruise missiles) 47 sowie IRBMs im sozialistischen Bruderstaat in der Karibik zu stationieren (Münger 2003, Kap. 6). Die IRBMs hätten die meisten US-Städte südlich einer Kreislinie von San Francisco nach Seattle treffen können, die näheren davon nur mit einer sehr geringen Vorwarnzeit (George 2013, 182). Sie stellten für die USA eine unmittelbare Gefahr und fundamentale Verletzung der Monroe-Doktrin dar, post mortem benannt nach dem 5. Präsidenten der USA, James Monroe (1758-1831, Präsident 1817-1825), nach der kein anderer (europäischer) Staat in der nord- und südamerikanischen Hemisphäre in der Lage sein sollte, die Führungsposition der USA infrage zu stellen oder Besitzansprüche zu erheben. Die Handlungen der USA und der Sowjetunion im Verlauf der Kubakrise (Cuban Missile Crisis) waren extrem konfrontativ und bewegten sich an der Schwelle zu offenem Krieg und nuklearer Eskalation, bevor sie Ende Oktober 1962 nach ein paar heißen Wochen zu Ende gingen (George 2013; Görtemaker 1979, 42 ff.). Es ging der Sowjetunion in der Krise zweifelsohne darum, Prestige gegenüber den USA zu erlangen, ihre atomare Schlagfähigkeit gegenüber dem Gegner, die technologisch noch nicht so weit entwickelt war, massiv zu erhöhen und den Erzfeind der USA, Fidel Castro, in seinem kommunistischen Kampf zu 3.4 Nuklearstrategien: Abschreckung, massive Vergeltung, Kuba, und flexible response 109 <?page no="110"?> 48 Man denke hier auch an den sowjetischen Doppelsieg aus Sputnik, dem Start des ersten künstlichen Satelliten (1957), sowie den ersten Menschen im All, Juri Gargarin, im Jahr 1961 (Görtemaker 1979, 42 f.; Schrafstetter 2010, 34 ff.). unterstützen. Die Ereignisse in Kuba standen zudem nach heutiger Auffas‐ sung in Zusammenhang mit der Berlin-Krise (Münger 2003, 202 ff.). Der amerikanische und westliche Widerstand gegen Chruschtschows Drohung der Isolation der Hauptstadt und einer einseitigen Veränderung des Status quo wurde von der sowjetischen Führung als vehement und kompromisslos wahrgenommen, sodass eine graduelle Eskalation auf Kuba in Kombination der o. g. Gründe als gute Lösung erschien (Combs 2012, 267 ff.; Wettig 2005). Knorr (1990, 223) erörtert, dass Kuba ein „‚Drucktest‘“ der Sowjetunion für den neuen, jungen Präsidenten Kennedy sein sollte. Auch innerhalb der Allianz gab es zunehmende Uneinigkeit über nu‐ kleare Fragen (Görtemaker 1979, 56 ff.). Seit 1960 holte die Sowjetunion technologisch in der Raketentechnik 48 auf und war dadurch in der Lage, mögliche nukleare Angriffe auf ihr Territorium zu kontern (Kahn 1960, 24). Westdeutschland sah wegen seiner Rolle als Frontlinienstaat eine Ab‐ schwächung der nuklearen Drohung mit Argwohn, weil dies eine Verlage‐ rung konventioneller Gefechte auf bundesdeutsches Territorium zur Folge gehabt hätte, musste aber die Konsequenzen eines möglichen nuklearen Kriegs auf eigenem Territorium bedenken (Hellmann 2007, 608; Küntzel 1992, 54 ff.). Gleichzeitig begannen nach chinesischen Nukleartests (1964) 1965 die UN-Verhandlungen zum Atomwaffensperrvertrag (NPT, s. dazu nächster Abschnitt), sodass insgesamt Unsicherheit entstand, wie ernst es die USA mit der nuklearen Garantie meinten (Bockenförde 2013, 40 f.; Snyder 1961, 7). Charles de Gaulles Bonmot, dass „Kein US-Präsident bereit sein wird, Chicago für Lyon einzutauschen“ (Pedlow 1997, XXI), drückte die Stimmung vieler aus (Yost 1984, 29 ff.; Kahn 1960, 15 ff.). Durch die Entwicklung der Wasserstoffbombe hatte sich die Zerstörungskraft von Atomwaffen vervielfacht, sodass eine thermonukleare Antwort auf kleinere Auseinandersetzungen nicht mehr adäquat erschien. Gerade mit Blick auf die Situation in Berlin nach dem Bau der Mauer 1961 wurde über die richtige Staffelung einer Eskalation mit der Sowjetunion nachgedacht, z. B. durch den Einsatz kleinerer, taktischer Nuklearwaffen (Brodie 1959, 261 ff., 337 ff.). Der amerikanische Verteidigungsminister Robert McNamara, ein wichtiger Akteur in der Kubakrise, stellte aber heraus, dass Kuba gezeigt habe, dass Nuklearwaffen zwar wichtig seien, sie letztlich aber im Hintergrund von 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 110 <?page no="111"?> 49 Görtemaker (1979, 46 f.) weist darauf hin, dass die politischen Vorstellungen des Westens über die Qualität der sowjetischen Raketentechnik jedoch überhöht waren. Die UdSSR holte in Sachen Zuverlässigkeit und Zielgenauigkeit erst gegen Ende der 1960er Jahre auf. Auseinandersetzungen verblieben, in denen konventionelle Kräfte zunächst über Erfolg oder Misserfolg entscheiden würden (Pedlow 1997, XXII; s. auch Görtemaker 1979, 71 f.; Snyder 1961, 63 ff.). Gleichzeitig baute die Sowjetunion jedoch konsequent ein auf Europa zielendes, nukleares Dro‐ hungs- und Kriegspotentials auf (u. a. mit den SS-20-Raketen, die zum NATO-Doppelbeschluss führten, s. Exkurs). Somit trat die Nuklearfrage für die alliierte Verteidigungsstrategie für Europa nicht vollends in den Hinter‐ grund, zumal die NATO seit Mitte der 1960er Jahre kaum vergleichbare nukleare Kapazitäten in Europa positionierte (Heuser 1995; Nuti et al. 2015; Yost 1984, 33 ff., 87 ff.). Auf Basis dieser verschiedenen Überlegungen und Szenarien entstand ab 1962 die neue Doktrin der flexible response. Nach dieser Nukleardoktrin wurde ein Atomangriff durch die NATO zwar nicht mehr ausgeschlossen, aber die Idee war nun, dass „ein Angriff nun zunächst auf demselben Niveau beantwortet werden sollte, auf dem der Gegner angegriffen hatte“ (Bockenförde 2013, 40). Diese Strategie trug der neuen Situation Rechnung, dass im Falle eines alliierten Erstschlags ab den 1960er Jahren auch mit einer massiven nuklearen Antwort der Sowjetunion gerechnet werden musste, die ihre Raketenentwicklung vorangetrieben hatte. 49 Außer Frankreich, das von der Strategie der massiven Vergeltung nicht abweichen wollte, weil die durch flexible response erhöhte Einsatzschwelle von Nuklearwaffen unvereinbar mit der eigenen Abschreckungsdoktrin gegenüber der UdSSR war (Kugler 1991, 57 f.; Rühl 1997; Yost 1984, 54 ff., 154 f.), schlossen sich nach und nach alle Alliierten dieser Sichtweise an. Sie wurde jedoch erst nach dem französischen Austritt aus der integrierten Militärstruktur im Jahr 1967 offizielle Doktrin (Kugler 1991, 59; Combs 2012, 270 f.). Letztlich verletzt flexible response nicht die Abschreckungsprinzipien, weil in Anbetracht des engen und hochbevölkerten potentiellen europäischen Schlachtfelds auch ein begrenzter Einsatz von Nuklearwaffen schnell dieselben entgrenzten Folgen hätte haben können wie ein totaler Atomkrieg. Somit verschoben sich die Gefahren, genauso wie die Handlungsoptionen, wieder deutlicher in den konventionellen Bereich (Brodie 1959, 341). Auch das neue Strategische Konzept der Allianz aus dem Januar 1968 (MC 14/ 3, NATO 1968) trug dieser 3.4 Nuklearstrategien: Abschreckung, massive Vergeltung, Kuba, und flexible response 111 <?page no="112"?> größeren Flexibilität in der militärischen Strategie der NATO Rechnung und formulierte wieder stärker konventionelle Antworten auf die Sicherheits‐ herausforderung durch die UdSSR. Durch die Einrichtung der Nuklearen Planungsgruppe im Dezember 1966 innerhalb der NATO-Militärstruktur wurde zudem ein neues Forum geschaffen, in dem Nuklearfragen auch unter Teilhabe der zwölf nichtnuklearen Mitglieder (und ohne Frankreich) bespro‐ chen werden konnten (Kugler 1991, 61 f., 63 ff.). Die 1968er Strategiedoku‐ mente waren flexibel genug, um bis zum Ende des Kalten Kriegs nicht mehr verändert werden zu müssen (Pedlow 1997, XXIIIff.). Es entwickelte sich nach 1968 dann eine größere Entspannungsphase in der Blockkonfrontation, die sich durch erste Schritte hin zur Rüstungskontrolle und Abrüstung ausdrückte. Der im Namen der NATO vom belgischen Außenminister Pierre Harmel verfasste Harmel-Bericht machte durch den Beschluss des NAC vom Dezember 1967 die Dualität aus Verteidigung/ Abschreckung und Entspannung zur offiziellen NATO-Strategie (Görtemaker 1979, 58 ff.). Exkurs: Der französische Rückzug aus der integrierten NATO-Militärstruktur 1966/ 67 Frankreich war ein starker Verfechter einer Politik nationaler Auto‐ nomie (Grosser 1986, 223), die es sowohl aus historischem Antrieb als ehemalige Welt- und Kolonialmacht - seine letzte Kolonie Algerien gab Frankreich erst 1962 ab - mit demokratisch-universalistischem Führungsanspruch (grandeur, Cerny 1980; Godin und Chafer 2006) als auch tagespolitischen, strategischen Gründen verfolgte. Frankreich positionierte sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs klar im west‐ lichen Lager, stand aber dem US-amerikanischen Führungsanspruch, den es als kulturgleichmachend und paternalistisch empfand, kritisch gegenüber, nicht zuletzt wegen des Suezdebakels und der US-amerika‐ nischen Unterstützung für den Dekolonisierungsprozess. Charles de Gaulle wandte sich daher strikt gegen eine Abhängigkeit von den USA (Grosser 1986, 191, 254 et al.) und wollte der Blockkonfronta‐ tion entkommen, die die US-Amerikaner*innen nach französischem Verständnis in den 1960er Jahren anheizten. De Gaulle widersetzte sich zunehmend der tiefgreifenden militärischen Integration in den NATO-Strukturen und zog bereits 1959 und 1963 französische Ein‐ heiten aus alliierten Marineverbänden ab (Vaïsse 2009a). Versuche zur Wiederbelebung eines amerikanisch-britisch-französischen Trium‐ virats zum Erreichen mehr außenpolitischer Koordination liefen ins 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 112 <?page no="113"?> Leere. Auch in Nuklearfragen waren Missverständnisse und Meinungs‐ verschiedenheiten mit den USA an der Tagesordnung. Frankreich schlug (neben anderen Alliierten) ebenfalls US-Pläne zur Errichtung einer multilateralen Atomstreitmacht (MLF) aus, bei der ein Teil des Nukleararsenals der Verbündeten unter alliiertes Kommando gestellt worden wäre (Combs 2012, 269 f.; Grosser 1986, 245 ff.; Kugler 1991, 47 ff.; Schmidt 1997, 115 ff.; Vaïsse 2009b, 167 ff.). Die Divergenzen über die NATO-Integration, atomare Fragen und die Blockkonfrontation wurden schließlich so groß, dass de Gaulle im Juni 1966 beschloss, der integrierten Militärstruktur - nicht aber der Allianz selbst, als dessen Teil er Frankreich unvermindert ansah - den Rücken zu kehren. Er zog in der Folge Luft- und Armeeeinheiten aus Deutsch‐ land ab und französische Offiziere verließen die gemeinsamen alliierten Stäbe, sodass beide nicht mehr unter direktem NATO-Oberbefehl standen. Daraufhin mussten US-amerikanische Truppen Stützpunkte in Frankreich und ihr EUCOM-Hauptquartier bis April 1967 verlassen und die NATO ihre politischen und militärischen Hauptquartiere aus Frankreich nach Brüssel und Mons (Belgien), verlegen. Frankreich war durch diesen Schritt in der Lage, sich einen größeren Autonomie- und Handlungsspielraum gegenüber den USA zu ver‐ schaffen, die nun neben der NATO auch bilateral mit Frankreich verhandeln mussten, um Einigkeit für die Verteidigung des nordat‐ lantischen Raumes herzustellen. Frankreich kooperierte weiterhin auf militärischer und politischer Ebene mit der Allianz, konnte dies aber mit mehr Entscheidungsfreiheit tun (Vaïsse 2009b, 185 ff.). Iro‐ nischerweise trug es so auch zu einer noch stärkeren Stellung der USA in der Militärstruktur bei. Diese vorteilhafte Position behielt Frankreich bis zum Ende des Kalten Krieges bei und blieb ihr auch darüber hinaus trotz erheblicher Einflusseinbußen nach dem Ende der Blockkonfrontation (Bertram 1997; Meimeth 1997; Menon 2000) bis ins Jahr 2009 treu, als es unter Präsident Sarkozy in die Militär‐ struktur zurückkehrte (Fortmann et al. 2010; Ostermann 2019b). Zur Reintegration s. Exkurs in Kap. 4.3. 3.4 Nuklearstrategien: Abschreckung, massive Vergeltung, Kuba, und flexible response 113 <?page no="114"?> 50 Auch Großbritannien stand vereinzelten Aspekten des Abrüstungsregimes skeptisch gegenüber, vertrat aber mit Blick auf seine verteidigungs- und nuklearpolitische Nähe zu den USA eine offenere Position (Yost 1984, 49 ff.). 51 Der Vorschlag dazu geht sogar schon auf eine Initiative Kennedys im Jahr 1961, kurz nach dem Bau der Berliner Mauer, zurück und unterstreicht somit den Zusammenhang zwischen Berlin, Kuba und dem NPT (Küntzel 1992, Kap. III). 3.5 Beginn der Abrüstung und Entspannungspolitik ab 1963 Das seit den 1960er Jahren bestehende Gleichgewicht des Schreckens regte nach dem Ende der Kubakrise die Verantwortlichen in Sowjetunion und USA zum Nachdenken an (Münger 2003, 297 f.) und führte langsam eine Entspannung im Verhältnis zwischen den beiden Blöcken herbei, die bis Ende der 1970er Jahre auf eine Dualität von Abschreckung und verbesserten Beziehungen setzten (Erickson 2018, 403; Görtemaker 1979, 44, 46 ff.; Nied‐ hart 2014, 13 ff.). Bereits 1963 wurde der Limited Test Ban Treaty (LTBT) zwischen UdSSR, USA und Großbritannien abgeschlossen, der Nukleartests in der Atmosphäre, unter Wasser und im Weltraum verbot, unterirdische Tests aber noch erlaubte (Görtemaker 1979, 73). Frankreich lehnte den Vertrag ab und unterzeichnete ihn nie. Es stand Abrüstungsgesprächen zwischen den USA und der Sowjetunion/ Russland von je her kritisch gegenüber, weil es aus den Verhandlungen dazu meist ausgeschlossen war und die unabhängige Abschreckungskomponente seiner Nuklearstreitkräfte erhalten wollte (Grosser 1986, 249; Vaïsse 2009b, 179; Yost 1984, 54 ff.). 50 Insgesamt 125 Staaten schlossen sich dem LTBT an, sodass dies ein erster Erfolg von Entspannung und Abrüstung zwischen den Blöcken war. Auch Deutschland unterzeichnete bereits im Jahr 1963 (United Nations o. J.-a). Interessanterweise war im Zuge der Gespräche zum LTBT auch eine Rege‐ lung der schwelenden Berlin-Krise möglich, weil die Kennedy-Regierung auf Forderungen der UdSSR für eine formalere Feststellung der deutschen Teilung einging und somit de facto die innerdeutsche Grenze akzeptierte - sehr zum Unmut der westdeutschen Adenauer-Regierung, da die Wieder‐ vereinigung somit in weite Ferne rückte (Münger 2003, Kap. 9). In der Folge entstanden Gedanken über weitere Schritte der Rüstungskon‐ trolle bis hin zu ersten Ideen über Abrüstung. Letzteres war zwar aufgrund von Widerständen aus der Sowjetunion noch nicht möglich (Kugler 1991, 61), aber dennoch unternahm die internationale Gemeinschaft bereits ab 1965 einen Anlauf zu Verhandlungen zu einem Atomwaffensperrvertrag, der zumindest die Verbreitung der Waffen eindämmen sollte. 51 Die Ver‐ 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 114 <?page no="115"?> 52 Nordkorea ist 2003 ausgetreten, die anderen Staaten waren nie Mitglieder. handlungen führten am 1. Juli 1968 zur Unterzeichnung des Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons (NPT). Der NPT gilt mit seinen 191 Parteien (Staaten) als das Rückgrat internationaler Abrüstungs- und Rüstungskontrollbemühungen. Er ist heute unbegrenzt gültig. 2019 waren nur Indien, Israel, Nordkorea, Pakistan und Südsudan nicht Vertragspartei (bpb 2015b). 52 Der NPT unterscheidet zwischen Atomwaffenstaaten (da‐ mals China, Frankreich, Großbritannien, UdSSR, USA) und solchen ohne Nuklearwaffen. Atomwaffenstaaten verpflichten sich, keine Waffen oder waffenfähiges Material (nukleare Brennstoffe, militärische Nukleartechnik) an andere Staaten weiterzugeben und niemanden zum Erwerb von Atom‐ waffen zu ermuntern. Nichtnukleare Staaten verpflichten sich, den Erwerb von Atomwaffen nicht anzustreben und anderen Staaten ebenfalls kein Nuklearmaterial zur Verfügung zu stellen. Des Weiteren etabliert der Vertrag einen Kontrollmechanismus für die nichtnuklearen Staaten in Kooperation mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und Überprüfungs‐ konferenzen, die alle fünf Jahre stattfinden. Ausdrücklich vom Vertrag erlaubt ist die friedliche Nutzung der Kernenergie (d. h. für Atomreaktoren oder medizinische Zwecke; United Nations o. J.-b; Görtemaker 1979, 73 ff.). Wenngleich der NPT die Proliferation von Nuklearwaffen nicht gänzlich stoppen konnte und einige Staaten wie Indien, Israel, Nordkorea oder Pakistan militärische Nuklearkapazitäten erreicht haben (s. Tab. 13), so hat er doch zusammen mit anderen Faktoren wie Protestbewegungen und einer sozialen Normentwicklung gegen den Einsatz von Nuklearwaffen (Tannenwald 1999) eine weitgreifende Verbreitung von Nuklearwaffen verlangsamt und durch Transparenz und Überprüfung für mehr Sicherheit gesorgt (Erickson 2018, 404; Fuhrmann und Lupu 2016). Parallel zum Inkrafttreten des NPT am 5. März 1970 verhandelten die UdSSR und die USA bereits über weitere Rüstungskontroll- und Abrüstungs‐ abkommen. Diese wurden in den 1970er Jahren als SALT I (Strategic Arms Limitation Talks, 1972 unterzeichnet) und SALT II (1979) bekannt. Aus diesen langwierigen Gesprächen ging ein auf fünf Jahre geschlossenes In‐ terimsabkommen zur Reduzierung land- und seegestützter Raketen hervor, das die Anzahl einsatzbereiter Sprengköpfe auf beiden Seiten reduzierte. Wichtigster Bestandteil von SALT I war das fast vollständige Verbot anti-ballistischer Raketensysteme im Anti-Ballistic Missile Treaty (ABM), der bis zum Rückzug der USA im Jahr 2002 galt (Ray 2020). Der ABM-Vertrag 3.5 Beginn der Abrüstung und Entspannungspolitik ab 1963 115 <?page no="116"?> wird allgemein als Anerkennung des Prinzips der M.A.D. gesehen, also der Ära der mutually assured destruction (Yost 1984, 71 ff.). Im Gegensatz zu den bisherigen Nichtverbreitungs- und Teststoppbemühungen untersagte dieser Vertrag die Entwicklung und Stationierung von Abfangsystemen (mit Ausnahmen für nur jeweils ein Gebiet und 100 Abwehrraketen), die einen erfolgreichen Angriff mit ballistischen Raketen verhindern könnten. Diese Idee hatte zum Ziel, das Gleichgewicht zu wahren, indem die Zweit‐ schlagsfähigkeiten gesichert wurden und so nach Nuklearstratege Thomas C. Schelling geringere Anreize bestanden, aus einem Unsicherheitsgefühl heraus auf den Knopf zu drücken (zitiert nach Brodie 1959, 302; s. auch Combs 2012, 270 f.; Görtemaker 1979, 77 ff.; Müller und Schaper 2003, 11). Schelling und andere Nukleartheoretiker*innen wiesen in dieser Argu‐ mentation auf die Problematik von totalem Krieg im nuklearen Zeitalter hin. Trotzdem enthielten die Nukleardoktrinen der UdSSR und der USA vereinzelte offensive Elemente, vor allem auf Seiten der Sowjetunion mit ihrem nuklearen Droh- und Kriegsführungsdenken in Europa. In der UdSSR wurde die Möglichkeit eines nuklearen Kriegs trotz seiner Zerstörungskraft wohl zumindest ansatzweise strategisch durchdacht, in den USA lediglich akademisch (Kahn 1960; Yost 1984, 67 ff.). In der Zwischenzeit war außerhalb nuklearer Fragen mit der Akte von Helsinki (1. August 1975) zur Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE, 1973-1975) ein weiterer Rahmen für Entspannungspolitik geschaffen worden. Unterzeichnet von 35 Staaten aus beiden Blöcken war der wesentliche Beitrag der KSZE-Schlussakte die Schaffung von Diskussionskanälen und Themen der Ost-West-Beziehungen jenseits von Fragen der Sicherheitspolitik. Zusätzlich vereinbarten die Staaten die Wahrung na‐ tionaler Souveränität und territorialer Integrität (Görtemaker 1979, 112 ff.). Aus der KSZE ging 1995 die Organisation für Sicherheit und Zusammen‐ arbeit in Europa, die OSZE, hervor, die wichtige Aufgaben im Bereich der Menschenrechte, Rüstungskontrolle und Wahlbeobachtung übernimmt (bpb 2015a; Hill 2018; Roloff 2007). In Deutschland standen die späten 1960er und die 1970er Jahre gleichzeitig unter dem Zeichen der neuen Ost‐ politik unter BRD-Bundeskanzler Willy Brandt und später Helmut Schmidt (Schöllgen 2013b, Kap. 4, 5). Möglich wurde diese Entspannungsoffensive durch den Abschluss diverser Ostverträge, die die Oder-Neiße-Grenze mit Polen endgültig festschrieben (Moskauer Vertrag, Warschauer Vertrag, 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 116 <?page no="117"?> 53 Im Rahmen des Besuchs in Warschau zur Vertragsunterzeichnung kam es zum be‐ rühmten Kniefall Willy Brandts vor den Opfern des Nationalsozialismus und den Verbrechen, die Deutschland im Zweiten Weltkrieg begangen hatte. beide 1970) 53 und die Beziehungen zwischen der BRD und der DDR als gleichberechtigte Staaten regelten (Grundlagenvertrag 1972 - Sicherheit, Grenzen, Reiseverkehr, Familienangelegenheiten u. a., s. auch Görtemaker 1979, 106 ff.; Schöllgen 2013b, 136 ff.). Gemeinsam war den Ostverträgen und der Helsinki-Akte das Bekenntnis zu friedlichen Beziehungen als Grundlage europäischer Politik (Niedhart 2014, Kap. 5, 6; Roloff 2007, 781 f.). Dass dies in Anbetracht der sicherheitspolitischen Konflikte zu einem gewissen Teil eher in die Zukunft gerichtete Hoffnungen und Absichtserklärungen waren, steht außer Frage (Görtemaker 1979, 62 ff.; Niedhart 2014, 21). Historisch sind diese konkreten Annäherungsschritte jedoch im Gesamt‐ bild der konfrontativen Lage des Kalten Kriegs nicht zu unterschätzen. Wenngleich sie nicht immer in Einigkeit aller Partner erfolgten (Schulz und Schwartz 2010; Schöllgen 2013b, 125 ff.), bereiteten sie doch die Regelungen der 1990er Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor (Hill 2018, 21 ff.). Die Entspannungspolitik der 1970er Jahre setzte also Unsicherheit, Verteidigung und Abschreckung nicht außer Kraft, sondern fand parallel zu ihnen statt. Trotzdem war die Entspannungs‐ politik ein neues Element in den Beziehungen, dass das Weiterführen von Rüstungskontroll- und Abrüstungsinitiativen ermöglichte. Exkurs: Der NATO-Doppelbeschluss Ende der 1970er Jahre begannen sich die Beziehungen zwischen den beiden Blöcken wieder zu verschlechtern. Die Sowjetunion hatte unter Leonid Breschnew große Anstrengungen unternommen, ihre Raketenarsenale zu modernisieren. Dies führte zur Entwicklung und Stationierung der neuen SS-20-Mittelstreckenrakete (IRBM), die mit ihrer Reichweite und größeren Sprengkraft europäische Hauptstädte bedrohte. Durch Mittelstreckenraketen bestand eine ungleiche Bedro‐ hungssituation, weil es für die vielen Städte Westeuropas kaum eine Vorwarnzeit gab und IRBMs nicht von Abrüstungsabkommen gedeckt waren. Die Alliierten sorgten sich daher um die strategische Balance in Europa und waren allgemein wegen sowjetischer Aggressivität be‐ sorgt, da die UdSSR 1979 in Afghanistan einmarschierte. Die BRD setzte sich unter Kanzler Helmut Schmidt besonders gegen die durch die SS-20 3.5 Beginn der Abrüstung und Entspannungspolitik ab 1963 117 <?page no="118"?> bestehende Bedrohung ein. Am 12. Dezember 1979 traf die NATO daher ihren so genannten Doppelbeschluss, nachdem durch Verhandlungen innerhalb von vier Jahren versucht werden sollte, die UdSSR zum Abzug der SS-20 zu bewegen. Würde sie dies nicht tun, sollten neue US-amerikanische Pershing II-Raketen (MRBMs) in Europa stationiert werden, um die strategische Dysbalance auszugleichen (bpb 2018; Combs 2012, 388; Schöllgen 2013b, 192 ff.). Die Gespräche steckten lange in einer Sackgasse, weil weder die Sowjetunion noch die USA bereit waren, auf die Forderungen der je‐ weiligen Gegenseite einzugehen und sich dieser Waffen zu entledigen. Daher stimmte der Bundestag am 22. November 1983 einer Beschluss‐ vorlage zu, die die Stationierung der US-amerikanischen Pershing II genehmigte. 572 MRBMs und atomare Marschflugkörper wurden in Belgien, Deutschland, Großbritannien und Italien stationiert. Die US-Raketen konnten so direkt das sowjetische Territorium erreichen (und nicht nur wie vorher Warschauer Pakt-Staaten), aber nicht Moskau. Die Sowjetunion antwortete mit neuen Kurzstreckenraketen in der DDR und der Tschechoslowakei. In den Folgejahren konnte jedoch im Rahmen weiterer Abrüstungsgespräche unter Gorbatschow und Reagan doch noch eine Einigung erzielt werden, die 1987 zum INF-Vertrag führte, der MRBMs und IRBMs gänzlich verbot (s. u.; bpb 2018; Combs 2012, 388 ff.). In Deutschland (DDR und BRD) und anderswo setzte der NATO-Dop‐ pelbeschluss eine bedeutende zivilgesellschaftliche Protestwelle in Gang, die im Oktober 1983, einen Monat vor dem Stationierungsbe‐ schluss des Bundestags, ca. 1,3 Mio. Bürger*innen im Rahmen der Friedensbewegung in der BRD auf die Straße brachte. Dies setzte eine Debatte über die Rolle von Nuklearwaffen in Gang. Ihre konsequente Opposition gegen Atomwaffen brachte die Grünen bei den Neuwahlen im März 1983 in den Bundestag (bpb 2018; Schöllgen 2013b, 199 f.). Siehe auch: Nuti, Leopoldo, Frédéric Bozo, Marie-Pierre Rey und Bernd Rother, Hrsg. (2015). The Euromissile Crisis and the End of the Cold War. Stanford (CA): Stanford University Press. Yost, David S. (1984). Die Zukunft atomarer Rüstungskontrolle in Europa. Von SALT zu START und INF. Koblenz: Bernhard & Graefe. 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 118 <?page no="119"?> Unmittelbar nach dem Abschluss von SALT I im Jahr 1972 gingen die Verhandlungen daher weiter, um das Interimsabkommen zu land- und seegestützten Raketen zu konkretisieren. Sie führten erst im Jahr 1979 zu einem SALT II-Abkommen und dauerten somit deutlich länger. Dies lag vor allem an militärtechnischen Aspekten, die seit dem Abschluss von SALT I deutlich komplexer geworden waren, u.a. der Entwicklung von Raketen mit multiplen Sprengköpfen (MIRVs) durch die USA, die nach der Trennung unabhängig auf verschiedene Ziele gelenkt werden konnten. SALT II begrenzte die Anzahl von solchen land- und seegestützten ICBM/ SLBMs sowie die Anzahl von schweren Bombern und setzte eine allgemeine Obergrenze für alle Startvorrichtungen von 2.400 Waffensystemen. Das heißt, dass zwar mehr Waffen gelagert werden konnten, aber nur eine begrenzte Zahl abschussbereit, also auf eine Rakete montiert sein durfte (Görtemaker 1979, 82 ff.). Der am 18. Juni 1979 in Wien von Breschnew und Carter unterschriebene Vertrag wurde vom US-Kongress nicht ratifiziert, weil Präsident Carter wegen der sowjetischen Invasion Afghanistans den Vertrag im Dezember 1979 aus dem Verfahren zurückzog (Combs 2012, 383 ff.; Meiers 1991, 33 ff.). Sowohl die USA als auch die Sowjetunion hielten sich in den Folgejahren aber an das Abkommen, das mit einer Gültigkeit bis 1985 ausgehandelt worden war (Ray 2020; State Department o. J.). Die ersten 1980er Jahre brachten zunächst wieder eine Verschärfung der Spannungen zwischen den Supermächten. Zwar akzeptierte der neue US-Präsident Ronald Reagan das nicht-ratifizierte SALT II-Abkommen und verfolgte weiterhin das Ziel der Waffenreduzierung, er nahm aber eine kon‐ frontativere Haltung gegenüber der Sowjetunion als sein Vorgänger Carter ein und unterstrich stärker Probleme bei der Erfüllung der Vereinbarungen und der damit zusammenhängenden Kontrollregime (Combs 2012, 388 f.; Meiers 1991, 137 ff.). Erickson (2018, 403) bemerkt, dass zwar ausgefeilte Kontrollregime mit Elementen wie Datenoffenlegung, Besuchen und Moni‐ toring etabliert worden waren, dass aber die Beachtung dieser Regime häufig Problemen unterschiedlicher Definitionen und Meinungen unterlag (s. auch Knorr 1990, 180 ff., 198 ff.; s. die Angaben bei Yost 1984). Des Weiteren ent‐ hielten die Verträge zwar meist Mengenbegrenzungen für Waffen, gingen aber nicht das Problem der technologischen Weiterentwicklung an, die zu deutlich stärkeren Sprengköpfen führte (Müller und Schaper 2003, 11 f.). Ab 1984 warf Reagan der Sowjetunion offen Vertragsbruch vor (Meiers 1991, 219 ff.). Wenngleich er keine Vergrößerung, sondern eher eine Verbesserung des US-amerikanischen Nukleararsenals in Betracht zog, machte er doch 3.5 Beginn der Abrüstung und Entspannungspolitik ab 1963 119 <?page no="120"?> deutlich, dass die USA ihre strategischen Verteidigungsnotwendigkeiten unabhängig von SALT II bemessen müssten (State Department o. J.). Wegen des Verbots bzw. der starken Einschränkungen von ABM-Systemen dachte die Reagan-Administration zudem über den Aufbau von Verteidigungssys‐ temen gegen ICBM-Angriffe mit ballistischen Raketen nach, die Teil eines Strategic Defense Initiative (SDI) genannten Programms waren, das auch Weltraumwaffen beinhaltet hätte (Combs 2012, 391; Lübkemeier 1986; Yost 1984, 89 ff., 115 ff.). Dennoch lehnte Präsident Reagan auch unter außen- und innenpolitischem Druck Rüstungskontrolle und Abrüstung nicht voll‐ ständig ab, sondern wollte vor allem letzteren Aspekt mit Bezug zum ICBM-Ungleichgewicht behandelt wissen (Meiers 1991, Kap. II). Reagan führte die Gespräche mit der Sowjetunion daher schon seit 1982 unter neuem Namen, den Strategic Arms Reduction Talks (START), fort (Knorr 1990, 170 ff.; Schöllgen 2013b, 202 ff). Nach einer Unterbrechung von 1983 bis 1985 konnten diese Verhandlungen aber erst im Juli 1991 von Präsident Bush Sr. und Michail Gorbatschow paraphiert werden - nur sechs Monate vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Während der US-Senat den Vertrag ratifizierte, standen auf der anderen Seite nunmehr mehrere unabhängige Atomwaffenstaaten - neben Russland auch Kasachstan, die Ukraine und Weißrussland. Vor der Billigung des Vertrags mussten also erst Regelungen getroffen werden, ob diese Staaten Nuklearwaffen behalten, zerstören oder an Russland abgeben wollten. Ultimativ entschieden sich alle drei früheren Teilstaaten der Sowjetunion gegen den Besitz von Nuklearwaffen, sodass der Vertrag im Dezember 1994 formal in Kraft treten konnte (Hill 2018, 106; Wallander 1999, 112 ff). Zerstörung oder Transfer der Waffen dauerten bis 1999 an. START (I) setzte die Begrenzung der Abschusssysteme durch SALT I/ II fort und zog des Weiteren eine Obergrenze aller Atomwaffen für jede Seite von 7.950 Sprengköpfen im Jahr 1999 sowie 6.000 im Jahr 2001, die von beiden Staaten eingehalten und erreicht wurde (Freeman 2011). Durch die zahlenmäßige Angleichung beider Arsenale wurde das Problem der Verletzlichkeit amerikanischer ICBMs verringert (Knorr 1990, 175 ff.; Yost 1984, 93 ff.). Es stellt einen nicht zu unterschätzenden politischen Erfolg dar, dass trotz der Umbrüche in der Sowjetunion und Europa zu Beginn der 1990er Jahre die im Kalten Krieg begonnene Abrüstungsagenda, die maßgeblich zur Entspannungspolitik beigetragen hat, weitergeführt werden konnte (Knorr 1990, 174; Müller und Schaper 2003, 12). Das letzte der zu Zeiten des Kalten Kriegs ausgehandelten Abrüstungsab‐ kommen ist der Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty (INF), der ab 1981 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 120 <?page no="121"?> verhandelt, 1987 von Reagan und Gorbatschow abgeschlossen wurde und bis August 2019 gültig war. Wegen der sehr unterschiedlichen Zielsetzungen der beiden Seiten - Abschaffung russischer IRBMs versus Nicht-Stationierung US-amerikanischer - gestalteten sich die Verhandlungen mehr als schwierig. Ein Durchbruch konnte erst nach dem Machtwechsel in der UdSSR zu Michal Gorbatschow zu Beginn des Jahres 1985 erzielt werden (Hill 2018, 35 f.; Knorr 1990, 100 ff., 228 ff.; Meiers 1991, 127 ff.). Der INF-Vertrag sticht unter den anderen Abkommen heraus, weil er als einziger Vertrag komplette Waffengattungen, nämlich nukleare IRBMs, MRBMs und bodengestützte Marschflugkörper und somit alle Atomwaffen mit Reichweiten über 500 km und unter 5.500 km verbietet, die in den SALT-Verhandlungen noch offen geblieben waren (Görtemaker 1979, 86 ff.; Yost 1984, Kap. 6). Somit durften die USA und die Sowjetunion/ Russland zwischen Dezember 1987 und August 2019 nur SRBMs (unter 500 km Reichweite) und ICBMs besitzen. Damit wurde für Europa das Problem der russischen SS-20 gelöst, die westeuropäische Städte schnell hätten erreichen können und daher ein hohes Eskalationspotential hatten (Meiers 1991, Kap. II; Yost 1984, 78 ff., 126 ff.). Die einzig erlaubten Waffen der vom Vertrag verbotenen Gattungen durften sich auf Schiffen oder in der Luft befinden, was Vorwarnzeiten deutlich erhöhte. Das neue Verbot führte zur Zerstörung von über 2.500 Waffen und war mit starken Kontrollbefugnissen von beiden Seiten robust ausgelegt (Encycloplaedia Britannica 2019; Knorr 1990, Kap. III.2). Durch den INF-Vertrag entspannte sich somit die nukleare Bedrohungslage in Europa in den 1980er Jahren erheblich. 3.6 Schlussbetrachtungen zu kollektiver Verteidigung während des Kalten Kriegs Nach der Gründung der Allianz mussten erst die Grundlagen für eine kollek‐ tive Verteidigungsfähigkeit geschaffen werden. Dazu galt es, gemeinsame Strukturen aufzubauen, Verteidigungspläne zu erstellen und vor allem die Streitkräfteplanung der Bündnismitglieder nach den Verlusten des Zweiten Weltkriegs zu koordinieren. Dieser Prozess war von vornherein problem‐ behaftet, aber die Alliierten, die von 1949 bis 1982 von 12 auf 16 Staaten anwuchsen, schafften es dennoch, Verteidigungskonzepte für die Vornever‐ teidigung in Europa und für den nordatlantischen Raum zu implementieren. Aufgrund der konventionellen Unterlegenheit gegenüber den Warschauer 3.6 Schlussbetrachtungen zu kollektiver Verteidigung während des Kalten Kriegs 121 <?page no="122"?> Pakt-Staaten beinhalteten diese Pläne die Androhung des Einsatzes von Nuklearwaffen. Die Fortschritte in der interkontinentalen Raketentechnik führten in den 1960er Jahren zum Gleichgewicht des Schreckens. Durch das damit mögliche Szenario eines nuklearen Holocaust - der Vernichtung allen Lebens auf dem Planeten - stabilisierte sich die Blockkonfrontation allerdings zunehmend in ihrem bipolaren Spannungszustand, der sogar den Beginn erster Rüstungskontrollschritte Ende der 1960er Jahre ermöglichte. Nach dem Umschwenken der NATO auf die flexible response-Nuklear‐ doktrin im Jahr 1962 gewannen die konventionellen Verteidigungsfähig‐ keiten wieder eine stärkere Rolle in der Verteidigungsplanung, die nunmehr von einer ausdifferenzierten alliierten Hauptquartierstruktur durchgeführt wurde. Die ostwestliche Blockkonfrontation verfestigte Sicherheitspolitik im transatlantischen Raum. Wenngleich es andere wichtige, teils unabhän‐ gige politische Entwicklungen in anderen Teilen der Welt gab (Dekolonia‐ lisierung, Öffnung Chinas, Globalisierung), strahlte die Ost-West-Konfron‐ tation häufig auf die gesamte Welt in Form eines Kampfes um Macht und Einfluss der Blockgegner mit verheerenden Stellvertreterkriegen in Vietnam oder Afghanistan aus. Internationale Institutionen wie die UN oder später die KSZE wurden von diesem Fundamentalkonflikt ebenfalls beeinflusst oder geprägt - nicht zuletzt der UN-Sicherheitsrat mit seinem Vetospiel zwischen den ständigen Mitgliedern (Bailey 1978; Junn 1983). Ob die NATO durch diese Politik aus friedentheoretischer Sicht nicht auch zum Fortbestand von Konflikt, Konfrontation und Unsicherheit beigetragen hat, anstelle mit der Sowjetunion zusammenzuarbeiten oder zu anderen Lösungen bezüglich der Sicherheitsprobleme Europas zu kommen, kann an dieser Stelle nicht hinreichend erörtert werden und ist Gegenstand eigener Forschungstraditionen und -auseinandersetzungen (Senghaas 1981). Diese kritischen Beiträge sind nützlich, weil sie uns lehren, in Alternativen zu denken und die bestehende Welt(ordnung) nicht als die beste aller möglichen anzusehen (autoritativ Booth 1997). Gleichzeitig kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich die Staaten der westlich-liberalen Welt durch das außen‐ politische Handeln der Sowjetunion nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bedroht gefühlt haben. Diese Bedrohungsperzeption war sozial und politisch wirkmächtig und bis zum Ende der 1960er Jahre als politisches Leitmotiv größtenteils unangefochten. Während die Zusammenarbeit im Warschauer Pakt aufgrund der Rolle der Sowjetunion und ihres autoritären Systems stärker vertikal strukturiert war und der Logik einer Zentrum-Satellitenbeziehung folgte, ist die At‐ 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 122 <?page no="123"?> lantische Allianz ein Bündnis formal gleicher Mitglieder, in der die USA aber aufgrund ihrer militärischen Kapazitäten und ihres lange bestehenden Willens, eine auf liberalen Prinzipien basierende Weltordnung aufzubauen und zu erhalten, als primus inter pares und wohlwollender Hegemon stand, dem andere Staaten freiwillig folgten (Layne 2006). Es stellt eine Leistung der NATO dar, die unterschiedlichen Sicherheits- und Verteidigungspoli‐ tiken von 16 Staaten mit ihren jeweils eigenen nationalen Interessen und Sicherheitsbedürfnissen koordiniert zu haben. Diese Kooperation hat immer wieder Rückschläge erfahren, wie z. B. durch die Suezkrise, den französi‐ schen Austritt aus der integrierten Militärstruktur oder durch Uneinigkeit in nuklearstrategischen Fragen, sie war aber auch von bedeutenden Momenten transatlantischer Solidarität geprägt, wie z. B. in Fragen der Situation Deutschlands und Berlins. Im Sinne zuvor dargestellter institutionalistischer Literatur war die NATO eine Allianz, die Gefahren extern und somit unter Ausschluss des Gegners aus gemeinsamen Entscheidungs- und Politikproz‐ essen bearbeitete. Trotz des exklusiven Charakters der NATO haben politische Akteure - sei es John F. Kennedy, Willy Brandt oder Nikita Chruschtschow - im Verlauf des Kalten Kriegs bewiesen, dass sie in bestimmten Situationen in der Lage waren, konkrete (wie die Kubakrise oder die europäischen Grenzproblematiken) oder sich abzeichnende Konflikte (wie um IRBMs und ihre Einsatzszenarien) nicht nur konfrontativ, sondern auch kooperativ anzugehen. Sie haben damit auch Sicherheitsdilemmasensibilität (security dilemma sensibility, Booth und Wheeler 2008, 7) bewiesen, indem sie sicher‐ heits- und verteidigungspolitische Interessen und Ängste der Gegenseite verstanden und für die Einleitung von verschiedenen Kommunikations-, Entspannungs- und nuklearen Abrüstungspolitiken genutzt haben, wie sie sich vor allem seit den 1960er Jahren nach der Kubakrise entwickelt haben. Diese Formen der Kooperation kannten durch innenpolitische (z. B. Wahl Reagans) und weltpolitische Entwicklungen (z. B. Afghanistankrieg) Höhen und Tiefen, trugen aber durch ein zunehmendes Netz an vertraglich regulierten bi- und multilateralen Entspannungs- und Abrüstungspolitiken zu friedlicheren Beziehungen bei. Das Ende dieser Epoche der Weltpolitik seit 1949 sollte aber vor allem durch Ereignisse in der Sowjetunion ausgelöst werden, denen sich der nächste Abschnitt kurz widmet, bevor wir zu einer Betrachtung kollektiver Verteidigungspolitik nach seinem Ende übergehen. 3.6 Schlussbetrachtungen zu kollektiver Verteidigung während des Kalten Kriegs 123 <?page no="124"?> 54 BRD, DDR, Frankreich, Großbritannien, Sowjetunion, USA. 3.7 Das Ende des Kalten Kriegs Die seit 1949 stabile Blockkonfrontation nahm Ende der 1980er Jahre ein überraschend schnelles Ende, das kaum ein/ e Beobachter*in hat kommen sehen. Das markanteste Ereignis dieses Zeitenumbruchs war in Deutsch‐ land der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 mit der darauffol‐ genden Wiedervereinigung, die formal am 3. Oktober 1990 durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag 54 besiegelt wurde und die wieder eine vereinte, in die westlichen Strukturen und den europäischen Integrationsprozess einge‐ bundene Bundesrepublik schuf - eingebunden sowohl in die EU als auch die NATO (Schöllgen 2013a, 256 ff.). Die fünf ostdeutschen Bundesländer und Berlin als wiedervereinte Hauptstadt wurden in den Folgejahren in die politischen Strukturen der BRD integriert. Die Entlassung der DDR in die Wiedervereinigung, eine lockerere Hand in anderen Staaten des Ostblocks, z. B. in Polen (Akzeptanz freier Wahlen 1989), Ungarn und der damaligen Tschechoslowakei (Grenzöffnung für DDR-Bürger) sowie die Reformpolitiken glasnost (Transparenz) und perestrojka (Umbau) unter dem seit Anfang 1985 regierenden UdSSR-Generalsekretär Michail Gorbat‐ schow waren eigentlich dazu gedacht, das sozialistische UdSSR-System zu stabilisieren und politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich modernisieren (Hill 2018, 33 ff.; Meiers 1991, 175 ff.). Die neuen Freiheiten, Ereignisse und Politiken führten schließlich zum Zusammenbruch der Sowjetunion. Die vorher unter der Decke gehaltenen politischen und wirtschaftlichen Missstände kamen ans Tageslicht, die Reformansätze für die wirtschaftli‐ chen Probleme griffen nicht. Die Situation gipfelte 1988 in einer partiellen Lebensmittelkrise, sodass die Bürger*innen der UdSSR nicht mehr an die Reformfähigkeit des Systems glaubten. Dazu kam ein Wiederaufleben von Nationalismen in den sowjetischen Teilrepubliken und Satellitenstaaten, die das lange durchlebte repressive System in Frage stellten. Das politische System der Sowjetunion war hiermit überfordert. Estland erklärte sich im Herbst 1988 für souverän, andere Staaten folgten, Russland im Juni 1990. Der gescheiterte Putschversuch gegen Gorbatschow im August 1991 brachte dann bestehende Hoffnungen auf eine erneuerte Union zum Erliegen (Pra‐ detto 1997, 12). Die UdSSR wurde am 21. Dezember 1991 aufgelöst. Russland als größter und hegemonialer Staat der Sowjetunion gilt offiziell als Rechts‐ nachfolger der UdSSR und nahm deren Sitz im UN-Sicherheitsrat ein. Elf 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 124 <?page no="125"?> Staaten (Armenien, Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Russland, Tadschikistan, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan und Weißruss‐ land) entschlossen sich zur Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) als nachfolgende Kooperationsorganisation der ehemaligen Sowjetrepubliken. Andere ehemalige Sowjetrepubliken und weitere Staaten des Warschauer Pakts entschlossen sich aber, anderen Kooperationsformen nachzugehen, was seit 1999 unter anderem zu Beitritten in die NATO führte (Schattenberg und Lehmann 2014). Die Wandelprozesse, die in den anderen ehemaligen Staaten des Ostblocks stattfanden, standen in ihrer Tiefe der deutschen Wiedervereinigung in nichts nach. Welche Gründe letztlich zum Zusammenbruch der Sowjetunion geführt haben und ob dieser Zusammenbruch selbstverschuldet war oder nicht, ist in der Fachliteratur umstritten (Schattenberg und Lehmann 2014). Zweifelsohne war die sowjetische Wirtschaft seit den 1970er Jahren in einer schlechten Verfassung und der Rüstungswettlauf mit den USA hat bedeutende Summen verschlungen - auf allen Seiten (Meiers 1991, 170 ff.). Hierdurch ergibt sich nach neorealistischer Auffassung die Notwendigkeit, der Verschlechterung der relativen Machtbalance entgegenzuwirken, um die eigene Unsicherheit nicht zu erhöhen. Diese Logik erklärt aber nicht, warum die UdSSR unter Gorbatschow so voluntaristisch liberale, systemre‐ formatorische Politiken der Gegnerseite eingeleitet hat, sich gleichzeitig aus der Hegemonialrolle in Osteuropa zurückzog und mit der Unterzeichnung des INF-Vertrags das Machtverhältnis in Europa zugunsten der westlichen Alliierten verschoben hat (zu INF s. auch Knorr 1990, 232). Dies ist eine aus neorealistischer Perspektive irrationale Vorgehensweise, während man z. B. auch mit dem ebenfalls kommunistischen China zusammen eine stärkere Front gegen die USA hätte bilden können, um das Machtungleichgewicht auszubalancieren. Anders ausgedrückt stellt Richard Ned Lebow (1995) in seiner berühmten Kritik der neorealistischen Erklärung zum Ende des Kalten Kriegs die Frage, warum unter denselben strukturellen Bedingungen im Verhältnis zu den USA, die seit Langem vorherrschten, Breschnew ag‐ gressiv und Gorbatschow kooperativ-zurückziehend gehandelt hat (s. auch Hill 2018, 48). Thomas Risse-Kappen (1994) antwortet, dass Gorbatschows neues Denken mit einem vorhergehenden Wandel in wissenschaftlichen und innenpolitischen Eliten und Diskursen über Liberalismus und Kooperation mit dem Westen zusammenhing (s. auch European Strategy Group 1988). Durch den offeneren, auf innenpolitische Reformen zielenden Gorbatschow ergaben sich so neue Möglichkeiten für die Außenpolitik (s. auch Meiers 3.7 Das Ende des Kalten Kriegs 125 <?page no="126"?> 1991, 171 ff., 183 ff.; Hill 2018, 25 f.). Risse-Kappen stellt also neben die (unzureichenden) materiellen Erklärungen des Neorealismus einen ideellen, liberal-konstruktivistischen Erklärungsversuch, der soziale Prozesse in der UdSSR in die Erklärung mit einbezieht (s. auch Knorr 1990, 99 ff.). Zusammen kann so das Einschlagen von Glasnost und Perestroika anstelle anderer, konfrontativer Lösungswege besser verstanden werden. Gorbatschows vo‐ luntaristisches Handeln und sein Wille zu außenpolitischen Veränderungen waren auf umfangreichere Veränderungen ausgelegt, als das bei seinen Vorgängern der Fall war, und er verstand es, Reagan dafür zu gewinnen, sodass dieser seine konfrontative Haltung aufgab (s. auch Lebow 1995, 40 f.; Kupchan und Kupchan 1991, 145 f.). Diese Erklärung deutet also darauf hin, dass akteursbezogene Aspekte bei der Abschwächung und letztlich dem Ende des Kalten Kriegs eine bedeutende Rolle gespielt haben (Breslauer und Lebow 2008; Lebow und Stein 1994, Postscript). Durch das Ende der Blockkonfrontation veränderte sich die (sicher‐ heits)politische Situation in Europa und der Welt grundlegend, da die bipolare, amerikanisch-russische Großmachtkonfrontation praktisch zum Erliegen kam (Mandelbaum 1990). Während diese politischen Umbruchpro‐ zesse in Westeuropa durch die EG/ EU einen festen institutionellen Rahmen hatten, in dem sie sich entfalten konnten, und daher etwas geordneter abliefen, fanden in den meisten Staaten Mittel- und Osteuropas und in Russland grundlegende Prozesse der politischen Demokratisierung, ökono‐ mischen Liberalisierung und sozialen Neuausrichtung statt. Die NATO und die EU/ EG unterstützen hierbei teilweise, was mit Bezug zur sicherheits- und verteidigungspolitischen Zusammenarbeit in den folgenden Kapiteln diskutiert wird. Die deutsche Einheit wurde nicht zuletzt durch Hilfszusagen des Westens bei diesem Transformationsprozess erkauft (Kupchan und Kup‐ chan 1991, 145 ff.). Russland fiel weitestgehend als weltpolitischer Akteur aus, da die Umbauprozesse so tiefgreifend waren, dass sie den Großteil der politischen Aufmerksamkeit banden (Hill 2018, 49 f., 103 ff.). Die Atlantische Allianz war bemüht, zur Absicherung der politischen Lage mit und inner‐ halb Russlands neue Kooperationsmechanismen zu etablieren (s. Kap. 5.2). Bereits 1989 begannen noch mit der Sowjetunion Verhandlungen über den Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (CFE), der Truppen in einem auf Gegenseitigkeit mit der NATO bedachten System abbauen sollte (zu den Verhandlungen s. Knorr 1990, 352 ff.; Wallander 1999, Kap. 5). Der Vertrag wurde im November 1990 abgeschlossen, als sich sowjetische Truppen schon auf dem Rückzug aus West- und Mitteleuropa befanden 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 126 <?page no="127"?> und die Kriegsgefahr durch die Verhandlung der deutschen Einheit enorm reduziert war (Hill 2018, 41 ff.). Die NATO hatte somit ihren Widersacher verloren, gegen den sie 1949 gegründet wurde. Mearsheimer (1990) sagte daher ein Aufbrechen der Allianz vorher, da sich ihr Zweck erledigt hatte und es keine rationalen Gründe mehr für das Aufrechterhalten des kost‐ spieligen Bündnisses gab. Er prognostizierte weiter neue Instabilität in der europäischen und globalen Ordnung aufgrund des fehlenden, mäßigenden Einflusses von Bipolarität (ähnlich Mandelbaum 1990). - Dass diese Ent‐ wicklung in der NATO nicht eingetreten ist und die Allianz nicht in ihrem 40./ 42. Jahr endete, lässt sich unschwer erkennen. Warum dies trotz des Wegfalls ihres Auftrags nicht geschah, werden Kapitel 4, 5 und 6 vertiefen. 3.8 Diskussionsfragen und weiterführende Literatur Diskussionsfragen: ▸ Was für einen Blick hat der Neorealismus auf internationale Politik und wie steht er zu Kooperation zwischen Staaten? ▸ Warum bilden Staaten Allianzen und welche Probleme können sie dabei haben? ▸ Wie funktioniert das Beistandsversprechen der NATO (Art. 5)? (s. auch 4.3) ▸ Wie beeinflusst die Existenz eines (wohlwollenden) Hegemonen in der NATO die sicherheits- und verteidigungspolitischen Bemühungen der Allianz? ▸ Warum legen sich Staaten Nuklearwaffen zu? ▸ Wie wichtig waren Nuklearwaffen für die Verteidigungsbemühungen der NATO? ▸ Wie funktioniert Abschreckung? (auch: Was ist M.A.D oder das Gleich‐ gewicht des Schreckens? ) ▸ Warum ist der INF-Vertrag so wichtig für europäische Sicherheit? (s. auch Kap. 7) ▸ Wie war es möglich und warum konnte Deutschland 1955 in die NATO geholt werden? ▸ Welche Auswirkungen hatte der deutsche WEU- und NATO-Beitritt auf die Blockkonfrontation und die Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten? 3.8 Diskussionsfragen und weiterführende Literatur 127 <?page no="128"?> ▸ Welche Mechanismen werden in Abrüstungsinitiativen genutzt, um die Bedrohung durch Atomwaffen zu verhindern? ▸ Welche Faktoren haben beim Ende des Kalten Kriegs und dem Zerfall der Sowjetunion eine Rolle gespielt? Welche gegensätzlichen Posi‐ tionen bestehen dazu? ▸ Warum zog sich Frankreich aus der integrierten Militärstruktur zu‐ rück und wie beeinflusste das seine und die alliierte Verteidigungspo‐ litik? Weiterführende Literatur: Hellmann, Gunther, Wolfgang Wagner und Rainer Baumann (2014). Deutsche Außen‐ politik. Eine Einführung. 2. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Knorr, Klaus Eugen, Hrsg. (1959). NATO and American Security, Princeton Legacy Library. Princeton (NJ): Princeton University Press. Küntzel, Matthias (1992). Bonn und die Bombe. Frankfurt und New York: Campus. Newhouse, John (1990). Krieg und Frieden im Atomzeitalter. München: Kindler. Siebel, Gunter (1988). Sicherheit im Atomzeitalter. Politik - Strategie - Rüstungskon‐ trolle. Ein Lehr- und Studienbuch. Frankfurt am Main: Haag + Herchen. Schöllgen, Gregor (2013). Deutsche Außenpolitik. Von 1945 bis zur Gegenwart. 2 Bd., Bd. 2. München: C.H. Beck. Schulz, Matthias und Thomas A. Schwartz, Hrsg. (2010). The Strained Alliance. U.S.-European Relations from Nixon to Carter. Washington and Cambridge (UK): Cambridge University Press. Thies, Wallace J. (2009). Why NATO endures. Cambridge (UK): Cambridge University Press. Wenger, Andreas und Stefanie Von Hlatky, Hrsg. (2015). The future of extended deterrence: the United States, NATO, and beyond. Washington D.C.: Georgetown University Press. Wisotzki, Simone (2004). Abschreckung ohne Ende? Die ambivalente Nuklearwaffen‐ politik Großbritanniens und Frankreichs. HSFK-Report 2004/ 11. Frankfurt am Main: Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. 3 Kollektive Verteidigung während des Kalten Kriegs 128 <?page no="129"?> 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg: Über Transformation, Terrorismus und die Krim Wie zum Ende des vorherigen Kapitels erläutert, spielte kollektive Verteidi‐ gung für die NATO in den 1990er Jahren kaum eine Rolle, weil Russland aufgrund des post-sowjetischen Transformationsprozesses im Wesentlichen innenpolitische Probleme zu lösen hatte und geopolitisch eine weniger prominente Rolle spielte. Dies sollte sich erst mit den Auseinandersetzungen um den Kosovokrieg im Winter 1998/ 99 (s. Kap. 5.3.2) sowie den Ereignissen um 9/ 11 ändern (Hill 2018, Kap. 5). Dementsprechend lassen sich kollektive Verteidigungspolitiken nach dem Ende des Kalten Krieges in drei Phasen einteilen: den NATO-Erweiterungsprozess, die Folgen von 9/ 11 und die Afghanistan-Intervention sowie das Wiederaufflammen des Systemgegen‐ satzes seit der Annexion der Krim im Jahr 2014. Kapitel 4 wird diese Aspekte und ihre Bedeutung für die Allianz ergründen. Zunächst soll Abschnitt 4.1 die Phase direkt nach dem Ende der Blockkonfrontation beleuchten. Danach wird der für das Verständnis der Entwicklung der NATO zentrale Prozess der Osterweiterung diskutiert und wie sich dadurch die Beziehungen zu Russ‐ land entwickelten (4.2). Um die Ereignisse des 11. September 2001 kann eine Neudefinition kollektiver Verteidigung beobachtet werden, die zu einem starken Engagement der Allianz gegen den internationalen Terrorismus, zuvorderst in Afghanistan, führte (4.3). (In diese Zeit fällt auch der Irakkrieg als dunkler Fleck US-amerikanischen Unilateralismus.) Diese Epoche kam mit der russischen Invasion der Krim und dem Konflikt in der Ostukraine zu einem jähen Ende und ließ klassische kollektive Verteidigung erneut in den Vordergrund des Allianzhandelns treten - ein Vorgang, der in Abschnitt 4.4 ausführlich besprochen wird. Abschnitt 4.5 fasst das Kapitel zusammen und geht auf aktuelle Probleme der Sicherheitslage in Europa ein. 4.1 Das Ende der Geschichte, die Friedensdividende und die strategische Neuausrichtung der NATO Der Zusammenbruch der Sowjetunion im Dezember 1991 löste verschie‐ dene Debatten über den Zustand von und Chancen in der Weltpolitik <?page no="130"?> 55 Diese Aussage soll weder als ein normatives Statement pro-Erweiterungen noch pro-russischem Einflusssphärendenken verstanden werden. Beide Prozesse sind zu komplex, um so vereinfacht beurteilt zu werden. aus. Auf breiterer gesellschaftlicher Ebene hatte der US-amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama (1989, 1992) bereits zu Beginn der Transformationsprozesse in der Sowjetunion die These vom Ende der Geschichte (end of history) aufgestellt. In seinem Aufsatz argumentiert er, dass sich der ideologische Systemgegensatz zwischen Kommunismus und Liberalismus mit dem Auseinanderfallen der Sowjetunion zugunsten des letzteren entschieden habe und die Menschheit durch den Sieg der (west‐ lich-)liberalen Ideologie am Höhepunkt ihrer geistig-ideellen Entwicklung angelangt sei. Er prognostizierte einen Siegeszug der liberalen Regierungs- und Wirtschaftsform à la longue durée, erkannte aber auch an, dass bis dahin noch viele materielle Hindernisse zu überwinden seien. Wenngleich wir dieser nahezu triumphalen These heute mit sehr viel Skepsis begegnen, drückte sie doch ein Überlegenheitsgefühl der Zeit aus, dass der Westen über den Osten gesiegt hatte (s. auch Mandelbaum 1990, V). Es besteht nicht wenig Grund zu der Annahme, dass dieses Gefühl und die sich damit ausdrückenden politischen, liberalen Mehrheiten in den 1990er Jahren dazu beigetragen haben, sicherheitspolitische Interessen Russlands bei der Neugestaltung einer europäischen Sicherheitsordnung nicht immer in ihrer Gänze verstanden oder berücksichtigt zu haben, wenngleich von Triumpha‐ lismus zu reden wohl zu viel wäre (Hill 2018, 30; Knapp 1997, 260). Dies ist eine Position, die auch der Kritik an der NATO- und EU-Osterweiterung zugrunde liegt, wenngleich an dieser Stelle auch das souveräne Streben vieler mittel- und osteuropäischen Staaten in diese Organisationen als politisches Ziel anerkannt werden muss (Marten 2018; Mearsheimer 2014; Meyer 1995). 55 Eine andere Diskussion betraf militärpolitische Konsequenzen. Da von der UdSSR keine Gefahr mehr ausging und sich die Weltlage entspannte, wurde in Deutschland (und anderswo) unter dem Schlagwort Friedensdivi‐ dende eine weitgehende Abkehr von Rüstungsausgaben und die Investition der frei werdenden Gelder zu Zwecken der Friedens- und Wohlstandsschaf‐ fung und des Wandels zu Gesellschaften ohne/ mit weniger Formen der Gewalt gesellschaftlich breit diskutiert (Gleditsch et al. 1996; Hamid et al. 2001; Wulf 2011). Die Intensität der Debatte in der Bundesrepublik drückt die gesellschaftliche Verankerung der pazifistisch geprägten Kultur 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 130 <?page no="131"?> der Zurückhaltung (Malici 2006) aus, die die deutsche Außenpolitik nach den Abgründen der beiden Weltkriege in der ersten Hälfte des 20. Jahr‐ hunderts angenommen hatte. Deutschland sah sich und sieht sich noch immer, auch nach Afghanistan, primär als Zivilmacht, die Außenpolitik mit nicht-militärischen Mitteln betreibt und die sich für mehr Frieden in der Welt durch Kooperation stark macht (Maull 2007). In der Tat ermöglichte die neue Situation die Absenkung der Rüstungs- und Verteidigungsausgaben und eine Verkleinerung der Armeen (s. auch Deni 2017). So fielen die Verteidigungsausgaben der NATO-Mitgliedstaaten zwischen 1990 und 1999 von $504 Mrd. auf $468 Mrd. (2003er Wechselkurse) ab (NATO 2010). Nicht zuletzt stellte sich die Frage nach der fortgesetzten US-amerikanischen Präsenz in Europa, für die sich die USA schließlich aus Eigeninteresse und wegen der unsicheren Lage in Europa entschlossen - auch mit Blick auf die Notwendigkeit, die Rolle des wiedervereinigten Deutschlands in Europa und der Weltpolitik mit zu gestalten und Deutschland fest im westlichen Bündnissystem zu verankern (Hill 2018, 15 ff., 29 ff., 60 ff.; Mandelbaum 1990). Aus neorealistischer Sicht kann man dies als eine balancing-Strategie einstufen. In Anbetracht dieser tektonischen Verschiebungen musste das Strategi‐ sche Konzept der Allianz aus dem Jahr 1968 natürlich angepasst werden. Obwohl das 1991er Konzept (NATO 2010 [1991]) kollektive Verteidigung nach wie vor als Kernaufgabe der NATO definiert, haben sich Schwerpunkte darin verschoben. Während die Abschreckungsrolle von Nuklearwaffen für die Allianz als ultimative Versicherung gegen Aggression unverändert bestehen bleibt, spricht das Konzept davon, „das Prinzip der flexible res‐ ponse anzupassen, um sich auf eine geringere Rolle von Nuklearwaffen zu verlassen.“ (Art. 39 - s. auch Heuser 1995, 66). Daher sieht das Konzept die Lösung von Konflikten eher auf der Ebene der Diplomatie oder zur Not kon‐ ventioneller Auseinandersetzungen (NATO 2010 [1991], Art. 56). Zusammen mit der Fortsetzung von Abrüstungsinitiativen schreiben die strategischen Richtlinien somit einen deutlich geringeren Verlass auf Nuklearwaffen fest. Dieser Wechsel basiert auf einer neuen Bewertung der Sicherheitslage in Europa, die zwar Unsicherheit durch den Transformationsprozess der ehemaligen Sowjetstaaten konstatiert, aber das Potential für einen direkten, koordinierten und großflächigen Angriff auf das Bündnisgebiet als quasi inexistent einstuft (NATO 2010 [1991], Art. 9). Dementsprechend sieht das Konzept ein Ende der konventionellen Vorneverteidigung und den Über‐ gang zu einer „reduzierten Vornepräsenz“ (Art. 39) vor. Sowohl die Gefahren 4.1 Ende der Geschichte, Friedensdividende und strategische Neuausrichtung 131 <?page no="132"?> als auch die Machtbalance haben sich durch den Zusammenbruch der Sowjetunion also fundamental zu Gunsten der NATO-Staaten verschoben, sodass eine Reduzierung der Aufwendungen für das Militär - und der Präsenz US-amerikanischer Streitkräfte in Europa! - bei Beibehaltung von militärischen Vorteilen möglich war. Russland wurde nicht mehr als Gegner der NATO angesehen - eine Feststellung, die auch als Unterstützung pro-westlicher Kräfte in Russland gedacht war (Hill 2018, 62 ff.). Gleichzeitig zeichneten sich bereits 1990/ 91 neue Aspekte in der strate‐ gischen Planung der NATO ab, die nicht so klar in das neorealistische Denkmuster aus militärischen Gefahren für das Bündnis passen. Zum Ersten betonen die Formulierungen des Strategischen Konzepts nun deutlicher die positive Rolle liberaler Ideologie und die Notwendigkeit, Demokratien zu unterstützen - verbunden mit der Hoffnung und dem Willen auf Zu‐ sammenarbeit mit und einer Liberalisierung von Russland. Zum Zweiten unterstreicht das Konzept, dass es in Dialog und anderen friedlichen Ko‐ operationsformen die Zukunft einer stabilen sicherheitspolitischen Lage in Europa sieht und dass solche Initiativen von der Allianz unterstützt werden sollten (Broer 1997, 296 f.; Hauser 2008, 37 f.; NATO 2010 [1991], Art. 23 ff.). Zum Dritten deutet es notwendiges alliiertes Engagement im Krisenmanagement an (Art. 31 ff.) und ebnet so den Weg für die späteren kollektiven Sicherheitsmissionen der NATO. Dies war eine Politik, die vor allem aus den USA forciert wurde, um flexibler auf die politische Unsicherheit in Europa reagieren zu können (Knapp 1997, 267; Peterson Ulrich 2003, 20 f.). Pläne zum Umbau der Streitkräfte zu beweglicheren und flexibleren Einsatzkräften samt schnellen Einsatztruppen (rapid reaction forces, Art. 47), Hauptquartieren und logistischen Unterstützungsstrukturen deuten diese Aufgabenverlagerung ebenfalls an (Broer 1997, 292 ff.; Hill 2018, 77 ff.). Mit dem Abzug russischer Truppen aus der DDR und den anderen Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts sowie Truppen- und Bereitschaftsredu‐ zierungen auch auf westlicher Seite setzte sich in den 1990er Jahren die Entspannungspolitik in Europa im Wesentlichen fort (zu deutsch-russischen Beziehungen s. Wallander 1999). 1997 gelang es, mit der Unterzeichnung der NATO-Russland-Grundakte sowie der Einrichtung des Ständigen Gemein‐ samen Rats (PJC, s. Kap. 2.3.5), die NATO-Russland-Beziehungen auf eine stabile Basis zu stellen, auf der Konfliktmanagement, Rüstungskontrolle, WMD-Proliferation oder gemeinsame Interessen mit Blick auf die sich abzeichnende Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus besprochen 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 132 <?page no="133"?> werden konnten (NATO 1997a). 2002 folgte die Ausweitung der Bezie‐ hungen im stärker institutionalisierten NATO-Russland-Rat (NRC). Bereits 1998/ 99 kam es aber zu Spannungen mit Russland, als sich die NATO zur völkerrechtlich illegalen Intervention im Kosovo-Krieg gegen Serbien entschied, einem traditionell zur russischen Einflusssphäre gehörenden Staat. Insgesamt standen die 1990er Jahre unter dem Stern des kooperativen Krisenmanagements in zerfallenden Staaten (s. 5.3; Schimmelfennig 2003, 40 ff.). Das 1999er Strategische Konzept der NATO trägt diesen Entwicklungen vollends Rechnung. Erstmals ist darin von Einsätzen der Allianz außerhalb des Bündnisgebiets zum Krisenmanagement und zur Konfliktprävention die Rede, wie sie z. B. das Engagement der NATO auf dem Balkan kennzeich‐ neten (NATO 2009 [1999], Art. 12, 31 f.). Diesen Einsätzen käme neben der Wahrung der Verteidigungsfähigkeit eine zentrale Rolle zur Schaffung von Sicherheit für die NATO-Mitglieder zu (Hill 2018, 151 ff.). Das Strategische Konzept rahmt dieses Engagement sowohl mit Bezug zur Sicherung von Frieden und Herstellung von Sicherheit als auch zu kooperativer Sicherheit: „[…] NATO will seek, in cooperation with other organisations, to prevent conflict, or, should a crisis arise, to contribute to its effective management, consistent with international law, including through the possibility of conducting non-Article 5 crisis response operations. The Alliance’s preparedness to carry out such operations supports the broader objective of reinforcing and extending stability and often involves the participation of NATO's Partners. NATO recalls its offer, made in Brussels in 1994, to support on a case-by-case basis in accordance with its own procedures, peacekeeping and other operations under the authority of the UN Security Council or the responsibility of the OSCE, including by making available Alliance resources and expertise.“ (NATO 2009 [1999], Art. 31) Hier und anderswo wird daher die Rolle von Sicherheitskooperation durch die Erwähnung verschiedener NATO-Kooperationsformate (mit Russland, der Ukraine, EAPC, Mittelmeerdialog, PfP) und internationalen Organisa‐ tionen (EU, OSZE, WEU, UN) deutlich hervorgehoben (s. Kap. 5). Somit positioniert sich die NATO als Dienstleister für internationale Organisa‐ tionen (sofern die NATO-Staaten selbst Interesse am Handeln haben; Adam 2007; Hauser 2008, 38; Knapp 1997, 268; Ringsmose 2016). Das Konzept spricht ebenfalls von der Existenz neuer Gefahren wie der Proliferation von Massenvernichtungswaffen, auch in Händen nichtstaatlicher Akteure, dem Problem von failing/ failed states (Schneckener 2005; Huntington 1993) 4.1 Ende der Geschichte, Friedensdividende und strategische Neuausrichtung 133 <?page no="134"?> 56 Zwar dürfte die deutsche Bundesregierung Truppen für die Landes- und Bündnisver‐ teidigung unter sofortiges NATO-Kommando stellen, aber die NRF sollte in out of area-Missionen eingesetzt werden, die nicht zur Bündnisverteidigung gehören und somit einer Zustimmung des Bundestags bedürfen. sowie von Gefahren durch Terrorismus, organisierte Kriminalität und der Unterbrechung globaler Handelsströme (Art. 20 ff.), denen die NATO in einem wechselhaften Umfeld gegenüberstünde (Hill 2018, 152 f.). Damit goss das Strategische Konzept in verbindliche Worte, was die Realität regionaler Konflikte, neuer globaler Sicherheitsherausforderungen und von Allianzhandeln seit den Jugoslawieneinsätzen und den Kooperationsinitia‐ tiven der 1990er Jahre war. Demgegenüber bleiben die Ausführungen zu Notwendigkeiten kollektiver Verteidigung relativ unverändert. Im Zuge der Aufgabenverschiebung zu Krisenprävention und Krisenma‐ nagement wird außerdem die Bedeutung von flexiblen, mobilen, schnell verlegbaren und rotierenden Kräften noch stärker als zuvor betont (Art. 52 ff.). Dazu sollten sogenannte Combined Joint Task Forces geschaffen (CJTF) werden, teilstreitkraftübergreifende (combined), multinationale (joint) Ver‐ bände, die im Krisenfall durch vorab designierte Hauptquartiere schnell zum Einsatz kommen können. Diese CJTF sollten in Kooperation mit der WEU und Staaten aus den Partnerprogrammen aufgestellt werden (Hauser 2008, 39; Varwick und Woyke 1999, 131 ff.; Gnesotto 1997). Auf dem Prag-Gipfel 2002, nach den Anschlägen von 9/ 11, wurden die CJTF in die NATO Response Force (NRF), eine schnelle Eingreiftruppe von ca. 21.000 Soldat*innen aller Teilstreitkräfte, überführt, die als militärische Speerspitze der Alliierten innerhalb von einer Woche in globale Missionen geschickt werden und dabei auch hoch-intensive Kampfaufgaben übernehmen sollte. Inwieweit die NRF wirklich effektiv und einsatzfähig sein würde, wurde allerdings mit Blick auf Uneinigkeit über Mandatsaspekte (nötiges Sicherheitsratsmandat? ), adäquate Fähigkeiten/ Größe und auch auf den deutschen Parlamentsvor‐ behalt bei der Entsendung von Streitkräften kritisch diskutiert (Adam 2007, 84 f.; Deni 2017, 28 f.; Howorth 2003, 238 ff.). 56 Trotzdem wird durch die Einrichtung der CJTF und der NRF der out of area-Impetus der neuen NATO-Strategie deutlich (Kitchen 2010). Aufgrund der insgesamt unkritischen Beziehungen mit Russland konnte die Abrüstungs- und Rüstungskontrollzusammenarbeit zwischen den ehe‐ maligen Gegnern fortgeführt werden, wenngleich es im Bereich nuklearer Rüstungskontrolle und Abrüstung zunächst kaum signifikante Fortschritte 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 134 <?page no="135"?> 57 START II konnte nach dem ersten Scheitern 1996 ratifiziert werden (Müller und Schaper 2003, 25). gab. Erickson (2018, 404 ff.) führt aus, dass zunächst humanitär motivierte konventionelle Kontrollvereinbarungen im Vordergrund multilateraler Be‐ mühungen standen, z. B. zum Verbot von Anti-Personenminen oder Streu‐ munition. Im nuklearen Feld sprachen sich die USA (wie auch Frankreich) zunächst gegen einen generellen Teststoppvertrag (Comprehensive Test Ban Treaty, CTBT) aus. Nichtverbreitungsinitiativen wurden erst nach dem Irakkrieg stärker unterstützt. 1993 schlossen George H.W. Bush und der russische Präsident Boris Jelzin aber START II ab, der Begrenzungen für Raketen mit multiplen Eintrittsvehikeln (MIRVs) vorsah. Außerdem konnte 1995 die unbegrenzte Verlängerung des NPT-Vertrags erreicht werden, was ein großer Erfolg war (Müller und Schaper 2003, 14 ff., 25, 41 ff.). Ein neuer Fokus lag ebenfalls auf der Verhinderung der Proliferation von WMD in die Hände von weiteren Staaten und Terroristen, z. B. durch schmutzige Bomben mit radioaktivem Material oder biologische und chemische Kampfstoffe, die jüngst in Syrien durch Regierungstruppen in fatalen Einsatz kamen (Erickson 2018, 408; Müller und Schaper 2003, 20 f., 39 ff.). Der Besitz von WMD durch nichtstaatliche Akteure stellt nicht zuletzt ein Problem für klassische Abschreckungskonzepte dar, die auf Interaktionen zwischen Staaten ausgelegt sind - gegen Terroristen oder versteckte Aggressoren hilft die Sicherung einer nuklearen Zweitschlagsfähigkeit nicht (Deudney 2018, 341 ff.). Wegen dieser neuen Schwerpunkte der Abrüstungs- und Rüstungskontrolldiskussionen dauerte es bis 1997, bis Clinton und Jelzin wieder über neue Beschränkungen ihrer Nukleararsenale verhandelten. 57 Schließlich wurde am 24. Mai 2002 der Strategic Offensive Reductions Treaty (SORT, auch START III genannt) von US-Präsident George W. Bush und dem russischen Präsidenten Vladimir Putin unterzeichnet, der die Zahl stationierter Nuklearwaffen beider Staaten auf 1.700 bis 2.200 Sprengköpfe, zu erreichen im Jahr 2012, limitierte (Müller und Schaper 2003, 53 ff.). Der nächste Abrüstungsvertrag, New START, sollte erst im Jahr 2010/ 11 unter Medwedew und Obama ratifiziert werden (Freeman 2011). Ein Aspekt, der stets problematisch zwischen der NATO und Russland blieb, war die Osterweiterung der Atlantischen Allianz auf Staaten des ehemaligen War‐ schauer Pakts und der UdSSR. Diesem wichtigen Gegensatz wollen wir uns nun widmen, da er zentral für das Verständnis der Sicherheits- und Verteidigungsdynamiken der 2000er und 2010er Jahre ist. 4.1 Ende der Geschichte, Friedensdividende und strategische Neuausrichtung 135 <?page no="136"?> 58 Hitler hatte z. B. im Rahmen des Freundschaftsvertrags mit der Sowjetunion bereits arrangiert, dass die Grenze der gegenseitigen Einflussbereiche an der Westgrenze Polens liegen würde und Polen somit der UdSSR-Einflusssphäre zugerechnet wurde (Schöllgen 2013a, 249). 59 Das zögerliche Eingreifen westlicher Staaten in Jugoslawien war ein weiterer Grund dafür, sich eher auf die NATO verlassen zu wollen als auf die EU (für Ungarn z. B. Kiss 1997, 96 ff.; Peterson Ulrich 2003, 36 ff.; Terriff 2013, 94). 4.2 Die Osterweiterung(en) Der Zusammenbruch der Sowjetunion war für viele mittel- und osteuro‐ päische Staaten gleichbedeutend mit dem Ende von Bevormundung und Unterjochung. Während einige Staaten des Ostblocks wie Bulgarien, Polen oder Rumänien während der Sowjetzeit zwar de jure, wenn auch nicht de facto, unabhängig waren, bestanden die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen seit ihrer Annexion im Zweiten Weltkrieg nur als UdSSR-Teilrepubliken. Polen und Rumänien wurden zudem Teile ihres Territoriums weggenommen. Für diese Staaten war das Ende der Sowjet‐ union also mit Befreiung und Souveränität verbunden, die sie um jeden Preis verteidigen wollten (Hill 2018, 47 ff.; Pradetto 1997, 12 f.). Viele der demokratische Transformationsprozesse durchlaufenden Staaten sahen die Garantie ihrer Unabhängigkeit in einem Beitritt zur westlich-liberalen NATO und nicht nur in der Teilnahme an Kooperationsprogrammen (z. B. NACC/ EAPC, PfP), die die NATO seit 1991 unter Beteiligung Russlands aufgelegt hatte (Asmus 2002, 53 ff.; Broer 1997, 299 ff.; Hauser 2008, 40 ff.). Der versuchte Putsch gegen Gorbatschow im August 1991 sowie das brutale Vorgehen Russlands im Ersten Tschetschenienkrieg und die Definition einer neuen russischen Einflusssphäre in den Ländern der ehemaligen UdSSR bestärkten die mittel- und osteuropäischen Staaten darin, dass nur eine Vollmitgliedschaft und somit Schutz durch die USA die notwendigen Sicherheitsgarantien - gegenüber Russland und Deutschland! 58 - brachte (Hill 2018, 50, Kap. 4; Pradetto 1997, 15 ff.; Schimmelfennig 2003, Kap. 2; für Polen z. B. Prystrom 1997). 59 Weitere Integration im Rahmen der OSZE wurde als wünschenswert, aber nach einer Anfangsphase nicht ausreichend zur Wahrung der eigenen Sicherheit gesehen (Asmus 2002, 11 ff.). Insgesamt bestand kein Zweifel am Wunsch nach einer klaren Westbindung in vielen ehemaligen Sowjetrepubliken oder Warschauer Pakt-Staaten, die sich nicht der GUS angeschlossen hatten (Gheciu 2005; Heydemann und Vodička 2014; Meyer 1995). 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 136 <?page no="137"?> 60 Hill gibt in seinem Buch No Place for Russia (Hill 2018, 45), Kap. 2, Fußnote 13 eine exzellente Übersicht über die verschiedenen Quellen zu diesem Thema. Das Streben nach Beitritt traf in den NATO-Mitgliedstaaten auf ein geteiltes Echo. Während die USA, Norwegen, die Niederlande oder die BRD einem Beitritt sehr offen gegenüberstanden, weil sie die NATO als zentrales Vehikel europäischer Sicherheitspolitik erhalten wollten, waren Belgien, Frankreich (Manfrass-Sirjacques 1997, 202 ff.; Vaïsse 2009b, 282 ff.) oder Spanien skeptischer und in ihren politischen Ansichten eher auf eine Europäisierung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik unabhängig von der NATO bedacht. Die BRD versuchte dennoch, ihre übliche Mittelposition zwischen Atlantizismus und europäischer Integration zu wahren. Eine große Gruppe beider Lager wollte sich genug Zeit für so weitreichende Ent‐ scheidungen nehmen (Hacke 1997, 235 ff.; Meyer 1995, 31; Toje 2008, 82 ff.; zu GB s. Taylor 1997, 220 ff.). Aufgrund der geringen militärischen Kapazitäten der Staaten würde die Sicherheit der alten Mitglieder durch eine Verlagerung eines möglichen russischen Angriffs gen Osten nur marginal gesteigert werden, da sich die Alliierten gleichzeitig zum Zurückschlagen des Angriffes verpflichten mussten und Russland durch das Heranrücken der Allianz an sein Territorium nicht erbaut war. Gleichzeitig würden mit dem Beitritt neuer Mitglieder höhere Koordinationskosten und wegen unterschiedlichen Interessen möglicherweise auch Uneinigkeit und Handlungsunfähigkeit entstehen (Hacke 1997). Die Interessenlage zur Osterweiterung auf Seiten der NATO-Alliierten muss also mehr als nur sicherheitspolitisch motiviert gewesen sein (Schimmelfennig 2003, 40 ff.). Wann die USA selbst begonnen haben, die Erweiterung zu befürworten, ist umstritten. Berthold Meyer (1995) führt die Unterstützung auf die Clinton-Administration im Jahr 1994 zurück (s. auch Rösch 2016, 66 ff.). Mary Elise Sarottes (2014, Afterword) aktuellere Studie führt jedoch auf Basis neuer Dokumente aus, dass es erste Überlegungen zur Erweiterung der Allianz schon ab Februar 1990 im Ver‐ handlungsprozess zur deutschen Wiedervereinigung gab, die in der Folge aber von den USA und der BRD bewusst aus dem Prozess herausgehalten wurden, um die Wiedervereinigung nicht zu gefährden. Interessanterweise widersprach Gorbatschow dieser Darstellung jedoch im Jahr 2014 in einem Interview selbst (FAZ 2014), in dem er zu Protokoll gab, dass die Erweiterung der NATO vor der Wiedervereinigung noch kein Thema gewesen sei, sondern erst danach - dann aber in der Tat ein Versprechen gegen die Erweiterung abgegeben worden sei (Meyer 1995, 29). 60 4.2 Die Osterweiterung(en) 137 <?page no="138"?> 61 Hill (2018, 67) bemerkt, dass sich die Akteure der Tragweite der Beschlüsse von 1989 bis 1991 wohl nicht immer bewusst waren und so einige wichtige Aspekte im Vagen verblieben. Bis heute ist eine generelle Verstimmung zwischen dem Westen und Russ‐ land bezüglich der Erweiterungsfrage auf diese Situation zurückzuführen. Russland stand der Erweiterungspolitik nie positiv gegenüber (Hacke 1997). Nicht wenige Beobachter*innen sehen hierin eine vergebene Chance einer inklusiveren sicherheitspolitischen Architektur in Europa nach dem Ende des Kalten Kriegs. 61 Ronald Asmus (2002, 58 ff.) führt aus, dass die letztliche Entscheidung zur Erweiterungsagenda, die vorher in der US-Regierung umstritten war, erst 1994 durch Bill Clinton getroffen und dann konse‐ quent vorangetrieben wurde (s. auch Toje 2008, 82). Die Ostererweiterung bedeutete für die NATO-Staaten nicht einfach eine Perpetuierung der sicherheitspolitischen Konfrontation mit Russland. Schimmelfennig (2003, 92 ff.) schlägt daher in seiner autoritativen Studie ähnlich Hill (2018, 103) vor, die NATO-Ostererweiterung vor allem unter normativen Gesichtspunkten als eine Ausweitung der westlich-liberalen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Sicherheitsgemeinschaft (Adler und Barnett 1998; Deutsch et al. 1968 [1957]) zu verstehen. Auch bei den um Aufnahme ersuchenden mittel- und osteuropäischen Staaten war dieses liberale Moment neben den zentralen sicherheitspolitischen Aspekten klar vorhanden (z. B. Gheciu 2005; Prystrom 1997, 116; Seifter und Handl 1997, 49 ff.; Pradetto 1997, 36, 38). Das PfP-Programm, dem bis Anfang 1995 25 Staaten beitraten (inkl. Russland), erschien Russland aber bereits als ein Crashkurs zum Beitritt für einige Staaten (Hill 2018, 132). Von Seiten der NATO wurden PfP und Beitritt aber eher als parallele Prozesse verstanden (Broer 1997, 311, H.i.O.; Peterson Ulrich 2003, 22 f.). Trotzdem war die US-Seite vor allem daran interessiert, den Ländern der Visegrád-Gruppe (Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn) einen schnelleren Beitrittsprozess zu ermöglichen, was sich ab 1995 als Position der Allianz insgesamt durchsetzte (Broer 1997, 311 ff.; Hacke 1997, 236; Hill 2018, 134 ff.; Meyer 1995, 29 ff.; s. auch Giegerich 2012a, Kap. 4). Um die NATO-Osterweiterung weniger konfrontativ gegenüber Russland zu gestalten, wurde der Erweiterungsprozess also in einer losen Parallelität von NATO- und EU-Erweiterung einerseits und einer Verstetigung der NATO-Russland-Beziehungen (s. o.) andererseits vollzogen (Knapp 1997, 279). Diese Parallelität konnte gleichwie die grundsätzliche Opposition Russlands nicht überwinden. Kein Beteiligter im Westen sah wirklich die 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 138 <?page no="139"?> Möglichkeit zu einer Russland voll-integrierenden, neuen Sicherheitsarchi‐ tektur in Europa, die Russland letztlich definitive Mitspracherechte über militärische Planungen der NATO hätte geben müssen. Die Allianz war bereit, den besonderen Status der Beziehungen zu Russland festzustellen, institutionell durch Kooperationsgremien zu verankern und auf die Positio‐ nierung größerer Waffensysteme (vor allem nukleare) und von Soldat*innen in den neuen Mitgliedstaaten zu verzichten. Sie wollte aber nicht von der grundsätzlichen Idee der Osterweiterung absehen, die sich zunehmend als politische Leitlinie durchsetzte. Diese Position wurde in der im September 1995 angenommenen Erweiterungsstudie deutlich (Broer 1997, 313 ff., 328; Hill 2018, 134). Es gab also weder einen ausreichend konsensualen politi‐ schen Willen, die NATO z. B. zugunsten einer neu aufgestellten OSZE auslaufen zu lassen, noch wäre diese Option mit Blick auf das russische Verständnis zum Grad außenpolitischer Unabhängigkeit seiner ehemaligen Satelliten- und Teilstaaten realistisch gewesen. So nahm die Politik der NATO-Osterweiterung nach 1995 an Fahrt auf und wurde zu einem bestimmenden Merkmal der Transformation der Allianz (Toje 2008, 90 ff.). Die Reihenfolge des Beitritts spiegelte sowohl die o. g. politischen Interessen als auch Gedanken zur Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses wider, die durch den Beitritt gewahrt werden musste und durch einen (flexiblen) politisch-demokratischen und militärischen Kriterienka‐ talog geregelt wurde (Broer 1997, 319 f.). Der Beitrittsprozess zur NATO erfolgte danach ab 1999 in 2+1 Etappen, die die NATO 2020 auf 30 Mitglieder anwachsen ließen: ▸ 1999: Polen, Tschechien, Ungarn; ▸ 2004: Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slo‐ wenien; ▸ spätere Einzelbeitritte: Albanien, Kroatien (2009); Montenegro (2017); Nordmazedonien (2020, NATO 2018i). Mit Ausnahme der Slowakei entsprachen die ersten beitretenden Staaten im Frühjahr 1999 der seit Langem favorisierten Visegrád-Gruppe. Die Slowakei hatte bis zu den 1998er Parlamentswahlen einen als autoritär und nationa‐ listisch geltenden Ministerpräsidenten, Vladimir Mečiar, weshalb es nicht in der ersten Erweiterungsrunde bedacht wurde (Krupnick und Atkinson 2003). Die anderen drei Staaten, Polen, Tschechien und Ungarn, waren im Aufbau der zivilen Kontrolle des Militärs, ihrem Demokratisierungsprozess und der Regelung ihrer Beziehungen mit ihren Nachbarn am weitesten 4.2 Die Osterweiterung(en) 139 <?page no="140"?> 62 Bulgarien spielte zudem vor seinem Beitritt zentrale Rollen bei verschiedenen NATO-Missionen bzgl. Basennutzung und Überflugrechten (Hauser 2008, 144; Tagarev 2003, 134 f.). vorangekommen, sodass sie als stabile Partner galten (Rösch 2016, 77 ff.). Es wurde von ihnen erwartet, an Missionen teilzunehmen, u.a. am zum Zeitpunkt des Beitritts laufenden Kosovo-Einsatz. Für die 2004er Runde sollten diese militärischen Beitragsaspekte deutlich zentraler sein (Peterson Ulrich 2003, 26 ff.). Neben den drei 1999 beigetretenen Staaten befanden sich neun weitere Länder Mittel- und Osteuropas (Albanien, Bulgarien, Estland, Lettland, Li‐ tauen, Nordmazedonien, Rumänien, Slowakei, Slowenien) im sogenannten Membership Action Plan (MAP)-Programm der NATO, das durch einen for‐ malen Prozess mit einem detaillierten Anforderungskatalog (NATO 2020a) den Beitrittsprozess regelte. Es wird dadurch deutlich, dass der Beitritt zur NATO letztlich nicht nur ein militärischer Prozess ist, sondern auch ein politischer. Nach 9/ 11 fielen viele der Staaten positiv durch ihre Bereit‐ schaft auf, ihre Streitkräfte im Rahmen der NATO-Mission in Afghanistan einzusetzen. Durch die Kooperation im Kampf gegen den Terror zwischen Russland und den USA schwächte sich zudem die russische Gegnerschaft zur NATO-Osterweiterung aus situativen Gründen ab, weil Russland selbst mit Terroranschlägen im eigenen Land zu kämpfen hatte, gegen die es teils massiv vorging und dies nach 9/ 11 auch unter dem Dach des globalen Kampfes gegen den Terrorismus tun konnte (Hill 2018, 200 f.; Peterson Ulrich 2003, 29 ff.; Ratti 2013, 259 f.). Die NATO-Alliierten einigten sich 2002 in Prag, sieben der neun o. g. MAP-Staaten im Jahr 2004 ins Bündnis aufzunehmen: Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien. Wie bei der 1999er Runde waren auch bei diesen Staaten politisch-strategische Gründe aus Allianzperspektive ausschlaggebend, wie Gunter Hauser (2008, 143 ff.) erläutert: Durch die drei baltischen Beitritte wurde ein beträchtlicher Teil der Ostsee NATO-Hoheitsgewässer, zumal die Atlantische Allianz eng mit den formal neutralen Staaten Schweden und Finnland, u.a. im Rahmen von PfP, kooperiert. Durch den Beitritt der Slowakei und Sloweniens wurde ter‐ ritoriale Kontinuität von der Adria bis an die Ostsee geschaffen. Bulgarien 62 und Rumänien brachten der NATO zudem neben der südlich gelegenen Türkei einen weiteren Zugang zum Schwarzen Meer. Die weiteren Beitritte Albaniens und Kroatiens im Jahr 2009 sowie von Montenegro im Jahr 2017 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 140 <?page no="141"?> und Nordmazedonien im Frühjahr 2020 standen nicht unter vergleichbaren politisch-strategischen Zwängen/ Situationen wie zwischen 1999 und 2004 - sieht man einmal vom Kontext der Finanzkrise im Jahr 2009 und dem Amtsantritt Donald Trumps 2017 ab. Ab 2001 setzte parallel zum Erweite‐ rungsprozess eine weitere Transformation der NATO ein, die nun im Fokus des nächsten Abschnitts stehen soll. 4.3 9/ 11 und der Kampf gegen den Terror: Die NATO zwischen Solidarität, Dauerzwist und politisch-strategischer Neuausrichtung 4.3.1 9/ 11, Solidarität und kollektive Verteidigung in Afghanistan: Der Kampf gegen den Terror Die Ereignisse des 11. September 2001 sind so bekannt, dass sie an dieser Stelle nicht ausführlich vorgestellt werden müssen. 9/ 11 bestand aus drei Attacken islamistischer Terroristen in den USA, für die sie gekaperte Flugzeuge als Waffen benutzten. Dies waren im Einzelnen ▸ die Angriffe mit zwei Flugzeugen auf die beiden Türme (Twin Towers) des World Trade Centers in Manhattan (New York), die zum Einsturz der Türme führten; ▸ der Angriff mit einem Flugzeug auf das US-Verteidigungsministerium in Arlington (Virginia) bei Washington D.C., der eine Seite des Pen‐ tagons zerstörte; und ▸ die von den Passagieren des Fluges UA93 vereitelte Nutzung des Vehikels als Waffe, vermutlich gegen andere politische Ziele in Wa‐ shington D.C., die zum Absturz des Flugzeugs über Pennsylvania führte (Greiner 2011, 17 ff.; Der Spiegel 2006). Bei den Attacken kamen beinah 3.000 Menschen ums Leben (9/ 11 Memorial & Museum o. J.). Die USA (und die gesamte Welt) befanden sich in einem Ausnahme- und Schockzustand, da trotz der seit einigen Jahren gestiegenen Gefahr durch den islamistischen Terrorismus, personifiziert durch den Kopf der Terrorgruppe al-Qaida, Osama bin Laden, nicht mit einer so minutiös geplanten Attacke dieses Umfangs gerechnet bzw. Warnungen dazu igno‐ 4.3 9/ 11 und der Kampf gegen den Terror 141 <?page no="142"?> 63 Drei andere Angriffe von al-Qaida oder seinen Partnern auf die USA wurden zuvor in Übersee ausgeführt, zwei auf die US-Botschaften in Nairobi, Kenia (213 Tote), und Daressalam, Tansania (11 Tote) am 7. August 1998 (CNN 2019a) und einer auf den Navy-Zerstörer U.S.S. Cole, der in Aden im Jemen vor Anker lag, im Jahr 2000 (17 Tote, CNN 2020). 64 Jüngst bekannt gewordene Informationen der #Cryptoleaks-Recherchen belegen die Existenz von durch den Bundesnachrichtendienst abgefangenen Informationen zu den geplanten Entführungen (Theveßen et al. 2020). riert worden waren (Greiner 2011, 60 ff.). 63 In der auf die Ereignisse von 9/ 11 folgenden Kongressuntersuchung wurden Fehler der Geheimdienste breit diskutiert (Kean und Hamilton 2004). 64 Die Aufräumarbeiten am Ground Zero, wie der Bereich der zusammengestürzten Twin Towers in Lower Manhattan genannt wurde, dauerten mehr als ein Jahr. Bis heute wird den Opfern der Angriffe in den USA intensiv gedacht. Besucher*innen der Gedenkstätte können sich der Bedeutung und Emotionalität dieses Ereignisses kaum entziehen. Die Ereignisse des 11. September 2001 hatten enorme Effekte auf die US-Außenpolitik, globale Sicherheitspolitik und die NATO. Nach den An‐ griffen erklärten die USA unter Präsident George W. Bush und eine breite Koalition von Alliierten dem internationalen islamistischen Terrorismus den Krieg. Die Epoche des war on terror, die bis heute noch nicht gänzlich beendet ist, begann. Der Patriot Act und andere US-Gesetze statteten die Geheim‐ dienste und Sicherheitsbehörden mit erweiterten Befugnissen aus, die nicht unerhebliche Eingriffe in die Bürgerrechte durch weitreichende Abhör- und Ermittlungspraktiken darstellten - und in der Praxis bis zu Folter reichten (Greiner 2011, 131 ff., 173 ff.; Klöckner et al. 2014). Einreise- und Mi‐ grationsbedingungen in die USA wurden ebenfalls verschärft. International brandmarkte die Bush Jr.-Administration Länder, die den internationalen Terrorismus unterstützten oder die eigene Bevölkerung unterjochten, als rogue states - Schurkenstaaten. Nordkorea, der Irak und der Iran gehörten zu einer Axe des Bösen (axis of evil), versinnbildlicht im Ausspruch George W. Bushs, „Either you are with us, or you are with the terrorists.“ (Bush 2001). Die fortan als Bush-Doktrin bezeichnete Außenpolitikstrategie umfasste die folgenden Elemente: ▸ ein militärisches hard power-Verständnis von US-amerikanischer Macht (im Ggs. zu kultureller soft power, Nye 2003a); ▸ eine aus dem Neokonservatismus erwachsene Überzeugung amerika‐ nischer Überlegenheit (Cox 2005b); 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 142 <?page no="143"?> 65 Die Bush-Administration sprach von präemptiver Kriegführung, was gemeinhin als Angriff auf einen Gegner verstanden wird, der selbst unmittelbar vor einem Angriff auf das Gegenüber steht (Preble 2005, 27). 66 Für eine ausführliche Geschichte des Neokonservatismus s. Keller (2008, Kap. II) oder Reichwein (2009). ▸ die liberale Überzeugung, dass Außenpolitik von der inneren Verfasst‐ heit eines Staates abhänge (Doyle 2016) und dem Schluss, dass andere Staaten auch gewaltsam demokratisiert werden durften (spread of democracy, Reichwein 2009, 13); ▸ die Bereitschaft zu präventiver 65 Kriegsführung, z. B. im Irak, und zur Missachtung internationaler Rechtsnormen wie der UN-Charta (Greiner 2011, 221 ff.); ▸ die Bereitschaft zu unilateralem Vorgehen und zur Missachtung in‐ ternationaler Institutionen ( Jervis 2003; Krause 2003; Nye 2002; Preble 2005; Risse 2003, 184 ff.). 66 Diese Elemente wurden im Jahr 2002 offiziell in die Nationale Sicherheits‐ strategie (President of the United States 2002) integriert. Sie definierten die USA nunmehr als eine Macht, die nicht mehr auf den Status quo aus war, sondern die Welt nach ihren Vorstellungen verändern wollte - im Zweifelsfall auch mit Gewalt (s. ausführlich Müller und Schaper 2003, 45 ff.): „[…] under the Bush doctrine the United States is not a status quo power. Its motives may not be selfish, but the combination of power, fear, and perceived opportunity leads it to seek to reshape world politics and the societies of many of its members. […] Making the world safe for American democracy is believed to require that dictatorial regimes be banished, or at least kept from weapons of mass destruction.“ ( Jervis 2003, 383) Diese aus dem Gefühl der Verletzlichkeit von 9/ 11 und dem Neokonser‐ vatismus entstandene Positionierung führte zu einem systemtransformier‐ enden Engagement US-amerikanischer Außenpolitik, das für die nächsten Jahre mit den Interventionen in Afghanistan und im Irak stark militärisch und demokratisch-missionarisch geprägt war (Müller 2008; Keller 2008, Kap. V.3; Klöckner et al. 2014). Die Invasion des Irak sollte nicht zuletzt dazu dienen, anderen Staaten zu zeigen, dass sie der Erwerb von Massenvernich‐ tungswaffen teuer zu stehen kommen würde (Tunç 2009). Als weiteren sicherheitspolitischen Schritt nach 9/ 11 entschlossen sich die USA zudem, den ABM-Vertrag zu kündigen und die Entwicklung von Abwehrsystemen 4.3 9/ 11 und der Kampf gegen den Terror 143 <?page no="144"?> 67 Bei den Anschlägen starben auch Staatsbürger*innen von ca. 80 anderen Staaten, darunter alliierter Länder. gegen ballistische Raketen wieder voranzutreiben. Dies geschah zum einen unter dem Gesichtspunkt der Sorge um Raketenprogramme der rogue states, gegen die sich die USA besser verteidigen wollten. Zum anderen war einigen Kräften in der Bush Jr.-Administration der ABM bereits vor 9/ 11 ein Dorn im Auge, weil er die Handlungsfreiheit der USA in diesem wichtigen Bereich grundsätzlich einschränkte, was dem Machtverständnis der Neokonservativen widersprach (Boese 2002; Kubbig 2005, 411 f., 416 ff.; Lindsay und O’Hanlon 2002; Hill 2018, 174). Somit begann unter den beiden Agenden des Kampfes gegen den Terrorismus und der Verhinderung der WMD-Proliferation eine neue Epoche globaler Sicherheitspolitik, in der sich lose Allianzen neu bildeten oder alte neu betätigten. 9/ 11 hatte ebenfalls einen enormen Einfluss auf die NATO und die transatlantischen Beziehungen im Allgemeinen. Die Schockwelle der Er‐ eignisse lief nicht nur durch die USA, die einen enormen Verlust von Menschenleben zu verkraften hatten. 67 Es bestand bei vielen der Eindruck, dass die Attacke ein Angriff gegen alle und bestimmt gegen die westliche Staatengemeinschaft als solche und ihre Kultur war (Poppe et al. 2009). Eine große Anzahl an Ländern zeigte in den auf 9/ 11 folgenden Tagen Solidarität und Empathie mit den USA und den Opfern. Tageszeitungen titelten teils mit bedrückenden Bildern der Ruinen des World Trade Center Botschaften der Anteilnahme und Solidarität. Die französische Mitte-links-Zeitung Le Monde schrieb etwa am 12. September „Nous sommes tous Américains“ („Wir sind alle Amerikaner“), während die Frankfurter Allgemeine Zeitung von einem Treffer „Ins Herz“ sprach. Staats- und Regierungschefs sicherten den USA ihre Solidarität zu. In Deutschland drückte Bundeskanzler Gerhard Schröder diese Haltung in für deutsche Außenpolitik ungewöhnlicher Deut‐ lichkeit und Tragweite aus, indem er den USA die „die uneingeschränkte - ich betone: uneingeschränkte - Solidarität Deutschlands“ (Schröder 2001) versicherte und somit ausdrücklich den Einsatz militärischer Mittel nicht ausschloss. Wenngleich Art. 5 des Nordatlantikvertrags nicht mit der Idee eines Terroranschlags im Hinterkopf festgehalten wurde, wendeten die NATO-Al‐ liierten ihn am 12. September 2001 an und riefen den Beistandsfall aus, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen (Freuding 2009, 342). Die Ausrufung stand unter dem Vorbehalt der endgültigen Feststellung einer ausländischen 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 144 <?page no="145"?> Herkunft der Attentäter und der Planung, an der jedoch bald kein Zweifel mehr bestand, sodass der Bündnisfall am 2. Oktober 2001 formal bestätigt wurde (NATO 2001). Die USA hatten nicht um die Ausrufung gebeten, wohl auch mit Sorge, sich in ihrer Antwort auf 9/ 11 zu sehr an die NATO binden zu müssen, aber sie konnten dieses symbolische Solidaritätsbekenntnis, das von den Alliierten bereits wenige Stunden nach den Anschlägen unterbreitet wurde, nicht zurückweisen (Daley 2001; Sen 2018). Somit entstand in diesem traurigen Moment die politische Ironie, dass der Vertragsartikel, der für den Schutz Europas entworfen worden war, das erste und bis heute einzige Mal für die Schutzmacht, die Vereinigten Staaten selbst, ausgerufen wurde. Die Allianz bewies damit ihre Funktions- und Wandlungsfähigkeit, indem sie einen gegen die UdSSR formulierten Beistandsartikel auf Terrorismus anwendete, und affirmierte ihr ideologisches Fundament. Die NATO-Alliierten unterstützten die USA danach mit sechs Einzel‐ maßnahmen und zwei Missionen. Ab Mitte Oktober 2011 patrouillierten AWACS-Flugzeuge zur Luftraumüberwachung über den USA (Operation Eagle Assist). Am 26. Oktober 2001 wurden NATO-Marineeinheiten in die Operation Active Endeavour im östlichen Mittelmeer geschickt, um terroristische Aktivitäten aufzuspüren und illegalen Waffentransport zu unterbinden (NATO 2019e). Die Einzelmaßnahmen bestanden des Weiteren aus: ▸ verstärkter geheimdienstlicher Zusammenarbeit; ▸ Unterstützung bei der terroristischen Gefahrenabwehr für Mitglieder, die sich im Anti-Terrorkampf engagierten; ▸ erhöhte Sicherheitsmaßnahmen für US-Einrichtungen (in Deutsch‐ land z. B. die Bewachung von US-Basen durch die Bundeswehr); ▸ Bereitstellung von Ersatztruppen für solche, die für den Anti-Terror‐ kampf abgezogen werden würden; ▸ Blanko-Überflugrechte für alle alliierten Maschinen; ▸ Hafen- und Luftwaffenbasennutzung samt Auftanken (NATO 2019e; Collins 2002). Nachdem die Organisation der Attentate eindeutig auf das Terrornetzwerk al-Qaida zurückgeführt werden konnte und sich die fundamentalreligiöse afghanische Talibanregierung weigerte, im Kampf gegen al-Qaida-Stütz‐ punkte im eigenen Land zu kooperieren, begannen die USA zusammen mit Großbritannien und den afghanischen Verbündeten der so genannten Nordallianz am 7. Oktober 2001, also keinen Monat nach den Anschlägen 4.3 9/ 11 und der Kampf gegen den Terror 145 <?page no="146"?> 68 Es ist äußerst schwer, genaue Angaben für die OEF-Truppenstärke zu finden, weil die USA fast immer OEF und ISAF gemeinsam ausweisen und die Truppen der Partnerstaaten stark schwanken. Ein weiteres Problem der Zahlen ergibt sich aus den verschiedenen Einsatzgebieten von OEF sowie der Einbeziehung oder dem Auslassen von weiteren Unterstützungseinheiten, z. B. Flugzeugträgern. von 9/ 11, mit Kampfhandlungen gegen Afghanistan (Heitmann-Kroning 2015, 123 ff.). Auch Russland unterstützte das Vorgehen der intervenie‐ renden Staaten durch Überflugrechte, die Tolerierung alliierter Basen in den ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken und eine Teilnahme an Active Endeavour im Mittelmeer (Ratti 2013, 259 f.; Freuding 2009, 342 f.). Der Operation Enduring Freedom (Andauernde Freiheit, OEF), der sich viele NATO-Alliierte und andere Partner der USA (von Aserbaidschan und Australien über Georgien, Neuseeland und Pakistan bis hin zur Ukraine, Usbekistan und den Vereinigten Arabischen Emiraten) anschlossen, gelang daraufhin die Eroberung der wesentlichen Städte Afghanistans bis Ende November 2001. Eine Übergangsregierung wurde eingesetzt und der Kampf gegen Terroristen mit Koalitionskräften weiter fortgeführt. Ab 2003 wurde die von der NATO geführte International Security Assistance Force (Interna‐ tionale Sicherheitstruppe, ISAF) vor allem im Bereich der Landessicherung und des Wiederaufbaus tätig (s. 5.3.3), während sie ab 2006 Kampfaufgaben von OEF im Süden Afghanistans übernahm und der (US-amerikanische) ISAF-Oberkommandeur ab 2009 auch OEF führte (Bird 2013, 128). Die vor‐ herige Trennung entsprach der US-Strategie, zunächst militärisch gegen den Terror vorzugehen (Bird 2013, 121 ff.) OEF hatte drei Operationsbereiche: Afghanistan (den größten), eine Marinemission am Horn von Afrika zum Unterbinden terroristischer Aktivitäten und zum Schutz der internationalen Schifffahrt sowie einen kleineren Anti-Terror-Einsatz auf den Philippinen. Deutschland war von Beginn an bis Juli 2010 am OEF-Marineeinsatz am Horn von Afrika beteiligt und führte diesen Einsatz häufig im üblichen Rotationsverfahren zwischen alliierten Streitkräften. Außerdem stellte die Bundeswehr zeitweilig bis zu 100 Soldat*innen für Spezialoperationen gegen Terroristen in Afghanistan bereit (Bundeswehr o. J.-f; Fröhlich 2011b, 36). An OEF nahmen 2007 ca. 9.600 US-Soldat*innen sowie 3.100 Soldat*innen aus 21 Nationen (in der Spitze 70 Staaten mit 7.000 Soldat*innen) teil (CRS 2007; Department of Defense 2002; Mayer 2011, 492). 68 OEF und ISAF liefen offiziell am 31. Dezember 2014 aus und wurden danach durch die Resolute Support-Ausbildungsmission (RSM) ersetzt. 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 146 <?page no="147"?> 69 Das Erreichen einer Resolution und die damit verbundene Feststellung einer Gefähr‐ dung für den Weltfrieden sind aber wichtige symbolische und solidarische Feststel‐ lungen (von Kielmansegg 2012). OEF war nach internationalem Recht eine kollektive Verteidigungsopera‐ tion, die somit durch eine der beiden Ausnahmen von Gewaltanwendungs‐ verbot der UN-Charta (Art. 51) gedeckt war (Brown 2003). Die UN-Sicher‐ heitsratsresolution (UNSCR) Nr. 1368 vom 12. September 2001 erkannte dieses Recht nach den Angriffen von 9/ 11 zusätzlich formal an (United Nations 2001) 69 und stellte eine Gefährdung des Weltfriedens fest. Dies stellt einerseits eine Weiterentwicklung einer Tendenz im Völkerrecht dar, nicht‐ staatliche Akteure als internationale Rechtssubjekte zu definieren (Brown 2003, 18 ff.). Andererseits markiert diese Entscheidung eine weitere quali‐ tative Bestimmung der Zuständigkeit des UN-Sicherheitsrats für Frieden und Sicherheit, die jenseits des Staatensystems reicht (von Kielmansegg 2012). Gleichzeitig enthält UNSCR 1368 eine explizite Aufforderung zur Kooperation, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Diese Kooperation strebten die USA an, jedoch wählten sie ein offenes, weniger institutionalisiertes Format, als die NATO es geboten hätte, um flexibler agieren und die Einhaltung des Konsensprinzips in der Allianz umgehen zu können. Gleichzeitig bedurften sie aber der Legitimation und Solidarität durch die Alliierten und weitere Partner (Freuding 2009, 342). Diese Art der Koalition wird seitdem meist mit dem englischen Begriff der coalition of the willing (Koalition der Willigen) bezeichnet. Man könnte diese Entscheidung der USA mit dem Neorealismus als eine Vorgehensweise erklären, die wenig Zweck in einem Handeln durch die Allianz gesehen hat und auf die absolute Sicherung der eigenen Interessen bedacht war (Webber 2013, 37 f.). Umge‐ kehrt nahmen fast alle NATO-Mitglieder (mit Ausnahme von Luxemburg und Island) sowie alle 2004 beitretenden Staaten an OEF teil, sodass sich für das Bündnis zumindest ein symbolisches Solidaritätsproblem auftat: Wenn im Grunde alle dabei waren und die Alliierten mit der Ausrufung des Bündnisfalls klar ihre Solidarität bekundet hatten, warum sollte man dann nicht auch die für solche Zwecke in den 1990er Jahren geschaffenen NATO-Strukturen nutzen? Es entging den Alliierten nicht, dass sich in dieser und vor allem folgenden Entscheidungen der USA zum Irakkrieg ein unila‐ terales Moment etablierte, das die US-Interessen stark in den Vordergrund stellte und sich institutioneller Hemmnisse entledigen wollte (Collins 2002, 52 f.; de Nevers 2007; Kupchan 2003). Dieser Unilateralismus ist ein zentrales 4.3 9/ 11 und der Kampf gegen den Terror 147 <?page no="148"?> Merkmal des Neokonservatismus (Risse 2003, 184 ff.). Jedoch erkennen de Nevers und Collins ebenfalls, dass neben dem spezifischen Unilateralismus der Bush Jr.-Regierung zwei weitere strukturelle Faktoren gegen eine be‐ deutendere Rolle der NATO im Kampf gegen den Terror sprachen: zum einen der Abstand zwischen US-amerikanischen Fähigkeiten und solchen der Alliierten - der berühmte capability gap (z. B. Alexander und Garden 2001; Howorth 2013) -, der bei einer logistisch so anspruchsvollen Operation besonders schwer wog; und zum anderen eine gewachsene Nebenrolle der NATO in der Terrorismusbekämpfung, die sich lange auf das (begrenzte) Teilen geheimdienstlicher Informationen beschränkte. Langfristig bestehe so aber das Problem sich auseinanderentwickelnder Agenden und somit aus Allianzperspektive die Gefahr, dass die Mitgliedstaaten dazu übergehen würden, sicherheitspolitische Ziele außerhalb der etablierten Strukturen des Bündnisses zu realisieren. Das ist eine Gefahr für die Solidarität und Kohäsion einer Allianz, die auf Solidarität und Vertrauen fußt (Collins 2002; de Nevers 2007). Die Ereignisse von 9/ 11 haben das Zusammengehörigkeitsgefühl der Allianz allerdings gestärkt, sodass sie am Ende doch eine Rolle in der Antiterrorstrategie der USA spielen konnte. Michael Rühle (2013, 57 f.) sieht hierin einen fundamentalen Wandel von einer regionalen Logik in der NATO zu einer funktionalen Betrachtung ihres Zwecks - im Zweifelsfalls eben auch außerhalb des transatlantischen Raums Sicherheit herzustellen, was sich letztlich in der Global NATO-Debatte widerspiegelt. Rühle, selbst Mitglied des International Staff, unterstreicht die Bedeutung dieses Wandels: „This shift from a geographical to a functional approach to security was the most profound change in NATO’s history. 9/ 11 removed the constraints that had kept NATO tied to the European theatre. It thus also removed the long-held assumption that the alliance was, in effect, an insurance policy for Europe underwritten by the United States - an assumption that had persisted even after the end of the Cold War. 9/ 11 led the allies to look at their alliance in a different light. Rather than seeking to deflect US demands to use NATO in new ways and new places, they now needed to ensure that NATO remained in sync with an increasingly globalized security agenda, thus sparing the alliance what otherwise would have become an inevitable drift into irrelevance.“ (Rühle 2013, 57) Sebastian Mayer (2011, 492 ff.) demonstriert folglich, dass die NATO nach 9/ 11 ihre Strukturen reformiert (z. B. ACT, Terrorismuslagezentrum) und im Zuge der Streitkräftetransformation signifikante Fähigkeiten zur besseren 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 148 <?page no="149"?> Terrorismusbekämpfung entwickelt hat (z. B. Geheimdienstkoordination, NRF). Sie stünde damit nicht mehr so hemdsärmelig da, wie de Nevers dies noch ein paar Jahre früher beobachtet hatte (s. o.). Mayer (ibid.) und Terriff (2013, 95 ff.) unterstreichen, dass nicht zuletzt die Planungen zur NATO Response Force (NRF) seit 2002 genau in die Richtung der von den USA und der Anti-Terror-Doktrin geforderten mobilen, schnell verlegbaren Kräfte gingen, genauso wie die Kooperation mit immer mehr Partnern und Institutionen. Zudem wurde ein eigenes Konzept für den Anti-Terrorkampf verabschiedet, das die o. g. Maßnahmen integrierte (Rühle 2013, 58). Die Indienststellung von ACT und der durch das Kommando koordinierte Transformationsprozess der Partnerstreitkräfte der USA waren zudem im ureigenen Interesse der USA, durch fähigere kanadische und europäische Truppen mehr Lasten tragen zu lassen (Terriff 2013, 97 ff.). ISAF mit ihren bis zu 100.000 NATO-Soldat*innen (130.000 mit Partnern) stellte einen beachtlichen Aufwand der NATO dar. Auch die OEF-coalition of the willing hielt lange: Erst 2010 zogen die BRD und die Niederlande Truppen aus OEF ab. Frankreich folgte im Jahr 2012 mit seinem Teilrückzug aus OEF aus innenpolitischen Gründen (Wahlversprechen des neuen Präsi‐ denten François Hollande), war aber gleichzeitig sehr bedacht, Solidarität zu signalisieren und genau wie die anderen NATO-Mitglieder weiterhin ein Truppensteller in ISAF (CNN 2019b; Mayer 2011, 492). Trotzdem manifes‐ tierte sich zunehmend der Eindruck, dass das Bündnis aus US-Perspektive als eine toolbox (Werkzeugkiste, z. B. Christiansson 2013, 192) gesehen wurde, der man sich bilateral oder als coalition of the willing bedienen konnte, wenn man etwas daraus brauchte. Eine solche rein pragmatische Legitimation der Kooperation in der Allianz ist somit nicht mehr dasselbe wie das Zusammengehörigkeitsgefühl im und nach dem Ende des Kalten Kriegs sowie die liberale Ideologie, die die NATO durch die Jahrzehnte getragen hat. Diesen Aspekt sahen viele Alliierte durchaus kritisch (s. z. B. Dumoulin 2004, 564), wenngleich er gleichzeitig zur Handlungsfähigkeit der Allianz und ihrer Partner beitrug (Haaland Matláry 2014, 257 ff.). 4.3.2 Das Ende der Solidarität: Irak Ein wirkliches Problem für alliierte Solidarität stellte zeitweise der Krieg der USA im Irak dar (Toje 2008, Kap. 5). Im Zuge der Jahre 2001/ 02 zeichnete sich ab, dass die US-Amerikaner*innen im Kampf gegen den Terror nicht bei Afghanistan Halt machen wollten, sondern auch den Irak 4.3 9/ 11 und der Kampf gegen den Terror 149 <?page no="150"?> Saddam Husseins als Problem ansahen. Der hatte zuletzt nur eingeschränkt mit den UN-Waffeninspektoren zusammengearbeitet, die die Einhaltung von UN-Resolutionen zum Verbot der Produktion von ABC-Waffen nach dem Golfkrieg von 1990/ 91 überwachen sollten. Die seit Langem stark gegen den Irak eingestellten Neokonservativen in der Bush Jr.-Regierung sahen hierin eine Möglichkeit, sich seiner zu entledigen und den Irak im Sinne ihrer spread of democracy-Strategie zu demokratisieren (Ahmad 2014, Kap. 4; Krause 2003; Reichwein 2009, 15 f.). Von US-Außenminister Colin Powell im Februar 2003 im UN-Sicherheitsrat vorgestellte Beweise zu ABC-Produktionsaktivitäten waren entweder falsch oder durch Umdeutung von Geheimdienstinformationen fabriziert ( Jervis 2006). Die UN-Waffen‐ inspektoren fanden keine Anhaltspunkte für neuerliche ABC-Aktivitäten des Irak. Im Sinne der präemptiven Doktrin der Bush Jr.-Administration schlugen die USA, Großbritannien und eine coalition of the willing am 17. März 2003 aber dennoch unter dem Vorwand einer früheren UN-Resolution los, die ihrer Meinung nach die Intervention legitimierte. Mitte April fiel die irakische Hauptstadt Bagdad. Es sollte daraufhin eine lange Besatzung (bis 2011), begleitet von einem furchtbaren Guerilla- und später auch Bürgerkrieg, einsetzen, die viele irakische Opfer und massive Verluste bei den USA und ihren Verbündeten forderten. Diese Situation unterminierte die US-Strategie des state- und nation-building - also des Aufbaus eines neuen, funktionierenden demokratischen Nationalstaats - massiv, sodass im Irak bis heute eine politisch instabile Situation aus (partei)politischen und persönlichen Fehden befeuert durch Korruption und intra-religiösen Zwist zwischen Schiit*innen und Sunnit*innen sowie Terroranschlägen herrscht, die das Land kaum zur Ruhe kommen lassen. Die Irakintervention zermürbte die US-amerikanischen Streitkräfte auf Jahre hinaus und prägt die USA bis heute gesellschaftlich und politisch. Seit 2014 sind wieder US- und andere Truppen aus über 60 Staaten im Land - dieses Mal auf Bitten der irakischen Regierung -, um die dortigen Streitkräfte in ihrem Kampf gegen ISIS zu unterstützen. Die Bundeswehr trägt mit einer kleinen Mission (Capacity Building Irak) zur Ausbildung irakischer Soldat*innen im Nord- und Zentralirak bei (Bundeswehr o. J.-e). Der Irakkrieg verursachte tiefe Risse im transatlantischen Bündnis, die erst durch die Kooperationsnotwendigkeiten der Finanzkrise Ende 2008 gekittet worden sind - sowie teilweise durch die Amtsübernahme neuer politischer Akteure in vielen Staaten des nordatlantischen Gebiets (Schröder → Merkel in Deutschland, Chirac → Sarkozy in Frankreich, Blair → Brown 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 150 <?page no="151"?> in Großbritannien, Kaczynski → Tusk in Polen, Bush Jr. → Obama in den USA). Bis dahin herrschte vereinzelt eisige Stimmung in den transatlanti‐ schen Beziehungen. Einige Allianzstaaten und zukünftige Mitglieder ent‐ schlossen sich, die USA in dieser Ausweitung des Kampfes gegen den Terror zu unterstützen, während andere die Solidarität nach 9/ 11 aufkündigten. Zu letzterer Gruppe gehörten prominent Deutschland und Frankreich, aber auch Belgien oder Kanada. Viele Alliierte zweifelten an der faktischen Basis der US-amerikanischen Unterstellungen zur WMD-Produktion im Irak einerseits sowie an der politischen Sinnhaftigkeit der Demokratiever‐ breitungsdoktrin andererseits. Bundeskanzler Gerhard Schröder nahm eine prinzipielle Antikriegsposition ein, die auch eine Beteiligung an einer durch ein UN-Mandat gedeckten Intervention kategorisch ausschloss, wobei neben der deutschen Kultur der Zurückhaltung bei Militäreinsätzen Wahl‐ kampfüberlegungen eine Rolle gespielt haben mögen. Frankreich stellte sich als ständiges Sicherheitsratsmitglied nicht grundsätzlich gegen eine UN-sanktionierte Intervention, um die Autorität des Gremiums in der Ent‐ scheidung um Krieg und Frieden nicht anzugreifen, teilte aber die skeptische Haltung Deutschlands. Diese Haltung wurde von der US-Regierung und Teilen der Bevölkerung als anti-amerikanisch interpretiert und führte zu diversen Verstimmungen, auch auf gesellschaftlicher Ebene (Bird 2013, 126). In vielen US-Gaststätten wurden French fries (Pommes) in freedom fries umbenannt. Der amerikanische Politikwissenschaftler Robert Kagan (2002) nutzte die Divergenzen zu einem grundsätzlichen Vergleich der USA und Europa mit den Gottheiten Mars und Venus: Die einen (USA) seien wie Mars eher zum Kämpfen in einer Welt bereit, in der Macht zählt. Die Anderen (europäische Irakkriegsgegner, aber eigentlich alle Europäer*innen) seien in der Vorstellung einer gewaltlosen, kantianischen ewigen Friedenswelt à la EU verirrt, die nur Verrechtlichung, Liebe (= Venus) und Wohlstand kenne. Kagan wollte damit das Auseinanderfallen von Weltbildern zwischen den beiden Seiten des Atlantiks zum Ausdruck bringen und unterstreichen, dass die transatlantischen Divergenzen nicht nur vorübergehender Natur, son‐ dern tief verwurzelt in Weltbildern, Moralvorstellungen und (militärischen) Handlungskapazitäten seien. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld etablierte in einer scharfen Bemerkung im Januar 2003 die Unterscheidung zwischen einem von Deutschland und Frankreich angeführten alten Europa und einem neuen Europa weiter im Osten und Süden, das die USA mutig im Kampf gegen den Terror unterstütze (The Guardian 2003). Mit neuem Europa 4.3 9/ 11 und der Kampf gegen den Terror 151 <?page no="152"?> 70 Dies veranlasste den selten um ein Bonmot verlegenen französischen Präsidenten Chirac seinerseits zu einer als paternalistisch verurteilten Bemerkung, dass die osteu‐ ropäischen Unterstützerstaaten der USA, die 2004 in die EU aufgenommen werden wollten, „eine gute Gelegenheit zum Schweigen verpasst“ hätten (Levieux und Levieux 2003). waren die neuen oder bald der Allianz beitretenden Mitgliedstaaten gemeint, von denen einige an der ersten Welle der Angriffe beteiligt waren. Bei den Kriegsgegnern erzeugte wiederum der sogenannte Brief der Acht besonderen Unmut - ein offener Brief, der von den Staats- und Regierungschefs Däne‐ marks, Großbritanniens, Italiens, Polens, Portugals, Spaniens, Tschechiens und Ungarns unterzeichnet worden war. Dieser Brief rahmte das Vorgehen der USA zum einen als Beitrag zum Kampf gegen den Terror und gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und argumentierte zum anderen mit gemeinsamen Werten und Demokratie (Missiroli 2003, 343 f; Menon 2004, 638). 70 Europa und die NATO waren also grundlegend ge‐ spalten, wofür faktische, machtpolitische, interessengeleitete und kulturelle Faktoren verantwortlich waren (Schuster und Maier 2006; s. auch Risse 2003, 187 ff.). Neben diesen prinzipiellen Positionen und Unterschieden hatte das Bündnis ebenfalls ein konkretes Handlungsproblem, weil ein türkisches Ge‐ such zur Stärkung seiner Verteidigungsfähigkeiten als Vorsichtsmaßnahme gegen irakische Gegenschläge von den Kriegsgegnern zunächst abgelehnt wurde, bevor es unter massivem Druck doch noch realisiert werden konnte. Auch dieser Konflikt ging also auf Kosten der für die NATO so zentralen Frage der Solidarität (Bird 2013, 126). Die transatlantische Atmosphäre war durch die Ereignisse um den Irak‐ krieg herum lange vergiftet (Hill 2018, 219 f.). Robert Cox (Cox 2005a) gibt zu bedenken, dass Kagans Analyse europäischer Schwäche und amerikanischer Macht nur teilweise für die politischen Probleme der Allianz um den Irakkrieg herum verantwortlich zu machen sei. Cox unterstreicht hingegen, dass der Irakkrieg ein ungewöhnliches Beispiel für einen Hegemon sei, dem die Staaten unter seinem Einfluss die Gefolgschaft verweigert haben. Somit kommt er zu demselben Schluss wie Kagan, dass die Probleme zwischen den Alliierten nicht nur vorrübergehender Natur seien, betont aber stärker die Rolle des uneingeschränkten und rein militärisch gedachten war on terror sowie des spread of democracy als neue Komponenten einer nahezu impe‐ rialen US-Außenpolitik, die die Solidarität von 9/ 11 zunichtegemacht hat (s. auch Krell 2003; Risse 2003). Trotzdem konnte die NATO in Afghanistan weiter gemeinsam handeln und im August 2003 sogar den Oberbefehl über 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 152 <?page no="153"?> ISAF übernehmen. Dies zeigt, dass nicht jede politische Krise unmittelbar auf die Arbeitsebene der tief institutionalisierten Allianz durchschlagen muss, die kooperative Praktiken zumindest teil-unabhängig von der politi‐ schen Ebene am Laufen halten kann. Auch die weitere transatlantische Sicherheitsgemeinschaft bestand trotz aller Querelen weiter (Pouliot 2006; 2016, Kap. 4; Risse 2003). 4.3.3 Die Normalisierung der Beziehungen und das neue Strategische Konzept (2010) Die Beziehungen zwischen den Alliierten normalisierten sich über die folgenden Jahre langsam. Die EU hatte im Jahr 2005 mit dem Scheitern des Verfassungsvertrags durch zwei negative Referenden in Frankreich und den Niederlanden zu kämpfen, die zu einer erneuten Vertragsrevisionsperiode bis ins Jahr 2007 führte (Vertrag von Lissabon). Europäische Staaten enga‐ gierten sich trotzdem in einer EU-Polizeimission in Afghanistan (2007-2016) zum Training der afghanischen Polizeikräfte (EEAS o. J.) und produzierten so einen echten Mehrwert für ISAF. Die oben angesprochenen Wechsel der Regierungsverantwortungen trugen ebenfalls zur Entspannung bei. Beson‐ ders die Wahl Sarkozys zum französischen Präsidenten (2007-2012) brach mit alten gaullistischen Ambivalenzen im französisch-amerikanischen Ver‐ hältnis und bezüglich der Ausgestaltung der EU-NATO-Beziehungen (Cizel und von Hlatky 2014; Fortmann et al. 2010; Ostermann 2015): Sarkozy führte Frankreich zwischen 2007 und 2009 zurück in die integrierte Militärstruktur der Allianz (s. Exkurs unten). So hörte ein anachronistisches Element der französischen NATO-Politik und mit ihm der EU-NATO-Beziehungen auf zu existieren (Howorth 2010; Müller-Brandeck-Bocquet 2009; Ostermann 2019b). Die eingeübte, institutionalisierte Zusammenarbeit in Operationen in Afghanistan, auf dem Balkan und letztlich auch zum Schutz der Türkei half ebenfalls dabei, entstandene Gräben zu überwinden (Smith 2017). Durch die Übertragung von ISAF an die NATO wurde die out of area-Orientierung des Bündnisses gefestigt (Ringsmose 2016, 211 ff.; Kitchen 2010), über die der prominente republikanische US-Senator Richard Lugar einmal gesagt hatte, dass die Allianz „out of area or out of business“ gehen müsse (Asmus 2002, 125). So entstand also bereits ab dem Jahr 2002 ein Entspannungsfenster in den Beziehungen, indem Kanada, die europäischen und andere Alliierte die USA in Afghanistan - dem Krieg, hinter dem sie wegen 9/ 11 alle standen - entlasteten (s. Kap. 5.3.3). Da Deutschland sich zur Übernahme 4.3 9/ 11 und der Kampf gegen den Terror 153 <?page no="154"?> eines Regionalkommandos im Norden Afghanistans entschloss, wurden so auch die spezifisch deutsch-amerikanischen Zwistigkeiten wegen des Irak entschärft (Bird 2013, 127 f.). Exkurs: Die Rückkehr Frankreichs in die integrierte Militärstruktur der NATO (2007-2009) Die seit 1967 komfortable Position Frankreichs als politisches, aber nicht militärisch integriertes Mitglied der Allianz veränderte sich mit dem Ende des Kalten Kriegs grundlegend, weil der Zwang zur Einheit der NATO entfallen war. Frankreich büßte also einen großen Teil seines Einflusses auf die USA ein, änderte aber nicht seine Politik (Maull et al. 1997; Menon 2000). Aus neorealistischer Perspektive ist dies ein anormales Verhalten, da sich die relative Machtposition Frankreichs zu seinen Ungunsten verändert hatte. Ein erster Versuch zur Rückkehr in die Militärstruktur scheiterte zwischen 1995 und 1997 unter Jacques Chirac an einer Reihe von innen- und außenpolitischen Faktoren (Boniface 1997; Ostermann 2019b, Kap. 2; Vaïsse 2009b, Kap. 3). Der neue französische Präsident Nicolas Sarkozy kündigte im August 2007 überraschend die Rückkehr in die Militärstruktur an. Erklärungen dieses Schrittes reichten von der persönlichen pro-amerikanischen Ein‐ stellung des jungen Präsidenten über die Fortsetzung alter Politik (Stär‐ kung des europäischen Pfeilers der NATO) bis hin zur Abkanzelung des Schritts als rein symbolischen Akt in Anbetracht der intensiven missi‐ onsbezogenen Zusammenarbeit mit der Allianz, die Frankreich bereits unmittelbar nach dem Ende des Kalten Kriegs eingeleitet hatte (Bozo 2014; Cizel und von Hlatky 2014; Howorth 2010; Müller-Brandeck-Boc‐ quet 2009). Die politische Klasse stritt heftig über diese Initiative und diskutierte ein Ende des Gaullismus und den Verlust traditioneller französischer Unabhängigkeit (Schmitt 2016). Premierminister Fillon musste die Initiative Sarkozys mit einer Vertrauensabstimmung in der Nationalversammlung passieren lassen. Die Untersuchungen Os‐ termanns (2019b, Kap. 3, 4) zeigen jedoch, dass bereits vorher eine Neu‐ definition französischer außenpolitischer Identität stattgefunden hatte, nach der die politische Elite zwar immer noch die Sicherheits- und Ver‐ teidigungspolitik der EU stärken wollte, aber deutlich pragmatischer an sicherheitspolitische Fragen heranging - und die Konservativen ebenfalls an solche zur Zusammenarbeit mit der NATO und den USA. In Kombination mit einer offeneren US-amerikanischen Position, die 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 154 <?page no="155"?> Europa mehr sicherheitspolitische Unabhängigkeit einräumte, wurde der Schritt Sarkozys politisch möglich. Frankreich schickte nach 2009 ca. 1.000 Soldat*innen in die allliierten Kommandostrukturen und blieb nur noch der eher unbedeutenden Nuklearen Planungsgruppe fern (von Hlatky 2010). Von 2009 bis 2016 blieb die Position Frankreichs zur NATO und den USA stabil, während es zunehmend Schwierigkeiten mit der Passivität der EU zeigte, vor allem seit der Libyen-Interven‐ tion (Ostermann 2019b, Epilog; Pannier 2017a; Witney 2013). Erst seit 2016 und der Wahl Donald Trumps verfolgt Frankreich mit der Beteiligung an verschiedenen EU-Initiativen wieder einen stärkeren EU-integrativen Kurs, hält sich seine Karten jedoch mit Blick auf das Erreichen strategischer Ziele offen und ist weit vom sicherheits- und verteidigungspolitischen EU-Verve entfernt, den es durch die 1990er und 2000er Jahre zeigte. Siehe auch: Rieker, Pernille (2017). French Foreign Policy in a Changing World. Practising Grandeur. Cham: Palgrave Macmillan. Vaïsse, Maurice (2009). La puissance ou l’influence? La France dans le monde depuis 1958. Paris: Fayard. Woyke, Wichard (2010). Die Außenpolitik Frankreichs. Eine Einführung. Wies‐ baden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Ab den Jahren 2007/ 08 entwickelte sich also wieder eine entspanntere Gesamtwetterlage in der Allianz. Dies lag auch am beginnenden US-Präsi‐ dentschaftswahlkampf einerseits und ab September 2008 an der Finanzkrise, die durch den Zusammenbruch der US-Großbank Lehman Brothers begann, die Aufmerksamkeit der Regierungen band und die Notwendigkeit von Multilateralismus - auch für die USA - zeigte, um der Krise habhaft zu werden. Joseph S. Nye, der den Irakkrieg als Überspannung des Bogens militärischer Macht sah, die an Imperialismus grenzte, formulierte bereits 2003 im Zuge des Irakkriegs ein „Paradox“ amerikanischer Übermacht, das sich in den folgenden Jahren immer stärker herauskristallisierte: „The Paradox of American power is that world politics is changing in a way that makes it impossible for the strongest world power since Rome to achieve some of its most crucial international goals alone.“ (Nye 2003b) 4.3 9/ 11 und der Kampf gegen den Terror 155 <?page no="156"?> Vor dem Hintergrund der Ereignisse seit Herbst 2008 waren die Zeichen in der Allianz und der transatlantischen Gemeinschaft somit wieder stärker auf Kooperation gestellt und die Zusammenarbeit maßgeblich von der Be‐ wältigung der Afghanistanmission geprägt. Daher stand die Verabschiedung des 2010er Strategischen Konzepts der NATO (Active Engagement, Modern Defence) ganz im Zeichen dieser Herausforderung des Bündnisses. Der Auf‐ trag zur Erstellung des neuen Konzepts wurde dem neuen Generalsekretär Rasmussen auf dem Straßburg/ Kehl-Gipfel 2009 gegeben, eine Kommission von der renommierten ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright geleitet. Das neue Konzept war nicht zuletzt mit Blick auf die transfor‐ matorischen Entwicklungen - 9/ 11, Anti-Terrorkrieg, Afghanistan - seit der Veröffentlichung des letzten Konzepts im Jahr 1999 überfällig. Zuneh‐ mende WMD-Proliferation, die Verbreitung ballistischer Raketensysteme sowie Cyberattacken spielten ebenfalls eine Rolle (Flockhart 2011, 13 ff.; NATO o. J.-c; Pouliot 2016, 87 ff.). Dementsprechend formuliert das neue Konzept für die NATO eine Strategie als Dreiklang von kollektiver Vertei‐ digung, Krisenmanagement und kooperativen Sicherheitspraktiken durch Partnerschaften, aktive Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitiken sowie einer Open Door-Politik der Beitrittsperspektive (NATO 2012). Die Formu‐ lierungen im Bereich der WMD-Proliferation sind einerseits relativ breit aufgestellt und erwähnen eine Unterstützung des NPT-Regimes, machen andererseits aber die Notwendigkeit von Gegenseitigkeit und Transparenz mit Russland deutlich, dessen hohe SRBM-Kapazitäten in Europa mit Sorge betrachtet wurden (ibid., 23 ff.). Die liberal-demokratischen Grundlagen des Bündnisses werden affirmiert, aber nicht überbetont. Dies kann sicherlich auch damit erklärt werden, dass die Erweiterungen seit 1999 die gesellschaft‐ liche, politische und militärische Voraussetzungshaftigkeit und Komplexität des Beitrittsprozesses unterstrichen haben, denen sich beide Seiten stellen müssen. Schließlich bekennt sich die Allianz zur Fortführung ihrer Partner‐ schaftsinitiativen und ihres generellen kooperativen Sicherheitsansatzes und unterstreicht sowohl dessen Beiträge zur Stärkung der regionalen Sicherheit als auch zu NATO-Missionen. Problematisch ist hier allerdings, dass kooperative Sicherheit im Wesent‐ lichen als Einbahnstraße in Richtung Allianz gesehen wird: Die NATO hat das Modell, andere können daran partizipieren. Somit herrschten hier, so Ole Wæver (2014), noch immer dieselben Ideen vor wie in den 1990er Jahren, als die Welt unipolar war, was sie heute nicht mehr ist. Positiv sei laut Wæver aber, dass Sicherheit grundsätzlich relational gesehen werde. Das 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 156 <?page no="157"?> Dokument stellt auch die 2008 unterzeichnete Grundsatzvereinbarung mit den UN heraus und beurteilt die in der EU durch den Lissabon-Vertrag eingetretenen Möglichkeiten zur Kapazitätsentwicklung genau wie opera‐ tive EU-NATO-Kooperation positiv (ibid., 25 ff.). Unter Präsident Obama (2009-2017) setzte sich diese Unterstützung der EU konsequent fort bzw. verstärkte sich sogar in Anbetracht des steigenden US-amerikanischen Engagements in Asien und der Herausforderung, die der politische, wirt‐ schaftliche und militärische Aufstieg Chinas für die USA darstellt. Obama reagierte auf diesen Aufstieg mit dem so genannten pivot to Asia (Drehpunkt; Obama 2011-11-17), der sich in einem breiten diplomatischen, politischen, wirtschaftlichen und militärischen Programm der chinesischen Herausfor‐ derung widmete (Lieberthal 2011; Ling 2013). Umgekehrt sollte dies nicht eine Abwendung von alten Allianzen wie der NATO bedeuten, wohl aber die Übernahme von mehr Verantwortung durch die Europäer*innen, was sich z. B. in der zurückhaltenden Rolle der USA im Libyenkrieg äußerte, in dem sie zumindest formal im Hintergrund (lead from behind) agierten (Chivvis 2014; Howorth 2013; Lieber 2016, 91 ff.). Die Bemerkung zu russischen SRBMs macht auch deutlich, dass die Alliierten in ihren Beziehungen zu Russland Schwierigkeiten sehen. Zwar wird nach wie vor festgestellt, dass die NATO Russland nicht als Gegner sähe und man nicht von einem konventionellen Angriff auf das Bündnis‐ gebiet ausgehen müsse (s. auch Marsh und Dobson 2013, 156 f.). Man erwarte aber gleichzeitig „Gegenseitigkeit“ (NATO 2012, 29) von Russland. Zentraler werden aber eindeutig die Gefahren durch WMD-Proliferation und von Raketensystemen beurteilt. Deshalb hat die NATO im Zuge des amerikanischen Austritts aus dem ABM-Vertrag seit 2005 begonnen, sowohl Abwehrsysteme gegen SRBMs und MRBMs für Truppen in Operationsge‐ bieten zu entwickeln als auch in den Jahren danach ABM-Systeme gegen ballistische Raketen aus Nordkorea, Syrien oder dem Iran in den Fokus zu rücken. Dabei wurden neue Stellungen für ABM-Systeme außerhalb der USA in Polen und Tschechien geplant, die Russland ein Dorn im Auge sind. Trotz massiver russischer Widerstände setzte Obama die ABM-Entwicklung fort, weil Raketentechnologie im Iran und Nordkorea fortentwickelt wurde (Frühling und Sinjen 2010; Weitz 2010, 103 ff.). Ab dem Lissaboner Gipfel von 2010 wurde ABM eine offizielle NATO-Politik, die eine gewisse Abkehr von der Abschreckungsdoktrin des Kalten Kriegs markiert (Flockhart 2011, 18 f.; NATO 2019c). Trotz der Intensivierung der ABM-Maßnahmen steht im Zen‐ trum des 2010er Konzepts aber ohne große Überraschung der internationale 4.3 9/ 11 und der Kampf gegen den Terror 157 <?page no="158"?> Terrorismus (NATO 2012, 11). Er erscheint nach wie vor als die primäre Gefahr für die Allianz und wird in Verbindung mit der Proliferation von Mas‐ senvernichtungswaffen als höchstgefährlich angesehen. Gleichzeitig stellt das Strategische Konzept die wachsende Bedrohung durch Cyberangriffe und organisierte Kriminalität heraus, die es als zentrale Herausforderungen für die kommende Dekade ansieht. Die Formulierungen bzgl. der nuklearen Bedrohung der NATO haben sich im Vergleich zum 1999er Konzept kaum verändert. Die Gefahr eines nuklearen Angriffs wird nach wie vor als extrem niedrig angesehen, wäh‐ rend umgekehrt die Beibehaltung eines nuklearen Abschreckungspotentials durch die Nuklearkapazitäten der USA, Großbritanniens und Frankreichs als wichtig beurteilt wird. Das Bündnis müsse „einen angemessenen Mix aus nuklearen und konventionellen Kräften erhalten“ (NATO 2012, 15), der sowohl für Art. 5-Missionen als auch Krisenmanagement einsetzbar sein müsse. Mit der Erwähnung der notwendigen Generierung von Fähigkeiten für eine große und mehrere kleinere Operationen wird die Zentralität des Afghanistaneinsatzes für die Strategiebildung der Allianz unterstrichen (sie geht immerhin davon aus, dass ein solcher, großer Einsatz immer wieder vorkommen kann). Hier werden also unterschiedliche Fraktionen des Bünd‐ nisses zusammengebracht - die Staaten, die eher kollektive Verteidigungs‐ aufgaben betonen und die die Rolle der NATO eher in der eines globalen Sicherheitsanbieters sehen (Marsh und Dobson 2013, 157, 169). Das Strate‐ gische Konzept enthält bzgl. der Verteidigung gegen ballistische Raketen auch ein Angebot an Russland zur Zusammenarbeit und zur Verbindung der in der Entwicklung begriffenen russischen und der alliierten Systeme, um deutlich zu machen, dass die NATO-Abwehrpläne nicht gegen das russische Nuklearpotential gerichtet seien (was die strategische Balance und Zweit‐ schlagsfähigkeit stören würde). Wegen unterschiedlichen Vorstellungen zur Art der Kooperation konnte dieses Ziel aber nicht erreicht werden (Frühling und Sinjen 2010; Weitz 2010). Präsident Medwedew stellte daher die weitere Entspannung der Ost-West-Beziehungen infrage, zumal viele der Basen und technischen Einrichtungen des NATO-Raketenschilds aufgrund ihrer Lage in Ostpolen und der Türkei tief in russisches Territorium spähen können. Die ehemaligen Gegner waren also auch 20 Jahre nach Ende des Kalten Kriegs nicht in der Lage, gegenseitiges Misstrauen zu überwinden. Moskaus Vorstellungen zu einer pan-europäischen Sicherheitslösung stellen aber immer noch ein konstitutives Problem für die Atlantische Allianz dar, weil die USA an einer solchen Lösung per definitionem geografisch 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 158 <?page no="159"?> nicht teilhaben würden (Ratti 2013, 267 f.). Die beiden Sicherheitsagenden und das russische Einflusssphärendenken blieben unvereinbar. Luca Ratti kontrastiert in seiner Analyse das Vorherrschen neorealistischer Logiken der Machtbalance mit unerfüllten Hoffnungen auf eine Liberalisierung und Demokratisierung Russlands (s. auch Hill 2018, 139 ff., 247 ff.). Russland verbleibt mit seinen Interessen und Problemen weiterhin außerhalb der transatlantischen Sicherheitsgemeinschaft, will diese Gemeinschaft aber selbst aktiv spalten. Trotz dieser nicht ganz einfachen Situation mit Russland sehen die Alli‐ ierten ihren Aufgabenschwerpunkt aufgrund einer zunehmend instabilen Weltlage und der akuten Gefahr durch den internationalen Terrorismus weiterhin im Krisenmanagement. Das Strategische Konzept spricht zur Meisterung dieser Probleme dabei genauso wie Dokumente anderer Staaten oder Organisationen von der Verfolgung eines comprehensive approach, also von einem Konzept, das zivile, militärische und politische Probleme gesamtheitlich angeht und präventive, interventionistische und post-Kon‐ flikt-Wiederaufbaustrategien bereithält (NATO 2012, 19 f.; Petersen et al. 2010; allgemein Major und Mölling 2009). Mit Blick auf die Gefahr des Terrorismus wird in diesem Zusammenhang auch von Aufstandsbewälti‐ gungsstrategien (counterinsurgency) gesprochen, die zentraler Teil militäri‐ schen Handelns um Irak und in Afghanistan waren/ sind. Im Gesamtbild erscheint das 2010er Strategische Konzept nicht als ein großer neuer Wurf, sondern passt die strategische Ausrichtung des Bündnisses an die realen Gegebenheiten an (Flockhart 2011, 13). Das Konzept sei, so Marsh und Dobson (2013, 165 ff.), weniger Strategie und mehr öffentliche Diplomatie, um das Handeln und die Existenz der Allianz nach innen und außen zu legitimieren. Es legt zwar strategische Leitlinien fest, ist aber keine detaillierte militärische Anweisung, wie es die Konzepte während des Kalten Kriegs waren (vor allem in ihren geheimen Teilen). Aspekte der Territori‐ alverteidigung werden diskutiert, aber Verteidigung wird eher funktional gedacht und nicht geografisch-regional auf das NATO-Territorium bezogen (Pouliot 2016, 115; Ringsmose und Rynning 2011). In dieser funktionalen Perspektive auf Sicherheit steht daher auch die Kooperation mit Partnern im EAPC oder PfP im Vordergrund (Kaim 2016, 11). Das 2010er Konzept legt Zeugnis davon ab, dass die NATO zwar ein Bündnis vieler Staaten mit unterschiedlichen sicherheitspolitischen Inter‐ essen und Prioritäten für die Allianz ist, sich die im Jahr 2010 28 Mitglieder aber trotzdem auf ein neues Konzept einigen konnten, das diese Interessen 4.3 9/ 11 und der Kampf gegen den Terror 159 <?page no="160"?> verbindet (Flockhart 2011, 15) - wenngleich mit den üblichen Problemen der NATO, für die übergeordneten Ziele auch ausreichend Mittel bereitzustellen. Es muss ebenfalls festgestellt werden, dass die Beziehungen mit Russland wieder problematischer gesehen werden, und dies trotz der erfolgreich zu Ende gebrachten New START-Verhandlungen unter Medwedew und Obama, die die Nukleararsenale Russlands und der USA um weitere 30 % im Vergleich zum letzten Abkommen (2002) verkleinern sollten (Freeman 2011; Hill 2018, 286 ff.). Schließlich zeigte das Konzept, dass die Afghanistanmis‐ sion immer noch die prägende Größe im Handeln und strategischen Denken des Bündnisses war. Die Dauer und Komplexität des Einsatzes banden viel politische Energie (intensiv bis zum Chicagoer Gipfel im Jahr 2012), hielten die Alliierten aber auch mit einem gemeinsamen Ziel zusammen. Es ist sicherlich nicht falsch zu behaupten, dass 9/ 11 eine Kette von Trans‐ formationsereignissen in der NATO auslöste, die in ihrer Bedeutung der Neuausrichtung der Allianz auf kollektive Sicherheitsaufgaben in Europa nach dem Ende des Kalten Kriegs in nichts nachstand (Hallams et al. 2013). Wo die einen die NATO als globales Werkzeug ansahen (USA) und eine Refo‐ kussierung ihrer Aufmerksamkeit auf Asien vornahmen, verstanden andere Alliierte das Bündnis als primär europäische Sicherheitsinstitution (z. B. Belgien, Deutschland, Frankreich), während die mittel- und osteuropäischen Staaten vor allem den althergebrachten kollektiven Verteidigungsgedanken des Bündnisses gegenüber Russland hochhielten. Der Einmarsch Russlands auf der Krim sollte diese Lager zumindest annähern. 4.4 Die Kriminvasion, die Rückkehr kollektiver Verteidigungsfragen seit 2014 und das Ende des INF-Vertrags Am 27. Februar 2014 besetzten russische Truppen ohne Kennzeichnung und Rangabzeichen, die daher in die Geschichte als grüne Männchen eingegangen sind, strategisch wichtige Einrichtungen wie das Regionalparlament und die Regionalregierung auf der ukrainischen Halbinsel Krim. Der Invasion war eine Entscheidung des Russland-nahen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch vorausgegangen, der sich gegen die Unterzeichnung eines mit der EU ausgehandelten Assoziationsabkommens aussprach, das die Ukraine wirtschaftlich, handelstechnisch und politisch an die EU annähern sollte. Mit diesem Abkommen sah Russland das Fass der Annäherung des Westens 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 160 <?page no="161"?> 71 Es gab zudem klare Hinweise, dass die USA am Umsturz von Janukowitsch in der einen oder anderen Weise beteiligt waren (Mearsheimer 2014, 80 f.). an seine Interessen und definierte post-sowjetische Einflusssphäre, das durch EU- und NATO-Osterweiterungen oder ABM-Auseinandersetzungen aus russischer Sicht bereits randvoll war, zum Überlaufen gebracht (Hill 2018, 247 ff., 343 ff.). 71 Seit 2012 hatten sich russisch-ukrainische Differenzen bezüglich ukrainischer Sprachengesetzte und des Westkurses des Landes aufgebaut, die im Assoziierungsabkommen kulminierten und in der Inva‐ sion der Krim mündeten. Die NATO führt eine enge Sicherheitskooperation mit der Ukraine (EAPC, PfP), aber aufgrund des 2008er Vetos vieler Bünd‐ nispartner bestand keine Beitrittsperspektive mehr. Trotzdem war Russland die Kooperation ein Dorn im Auge (Wolff 2017). In den auf den 27. Februar folgenden Tagen übernahmen die russischen Truppen die Halbinsel. Am 16. März fand ein nach ukrainischem und internationalem Recht illegales Refe‐ rendum statt, in dem die mehrheitlich russischstämmige Bevölkerung einen Anschluss an die Russische Föderation befürwortete - die Option des Erhalts des Status quo als autonome Republik innerhalb der Ukraine stand nicht auf den Stimmzetteln. Die Ergebnisse des Referendums werden allgemein angezweifelt, da sich 95 % für den Anschluss an Russland aussprachen, die russischstämmige Bevölkerung aber nur 63 % der Krimeinwohner ausmacht. Am 18. März wurde die Krim nach der seit 1954 erneut andauernden Unterbrechung wieder ein Teil Russlands. Russland unterstützte ebenfalls russischstämmige Separatist*innen im ostukrainischen Donbassgebiet - ein Krieg mit heute mehr als 10.000 Opfern. Parallel führt Russland weitere Elemente asymmetrischer, hybrider Kriegsführung (Hoffman 2007), z. B. in Form von Desinformationskampagnen, durch, die die Situation in der Ukraine destabilisieren und auch auf westliche Staaten gerichtet sind (Fryc 2016, 46 f., s. u. 4.5). Putin räumte Ende 2014 die Zugehörigkeit der grünen Männchen zur russischen Armee ein und beendete damit die Ungewissheit, die keine war (bpb 2019; Umland 2017). Durch die Invasion und Annexion der Krim veränderte Russland das erste Mal seit dem Ende des Kalten Kriegs Grenzen in Europa mit Waffengewalt, als es seine zentralen Sicherheits- und geopolitischen Interessen verletzt sah. Das Vorgehen Russlands wurde weltweit verurteilt und als illegal angesehen. Russland steht seitdem unter einem partiellen wirtschaftlichen, vor allem einem finanziellen und auf konkrete Amtsträger bezogenen Sanktionsregime der EU, der USA und weiterer Verbündeter, das den 4.4 Kriminvasion, kollektive Verteidigung seit 2014 und INF-Vertrag 161 <?page no="162"?> Handel zwischen den Beteiligten einschränkt (Umland 2017). Nach dem ver‐ sehentlichen Abschuss der malaysischen Passagiermaschine MH17 durch russische Raketen, bei dem beinahe 300 Menschen ums Leben kamen, wurden diese Sanktionen noch einmal verschärft (Hill 2018, 352 f.). Der seit 1997/ 2002 bestehende NATO-Russland-Rat und alle weiteren Kooperations‐ formate wurden ausgesetzt, sodass unterhalb der Botschafterebene keinerlei Koordination mehr über Fragen wie Raketenabwehr, Afghanistan oder Anti-Terror-Maßnahmen stattfand (Hardt 2018, 105). Erst seit 2016 finden wieder vereinzelt Treffen des NRC mit einer begrenzten politischen Agenda statt, aber weitere zivile und militärische Kooperationsinitiativen bleiben ausgesetzt (NATO 2019 l, p). Die Beziehungen in der OSZE verkomplizierten sich ebenfalls (Simonet 2018, 294 f.). Für die NATO bedeutete die Ukrainekrise eine grundsätzliche Verände‐ rung der Sicherheitslage (Moore und Coletta 2017b; Sakkov 2019). Man hatte seit 1989 vor allem auf Kooperation mit Russland gesetzt - die gleichwie von Russland als unzureichend gesehen wurde (Ratti 2013, 266 ff.) - und die Not‐ wendigkeit konventioneller Verteidigung als gering eingestuft. Nun fühlten sich vor allem die östlichsten Mitgliedstaaten des Bündnisses - allen voran das Baltikum - unmittelbar bedroht. Eines der Hauptargumente Russlands zur Intervention in der Ukraine war in Anlehnung an die internationale Norm der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect, R2P; s. Exkurs Kap. 5) der Schutz der russischen/ russischsprachigen Bevölkerung auf der Krim (Kurowska 2014; Ziegler 2016). Da die baltischen Staaten zahlenmäßig teils bedeutende russische Minderheiten in ihrer Bevölkerung haben (in Estland und Lettland um die 25 %), sahen sie in dieser russischen Politik eine gefährliche Doktrin, die prinzipiell auch auf sie angewandt werden könnte, sollte Russland weitere revisionistische Absichten hegen (Hardt 2018, 104 ff.; Hill 2018, 363). Russlands Eingreifen im syrischen Bürgerkrieg zugunsten von Präsident Bashar al-Assad ab September 2015, seine aktive Unterstützung systemkritischer Kräfte und Parteien in westlichen Staaten sowie seine Aktionen zur Beeinflussung von Wahlen, öffentlicher Meinung und von Social Media bestärken die Einschätzung, dass Russland zunehmend gegen eine als Vorherrschaft empfundene westliche Politik der USA und seiner Alliierten vorgeht, seine eigene Machtposition verbessern und ein alternatives Politikmodell bewerben möchte (Burai 2016; Hill 2018, Kap. 8, 9; Ratti 2013, 268 f.; Mearsheimer 2014). Zwar kann man bei aller eigenen Tragik der Situation in der Ukraine davon ausgehen, dass Russland in seinem strategischen Kalkül einen Unterschied zwischen einem Angriff auf einen 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 162 <?page no="163"?> bündnisfreien und einen Mitgliedstaat der NATO machen wird (Deni 2017, 32; s. auch Saakashvili 2019). Dies ändert aber nichts daran, dass sich die neue sicherheitspolitische Situation in Europa seit der Invasion der Krim und der völkerrechtswidrigen Angliederung derselben im März 2014 unsicherer entwickelt. Michael O’Hanlon beobachtet daher treffend: „It is, of course, hard to imagine that Russia would threaten the Baltics (or Poland) even in the absence of such a deployment. Then again, few expected any of what happened this year in Ukraine. Further Russian aggression is far from a foregone conclusion, and NATO and others should continue to try to deter it by signaling a willingness to tighten the economic screws. If it happens, though, it would be a radical provocation that would force NATO to start thinking in ways it had not before.“ (O’Hanlon 2014) Die Frage der Notwendigkeit erneuter kollektiver Verteidigungsanstren‐ gungen und einer neuen NATO-Strategie gegenüber Russland liegt somit seit 2014 wieder auf dem Tisch. Für die NATO stellt sich seit der Krim also die Frage der Neubewertung der Gefährdungslage in Europa. Man hatte seit dem Ende des Kalten Kriegs ver‐ sucht, auf vielen Ebenen mit Russland zusammenzuarbeiten, aber gleichzeitig nicht auf zentrale Politiken verzichtet, die die Allianz durchsetzen wollte, wie z. B. die Osterweiterung oder ABM. Mit dem Assoziierungsabkommen mit der EU war für Russland der Rubikon zwischen kooperativen und konfronta‐ tiven Beziehungen endgültig überschritten. Während große Teile der NATO die Osterweiterung als einfache Ausweitung der liberalen Friedenszone auf‐ fassten (s. auch Hardt 2018, 114 ff.), sah sich Russland durch diese Erweiterung bedroht und in der Ukraine letztlich zum Handeln gezwungen, um gegen eine unvorteilhafte Machtbalance anzugehen (Mearsheimer 2014). Auf ihrem Gipfel in Wales Anfang September 2014 verurteilten die Alliierten einhellig die Aggression Russlands in der Ukraine und bekräftigten die Bedeutung der transatlantischen Beziehungen in einer Sprache, die an die liberal-demokra‐ tische Emphase der unmittelbaren post-Kalte Kriegs-Zeit anschloss (Hill 2018, 364). Sie beschlossen des Weiteren eine Reihe von Maßnahmen zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses: ▸ das bereits in Kapitel 2.5 vorgestellte Ziel, 2024 2 % der nationalen BIPs für Verteidigung auszugeben und somit die fallende Tendenz in vielen Staaten zu beenden; ▸ erhöhte Einsatzbereitschaft der Streitkräfte, darunter der NRF; 4.4 Kriminvasion, kollektive Verteidigung seit 2014 und INF-Vertrag 163 <?page no="164"?> 72 Es gibt vier Führungsnationen (framework nations), die die rotierenden multinatio‐ nalen Kräfte leiten: Deutschland, Großbritannien, Kanada und die USA. Erst im Kriegsfall werden die Kräfte unter direktes NATO-Kommando gestellt (Leuprecht und Derow 2019, 21 f.). ▸ Schaffung einer 5.000 Soldat*innen starken Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), die innerhalb weniger Tage an die NATO-Peripherie verlegt werden kann und vor allem auf Heereskräften basiert (Deni 2017, 30); ▸ Präpositionierung von so genannten force enablers (Vorbereitung von Kommandozentren, Logistik et al. für weitere Truppen); ▸ verstärktes Üben kollektiver Verteidigungsszenarien; ▸ nicht-offensive und politische Unterstützungsmaßnahmen für die Ukraine, inklusive der Bereitstellung defensiver militärischer Güter; ▸ „continuous air, land, and maritime presence and meaningful military activity in the eastern part of the Alliance, both on a rotational basis.“ (NATO 2014, Art.7-14). Mit diesen Maßnahmen beschloss die NATO also sowohl langfristige Veränderungen in der Verteidigungsplanung (2 %-Ziel) für alle drei Aufga‐ benbereiche des 2010er Strategischen Konzepts (Territorialverteidigung, Krisenmanagement, kooperative Sicherheit) als auch konkrete und kurz‐ fristige Maßnahmen als direkte Antwort auf das russische Verhalten. Die Wales-Initiativen stellen somit einen graduellen Wandel von einer „deterrence by reputation“, eines im Wesentlichen politischen Akts des Beistandsversprechens, zu einer „deterrence by preparedness“ dar (Leup‐ recht und Derow 2019, 19 ff.; Fryc 2016, 49 ff.). Neben dem Aufbau der schnell aktivierbaren VJTF setzt dabei insbesondere der Beschluss des Warschauer Gipfels von 2016 zur verstärkten Präsenz von Land-, Luft- und Seestreitkräften in Estland, Lettland, Litauen und Polen (enhanced Forward Presence, eFP) ab 2017 ein Zeichen: Diese Präsenz wird stark erhöht und be‐ steht aus Truppen in Bataillonsgröße (ca. 1.000 Soldat*innen) in jedem der vier Staaten sowie verstärkten Patrouillen in der Ostsee (Deni 2017, 29 f.). Durch das Rotationsprinzip wird eine Einbindung vieler Alliierter erreicht, während formal die Zusage der nicht-ständigen Präsenz von Truppen in den neuen Mitgliedstaaten aufrechterhalten wird. Das Kommando der eFP-Truppen durch Mitgliedstaaten und nicht die NATO selbst soll zudem ein deeskalierendes Zeichen an Russland senden (Leuprecht und Derow 2019, 23 f.). 72 Trotzdem wird neben der schon vorher bestehenden 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 164 <?page no="165"?> Bilaterale Absprachen zwischen Polen und den USA sehen zudem im Moment (Juni 2020) die Präsenz weiterer 2.000 US-amerikanischer Soldat*innen in Polen vor, die zur US-amerikanischen EDI/ alliierten eFP beitragen und gleichzeitig die bilateralen Beziehungen stärken sollen. Wie die EDI-/ eFP-Truppen sollen auch diese in Neun-Monats-Rhythmen permanent durch Polen rotieren (Feickert et al. 2020). Präsenz der Alliierten im Baltikum in der Luftraumverteidigung, die nach 2014 vervierfacht wurde (von 4 auf 16 Maschinen), nun ein deutlicher Stolperdraht aus Bündnissoldat*innen - inkl. US-amerikanischer und Ka‐ nadischer Truppen - an Land gezogen, der den Einsatz kriegerischer Gewaltmittel durch Russland abschrecken soll (Deni 2017, 29; Leuprecht und Derow 2019, 21; O'Hanlon 2014). Deutschland geht diesen Weg als Battlegroup-Führungsnation mit und verbindet - ganz im Sinne der Ostpolitik - eine klare Verurteilung des russischen Vorgehens in der Ukraine mit einer vorsichtigen Rhetorik und einer Position, die Kontakte zu Russland für diplomatische Zwecke beibehalten will. Die NATO geht somit einen Mittelweg aus Abschreckung und wirtschaftlich-finanziellen Sanktionen bei Vermeidung offener militärischer Konfrontation (Fryc 2016, 49 ff.; Lindbo Larsen 2014, 15 ff., 38 f.). „Trotzdem erscheint Wales als ein tektonischer Wandel in der Orientierung und den grundlegenden Politiken der Allianz“, (Hill 2018, 365) die sich trotz der Beibehaltung von Krisenmanagementaufgaben wieder auf ihren Ursprungsauftrag, die Verteidigung des Bündnisgebiets, besann - „der Traum der Integration Russlands in europäische Institutionen ist definitiv vergangen“, so Hill weiter (ibid.). Wie die Diskussion des NATO-Budgets in Kapitel 2.5 gezeigt hat, be‐ finden sich die Verteidigungsetats fast aller Alliierten seit 2016 in einer aufsteigenden Kurve, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden (Gressel 2019). Die USA stellten im Jahr 2018 im Rahmen ihrer so genannten European Deterrence Initiative (EDI) $4,8 Mrd. mehr bereit, um die Abschre‐ ckungsfähigkeiten der NATO in Osteuropa zu stärken. Davon entfallen beinah $4 Mrd. auf die rotierende Truppenpräsenz in Osteuropa und Ver‐ stärkungen der eigenen Kräfte an anderen Standorten auf dem Kontinent (EUCOM 2017). 2019 wurden bereits $6,5 Mrd. bereitgestellt (Sakkov 2019, 53). Unter Solidaritätsgesichtspunkten ist es jedoch problematisch, dass viele Alliierte bilaterale Absprachen mit den USA oder den eFP-framework nations bevorzugen. Exemplarisch dafür steht das Bemühen Polens, in einem Fort Trump eine permanente US-Präsenz auf polnischem Territorium unabhängig von der NATO zu errichten (ibid.). Trotzdem erhöhen die 4.4 Kriminvasion, kollektive Verteidigung seit 2014 und INF-Vertrag 165 <?page no="166"?> 73 Eine grundsätzliche Diskussion zur Abschreckungspolitik der NATO führen von Hlatky und Wenger (2015). bi- und minilateralen eFP-Absprachen mittelbis langfristig potentiell die Interoperabilität der Streitkräfte der beteiligten Staaten und erhalten eine Kooperations- und Solidaritätskultur im Bündnis. Das dies trotz nicht immer gleicher Gefahreneinschätzungen bezüglich Russlands gelingt, ist bereits ein Erfolg an sich (Feickert et al. 2020, 2; Leuprecht und Derow 2019, 22 ff.). John Deni (2017, 32 ff.) bemerkt, dass das politische Abschreckungskonzept bisher zu funktionieren scheint, da ein Angriff Russlands ausgeblieben ist. In Anbetracht der geringen Widerstandsfähigkeit der alliierten Truppen im Nordostgebiet der Allianz (4.000 Soldat*innen gegen deutlich mehr russische Truppen) wird somit allerdings die Initiative, ob dies so bleibt, in russische Hände gelegt (Halas 2019). Mit Blick auf die neue Aggressi‐ vität Russlands ist dies zumindest ein problematischer Zustand für eine kollektive Verteidigungsallianz, die somit in ihrer Handlungsfähigkeit im Baltikum erheblich eingeschränkt wäre und unter Umständen nicht auf einen russischen fait accompli in Form einer Invasion reagieren könnte, ohne massiv zu eskalieren. Daher sehen Beobachter das bestimmte, aber zurückhaltende Handeln der NATO bisher vor allem als Rückversicherung (reassurance) der eigenen Mitglieder an - Abschreckung (deterrence) sei es nur bedingt (z. B. Gressel 2019). Die labile Positionierung Donald Trumps zur NATO trägt zudem negativ zur Abschreckungspolitik bei (s. Kap. 7). Zwar hat Präsident Trump die finanzielle Ausstattung der EDI in den letzten Jahren sogar deutlich erhöht. Trotzdem ist bereits die offene Debatte in einer Allianz problematisch, deren Beistandsversprechen im Wesentlichen auf gegenseitigem Vertrauen basiert. Der Geist des Zweifels ist somit aus der Flasche. Moskau weiß das. Die nukleare Seite der Sicherheitslage hat sich in den letzten Jahren ebenfalls weiter verschlechtert. 73 Seit dem Beginn des Aufbaus einer ballis‐ tischen Raketenabwehr gegen die Schurkenstaaten (Iran, Nordkorea et al.), den Russland stets gegen sein eigenes Nukleararsenal gerichtet sah, und der Kündigung des ABM-Vertrags stufte Putin die durch den INF-Vertrag auferlegten Beschränkungen für Raketen mit einer Reichweite zwischen 500 km und 5.500 km (IRBMs, MRBMs sowie SRBMs mit Reichweiten von 500 km bis 1.000 km) nicht mehr als den Interessen des Landes dienlich ein. Medwedew drohte im Jahr 2008 damit, Atomwaffen in der Enklave Kaliningrad an der Ostsee zu stationieren. Heute ist das Misstrauen 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 166 <?page no="167"?> zwischen Russland und den USA derart groß, dass Russland den USA die Entwicklung einer Erstschlagfähigkeit unterstellt (Brooks 2020, 87 ff.). Des Weiteren sehen sich Russland und die USA heute dem Problem ausgesetzt, dass auch andere Länder (vor allem China) ein hochwertiges Arsenal von IRBMs aufgebaut haben und somit exakt über die Waffen verfügen, auf die Russland und die USA verzichten (Pifer 2017). Amerikanisch-russische Abrüstungs- oder Rüstungskontrollverträge sind somit nur noch begrenzt in der Lage, atomare Probleme und nukleares Wettrüsten zu verhindern (Thrä‐ nert 2019, 48 f.). Der Versuch einer Multilateralisierung des INF-Vertrags scheiterte 2007. Erste Zeichen von problematischen russischen Aktivitäten gab es 2010, die die USA seit 2014 anprangerten. Sie bezichtigten Russland der Entwicklung einer Waffe, der sehr mobilen SSC-8. Russland interpre‐ tiert seinerseits das alliierte ABM-System als Vertragsbruch (Hill 2018, 319 f.; Reif 2018). Das Problem von IRBMs für die europäischen Alliierten ist offensichtlich: Während bis dahin ausschließlich erlaubte SRBMs mit einer Reichweite unter 500 km nur wenige alliierte Hauptstädte erreichen konnten, decken IRBM-Reichweiten bis zu 5.500 km bei gleichzeitig nur sehr geringen Vorwarnzeiten (ca. 10 min für die nahen Ziele) das ganze europäische Bündnisgebiet bis Nordostkanada ab. Da die NATO-Mitglieder (und andere Staaten) die von Russland gegebenen Erklärungen nicht als ausreichend ansahen und Transparenz vermissten, stellten sie die Verlet‐ zung des Vertrags fest und die USA erklärten ihren Rückzug am 1. Februar 2019. Ein halbes Jahr später, am 2. August 2019, lief der INF-Vertrag nach gescheiterten Verhandlungen offiziell aus (Encycloplaedia Britannica 2019; NATO 2019m). Der Kündigungsschritt der Trump-Administration wurde dennoch kritisiert, weil er die Beziehungen zwischen Russland und den USA potentiell verschlechtert und Rüstungskontrolle in Frage stellt (Oliker 2019; Pifer 2017). Durch das Ende des INF-Vertrags und das Auslaufen von New START im Jahr 2021, dessen Verlängerung bisher nicht geklärt ist, steuert die Welt das erste Mal seit Langem auf eine Zeit ohne Rüstungskontrollverträge zu (Brooks 2020, 89 ff.). Zudem bleibt das Problem der nuklearen Aufrüstung von anderen Staaten weiterhin ungelöst. Somit steht Rüstungskontrolle vor einem fundamentalen politischen Glaubwürdigkeitsproblem, das Olga Oliker gut auf den Punkt bringt: 4.4 Kriminvasion, kollektive Verteidigung seit 2014 und INF-Vertrag 167 <?page no="168"?> 74 Onderco (2017) merkt an, dass diese Initiativen durchaus problematische Positionen zum NPT beziehen und die Norm der Gegenseitigkeit im Abrüstungsregime teils missachten. 75 Die Fachzeitschrift Daedalus hat jüngst ein Special Issue herausgebracht. S. Legvold und Chyba (2020). „All of this means that if INF dies, arms control may well die with it. Why would any state sign future treaties with either Russia or the United States when the one violates agreements and the other withdraws from them when they become inconvenient? “ (Oliker 2019) Diese Unsicherheit führt mittlerweile zu Diskussionen über den Erwerb von Atomwaffen in weiteren Staaten, z. B. in Ägypten, Saudi-Arabien oder der Türkei - und auch Deutschland (Kühn 2018)! Eine solche Proliferation von Nuklearwaffen brächte den Nichtverbreitungsvertrag ins Wanken, der die Nicht-Atomwaffenstaaten dazu verpflichtet, ebensolche nicht anzustreben. Der Nahe Osten würde zu einem noch größeren Pulverfass werden, als er es eh schon ist (Thränert 2019, 50 f.). Es ist also wahrscheinlich, dass die nächsten Jahre nicht nur mit Blick auf die zunehmend konfliktbehaftete Situation in Europa, sondern auch mit Blick auf die Rolle von Staaten wie China oder anderen im Nahen Osten neue Debatten über nukleare Rüstung und Unsicherheit auf uns zukommen. Initiativen wie der 2017 initiierte Vertrag zum vollständigen Verbot nuklearer Waffen (Treaty Prohibiting Nuclear Weapons, oder Nuclear Ban Treaty) stecken trotz mittlerweile über 80 unterzeichnenden Staaten (UNODA o. J.) noch in den Kinderschuhen (Ritchie und Egeland 2018; Ritchie 2019) und werden von den meisten Nuklearwaffenstaaten und ihren Alliierten ignoriert (Meyer und Sauer 2018; Ritchie 2014). 74 In naher Zukunft ist also weder damit zu rechnen, dass sich die Nuklearwaffenstaaten bald von ihren Potentialen verabschiedeten, noch dass diese Initiativen oder andere Abrüstungsvorschläge das dem Besitz von Nuklearwaffen zugrundeliegende Sicherheitsdilemma beseitigten. 75 Es sieht daher so aus, dass sich die NATO-Staaten noch eine Weile mit den neuen Erfordernissen kollektiver Verteidigung und der Gestaltung der zukünftigen Beziehungen mit Russland auseinandersetzen müssen. 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 168 <?page no="169"?> 4.5 Zurück zu den Ursprüngen? Die neue Sicherheitslage in Europa nach der Krim und die Gefahren hybrider Kriegsführung Die NATO sah sich nach dem Ende des Kalten Kriegs mit einem kollek‐ tiven Verteidigungsproblem anderer Natur konfrontiert: Wie die Allianz zusammenhalten, wenn der Gegner nicht mehr existiert? Ein (neorealisti‐ scher) Teil der Antwort lag darin, dass die sicherheitspolitische Lage in Europa aufgrund der Unsicherheit in Demokratisierungsprozessen und des Auseinanderfallens einiger Länder, z. B. auf dem Balkan, unübersichtlich geblieben war und somit der Erhalt einer reduzierten kollektiven Verteidi‐ gungsfähigkeit Sinn machte, wenngleich in dieser Situation nicht mit einer neuen Bedrohung à la UdSSR zu rechnen war. Ein Argument, dem wir in Kapitel 6 stärker nachgehen, betont die Relevanz des fortbestehenden Zusammengehörigkeitsgefühls der NATO-Staaten. Eine liberal-institutiona‐ listische Erklärung (s. Kap. 2) unterstreicht die einer tief institutionalisierten Organisation eigenen bürokratischen und politischen Prozesse, die pfad‐ abhängig in Richtung Erhalt führen. Ein weiterer Teil dieses Arguments betrifft die Anpassungsfähigkeit von komplexen Institutionen, sodass die NATO in der Lage war, zunehmend Aufgaben kollektiver Sicherheit und des Krisenmanagements an sich zu ziehen, für die es durch ihre militärischen Fähigkeiten wertvolle Kapazitäten bereitstellen konnte (s. Kap. 5). Die Allianz übernahm damit sowohl Aufgaben in der Nähe ihrer Grenzen als auch später im Falle Afghanistans oder des Horns von Afrika weit weg von zuhause. Nach dieser Übergangsphase der 1990er Jahre setzte zu Beginn der 2000er Jahre eine schwierige Phase für die NATO ein. Durch die an 9/ 11 durch al-Qaida durchgeführten Anschläge in den USA wurde erstmals der Bündnisfall des Nordatlantikvertrags ausgerufen. Dies sorgte zunächst für eine enorme Solidarität mit den USA, durch die sich die Allianz in den kollektiven Verteidigungseinsatz in Afghanistan begab, der später in den bislang größten und längsten nation- und state building-Einsatz ihrer Geschichte überging (ISAF, s. 5.3.3). Problematisch wurde das Verhältnis zwischen den Alliierten jedoch durch den Unilateralismus unter Bush Jr. und die seit 9/ 11 praktizierte offensive Doktrin der präventiven Kriegsführung und des neokonservativen spread of democracy. Die Bush-Doktrin führte die US-Amerikaner*innen einerseits zur Kündigung des ABM-Vertrags, was bis heute in die russisch-amerikanische Rüstungskontrollpolitik nachwirkt, und 4.5 Zurück zu den Ursprüngen? 169 <?page no="170"?> andererseits in den Irakkrieg. Die Spaltung der Allianz in Unterstützer*innen und Gegner*innen des Irakkriegs sorgte für massive Verstimmung im transatlantischen Verhältnis, die persönlicher, politischer und strategischer Natur waren. Diese Zerwürfnisse konnten nur durch die Ankunft neuer Entscheidungsträger*innen, die Notwendigkeit der Zusammenarbeit in Af‐ ghanistan und das Aufkommen der Finanzkrise im September 2008 langsam gekittet werden. Die Jahre zwischen 2009 und 2014 waren durch den multilateralen Politikstil von US-Präsident Obama trotz kleinerer politischer Uneinigkeiten um Afghanistan oder die Raketenabwehr ruhige Jahre für die NATO. Das Bündnis managte mit seiner Intervention in Libyen eine schwierige Situation, bei der keine Einigkeit zwischen Alliierten ob der Sinnhaftigkeit des Einsatzes herrschte (s. 5.3.4). Durch die Ereignisse in der Ukraine seit Februar 2014 haben sich die politischen Koordinaten der Allianz jedoch grundlegend verschoben. Die gewaltsame Veränderung der Grenzen durch die widerrechtliche Annexion der Krim durch Russland unter Putin sowie die Unterstützung von Separatist*innen in der Ostukraine entstand eine neue Bedrohungslage, durch die Aspekte der kollektiven Verteidigung wieder stärker in den Vordergrund des Allianzhandelns gerieten, während der Afghanistaneinsatz nach wie vor Kräfte band. Das Handeln des Bünd‐ nisses steht nach Sten Rynning seitdem in einem „Spannungsverhältnis zwi‐ schen globalen und regionalen Sicherheitsproblemen“ (Rynning 2017, 114). Einerseits muss das Bündnis Krisenmanagementaufgaben in Afghanistan aufrechterhalten, während die Situation in Europa klassische kollektive Verteidigungsplanungen erfordert. Diese Aufgaben stellen teils unterschied‐ liche Anforderungen an die Streitkräftestruktur und liegen quer zu den seit dem Ende des Kalten Kriegs stark reduzierten Armeegrößen, insbesondere des Heeres. Zwar steht auch der offensive NATO-Kritiker Donald Trump bisher hinter der enhanced Forward Presence des Bündnisses in Polen und im Baltikum, aber die in Afghanistan so wichtige Führungsfähigkeit der USA fehlt in Osteuropa, sodass die Allianz nicht optimal funktioniert (ibid.). Während das verstärkte US-amerikanische Engagement in Asien unter Obama keine Absage an Europa und die NATO bedeutete, so bestand in den USA (und einigen anderen Mitgliedstaaten wie Frankreich oder dem Vereinigten Königreich) neben den finanziellen Aspekten doch Unzufrie‐ denheit darüber, dass einige Alliierte zum Kämpfen bereit waren, während sich andere mit kleineren Rollen und Wiederaufbau begnügten. Die NATO entwickelte mit dem Aufkommen einer two-tier alliance, einem Bündnis 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 170 <?page no="171"?> aus zwei sehr unterschiedlichen Gruppen, also ein Solidaritätsproblem (Hill 2018, 327 ff.; Nötzel und Schreer 2009). Während die Invasion der Krim im Februar 2014 und die auf die russische Aggression folgende Verstärkung kollektiver Verteidigungsbemühungen in Europa dieses Problem zeitweise in den Hintergrund treten ließen, ist es unter Trump zu einer grundlegenden Probe für die Allianz geworden (s. Kap. 7). Es zeigt sich an dieser Stelle aus der Vogelperspektive, dass die NATO größtenteils aus liberalen De‐ mokratien besteht, die aufgrund ihrer Verfasstheit und ihrer innenwie außenpolitisch motivierten Interessen Konflikte untereinander bewältigen müssen. Durch die Krim-/ Ukrainekrise sind die Grundlagen der kooperativen NATO-Russland-Beziehungen, die 1997 in der Gemeinsamen Akte festgelegt wurden und unter anderem den Respekt von Souveränität und Grenzen beinhalten (NATO 1997b) in Frage gestellt (Deni 2017, 37 f.; Sakkov 2019). Das westliche Bündnis muss sich den Vorwurf gefallen lassen, durch seinen zwischen 1999 und 2004 betriebenen Osterweiterungsprozess, Schwierig‐ keiten in der Konstruktion einer gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur mit Russland sowie bei Kooperationsprogrammen mit Georgien oder der Ukraine russische Sicherheitsinteressen nicht hinreichend berücksichtigt bzw. zu wenig Sicherheitsdilemmasensibilität gezeigt zu haben (Hill 2018, 116, 287 ff.; Mearsheimer 2014). Ob dies möglich gewesen wäre, ist eine andere Frage, ändert aber die russische Wahrnehmung einer Sicherheitsord‐ nung mit der NATO im Zentrum nicht (Rynning 2015, 549 f.; Wæver 2014, 54 ff.). Bei aller gebotener Distanz zwischen diesen zwei antagonistischen Positionen sollten aber dennoch vier Dinge festgestellt werden: 1. Die vertragliche, auf gegenseitigem Einvernehmen basierende Oster‐ weiterung der NATO stellt qualitativ eine andere Form des politischen Handelns gegenüber Russland dar, als die gewaltsame Veränderung von Grenzen und die hybriden Formen der Kriegsführung Russlands. 2. Die Absicht der Osterweiterung des Bündnisses war Russland bei Unterzeichnung der Grundakte bekannt. Die NATO hat sich an die darin enthaltenen Bestimmungen zum Ausbleiben der Stationierung von Streitkräften in den neuen Mitgliedstaaten gehalten. 3. Russland reagierte mit der Invasion der Krim nicht auf einen Erwei‐ terungsversuch der NATO, sondern auf den Versuch des Abschlusses eines Handelsabkommens mit der EU. Ideen zur Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO waren bereits 2008 beerdigt worden. 4.5 Zurück zu den Ursprüngen? 171 <?page no="172"?> 76 Für viele Cyberangriffe werden staatliche sanktionierte Akteure aus Russland, China, dem Iran oder Nordkorea verantwortlich gemacht (z. B. Bundesamt für Verfassungs‐ schutz 2018). 4. Moskau verletzt mit seiner Invasion der Krim und seiner Einmischung in der Ostukraine Sicherheitsgarantien, die es Kiew 1994 gegeben hat, und seine PfP-Verpflichtungen (s. O’Hanlon 2014). Die aktuelle Situation ist also einerseits durch ein problematisches Verhalten des Westens in den 1990er und 2000er Jahren gekennzeichnet (s. Goldgeier und Itzkowitz Shifrinson 2020), während Russlands gewaltsame Antwort nicht minder problematisch ist und liberalen Überzeugungen grundlegend zuwiderläuft. Das Eine bedingt nicht das Andere (Lanoszka 2020). Es kann Russland schwerlich vorgeworfen werden, dass es seine Interessen verfolgt. Das Wie ruft jedoch enorme Probleme hervor, wie William Hill (2018, 384) eingängig bemerkt: „Since the breakup of the Soviet Union, Kremlin leaders harbored the notion that Russia had a special relationship and special rights in the countries that had been Soviet republics. […] Russian leaders after 1992 perceived a special right to follow, intervene, and—if necessary—control developments in the former Soviet republics.“ (Hill 2018, 384) Der Westen ist nicht frei von Kritik eines ähnlichen Verhaltens in Anbetracht von manchen US-amerikanischen geheimen und weniger geheimen Ak‐ tionen in Lateinamerika (oder französischen oder britischen anderswo) oder Kriegen wie dem im Irak 2003. Die Kriminvasion, der Krieg in der Ostukraine sowie das russische Engagement zugunsten des syrischen Präsidenten Assad im dortigen Bürgerkrieg stellen aber erneut einen nicht überbrückbaren Gegensatz von weltpolitischen Ordnungsmodellen dar, der die 1990er Nach‐ kriegsordnung in Frage stellt - ein Gegensatz zwischen Liberalismus und einer „sovereign democracy“ (Rynning 2015, 547) mit autoritären und popu‐ listischen Zügen. Zusätzlich zeigt die aktuelle Situation, dass sich die NATO (und andere Staaten) zunehmend mit Formen des cyber warfare und der hybriden Kriegsführung auseinandersetzen müssen. Hybride Kriegsführung bezeichnet die Verbindung regulärer (militärischer) mit irregulären Kriegs- und Gewaltformen, z. B. Partisanen- oder Terrortaktiken, Desinformation durch gesteuerte Medienkampagnen, Cyberangriffe 76 oder ganz allgemein die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, die alle zusammen dem erwünschten strategischen Ziel dienen und synchron auf 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 172 <?page no="173"?> den Gegner einwirken, ohne auf ein klar begrenztes physisches Kampfgebiet beschränkt zu sein (Hoffman 2007, 23 f.). Eine Vielzahl dieser Methoden, die traditionellerweise nicht unter die Definition von militärischem Krieg mit einer klaren Trennung von Kombattant*innen und Nichtkombattant*innen fallen, werden heute von Russland angewendet, um Staaten zu beeinflussen oder zu destabilisieren, teils unter vollständigem Verzicht des Einsatzes von physischer Gewalt. Das Neue an hybrider Kriegsführung liegt hier in der gezielten, strategischen Kombination all dieser Elemente (Hoffman 2007, 29 ff., 35 ff.; Reisinger und Golts 2014, 2 f.). Zu den Methoden von hybrid warfare zählen prominent die Nutzung von Cyberattacken auf Computer‐ systeme, die Verbreitung von Falschinformationen (fake news) in sozialen Medien, der Betrieb propagandistischer Sender und Plattformen wie Russia Today und Sputnik News, die Ausnutzung und Förderung lokaler/ regionaler Separatist*innen sowie, schließlich, die Nutzung von Spezialkräften ohne Rangabzeichen zur Eroberung der Krim (Fryc 2016, 46 f.; Hill 2018, 377 f.; Rynning 2015, 543 f.). Letztlich stellt sich dabei die Frage, wann eine Cy‐ berattacke auf Systeme der Mitgliedstaaten als Angriff zählt, der unter Umständen unter die Beistandsklausel des Nordatlantikvertrags fällt und/ oder die Erlaubnis zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung und zum Gebrauch von Gewalt durch die UN-Charta auslöst. Das Bemühen von „humanitären Narrativen“ (Reisinger und Golts 2014, 6), Desinforma‐ tion, Verleugnung und rechtlichen Argumenten erschwert diese Abwägung zusätzlich (ibid., 5 ff.). Aktuelle Untersuchungen für einige Länder zeigen, dass durch die Medienkampagnen zwar bisher kaum grundsätzliche Einstel‐ lungen über Außenpolitik verändert wurden, Putin aber als Leitfigur von (populistischen) Anti-System-Parteien (s. Kap. 7.1) Einfluss genießt, was Auswirkungen auf die öffentliche Meinung hat (Fisher 2020 (online first)). Vor dem Hintergrund der zunehmenden Virulenz dieser Art der Kriegs‐ führung hat sich die Atlantische Allianz entschlossen, ihre Kapazitäten zur Bekämpfung von Cyberattacken massiv auszuweiten, um der Asym‐ metrie der Bedrohung, die nicht (nur) auf militärischen Kräften beruht, besser begegnen zu können. Dazu besteht bereits heute ein sogenanntes Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence in der estnischen Hauptstadt Tallinn, wo Mitglieder der nationalen NATO-Armeen und aus Partnerlän‐ dern zu Cyberkrieg forschen und Trainingsprogramme durchlaufen. Seit 2017 ist in SHAPE ein Cyberkommando im Aufbau, das im Jahr 2023 voll einsatzbereit sein soll (Emmott 2018). Die Fortsetzung partnerschaftlicher Beziehungen zwischen Russland und der Atlantischen Allianz, wie sie seit 4.5 Zurück zu den Ursprüngen? 173 <?page no="174"?> dem Ende des Kalten Kriegs mit Erfolgen und Misserfolgen etabliert worden war, wird durch diese Reibungspunkte grundlegend erschwert und durch eine neue ideologische Konfrontation ersetzt, die aufgrund der vielfältigen sub-militärischen Eskalationsebenen deutlich instabiler als die des Kalten Kriegs ist (Reisinger und Golts 2014, 10; Rynning 2015, 545). Die westliche Form des Werteliberalismus mag Russland mit gutem Grund ob seiner heute zweifelsohne autokratischen Verfasstheit als eine Gefahr erscheinen (Schake 2017). Somit ist Mearsheimer (2014) so weit Recht zu geben, dass liberale Ideologie zu einer stärkeren Konflikthaftigkeit mit Russland führt. Daraus den Schluss zu ziehen, dass russisches Einflusssphärendenken, die Absprache der souveränen Entscheidungsfähigkeit anderer Staaten über ihre Außenpolitik und die Veränderung von Grenzen mit militärischen Mitteln adäquate Reaktionen sind, muss jedoch kritisch diskutiert werden. Nach einer Phase relativer Stabilität und Entspannung zwischen Russland und den USA/ ihren westlichen Verbündeten sind wir an einem Moment angekommen, der von tiefem Misstrauen zwischen den Akteuren geprägt ist. Diese Situation belebt alte Konzepte der Gegnerschaft zwischen der NATO und Russland wieder. Auch, wenn auf absehbare Zeit keine atomare Konfrontation zu befürchten ist, gibt es doch eine Reihe destabilisierender Elemente in den Beziehungen, die nicht weniger gefährlich und eher noch zahlreicher sind als während des Kalten Kriegs. Die NATO hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie in der Lage war, eine gemeinsame Antwort auf sicherheitspolitische Herausforderungen zu finden. Ihre Fähigkeiten dazu sind heute allerdings nicht besser als zu Zeiten des Kalten Kriegs. Zum einen sind die Herausforderungen vielfältiger geworden, wodurch die Antworten militärisch wie politisch komplexer sind - das alles unter dem Eindruck weiterer globaler Krisenerscheinungen wirtschaftlicher, umwelt-, sozial- oder integrationspolitischer oder im Jahr 2020 jüngst sanitärer Natur. Zum anderen ist der Atlantischen Allianz in den letzten Jahren ein Teil ihres ideologischen, liberalen Kits verlorengegangen. Wie nachhaltig sich dies als Problem für das älteste Militärbündnis der Welt erweisen wird, wird auch von der Beständigkeit der oben genannten Herausforderungen abhängen. Die NATO wurde in der Vergangenheit dafür kritisiert, durch militärische Lösungen Probleme und Konflikte verschärft zu haben oder falsch ange‐ gangen zu sein - aus der normativen Sicht der Friedensbewegung ist dies ein Vorwurf und eine Analyse der Weltlage, in der die NATO ontologisch aufgrund ihrer Natur als Militärallianz ungeeignet erscheint. Gleichzeitig scheinen wir uns im Moment in einer neuen Sicherheitslage in Europa 4 Kollektive Verteidigung nach dem Kalten Krieg 174 <?page no="175"?> zu befinden, in der Versuche zur Etablierung von auf Rechtsstaatlichkeit und Kooperation basierenden Beziehungen mit dem ehemaligen Gegner Russland nicht nur nicht funktioniert haben, sondern sich zu einer Situation entwickelt haben, in der die ehemals sowjetische Hegemonialmacht die europäische Ordnung durch Anwendung von Gewaltmitteln zu seinen Gunsten und in einer Weise verändern will, die unseren eigenen Ordnungs- und Moralideen fundamental widerspricht und auf das Recht des Stärkeren setzt. Wir müssen uns daher mit diesen unangenehmen Fragen kollektiver Verteidigung auseinandersetzen. Wir stehen am Anfang eines Diskussions‐ prozesses über Sicherheit und Verteidigung in Europa und die Bewahrung unseres Weltbildes. Gehen wir ihn an! 4.6 Diskussionsfragen und weiterführende Literatur Diskussionsfragen: ▸ Warum löste sich die NATO nach dem Ende des Kalten Kriegs nicht auf und wie könnte man das aus verschiedenen theoretischen Blickwinkeln erklären? ▸ Wie gestaltete die NATO nach dem Ende des Kalten Kriegs die Bezie‐ hungen mit den Staaten des ehemaligen Ostblocks und insbesondere Russland? ▸ Welche Motivationen und Interessen standen hinter der Osterweite‐ rung der NATO? ▸ Warum sieht Russland in der Osterweiterung der Allianz eine Gefahr und aus welchen Perspektiven lassen sich Gründe dafür oder dagegen anführen? ▸ Welche Konsequenzen hatte 9/ 11 für die NATO? ▸ Welche Rolle spielte die Allianz im Irakkrieg und wie wirkte er sich auf gemeinsame Politiken und die Gemeinschaft aus? ▸ Wie veränderte die russische Invasion der Krim die Allianzstrategie? ▸ Warum führen hybride Kriege und cyber warfare zu einer instabilen Situation in euro-atlantischen Sicherheitsfragen? ▸ Welche Rolle kommt westlichen und russischen Ideologien im aktu‐ ellen Konflikt zu? Beurteilen Sie aus verschiedenen theoretischen Perspektiven. ▸ Ist die NATO nach der Krimkrise stärker als vorher? 4.6 Diskussionsfragen und weiterführende Literatur 175 <?page no="176"?> Weiterführende Literatur: Anderson, Jeffrey, G. John Ikenberry und Thomas Risse, Hrsg. (2008). The End of the West? Crisis and Change in the Atlantic Order. Ithaca (NY) and London: Cornell University Press. Anderson, R. Reed, Patrick J. Ellis, Antonio M. Paz, Kyle A. Reed, Lendy „Alamo“ Renegar, and John T. Vaughan (2016). Strategic Landpower and Resurgent Russia: An Operational Approach to Deterrence. Carlisle Baracks (PA): United States Army War College Press. Chomsky, Noam (2002). The Attack: Hintergründe und Folgen. 2. Aufl. Hamburg: Europa-Verlag. Cramer, Jane K., Hrsg. (2013). Why Did the United States Invade Iraq? London and New York: Routledge. Gärtner, Heinz, Adrian Hyde-Price, and Erich Reiter, Hrsg. (2001). Europe’s New Security Challenges. Boulder (CO) and London: Lynne Rienner. 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Washington D.C.: Georgetown University Press. 4.6 Diskussionsfragen und weiterführende Literatur 177 <?page no="179"?> 5 Kollektive Sicherheit: out of area-Missionen und Kooperation in Europa und der Welt Kollektive Sicherheit bezeichnet ein System der Weltpolitik, in dem sich Staaten zur Wahrung des Friedens zusammengeschlossen und dafür be‐ stimmte Mechanismen festgelegt haben (Auffermann 1997). Es wird daher als Oberbegriff für gemeinschaftliches Handeln genutzt, das zum Ziel hat, vom System identifizierte Risiken und Bedrohungen internationaler Sicherheit von innen heraus (inklusiv) zu lösen/ zu bearbeiten. Kollektives Sicherheitshandeln kann sehr unterschiedliche Formen annehmen. Einer‐ seits werden hierunter Organisationen wie z. B. die OSZE gezählt, die eine weite Sicherheitsagenda mit ihren Mitgliedern verfolgen. Auch die NATO ist in Teilen ihres Handelns eine kollektive Sicherheitsinstitution, wenn sie Risiken zwischen ihren Mitgliedstaaten bearbeitet oder mit Partnernationen kooperiert. Die UNO fungiert schließlich als globales kollektives Sicher‐ heitssystem mit quasi-universeller Mitgliedschaft der Staaten der Erde. Andererseits werden auch zivile oder militärische Missionen als Handeln im Rahmen kollektiver Sicherheit verstanden. Auffermann (ibid.) nutzt den Begriff für Handlungen, die sowohl innerhalb des Systems (also unter Mitgliedern) als auch außerhalb (gegen Nichtmitglieder gerichtet) vollzogen werden. Gareis (2011) oder Wallander und Keohane (1999) verwenden die Begriffe kollektive Sicherheit und Sicherheitsmanagementinstitution nur für inklusive Systeme und nutzen bei Handeln gegen Staaten außerhalb der Sicherheitsinstitution (exklusiv) andere Begriffe (Allianz, Ad-hoc-Koalition, Konzert u. a.). Die Grenzen zum machtpolitischen Eingriff in die Angelegen‐ heiten anderer Staaten (und somit das Gegenteil von kollektiver Sicherheit und Frieden) sind also fließend, weil sich die Mitglieder eines Systems (z. B. UN) entschließen können, zur Wiederherstellung von Frieden (peace enforcement) ohne deren Zustimmung in die territoriale Souveränität von (UN-Mitglied-)Staaten einzugreifen, um z. B. bürgerkriegsähnliche Kampf‐ handlungen zu beenden (Gareis 2011). Beispiele dafür sind die kriegerischen Zwangsmaßnahmen gegen den Irak nach seinem Überfall auf Kuweit (Golfkrieg 1990/ 91) oder die UN-sanktionierten Einsätze im jugoslawischen Bürgerkrieg (1991-1995). Der Grundgedanke kollektiver Sicherheit ist aber die Gewaltfreiheit und die gemeinsame Erhaltung von Frieden (Art. 1, 2 <?page no="180"?> UN-Charta, s. United Nations 2013), während die Nutzung von Gewalt in der Regel mit hohen Hürden verbunden ist, wie einem positiven Votum des UN-Sicherheitsrats oder als Antwort auf einen Angriff (individuelle oder kollektive Selbstverteidigung, Art. 51 UN-Charta). Es geht bei kollektiver Sicherheit also um die Bereitstellung eines öffentlichen Guts Sicherheit, das den Mitgliedern des Systems (und u. U. auch Staaten außerhalb davon) zuteilwird. Verschiedene Staaten innerhalb des Systems können dabei die Rolle als Anbieter oder Dienstleister übernehmen, wie es z. B. die NATO in Bosnien oder Afghanistan tat (Ringsmose 2016). Diese einführenden Überlegungen verdeutlichen, dass eine Institution mehrere Funktionen in sich vereinen kann. Im Fall der NATO ist dies sowohl ein zentraler, kollektiver Verteidigungsauftrag, der im Zweifelsfall auch waffenbewährt ist, und das Handeln als System kollektiver Sicherheit, das nach innen und nach außen versucht, Frieden durch Zusammenarbeit zu er‐ halten. Dass diese Funktionen teils auch eine Frage politischer Interpretation und unterschiedlicher Wahrnehmung durch unterschiedliche Akteure sind, werden die Diskussionen auf den kommenden Seiten zeigen. Nachdem sich Kapitel 3 und 4 mit dem kollektiven Verteidigungshandeln des Bündnisses befasst haben, legt dieses Kapitel den Schwerpunkt auf die kollektive Sicher‐ heitsfunktion der Allianz. Abschnitt 5.1 wird auf die Rolle und den Wandel kollektiven Sicherheitshandelns im nordatlantischen Raum eingehen. Da‐ nach werden wir einen Blick auf Sicherheitskooperationsformate werfen, die die NATO mit verschiedenen Staaten und in unterschiedlichen Formen (EAPC, PfP, ICI, …) eingegangen ist (5.2). Abschnitt 5.3 widmet sich einigen Missionen, die das out of area-Handeln der NATO in den vergangenen drei Jahrzehnten geprägt haben, darunter der Jugoslawienkrieg und die Kosovo-Intervention, das langwierige Engagement in Afghanistan oder die Mission in Libyen. Diese Missionen stehen exemplarisch für die Transfor‐ mation der Atlantischen Allianz seit den 1990er Jahren. In der Zusammen‐ fassung (5.4) wird auf die Zukunft der kollektiven Sicherheitsbemühungen der Allianz nach dem Afghanistaneinsatz geschaut. 5.1 Kollektive Sicherheit in der NATO im Wandel der Zeit Während die NATO für viele die kollektive Verteidigungsorganisation par excellence ist, waren Aufgaben kollektiver Sicherheit von Beginn an Teil der Funktion der Atlantischen Allianz. In Präambel sowie den Art. 1 und 2 5 Kollektive Sicherheit 180 <?page no="181"?> beruft sich der Nordatlantikvertrag sowohl auf das Gewaltverbot als auch die Sicherung friedlicher Beziehungen untereinander in der UN-Charta: „Die Parteien werden zur weiteren Entwicklung friedlicher und freundschaftli‐ cher internationaler Beziehungen beitragen, indem sie ihre freien Einrichtungen festigen, ein besseres Verständnis für die Grundsätze herbeiführen, auf denen diese Einrichtungen beruhen, und indem sie die Voraussetzungen für die innere Festigkeit und das Wohlergehen fördern. Sie werden bestrebt sein, Gegensätze in ihrer internationalen Wirtschaftspolitik zu beseitigen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen einzelnen oder allen Parteien zu fördern.“ (NATO 1949a) Fast genau vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind sich die Alliierten also bewusst, dass sie „ihre freien Einrichtungen“ und deren „Grundsätze“ (gemeint sind hier ihre liberalen, demokratischen Strukturen) schützen und vor allem noch festigen müssen, um die Beständigkeit von Frieden und Wohlfahrt im nordatlantischen Gebiet zu sichern. Hier wird also zum einen auf mögliche Probleme untereinander verwiesen, die die neuen Bündnispartner noch bewältigen müssen, und zum anderen werden in diesen und den folgenden Artikeln Mechanismen und Grundsätze der Friedens- und Wohlfahrtkonsolidierung festgelegt, z. B. Friedfertigkeit/ Gewaltverbot (Art. 1); kooperative Wirtschaftspolitiken (Art. 2); Konsulta‐ tionsprinzipien in sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen der Au‐ ßenpolitik (Art. 4). Somit hatte die NATO von Anfang an die Funktion „eines Forums für Dialog und Kooperation zwischen den Alliierten“ (Flockhart 2016, 144). So sollten und konnten die friedlichen Beziehungen unterein‐ ander gestärkt und das nötige gegenseitige Vertrauen aufgebaut werden, das für das in Artikel 5 niedergeschriebene Beistandsversprechen erforderlich war. 1952 und 1955 wurde diese innere kollektive Sicherheitsfunktion noch wichtiger. Zuerst traten 1952 Griechenland und die Türkei dem Bündnis bei, sodass nun zwei Staaten der NATO angehörten, die untereinander nicht un‐ erhebliche (Grenz-)Konflikte hatten. Es wird davon ausgegangen, dass diese institutionelle Einbindung der beiden Staaten an der südöstlichen Peripherie der Allianz die friedlichen Beziehungen zwischen ihnen gefestigt hat. 1955 folgte nach dem Scheitern der EVG der große Schritt des Beitritts der BRD und somit des totalitaristisch-faschistischen Gegners im Zweiten Weltkrieg. Die NATO sollte nun nicht mehr nur Deutschland kleinhalten, sondern sie diente jetzt sogar der Verteidigung Westdeutschlands und als Versicherung für die deutsche Wiederbewaffnung. Das Risiko eines erneuten deutschen 5.1 Kollektive Sicherheit in der NATO im Wandel der Zeit 181 <?page no="182"?> Großmachtstrebens und Expansionismus sollte innerhalb der Atlantischen Allianz gemanagt werden, indem durch die Bündnisstrukturen (und die Anwesenheit der USA) Vertrauen zwischen den früheren Gegnern wachsen sollte. So wurde die NATO spätestens 1955 eine hybride Organisation, in der sowohl kollektive Verteidigungsals auch kollektive Sicherheitsaufgaben organisiert wurden (Wallander und Keohane 1999, 41 f.; Kaim 2016, 8). Ganz im Sinne institutionalistischer Theorie (s. Kap. 2.1) konnten so im Bündnis Strukturen und Prozesse aufgebaut werden, die durch Mecha‐ nismen wie Informationsaustausch oder Diplomatie zu mehr Erwartungsstabilität und dem Aufbau von Vertrauen beitrugen. Gerade mit Blick auf die Einbindung Westdeutschlands wurde so ein erhebliches Problem europäischer Sicherheit aus dem Weg geschafft oder zumindest institutionell eingehegt. Auch während des Kalten Kriegs gab es Spannungen mit der BRD-Führung, als man sich z. B. nicht der Stoßrichtung der Ostpolitik Willy Brandts klar war oder sich die deutsche Anti-Atom-Protestbewegung ge‐ sellschaftlich aufmerksam gegen die nukleare Teilhabe der Bundesrepublik aussprach. Die Grenzstreitigkeiten zwischen der Türkei und Griechenland (CSIA European Security Working Group 1978) verursach(t)en genauso Konflikte wie das unilaterale Vorgehen von Großbritannien und Frankreich in der Suezkrise oder das Vorgehen der USA in der Kubakrise, als sich eine Lösung durch den Abzug von (veralteten) Nuklearwaffen aus der Türkei abzeichnete. Die gemeinsamen Institutionen der NATO (und die der EG) waren aber in der Lage, diese Spannungen abzubauen und fungierten somit als kollektives Sicherheitssystem zwischen den Alliierten. Trotzdem wurden nicht alle Gegensätze abgestellt oder alle Kooperationsmöglich‐ keiten realisiert, die angedacht waren. So spielen in der NATO bis heute Aspekte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit keine Rolle oder es wird trefflich darüber gestritten (Toje 2008, 24 f.). Es gibt begrenzte Kooperati‐ onsprogramme in der Forschung zu neuen Waffensystemen, aber insgesamt herrscht im Bereich der Rüstung eine Konkurrenzsituation. Dies hat auch negative Auswirkungen auf die Interoperabilität zwischen den Alliierten, die aufgrund der Vielzahl von Waffensystemen eine Herausforderung ist. Durch die enormen militärischen Fähigkeiten der USA, die von einer starken und innovativen Rüstungsindustrie bereitgestellt werden, entsteht hier zudem ein weiterer Führungsanspruch, der sich manchmal auch in mehr oder weniger deutlichen Aufrufen zum Kauf US-amerikanischer Produkte ausdrückt, wie zuletzt unter Donald Trump. Während des Kalten Kriegs war der Führungsanspruch der USA jedoch die meist akzeptierte Kehrseite 5 Kollektive Sicherheit 182 <?page no="183"?> 77 In dieser Unterschätzung der bereits vor dem Ende des Kalten Kriegs bestehenden kollektiven Sicherheitsfunktion der NATO und ihrer Institutionalisierung in einer weit gefächerten Organisationsstruktur kann der Grund für die falsche Vorhersage realistischer Autor*innen (Mearsheimer 1990) über die nahende Auflösung der NATO gesehen werden. Aus konstruktivistischer Perspektive (s. Kap. 6) wäre zudem die Existenz einer sozialen Gemeinschaft anzuführen, die durch eine gemeinsame Identität gestützt wurde. der Medaille Sicherheit und Verteidigung, die der Partner aus Übersee für Westeuropa garantierte. Nach dem Ende des Kalten Kriegs begann sich das kollektive Sicherheits‐ system der NATO stark zu verändern. Mit Ausnahme einiger Restbedenken gegenüber einem vereinten Deutschland in der Mitte Europas waren die Si‐ cherheitsprobleme der späten 1940er und 1950er Jahre überwunden worden und die NATO hatte ihre Funktionsfähigkeit als hybrides Sicherheits- und Verteidigungssystem zwischen den Alliierten unter Beweis gestellt. Der Kalte Krieg endete mit dem Zerfall der Sowjetunion, sodass sich die Frage nach der Notwendigkeit kollektiver Verteidigung erst wieder begrenzt 2001 und umfänglicher seit 2014 stellten. Durch die neue Situation der 1990er Jahre sah sich die NATO also mit vier Herausforderungen konfrontiert: Erstens musste sich die Allianz in Anbetracht des Wegfalls der sowjetischen Gefahr Fragen nach dem weiteren Sinn ihrer Existenz stellen. Da das Bündnis aber bereits seit den 1950er Jahren nicht nur (bedeutende) kollektive Verteidigungsfunktionen übernahm, ging es hier nicht um eine komplette Neuerfindung, sondern eher um neue Schwerpunkte - und für die USA auch um den Erhalt ihres Einflusses auf dem alten Kontinent (Hill 2018, 60 ff.). 77 Zweitens musste ein neues Verhältnis zu Russland gefunden werden. Drittens galt es, die Beziehungen zu den ehemaligen UdSSR-Staaten neu zu definieren. Schließlich mussten sich die Bündnismitglieder ebenfalls mit dem Problem zerfallender Staaten und dabei aufbrechenden ethnischen Konflikten beschäftigen, die vor allem das damalige Jugoslawien heim‐ suchten. Es stellte sich bald heraus, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen in Jugoslawien nicht durch die Akteure selbst beendet werden würden. Wegen ihres blutigen Verlaufs stellte der UN-Sicherheitsrat eine Gefahr für den Frieden und die Sicherheit fest und die Weltgemeinschaft griff ein, sodass es bereits im Herbst 1992 zu ersten Aktionen zur Durchsetzung einer Flugverbotszone über Bosnien-Herzegowina kam, an denen sich die NATO beteiligte. Für die Allianz setzte mit ihrem Engagement in Bosnien eine 5.1 Kollektive Sicherheit in der NATO im Wandel der Zeit 183 <?page no="184"?> 78 Ringsmose (2016) beobachtet allerdings, dass die Bereitstellung öffentlicher Güter (Sicherheit) durch die NATO ebenfalls an ihre Funktion als Verteidigungsorganisation und die Existenz eines Hegemonen gebunden ist. Epoche ein, die Aufgaben kollektiver Sicherheit inklusive der Durchführung von out of area-Interventionen in den Vordergrund ihres Handelns für die folgenden gut zwei Dekaden stellen sollte (Kitchen 2010, Kap. 4). Neben dem sichtbaren und teils kontroversen militärischen Engagement des Bündnisses war die Gestaltung eines neuen Systems der Zusammenarbeit in Europa und im nordatlantischen Raum - darunter mit dem ehemaligen Gegner Russland - das zweite Standbein des kollektiven Verteidigungshandelns der Allianz. Zwischen 1991 und 2004 gründete das Bündnis daher den Nordatlantischen Kooperationsrat (NACC), das Partnerschaft für den Frieden (PfP)-Programm, den Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat (EAPC), den Mittelmeerdialog (MD) und die Istanbuler Kooperationsinitiative (ICI), um Probleme kollektiver Sicherheit kooperativ zu bearbeiten (s. Kap. 5.2 hier; für eine Übersicht s. NATO 2020e). Durch das Aufkommen des internationalen islamistischen Terrorismus bestanden in den 1990er Jahren weitere Anreize zu Zusammen‐ arbeit. Das Verhältnis zu Russland und seine Rolle in diesen von der NATO initiierten Strukturen war und ist bis heute immer wieder Stein des Anstoßes in den Beziehungen. Wenngleich sich auch die EU und OSZE ab Mitte der 1990er Jahre als vor allem ziviler sicherheitspolitischer Akteure etablierten (s. 5.2.5), bestand gegen Ende der 1990er Jahre eine klare Aufgabenteilung, in der die NATO die führende sicherheitspolitische Organisation in Europa war und auch im Auftrag der UN kollektiven Sicherheitsoperationen dort und anderswo durchführte (Adam 2007; Hauser 2008, 38). Dieses Selbstverständnis drückte sich letztlich im Strategischen Konzept der Allianz von 1999 - dem ersten seit 1968! - aus, das den Wandel von kollektiver Verteidigung hin zu kollektiven Sicherheitsaufgaben in strategische Form goss (NATO 2009 [1999]; Hill 2018, 151 ff.). In den Folgejahren wurde diese Ausrichtung im Zuge der Schaffung der Combined Joint Task Forces (CJTF) und der NATO Response Force (NRF) weiter ausgebaut, genauso wie durch die Missionen der Allianz in Afghanistan. Damit hat die Allianz eine tiefgreifende Transformation durchlaufen, bei der ihr ursprünglicher Hauptzweck der kollektiven Verteidigung abgelöst wurde (Kitchen 2010). 78 Zusätzlich dehnte sie durch ihre Konsultations- und Kooperationsinitiativen mit Staaten des ehemaligen Ostblocks - inklusive 5 Kollektive Sicherheit 184 <?page no="185"?> 79 Die Mitgliedschaft nicht-europäischer Staaten ist aufgrund der geografischen Be‐ schränkungen des Nordatlantikvertrags automatisch ausgeschlossen. Russland -, des Mittelmeerraums und weiteren globalen Partnern (z. B. Aus‐ tralien, Pakistan oder Südkorea) ihre internen Eigenschaften eines Systems kollektiver Sicherheit nach außen aus, ohne dabei jedoch den Weg gleich‐ berechtigter Mitgliedschaft aller Staaten in diesem System zu gehen, die nur einigen Partnern (14 Beitritte nach 1990 79 bei über 50 institutionalisierten Partnernationen) gewährt wurde. Damit fand also eine bedeutende Auswei‐ tung partnerschaftlicher Sicherheitspolitiken im euro-atlantischen Raum und darüber hinaus statt, die aber gewiss zum Ziel hatte, die Partnernationen an die Ideen, Konzepte und Politiken der NATO anzunähern und nicht um‐ gekehrt. Hierin kann man die von Emanuel Adler (2008, 212) beschriebene liberal-missionarische Praxis von Sicherheitsgemeinschaften erkennen, ihre inneren Kooperationsmechanismen nach außen kehren zu wollen. Aus institutionalistischer Sicht liegt hier also ein Transformationsprozess vor, der zwar andere Funktionen des Bündnisses als kollektive Verteidigung in den Vordergrund rückte, aber der dennoch aus einer gewissen inneren Kontinuität erfolgte. Obwohl mit der OSZE im Jahr 1995 ein Russland gleich‐ berechtigt einschließendes kollektives Sicherheitssystem errichtet wurde, koexistierte in Europa die militärisch ausgerichtete NATO mit ihrer zwar in den Hintergrund getretenen, aber nicht erloschenen kollektiven, Russ‐ land ausschließenden, exklusiven Verteidigungsfunktion (Wallander und Keohane 1999, 44 f.). Beobachter*innen weisen häufig darauf hin, dass hier eine historische Chance für eine inklusivere Sicherheitsordnung in Europa verpasst worden sei. Es dürfen jedoch berechtigte Zweifel daran geäußert werden, ob diese Einbindung zweier Großmächte in dieselbe kontinentale kollektive Sicherheitsordnung eine realistische Option gewesen wäre oder zu ähnlichen Problemen von Machtspielen und Problemlösungsunfähigkeit wie im UN-Sicherheitsrat geführt hätte. Zusammenfassend können über den Transformationsprozess der NATO in den 1990er drei Aspekte festgehalten werden: 1. Die Atlantische Allianz hat bei ihrem Aufgabenwandel von kollektiver Verteidigung zu einem Schwerpunkt in kollektiver Sicherheit nicht von Null angefangen, sondern hatte eine seit ihren Anfangsjahren bestehende Funktion, Beziehungen zwischen den Bündnismitgliedern zu entspannen, Konflikte einzuhegen und Vertrauen aufzubauen. 5.1 Kollektive Sicherheit in der NATO im Wandel der Zeit 185 <?page no="186"?> Diese Funktion konnte nach dem Ende des Kalten Krieges nach außen gekehrt werden, um eine stabile neue Sicherheitslage in Europa zu schaffen. Die NATO war von Anbeginn eine hybride Institution. 2. Die kollektiven Sicherheitsaufgaben des Bündnisses setzen sich neben der fortbestehenden inneren Konfliktbearbeitung aus (zivil-)militä‐ rischen out of area-Missionen und aus weniger sichtbaren Konsul‐ tations- und Kooperationsprogrammen mit Nicht-Mitgliedern zu‐ sammen. Bei diesem neuen Programm gab es sowohl Erfolge durch die Schaffung einer stabilen Friedensordnung in Europa als auch Misserfolge, die in der Einbindung Russlands oder heute dem Wie‐ deraufkommen illiberaler Tendenzen außerhalb und innerhalb der NATO-Mitgliedstaaten gesehen werden können. 3. Die hybride Struktur der NATO vereint inklusive Sicherheitsmanage‐ mentsowie exklusive Verteidigungsaufgaben und Machtbalanceaspekte miteinander. Diese Kombination verursacht Probleme für innere und äußere Prozesse der Herstellung von Sicherheit, zeugt aber von der Anpassungsfähigkeit eines Bündnisses meist liberaler Demo‐ kratien, das fest in den außenpolitischen Kulturen der Mitgliedstaaten verankert ist. Die folgenden zwei Abschnitte werden die hier bereits angesprochenen Arenen der kollektiven Sicherheitsaufgaben der Atlantischen Allianz nun genauer betrachten. 5.2 Sicherheitskooperation in Europa und der Welt: Partnerschaften (Arena I) Seit 1991 hat die Atlantische Allianz ein weites Netz an Partnerschaftsini‐ tiativen und Beziehungen zu internationalen Institutionen aufgebaut, die zentrale Elemente im partiellen kollektiven Sicherheitssystem der NATO sind. Einige europäische Beteiligte der Initiativen sind im Verlauf des Kooperationsprozesses NATO-Mitglieder geworden (alle neuen Mitglieder nahmen an einem Programm teil), andere sind offiziell neutrale Staaten (Finnland, Österreich, Schweden, Irland, Schweiz), während die Mitglied‐ schaften Russlands Teil der Politik des Aufbaus kooperativer Beziehungen war, aber nicht auf eine Mitgliedschaft in der NATO abzielte. Weitere Staaten (Australien, Neuseeland, Japan, Pakistan u.v.a.m) kooperieren mit 5 Kollektive Sicherheit 186 <?page no="187"?> der Allianz auf einer case by case-Basis und teils sehr regelmäßig. Daneben unterhalten die Istanbul Cooperation Initiative und der Mittelmeerdialog des Bündnisses institutionalisierte Beziehungen zu arabischen Staaten bzw. den Mittelmeeranrainern an den südlichen und östlichen Grenzen Europas. Die folgenden Seiten werden diese Kooperationsprogramme und Partner‐ schaften nacheinander vorstellen. Danach wird eine kurze Übersicht über die Beziehungen der NATO zu anderen internationalen Organisationen gegeben. 5.2.1 Der Euro-Atlantische Partnerschaftsrat (EAPC) Durch die Verhandlungen zur deutschen Einheit im Verlauf des Jahres 1990 stellte sich für die NATO-Mitglieder bald die Frage nach der Gestaltung der zukünftigen Beziehungen mit der Sowjetunion. Bereits auf dem Londoner Gipfel vom Juli 1990 bot die Allianz den Staaten des Warschauer Pakts den Aufbau neuer kooperativer Beziehungen an. Am 20. Dezember 1990 entstand der North Atlantic Cooperation Council (NACC) - just zu dem Moment, als die Sowjetunion zusammenbrach. Dem NACC traten im Jahr 1992 die Länder der neu gegründeten GUS sowie weitere zentralasiatische und Kaukasus-Staaten und Albanien bei. Kooperation war zunächst noch sehr begrenzt und vor allem konsultativer Natur: Es wurde über den Abzug russischer Truppen aus den ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts und der Sowjetunion beraten sowie über regionale Konflikte wie die aus‐ brechenden Jugoslawienkriege gesprochen. Themen der Rüstungskontrolle, der zivilen Kontrolle der Streitkräfte oder der Verteidigungsplanung wurden ebenfalls angegangen. Wichtig war dabei der Aufbau von Dialog- und Kon‐ sultationsforen auf verschiedenen Ebenen, also sowohl im politischen als auch im militärischen Bereich sowie in Wirtschaftsfragen. Daher wurde ein jährliches Außenministertreffen vorgesehen sowie dazwischen Zusammen‐ künfte auf Botschafterebene. Die Abgrenzung zur Arbeit der KSZE (später OSZE) war dabei nicht immer klar, wobei dies in Anbetracht der schnellen Dynamiken und noch unklaren Entwicklung von politischen Bindungen und Institutionen nicht verwundert. Durch den Putschversuch gegen Gor‐ batschow im Sommer 1991 und Unterdrückung im Baltikum bewegte sich der NACC aber bald von der Idee einer gleichberechtigten Partnerschaft zwischen den USA und der Sowjetunion weg, da viele mittel- und osteu‐ ropäische Paktstaaten der sowjetischen Führung nicht mehr trauten und ihre Sicherheitspolitiken zunehmend transatlantisch ausrichteten. Da die 5.2 Sicherheitskooperation in Europa und der Welt: Partnerschaften (Arena I) 187 <?page no="188"?> NACC-Kooperation keinen Austausch der Verteidigungsminister vorsah, waren diese politischen Konsultationen zudem in den Augen der mittel- und osteuropäischen Staaten zu unterentwickelt, um substanzielle Sicherheit gegenüber Russland zu bieten (Broer 1997, 299 ff.; Hill 2018, 65 ff.). Im Rahmen des NACC wurde aber die umfangreichere Zusammenarbeit im Partnership for Peace-Programm (PfP) vorbereitet (s. u.), dem sich alle NACC-Staaten anschlossen. Der NACC ging im Jahr 1997 in den erweiterten Euro-Atlantic Partnership Council (EAPC) über (NATO 2017f). Dem EAPC gehören heute die 30 NATO-Mitglieder und 20 weitere Kooperationspartner an. (Bei seiner Gründung im Jahr 1997 waren viele EAPC-Staaten noch nicht NATO-Mitglied.) Seine Gründung verlief parallel zu den Verhandlungen über die NATO-Russland-Grundakte, die ebenfalls 1997 verabschiedet wurde und die Beziehungen zu Russland auf neue Beine stellte, und übertrug alle NACC- und PfP-Mitgliedschaften in das neue Format. Der Partnerschaftsrat fungiert gewissermaßen als Überbau für die weiteren Partnerschaftsprogramme der NATO im euro-atlantischen Raum und sorgt für eine gewisse politische und diplomatische Integration (de Dardel 2009, 26). Er hat dabei im Wesentlichen konsultative Funktionen. Da der Abzug von russischen Truppen aus den ehemaligen Warschauer Pakt-Staaten und den erneut unabhängigen Sowjetrepubliken Mitte der 1990er Jahre abgeschlossen war, konzentrierte sich die Arbeit des EAPC nun stärker auf Fragen des Krisenmanagements, der Rüstungskontrolle und Abrüstung, Non-Proliferation und Nuklearsicherheit, Terrorismus, ziviles Katastrophenmanagement, aber auch auf Budgetfragen, Grenzsicherheit oder die Koordination der internationalen Luftfahrt sowie die zivile Kon‐ trolle der Streitkräfte (NATO 2017b; Kaim 2016, 10). Zur Bearbeitung dieser Themen treffen sich die Botschafter*innen heute auf monatlicher Ebene, während die Außen- und jetzt auch die Verteidigungsminister*innen ein jährliches Meeting abhalten. Genau wie PfP funktioniert der EAPC nach einem Differenzierungsprinzip: Während die Zusammenkünfte monatlich zwischen allen Mitgliedern stattfinden, können sich einzelne Partner ent‐ schließen, häufigere Konsultationen durchzuführen und ggf. gemeinsame Projekte vereinbaren. Problematisch erwies sich dabei jedoch die Größe des Forums, wodurch wenig substantielle Diskussionen stattfinden. Letztlich sahen die Mitglieder, die der Atlantischen Allianz nicht beitreten konnten oder wollten, weniger Zugewinn im EAPC als die Staaten, die eine Beitritts‐ absicht heg(t)en (Hill 2018, 149). 5 Kollektive Sicherheit 188 <?page no="189"?> Durch die Auflösung der Sowjetunion und die Erweiterung der Allianz wurden NACC und EAPC aber ebenfalls größer als geplant war, sodass die angestrebte Politikkoordination schwieriger wurde (Kaim 2016, 10 f.; Moore 2014, 79). Trotzdem spielt der EAPC neben der schwerer fassbaren, aber dennoch wichtigen Wertekomponente insofern wichtige Rollen, als dass er Beitrittsperspektiven eröffnete, das Forum war, über das NATO-Partner in alliierte Operationen integriert wurden und in dem sich die Partnerstaaten über viele zivile Politiken und Kooperationsinitiativen austauschen und verständigen, selbst wenn sie nicht Mitglied der NATO werden wollen (de Dardel 2009, 27 f.). Nicht-Verständigung ist allerdings stets auch ein Resultat derart loser Konsultation und Kooperation wie im EAPC, was je nach Schwere des Kontexts eine Schwäche (Ziele, Kohärenz) als auch Stärke (Kleinhalten von Konflikten, Erhalt eines Forums) sein kann. 5.2.2 Das Partnership for Peace-Programm (PfP) Mit Blick auf die Probleme des NACC begannen einige NATO-Alliierte, darunter Deutschland oder die USA, sich die Frage zu stellen, ob nicht weitere Wege der Kooperation zwischen der Atlantischen Allianz und den mittel- und osteuropäischen Staaten unterhalb eines Beitritts gefunden werden könnten, die verbindlicher als die Zusammenarbeit im NACC waren. Der deutsche Verteidigungsminister Volker Rühe sprach ab dem Frühjahr 1993 sogar eine mögliche Beitrittsperspektive offen an und begründete dies mit einer notwendigen Weiterentwicklung der NATO. Gleichzeitig waren im Bündnis durchaus ideologisch geprägte Stellungnahmen zu vernehmen, die anerkannten, dass die eigene Sicherheit eng mit den neuen Demokratien im Osten der Bundesrepublik verbunden sein würde (Asmus 2002, 52 ff.; Schim‐ melfennig 2003, 92 ff.). Aufgrund unklarer, abwechselnd akzeptierenden und zurückweisenden Positionen Russlands zur Erweiterungsfrage, die für die mittel- und osteuropäischen Staaten letztlich das zentrale Interesse war, entschloss sich die Allianz schließlich, die Zusammenarbeit im NACC um eine stärker militärisch ausgerichtete Kooperation zu ergänzen. So wurde das Partnership for Peace-Programm (PfP) Ende 1993 in die Wege geleitet und im Januar 1994 auf einer Außenministertagung in Travemünde beschlossen (Broer 1997, 301 ff.). Vor dem Hintergrund, der sich immer weiter verschlechternden Lage auf dem Balkan, wurde es immer mehr Alliierten klar, dass eine Stabilisierung der neuen Sicherheitslage in Europa notwendig war. Diese Stabilisierung konnte aus ihrer Sicht - und der der 5.2 Sicherheitskooperation in Europa und der Welt: Partnerschaften (Arena I) 189 <?page no="190"?> mittel- und osteuropäischen Staaten, die nicht wieder unter russischer Herrschaft stehen wollten - letztlich nur über die NATO-Mitgliedschaft erfolgen (Asmus 2002, 14 ff., 35 ff.; Hill 2018, 112 ff.). Da sich die Alliierten trotz der amerikanisch-deutschen Entente aber noch nicht auf eine Mit‐ gliedschaftsperspektive einigen konnten, wurde zunächst der intensivere Kooperationsweg mit PfP beschritten (Broer 1997, 305 f.). Formal blieb das neue PfP-Programm zudem im Rahmen des EAPC verankert (Kaim 2016, 11). PfP- und spätere NATO-Mitgliedschaften Land PfP NATO Land PfP NATO Albanien 1994 2009 Nordmazedonien 1995 2020 Armenien 1994 Österreich 1995 Aserbaidschan 1994 Polen 1994 1999 Bosnien und Herzegowina 2006 Rumänien 1994 1999 Bulgarien 1994 2004 Russland 1994 Estland 1994 2004 Schweden 1994 Finnland 1994 Schweiz 1996 Georgien 1994 Serbien 2006 Irland 1999 Slowakei 1994 2004 Kasachstan 1994 Slowenien 1994 2004 Kirgisistan 1994 Tadschikistan 2002 Kroatien 2000 2009 Tschechien 1994 1999 Lettland 1994 2004 Turkmenistan 1994 Litauen 1994 2004 Ukraine 1994 Malta 1995 Ungarn 1994 1999 Moldawien 1994 Usbekistan 1994 Montenegro 2006 2017 Weißrussland 1995 Tabelle 14: PFP- und spätere NATO-Mitgliedschaften (Quelle: NATO (2020i, 2018i), eigene Darstellung) 5 Kollektive Sicherheit 190 <?page no="191"?> Um die kooperativen Beziehungen mit Russland aufrecht zu erhalten, die besonders mit Blick auf die Krise auf dem Balkan und dortige Operationen bedeutend waren, setzte PfP auf Zusammenarbeit und verlangte in seinem Rahmendokument (Partnership for Peace Framework Document), dass diese gegen niemanden gerichtet sein dürfe: „In joining the Partnership, the member States of the North Atlantic Alliance and the other States subscribing to this Document recall that they are committed to the preservation of democratic societies, their freedom from coercion and intimidation, and the maintenance of the principles of international law. They reaffirm their commitment to fulfil in good faith the obligations of the Charter of the United Nations and the principles of the Universal Declaration on Human Rights; specifically, to refrain from the threat or use of force against the territorial integrity or political independence of any State, to respect existing borders and to settle disputes by peaceful means. […]“ (NATO 1994 [2009]) Diese Grundsätze formulieren also erstens eine Verpflichtung auf gute nachbarschaftliche Beziehungen und den Verzicht auf Gewalt; zweitens ver‐ weisen sie auf weitere kollektive Sicherheitsinstitutionen wie die KSZE oder die UN; und drittens verpflichten sie auf die bestehenden Abrüstungs- und Rüstungskontrollbemühungen. Zunächst brachte PfP zudem den Vorzug, durch einen verstärkten Austausch der militärischen Ebene verlässlichere Beziehungen zu den Armeen aller Programmstaaten aufzubauen - dabei also auch mit der russischen, was unter dem Gesichtspunkt der Entspannung als besonders wichtig erachtet wurde (Hill 2018, 114 ff.). Jedoch waren die Zielsetzungen Russlands und der NATO letztlich nicht kompatibel, weil die NATO auf die Bewahrung ihrer kollektiven Verteidigungsfähigkeit bedacht war, Russland aber ein schwächeres kollektives Sicherheitssystem mit ihm selbst als zweiter Großmacht etablieren wollte - oder sogar als einzige Großmacht bei der Schaffung eines rein europäischen Systems (Broer 1997, 310). Der qualitative Kooperationssprung von PfP bestand darin, länderspezi‐ fische Partnerschaften zu entwickeln, die die konsultative Ebene verließen und durch Koordination, gemeinsame Übungen und Ausbildung langfristig zur Interoperabilität der Streitkräfte von NATO- und PfP-Ländern für Friedensmissionen führen sollte (Kaim 2016, 11). Wegen der unterschied‐ lichen Ideen zur Erweiterung der Allianz sollte mit einer PfP-Teilnahme keine automatische Entscheidung über eine zukünftige Mitgliedschaft des Partnerlandes getroffen werden (Asmus 2002, 49 ff.), PfP aber gleichzeitig 5.2 Sicherheitskooperation in Europa und der Welt: Partnerschaften (Arena I) 191 <?page no="192"?> als Voraussetzung dafür dienen. Das Erreichen von Interoperabilität ist eine notwendige Bedingung einer gemeinsamen Verteidigung (Broer 1997, 306 ff.). Konkrete Ziele des PfP sind ▸ Transparenz in der Verteidigungsplanung der Mitgliedstaaten (inkl. Budgets); ▸ demokratische Kontrolle der Armeen; ▸ Bereitstellung von militärischen Kapazitäten für die UN oder KSZE; ▸ Aufbau kooperativer Beziehungen zur NATO in Planung, Übungen, Training; ▸ Bereitschaft zur Durchführung von peacekeeping-Missionen, huma‐ nitärer Interventionen sowie Rettungsmissionen; ▸ Herstellung von Interoperabilität (NATO 1994 [2009]). Im Rahmen dieser Ziele erstellt jedes der derzeit 20 Partnerländer einen individuellen Plan (Individual Partnership Programme, IPP) eigener Engage‐ ments und Beiträge, der mit der Atlantischen Allianz koordiniert, durch die o. g. Schritte implementiert sowie in Verbindung mit dem NACC/ EAPC unter transparenten Verteidigungsplanungsbedingungen verfolgt und evaluiert wird. Die Sicherstellung einer effektiven zivilen Kontrolle des Militärs war dabei ein zentrales Anliegen (NATO 2020 f). Seit 2011 gibt es drei verschiedene Typen der Partnerschaft, die sich nach Umfang der Kooperation und Tiefe der innenpolitischen Reformagenden der Staaten unterscheiden und die sie frei wählen können. Der erste Typ, das Indivi‐ dual Partnership and Cooperation Programme (IPCP), ist sehr stark auf die Kooperationswünsche der Partnerstaaten abgestimmt und modular. Der zweite Typ, der Individual Partnership Action Plan (IPAP), zielt auf die Konsolidierung demokratischer Reformen der Streitkräfte und ihrer Kontrolle im Partnerstaat ab. Der intensivste Typ der Zusammenarbeit steht nur den Staaten zur Verfügung, die sich im Rahmen eines Membership Action Plan (MAP) in einem Beitrittsprozess zur NATO befinden (NATO 2016c). Bosnien-Herzegowina trat z. B. 2006 dem PfP-Programm bei und unterwarf sich ab 2007 dem Überprüfungsmechanismus Partnership for Peace Planning and Review Process (PARP). Nach Durchlaufen des verein‐ barten Reformprogramms trat Bosnien-Herzegowina im Jahr 2010 in die MAP-Phase des Beitrittsprozesses ein. Der Staat nahm außerdem an ISAF teil und stellt noch heute Truppen für Resolute Support in Afghanistan (NATO 2020g). Moldawien stellt Minenräumkräfte und einen Infanteriezug für KFOR im Kosovo bereit, strebt aber wegen seines Neutralitätsstatus keinen 5 Kollektive Sicherheit 192 <?page no="193"?> 80 Hauser (2008, 45 ff.) gibt einen ausführlichen Einblick in die PfP-Aktivitäten Öster‐ reichs. 81 Es gibt unterschiedliche Aussagen, ob Russland das Gleichstellungsprinzip akzeptierte (Asmus 2002, 53 f.). NATO-Beitritt an. Trotzdem verfolgt es im Rahmen von PfP und PARP zusammen mit der Allianz innenpolitische Reformen durch einen IPAP (mittlere Kooperationsstufe) und nimmt an Interoperabilitätsinitiativen teil (NATO 2018g). 80 An dieser Neuaufstellung der Partnerschaften zeigt sich somit eher eine funktionale Sicherheitslogik als eine regionale, bei der die NATO daran interessiert ist, Sicherheit unabhängig von ihrem Ort in spezi‐ fischen Krisen oder Situationen zu erzeugen (Flockhart 2014, 26). Ausdruck davon ist ebenfalls, dass Partnerschaftsinitiativen nun die Teilnahme von weiteren Staaten wie den globalen Partnern (s. u.) ermöglichen (Moore 2014, 75 ff.). Diese Logik hat somit Ähnlichkeiten mit dem Global NATO-Konzept (Christiansson 2014, 61). Durch diese konkreten Formen der Kooperation sollen die Stabilität im euro-atlantischen Raum erhöht werden. Die im Rahmen von PfP organi‐ sierten Übungen stehen seit 2011 auch den globalen NATO-Partnern und Mitgliedern der anderen Initiativen (ICI, MD, s. u.) offen (NATO 2020 f.). Mittlerweile haben diese Partnerstaaten an vielen NATO-Missionen, z. B. in Bosnien, Afghanistan oder in Libyen, teilgenommen (s. 5.3), was für einige der Staaten ein primäres Interesse darstellte, vor allem mit Blick auf die instabile Balkanlage in den 1990er Jahren (Flockhart 2014, 26 ff.; Hill 2018, 114). Spannungen mit Russland ließen sich aber durch PfP nicht vermeiden, da Russland zwar deklaratorisch in seiner besonderen Rolle anerkannt wurde, es formal aber allen anderen Programmländern gleichgestellt ist. 81 Außerdem verfolgte die Clinton-Administration ab Sommer 1994 eine eindeutige pro-Erweiterungspolitik, die die fragile Balance mit Russland in Frage stellte. Um die Etablierung der kooperativen Beziehungen mit dem alten Gegner nicht vollends zu gefährden, begaben sich die Alliierten daher auf den Weg der Verhandlung der NATO-Russland-Akte, der 1997 abgeschlossen wurde und somit in einem anderen Format eine formale russische Sonderstellung etablierte (s. Kap. 2.3.5; Asmus 2002, 207 f.). Durch diese Schritte konnte das Bündnis mit seiner Erweiterungspolitik fortfahren (s. 4.2; Broer 1997, 310 f.). Wie in anderen NATO-Kooperationsprogrammen und der NATO selbst zeigt sich auch im PfP der Dreiklang aus rationalen strategisch-verteidi‐ 5.2 Sicherheitskooperation in Europa und der Welt: Partnerschaften (Arena I) 193 <?page no="194"?> 82 Asmus (2002, 125) führt hier zum Erfolg des PfP-Konzepts aus: „Few things more vividly demonstrated how NATO could transcend past Cold War divisions than the sight of a Czech mechanized battalion incorporated into a Canadian brigade subordinated to a British division—or a Polish airborne battalion serving as part of a Nordic-Polish brigade subordinated to a U.S. infantry division.“ gungspolitischen Erwägungen, liberaler (Erweiterungs-)Ideologie und den Möglichkeiten mächtiger Allianzmitglieder wie den USA (zu geringeren Teilen Deutschlands oder Frankreichs), Politiken in ihren Interessen ent‐ sprechende Richtungen zu lenken. Die Rolle der Hegemonialmacht USA bei der Erweiterungsentscheidung ist dabei laut Hill (2018, 115) oder Kaim (2016, 7 f.) nicht zu unterschätzen und war ausschlaggebend, während an‐ dere Alliierte unterschiedlich positive (Deutschland) oder ablehnende Hal‐ tungen (Frankreich, Großbritannien) formulierten. PfP sollte zweifelsohne liberal-demokratische Sozialisationsprogramme in den Partnerstaaten (inkl. Russlands! ) anstoßen oder die unterstützen, die bereits seit der Zeitenwende im Gange waren. Frank Schimmelfennig bringt diesen Ansatz auf den Punkt: „Association in the Partnership for Peace program has served both as a training program and as a probationary stage for the CEECs [mittel- und osteuropäische Staaten, FO] aspiring to membership. In PfP, NATO teaches the values, norms, and practices of the Western international community and tests whether the candidates meet the learning objectives.“ (Schimmelfennig 2003, 93, H.i.O.) Es ging bei PfP also eindeutig um einen Angleichungsprozess gen Westen, den die NATO steuerte. Dieser Prozess war auch im Sinne der US-ame‐ rikanischen grand strategy der Verteidigung der liberalen, regelbasierten Weltordnung und ihrer Rolle darin (Flockhart 2014, 29 ff.). Die mittel- und osteuropäischen Staaten, die den Beitritt anstrebten, sahen sich dieser Gemeinschaft zugehörig und durch die sowjetische Bevormundung nur temporär entfernt. PfP kann also sowohl als interessenwie wertegeleitet angesehen werden - von beiden Seiten! Es ist somit nur bedingt mit einer russischen politischen Agenda kompatibel, die sich Einfluss auf die außenpolitischen Entscheidungen von Staaten vorbehält. Die Einbettung von mittel- und osteuropäischen Staaten und Russlands in die IFOR-Mission in Bosnien waren aber Belege dafür, dass PfP funktionieren konnte (Asmus 2002, 124 ff.; Hill 2018, 115 f., 131 ff.). 82 Positiv ist ebenfalls die Einbindung der neutralen Staaten Finnland, Irland, Österreich, Schweden und der Schweiz in EAPC und PfP, die so trotz ihres besonderen Status an der euro-atlantischen Sicherheitsarchitektur teilnehmen (Kaim 2016, 11). 5 Kollektive Sicherheit 194 <?page no="195"?> 83 Ein PfP-Katalog weist 1.600 verschiedene Kooperationsmöglichkeiten aus (Kaim 2016, 11). Nach dem Ende des Bosnienkriegs waren die Folgejahre vor allem durch eine erhöhte Übungs- und Austauschaktivität geprägt, während der Beitritt von Polen, Tschechien und Ungarn im Jahr 1999 bereits wieder Schatten auf die Beziehungen mit Russland warf (Asmus 2002, 139 ff.). Die Anzahl an PfP-Aktivitäten beläuft sich teils auf mehrere Hundert pro Jahr (de Dardel 2009, 28). 83 Nach einer durch die Transformationsprozesse der 1990er Jahre geprägten Liberalisierungsphase, in der PfP/ EAPC einen wichtigen koordinativen und kooperativen Platz einnahmen, wurden die Partnerschaftsprogramme während der Bush Jr.-Administration (2000-2008) allerdings durch die zum Teil unilaterale Vorgehensweise der USA belastet und sehr in Richtung Anti-Terror-Zusammenarbeit getrimmt (Moore 2014, 74). Auch unter Obama bestand ein utilitaristischer Zugang zu den Part‐ nerschaftsaktivitäten, der sich allerdings um den Erhalt der durch die Programme unterstützten liberalen Weltordnung und ihre Verteidigung gegenüber die Ordnung herausfordernden Staaten wie China und Russland drehte (Flockhart 2014, 17 f.). Daneben hat vor allem die Idee von operativen Beiträgen zu NATO-Missionen die Oberhand gewonnen (Christiansson 2014, 67 f.). Insgesamt hat PfP zwar nicht die Probleme um die genaue Form der Einbindung Russlands gelöst (dies wäre nur bei einer völlig gleichberechtigten OSZE-Lösung gegangen, die aber das kollektive Vertei‐ digungsprinzip beendet hätte), wurde vor allem in den späten 2000er Jahren nicht in größerem Umfang genutzt und war bis Afghanistan auf militärische Fragen fokussiert (de Dardel 2009, 7 f., 23 ff.), aber PfP ist es letztlich gelungen, viele Akteure zu sehr unterschiedlichen Sicherheitsproblemen zusammenzubringen und teils Lösungen, wie z. B. in Bosnien, zu erarbeiten - zumindest bis zum Jahr 2007, Putins Rede auf der Münchener Sicherheits‐ konferenz, während der er westliche Politik geißelte (s. Mühling 2014), und dem Georgienkrieg 2008. Seitdem ist Kooperation mit Russland extrem schwierig und Initiativen der Allianz konzentrieren sich neben der Stärkung der eigenen Verteidigungsfähigkeit auf die Ertüchtigung der Partnerstaaten als potentielle Verteidigungslinie gegenüber russischer Aggression, aber auch gegen Gefahren wie der regionalen Destabilisierung durch ISIS (Chris‐ tiansson 2014, 68; Flockhart 2014, 25; Kaim 2016, 11, 17 ff.). Die NATO folgt mit EAPC und PfP et al. sicherlich ihre Eigeninteressen nach Sicherheit, Verteidigung, Einsatzfähigkeit und Stabilität (Moore 2014, 73 ff., 77 f.). Diese 5.2 Sicherheitskooperation in Europa und der Welt: Partnerschaften (Arena I) 195 <?page no="196"?> müssen nicht per se als russischen Interessen gegenläufig gesehen werden. Somit verbinden sich in den Partnerschaften der Allianz inklusive und exklusive Elemente miteinander, die die hybride Struktur der NATO und ihrer Missionen zwischen kollektiver Verteidigung und einem kollektiven Sicherheitssystem charakterisieren. 5.2.3 Der Mediterranean Dialogue und die Istanbul Cooperation Initiative Neben PfP schloss die NATO 1994 den Mediterranean Dialogue (MD) ab, dem heute (2020) Ägypten, Algerien, Israel, Jordanien, Mauretanien, Ma‐ rokko und Tunesien angehören (Algerien trat 2000 als letztes Land ein, Kaim 2016; NATO 2020e). Ziel des MD war es, Misstrauen gegenüber der NATO abzubauen, der einige Staaten des Mittelmeerraums aufgrund der starken US-amerikanischen Rolle in ihr und im Nahostkonflikt mit Skepsis gegenüberstanden (und stehen), sowie die sogenannte Südflanke der Allianz durch Entspannung und Kooperation zu stabilisieren (de Dardel 2009, 29 ff.; Jørgensen 2014, 114 f.). Der Dialog versank mangels eines starken gegenseitigen Interesses und des zähen israelisch-palästinensischen Friedensprozesses lange in der Versenkung (ibid., 112; Papenroth 2005, 4; Said 2004). Er gewann aber nach den Ereignissen von 9/ 11 im Zuge des Kampfes gegen den Terror, der Angst vor der WMD-Proliferation sowie wegen Energiesicherheit und Flüchtlingsfragen an Bedeutung (Flockhart 2014, 24; Kaim 2016, 12). Vor demselben Hintergrund ist die Etablierung der Istanbul Cooperation Initiative (ICI) auf dem Allianzgipfel am selben Ort (2004) zu verstehen, die den Kreis der Partner um Bahrain, Kuweit, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate (UAE) erweiterte. Saudi-Arabien und Oman wurden als Mitglieder des Golfkooperationsrats (GCC) ebenfalls eingeladen, sind aber bisher nicht beigetreten. Die Initiative ist grundsätzlich offen gegenüber anderen Mitgliedschaftswünschen (NATO 2019i, 2020e; Hill 2018, 223). Mit Blick auf die ISAF- und OEF-Einsätze in und um Afghanistan sollte so eine breitere Basis für das Handeln des Bündnisses geschaffen und dem Eindruck einer anti-muslimischen Kampagne begegnet werden. Gleichzeitig rückte man durch die gewonnenen Partner geografisch näher an Afghanistan heran, was unter operativen Gesichtspunkten nützlich war (z. B. Basen- und Hafennutzung, Überflugrechte, Papenroth 2005, 9). Seit den Angleichungsschritten der Jahre 2006 und 2011, die einen Großteil der PfP-Aktivitäten für alle Kooperationspartner öffneten und 5 Kollektive Sicherheit 196 <?page no="197"?> die Prozesse standardisierten, unterscheidet sich die Zusammenarbeit im Rahmen von PfP, MD und ICI kaum noch und unterliegen denselben Kooperationstypen - allerdings in MD und ICI bis heute nur auf der ersten PfP-Ebene, dem IPCP (Moore 2014, 75; NATO 2015c). Nachdem zu Beginn nur Jordanien ISAF-Truppen stellte (Kaim 2016, 12), haben sich über die Jahre weitere Länder an ISAF beteiligt. Am Libyeneinsatz der Allianz nahmen Jordanien, Katar, Marokko und die Emirate teil (NATO 2015b, 2019i). Früher haben Ägypten, Jordanien und Marokko kleinere Truppenkontingente zu den NATO-Missionen KFOR, IFOR und SFOR im ehemaligen Jugoslawien beigetragen (Said 2004). Die NATO und die Partner vereinbaren jährliche Arbeitsprogramme aus Seminaren und anderen Aus‐ tauschaktivitäten um PfP-vergleichbare Themen (Anti-WMD-Proliferation, Anti-Terror-Konsultationen, Grenzsicherheit, ziviles Krisenmanagement, Streitkräftemodernisierung), sie können teils an Übungen teilnehmen und erhalten bei Bedarf militärisches Training von lokalen Multiplikations‐ kräften (training the trainers), die das gewonnene Wissen in die eigenen Armeen weitertragen. Konsultationstreffen finden etwas weniger häufig als im PfP statt, sind aber regelmäßig und involvieren verschiedene politische und Arbeitsebenen. Die Anzahl von Partnerschaftsaktivitäten erreichte im Jahr 2011 im MD ca. 700 (NATO 2015c), in der ICI ca. 330 und heute (2019) bereits um 500 Aktivitäten (NATO 2019i). Damit bewegen sich die Austausch- und Kooperationsprogramme in Anbetracht der deutlich kleineren Mitgliedschaft der Initiativen als im PfP auf einem sehr hohen Niveau. Koordiniert werden die MD-Aktivitäten zudem seit 1997 durch eine Mittelmeerkoordinationsgruppe, die direkt unterhalb der NAC-Ebene ar‐ beitet und somit den Dialog prominent institutionalisiert. Für ICI wurde ein vergleichbares Gremium eingesetzt. Die Koordination erfolgt zweimal im Jahr auf Botschafterebene und zusätzlich in zwei verschiedenen Formaten (NATO+1 Partner, NATO+7 Partner) für thematische Kooperation. Die Allianz trägt einen Großteil der Kosten der Partnerschaftsaktivitäten, wenn die Partnerstaaten ein Pro-Kopf-Einkommen von weniger als USD $6.000 haben (Papenroth 2005, 4, 8, 10). Ein kohärentes Vorgehen gestaltet sich im Rahmen von MD und ICI aber ähnlich schwierig wie in EAPC und PfP, da sich die sicherheitspoliti‐ schen Interessen der Staaten teils stark unterscheiden und im Golfraum durch saudi-arabische Hegemonieambitionen und auch die Bereitschaft zum Einsatz von Gewalt geprägt sind. Daher erscheint das aus dem PfP übernom‐ mene bilaterale Vorgehen als adäquate Wahl (de Dardel 2009, 29), während 5.2 Sicherheitskooperation in Europa und der Welt: Partnerschaften (Arena I) 197 <?page no="198"?> multilaterale Initiativen ein Nischendasein haben, genau wie weitergehende demokratische oder zivil-militärische Transformationsvorhaben, wie sie PfP und den EAPC in den 1990er Jahren charakterisierten. Durch MD und ICI ist somit keine Kooperation zwischen den Partnerstaaten entstanden, was an fehlender Klarheit auf beiden Seiten bezüglich des Zwecks der Partnerschaft liegt und eine Beitrittsperspektive sowie Sicherheitsgarantie fehlt ( Jørgensen 2014, 113, 115 f.). So stellt Mohamed Said über den MD fest, dass „Europe and the United States seem to believe that political dialogue, discussions and information exchange must be the starting point for a relationship to build confidence and stimulate constructive cooperation. By contrast, Arab Dialogue countries prefer to start with hard issues, including especially those relating to the Arab-Israeli conflict.“ (Said 2004) NATO-Staaten und Partner hatten also grundsätzlich verschiedene Vorstel‐ lungen über den Prozess der Kooperation und setzten zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Schwerpunkte (s. auch Papenroth 2004, 2). Der politische Systemgegensatz zwischen Demokratien in der NATO und vielen Autokratien unter den MD- und ICI-Staaten macht Partnerschaft ebenfalls nicht leichter, insbesondere zu einer Zeit, als sich die USA nach 9/ 11 und im Irak eine Regimewechsel- und spread of democracy-Agenda auferlegten ( Jørgensen 2014, 117 f.; Said 2004; Müller 2008, 45 f.). Durch die Bedrohung durch ISIS, die auch die MD- und ICI-Staaten angeht, bestehen aber mehr Überschneidungen in den Agenden als zuvor. Militärische Kooperation ist jedoch gering, da die NATO selbst im Kampf gegen ISIS nur eine untergeordnete Rolle spielt. Für die Zukunft der Partnerschaften wird es zentral sein, gemeinsame sicherheitspolitische Vorstellungen und verteidi‐ gungspolitische Konzepte zu entwickeln, wenn die Beziehungen über die jetzige Kooperationsebene hinausentwickelt werden sollen (de Dardel 2009, 30, 38; Kaim 2016, 12 ff.). In Anbetracht der aktuellen Konfliktlage im Nahen Osten wird das allerdings nicht leicht sein. 5.2.4. Bilaterale Beziehungen, globale Partner und neue Ziele Ein weiterer Anlauf der NATO im Bereich kooperativer Sicherheit zielte auf die Integration von Partnern in Asien und Ozeanien ab, die sich durch ihr En‐ gagement in Afghanistan hervorgetan haben. Seit dem Straßburg/ Kehl-Gipfel 2009 wird diese Gruppe als Partners across the Globe (PATG/ PatG) bezeichnet 5 Kollektive Sicherheit 198 <?page no="199"?> 84 Kaim (2016, 16) erklärt, dass diese Staaten seit 1998 als contact countries geführt wurden. Nicht-formalisierte Zusammenarbeit gibt es mit China, Indien, Indonesien, Malaysia und Singapur. (Christiansson 2014, 61) und umfasst heute laut NATO (2020e) Afghanistan, Australien, den Irak, Japan, Kolumbien, die Mongolei, Neuseeland, Pakistan und Südkorea. 84 Somit wird hier wieder eine ideologische Komponente deut‐ lich, denn bei Australien, Japan, Neuseeland oder Südkorea handelt es sich um eine Gruppe demokratischer Länder, die teils schon lange an der Seite der Alliierten bzw. der USA kämpfen. Durch ihre ISAF-Beteiligung ergab sich die Notwendigkeit, diese Staaten stärker in die Entscheidungsprozesse der Allianz einzubinden, was das Bündnis auf seinem Riga-Gipfel 2006 beschloss. Diese Staaten gewannen so nicht nur Einfluss auf ISAF-Entscheidungen, sondern konnten im Zuge der Reform der NATO-Partnerschaften ebenfalls an den anderen Partnerschaftsaktivitäten teilnehmen und erhielten ähnlich maßge‐ schneiderte Kooperationsprogramme (Schreer 2014, 103 f.). Diese Integration entsprach dem gesteigerten US-amerikanischen Engagement in Asien, das vor allem seit Obamas pivot-Initiativen im Vordergrund der sicherheitspolitischen grand strategy stand (Kaim 2016, 16; Moore 2014, 74 f.). Gleichzeitig verleiht die Einbindung dieser Partner dem Handeln der NATO Legitimität, da so deutlich wird, dass nicht nur 30 Bündnisstaaten z. B. in Afghanistan handeln, sondern auch 20 andere Partner aus anderen Weltregionen und Kulturkreisen. Insgesamt wird so die Interoperabilität zwischen den verschiedenen Streit‐ kräften verbessert. Dieser Zugang untermauert das toolbox-Verständnis, das die USA und einige andere Bündnismitglieder (z. B. Frankreich) seit den 2000er Jahren als alliiertes Kooperationskonzept forcieren, wie in Libyen geschehen (Christiansson 2013; Kaim 2016, 15; Ostermann 2016). In Anbetracht der großen Anzahl von asiatischen PATG-Ländern wird die Zukunft der Koope‐ ration davon abhängen, wie sehr die NATO in einer Zeit nach Afghanistan in der Region engagiert sein wird und gemeinsame Interessen existieren (Schreer 2014, 105 ff.). Seit der russischen Invasion und Annexion der Krim identifiziert Kaim (2016, 17 f.) zudem eine weitere Partnerschaftswelle, in der die NATO Nachbarstaaten beim Aufbau militärischer Verteidigungskapazitäten unter‐ stützt. Es geht hierbei sowohl um Verteidigung gegen die neue russische Aggressivität als auch um den Kampf gegen ISIS. Während im ersten Fall die territoriale Integrität der NATO-Mitglieder und ihrer Nachbarn gefährdet ist, soll die Unterstützung anderer Staaten gegen ISIS für eine stabilere Lage 5.2 Sicherheitskooperation in Europa und der Welt: Partnerschaften (Arena I) 199 <?page no="200"?> an der Südflanke der Allianz sorgen, die im Moment wegen ISIS und des Syrienkriegs gefährdet ist. Im Zuge dieser neuen Schwerpunkte hat die NATO verschiedene Initiativen gestartet, die die Interoperabilität zwischen allen Staaten verbessern sollen (z. B. auch mit Finnland und Schweden, die als neutrale Länder eine zentrale Stellung gegenüber Russland haben), die Stationierung von NATO-Truppen ermöglichen oder eine Beteiligung an NRF vorsehen. Darüber hinaus unterhält die NATO spezifische bilate‐ rale Beziehungen. Mit Georgien wird eine NATO-Georgien-Kommission unterhalten, die dem politischen und strategischen Dialog gilt sowie der Stärkung der liberalen Weltordnung dienen soll und nach dem russisch-ge‐ orgischen Krieg von 2008 eingerichtet wurde (Flockhart 2014, 25 ff.). Es gibt ebenfalls spezialisierte Programme mit Georgien (Substantial NATO-Georgia Package, NATO-Georgian Joint Training and Evaluation Centre), die den Partnerschaftsbeziehungen ähneln, aber sehr stark kapazitätsorientiert sind (NATO 2017h) und klar auf eine gesteigerte Verteidigungsfähigkeit gegen‐ über Russland abzielen (Kaim 2016, 14). Die Beziehungen zur Ukraine sind ebenfalls in einer NATO-Ukraine-Kom‐ mission institutionalisiert (seit 1997) und haben seit der russischen Invasion der Krim eine zentrale Rolle eingenommen. Genau wie im Falle Georgiens geht es auch bei den Beziehungen zur Ukraine darum, das große europäi‐ sche Land in der westlich-liberalen Weltordnung zu verankern und es unabhängiger von russischen Einflüssen zu machen (Flockhart 2014, 27 ff.; Wolff 2017, 71 ff.). Während dies bereits seit Beginn der NACC/ EAPC-Part‐ nerschaft erreicht werden sollte, haben sich diese Möglichkeiten zu Trans‐ formation mit dem russischen Eingreifen auf der Krim und in der Ostukraine jedoch fundamental verändert. Zwar strebt die aktuelle ukrainische Führung in ihren politischen Reformen durchaus gen Westen, Russland hat einer außenpolitischen Unabhängigkeit der Ukraine aber eine klare Absage er‐ teilt und macht deutlich, dass es die Ukraine nach wie vor zur eigenen Einflusssphäre zählt (Mearsheimer 2014; Wolff 2017, 81 ff.). In Anbetracht des russischen Auftretens werden somit Pläne für eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine oder Georgiens, die einige Alliierte in der Vergangenheit hegten, auf absehbare Zeit keine Rolle spielen (Kaim 2016, 17 f.; Wolff 2017, 74 ff.) - schließlich reagierte Russland 2014 bereits mit den bekannten Folgen auf eine empfundene Verletzung seiner Interessen durch wirtschaftliche Partnerschaftspolitik der Ukraine mit der EU und nicht etwa auf ein erneutes NATO-Beitrittsangebot (Hill 2018, 338 ff., 348 ff.)! Neben der Zusammenar‐ beit im Rahmen von PfP mit seinen üblichen Initiativen zur Interoperabilität, 5 Kollektive Sicherheit 200 <?page no="201"?> Übungen, Training oder Reformmaßnahmen im Sicherheitssektor stärkt die Atlantische Allianz die Ukraine seit 2014 nun auch im Bereich hybrider Gefahrenerkennung und Cyberabwehr, sicheren militärischen Kommuni‐ kations- und Kontrollsystemen oder z. B. Anti-Minenprogrammen und hat dafür sechs nur für die Ukraine gedachte Finanzierungsinstrumente (trust funds) aufgelegt, die Ausgaben für Verteidigungskapazitäten decken sollen. Außerdem hat die NATO ihre Patrouillen im Schwarzen Meer erhöht, genauso wie seine Marinekooperation mit der Ukraine und Georgien als Anrainerstaaten. Die Ukraine nimmt zudem weiterhin an der NRF teil und kooperiert mit der Allianz im Rahmen ihrer Sea Guardian-Operation im Mittelmeer und Schwarzem Meer gegen Terrorismus und zur Seeraumüber‐ wachung sowie in der ISAF-Nachfolgemission Resolute Support (NATO 2019q). Die USA liefern zudem militärisches Material größtenteils defensiver Natur und seit Kurzem auch offensivere Panzerabwehrwaffen. Deutschland stellt der Ukraine umfangreiche Kredite und zivile Programme zur Verfü‐ gung, liefert aber keine Waffen (von Osten 2019). Die Alliierten fahren also eine feine Linie, bei der zur Entspannung der Situation mit Russland Debatten über eine mögliche Mitgliedschaft der Ukraine quasi vom Tisch sind. 5.2.5 Beziehungen zu Institutionen: EU, OSZE, UN et al. Neben den partnerschaftlichen Beziehungen zu einzelnen Staaten arbeitet die NATO im Rahmen kollektiver Sicherheitpolitiken ebenfalls mit anderen internationalen Organisationen zusammen, wozu im Wesentlichen die OSZE, die EU, die UN und die AU gehören. Einige dieser Kooperationen sollen auf den folgenden Seiten vorgestellt werden. NATO-OSZE Aufgrund des gemeinsamen geografischen Raumes teilen sich NATO und KSZE/ OSZE Zuständigkeiten und Aufgaben. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist im Gegensatz zur NATO eine inklusive Sicherheitsmanagementinstitution mit breiterer Mitgliedschaft (2020: 57 Staaten) und einem Aufgabenspektrum im Bereich von Wahlüber‐ wachung sowie zivilem und polizeilichen post-Konfliktmanagement, hat aber nur einen geringen Grad gemeinsamer Identität und gemeinsamer Perspektiven auf Sicherheitsfragen (Roloff 2007; Simonet 2018, 279 f.). Da die neu oder wieder unabhängigen Staaten Mittel- und Osteuropas mehr als nur 5.2 Sicherheitskooperation in Europa und der Welt: Partnerschaften (Arena I) 201 <?page no="202"?> die schwache Sicherheitszusammenarbeit in der KSZE/ OSZE suchen, um ihre Verteidigung zu gewährleisten, wandten diese Länder sich stärker der NATO zu, die im Gegensatz zur OSZE ein zu zielgerichtetem, kollektivem Handeln fähiges Militärbündnis war/ ist, das neben der Territorialverteidi‐ gung auch zu peace enforcement und peacekeeping in der Lage ist. In den 1990er Jahren waren beide Organisationen in die Bewältigung der enormen Herausforderung involviert, die der Zusammenbruch Jugoslawiens für die internationale Staatengemeinschaft bedeutete, wobei letztlich die NATO als intervenierende Macht (mit Partnern) auftrat, weil nur sie militärisch bewehrte kollektive Handlungsmittel besaß. Der OSZE kamen zivile Mis‐ sionsaspekte zu, bei denen sie Schutz und logistische Unterstützung der NATO in Anspruch nahm (Biermann 2014b, 220 f.). Somit kann von einer gewissen Komplementarität in den Beziehungen zwischen den beiden Or‐ ganisationen und erfolgreicher Kooperation im Einsatz gesprochen werden, die allerdings nach dem Kosovo-Krieg, den NATO-Osterweiterungen und vor allem nach der Krim schwieriger umzusetzen wurde (Biermann 2014b, 221 f.). Im Gegensatz zu den EU-NATO-Beziehungen gibt es bis heute kein Kooperationsabkommen zwischen den beiden Organisationen, was u.a. auf Opposition Russlands gegen eine derart aufgewertete Rolle der NATO zurückzuführen ist (Giegerich 2012a, 95), aber regelmäßige Austauschme‐ chanismen (Dean 2000; Hill 2018, 65 ff., Kap. 3, 102; Simonet 2018, 282 ff.). Russische Versuche, die OSZE als primäre Sicherheitsorganisation in Europa zu etablieren, wurden aus offensichtlichen Gründen weder aus West-, Mittel- oder Osteuropa noch aus den USA wohlwollend aufgenommen. NATO-UN Mit den Vereinten Nationen unterhält die NATO sehr unterschiedliche Beziehungen, die schwer auf einen klaren Nenner zu bringen sind. Einerseits beruft sich das Bündnis bereits im Nordatlantikvertrag auf die UN-Charta, ihr Gewaltverbot und das durch sie (trotzdem) eingeräumte Recht auf kollektive Verteidigung. Aufgrund ihrer Fähigkeit, relativ zeitnah umfang‐ reiche militärische Kräfte aufbieten zu können, handeln die NATO oder einzelne Alliierte (auch unter Nutzung von Allianzkapazitäten) häufig im Auftrag des UN-Sicherheitsrats, wenn dieser Maßnahmen des peace enforcement, der Luftraumüberwachung, Embargos oder andere Formen der Intervention beschlossen hat. Dazu unterhalten die beiden Organisationen institutionalisierte Beziehungen. Ein UN-Mandat verleiht dem Handeln der NATO internationale Legitimität (Appathurai 2014, 36, 45 f.; Biermann 5 Kollektive Sicherheit 202 <?page no="203"?> 2014b, 223). Solches Handeln geschah z. B. in Bosnien-Herzegowina ab 1992, in Afghanistan mit den ISAF- und Resolute Support-Missionen, am Horn von Afrika gegen Piraten oder in Libyen (s. Kap. 5.3). Gelegentlich unterstützt die Allianz die internationale Gemeinschaft ebenfalls im Bereich der Katastrophenhilfe oder hilft mit ihren Fähigkeiten in UN-Missionen aus (ibid.; zu Missionen s. NATO 2019o). Während das Bündnis zu diesen Gele‐ genheiten also gewissermaßen ein Dienstleister der UN war (Adam 2007; Ringsmose 2016), hat es in einigen Fällen ohne Mandat des Sicherheitsrats gehandelt. Die bekannteste eigenständige Intervention der NATO ist der Kosovo-Krieg, in dem die Allianz militärisch gegen Serbien losschlug, um ethnische Säuberungen zu beenden (s. Kap. 5.3.4). Gleiches gilt für den Krieg, den die USA, Großbritannien und andere Alliierte 2003 im Irak begannen, wobei hier das Bündnis als Institution nicht involviert war (s. Kap. 4.3.2). Es besteht hier also ein Zwiespalt zwischen der Rolle der NATO als kollek‐ tive Sicherheitsinstitution einerseits, die im Namen der Weltgemeinschaft agiert, und ihrer Geschichte und ihrem Profil als wirksames kollektives Verteidigungsbündnis andererseits, in dem die USA als mächtigster Akteur der Weltpolitik Führungsmacht sind. Die NATO ist also gleichzeitig geeignet und ungeeignet, um als Agent der UN zu wirken (Barnett 1995; Naidu 2000) und hat in der Vergangenheit die Autorität des UN-Sicherheitsrats sowohl unterstützt als auch untergraben. Letztlich hat sich die NATO nie eindeutig der Autorität der UN untergeordnet (Biermann 2014b, 224 ff.; Giegerich 2012a, 101 ff.) und kann das mit Blick auf die eigene Funktionslogik im Feld kollektiver Verteidigung auch nicht tun. NATO-EU Seit Mitte der 1990er Jahre existieren institutionalisierte Beziehungen zwi‐ schen der NATO und der EU. Die EU versuchte zu der Zeit, sich eigene Akteursfähigkeiten im Bereich der zivil-militärischen Konfliktbearbeitung aufzubauen (Diedrichs 2012; Duke 2005; Smith 2004). Wie unabhängig dies von der NATO und den USA geschehen sollte, war oft Stein des Anstoßes zwischen den Mitgliedstaaten der beiden Organisationen (Dumoulin 2007; Hunter 2002; Keohane 2009), zumal die NATO weiterhin für die kollektive Verteidigung Europas zuständig blieb (Howorth 2003). 2003 führte die EU im Rahmen ihrer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP, damals noch ESVP) erstmals eigene militärische Missionen geringer Intensität in Afrika durch (Grevi et al. 2009). Sie richtet sich dabei nach den so genannten Petersberg-Aufgaben, die 1992 noch von der WEU aufge‐ 5.2 Sicherheitskooperation in Europa und der Welt: Partnerschaften (Arena I) 203 <?page no="204"?> stellt wurden und humanitäre und Rettungsmissionen, peacekeeping und robusteres peace enforcement im Rahmen von Krisenmanagementoperati‐ onen vorsehen (WEU 1992). Die EU hat im Verlauf der Zeit respektable zivile und zivil-militärische Kapazitäten zur Konfliktbearbeitung, wie z. B. Rechtsstaatshilfe und Polizeikräfte, sowie militärische Trainingskonzepte für Streitkräfte von Drittstaaten aufgebaut (Major und Mölling 2009, 25). Sie ist heute ebenfalls mit Marinemissionen im Bereich der Sicherung von Seewegen (z. B. am Horn vor Afrika gegen Piraterie) und Seegrenzen (im Mittelmeer im Zuge der Flüchtlingskrise und gegen Terroranschläge) aktiv. Trotz chronisch schwieriger Beziehungen mit der NATO (wegen der Griechenland-Türkei-(Nord)Zypern-Problematik, s. z. B. Howorth 2009) besteht ein Kooperationsabkommen zwischen den beiden Organisationen. Nach dem so genannten Berlin plus-Abkommen, das im Jahr 1996 geschlossen wurde, kann die EU auf NATO-Kapazitäten inkl. Hauptquartieren zurück‐ greifen, sofern sich die NATO zuerst dazu entscheidet, selbst nicht in einem Konflikt aktiv zu werden (NATO 1996; Dembinski 2005; Giegerich 2012a, 97 ff.). So wurde der Atlantischen Allianz gewissermaßen ein Erstzugriffs‐ recht eingeräumt, aber der EU eigenständiges Engagement ermöglicht, bei dem sie als junger sicherheitspolitischer Akteur auf Kompetenzen und Fähigkeiten der NATO zurückgreifen konnte (Peterson Ulrich 2003, 36 ff.). Dies macht nicht zuletzt deshalb Sinn, weil 21 EU-Staaten Mitglieder der NATO sind. Die beiden Organisationen verfügen zudem seit 2005 über gegenseitige Verbindungsteams (NATO Liaison Team bei der EU, EU Cell in SHAPE; s. Ginsberg und Penksa 2012, 191 f.; NATO 2016a). Aufgrund der Probleme um (Nord-)Zypern und den daraus entstehenden Zwistigkeiten zwischen Griechenland und der Türkei, die auf die NATO (wo die Türkei Mitglied ist) und die EU (wo Zypern Mitglied ist) übertragen werden, kommt es in der Kooperation der beiden Institutionen jedoch häufig zu Blockadesituationen, die Berlin plus-Kooperationen und somit auch ein besseres burden-sharing zwischen der NATO und der EU verhindern (Ginsberg und Penksa 2012, 184 ff.; Marsh und Dobson 2013, 160 f.; Giegerich 2012a, 98 f.). Des Weiteren waren die Beziehungen zwischen den beiden Or‐ ganisationen teils von unterschiedlichen Kulturen - Verteidigungsallianz/ militärische Sicherheitsmanagementinstitution vs multi-funktionelle EU - und einem gewissen Konkurrenzdenken einzelner Akteure (Staaten, institutionelle Player) geprägt (Dumoulin 2007; Hunter 2002; Kaim 2016, 12, 22). Diese Tendenz hat jedoch seit ca. 2008 spürbar abgenommen, und Kooperation im selben Einsatzgebiet, z. B. in der Pirateriebekämpfung am 5 Kollektive Sicherheit 204 <?page no="205"?> Horn von Afrika, funktioniert meist gut (Kaim 2016, 22; Schleich 2016). Bis heute wurden allerdings erst zwei EU-Missionen im Rahmen von Berlin plus durchgeführt (Dembinski 2005; Kammel 2020; Williams 2018). Chancen für mehr Kohärenz liegen zum einen in der neuen transatlantischen Situation seit Donald Trump (und Brexit, Béraud-Sudreau und Pannier 2020 (online first)), aber auch in der Komplementarität beider Organisationen mit ihren militärischen (vor allem NATO) und zivil-militärischen (EU) Fähigkeiten. Schließlich stehen beide Organisationen und ihre Mitglieder mit Gefahren wie dem internationalen Terrorismus, hybrider Aggression, Cyberangriffen und -kriminalität oder Staatszerfall vor denselben oder ähnlichen Problemen (Howorth 2009, 2018; Legendre 2014, 123 ff.) und nutzen dieselben natio‐ nalen Armeen für ihre Einsätze (Howorth 2013, 36 f.; 2017). 5.3 Krisenmanagement: NATO-Missionen als politische und zivil-militärische Herausforderung (Arena II) Seit dem Wandel der Atlantischen Allianz zu einem gefragten (und manchmal ungefragten), global tätigen Sicherheitsmanager ist wohl über kaum ein anderes Thema so viel geschrieben worden wie über die mehr als 40 Missionen des Bündnisses. Diese Missionen übernahm das Bündnis meist im Auftrag der UN oder auf Anfrage der Staaten, auf deren Territorium eine Sicherheitsbedrohung bestand. Somit hat die NATO versucht, durch einen Dienst für die/ an der Weltgemeinschaft Frieden und Sicherheit zu schaffen, hat diese Ziele aber ebenfalls nach den eigenen Vorstellungen und Interessen gestaltet. Im Fall des Kosovo handelte die NATO ohne UN-Mandat und führte formal einen Angriffskrieg. Durch NATO-Einsätze wurden Menschen gerettet und getötet und die Allianz hat selbst Verluste von mehreren Tausend Soldat*innen hinnehmen müssen. Das Bündnis ist so zu einem kontroversen Akteur geworden, dessen Handeln Facetten eines Beschützers, Friedensbringers, Retters und eines eigenmächtigen Hegemonen enthält. Die folgenden Seiten werden diese verschiedenen Facetten des Allianzhan‐ delns und ihre Bedeutung für kollektive Sicherheit darstellen. Die genutzten Werke und die Auswahlbibliographie am Ende des Kapitels dienen der vertiefenden Beschäftigung mit einzelnen Missionen oder Themen. 5.3 Krisenmanagement: NATO-Missionen (Arena II) 205 <?page no="206"?> 5.3.1 Ein tour d’horizon: Die NATO im globalen Einsatz Seit 1991 hat die NATO in über 40 Einsätzen mit militärischen Kräften Aufgaben der Friedenssicherung oder -herstellung für die UN ausgeführt, auf Bitten anderer Staaten Hilfe geleistet, Katastrophenhilfe unternommen oder in einem Fall einen nicht-UN-mandatierten Kriegseinsatz im Kosovo durchgeführt (NATO ACO 2010, o. J.-a). Im Vergleich dazu nimmt sich die Anzahl an Missionen von 1949 bis 1991 bescheiden aus - viermal hat das Bündnis in diesen 42 Jahren kleinere humanitäre, Luftüberwachungs- oder Schutzeinsätze für Mitgliedstaaten unternommen (NATO 2019o). Die Mis‐ sionen in Jugoslawien, Afghanistan und in Libyen werden in den folgenden Abschnitten genauer diskutiert und deshalb an dieser Stelle übergangen, an der ein allgemeinerer Überblick gegeben werden soll. In den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens steht häufig das Engagement der NATO in Bosnien-Herzegowina zwischen 1992 und 2004 sowie im Kosovo seit 1999 im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die NATO ist aber ebenfalls zwischen 2001 und 2003 in (damals noch Frühere Jugoslawische Republik) Mazedonien tätig gewesen. Auf Bitten der dortigen Regierung und nach Abschluss des Ohrid-Friedensabkommens griff die Allianz in ethnische Spannungen ein, die sich in dem slawisch dominierten Staat mit albanischer Minderheit unter einer schlechten Regierungsführung aufgebaut hatten, und entwaffnete albanische Gruppen (Essential Harvest). Danach sorgte das Bündnis für die Sicherheit von OSZE- und EU-Missionen (Amber Fox), die das ausgehandelte Friedensabkommen überwachten und Kapazitätsaufbau (capacity building) betrieben (Simonet 2018, 288 f.). Die NATO beriet die nordmazedonische Regierung ebenfalls in der Stabilisierung des Landes (Al‐ lied Harmony). Die EU übernahm 2003 die Mission von der NATO, wobei die EU im Rahmen des Berlin-Abkommens Unterstützung vom Verteidigungs‐ bündnis erhielt (Allin 2002, 76 ff., 93 f.; Hauser 2008, 39). Bis heute unterstützt die NATO die Regierung in Aspekten der Sicherheitssektorreform (SSR, Chivvis 2008; NATO 2019o). Durch ihr Wirken konnten die Spannungen im Land abgebaut und in einen inklusiven demokratischen Prozess übergeleitet werden, der den Staat nach Beilegung des Streits mit Griechenland 2020 unter neuem Namen - Nordmazedonien - als stabiles Land in die NATO und in einen EU-Beitrittsprozess geführt hat. In weiteren Fällen hat die Atlantische Allianz auf Bitte von Staaten oder Organisationen gehandelt. Dies geschah z. B. im Falle der Sicherung der Olympischen Spiele von Athen im Jahr 2004 (Distinguished Games) 5 Kollektive Sicherheit 206 <?page no="207"?> mit AWACS und ABC-Abwehrkapazitäten, bei der Katastrophenhilfe nach Hurricane Katrina in den USA (2005) oder im selben Jahr in Pakistan nach einem Erdbeben. Im Zuge der Kosovo-Krise (s. u.) errichtete die NATO in Al‐ banien Flüchtlingscamps (Allied Harbour) und sorgte für Ordnung (Latawski und Smith 2003). Weitere Katastrophenhilfeeinsätze wurden in der Türkei, der Ukraine oder Portugal durchgeführt, sodass diese Einsätze sowohl Mitgliedern als auch Drittstaaten zugutekamen. Im Bereich des Krisenma‐ nagements unterstützte die NATO ebenfalls die AU in ihrer Darfur-Mission (AMIS) im Sudan, transportierte ihr Personal und bildete Spezialist*innen aus. Trainingsaktivitäten finden im Irak statt, wo die Alliierten nach ihren tiefgreifenden Differenzen bzgl. der Intervention (s. Kap. 4.3) gemeinsam SSR-Aktivitäten durchführen oder diese zumindest finanziell und materiell ermöglichen (Gaub 2011). Mittlerweile hat die Atlantische Allianz auch mehrere Marineoperationen durchgeführt. Dazu gehören Sicherungs- und Anti-Terrormission im Mittelmeer (Active Endeavour) im Zuge der Einsätze um 9/ 11, bei der Handelswege gesichert und Schiffe nach Waffen durchsucht wurden, oder Einsätze gegen ein neues altes Problem - Piraterie - im Indischen Ozean (Horn von Afrika, Golf von Aden) im Auftrag der UN, die zwischen 2008 und 2016 den Kreislauf aus Kaperungen, Geiselnahmen und Lösegeldzahlungen auf Handelsschiffen und solchen des UN-Ernährungs‐ programms beendet haben (Allied Provider, Allied Protector, Ocean Shield). Dabei kooperierte die NATO auch mit externen Partnern und operativ mit der EU (Missionsübersicht in NATO 2019o; Bueger 2018; Gebhard und Smith 2014; Giegerich 2012a, 72 ff.). Heute hat das Bündnis im Zuge der vielfältigen Konflikte im Mittelmeer‐ raum (Syrien, Libyen, russische Marine, Iran) zudem Active Endeavour in eine umfassendere Marine-/ Luftmission - Sea Guardian - ausgebaut, die Anti-Terrorismus-Aufgaben hat, das Mittelmeer überwacht, Kapazitäten von anderen Organisationen (z. B. die EU-Missionen Sophia und Irini) und Akteuren (z. B. Libyen) stärkt sowie potentiell im Krisenfall kritische Infrastrukturen und alliierte Gewässer schützen kann. Sea Guardian-Kräfte der NATO überwachen ebenfalls die Einhaltung des UN-Waffenembargos gegen Libyen (NATO 2020d). Die NATO hat durch diese Missionen also eine breite Palette an Fähigkeiten entwickelt und in Einsätzen disponiert. Diese Einsätze betrafen sowohl Art. 5-bezogene Missionen, wie die nach 9/ 11 be‐ gonnenen Hilfestellungen für Alliierte, z. B. zur Luftraumüberwachung der Türkei, als auch kollektive Sicherheitsmissionen, die so weite Bereiche wie Friedenssicherung (Nordmazedonien), Kapazitätsaufbau (Irak), maritime 5.3 Krisenmanagement: NATO-Missionen (Arena II) 207 <?page no="208"?> 85 Von Genozid wird gesprochen, wenn mehr als 1.000 Menschen einer Volksgruppe in einem Konflikt gezielt getötet werden. Sicherheit (Indischer Ozean, Mittelmeer) oder Einsätze im Auftrag der UN (Libyen-Waffenembargo) abdeck(t)en. Dabei handelt die Allianz allerdings entsprechend ihrer Tradition und Struktur vornehmlich im militärischen Sicherheitsbereich, wenngleich dazu heute ebenfalls SSR-Aufgaben zählen. In Afghanistan nahm das Engagement des Bündnisses zudem stärker zivile Aspekte an (s. u.). Die folgenden Abschnitte sollen einige Missionen in ihrer Bedeutung tiefer ergründen. 5.3.2 Jugoslawien: Die NATO mit und gegen die UN Der Zusammenbruch Jugoslawiens und der Bosnienkrieg Nach seit den 1980er Jahren schwelenden Konflikten um politische und wirtschaftliche Reformen des Bundesstaats mit weitreichenden Autonomie‐ befugnissen für seine Teilstaaten zerbrach 1991 die multikulturelle jugo‐ slawische Föderation in ihre Teilrepubliken, da kein politischer Konsens mehr über ein weiteres Zusammenleben bestand. Was zunächst primär ein politischer und sozialer Konflikt war, entwickelte sich zu einem Pulver‐ fass diverser nationalistischer und ethnischer Bruchlinien, die zunehmend religiöse und historische Unterschiedlichkeiten und Ungerechtigkeiten be‐ tonten, Verfolgungsängste schürten und so für Entzweiung sorgten. Freie Wahlen im Jahr 1990 sorgten für Wahlsiege von nationalistischen Parteien in allen Bundesstaaten außer Serbien und Montenegro, die kommunistisch dominiert blieben und in Serbien von einem starken Slobodan Milosevic angeführt wurden. Ab Dezember 1990 fanden Volksbefragungen über die Zukunft des Bundes statt, die in den ethnisch homogeneren Teils Kroatien und Slowenien in Richtung Auflösung entschieden wurden, während die multiethnischen Teilstaaten Bosnien, Mazedonien oder Montenegro um den Erhalt ihrer fragilen Balance willen eher föderalistisch eingestellt waren. Für Serbien war der Bruch der Union im Sommer 1991 ebenfalls schwierig, weil Serb*innen über viele Staaten verteilt lebten. So begann ab Mitte 1991 ein Unabhängigkeits- und Bürgerkrieg, der durch massive Vertreibungen geprägt war und bereits erste genozidale Situationen 85 durchlebte. Lediglich Slowenien konnte sich nach einem Zehntageskrieg im Juni 1991 aus diesen Konflikten heraushalten (Rauch 2009, 302 f.; Sundhausen 2008). 5 Kollektive Sicherheit 208 <?page no="209"?> 86 Milosevic starb im Gefängnis vor Prozessende. Es dauerte lange, bis den Kriegen primäre Aufmerksamkeit geschenkt wurde (Hill 2018, 76). Nach dem Scheitern einer ersten Konferenz im September 1991 konnten serbische Verbände in der zu Kroatien gehörenden, aber ethnisch serbisch dominierten Krajina unterstützt durch Paramilitärs und die serbisch dominierte (rest-)Jugoslawische Nationalarmee ihren Ab‐ spaltungskampf gegen das unabhängig gewordene Kroatien aggressiv fort‐ führen. Es kam erst im Januar 1992 nach dem serbischen Sieg dort zu einem Waffenstillstandsabkommen, woraufhin sich die Kampfhandlungen nach Bosnien-Herzegowina verlagerten. Die durch das Waffenstillstands‐ abkommen eingesetzte, neutrale UN-Schutztruppe UNPROFOR (United Na‐ tions Protection Force) konnte nur sehr beschränkt für eine Befriedung des Konflikts in sogenannten Schutzzonen sorgen, weil sie nur ein Selbstvertei‐ digungsmandat hatte und nicht in Kämpfe eingreifen durfte. Die Ausrufung der Serbischen Republik in Bosnien-Herzegowina mit Radovan Karadzic als Anführer im Mai 1992 führte zu erbitterten Kämpfen, während derer die lokalen serbischen Einheiten zeitweise bis zu zwei Drittel des Territoriums von der bosnisch-kroatischen Föderation in Bosnien-Herzegowina erobern konnten. Seit Sommer 1992 bestand ein UN-Waffenembargo, an dessen Durchsetzung sich die NATO im Adriatischen Meer beteiligte (Operationen Maritime Monitor, Maritime Guard), und eine Flugverbotszone über Bos‐ nien-Herzegowina (Deny Flight), was aber nicht zu einer Befriedung des Konflikts am Boden führte (Knapp 1997, 283 f.; NATO 2019o; Sperling und Webber 2009, 494). Im Juli 1995 gab die UNPROFOR völlig unterlegen und kampflos die Schutzzone Srebrenica auf, in der daraufhin ein Massaker an mehr als 8.000 bosnisch-muslimischen Männern (s. g. Bosniaken) verübt wurde (bpb 2012; Rauch 2009, 205). Dieses Massaker wurde als Völkermord eingestuft und seine Verantwortlichen (der bosnisch-serbische Präsident Karadzic, sein Armeeführer Mladic, der serbische Präsident Milosevic) wurden dafür später als Kriegsverbrecher von der internationalen Justiz verfolgt und verurteilt (Sundhausen 2008). 86 Noch 1993 schien innerhalb der UN-Führung der Wille gering, UN‐ PROFOR in die Lage zu versetzen, die vereinbarten Schutzzonen zu vertei‐ digen. Im Frühjahr 1994 waren die Kämpfe um Sarajevo aber so heftig, dass die NATO sich durch eine neue Initiative von Präsident Bill Clinton (USA), unterstützt durch den französischen Präsidenten Jacques Chirac, zum Eingreifen entschloss, sie Truppen zum Schutz der Stadt schickte 5.3 Krisenmanagement: NATO-Missionen (Arena II) 209 <?page no="210"?> 87 Für die Bundeswehr waren IFOR und SFOR nach der Klärung der Möglichkeiten von Auslandseinsätzen im Jahr 1994 durch das Bundesverfassungsgericht (out of area-Urteil) Bewährungsproben (Rauch 2009, 306). und mit Luftkräften eine Flugverbotszone um alle Schutzzonen herum durchsetzte. Russland beteiligte sich am Schutz Sarajevos (Asmus 2002, 126 ff.). Die militärische Lage änderte sich erst grundlegend ab Mitte 1995 mit verstärkten Einsätzen nach dem Srebrenica-Massaker, als die bos‐ nisch-kroatische Allianz Geländegewinne verzeichnete sowie NATO-Luft‐ schläge (Deadeye, Deliberate Force) die Nachschubwege für die bosnischen Serben unterbrachen und Artillerie und andere schwere Waffen zerstörten (Hill 2018, 76; Knapp 1997, 284). Im Oktober 1995 konnte das sogenannte Dayton-Abkommen (benannt nach dem Verhandlungsort in Dayton, Ohio, USA) dem Krieg ein Ende setzen (Sundhausen 2008). Der jugoslawische Präsident Milosevic nahm dabei eine ambivalente Rolle ein: Einerseits war er durch seine Unterstützung der kroatischen und bosnischen Serben Kriegs‐ beteiligter, andererseits bewegte er die serbischen Gruppen dazu, das aus‐ gehandelte Friedensabkommen anzuerkennen (Allin 2002, 47). Die NATO erhielt nach dem Dayton-Abkommen von der UN den Auftrag, zunächst die 60.000 Soldat*innen starke Implementation Force (Umsetzungstruppe, IFOR; NATO-Operation Joint Endeavour), an der sich alle NATO-Staaten be‐ teiligten, 87 und später eine 32.000 Einsatzkräfte zählende Stabilization Force (SFOR; NATO Joint Guard) zu entsenden, woran sich Russland ebenfalls beteiligte, dabei allerdings nicht einem NATO-Kommando unterstand (Hill 2018, 77; Knapp 1997; NATO 2019o). 10.000 IFOR-Soldat*innen wurden von 17 Nicht-NATO-Staaten gestellt, darunter PfP-Länder (Asmus 2002, 125). IFOR hatte von Dezember 1995 bis Dezember 1996 die Aufgabe, die verfein‐ deten Streitkräfte endgültig voneinander zu trennen und ihrer schweren Waffen zu entledigen. Die Bundeswehr beteiligte sich an dieser Mission mit ca. 2.600 Heeressoldat*innen sowie Marine- und Luftwaffeneinheiten; letztere flogen für die IFOR 2.000 Überwachungs- und Aufklärungseinsätze (Rauch 2009, 307). Das internationale Engagement zementierte die durch das Dayton-Abkommen etablierte Zweiteilung Bosnien-Herzegowinas in zwei gleichberechtigte bosnisch-kroatische und serbische Teilrepubliken (mit drei konstitutiven Staatsvölkern) mit weitreichenden Autonomiebefug‐ nissen (Allin 2002, 39 ff.). Wegen eines begrenzten IFOR-Mandats, das z. B. nicht die Verfolgung von Kriegsverbrechern erlaubte, und eines lückenhaften Friedensabkommens, 5 Kollektive Sicherheit 210 <?page no="211"?> das durch die Schaffung einer nicht-wehrfähigen internationalen Polizei‐ truppe kaum eine Beruhigung der Spannungen zwischen den Volksgruppen erlaubte, konnte IFOR allenfalls einen kalten Frieden mit immer noch viel ziviler Unruhe, Hass und Kriminalität schaffen. SFOR (1996-2004) hatte mit ihren 32.000 Soldat*innen (darunter max. 1.800 deutsche, Rauch 2009, 307) neben den peacekeeping-Aufgaben weitreichendere Befugnisse, setzte Kriegsverbrecher fest, führte Trainingsprogramme für die Sicherheitskräfte durch und kümmerte sich, soweit möglich, um die Rückkehr von Geflüch‐ teten. Mit zunehmender Zeit beteiligten sich auch die bosnischen Serb*innen stärker an den durch das Friedensabkommen festgelegten Programmen und den neuen Regierungsmechanismen auf Bundesebene. SFOR diente ebenfalls anderen zivilen Organisationen, die in Bosnien-Herzegowina am Wiederaufbau beteiligt waren, als organisatorischer und sicherheitspoliti‐ scher Rahmen (SFOR 2003, s. Mission). So konnte über die folgenden Jahre zumindest der kalte Friede bewahrt und der Ausbruch kriegerischer Auseinandersetzungen vermieden werden, wenngleich es sehr lange dau‐ erte, bis erste Geflüchtete zurückkehrten (Allin 2002, 40 ff.; Rauch 2009). 2004 beendete die NATO SFOR und übergab die Stabilisationsaufgaben an die EU, die bis heute Operation Althea durchführt. Die BRD war an allen Missionen in Bosnien-Herzegowina (UNPROFOR, NATO, EU) beteiligt, sodass bis zum Rückzug der Bundeswehr im November 2012 ca. 63.500 deutsche Soldat*innen in Bosnien Dienst leisteten (Bundeswehr o. J.-b). Ins‐ gesamt nahmen an SFOR 36 Nationen teil, darunter sowohl NATO-Staaten, PfP-Länder (und spätere NATO-Mitglieder), neutrale Staaten, MD- und PATG-Länder (z. B. Australien, Neuseeland) sowie Russland und Chile (SFOR 2003, s. Organisation). Somit implementierte SFOR das kooperative Para‐ digma, das sich die Allianz in den 1990er Jahren nach dem Ende des Kalten Kriegs auferlegt hatte, operativ, das danach im 1999er Strategischen Konzept zur offiziellen Strategie erhoben wurde (Kitchen 2010, Kap. 4). Besonders po‐ sitiv fällt die Einbindung Russlands auf, die trotz ihrer Beschränkungen erst‐ mals eine Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Blockgegner ermöglichte. Trotz einer gewissen Verspätung in der Einschaltung in einen blutigen Konflikt etablierte sich das Bündnis durch die Übernahme der kollektiven Sicherheitsaufgaben im Namen der UN als führende Sicherheitsinstitution in Europa (Hill 2018, 77 ff.; Knapp 1997, 284 f.). 5.3 Krisenmanagement: NATO-Missionen (Arena II) 211 <?page no="212"?> Kosovo: Die NATO im Alleingang Diese kooperative Herangehensweise an Fragen von Sicherheit und Frieden ging im Kosovo-Konflikt in den Jahren 1998/ 99 zunächst verloren, als sich die NATO zu einem Einsatz ohne UN-Mandat entschloss. Nach Angriffen der Kosovarischen Befreiungsarmee (UÇK) auf die serbische Minderheit der Provinz verfolgte Milosevic 1998 eine Politik der verbrannten Erde, die ca. 300.000 Kosovar*innen zu Geflüchteten machte. So verlor Milosevic die geringe Unterstützung, die er noch im Westen und in der NATO aufgrund seiner ambivalenten Rolle während der Vorgängerkriege genoss. Mehrere UN-Sicherheitsratsresolutionen (UNSCR 1160, 1199, 1203) verurteilten das Vorgehen, autorisierten aber nicht den Einsatz von Gewalt (Webber 2009, 449). Im Oktober 1998 beschlossen die NATO-Staaten daher Militärschläge gegen Serbien, die jedoch aufgrund eines vom US-amerikanischen Diplo‐ maten Richard Holbrooke und Milosevic ausgehandelten Abkommens noch abgewendet wurden. Das Abkommen installierte eine unbewaffnete OSZE-Beobachtertruppe von 2.000 Personen im Kosovo (Simonet 2018, 287). Aufgrund des passiven Auftrags der OSZE und der gegenseitigen Verfeindung konnten sich sowohl serbische als auch albanische Kräfte neu positionieren. Ein serbisches Massaker an mehr als 40 Kosovar*innen im Dorf Racak führte aber zu einem Ultimatum der im Konflikt engagierten Parteien an Milosevic und zu Verhandlungen im französischen Schloss Rambouillet (bei Paris) im Februar 1999. Die Forderungen der Kontakt‐ gruppe (aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Russland, USA) sahen verhandelbare Positionen zu kosovarischer Eigenständigkeit, ein Unabhängigkeitsreferendum, die Auflösung der UÇK und Schutz und Partikularrechte für die serbische Minderheit vor. Die NATO bestand aller‐ dings auf die Etablierung einer militärischen Präsenz im Kosovo, um nicht in dieselben Probleme wie die unbewaffnete Beobachtermission zu laufen. Milosevic war jedoch nicht gewillt, dieser Bedingung stattzugeben, weil er die damit einhergehenden Aspekte der militärischen Umsetzung und Einschränkung serbischer Souveränität ablehnte (Allin 2002, 47 ff.; Hill 2018, 162 ff.; Meyer und Schlotter 2000). Infolge dieser Unfähigkeit zur Einigung führte die Atlantische Allianz schließlich vom 24. März bis Juni 1999 einen Militäreinsatz (Allied Force) durch. Dieser Einsatz fand ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats statt und war somit völkerrechtswidrig (Merkel 2001). Russland, das die Konflikt‐ lage im Kosovo während der Verhandlungen ähnlich den NATO-Staaten einschätzte, aber weniger drastische Zwangsmaßnahmen befürwortete (La‐ 5 Kollektive Sicherheit 212 <?page no="213"?> 88 Henriksen (2013, Kap. 1) zeigt große Unklarheit über die Ziele des Einsatzes und die adäquate Strategie auf. tawski und Smith 2003, 93 ff.), und China wollten keiner Intervention zustimmen, die den Einsatz von Waffengewalt durch die internationale Gemeinschaft zum Schutz einer staatlichen Minderheit billigte, weil sie selbst solche Minderheiten in ihren Staaten zählten oder Schwierigkeiten mit abtrünnigen Landesteilen hatten (China: Taiwan, Tibet; Russland: Tschetschenien). Russland wollte zudem nicht einer erneuten Ausweitung der Zuständigkeiten der NATO außerhalb ihrer Mitgliedstaaten zustimmen, nachdem es bereits die Osterweiterung schlucken musste und die NATO in Bosnien out of area begleitete. Der Kosovo-Einsatz und die Umgehung des Sicherheitsrates (der wegen des sicheren russischen Vetos letztlich gar nicht um eine Abstimmung bemüht wurde, s. Latawski und Smith 2003, 95) waren letztlich Ausdruck davon, dass Russlands strategische Au‐ tonomie als Großmacht, die es zumindest formal durch seinen permanenten Sicherheitsratssitz noch war, stark eingeschränkt war (Hill 2018, 168). In der Folge entbrannte ein Konflikt zwischen rechtlicher Legitimität des Kriegs, die nicht gegeben war, und moralischer Legitimität des humanitären Einsatzes gegen Menschenrechtsverletzungen (Allin 2002, 57 ff.; Latawski und Smith 2003, 11, 20 ff.), der bis heute die internationale Debatte um das Spannungsfeld zwischen nationaler Souveränität einerseits und Schutz der Menschenrechte und Bevölkerungen andererseits im Zuge von Konzepten der Humanitären Intervention oder der Responsibility to Protect prägt (Aghayev 2007; Hansel und Reichwein 2020b; Meyer und Schlotter 2000, 27 ff.). Die NATO sah sich im Kosovo aufgrund der liberalen Werte, für die sie und ihre Staaten seit 1949 standen und kämpften, moralisch zum Eingreifen verpflichtet, nachdem man in Bosnien nach allgemeiner Auffassung zu lange gewartete hatte (ibid., 26). In Deutschland wurde diese Debatte unter der neuen rot-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Joschka Fischer (B90/ Grüne) besonders intensiv geführt, da das UN-Mandat fehlte, die traditionelle, kulturelle deutsche Zurückhaltung ge‐ genüber dem Einsatz militärischer Mittel fortbestand und beide Parteien, vor allem aber die Grünen, ideologisch stark gegen Militäreinsätze eingestellt waren (Friedrich 2005, Kap. 2; Sedlmayr 2008, B2-4, C3.1). Die Einsicht in und Angst vor neuen ethnischen Säuberungskampagnen gab bei einigen interventionsskeptischen Alliierten den Ausschlag für ein Eingreifen (Allin 2002, 63; Henriksen 2013, 7 f.; Sperling und Webber 2009, 496). 88 5.3 Krisenmanagement: NATO-Missionen (Arena II) 213 <?page no="214"?> 89 Die NATO bombardierte ebenfalls aus Versehen die chinesische Botschaft in Belgrad, was zum Verlust dreier chinesischer Menschenleben und zu ernsthaften Spannungen mit Peking führte. Die NATO saß im Kosovokonflikt zwischen den Stühlen des internatio‐ nalen Rechts und dem Schutz von Menschenleben, zwischen (fehlender) juristischer und (vorhandener) moralischer Legitimität (Latawski und Smith 2003, 14 ff.; Naidu 2000; Meyer und Schlotter 2000, II). Die russische Position war mit ihrer Fundamentalposition gegen die Intervention ebenfalls nicht unproblematisch, weil sie den UN-Sicherheitsrat komplett blockierte. In ihrem Einsatz entschloss sich die NATO gegen eine Bodeninvasion und für einen Luftkrieg auf militärische Ziele und später auf zivile Infrastruktur mit militärischer und industrieller Bedeutung (dual use, z. B. Stromnetz, Raffinerien, Brücken, Sender) in Serbien, um den Druck auf Milosevic zu erhöhen. Der kategorische Ausschluss von Bodentruppen wurde von Beobachter*innen und Militärs sehr kritisch gesehen, weil er militärisch nicht zielführend war. Die Bombardierung von produzierenden Industrie‐ anlagen ist zudem völkerrechtlich bedenklich (Allin 2002, 64 ff.; Meyer und Schlotter 2000, 37 ff.; Toje 2008, 68 ff.). 89 In Allied Force wurden ca. 1.000 Flugzeuge eingesetzt, wobei ca. 80 % von den fünf Staaten der Kontaktgruppe stammten (Latawski und Smith 2003, 42). 13 NATO-Mitglieder (inkl. der gerade beigetretenen Staaten Polen, Tschechien, Ungarn) nahmen aktiv oder logistisch unterstützend am Einsatz teil. Die Allianz flog ca. 38.000 Einsätze, wovon 10.484-14.000 Angriffsflüge waren, und verlor dabei nur zwei Jäger und keinen Soldaten. Auf serbischer Seite starben ca. 500 Zivilist*innen und 576 (serbische Angaben) bis 5.000 Soldat*innen (NATO). Während des Konflikts konnten zudem 4.400 tote Kosovar*innen dokumentiert werden, wobei manche Zahlen von bis zu 10.000 Getöteten ausgehen (Meyer und Schlotter 2000, 41, 47 f.; Webber 2009, 450 f.). Nachdem Russland Serbien weitere Unterstützung versagte und der Krieg die serbische Zivilbevölkerung betraf, gab Milosevic nach 78 Tagen Luftkam‐ pagne im Juni 1999 auf. Die Allianz hatte es geschafft, dem Töten im Kosovo ein Ende zu setzen und dabei beträchtliche interne Differenzen über einen Einsatz ohne UN-Mandat und die Taktik zu überwinden, nahm dabei aber fälschlicherweise an, dass Milosevic schnell kapitulieren würde (Henriksen 2013, Kap. 1, 2; Hill 2018, 164; Meyer und Schlotter 2000, 41 ff.; Sperling und Webber 2009, 498 ff.). Der Krieg zeigte den USA ebenfalls, wie aufwendig Koalitionskriegsführung war, was eine Rolle bei der Antwort auf 9/ 11 ge‐ 5 Kollektive Sicherheit 214 <?page no="215"?> 90 Zu Beginn der KFOR betrug das deutsche KFOR-Kontingent 2.200 Soldat*innen (Voget und von Hoerschelmann 2009, 309) spielt haben könnte, bei der die NATO zunächst bewusst außen vor gelassen wurde (Allin 2002, 65 f.; Kitchen 2010, 76, 89; Latawski und Smith 2003, 40 ff.). Die USA gingen in Operation Allied Force sehr unilateral vor und führten teils eine Kampagne innerhalb der NATO-Kampagne (Henriksen 2013, 13 ff.), was allerdings auf den enormen capability gap zwischen USA und Europa zurückzuführen war, der durch Kosovo abermals deutlich wurde (Daalder und O’Hanlon 2000, 216 ff.; Toje 2008, 76 ff.). Durch die Annäherung mit Russland gegen Ende des Konflikts wurde der Krieg beendet und die Zeit danach wieder durch eine UN-Resolution (UNSCR 1244) geregelt. Die Resolution sah neben einem weitgehenden serbischen Rückzug aus der Provinz und einer Entwaffnung der Kosovarischen Befreiungsarmee die Etablierung einer zivilen und militärischen Präsenz der UN im Kosovo vor - ein Ziel, dass die kosovarische Regierung lange verfolgt hatte (Meyer und Schlotter 2000, 8 f.), die nun aber akzeptieren musste, dass sie auf absehbare Zeit Teil Jugoslawiens bleiben würden (Latawski und Smith 2003, 100 ff.). Diese militärische Präsenz wurde durch die NATO organisiert, die eine Kosovo Force (KFOR) aufbaute, an der sich Russland und andere Staaten ebenfalls beteiligten (heute: 20 NATO-Staaten, acht Partner). Zu Beginn hatte KFOR eine Stärke von ca. 50.000 Soldat*innen (1999). 2002 waren es noch 39.000 und ein Jahr später konnte die Stärke auf 17.500 Uniformierte gesenkt werden. Deutschland nimmt seit Juni 1999 an der KFOR teil, darf laut laufendem Mandat bis zu 400 Soldat*innen entsenden (aktuell sind es 70-80 Militärangehörige) und ist für verschiedene Aufgaben in der Führung, der Aufklärung und die Ausbildung im Zivil- und Katastrophenschutz verantwortlich (Bundeswehr o. J.-c). 90 Die zivile Präsenz, die United Nations Mission in Kosovo (UNMIK), wurde durch die NATO unterstützt, war aber mit ihren Aufträgen zum Wiederaufbau und Reformen unabhängig, die heute ebenfalls von der EU (EULEX Kosovo) begleitet werden (Meyer und Schlotter 2000, 46; NATO JFC Naples o. J.-a). KFOR hatte im Kosovo quasi freie Hand bei der Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung sowie dem Aufbau stabiler, multiethnischer Sicherheitsorgane, durfte im Gegensatz zum kontroversen Rambouillet-Annex aber nicht auf serbisches Territorium vordringen (Webber 2009, 452). Durch die Parallelität von militärischen und zivilen Missionen sowie der Befürwortung der Anwesenheit der aus‐ ländischen Kräfte durch große Teile der Bevölkerung kann KFOR heute 5.3 Krisenmanagement: NATO-Missionen (Arena II) 215 <?page no="216"?> nach der problematischen Militäroperation von 1999 als eine klassische kollektive Sicherheitsmanagementoperation angesehen werden, die nach dem comprehensive approach versucht, umfassende Voraussetzungen für Frieden zu gestalten, wenngleich dies im Kosovo eher ad hoc umgesetzt wurde (Major und Mölling 2009, 26; Petersen et al. 2010). Bis heute ist die Lage im Kosovo instabil und erfordert die Präsenz der NATO. Der Krieg vertrieb über 1 Mio. Menschen. Eine Rückkehr der Geflüchteten konnte zwar erfolgen, danach gab es aber Übergriffe auf die serbischen Bevölkerungsteile. Das Kosovo stand lange unter internatio‐ naler Verwaltung und externe Kräfte nahmen wichtige Staatsfunktionen wie Polizei, Justiz oder allgemeine Verwaltungsaufgaben wahr, während gleichzeitig Gewalt, Kriminalität und Korruption grassierten (Voget und von Hoerschelmann 2009, 310 ff.; Webber 2009, 454 f.). Die von Serbien unabhän‐ gigen Wiederaufbau-, Wirtschafts- und Finanzstrukturen (Währung wurde die DM/ der Euro) sowie der Aufbau einer Verwaltung schafften Tatsachen, die auf eine spätere Unabhängigkeit hinführten, ohne diese explizit als Ziel zu verfolgen (Mertus 2009; Meyer und Schlotter 2000, 1, 46 ff.; Witte 2000). Statusgespräche unter dem ehemaligen finnischen Präsidenten Martti Ahtisaari scheiterten. Daher erklärte sich die jugoslawische Provinz am 17. Februar 2008 unabhängig, ist aber bis heute nur von ca. 100 Staaten anerkannt (darunter die meisten EU-Staaten, USA, Kanada, Australien, Japan et al. - nicht von Serbien, China oder Russland, s. Palickova 2019). Die NATO hat den Kosovo bis 2020 nicht verlassen und ist dort neben der EU mit ca. 3.500 Truppen vertreten (April 2019), die SSR-Maßnahmen durchführen und für Ruhe im nördlichen Kosovo sorgen, wo die serbische Bevölkerung lebt (NATO 2019o). Ob der Krieg selbst hätte verhindert werden können ist umstritten (Daalder und O’Hanlon 2000, Kap. 6). Er hat dem unmittelbaren Töten ein Ende bereitet, jedoch dauern die ethnischen und staatlichen Probleme des Kosovo bis heute, in zweifelsohne vermindertem Maße, an (Simonet 2018, 287 f.) Der Kosovokrieg prägte ebenfalls lange die Beziehungen zu Russland. Russland war zwar Mitglied der Kontaktgruppe, sah sich jedoch mit Ent‐ scheidungen und Abstimmungsprozessen konfrontiert, die in der NATO passierten (Meyer und Schlotter 2000, 24 f.; Toje 2008, 60 f.). Zwar konnte Russland nach seiner ursprünglichen Gegnerschaft zur Intervention wäh‐ rend ihres Verlaufs soweit zur Zusammenarbeit gebracht werden, dass es an einer Konfliktbeendigung mitwirkte, es merkte sich aber ebenfalls die Bereitschaft der NATO, internationale Regeln und russische Interessen im 5 Kollektive Sicherheit 216 <?page no="217"?> 91 Für eine vollständige Liste aller die ISAF betreffenden UNSCRs s. NATO (2015a). Zweifelsfall zu verletzen, wenn sie dies als notwendig zur Realisierung der eigenen Ziele erachtete. Damit war nach der beschlossenen Osterwei‐ terung eine weitere Entscheidung gegen russische Interessen gefallen. Pro-westliche Reformkräfte in Russland wurden so geschwächt, sodass sich die Grundlagen für die Autokratisierung Russlands als auch die späteren Auseinandersetzungen mit der NATO zu entwickeln begannen. Letztlich manifestierte sich im Kosovo die damalige Unipolarität der Weltordnung mit den USA als europäischem Hegemon (Asmus 2002, 125; Rösch 2016, 171 ff.). Hill beobachtet daher, dass „the effect of Kosovo was not so much to end Russian cooperation with the West as to fundamentally change Russian perceptions of Western motives and approaches to European security structures and issues. […] NATO’s attack on Serbia in 1999, ignoring Russia’s objections and bypassing the United Nations, was by far the single greatest act and the single most important factor in eroding the trust that served as the basis of Russia’s relations with the West and the European security system in the 1990s.“ (Hill 2018, 168 f.) Zwar setzte nach Jelzins Rücktritt der neue russische Präsident Vladimir Putin die Kooperation mit der Allianz zunächst fort, aber Russland hatte seine Lehren aus dem Kosovo gezogen. 5.3.3 Die NATO in Afghanistan: Terrorismusbekämpfung und state-building Wiederaufbau und Aufstandsbekämpfung - geht das? Die terroristischen Ereignisse von 9/ 11 und der danach beginnende globale Kampf gegen den Terrorismus beförderten die Sicherheitspolitik in eine neue Ära. Operation Enduring Freedom bekämpfte ab Oktober 2001 außerhalb der NATO-Strukturen, aber unter Beteiligung vieler Alliierter die Taliban und al-Qaida (s. Kap. 4.3). Die USA wollten nach den Erfahrungen im Kosovo und im unilateralen Moment der Bush Jr.-Administration die Zügel dieser neuen Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht abgeben (Webber 2013, 37 f.). Die Allianz führte hingegen eine maritime Anti-Terror-Mission im Mittelmeer (Active Endeavour) durch. Die nach dem Ende der ersten Kampfhandlungen durch UNSCR 1386 91 am 20. Dezember 2001 eingesetzte International Security 5.3 Krisenmanagement: NATO-Missionen (Arena II) 217 <?page no="218"?> 92 Die Entscheidung der zunehmenden Zusammenlegung von ISAF und OEF seit 2006 ist unter militärischen Gesichtspunkten nachvollziehbar, führte mit Blick auf den zivilen Wiederaufbauauftrag jedoch zu der Schwierigkeit, gleichzeitig Terroristen zu jagen und um Vertrauen der Bevölkerung zu werben. Assistance Force (ISAF) funktionierte zunächst durch multilaterale Koordina‐ tion und abwechselnde Führung und sollte Sicherheit in Kabul herstellen. Deutschland beteiligte sich ab Januar 2002 mit Infanteriekräften, Helikoptern und Lufttransportkapazitäten (Heitmann-Kroning 2015, 139). Das ISAF-Kom‐ mando ging am 11. August 2003 an die NATO über (NATO 2019o). Im Herbst 2003 bat die neue afghanische Regierung um eine Ausweitung des Auftrags, der sich nunmehr auch dem zivilen und staatlichen Wiederaufbau widmen sollte, auf das ganze Land, was in UNSCR 1510 festgehalten wurde (Bundeswehr o. J.-a; Sperling und Webber 2009, 501; Suhrke 2006, 2). Dies führte dazu, dass 2010 131.000 Soldat*innen (2010) aus 51 Ländern (alle damaligen 28 NATO-Staaten mit ca. 100.000 Soldat*innen, davon USA ca. 62.000) in ISAF Dienst taten. Zum ISAF-Beginn betrug diese Zahl 3.000 Uniformierte, zu ihrem Ende im Januar 2014 waren es noch 57.000 Kräfte aus 49 Nationen, wobei der deutsche Schnitt von ca. 2.000 auf ca. 5.000 Soldat*innen stieg (Heit‐ mann-Kroning 2015, 150; Rühl 2011, 301). Die starke Vergrößerung der Kräfte erklärt sich sowohl durch die Ausweitung der Aufgaben als auch die unsichere Lage im Land. Seit 2006 übernahm ISAF daher Teile der Kampfaufgaben von OEF, seit 2009 bestand eine Personalunion von ISAF- und OEF-Kommandeur. 92 Im Jahr 2009 spitzte sich der Widerstand zu, wodurch es zu der starken Erhöhung der Truppen kam (Bird 2013, 121 ff.; NATO 2015a, s. Placemat Archive; Ringsmose 2016, 216 f.). Ab 2003 sah sich das Bündnis mit einem breiten Aufgabenspektrum konfrontiert: Dazu gehörten die Herstellung von Sicherheit und die Entwaff‐ nung von bewaffneten Gruppen; Aufbau von Sicherheitskräften (Polizei, Armee); Justiz- und Sicherheitssektorreform; Wiederaufbauhilfe für Infra‐ struktur, Wirtschaft und das Bildungssystem; Drogen-, Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung sowie ganz allgemein eine soziale und politische Liberalisierung (mindestens als Achtung der Menschenrechte und der Er‐ richtung eines demokratischen Systems verstanden) bei Akzeptanz des Islams als wichtige kulturelle und religiöse Kraft (Nachtwei 2012, 34 f.). Damit übernahm die NATO Aufgaben, die deutlich jenseits ihres primär militärischen Erfahrungsbereichs lagen und die die neue afghanische Regie‐ rung selbst nicht bewältigen konnte (Suhrke 2006, 3 f., 10 ff.). Zwar hatte man 5 Kollektive Sicherheit 218 <?page no="219"?> 93 Außerdem hatte die BRD seit Juni 2006 die Verantwortung über das Regionalkommando Nord mit neun Provinzen (eine Fläche fast halb so groß wie Deutschland), wofür es ein Hauptquartier und Feldlager in Mazar-i Scharif unterhielt (Bundeswehr o. J.-a). im Kosovo und Jugoslawien gelernt, zivil-militärische Zusammenarbeit zu betreiben, aber die Afghanistanmission verlangte deutlich größere Kapazi‐ täten von den Alliierten. ISAF wurde so zu der Mission der Atlantischen Allianz (und der Bundeswehr) mit ihrem bisher anspruchsvollsten Einsatz (Sperling und Webber 2009, 501 f.; Zürcher 2009). Vor diesem Hintergrund kooperierte die NATO im Zuge der Mission mit anderen Organisationen wie z. B. den UN (United Nations Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) oder der EU, die von 2007 bis 2016 eine Polizeimission führte (EUPOL Afghanistan, s. EEAS o. J.; Peral 2009). Daneben traten eine große Zahl von Nichtregierungsorganisationen und -initiativen Wiederauf‐ bauaufgaben an, die vom Bündnis geschützt wurden. Dazu entwickelte die Allianz das Konzept der so genannten Provincial Reconstruction Teams (PRTs), die jeweils von einer Führungsnation koordiniert wurden und aus multina‐ tionalen Kräften sowie Zivilist*innen und Militärs bestanden. Sie sollten die Bevölkerung und internationale Akteure in ihrem Verantwortungsbereich schützen, Vertrauen sichern (confidence-building measures) und entwaffnen. PRTs berieten die neuen afghanischen Autoritäten in Aspekten der good governance und und betrieben administrativen, juristischen und sicherheits‐ bezogenen Kapazitätsaufbau (capacity building), um die Verantwortung in diesen Bereichen irgendwann an die nationalen Behörden oder andere Ak‐ teure abgeben zu können. Dies geschah progressiv bis zum Ende der ISAF im Dezember 2014. Teilweise nahmen die PRTs selbst Wiederaufbauaufgaben wahr und unterstützten andere Akteure, z. B. mit Ingenieuren (NATO 2015a). Finanziell wurden die PRTs und internationale Organisationen neben den nationalen Budgets durch verschiedene eigens geschaffene internationale Finanzierungsfonds für Afghanistan unterstützt (NATO 2020b). Von 2004 bis 2014 wurden ca. $57 Mrd. offizielle Entwicklungshilfe gezahlt, die ca. 90 % des Staatshaushalts ausmachten (Strand et al. 2016, 7, 13). Deutschland führte im Verlauf der Mission zwei PRTs in Kundus und Fayzabad im Norden Afgha‐ nistans, was seinem Verständnis als Zivilmacht entsprach und die Idee eines weiten Sicherheitsbergriffs umsetzte (Ehrhart 2011). 93 Die deutschen PRTs be‐ tonten daher vor allem die zivilen Komponenten des Einsatzes in Afghanistan und versuchten, militärisch ein low profile einzunehmen - was bei den stärker kämpfenden Verbündeten nicht immer auf Gegenliebe stieß (Berenskoetter 5.3 Krisenmanagement: NATO-Missionen (Arena II) 219 <?page no="220"?> 94 Osama bin Laden versteckte sich lange Zeit in Abbottabad in Pakistan und wurde dort 2011 beim Versuch, ihn gefangen zu nehmen, getötet. 2011, 288 ff.; Sperling und Webber 2009, 507 ff.). Die Bundeswehr kooperierte im Wiederaufbau z. B. eng mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ, damals noch GTZ), dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung oder dem Innenministerium. Die deutschen PRTs wurden zudem von einer zivil-militärischen Doppelspitze geleitet und bestanden zu Hochzeiten aus 350-450 Kräften (Bundeswehr o. J.-a; Heitmann-Kroning 2015, 155 ff., 171 f; Nachtwei 2012, 35 ff.). Das PRT-Konzept folgte also dem comprehensive approach der Kon‐ fliktbearbeitung, nach der Konfliktmanagement soziale, politische, wirt‐ schaftliche, finanzielle oder militärische Faktoren bearbeiten muss, blieb dabei aber bis 2010 unvollständig und ad hoc, was an der militärischen Tradition und Fähigkeiten der Allianz sowie unterschiedlichen nationalen Agenden lag, und konnte erst danach deutlich verbessert werden (Major und Mölling 2009, 26; Petersen et al. 2010; Rynning 2017, 119 ff.). Die NATO hat sich hiermit also ein Stück den stärker zivil orientierten Sicherheitsmanagementkonzepten der EU angenähert (Hill 2018, 220 f., 303). Durch die Zusammenarbeit von NATO-PRTs mit lokalen Behörden und internationalen Organisationen oder NGOs konnten zwar de facto die Lebensbedingungen in Afghanistan in vielerlei Hinsicht verbessert werden, z. B. die Gesundheitsversorgung, Schulbildung oder die ländliche Entwicklung, viele dieser Verbesserungen bleiben aber bis heute durch die schlechte Sicherheitslage gefährdet und sind stark abhängig von der lokalen politischen, wirtschaftlichen und ethnischen Gemengelage (Böhnke et al. 2015; Zürcher 2009, 335 f.). Kritisiert wurde, dass local ownership als zentrale Idee entwicklungspolitischer Zusammenarbeit nicht immer im Vordergrund der Aufbauaktivitäten stand, die Nachhaltigkeit des Erreichten gefährdet sei oder dass die Schutzfunktion gegenüber der Bevölkerung manchmal nur unzureichend wahrgenommen wurde. So verschlechterte sich die Sicherheitslage seit 2006 zusehends, wodurch Kampfaspekte des Einsatzes stärker in den Vordergrund traten (Ehrhart 2011, 71 ff.; Fröhlich 2011b, 37 f.; Harnisch 2011, 228 ff.; Strand et al. 2016, 3, 10 f.). Letztlich waren die Taliban 2003 nicht besiegt worden, sodass sie sich im benachbarten Pakistan neu formieren konnten (Hassan und Hammond 2011, 541 ff.). 94 5 Kollektive Sicherheit 220 <?page no="221"?> Der vollständige Wiederaufbau der afghanischen Armee und Polizei war eine der Hauptaufgaben von ISAF (NATO Training Mission Afghanistan, NTM-A). Zu Beginn von ISAF wurden die Rekruten selbst vom Bündnis ausgebildet und bezahlt (Suhrke 2006, 25 ff.), während parallel afghanische Ausbilder geschult wurden (training the trainers). Gleichzeitig begleiteten NATO-Kräfte die afghanischen Soldaten in Feldeinsätzen, berieten sie bei Einsätzen oder stellten notwendige kapazitäre Unterstützung bereit (z. B. Luftschläge, Aufklärung). Zunächst waren die Alliierten (bzw. die EU ab 2007 bei der Polizei) hier in der Führungsfunktion, zogen sich aber mit zunehmender Qualifikation der afghanischen Armee und Polizei zurück, bis 2013 die afghanischen Kräfte auch den letzten Sicherheitssektor über‐ nahmen, bei Bedarf aber noch Unterstützung anfordern konnten. Dieses Arrangement besteht bis heute im Rahmen der kleineren RSM fort (NATO 2015a). Die Bundeswehr setzte in ihrem Verantwortungsgebiet Mentoren‐ gruppen und ab 2010 zwei Ausbildungsbataillone ein (insgesamt 1.400 Aus‐ bildungs- und Schutzsoldat*innen), war aber teils durch ein eng gefasstes Bundestagsmandat derartig beschnitten, dass sie nicht immer im Sinne der militärischen Notwendigkeiten des Partnering mit der afghanischen Armee handeln konnte (Nachtwei 2012, 43ff.). Die durch Guerillakriegsführung der Taliban und später von weiteren terroristischen Vereinigungen (z. B. ISIS) einsetzende, zunehmende Verschlechterung der Sicherheitslage seit 2006/ 07 ließ den ISAF-Einsatz daher um das Jahr 2009/ 10 in eine Aufstands‐ bekämpfung (counterinsurgency) umschlagen (ibid., 37 ff.). Obama erhöhte die Zahl der Kampftruppen (surge) massiv, um den Aufstand zu bekämpfen und die Bevölkerung besser zu schützen (Ehrhart 2011, 75 ff.; Fröhlich 2011b, 38; Heitmann-Kroning 2015, 190 ff., 208 ff.). Umfragen in der Bevölkerung zeigen, dass der surge und die counterinsurgency-Strategie nach 2011 die Sicherheit erhöht haben. Dadurch konnte der comprehensive approach wieder besser implementiert werden (Rynning 2017, 121; Böhnke et al. 2015). Auf dem Chicagoer NATO-Gipfel von 2012 beschloss die Atlantische Al‐ lianz einen neuen Zuschnitt ihrer Mission in Afghanistan. Am 28. Dezember 2014 endeten daher sowohl ISAF als auch OEF und wurden fortan in einer integrierten Mission der NATO fortgeführt, der Resolute Support Mission (Entschlossene Unterstützung, RSM). Im Gegensatz zu OEF und ISAF sind die Aufgaben von RSM fast ausschließlich auf den Bereich des Trainings und der Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte sowie damit in Verbindung stehende SSR-Aktivitäten beschränkt (train, advise, assist). RSM gewährt immer noch Kampfunterstützung, vor allem im Bereich der Luftwaffe, 5.3 Krisenmanagement: NATO-Missionen (Arena II) 221 <?page no="222"?> und stellt oft Geheimdienst- und Führungsfähigkeiten bereit. Sie kann wei‐ terhin Überwachungs,- Sicherungs-, Logistik- und Evakuierungsaufgaben übernehmen, für die nach wie vor ca. 17.000 Truppen aus 39 Staaten ihren Dienst tun (2020, s. NATO 2020b). Deutschland stellt davon bis zu 1.300 Soldat*innen. Die Bundeswehr hat weiterhin das Regionalkommando Nord in Mazar-i-Scharif inne, in dem es auch Soldat*innen von 20 anderen Nationen führt (Bundeswehr o. J.-d). Die afghanische Nationalarmee wird nach wie vor durch einen internationalen Fonds finanziert und ist auf die Koalitionsunterstützung angewiesen (Lynch 2015, 122, 130; NATO 2020h). Trotz des kleineren Missionsauftrags und -zuschnitts ist die Rolle der NATO und der USA in Afghanistan immer noch immens und seit 2015 durch wiedererstarkte Taliban sowie die schleichende Implantation von ISIS wieder durch mehr Kampfeinsätze geprägt (Giustozzi 2017; Schreer und Waldman 2019). Mit RSM hat sich die Allianz aus den zivilen Wiederaufbauaufgaben zurückgezogen und sich auf Sicherheitskooperation beschränkt, was auch mit der Verschiebung der politischen und militärischen Aufmerksamkeit zu kollektiven Verteidigungsbemühungen in Europa seit 2014 sowie einer gewissen Interventionsmüdigkeit nach einem langen Engagement zusam‐ menhängt. Das Ziel, aus Afghanistan eine stabile und prosperierende Gesellschaft, womöglich sogar nach westlich-liberalem und modernem Vorbild zu machen, wurde aufgegeben (Hassan und Hammond 2011; Suhrke 2006). Heute ist das Ziel lediglich, dass aus dem Land am Hindukusch keine Gefahr mehr für den Westen hervorgehen kann. Präsident Trump hat den militärischen Druck auf Taliban und ISIS zeitweise noch einmal erhöht (Schreer und Waldman 2019; Lynch 2015, 121), bevor Gespräche zwischen den USA und den Taliban in Katar stattgefunden haben, die 2020 zu einem brüchigen Abkommen mit Vereinbarungen zum US-Truppenabzug im Gegenzug für Gewaltfreiheit und Terrorismusbekämpfung von ISIS und al-Qaida geführt haben. Problematisch war bei den Gesprächen, dass die afghanische Führung kaum bis gar nicht eingebunden war, sie aber zur Freilassung von 5.000 Taliban verpflichtet wurde. Damit ist die politische Lage in Kabul - neben den Problemen der Präsidentenwahl mit zwei vermeintlichen Gewinnern - im Moment mehr als unsicher (Deutsche Welle 2020b; Vestenskov und Yücel 2019). Einige Aktivitäten hat die Allianz also seit 2014 stark zurückgefahren, weil man neue politische Schwerpunkte setzte oder manche Politiken nicht erfolgreich verliefen. Die seit Beginn von ISAF geplante Bekämpfung des Drogenanbaus wurde z. B. nie in aller 5 Kollektive Sicherheit 222 <?page no="223"?> Konsequenz verfolgt und ist ein komplexes Feld zwischen wirtschaftlicher Entwicklung (und Wertschöpfung! ), Handel/ Kriminalität und Sicherheit (Kühn 2011). Korruption und Misswirtschaft sind nach wie vor endemisch, die Früchte des Wiederaufbaus wurden nicht gerecht verteilt (Afghanistan verzeichnete z. B. 2015 sogar eine leicht höhere Armutsrate als 2005) und es gibt nach wie vor viele Probleme im Bereich der Geschlechtergerechtigkeit. Es kann auch heute kaum von einem funktionierenden Regierungssystem mit einer effektiven und neutralen Verwaltung gesprochen werden, was unter anderem mit einem falschen Fokus auf Kapazität anstelle legitimen Regierens erklärt werden kann, das die afghanische Stammesstruktur ver‐ nachlässigte (Etzioni 2011; Hassan und Hammond 2011, 541 ff.; Suhrke 2013). Trotzdem wurden signifikante Fortschritte in vielen Bereichen im Verhältnis zur Talibanzeit erreicht, z. B. in Bildung, Wahlen, Gesundheit, Zivilgesell‐ schaft, ländlicher Entwicklung oder der Förderung der Privatwirtschaft, z. B. durch Infrastrukturmaßnahmen. Die Herausforderung wird sein, das Erreichte auch nach der Phase intensiven internationalen Engagements (und Finanzierung! ) zu erhalten oder zu verbessern, was in Anbetracht der begrenzten Regelungsfähigkeit der afghanischen Zentralregierung mehr als unsicher ist (Schreer und Waldman 2019). Umgekehrt besteht durch den Teilrückzug der NATO und anderer Sicherheitsakteure die Chance, Lö‐ sungen aus entwicklungs- und nicht sicherheitspolitischer Sicht zu suchen (Strand et al. 2016; Suhrke 2013). Caveats, Strategie und andere Probleme Von 2003 bis 2014 war ISAF (und in geringerem Maße OEF) das dominie‐ rende Thema in der NATO, das alle anderen in den Hintergrund stellte. Das 2010er Strategische Konzept war trotz der üblichen Einlassungen zu kollektiver Verteidigung und den Neuerungen im ABM-Bereich von den Notwendigkeiten und Lehren Afghanistans und der Terrorismusbekämp‐ fung geprägt und formulierte den comprehensive approach aus (Flockhart 2011). Neben der Neuausrichtung und Erweiterung der 1990er Jahre und 9/ 11 kann daher Ellen Hallams (2013) zugestimmt werden, die den Afgha‐ nistanmissionen einen bedeutenden transformatorischen Charakter für das Bündnis bescheinigt. ISAF, OEF und RSM ließen Kapazitätsprobleme und unterschiedliche Konzepte über die Aufgaben der Allianz aufeinander‐ prallen, während Konflikte gleichzeitig in action gelöst werden mussten. Die Frage des burden-sharing bezog sich daher nicht mehr nur auf mehr oder weniger konkrete Streitkräfteplanungen wie während des Kalten 5.3 Krisenmanagement: NATO-Missionen (Arena II) 223 <?page no="224"?> 95 Die Zahl der Opfer unter der afghanischen Zivilbevölkerung wurde erst seit 2009 von der UNAMA systematisch erfasst. Sie betrug von 2009 bis 2019 ca. 35.000 Tote und 65.000 Verletzte (Deutsche Welle 2020a). Kriegs oder die Höhe der Verteidigungsausgaben, sondern auf konkrete operationelle Fähigkeiten und Beiträge in einer Größenordnung von mehr als IFOR/ SFOR und KFOR zu Hochzeiten zusammen. Daher bedeutete eine unterschiedliche Lastenverteilung in Afghanistan im Zweifelsfall auch mehr tote Soldat*innen. 95 Bis Juni 2013, also anderthalb Jahre vor Ende von ISAF und OEF, hatten die USA als größter Truppensteller 2.235 Soldat*innen verloren, Großbritannien 444, Kanada 158, Frankreich 86 und Deutschland 54. Die gesamten Verluste aller ISAF-Staaten beliefen sich auf 3.234 Soldat*innen (Ringsmose 2016, 217). Bis Juni 2020 ist diese Zahl auf 3.574 Tote gestiegen (White, icasualties.org, Afghanistan Fatalities). Damit entsprachen die US-Verluste beinah 70 % aller getöteten Kräfte. Aufgrund der größeren Gefährlichkeit der südlichen Provinzen, wo es in der Regel häufigere und heftigere Gefechte gab, unterlagen dort statio‐ nierte Koalitionssoldat*innen weit höheren Gefahren als im Vergleichsweise ruhigen Norden des Landes. Zusätzlich beteiligten sich truppenstellende Staaten sehr unterschiedlich an der gefährlicheren OEF oder der friedli‐ cheren ISAF und brachten aufgrund ihrer national erteilten Mandate teils unterschiedliche caveats (Beschränkungen) ihres Einsatzes mit. So verzeich‐ neten Stephen Saideman und David Auerswald (2012) in einer Studie 50 bis 80 formelle Beschränkungen oder Ausnahmen, denen die ISAF-Kom‐ mandeure beim Einsatz Rechnung tragen mussten. Je nach Beschaffenheit der caveats hieß dies unter Umständen, dass Truppen für gefährlichere Missionen nicht in Frage kamen. Obwohl Belgien, Italien, Spanien oder die Türkei ihren Truppen teils noch größere caveats auferlegten, kam vor allem Deutschland in die Kritik für seine Beschränkungen, weil es ein sehr großes Kontingent stellte. So durften deutsche Truppen zwischen 2003 und 2009 (Zeitraum der Studie) z. B. nur in Ausnahmefällen kurzfristig ihr nördliches Einsatzgebiet verlassen, keine Ausbildung- oder Assistenz‐ einsätze außerhalb fahren, nicht anderen Koalitionstruppen Hilfe leisten, wenn sie außerhalb ihres Kommandobereichs unter Beschuss standen, und bis kurz vor Ende des Untersuchungszeitraums nur in Selbstverteidi‐ gungssituationen tödliche Gewalt anwenden, was z. B. die Festnahme von Talibananführern oder das Ausheben von Bombenschmieden erschwerte. Die Ursache für die Beschränkungen liegt in Deutschland vor allem an der 5 Kollektive Sicherheit 224 <?page no="225"?> zentralen Rolle des Bundestags und der Notwendigkeit seiner Zustimmung zu Missionsmandaten, die teils detailliert ausfallen. Umgekehrt sorgt die Rolle des Bundestags für vorsichtigere Mandatstexte oder Vorschriften für Soldat*innen, um Zustimmung zu sichern. Die Gründe für diese caveats liegen wiederum in der deutschen Kultur der Zurückhaltung, die sich ebenfalls in wenig öffentlicher Zustimmung zu den Einsätzen niederschlägt (s. auch Berenskoetter 2011; Ehrhart 2011, 74 f.; Fröhlich 2011b, 42). Somit ergab sich daraus innerhalb der NATO, aber auch gegenüber den anderen Koalitionsmitgliedern der Eindruck einer Allianz, in der die einen kämpfen und sterben und die anderen nur zivil-militärische Aufbauhelfer sind (z. B. Deutschland, Italien, s. Sperling und Webber 2009, 503 ff.; Giegerich 2012b, 71 ff.; Nötzel und Schreer 2009, 217 ff.). Daher stellen caveats ein Problem für alliierte Solidarität und Lastenverteilung dar, das nicht mehr abstrakt, sondern sehr konkret ist (Hallams 2013, 219 ff.). Trotzdem haben einzelne Alliierte oder Koalitionsmitglieder mit caveats teils beträchtliches Engagement in Afghanistan (ISAF und OEF) oder im Kosovo gezeigt, die für sich genommen wertvolle Beiträge zur Mission waren. Nimmt man diese beiden Missionen zusammen, haben die Europäer*innen und Kanadier*innen durchaus signifikante Beiträge geleistet und somit die Last geteilt, auch wenn sie sehr unterschiedlicher Natur gewesen sein mögen. Die Geschichte des burden-sharing ist also eine, die von Mission zu Mission unterschiedlich sein kann (Sperling und Webber 2009, 503 f.). Die caveats waren also ein Ausdruck davon, dass die NATO-Alliierten und weiteren Koalitionsstaaten teils sehr unterschiedliche Vorstellungen hatten, was in Afghanistan zu tun sei. Für eine Gruppe um die USA stand die Ter‐ rorismusbekämpfung in OEF oder counterinsurgency in ISAF ganz klar im Vordergrund, während andere Staaten eher die zivil-militärische Dimension des ISAF-Einsatzes betonten und Terrorismusbekämpfung zurückhaltend oder nur reaktiv angingen. Eine dritte Gruppe Staaten, darunter neue oder baldige NATO-Mitglieder und PfP-Staaten, war es wiederum eher wichtig, durch eigenes Engagement zu zeigen, dass man an der Seite der Allianz stand, während man sich selbst dadurch eine Absicherung des Allianzver‐ sprechens erhoffte. An ISAF, OEF und RSM offenbarte sich daher erneut, dass das Bündnis sehr unterschiedliche strategische Interessen vereinen musste, während es gleichzeitig darum ging, eine Mission großen Umfangs zu führen. Dies erschwerte die Verfolgung einer kohärenten Strategie und ist Teil der Erklärung von Erfolg und Misserfolg des Einsatzes (Nötzel und Schreer 2009; Bird 2013). Diese Probleme sind der Allianz nicht neu, 5.3 Krisenmanagement: NATO-Missionen (Arena II) 225 <?page no="226"?> sondern Bestandteil ihrer kooperativen und häufig konfliktiven DNA seit 1949 (Bird 2013). Schließlich wirkte in Europa die neue sicherheitspolitische Situation seit der russischen Kriminvasion im Februar 2014 sozusagen aus dem Rückraum Afghanistans als einende Kraft, die zu einer Refokussierung des Bündnisses auf harte militärische Fragestellungen der Kapazitäten und Strategie gerade zu dem Moment führte, als der Übergang von ISAF zu RSM gestaltet werden musste (Rynning 2017). Im Jahr 2020 hat die NATO bei Weitem nicht das erreicht, was sie ursprünglich wollte. Die Dilemmata von ISAF zwischen state-building und Sicherheit sind daher auch in RSM noch immer präsent (Schreer und Waldman 2019). Beide Imperative - Sicherheit und ein als legitim empfundener Wiederaufbau von Gesellschaft, Wirtschaft und Staatswesen - effektiv miteinander zu verbinden ist die Herausforde‐ rung, Notwendigkeit und der Fallstrick humanitärer Interventionen. 5.3.4 Libyen: Der toolbox-Modus Im Fall Libyens eröffnete sich der Weg zu einer Intervention der NATO nicht so geradlinig wie in Afghanistan, bei der es sich um eine Antwort der Allianz auf einen terroristischen Angriff auf das Bündnisgebiet handelte. Eine gewisse Vergleichbarkeit ist mit den Umständen im Kosovo gegeben, da sich in Libyen im Zuge der Ereignisse des Arabischen Frühlings, die in den Jahren 2011 bis 2012 eine Reihe nordafrikanischer und arabischer Staaten im Nahen Osten erfassten und zum Sturz von Diktatoren, neuen Diktaturen, einer neuen Demokratie (Tunesien) oder im Falle Syriens auch zu Bürgerkrieg führten (McQuinn 2013; Rosiny und Richter 2016), ein Teil der libyschen Bevölkerung im Osten des Landes (Cyrenaika) gegen die Herrschaft des Diktators Muammar al-Gaddafi auflehnte, der daraufhin mit den militärischen Machtmitteln des Zentralstaats gegen die Aufständischen vorging (Biermann 2014a). In Libyen ging es vor allem um eine Auseinandersetzung um Despotismus, Freiheit, Klientelismus und Stammeszugehörigkeiten. Die NATO-Staaten und weitere Verbündete waren wegen der sich akut entwickelnden Lage am südlichen Rand des Mittelmeers besorgt, in der sie zum einen das Wiederaufkommen grausamer Gewalt sahen und sich zum anderen um die sicherheitspolitische Lage in ihrem Nahbereich sorgten. Die EU reagierte im Februar 2011 mit einer Sanktionspolitik, war aber sonst nicht zum Handeln fähig (Fabbrini 2014; Koenig 2014). UNSCR 1970 verhängte am 26. Februar einerseits ein Waffenembargo gegen Libyen und überwies den Fall andererseits an den Internationalen Strafgerichtshof zur Überprüfung von Verbrechen gegen die 5 Kollektive Sicherheit 226 <?page no="227"?> 96 Einige Autoren vermuten rationalere Gründe von einigen Staaten, die für eine Intervention sprachen, wie z. B. Ölinteressen, anstehende Wahlen, Migrationsängste oder strategische Überlegungen (Cumming 2013; Davidson 2013; Howorth 2012; kritisch Ostermann 2016, 73 f.). Menschlichkeit. Der Golfkooperationsrat und die Arabische Liga schlossen sich der Verurteilung und teils auch dem Handeln gegen Gaddafi an. Zur selben Zeit formierte sich ein nationaler Übergangsrat, der sich an die Spitze des aus dem ostlybischen Benghazi gesteuerten Aufstands stellte und fortan von vielen Staaten als legitimer Repräsentant der libyschen Bevölkerung anerkannt wurde. Die Aufständischen begannen eine Offensive in Richtung der Hauptstadt Tripoli im Westen des Landes, während Gaddafi zunehmend brutal zurückschlug, unter anderem unter Einsatz der Luftwaffe (gute Übersichten bei Chivvis 2014; Rémy 2011). Die genaue Anzahl der Toten ist nie endgültig ge‐ klärt worden (Kuperman 2015, 69), aber Gaddafis blutrünstige Sprache erhöhte die allgemeine Besorgnis um die Situation der Menschen im Land (Fröhlich 2011a, 142 f.). 96 Am 17. März erlaubte der UN-Sicherheitsrat (unter Enthaltung von fünf Staaten, darunter Deutschland sowie die Vetomächte China und Russland) daher in UNSCR 1973 Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta, verhängte eine Flugverbotszone, sprach Reisebeschränkungen aus und fror Auslandsgelder regimetreuer Politiker ein. Unter Ausschluss einer Bodeninvasion erlaubte der Sicherheitsrat ausdrücklich alle anderen Schritte zum Schutz der libyschen Bevölkerung (United Nations 2011). Damit entschied sich das Gremium für die Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates unter Rückgriff auf das in der Folge der Jugoslawienkriege entwickelte Konzept der Responsibility to Protect (Berti 2013). Exkurs: Die Responsibility to Protect (R2P) Nach den zunehmenden Problemen von Staatszerfall, Genoziden und Menschenrechtsverletzungen innerhalb von Staaten in den 1990er Jahren, die aufgrund der in der UN-Charta verbürgten Souveränitäts‐ norm formal außerhalb der Jurisdiktion der Weltgemeinschaft liegen, und den Schwierigkeiten der internationalen Gemeinschaft, darauf eine Antwort zu finden, fand sich im Jahr 2000 eine internationale Kommission (International Commission on Intervention and State So‐ vereignty, ICISS) unter australisch-kanadischem Vorsitz zusammen, die neue Richtlinien für den Umgang mit derartigen Situationen aus‐ arbeiten sollte (Evans 2009; Fröhlich 2011a; Thakur 2006, Kap. 11). 5.3 Krisenmanagement: NATO-Missionen (Arena II) 227 <?page no="228"?> Aus der Arbeit dieser Kommission ergab sich im Jahr 2001 der The Responsibility to Protect betitelte Bericht, der die Prinzipien dieser neuen internationalen Norm beschrieb. R2P versucht, das Verhältnis zwischen Souveränität und Schutz von Menschen(rechten) neu zu definieren, indem sie die Souveränität eines Staates - und somit seine alleinige Entscheidungsgewalt darüber, was innerhalb seiner Grenzen passiert (Nichteinmischungsprinzip) - an den Schutz von Menschenleben in seinem Verfügungsbereich bindet, für die er zunächst primär verantwortlich zeichnet. Wenn ein Staat dieser Schutzverantwortung nicht mehr nachkommt (weil er es nicht will oder kann) und in ihm ein massiver Verlust an Menschenleben (auch, aber nicht ausschließlich Genozid) oder ethnische Säuberungs‐ maßnahmen (Vertreibung, Vergewaltigung, Tötung) unmittelbar be‐ vorstehen oder stattfinden, geht nach der R2P in Ausnahmefällen die Schutzverantwortung auf die internationale Gemeinschaft - konkret an den UN-Sicherheitsrat mit seinen Aufgaben für die Erhaltung von Frieden und Sicherheit - über. Es liegt dann am Sicherheitsrat (gemäß Kapitel VII) zu entscheiden, ob die Vergehen gegen Menschenleben so gravierend sind, dass sie über dem Nichteinmischungsprinzip stehen und es somit außer Kraft setzen. Beauftragt durch den UN-Sicher‐ heitsrat kann dann eine Intervention gegen den Willen eines Staates erfolgen, um den Schutz von Menschenleben wieder zu gewährleisten (Fröhlich 2011a, 138 f.). Diese Prinzipien wurden so vom UN World Summit 2005 (60. UN-Geburtstag) einstimmig verabschiedet und sollten fortan die internationale Gemeinschaft leiten und zur Verhinderung eines ähnlichen Verlusts von Menschenleben wie in den 1990er Jahren führen (Evans 2009). R2P besteht aus drei Komponenten. Vor einer Intervention gibt es eine 1.) responsibility to prevent. D.h., dass die internationale Gemeinschaft alle anderen Mittel, die ihr zur Verfügung stehen (langfristige Präven‐ tion, Verhandlungen, wenn möglich Überweisung an Gerichtsbarkeit) ausgeschöpft haben muss, bevor die 2.) responsibility to protect vom be‐ troffenen Staat auf die internationale Gemeinschaft übergeht und somit ein Eingriff in die Souveränität eines Staats z. B. durch Sanktionen und im Extremfall eine Intervention erlaubt ist. Die Intervention muss des Weiteren zu einer Verbesserung der Situation führen, verhältnismäßig sein und eine reelle Chance auf Erfolg haben. (Die R2P lehnt sich somit an die bereits im Mittelalter begründete Denkschule zum Gerechten 5 Kollektive Sicherheit 228 <?page no="229"?> Krieg an.) Nach der erfolgten Intervention unterliegt die internationale Gemeinschaft 3.) einer responsibility to rebuild. Sie muss also dafür Sorge tragen, dass nach einer Intervention Wiederaufbau- und Versöh‐ nungsmaßnahmen erfolgen, die das ursprüngliche Problem abstellen (ICRtoP 2001, Core Documents; Evans 2009, 22 ff.). Die R2P war ein wichtiger Meilenstein im Unterfangen, die staatszent‐ rierte UN-Charta und die aus ihr resultierenden Normen internatio‐ naler Staatspraxis im Angesicht massiver innerstaatlicher Gewalt zu modernisieren. Damit steht die R2P in einer Entwicklungslinie mit einem erweiterten Sicherheitsbegriff, der nicht mehr ausschließlich den Staat, sondern den Menschen in den Mittelpunkt sicherheitsorien‐ tierten Handelns stellt (s. Exkurs „Der erweiterte Sicherheitsbegriff “). Sie ist heute eine Norm im Werden (Finnemore und Sikkink 1998, 895 ff.; Stahn 2007), die von einer großen Anzahl Staaten als Verhaltenserwar‐ tung angenommen wird. Entscheidungen des Sicherheitsrats zur R2P stellen zudem Präzedenz her, sie tun dies aber noch nicht einheitlich. Genau wie die Normen der Nichteinmischung und Souveränität steht R2P aber vor Problemen. Zum einen befindet sich die Norm in einem Debattenzustand zwischen moralischer Legitimität und juristischer Le‐ galität, dessen Folgen für Staatspraxis und internationale Politik noch nicht endgültig geklärt sind - was auch bei einer so jungen Norm nicht zu erwarten wäre (Daase 2013, 49 ff.; Stahn 2007). Zum anderen besteht die Gefahr des Normmissbrauchs. Dazu gibt es lebendige Debatten zur Verbindung von R2P mit einer Regimewechselagenda in Libyen (Beestermöller 2014; Berti 2013; Staack und Krause 2015) oder zur Nut‐ zung von R2P als Vorwand für Krieg durch autoritäre Staaten, darunter permanente Mitglieder des Sicherheitsrats (Burai 2016; Hansel und Reichwein 2020a). Diese Staaten drehen das Argument der zunächst nationalstaatlichen Zuständigkeit für den Schutz von Menschenleben als Interventionsgrund für den Schutz des vermeintlich eigenen Volks, Ethnie oder Konfession in einem anderen Staat um, bevor die inter‐ nationale Gemeinschaft dafür zuständig ist (Hansel und Reichwein 2020b; Reinold 2010). Somit steht die Anwendung von R2P in der Kritik von beiden Seiten des staatlichen Kontinuums von Demokra‐ tien zu Autokratien, während sie gleichzeitig genutzt wird (Stahn 2007). Eine weitere Schwierigkeit besteht zudem seit dem Beginn der Geschichte humanitärer Interventionen: Selektivität. In einigen Fällen werden humanitäre Interventionen/ R2P durchgeführt (z. B. Darfur 5.3 Krisenmanagement: NATO-Missionen (Arena II) 229 <?page no="230"?> 2005, Elfenbeinküste 2010, Libyen 2011), in anderen wiederum nicht (z. B. Jemen 2015- ~, Syrien 2011- ~). Dies ist sowohl ein Problem für den universellen Gültigkeitsanspruch einer Norm als auch die Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinschaft in ihrem Einsatz für Frieden und Sicherheit. Die aktuelle Situation der R2P verdeutlicht daher, dass in einem internationalen System ohne höhere Gewalt ungleiche Machtbeziehungen und die Ausübung von Macht normative Geltungsansprüche untergraben bzw. andere Normen favorisieren. Siehe auch: Bellamy, Alex J. und Tim Dunne, Hrsg. (2016). The Oxford Handbook of the Responsibility to Protect. Oxford and New York: Oxford University Press. Brock, Lothar (2008). „Von der ‚humanitären Intervention‘ zur ‚Responsibility to Protect‘ - Kriegserfahrung und Völkerrechtsentwicklung seit dem Ende des Ost-West-Konflikts.“ In Frieden in Freiheit - Peace in Liberty - Paiy en liberté. Festschrift für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, hrsg. v. Andreas Fischer-Lescano, Hans-Peter Gasser, Thilo Marauhn und Natalino Ronzitti. Baden-Baden: Nomos, 31-44. Hehir, Aidan und Robert W. Murray, Hrsg. (2013). Libya, the Responsibility to Protect and the Future of Humanitarian Intervention. Basingstoke: Palgrave Macmillan. Schmeer, Elis (2010). Responsibility to Protect und Wandel von Souveränität. Untersucht am Fallbeispiel des Krieges in Darfur. Berlin: Berliner Wissen‐ schaftsverlag. Nach zwei Tagen, in denen sich die Lage in Libyen zugespitzt und Gaddafi einen Angriff auf Benghazi ankündigt hatte, entschloss sich eine Koalition aus 19 Ländern der NATO sowie Jordanien, Katar, Schweden und die UAE (Chivvis 2014, 207 f.) am 19. März 2011 zur Intervention, um den Angriff des Diktators niederzuschlagen und ein Blutbad zu verhindern. Die Mission wurde zunächst multilateral koordiniert, wobei Frankreich und Großbritannien zusammen mit den USA führend waren. Die USA hielten sich im Sinne einer unter Obama für Europa entworfenen lead from behind-Strategie im Hintergrund (Howorth 2013; Lieber 2016, 91 ff.), waren aber militärisch trotzdem stark eingebunden. In der NATO bestand zunächst ebenfalls keine Einigkeit (Howorth 2012), aber nach ein paar Tagen wurde die Mission aus militärtaktischen Gründen operativ von der Allianz übernommen (Operation Unified Protector) und vom 31. März bis zum 31. 5 Kollektive Sicherheit 230 <?page no="231"?> Oktober 2011 aus dem JFC Neapel geführt. Die militärische „Maschinerie“ (Sarkozy 2011-03-24) der Allianz wurde als besser geeignet angesehen als eine permanente ad hoc-Koordination (NATO 2011b). Von März bis Oktober 2011 stellte die Koalition ca. 8.000 Soldat*innen, 21 Marineeinheiten (inkl. Flugzeugträgern) und 260 Kampfflugzeuge bereit, die insgesamt 26.500 Einsätze flogen (Chivvis 2014, 3; NATO 2011b, a). Die Koalition setzte über Libyen die Flugverbotszone durch und über‐ wachte mit ihren Schiffen das UN-Waffenembargo. Sie half aber ebenfalls den Aufständischen weitergehend gegen Gaddafis Truppen, da die Koalition den Grund für die Unsicherheit der Bevölkerung in Gaddafi sah und somit eine Regimewechselstrategie verfolgte. Im Zuge der Auseinandersetzungen in Libyen wurde Gaddafi schließlich gestürzt und am 20. Oktober 2011 getötet. Diese Strategie wurde von Russland, China und anderen Staaten heftig kritisiert, da es ein Unterfangen war, das die nicht-beteiligten Veto‐ mächte mit ihrer Enthaltung im Sicherheitsrat so nicht gewollt hatten (Biermann 2014b, 226). Es stellte ihrer Meinung nach eine unzulässige Erweiterung der Sicherheitsratsresolution dar und setzte das Problem der gewaltsamen Demokratisierung von außen (z. B. Irak 2003) zurück auf die internationale Agenda - eine Frage, der China und Russland aufgrund ihrer autokratischen Systeme und zur Aufrechterhaltung der Souveränitäts- und Nichteinmischungsnormen der UN-Charta zutiefst ablehnend gegenüber‐ stehen (Chivvis 2014, 90 ff.; Notin 2012, 270 f.). Viele Beobachter*innen sehen daher in der Auslegung des Sicherheitsratsmandats in Libyen durch die intervenierende Koalition einen „Sargnagel“ (Pradetto 2015) oder zumindest ein ernsthaftes Problem für die R2P-Norm: Zum einen muss im Sinne der im R2P-Konzept integrierten mehrlagigen prozeduralen Legitimität (neben dem Sicherheitsratsmandat) hinterfragt werden, ob die Staaten vorher ihrer responsibility to prevent ausreichend nachgekommen sind. Dies ist endgültig schwer zu beurteilen, da sich die Staaten einerseits lange nicht für die Vorgänge innerhalb des von Gaddafi diktatorisch geführten Staats interessiert haben, während sich die Lage andererseits durch den Arabi‐ schen Frühling relativ schnell entwickelt hat, sodass Prävention neben dem Sanktionsregime wahrscheinlich durch eine auch nicht unproblematische, glaubwürdige Androhung von Macht hätte erfolgen müssen, vielleicht in Verbindung mit der Durchsetzung einer Flugverbotszone. Bereits im Kosovo hat sich dieses Vorgehen jedoch als extrem schwer umzusetzen herausge‐ stellt. Zum anderen muss den intervenierenden Staaten jedoch attestiert werden, dass sie sich zum Zeitpunkt des Eingriffs wenig Gedanken über 5.3 Krisenmanagement: NATO-Missionen (Arena II) 231 <?page no="232"?> das dritte R2P-Element, die responsibility to rebuild, gemacht haben. Durch die Regimewandelagenda ist die weitere Akzeptanz und Durchsetzbarkeit von R2P erheblich geschwächt worden, da die Wahrscheinlichkeit, ein R2P-basiertes Mandat zu erhalten, durch Libyen stark gesunken ist und z. B. in Syrien nicht mehr angewendet werden konnte, obwohl die Giftgasan‐ griffe Bashar al-Assads gegen die eigene Bevölkerung zweifelsohne einen Libyen-äquivalenten Grund dargestellt hätten (Beestermöller 2014; Staack und Krause 2015). Umgekehrt hat z. B. Russland ebenfalls R2P genutzt, um seine unilaterale Intervention auf der Krim und in der Ukraine als Schutz russischer Bürger*innen zu legitimieren (Hansel und Reichwein 2020a; Kurowska 2014; Ziegler 2016). Es stellt ebenfalls russische Pässe aus, um diesem Argument Nachdruck zu verleihen (ZEIT online 2019). Zwar sind Koalitionsstaaten heute mehr oder weniger stark in die diplo‐ matischen Bemühungen zur Lösung eines völlig außer Kontrolle geratenen Stammes- und Terrorismuskonflikts eingebunden, in dem außerdem durch das russische und türkische militärische Engagement Machtpolitik betrieben wird, aber es wurde auch vor dieser Lageverschlechterung keine kohärente Wiederaufbaustrategie implementiert (Berti 2013, 38 f.; Choria 2013; Ku‐ perman 2015). Somit beendete die NATO zwar kurzfristig das Blutvergießen und die Unterdrückung in Libyen, was an sich einen Erfolg darstellt, die Lage im Land bleibt aber bis heute dramatisch (Kuperman 2015; Chollet und Fishman 2015; Western und Goldstein 2011). Lehren aus Libyen: Die NATO als toolbox Der Libyenkrieg war kein Angriffskrieg des Westens gegen einen autori‐ tären, aber souveränen Staat wie im Irak 2003 oder im Kosovo 1999 (wobei in letzterem Fall die Legalitäts-/ Legitimitätsproblematik komplexer war). Erstens war der Einsatz zumindest formal durch eine UNSCR legitimiert. Zweitens nahmen an ihm nicht nur NATO-Staaten, sondern mit Jordanien, Katar oder den UAE eine Gruppe von Ländern teil, die ebenfalls aus den arabischen und muslimischen Kulturkreisen stammten. Mit Schweden beteiligte sich zudem ein formal neutraler Staat, sodass eine Erklärung der Intervention durch rationale Kosten-Nutzen-Kalküle wie wirtschaftliche Interessen oder Machtpolitik zumindest nicht monokausal angenommen werden sollte (Ostermann 2016). Im Fall Libyen fällt außerdem auf, dass die NATO-Staaten unter sich trotz der humanitären Komponente stark zerstritten ob der Sinnhaftigkeit des Einsatzes waren. 5 Kollektive Sicherheit 232 <?page no="233"?> Teilnahme an Unified Protector Nicht-Teilnahme an Unified Protector NATO: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritan‐ nien, Italien, Kanada, Niederlande, Nor‐ wegen, Rumänien, Spanien, Türkei, USA weitere Staaten: Jordanien, Katar, Schweden, UAE NATO: Albanien, Deutschland, Estland, Island, Kroatien, Lettland, Litauen, Lu‐ xemburg, Polen, Portugal, Slovakei, Slo‐ wenien, Tschechien, Ungarn Tabelle 15: An Unified Protector teilnehmende Staaten (Quelle: Chivvis (2014, 207 f.), eigene Darstellung) Obwohl verschiedene Staaten schon in der Vergangenheit aus unterschied‐ lichen Gründen zurückhaltender bei der Beteiligung an Militärmissionen waren, war die Situation in Libyen insofern schwieriger, als dass es sowohl regional unterschiedliche Ansichten zur Einsatznotwendigkeit gab (s. die Nicht-Beteiligung der meisten nordöstlichen NATO-Staaten oder Portugals) als auch fundamentale inhaltliche Ablehnung. Vor allem die Positionierung Deutschlands stieß auf massive Kritik seitens der Alliierten (Müller 2011; Schoch 2013). Zum einen enthielt sich die BRD bei der Abstimmung im Sicherheitsrat und stellte sich somit auf dieselbe Seite wie Brasilien, China oder Russland. Es wäre z. B. auch möglich, wenngleich unangenehm gewesen, im Sicherheitsrat zuzustimmen, aber hinterher keine Truppen zu schicken. Zum anderen ging Deutschland so weit, als dass es seine Soldat*innen aus den AWACS sowie deutsche Schiffe aus den NATO-Mittel‐ meerverbänden abzog. Da die BRD ca. 25 % der AWACS-Besatzungen stellt, ergaben sich hierdurch massive Einschränkungen in Durchhaltefähigkeit und Einsatzbereitschaft für die anderen Alliierten, die Deutschland übelge‐ nommen wurden (Krause 2015b, 12; Rühe 2011). Erschwerend kam hinzu, dass die Ablehnung als innenpolitisch motiviert interpretiert wurde, da sich die FDP besonders gegen die Intervention stark machte und vermeintlich ein Veto einlegte. Die Gründe waren jedoch komplexer und lagen neben der deutschen kulturellen Zurückhaltung gegenüber Militäreinsätzen in der fehlenden Zeit für eine nationale Debatte und dem Umschwenken Barack Obamas auf eine pro-Interventionshaltung nur zwei Tage vor der Abstim‐ mung, die den Einsatz durch die Staaten der coalition of the willing erst militärisch möglich machte, da die USA trotz ihrer lead from behind-Haltung unabdingbare militärische Kapazitäten beisteuerten. Alles in Allem machte 5.3 Krisenmanagement: NATO-Missionen (Arena II) 233 <?page no="234"?> die Bundesrepublik so aber kein gutes Bild bei den Alliierten, wenngleich sicherlich damals wie heute mit dem Vorteil des Rückblicks gute Gründe gegen einen Einsatz sprachen (Brockmeier 2013; Bucher et al. 2013). Im Gegensatz zu Afghanistan war die NATO in Libyen also nicht in der Lage, unterschiedliche nationale Interessen und Sichtweisen zusammenzu‐ bringen, um dennoch gemeinsam eine Mission durchzuführen. Trotzdem (oder deswegen) stellte sich für die Atlantische Allianz in Libyen eine institutionelle und strategische Neuerung ein. Obwohl poli‐ tische Uneinigkeit über die Mission bestand, wurde eine institutionelle Blockade soweit verhindert, dass die interventionswilligen Staaten die Fähigkeiten und Kommandostrukturen des Bündnisses zur Durchführung nutzen durften. Im Gegensatz zum Beginn des Afghanistaneinsatzes 2001, der wegen der US-Präferenz für unkompliziertes, schnelles Handeln außer‐ halb der NATO als coalition of the willing durchgeführt wurde (mit allen Alliierten), nutzte man in Libyen die NATO-Strukturen für eine coalition of the willing (ohne alle Alliierte), die bewährte Kooperationsorgane benö‐ tigte, um ihren Einsatz durchzuführen. Somit verhalf Libyen dem bereits früher (Christiansson 2013, 192) von US-amerikanischer Seite favorisierten toolbox-Modus zur Nutzung der Allianz zum Durchbruch (Haaland Matláry 2014, 254 ff.). Sogar Frankreich, das erst 2009 in die Militärstrukturen des Bündnisses zurückgekehrt war, konnte diesem modus operandi etwas Positives abgewinnen, da man gleichzeitig die EU in einer selbst gewählten Bedeutungslosigkeit ob eines Konflikts an ihren Grenzen und in ihrem unmittelbaren Interessenbereich wähnte, für den die europäische Organi‐ sation ihre Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik seit 1999 aufgebaut hatte. Vor diesem Hintergrund erschien die 62 Jahre alte NATO als eine verlässliche Institution zur Durchsetzung sicherheitspolitischer In‐ teressen ausgewählter Alliierter (Howorth 2012; Ostermann 2019b, Kap. 4). Durch Libyen wurden also eine pragmatische Perspektive auf Kooperation ebenso wie die Sicherheitsmanagementfunktion des Bündnisses gefestigt, ohne dabei notwendigerweise eine globale Interventionskapazität zu for‐ cieren, wie es die US-Amerikaner*innen früher gewollt hatten. Durch diese ideologische Befriedung der Bündniszusammenarbeit wurde Kooperation pragmatisiert, was auch für die laufende und sich in einer heißen Phase befindliche Afghanistanmission von Vorteil war. Neben dieser Nützlichkeit militärischer Allianzfähigkeiten zeigte Libyen aber umgekehrt, dass das Bündnis politisch auf schwächeren Füßen stand als in den Jahren zuvor, da man keine gemeinsame politische Vision um die Ereignisse entwickeln 5 Kollektive Sicherheit 234 <?page no="235"?> konnte (Wæver 2014, 54 f.). Diese Probleme wurden unter Donald Trump ab 2017 noch deutlicher, womit sich Kapitel 7 befasst. 5.4 Zusammenfassung: Kollektive Sicherheit nach Afghanistan - Das war’s! ? Die NATO-Staaten haben seit 1991 einerseits ein beachtliches Kooperati‐ onsnetzwerk mit unterschiedlichen Staaten in verschiedenen institutionali‐ sierten Formaten (NACC/ EAPC, PfP, MD, ICI; NATO-Ukraine-, NATO-Ge‐ orgien-Kommissionen, NATO-Russland-Rat) etabliert und sich andererseits stark im Krisenmanagement in und außerhalb Europas engagiert. Somit hat sich der Schwerpunkt gemeinsamen alliierten Handelns zumindest bis zur Kriminvasion Russlands im Jahr 2014 weg von kollektivem Verteidigungs‐ handeln und hin zu kollektiver und kooperativer Sicherheit entwickelt. Die Missionen der NATO waren außerdem fast ausschließlich out of area-Ein‐ sätze, also Operationen jenseits des Bündnisgebiets in so unterschiedlichen Gegenden wie dem Balkan, dem Irak (post-Invasion SSR-Aktivitäten), dem Indischen Ozean oder in Afghanistan sowie auf der ganzen Welt zur Katastrophenhilfe. In diesem Sinne ist das Bündnis in der Tat eine globale NATO geworden, die sich zu einer der wichtigsten Sicherheitsinstitutionen entwickelt hat, die sowohl politisch/ diplomatisch als auch militärisch handlungsfähig ist. Diese Entwicklung gründete sich neben den Missionen ebenfalls auf die Kooperationsprogramme, durch die zunächst die durch die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Transformations‐ prozesse entstehende politische Instabilität in Europa nach dem Ende des Kalten Kriegs abgefangen werden sollte und die sich mit der Zeit auf andere Partner und Weltregionen ausweiteten. Diese Konsultationsprogramme brachten über die Jahre ebenfalls intensivere Kooperationsformen wie das PfP mit seiner Austausch-, SSR- und Übungsagenda hervor, das letztlich für einige europäische Staaten als Vorstufe zu einer Vollmitgliedschaft wirkte. Die Atlantische Allianz funktionierte zu dieser Zeit also sowohl als eine inklusive Sicherheitsinstitution, indem sie durch die Programme Unsicherheit zusammen mit anderen Staaten bearbeitete, als auch als out of area-Sicherheitsmanagementinstitution im Auftrag der UN in Konflikten wie Bosnien oder Afghanistan (sowie im Kosovo in eigener Regie) und als exklusives kollektives Verteidigungsbündnis, das eine Verteidigungska‐ pazität gegen externe Gegner aufrechterhielt (Wallander und Keohane 5.4 Zusammenfassung: Kollektive Sicherheit nach Afghanistan - Das war’s! ? 235 <?page no="236"?> 1999; Tuschhoff 1999). Bereits vor dem Ende des Kalten Kriegs erfüllte die Allianz zudem kollektive Sicherheitsaufgaben unter ihren Mitgliedern, indem sie Konflikte zwischen ihnen bearbeitete und Außenpolitiken mit unterschiedlichem Erfolg koordinierte. Trotz der zuvor genannten Programme und der Einrichtung des NATO- Russland-Rats blieben die Beziehungen mit Russland konfliktiv. Russland sah sowohl die Aufgabenausweitung als auch die Osterweiterung der Allianz extrem skeptisch, weil es nur einen begrenzten Einfluss auf Prozesse innerhalb der NATO nehmen konnte, die Osterweiterung in einen Bereich eindrang, den es selbst mit Blick auf seine (sowjetische) Geschichte als eigene Einflusssphäre ansah und weil es trotz der Etablierung des NRC keinen Dialog auf Augenhöhe entsprechend seines Machtstatus erkannte. Die Beibehaltung der Russland-ausschließenden kollektiven Verteidigungs‐ funktion der NATO ist also einerseits kritisch zu sehen, weil sie die alten Konfrontationslinien teilweise aufrechterhielt. Sie entsprach aber ebenfalls den legitimen politischen Interessen unabhängiger Staaten, deren Bevölke‐ rungen diesen Kurs unterstützten, und war gleichzeitig eine Antwort auf bestehende russische Machtansprüche. In Anbetracht dieser Situation ist es unwahrscheinlich, dass die neuen europäischen Sicherheitsbeziehungen nach dem Ende des Kalten Kriegs ohne die Weiterexistenz der NATO konfliktfrei geblieben wären, da sich hier letztlich Sicherheitsbedürfnisse und Großmacht-bezogene Souveränitätsansprüche unvereinbar gegenüber‐ standen (s. dazu das ursprüngliche Argument von Mearsheimer 1990, 6 ff.). Die Beziehungen zwischen Russland oder der NATO verschlechterten sich ab 1999 dann weiter - zunächst, als die NATO unilateral im Kosovo eingriff und damit Russlands Opposition missachtete; 2007/ 8 mit dem von Putin zum Ausdruck gebrachten, zunehmenden Missfallen über die unausgeglichenen Beziehungen sowie den Georgienkrieg, als Russland weitergehenden west‐ lichen Aspirationen des Kaukasusstaats, inkl. eines möglichen NATO-Bei‐ tritts, durch seine Intervention einen Riegel vorschob; und zuletzt seit 2014, als die russische Invasion und Annexion der Krim sowie seine Involvierung in den Konflikt in der Ostukraine die Kooperationsmechanismen quasi zum Erliegen brachten. Die NATO-Russland-Beziehungen unterliegen also sowohl Konflikten politischer Konjunktur als auch strukturellen Problemen der euro-atlantischen Sicherheitsarchitektur. William Hill (2018, 71) und Andrew T. Wolff (2017, 88) sehen in diesen Entscheidungen zu neuen Kooperationsstrukturen in den Jahren seit 1989-91 und der Rolle/ Position Russlands darin das Ausgangsproblem der neuen, bis heute konfliktträch‐ 5 Kollektive Sicherheit 236 <?page no="237"?> tigen euro-atlantischen Ordnung. Aus neorealistischer Perspektive ist hier mit Sicherheit von unvereinbaren sicherheitspolitischen Interessen und einer unausgeglichenen Machtbalance zu sprechen, die zu Konfliktivität neigt. Ein wichtiger Faktor in diesem kollektiven Sicherheitssystem ist die Entscheidung der USA, nach dem Ende der Blockkonfrontation weiterhin in Europa engagiert zu bleiben und sowohl eine Rolle als verteidigungs‐ politischer Beschützer der alten Bündnispartner (Art. 5-Auftrag) als auch (Mit-)Gestalter der neuen kollektiven Sicherheitsordnung zu spielen, für die sie eine hybride Struktur aus OSZE und NATO mit letzterer im Zentrum bevorzugten und mit ihren Partnern auch durchsetzten. Die USA haben seit 1949 und nach 1989-91 durch ihr politisches Engagement und ihre hohen Ausgaben für Militär und Diplomatie bedeutende Lasten europäischer Sicherheit getragen und tun das bis heute. Europa war in den 1990er Jahren sicherheitspolitisch nicht alleine handlungsfähig, was durch die späten Eingriffe in Jugoslawien allen schmerzlich vor Augen geführt wurde. Dieses Ungleichgewicht in der Lastenverteilung schwächte sich zwar mit dem Engagement der Alliierten für KFOR und ISAF in Afghanistan ab, wo die anderen Alliierten bis zu 88 % bzw. 60 % der Truppenlast trugen (Sperling und Webber 2009, 503 ff.), aber NATO-Europa und Kanada sind bis heute nur sehr eingeschränkt dazu in der Lage, ohne die USA eine mili‐ tärische Operation durchzuführen. Dies zeigte sich nicht nur beim langen Einsatz in Afghanistan, sondern sogar bei Unified Protector in Libyen, bei der der intervenierenden Koalition aus NATO und Partnerstaaten schnell die Munition ausging und sie darüber hinaus auf Präzisionswaffen der US-Amerikaner*innen angewiesen waren, obwohl Obama nur einen lead from behind für die USA in der Mission proklamierte, weil es sie dort ihre Sicherheitsinteressen nicht primär tangiert sahen (Hallams und Schreer 2012; Simoni und Harnisch 2019, 76 ff.). Trotz einiger neuer Schritte seit 2016 in der EU und durch die Ukrainekrise gestiegene Militärausgaben sind die Europäer*innen weit davon entfernt, Sicherheitspolitik in Europa allein zu schultern. Wie lange diese Situation noch haltbar ist, steht im Moment in den Sternen und unter keinem guten Licht (s. Kap. 7). Diese Aspekte, aber auch die Komplexität von ethnischen Konflikten, humanitären Interventionen und state building-Einsätzen in fremden Län‐ dern sind für den sehr unterschiedlichen Erfolg von Sicherheitsmanage‐ mentmissionen der NATO verantwortlich. In den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens ist es dem Bündnis gelungen, unmittelbares Blutvergießen 5.4 Zusammenfassung: Kollektive Sicherheit nach Afghanistan - Das war’s! ? 237 <?page no="238"?> zu stoppen, den Sicherheitssektor und wichtige Systeme wie Armee, Po‐ lizei oder Justiz wiederaufzubauen, zumindest so etwas wie einen kalten gesellschaftlichen Frieden und ein politisches System zu etablieren, das auf einem nicht unproblematischen, weil konfliktzementierenden ethnischem Proporz aufbaut. Diese Erfolge erkaufte sich die Allianz mit einer im Kosovo bis heute andauernden militärischen Präsenz (in Bosnien hat die EU übernommen), um kleinere Konflikte zu befrieden. In Afghanistan konnten als Reaktion auf die Terroranschläge von 9/ 11 die mit terroristi‐ schen Gruppierungen kollaborierenden Taliban von der politischen Macht vertrieben und einige bedeutende Wiederaufbauschritte erreicht werden, die zu einem höheren Lebensstandard in dem Land am Hindukusch ge‐ führt haben, aber bis heute ist die Sicherheitslage mehr als unsicher. Es zeichnet sich zudem eine politische Minimallösung für eine Zeit nach ISAF-, OEF- und RSM-Operationen ab, bei der die Taliban wieder ein Teil des politischen Systems Afghanistans sein werden, aber ihr Land nicht wieder zu einem sicheren Hafen für Terrorist*innen werden lassen (wenn die im Jahr 2020 getroffenen Vereinbarungen implementiert werden und politische Konflikte überstehen). Damit ist das liberaldemokratische state building-Projekt der NATO weitgehend gescheitert, wenngleich einige Aspekte des Engagements der Allianz für die afghanische Gesellschaft positiv einzuschätzen sind. In Libyen zeigen sich wiederum bis heute die drastischen Konsequenzen eines humanitären Einsatzes zum Schutz der Zivilbevölkerung, der mit dem problematischen Ziel eines Regimewechsels verbunden wurde und ohne jegliches Wiederaufbaukonzept (und beträcht‐ liche Probleme der libyschen Akteure untereinander) heute einen failing/ failed state an der Südküste des Mittelmeeres hinterlassen hat. In Anbe‐ tracht dieses kontrastreichen Bildes alliierter Interventionen, der neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen in Europa seit 2014 mit ihren Konsequenzen für die kollektive Verteidigungsplanung und der politischen Zerwürfnisse, die die Atlantische Allianz seit 2017 heimsuchen, ist es daher fraglich, ob sich das Bündnis auf weitere Missionen dieser seit nunmehr fast 30 Jahren etablierten out of area-Tradition einlassen wird, selbst wenn dies ein wie auch immer gearteter legitimer Grund (verbreitete Unsicherheit/ Staatszerfall, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Genozid) geböte. Der strategische Orientierungsprozess hierzu ist noch im Gange und sein Ausgang aufgrund der immer noch laufenden Mission in Afghanistan und dem neuen Fokus auf Russland ungewiss. Das folgende Kapitel wirft 5 Kollektive Sicherheit 238 <?page no="239"?> nun aber zunächst einen Blick darauf, wie Kohärenz in der Allianz trotz politischer Probleme hergestellt werden kann. 5.5 Diskussionsfragen und weiterführende Literatur Diskussionsfragen: ▸ Welchen kollektiven Sicherheitsaufgaben ging die NATO bereits vor dem Ende des Kalten Kriegs nach? ▸ Warum wurde kollektive Sicherheit nach dem Ende des Kalten Kriegs zentral für die NATO? Welche Strategie verfolgte die Allianz? ▸ Gab es eine realistische Option für eine andere Einbindung Russlands in europäische Sicherheitsinstitutionen als das Nebeneinander von NATO-Fortbestehen, OSZE und Kooperationsprogrammen? ▸ Warum weitete die NATO ihre Kooperationsinitiativen in den Mit‐ telmeer- und Golfraum aus, welche Zwecke verband sie damit und welche Möglichkeiten/ Hindernisse ergaben sich daraus? ▸ Welche Beziehungen unterhält die Allianz zu unterschiedlichen inter‐ nationalen Organisationen? Warum sind diese Beziehungen sowohl notwendig als auch problematisch? ▸ Konnte die NATO ihre Missionsziele auf dem Balkan, in Afghanistan oder Libyen erreichen? Was hat sie geschafft, wo (und warum) bestehen bis heute Probleme? ▸ Warum sind coalitions of the willing gleichzeitig eine Chance und eine Schwierigkeit für die Allianz? Weiterführende Literatur: Brummer, Klaus, and Stefan Fröhlich, Hrsg. (2011). Zehn Jahre Deutschland in Afghanistan, ZFAS-Sonderheft. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Chivvis, Christopher S. (2014). Toppling Qaddafi. Libya and the Limits of Liberal Intervention. New York: Cambridge University Press. Crocker, Chester A., Fen Osler Hampson und Pamela Aall, Hrsg. (2015). Managing Conflict in a World Adrift. Washington D.C. and Waterloo (ON): United States Institute of Peace Press und CIGI. Djurić, Rajko und Bertholt Bengsch (1992). Der Zerfall Jugoslawiens. Mit einem Exklusiv-Interview mit Milovan Djilas. Berlin: Morgenbuch Verlag Volker Spiess. 5.5 Diskussionsfragen und weiterführende Literatur 239 <?page no="240"?> Engelbrekt, Kjell, Marcus Mohlin und Charlotte Wangsson, Hrsg. (2014). The NATO Intervention in Libya. Lessons learned from the campaign. London und New York: Routledge. Heitmann-Kroning, Imken (2015). Deutsche Sicherheitspolitik zwischen „never alone“ und „never again“. Der Auslandseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Opladen, Berlin und Toronto: Barbara Budrich. Krause, Joachim, Hrsg. (2000). Kosovo: humanitäre Intervention und kooperative Sicherheit in Europa. Opladen: Leske + Budrich. Melčić, Dunja, Hrsg. (2007). Der Jugoslawien-Krieg. Handbuch zu Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen. 2., aktual. u. erw. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Notin, Jean-Christophe (2012). La vérité sur notre guerre en Libye. Paris: Fayard. Schleich, Caja (2016). Inter-institutionelle Kooperation von EU und NATO: Ein Ver‐ gleich der Konfliktmanagementmissionen im Kosovo und in Afghanistan. Wies‐ baden: Springer VS. Seiffert, Anja, Phil C. Langer und Carsten Pietsch, Hrsg. (2012). Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan: Sozial- und politikwissenschaftliche Perspektiven. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Suhrke, Astri (2011). When More Is Less. The International Project In Afghanistan. London: C. Hurst & Co. Thies, Wallace J. (2009). Why NATO endures. Cambridge (UK): Cambridge University Press. Varwick, Johannes, Hrsg. (2005). Die Beziehungen zwischen NATO und EU: Partner‐ schaft, Konkurrenz, Rivalität? Opladen: Barbara Budrich. 5 Kollektive Sicherheit 240 <?page no="241"?> 97 Interessant ist an dieser Stelle z. B. auch der 1988er Bericht der European Strategy Group (1988), einem multinationalen Denkzirkel von renommierten think tanks, der zwar 6 Kollektive Identität: Die NATO als Werte- und Sicherheitsgemeinschaft Dieses Kapitel steigt tiefer in soziologische und ideelle Erklärungen zum (Fort-)Bestehen, Wandel und Handeln der Atlantischen Allianz ein. Zu diesem Zweck wird es zuerst auf die Entwicklung von Theorien über internationale Politik zum Ende des Kalten Kriegs eingehen (6.1), die für das Verständnis der Entwicklung konstruktivistischer Argumente zur Weltpolitik zentral sind. Darauf aufbauend wird der Konstruktivismus theoretisch eingeführt. Nach der Klärung dieser Grundlagen beleuchtet das Kapitel zwei Schwerpunktthemen: Abschnitt 6.2 wird das Geschehen der NATO im Kontext weiterer transatlantischer Beziehungen betrachten und das Konzept der pluralistischen Sicherheitsgemeinschaft vorstellen. Dieser Erklärungszugang wird uns helfen, den Zusammenhalt der Allianz besser zu verstehen. Abschnitt 6.3 wird sich der Frage widmen, wie zentrale Ereignisse in der Geschichte der Allianz, wie z. B. ihre Gründung oder ihr Fortbestehen nach dem Ende des Kalten Kriegs, durch konstruktivistische Argumente besser erklärt werden können, als andere Theorien dies vermochten. Die Schlussfolgerungen beziehen Position für theoretischen Pluralismus (6.4). 6.1 Die Krise der IB und das konstruktivistische Argument In der politikwissenschaftlichen Disziplin der Internationalen Beziehungen setzte nach dem Ende des Kalten Kriegs eine Zeit der Introspektion und Selbst‐ kritik ein (bereits früher Keohane 1986). Die wichtigste Theorie der Disziplin, der Neorealismus, der anhand der Blockkonfrontation als Strukturtheorie der Großmachtbeziehungen entwickelt worden war, hatte den Niedergang der UdSSR nicht kommen sehen. Stattdessen gingen seine Vertreter noch in den 1980er Jahren von einer längeren Stabilität des bipolaren Systems aus und hielten auch danach lange am Konzept bipolarer Stabilität bzw. dem Glauben an die schnelle Wiederherstellung derselben fest (Waltz 1993). 97 Wenngleich <?page no="242"?> Änderungen im Denken Gorbatschows konzediert, aber daraus noch keine grundlegende Veränderung der Blockkonfrontation ableitet. 98 Einer der wenigen Autoren, die versucht haben, eine explizite konstruktivistische Theorie zu entwickeln, ist Alexander Wendt mit seinem Buch Social Theory of Interna‐ tional Politics (Wendt 1999). Trine Flockhart (2004, 142) stellt aber fest, dass der Vorwurf der Theorieunfähigkeit gegen den Konstruktivismus (z. B. Mearsheimer 1994, 26 ff.; es methodologisch falsch wäre, eine Theorie zu verwerfen, die nur einen Datenpunkt nicht erklären kann, aber sonst eine gute Erklärungskraft besitzt, so war doch die Kritik an der hegemonialen Stellung des Neorealismus in den Internationalen Beziehungen groß, da die Theorie an ihrem Paradefall versagte (Lebow und Risse-Kappen 1995). Es entspann sich daraufhin eine grundsätzliche Debatte um die Nützlichkeit des Neorealismus (Wohlforth 1994; Guzzini 1998; Lebow et al. 1995; Mearsheimer 1990; Hoffmann et al. 1990; Russett et al. 1990) und die (Weiter-)Entwicklung besserer Theorien, um das Weltgeschehen zu erklären. Dies führte im Rahmen der realistischen Schule zur Entwicklung des Neoklassischen Realismus (Rose 1998; Lobell et al. 2009; Meibauer et al. 2020 (online first); Reichwein 2012), der einerseits auf ursprünglichen klassisch-realistischen Elementen von E.H. Carr, John Herz, Hans Morgenthau und anderen Denkern der 1940/ 50er Jahre aufbaut und andererseits in liberaler Tradition mehr innenpolitische Variablen in seine Er‐ klärungen einbezieht (Sterling-Folker 1997). Des Weiteren emanzipierten sich die oben bereits vorgestellten und genutzten institutionalistischen Theorien (Keohane 1984; Keohane und Nye 2012; Kratochwil und Ruggie 1986), die fortan zu einer breiteren Anwendung im Bereich der Sicherheitspolitik kamen (Haftendorn und Keck 1997; Haftendorn et al. 1999; Wallander 2000). Parallel dazu etablierte sich eine liberale Theorie internationaler Politik (Doyle 1986; Moravcsik 1997, 1998), die nicht institutionalistisch geprägt war und starken Zuspruch im Feld der Außenpolitikforschung mit ihrem Fokus auf Prozesse im Nationalstaat fand (Doyle 2016; Kaarbo 2015). Schließlich entwickelte sich seit Ende der 1980er Jahre der (Sozial-)Kon‐ struktivismus in den Internationalen Beziehungen. Im Gegensatz zum Neorealismus und Institutionalismus wird der Konstruktivismus meist nicht als eigene IB-Theorie, sondern als Metatheorie (Hacking 2000) oder middle-range theorizing angesehen, das Prozesse der sozialen Konstruktion von Wirklichkeit durch Diskurse, Ideen, Identität, Kultur oder Normen in den Vordergrund der Erklärung weltpolitischen Geschehens stellt (Fin‐ nemore 1996; Katzenstein 1996; Lebow und Risse-Kappen 1995; Onuf 2013 [1989]). 98 Später entstanden auch Zugänge, die dezidiert kritische 6 Kollektive Identität 242 <?page no="243"?> Moravcsik 2001) mitunter übertrieben wurde und die Schule/ Strömung mittlerweile vor allem für die Beziehung zwischen Identität, Interessen und kooperativen Praktiken überzeugende theoretische Konzepte vorlegen könne - gerade mit Bezug zur NATO (z. B. Adler 2008; Pouliot 2010). Theorien auf die IB anwandten (Bilgin 2013; Barkawi und Laffey 2006; Krause und Williams 1997). Das Ende des Kalten Kriegs markiert also eine Phase der Pluralisierung in der politikwissenschaftlichen Disziplin der Internationalen Beziehungen, die unseren Blick auf für internationale Politik relevante Prozesse auf nationaler, regionaler und globaler Ebene geweitet hat und auch auf Allianzen Anwendung fand (z. B. Behnke 2000; Hardt und von Hlatky 2020; Ostermann 2019b; Risse-Kappen 1996). Der Konstruktivismus ermöglicht eine Erklärung internationaler Politik, die sowohl das Befolgen systemischer Logiken als auch das Abweichen von ihnen und das Finden kreativer neuer Handlungsmöglichkeiten verständlich machen kann (Schimmelfennig 2003, 68 ff.). Der Konstruktivismus geht davon aus, dass Aspekte wie politische Ideen (auch Ideologien), Normen, Kultur oder Identität wichtige Elemente von internationaler Politik sind. Damit weitet der Konstruktivismus den Blick auf immaterielle Bestandteile sozialer Wirklichkeit aus, die von den mate‐ riellen IB-Großtheorien Neorealismus und Institutionalismus ignoriert und als unwichtig erachtet werden, weil sie die rationale Bestimmung von Interessen und entsprechendem Handeln in internationaler Politik behin‐ dern. Auf einen Satz zusammengefasst könnte man den Konstruktivismus mit dem Postulat ideas matter charakterisieren: Ideen (Identität, Normen, Kultur et al.) sind wichtig. Konstruktivist*innen geht es allerdings nicht darum, zweckrationales Handeln an sich infrage zu stellen, sondern darauf hinzuweisen, dass rationales Handeln abhängig von sozialen Wirklichkeits‐ konstruktionen ist - oder einfacher gesagt: was eine soziale Gruppe (z. B. ein Nationalstaat oder eine Allianz) als wichtig erachtet und was nicht. Sie sprechen daher von bounded rationality (Simon 1983, Kap. 1). Der Konstruktivismus will also nicht etwa ein irrationales Bild menschlichen Verhaltens zeichnen, sondern Rationalität kontextualisieren: „According to the account of identity I offer here […], individuals always operate according to their interests - but those interests do not always correspond to the ones assigned by the omniscient objective observer. As Bourdieu wrote, all interests are particular historical constructions, but interested action is a universal.“ (Hopf 2002, 18) 6.1 Die Krise der IB und das konstruktivistische Argument 243 <?page no="244"?> 99 S. auch die securitization theory der Copenhagen School (Balzacq 2011; Buzan 1998; Hansen 2006; Wæver 1995). Identitäten sind in diesem Zusammenhang als kognitive, soziale Strukturen zu verstehen, die für Menschen oder soziale Kollektive Ordnung in die komplexe Welt bringen. Sie bringen verschiedene Ideen und Zusammenhänge zwischen dem Selbst und den Gruppenmitgliedern (z. B. einer Familie, Nation oder Europa) zum Ausdruck, die diese Gruppe besonders machen oder auszeichnen (z. B. Friedfertigkeit, Stolz, Zusammenhalt) und die diese dann als Generator für ihre Interessen und als Orientierung für ihr Handeln nutzen können (Berger und Luckmann 1966, 159 ff.; Hopf 2002, Kap. 1; Tilly 2002, 6 ff., 39). So stieß z. B. die deutsche, gegenüber militärischem Engagement zurückhaltende außenpolitische Identität als Zivilmacht (Duffield 1998; Risse 2007; Maull 2007) in den Diskussionen zur Libyenmission auf die französische (Stahl 2006; Godin und Chafer 2006) und die britische Identität (Clarke 2000; Dunne 2004), die einen deutlich unkomplizierteren Umgang mit dem Einsatz militärischer Gewalt erlauben. Hopf bringt mit dem obigen Zitat also zum Ausdruck, dass Interessen selbstredend nationales (wie jedes) Verhalten bestimmen, jedoch nicht universal von außen bestimmt werden können, sondern immer aus der Innenperspektive ihrer Bedeutung für Handelnde gesehen werden müssen und somit abhängig von kollektiven Identitätskonstruktionen sind (Fierke 2002; Jackson 2011, 202 ff.; Onuf 2013 [1989]). Mark Laffey und Jutta Weldes (Laffey und Weldes 1997; Weldes 1996) weisen auch darauf hin, dass Interessen nichts weiter als eine bestimmte Form von Ideen sind, nach denen sich Staaten richten - sie sind somit nicht selbst materiell, sondern fixierte Interpretationen der materiellen Welt, die Staaten als handlungsleitend ansehen. Diese Haltung gegenüber Interessen soll nicht irgendeinen Relativismus zum Ausdruck bringen, dass etwa Inter‐ essen oder Identitäten völlig beliebig gewählt werden könnten, aber sie weist darauf hin, dass auch vermeintlich wichtige Sicherheitsinteressen eines Staates stets das Ergebnis von Prozessen (z. B. in der politischen Elite) sind, die Gefahren wahrnehmen und daraus ihre eigenen Schlüsse ziehen. 99 Es ist z. B. nichts Unschuldiges oder Natürliches, in Flüchtlingsdebatten primär über Sicherheitsfragen zu reden anstelle über Entwicklungsprobleme in der Dritten Welt, sondern Ausdruck einer gesellschaftlichen Diskursstruktur, die von bestimmten Akteuren hergestellt wird. Das konstruktivistische Identitäts- oder allgemeinere Ideenargument verbindet also die Konzepte sozialer Prägung von Verhalten mit einer voluntaristischen Sichtweise auf 6 Kollektive Identität 244 <?page no="245"?> 100 Stefano Guzzini (2000) spricht daher auch vom soziologischen Konstruktivismus. Politik, die soziale Strukturen nicht als gottgegeben und unveränderlich, sondern als Produkt menschlichen Handelns ansieht (Lebow 2012, 7; ähnlich s. Wendt 1987, 360; Wendt 1999, 96, 224 ff.). Durch diese Sichtweise auf Politik und somit auch internationale Be‐ ziehungen schärfen Konstruktivist*innen also unseren Blick in zweierlei Hinsicht: Erstens sehen sie Strukturen und Politiken als (zeit)spezifische Konfigurationen oder Konstruktionen, 100 die menschengemacht sind und deshalb menschenverändert werden können - wenngleich das nicht einfach ist. Dies meint der US-amerikanische Politikwissenschaftler Alexander Wendt, wenn er auf den Neorealismus abzielend in seinem berühmten 1992er Artikel bereits im Titel feststellte: „Anarchy is what States Make of it“ (Wendt 1992). Er wollte damit herausstellen, dass das von den Neorealisten als zentral für internationale Politik angenommene anarchische System wirklich existiert, es aber keineswegs so unveränderlich ist, wie sie es darstellen (Flockhart 2016, 141 ff., 150 f.). Durchaus im Geiste Kritischer Theorie weisen Konstruktivist*innen in den Internationalen Beziehungen daher darauf hin, dass Dinge (Sicherheitsdilemmata, Anarchie, Unsicher‐ heit …) nicht so hätten sein müssen, wie sie sind (frei nach Hacking 2000, 6 f.). Alle Konstruktivist*innen unterstreichen daher die Rolle von Akteuren, die zumindest das Potential haben, Strukturen wie internationale Anarchie oder nationale Identität durch Politik zu verändern. Sollte in einer konkreten politischen Situation also eine bestimmte politische Handlungsweise als not‐ wendig erachtet werden, die nicht zu einer Identitätskonstruktion (Struktur) passt - wie z. B. die Frage der deutschen Beteiligung am Kosovokrieg -, so kann eine Identität auch unter hohem Überzeugsaufwand an neue Umstände angepasst werden (Nabers 2009; Risse 1999; Wæver 2002). Ein solcher Vor‐ gang fand statt, als der grüne Außenminister Joschka Fischer auf einer Rede vor dem Parteitag der Grünen 1999 die antimilitaristische Grundkonstante deutscher Außenpolitik - Nie wieder Auschwitz! - dahingehend umdeutete, dass Deutschland gerade wegen seiner nationalsozialistischen Vergangen‐ heit im Kosovo eingreifen müsse, um einen Völkermord zu verhindern (Der Spiegel 1999). Deutschland hielt zwar weiterhin an der zentralen Rolle von Diplomatie und Politik im Kosovokonflikt fest, die Identitätskonstruktion war nun aber ein bedeutendes Stück weiter geöffnet und konnte militäri‐ sches Engagement unter ganz bestimmten Voraussetzungen eher denken als zuvor (Risse 2007, 58). Mit Blick auf diese gegenseitige (konstitutive) 6.1 Die Krise der IB und das konstruktivistische Argument 245 <?page no="246"?> Beziehung zwischen Ideen (Identität, Normen, Kultur …) und Interessen wird im Konstruktivismus davon gesprochen, dass Handeln einer Angemes‐ senheitslogik folgt (logic of appropriateness) und nicht einer ungebundenen, zeitlosen und allgemeingültigen Rationalität unterworfen ist, wie sie z. B. dem Neorealismus (Überlebensrationalität) oder dem Institutionalismus und Liberalismus (Kosten-Nutzen-Rationalismus) eigen sind (March und Olsen 1989, 160 ff.; Schimmelfennig 2003, 69). Wollen wir nach konstruktivistischer Auffassung Politik begreifen, müssen wir zweitens ihre Konstruktion und ihre konstitutiven Elemente in ihrer Zeit und ihrem soziopolitischen Kontext verstehen. Daraus ergibt sich außerdem ein analytischer Prozessfokus: „Konstruktivist*innen aller Arten interessieren sich nicht dafür, wie Dinge sind, sondern wie sie zu dem wurden, was sie sind,“ so Emanuel Adler (Adler 2013, 121, H.i.O.). Das heißt, dass konstruktivistische Fragestellungen in der Regel das Zustan‐ dekommen von Politiken und Entscheidungen untersuchen (how possiblequestions). Typische konstruktivistische Arbeiten befassen sich so z. B. mit den Bedingungen und Prozessen, unter denen Gorbatschow Perestroika und Glasnost durchführen konnte (Risse-Kappen 1994); wie es möglich war, dass sich in den USA eine Norm gegen den Einsatz von Nuklearwaffen entwickelte (Tannenwald 1999); oder wie es zur Entwicklung nationaler sicherheitspolitischer Kulturen kam (Katzenstein 1996). Damit ist natürlich, wie weiter oben bereits angeklungen, unmittelbar die Frage nach dem Wandel von Politiken, Identitäten, Interessen oder Institutionen durch Pro‐ zesse verbunden. Adler spricht daher weiter davon, dass „es nur eine leichte Übertreibung ist, zu sagen, dass wenn es im Konstruktivismus überhaupt um etwas ginge, dann um Wandel.“ (Adler 2013, 123, H.i.O.). Während ein Teil konstruktivistischer Arbeiten darum bemüht ist, Kontinuitäten in staatlichem Handel zu untersuchen (Wendt 1999; Katzenstein 1996), so tun diese Beiträge dies doch mit dem Interesse, die soziale Konstruktion von Kontinuität verstehen zu wollen. Somit ergeben sich mehrere Wege, in denen uns konstruktivistische Ar‐ gumente nützlich sein können, um die NATO besser zu verstehen. Einer der wichtigsten wird sein, in diesem Kapitel den bereits häufig angeklungenen Aspekt der Rolle von liberal-demokratischer Ideologie für die Atlantische Allianz zu verstehen, den Neorealismus und Institutionalismus nicht oder nur am Rande erfassen. Des Weiteren werden wir den Konstruktivismus nutzen, um konkrete Wandelmomente der NATO genauer zu beleuchten und so ein besseres Verständnis darüber erlangen, welche Rolle ideelle Erklä‐ 6 Kollektive Identität 246 <?page no="247"?> 101 Die Struktur des Rests des Kapitels folgt lose dem Übersichtsaufsatz von Flockhart (2016). rungen (und vor allem identititätsbezogene) zu bestimmten Zeitpunkten der Allianzentwicklung spielen können. Flockhart (2016, 150 ff.) unterstreicht, dass die Identitäts- und Akteurszugänge des Konstruktivismus notwendig sind, um den Wechsel zwischen Tätigkeiten und Stimmungslagen in der Allianz korrekt zu erfassen - ein empirisches Puzzle, für die in den Vorka‐ piteln beschriebenen neorealistischen und institutionalistischen/ liberalen Erklärungen nicht ausreichen. 101 6.2 Die NATO als Teil einer pluralistischen Sicherheitsgemeinschaft In den 1950er Jahren wurde von Karl W. Deutsch und Kollegen das Konzept der Sicherheitsgemeinschaft (security communities) entwickelt (Deutsch 1970 [1954]; Deutsch et al. 1968 [1957]). Deutsch stellte die Frage, wie die sich nach dem Zweiten Weltkrieg schnell normalisierenden und stark koopera‐ tiven Beziehungen zwischen den Staaten Westeuropas sowie Kanada und den USA zustande kommen konnten, von denen sich zwei - Deutschland und Italien - zuvor noch im Krieg mit den anderen befanden. Die Forscher betrachteten dabei nicht nur die sicherheits- und verteidigungspolitische In‐ stitutionalisierung der Beziehungen in der NATO, sondern auch die vielfäl‐ tigen Formen gesellschaftlichen, politischen und vor allem wirtschaftlichen Austauschs zwischen Staaten. Sie kamen zu dem Schluss, dass diese Koope‐ rationsformen alle miteinander in Verbindung standen und entwickelten im Zuge ihrer Arbeit das theoretische Modell der Sicherheitsgemeinschaft. Während die Arbeiten lange Zeit kaum beachtet wurden, griffen in den 1990er Jahren und danach verschiedene Wissenschaftler*innen, aufbauend auf Emanuel Adler und Michael Barnett (1998; Adler 2005), die Gedanken von Deutsch wieder auf (Acharya 2001; Hemmer und Katzenstein 2002; Tuschhoff 1999; Risse-Kappen 1996; Williams 2007) und integrierten sie in das konstruktivistische Forschungsprogramm der Zeit (Flockhart 2016, 142). Nach Deutsch et al. gibt es zwei verschiedene Arten von Sicherheitsge‐ meinschaften: amalgamierte und pluralistische. Amalgamierte Sicherheits‐ gemeinschafen sind seltener, weil sie nicht nur die im Folgenden genannten Kriterien erfüllen, sondern dazu noch eine Form von gemeinsamer, z. B. 6.2 Die NATO als Teil einer pluralistischen Sicherheitsgemeinschaft 247 <?page no="248"?> föderaler Regierung bilden. Deutsch nennt hier den Integrationsprozess der Vereinigten Staaten von Amerika selbst als Beispiel. Weitaus häufiger würden aber pluralistische Sicherheitsgemeinschaften entstehen. Diese Ge‐ meinschaften behalten die nationale Souveränität ihrer Mitgliedstaaten bei, gleichen sich aber in vielen Beziehungsaspekten aneinander an, wie dies z. B. Kanada und die USA getan haben. Sicherheitsgemeinschaften zeichnen sich nach dieser Auffassung kumulativ durch eine Reihe spezifi‐ scher Kriterien aus, die auf einer notwendigen Bedingung beruhen, die sie von anderen internationalen Kooperationsformen wie ad hoc-Koalitionen oder Sicherheitsmanagementinstitutionen wie den UN unterscheidet: der Abwesenheit des Gebrauchs von Gewalt und somit von Krieg (Deutsch et al. 1968 [1957], 5 ff.; Risse-Kappen 1996, 367 ff.). Im Übrigen zeichnen sich Sicherheitsgemeinschaften durch weitere spezifische Charakteristika aus. Die in der folgenden Übersicht mit [*p-sc] gekennzeichneten Aspekte sind für pluralistische Sicherheitsgemeinschaften zentral, während für amalga‐ mierte alle wichtig sind: ▸ [*p-sc] Der Wertekanon ihrer Mitglieder ist mit dem der anderen kompatibel (nicht unbedingt identisch). ▸ [*p-sc] Sie haben feste Kommunikationsbeziehungen, reagieren auf Entwicklungen untereinander und zeigen gegenseitige Reaktivität (responsiveness). ▸ [*p-sc] Zwischen ihnen herrscht Erwartungsstabilität. ▸ Sie pflegen intensive wirtschaftliche Beziehungen oder wollen mehr. ▸ Zwischen ihren Akteuren gibt es vielschichtige soziale, politische und kulturelle Transaktionsformen, z. B. durch Austausch (Filme, Lite‐ ratur …), Mobilität (Tourismus) oder regelmäßige politische Kontakte. ▸ Mitglieder verzeichnen eine zunehmende institutionelle Verflech‐ tung/ Kapazitäten (Deutsch et al. 1968 [1957], 46 ff., 65 ff.; Booth und Wheeler 2008, 191 ff.). Durch diese Art der Interaktion miteinander herrscht in Sicherheitsgemein‐ schaften Frieden durch ein „ungestörtes soziales Leben“ (Deutsch, zitiert nach Booth und Wheeler 2008, 182). Dies setzt also die Idee eines gemein‐ samen Selbst bzw. eines Gemeinschaftsgefühls voraus, genauso wie die Existenz von Transparenz und Vertrauen in den Austauschbeziehungen. Konflikte - egal, wie schwer sie auch wiegen mögen - werden stets friedlich durch Verhandlung und gegenseitiges Angleichen ausgetragen (s. auch Thies 2009, 296 ff.). Adler (2008, 204 ff.) spricht in seiner praxis‐ 6 Kollektive Identität 248 <?page no="249"?> 102 Deutsch et al. (1968 [1957], 9 f.) diskutieren 1957 verschiedene Grenzen der nordatlan‐ tischen Sicherheitsgemeinschaft und kommen nach der Diskussion zu dem Schluss, dass zur damaligen Zeit folgende Länder der Gemeinschaft angehören: Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Island, Irland, Italien, Kanada, Luxemburg, Nie‐ derlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, Schweiz, Westdeutsch‐ land und die USA. Damit berücksichtigen sie ein paar Staaten, die weiter von der atlantischen Fassade entfernt liegen, nicht, die heute oft zu dieser Gemeinschaft gezählt werden würden. orientierten Konzeption von Sicherheitsgemeinschaften daher auch von fünf Praktiken, die in Sicherheitsgemeinschaften vorherrschen, nämlich der Abwesenheit von Gewalt, Selbstkontrolle, eine kooperative Bearbeitung von Sicherheitsproblemen, die Existenz von partnerschaftlichen Beziehungen mit (Teilen) der Außenwelt und eine Tendenz zu Erweiterungsprozessen, um die internen Praxen/ Mechanismen der friedlichen Koexistenz nach außen zu kehren. Der prozesshafte Charakter von Sicherheitsgemeinschaften wird so deutlich (s. bereits Deutsch et al. 1968 [1957], 70 ff.). Es ist unschwer erkennbar, dass auf Basis dieser Kriterien die transatlan‐ tischen Beziehungen oder die EU als Sicherheitsgemeinschaften eingestuft werden können. 102 Egal, wie sehr im Moment sowohl in der EU als auch in den transatlantischen Beziehungen miteinander gehadert wird und politi‐ sche Konflikte offen zutage treten - sei es um Flüchtlings- und Finanzpolitik in der einen oder Wirtschaftsbeziehungen und Verteidigung in der anderen Institution -, so wenig denkt doch irgendjemand nur im Entferntesten daran, diese Konflikte unter Einsatz von Gewalt auszutragen, wodurch das Basiskriterium einer Sicherheitsgemeinschaft verletzt werden würde (s. für die 2000er Pouliot 2006). Mit Blick auf die Coronakrise als auch die verstärkten transatlantischen Querelen seit dem Amtsantritt Donald Trumps, im Grunde aber seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs können wir in Deutschland zweifelsohne feststellen, dass wir sehr sensitiv auf Entwicklungen in den anderen Staaten der Gemeinschaften reagieren und sie teils emotional und engagiert verfolgen (responsiveness). Gleichzeitig sind unsere Wirtschaftsströme sehr eng miteinander verflochten. Kultureller und gesellschaftlicher Austausch sind so selbstverständlich, dass wir beim Trinken von Coca-Cola nur selten daran denken, dass sie US-amerikanisch ist, genauso wie beim täglichen Netflixkonsum oder dem wiederkehrenden Kinobesuch. Ein Gefühl der Fremde entsteht in den USA für Europäer*innen kaum, und umgekehrt. Meinungsumfragen zeigen, dass die transatlanti‐ schen Beziehungen von den Bevölkerungen nach wie vor als zentrales 6.2 Die NATO als Teil einer pluralistischen Sicherheitsgemeinschaft 249 <?page no="250"?> 103 Das theoretische Konzept der Sicherheitsgemeinschaft wurde in der Zwischenzeit auch auf andere Kooperationsformen in Europa und anderen Weltregionen angewandt (z. B. Adler und Barnett 1998) Standbein im politischen Leben verstanden werden, wenngleich nicht mehr als unkompliziertes (Stelzenmueller und Raisher 2014). Mit der NATO hat die transatlantische Sicherheitsgemeinschaft zudem eine intensive Form der institutionalisierten sicherheits- und verteidigungspolitischen Zusam‐ menarbeit aufgebaut, die ihresgleichen sucht (Adler 2008, 204 ff.; Booth und Wheeler 2008, 191 ff.). Die Erweiterungspraktiken der EU und NATO wurden bereits in anderen Kapiteln ausführlich besprochen. Es ist bei der Diskussion des Konzepts allerdings wichtig, die NATO nicht mit der Sicherheitsgemeinschaft gleichzusetzen. So werden in der NATO z. B. nicht bzw. nur in sehr begrenztem Maße wirtschaftliche Beziehungen organisiert. Gleichzeitig können Nicht-NATO-Mitglieder, wie z. B. Austra‐ lien und Neuseeland oder Finnland, Irland, Österreich oder Schweden zum Kreis der westlichen Sicherheitsgemeinschaft gezählt werden (Cottey 2018; Ojanen et al. 2000). Es gibt aber auch Staaten, die in der Sicherheitsgemein‐ schaft aufgrund anderer regionaler Einbindungen und Identitäten stärker am Rande stehen, wie die Türkei, aber trotzdem Mitglieder der NATO sind (Adler 2005, 183). 103 Die Grenzen der Sicherheitsgemeinschaft sind somit fließend, und so sind es heute auch vermehrt wieder die Konflikte, die sich etwa im Bereich der Wertekompatibilität entwickelt haben, wenn wir z. B. die autokratischen Tendenzen in Ungarn oder der Türkei betrachten. Genauso müssen wir im Moment Einschränkungen an das Kriterium der Erwartungsstabilität ansetzen, die unter Donald Trump nachgelassen hat. Trotz dieser zunehmenden Konflikte bleiben die oben genannten Kriterien einer Sicherheitsgemeinschaft aber in ihrer Substanz und Breite weitestge‐ hend unberührt, da Konfliktivität nicht dem liberalen Wertekanon wider‐ spricht, sondern für ihn konstitutiv ist. Besorgt müssen wir trotzdem sein, weil wir zurzeit in Europa und Amerika einen Moment durchleben, in der innerhalb der Gemeinschaft einerseits Erwartungsstabilität ob eingeübter Verhaltensweisen (etwa verbale Zurückhaltung) oder tradierter Politiken (US-amerikanische Kostenübernahme für Verteidigung) verloren zu gehen scheint. Die Nützlichkeit des Konzepts der Sicherheitsgemeinschaft stellt sich vor allem in der sozialen oder auch soziokulturellen Perspektive auf inter‐ nationale Kooperation ein. Die Bedeutung von gemeinsamer Identität und 6 Kollektive Identität 250 <?page no="251"?> Ideologie für den Zusammenhalt in einer Allianz wurde bereits zuvor ver‐ schiedentlich angesprochen und mit Bezug zur NATO eingehend untersucht (Adler und Barnett 1998; Adler 2008; Risse-Kappen 1996; Tuschhoff 1999). Mittlerweile wird die Relevanz von Ideologie auch von neorealistischen Autor*innen teilweise anerkannt, wie Stephen Walts Überarbeitung seiner eigenen Allianztheorie zeigt: „But when an alliance either reflects or creates a sense of common identity, then the entire notion of an individual ‘national interest’ becomes less applicable. If élites and/ or publics begin to view their own society as inextricably part of a larger political community, then members will find it difficult to conceive of themselves as separate and will see their interests as identical even if the external environment changes dramatically. As a result, this sort of alliance - if alliance is the correct term - is likely to be extremely robust.“ (Walt 1997, 168) Walt räumt hier also sowohl die stabilisierende Rolle von Gemeinschaft für Allianzen ein, während er ebenfalls am Ende andeutet, dass eine solche Allianz wahrscheinlich mehr als nur ein Militärbündnis ist (s. auch Thies 2009). Konstruktivist*innen vermögen aber aufgrund ihrer Aufmerksamkeit für soziale Prozesse und ihres Fokus auf Akteure die Relevanz von Ideologie oder Identität besser zu begründen. Es gibt in Sicherheitsgemeinschaften verschiedene Formen von Sozialisationsmechanismen, die dafür sorgen, dass nicht nur Sicherheit kooperativ gedacht wird, sondern darüber hinaus ein breites Gemeinschaftsgefühl die Akteure im Inneren zusammenhält, bei dem Werte, Normen oder gemeinsame historische Erfahrungen eine zentrale Rolle spielen. Solche Sozialisationsmechanismen wurden zwar bereits vom Institutionalismus in den 1980er Jahren thematisiert (Keohane 1984, 1989), Konstruktivist*innen können sie aber mit ihrer relational-sozialen Sicht‐ weise auf Politik erklären, wozu der rationalistische Institutionalismus nicht in der Lage ist (Kratochwil und Ruggie 1986; Ruggie 1998; Schimmelfennig 2003, 73 ff.). Ungeachtet dieser methodologischen Unterschiede zwischen der institutionalistischen Herangehensweise und der konstruktivistischen lässt sich aber festhalten, dass es offensichtlich aus verschiedenen Perspek‐ tiven relevant und ratsam ist, auf soziale Prozesse in der Herstellung und dem Erhalt von Frieden und Sicherheit zu achten. Das theoretische Konzept der Sicherheitsgemeinschaft bietet hierfür einen vielseitigen Denkrahmen. 6.2 Die NATO als Teil einer pluralistischen Sicherheitsgemeinschaft 251 <?page no="252"?> 6.3 Historischer Wandel, kollektive Sicherheit und Verteidigung aus konstruktivistischer Perspektive Wie wir in den Kapiteln zu kollektiver Verteidigung und Sicherheit gesehen haben, reichten die dort bemühten Theorien des Neorealismus und Institu‐ tionalismus nicht immer aus, um spezifische Aspekte des Handelns der Atlantischen Allianz oder bestimmter Mitglieder zu erklären. Die außen‐ politischen Strategien Frankreichs und Deutschlands nach dem Ende des Kalten Kriegs verblieben gleichermaßen unlogisch, wenn man sie aus neorealistischer Perspektive betrachtet: Der eine Staat akzeptierte nach dem Ende der Blockkonfrontation eine Verringerung seines Einflusses auf Entscheidungen der NATO (Frankreich), während der andere seine neugewonnene, souveräne Machtposition im Zentrum Europas nicht nutzte, um außenpolitische Macht zu gewinnen (das wiedervereinigte Deutsch‐ land). Wir konnten auch erkennen, dass der Wandel der Außenpolitik der Sowjetunion nicht hinreichend durch systemische Wandelprozesse (Wirtschaftskrise) verstanden werden kann, die Gorbatschow keine Wahl ließen als so zu handeln, wie er es tat (Annäherung durch Glasnost und Perestroika), sondern dass erst durch Gorbatschow und sein neues Denken Wandel in die historisch beobachtbare Richtung geschah anstelle den Macht‐ ausgleich mit dem Westen zu wählen. Schließlich konnten wir am Ende des Kalten Kriegs beobachten, dass sich die NATO trotz entsprechender neorealistischer Vorhersage nicht auflöste, obwohl ihr Gegner nicht mehr existierte, sondern sich neuen Aufgaben der kollektiven Sicherheit und des Krisenmanagements annahm, die der Institutionalismus mit seiner zweckrational geprägten Argumentation nur teilweise erhellen kann. Keine Theorie kann alles erklären. (Sonst hätten wir nicht so viele.) Trotzdem reift die Erkenntnis, dass viele Vorgänge in der NATO durch eine soziale, ideologische und identitätsbezogene Komponente beeinflusst werden, die sich wie ein roter Faden durch die 70-jährige Allianzgeschichte zieht. Die folgenden Seiten sollen nun anhand ausgewählter, zentraler Elemente die Bedeutung dieser sozialen Erklärungselemente verdeutlichen. Ein Hauptbeitrag des Konstruktivismus zur Erklärung von Vorgängen in der NATO liegt in den Begebenheiten ihrer Gründung selbst und der herrschenden weltpolitischen Situation nach dem Zweiten Weltkrieg. In einem viel beachteten Kapitel vertritt Ned Lebow (1995) die These, dass der Realismus die Gründung der NATO nicht ausreichend erklären kann. Er verweist dazu auf Ungereimtheiten in der realistischen Konzeption der 6 Kollektive Identität 252 <?page no="253"?> 104 Grieco (2007, 69 ff.) weist zudem darauf hin, dass in den Polaritätsdebatten zum Kalten Krieg i. d. R. die Rolle Chinas vernachlässigt würde, das in den 1970/ 80er Jahren zentral für die weltpolitische Auseinandersetzung war. Polarität des internationalen Systems und der Machtverteilung darin nach 1945. Der (klassische) Realist Hans Morgenthau sieht die Sowjetunion erst seit 1960 als Großmacht und somit Pol des internationalen Systems an, weil Moskau erst zu diesem Zeitpunkt über die Fähigkeit zur industri‐ ellen Produktion von Nuklearwaffen verfügte (s. Kap. 3.2). Kenneth Waltz wiederum vertrat in einer ersten Fassung des Neorealismus die Ansicht, dass Nuklearwaffen nichts an den grundsätzlichen militärischen und öko‐ nomischen Machtpotentialen der Staaten änderten - eine Position, die er später zurücknahm und als zweite Variable konzipierte, die neben der Polarität über die Kriegsneigung des politischen Systems entscheide. Da die Sowjetunion nach dem Ende des Kalten Kriegs auch ökonomisch zunächst nur über wenig Machtpotential verfügte (aus dem sich nach neorealistischer Auffassung militärische Macht generiert), führen beide Herangehensweisen an die Machtbalance logisch zu dem Schluss, dass das internationale System zwischen 1945 und 1960 nicht bipolar, sondern unipolar war und somit nur die USA als bestimmenden Akteur globaler Politik (Unipol) kannte. 104 Da ein Unipol über überwältigende Macht verfügt und per definitionem von keinem anderen Akteur existentiell bedroht werden kann, stellt sich daher die Frage, warum die USA ein multilaterales Bündnis mit Kanada und den europäischen Staaten hätte eingehen sollen, in dem sie so viel Macht mit ihren (deutlich schwächeren) Alliierten teilten (s. auch Risse-Kappen 1996, 359 f.). Der Punkt von Lebow, Risse-Kappen und den anderen Konstrukti‐ vist*innen ist hier weniger, dass keine Gefahrenwahrnehmung gegenüber der Sowjetunion durch die westlichen Staaten bestand, sondern dass die Gefahrenwahrnehmung und Gründe für die Bildung einer so umfassenden Allianz wie der NATO mit ihrer internationalen Bürokratie und Militär‐ struktur nicht rein militärischen Ursprungs sein konnten, sondern tiefer sitzen mussten (Risse-Kappen 1996, 360 f.). Das zu Anfang des Buches (Kap. 2.2.1) vorgestellte Long Telegram sieht die Gefahr des Expansionismus der Sowjetunion genau in ihrer kommunistischen Ideologie und somit nur mit‐ telbar in den daraus erwachsenden militärischen Implikationen. Lawrence Kaplan analysiert die psychologische Seite dieser Positionierung (s. dazu auch Heuser 1995, 52 f.): 6.3 Historischer Wandel, kollektive Sicherheit und Verteidigung 253 <?page no="254"?> 105 Acheson bezeichnete die NATO daher auch als „Produkt von wenigstens 350 Jahren Geschichte, wenn nicht mehr“ (Hemmer und Katzenstein 2002, 591). „The existence of the North Atlantic Treaty may have been designed to inhibit a threat of Soviet invasion that never really existed. But the demoralization of Europe, its pessimism over its future, and the disruptive activities of strong Communist parties in France and Italy were realities in 1949. The linking of America with Europe may be judged a major factor in the psychological revival of the West which sparked the economic miracles of the next generation.“ (Kaplan 1984, 27) Die klaren Wertepositionierungen der Neuverbündeten in der Präambel und Art. 2 des Nordatlantikvertrags weisen zudem eindeutig die ideologische Wahrnehmung des Konflikts mit der Sowjetunion aus (Risse-Kappen 1996, 375 f.). Für die Erklärung solcher sozialen Phänomene ist der Realismus letztlich nicht geeignet. Wie Hemmer und Katzenstein (2002, 587 f.) in ihrer Rekonstruktion der Allianzbildungsprozesse in Asien und im nordatlanti‐ schen Raum aus US-amerikanischer Perspektive festhalten, herrschte in den USA ein kollektives Identitätsgefühl, das sie an die Europäer*innen band und das bereits vor und während des Zweiten Weltkriegs existierte (Risse-Kappen 1996, 372). 105 Konstruktivist*innen betonen daher, dass ma‐ terielle Erklärungen des Kalten Kriegs und der Ursprünge der NATO keine hinreichenden Erklärungen bieten, sondern ideelle oder identitätsbezogene Faktoren eine wichtige Rolle gespielt haben. Entsprechend Walts späterer Einsicht in die Relevanz von Ideologie für Allianzen zeichnet sich also bereits in den Gründungsjahren des nordatlantischen Bündnisses ab, dass die NATO mehr als nur ein Zusammenschluss gegen die sowjetische militärische Gefahr gewesen ist, sondern die westliche, liberal-demokratische Antwort auf eine ideologische und militärische Herausforderung. Trine Flockhart und Beatrice Heuser gehen in ihren konstruktivistischen Überlegungen zur NATO darauf ein, dass die Allianz bereits während des Kalten Kriegs nicht nur ein kollektives Verteidigungsbündnis war, sondern auch kooperative Elemente nach innen und partnerschaftliche nach außen Teil der Bündnisidentität waren. Flockhart sieht in diesen multiplen Identi‐ täten und Rollen des Bündnisses einen Schlüssel für den Zusammenhalt der Atlantischen Allianz (Flockhart 2016, 144 ff.). Obwohl z. B. Frankreich partnerschaftliche Beziehungen mit der Sowjetunion durch seine Zurück‐ gezogenheit aus der Militärstruktur außerhalb der NATO suchte, sah es 6 Kollektive Identität 254 <?page no="255"?> die Allianz immer noch als die ultimative Verteidigungsgarantie durch die USA an (Thies 2009, 295). Gleichzeitig konnte aber durch die Rüstungskon‐ trollbemühungen ab den 1960er Jahren zunehmend eine partnerschaftliche Beziehung mit der Sowjetunion gesucht werden, weil trotz des bilateralen Charakters der Vereinbarungen zwischen den USA und der UdSSR die Debatten darüber unter den Westalliierten in der NATO stattfanden. Alli‐ ierte konnten aufgrund dieser multiplen Identitäten des Bündnisses, so Flockhart, unterschiedliche Dinge in der Allianz sehen bzw. unterschiedliche Politiken in ihr realisieren. Das verlief nicht konfliktfrei, aber, wie Heuser in ihrem Aufsatz über die Debatten zur Nuklearstrategie zeigt, die Existenz eines gemeinsamen Diskussionsrahmens im Bündnis und das Vertrauen der Alliierten untereinander sorgten dafür, dass auch diese Konflikte entschärft werden konnten. Dieses Vertrauen zeigte sich nicht zuletzt in der Ambiguität mancher alliierter Dokumente, die es „allen verbliebenen Mitgliedern der integrierten Struktur der NATO erlaubt, in sie hineinzulesen, was sie dort finden wollten“ (Heuser 1995, 46). Letztlich könne auch nur so die bis heute andauernde, zutiefst ungleiche militärische Lastenverteilung zwischen den Alliierten erklärt werden, die unter militärischen Aspekten dysfunktional und moralisch unter dem Gleichheitsaspekt fragwürdig ist, es aber den USA ermöglichte, eine ihr genehme Führungsrolle in der Allianz einzunehmen (ähnlich Thies 2009, Kap. 5). Diese Situation besteht bis heute fort, wird jedoch seit der Trump-Präsidentschaft zunehmend offen konfliktiv ausge‐ tragen. Hat das Identitätsargument also seine Erklärungskraft eingebüßt? Dieser Frage wird in Kapitel 7 genauer nachgegangen. Der Durchbruch konstruktivistischer Erklärungen zur NATO geschah zum Ende des Kalten Kriegs, das neorealistische Autor*innen mit ihren zweckrationalen Zugängen nicht haben kommen sehen. Ein Strang der theo‐ retischen Debatte drehte sich, wie bereits in Kapitel 2 dargelegt, um insti‐ tutionalistische Argumente (Bürokratien, sunk costs, Informationsvorteile, Transformationsfähigkeit). Problematisch sind dabei jedoch zwei Dinge: Einerseits wird mit bürokratischen Argumenten oder solchen zu Kosten- und Informationsvorteilen eine Pfadabhängigkeit der Entwicklungen in der NATO impliziert - die NATO konnte sich sozusagen nur entlang dieser vorgegebenen Bahnen entwickeln. Andererseits wird damit aber ein sehr explizites Wandelargument verbunden, dass kollektive Verteidigungs‐ aufgaben vor solchen des Krisenmanagements und der Partnerschaften in den Hintergrund treten lässt. Somit stehen wir ähnlich der Schwierig‐ keit der neorealistischen Erklärung des außenpolitischen Wandels in der 6.3 Historischer Wandel, kollektive Sicherheit und Verteidigung 255 <?page no="256"?> Sowjetunion unter Gorbatschow (Risse-Kappen 1994, s. Kap. 4.1) vor einem Problem der theoretischen Indetermination, einer Betonung von Kontinuität und Wandel. Eine konstruktivistische Sichtweise erweist sich hier als besonders nütz‐ lich, da sie den Widerspruch auflösen kann. So analysieren Flockhart (2016, 146 ff.) und Adler (2008, 212 ff.), dass nach dem Ende des Kalten Kriegs eine Bedeutungsverschiebung zweier vorher schon vorhandener Identitäten einsetzte, indem vorher bereits existierende Elemente interner und externer kollektiver Sicherheits- und Partnerschaftspraktiken in den Vordergrund traten, während die kollektive Verteidigungsidentität der Allianz in den Hintergrund rückte, aber nicht aufhörte zu existieren. Letztlich, so Adler, wurden kooperative Sicherheitspraktiken innerhalb der NATO bereits kurz nach ihrer Gründung etabliert, als die Alliierten lernten, ihre außenpoliti‐ schen und vor allem die Blockkonfrontation betreffenden Positionen besser aufeinander abzustimmen (mit allen Unzulänglichkeiten, s. Suez). Die Exis‐ tenz beider Identitäten in der NATO - der kollektiven Verteidigungs- und der kollektiven Sicherheitsidentität - ermöglichte letztlich diesen Wandel, ohne dabei fundamentale Existenzfragen in der Allianz zu erzeugen. Der Wandel, den das Bündnis durchmachte, war also durchaus ein grundlegender Wandel auf der Handlungsebene, aber nur ein begrenzter auf der Identitätsebene (Flockhart 2016, 148). Gleichzeitig unterstreicht Flockhart mit dieser Beob‐ achtung auch den pluralistischen Charakter der Atlantischen Allianz, die für den einen Staat etwas Anderes bedeutet als für den anderen (s. auch Risse-Kappen 1996, 394 ff.). Wie bereits in Kapitel 4.2 diskutiert, legen viele zentral- und ostereuropäische Mitgliedstaaten den Fokus auf die kollektiven Verteidigungsfähigkeiten des Bündnisses, während andere wie die USA eher eine globale Krisenmanagementperspektive einnehmen. In den 2000er Jahren, über den Libyenkrieg bis Anfang 2014 war zudem der coalition of the willing- oder toolbox-Modus eine weitere zentrale Rollenidentität der Allianz für Frankreich, Großbritannien und die USA (s. auch Haaland Matláry 2014). Die deutsche Politik betonte wiederum eher die kooperativen Sicherheitspraktiken mit Russland und anderen Staaten und war um eine nicht-konfrontative Aufstellung der Allianz bemüht. Aus diesen Überlegungen wird ersichtlich, dass der Konstruktivismus in der Lage ist, sich wandelnde Bedrohungsperzeptionen, institutionalisierte Kooperationsdynamiken wie Sozialisations- und Präferenzangleichungs‐ prozesse sowie die sozialen Identitäts- und Normeinflüsse, die diesen Fak‐ toren zugrunde liegen, in eine prozesshafte und konfigurative Erklärung 6 Kollektive Identität 256 <?page no="257"?> zu integrieren. Das weitere Bestehen und Funktionieren der Atlantischen Allianz nach dem Kalten Krieg kann aus konstruktivistischer Perspektive genauso erklärt werden wie die Solidaritätsprobleme im Irakkrieg oder in Afghanistan. Eine solche Sichtweise würde unterstreichen, dass die (in alliierter Wahrnehmung) erfolgreiche Transformation der Atlantischen Allianz, die Aufnahme neuer Mitglieder und die Entschlüsse zum gemein‐ samen Handeln in Jugoslawien zu einem gestärkten Zusammengehörig‐ keitsgefühl (we-feeling) in den 1990er Jahren geführt haben (z. B. Alamir und Pradetto 1998), das aber auch durch Ereignisse wie den Irakkrieg und den Unilateralismus der Bush Jr.-Präsidentschaft nach 2002 in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die multiplen Identitäten und Praktiken des Bündnisses halfen, über diese schwierigen Zeiten hinwegzukommen, weil gewisser‐ maßen das eine einsprang, wenn das andere nicht funktionierte. Was also einerseits als komplexe und somit schwerfällige Institution erscheint, hat sich andererseits als flexibles und verlässliches institutionelles und in den transatlantischen Beziehungen verankertes soziales Arrangement erwiesen (Flockhart 2016, 150 ff.). Die NATO wurde also stets durch mehr zusammen‐ gehalten als eine russische Gefahr oder absolute Kooperationsgewinne. Allianzgeschehen ist in einen weiteren, sozialen und kulturellen/ identitären Kontext eingebunden. Hierin liegt der Beitrag des Konstruktivismus zum Verständnis der NATO. 6.4 Zusammenfassung: Konstruktivismus und theoretischer Pluralismus als Schlüssel für das Verständnis der Allianz Konstruktivistische Argumentationen haben seit Beginn der 1990er Jahre unsere Perspektive auf internationale Politik und ihre vermeintlichen sicherheitspolitischen Zwänge geweitet, indem sie uns die Kontingenz und soziale Konstruktion politischer Realität vor Auge geführt haben. Konstruktivist*innen wollten so nicht die Existenz von internationalen Strukturen wie Anarchie, das Bedrohungspotential von Nuklearwaffen oder die Realität von Krieg anzweifeln, sondern deutlich machen, dass diese Phänomene internationaler Politik ein kulturelles Produkt menschlichen Handelns sind und daher durch Menschen verändert werden können (Booth 1997, 100). Auf diesem Verständnis aufbauend hat der Konstruktivismus bedeutende Beiträge produziert, die durch einen Fokus auf innenpolitische, soziale und vor allem nicht-materielle Faktoren wie Identitäten und Normen 6.4 Zusammenfassung 257 <?page no="258"?> 106 In der Kürze dieses Einführungskapitels nicht adäquat abzubilden war der empirische Reichtum, der konstruktivistische Untersuchungen durch ihre intensive Befassung mit Akteuren und Dokumenten sowie durch ihre Prozessorientierung auszeichnet. innovative Wege gegangen sind, um z. B. die erfolgreiche Transformation der NATO von einer primär mit kollektiver Verteidigung zu einer primär mit kollektiver Sicherheit befassten Organisation zu erklären. Das Konzept der Sicherheitsgemeinschaft - vor allem in seiner Neufassung der späten 1990er und 2000er Jahre mit seinem Fokus auf Praktiken (Adler 2008; Pouliot 2010) - hilft uns zudem zu verstehen, wie Vorgänge und Routinen täglicher Kooperation in einer tief institutionalisierten Allianz zur Entwicklung von kompatiblen Wertvorstellungen und Interessen einerseits und zu einer Kultur der Zurückhaltung und der Abschwörung vom Gebrauch von Gewalt untereinander andererseits führen konnten, die heute die Idee von Krieg zwischen den Mitgliedern der transatlantischen Sicherheitsgemeinschaft so unwirklich wie die Landung von Marsmännchen macht. 106 Der Konstruktivismus ergänzt somit einerseits die Systemtheorien wie den Neorealismus oder den Institutionalismus um ein Prozessmodell von Wandel und andererseits erweitert er den Blick auf Prozesse innerhalb der Handlungseinheiten (z. B. Staat), in denen systemische Einflüsse interpre‐ tiert werden und erst danach das Handeln anleiten. Mit seiner größeren Offenheit gegenüber den Zielen (mehr als Sicherheit und Macht) und ent‐ sprechenden Handlungsmöglichkeiten (mehr als militärische Kapazitäten) der NATO und von internationaler Politik im Allgemeinen ist der Konstruk‐ tivismus also in der Lage, ein vollständigeres Bild der Motivation von Staats‐ handeln zu zeichnen und Wandel zu analysieren, als der Realismus oder Institutionalismus und auch der innenpolitisch-orientierte, rationalistische Liberalismus in der Lage sind. Dies erreicht der Konstruktivismus erstens durch die bottom up-Analyse von politischen Prozessen aus der staatlichen black box heraus (was auch der Liberalismus tut, der Neorealismus aber nicht); zweitens durch seinen Fokus auf die Interaktion zwischen Strukturen (z. B. Identität, Anarchie, Ideologie) und Akteuren, wodurch er vermag, Wandel auf vielfältigere Weise zu erklären (im Gegensatz zum Neorealismus und Institutionalismus); drittens durch sein erweitertes, sozial kontextuali‐ siertes Verständnis von Rationalität (bounded rationality); und schließlich durch seine Aufmerksamkeit auf ideelle und materielle Erklärungsfaktoren für politisches Handeln, die das Spektrum von Erklärungsvariablen ge‐ genüber den anderen Theorien erweitert. Es ist diese theoretische und 6 Kollektive Identität 258 <?page no="259"?> methodologische Vielfalt, die den Konstruktivismus eine präzisere Antwort auf das Ende des Kalten Kriegs und andere Krisensituationen geben lässt, die etablierte Handlungsmuster für Staaten durchbrechen und sie zu einer Neudefinition ihrer politischen Ideen, Interessen und handlungsleitenden Entscheidungen bringt. 6.5 Diskussionsfragen und weiterführende Literatur Diskussionsfragen: ▸ Wie erweiterte der Konstruktivismus in den 1990er Jahren Erklä‐ rungen internationaler Politik? ▸ Wie stellen sich Konstruktivist*innen zum Prinzip der Rationalität (von Einstellungen, Verhalten) und was ist eine logic of appropriate‐ ness? Wie hängen Ideen und Interessen zusammen? ▸ Wie denkt das Konzept von Sicherheitsgemeinschaften Zusammen‐ arbeit in der NATO und im nordatlantischen Raum neu? Warum ist sie so beständig? ▸ Wie kann man Wandel in der NATO konstruktivistisch erklären? ▸ Denken Sie über eine konstruktivistische Erklärung dafür nach, warum die Allianz oft hinter ihren Zielen zurückblieb, aber trotzdem nicht auseinanderbrach. Weiterführende Literatur: Anderson, Jeffrey, G. John Ikenberry und Thomas Risse, Hrsg. (2008). The End of the West? Crisis and Change in the Atlantic Order. Ithaca (NY) and London: Cornell University Press. Balzacq, Thierry, Hrsg. (2011). Securitization Theory. How security problems emerge and dissolve. London and New York: Routledge. Berger, Peter L. und Thomas Luckmann (1966). The Social Construction of Reality. A Treatise in The Sociology of Knowledge. Garden City (NY): Doubleday & Company. Bertucci, Mariano E., Jarrod Hayes und Patrick James, Hrsg. (2018). Constructivism Reconsidered. Past, Present, and Future. Ann Arbor (MI): University of Michigan Press. Bunde, Tobias (2014). Transatlantic Collective Identity in a Nutshell. Debating Security Policy at the Munich Security Conference (2002-2014). Rome: Istituto Affari Inter‐ nazionali. Heruntergeladen von Academia.edu (letzter Zugriff 16 June 2020). 6.5 Diskussionsfragen und weiterführende Literatur 259 <?page no="260"?> Duffield, John S. (1998). World Power Forsaken: Political Culture, International Insti‐ tutions, and German Security Policy After Unification. Stanford (CA): Stanford University Press. Guzzini, Stefano (2000). „A Reconstruction of Constructivism in International Relations.“ European Journal of International Relations 6 (2): 147-182. — , Hrsg. (2012). The Return of Geopolitics in Europe? Social Mechanisms and Foreign Policy Identity Crises. Cambridge (UK), New York et al.: Cambridge University Press. Hansen, Lene (2006). Security as Practice. Discourse Analysis and the Bosnian War. London and New York: Routledge. 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Trotz der von William Hill oben herausgestellten konstitutiven Rolle der NATO für US-ame‐ rikanische Außenpolitik bildet die Allianz in dieser Trump’schen Strategie der rhetorischen Brüche und Provokationen keine Ausnahme. Die Atlantische Allianz wurde in der Zeit zwischen Wahl und Amtseinführung im Januar 2017 vom President-elect sogar als „obsolet“ (Gove und Diekmann 2017) bezeichnet - eine Aussage, die er ein gutes Jahr später wieder kassierte, nicht jedoch, ohne auf die durch ihn erzielten Fortschritte hinzuweisen (Janjevic 2017). Die Härte der Kritik an der NATO unter Trump sucht in der jüngeren Allianzgeschichte ihresgleichen. Es gab beachtliche rhetorische Spitzen während des Irakkriegs 2003 (s. Kap. 4.3), aber der Zweck der Allianz wurde nie so deutlich in Frage gestellt, wie es der 45. Präsident der USA in den letzten Jahren getan hat. Tobias Bunde, Politikwissenschaftler und langjähriger Mitarbeiter der Münchener Sicherheitskonferenz, stellte über den 2018er NATO-Gipfel in Brüssel, bei dem Trump seiner Wut über Militärausgaben und Handelspolitiken der Alliierten Luft machte, fest, dass er „niemals zuvor so viele Menschen in der NATO verängstigt gesehen“ habe (Bunde, zitiert nach Kauffmann 2018). Trumps Skeptizismus gegenüber dem Bündnis ging so weit, dass er sogar mit einem Austritt drohte (Atlantic Council 2018; Barnes und Cooper 2019). Gleichzeitig hält er bis heute an den unter Präsident Obama eingeleiteten Verstärkungen alliierter Verteidigungsbemühungen in Europa seit der Kriminvasion Russlands fest und hat diese sogar noch verstärkt. Die Atlantische Allianz ist im Moment also mit einer Situation konfrontiert, in der rhetorische Signale und verfolgte Politiken mitunter auseinanderfallen. Daher wird eine lebhafte akademische wie öffentliche Debatte geführt, ob sich die NATO in einer tiefen Krise befindet oder nicht. Trotz der beständigen Verpflichtungen der US-Amerikaner*innen im Rahmen der Allianz sorgen Äußerungen wie die von Trump in einem Bündnis, das zu einem wesentlichen Teil auf Vertrauen beruht, für Unruhe und Unsicherheit ob der Beständigkeit des Engagements der USA für europäische Sicherheit. Dieses Kapitel wird diese Debatte(n) aufnehmen und strukturieren. Es wäre <?page no="262"?> dabei sicherlich falsch, die aktuellen Probleme der Allianz nur auf Trump zurückzuführen. Einige der Debatten, wie z. B. die zu einer gerechteren Lastenverteilung, sind so alt wie das Bündnis selbst (s. Ringsmose 2016) und wurden unter Barack Obama bereits offener geführt als zuvor (s. z. B. Gates 2011). Ein Teil von Trumps Kritik trifft durchaus ins Schwarze oder ist zumindest berechtigt, bei aller rhetorischen Schroffheit. Abschnitt 7.1 wird die theoretischen Begriffe der Politisierung und des Populismus einführen, die zur Strukturierung der aktuellen Situation dienen sollen. Abschnitt 7.2 und 7.3 beschäftigen sich danach mit der (Trump’schen) Rhetorik zur NATO einerseits und der Kooperationspraxis andererseits. Dabei wird deutlich, dass es einen Bruch zwischen Trump’scher Rhetorik und der Allianzpraxis gibt. Abschnitt 7.4 geht abschließend auf den Wandel der US-Hegemonie und Vertrauensprobleme ein. 7.1 Theoretische Perspektiven: Politisierung, Illiberalismus, Populismus und die Kontestation des Internationalen Seit den 2000er Jahren und vor allem seit der im September 2008 ausgebro‐ chenen Finanzkrise mit ihren anhaltenden Folgen (Staatsschuldenkrise, erhöhte Arbeitslosigkeit, sozioökonomische Strukturprobleme) leben wir in einer Zeit, in der Prozesse und Institutionen internationaler Politik und Entscheidungen der Regierenden darin zunehmend angezweifelt werden. Ein erstes Zeichen dieser Politisierung (Zürn 2014) und Kontestation (Anzweiflung, Infragestellung) des Internationalen waren die heftigen Proteste zum Gipfel der Welthandels‐ organisation in Seattle im Jahr 1999, die eine starke Unzufriedenheit mit der aktuellen Form der Globalisierung zum Ausdruck brachten. Neben den bereits zuvor angesprochenen Zerwürfnissen um den US-amerikanischen Irakkrieg im Jahr 2003, die nicht nur innerhalb der NATO bestanden, sondern darüber hinaus die Frage nach der Rechtmäßigkeit und den Umständen des Einsatzes von Gewalt aufwarfen, zeigte sich eine weitere Form der Ablehnung internationaler Politik in den negativen Referenden zum EU-Verfassungsvertrag in Frankreich und den Niederlanden im Jahr 2005. Diese Referenden waren Weckrufe dafür, dass sich die Bevölkerungen in vielen Staaten im traditionell stark exekutiv dominierten Feld der Außenpolitik nicht immer mitgenommen und adäquat mit ihren Meinungen repräsentiert sahen. Die beiden Politikwissenschaftler*innen Liesbet Hooghe und Gary Marks sprechen mit Bezug auf den europäischen Inte‐ grationsprozess von einem Wandel einer Haltung des „permissiven Konsenses“ 7 Trump und andere Probleme 262 <?page no="263"?> zur europäischen Einheit hin zu einem „beschränkenden Dissens“ (Hooghe und Marks 2009), der die politischen Handelnden zaghafter ob weiterer Integrationsschritte werden lässt (s. auch Kriesi et al. 2008; Kriesi et al. 2012). Wagner et al. (2018) und Ostermann et al. (2020) konnten zudem nachweisen, dass sich die Tendenz zur zunehmenden Politisierung von Außenpolitik auch im Bereich der parteipolitischen Positionierung und parlamentari‐ schen Abstimmungen zu Militärmissionen erkennen lässt und somit direkt für Politikfelder der NATO relevant ist. Einerseits ist es im Sinne des Repräsentationsprinzips normativ positiv zu sehen, wenn sich Außenpolitik stärker an der in der Bevölkerung vorherrschenden Meinung orientiert, da Partizipation am politischen Prozess ein zentrales Wesensmerkmal einer liberalen Demokratie ist (Doyle 1983a, 208 f.; 1986, 80). Andererseits wird es durch die zunehmende Politisierung internationaler Politik und außenpoli‐ tischer Entscheidungen auf nationaler (z. B. durch Parteien, Interessenver‐ bände) wie auch auf inter- oder transnationaler Ebene (z. B. NGOs) schwerer, diese eine Meinung überhaupt auszumachen, geschweige denn zu vertreten, da es durch die weitaus größere Zahl von Akteuren nicht einfach ist zu erkennen, welche Meinung vorherrscht. Diese Kontestation des Internationalen ist häufig mit zwei weiteren politischen Entwicklungen verknüpft, die unter demokratischen Gesichts‐ punkten zumindest teilweise problematisch sind. Zum einen ist dies das Auf‐ kommen neuer Parteien bzw. beachtliche Wahlerfolge etablierter Parteien, die ein populistisches Konzept der Politik verfolgen. Wenngleich der Begriff umgangssprachlich positiv als Volksnähe von Politiker*innen besetzt sein kann, verstehen viele Politikwissenschaftler*innen unter populistischen Parteien solche Bewegungen, die 1. einen politischen Gegensatz zwischen dem reinen Volk und der verdor‐ benen, korrumpierten Elite proklamieren; 2. einen vermeintlich apolitischen Gemeinwillen (volonté générale) un‐ zweifelhafter Wahrheiten konstruieren, den sie vertreten und der in der Politik missachtet werde, meist in Zusammenhang mit der Formulierung einfacher Lösungen (z. B. geschlossenen Grenzen, Handelsprotektionismus) gegenüber komplexen, globalen Problemen (Migration, handelspolitische Ungleichgewichte); 3. anti-pluralistische (links und rechts) und teils auch nativistisch-natio‐ nalistische Tendenzen (eher rechts) haben und behaupten, dass nur 7.1 Politisierung, Illiberalismus, Populismus und die Kontestation des Internationalen 263 <?page no="264"?> 107 Eigene, zusammen mit Bernhard Stahl durchgeführte laufende Forschungen deuten auf eine starke Passung der Alternative für Deutschland mit der oben verwendeten Popu‐ lismusdefinition hin, wobei es Ambivalenzen in der wirtschaftspolitischen Dimension gibt. 108 Der aktuelle Sammelband von Book et al. (2020) bespricht das Phänomen autoritärer Populismen ausführlich und anhand verschiedener Staaten. sie die wahren Vertreter*innen des Volkes seien (Mudde 2004, 544 ff.; 2007, 18 ff.; Müller 2016, 61 f.; s. auch Friedrichs 2019, 205). Während sich diese so charakterisierbaren Bewegungen eher durch eine dünne politische Ideologie („thin-centered ideology“, Mudde 2004, 544) und Opportunismus auszeichnen, sind sie in der politischen Rechten häufig gegen kulturelle (Heterogenität, Multikulturalismus), politische (re‐ gionale, globale Integration) sowie links und rechts wirtschaftliche Glo‐ balisierungsdrücke (globaler Kapitalismus und Arbeitsteilung), den damit einhergehenden Handlungslogiken internationaler Organisationen und von global governance im Allgemeinen eingestellt (Zürn 2014, 64 ff.; s. auch Kriesi et al. 2008; Hutter und Kriesi 2019). Die Rechte beantwortet dies mit „exklusiver Identitätspolitik“ (Müller 2016, 61; s. auch Plagemann und Destradi 2019, 5; Vasilopoulou 2018; Verbeek und Zaslove 2017, 387 ff.). Wir können in diesen populistischen und auch extrem-rechten Wesens‐ merkmalen unschwer viele Politiken Trumps einordnen, sei es in seiner ablehnenden Haltung gegenüber Immigration, seinem handelsprotektionis‐ tischen Programm und Konflikten mit China und der EU, seiner Ablehnung von internationalen Institutionen wie der EU, den UN, der WTO oder jüngst in der Coronakrise der WHO - und eben der NATO (Simoni und Harnisch 2019, 80 f.). Sein politischer Stil, sein innenpolitisches Programm und sein permanentes Wahlkampfverhalten fallen eindeutig in die Definitionsmerk‐ male des Volk-Elite-Gegensatzes und des Suchens einfacher Lösungen (s. auch Mead 2017; Friedrichs 2019, 208 ff.). Derart gestrickte Politiken erschweren Zusammenarbeit in internationalen Institutionen (Hooghe et al. 2019). Auch in anderen Staaten gibt es Parteien und Politiker*innen, die ähnliche innen- und außenpolitische Programme verfolgen, darunter (mit geringen Einschränkungen 107 ) die Alternative für Deutschland (Bieber et al. 2018; Plehwe 2016), der französische Rassemblement national (Stockemer 2019; Vasilopoulou 2018), die italienische Lega (Passarelli 2015; Verbeek und Zaslove 2015), die britische UK Independence Party (Rhodes und Hall 2020) oder der brasilianische Präsident Bolsonaro (Scharpf 2020). 108 Von 7 Trump und andere Probleme 264 <?page no="265"?> 109 Es gibt auch Linkspopulismus, jedoch ist dieser wegen seiner sozialistischen Ausrich‐ tung häufig internationaler verankert als sein rechter Gegenpart (Buzan und Lawson 2015, Kap. 4; Laclau und Mouffe 1985; Steffek und Holthaus 2018; Taggart 1998, 380 f.). diesen rechtspopulistischen Parteien geht ein Großteil der aktuellen, teils virulenten Kontestation von Außenpolitik, internationalen Institutionen und global governance aus, während die radikal linke Kritik eher auf die Reform dieser Institutionen abzielt und aus einem pazifistischen Impetus heraus die NATO und das Militär ablehnt. 109 Die zweite und mit dem vorstehend beschriebenen „populistischen Zeit‐ geist“ (Mudde 2004) direkt verbundene Entwicklung der Kontestation inter‐ nationaler Politik drückt sich in einem zunehmenden Illiberalismus aus. Wesentliche Definitionskriterien des Liberalismus sind Gleichheit (vor dem Gesetz) und die Garantie fundamentaler (Menschen-)Rechte, Individualität, Pluralismus, politische Partizipation und Rechtsstaatlichkeit - sei es im Nationalstaat oder in der Weltpolitik -, im wirtschaftlichen Bereich Besitz, Marktprinzipien und eine offene Handelspolitik sowie im Sicherheitsbereich ein quasi-Gesetz der Friedfertigkeit unter liberalen Demokratien (Doyle 1983a, b, 1986; Owen 1994; Navari 2013). Die oben genannten Akteure (und andere) verstoßen in ihren politischen Programmen und ihrem Han‐ deln latent bis offen gegen viele dieser Kriterien des Liberalismus, wenn sie Unterschiede zwischen dem Wert des Lebens eigener und anderer Staatsbürger*innen machen, kulturelle, politische oder soziale Diversität ablehnen, Politik für eine Bevölkerungsgruppe betreiben oder Rechtsstaat‐ lichkeitsprinzipien selektiv anwenden. Unter diesen Gesichtspunkten ist es auch problematisch, wenn demokratische Staaten gegen andere Staaten vorgehen, um ihnen die Demokratie zu bringen (wie im Irak geschehen, s. Müller 2008) oder die Achtung von Menschenrechten selektiv verweigern (wie teils in der Flüchtlingspolitik). Während letztere Beobachtungen in der internationalen Politik nicht neu und seit jeher Teil der Diskussion über die Probleme globaler Institutionen und ihrer Politiken sind, so hat der illiberale Druck von unten in den letzten Jahren in der westlichen Welt und anderswo (zu Indien s. Plagemann und Destradi 2019) stark zugenommen und zu Wahlsiegen illiberaler Politiker geführt, wie z. B. von Trump in den USA oder Viktor Orban in Ungarn (Moore und Coletta 2017a, 6), Duterte auf den Philippinen oder Bolsonaro in Brasilien. Im Fall der neuen Außenpolitik Trumps, der die USA einerseits selektiv als Weltordnungsmacht zurückzieht (Cohen 2019; Schake 2017; Diskussionen bei Daase und Kroll 2019; Lieber 7.1 Politisierung, Illiberalismus, Populismus und die Kontestation des Internationalen 265 <?page no="266"?> 2016; Posen 2014) und andererseits offensiv das Eigeninteresse auch gegen‐ über Alliierten durchsetzen will (Goldberg 2018; Wright 2019), sprechen Autor*innen wie der US-amerikanische Politikwissenschaftler Barry Posen daher vom Aufkommen einer neuen „illiberalen Hegemonie“ (Posen 2018). Hiervon ist die NATO zentral betroffen, weshalb wir uns am Ende dieses Kapitels damit genauer befassen werden. Liberales, das heißt auf Pluralität, Freiheitlichkeit, Demokratie und Ko‐ operation ausgerichtetes Regieren steht im Moment vor zunehmenden Herausforderungen, sei es durch illiberale Entwicklungen auf globaler Ebene, die Gewissheiten der kooperativen Nachkriegspolitik seit 1945 z. B. in der EU oder den transatlantischen Beziehungen in Frage stellen, oder durch die neue Popularität illiberaler und oft populistischer Parteien auf nationalstaatlicher Ebene, die das etablierte freiheitliche Wertefundament westlicher Gesellschaften wieder auf die Probe stellen. Gleichzeitig schicken sich autokratische Staaten wie China oder Russland an, die Problemlösungs‐ fähigkeit demokratisch verfasster Gesellschaften durch vermeintlich effekti‐ veres autokratisches und autoritäres Regieren auch global herauszufordern, ein alternatives Politikmodell vorzuleben und dieses zunehmend aggressiv zu vermarkten, inklusive der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten durch die Beeinflussung der öffentlichen Meinung und von Wahlen. Der empirische Beweis effektiveren Regierens in illiberalen und un‐ demokratischen Systemen steht dabei allerdings bis heute aus, was zuletzt in der Corona-Pandemie deutlich wurde. Wegen der in diesem Abschnitt kurz angerissenen Herausforderungen steht Außenpolitik heute also vor einer gestiegenen Politisierung und Kontestation aller Politikdimensionen - ihrer Form (polity), ihres Prozesses (politics) und ihrer Inhalte (policies) -, die auch vor der NATO keinen Halt macht. Die Wahl Trumps ist der deutlichste Ausdruck dieser Phänomene, die nun die NATO und die transatlantische Werte- und Sicherheitsgemeinschaft herausfordern (Kagan 2018; Hamilton 2017; Riddervold und Newsome 2018). Trump ist aber bei Weitem nicht der einzige Faktor, der das soziale, politische und militärische Leben der Allianz im Moment stört. Die folgenden Abschnitte werden sich daher zwar zentral an der Herausforderung Trump abarbeiten, aber problematische Faktoren in der Zusammenarbeit innerhalb der NATO allgemein thematisieren. Die hier kurz vorgestellten Konzepte sollen dabei als roter Faden dienen. 7 Trump und andere Probleme 266 <?page no="267"?> 7.2 Rhetorik, Strategie und andere Probleme: Die neue alte Wirklichkeit der NATO unter Trump Der unkonventionelle, auf selbst für US-amerikanische Verhältnisse un‐ geahnte Provokationen, Lügen und Halbwahrheiten setzende hyper-par‐ teiische Wahlkampf Donald Trumps mit nationalistischen, rassistischen-, fremden- und frauenfeindlichen sowie protektionistischen und isolationis‐ tischen Tönen verschärfte eine selten gesehene politische und gesellschaft‐ liche Spaltung der USA, die bis heute, am Ende der ersten Amtszeit Trumps, den politischen Alltag bestimmt. Mit dem absolutistischen Anspruch von America first! und dem Versprechen eines fundamentalen Wandels und Aufräumens mit der verkrusteten Washingtoner Elite („Drain the swamp! “ - den politischen Washingtoner Sumpf trocken legen, Arnsdorf et al. 2016) gewann Trump die Wahl knapp (ohne die Mehrheit der Stimmen, aber aufgrund der Wahlmännersystems), weil er eine neue Koalition aus im We‐ sentlichen weißen Wählern aus eher bildungsfernen Schichten schmieden konnte, von denen sich viele im globalisierten Wirtschafts-, Gesellschafts- und Politiksystem als Verlierer sahen (Viola 2017, 334 f.). Ein Teil von Barack Obamas diverser winning coalition konnte sich zudem nicht mit der erfahreneren, aber elitär-abgehoben wirkenden und im Wahlkampf durch Leaks unterminierten demokratischen Kandidatin Hillary Clinton anfreunden, wechselte zu Trump (9 %), wählte andere Kandidat*innen oder blieb der Wahl fern (Sides et al. 2017, 40 f.). Die US-Präsidentschaftswahlen waren somit auch identitär aufgeladen - wozu in den USA zentral die Rassendiskussion und die Religionsfrage gehören - und ein Wettbewerb darum, welches Bild die Wähler*innen von den USA hatten und welche/ r Kandidat*in dieses Bild am besten verkörperte (ibid.). So entstand eine Situation, in der ein US-Präsident auf einer (religiös-)konservativen, natio‐ nalistischen, anti-Einwanderungs- und protektionistischen Plattform ins Weiße Haus befördert wurde und der dies als ein Mandat verstand, America first! auch zum Preis der Konfrontation mit Alliierten und des Aufbrechens internationaler Gepflogenheiten und Institutionen umzusetzen. Eine Grundüberzeugung Trumps ist, dass er die USA von Alliierten und Handelspartnern über den Tisch gezogen sieht (Herr 2020, 240 ff.). Diese Alliierten übervorteilten schwache Vereinigte Staaten. Daher gelte es zuerst, die USA zu stärken und ungleiche Verhältnisse abzubauen (Viola 2017, 332 ff.). Auf dieser Plattform gegen politische, militärische und wirt‐ schaftliche Vorteilsnahme von außen geriet die NATO als von den USA 7.2 Rhetorik, Strategie und andere Probleme 267 <?page no="268"?> maßgeblich finanzierte Organisation mit dem zusätzlichen Ungleichgewicht in den Verteidigungsausgaben bereits im Sommer 2016 ins Fadenkreuz Trumps (Kaufman 2017, 263 f.), ähnlich wie die EU, UN oder WTO. In einem Interview mit der Londoner Times und der Bild-Zeitung kurz vor der Amtseinführung im Januar 2017 bezeichnete er die Allianz als „obsolet“ (Gove und Diekmann 2017), sprach von dealmaking mit Russland und beschwerte sich über die Ungerechtigkeit, die den USA wiederführe: „the countries [NATO-Staaten, FO] aren’t paying their fair share so we’re supposed to protect countries but a lot of these countries aren’t paying what they’re supposed to be paying, which I think is very unfair to the United States. With that being said, Nato is very important to me.“ (Trump, zitiert nach Gove und Diekmann 2017) Diese und ähnliche Äußerungen reduzieren die Atlantische Allianz auf eine Or‐ ganisation, in der es Schutz gegen Geld gibt. Zwar lobt Trump die Fortschritte des Bündnisses in der Terrorismusbekämpfung (ibid.), stellt die Beziehungen aber auf eine rein transaktionale Basis, in der das seit 1945 gewachsene Werte‐ fundament und die kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen keine Rolle mehr spielen (Friedrichs 2019; Koschut 2020, 313; Moore und Coletta 2017a, 4). Hieraus, so Thomas Wright (2019), erkläre sich Trumps relative Leichtigkeit im Umgang mit Autokraten wie Putin oder dem nordkoreanischem Staatschef Kim Jong-un, die er für ihre vermeintliche Stärke schätze, während Obama mit Schwäche gleichgesetzt würde (s. auch Goldberg 2018). Die Ambivalenz gegenüber der NATO trifft also umgekehrt auf eine freundliche Haltung ge‐ genüber Putin, was sich in der Minimierung der russischen Einmischung in den US-Präsidentschaftswahlkampf ausdrücke - bis hin zur direkten Aufforderung des Wahlkämpfers Trump an Russland und somit eine ausländische Macht, Hackerangriffe auf seine Konkurrentin durchzuführen (Adomeit 2017, 116 ff.; Roberts et al. 2016; Swaine 2016) - eine Premiere in US-Wahlkämpfen. Diese Positionierung von Trump ist unter dem Gesichtspunkt des Vertrauens in das Bündnisversprechen zumindest problematisch und lässt die Alliierten an den politischen Prioritäten Washingtons zweifeln (Hill 2018, 380 f.; Moore und Coletta 2017a, 3 f.). Reinhard Meier-Walser (2017, 32) erinnert in diesem Zusammenhang, dass das Bündnisversprechen letztlich nur durch die US-Mi‐ litärmacht glaubwürdig ist. Einmal im Amt hat sich die Rhetorik des US-Präsidenten im Tagesgeschäft abgeschwächt. Dafür gab es verschiedene Gründe: Zum Ersten bestand ein mäßigender Einfluss republikanischer Kongressabgeordneter und einiger 7 Trump und andere Probleme 268 <?page no="269"?> 110 Bolton hatte diese Position bereits unter Bush Jr. inne. Mitglieder seiner Administration, wie Verteidigungsminister James Mattis, der als ehemaliger General und Kommandant des NATO-ACT keinen Zweifel am Wert der NATO für US-Außenpolitik zuließ (Hill 2018, 381; Viola 2017, 333). Vizepräsident Mike Pence machte auf der Münchner Sicherheitskonferenz ähnliche Aussagen, und auch im Kongress wurde mehrfach Unterstützung der Atlantischen Allianz deutlich (Herr 2020, 243; Kaufman 2017, 251 f.; Meier-Walser 2017, 29 f.). Zum Teil ist Trumps rüder Stil daher Verhandlungsstrategie (Sperling und Webber 2019). Zum Zweiten ließ Russland weiterhin nicht von nuklearer Aufrüstung, der Ablehnung von Kooperationsangeboten der NATO, einer harten anti-westlichen Haltung in Syrien sowie seinem Einflusssphärendenken ab, sodass es als aggressiv wahrgenommen wurde und kaum ein Spielraum für die Lockerung von Sank‐ tionen oder Annäherung bestand. Die Aufhebung von Zwangsmaßnahmen war zwar mehrfach Thema von Gesprächen zwischen beiden Seiten (ibid., 32 f.; Adomeit 2017, 124 ff.), der Kongress hatte Trump hier allerdings einen Riegel vorgeschoben (House of Representatives 2017). Schließlich setzten auch die Alliierten zunehmend ihre Zusagen vom 2014er Wales-Gipfel um und erhöhten ihre Verteidigungshaushalte, was sich Trump auf die Fahnen schrieb. Bereits im April 2017 hatte der neue US-Präsident zudem seine Aussage über die obsolete Allianz bei einem Gespräch mit NATO-Ge‐ neralsekretär Jens Stoltenberg zurückgenommen (Janjevic 2017). Trotzdem befeuerte Trump die Vertrauensproblematik um den Beistandsartikel, indem er auf dem Brüsseler NATO-Gipfel im Mai 2017 kein Bekenntnis zu Art. 5 aussprach. Er holte dies erst Monate später während eines Besuchs in Polen und auf dem G20-Gipfel nach (Hill 2018, 381). Ein Jahr später, auf dem 2018er NATO-Gipfel in Brüssel, soll Trump nach eigener Darstellung (Atlantic Council 2018) mit dem Austritt aus dem Bündnis gedroht haben, wenn die Alliierten ihre Verteidigungsausgaben nicht weiter erhöhten. Damit war ein weiterer Tiefpunkt in den Beziehungen erreicht. Bunde bemerkte daraufhin, dass Trump „nicht die NATO verlassen braucht, um die Organisation zu zerstören“ (zitiert nach Kauffmann 2018). Das Jahr 2018 brachte außerdem die Entlassungen von Rex Tillerson (März) und James Mattis (Dezember), die öfter von Trump abweichende, moderatere Positionen bezogen hatten (die adults in the room). Mit CIA-Direktor Mike Pompeo und John Bolton kamen zwei Falken im State Department und als Nationaler Sicherheitsberater ins Team. 110 Zwar sind beide nicht als prinzipielle NATO-Gegner aufgefallen, 7.2 Rhetorik, Strategie und andere Probleme 269 <?page no="270"?> 111 Die EU begriff sich lange Zeit kaum als strategischer Machtakteur in Asien (Tunsjø 2015; Ungaro 2012) und hat erst kürzlich begonnen, geopolitischer über die Region nachzudenken (Pennisi di Floristella 2020 (online first)). werden aber aufgrund ihrer aggressiveren außenpolitischen Grundüberzeu‐ gungen als kompatibler zu Präsident Trumps Prioritäten angesehen. So hatten zu Anfang 2018 die gemäßigten Akteure beinah vollständig das Umfeld Donald Trumps verlassen, sodass er seine außenpolitischen Ideen ungehinderter verfolgen konnte (Wright 2019). Trotz des Fokus auf Trumps rüde Rhetorik darf nicht aus den Augen verloren werden, dass viele der zuvor besprochenen Probleme älter als die Trump-Präsidentschaft sind (Koschut 2020, 316). Trotz des maßgebli‐ chen US-amerikanischen Beitrags bei der Schaffung der post-1945er und post-1990er Weltordnungen lagen die Amerikaner*innen selbst häufig im Clinch mit deren Institutionen oder versuchten, sich ihrer regulativen Funktion zu entledigen (Herr 2020, 236; Viola 2017, 332). Die NATO bildet hier keine Ausnahme (s. Kap. 4.3, 5.3.3). Obwohl die transatlantischen Beziehungen während der Obama-Amtszeit entspannter waren, zeigte sich im Abhörskandal, darunter von Angela Merkels Telefon und Teilen der EU-Kommission, durch die US-amerikanische National Security Agency (NSA) US-Paternalismus (Kaufman 2017, 261). Zudem fallen die außenpoliti‐ schen Agenden der Alliierten zunehmend unterschiedlich aus. Gülnur Aybet formulierte bereits 2010, dass die „NATO heute eine Allianz mit einer Fülle von globalen Missionen geworden ist, ohne dabei eine gemeinsame Vision zu haben.“ (Aybet 2010, 36). Dies wurde nicht zuletzt an den diversen Global NATO-Debatten deutlich, die unterschiedliche Funktionen und Reichweiten für das Bündnis konstruierten, genauso wie an den Strategien zum Umgang mit Russland. Obama hatte ab 2011 zudem den pivot to Asia vollzogen, um der geopolitischen Herausforderung durch China zu begegnen (Lieberthal 2011; Ling 2013). Die damalige Außenministerin Hillary Clinton rief in diesem Zusammenhang „Amerikas pazifisches Jahrhundert“ aus (Clinton 2011) und verdeutlichte damit, dass der pivot ein langfristiges re-balancing der USA sein würde. Diese Schwerpunktverschiebung war von Obama nicht als eine Vernachlässigung von Europa gedacht, forderte den Kontinent und seine außenpolitischen Akteure aber auf, stärker Eigenverantwortung im eigenen, europäischen Umfeld und Krisenmanagement zu übernehmen (vs eines US-amerikanischen lead from behind), während die USA weiterhin zu ihrem kollektiven Verteidigungsversprechen standen. 111 Kurz vor seinem 7 Trump und andere Probleme 270 <?page no="271"?> Ausscheiden aus dem Amt warnte der US-Verteidigungsminister Robert Gates die Alliierten in deutlichen Tönen, dass sie sich auf eine neue Lastenverteilung einstellen müssten. In der letzten programmatischen Rede seiner Amtszeit schrieb er den Partnern ins Stammbuch, dass „Despite more than 2 million troops in uniform - NOT counting the U.S. military - NATO has struggled, at times desperately, to sustain a deployment of 25to 40,000 troops, not just in boots on the ground, but in crucial support assets such as helicopters, transport aircraft, maintenance, intelligence, surveillance and reconnaissance, and much more. […] while every alliance member voted for the Libya mission, less than half have participated at all, and fewer than a third have been willing to participate in the strike mission. Frankly, many of those allies sitting on the sidelines do so not because they do not want to participate, but simply because they can’t. The military capabilities simply aren’t there.“ (Gates 2011) Beide Missionen hätten gezeigt, dass die Allianz ohne eine zentrale Rolle der USA als strategic enabler (ermöglichende Macht) nicht funktionieren könne. Einige Alliierte seien auf der Kapazitätsseite schlichtweg nicht mehr bündnisfähig. Zum anderen greift Gates die Idee der two-tier-Allianz scharf an, in der nur einige die Last und das Risiko zu tragen, während andere sich an der Sicherheitsgarantie erfreuten (ibid.). In Anbetracht der Aufgaben der USA in anderen Weltregionen und der fallenden Militärausgaben der Alliierten (bei Gates’ Rede war die Finanzkrise noch im Gange) steuere die Allianz hier auf ein schwieriges Fahrwasser zu, so Gates: „The blunt reality is that there will be dwindling appetite and patience in the U.S. Congress - and in the American body politic writ large - to expend increasingly precious funds on behalf of nations that are apparently unwilling to devote the necessary resources or make the necessary changes to be serious and capable partners in their own defense. Nations apparently willing and eager for American taxpayers to assume the growing security burden left by reductions in European defense budgets. Indeed, if current trends in the decline of European defense capabilities are not halted and reversed, future U.S. political leaders- those for whom the Cold War was not the formative experience that it was for me - may not consider the return on America’s investment in NATO worth the cost.“ (Gates 2011) Die Lastenverteilung in der Allianz sei also sowohl mit Blick auf US-Steuerzahler*innen als auch die politischen Prioritäten zukünftiger 7.2 Rhetorik, Strategie und andere Probleme 271 <?page no="272"?> Präsident*innen unhaltbar und gefährlich (s. auch Herr 2020, 238; Simoni und Harnisch 2019, 77). Diese Warnungen aus dem Jahr 2011 machen deutlich, dass bereits unter Präsident Obama eine Phase der Beziehungen begann, in denen die Akzeptanz der Dysbalancen innerhalb der NATO aus Washingtons stark zurückging (Hallams 2013, 220 f.). Im Nachhinein kann man der obigen Bemerkung von Gates bezüglich eines anders sozialisierten US-amerikanischen Führungspersonals beinah einen prophetischen Charakter zusprechen. Ein paar Jahre später sollte sich durch die neue Konfrontation mit Russland und weitere Terroranschläge (z. B. Paris 2015) die Kurve der Verteidigungsausgaben der weiteren Al‐ liierten nach oben verändern und Solidarität im Zentrum stehen (Rings‐ mose 2016). Wenngleich die pivot to Asia-Strategie unter Trump nicht in derselben Breite und Konsequenz fortgeführt wird wie unter Obama und konfrontativer ausgelegt ist (Herr 2020, 236 f.), kann trotzdem davon ausgegangen werden, dass die Aufmerksamkeit für Asien ein langfristiger Trend in der US-Außenpolitik sein wird und die weiteren Kritikpunkte im Binnenverhältnis unter den Alliierten kaum abreißen werden. In Zu‐ sammenhang mit dem zunehmenden Abbau des alliierten Engagements in Afghanistan (Rynning 2017) stellt sich somit die Frage nach dem Zweck der Allianz und des burden-sharings erneut. Durch Donald Trumps ambivalente Positionierung zu Russland und die zunehmende Unberechenbarkeit der US-amerikanischen Führungsrolle in der Welt - siehe das US-Verhalten im Nahen Osten (Hagemann 2020) - wird diese Debatte aber erneut befeuert (Viola 2017, 332 f.; Lieber 2016, Kap. 3). Sie unterstreicht die Existenz unterschiedlicher Gefahrenwahrnehmungen und Prioritäten zwischen den Alliierten (Meier-Walser 2017, 26 ff.; Moore und Coletta 2017a, 2 ff.). Wei‐ tere soziale und wirtschaftliche Faktoren tragen zu diesem Moment bei, darunter der immer bedeutendere Anteil nicht-europäischer Immigration in die Vereinigten Staaten, der die US-Gesellschaft nach anders(wo) blicken lässt, oder das schrumpfende wirtschaftliche und demographische Gewicht Europas (Simon 2010). Trotz der erneuten Gemeinsamkeit im Zuge der Krimkrise stellt sich daher auch mit Trump wieder die Frage nach einer „post-American alliance“ (Hallams 2013, 225 ff.), in der Gewichte im Bündnis neu austariert sind und der Hegemon eine stark zurückgezogene und unberechenbare Position einnimmt. Trotz einiger Initiativen in Europa ist bisher kein politischer Wille zu einer Verteidigungskooperation erkennbar, der ansatzweise einen Rückzug der USA aus der NATO kompensieren könnte (Ostermann 2019a; Pannier 2017b; Schreer 2019, 14 ff.). 7 Trump und andere Probleme 272 <?page no="273"?> 112 In der Tat bestehen teils sehr unterschiedliche Hemmnisse bei Marktzugängen, vor allem in China und in Teilen auch im Handel mit der EU. Das Handelsbilanzdefizit der USA ist aber nicht monokausal auf Handelsbarrieren zurückzuführen. Es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass sich Trumps Rhetorik und Politiken nicht auf die Atlantische Allianz beschränken, sondern eben‐ falls Japan oder Südkorea als Bündnispartner in Asien treffen und für Verunsicherung sorgen (Kaufman 2017, 263 f.). Hinter diesen und anderen Politiken - z. B. zum Pariser Klimaabkommen, Syrien oder dem Iran-Atom‐ abkommen - zeichnet sich eine Strategie ab, die mit der seit spätestens 1941 tradierten Führungsrolle der USA in der Weltpolitik bricht, in der die US-Amerikaner*innen zwar immer wieder unilateral und interessengeleitet gehandelt haben, aber auch einen internationalistischen Impetus hatten, der versuchte, die Interessen anderer mitzudenken und eine liberale Weltord‐ nung für alle aufzubauen und zu erhalten. Heute kristallisiert sich deutlich heraus, dass Trump eine tiefe Abneigung gegen institutionalisierte Koopera‐ tionsformen mit all ihrem diplomatischen, bürokratischen und finanziellen Ballast sowie sozialen Fragen der Freundschaft, Loyalität und Ideologie hat. Durch die Präferenz von nicht-institutionalisierten Kooperationsformaten sowie einer Strategie der permanenten Destabilisierung verbessert sich auf kurze Sicht die Verhandlungsposition der USA (Goldberg 2018): In einem Bilateralismus mit dem Hegemon ist schließlich die Gefahr für den anderen Staat, den Kürzeren zu ziehen, größer als für die USA. Dies gilt nicht zuletzt für die Wirtschafts- und Handelspolitik, in denen der US-Präsident keine Konflikte scheut, um die negative US-Handelsbilanz zu verändern, die er als Übervorteilung auffasst. 112 Diese transaktionale Sichtweise internatio‐ naler Politik versetzt Trump nicht nur in dauernden Streit mit Alliierten, sondern bringt ihn autokratischen und illiberalen Staatslenkern näher, die solch direkten Kooperationsformen ohne Bedingungen und liberalen Ballast (Regeln, Institutionen …) offener gegenüberstehen können, weil sie innenpolitisch freier sind (Wright 2019). Aufgrund der Sprunghaftigkeit des US-Präsidenten ist es nicht leicht, eine kohärente außenpolitische Strategie auszumachen, nach der er oder seine Administration konsequent handeln würden. Trotzdem sind seit Ende 2018 stabilere Muster zu erkennen. Die oben genannten Merkmale des Transaktionalismus und Bilateralismus in Kooperationsfragen, der Missachtung oder des häufigen Desinteresses an Menschenrechtsfragen sowie der Tendenz zu unilateralem Handeln und einer rein nationalen 7.2 Rhetorik, Strategie und andere Probleme 273 <?page no="274"?> 113 Alexander Hamilton (~ -1804), US-Gründervater, erster Finanzminister. 114 Andrew Jackson, *1767 †1845, 7. US-Präsident 1829-1837. Definition von US-amerikanischen Interessen lassen erkennen, dass Trump einem liberal-internationalistischen Programm eine Absage erteilt, wie es sein Vorgänger größtenteils verfolgt hat. Die Begründung dieser Tradition US-amerikanischer Außenpolitik wird meist Präsident Woodrow Wilson (1856-1924) zugeschrieben, der nach dem Ende des Ersten Weltkriegs die USA als nach außen gerichtete Macht aufbaute und mit dem Völkerbund, dem Vorgänger der UN, eine rechtsbasierte, liberale internationale Ordnung unter US-Führung der Vereinigten Staaten schaffen wollte (Wilsonianism). Hamiltonianer 113 betonten in ihrem Internationalismus vor allem die wirt‐ schaftlichen Aspekte von Liberalismus und Internationalismus (Mead 2002, 80 ff.). Nach den von Walter Russell Mead - einem bedeutenden Chronisten und Theoretiker der US-amerikanischen Außenpolitik - entwickelten Ideal‐ typen amerikanischer Außenpolitik ist Trump aber eher als Jacksonianist 114 zu verstehen. Jacksonianer gelten als innenpolitisch orientierte, konserva‐ tive Unabhängigkeitsverfechter und Nationalisten mit einer populistischen außenpolitischen Grundhaltung, die auf Aspekten wie Stolz auf das Mi‐ litär, Ehre und Mut aufbaut (ibid.). Innenpolitisch betonen sie zudem den traditionellen Freiheitsaspekt der US-amerikanischen politischen Ordnung und den von Weißen dominierten, frühen Nationalcharakter, den sie von inneren Feinden, Eliten und anderen Gruppen (z. B. Migrant*innen) bedroht sehen. Daher gelte es für die Bundesregierung vor allem, dieses traditionelle Amerika zu schützen und sich nicht in außenpolitischen Abenteuern zu verstricken (s. auch Lieber 2016, 105 ff.). All dies sind Elemente, die sich in der Trump’schen politischen Rhetorik und seinem Handeln wiederfinden (Mead 2017). Gleichwie kann sich natürlich auch kein jacksonianischer Präsident in einem Handumdrehen des internationalen Engagements der USA in einer globalisierten Welt entledigen. Aus diesem Konflikt zwischen einem Fokus auf Innenpolitik und das nationale Interesse einerseits und Globalisierung andererseits entsteht letztlich die Ambivalenz der Außenpolitik Trumps, in der sich bisher zwar eine klar nationalistische, aber eben doch noch keine eindeutig isolationistische oder traditionell internationalistische Ori‐ entierung erkennen lässt. Seit 1945 ist er damit der erste US-Präsident, bei dem nationales Interesse, NATO und Weltordnung nicht mehr unmittelbar zusammenhängen (Friedrichs 2019, 208 ff.). Der folgende Abschnitt wird nun 7 Trump und andere Probleme 274 <?page no="275"?> 115 Unter Obama hieß das Programm zunächst European Reassurance Initiative (ERI). ein Bild zeichnen, wie sich diese zentrifugalen Kräfte im Handeln der Allianz darstellen. 7.3 Eine stärkere NATO! ? Militärische und andere Betrachtungen Seit der russischen Invasion der Krim und dem Waliser Gipfeltreffen im Sommer 2014 haben sich Politiken, Fähigkeiten und Finanzen in der Atlantischen Allianz verändert (s. Kap. 4.4). Vereinzelt trugen dazu auch terroristische Anschläge wie die in Paris vom November 2015 bei, die in Frankreich ein konkreter Auslöser für die Erhöhungen im Verteidigungs‐ haushalt waren. Die europäischen NATO-Mitglieder und Kanada haben seit 2015 ihre Verteidigungshaushalte kontinuierlich erhöht und 2019 ca. 20 % mehr für Verteidigung ausgegeben als noch 2014. Bei den USA setzte nach fallenden Budgets in der zweiten Amtszeit Obamas erst im Jahr 2018 unter Trump wieder eine steigende Tendenz ein (NATO 2019h). Die Alliierten stationierten in Reaktion auf das russische Verhalten in der Ukraine Truppen auf rotierender Basis in den östlichen Mitgliedstaaten, um diesen ihren Bei‐ stand zu versichern und einen altmodischen konventionellen Stolperdraht zu schaffen. Außerdem schuf die Allianz mit der VJTF eine neue Eingreiftruppe, die im Fall einer Aggression innerhalb weniger Tage gen Osten verlegt werden kann, und baute so genannte strategic enabler-Kapazitäten im Bal‐ tikum und in Polen auf, um im Angriffsfall schneller ihre Kräfte aufwachsen lassen zu können (Deni 2017, 30). Die US-Amerikaner*innen starteten mit der European Deterrence Initiative (EDI) 115 ein Unterstützungsprogramm, gaben mehr Geld für die Bündnisverteidigung in Europa aus und verlegten Material und Truppen zurück auf den alten Kontinent. Trump hat an dieser Politik nichts geändert und die Ausgaben für Europa sogar verstärkt (s. z. B. EUCOM 2017). Im Rahmen der EDI führen die USA zudem eine der multinationalen Battlegroups, die in Polen stationiert ist (Koschut 2020, 308), und sie wollen durch bilaterale Vereinbarungen zusätzliche 2.000 Kräfte in Polen stationieren (Feickert et al. 2020). Mit der Steigerung weiterer Fähigkeiten sowie einem verstärkten Übungsgeschehen - 2018 trainierten ca. 50.000 Soldat*innen aus NATO und Partnernationen in der Übung Trident Juncture in Norwegen verschiedene 7.3 Eine stärkere NATO! ? Militärische und andere Betrachtungen 275 <?page no="276"?> Szenarien mit Bezug zur Territorialverteidigung (NATO 2018h) - steht die Allianz im Jahr 2020 kapazitär besser da als vor 2014. Während also das Ausgaben- und damit verbundene Kapazitätsproblem der Alliierten (ohne USA) schon länger bestand und bemängelt wurde (s. Gates-Rede oben), brachten die Ereignisse in der Ukraine und die dadurch erfolgende Neube‐ wertung der Bedrohungslage die geforderte Trendwende, um teils marode Streitkräfte einsatzbereiter zu machen. In Anbetracht der Tatsache, dass sich das Verhältnis zu Russland trotz der Wiederaufnahme von Gesprächen im NATO-Russland-Rat kaum verbessert hat und das westliche Bündnis immer noch über Kreuz mit der Strategie Putins im Nahen Osten, nuklearer Aufrüs‐ tung (Ende INF-Vertrag), Cyberattacken oder Berührungen des NATO-Luft‐ raums durch patrouillierende Kampfjets liegt, ist hier nicht mit einer baldigen Veränderung der konfrontativen Beziehungen zu rechnen. Vor der Amtsübernahme Trumps war zudem der Aspekt der Konfrontation von unterschiedlichen Weltordnungsvorstellungen ein weiterer Anlass für Spannungen, die immer noch latent präsent sind. Es stellt sich trotz dieser Verbesserungen der Verteidigungsfähigkeit jedoch immer noch die Frage, ob die NATO in der Lage wäre, eine massive russische Aktion im östlichen Bündnisgebiet mit Blick auf die deutliche russische konventionelle Überlegenheit und seinen direkten Landgrenzen mit Bündnisstaaten abzuwehren. Zwar gebe es seit 2014 einen Abschre‐ ckungseffekt gegenüber Russland, so Deni (2017, 31 ff.), aber die Stärke und Struktur der alliierten Truppen seien nicht für eine Rückeroberung z. B. des Baltikums geeignet, da sie nicht schnell genug verlegbar seien und heute im Gegensatz zum Kalten Krieg größtenteils aufwändig aus Übersee nach Europa verlegt werden müssten. Außerdem bestehe bei schnellen russischen Aktionen die Gefahr, dass jede Gegenreaktion der Allianz, die aufgrund ihrer notwendigen Stärke und der Überwindung von Distanz nur langfristig aufgebaut werden könnte, die Wahrscheinlichkeit des Ein‐ satzes von Nuklearwaffen durch Russland erhöhen könnte. Manche Alliierte könnten sich daher fragen, ob die Rückeroberung des Baltikums dies wert sei. De Gaulles alte Frage nach dem Willen zum Tausch von Lyon gegen Chicago (Pedlow 1997, XXI) stellt sich daher auch für Tallinn, Riga oder Vilnius, zumal unter einem Präsidenten Trump, der sich dem gewachsenen Wertegerüst der Allianz und seinem Solidaritätsgedanken nicht im gleichen Maße wie vergangene US-Präsidenten verpflichtet fühlt. Die Unterminie‐ rung von alliierter Solidarität ist u. U. noch ein größeres Problem, wenn Russland weiter auf seine Strategie der nicht-militärischen Einmischung in 7 Trump und andere Probleme 276 <?page no="277"?> 116 In Reihenfolge der Ausgaben: USA, Griechenland, Estland, Vereinigtes Königreich, Rumänien, Polen, Lettland (NATO 2019h). 117 In vielen Ländern Europas werden parteipolitisch/ ideologisch geprägte Debatten über die Notwendigkeit von Militärausgaben und militärischem out of area-Engagement geführt, die wohlfahrts-, wirtschafts- und sicherheitspolitische Ziele abwägen (Wagner et al. 2017). 118 Durch den Einbruch der Wirtschaftsleistung in der Coronakrise im Jahr 2020 ist es bei angenommen gleichbleibenden Verteidigungsausgaben der Staaten theoretisch denkbar, dass sich der Prozentsatz des BIP für Verteidigungsausgaben erhöht, was aber nur ein statistischer Effekt wäre. demokratische Prozesse in den NATO-Mitgliedstaaten setzt, die langfristig an der Widerstandskraft und dem Zusammenhalt der Gemeinschaft nagen können (Deni 2017, 31 ff.). Ein direkter Angriff Russlands ist im Moment unwahrscheinlich. Im Falle eines Angriffs liegt der strategische Vorteil aber bei Russland (Halas 2019). Das ist ein Problem für die NATO. Ein weiteres Fragezeichen zur Stärkung der Allianz muss mit Blick auf das 2 %-Ziel der Militärausgaben gesetzt werden. Obwohl alle NATO-Staaten im Moment ihre Verteidigungsausgaben erhöhen und sich zu den sieben dieses Ziel bereits erfüllenden Staaten (2019) 116 in den nächsten Jahren weitere dazugesellen könnten, ist es quasi ausgeschlossen, dass alle Alliierten 2024 die Waliser NATO-Marke erreichen - darunter auch große Staaten wie Deutschland, Kanada, Italien oder Spanien. 117 Zwar wurden weder die 2 % noch 2024 als präzise Ziele vorgegeben, aber die Zahlen lassen ein deutliches Verfehlen der Zielgrößen vermuten. Bei der zweiten Ausgabenrichtlinie - einem 20%igen Anteil von Materialausgaben an den zwei Prozent des BIP - sieht es zwar etwas besser aus (2019 erfüllten 16 Mitglieder dieses Kriterium, s. NATO 2019h), aber das Ungleichgewicht in der Lastenverteilung zu Ungunsten der USA, die 3,42 % ihres BIP und davon 44,6 % (2019, ibid.) für Material ausgaben, bleibt unverändert bestehen. 118 Wie bereits zu Beginn des Buches erläutert, war dieses Ungleichgewicht zwar von Vornherein in die Allianz eingebaut worden und war mit der Akzeptanz US-amerikanischer Führung und dem Willen zur Bildung eines gemeinsamen westlich-liberalen Blocks gegen die Sowjetunion verbunden. Unter Trump ist es aber schwierig, diese Argumentation beizubehalten. Zwar werden Alliierte - wie z. B. die sehr aktiven Staaten Dänemark, Norwegen oder Frankreich, teils auch Deutschland - vereinzelt argumentieren können, dass sie operativ durchaus aktiv(er) sind als solche Staaten, die das 2 %-Ziel erreichen (Ringsmose 2016, 206 ff.; Kunertova 2017), aber es wird sehr schwer sein, über das prominente 2 %-Ziel an sich hinwegzutäuschen. 7.3 Eine stärkere NATO! ? Militärische und andere Betrachtungen 277 <?page no="278"?> 119 Es gab zudem Meldungen, dass die türkische Marine die Durchsuchung eines Handels‐ schiffs, das es nach Libyen eskortierte, nach Waffen durch die NATO Sea Guardian-Mis‐ sion unterband und dabei die französischen NATO-Schiffe mit ihrem Waffenradar mehrfach und lange anpeilte (Guibert und Stroobants 2020). Dieser Vorfall reiht sich somit an andere jüngste Schwierigkeiten mit der Türkei, z. B. im Bereich von Grenzstreitigkeiten mit Griechenland wegen Ölvorkommen, ein. 120 Bei aller Kritik an der Erhöhung der Militärausgaben durch die NATO-Staaten muss auch die Perspektive gewahrt werden: Keiner spricht in Deutschland davon, die 3,4 % BIP-Anteil von Verteidigungsausgaben der USA zu erreichen und ähnliche globale und hegemoniale Handlungskapazitäten aufzubauen wie die Supermacht. Auch die Zu diesen Zielproblemen gesellt sich eine heute politisch, sozial wie kulturell heterogenere Allianz als während des Kalten Kriegs (Bunde 2014). Diese Probleme bzw. das Fehlen einer gemeinsamen Strategie brachten 2019 den französischen Präsidenten Emanuel Macron dazu, die NATO als „hirntot“ zu bezeichnen (Macron 2019), wofür er scharf kritisiert wurde (Gottemoeller 2019). Wenngleich die Wortwahl provokant war, stellt sich die Frage nach einer gemeinsamen Strategie auf sicherheitspolitische Pro‐ bleme trotzdem. Ähnliche Unstimmigkeiten entstanden zuletzt auch mit der Türkei, die sich im Zuge der aktuellen, auf Unabhängigkeit und regionale Hegemonie ausgerichteten Außenpolitik von Präsident Erdogan und der Situation im Nahen Osten aus opportunistischen Gründen an Russland angenähert hat und politisch teils mit ihren Alliierten über Kreuz liegt, z. B. bezüglich der Rolle von kurdischen Kräften im Kampf gegen ISIS und Assad und die kurdische Situation allgemein (Hintz 2019; Seufert 2020). Diese politische Entfernung geht heute soweit, dass die Türkei sich für den Erwerb eines russischen Raketenabwehrsystems (S-400) anstelle eines US-amerikanischen entschieden hat. Die Alliierten fürchten durch die Integration russischer Technologie (und Trainingspersonals) in die Bünd‐ nisverteidigung die Preisgabe militärischer Geheimnisse. Die USA schlossen die Türkei daraufhin aus dem F35-Jägerprogramm aus und drohten mit dem Verhängen von Sanktionen, was Trump ultimativ ablehnte (Der Spiegel 2019). 119 Während ein langfristiges rapprochement zwischen der Türkei und Russland alles andere als sicher ist (Đidić und Kösebalaban 2019), ist dieser Konflikt im Moment neben der Finanzfrage einer der offensten Auseinandersetzungen, der in der Atlantischen Allianz brodelt. Die Debatten über Gegner, Ziele, Verteidigung und Militärausgaben mögen aus verschiedenen ideologischen und friedenstheoretischen Per‐ spektiven unterschiedlich positiv oder negativ beurteilt werden (und das mit gutem Grund! ), 120 sie führen aber zusammen zu weniger Kohärenz in der 7 Trump und andere Probleme 278 <?page no="279"?> durchaus beträchtlichen Steigerungen des deutschen Verteidigungshaushalts werden an der grundsätzlichen deutschen Kultur der Zurückhaltung gegenüber militärischen Mitteln in der Außenpolitik nichts ändern, wie jüngste Debatten um die Beschaffung von neuen Kampfjets und der atomaren Teilhabe zeigten (z. B. Deutschlandfunk 2020). Bedrohungsbeurteilung und weniger politischer Kohäsion in der Antwort auf die neue geostrategische Lage in Europa. Die Probleme werden mit Trump weder 2021 (im Falle einer ausbleibenden Wiederwahl) noch 2025 (im Falle einer zweiten Amtszeit) verschwinden. Wenngleich ohne Trump das ideelle Auseinanderdriften der Partner abnehmen dürfte, werden die unterschiedlichen sicherheits- und verteidigungspolitischen Interessen der Staaten bleiben und die materiellen Unterschiede in den Verteidigungsbe‐ mühungen nach wie vor einer Bearbeitung bedürfen. Trump hat Recht, wenn er diesen capability gap anprangert - über das Wie kann man sich streiten. Es ist für eine Allianz wie die NATO aber ebenfalls gefährlich, wenn sich die Partner nicht an vereinbarte Absprachen halten. Letztlich wird damit die wichtige Verhaltensnorm institutionalisierter Kooperation verletzt, dass Absprachen Folge zu leisten ist - pacta sunt servanda (s. auch Kamp 2019). Zwar hat das Bündnis auch zu Zeiten des Kalten Kriegs re‐ gelmäßige Rückfälle hinter die vereinbarten Messgrößen für Verteidigungs‐ anstrengungen politisch überlebt - und dies trotz der sehr präsenten Gefahr durch die Sowjetunion! -, aber es ist fraglich, ob eine ähnliche Situation unter den deutlich heterogeneren Bedingungen der Allianz von heute ge‐ nauso positiv ausgehen würde. Der Zusammenhalt der NATO ist heute ideell wie interessenbasiert wie materiell gefährdet. Ob die Alliierten in der Lage sein werden, diese Risse zu kitten, ist nicht im Vorhinein ausgemacht. Die institutionalisierte Kooperationsstruktur der Allianz kann hierbei helfen, aber in einem so hochsensiblen und exekutiv dominierten Feld wie der Sicherheits- und Verteidigungspolitik wird es von den politischen Akteuren und ihren Agenden abhängen, wie erfolgreich diese Bemühungen sein werden (Kaufman 2017, 265 f.). Es gibt jedoch auch ein paar Lichtblicke am Horizont, die für ein vollstän‐ diges Bild der NATO im Jahr 2020 genannt werden sollten. Zum einen konnte die Allianz die teils seit Langem bestehenden Konflikte durch institutionelle Arrangements und Kompromisse bisher bearbeiten (Sperling und Webber 2019). Im Sinne des Konzepts der Sicherheitsgemeinschaft reagieren die NATO-Partner also auf soziale Prozesse, Befindlichkeiten und Interessen in einem gemeinsamen epistemischen (angenommenen) Raum und behalten 7.3 Eine stärkere NATO! ? Militärische und andere Betrachtungen 279 <?page no="280"?> eine friedliche Konfliktlösung bei - die notwendige Bedingung zur Existenz von Sicherheitsgemeinschaften. Beim 2 %-Ziel gibt es Fortschritte, und im Kontext der NATO-Missionen haben Kanada und viele europäische Mitglieder beachtliche operative Verantwortung und Lasten übernommen (Ringsmose 2016, 207 ff.). Sie bleiben dabei allerdings auf die USA als force enabler, der kritische Fähigkeiten wie Lufttransport oder Präzisionswaffen bereitstellt, und Führungsnation angewiesen. Mit Blick auf das direkte NATO-Budget (s. Kap. 2.5) konnte zudem eine neue Lastenverteilung gefunden werden, bei der die USA entlastet wird (NATO 2019g). Dieser Kompromiss wurde zwar durch Druck der Vereinigten Staaten erreicht, zeugt aber davon, dass sich die Partner der Probleme der Lastenverteilung und ihrer Bedeutung für die USA bewusst sind. Zum Zweiten ist die Tatsache hervorzuheben, dass die NATO seit 2014 überhaupt reagiert und begonnen hat, ihre Politiken wegen der Neubewertung der Sicherheitslage nach der Kriminvasion anzupassen. Dies zeugt davon, dass die Allianz sowohl politisch als auch funktional auf Krisen reagieren und Politiken beschließen kann, die auf Veränderungen im strategischen Umfeld des Bündnisses reagieren. Theoretisch gefasst heißt dies nach institutionalistischer Lesart, dass das Militärbündnis für die beteiligten Staaten nach wie vor einen Zweck erfüllt und als Teil der Lösung des Sicherheits- und Verteidigungsproblems an der Ostflanke der NATO gesehen wird. Die Atlantische Allianz hat somit nach einer seit 1990/ 91 andauernden Phase der Zweitrangigkeit kollektiver Verteidigungsfragen erneut unter Beweis gestellt, dass sie zur Anpassung ihrer Aufgaben und sogar ihrer Strukturen in der Lage ist und Staaten ihre Sicherheit durch sie organisieren. Damit ist sie schwerlich eine der Sicher‐ heits- und Verteidigungspolitik epiphänomenale, irrelevante Institution, wie Mearsheimers (1994, 15 ff.) frühe Kritik am Institutionalismus lautete. Es gibt jedoch Initiativen einzelner Staaten, z. B. Polens, neben der Stärkung der Verteidigungspolitiken in der Allianz auch bilaterale Vereinbarungen mit den USA zu treffen (Deni 2017, 34 ff.; Feickert et al. 2020). Das zeigt, dass diese Staaten die ultimative Garantie ihrer Sicherheit weniger bei der NATO selbst, als vielmehr bei den USA sehen. Dadurch wird deutlich, dass die Rolle der Vereinigten Staaten in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik nach wie vor die des Hegemonen ist, ohne den sie schwer denkbar und ohne den die NATO nicht handlungsfähig ist. Trotzdem bleiben die Allianzstrukturen eine zentrale Koordinations- und Ausführungsinstanz für Antworten auf die russische Herausforderung. 7 Trump und andere Probleme 280 <?page no="281"?> 121 Der Senat hat in den USA die Aufgabe, internationale Verträge zu ratifizieren (so auch den NATO-Vertrag im Jahr 1949). Ob er auch gehört werden muss, wenn sie beendet werden sollen, ist umstritten. Abschließend ist auf zwei weitere Aspekte in den USA zu verweisen, die sich auf die NATO positiv auswirken. Zum Ersten genießt das Bündnis als Grundstein der US-amerikanischen Außenpolitik sowohl in der Bevöl‐ kerung als auch im Kongress breite Unterstützung (Koschut 2020, 316 f.). Die Sicherung der Zukunft der Allianz und die Position gegenüber Russland sind einige der wenigen Themen, bei denen es die sonst im Moment eher stramm hinter Präsident Trump stehenden republikanischen Abgeordneten und Senator*innen wagen, eine von ihrem Präsidenten abweichende Meinung zu vertreten (Herr 2020, 244; Tama et al. 2019). Der Senat verabschiedete im Jahr 2018 eine Stellungnahme zur Unterstützung der NATO, die von beiden Parteien getragen wurde (Killough 2019). Das Repräsentantenhaus beschloss sogar den NATO Support Act, der die Nutzung von Haushalts‐ mitteln zum Zweck des NATO-Austritts untersagt - mit 357 Jazu 22 Neinstimmen (House of Representatives 2019). (Der Senat hat das Gesetz des Repräsentantenhauses bisher nicht behandelt.) Eine Gruppe von Se‐ nator*innen beider Parteien - inklusive präsidentennaher Persönlichkeiten wie Lindsey Graham - bereitet allerdings erneut ein ähnliches Gesetz aus dem Jahr 2017 vor, das eine Zweidrittelmehrheit im Senat für einen NATO-Austritt vorsieht, sollte ein Präsident ein solches Ansinnen verfolgen (Kheel 2019). 121 Hieran zeigt sich also, dass Macht in einer Demokratie stets dezentralisiert ist und die US-Regierung zu Konsultationen zwingt, auch in der Außenpolitik (Thies 2009, 296). Ein starkes Zeichen für die Allianz war ebenfalls die Einladung von NATO-Generalsekretär Stoltenberg durch alle vier Kongressspitzen zu einer Rede in einer gemeinsamen Sitzung beider Kammern am 3. April 2019 - eine Ehre, die sonst nur dem US-Präsidenten (State of the Union-Rede) und anderen Staatsoberhäuptern zuteil wird (Tama et al. 2019). Beide Kammern des US-Kongresses sind also der NATO positiv gegenüber eingestellt. Für die anderen NATO-Mitglieder ist es sicherlich zentral, die Wales-Ziele zu implementieren, um diese Unterstützung der Legislative aufrechtzuerhalten. Zum Zweiten ist das pure Eigeninteresse der USA an einer Aufrechterhal‐ tung der NATO nicht zu vernachlässigen. Trotz mancher anderslautenden Äußerungen des US-Präsidenten, wenn er über die EU, Handelsfragen oder einzelne Staatslenker*innen regelrecht herzieht, profitieren die USA 7.3 Eine stärkere NATO! ? Militärische und andere Betrachtungen 281 <?page no="282"?> 122 Der Beschluss Trumps, 12.000 von ca. 34.000 Soldat*innen aus Deutschland abzuziehen, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Er scheint zudem eher durch handelspolitische Aspekte und Groll gegenüber Deutschland geprägt zu sein, als sicherheitspolitisch motiviert und durchdacht (Deutsche Welle 2020c; Pindur 2020). strategisch vom von ihnen selbst aufgebauten „vereinigten, freien, und fried‐ lichen“ Europa (House of Representatives 2019), wie sich die standardisierte Formel auch im NATO Support Act des Repräsentantenhauses liest. Eine Fortsetzung des Sanktionskurses gegen Russland wegen seiner Einmischung in die inneren Angelegenheiten der USA und anderer westlicher Staaten sowie seines gewaltsamen Eingreifens in der Ukraine ist ohne die Unterstüt‐ zung Europas ebenso wenig denkbar wie die Aufrechterhaltung eines frei‐ heitlichen Gegengewichts zu den autokratisch-autoritären Großmächten China und Russland (s. auch Koschut 2020, 316). Des Weiteren hat Europa für die Vereinigten Staaten nicht nur eine Bedeutung innerhalb der NATO und gegen Russland, sondern auch für Überflugrechte oder als Stationierungsort für ihre vorgelagerten Truppen, die sie von dort schnell in Krisengebiete im Nahen Osten und weiter hinein nach Asien verlegen können, wenn dies die US-amerikanischen Interessen und die Gefahreneinschätzung erfordern (Schreer 2019, 12 ff.; Kivimäki 2019). 122 Dies wird sich auch durch eine stär‐ kere Fokussierung der USA auf die Großmachtkonfrontation mit China in Asia-Pacific nicht grundlegend ändern. Ben Schreer fasst daher zusammen, dass „NATO remains indispensable for US regional and global interests, and Trump’s threat of abandoning European allies has little credibility. The Atlantic Alliance thus continues to provide a solid institutional framework for organising and adapting a transatlantic approach to Europe’s defence, despite an unpredictable US president.“ (Schreer 2019, 13 f.) Die NATO bietet für die Koordination der Außen-, Sicherheits- und Ver‐ teidigungspolitiken der Partner einen verlässlichen Rahmen, in dem au‐ ßerdem Vieles aufgrund ihres Gewichts nach US-amerikanischen Vorgaben passiert. So lange die NATO-Mitglieder ihre Sicherheit und Verteidigung dort organisieren, bestehen nur sehr geringe Chancen, dass europäische (oder kanadische) Politiken die Interessen der USA schädigen werden. Einzelne Politiken von spezifischen Alliierten mögen aus diesem Rahmen ausbrechen, werden aber meist multilateral verurteilt und haben teils klare Konsequenzen. Solange sich die USA also nicht zu einem isolationistischen 7 Trump und andere Probleme 282 <?page no="283"?> 123 Dieser Teil des Titels wurde direkt aus dem gleichnamigen Aufsatz von Barry Posen (2018) übernommen. Kurs entscheiden, ist es eher unwahrscheinlich, dass sie sich komplett von der NATO abwenden werden (s. auch Howorth 2013, 36; Simoni und Harnisch 2019). 7.4 „The Rise of Illiberal Hegemony”? 123 Das Auseinanderdriften der transatlantischen Sicherheitsgemeinschaft Die NATO steht in der dritten Dekade des 21. Jahrhunderts vor einigen grundlegenden Herausforderungen bzgl. ihrer Aufgaben, militärischen Ka‐ pazitäten sowie den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten. Diese Herausforderungen, die so fundamentale Fragen wie die nach dem kol‐ lektiven Verteidigungsversprechen, Gefahreneinschätzungen oder Werte der transatlantischen Sicherheitsgemeinschaft, deren Teil die NATO ist, betreffen, bestehen teils seit längerer Zeit. Sie sind mit der neuen Bedro‐ hungslage und Russlands Einmischung in innere Angelegenheiten der NATO-Staaten aber akut geworden, durch die Handlungen einzelner Alli‐ ierter (z. B. türkische-russische Annäherung) entstanden und seit Trump aufgetreten (Transaktionalismus) oder verstärkt worden (vertiefte Zweck- und Wertediskussion). Bisher waren die Bündnismitglieder in der Lage, diese Konflikte durch diplomatische Kontakte und innerhalb der tief integrierten NATO-Strukturen zu bearbeiten und teils zu Lösungsansätzen zu kommen, z. B. beim neuen Arrangement zu den direkten NATO-Ausgaben, das die USA entlastet und alle anderen Mitglieder (außer Frankreich) stärker belastet. Im Moment sieht es allerdings nicht danach aus, dass das 2 %-Ziel der Verteidigungsausgaben um 2024 von den säumigen Mitgliedern erreicht wird. Die Atlantische Allianz konnte bisher solche Probleme und sogar das Zurückbleiben hinter militärischen Zielgrößen während des Kalten Kriegs verkraften. Es ist jedoch nicht ausgemacht, dass dies im heterogenen Bündnis des Jahres 2020, das in einer politischen Sinnkrise steckt und mit einem aggressiven, rein transaktional denkenden Donald Trump konfron‐ tiert ist, ebenfalls gelingt. Die Fähigkeit der NATO, sich Herausforderungen und neuen Problemen zu stellen und sich daran anzupassen, beruht nicht zuletzt auf den zwei 7.4 The Rise of Illiberal Hegemony 283 <?page no="284"?> 124 Selbst die für ihre Zurückhaltung bekannte Angela Merkel hat 2017 formuliert, dass „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, […] ein Stück weit vorbei“ seien (zitiert nach Sauerbrey 2017). Säulen der routinierten und institutionalisierten Kooperationspraxen einerseits (Adler 2008; Pouliot 2016, Kap. 4) und andererseits den vielfältigen persönli‐ chen, sozialen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Verbindungen, die innerhalb der Allianz als Teil der transatlantischen Sicherheitsgemeinschaft existieren. Diese beiden eng verwobenen ideellen und materiellen Praxen und Beziehungen sorgen sowohl für Erwartungsstabilität zwischen den Partnern als auch Widerstandsfähigkeit bei Krisen (Pouliot 2006) und stabilisieren sich gegenseitig. Im Moment stehen aber viele dieser Säulen unter Stress. Politische und wirtschaftliche Kooperationsformen sind sowohl durch Trumps ständige Infragestellung der NATO und seine handelspolitischen Initiativen als auch durch ein unausgeglichenes burden-sharing unter Druck. Hier gibt es auf beiden Seiten des Atlantiks Fehler und Fehlentwicklungen. Soziokulturell führt zudem die Anzweiflung der liberalen Weltordnung und Beziehungsstrukturen durch jacksonianische US-Amerikaner*innen sowie rechtspopulistische Akteure und Parteien in Europa zu einer Abschwächung des transatlantischen Wertekon‐ senses (Koschut 2020, 311). Die konsensualen und auf Ausgleich ausgelegten Kooperationspraktiken in der Allianz leiden unter diesen Störungen, wäh‐ rend sie gleichzeitig komplexe neue Verteidigungsplanungsprozesse umsetzen müssen. Zwar sind die sozialen Beziehungen zwischen beiden Seiten des Atlantiks noch intakt und es überwiegen positive Einstellungen gegenüber der jeweils anderen Seite, aber gleichzeitig bekommt in Europa die Idee Zulauf, sich aufgrund skeptischerer Einstellungen zu militärischem Handeln out of area und gegenüber den USA sicherheitspolitisch eigenständiger aufzustellen (Stelzenmueller und Raisher 2014) - Prozesse, die nach der Amtsübernahme Trumps an Fahrt aufgenommen haben (z. B. Macron 2017-09-26; Howorth 2018; Bentinck 2017; Larik 2017). 124 Durch diese Kette an Ereignissen und Prozessen auf beiden Seiten des Atlantiks stehen die Sicherheitsgemeinschaft und die NATO heute also zumindest ideell schwächer und weniger stabil da, als sie es vor dem Amtsantritt Donald Trumps waren (s. auch Viola 2017, 332 f.), während die Allianz materiell durchaus aufgerüstet hat. Aufgrund der Vielzahl der Kooperationsformen und Institutionen ist ein Auseinanderbrechen der NATO zwar noch nicht zu befürchten, zumal heute ein breites Spektrum an inoffiziellen Institutionen und Bürokratien existiert, die ausgleichend wirken (Mayer 2019, 63 ff.), aber gleichzeitig sind viele dieser Pfeiler angeknackst. Sie 7 Trump und andere Probleme 284 <?page no="285"?> brauchen Arbeit von beiden Seiten des Atlantiks, um unter der Last, die nicht erst seit Donald Trump besteht, nicht mit ihm verschwinden und nicht von ihm allein verschuldet wird, nicht zu brechen. Es besteht heute ein großer Unterschied im Vergleich zu allen großen Krisen - Suez, Kuba, französischer Abzug, SDI, Irak et al. - und anderen Unstimmigkeiten, die die Atlantische Allianz in der Vergangenheit gemeistert hat. Während all dieser Krisen blieb ein Faktor konstant: die Existenz eines wohlwollenden Hegemonen USA, der in einem Bündnis und einer noch größeren Sicherheitsgemeinschaft, denen er sich selbst identitär-emotional und ideell zugehörig fühlte, als primus inter pares stand. Wohlwollend ist ein Hegemon nach Christopher Layne (2006) dann, wenn er andere Staaten territorial nicht bedroht, gemeinschaftliche Güter (z. B. Sicherheit oder Ord‐ nung) bereitstellt und seine Führung auch akzeptiert wird. Daher hat ein wohlwollender Hegemon „ein Interesse daran, andere Staaten nicht zur Be‐ endigung der Zusammenarbeit mit dem dominanten Staat zu treiben, damit diese stattdessen eine Strategie des Widerstands oder des balancing verfolgen“ (Ikenberry, zitiert nach Layne 2006, 17; s. auch Nye 2003a, 24 ff., 209 ff.). Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die USA diese Rolle nicht immer außerhalb der Sicherheitsgemeinschaft und der Allianz gespielt haben, wenn sie z. B. in den Irak einmarschiert sind. Nach innen jedoch war diese Rolle zwar nicht unbestritten (s. der gelegentliche französische Widerstand hiergegen), aber zumindest akzeptiert, weil man entweder gemeinsame Ziele verfolgte oder von der Güterbereitstellung durch den Hegemonen profitierte. (Im Bereich Sicherheit war das auch Frankreich stets klar.) Dieser wohlwollende Hegemon hat unter Donald Trump zumindest auf der höchsten US-amerikanischen Regierungsebene aufgehört, zu existieren, und implementiert fortan Politiken, die den Interessen der ihm folgenden Staaten teils entgegenlaufen. Selbst zu Zeiten der Irakauseinandersetzung und eines neokonservativen Unilateralismus der Bush Jr.-Administration stand das Bekenntnis zu Europa, zur NATO und Sicherheitsgemeinschaft und das Anstreben kooperativer Beziehungen bei allen politischen Unstim‐ migkeiten nicht infrage. Unter Donald Trump tut es das. Trump wendet sich zwar nicht isolationistisch von der Welt ab, was sich auch in seinem Vorgehen gegen den Iran, seinen schwankenden Lösungsbemühungen der Konflikte mit Nordkorea oder zwischen Palästina und Israel erkennen lässt (Posen 2018; Viola 2017). Die Trump-Administration steht auch bisher zur NATO und unterstützt die gemeinsamen Abschreckungs- und Rückversi‐ cherungsbemühungen des Bündnisses im Baltikum und Polen (Mayer 2019, 7.4 The Rise of Illiberal Hegemony 285 <?page no="286"?> 63). Sie verfolgt diese Politiken aber unter größtmöglicher Vermeidung institutioneller Bindungen, stellt für das Schutzversprechen Bedingungen (Schutz gegen Geld), die über den alten Deal der wohlwollenden Hege‐ monie (Gefolgschaft) hinausgehen, stellt sich gegen Freihandel und die Verrechtlichung internationaler Politik, engagiert sich kaum noch für den Schutz der Menschenrechte oder Demokratie und nimmt wenig Rücksicht auf die Interessen der Verbündeten. Deshalb bezeichnet Barry Posen die aktuelle US-amerikanische außenpolitische Strategie als eine „illiberale Hegemonie“ (Posen 2018) und prangert gleichzeitig ihre Planlosigkeit an. Insgesamt kritisiert Posen eine teils willkürlich anmutende, wenig rationale Außenpolitik unter Trump, die weder isolationistisch noch internationalis‐ tisch sei, sondern ohne Struktur Aspekte des Rückzugs (z. B. Syrien) und eines aggressiven Engagements (z. B. Iran) verfolge, bis hin zu einem die NATO-Alliierten mit ihren Truppen direkt betreffenden, unkoordinierten Abzug aus Syrien oder der Gefahr der versehentlichen Auslösung eines Krieges durch Trump’sches Temperament. Aufgrund dieser nicht nur auf die NATO beschränkten Erscheinungen und Probleme von Politik und Diplomatie in internationalen Institutionen argumentieren daher Realist*innen und andere Wissenschaftler*innen, dass die kollektiv-soziale Perspektive auf internationale Kooperation im Allge‐ meinen genauso wie auf Sicherheits- und Verteidigungspolitik im transat‐ lantischen Raum/ der NATO im Speziellen wieder stärker durch eine ratio‐ nalistische, machtbezogene Perspektive auf die Möglichkeiten und Grenzen von Zusammenarbeit ergänzt werden sollte (grundlegend Wivel und Paul 2019; zur NATO Rynning 2015; zur GSVP Menon 2011; früher bereits Mearsheimer 1994, 15, 29 f.). Viele Kooperationsprozesse seien heute eher als interessengeleitet, denn gemeinschaftsorientiert zu verstehen. Die Fä‐ higkeit zur kooperativen Konfliktlösung ist unter Donald Trump, aber auch mit Blick auf weitere populistische Strömungen in Europa, divergierende außenpolitische Interessen zwischen Partnern (s. Türkei-S-400-Debatte oder die Handelskonflikte) und unterschiedliche Konzepte zum Umgang mit Russland kleiner geworden (Mayer 2019, 60 ff.). Die Sicherheitsgemeinschaft steht noch auf ihrem basalen Fundament: Die gewaltsame Austragung von Konflikten zwischen ihren Mitgliedern ist nach wie vor undenkbar. Die Fundamente der darüber liegenden Etagen des gemeinsamen Hauses Nordatlantik mit ihren politischen, sozialen und wirtschaftlichen Pfeilern stehen aber teils weniger gut da, während der militärische Pfeiler - die NATO - von Uneinigkeit, dem unzureichenden Einhalten von Zusagen und 7 Trump und andere Probleme 286 <?page no="287"?> divergierenden außenpolitischen Interessen angefressen ist. Das Haus fällt noch nicht zusammen. An einigen Stellen brennt es aber bereits, und die Akteure auf beiden Seiten des Atlantiks und die gemeinsamen Institutionen der NATO müssen jetzt mehr denn je überlegen, wie sie die Brände löschen und das gemeinsame Haus wieder stärken wollen - wenn sie es denn wollen. Vor beinah 40 Jahren hat Michael Doyle (1983b, 323 ff.) trefflich gewarnt, dass der Niedergang der liberalen Ordnung letztlich eher von innen als von außen drohen könnte. 7.5 Diskussionsfragen und weiterführende Literatur Diskussionsfragen: ▸ Was sind Kennzeichen von Populismus und wie erschwert Popu‐ lismus internationale Kooperation? ▸ Warum sind Populismus und Liberalismus größtenteils inkompatibel? ▸ Welche Elemente Trump’scher politischer Rhetorik sind für die Al‐ lianz problematisch und warum? ▸ Hat es durch Donald Trump Veränderungen in der US-Außen- und Sicherheitspolitik gegenüber der NATO und Europa gegeben? ▸ Hat Präsident Trump mit seiner Kritik an der ungleichen Lastenver‐ teilung im Bündnis Recht? ▸ Sind die USA noch ein wohlwollender Hegemon in Europa? ▸ Wie steht es unter Donald Trump um die transatlantische Sicherheits‐ gemeinschaft? Weiterführende Literatur: Böller, Florian, Christoph M. Haas, Steffen Hagemann, David Sirakov, and Sarah Wagner, Hrsg. (2020). 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In ihrer 70-jährigen Geschichte ist die Atlantische Allianz eine tief institutionalisierte und ausdifferenzierte Sicherheits- und Verteidigungs‐ institution geworden, die Aufgaben von Katastrophenhilfe, Krisenmanage‐ ment, Sicherheitskooperation, Wiederaufbau, Kriegsführung und Territori‐ alverteidigung übernommen hat. Zusätzlich ist sie in eine umfassendere transatlantische Sicherheitsgemeinschaft integriert, die über sie selbst hin‐ ausgeht. Ein Unterfangen, diese Vielzahl an Handlungs-, Institutionen- und Beziehungsfeldern mit nur einer Theorie erklären zu wollen, ist zum Schei‐ tern verurteilt - unabhängig davon, wie stark die Rolle eines Hegemonen USA aus neorealistischer Perspektive für das Bündnisgeschehen ist; wie sehr Bürokratien den institutionellen Selbsterhalt anstreben und sich ausdehnen; oder wie wichtig eine breitere soziale Sichtweise auf Kooperation, Identität und Zusammenhalt sein mag. Die NATO hat in all diesen Feldern seit 1949 innere und äußere Krisen immer wieder gemeistert, seien es der Aufbau von Politikkoordination in den 1950er und 1960er Jahren, das Ende des Kalten Kriegs mit dem folgenden fundamentalen Transformationsprozess oder die operativen Schwierigkeiten, die eine ganz eigene Kategorie von Herausfor‐ derung darstellen. Es gab dabei immer wieder Misserfolge, aber auch den Willen, sich in der Allianz/ Sicherheitsinstitution und der weiteren Sicher‐ heitsgemeinschaft wieder zusammenzuraufen und trotzdem gemeinsam zu handeln (Thies 2009, 296). James Sperling und Mark Webber (2009, 491) haben dieses Geschehen nicht zu Unrecht als „Crisis as normality“ betitelt. Dies lag nicht zuletzt daran, dass die NATO stets eine zentrale Säule der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitiken ihrer Mitgliedstaaten war, dass sie die USA und Kanada an Europa band - was als Schlüssel für Frieden und Sicherheit in Europa angesehen werden kann (Lieber 2016, Kap. 6) - und Kooperation in ihr im nationalen Interesse jeder einzelnen Nation lag - und noch immer liegt … … Meistens jedenfalls. Das letzte Kapitel hat gezeigt, dass es im Moment zu einer Gleichzeitigkeit von Krisen an verschiedenen Pfeilern der Allianz gekommen ist: dem verteidigungspolitischen, strategischen, finanziellen und sozial-relationalen. Diese Krise geht soweit, dass das soziale Fundament <?page no="290"?> der NATO - das Wir-Gefühl - in Frage gestellt wird. William Hill hat dafür eindeutige Worte gefunden: „For seventy years, European leaders have counted on solidarity and support from Washington; but this state of affairs can no longer be presumed. Trump’s election has shaken the long-standing status quo and opened up the possibility of drastically different alternatives. Both Americans and Europeans will have to make a conscious choice on whether the transatlantic bargain and the American presence in Europe and NATO will continue. Do the United States and the nations of Europe still share enough interests and values to join their forces and commit to a common defense? Is the American public still willing to bear the costs and burden of participating in Europe’s defense? And do European publics still desire such American participation and support, including the obligations this involves? The answers to these questions no longer seem obvious, if they ever were. To build a new, post-Ukraine European security order, leaders and publics on both sides of the Atlantic will need to contemplate and answer these questions anew.“ (Hill 2018, 382) Die vorstehenden Bemerkungen und die Erkenntnisse aus dem in diesem Buch praktizierten theoretischen Pluralismus warnen uns davor, das Bündnis abzuschreiben. Die Gleichzeitigkeit, Intensität und manchmal auch die rhetorische Verve der aktuellen Situation sollten uns aber genauso dazu veranlassen, mit Sorgen in die Zukunft zu blicken - und mehr Fürsorge walten zu lassen. Wenn die transatlantischen Beziehungen der vergangenen Jahre im Allgemeinen und die Beziehungen in der NATO im Besonderen uns eines gezeigt haben, dann ist es, dass sie nicht mehr selbstverständlich und prinzipiell kooperativ ausgerichtet sind. Zusätzlich haben sich die USA mit Obama beginnend als Ordnungsmacht zurückgezogen (Posen 2014) und senden seit Trump widersprüchliche Signale an die NATO-Alliierten. Sofern es der Wunsch seiner Mitgliedstaaten ist, braucht das Bündnis heute wie selten zuvor Pflege. Dazu gehören eine sachliche Aufarbeitung der aktuellen Schieflagen und politischen Probleme auf beiden Seiten des Atlan‐ tiks genauso wie das Rückbesinnen darauf, Teil einer relativ einzigartigen, historisch lange gewachsenen, kulturellen (und emotionalen) Gemeinschaft zu sein (Koschut 2014), die uns einen langen Frieden beschert hat. Die NATO hatte einen maßgeblichen Anteil daran. Sie ist zweifelsohne reformbedürftig und muss sich in Anbetracht ihres militärischen Charakters immer hinter‐ fragen, inwieweit sie zu Sicherheitsproblemen selbst beiträgt (Müller 2008). Daran lohnt es sich, gemeinsam zu arbeiten. Simon Koschut (2020, 317) ist 8 Schlusswort 290 <?page no="291"?> zuzustimmen, wenn er sagt, dass es nach jetzigem Stand eine NATO in der Zukunft immer noch geben wird - aber dass wir gleichzeitig nicht mehr sicher sein können, welche das sein wird. Wandel und Streit darüber sind konstitutive Elemente unserer eigenen demokratischen Ordnung, genauso wie der transatlantischen. Einigen wir uns auf eine Sache: Hören wir nicht auf, darüber zu reden. Heute mehr, denn je! 8 Schlusswort 291 <?page no="293"?> Bibliographie NB: Weiterführende Literatur zu den einzelnen Abschnitten ist hier nicht verzeichnet, sondern findet sich am Ende der betreffenden Kapitel. 9/ 11 Memorial & Museum (o. J.). Primary Sources. National September 11 Memorial & Museum. www.911memorial.org/ learn/ resources/ 911-primary-sources (letzter Zugriff 20.03.20). Acharya, Amitav (2001). Constructing a Security Community in Southeast Asia. ASEAN and the problem of regional order. London and New York: Routledge. Adam, Rudolf Georg (2007). „Die NATO als globaler Stabilitätsexporteur.“ In Die Transformation der NATO. Die Zukunft der euro-atlantischen Sicherheitskoopera‐ tion, hrsg. v. Henning Riecke. Baden-Baden: Nomos, 77-92. Adler, Emanuel (2005). 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Alliierter Kontrollrat 36, 91 al-Qaida 141f., 145, 169, 217, 222 Althea (EU) 211 amalgamierte Sicherheitsgemeinschaft siehe Si‐ cherheitsgemeinschaft America first! 267 Anarchie, anarchisch 30, 85, 245, 257f. Angemessenheitslogik 246, 259 Anpassungsfähigkeit siehe Transfor‐ mation Anti-Terror 65, 145f., 149, 156, 162, 195, 197, 207, 217 Arabische Liga 227 Arabischer Frühling 226 Art. 5 siehe Bündnisfall Atlantizismus 137 Atomwaffen 12, 15, 21, 30, 37, 50, 67, 83, 92, 95, 99f., 103-111, 114f., 118, 120ff., 127f., 131, 135, 166, 168, 182, 246, 253, 257, 276 Atomwaffensperrvertrag (NPT) 15, 30, 110, 114f., 135, 156, 168 Aufstandsbekämpfung siehe counterin‐ surgency Aufstandsbewältigungsstrategien siehe counterinsurgency Autokratie 174, 198, 217, 229, 231, 250, 266, 268, 273, 282 AWACS 11, 70, 77, 145, 207, 233 <?page no="350"?> axis of evil 142 balance of power 86, 89 balance of terror siehe Gleichgewicht des Schreckens balance of threat 86 balancing 87, 131, 270, 285 bandwagoning 86f. Berlin-Krise 37f., 101f., 110, 114 Berlin plus-Abkommen 204f. Besatzungsstatut (Deutschland) 97 Bipolarität siehe Polarität Bosnien(krieg) 13, 16, 52, 180, 183, 190, 192-195, 203, 206, 208-211, 213, 235, 238 bounded rationality 243, 258 Breschnew-Doktrin 44 Brexit 205 Brief der Acht (Irakkrieg) 152 Brüsseler Vertrag 35-39, 98 Bundeswehr 19, 92, 99ff., 145f., 150, 210f., 215, 218-222, 240 Bündnisfähigkeit 74 Bündnisfall 21, 36, 39, 47, 61, 89f., 127, 131, 134, 144f., 147, 158, 169, 180, 207, 237, 269 burden-sharing 25, 69, 79, 89, 204, 223ff., 237, 255, 262, 271f., 277, 280, 284, 287 Bush-Doktrin 142f., 169 capability gap siehe Kapazitäten (mili‐ tärische) capacity building 206f., 219 caveats 224f. cheating siehe Spieltheorie Chicago-Gipfel 221 China 86, 110, 115, 122, 125, 157, 167f., 172, 195, 199, 213f., 216, 227, 231, 233, 253, 264, 266, 270, 273, 282 coalition of the willing 147, 149f., 233f., 256 Combined Joint Task Forces (CJTF) 12, 134, 184 comprehensive approach (Krisenmanagement) 159, 216, 220f., 223 Concert of Democracies 88, 179 Containment 36, 101 Coronavirus 249, 264, 266, 277 counterinsurgency 12, 51, 68, 118, 159, 176, 218, 221, 225, 260 cruise missiles siehe Marschflugkörper CTBT 12, 135 cyber security 54, 64, 69, 156, 158, 172f., 201, 205, 276 Dayton-Abkommen 210 Deadeye (Bosnien) 210 defensiver Realismus siehe Realismus (Neo-) Deliberate Force (Bosnien) 210 Demokratischer Friede (Theorie) 46 Deny Flight (Bosnien) 209 Diensstelle Blank siehe Bundeswehr Diskurs (Theorie, Konzept) 24, 125, 177, 242, 244 DSACEUR 12, 60f. DSACT 12 EAPC 12, 15, 64, 133, 136, 159, 161, 180, 184, 187-190, 192, 194f., 197f., 200, 235 empire (GB) 108 Ende der Geschichte 129f. Ende des Kalten Kriegs 23, 47, 52, 58, 64f., 73, 79, 101, 112, 125f., 128, 138, 149, 154, 158, 160f., 163, 169f., 174f., 183, 211, 235f., 239, 241, 243, 252f., 255f., 259, 289 Register 350 <?page no="351"?> Enduring Freedom siehe OEF (Anti-Terror) enhanced Forward Presence (eFP) 12, 59, 164ff., 170 Entspannung(spolitik) 112, 114, 116f., 120, 123, 132, 153, 158, 174, 191, 196, 201 entwicklungspolitische Zusammenarbeit 220 Erwartungsstabilität 248, 250, 284 ESVP siehe GSVP (EU) EULEX Kosovo (EU) 215 EU-NATO-Beziehungen 153, 157, 202 EUPOL (Afghanistan, EU) 12, 153, 219 Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) 12, 43, 97f., 181 European Deterrence Initiative (EDI) 12, 165f., 275 European Reassurance Initiative siehe European Deterrence Initiative (EDI) F35-Jagdflugzeug 68, 278 failing states/ failed states 133 fake news 173 FCAS-Jagdflugzeug 12, 68 Finanzkrise (2008- ~) 73, 141, 150, 155, 170, 262, 271 flexible response 103, 109, 111, 122, 131 force de frappe (Frankreich) 108 Forward Defence siehe Vorneverteidi‐ gung Frieden 16, 22f., 32, 37f., 40, 46, 53, 81, 85f., 95f., 102, 105, 115, 117, 123, 128, 130-133, 147, 151, 163, 179ff., 183f., 186, 196, 205f., 210ff., 216, 224, 228, 230, 238, 248f., 251, 280, 282, 289f. Friedensbewegung 118, 174 Friedensdividende 129f. Friedensmissionen siehe peacekeeping Friedenssicherung 206f. game theory siehe Spieltheorie Gaullismus 153f. Gefangenendilemma siehe Spieltheorie Geheimdienste 12, 15, 54, 57, 142, 145, 148ff., 222 Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) 13, 125, 136, 187 Gemeinwillen siehe volonté générale Generalsekretär/ -sekretariat 21, 43f., 48-53, 66f., 80, 94, 124, 156, 269, 281 Genozid 208f., 227f., 238, 245 Georgien(krieg) 23, 65, 146, 171, 190, 195, 200f., 236 Gerechter Krieg (Theorie) 228f., 231 Gewaltverbot (UN-Charta) 37, 181, 202 Glasnost 124, 126, 246, 252 Gleichgewicht des Schreckens 108f., 114, 122, 127 global governance 264f. Globalisierung 122, 262, 264, 274 Global NATO 88, 148, 193, 270 Golfkooperationsrat 196, 227 Golfkrieg (1990/ 91) 150, 179, 196 grandeur (Frankreich) 108, 112 Großmacht(konfrontation) 26, 46, 86, 126, 182, 185, 191, 213, 236, 241, 253, 282 Grundakte siehe NATO-Russland-Rat (NRC/ PJC) GSVP (EU) 12f., 203, 234, 286 Hamiltonianism 274 hard power 142 Harmel-Bericht 112 Hegemonie (UdSSR, Russland) 23, 125, 175 Hegemonie (USA) 78, 83, 86, 88ff., 123, Register 351 <?page no="352"?> 127, 152, 184, 194, 205, 217, 262, 272f., 280, 285ff., 289 Helsinki-Akte siehe KSZE humanitäre Intervention 16, 24, 135, 173, 192, 204, 206, 213, 226, 229f., 232, 237f., 240 hybrid warfare 54, 161, 169, 172f., 205 IAEA 13, 115 ICBM (Nuklearwaffe) 13, 104, 106f., 119ff. Ideen (Konzept) 26, 65, 84, 97f., 101, 103, 111, 114, 116, 126, 130, 139, 144, 156, 171, 185, 187, 191, 195, 219f., 241-244, 246, 248, 254, 258f., 270f., 279, 284 Identität 2, 27, 33, 88, 154, 183, 201, 241- 247, 250ff., 254-258, 264, 267, 285, 289 Ideologie 21, 34, 36, 40, 87ff., 91, 101, 130, 132, 145, 149, 174f., 189, 194, 199, 213, 234, 243, 246, 251-254, 258, 264, 273, 277f. IFOR (Bosnien) 13, 194, 197, 210f., 224 illiberale Hegemonie 266, 286 Illiberalismus 47, 186, 262, 265f., 273 Individual Partnership Action Plan (im PfP) 13, 192 Individual Partnership and Cooperation Programme (im PfP) 13, 192, 197 Individual Partnership Programme (im PfP) 13, 192 INF-Vertrag 13, 118, 120f., 125, 127, 160, 166ff., 276 Institutionalismus (Neoliberaler) 21, 23, 25, 27, 29-35, 42, 54, 68, 78, 80, 89, 91, 99, 101, 123, 133, 147, 153, 169, 182f., 185, 187, 197, 200, 202f., 235, 242f., 246f., 250ff., 255f., 258, 273, 279f., 284, 289 Intergouvernementalismus 54 International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS) 227 internationales Recht siehe Völkerrecht International Military Staff (IMS) 13, 46, 56f., 77 International Staff (IS, NATO) 4, 13ff., 43, 49-54, 57, 61, 73, 77, 107, 146, 148ff., 153, 169, 192, 195-201, 203, 207, 217ff., 221-226, 237f., 278 Interoperabilität 54, 62, 69, 79, 166, 182, 191ff., 199f. Irakkrieg 59, 79, 129, 135, 142f., 147, 149-152, 154f., 159, 170, 172, 175, 179, 198f., 203, 207, 231f., 235, 257, 261f., 265, 285 Iran-Atomabkommen ( JCPoA) 14, 65, 142, 157, 166, 172, 207, 273, 285f. IRBM (Nuklearwaffe) 13, 106, 109, 117f., 121, 123, 166f. ISAF (Afghanistan) 14, 146, 217 ISIS 14 Island 22, 38, 56, 61, 68, 71f., 75f., 147, 233, 249 Istanbul Cooperation Initiative 13, 180, 184, 187, 193, 196ff., 227, 235 Jacksonianism 274 Jalta 35 Joint Comprehensive Plan of Action siehe Iran-Atomabkommen ( JCPoA) Joint Endeavour (Bosnien) 210 Joint Force Command ( JFC) 14, 59, 215, 231 Joint Guard (Bosnien) 210 Jugoslawienkriege siehe auch Register 352 <?page no="353"?> Bosnien(krieg), Kosovo(krieg) 187, 227 Kalter Krieg 21, 44, 59, 83, 90, 99, 117, 120f., 123f., 157, 159, 174, 182, 223, 254, 278f., 283 Kampf gegen den Terror siehe war on terror Kapazitäten (militärische) 21, 25, 29, 39, 52, 54, 57, 65, 67-71, 73ff., 79f., 84, 87, 90, 95, 99f., 108, 111, 123, 134, 137, 148, 156, 158, 169, 173f., 182, 192, 203ff., 207, 215, 219f., 224, 226, 233f., 248, 258, 271, 275, 279f., 283 Kapazitätsaufbau siehe capacity buil‐ ding KFOR (Kosovo) 14, 192, 197, 215, 224, 237 Koalition der Willigen siehe coalition of the willing kollektive Sicherheit 25, 27, 29, 57, 64, 78, 132, 160, 169, 179-186, 191, 196, 201, 203, 205, 207, 211, 216, 236f., 239, 252, 256, 258 kollektive Verteidigung 25ff., 29, 34, 37, 46, 53f., 58, 83, 121, 123, 129, 131, 134, 141, 147, 156, 158, 160, 163f., 166, 168, 170f., 175, 180, 182-185, 195f., 202f., 223, 235, 238, 252, 255f., 258, 280 Kommunismus 21, 36ff., 40ff., 101, 109, 125, 130, 208, 253 Konstruktivismus 27, 34, 126, 171, 174, 183, 241-247, 251f., 254-259 Kontaktgruppe (Kosovo) 212, 214, 216 Kontestation 262f., 265f. Kooperationspraktiken siehe koopera‐ tive Sicherheit kooperative Sicherheit 13, 52, 64, 133f., 156, 162, 164, 184, 186, 188f., 193, 195, 198, 235, 239f., 256 , 284 Kopenhagener Schule 24, 244 Koreakrieg 41 Kosovarische Befreiungsarmee (UÇK) 17, 212, 215 Kosovo(krieg) 14, 17, 23, 52, 129, 133, 140, 180, 192, 202f., 205ff., 212-217, 219, 225f., 231f., 235f., 238, 240, 245 Krisenmanagement 54, 58f., 67, 132ff., 156, 158f., 164f., 169f., 188, 197, 204f., 207, 235, 252, 255f., 270, 289 KSZE 14, 116f., 122, 187, 191f., 201f. Kuba(krise) 25, 83, 103, 109f., 114, 123, 182, 285 Kultur 27, 36, 45f., 79, 130, 142, 144, 151f., 177, 186, 199, 204, 208, 213, 218, 225, 232f., 242f., 246, 248ff., 257f., 264f., 268, 278f., 284, 290 Kurzstreckenrakete siehe SRBM (Nuk‐ learwaffe) Kuweit siehe Golfkrieg (1990/ 91) Landesverteidigung 67f., 74, 106, 159, 164, 202, 276, 289 Langstreckenrakete siehe ICBM (Nuk‐ learwaffe) lead from behind (Strategie) 157, 230, 233, 237, 270 Liberalismus 21, 27, 29, 31f., 36, 38, 40f., 45ff., 78, 88, 91, 122f., 125f., 130, 132, 136, 138, 143, 149, 156, 159, 163, 169, 171f., 174, 181, 185f., 194f., 200, 213, 218, 222, 238, 242, 246f., 250, 254, 258, 263, 265, 273f., 277, 284, 287 Libyen(krieg) 155, 157, 170, 180, 193, 197, 199, 203, 206ff., 226, 229-234, 237-240, 244, 256, 271, 278 logic of appropriateness siehe Ange‐ messenheitslogik Register 353 <?page no="354"?> Londoner Akte siehe Neunmächtekon‐ ferenz Long Telegram 36, 38, 253 LTBT 14, 114 Lufttransport 16, 64, 68, 70, 218, 280 Luxemburg 22, 38, 61, 71f., 76, 97f., 147, 233, 249 M.A.D. 14, 116, 127 Macht 24, 29, 31, 33ff., 37, 49f., 69, 71, 78ff., 85-88, 90f., 97f., 101, 108f., 121f., 125, 132, 142ff., 151f., 154f., 159, 162f., 185f., 202, 226, 230ff., 236ff., 252f., 258, 268, 270f., 274, 281 Manhattan-Projekt (Nuklearprogramm) 108 Marschflugkörper 109, 118, 121 Marshall-Plan 37, 91, 101f. Massenvernichtungswaffen siehe Atomwaffen massive retaliation siehe massive Ver‐ geltung massive Vergeltung 103f., 111 Materialismus 26, 53, 84, 91, 126, 130, 243f., 254, 257f., 279, 284 Mazedonien siehe (Nord-)Mazedonien Membership Action Plan (MAP) 14, 140, 192 Menschenrechte 116, 213, 218, 265, 286 Militärkomitee 14, 56, 111 Militärstruktur 40f., 46, 56ff., 61, 70, 77, 97, 155, 234 MIRV (Rakete) 15, 119, 135 Mittelmeerdialog 14, 18, 65, 132, 135, 144, 151, 156f., 184, 193, 196ff., 211, 235 Mittelstreckenrakete siehe MRBM, IRBM MLF 15 Moldawien 125, 190, 192 Monroe-Doktrin 109 MRBM, IRBM 15, 106, 117 MRBM (Nuklearwaffe) 106 Multilateralismus 155, 167 Multipolarität siehe Polarität NACC siehe EAPC Nahostkonflikt/ Naher Osten 96, 168, 196, 198, 226, 272, 276, 278, 282 nation/ state-building 150 , 226 Nationalismus 124, 274 NATO-Budget(s) 29, 76f., 165, 280 NATO Defence Planning Process siehe Verteidigungsplanung NATO-Doppelbeschluss 83, 111, 117f. NATO-Georgien-Kommission 200, 235 NATO Response Force (NRF) 15, 59, 134, 149, 184 NATO-Russland-Rat (NRC/ PJC) 64, 132, 171 , 188 NATO Support Act 281f. NATO-Ukraine-Kommission 200, 235 NATO-UN-Beziehungen 202 Nelkenrevolution 45 Neokonservatismus 142f., 148 neue Kriege 23 Neunmächtekonferenz 98 neutralen Staaten 140, 186, 192, 194, 200, 211 New START 135, 160, 167 Nichteinmischungsnorm 213, 227 (Non-)Proliferation pooling 15, 18, 53, 115, 133, 143, 152, 158, 188 Non-Proliferation siehe (Non-)Prolife‐ ration pooling (Nord-)Mazedonien 46, 206, 208 Nordatlantikrat (NAC) 15, 21, 38-43, 47, 49f., 52f., 56, 67, 112, 197, 254 Register 354 <?page no="355"?> Nordatlantikvertrag 21, 37f., 40, 46, 66f., 89f., 95, 98, 144, 169, 173, 181, 185, 202, 254 Normen 33, 95, 115, 162, 168, 228ff., 242f., 246, 251, 256f., 260 NPT siehe Atomwaffensperrvertrag (NPT) Nuclear Ban Treaty 168, 177 Nuclear Planning Group (NPG) 15, 50, 52 Nukleare Triade 107 Nuklearstrategie 83, 104, 255 Nuklearwaffen siehe Atomwaffen OEF (Anti-Terror) 16, 146f., 149, 196, 217f., 221, 223ff., 238 offensiver Realismus siehe Realismus (Neo-) Ohrid-Friedensabkommen 206 Österreich 186, 190, 193f., 249f. Osterweiterungsprozess 52, 88, 129f., 135-140, 161, 163, 171, 175f., 202, 213, 217, 236 Ostpolitik 116, 165, 182 Ostverträge 116f. OSZE 16, 116, 201 out of area 134, 153, 179f., 184, 186, 210, 213, 235, 238, 277, 284 Pariser Verträge 42, 44, 98f. Parlamentarische Versammlung (NATO-PA) 16, 66 partnering 221 Partnerschaftsprogramme/ -initiativen siehe kooperative Sicher‐ heit Partnership for Peace (PfP) 16, 23, 64, 138, 159, 188-198, 200, 235 Partnership for Peace Planning and Review Process 16, 192f. PATG 198f., 211 Patriot Act (US-Gesetz) 142 peace enforcement 179, 202, 204 peacekeeping 191 Perestroika 124, 126, 246, 252 permissiver Konsens 262 Pershing-II-Rakete 118 Petersberg-Aufgaben (WEU, EU) 203 pivot to Asia 73, 157, 199, 270, 272 Pleven-Plan siehe Europäische Verteidi‐ gungsgemeinschaft (EVG) pluralistische Sicherheitsgemeinschaft siehe Sicherheitsgemeinschaft Polarität 22, 83, 86, 89, 122, 126f., 156, 241, 253 Politisierung 262f., 266 Populismus 27, 262, 264, 287 Prager Gipfel (NATO) 45, 134 Prestige, Status 68, 109, 139, 143, 161, 194, 216 Provincial Reconstruction Team (PRT) 16, 219f. Raketenabwehr 16, 57, 61, 65, 69, 162, 166, 170, 278 Rambouillet-Abkommen (Kosovo) 212, 215 Rationalismus 84, 243, 246, 258f. Realismus, Klassischer 83f., 242 Realismus, Neoklassischer 84, 242 Realismus (Neo-) 30, 32, 83-87, 126f., 147, 241ff., 245f., 252f., 258 Regime(theorie) 30, 119, 156, 198, 229, 231f., 238 Responsibility to Protect (R2P) 16, 162, 227-232 Riga-Gipfel 199 rogue states 142, 144 Register 355 <?page no="356"?> RSM (Afghanistan) 59, 146, 192, 201, 203, 221ff., 225f., 238 Rüstungskontrolle 50, 53, 57, 65, 112, 114-118, 120, 122, 128, 132, 134f., 156, 167, 169, 187f., 191, 255 S-400-Raketenabwehrsystem 278, 286 SACEUR 16, 42, 50, 58f., 62f., 79, 94, 98 SACT 16, 62f. SALT I & II 16, 115, 119f. Schutzverantwortung siehe Responsi‐ bility to Protect (R2P) SDI 16, 120, 285 Sea Guardian 201, 207, 278 SFOR 16, 197, 210f., 224 shadow of the future 31 SHAPE/ ACO 11, 14f., 17, 19, 50, 56, 58f., 61, 63, 206 Sicherheitsdilemma(sensibilität) 123, 168, 171, 245 Sicherheitsgemeinschaft 241, 247-251, 256, 263 Sicherheitsmanagementinstitution 23, 179, 186, 201, 204, 220, 234f., 237, 248 Sicherheitssektorreform (SSR) 17, 206ff., 216, 218, 221, 235 SLBM (Nuklearwaffe) 17, 107, 119 soft power 142 SORT siehe START I, II & III Souveränität, Autonomie 112f., 208, 210, 213 Sozialisation 33, 48, 54, 63, 194, 251, 256 Sozialkonstruktivismus siehe Kon‐ struktivismus Spieltheorie 31f. spread of democracy 143, 150, 152, 169, 198 SRBM (Nuklearwaffe) 17, 106, 118, 121, 156f., 166f. SS-20-Rakete 111, 117 SSC-8 (Rakete) 167 START I, II & III 17, 118, 120, 135, 168 state-building siehe nation/ state-buil‐ ding Strategic Airlift Capability siehe Luft‐ transport Strategic Offensive Reducations Treaty siehe START I, II & III Strategie 50, 194, 199 strategische Konzepte 56, 92, 104 struktureller Realismus siehe Realismus (Neo-) Suez(krise) 25, 95f., 109, 112, 123, 182, 256, 285 sunk costs 31, 255 Supranationalismus 30, 47 Surge (Strategie) 221 Syrien(krieg) 65, 135, 157, 200, 207, 226, 230, 232, 269, 273, 286 Taliban 145, 217, 220-224, 238 Territorialverteidigung siehe Landes‐ verteidigung thin-centered ideology (Populismus) 264 Tiger-Helikopter 68 toolbox (Konzept) 149, 160, 199, 226, 234, 256 Transaktionalismus 273, 283 Transformation 33f., 45, 54, 61, 83, 169, 186 Treaty Prohibiting Nuclear Weapons siehe Nuclear Ban Treaty Truman-Doktrin 37 two-tier alliance 170, 271 Ukraine/ Krim(krise) 26, 34, 46, 65, 73, 88, 129, 134, 158, 160-163, 169-173, 175, 199f., 202, 211, 216, 218, 223, 226, Register 356 <?page no="357"?> 232, 235f., 261, 272, 275, 280 UNAMA 17, 219, 224 UN-Charta 191, 202, 227, 229, 231 Unified Protector (Libyen) 228 unipolar siehe Polarität UNMIK (Kosovo) 17, 215 UNPROFOR (Bosnien) 17, 209, 211 UN-Sicherheitsrat 202f., 212ff., 227ff., 231 UN-Sicherheitsratsresolution (UNSCR) 18, 37, 147, 150, 215, 217f., 226f., 232 Versicherheitlichung (securitization) 25, 244 Verteidigungsbudget (national) 21, 40, 70-74, 77f., 131, 224, 237, 261, 268f., 271f., 275, 277ff., 283 Verteidigungshaushalt siehe Verteidi‐ gungsbudget (national) Verteidigungsplanung 15, 69, 91, 101, 103, 122, 164, 187, 192, 284 Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atlmosphäre, im Weltraum und unter Wasser siehe LTBT Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (CFE) 11, 126 Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) 18, 59, 164, 275 Visegrád-Staaten 138f. Volk-Elite-Gegensatz (Populismus) 264 Völkermord siehe Genozid Völkerrecht 133, 143, 147, 161, 191 volonté générale 263 Vorneverteidigung 92, 97, 100f., 121, 131 Wales-Gipfel 73, 163ff., 177, 269, 275, 277, 281 war on terror 52, 140ff., 148f., 151f., 217 Warschauer Gipfel 164 Warschauer Pakt 21, 23, 44f., 94f., 99f., 118, 121f., 125, 132, 135f., 187f. Warschauer Vertrag siehe Ostverträge Weltordnung 123, 194f., 200, 217, 265, 270, 273f., 276, 284 Westbindung 97f., 136 Westeuropäische Union (WEU) 18, 43, 98f., 127, 133f., 203f. Wiederaufbau 16, 23, 37, 102, 146, 159, 170, 211, 215-223, 226, 229, 232, 238, 289 Wiederbewaffnung 83, 96-99, 181 Wiedervereinigung (deutsche) 23, 45, 88, 114, 124f., 131, 137, 252 Wilsonianism 274 Wirklichkeitskonstruktion 243 Zivilmacht (Deutschland) 88, 131, 219, 244 Zwei-plus-Vier-Vertrag 99, 124 Zweiter Weltkrieg 35, 40, 96, 112, 117, 121f., 136, 181, 247, 249, 252, 254 Zweitschlagsfähigkeit 104, 108, 116, 135, 158 Register 357 <?page no="358"?> Personenregister Adenauer, Konrad 114 Ahtisaari, Martti 216 al-Assad, Bashar 162, 172, 232, 278 Albright, Madeleine 156 al-Gaddafi, Muammar 226f., 230f. bin Laden, Osama 141, 220 Blair, Tony 150 Blank, Theodor 99 Bolsonaro, Jair 264f. Bolton, John 269 Brandt, Willy 116f., 123, 182 Breschnew, Leonid 117, 119, 125 Brosio, Manlio 51f. Brown, J. Gordon 147, 150 Bush, George H.W. 120, 135 Bush, George W. 65, 135, 142, 144, 148, 150f., 169, 195, 217, 257, 269, 285 Carter, Jimmy 119, 128 Castro, Fidel 109 Chirac, Jacques 150, 152, 154, 209 Chruschtschow, Nikita 102f., 110, 123 Claes, Willy 51f. Clinton, Bill 135, 137f., 193, 209, 270 Clinton, Hillary 267, 270 de Gaulle, Charles 108, 110, 112f. de Hoop Scheffer, Jaap 51f. Dulles, John F. 104 Duterte, Rodrigo 265 Eden, Anthony 98 Eisenhower, Dwight D. 42f., 58, 94 Fillon, François 154 Fischer, Joschka 213, 230, 245 Gates, Robert 262, 271f., 276 Gorbatschow, Michail 118, 120f., 124ff., 136f., 187, 242, 246, 252, 256 Graham, Lindsey 281 Hamilton, Alexander 142, 266, 274 Harmel, Pierre 112 Heuss, Theodor 99 Holbrooke, Richard 212 Hollande, François 149 Hussein, Saddam 150 Jackson, Andrew 244, 274 Janukowitsch, Viktor 160f. Jelzin, Boris 135, 217 Juan Carlos I. 45 Kaczynski, Jaroslaw 151 Karadzic, Radovan 209 Kennan, George F. 36, 38 Kennedy, John F. 103, 110, 114, 123 Kim Jong-un 268 Lord Carrington 51 Lord Ismay 21, 37, 39f., 47, 49, 51f. Lord Robertson 51f. Lugar, Richard 153 Luns, Joseph 51f. Macron, Emanuel 278, 284 Mattis, James 62, 269 McNamara, Robert 110 Mečiar, Vladimir 139 Medwedew, Dimitrij 135, 158, 160, 166 Merkel, Angela 150, 212, 270, 284 Milosevic, Slobodan 208ff., 212, 214 Mladic, Radko 209 Monroe, James 109 Obama, Barack H. 73, 135, 151, 157, 160, 170, 195, 199, 221, 230, 233, 237, 261f., 267f., 270, 272, 275 Orban, Viktor 265 Pence, Mike 269 Pompeo, Mike 269 Powell, Colin 150 Register 358 <?page no="359"?> Putin, Vladimir 135, 161, 166, 170, 173, 195, 217, 236, 268, 276 Rasmussen, Anders Fogh 51ff., 156 Reagan, Ronald 16, 118-121, 123, 126 Rühe, Volker 189, 233 Rumsfeld, Donald 151 Saint Laurent, Louis 37 Sarkozy, Nicolas 113, 150, 153ff., 231 Schmidt, Helmut 116f. Schröder, Gerhard 144, 150f., 213 Solana, Javier 51f. Spaak, Paul-Henri 51f. Stalin, Josef 102 Stehlin, Paul 98 Stikker, Dirk U. 51f. Stoltenberg, Jens 51f., 269, 281 Truman, Harry S. 37, 102 Trump, Donald J. 25f., 74, 89, 141, 155, 165ff., 170f., 182, 205, 222, 235, 249f., 255, 261f., 264-270, 272-279, 281- 287, 290 Tusk, Donald 151 Vandenberg, Arthur H. 37 Wilson, Woodrow 274 Wörner, Manfred 51f. Register 359 <?page no="361"?> Exkursverzeichnis Der erweiterte Sicherheitsbegriff 23 Die Suezkrise oder das Versagen alliierter Solidarität 95 Die Berlin-Krise(n) 102 Der französische Rückzug aus der integrierten NATO-Militärstruktur 1966/ 67 112 Der NATO-Doppelbeschluss 117 Die Rückkehr Frankreichs in die integrierte Militärstruktur der NATO (2007-2009) 154 Die Responsibility to Protect (R2P) 227 <?page no="363"?> Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: NATO-Strukturen 1950 (Quelle: Pedlow (1997), eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Abbildung 2: NATO-Strukturen nach April 1952 (Quelle: Pedlow (1997), eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Abbildung 3: Politische Struktur der NATO (Quelle: NATO (2017a, 2018i), eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Abbildung 4: NATO-Militärstruktur (Quelle: NATO (2020c), eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Abbildung 5: AWACS-Maschine der NATO (Quelle: NATO) . . . . . . . . . 70 Abbildung 6: Anteil Verteidigungsausgaben der NATO-Staaten am BIP in Prozent (Quelle: NATO (2019f), eigene Darstellung) . 74 Abbildung 7: Vorwärtsverteidigung 1960 (Grafik 05181-08; Quelle: ZMSBw (o. J.)). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Abbildung 8: Truppenstärke der Bundeswehr 1959-2019 (Quelle: Wehrbeauftragter (2020, 96 f.), eigene Darstellung) . . . . . 100 <?page no="365"?> Tabellenverzeichnis Tabelle 1: NATO-Mitglieder (Quelle: NATO (2018i), eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Tabelle 2: Mitarbeiter NATO-Strukturen (Quelle: NATO (2018d), persönliche Anfrage; eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . 46 Tabelle 3: NATO-Generalsekretäre und Stellvertreter (Quelle: NATO (2016b), eigene Darstellung). Zeitliche Darstellung nur annähernd, formal nicht zusammenhängend. . . . . . . . . . . . . 51 Tabelle 4: Supreme Allied Commanders Europe (Quelle: NATO (2000) NATO ACO (o. J.), NATO SHAPE (o. J.-b), eigene Darstellung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Tabelle 5: Deputy Supreme Allied Commanders Europe (Quelle: NATO (2000), NATO ACO (o. J.-b), persönliche Kommunikation; eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Tabelle 6: (Deputy) Supreme Allied Commanders Transformation (Quelle: NATO (2019r), eigene Kommunikation; eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Tabelle 7: NDPP-Planungsbereiche (Quelle: NATO (2018e), eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Tabelle 8: Militärausgaben der NATO-Mitgliedstaaten (Quelle: NATO (2019 f), eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Tabelle 9: Kostenverteilung direktes NATO-Budget (Quelle: (NATO 2019g, inkl. pdfs), eigene Darstellung). . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Tabelle 10: Truppenstärke der Bundeswehr, ohne Aufwuchskräfte (Quelle: Bundeswehr (2020), Schlaffer (2015, 180), Wehrbeauftragter (2020, 96 f.), eigene Darstellung) . . . . . . . 100 Tabelle 11: Ballistische Trägersysteme für Nuklearwaffen (Quelle: Davenport (2017), Gillis (2017, 63 f.), eigene Darstellung) . . 106 Tabelle 12: Strategische Nuklearwaffen der USA (Quelle: Kristensen (2015), Watson (2017), eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . 107 Tabelle 13: Anzahl gefechtsbereiter und in Reserve gehaltener Nuklearwaffen (Quelle: Kristensen und Korda (2020), Kristensen et al. (2020), Kimball (2019), eigene Darstellung) 107 Tabelle 14: PFP- und spätere NATO-Mitgliedschaften (Quelle: NATO (2020i, 2018i), eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 <?page no="366"?> Tabelle 15: An Unified Protector teilnehmende Staaten (Quelle: Chivvis (2014, 207 f.), eigene Darstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Tabellenverzeichnis 366 <?page no="367"?> ,! 7ID8C5-cfeebe! ISBN 978-3-8252-5441-4 Seit 1949 organisiert die NATO die kollektive Verteidigung der transatlantischen Gemeinschaft und verfolgt die Sicherheitsinteressen ihrer Mitglieder. Sie hat sich dabei zu einem global handelnden Akteur gewandelt, der auch jenseits des Bündnisgebiets Herausforderungen wie Terrorismus und failed states bearbeitet. Dabei hat die Allianz stets Krisen überwunden und innere wie äußere Problemlösungsfähigkeit bewiesen. Heute sieht sich das Bündnis jedoch mit vielen Konflikten zwischen den Partnern über Themen wie Geld, Vertrauen und Strategie konfrontiert, die an ihm nagen - nicht erst seit Trump -, während der alte Gegner Russland wieder aggressiver seine Interessen vertritt und gegen die westlich-liberale Ordnung rebelliert. Politikwissenschaft Dies ist ein utb-Band aus dem UVK Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehrbücher und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb-shop.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel