Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
UTB L
0120
2010
978-3-8385-8422-5
978-3-8252-8422-0
UTB
Hans Barkowski
Hans-Jürgen Krumm
Fachterminologie ist die "Geheimsprache" eines Faches: ohne sie lassen sich Fachtexte nicht lesen, verstehen und produzieren. Der Zugang zu einem Fach erfolgt immer auch mit Hilfe der Terminologie. Insofern ist das vorliegende Fachlexikon ein nützliches Werkzeug für die Bewältigung des fach- (sprach)lichen Alltags, so dass die Geheimsprache ihre Geheimnisse preisgibt. Viele der behandelten Fachbegriffe werden auch in anderen Disziplinen oder in allgemeiner Bedeutung in der Umgangssprache verwendet, man denke an Begriffe wie "Fertigkeiten", "Kompetenz" oder auch "Satz". Das Fachlexikon will die Spezifik und Bedeutung der Begriffe für das Fachgebiet DaF/DaZ ins Zentrum zu rücken und damit eine präzisere Begriffsverwendung etablieren. Als Nutzer sind Studierende der Auslandsgermanistik, des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache, der Erziehungswissenschaften und des Lehramts ebenso im Blick wie Lehrende und Bereichsleiter in Volkshochschulen sowie in der Sozialarbeit Tätige, aber auch Fachreferenten und Entscheidungsträger in Behörden und politischen Institutionen.
<?page no="0"?> A. Francke Hans Barkowski / Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.) Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache <?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Köln · Weimar · Wien Verlag Barbara Budrich · Opladen · Farmington Hills facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · München A. Francke Verlag · Tübingen und Basel Haupt Verlag · Bern · Stuttgart · Wien Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung · Bad Heilbrunn Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft · Stuttgart Mohr Siebeck · Tübingen Orell Füssli Verlag · Zürich Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn · München · Wien · Zürich Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich UTB 8422 <?page no="2"?> Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Hans Barkowski/ Hans-Jürgen Krumm (Hrsg.) A. Francke Verlag Tübingen und Basel <?page no="3"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. © 2010 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen ISBN 978-3-7720-8322-8 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Satz: Informationsdesign D. Fratzke, Kirchentellinsfurt Druck und Verarbeitung: CPI - Ebner & Spiegel, Ulm Printed in Germany ISBN 978-3-8252-8422-0 (UTB-Bestellnummer) Prof. Dr. Hans Barkowski ist Professor für Auslandsgermanistik/ Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Prof. Dr. Hans-Jürgen Krumm ist Professor für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Universität Wien. Redaktionelle Mitarbeit: Anna Peterwerth - Kerstin Rische - Tina Stein <?page no="4"?> Vorwort der Herausgeber Wofür man das „Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache“ braucht und weshalb wir es gemacht haben Fachterminologie ist die „Geheimsprache“ eines Faches: ohne sie lassen sich Fachtexte nicht lesen, verstehen und produzieren. Der Zugang zu einem Fach erfolgt immer auch mit Hilfe des Werkzeugs „Terminologie“. Insofern geht es uns mit dem Fachlexikon in erster Linie darum, ein nützliches Werkzeug für die Bewältigung des fach(sprach) lichen Alltags zu schaffen, so dass die Geheimsprache ihre Geheimnisse preisgibt. Es ist kein Zufall, dass es für das Fach DaF/ DaZ bislang keine dokumentierte Fachterminologie gibt: es handelt sich um ein relativ junges Fachgebiet, bei dem sich die Fachsprache erst allmählich entwickelt. Wir wollen mit dem Fachlexikon daher auch einen Beitrag zur Konsolidierung des Faches leisten und eine Terminologiedebatte anregen, an der sich die Herausgeber wie die Autorinnen und Autoren - und schließlich auch die Nutzer des Lexikons - beteiligen. Viele unserer Fachbegriffe gibt es auch in anderen Disziplinen oder sie finden sich in allgemeiner Bedeutung in der Umgangssprache, man denke an Begriffe wie „Fertigkeiten“, „Kompetenz“ oder „Äußerung“. Das Fachlexikon stellt den Versuch dar, die Spezifik und Bedeutung der Begriffe für das Fachgebiet DaF/ DaZ ins Zentrum zu rücken und damit eine präzisere Begriffsverwendung zu etablieren. Unsere Erfahrungen in der akademischen Lehre haben uns gezeigt, wie unsicher Studierende - bis in die Diplomarbeit oder Masterthese hinein - gerade in unserem interdisziplinären Fachgebiet sind, wenn es um Terminologie geht, und dann schnell einmal im Internet nachgeschlagen wird - nicht immer mit zufriedenstellendem Ergebnis. Dies hat nur zu einem Teil mit der Solidität der Quellen zu tun: auch wer ein eingeführtes, fachwissenschaftlich ausgewiesenes Nachschlagewerk z.B. der Linguistik oder der Psychologie usw. aufsucht, wird immer wieder feststellen, dass der besondere Fokus des Lernens und Lehrens von Fremdsprachen dort - aus deren Perspektive erwartungsgemäß - allenfalls marginale Beachtung findet. Dabei ist uns - auch in der Zusammenarbeit zwischen Jena und Wien - einmal mehr klar geworden, dass unterschiedliche fachliche Werdegänge und Kontexte zu Unterschieden in der Wahrnehmung des Faches, seiner Schwerpunkte und Perspektiven führen. Es ist ja kein Zufall, dass es ein akzeptiertes Kerncurriculum für Studiengänge des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache nicht gibt, sondern immer wieder von den verschiedenen Orientierungen des Faches die Rede ist, die sich an einzelnen Standorten in Forschung und Lehre auch ablesen lassen. Erst recht wird in der internationalen Fachkooperation deutlich, dass die verschiedenen Fachtraditionen zu unterschiedlichen Begriffsverständnissen und -verwendungen führen, wie das an Begriffen wie „Methode“ oder „Zweitsprache“ exemplarisch ablesbar ist. Ein deutschsprachiges Fachlexikon leistet daher, so hoffen wir, auch einen Beitrag zur Verständigung innerhalb der internationalen Fachgemeinschaft. An wen es sich wendet Ob im Kontext von Universitätsausbildung und wissenschaftlicher Lehre, des Unterrichtens von Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache oder bei der Entscheidung über Projekte zum Sprachenlernen in Integrationskursen - der Bedarf an fachwissenschaftlich fundiertem Orientierungswissen in einer Welt sich vielfach vernetzender Arbeits- und Entscheidungsfelder ist umfänglich. Nicht nur bei der Auswahl der Begriffe, sondern auch in unseren Entscheidungen hinsichtlich der Informationsfokussierung und der Lesbarkeit der Einträge haben wir uns davon leiten lassen, dass wir es mit Nutzerinnen und Nutzern zu tun haben - und zu tun haben wollen -, deren Zugänge zum Fach von den unterschiedlichsten beruflichen Zugängen und Ausbildungshintergründen geprägt sind. Studierende der Auslandsgermanistik und des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache gehören dabei nach unserer Vorstellung ebenso zu den Lesern/ Nutzern wie solche der Erziehungswissenschaften und des Lehramts, Lehrende und Bereichsleiter in Volkshochschulen ebenso wie <?page no="5"?> VI Vorwort der Herausgeber in der Sozialarbeit Tätige, aber auch Fachreferenten und Entscheidungsträger in Behörden und politischen Institutionen u.a.m. Der Informationsbedarf so unterschiedlicher Leser wird unterschiedliche Motive haben und unterschiedlichen „Verwertungsinteressen“ verpflichtet sein: Was sie gleichwohl mit Sicherheit eint, ist das Interesse an wissenschaftlich verbürgten und in der Kommunikation belastbaren Inhalten, dargeboten in einer Sprache, die nicht nur den fachlichen „Insider“ erreicht. Entsprechende Vorgaben leiteten deswegen unsere Autoren und uns selbst bei der redaktionellen Arbeit. Nicht jeder will zu einem Gegenstand/ Stichwort in gleicher Ausführlichkeit und hinsichtlich der selben Bedeutsamkeiten beraten werden. In unserem Fachlexikon haben wir uns deswegen bemüht, mittels umfänglicher Vernetzung der Einzeleinträge deren „Kontaktpotenziale“ zueinander sichtbar werden zu lassen und dabei unsere unterschiedlichen Nutzer in deren verschiedenen Kontexten und Tätigkeitsfeldern vor Augen zu haben. So wird etwa ein politischer Entscheidungsträger, dem im Kontext „Zuwanderungspolitik“ der Begriff „Deutsch als Zweitsprache“ begegnet, sich erst einmal informieren wollen, was damit der Sache nach genau gemeint ist, dabei erfahren, dass DaZ nicht ganz dasselbe ist wie DaF, und auch diesen Begriff noch einmal nachschlagen, um z.B. in Diskursen über sprachliche Integrationskurse angemessen informiert auftreten und sachlich verankerte Urteile abgeben zu können, während ein Student des Faches Deutsch als Fremd- und Zweitsprache den selben Eintrag aufsuchen mag, um ihn in einer Hausarbeit als wissenschaftlich zitierfähige Definition zu verwenden, oder eine Studentin der Erziehungswissenschaften, um sich auf eine naheliegende „Nebenfrage“ im Kontext einer mündlichen Prüfung zum Thema „Förderung von Grundschulkindern mit Migrationshintergrund“ vorzubereiten. Dabei könnte dann der eine oder andere Nutzer über den Verweis auf das Lemma „Spracherwerb“ stolpern, aus Neugier dorthin blättern, von dort zur „Gehirnforschung“ wandern und schließlich noch wissen wollen, was dieses „MRT“, das dort als Forschungstool genannt wird, denn genauer sei … Weshalb sicher noch viele Wünsche offen bleiben Wir wünschten, es wäre anders, aber der eine oder andere Benutzer unseres Fachlexikons wird mit großer Wahrscheinlichkeit immer wieder einmal eine der folgenden Erfahrungen machen: - Sie suchen einen Begriff auf, der aus Ihrer Sicht unbedingt in ein Lexikon der beanspruchten Fachausrichtung hineingehört, und finden ihn nicht; - Sie begegnen in einem Eintrag einem weiteren - fraglos im Fachkontext unseres Lexikons bedeutsamen und auch keineswegs trivialen - erläuterungsbedürftigen Terminus, finden dazu aber keinen Eintrag; - andererseits begegnen Ihnen Lemmata, die nach Ihrer Ansicht nicht in unser Fachlexikon gehören, und deren Text auch keine erkennbaren besonderen Bezüge zu Aspekten des Lernens und Lehrens von Fremdsprachen erkennen lässt; - Sie lesen einen Eintrag und entdecken, dass die darin getroffenen Aussagen nach Ihrer Einschätzung falsch gewichtet sind, nur teilweise zutreffen, zentrale Inhalte und Positionen vermissen lassen …; - bei der Prüfung der Literatur zu einem Lemma entdecken Sie, dass ausgerechnet Ihre Publikationen trotz größter, vielleicht sogar maßgeblicher Bedeutung für gerade diesen Fachausschnitt nicht berücksichtigt wurden … Zunächst: Vermutlich sind Sie zu Recht verärgert und wir bitten gewissermaßen vorauseilend darum, für diese Unvollkommenheiten Verständnis aufzubringen, vielleicht, indem Sie sich in unsere Lage versetzen und dabei v.a. folgende Umstände zu unseren Gunsten in Anrechnung bringen: - den „Pilot-Charakter“ unserer Unternehmung: wir konnten nicht auf eine gesicherte Basis an Fachtermini zurückgreifen und mussten permanent auswählen und dabei die Balance zwischen einem allgemeinen Fremdwörterbuch, einem rein linguistischen oder (lern-)psychologischen oder anderen Fachwörterbuch zu halten versuchen; - die Pluralität wissenschaftlicher Auffassungen: da es sich um namentlich gezeichnete Artikel handelt, haben wir als Herausgeber nur sehr begrenzt harmonisiert und unterschiedliche Akzentuierungen, soweit sie in der Fachdiskussion insgesamt akzeptiert sind, zugelassen; <?page no="6"?> Vorwort der Herausgeber VII - die notwendige Begrenzung des je Lemma verfügbaren Platzes, die immer wieder auch zu Verkürzungen führen musste; - schließlich die Unzulänglichkeiten der Herausgeber, die selbst keineswegs immer übereinstimmende Auffassungen hatten und von denen vielleicht auch das eine oder andere (hoffentlich wenig) in der Abstimmung zwischen Jena und Wien übersehen wurde. Nutzen Sie also unbedingt in allen diesen und vergleichbaren Fragen unser - mitnichten bloß rhetorisches Angebot -, an Verbesserungen für eine zweite Auflage kritisch und womöglich konstruktiv mitzuwirken und schreiben Sie uns (s.u.)! Wo und wie die Diskussion weitergehen könnte Wie schon angesprochen, besteht in unserem Fach noch keineswegs ein Konsens über ein Kerncurriculum und damit auch nicht über die Grenzbereiche, die Wichtigkeit der verschiedenen Bezugsdisziplinen. Auch lassen sich in verschiedenen Teilbereichen Kontroversen ausmachen, die keineswegs alle und eindeutig entschieden sind: das gilt etwa für die Frage der Spracherwerbstheorie(n) mit den entsprechenden - unterschiedlichen! - Konsequenzen für die Rolle von und den Umgang mit Grammatik im Unterricht, das gilt für die Frage, was ein kognitionswissenschaftlicher oder konstruktivistischer Ansatz für unser Fach im Konkreten zu bedeuten habe oder auch für die Bedeutung von empirisch ermittelten Erwerbssequenzen für Entscheidungen/ Empfehlungen, die unterrichtliche Sequenzierung des Lernstoffs, die Progression betreffend und für vieles andere mehr. Als Herausgeber mussten wir gleichwohl Entscheidungen treffen und die betrafen v.a. die Auswahl der Stichwörter, leiteten aber durchaus auch die Auswahl der Autorinnen und Autoren. Dabei spielten u.a. Fragen wie die folgenden eine bedeutsame Rolle: Die (angewandte) Sprachwissenschaft und die Grammatologie verfügen über eine lange Fachtradition und eine entsprechend ausdifferenzierte Fachterminologie, während Sprachlehrforschung und Sprachdidaktik als jüngere Disziplinen hier noch Nachholbedarf haben. Dürfen sich solche Ungleichgewichtigkeiten auch in einem Fachlexikon spiegeln oder beeinträchtigen sie als ‚heimlicher Lehrplan‘ die Diskussion über den Kern de Faches? Lassen sich Deutsch als Fremdsprache mit den traditionell engeren Bezügen zu linguistischen, landeswissenschaftlichen und fremdsprachendidaktischen Kontexten und Deutsch als Zweitsprache mit seinen hinzukommenden sprachenrechtlichen, soziolinguistischen und sozialpsychologischen Dimensionen sinnvoll in einem Fachlexikon zusammenführen? Mit diesem Fachlexikon legen wir einen ersten Versuch vor, trotz fehlenden Fachkonsenses zu den angesprochenen Gewichtungen und Perspektivierungen Orientierungen anzubieten und Normen zu setzen, die sich ihrerseits durchaus als einer kritischen Prüfung zugänglich verstehen. Dabei ist die Auswahl der Stichwörter das Ergebnis eingehender und engagiert ausgetragener Aushandlungsprozesse zwischen den beiden Herausgebern, wobei die Bedeutung der Termini in deren je eigenem fachlichen Kontext - einschließlich außeruniversitärer Erfahrungen im Kontext von Lehrerweiterbildung, fachpolitischem Engagement und Institutionenberatung - eine leitende Rolle spielte. Aber auch die - in einigen Fällen abgefragten - Bedürfnisse unserer Studierenden und nicht wenige der aus Gesprächen und Korrespondenzen mit einzelnen Autorinnen und Autoren gewonnenen Vorschläge zu weiteren Einträgen fanden Eingang in unsere Begriffsliste. Dabei haben wir bewusst auch ‚historische‘ Fachbegriffe wie z.B. die „AVSG- Methode“ oder regionale Aspekte, wie z.B. den vor allem in Österreich beheimateten Begriff „Fremdsprachenwachstum“ einbezogen; schließlich hat auch unser junges Fach bereits eine kleine Fachgeschichte, und die Plurizentrik, die Hinweise auf den deutschen Sprachraum in seinen arealen Differenzierungen, gehört u.E. durchaus zu den bedeutsamen Themen des Faches. Relativ zurückhaltend waren wir gegenüber englischsprachigen Fachbegriffen: diese wurden nur einbezogen, wo sie sich auch im deutschen Sprachgebrauch unseres Faches fest etabliert haben, wie dies z.B. für die „Input-Hypothese“ gilt. An einem Punkt haben wir eine Entscheidung getroffen, der wir selbst zwiespältig gegenüberstehen: Wir mussten aus Platzgründen auf alle Wortetymologien verzichten, obwohl viele davon auch nach unserer Ansicht die Einsicht in den Bedeutungsgehalt eines Terminus erleichtern - und wir haben dies konsequent getan, weil doch allzu viele Autoren mit vielen guten Gründen einen Dispens von dieser Regelung erbaten. Dass mit unseren Entscheidungen die Diskussion um die Fachbegriffe des Deutschen als <?page no="7"?> VIII Vorwort der Herausgeber Fremd- und Zweitsprache nicht beendet ist, sondern - hoffentlich - neu aufflammt, ist unser Wunsch. Wobei wir dieses Fachlexikon als ein dynamisches Projekt verstehen, das sich mit seiner Erprobung in der Lehr- und Forschungspraxis durchaus verändern soll und wird. Dies und das - vor allem: Dankesworte 1.400 Stichwörter, 184 Autorinnen und Autoren - was da an Arbeit auf uns zukam, haben wir damals, als wir 2006 die ersten Überlegungen zum Projekt eines Fachlexikons Deutsch als Fremd- und Zweitsprache anstellten, keineswegs geahnt und nur teilweise überblickt. Zu schaffen war die Arbeit nur, weil wir sie zum Glück nicht allein bewältigen mussten. Zum einen und allererst ist den Autorinnen und Autoren zu danken, die durchweg konstruktiv mitgespielt haben, bei den Terminabsprachen ebenso wie bei den Kürzungs- und Überarbeitungsverhandlungen, wobei es immer wieder auch zu für beide Seiten interessanten und gewinnbringenden Auseinandersetzungen kam - quasi „Mini-Kolloquien“ innerhalb des Buchprojekts. Ein ganz besonderer Dank gilt unseren Mitarbeiterinnen in Jena und Wien, wobei festgehalten werden muss, dass Jena, was redaktionelle Arbeiten für den gesamten Band betrifft, die Hauptlast getragen hat: war es in der Startphase noch Jacqueline Fiuza da Silva Regis, die den Grundstein der logistischen Basis der „Jena- Wien-Achse“ und des gemeinsamen Daten-Pools legte, übernahmen sehr bald Anna Peterwerth, die über lange Zeit das Projekt koordinierte, und Kerstin Rische den „Staffelstab“, bis schließlich im September 2008 Tina Stein das Team ergänzte und alle drei gemeinsam die Erstellung des Gesamtmanuskripts zu Händen des Verlags auch unter größter Belastung in bewundernswert effizienter und harmonischer Weise zu einem guten Ende brachten. In Wien haben Ulrike Eder und Andrea Dorner jeweils für kürzere Zeit das Projekt begleitet. Ein solches Projekt setzt einen Verlag voraus, der bereit ist, neue Wege zu gehen. Wir hatten das Glück, in der Startphase mit Herrn Jürgen Freudl vom Narr Verlag zu beginnen, der uns ermutigt und gleichzeitig viel Freiheit gelassen hat. Frau Susanne Fischer hat dann ab Herbst 2008 ein halbfertiges Projekt übernommen und kompetent zu Ende geführt. Schließlich gilt ein ganz besonderer, persönlicher Dank Sigrid Illek-Barkowski und Eva-Maria Jenkins-Krumm, unseren Frauen, die nicht nur unsere Stressphasen weit länger als geplant ausgehalten haben und so manche gemeinsame Unternehmung unserem Buchprojekt opfern mussten, sondern uns darüber hinaus (und trotzdem …) immer wieder entlastet und unterstützt haben. Dass schließlich auch wir, die Herausgeber, ein Projekt dieser Größenordnung mit seinen besonderen fachlichen Unwägbarkeiten und Herausforderungen, bei dem so viele unvorhersehbare Entscheidungen zu treffen und Kompromisse zu finden waren, mit langem Atem gemeinsam durchgestanden haben, verdankt sich mit Sicherheit auch der in einer fast 40-jährigen Geschichte erprobten und gehärteten fachlichen und freundschaftlichen Beziehung. Auch in diesem Sinne ist dieses Fachlexikon „unser Buch“! Und natürlich gilt: sofern dieses Buch gelungen ist, so verdanken wir das der Unterstützung Vieler, was dagegen noch fehlerhaft und verbesserungsbedürftig ist, dafür übernehmen wir als Herausgeber die Verantwortung. Hans Barkowski, Jena Hans-Jürgen Krumm, Wien Nachhaltige Mail-Adresse für Anregungen und Kritik: Fachlexikon DaF/ DaZ <barkowski_krumm_ fachlex@yahoo.de> <?page no="8"?> Hinweise zur Benutzung gengelesen, aber bei 1.400 Stichwörtern ist uns da sicher manches „durchgerutscht“ … - Die Literaturangaben je Lemma wurden in einem definierten Verhältnis zum vorgegebenen Umfang eines Lemmas begrenzt und beziehen sich entweder auf im Text angesprochene Literatur oder wurden ausgewählt, um dem Nutzer des Lexikons einen Einstieg in die weitere Beschäftigung mit dem verhandelten Fachgegenstand anzubieten (Service-Funktion). - Wie in Lexika üblich, wird innerhalb der Lemmata z.T. ausgiebig von konventionalisierten, aber auch von ad hoc „erfundenen“ Abkürzungen Gebrauch gemacht; deren Bedeutung lässt sich im Zweifelsfall in einem dazu eingerichteten Verzeichnis verwendeter Abkürzungen nachschlagen. - Was man sonst noch wissen muss, um unsere Lemmata besser lesen und nutzen zu können, erklären wir i. F. an einem Beispiel, das alle von uns systematisch verwendeten Konventionen der Textgestaltung enthält: Regens, das: „Regierend“; 1. Gelegentlich verwendeter allgemeiner grammatischer Terminus für Verben, Präpositionen und Adjektive hinsichtlich ihrer Fähigkeit, die morphologisch-syntaktische Form von Wörtern/ Wortgruppen, die in ihrer Nachbarschaft vorkommen, zu regieren ( Rektion). Z.B. regiert die Präposition wegen das ihr zugeordnete Substantiv hinsichtlich Kasus (hier: Genitiv): wegen des Wetters, ist mithin dessen R. usw. usf. Erläuterung: Rektion Fettungen von Begriffen wurden ausschließlich für Verweise auf weitere im Fachlexikon enthaltene Begriffe vorgenommen; dabei wird nur auf solche Lemmata hingewiesen, die für den Text, in dem sie stehen, besonders bedeutsam sind; d.h., es können sich in einem Eintrag auch noch andere Begriffe des Fachlexikons befinden, auf die nicht durch Fettung verwiesen wird. Verweise sind durch einen direkt vor dem Verweisbegriff platzierten Pfeil vom weiteren Text abgesetzt. - Wir haben aus Platzgründen darauf verzichtet, in den Artikeln Doppelformen wie „Lernerinnen und Lerner“ zu verwenden und auch das Binnen-I (LernerInnen) nicht verwendet; es gilt also die „Vereinbarung“ der generischen Interpretation, wonach die maskuline Form für beide Geschlechter gilt. Von einzelnen Autorinnen und Autoren anders gehandhabte Verfahrensweisen wurden von den Herausgebern vereinheitlicht. - Nominale Begriffe werden in der Regel als Einträge im Singular mit ihrem Artikel aufgeführt, um den Nutzern nichtdeutscher Muttersprache damit das Genus anzuzeigen. Lediglich in Fällen, wo die Artikelverwendung zu grammatisch nicht korrekten Ausdrücken führen würde (vgl. Deutscher Akademischer Austauschdienst, *der) bzw. eher ungebräuchlich bzw. semantisch nicht gut vertretbar ist, wie z.B. bei ‚Deutsch als Fremdsprache‘, ist kein Artikel angegeben. Fremdsprachliche Lemmata wie ‚langue‘ usw. sind grundsätzlich ohne Artikel aufgeführt. - Adjektivische Begriffe wie z.B. ‚intransitiv‘ werden in Kleinschreibung präsentiert, um sie - auch hinsichtlich ihres Gebrauchs - von nominalen Begriffen, die von Adjektiven abgeleitet sind, wie z.B. ‚Adverbial‘, unterscheidbar zu machen. - Begriffe, die in der fachlichen Verwendung sowohl in ausformulierter Form als auch als Kürzel in Gebrauch sind (wie z.B. Deutscher Akademischer Austauschdienst DAAD), wurden grundsätzlich in beiden Formen aufgenommen; dabei findet sich der erläuternde Text in der Regel bei der Lemmavariante, die nach dem Dafürhalten der Herausgeber frequenter verwendet wird. Wo dies eine Nutzerin, ein Nutzer unseres Fachlexikons anders „abgespeichert“ hat und deswegen gelegentlich beim ersten Zugriff nur einen Verweis vorfindet, bitten wir um Nachsicht - wie übrigens auch für den Fall, dass ein Verweisbegriff aus einem anderen aufgesuchten Lemma zunächst nur zu einem weiteren Verweis führt: dies haben wir zwar redaktionell zu verhindern versucht und eingehend ge- <?page no="9"?> X Hinweise zur Benutzung R. Aus Platzgründen werden die Lemmata im weiteren Text ihres Eintrags in der Regel mit gefettetem Erstbuchstaben zitiert, wobei das Kürzel unterschiedslos alle jeweils zutreffenden deklinierten Formen vertritt, die bei ungekürzter Schreibung auftreten würden. Bei Begriffen, die in zahlreichen Varianten/ Komposita vorkommen, haben Autoren gelegentlich auch zwei Buchstaben als Kürzel verwendet, wie z.B. Gv. für den Begriff ‚Grammatikvermittlung‘. wegen des Wetters Kursivschreibung wurde ausschließlich dann verwendet, wenn sprachliche Ausdrücke ihrerseits Gegenstand von Aussagen sind bzw. zur Erläuterung von Sachverhalten Verwendung finden. Unterstreichungen innerhalb solcher Kursivausdrücke, wie im obigen Beispiel, dienen der besonderen Wahrnehmungsfokussierung im Kontext getroffener Aussagen (hier: Genitiv). Darüber hinaus werden Unterstreichungen nur selten verwendet und erklären sich hinsichtlich ihrer Funktion „vor Ort“. Die Nummerierungen innerhalb der Einträge haben in der Regel textgliedernde Funktion. Eine Sonderfunktion haben dagegen gefettete Zahlen, wie z.B. 1. im obigen Beispiel: sie zeigen an, dass der gleiche Terminus in unterschiedlichen Bedeutungen anzutreffen ist und die gegebenen Varianten unter 1. , 2. usw. besprochen werden. I.Ü. waren die Autoren ausschließlich den üblichen Konventionen wissenschaftlicher Textgestaltung verpflichtet und nutzen deren Spielräume, ohne dass die Herausgeber - etwa im Interesse formal motivierter Vereinheitlichung - hier redaktionell Harmonisierungen verfolgt haben. <?page no="10"?> Abkürzungsverzeichnis a.a.O. am angeführten Ort a.d. Griech. aus dem (Alt-)Griechischen a.d. Lat. aus dem Lateinischen Ahd. Althochdeutsch allg. allgemein Bd./ Bde. Band/ Bände bes. besonders bezügl. bezüglich BRD Bundesrepublik Deutschland Bsp. Beispiel bspw. beispielsweise bzw. beziehungsweise CH Schweiz D Deutschland d.h. das heißt ders. derselbe DET Determinativpronomen didakt. didaktisch dgl. dergleichen dt. deutsch DU Deutschunterricht dzgl. diesbezüglich einschl. einschließlich etc. et cetera engl. englisch EU Europäische Union evtl. eventuell f. für frz. französisch FSU/ FU Fremdsprachenunterricht Fut. Futur GB Großbritannien gegr. gegründet gen. genannt germ. germanisch ggf. gegebenenfalls Ggs. der Gegensatz grammat. grammatisch hebr. hebräisch Hrsg. Herausgeber i.A. im Allgemeinen i.d.R. in der Regel i.E. im Einzelnen i.e. id est = das bedeutet i.F. im Folgenden i. Ggs. z. im Gegensatz zu i.S. im Sinne i.Ü. im Übrigen i.W./ i.Wesentl. im Wesentlichen incl./ inkl. inklusive insbes. insbesondere internat. international Jh. Jahrhundert Konj. Konjunktiv lexikal. lexikalisch ling. linguistisch Lit. Literatur MA Mittelalter mdl. mündlich method. methodisch Mio. Millionen N Nomen/ Nominal nat. national NP Nominalphrase o. oder obd. oberdeutsch o.gen. oben genannt österr. österreichisch Perf. Perfekt Pers. Person Pl. Plural Plusq. Plusquamperfekt polit. politisch Präs. Präsens pragmat. pragmatisch russ. russisch S Satz s. siehe s.a. siehe auch schriftl. schriftlich Sg. Singular s.i.Ü. siehe im Übrigen sog. sogenannt syn. synonym tw. teilweise u. und u.a. unter anderen u.a.m. und anderes mehr u.Ä. und Ähnliches u.ä.m. und ähnliches mehr u.E. unseres Erachtens ugs. umgangssprachlich ung. ungarisch u.v.a.m. und vieles andere mehr <?page no="11"?> urspr. ursprünglich usf. und so fort usw. und so weiter v.a. vor allem vgl. vergleiche vs. versus Wb. Wörterbuch wiss. wissenschaftlich z.B. zum Beispiel z.T. zum Teil zit. zitiert zw. zwischen *… kennzeichnet nicht-korrekte (Beispiel-)Sätze <?page no="12"?> Acquisition 1 A ABCD-Thesen, die: im Mai 1990 von Vertretern der Deutschlehrerverbände aus Österreich (A), der Bundesrepublik Deutschland (B), der Schweiz (C) und der Deutschen Demokratischen Republik (D) im Rahmen einer Arbeitsgruppe des Internationalen Deutschlehrerverbandes verabschiedete Thesen zur Rolle der Landeskunde im Deutschunterricht. Die Thesen sind geprägt von der Suche nach Gemeinsamkeiten und Kompromissen zwischen den ideologischen Blöcken, zugleich trugen sie zur Neuorientierung der Landeskunde bei, die darin als ein Prinzip verstanden wird, das sich über die Kombination von Sprachvermittlung und kultureller Information realisieren soll und in Form von Austausch und Begegnung über den Unterricht hinausreicht. Ein wichtiges Anliegen besteht darin, die kulturelle und sprachliche Vielfalt des deutschsprachigen Raums konzeptionell zu berücksichtigen und die einseitige Fokussierung auf ein dominantes Zentrum (die Bundesrepublik) zu vermeiden. Als besonders wichtig für die Entwicklung der Methodik und Didaktik landeskundlichen Unterrichts werden die Kooperation zwischen Fachvertretern und Mittlerverbänden, die bi- und multilaterale Fortbildung und die Lehrwerkentwicklung angesehen. Die Thesen wurden durch drei 1998 erschienene Materialbände „Landeskunde - deutschsprachige Länder“ ergänzt. Aus der mit den ABCD-Thesen begründeten Zusammenarbeit der deutschsprachigen Länder hat sich das D-A-CH-Konzept entwickelt. „ABCD-Thesen zur Rolle der Landeskunde im Deutschunterricht“ (1990), in: Fremdsprache Deutsch 3, 306-308. Rainer Bettermann Abhängigkeitsgrammatik, die: s. Dependenzgrammatik Ablaut, der: auch: Apophonie; regelmäßige Veränderung des Stammvokals in verwandten Wörtern, entstand im Indogermanischen durch Akzentverschiebungen. Im Deutschen tritt der A. in starken Verben und den von diesen Verben abgeleiteten Substantiven auf. Der A. ist eine Form der inneren Flexion (neben Umlaut und Suppletion). Er dient sowohl zum Ausdruck verbaler Flexionskategorien ( Konjugation von starken Verben: sprechen - sprach - gesprochen) als auch zur Wortbildung (implizite Ableitungen vom Verbstamm: sprechen - die Sprache). Die Regelmäßigkeit des A. spiegelt sich in den Ablautreihen wider (z.B. „ie - o - o“: fliegen - flog - geflogen, wiegen - wog - gewogen; „ei - i (e) - i (e)“: reiten - ritt - geritten, schreiben - schrieb - geschrieben usw.). Marina Matthey Ableitung, die: s. Derivation Ableitungsaffix, das: Sammelbezeichnung für nicht frei vorkommende, reihenbildende (wiederholt vorkommende) Wortbildungsmorpheme, die bei der Derivation in Verbindung mit einem Grundmorphem/ Lexem der Bildung neuer Wörter dienen. Nach der Stellung der A. in Bezug auf das Grundmorphem/ Lexem unterscheidet man Präfixe (stehen vor der Basis, z.B. unlesbar), Suffixe (stehen nach der Basis, z.B. Gesundheit) und Infixe (werden in die Basis eingefügt, z.B. entscheidungsunfreudig). Für eine Kombination aus Präfix und Suffix, wie z.B. in Gerede findet man darüber hinaus die Bezeichnung Zirkumfix. Erben, J. (2000), Einführung in die deutsche Wortbildungslehre, 4., aktualisierte und ergänzte Aufl., Berlin. Renate Freudenberg-Findeisen absolutes Verb: Verb, das typischerweise nur durch ein Subjekt ergänzt werden muss, damit ein grammatisch richtiger Satz entsteht: Anton schläft. Von solchen originär a.V. zu unterscheiden sind Verben, die man a. gebraucht nennt. Das sind Verben, die typischerweise außerdem ein Objekt verlangen: Anton isst einen Apfel., die aber auch ohne Objekt vorkommen können: Anton isst (gerade)., vgl. dagegen: Anton bringt das Buch. - *Anton bringt. Den Begriffen a. - a. gebraucht entsprechen die allgemeineren Begriffe transitiv - intransitiv gebraucht und innerhalb der Valenzgrammatik die Begriffe der Wertigkeit und der obligatorischen und fakultativen Ergänzung. Klaus Welke Abtönungspartikel, die: s. Partikel Acquisition: engl. für „Erwerb(en)“, in der Bedeutung von Spracherwerb auch im deutschen Sprachraum verwendet: Für den Erstsprach(en) erwerb postuliert Chomsky den Language Acqui- <?page no="13"?> 2 Adjektiv sition Device ( LAD), einen Spracherwerbsmechanismus, der dem Kind in Verbindung mit der Universalgrammatik ermöglicht, die Grammatik jeder natürlichen Sprache zu erwerben. A. bedeutet hier u.a. die Parameterfixierung, die auf Grund angeborenen sprachlichen Wissens zu einer Kerngrammatik der Erstsprache führt. Aus dem Input erschlossen werden hingegen „periphere“ (Rand-)Erscheinungen der Grammatik (z.B. unregelmäßige Verben, Idiome) und der Wortschatz der Sprache (Klann-Delius 1999, 53). Für den Zweitspracherwerb stellt Krashen die „A./ Learning Hypothesis“ auf, die streng dichotomisch zwischen Lernen und Erwerben unterscheidet. ‚„Learning“ kann nicht A. werden‘ (Krashen 1985, 48): Bewusst, explizit und formal Gelerntes kann nicht in der natürlichen Kommunikation eingesetzt werden. Er postuliert, einzige Quelle von A. sei verständlicher Input, was er in seinem „Natural Approach“ für den Unterricht zu operationalisieren versucht. Chomsky und Krashen wurden vielfach kritisiert und alternative Erklärungsmodelle entwickelt. Klann-Delius, G. (1999), Spracherwerb, Stuttgart. - Krashen, S.D. (1985), The Input Hypothesis: Issues and Implications, London. Klaus-Börge Boeckmann Adjektiv, das: Bezeichnung für eine bestimmte Unterklasse der Wortarten; aus semantischer Sicht bezeichnen A. Merkmale bzw. Eigenschaften von Personen, Dingen, Vorgängen usf. A. können in unterschiedlicher syntaktischer Funktion verwendet werden und zwar 1. attributiv; 2. adverbial und 3. prädikativ. In attributiver Verwendung ist ein A. Teil nominaler Ausdrücke wie in das morgige Wetter und passt sich hinsichtlich der morphologischen Markierung seinem Bezugsnomen hinsichtlich Genus, Numerus und Kasus an; eine weitere Einflussgröße für das Deklinationsparadigma ( Deklination) der A. ist mit der Definitheit/ Indefinitheit eines nominalen Ausdrucks verbunden, vgl. ein schöner Mann/ der schöne Mann; gute Zeiten/ die guten Zeiten; zusätzliche Differenzierungen ergeben sich in Abhängigkeit von weiteren Artikelwörtern ( Artikel). Mit der hohen Komplexität des Deklinationsparadigmas attribuierter Nominale geht einher, dass deren standardgerechte Beherrschung mit langen Lern-/ Erwerbszeiten verbunden ist und besonderer Förderung bedarf, darunter durch intensives, häufiges und regelmäßiges Üben; parallel dazu sollten entsprechende Lernerproduktionen nicht mit einem zu hohen Korrektheitsanspruch belastet werden. Dem gegenüber gehören der adverbiale - Gestresste schlafen schlecht. - sowie der prädikative Gebrauch - Lerner sind verletzlich. - nicht zu den prominenten Lernschwierigkeiten beim Erwerb des Deutschen. Zur Unterscheidung adverbial verwendeter A. von Vertretern der Wortart Adverb ist der Versuch zielführend, die zu prüfenden Ausdrücke versuchsweise attributiv zu verwenden: vgl. Ich radle eifrig/ gern - Ich bin ein eifriger/ *gerner Radler. Sabira Levin Adressat, der: in synonymem Gebrauch auch ‚Rezipient‘; 1. Begriff aus der Satzanalyse und dort der Perspektive zugeordnet, semantische Rollen samt ihrer morphosyntaktischen Formmerkmale in Relation zueinander zu identifizieren und zu beschreiben; im Deutschen wird der A. v.a. mittels Dativ markiert: Warum schreibst du mir (A.) nie? , es finden sich aber auch präpositionale Realisierungen: Sei nett zu deiner Großmutter! ; Für dich mache ich gern einen Umweg. Dabei gilt der Terminus nicht nur im Fall positiver Zuwendungen ( Benefaktiv), sondern auch für semantische Verhältnisse wie in Mir wurde schon drei Mal mein Fahrrad geklaut. ( Malefaktiv). 2. Bezeichnung für Lernende, wenn betont werden soll, dass der Unterricht gezielt auf ihre Vorkenntnisse und Bedürfnisse ausgerichtet ist ( Lernorientierung). Hans Barkowski Adverb, das: häufig als Umstandswort bezeichnet, da A. ein Geschehen, Objekt o.ä. bezüglich seiner Umstände (wo, wann, wie, warum, usw.) näher beschreiben. I.d.R. sind A. nichtflektierbar und satzgliedfähig (z.B. Susanne wohnt dort.). Sie regieren keinen Kasus und kongruieren nicht. Gemäß ihrer wörtlichen Bedeutung sind A. etwas, das Gesagtem hinzugefügt wird, sie befinden sich aber syntaktisch nicht immer in dessen Nähe. Neben den Verben modifizieren A. auch Adjektive, andere A., Substantive oder auch ganze Sätze, z.B. vielleicht, sehr, leider. Die lexikalische Klasse der A. ist eine offene Klasse. Neue Mitglieder werden vor allem über die Wortbildungsmorpheme -weise/ -erweise, -wärts, -maßen, -halber, -s gebildet ( Wortbildung). <?page no="14"?> Agglutination 3 Hoffmann, L. (2007), „Adverb“, in: Hoffmann, L. (Hrsg.), Handbuch der deutschen Wortarten, Berlin/ New York, 223-264. Mandy Höhle Adverbial, das: auch: a. Bestimmung, A.bestimmung, a. Ergänzung, a. Angabe, freies A.: bezeichnet eine Satzgliedfunktion, im Gegensatz zu dem mit dem A. häufig verwechselten Adverb, das eine Wortart darstellt ( Satzglied). A. können im Valenzrahmen eines Wortes angelegt sein, sie sind dann nicht weglassbar, z.B. Klaus begibt sich [nach draußen]. vs. *Klaus begibt sich. Meist treten A. jedoch als Angaben im Satz auf und modifizieren lediglich den sprachlichen Ausdruck. Syntaktisch beziehen sich A. entweder auf Verben (z.B. Klaus kocht [ gut].) oder auf ganze Sätze (z.B. [Glücklicherweise] kocht Klaus heute.). Semantisch drücken sie die Umstände eines Geschehens aus. U.a. wird nach der Art und Weise ( Modal-A.), nach dem Grund (Kausal-A.), nach Ortsangaben ( Lokal-A.) und Zeitangaben ( Temporalangabe-A.) differenziert. Formal treten A. als Adverbien (z.B. Klaus tanzt gern.), als Nominalphrasen (z.B. Klaus tanzte die ganze Nacht.), als Präpositionalphrasen (z.B. Der Nachtclub liegt am anderen Ende der Stadt.) oder als Nebensätze (z.B. Klaus tanzte, bis der Morgen graute.) auf. Eisenberg, P. (2006), Grundriss der deutschen Grammatik, Bd. 2, Der Satz, 3. Aufl., Stuttgart/ Weimar. Mandy Höhle Affix, das: zum Wortstamm hinzutretendes Formelement. A. sind gebundene, d.h. nicht frei vorkommende Morpheme. Je nach der Stelle im Wort unterscheidet man Präfixe (Un-rat), Infixe (auch „Fugenelement“ -s und -n: Abschied-sfete, Diele-n-fenster), Suffixe (Freund-schaft) und Zirkumfixe als Kombinationen von Prä- und Suffix (ge-gang-en, Ge-red-e). Der Funktion nach unterscheidet man 1. derivative bzw. Ableitungsaffixe als Wortbildungsmorpheme und 2. Flexionsaffixe (syn. zu Flexionsmorpheme) als Wortformbildungsmorpheme (s.a. Flexion). Bedeutend für den Fremdsprachenerwerb sind derivative A. wie z.B. „-heit“, „-keit“ im Bereich der Substantivbildung u.a. für die Genuszuweisung und „-bar“, „-ig“, „-lich“ bei den Adjektiven für die Bedeutungserschließung. Sabira Levin Affrikata/ Affrikate, die: enge Verbindungen von einem Explosiv (Sprenglaut) mit folgendem Frikativ (Reibelaut). Im engeren Sinne zählen dazu nur Lautverbindungen, die an gleicher oder ähnlicher Artikulationsstelle gebildet werden und sprachhistorisch aus dem Explosiv entstanden sind. Im Deutschen sind dies [pf] und [ts], im Schweizerdeutschen auch [kx]. Die A. [pf] ist in der Aussprache des Deutschen als Fremdsprache häufig problematisch, da sie nur in wenigen Sprachen auftritt. [ts] ist zwar in vielen Ausgangsmuttersprachen vertreten, hier bereitet jedoch die Buchstaben-Laut-Zuordnung Schwierigkeiten: international <z> [z], nur deutsch <z> [ts]. Beate Lex Agens, das: bezeichnet in semantisch fokussierenden Sprachbeschreibungen, so z.B. in der Kasusgrammatik, den Aktanten (den Handelnden oder den Verursacher einer Handlung) im Satz. Das A. ist keine syntaktische Funktion, sondern eine semantische Rolle. Das A. ist deswegen auch nicht automatisch Subjekt des Satzes, wie folgende Beispiele zeigen: 1. Paula streichelt die Katze.; 2. Die Katze wird von Paula gestreichelt.. Im ersten Satz ist Paula das A., da sie aktiv handelt, und gleichzeitig auch das Subjekt. Im zweiten Satz ist Paula nicht Subjekt, wohl aber das A. Die Katze ist im zweiten Satz hingegen das Subjekt, nicht aber A., sondern Patiens. Die Unterscheidungen A. vs. Patiens sowie A. vs. Subjekt sind im DaF-Kontext v.a. bei der Vermittlung des Passivs von Bedeutung. Marina Matthey Agentiv, der: Als A. wird in der Kasusgrammatik jener Tiefenkasus bezeichnet, der den Ausführenden oder den Verursacher der durch das Verb beschriebenen Handlung oder Tätigkeit bezeichnet (s.a. Agens). Anders als die Kasus im Verständnis und Kontext des traditionellen Kasusbegriffs (z.B. Nominativ) ist der A. nicht morphologisch, sondern durch seine semantische Rolle im Satz definiert, z.B.: 1. Der Lehrer lobt Anja.; 2. Anja wurde vom Lehrer gelobt. In beiden Sätzen steht der Lehrer im A. Marina Matthey Agglutination, die: bezeichnet eine Verbindung von zwei oder mehreren Morphemen zu einem neuen Wortgebilde. Die Morpheme werden an- <?page no="15"?> 4 agglutinierende Sprache einandergefügt ohne zu verschmelzen, d.h. sie sind dabei keinen oder nur geringfügigen Veränderungen unterworfen und die einzelnen Teile bleiben leicht segmentierbar ( Juxtaposition). Agglutinierenden Affixen wird ein einfaches Form-Funktion-Verhältnis zugeschrieben, d.h. einem agglutinierenden Affix entspricht i.d.R. nur ein Bedeutungsmerkmal, und für jedes Bedeutungsmerkmal steht auch nur ein Affix (oft in mehreren Varianten) zur Verfügung. Die grammatische Struktur der sog. agglutinierenden Sprachen (wie z.B. Türkisch, Ungarisch, Finnisch, Estnisch oder Mongolisch) ist dadurch sehr systematisch und weitgehend regelmäßig. Das Deutsche ist eine fusionierende Sprache, trägt aber auch agglutinierende Züge. Z.B. werden der Komparativ der Adjektive (das schöne Wetter - das schön-er-e Wetter; bei schönem Wetter - bei schön-er-em Wetter) oder auch das Präteritum der schwachen Verben (in der 1. und 2. Ps. Sg. und im Pl.: ich kaufe - ich kauf-t-e; du kaufst - du kauf-t-est; wir kaufen - kauf-t-en; ihr kauft - kauf-t-et) mit agglutinierenden Suffixen realisiert (vgl. Eisenberg 2006, 156, 370 und 403). Eisenberg, P. (2006), Grundriss der deutschen Grammatik, Bd. 1: Das Wort, 3. Aufl., Stuttgart/ Weimar. Sabine Dengscherz agglutinierende Sprache: synthetischer Sprachtyp, der durch die Ankettung von Affixen (v.a. Suffixen) an den Wortstamm gekennzeichnet ist. Sprachelemente sind leicht segmentierbar: Wortstamm und Affixe haben klar erkennbare Formen und Grenzen, Affixe tragen i.d.R. nur eine einzige grammatische Bedeutung. A.S. schneiden im Sprachvergleich als besonders regelmäßige Sprachen ab. Weitere typische Eigenschaften nach Haarmann (1976, 57) sind: zahlreiche wortbildende Suffixe und nominale Verbalformen (Partizipien, Infinitive), wenige Formwörter (z.B. Postpositionen, Konjunktionen, Personalpronomina); die unmarkierte Wortfolge ist SOV (Subjekt - Objekt - Verb). Als typische Vertreter der a.S. gelten Türkisch und Ungarisch. Durch die Aneinanderkettung von mehreren Suffixen können komplexe Wort-Satz-Gebilde entstehen (z.B. ung. Fel-világos-ít-hat-ná-lak. - Ich könnte dich aufklären.). Agglutinierend sind u.a. die uralischen Sprachen, zu denen die finnisch-ugrischen (Ungarisch, Finnisch, Estnisch, Ostjakisch etc.) und die samojedischen Sprachen (Nenzisch, Enzisch etc.) gehören, sowie die altaischen Sprachen, die in Turksprachen (Türkisch, Kirgisisch, Usbekisch, Jakutisch etc.), mongolische (Ordoss, Burjatisch, Kalmückisch etc.) und tungusische Sprachen (Evenkisch, Mandschu etc.) unterteilt werden (vgl. Ineichen 1991, 49f. und 140ff.). Haarmann, H. (1976), Grundzüge der Sprachtypologie, Stuttgart. - Ineichen, G. (1991), Allgemeine Sprachtypologie, Darmstadt. Sabine Dengscherz Agrammatismus, der: Störungsform der Sprachfähigkeit ( Aphasie), bei der der Satzbau betroffen ist. A. gilt als Leitsymptom der Broca-Aphasie ( Brocasches Zentrum). Zusammenhängende Äußerungen bestehen zumeist nur aus Einwortsätzen oder kurzen Wortgruppen aus wenigen Inhaltswörtern (Substantive, Verben, Adjektive). Funktionswörter dagegen (Konjunktionen, Präpositionen, Artikel etc.) treten kaum auf. Die Inhaltswörter erscheinen i.d.R. unflektiert in ihrer Grundform. Die syntaktische Struktur ist stark vereinfacht bzw. sind syntaktische Zusammenhänge in Sätzen von Patienten mit diesem Störungsbild kaum erkennbar, da nicht nach grammatischen Relationen wie Subjekt, Objekt, Hauptsatz oder Nebensatz differenziert wird (Untersucher: Was sind jetzt ihre Probleme? Patient: Fuß, Hand, Schreiben, Rechnen schwer). Die Äußerungen dieser Patienten sind stark elliptisch. Deshalb wird der agrammatische Satzbau häufig auch als Telegrammstil bezeichnet. Die Erkenntnisse der Neuropsychologie aus Sprachstörungsbildern wie dem A. haben Sprachtheoretiker (so z.B. Pinker) veranlasst anzunehmen, dass das menschliche Gehirn Sprache mithilfe eines Regel- und eines Wortspeichers generiert: Der A. sei jene Störungsform, bei der Teile des Regelzentrums geschädigt seien. Aus diesem Grund komme es zur Bildung syntaktisch inkorrekter Sätze. Der Wortspeicher dagegen sei von der Störung nicht betroffen, Patienten mit A. hätten demnach keine Probleme Inhaltswörter zu produzieren. Goldenberg, G. (2007), Neuropsychologie, Grundlagen, Klinik, Rehabilitation, 4. Aufl., München/ Jena. - Pinker, S. (2006), Wörter und Regeln, Die Natur der Sprache, Paderborn. Mandy Höhle <?page no="16"?> Aktiv 5 AILA: s. Association Internationale de Linguistique Appliquée AKDaF: s. Arbeitskreis DaF/ DaZ in der Schweiz Akkulturation, die: im weiteren Sinne die Annäherung von zwei Kulturen, im engeren Sinne die Annäherung eines Individuums an eine Zweitbzw. Fremdkultur, die im Gegensatz zur Enkulturation (dem „Hineinwachsen“ in die Eigenkultur) ein vergleichsweise bewusster und ergebnisoffener Vorgang ist. Berry (1997) unterscheidet verschiedene A.-strategien je nach der Aufrechterhaltung eigener kultureller Charakteristika bzw. der Bewertung des Kontakts mit anderen Gruppen: Integration, Assimilation, Separation und Marginalisierung. A. als Vorgang der Erweiterung der eigenen Identität wird heute oft im Zusammenhang mit der Integration von Migranten thematisiert. Der Prozess verläuft oft krisen- und konflikthaft und kann auch die Gestalt eines Kulturschocks annehmen. Der Akkulturationsstress kann durch verschiedene Faktoren erhöht werden (vgl. Layes 2003, 128), so etwa durch von der Aufnahmegesellschaft gestellte hohe Anforderungen an die sprachliche und kulturelle Assimilation von Einwanderern. Berry, J.W. (1997), „Immigration, Acculturation, and Adaptation“, in: Applied Psychology, Jg. 46, Nr. 1, 5-34. - Layes, G. (2003), „Interkulturelles Lernen und Akkulturation (1.8)“, in: Thomas, A./ Kinast, E.-U./ Schroll-Machl, S. (Hrsg.), Handbuch interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Bd. 1: Grundlagen und Praxisfelder, Göttingen u.a., 126-137. Klaus-Börge Boeckmann Akronym, das: auch: Initialwort; Kurzwort, aus sprachökonomischen Gründen aus den Anfangsbuchstaben einer Wortgruppe oder eines Kompositums gebildet, wie z.B. DSH für Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang ausländischer Studienbewerber. A. unterscheiden sich hinsichtlich des Grades ihrer intersubjektiven Konventionalisiertheit auf einer breiten Skala zwischen internationaler Geltung (z.B. DIN in DIN A4 u.ä.), Festlegung innerhalb einer Sprachgemeinschaft (in D z.B. GmbH für Gesellschaft mit beschränkter Haftung), intersubjektiv (relativ) einheitlichem Gebrauch in Fachdiskursen (z.B. DaZ für Deutsch als Zweitsprache im Kontext der Sprachlehr- und Lernforschung) bis hin zu Ad-hoc-Bildungen ohne jede Geltung außerhalb ihrer aktuellen und personalisierten Kontexte. Kerstin Rische AKS: s. Arbeitskreis der Sprachenzentren, Sprachlehr- und Fremdspracheninstitute e.V. Aktionsart, die: semantisch basierte Kategorie der Verbklassifizierung, unter der verbal konnotierte Bedeutungsaspekte versammelt werden; bei deutschen Verben betrifft dies u.a. die zeitliche Verlaufssituierung (Anfang: einschlafen; Dauer: wohnen; Ende: aufstehen) bzw. die Abgeschlossenheit/ Nichtabgeschlossenheit (blühen; verblühen) von Ereignissen, Handlungen usw. Weitere zu nennende Aspekte: Iterativität/ Frequenz (flattern; hüpfen); Dynamik (sitzen/ sich setzen). Im Ggs. zur Art der Realisierung vergleichbarer semantischer Konnotation in Aspektsprachen wird die A. im Deutschen i.d.R. nicht morphologisch bzw. morphosyntaktisch markiert, sondern auf lexikalisch-semantischer Ebene (vgl. aber: ist gefahren vs. hat gefahren). Die Klassifizierung der Verben nach A. - aber auch deren typologische Subklassifizierung selbst - gehört nicht zu den abschließend und einheitlich definierten fachlichen Wissensbeständen. Eisenberg, P. (1993), Grundriß der deutschen Grammatik, Bd. 1: Das Wort, Stuttgart/ Weimar, 177ff. - Tschirner, E. (1991), Aktionalitätsklassen im Neuhochdeutschen, New York [u.a.]. Sabira Levin Aktionsforschung, die: s. Handlungsforschung Aktiv, das: grammatische Kategorie des Konjugationsparadigmas des deutschen Verbs; bildet zusammen mit dem Passiv das sog. Genus Verbi. In älteren Grammatiken auch als „Tätigkeitsform“ bezeichnet, ist A. eher die unmarkierte Grundform des Verbauftritts und findet sich keineswegs nur in Sätzen, in denen Akteure Tätigkeiten ausführen wie Peter mäht den Rasen., sondern ebenso in Sätzen, die einen Sachverhalt wiedergeben: Jena liegt mitten in Deutschland., die einem Vorgang gelten Seit Tagen regnet es unaufhörlich. oder von einem Zustand berichten Der Patient liegt im Koma.. Gleichwohl lässt sich A. im Vergleich zum Passiv als die „täterzugewandte(re)“ Form der Wiedergabe von Ereignissen und Sachverhalten bezeichnen. Das deutsche A. erschließt sich i.Ü. hinsichtlich seiner Ausdrucksfunktio- <?page no="17"?> 6 Aktzeit nen und Anwendung dem DaF-/ DaZ-Lernenden vergleichsweise unmittelbar und bedarf dzgl. keiner besonderen methodisch-didaktischen Vermittlungsstrategie. Hans Barkowski Aktzeit, die: die objektiv-reale Zeit der beschriebenen Handlung. Die sechs Tempora (Zeitformen) im Deutschen - Präsens, Präteritum, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur I, Futur II ( Tempus) - haben einen relationalen Charakter: Sie kennzeichnen das Verhältnis zwischen Sprechakt/ Sprechzeitpunkt und dem bezeichneten Sachverhalt. Entsprechend wird unterschieden zwischen Sprechzeit, A. und Betrachtzeit. Daraus bilden sich drei Verhältnisse: Vorzeitigkeit (A. vor Sprechzeit), Gleichzeitigkeit (A. und Sprechzeitpunkt identisch) und Nachzeitigkeit (A. nach Sprechzeitpunkt). Beispiele: Er liest das Buch. (A. und Sprechzeitpunkt identisch), Er hatte das Buch gelesen. (A. vor Sprechzeitpunkt). Durch Aspekt- und Moduskategorien können unterschiedliche Akzente gesetzt werden: Temporalangabe: Morgen hat er das Buch gelesen. (Modus) (A. vor Sprechzeitpunkt, Betrachtzeit nach Sprechzeitpunkt). Lutz Götze akustische Phonetik, die: s. Phonetik Akzent, der: 1. Hervorhebung (auch: Betonung, Akzentuierung) verschieden großer Einheiten: Worta., Wortgruppena., Satza.; 2. Diakritikum über Buchstaben (A.zeichen, z.B. Akut, Gravis), z.B. Café. 3. fremder A.: durch die Muttersprache gefärbte Aussprache einer Fremdsprache (z.B. französischer A. im Deutschen). A. im Sinne von Hervorhebung wird im Deutschen durch die Kombination und Variation der suprasegmentalen ( prosodischen) Mittel gebildet. Je nach Dominanz eines Mittels wird von dynamischem, musikalischem und temporalem A. gesprochen. Im Deutschen sind diese Mittel stets kombiniert. Es werden Haupt- und Nebena. unterschieden, für deren Auftreten es in den Einzelsprachen Regeln gibt. Ursula Hirschfeld akzentzählend: s. Rhythmus Akzeptabilität, die: bezieht sich auf Sprecherurteile über die Angemessenheit („Richtigkeit“) sprachlicher Äußerungen. A. bezieht semantische und pragmatische (z.B. stilistische) Faktoren ein und betont im Unterschied zum Terminus Grammatikalität, dass der Übergang von akzeptabel zu unakzeptabel (von grammatisch zu ungrammatisch) graduell ist. Ein Maß der Abweichung von einer vollen A. (Grammatikalität) ist u.a. der Aufwand, den ein Hörer betreiben muss, um einer Äußerung eine sinnvolle Interpretation zu geben, Konversationsmaxime. Klaus Welke Alexie, die: auch: Dyslexie; eine Störung des Lesens, bei der Graphemfolgen nicht in korrekte, lautliche Strukturen umgewandelt werden können. Eine Form der A. ist die Tiefendyslexie, bei der der Zugang vom orthographischen zum phonematischen Lexikon unmöglich, der zum semantischen Lexikon eingeschränkt ist. Die Bedeutung der Wörter kann im Gegensatz zu ihrer oberflächlichen Form verarbeitet werden. Z.T. kommt es zu semantischen Umschreibungen: Patienten lesen Blume statt Beet, Baum statt Strauch. Die Verbindung zwischen Schriftbild und Bedeutung des Wortes ist ausreichend, um das semantische Wortfeld zu aktivieren, aber nicht, um die genaue Bedeutung und das richtige Wort auszuwählen. Goldenberg, G. (2007), Neuropsychologie, Grundlagen, Klinik, Rehabilitation, 4. Aufl., München/ Jena. Mandy Höhle Algorithmus, der: (Bezeichnung nach dem arabischen Mathematiker al-Chwarismi, 8./ 9. Jh.), A. sind eindeutige, endlich beschreibbare und schrittweise durchführbare Handlungsvorschriften zur Lösung einer bestimmten Art von Problemen. Im weitesten Sinne können auch Kochrezepte oder Gebrauchsanweisungen als A. gelten, präzisere Beispiele sind Waschmaschinenprogramme oder mathematische Rechenoperationen. Seit der Formalisierung des Begriffs im 20. Jh. finden A. eine breite Anwendung, z.B. in der Informatik. Aus linguistischer Sicht sind A. besonders relevant für formale Sprachen ( Computerlinguistik) und in der Generativen Transformationsgrammatik, aber auch systematische Lehrbzw. Lernablaufmodelle werden gelegentlich als A. bezeichnet. Wolfgang Zippel <?page no="18"?> Alphabetisierung 7 A-Linie, die: Der von Glück (1989) entwickelte Terminus A-L. (Auslandslinie) bezeichnet in Abgrenzung zur M-Linie (Migrantenlinie) die Forschung über den Erwerb und die Lehre des DaF im Ausland sowie für fest umrissene Zielgruppen im Inland. Später wurde die Terminologie genutzt, um die ungleiche Behandlung von Sprachen und Kulturen im Diskurs um Mehrsprachigkeit, interkulturelles Lernen, interkulturelle Kommunikationsforschung und interkulturelle Lehrwerke aufzuzeigen (vgl. Röttger 1998). Glück, H. (1989), „Meins und Deins = Unsers? Über das Fach ‚Deutsch als Fremdsprache‘ und die ‚Interkulturelle Germanistik‘“, in: Zimmermann, P. (Hrsg.), Interkulturelle Germanistik. Dialog der Kulturen auf Deutsch? , Frankfurt a. M., 57-92. - Röttger, E. (1998), „M-Linie und A-Linie: Zur Bedeutung migrationsbezogener Forschung für die interkulturelle Fremdsprachendidaktik“, in: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online], 2 (3), 24pp. http: / / zif.spz.tu-darmstadt.de/ jg-02-3/ beitrag/ roettger.htm Evelyn Röttger Allegorie, die: stellt etwas Unanschauliches bildhaft dar oder erfasst einen abstrakten Begriff bildlich (durch ein Sprachbild, eine Metapher oder eine Personifizierung): Verbindung von Begriff und Erscheinung (z.B. Tod als Knochenmann mit Sense und Stundenglas). Dichter stellen mit Hilfe der A. etwas Allgemeines in einem Besonderen dar, der Leser vollzieht den umgekehrten Vorgang. A. erfordern doppelte Lektüre, die Entschlüsselung des buchstäblichen und des allegorischen Sinns. Nicht der Vorstellungswelt des Lesers entnommene A. (z.B. aus anderen Epochen oder Kulturen) können schwer verständlich oder zu erschließen sein. Werner Biechele allgemeine Sprachwissenschaft: diejenigen Teilbereiche der Sprachwissenschaft, die sich mit Sprache als Sprachsystem, allgemeiner Grammatik und mit der Ausarbeitung von Theorien über Sprache befassen. A.S. steht so gesehen im Gegensatz zur angewandten Linguistik, die auf die konkrete Sprachverwendung im Kontext fokussiert, und zur vergleichenden Sprachwissenschaft, die sich mit der historisch vergleichenden Untersuchung von Sprachen, mit Sprachtypologie, Universalienforschung u.ä. befasst. Die Subdisziplinen einer derart verstandenen a.S. sind Phonetik, Phonologie, Morphologie, Morphonologie, Syntax, Semantik, Lexikologie, Pragmatik, Grammatiktheorie und Textlinguistik. Die Einteilung der Sprachwissenschaft in derartige Teilbereiche ist nicht unumstritten, besonders die Grenzziehung zwischen a.S. und angewandter Linguistik - die Übergänge sind fließend. Eine weitere Abgrenzung ist die gegenüber auf einzelne Sprachgruppen (z.B. Slawistik, Romanistik) oder Einzelsprachen (z.B. Französistik, Sinologie) bezogenen Teildisziplinen, wonach sich die a.S. mit der Untersuchung von generellen Eigenschaften befasst. Manchmal wird a.S. auch mit theoretischer (im Gegensatz zu empirischer) Sprachwissenschaft gleichgesetzt, was problematisch ist, da es weder theorielose empirische Linguistik gibt noch eine Theoriebildung, die nicht auf empirischen Grundlagen aufbaut. Coseriu, E. (1992), Einführung in die allgemeine Sprachwissenschaft. 2. Aufl., Tübingen. - Vater, H. (1996), Einführung in die Sprachwissenschaft, München. Rudolf de Cillia Alliteration, die: bezeichnet die Gleichheit des ersten Lautes mehrerer aufeinander folgender Wörter, die sich im gleichen Anfangsbuchstaben manifestiert: Milch macht müde Männer munter. A. ist ein besonderes Merkmal germanischer Dichtung des Altertums und des Frühmittelalters, hier auch als Stabreim. Beate Lex Allophon, das: A. sind Aussprachevarianten für ein Phonem, im engeren Sinne in bestimmter Lautumgebung oder an bestimmter Silbenposition, im weiteren Sinne unter bestimmter Intonation oder in einer lautstilistischen Ebene. A. im engeren Sinne sind die Realisierungen von <ch> / / als [x] wie in <auch> und als [ç] wie in <ich> sowie die Realisierungen von <r> / r/ als Konsonant im Silbenanlaut wie in <rot> und als Vokal [ ɐ ] im Silbenauslaut wie in <hier>. Die falsche Aussprache eines A. stört wegen der richtigen Phonemzuordnung nicht den Wortsinn, irritiert den muttersprachlichen Hörer jedoch sehr und sollte daher mit Fremdsprachenlernern bearbeitet werden. Beate Lex ALM: s. Audiolinguale Methode Alphabetisierung, die: s. zweisprachige Alphabetisierung <?page no="19"?> 8 ALTE ALTE: s. Association of Language Testers in Europe alternative Methode: Der Begriff wird seit den 70er Jahren v.a. im deutschen Sprachraum für unkonventionelle Methoden verwendet. Während sich konventionelle Methoden - Grammatik-Übersetzungsmethode; audiolinguale bzw. audiovisuelle Methode; kommunikative Methode ( komm. Fremdsprachenunterricht) - i.d.R. auf dem Hintergrund eines breiten Fachdiskurses herausgebildet haben bzw. herausbilden, gilt dies nicht für die sogenannten a. M.. Die bekanntesten sind die Suggestopädie nach Lozanov sowie ihre Ableitungen, das Superlearning und die Psychopädie; der Total Physical Response nach Asher; der Silent Way nach Gattegno; das Community Language Learning nach Curran; die Psychodramaturgie Linguistique nach Dufeu. Ihre Grundlage bilden suggestologisch oder therapeutisch orientierte Paradigmen sowie - kritisch einzuschätzende - Annahmen über hirnphysiologische Hintergründe des (Fremdsprachen)Lernens. Viele der therapeutisch orientierten a. M. beziehen sich auf die Erkenntnisse der humanistischen Psychologie nach Rogers. Ihr expliziter Anspruch ist es, nicht die Sprache in den Mittelpunkt ihrer Lehr- und Lernkonzepte zu stellen, sondern den Menschen. Der v.a. in den USA bekannte Natural Approach basiert auf Spracherwerbshypothesen von Krashen, darunter auf dessen kontrovers diskutierter Lernen-Erwerben-Debatte. Das Fremdsprachenwachstum, eine in den 1980er Jahren in Österreich entwickelte a. M., beruft sich auf Humboldt und Chomsky. Ortner, B. (1998), Alternative Methoden im Fremdsprachenunterricht, Ismaning. - Richards, J.C./ Rodgers, Th.S. (1992), Approaches and Methods in Language Teaching, Cambridge. Brigitte Ortner Amalgamierung, die: s. Assimilation, sprechwissenschaftlich ambig(ue)/ Ambiguität, die: wird - i.d.R. ohne wertende Konnotation - konstatiert, wenn sich Situationen, Sachverhalte, Formulierungen etc. (ad hoc oder grundsätzlich) nicht eindeutig interpretieren bzw. verstehen lassen, sondern mindestens doppelsinnig, wenn nicht sogar mehrdeutig sind. Im Fach DaF/ DaZ spielt A. unter anderem in allen von interkulturellen Einflussgrößen und Inhalten betroffenen Kontexten eine Rolle, aber auch bei der Interpretation von lernersprachlichen Daten oder als Eigenschaft des Deutschen auf den Ebenen Lexik, Grammatik und Pragmatik. Hans Barkowski Ambiguitätstoleranz, die: in der interkulturellen Lehr- und Lernforschung die Fähigkeit, kulturell bedingte Gegensätze innerhalb des eigenen Handlungsfeldes als Spannungsverhältnisse bewusst aushalten und nach Möglichkeit interkulturell konstruktiv damit umgehen zu können. Bsp.: das Handeln in Kontexten, in denen „Kinderarbeit“ - je nach ethischer Perspektive - einerseits als legitim, andererseits als illegitim angesehen wird. 1. Konzeptualisierungen Der Begriff wurde 1949 von Frenkel-Brunswick auf der Grundlage persönlichkeitspsychologischer Ambivalenzkonzepte entwickelt. Als Persönlichkeitsvariable bezeichnet At. hier die Anerkennung der Koexistenz positiver und negativer Eigenschaften in Bezug auf einen identischen Gegenstand (z.B. Eltern). In der interkulturellen Forschung wird Ambiguität meist bezogen auf Unvereinbarkeiten, die aus kulturbedingt unterschiedlichen Bedeutungszuweisungen u.a. in ethischen Fragen resultieren. At. zielt nicht auf Unsicherheitsvermeidung oder auf Entwederoder-Lösungen, sondern auf das bewusste Aushalten von Vielfalt und Gegensätzlichkeit. 2. At. im interkulturellen Lernen Zur Verbesserung der At. werden handlungsorientiert-themenbezogene Projekte (z.B. mit dem Fokus „Korruption“) sowie Rollenspiele zur interkulturellen Sensibilisierung eingesetzt, bei denen Rollen und Rollenerwartungen inkompatibel zu sein scheinen. Frenkel-Brunswick, E. (1949), „Intolerance of ambiguity as an emotional and personality variable“, in: Journal of Personality, 18, 108-143. - Reis, J. (1997), Ambiguitätstoleranz. Beiträge zur Entwicklung eines Persönlichkeitskonstruktes, Heidelberg. Jürgen Bolten Ammensprache, die: auch: Elternsprache (an das Kind gerichtete Sprache), „Mutterisch“; engl.: motherese, baby talk, caretaker speech. Sprachlich vereinfachte Form der Kommunikation <?page no="20"?> analytische Sprache 9 mit Kleinkindern, die sich z.B. durch geringe syntaktische und semantische Komplexität, langsame, klare Artikulation, Wiederholungen und Reformulierungen sowie eine hohe Tonlage auszeichnet. In Bezug auf den Erstsprachenerwerb wird diskutiert, ob dieses Register eine Sprachlehrfunktion besitzt. Vor allem Vertreter des Interaktionismus (vgl. Snow, 1972) sehen in A. eine für den Erwerb essenzielle Form des Inputs. Im Kontext des L2-Lernens ist zu beobachten, dass besonders gegenüber FS-Lernenden mit noch geringen Kenntnissen von Muttersprachlern eine in manchen Punkten der A. ähnliche Sprache verwendet wird. Snow, C.E. (1972), „Mothers Speech to Children Learning Language“, in: Child Development, Jg. 43, Nr. 2, 549-565. Kerstin Rische Amtssprache, die: Gesellschaftliche Organisationen und politische Entitäten haben A., wenn sie formell verwaltet werden. A. sind die für die Verwaltung vorgesehenen oder verwendeten Sprachen. Sie können nur vorgesehen und als solche deklariert sein (z.B. manche autochthone Sprachen in afrikanischen Staaten), aber kaum verwendet werden, oder nicht deklariert sein und dennoch verwendet werden (z.B. Englisch in Indien). Bei regelmäßiger, auch mündlicher Verwendung spricht man meist von Arbeitssprachen, auch Verfahrenssprachen (oder Amts- und Arbeitssprachen). Allerdings können auch Arbeitssprachen nur deklariert, aber kaum in Gebrauch sein (z.B. Deutsch in manchen EU-Institutionen) oder nur gebraucht, aber nicht deklariert sein (faktische Arbeitssprachen). In den A. erscheinen wichtige Dokumente der Organisation einschließlich rechtlicher Bestimmungen (Gesetze, Verordnungen, Satzungen und dgl.). Die A. von Staaten sind zudem i.d.R. Schulfach, meist auch Unterrichtssprache sowie Arbeitssprache auch bei der Regierung, beim Militär, in den Massenmedien oder religiösen Institutionen. Die Vereinten Nationen haben folgende „Amts- und Arbeitssprachen“, die jedoch nicht gleichermaßen als Arbeitssprachen dienen: Englisch (bevorzugte Arbeitssprache), Französisch (auch Arbeitssprache), Spanisch, Russisch, Chinesisch und Arabisch. Die Europäische Union hat (im Jahr 2008) 23 A., die von den 25 Mitgliedstaaten aus deren nationalen A. vorgeschlagen wurden, und bis zu fünf Arbeitssprachen ihrer Institutionen, und zwar nach Häufigkeit des Gebrauchs in folgender Rangordnung: Englisch - Französisch - Deutsch (deutlich nachgeordnet) - Italienisch und Spanisch (beide deutlich nachgeordnet). Bei Staaten muss unterschieden werden zwischen nationalen und regionalen A. (für die gesamtstaatlichen bzw. für teilstaatliche oder regionale Verwaltungen). Dabei ist Mehrsprachigkeit jeweils keine Seltenheit. So hat z.B. die Schweiz vier nationale A. (Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch) und Spanien drei regionale A. (Katalanisch, Baskisch und Galizisch). Deutsch ist einzige nationale A. (solo-offiziell) in Deutschland, Österreich und Liechtenstein, eine von mehreren nationalen A. (ko-offiziell) in Luxemburg (neben Französisch und Letzeburgisch) und in der Schweiz sowie regionale A. in der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Ostbelgien (solo-offiziell) und in der Provinz Bozen-Südtirol in Norditalien (neben Italienisch, das zugleich nationale A. des Staates ist). Ulrich Ammon Analytisches Hören und Lesen: s. Fremdsprachenwachstum analytische Sprache: auch: amorphe Sprache oder Wurzelsprache genannt; Sprache, in der die Wörter tendenziell unveränderlich sind und grammatikalische Beziehungen durch Hilfswörter oder durch Wortstellung angezeigt werden ( isolierende Sprache). Gegensatz: synthetische Sprache. Häufig angeführte Beispiele für a.S. : klassisches Chinesisch, Vietnamesisch (vgl. Bußmann 2002, 321), in geringerem Maße auch Englisch wegen des fast vollständigen Fehlens von Flexion. Auch in der zum synthetischen Sprachtyp gehörenden Sprache Deutsch ist eine Tendenz zur Ausbreitung analytischer Sprachformen zu beobachten (Beispiele: würde + Inf. statt präterital abgeleitete Konjunktiv II-Form, z.B. Ich würde lieber ins Kino gehen. vs. Ich ginge lieber ins Kino.; Wegfall von Dativ-e, z.B. früher: Im Grunde kann er nichts dafür. vs. heute: Im Grund kann er nichts dafür. und Genitiv-s, z.B. früher: nach Informationen des SPIE- GELS vs. heute nach Informationen des SPIEGEL. Die Unterscheidung zwischen analytischen und synthetischen Sprachen geht auf August Wilhelm von Schlegel (1767-1845) und Wilhelm von Humboldt (1767-1835) zurück (vgl. Bußmann 2002, 321). <?page no="21"?> 10 analytische Verbform Bußmann, H., Hrsg. (2002), Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart. Jens Reimann analytische Verbform, die: Eine Verbkonstruktion, die aus mindestens einem flektierbaren Hilfsverb (haben, werden, sein) und einer infiniten Form des Vollverbs ( Partizip II, Infinitiv) besteht (z.B. ist aufgestanden, ist gebaut worden, hat geschrieben). Andere Bezeichnungen: zusammengesetzte, mehrteilige, komplexe, periphrastische Verbform. Die wichtigsten a.V. im Deutschen sind Perfekt, Plusquamperfekt, Futur, Konditional, Passiv. Die a.V. ist eine Untergruppe der mehrteiligen Prädikate. Im DaF/ DaZ-Kontext ist u.a. die Mehrteiligkeit sowie die Satzposition der Bestandteile von a.V. ( Satzrahmen) von Bedeutung. Marina Matthey anaphorisch/ Anapher, die: 1. rhetorisches und poetisches Stilmittel, das die Wiederholung eines Wortes oder einer Phrase am Anfang aufeinander folgender Sätze, Satzteile, Verse oder Strophen bezeichnet. 2. Anaphorisch wird in der Linguistik die nach links, d.h. zurück weisende Relation zwischen einem Wort oder einer Phrase und seinem/ ihrem Bezugspunkt genannt (z.B. Ein Mann sitzt auf der Bank. Ich kenne ihn nicht. auch: Der Mann trägt einen Schlips, ich nicht.). Die entgegengesetzte Verweisrichtung heißt kataphorisch. A. Verbindungen tragen entscheidend zur innersprachlichen Verknüpfung von Satzteilen oder Sätzen bei. Wolfgang Zippel Angabe, die: In der Valenzgrammatik unterscheidet man zwischen Valenzträgern, Ergänzungen und A. A. sind von der Valenz des Valenzträgers (z.B. des Verbs) nicht verlangt. Sie können - nach Maßgabe semantischer Verträglichkeit - „frei“, also in beliebiger Zahl und Form, einem Satz hinzugefügt werden. Sie sind nicht obligatorisch und nicht regiert ( Rektion). Klaus Welke angewandte Linguistik/ angewandte Sprachwissenschaft: sprachwissenschaftliche Zugänge, die sich nicht in erster Linie mit Sprache als Sprachsystem befassen, sondern mit der Analyse der Sprachverwendung in konkreten Sprachsituationen. D.h. a.L. dient als Dachbegriff für interdisziplinäre Zugänge und sogenannte Bindestrich- Linguistiken (Psycholinguistik, Soziolinguistik, Ethnolinguistik, Korpuslinguistik, Forensische Linguistik etc.), in deren Mittelpunkt die Analyse von Sprachverwendung unter einem bestimmten Aspekt steht. Nach einer anderen Konzeptualisierung befasst sich a.L. (im Gegensatz zu theoretischer Linguistik) mit der Anwendung linguistischer Theorien und Modelle auf praktische Probleme, insbesondere den Sprachunterricht. Dieses Konzept war bes. im angelsächsischen Raum verbreitet und hängt mit der Geschichte des Faches zusammen, das zunächst in engem Zusammenhang mit der Entwicklung von neuen Fremdsprachenunterrichtsmethoden stand (Gründung der Zeitschrift „Language Learning. Journal of Applied Linguistics“ 1948). Eine zeitgemäße Definition (vgl. Knapp 2007) konzipiert a.L. als Disziplin, die sich mit der Beschreibung, Erklärung und Lösung von lebens- und gesellschaftspraktischen Problemen in den Bereichen von Sprache und Kommunikation befasst. A.L. ist einerseits anwendungsorientiert, integrativ und interdisziplinär angelegt, entwickelt gegenstandsbezogen eigene Methoden und theoretische Konzepte - in dieser Perspektive hebt sich der Gegensatz zwischen a.L. und theoretischer Linguistik auf. Die in Knapp 2007 aufgeführten Teilbereiche umfassen Gebiete wie Sprachvermittlung, mündliche und schriftliche Kommunikation, mediale, öffentliche und mehrsprachige Kommunikation, Diagnostizieren und Therapieren. Als Subdisziplinen können beispielhaft angeführt werden: Sprachdidaktik, Sprachberatung, technische Kommunikation, Gesprächsanalyse, Gesprächsberatung und Gesprächstraining, Terminologiearbeit, Sprachplanung, Sprachdiagnostik, klinische Linguistik und forensische Linguistik. Die a.L. ist international im Weltverband AILA ( Association Internationale de Linguistique Appliquée), in Deutschland in der GAL ( Gesellschaft für Angewandte Linguistik), in Österreich in verbal (verband für angewandte linguistik), in der Schweiz in der Vereinigung für angewandte Linguistik in der Schweiz organisiert. Knapp, K. (Hrsg.) (2007), Angewandte Linguistik. 2., überarb. u. erw. Aufl., Tübingen/ Basel. Rudolf de Cillia <?page no="22"?> Arbeitskreis DaF/ DaZ in der Schweiz (AKDaF) 11 Antonym, das: bezeichnet ein Wort, das einem anderen semantisch entgegengesetzt ist (z.B. gut/ böse, öffnen/ schließen); Ggs. Synonym. Die häufigsten A. bilden Adjektive und Adverbien. Es lassen sich mehrere Arten von A. unterscheiden, die beiden wichtigsten sind: 1. kontradiktorische bzw. komplementäre A. (z.B. lebendig/ tot): Wenn A zutrifft, trifft B nicht zu, und wenn A nicht zutrifft, trifft B zu. Kontradiktorische Adjektive sind i.d.R. nicht steigerbar. 2. Konträre bzw. graduelle A. (z.B. heiß/ kalt): Das A. deckt die konzeptuelle Domäne nicht vollständig ab, es gibt Zwischenbereiche (hier z.B. lauwarm). Konträre Adjektive sind steigerbar. A. sind häufig sowohl lebensweltlich als auch kognitionspsychologisch eng miteinander verknüpft und können daher besonders effektiv im Verbund gelernt/ gelehrt werden. Wolfgang Zippel Aphasie, die: eine erworbene zentrale Sprachstörung, die nach einer Schädigung der Sprachregionen (bei 90% der Menschen linkshemisphärisch) eintritt. Die sprachlichen Beeinträchtigungen sind sowohl expressiver als auch rezeptiver Art und können sich auf alle Modalitäten (Sprechen, Verstehen, Lesen, Schreiben) erstrecken. Dabei können alle Komponenten des Sprachsystems betroffen sein: Phonologie, Syntax, Semantik, Lexikon. 1. Ursachen: Die meisten A. beruhen auf Durchblutungsstörungen nach einem Schlaganfall. Des Weiteren können folgende neurologische Erkrankungen zu einer A. führen: Schädelhirntrauma, Tumore, entzündliche und degenerative Erkrankungen. 2. Erscheinungsbilder: Je nach Ausmaß der zentralen Schädigung beeinträchtigt eine A. die Kommunikation und Teilhabe am sozialen Leben in unterschiedlichen Schweregraden. Dabei werden charakteristische Einzelsymptome und deren Kombination wiederkehrend beobachtet, so dass man von sogenannten Syndrombildern spricht, die zu vier Haupttypen klassifiziert wurden: Broca-A., Wernicke-A., globale A. und amnestische A.. Diese Haupttypen charakterisieren sich durch bestimmte Leitsymptome, welche exemplarisch für die globale A. benannt werden: Die Betroffenen leiden an einer schweren Störung des Sprachverständnisses und können nur noch Sprachautomatismen produzieren. Böhme, G. (1997), Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen, 3. Aufl., Stuttgart. - Grohnfeldt, M., Hrsg. (2007), Lexikon der Sprachtherapie, Stuttgart. Stephanie Kurtenbach API (Association Phonétique Internationale): s. International Phonetic Association, Weltlautschriftverein Äquivokation, die: Der Fachbegriff ist im engeren Sinne dem Phänomen zugeordnet, dass Wörter gleichen Lautinventars unterschiedliche Bedeutungen haben, wie z.B. Auflauf: ( 1. Art der Zubereitung bestimmter Speisen; 2. spontane Ansammlung von Menschen); von Ä. spricht man auch, wenn solche Bedeutungsunterschiede durch Metaphorisierung entstanden sind (z.B. Birne/ OBSTSORTE vs. Birne/ GLÜHLAMPE). Ä. ist damit bedeutsam im Zusammenhang des Lexikonerwerbs. Für den DaF-/ DaZ-Kontext ist zusätzlich das Phänomen der Ä. im weiteren Sinne von Bedeutung, demgemäß Ähnlichkeiten in Aussprache und Schreibweise (Schaf/ scharf; Pferd/ fährt u.a.m.) zu Irritationen und Missverständnissen führen können. Hans Barkowski Arbeitsgedächtnis, das: s. Kurzzeitgedächtnis Arbeitskreis der Sprachenzentren, Sprachlehr- und Fremdspracheninstitute e.V. (AKS): umfassende Vertretung der Fremdsprachenlehre an Universitäten und Hochschulen; 1970 gegründet; ermöglicht die Zusammenarbeit, den Erfahrungs- und Informationsaustausch von über 100 Sprachenzentren und Hochschuleinrichtungen in Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz; Zusammenarbeit mit Verbänden (CercleS - Europäischer Verband der Hochschulsprachzentren, ELC/ CEL - European Language Council, FaDaF) und Mitarbeit von Fachvertretern weiterer Hochschuleinrichtungen; Verwirklichung der Ziele durch z.B. wissenschaftliche Tagungen und Publikationen; Akkreditierungen für das hochschulübergreifende Fremdsprachenzertifikat UNICERT. Internetadresse: www.aks-web.de Gundula Scherf Arbeitskreis DaF/ DaZ in der Schweiz (AKDaF): gesamtschweizerischer Verband für Lehrende und <?page no="23"?> 12 Arbeitsmigrant Institutionen im Fach DaF/ DaZ. Gründung 1986. Der AkDaF setzt sich für die Förderung und Verbesserung der fachlichen und beruflichen Kompetenzen der DaF-/ DaZ-Lehrenden sowie für den fachlichen Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Personen und Institutionen im Fach ein. Er ist Träger eines Lehrgangs für DaZ-Unterrichtende und führt regelmäßig Fachtagungen und Weiterbildungsveranstaltungen durch. Das Vereinsorgan „Rundbrief“ erscheint 2 × jährlich. Der AkDaF ist seit 1989 Mitglied im IDV, 2001 war er Träger der XII. Internationalen Deutschlehrertagung in Luzern. Internetadresse: www.akdaf.ch Monika Clalüna Arbeitsmigrant, der: eine Person, die mit dem Ziel und zum Zwecke der Arbeitstätigkeit in ein anderes Territorium wandert ( Arbeitsmigration). Zu den ersten A. der deutschen Geschichte zählen russische und polnische Wanderarbeiter, die Ende des 19. Jh. in der Großlandwirtschaft der ostelbischen Junker beschäftigt wurden. Bereits damals wurden sie deutschen Arbeitskräften vorgezogen, da sie aufgrund bescheidener Ansprüche und unsicherer Rechtslage relativ flexibel, je nach konjunkturellen Entwicklungen, eingesetzt und entlassen werden konnten (vgl. Han 2000, 64ff.). Die A., die nach dem II. Weltkrieg im Zusammenhang prosperierender Wirtschaftsentwicklung - in Deutschland (BRD) insbesondere ab Schließung der Grenze zwischen Ost- und Westberlin 1961 („Mauerbau“) - bis 1973 in die deutschsprachigen Länder zuwanderten, wurden/ werden auch als „Gastarbeiter“ bezeichnet. Die Tatsache, dass A. in allen europäischen Ländern verstärkt von Arbeitslosigkeit betroffen sind und oft unterhalb ihrer beruflichen Qualifikationen arbeiten, sowie die vergleichsweise schlechteren Schulabschlüsse der Kinder von A. ( Interkulturelle Erziehung) verweisen auf Mechanismen von Diskriminierung bzw. auf nicht gelungene gesellschaftliche Integration. Han, P. (2000), Soziologie der Migration, Stuttgart. Verena Plutzar Arbeitsmigration, die: Der Begriff A. gilt einer spezifischen Teilmenge von Migrationsbewegungen, in denen die Wanderung von Arbeitskraft von A nach B den zentralen Hintergrund abgibt. Dabei impliziert A. in jedem Fall den Wunsch oder die Notwendigkeit auf Seiten der Arbeitsmigranten, die persönlichen, familiären bzw. wirtschaftlichen Lebensbedingungen durch zeitweise oder dauerhafte Einwanderung in ein anderes Territorium zu verbessern. Dem entspricht i.d.R. auf Seiten der Einwanderungsregionen ein branchenweiter oder branchenspezifischer Mangel/ Bedarf an Arbeitskräften. Grundsätzlich sind zwei Prototypen von A., die intranationale (z.B. Sizilien-Norditalien) und die internationale (z.B. Algerien-Frankreich) zu unterscheiden. A. ist in ihren historischen Verläufen eng verknüpft mit regionenspezifischen demografischen und ökonomischen Entwicklungen und wird in der internationalen Ausprägung u.a. durch je angepasste rechtliche Regulierungen ( Ausländerrecht; Einwanderungsgesetze) politisch gesteuert. 1. Geschichte der A. in Europa: In einem weiten Verständnis gehört A. auch jenseits formeller, vertraglich geregelter Arbeitsverhältnisse zu den weltweit und seit Menschengedenken praktizierten Strategien der Sicherung des Lebensunterhalts und ist insoweit in ihrem historischen Beginn nicht festlegbar. In einem engeren Verständnis wird A. als Phänomen der Industrialisierung betrachtet: Durch A. wurde im 19. Jh. u.a. das Ruhrgebiet in Deutschland aufgebaut und das kaiserliche Wien errichtet. In jüngerer Zeit, verbunden mit dem Wirtschaftsboom nach dem II. Weltkrieg, entwickelte sich A., insbesondere in der sog. „Gastarbeiter-Ära“ zur wichtigsten Form der Zuwanderung nach Europa. Zwischen 1950 und 1982 sind in Europa insgesamt 8 Mio. Einwanderer zu verzeichnen und deren Gesamtzahl steigt in dieser Zeit von 3,1 auf 11,2 Mio. (vgl. Han 2000, 66). Nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz werden vor allem Arbeitskräfte aus Spanien, Portugal, Italien, Jugoslawien, Griechenland und der Türkei angeworben. 1973 (Energiekrise) wurde die Anwerbung gestoppt. 2. A. und Deutsch als Zweitsprache: Die „Gastarbeit“ wurde zu ihren Anfängen nicht als Zuwanderung wahrgenommen und auch nicht als solche konzipiert (vgl. Fassmann et al. 2002, 46). In Deutschland etwa wurde zunächst das sog. „Rotationsprinzip“ verfolgt, demgemäß die einwandernden Arbeitskräfte im 5-Jahres- Turnus durch neue anzuwerbende Arbeitsmigranten „ausgetauscht“ werden sollten - ein Konzept, welches, auch wenn es de facto am Interesse der Industrie an eingearbeiteten Arbeitskräften <?page no="24"?> Artikel 13 scheiterte, über lange Zeit verhinderte, dass eine aktive Integrationspolitik auf den Weg gebracht wurde und einer der Gründe für ein unzureichendes Angebot an schulischer und außerschulischer Förderung des Erwerbs von DaZ war - mit Auswirkungen bis in die Gegenwart. Nach einer längeren Periode restriktiver Zuwanderungspolitik (ca. 1975 bis Ende der 1990er Jahre), die u.a. von zunehmender Ausländerfeindlichkeit bis hin zu rassistisch motivierten Gewalttaten (vgl. z.B. 1992 Lichtenhagen u. Mölln) begleitet war und in eine verstärkte Abschottung Europas gegen die Einwanderung von Flüchtlingen mündete (Schengener Abkommen von 1993), setzt sich mit Beginn des 3. Jahrtausends auf dem Hintergrund nachhaltigen Bevölkerungsrückgangs und besonderer Arbeitsmarktbedarfe im deutschsprachigen Raum zunehmend eine Politik gezielter Zuwanderungssteuerung durch, begleitet von Maßnahmen der Integrationsförderung, insbesondere auch solchen der Förderung von Deutschkenntnissen ( Integrationsvereinbarung; Integrationskurs). Han, P. (2000), Soziologie der Migration, Stuttgart. - Fassmann, H./ Kohlbaner, J./ Reeger, U., Hrsg. (2002), Zuwanderung und Segregation. Europäische Metropolen im Vergleich, Klagenfurt/ Celovec. Hans Barkowski/ Verena Plutzar Arbeitssprache, die: 1. In der Sprachenpolitik werden alle Sprachen, die innerhalb von Organisationen (Behörden, Gerichte, Firmen) zur internen Kommunikation verwendet werden, als A. bezeichnet. So ist Deutsch (wenn auch mit deutlichem Abstand hinter Englisch und Französisch) eine der A. in der Europäischen Union und nimmt damit gegenüber den Amtssprachen der EU eine herausgehobene Stellung ein. Für den Europarat gilt eine andere Wertigkeit: hier haben A. wie Deutsch einen geringeren Status und können nur zusätzlich zu einer der offiziellen Europaratssprachen (Englisch und Französisch) benutzt werden. Vergleichbare Regelungen für A. gibt es auch in supranationalen Wissenschaftsorganisationen; seit dem II. Weltkrieg ist in diesem Bereich ein deutlicher Rückgang von Deutsch als Wissenschafts- und Konferenzsprache zu verzeichnen. 2. In der Fremdsprachendidaktik wird mit dem Begriff „Fremdsprachen als A.“ ein Unterricht bezeichnet, in dem fachliche Inhalte im Medium der Fremdsprache vermittelt werden. International hat sich hierfür der Begriff Content and Language integrated Learning (CliL) eingebürgert, für die Nutzung der deutschen Sprache auch Deutschsprachiger Fachunterricht (DFU). 3. In der Deutsch als Zweitsprache-Didaktik gilt „Deutsch als A.“ als Sammelbegriff für Materialien, mit denen die Arbeitswelt von Migranten Thema des Sprachunterrichts wird. Hans-Jürgen Krumm Arbitrarität, die/ arbiträr: Gegensatz: Motiviertheit; Saussure definiert A. als Willkürlichkeit/ Beliebigkeit des Verhältnisses von Form und Bedeutung sprachlicher Zeichen zueinander. So gibt es z.B. keinen Grund dafür, dass man das Ding TÜR im Deutschen als Tür bezeichnet. Saussure betrachtet A. als eine elementare sprachliche Grundtatsache. A. trifft im Wesentlichen jedoch nur auf nicht zusammengesetzte Einzelzeichen wie Haus, Tür, sehen, stark, auf zu. Die Zusammensetzung von Zeichen ist im Allgemeinen motiviert. Z.B. ist das Zeichen Haustür motiviert, vgl. Haustür, Wohnungstür, Zimmertür: Jeweils wird gesagt, um was für eine Art von Tür es sich handelt. Es besteht allerdings auch A. in der Motiviertheit: Man sagt Zimmertür und nicht Raumtür. Saussure, F. de (1967), Grundfragen der Sprachwissenschaft, Berlin (frz. 1 1916). Klaus Welke Artikel, der: Wortart, die die Determiniertheit der Substantive innerhalb einer Äußerung markiert. Im Deutschen existieren der bestimmte A. der, die, das (z.B. der Löffel, die Gabel, das Messer), der unbestimmte A. ein, eine (z.B. ein Löffel, eine Gabel, ein Messer) sowie der Nullartikel - das Fehlen des bestimmten oder unbestimmten A. (z.B. Löffel, Gabel, Messer). A. werden vom Substantiv bezüglich des Genus regiert ( Regens) und kongruieren ( Kongruenz) mit ihm hinsichtlich Kasus und Numerus. Der bestimmte A. erscheint in allen Genus-, Kasus- und Numerusformen, der unbestimmte A. nur im Singular (s. ggf. Nullartikel). A. sind dem Substantiv immer vorangestellt. Der bestimmte A. weist insbesondere darauf hin, dass das mit dem Substantiv Benannte im Kobzw. Kontext bereits als ein bestimmtes identifiziert ist, während der unbestimmte genau den umgekehrten Fall markiert: z.B. Ich kaufe mir ein neues Fahrrad. vs. Ich habe das neue Fahrrad bekommen. Die <?page no="25"?> 14 Artikulation A.wahl unterliegt im Wesentlichen zwei Maßgaben: 1. Konventionalisierungen: z.B. Österreich; die Slowakei, 2. (z.T. komplex motivierten) semantischen und kommunikativ-pragmatischen Hintergründen, darunter der schon genannten Vorerwähntheit (im Detail vgl. z.B. Eisenberg 2004, Bd. 2, Abschn. 5.2). In einem erweiterten Verständnis fungieren weitere Wortklassen als Artikelwörter, darunter: jener, jeder, mancher, davon manche nur im Pl. wie einige, etliche, alle sowie die Demonstrativ- und die Possessivpronomen. Für DaF-/ DaZ-Lerner stellt - neben der grundlegenden morphologischen Markierungskomplexität deutscher Nomen/ Nominalphrasen - die Wahl des semantisch geforderten A. ein besonderes Problem dar. Eisenberg, P. (2004), Grundriß der deutschen Grammatik, Bd. 2, 2. überarb. Aufl., Stuttgart. - Grimm, H.-J. (1986), Untersuchungen zum Artikelgebrauch im Deutschen, Leipzig. Milica Sabo Artikulation, die: der feinmotorisch koordinierte Vorgang des Sprechens, die Lautbildung. Sie ist eng verbunden mit Atmung und Phonation (Stimmerzeugung): Die Ausatmungsluft passiert den Kehlkopf, hier werden die Merkmale stimmhaft/ stimmlos sowie der Hauchlaut [h] und der Knacklaut erzeugt. Oberhalb der Stimmlippen wird der Luftstrom im Ansatzrohr (Rachen-, Mund- und Nasenraum) geformt und Laute entstehen. Daran sind Lippen, Zähne, Zunge, Gaumen, Gaumensegel, Zäpfchen, Rachen, Stimmlippen und Nasenhöhle beteiligt. Man unterscheidet hierbei Artikulatoren, A.ort (-stelle) und A.art (-modus). Artikulatoren sind beweglich: Lippen, Zunge und Stimmlippen. Die A.orte werden bei den Vokalen grob mit der Richtung der Zungenhebung (vorn, zentral, hinten) ( Vokalviereck), bei den Konsonanten differenziert angegeben: labial (Lippen), dental (Zähne), alveolar (Zahndamm), palatal (harter Gaumen), velar (weicher Gaumen), uvular (Zäpfchen), pharyngal (Rachen), glottal (Stimmlippen). Die A. art wird bestimmt durch Verschluss- ( Explosive) und Engebildung ( Frikative) bzw. ungehinderten Luftstrom bei Vokalen (Mundraum) und Nasalen (Nase). A. ist eine kontinuierliche Dauerbewegung, bei der sich aufeinanderfolgende Laute gegenseitig beeinflussen (Koartikulation, Assimilation, sprechwissenschaftlich) und die durch suprasegmentale Mittel stark beeinflusst wird. So hängt die A.präzision von Akzent, Sprechgeschwindigkeit und -spannung ab. Ursula Hirschfeld Aspekt, der/ Aspektsprachen, die: 1. Unter Aspekt wird eine grammatische Kategorie des Verbs verstanden, bei der durch formale Markierung die subjektive Einstellung des Sprechenden zur Verlaufsart des Geschehens (vollendet oder nicht vollendet) ausgedrückt wird (vgl. Knobloch 1986, 174). Der A. ist u.a. charakteristisch für slawische und semitische Sprachen sowie für das Griechische. In den meisten slawischen Sprachen gibt es zwei A., den perfektiven (vollendeten) und den imperfektiven (unvollendeten). In einigen südslawischen Sprachen und im Griechischen gibt es mehr als zwei A. Die Aspektkorrelation ersetzt in den slawischen Sprachen die fehlende Tempusdifferenzierung in der Vergangenheitsstufe und hilft bei der Darstellung von Gleichzeitigkeit, Nachzeitigkeit und Vorzeitigkeit des Geschehens (Glück 2005, 61). Im weiteren Sinne wird zum A. manchmal auch eine lexikalische oder syntaktische Markierung der Verlaufsart gerechnet. 2. Aspektsprachen (AS) sind Sprachen, deren verbales System durchgängig von der Aspektopposition betroffen ist. So ist das ganze verbale System in den slawischen Sprachen als System von Aspektpaaren zu verstehen. Das hat z.B. zur Folge, dass jedes deutsche Verb im Russischen zwei Äquivalente hat, z.B. dt. nehmen - russ. взять (vollendet) und брать (unvollendet). Im weiteren Sinne werden zu AS auch Sprachen gezählt, in denen der A. durch andere als rein morphologische Mittel realisiert wird und kein durchgängiges System darstellt, z.B. das Englische, die romanischen Sprachen und auch das Deutsche. Glück, H., Hrsg., (2005), Metzler Lexikon Sprache, 3. Aufl., Stuttgart/ Weimar. - Knobloch, J. (1986), Sprachwissenschaftliches Wörterbuch, Bd. 1, Heidelberg. Marina Matthey Aspiration, die: syn. Behauchung; A. ist der Vorgang bzw. das Ergebnis einer (Sprach-)Lautproduktion mit geöffneter Glottis. Bei ausschließlicher A. entsteht der Laut [h]. Die Fortisexplosive ( Explosiv) des Deutschen [p t k] werden - kontextuell und situativ abhängig - mit zusätzlicher A. gebildet. Dabei ist ein deutliches Sprengbzw. Hauchgeräusch hörbar, das aufgrund der Sprengung des Stimmlippenverschlusses und des Her- <?page no="26"?> Attribut 15 auspressens der angestauten Ausatmungsluft zustande kommt. Lenisexplosive im Deutschen werden nicht aspiriert. A. ist in manchen Sprachen ein distinktives Merkmal (± aspiriert), im Deutschen jedoch nicht. Hirschfeld, U./ Stock, E., Hrsg. (2000), Phonothek interaktiv. Das Phonetikprogramm für Deutsch als Fremdsprache, München (CD-ROM). Kerstin Reinke Assimilation, die (integrationspolitisch): gesellschaftlicher oder individueller Prozess der Anpassung von Minderheiten an Mehrheiten bei gleichzeitiger Aufgabe der Merkmale, die für die Angehörigen der jeweiligen Minderheit charakteristisch sind. Im Kontext von Migration wird A. in Integrationskonzepten mit multikultureller Ausprägung (vgl. Taylor 1993) als vor allem von Migranten erwartete einseitige Anpassungsleistung abgelehnt. Aufgrund der Beobachtung von Segregation in multikulturell ausgerichteten Gesellschaften wie den Niederlanden oder Australien gibt es in der jüngsten Diskussion eine Umdeutung des Begriffs (vgl. Brubaker 2001). A. an „differenzierte soziale Strukturbedingungen moderner Gesellschaften“ gilt als „Voraussetzung für die soziale Integration aller Individuen und damit auch der MigrantInnen“ (Bade/ Bommes, 9; Hervorhebungen VP). In einem solchen, scheinbar entpolitisierten, Integrationsverständnis verlieren Schutz sowie Förderung der Sprachen und kulturellen Eigenheiten der Minderheiten ( Interkulturalität; Sprachenrecht) als Voraussetzung für Integration wieder an Bedeutung und die Grenzen zwischen A. und Integration verschwimmen. Bade, K.J./ Bommes, M. (2004), „Einleitung“, in: dies. (Hrsg.), Migration - Integration - Bildung. Grundfragen und Problembereiche. IMIS-Beiträge Heft 23/ 2004, 7-20. - Brubaker, R. (2001), „The Return of Assimilation? Changing Perspectives on Immigration and its Sequels in France, Germany and the United States“, in: Ethnic and Racial Studies/ 24, 531-548. - Taylor, C. (1993), Multikulturalismus und die Politik der Anerkennung, Frankfurt a. M. Verena Plutzar Assimilation, die (sprechwissenschaftlich): phonologischer Prozess ( Phonologie) der Angleichung von Lauten bzw. dessen Ergebnis. Man unterscheidet a) nach der Richtung progressive (Beeinflussung des folgenden Lautes, z.B. die Entstimmlichung von Konsonanten nach stimmlosen Konsonanten, so wird [z] in fortsetzen entstimmlicht), regressive (Beeinflussung des vorangegangenen Lautes, z. B. die Bildung eines [m] in fünf oder Senf ) und reziproke A. (gegenseitige Beeinflussung, z.B. althochdt. fisk zu neuhochdt. Fisch), b) nach dem Grad partielle, z.B. die Entstimmlichung, und totale A., z.B. Anpassung an den Wortstamm und damit Wegfall von -en, wie in kommen (Kommen Sie mit! ), c) nach der Nähe Kontakt- (bei benachbarten Lauten) und Distanz.-A. A. sind häufig mit Reduktionen und Elisionen verbunden, sie treten in der Sprachentwicklung (z.B. mittelhochdt. lamb zu neuhochdt. Lamm), in ungespannter Sprechweise und im (Fremd-)Spracherwerb auf. Ursula Hirschfeld Association Internationale de Linguistique Appliquée (AILA): internationaler Dachverband von (2009) 33 nationalen Fachgesellschaften für Angewandte Linguistik weltweit, mit ca. 8.000 individuellen Mitgliedern. Ziele der AILA sind die Förderung der Angewandten Linguistik, der internationalen Zusammenarbeit auf diesem Feld und des Austausches von wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen. Dazu führt die AILA alle drei Jahre einen Weltkongress durch, unterhält Forschungsnetzwerke, die sich mit thematisch unterschiedlichen alltagspraktischen Problemen mit Sprache und Kommunikation befassen, die „AILA Review“, die „AILA Book Series“. Internetadresse: www.aila.info Karlfried Knapp Association of Language Testers in Europe (ALTE): Zusammenschluss von 31 europäischen Testanbietern. ALTE repräsentiert 26 Sprachen. Die deutschen Sprachprüfungen sind durch das Goethe- Institut, The European Language Certificate (TELC) und das TestDaF-Institut vertreten. Ziel von ALTE ist es, die Testsysteme in den europäischen Ländern vergleichbar zu machen. Darüber hinaus hat ALTE einen „Code of Practice“ entwickelt, der zur Standardisierung und Qualitätssicherung der Abläufe bei der Testentwicklung und -durchführung dient. Internetadresse: www.alte.org Silvia Demmig Attribut, das: erläutert Personen/ Sachverhalte näher. Merkmale: a) Es ist kein eigenständiges Satzglied, sondern nur Satzgliedteil, es kann nur <?page no="27"?> 16 Attributsatz mit dem Satzglied verschoben werden, auf welches es sich bezieht: Er putzt das neue Auto. Das neue Auto putzt er. *Neue putzt er das Auto.; b) Das A. lässt sich auf eine prädikative Grundstruktur zurückführen: das neue Auto - Das Auto ist neu. Das A. kann durch verschiedene Wortklassen repräsentiert werden (z.B. Adjektiv, Adverb, Partizip, Infinitiv, Substantiv/ Nomen im Genitiv oder als Präpositionalkasus). Die Wahl der Wortklasse wird durch die Merkmale a) und b) sowie durch Stellungsmerkmale (vorangestelltes/ nachgestelltes A.) bestimmt. Helbig, G./ Buscha, J. (2000), Leitfaden der deutschen Grammatik, München. Silke Demme Attributsatz, der: Nebensatz, der in der syntaktischen Funktion des Attributs nominale Ausdrücke des übergeordneten Satzes näher erläutert. 1. Der A. im engeren Sinne wird mit einem Relativpronomen (der/ die/ das, in der jeweils zutreffenden Flexionsvariante) eingeleitet ( Relativsatz) und kann auf zwei Grundstrukturen zurückgeführt werden: 1. Das ist der Lehrer. 2. Der Lehrer leitet die Sprachschule. Das ist der Lehrer, der die Sprachschule leitet. Die ebenfalls als Relativpronomen zur Verfügung stehende Variante welcher/ welche/ welches usw. gilt als stilistisch antiquiert bzw. schwerfällig und wird eher nur gebraucht, um bei gehäuftem Auftreten von A. zu variieren. Im DaF/ DaZ-Unterricht muss explizit vermittelt werden, dass das einleitende Relativpronomen sich in Genus und Numerus nach seinem Bezugsnomen richtet und im Weiteren den Erfordernissen der Valenz des Prädikatausdrucks folgt: vgl. Das ist der Lehrer, den wir gestern gesehen haben.; Es gibt Professoren, bei denen man nicht promovieren sollte. Dabei können präpositionale Relativausdrücke, die sich auf abstrakte bzw. vage Begriffe beziehen, auch in der Form von Pronominaladverbien auftreten: Das Thema, worüber wir neulich gesprochen haben, … 2. Der A. im weiteren Sinne wird mit den Konjunktionen dass bzw. ob sowie mit W-Wörtern eingeleitet: Sie hat die Hoffnung, dass alle zur Party kommen.; Die Frage, ob/ wann der Zug kommt, kann niemand beantworten. Der A. kann mit „Was für ein …? “ erfragt werden. Silke Demme audiolingual/ Audiolinguale Methode, die (ALM): u.a. auch als Pattern Method, Habit-Formation Method, Oral Approach oder Army Method bezeichnet, letzteres weil zwischen 1941 und 1943 in Intensiv-Sprachkursen Angehörige der US-Armee schnell und effizient Sprachen wie Chinesisch und Japanisch lernen sollten. Ziel der ALM ist Sprachkönnen, nicht Sprachwissen. Die ALM entstand unter dem Einfluss des Strukturalismus und des Behaviorismus (Fries, Lado). Spracherwerb erfolgt durch die Aneignung stark steuernder, zu imitierender Mustersätze ( pattern), die durch ständiges Wiederholen und Überlernen zu festen Gewohnheiten (habits) werden sollen. Fehler sind zu vermeiden und müssen sofort korrigiert werden. Wesentlich ist die Beherrschung praktisch verwertbaren Alltagswissens und alltäglicher Kommunikationssituationen. Das Vokabular ist begrenzt und wird in Kontexten gelernt, musterhafte Sätze behalten ihre Struktur und verändern nur ihre Lexik. Mündlichkeit (primäre Fertigkeiten: Hören und Sprechen) hat Vorrang gegenüber Schriftlichkeit (sekundäre Fertigkeiten: Lesen und Schreiben), daraus ergibt sich eine didaktische Folge der Fertigkeiten: Hören - (Nach)Sprechen - Lesen - Schreiben. Aussprache und Authentizität der Sprachvorbilder haben einen hohen Stellenwert; Einsprachigkeit, d.h. Ausschluss der Muttersprache, ist ein wichtiges Unterrichtsprinzip. Insbesondere das Sprachlabor, aber auch visuelle Hilfsmittel werden eingesetzt. Grammatik wird in Alltagssituationen eingebettet und dialogisch präsentiert, Grammatikkategorien werden nicht benannt. Grammatik ist zwar aus dem Lektionsschema ausgegliedert, steuert dennoch den Lektionsaufbau durch die Einführung der Grammatik in den Lektionsdialogen (versteckte Grammatikprogression). Die vorherrschenden Textsorten sind Dialoge als Modelle für Alltagsgespräche und landeskundlich orientierte (Sach)Texte, literarische Textsorten finden keine Verwendung. Charakteristische Übungsformen sind: Pattern Drills, Satzschalttafeln, Umformungsübungen, Lückentexte, Auswendiglernen und Nachspielen von Modelldialogen. Mit dem Aufkommen der kognitiven Wissenschaften sowie der Pragmalinguistik ( kommunikative Didaktik) verlor die ALM ihre Bedeutung. Lado, R. (1973), Moderner Fremdsprachenunterricht, München. Renate Faistauer <?page no="28"?> Ausgangssprache 17 audiovisuell/ audiovisuelle Methode (AVM): Weiterentwicklung der Audiolingualen Methode im Rahmen einer jugoslawisch-französischen Kooperation im CREDIF (= Centre de recherche et d’étude pour la diffusion de français) durch Guberina und Rivenc. Unterrichtsprinzipien: Vorrang des Mündlichen, einbis sechsmonatige schriftlose Periode zu Beginn des Unterrichts, Sprache soll mit optischem Anschauungsmaterial verbunden werden. Die AVM schreibt eine feste Abfolge der Unterrichtsphasen vor: 1. Sprachaufnahme (Einführung), hier werden Bilder(folgen) genutzt, um die Verbindung visueller mit akustischen Reizen herzustellen; 2. Sprachverarbeitung (= Übung): Wiederholung und Auswendiglernen, z.B. durch pattern drills; 3. Sprachanwendung (= Transfer): Dialoge und Rollenspiele. Die AVM orientiert sich am Behaviorismus, der Lernvorgang versteht sich als Verbindung von Reiz (Bild) und Reaktion (sprachliche Äußerung). Grammatische Erklärungen und die Muttersprache sind ausgeschlossen. Technische Unterrichtsmedien wie kombinierte Bild- und Tonträger spielen eine wichtige Rolle. Unterschiede zur audiolingualen Methode: gleichzeitiger Einsatz von akustischem und visuellem Material, globaldialogisches Situationsprinzip und Kommunizieren über Inhalte. Im Bereich DaF vor allem während der 1960er und 1970er Jahre durch das Lehrwerk von Burgdorf u.a. (1962) unter dem Begriff „Audio-visuell strukturell globale Methode (AVSG-Methode)“ im Rahmen von Deutschkursen des Deutsch- Französischen Jugendwerkes verwendet und bekannt geworden. Burgdorf, I./ Montani, K. (1962), Deutsch durch die audiovisuelle Methode, Paris. - Guberina, P. (1965), „La méthode audio-visuelle structuro-globale“, in: Revue de phonétique appliquée 1, 35-64. - Rivenc, P. (1957), „Une expérience d’enseignement du français par les méthodes audio-visuelles en Yugoslavie“, in: Cahiers Pédagogiques 7, 43ff. Renate Faistauer Aufgabe/ Aufgabenorientierung, die: Die A. hat ihre Wurzeln in der kommunikativen Didaktik und ist eng mit der Handlungsorientierung verknüpft (vgl. Bausch et al. 2006). Sie geht von der Prämisse aus, dass die Bearbeitung von Aufgaben im Schonraum des Klassenzimmers eine wesentliche Voraussetzung dafür schafft, dass Lernende außerhalb des Klassenzimmers sprachlich handlungsfähig werden. Trotz teils uneinheitlicher Bestimmungen in der Literatur (vgl. van den Branden 2006, 2-11) lassen sich A. so definieren: Sie sind komplexere Handlungsangebote, die Lernende veranlassen, die Zielsprache zu verstehen, zu manipulieren, Äußerungen in ihr zu produzieren oder in ihr zu interagieren, wobei die Aufmerksamkeit den Bedeutungen, den zu lösenden Problemen, dem auszuhandelnden Sinn und nicht den sprachlichen Formen gilt. Bestimmungsmerkmale sind transparente Zielangaben, ein klarer Ablauf und schriftliche wie mündliche Lernertexte als Arbeitsprodukte (vgl. Müller-Hartmann/ Schocker-v. Ditfurth 2006). A. sind im Anfangsunterricht ebenso angemessen (vgl. Legutke 1997) wie im Unterricht mit Fortgeschrittenen (vgl. Häussermann/ Piepho 1996) und stellen wegen der Komplexität und des Niveaus der Anforderungen oft den Endpunkt einer Lernsequenz dar (Beispiele: die Realisierung einer Modenschau im ersten Lernjahr, die Simulation einer Talk Show mit Fortgeschrittenen), auf die vernetzte Übungen schrittweise hinführen. A. sind folglich von Übungen abzugrenzen. Letztere dienen der Schulung sprachlicher Teilfertigkeiten im Bereich der Grammatik, Phonologie, der Lexik und Syntax und schaffen die Voraussetzungen, dass Lernende den Anforderungen von A. gewachsen sind. A. können deshalb auch nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit Übungen und anderen A. betrachtet werden, mit denen sie notwendigerweise vernetzt sind. Bausch, K.-R./ Burwitz-Melzer, E./ Königs, F.G./ Krumm, H.-J., Hrsg. (2006), Aufgabenorientierung als Aufgabe, Tübingen. - Häussermann, U./ Piepho, H.-E. (1996), Aufgabenhandbuch: Deutsch als Fremdsprache. Abriss einer Aufgaben-, und Übungstypologie, München. - Legutke, M. (1997), „Spielräume. Über die Rolle von Übungen und Aufgaben im Deutschunterricht (DaF) der Primarstufe“, in: Sprachenlernen, Primarschule, Unterrichtsanalyse, München, 105-132. - Müller-Hartmann, A./ Schockerv. Ditfurth, M., Hrsg. (2006), Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht, Tübingen. - Van den Branden, K., Hrsg. (2006), Task-based language education: from theory to practice, Cambridge. Michael Legutke Augenkommunikation, die: s. Blickverhalten Ausgangssprache, die: 1. In der Übersetzungswissenschaft wird A. auch als Quellsprache bezeichnet und ist die Sprache, aus der bei einer Übersetzung in die andere Sprache übertragen <?page no="29"?> 18 Ausländerdeutsch wird. Bei Benutzung eines Wörterbuches z.B. Englisch - Deutsch für eine Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche, ist A. Englisch und Deutsch die Zielsprache. 2. Beim Fremdsprachenerwerb meint A. die Sprache, in der das Lernmaterial oder die Ressource abgefasst ist: z.B. ist bei einer auf Deutsch verfassten Grammatik des Englischen für deutschsprachige Lerner, Deutsch die A. und Englisch die Zielsprache. 3. In der Informationstechnologie bezeichnet A. die Sprache, in der ein Programm, z.B. Microsoft Office, allererst installiert ist. Alexandra Rösner Ausländerdeutsch, das: s. Gastarbeiterdeutsch, s. Foreigner Talk Ausländerpädagogik, die: Die A. entwickelte sich Anfang der 1970er Jahre im Kontext der ersten Phase umfangreicheren Zuzugs von sog. Gastarbeitern und deren Familien als Folge der Arbeitskräfteanwerbung im Ausland, insbesondere in Italien, dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei. Das Konzept der A. basiert(e) auf der Annahme, dass Migrantenkinder sprachliche, kulturelle und sozialisatorische Defizite hätten, die durch kompensatorische Maßnahmen behoben werden müssten. Indem sich diese Erziehung auf eine einseitige Kompetenzerweiterung bei den ausländischen Kindern konzentrierte, basierte sie auf einer Defizit-Hypothese, die die Legitimation der Bezugsgröße (d.h. die Sozialisation der deutschen Bevölkerungsmajorität) nicht hinterfragte (vgl. Niekrawitz 1991, 27). Kritiker der A. wandten sich gegen die Strategie der einseitigen Assimilation, die Marginalisierung der ausländischen Kinder durch eine spezielle Pädagogik und die Umdeutung struktureller Benachteiligung in pädagogisch zu kompensierende Defizite (vgl. Hamburger et al. 1981). Seit Ende der 1970er Jahre entwickelte sich dann die Interkulturelle Erziehung, die auf der Basis der Differenzhypothese davon ausgeht, dass zu den Adressaten von Bildung und Ausbildung in multikulturellen Gesellschaften sowohl die Mehrheitsals auch die Minderheitsangehörigen gehören, deren je besondere Bedürfnisse in einem integrativen Bildungsgesamtkonzept zu berücksichtigen seien. Obwohl die Interkulturelle Erziehung inzwischen als pädagogisches Leitkonzept anerkannt ist, finden sich im praktizierten Schul- und Ausbildungsalltag auch aktuell Positionen und Praxen, die faktisch - wenn auch meist nicht expressis verbis - dem A.-Konzept verpflichtet sind. Auernheimer, G., Hrsg. (1984), Handwörterbuch der Ausländerarbeit, Weinheim/ Basel. - Hamburger, F./ Seus, L./ Wolter, O. (1981), „Über die Unmöglichkeit, Politik durch Pädagogik zu ersetzen“, in: Unterrichtswissenschaft, 9, 158-167. - Niekrawitz, C. (1991), Interkulturelle Pädagogik im Überblick. Von der Sonderpädagogik für Ausländer zur interkulturellen Pädagogik für Alle. Ideengeschichtliche Entwicklung und aktueller Stand, 2. Aufl., Frankfurt a. M. Evelyn Röttger Ausländerrecht, das: gesetzliche Regelungen, die ausschließlich Menschen betreffen, welche nicht die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltslandes besitzen. A. regelt insbesondere die Einreise und die Aufenthaltsdauer (Visa und Sichtvermerke), die Aufnahme von Flüchtlingen (Asyl(verfahrens) gesetze), sowie den Zugang zu Erwerbstätigkeit und Staatsbürgerschaft. Als „Zuwanderungsgesetz“ in Deutschland, als „Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz“ in Österreich und als „Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer“ in der Schweiz fungiert A. zudem als Steuerungsinstrument im Kontext von Migration und Arbeitsmigration. Die Regelung von Integration im Rahmen des A. ist eine relativ junge Entwicklung (Österreich 2003, Deutschland 2005, Schweiz 2008) und bringt mit sich, dass Migranten gesetzlich zum Erwerb der deutschen Sprache (in der Schweiz einer Landessprache) berechtigt und verpflichtet sind, sofern sie noch keine Kenntnisse besitzen (für Österreich vgl. dzgl. die Integrationsvereinbarung, für Deutschland die Integrationskursverordnung). Neben dem nationalen A. existieren auch internationale: so regelt das Schengen-Abkommen den Grenzübertritt und die Grenzkontrolle, das Visum-Recht und das Recht des Aufenthalts von Drittstaatsangehörigen (Nicht-EU- oder -EWR-Bürger, Nicht-Schweizer). Außerdem gelten das Freizügigkeitsrecht für Unionsbürger, die Dublin-Verordnung für Asylwerber und zahlreiche Richtlinien, die Migrationspolitik betreffend. Schumacher, S./ Peyrl, J. (2007), Fremdenrecht, Wien. Verena Plutzar Ausländerregister, das: s. Gastarbeiterdeutsch <?page no="30"?> Aussiedler 19 Auslandsgermanistik, die: Sammelbezeichnung für universitäre Lehr- und Forschungsinstitutionen, die sich außerhalb des deutschsprachigen Raums mit Germanistik/ Deutsch(land)studien befassen. Die Unterscheidung A. - Inlandsgermanistik betont v.a. die unterschiedlichen kontextuellen Gegebenheiten, die Einfluss auf Studienorganisation, Studienziele, teils auch Forschungsinteressen und Arbeitsbedingungen der Lehrenden ausüben. Als weiterer wichtiger Unterschied wird die differente kulturell-sprachliche Sozialisation der Studierenden sowie teils auch der Lehrenden in der A. genannt (vgl. Sitta 2004). Danach führen diese Faktoren tendenziell zur Entwicklung von eigenständigen Perspektiven und Zugängen zu „germanistischen“ Inhalten (im weitesten Sinn). Einige Befürworter der begrifflichen Unterscheidung zwischen A. und „Inlandsgermanistik“ versuchen, durch die bewusste Aufwertung des Begriffs A. eine Anerkennung der Andersartigkeit und des Eigenwerts der „Auslandsperspektive“ zu erreichen (vgl. Grucza 2006). Kritisch gegen diese Unterscheidung wird angeführt, dass sie schon begrifflich unglücklich sei, da Ausland und Inland relative, von der jeweiligen Sprecher-/ Bewohner-Perspektive abhängige, inhärent wertende Begriffe seien, dass die Germanistik innerhalb wie außerhalb des deutschen Sprachraums in Bezug auf die Traditionen, Rahmenbedingungen, Ziele und Zusammensetzung von Studierenden und Lehrenden äußerst heterogen sei. Eine scharfe begriffliche Grenze überforme diese pluralistische Landschaft (zu) holzschnittartig (vgl. Dalmas 2006, Fandrych 2006). Das Fach Deutsch als Fremdsprache (im deutschsprachigen Raum) wird häufig als Vermittler zwischen beiden Perspektiven gesehen, da es die Außenperspektiven ernst nimmt, ohne schon eine tiefgehende Konkretisierung auf eine vergleichende Perspektive vornehmen zu können. Dalmas, M. (2006), „‚Entschuldigen Sie bitte - sind Sie Auslandsgermanistin? ‘ Oder: Versuch einer Antwort auf eine falsch gestellte Frage“, in: Deutsch als Fremdsprache 1, 3-7. - Fandrych, C. (2006), „Germanistik - pluralistisch, kontrastiv, interdisziplinär“, in: Deutsch als Fremdsprache 2, 71-78. - Grucza, F. (2006), „Zur Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Inlandsgermanistik und Auslandsgermanistik“, in: Deutsch als Fremdsprache 4, 195-207. - Sitta, H. (2004), „Inlandsgermanistik - Auslandsgermanistik. Was für einen Sinn hat eine solche Unterscheidung? “, in: Deutsch als Fremdsprache 4, 194-198. Christian Fandrych Auslautverhärtung, die: ist eine für das Deutsche typische Neutralisierungserscheinung der phonologischen Opposition fortis-lenis im Silbenauslaut, d.h. eine aufgrund distinktiver Merkmale bestehende Opposition wird damit aufgehoben. A. bewirkt Fortisierung mit Stimmtonverlust (Verhärtung) der im Silbenanlaut als Leniskonsonanten auftretenden Laute [b d g v z] am Wort- und Silbenende zu den entsprechenden Fortiskonsonanten [p t k f s]: Häu-ser [z] - Haus [s]. A. betrifft auch, assimilatorisch bedingt, ursprüngliche Leniskonsonanten im sog. verdeckten Auslaut: (er) lebt [p]. A. tritt i.d.R. nicht vor anschließendem Suffix auf, das mit <l, n, r> beginnt: Handlung. Kerstin Reinke Äußerung, die: zusammenhängende Sprechhandlung unterschiedlicher Länge; der Terminus Ä. impliziert, anders etwa als Satz, auch nicht-satzwertige (z.B. Keine Ahnung) sowie nicht-normgerechte (z.B. meine Name Emine) Sprechhandlungen, was v.a. auch für den wissenschaftlichen Umgang mit empirisch gewonnenen Sprachdaten, wie sie z.B. Untersuchungen zum Zweitspracherwerb bzw. generell von Lernersprachen zugrunde liegen, von hoher forschungsmethodologischer Bedeutung ist (vgl. dazu Barkowski 1996). Barkowski, H. (1996), „„Das (…) beste Lösung! “ - Zur Verwendung der Kopula in zweitsprachlichen Äußerungen auf Deutsch“, in: Deutsch Lernen 3/ 1996, 249- 260. Hans Barkowski Aussiedler, die: im amtlichen Sprachgebrauch „Spätaussiedler“, die im Rahmen eines Aufnahmeverfahrens nach Deutschland übersiedelt und als deutsche Staatsbürger anerkannt sind. A. sind die Angehörigen von deutschen Minderheiten, deren Familien in Ostmitteleuropa, Osteuropa, Südosteuropa und teilweise in den asiatischen Teilen der Sowjetunion (SU) gelebt haben. Die Auswanderung in die Ostgebiete erfolgte im 18. und 19. Jh. Bekannt ist das Manifest von Katharina II. (1763), mit dem sie deutsche Siedler anwarb, um die neu eroberten Gebiete Russlands an der Wolga und in Südrussland zu besiedeln. Sie versprach den Siedlern Religionsfreiheit und Befreiung von Kriegsdienst und Abgaben. In den Siedlungsgebieten bildeten sich deutsche Kolonien, die sich als Sprachinseln bis in das 20. Jh. <?page no="31"?> 20 Aussprache erhielten. Nach dem Überfall Hitlers auf die SU 1941 wurden alle Russlanddeutschen zu Kollaborateuren erklärt und es erfolgte eine Zwangsumsiedlung in die asiatischen Teile Russlands. Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Staaten kam es Ende der 1980er bis Mitte der 1990er Jahre zu starken Zuwanderungen nach Deutschland (bis zu 240.000 Personen pro Jahr), zunächst aus Rumänien und Polen, dann aus der ehemaligen SU. Die A. aus der SU stellen heute in Deutschland nach den Türken die größte Gruppe von Einwanderern dar. Das bedingt entsprechende Integrationsmaßnahmen. Baur, R.S. et al. (1999), Die unbekannten Deutschen, Baltmannsweiler. - Reitemeier, U., Hrsg. (2003), Sprachliche Integration von Aussiedlern im internationalen Vergleich, Mannheim. Rupprecht S. Baur Aussprache, die: umfasst die phonetische Realisierung, d.h. die segmentale ( Artikulation) und die suprasegmentale ( Prosodie) Ebene gesprochener Sprache. Die A. einer Sprache ist Gegenstand der Phonetik, sie ist phonologisch ( Phonologie) fundiert. Die A. einer konkreten Äußerung wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst: Sie trägt individuelle Merkmale eines Sprechers und damit auch sozio- und regiolektale Merkmale ( Soziolekt); sie ist textsorten- und situationsabhängig (damit beschäftigt sich die Phonostilistik). Die A. wird unbewusst erworben und verwendet, sie kann aber auch, besonders von geschulten Sprechern, gezielt verändert und eingesetzt werden. A.korrekturen (bei Deutschlernenden, aber auch Dialektsprechern und Menschen mit Sprechstörungen) sind oft langwierig, weil Hörgewohnheiten verändert, unbewusst ablaufende Sprechbewegungen bewusstgemacht und neue Sprechbewegungen automatisiert werden müssen. Die Lehre von der richtigen, genormten A. ( Standardaussprache, Aussprachestandards) ist die Orthoepie. Das Verhältnis von Orthoepie und Orthografie ist in jeder Sprache unterschiedlich, im Deutschen ist es kompliziert ( Laut-Buchstabe-Beziehung). A. kann in phonetischer Umschrift normphonetisch oder realitätsnah wiedergegeben werden. Hirschfeld, U./ Stock, E. (2004), „Aussprache“, in: Pabst-Weinschenk, M. (Hrsg.), Grundlagen der Sprechwissenschaft und Sprecherziehung, München, 31-47. Ursula Hirschfeld Aussprachestandard, der: die kodifizierte Standardaussprache, d.h. die normgerechte phonetische segmentale ( Artikulation) und suprasegmentale ( Prosodie) Realisierung von Sprache. Der früher für A. verwendete Begriff Hochlautung ist ungünstig, weil „hoch“ eine sprachliche bzw. soziale Bewertung ausdrückt und „Lautung“ den suprasegmentalen Bereich ausschließt. Die nationalen Varietäten des Deutschen - die bundesdeutsche (oder deutschländische), österreichische und deutschschweizerische - weisen jeweils eigene A. mit Substandards bzw. spezielle Register auf. Als A. gilt diejenige als nichtregional bewertete Aussprache, die Berufssprecher in den Medien sowie Schauspieler auf der Bühne benutzen, die von gebildeten Sprechern erwartet und die im DaF-Unterricht als Muster für den sprachproduktiven Bereich verwendet wird. Aktuelle Kodifikationen des A. sind für Deutschland das Duden-Aussprachewörterbuch (Mangold 2005) und das Deutsche Aussprachewörterbuch (Krech u.a. 2009), die Sender der ARD verfügen zudem über eine interne Aussprachedatenbank. Für das österreichische Deutsch liegt seit 2007 ein Aussprachewörterbuch vor (Muhr), für das Schweizer Standarddeutsch ist der A. noch nicht kodifiziert. Krech, E.-M. u.a. (2009), Deutsches Aussprachewörterbuch, Berlin. - Mangold, M. (2005), Duden-Aussprachewörterbuch, 6. Aufl., Mannheim u.a. - Muhr, R. (2007), Österreichisches Aussprachewörterbuch/ Österreichische Aussprachedatenbank, Frankfurt a. M. Ursula Hirschfeld Austauschprobe, die: s. Substitution Austriazismus, der: Bezeichnung der standardsprachlichen Varianten des österreichischen Deutsch ( plurizentrische Sprache). Die Besonderheiten des österreichischen Deutsch betreffen alle sprachlichen Ebenen (z.B. Morphologie: Rindsbraten vs. Rinderbraten; Perfekt als mündliche Erzählzeit), sind aber im Wortschatz besonders auffällig. Das betrifft alltagssprachliche Ausdrücke (heuer, Jänner, Marille), aber auch die Verwaltungs- und Rechtssprache: Pensionsversicherung (A.) vs. Rentenversicherung, Beilage (A.) vs. Anlage. Nachschlagwerke für A. sind Ebner (1998), das Österreichische Wörterbuch, das Variantenwörterbuch des Deutschen (vgl. Ammon et al. 2004). Besondere Bedeutung erlangten A. durch die Tatsache, dass bei Österreichs EU-Beitritt 23 A. aus dem Lebensmittelbereich im Proto- <?page no="32"?> Autorenprogramm 21 koll Nr. 10 geschützt und den in Deutschland verwendeten entsprechenden Ausdrücken rechtlich gleichgestellt wurden, z.B. Faschiertes (A.)/ Hackfleisch, Karfiol (A.)/ Blumenkohl (vgl. de Cillia 1997). Ammon, U. u.a. (2004), Variantenwörterbuch des Deutschen, Berlin. - de Cillia, R. (1997), „Alles bleibt, wie es ißt. Österreichs EU-Beitritt und die Frage des österreichischen Deutsch“, in: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 23/ 1997, 239-258. - Ebner, J. (1998 3 ), Wie sagt man in Österreich? Wörterbuch der österreichischen Besonderheiten, Mannheim. Rudolf de Cillia authentisches Hören und Lesen: s. Fremdsprachenwachstum Authentizität, die: Eigenschaft von Texten, aber auch von Beispielsätzen, sozial-interaktiven Handlungen und mediengestütztem Material, die Grundlage unterrichtlichen Sprachenlernens sind. Nach einem sprachlich-materiellen Verständnis von A. ist dieses Material intentional und bedeutungsvoll; es hat außerhalb der Unterrichtssituation Adressaten und Funktionen und enthält relevante, wiedererkennbare textsortenspezifische Merkmale (z.B. Zeitungsartikel, Mietangebote usw.). Kommunikativ orientierte Ansätze des Fremdsprachenlehrens, deren Ziel es ist, die Zielsprache auch im Unterricht „natürlich“ und zweckgebunden zu verwenden, forderten bereits in den frühen 1980er Jahren A. für Sprachmaterialien und Kommunikationsanlässe. Auch im konstruktivistischen Paradigma ist die A. von Kontexten, in denen Sprache gelernt und benutzt wird, ein wichtiges Prinzip. In methodisch-didaktischen Texten werden - oftmals wenig reflektiert - diejenigen Materialien als authentisch bezeichnet, zu denen Lerner in ihrem Alltag vorrangig Zugang haben; Rezeptionsgewohnheiten und Unterhaltungsbedürfnisse der Lerner sind so ebenfalls ein Kriterium für A. und für die Auswahl von Materialien für das unterrichtliche Sprachenlernen. Edelhoff, C. (1985), „Authentizität im Fremdsprachenunterricht“, in: Ders. (Hrsg.): Authentische Texte im Deutschunterricht, München, 7-30. Imke Mohr Autonomie, die/ autonomes Lernen: A. stellt ein allgemeines Erziehungsziel im Unterricht dar, beinhaltet Selbstständigkeit, Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit. Lernerautonomie ist ein Entwicklungsprozess, in dem sich Wissen über den Lerngegenstand und über den Lernprozess nebeneinander und aufeinander bezogen entwickelt (Wolff 1996, 555). Mit dem Begriff des a.L. wird eine Lernkultur bezeichnet, in der das Anknüpfen an die persönlichen Erfahrungen und Lernmotive sowie die Entwicklung der Fähigkeiten für ein eigenverantwortliches Lernen im Zentrum stehen. Für das selbstständige, von der Lehrkraft unabhängige Lernen sind Strategien, mentale Handlungspläne notwendig, die beim Lernen bewusst und zielgerichtet eingesetzt werden. Im Fremdsprachenunterricht wird zwischen Sprachlernstrategien, die dem Erlernen der Sprache dienen, und Sprachgebrauchsstrategien/ Kommunikationsstrategien, die für den Gebrauch der Sprache in der Kommunikation wichtig sind, unterschieden. Beide Formen der Strategien sind beim Sprachenlernen wichtig, sie ergänzen einander. A. bedeutet auch die Fähigkeit, auf verschiedenen Ebenen arbeiten zu können, dementsprechend werden Strategien auf kognitiver und metakognitiver Ebene eingesetzt. Die kognitive Arbeit richtet sich auf die direkte Verarbeitung der Fremdsprache beim Umgang mit dem Sprachmaterial. Zu den kognitiven Strategien gehören Gedächtnisstrategien und Sprachverarbeitungsstrategien. Strategien auf der metakognitiven Ebene tragen indirekt zum erfolgreichen Lernen bei, sie sind fächerübergreifend und betreffen das Lernen allgemein (vgl. Bimmel/ Rampillon 2004, 126ff.). Metakognitive Strategien haben das Ziel, den eigenen Lernprozess zu planen, die eigene Aufmerksamkeit zu steuern, die eigene Ausführung einer Aufgabe zu überwachen und zu reflektieren und die Ergebnisse auszuwerten. Zur Entwicklung des a.L. ist Gruppenarbeit eine geeignete Sozialform, die kooperatives Lernen ermöglicht und fördert, dabei werden soziale und affektive Strategien eingesetzt. Bimmel, P./ Rampillon, U. (2004), Lernerautonomie und Lernstrategien, 5. Aufl., München. - Wolff, D. (1996), „Kognitionspsychologische Grundlagen neuer Ansätze in der Fremdsprachendidaktik“, in: Info DaF 23, 541-560. Ilona Feld-Knapp Autorenprogramm, das: Computerprogramm, das aus einem Autorenteil mit einer Eingabemaske für die Inhalte und aus einem durch die Lernenden zu bearbeitenden Übungsteil besteht. Die Übungen können je nach A. als Arbeitsblätter <?page no="33"?> 22 Autosemantikon ausgedruckt oder am Computer bearbeitet werden. Sprachlernbezogene A. bieten unterschiedliche Übungstypen als Programmschablonen, die je nach Lernbedürfnis mit Inhalten gefüllt werden können. Ziel ist es, das Übungsangebot der A. inhaltlich für eine Lerngruppe zu adaptieren, ohne sich in eine Programmiersprache einarbeiten zu müssen. A. bieten unterschiedliche Möglichkeiten zur Einbindung multimedialer Elemente wie Ton oder Video und zur Gestaltung gestufter Hilfen und Rückmeldungen. Der zeitliche und technische Aufwand beim Ausfüllen der Autorenmasken ist je nach Leistungsbreite des A. unterschiedlich hoch. Die Zahl der Übungstypen und der Grad z.B. der Interaktivität sind vom A. abhängig und begrenzt. Durch eine didaktisch sinnvolle Integration in die Lernumgebung können Lehrende wie Lernende mit Hilfe von A. zu Produzenten von Lehr-/ lernmaterial werden. Koenig, M. (1999), „Lernende als Produzenten und als Konsumenten. Autorenwerkzeuge erschließen neue Möglichkeiten“, in: Fremdsprache Deutsch 21, 26-33. - Kuhn, C. (2005), „Lernerzentriert und motivierend! Zur Integration von Autorenprogrammen in fremdsprachliche Lernumgebungen“, in: nm - Neusprachliche Mitteilungen aus Wissenschaft und Praxis, 58. Jg., Ausgabe 1-2, 40-46. - Rösler, D. (2007), E-Learning Fremdsprachen - Eine kritische Einführung, 2. Aufl., Tübingen. Christina Kuhn Autosemantikon, das/ autosemantisch: Lexem mit einer relativ klaren Bedeutung auch außerhalb eines Kontextes. Von den traditionellen Wortklassen sind es: Substantive (Wein, Liebe), Adjektive (lustig), Verben (singen), Adverbien (mittags). A. Eigenschaften weisen auch Numerale (zwei) und deiktische Wörter (jener, so) auf. Den semantischen Gegenpol zu A. bilden die Synsemantika. Während A. durch andere Wörter umschrieben werden können (Oma = Mutter meiner Mutter), werden die Synsemantika lediglich durch die Beschreibung ihrer Funktion charakterisiert (und = „Konjunktion der kopulativen Verbindung“). Tomáš Ká ň a Autostereotyp, das: eine Form des Stereotyps, auch Selbststereotyp oder Selbstbild genannt. Im Gegensatz zum Heterostereotyp ( Fremdbild) sind A. Bilder oder Vorstellungen, die eine Person oder eine Gruppe von sich selbst hat. In der interkulturellen Kommunikation kann der Unterschied zwischen A. und Heterostereotyp zu Missverständnissen führen, z.B. halten sich deutsche Lehrende für modern (A.) und lassen die Lernenden sehr selbstständig arbeiten - diese wiederum halten in manchen Ländern solche Lehrer für faul (Heterostereotyp), weil sie nicht permanent dozieren und nicht alle Fragen selbst beantworten. Manuela Knötig Auxiliarverb, das: s. Hilfsverb AVSG: s. Audiovisuelle Methode Axiom, das: Der Begriff gehörte bereits im Philosophiediskurs der hellenistischen Antike (so bei Plato, Aristoteles u.a.) zum Grundbestand erkenntnistheoretischer Terminologie und bedeutet in seinem Kern, dass einer wissenschaftlichen, ethischen oder religiösen Aussage die Qualität zugeschrieben wird, unmittelbar und ohne weitere Herleitung/ Begründung wahr zu sein bzw. Geltung und Beachtung beanspruchen zu können. Je nach Standpunkt, können axiomatische Aussagen im wissenschaftlichen wie auch im Alltagsdiskurs hinsichtlich ihres Anspruches geteilt oder hinterfragt werden. Zum Diskurs zu A. in den Sprachwissenschaften vgl. Leiss 2009. Leiss, E. (2009), Sprachphilosophie, Berlin/ New York. Hans Barkowski B Babytalk: s. Ammensprache Backwash Effekt, der: auch: Washback Effekt. Gemeint sind die Rückwirkungen, die ein Test auf den Unterricht oder auf außerunterrichtliche Testvorbereitungen haben kann, die Kandidaten im Selbststudium vornehmen. Wenn ein Test valide ( Gütekriterien), d.h. genau auf die Testsituation und die gesellschaftlichen Bedingungen abgestimmt ist, für die er konzipiert wurde, so sind eher positive Rückwirkungen zu erwarten. Umgekehrt sind beobachtbare negative Rückwirkungen ein Indiz für mangelnde Konstruktvalidität ( Validität) des Tests (vgl. Messick 1996, 8). Der wissenschaftliche Beweis dieser Rückwirkungen ist jedoch komplex und kann endgültig nur durch detaillierte Unterrichtsforschung erbracht werden (vgl. Cheng/ Watanabe 2004). Ein Hinweis auf negativen B. wäre es, wenn ein Test <?page no="34"?> Bedeutungsvermittlung 23 ein bestimmtes Testformat anbieten würde, bei dem ein gezieltes Training, das wiederum nicht den Kriterien eines modernen kommunikativen und handlungsorientierten Sprachunterrichts entspricht (wie zum Beispiel einförmige Grammatikübungen), zu einer deutlichen Verbesserung der Resultate führen würde (vgl. Krekeler 2005, 158ff.). Cheng, L./ Watanabe, Y. (2004), Washback in Language Testing. Research Contexts and Methods, Mahwah/ N.J. - Krekeler, C. (2005), Grammatik und Fachbezug in Sprachtests für den Hochschulzugang (Dissertation), Essen. - http: / / deposit.ddb.de/ cgi-bin/ dokserv? idn=978071492b - Messick, S. (1996), Validity and Washback in Language Testing. Research Report, Princeton/ N.J. Silvia Demmig BAMF: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, seit 01.01.2004; dem deutschen Bundesministerium des Innern (BMI) nachgeordnete Behörde, in welcher die Aktivitäten des Bundes zur Integration von Personen mit Migrationshintergrund gebündelt sind. Früher als Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) ausschließlich mit der Bearbeitung von Asylanträgen befasst, hat sich das Aufgabenspektrum des BAMF insbesondere seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes (01.01.2005) u.a. um folgende Bereiche erweitert: Organisation und Durchführung der Integrationskurse und von Integrationsprojekten, Umsetzung des bundesweiten Integrationsprogramms nach §45 AufenthG, Verwaltung von thematisch einschlägigen EU-Fonds, Führung des Ausländerzentralregisters (AZR), Erstellung von Forschungsberichten zu Fragen von Migration und Integration. Aktuelle Informationen sind laufend unter: www. bamf.de oder www.integration-in-deutschland. de erhältlich. Jens Reimann Basic Interpersonal Communicative Skills: s. BICS Baumdiagramm, das/ Baumgraph, der: s. Strukturbaum Bedeutungsaushandlung, die: Unter konversationsanalytischer Perspektive findet B. in Prozessen sozialer Interaktion statt, in denen sich die Beteiligten im Gespräch auf geltende Deutungen einigen, vor allem in der interkulturellen Kommunikation. Unter institutionellen Kommunikationsbedingungen des DaF-Unterrichts kommen B.sequenzen sehr häufig vor, ihre Inhalte und Handlungsmuster sind durch den pädagogischen Fokus bedingt: 1. Allgemein wird B. bei Erklärungssequenzen vom Lehrenden angestoßen, um den Input verständlich und den Wissenstransfer interaktiv zu gestalten ( Bedeutungsvermittlung). 2. Bei Unterrichtsaktivitäten, die auf die Entwicklung mündlicher Kompetenzen gerichtet sind, fokussiert B. v.a. auf semantische Aspekte und zeichnet sich durch Rückfragen, Reformulierungs- und Reparaturhandlungen aus. Lernende sind jedoch i.d.R. unwillig, B. als Strategie zur Lösung von Verständnisschwierigkeiten einzusetzen. 3. Bei Unterrichtsaktivitäten mit Fokus auf die grammatische Form kommt B. als Formaushandlung mit dem Ziel grammatischer Korrektheit vor. B. als dialogische, kontextreflexive und prozessorientierte Strategie spielt für die Entwicklung interkultureller Interaktionskompetenz (Perspektivierung, vgl. u.a. Delanoy 1999) und im bilingualen Sachfachunterricht eine zentrale Rolle. Delanoy, W. (1999), „Fremdsprachenunterricht als dritter Ort bei interkultureller Begegnung“, in: Bredella, L./ Delanoy, W. (Hrsg.), Interkultureller Fremdsprachenunterricht. Tübingen, 123-159. Marcella Costa Bedeutungsvermittlung, die: 1. Kontext Die B. ist als Wissenstransfer die Schaltstelle der unterrichtlichen Beschäftigung mit fremdem sprachlichen und landeskundlichen Wissen. Unterrichtsevaluationen weisen Kompetenz im Erklären von Verstehensdefiziten als wichtigen Gradmesser für die Qualität von Fremdsprachenunterricht aus. Als Dilemma gilt, dass Lehrende zum einen Lerngegenstände gelegentlich auch dann als erklärungsrelevant deklarieren und behandeln müssen, wenn ihre Erklärungsbedürftigkeit von Lernerseite nicht signalisiert oder als notwendig erachtet wird, und dass Lehrende zum anderen nicht alle erklärungsrelevanten Lerngegenstände behandeln können. Auch deswegen, v.a. aber zur Förderung des autonomen Lernens sind den Lernenden zudem Strategien zur eigenständigen Bedeutungserschließung zu vermitteln. Als besonderer Gegenstand der B. <?page no="35"?> 24 Begegnungsschule gilt in unterrichtlichen Kontexten das spezielle Register unterrichtssprachlicher Interaktion inkl. der - der Ökonomie und Kognitivierung des Lernens dienenden - Fachterminologie (Grammatikterminologie u.a.m.). 2. Definition B. umfasst mündliche und schriftliche Instruktionen. Erklärungsgegenstände sind a) metasprachliche Ausdrücke grammatisch-lexikalischen Wissens (wie z.B. Verb; Passiv usw.), b) Verbindungen zw. sprachlicher Form und textueller/ interaktionaler Funktion (metasprachliche und dialogisch metakommunikative Erläuterung von Schreib-/ Redeintentionen und ihren kontextuellen Ausdrucksvarianten), c) Bedeutungen kulturspezifischer semantischer Einheiten (Begriffe; landeskundliche Fakten) sowie d) Mischformen von a)-c), wie z.B. Phraseologismen, Rituale oder Tabus. Die B. besteht i.d.R. aus zwei kommunikativen Teilhandlungen, dem Identifizieren eines Erklärungsgegenstandes und dem Erklären desselben. Identifizierungen erfolgen u.a. durch deiktisches Verweisen (Gegenstände, Abbildungen) oder durch Übersetzungen (Herstellung von Wortgleichungen). Erklärungen werden vielfältig gestaltet: durch Einordnung in Ober-/ Unterbegriffe, Benennung von Prototypen, Konnotationen, historischen Veränderungen und Vergleichen mit ähnlichen zielsprachlichen Begriffen und Sprechkonventionen der Ausgangssprache der Lernenden (vgl. Müller 1994; Liedke 2008). Konstitutiv für gelungene B. sind Rezipientendesign, Bedeutungsvernetzung und Perspektivenwechsel, d.h. Lehrende stimmen ihr dzgl. Lehrhandeln auf den fremdsprachlichen und sachbezogenen Kenntnisstand der Adressaten ab, stellen kulturspezifische Verbindungen zu anderen fremdsprachlichen oder -kulturellen Erklärungsgegenständen her und geben die eigenbzw. fremdkulturellen, situativen oder persönlichen Perspektiven an, die den Erklärungen zugrunde liegen. Die Offenlegung von Verfahren der B. fördert dabei gleichzeitig die Bedeutungserschließungskompetenz auf Rezipientenseite. Liedke, M. (2008), „Kulturvergleichende Bedeutungsvermittlung“, in: Der Deutschunterricht, 5, 37-45. - Müller, B.-D. (1994), Wortschatzarbeit und Bedeutungsvermittlung, München. - Neumeister, N./ Vogt, R. (2009), „Erklären im Unterricht“, in: Becker-Mrotzek, M. (Hrsg.), Mündliche Kommunikation und Gesprächsdidaktik, 562-583, Baltmannsweiler. Bernd Müller-Jacquier Begegnungsschule, die: Schule, die den Kontakt zwischen Menschen verschiedener Herkunft oder auch verschiedener sprachlich-kultureller Hintergründe ermöglicht. Eine B. kann eine Brückenfunktion zwischen verschiedenen Sprachen und Kulturen einnehmen. An einer B. gilt Begegnung bei der Formulierung von Zielen und bei der Gestaltung von Unterricht als ein Kernbegriff. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass die Lernenden in einem offenen, projektartigen Unterricht Aktivitäten durchführen, in denen der zwischenmenschliche Austausch konkret stattfindet. Der Unterricht verknüpft sprachliches und landeskundliches Lernen, indem er eine authentische, handlungsorientierte Anwendung der Sprache ermöglicht und direkte Begegnungen mit der Zielkultur anbietet. Im Rahmen von Projekten können die andere Kultur und Sprache entdeckt und erforscht, die Lebenswirklichkeit und die Erfahrungen der Schüler in den Unterricht einbezogen werden. Die von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen betreuten Auslandsschulen werden dann als B. geführt, wenn sie zweisprachig konzipiert sind und die Lehrpläne des Gastlandes und der Bundesrepublik integrieren. Umgekehrt werden auch internationale zweisprachige Schulen im deutschen Sprachraum vielfach als B. bezeichnet. Ilona Feld-Knapp Begegnungssprache, die: in sprachenpolitischen Konzepten ( Homburger Empfehlungen) die Sprache, der Kinder früh in ihrer Lebenswelt begegnen (Sprachen von sprachlichen Minderheiten oder Grenznachbarn), weshalb dies die erste Fremdsprache sein sollte, die sie z.B. im Kindergarten lernen. So führte Sachsen ca. 1990 das „Fach“ Begegnungssprache an den Grundschulen ein, wo die Kinder u.a. Polnisch oder Tschechisch spielerisch kennenlernen konnten, (die meisten Eltern für ihre Kinder allerdings Englisch wählten). Deutsch ist in diesem Sinne B. in den Nachbarländern zu Deutschland und Österreich. In einem allgemeineren Sinne charakterisiert der Terminus B. einen Sprachunterricht, der Begegnungen mit und Erfahrungen in anderen Kulturen ermöglicht, z.B. im Rahmen eines offenen Unterrichts. Ilona Feld-Knapp <?page no="36"?> Behaviorismus/ Behaviourismus/ behavioristisch 25 Begriffsbildung, die: psychischer Prozess, in dem mentale Repräsentationen der Wahrnehmungswelt hergestellt und die Einordnung neuer Eindrücke in vertraute Ordnungen ermöglicht werden. Er beruht auf Klassifizierungen dank der Erfahrung von Ähnlichkeit und Differenz in Erscheinungsbild und Funktionalität von Gegenständen, Sachverhalten und Denkinhalten. Dem entspricht ein Einstellungs- und Handlungspotenzial, mit dem auf die jeweils als relevant wahrgenommenen Aspekte einer Situation zu reagieren ist. Begriffe sind der sprachlichen Kommunikation vorgelagert. Sie werden in Äußerungen gewissermaßen übersetzt und im Verstehensprozess mit der jeweils eigenen Begrifflichkeit abgeglichen. In Sprachhandlungen wird also letztlich auch über interindividuelle B. kommuniziert. B. ist ein in der Biographie nicht endender Lernprozess, der in historische Traditionen und sich verändernde kollektive Lebenspraxen eingebunden ist. In der Kindheit ist er eng mit dem Spracherwerb verknüpft, weil nicht nur Bezeichnungen für bereits gebildete und neu zu bildende Begriffe gelernt und im Gedächtnis verankert werden, sondern auch das Instrument angeeignet wird, das die Bildung von Begriffen über nicht selbst Erlebtes ermöglicht. Damit werden in Interaktionen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede mentaler Repräsentationen verhandelbar. Das gilt ebenso unter Angehörigen einer Sprach- und Kulturregion, wie es eine notwendige Voraussetzung für gelingende interkulturelle Kommunikation darstellt. Die Beschäftigung mit B. ist somit ein elementarer Bestandteil aller multilingualen und interkulturellen Lernprozesse und Interaktionen sowie deren Erforschung. Hoffmann, J. (1996), „Die Genese von Begriffen, Bedeutungen und Wörtern“, in: Grabowski, J. (Hrsg.), Bedeutungen, Konzepte, Bedeutungskonzepte. Theorie und Anwendung in Linguistik und Psychologie, Opladen. Gudula List Behaviorem, das: Begriff im Rahmen der Kulturemtheorie (vgl. Oksaar 1988). Die B. sind die kulturspezifischen Ausprägungen der universellen Kultureme, d.h. besondere - und für verschiedene Kulturen jeweils unterschiedliche - Verhaltensweisen (= spezifische nonverbale, verbale und paraverbale Formen sowie extraverbale Einflussfaktoren). Bsp.: Auf der Ebene der B. sind ‚Händeschütteln‘ (in Deutschland) oder ‚Verbeugung‘ (in Japan) die nonverbale kulturspezifische Realisierung des universellen Kulturems ‚Begrüßung‘. Kultureme Behavioreme Nonverbal Extraverbal Verbal Parasprachlich Mimik Zeit Wörter Gestik Raum Körperbewegungen … soziale Variablen (Oksaar 1988: 28, Hervorhebung R.E.) Oksaar, E. (1988), Kulturemtheorie. Ein Beitrag zur Sprachverwendungsforschung, Göttingen. Ruth Eßer Behaviorismus/ Behaviourismus, der/ behavioristisch: eine Lerntheorie, der die Annahme zugrunde liegt, dass Lernen eine Verhaltensänderung darstellt, die durch einen Reiz ausgelöst wird; dabei wird nicht ausgeschlossen, dass auch das Bewusstsein des lernenden Subjekts von Bedeutung sein kann, aber es spielt nur eine untergeordnete Rolle. Ausgangspunkt für die Entwicklung des B. waren Beobachtungen von Tieren („Pawlow’scher Hund“), denen unmittelbar vor der Nahrungsaufnahme ein bestimmter Reiz vorgegeben wurde, so dass sie einen Zusammenhang zwischen diesem Reiz und der Nahrungsaufnahme herstellten; nach einiger Zeit war dieser Reiz nicht mehr notwendig, um das entsprechende Verhalten hervorzurufen. Für menschliches Lernen wurde daraus geschlossen, dass man es dadurch fördern kann, dass das lernende Individuum möglichst häufig einen entsprechenden Reiz erhält, um die gewünschte Verhaltensänderung auszulösen; bei wiederholter Präsentation des Reizes verfestige sich die gewünschte Verhaltensänderung, so dass sie dauerhaft wird und den Reiz ‚von außen‘ nicht mehr benötige. Lado hat die b. Lerntheorie für den Fremdsprachenunterricht adaptiert: die audiolinguale und die audiovisuelle Methode übernehmen b. Lernprinzipien, insbesondere die sog. pattern practice. Für die Arbeit im Sprachlabor wurde der Vier- Phasen-Drill entwickelt, der beispielhaft folgendermaßen abläuft: Phase 1 (Stimulus als Vorgabe vom Tonband): Der Schüler hat das Buch auf den Tisch (legen). Phase 2 (Reaktion des Lerners): Der Schüler hat das Buch auf den Tisch gelegt. Phase 3 <?page no="37"?> 26 Behördensprache/ Behördenkommunikation (Feedback): die richtige Äußerung vom Tonband. Phase 4 (Automatisierung): Wiederholung der richtigen Äußerung durch den Lernenden. Auch über die Arbeit im Sprachlabor und die Verankerung in den genannten methodischen Konzepten hinaus lassen sich auf dem B. fußende Aktivitäten im Fremdsprachenunterricht finden und rechtfertigen, z.B. bei Ausspracheübungen und Transformationsübungen. Durch das Auftauchen und Erstarken kognitiv ausgerichteter Lerntheorien und daraus abgeleiteter Unterrichtsprinzipien hat die Bedeutung des B. für den Fremdsprachenunterricht in den letzten drei Jahrzehnten deutlich abgenommen. In der Konsequenz daraus ist die Relevanz des B. für fremdsprachliche Lerntheorien zurückgegangen. Lado, R. (1967), Moderner Sprachunterricht. Eine Einführung auf wissenschaftlicher Grundlage, München. Frank G. Königs Behördensprache, die/ Behördenkommunikation, die: Spezialfall der Verwaltungssprache/ Verwaltungskommunikation. Der Begriff B. bezeichnet die Sprache(n), die Dienststellen staatlicher oder kirchlicher Verwaltungen bzw. deren Mitarbeiter im äußeren Dienstverkehr, d.h. in der Kommunikation mit den Bürgern, verwenden (müssen). B. gilt wegen ihres abstrakten Stils und ihrer sprachlichen Komplexität (u.a. Nominalstil, Passivkonstruktionen, komplexe Satzgefüge) als schwer verständlich („Bürokratendeutsch“). Der spezifische Sprachgebrauch in Behördenschreiben erzeugt zwischen Bürgern und Behörden nicht selten ein asymmetrisches Kommunikationsverhältnis (z.B. hoheitlicher Stil: Personalausweis aushändigen, bei einer Behörde vorsprechen; Schreiben beginnt mit Aufzählung von Gesetzen und Verordnungen), das sich bei Nicht- Muttersprachlern häufig dadurch verschärft, dass diese aufgrund ihres spezifischen Status mit Behörden kommunizieren müssen, deren Entscheidungen grundlegenden Einfluss auf ihre weitere Lebensgestaltung nehmen (z.B. Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis bei der Ausländerbehörde). Aus der Perspektive der DaF/ DaZ-Didaktik sind im Unterricht daher nicht nur die spezifischen sprachlichen Strukturen und die relevanten Textsorten, sondern auch Strategien zur Bewältigung asymmetrischer Kommunikationssituationen zu behandeln. In deutschsprachigen Ländern haben Bürger in Regionen mit einem hohen Anteil an Regionalbzw. Minderheitensprachen unter bestimmten Bedingungen das Recht, sich auch in diesen Sprachen an Behörden zu wenden (Deutschland: z.B. Dänisch in Schleswig-Holstein und Sorbisch in Brandenburg und Sachsen; Österreich: z.B. Ungarisch im Burgenland). Udo Ohm Benefaktiv, der: semantische Rolle, die im Aktivsatz durch den Dativus Commodi oder eine für-Phrase realisiert wird und den Nutznießer der Handlung/ des Vorgangs bezeichnet: Er putzt ihm/ für ihn das Auto., Ihm springt das Auto an.; im Gegensatz zum Rezipiens bei Transaktionsverben: Er verkauft/ stiehlt ihm das Auto.. Während diese Verben einen Besitzwechsel beschreiben, wird beim B. eine Haben-Relation vorausgesetzt, aber nicht verändert. Eine Dativ-NP kann jedoch ambig sein: Er schreibt dem Kind den Brief. (an den Opa) - das Kind ist Empfänger oder Nutznießer der Handlung. Gegensatz Malefaktiv. Wegener, H. (1985), Der Dativ im heutigen Deutsch, Tübingen. Heide Wegener Beobachtungsadäquatheit, die: gilt als eines der drei Gütekriterien für die linguistische Beschreibung natürlicher Sprachen und referiert auf die unterste der dazu von Chomsky definierten Adäquatheitsebenen ( Beschreibungsadäquatheit, Erklärungsadäquatheit). Eine Sprachbeschreibung gilt dann als beobachtungsadäquat, wenn sie Sprachdaten korrekt und vollständig erfasst. Chomsky, N. (1964), Current Issues in Linguistic Theory, Den Haag. - Linke, A./ Nussbaumer, M./ Portmann, P.R. (2004), Studienbuch Linguistik. 5. erw. Aufl., Tübingen. Julia Settinieri berufsorientierter Fremdsprachenunterricht: zielt auf die Kommunikationsfähigkeit in beruflichen Sprachverwendungskontexten ab und beinhaltet allgemeinsprachliche, berufsfeldübergreifende und berufsspezifische Kompetenzentwicklung und sprachliche Mittel. B.F. unterscheidet sichvom fach- und berufsspezifischen und vom allgemeinsprachlichen Fremdsprachenunterricht durch Lernziele, sprachliche Mittel und z.T. durch die Methodik. B.F. ist in Lernzielen und Inhalten differenzierbar in: 1. Den berufsvorbereitenden Unterricht, der nicht von beruflicher Erfahrung der Lernenden <?page no="38"?> Bezugswissenschaft 27 und nur von einer unspezifischen beruflichen Motivation ausgeht. Er findet z.B. in der beruflichen Bildung mit Jugendlichen statt, in berufsvorbereitenden Kursen der Erwachsenenbildung sowie implizit in allen allgemeinsprachlichen Kursen, in denen Domänen und Situationen stärker berufliche Anwendungsbezüge bereits ab dem Niveau A1 integrieren müssen. 2. Den berufsbegleitenden Fremdsprachenunterricht, der u.a. in Betrieben stattfindet, i.d.R. in kleinen Gruppen u. im Einzelunterricht, oft mit begrenztem Zeitbudget und klaren situationsbezogenen und firmenspezifischen Lernzielen, z.B. zur kurzfristigen Vorbereitung auf einen Auslandsaufenthalt, zur Bewältigung der Anforderungen am Arbeitsplatz bzw. zur Vorbereitung auf die zeitweise Integration in ein Unternehmen im Zielsprachenland. Lehrkräfte müssen über die Fähigkeit zur Bedarfsanalyse und zur spezifischen und individuellen curricularen Planung verfügen. 3. Den berufsqualifizierenden Fremdsprachenunterricht, der auf die Vermittlung von Fremdsprachenkenntnissen abzielt, deren Zertifizierung Voraussetzung für einen Berufs- oder Studienabschluss ist. In allen drei Formen sind die fachsprachlichen Anforderungen flach und polyvalent zu halten, da subjektive, arbeitsmarktbedingte und technologische Veränderungen auch sprachliche Anforderungsprofile verändern. Daher sind besonders Schlüsselqualifikationen und Lernstrategien zu berücksichtigen, um den autonomen Umgang mit Wortschatz und Fachtexten vorzubereiten. Funk, H. (1992), „Berufsbezogener Deutschunterricht. Grundlagen - Lernziele - Aufgaben“, in: Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1992: Berufsbezogener Deutschunterricht mit Jugendlichen, 4-15. - Kuhn, C. (2007), Fremdsprachen berufsorientiert lernen und lehren. Kommunikative Anforderungen der Arbeitswelt und Konzepte für den Unterricht und die Lehrerausbildung am Beispiel des Deutschen als Fremdsprache, Phil. Diss. Universität Jena. Hermann Funk Beschreibungsadäquatheit, die: gilt dem Range nach als mittleres der drei von Chomsky entwickelten Gütekriterien für die Grammatikbeschreibung natürlicher Sprachen ( Beobachtungsadäquatheit, Erklärungsadäquatheit). Eine Sprachbeschreibung gilt dann als beschreibungsadäquat, wenn sie beobachtungsadäquat ist und darüber hinaus die Kompetenz der native speaker einer Sprache zutreffend abbilden kann. Chomsky, N. (1964), Current Issues in Linguistic Theory, Den Haag. - Linke, A./ Nussbaumer, M./ Portmann, P.R. (2004), Studienbuch Linguistik, 5. erw. Aufl., Tübingen. Julia Settinieri Betonung, die: ein Synonym für Akzentuierung ( Akzent) Betrachtzeit, die: Bezeichnung für die Perspektive des Sprechers, also die Betrachtung der Sprechhandlung. Sie ist - im Gegensatz zu Aktzeit und Sprechzeit - nicht exakt messbar, doch zur Erklärung der Funktionen etwa des Perfekts oder des Futurs II brauchbar. Beispiel: Perfekt mit zukünftiger Bedeutung: Bis zum nächsten Monat hat er die Prüfung abgelegt. Die Aktzeit liegt hier vor der B. (nächsten Monat), die B. liegt nach der Sprechzeit (nächster Monat), die Aktzeit liegt nach der Sprechzeit (Dauer der Arbeit). Ebenso ist es beim Futur II: Bis zum nächsten Monat wird er die Prüfung abgelegt haben. Anders ist es beim Futur II der Vermutung mit Vergangenheitsbezug: Sie wird (bestimmt) ins Kino gegangen sein. Die Aktzeit liegt hier vor der Sprechzeit und der B., die Sprechzeit fällt mit der B. zusammen. Beim Präteritum und Plusquamperfekt mit ihrem eindeutigen Vergangenheitsbezug fallen Aktzeit und B. stets zusammen, doch liegen beim Präteritum B. und Aktzeit vor der Sprechzeit, beim Plusquamperfekt hingegen Aktzeit vor B. und Sprechzeit: Präteritum: Sie lieh ihm 200 Euro. Plusquamperfekt: Sie hatte ihm 200 Euro geliehen. Neuere Tempustheorien verzichten auf den Begriff der B. wegen der Vagheit und Mehrdeutigkeit. Sie erklären die Funktionen der Tempora stattdessen als die Bündelung von Zeitaussage, Aspekt und Modalität. Lutz Götze Bewusstmachung, die: s. Kognition/ Kognitivierung Bezugswissenschaft, die: Wissenschaft(en), aus deren Arbeitszusammenhängen heraus sich eine Disziplin entwickelt hat und deren Erkenntnisse in die Disziplin hineinwirken. DaF/ DaZ sind als wissenschaftliche Bereiche in vielfältige wissenschaftliche Bezüge eingespannt. Zudem zeigt die Entstehung des noch jungen Faches unterschiedliche Gewichtungen der verschiedenen B. Dies macht sich weiterhin in unterschiedlichen <?page no="39"?> 28 BICS (Basic Interpersonal Communicative Skills) Schwerpunktsetzungen bemerkbar wie Fremdsprachenvermittlung, Interkulturelle Germanistik, Sprachlehr-/ lern-Forschung, Fremdsprachenphilologie, Transnationale Germanistik u.ä. Zu den herausragenden B. gehören die Germanistik in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen, andere Philologien (besonders als „Fremdsprachen-Philologien“), die Sprachwissenschaft/ Linguistik in ihren verschiedenen Ausprägungen und Teildisziplinen, z.B. als Allgemeine und Angewandte Sprachwissenschaft, als Vergleichende und Typologische Sprachwissenschaft, als Psycholinguistik bzw. Sprachpsychologie, als Soziolinguistik bzw. Sprachsoziologie. Weitere B. sind die Psychologie, hier bes. als Entwicklungspsychologie und als Lernpsychologie; die Soziologie, besonders mit Blick auf die Migration und die globalen sozio-demographischen Veränderungen; die Ethnologie und Volkskunde; die Erziehungswissenschaft/ Pädagogik, besonders als Sprachlehr- und -lernforschung. Hinsichtlich der Landeskunde ergeben sich vielfältige weitere Bezüge aus dem breiten Spektrum von Geschichtswissenschaft, Politologie, Kulturgeographie u.a. Mit Blick auf die Literatur können neben den einzelphilologischen Literaturwissenschaften die Komparatistik und Allgemeine Literaturtheorie ebenso relevant sein wie die Theorie(n) der (Neuen) Medien. Angesichts der Vielfalt von Bezügen kommt deren systematischer Integration in Bezug auf das Gebiet DaF/ DaZ eine erhebliche Bedeutung zu. Dafür sind mindestens zwei Fluchtpunkte wichtig, einerseits die jeweiligen Praxisbezüge, andererseits die systematische Gewinnung der hermeneutisch gefassten Fremdheitsperspektive in Bezug auf Sprache, Literatur und Kultur des Deutschen. Konrad Ehlich BICS (Basic Interpersonal Communicative Skills): dt. grundlegende oder alltägliche Kommunikationsfähigkeit; das Akronym prägte Cummins (1979) in Abgrenzung zu CALP (Cognitive Academic Language Proficiency) im Kontext seiner Forschungen zum Zweitsprachenerwerb von Kindern in Kanada, es findet aber auch in anderen Kontexten sprachlicher Kompetenzdiskussion Verwendung. BICS bezeichnen die Fähigkeit, konzeptionell mündliche Äußerungen produzieren zu können; charakteristisch für diese Kommunikationsform ist ihr informeller Kontext und die raumzeitliche und emotionale Nähe der Kommunikationspartner, die wenig planvoll und komplex und auf gemeinsames Wissen bezugnehmend sprachlich interagieren (vgl. Koch/ Österreicher 1997). BICS entwickeln sich im zweitsprachlichen Erwerbskontext im Gegensatz zu CALP zumeist rasch, sind jedoch keine ausreichende Voraussetzung für erfolgreiches Lernen in institutionalisierten (Aus)Bildungszusammenhängen (Schule, berufliche Ausu. Weiterbildung etc.). Nach Cummins’ Schwellenhypothese bilingualer Kompetenz ist z.B. für ein zweisprachig aufwachsendes Kind die Fähigkeit, abstrakte Zusammenhänge in seinen beiden Sprachen abbilden zu können, unverzichtbare Voraussetzung für dessen Bildungserfolg. Cummins, J. (1979), Cognitive/ academic language proficiency, linguistic interdependence, the optimum age question and some other matters. Working Papers on Bilingualism, No. 19, 121-129. - Koch, P./ Oesterreicher, W. (1997), „Schriftlichkeit und Sprache“, in: Günther, H./ Ludwig, O. (Hrsg.), Schrift und Schriftlichkeit. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung, Halbbd. 1, Berlin, 587-604. Imke Mohr Bildungskooperation Deutsch: die seit 2005 geltende Bezeichnung des Goethe-Instituts für das Aufgabenfeld der nationalen und internationalen Zusammenarbeit von Bildungsbehörden (Kulturbzw. Bildungsministerien, Schulbehörden, Fortbildungsinstitutionen), Mittlerorganisationen und Deutschlehrerverbänden mit dem sprachpolitischen Ziel, Deutsch als Fremdsprache weltweit zu fördern. Dies geschieht im Rahmen des Mehrsprachigkeitsansatzes der EU, der fremdsprachliche Vielfalt unterstützt. Er setzt die intensive Kooperation der Institutionen der Sprachen- und Bildungspolitik der EU im Allgemeinen und der Bildungsbehörden der deutschsprachigen Länder im Besonderen voraus. Beispiele gelungener B.D. wären z.B. die Einführung einer zweiten obligatorischen Fremdsprache in ein nationales Schulsystem (mit der sich auch die Zahl der Deutschlerner erhöhen würde), die landesweite Festlegung von Qualitätskriterien für die Zulassung von in Schulen zu verwendenden Deutschlehrwerken oder das Auflegen eines Lehrerfortbildungsprogramms. Arbeitsfelder der B.D. sind u.a. Lehreraus- und -fortbildung, Curriculumsentwicklung, Entwicklung von DaF-Lehr- und Lernmaterialien, Organisation von Austauschprogrammen, Aufle- <?page no="40"?> Bildungsstandards 29 gen von nationalen und internationalen Initiativen und Projekten zur Förderung der deutschen Sprache, Werbung für Deutsch. Qualitätsleitfaden Bildungskooperation Deutsch, internes Material des Goethe-Instituts, München, 2006. - Grundsatzpapier Spracharbeit des Goethe-Instituts, internes Material, München, 2008. Knuth Noke Bildungsqualität, die: s. Qualitätssichung und -entwicklung Bildungssprache, die: Kontext der Einführung des Begriffs B. in den deutschsprachigen Diskurs ist das Ergebnis der Bildungsforschung, dass Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien aber auch einsprachige Kinder aus bildungsfernen Milieus in ihren Bildungschancen benachteiligt sind. Die Suche nach Ursachen führt zu erklärenden Hintergrundfaktoren wie z.B. der oft prekären sozialen Lage und relativen Bildungsferne der Familien, aber auch zu Faktoren, die in der Gestaltung der Schule und des Unterrichts liegen. Dazu gehört die unterlassene Einführung in die schul- und bildungsrelevanten sprachlichen Fähigkeiten. Der Begriff B. wurde entwickelt im Anschluss an englischsprachige Forschung über „academic language“ ( CALP) als das sprachliche Register, das benötigt wird, um kognitiv anspruchsvolle Lernangebote und Aufgabenstellungen des Unterrichts zu bewältigen ( Textkompetenz). Der Begriff B. wurde im Anschluss an Habermas (1977) gewählt, um das sprachliche Register zu bezeichnen, mit dessen Hilfe man sich mit den Mitteln der Schulbildung ein Orientierungswissen verschaffen kann. B. differenziert sich im Laufe einer Bildungsbiographie zunehmend in die Register der Fächergruppen aus. Sie ist für Bildungserfolg relevant, weil sie das Medium ist, in dem schulisches Wissen vermittelt und angeeignet wird, und zugleich das Medium, in dem der Nachweis einer erfolgreichen Aneignung des Wissens und Könnens erbracht wird. Cummins, J. (2002), „BICS and CALP“, in: Byram, M. (Hrsg.), Encyclopedia of Language and Teaching. London, 76-79. - Gogolin, I./ Lange, I., Hrsg. (2009), Herausforderung Bildungssprache. Bd. 1, Münster/ New York. Ingrid Gogolin Bildungsstandards, die: legen von Schülern zu erzielende fachspezifische Kompetenzen fest und sind durch Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (KMK) deutschlandweit gültig. Ihr Erreichen soll durch zunehmend zentralisierte Formen der Leistungsfeststellung evaluiert werden. B. wurden bisher für den Mittleren Schulabschluss (seit 2003) und für den Hauptschulabschluss (seit 2004) für die Fächer Mathematik und Deutsch sowie für Englisch bzw. Französisch als erste Fremdsprache in der Form von Regelstandards verabschiedet. Die Festschreibung von B. für die Sekundarstufe II und für weitere Fächer ist geplant. Die Implementierung und Überprüfung der B. obliegt dem 2004 eingerichteten länderübergreifenden Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) in Berlin. Die B. für die erste Fremdsprache formulieren konkrete Leistungserwartungen im Hinblick auf kommunikative, interkulturelle und methodische Kompetenzen der Fremdsprachenlerner, die sich an den Niveaustufen (A1 bis C2) des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GeR) orientieren. Diese kompetenzorientierten Standards haben die Konzeption der aktuellen Curricula für den modernen Fremdsprachenunterricht - und damit auch für DaF - maßgeblich beeinflusst. Die Einführung von B. in Deutschland wurde durch die Ergebnisse der PISA-Studie begünstigt. Auch in Österreich und der Schweiz werden, zum Teil in expliziter Anlehnung an das deutsche Modell, seit dem Schuljahr 2003/ 2004 B. implementiert, in Österreich ebenfalls Regelstandards, in der Schweiz Mindeststandards, jeweils für die Regelschulen in den Fächern Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache (in der Schweiz zusätzlich in den naturwissenschaftlichen Fächern). Befürworter der B. sehen darin einen wichtigen Beitrag zur nationalen Vergleichbarkeit von Schülerleistungen und zu einer verbindlichen Beschreibung des von den Schülern zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihrer Lernerbiographie zu erreichenden Könnens. Kritiker konstatieren die gleichmacherische Leistungsorientierung bei gleichzeitig strukturell nicht gegebener Chancengleichheit („Selektion ab der Grundschule“) und weisen darauf hin, dass sich wichtige Ziele des schulischen Bildungsauftrages wie z.B. die Persönlichkeitsbildung nicht in der Form von Regelstandards operationalisieren lassen. Tatsächlich hat die Einführung der B. zu einer einseitigen Fokussierung auf messbare Lernziele und zur Etablierung einer sich immer mehr ausweitenden Testkultur beigetragen. Es zeichnet sich deshalb ab, dass die gegenwärtig praktizierte Festlegung <?page no="41"?> 30 bilingual nationaler Performance-Standards, die sich allein an den Lernergebnissen orientieren, um die Erarbeitung von Input- und Opportunity-tolearn-Standards erweitert werden muss. Bausch, K.-R./ Burwitz-Melzer, E./ Königs, F. G./ Krumm, H.-J., Hrsg. (2005), Bildungsstandards für den Fremdsprachenunterricht auf dem Prüfstand, Tübingen. - Lüger, H.- H./ Rössler, A., Hrsg. (2008), Wozu Bildungsstandards? , Landau. - Tesch, B./ Leupold, E./ Köller, O., Hrsg. (2008), Bildungsstandards Französisch: konkret, Berlin. - Zydatiß, W. (2005), Bildungsstandards und Kompetenzniveaus im Englischunterricht, Frankfurt a. M. u.a. Andrea Rössler bilingual: s. Bilingualismus bilinguale Bildungsgänge/ bilinguale Erziehung: Bildung/ Erziehung findet systematisch in mehr als einer Sprache statt. B.E. kann sich auf Bildungseinrichtungen oder auf Spracherziehung in der Familie beziehen. Vor allem Eltern in bikulturellen Ehen versuchen durch b.E. ihren Kindern beide Sprachen zu vermitteln. Der Erfolg b.E. hängt von der konsequenten Einhaltung der Zweisprachigkeit ab wie etwa: ein Elternteil - eine Sprache, aber auch von der Umgebung: Umgebungssprache als eine der beiden Sprachen oder als Drittsprache ( Begegnungssprache), Anzahl der Sprecher/ innen der Sprachen im Familienumfeld etc. Mit b.B. für Schüler ohne Migrationshintergrund soll der Erwerb einer Fremdsprache auf ein höheres Niveau gehoben werden ( bilingualer Sachfachunterricht). In (Teil)Immersionsprogrammen wird ausschließlich die Zielsprache verwandt, aber die Lehrkräfte beherrschen die Ausgangssprache der Kinder ( Immersion). B.B. für Schüler mit Migrationshintergrund dienen dem Erwerb der Zweitsprache unter Verwendung oder Beibehalt der Erstsprache: In Übergangsmodellen wird die Zweitsprache mit Hilfe der Erstsprache unterrichtet, bis ausreichende Zweitsprachkompetenz erworben ist; in Erhaltungsmodellen werden beide Sprachen gleichwertig als Unterrichtssprachen bis zum Schulabschluss verwendet (vgl. Baker 2006). B.B. können auch in Klassen oder Kindergärten mit gleichem Anteil von Sprecher beider Sprachen stattfinden wie im Modell staatlicher Europaschulen. Baker, C. (2006), Foundations of Bilingualism and Bilingual Education, 4. Aufl., Clevedon. - Kielhöfer, B./ Jonekeit, S. (2002), Zweisprachige Kindererziehung, 11. Aufl., Tübingen. Sigrid Luchtenberg bilingualer Sachfachunterricht: in Österreich auch: Fremdsprache als Arbeitssprache. Dem b.S. liegen Überlegungen darüber zugrunde, wie man den herkömmlichen Fremdsprachenunterricht optimieren kann. Ein Ansatzpunkt der Optimierung wird darin gesehen, dass beim Lernen der Fremdsprache nicht die Sprache an sich im Mittelpunkt steht, sondern ein anderes Gegenstandsfeld bzw. Unterrichtsfach. Die Fremdsprache wird zum Medium der Aneignung fachlicher Inhalte. Es liegen keine umfassenden Untersuchungen zur Wirksamkeit der Ansätze vor, aber es gibt Anzeichen dafür, dass die Aneignung von Wortschatz und fachspezifischen Wendungen der Fremdsprache im b.S. schneller und besser gelingt als im herkömmlichen Fremdsprachenunterricht. Eine in sich geschlossene Didaktik des b.S. existiert bislang nicht. Im deutschsprachigen Raum dominieren Ansätze für die englische Sprache. Vor allem in Grenzregionen zu Frankreich und in der Schweiz sind auch Ansätze für Französisch realisiert worden. Am meisten verbreitet sind Konzepte für die sozialwissenschaftlichen Fächer, namentlich den Geschichtsunterricht. Handreichungen, Materialentwicklungen und praktische Anregungen für den Unterricht finden sich häufig auch unter dem Stichwort Content and Language Integrated Learning/ CLIL. An den deutschen Auslandsschulen wird b.S. unter der Bezeichnung deutschsprachiger Fachunterricht praktiziert (vgl. auch Leisen 2003). Breidbach, St./ Bach, G./ Wolff, D., Hrsg. (2002), Bilingualer Sachfachunterricht, Frankfurt a.M. - Leisen, J. (2003), Methoden-Handbuch Deutschsprachiger Fachunterricht (DFU), Bonn. Ingrid Gogolin bilingualer Unterricht: B.U. hat eine dreifache Zielsetzung, zum einen den Erwerb sprachlicher Fähigkeiten für fachliche und berufliche Bereiche, zum zweiten den Ausbau metasprachlicher und interkultureller Kompetenzen, d.h. die Lernenden sollen in die Lage versetzt werden, die Perspektiven beider Sprachen einzunehmen. Schließlich kann b.U. als erweiterter oder vertiefter Fremdsprachenunterricht angelegt werden, bei dem Fachunterricht in der Fremdsprache die Sprachkompetenz erhöht. Im Unterschied zum bilingualen Sachfachunterricht geht es im b.U. vorrangig um Bilingualismus und Biliteralität für die Lernenden, weshalb b.U. insbesondere für Kinder mit unterschiedlichen Fa- <?page no="42"?> Binnendifferenzierung 31 miliensprachen in Frage kommt. In der Sekundarstufe I ist b.U. meist in „bilingualen Zweigen“ an Gymnasien und Gesamtschulen organisiert. Er setzt i.d.R. nach einer intensivierten Phase des Fremdsprachenunterrichts in Klasse 7 ein, vorwiegend in gesellschaftswissenschaftlichen Fächern. Wichtigste Sprachen: Englisch, Französisch, vereinzelt Niederländisch, Spanisch, Italienisch, Türkisch. Im Primarbereich ist b.U. wenig verbreitet; in Grenzregionen mit Französisch, Polnisch; für nationale Minderheiten mit Dänisch, Sorbisch sowie als „Staatliche Europaschulen“ in Berlin und als „bilinguale Grundschulen“ in Hamburg: hier sind die Klassen jeweils zur Hälfte aus deutsch-einsprachigen und Kindern mit anderer Erst- oder Familiensprache zusammengesetzt, so dass sowohl die Kinder der Minderheit wie die der Mehrheit die Chance auf Zweisprachigkeit haben (Two-Way- Immersion-Modelle). Bach, G. (2005), Bilingualer Unterricht. Grundlagen, Methoden, Praxis, Perspektiven. (= Kolloquium Fremdsprachenunterricht; Bd. 5), Frankfurt a. M. - Budach, G./ Erfurt, J./ Kunkel, M., Hrsg. (2008), Écoles plurilingues - multilingual schools. Konzepte, Institutionen, Akteure. Internationale Perspektiven, Frankfurt a. M. - Gogolin, I./ Neumann, U./ Roth, H.-J. (2003, 2004, 2007), Berichte über den Schulversuch „Bilinguale Grundschulklassen“ in Hamburg, Universität Hamburg. - Internetadresse: www.schulministerium.nrw.de/ BP/ Unterricht/ Faecher/ Fremdsprachen/ BilingualesLernen/ index.html Ursula Neumann bilinguale Schule: s. bilingualer Unterricht Bilingualismus, der: Zweisprachigkeit; Unterfall der Mehrsprachigkeit. Maximalistisch definiert ist B. die muttersprachengleiche Beherrschung mindestens zweier Sprachen. Der balancierte B., bei welchem beide Sprachen sehr gut beherrscht werden und Sprachwechsel vorgenommen werden, ohne durch Ausdrucksgrenzen in einer der beiden Sprachen motiviert zu sein, ist eher ein idealisiertes Konzept, da fast alle Bilingualen ihre Sprachen für verschiedene Zwecke in verschiedenen Situationen und Kontexten mit verschiedenen Personen unterschiedlich verwenden (vgl. Byram 2004, 82; vgl. Domäne). Minimalistisch definiert ist B. die Fähigkeit, vollständige und sinnvolle Äußerungen in einer fremden Sprache produzieren zu können. Demzufolge wäre nahezu jeder Mensch bilingual. Apeltauer definiert B. weniger extrem. Demnach ist B. die Fähigkeit, zwei Sprachen abwechselnd gebrauchen zu können, wobei die produktive Beherrschung beider Sprachen keine Voraussetzung ist. Es ist ausreichend, wenn eine fremde Sprache verstanden wird. Im Regelfall ist eine der beiden Sprachen die stärkere, also die dominante. Hier unterscheidet man zwischen B. mit Dominanz der Erstsprache und B. mit Dominanz der Zweitsprache. B. ist - wie jede andere Ausprägung individueller sprachlicher Kompetenz - naturgemäß dynamischer Natur und verändert sich in seiner Ausprägung parallel zu den lebensgeschichtlichen Entwicklungen bilingualer Personen (vgl. Apeltauer 2001, 628ff.). Apeltauer, E. (2001), „Bilingualismus - Mehrsprachigkeit“, in: Helbig, G./ Götze, L./ Henrici, G./ Krumm, H.- J. (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache - ein internationales Handbuch, Berlin, 628-638. - Byram, M., Hrsg. (2004), Routledge Encyclopedia of Language Teaching and Learning, London, 82-84. Diana Maak Binnendifferenzierung, die: auch: innere Differenzierung; Gegensatz zur äußeren Differenzierung, bei der „Schülerpopulationen nach irgendwelchen Gliederungs- oder Auswahlkriterien - zum Beispiel den Gesichtspunkten unterschiedlichen Leistungsniveaus oder unterschiedlicher Interessen - in Gruppen aufgeteilt werden, die räumlich getrennt und von verschiedenen Personen bzw. zu verschiedenen Zeiten unterrichtet werden“ (Klafki/ Stöcker 1991, 173). Der Begriff B. umfasst dagegen „alle jene Differenzierungsformen, die innerhalb einer gemeinsam unterrichteten Klasse oder Lerngruppe vorgenommen werden“ (ebd.). Unterrichtsmethoden und -formen, die binnendifferenzierend wirken, d.h. bei denen die Lernenden entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen und Kenntnissen handeln können, sind u.a. Projektunterricht, offener Unterricht, freie Arbeit, Arbeit mit dem Wochenplan (vgl. Bönsch, 1995, 137ff.). B. ist grundsätzlich kooperativ, umfasst alle Sozialformen, insbesondere Gruppenarbeit. Durch offene oder differenzierte Arbeitsaufträge wird dabei unterstützt, dass die einzelnen Lernenden jeweils ihre individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten einbringen können. Wenn B. Autonomie fördernd im Sinne eines modernen Fremdsprachenunterrichts sein soll, muss die Initiative (wie z.B. Wahl und Ausgestaltung der Aufgaben) zur B. von den Lernenden selbst ausgehen. Ältere Konzepte, wie z.B. die Arbeit mit nach Niveau differenzierten <?page no="43"?> 32 Black Box Arbeitsblättern, die von der Lehrperson zugewiesen werden, sind aus dieser Sicht weniger geeignet. Sie können zu einer Zementierung von Leistungsunterschieden führen und letztlich eine Art äußerer Differenzierung im selben Raum bewirken. B. ist neben anderen Autonomie fördernden Konzepten ein Mittel, um der Heterogenität der Lernenden gerecht zu werden. Ein Bereich, in dem die Heterogenität der Teilnehmenden besonders groß ist, ist der Unterricht in Deutsch als Zweitsprache mit erwachsenen Lernenden (vgl. Demmig 2007). Bönsch, M. (1995), Differenzierung in Schule und Unterricht: Ansprüche, Formen, Strategien, München. - Demmig, S. (2007), Das professionelle Handlungswissen von DaZ-Lehrenden in der Erwachsenenbildung am Beispiel Binnendifferenzierung: eine qualitative Studie, München. -Klafki, W./ Stöcker, H. (1991), „Innere Differenzierung des Unterrichts“, in: Klafki, W. (Hrsg.), Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. 2. erw. Aufl., Weinheim, 173-208. Silvia Demmig Black Box: Der Begriff wird in verschiedenen Kontexten (Technik, Philosophie, Psychologie) verwendet; für DaF/ DaZ sind v.a. folgende Verwendungsweisen bedeutsam: Ursprünglich ist B.B. eine Metapher aus der Verhaltenspsychologie (früher Behaviorismus, vgl. Watson 1925), um die Vorgänge im nicht zugänglichen Inneren des Gehirns zu beschreiben. Dabei steht B.B. für ein System, das innere und äußere Reize verarbeitet, dessen Aufbau aber unbekannt ist und mit empirischen Forschungsmethoden nicht validiert werden kann; die Forschung konzentriert sich deshalb auf das Beobachtbare, d.h. das Verhalten und die Umgebung, in der das Verhalten auftritt. Dem folgend ist Lernen im Behaviorismus ein Vorgang der Verhaltensänderung, der nach dem Reiz - Reaktionsschema verläuft, d.h. positives Verhalten wird belohnt, negatives bestraft. Für DaF/ DaZ heißt das, dass Fremdsprachenlernende durch angemessene Anreize/ Sanktionen programmierbar wären. Insbesondere die modernen, nicht-invasiven Methoden der Gehirnforschung ermöglichen es, mit zunehmend sensibleren Instrumenten dem Gehirn „bei der Arbeit zuzusehen“, so dass die B.B.-Metapher obsolet geworden ist und die mit ihr verbundenen Forschungsansätze substanzielle Erweiterungen und Alternativen gefunden haben. Schink, P. (1993), Kritik des Behaviorismus, Hamburg. - Skinner, B.F. (1957), Verbal Behavior, New York. - Watson, J.B. (1925), Behaviorism, New York. Daniela Zahn Blended Learning: als B.L. wird die Kombination aus Präsenzunterricht mit Elementen des computergestützten (Sprach-)Unterrichts bzw. Lernens bezeichnet. Deutschsprachige Begriffe wie „Verbundlernen“ oder „Hybrides Lernen“ haben sich nicht durchgesetzt. Ziel des B.L. ist es, die Vorteile beider Lernformen zu nutzen (z.B. Lernen im sozialen Kontakt bzw. orts- und zeitunabhängiges Lernen), um individuelle Lernprozesse möglichst wirkungsvoll zu unterstützen. Qualitätskriterien für B.L. sind u.a.: optimale inhaltliche Abstimmung von Präsenz- und Online-Phasen, Vor- und Nachbereitung der Online-Phasen im Präsenzunterricht sowie motivierende Aktivitäten in den Online-Phasen. Eva Mandl Blickverhalten, das: zentrales Element der Körpersprache; willkürliche, intentionale oder unwillkürliche Bewegungen des Augapfels und der Augenlider; das intentionale B. (= Augenkommunikation bei Ehlich/ Rehbein 1982) umfasst Blickzu- und -abwendung, Blickkontakt, Blickbewegung, Blickrichtung und Blickdauer mit jeweils unterschiedlichen kommunikativen Funktionen. B. ist kulturell geprägt. Im DaF-Unterricht spielt es lehrer- und lernerseitig eine wichtige Rolle. Ehlich, K./ Rehbein, J. (1982), Augenkommunikation. Methodenreflexion und Beispielanalyse, Amsterdam. - Eßer, R. (2002), „‚Ein Blick sagt mehr als 1.000 Worte‘ … wenn man ihn zu deuten vermag“, in: Barkowski, H./ Faistauer, R. (Hrsg.), … in Sachen Deutsch als Fremdsprache. Sprachpolitik - Unterricht - Interkulturelle Begegnung, Baltmannsweiler, 375-386. Ruth Eßer Blog, das: Kurzform des Wortes Weblog, einem Kofferwort, das durch die Kombination der Worte Web für Internet und Log für Tagebuch entstanden ist. Ein B. ist eine Web 2. 0-Anwendung, welche die einfache Publikation von Inhalten im Internet ermöglicht. Besonderes technisches Wissen ist dafür nicht nötig. B. bestehen aus Einzeleinträgen (sogenannte Posts), die auf der Startseite in umgekehrt chronologischer Reihenfolge aufgelistet werden. Ferner gibt es für jeden Eintrag eine Seite, wo er auch kommentiert wer- <?page no="44"?> Bundessprachenamt 33 den kann. Zur inhaltlichen Organisation können Blogautoren Kategorien anlegen und Einträge mit subjektiven Stichworten (sogenannte Tags) versehen. Der Tagebuchcharakter findet seinen Niederschlag auch in Textsortenspezifika wie z.B. der relativen Nähe zur gesprochenen Sprache, einer hohen Dichte von Hyperlinks und subjektiver Darstellung von Inhalten. B. eignen sich zur Übung der Schreibfähigkeit. Leser und Lehrende können in Kommentaren auf Inhalte und sprachliche Fehler eingehen. Es gibt eine Reihe von Anbietern, auf deren Seiten B. kostenfrei angelegt werden können. Franzmann, E. (2006), Weblogs, Podcasts & Co. Ein praktischer Leitfaden für den Umgang mit neuen Kommunikationswegen im Netz (= Ratgeber neue Medien, Bd. 5), Köln. - SwissCom AG, Schulen ans Internet (2006), Jeder Leser auch ein Autor: Blogs und Wikis (= SchoolNetGuide 9), Bern. Martin G. Döpel bottom up: Begriff der Kognitionspsychologie (auch datengeleitete Verarbeitung genannt), der die Aufnahme von Sinnesdaten in das Wahrnehmungssystem, ihre Weiterleitung und die Gewinnung von Informationen aus diesen Daten bezeichnet (vgl. Zimbardo/ Gerrig 1999, 143). Bei der Sprachverarbeitung betreffen b.u.-Prozesse das Erkennen sprachlicher Stimuli, d.h. phonologisch-prosodischer oder grafischer, lexikalischer und morpho-syntaktischer Signale. Zimbardo, P.G./ Gerrig, R.J. (1999), Psychologie, 7. Aufl. Berlin u.a. - Pospeschill, M. (2004), Konnektionismus und Kognition. Eine Einführung, Stuttgart. Barbara Biechele Brocasches Zentrum/ Brocasche Region: Das B.Z. ist eine nach Paul Broca (1824-1880) benannte und durch ihn zuerst beschriebene Region im hinteren Teil des Frontallappens des Gehirns. Das B.Z. wird auch als motorisches Sprachzentrum bezeichnet. Es ist jedoch nicht direkt an der Steuerung der Muskeln beteiligt, vielmehr werden Sätze im B.Z. syntaktisch und in ihrem Wortlaut geformt. Bei hirngesunden Rechtshändern ist vor allem die linkshemisphärische B.R. an der Sprachverarbeitung beteiligt. Studien (z.B. Meass u.a. 2001) zeigen jedoch, dass sowohl die B.R. als auch ihr rechtshemisphärisches Gegenstück bei der Verarbeitung musikalischer Syntax aktiviert werden. Wartenburger und Kollegen (2003) berichten, dass auch bei späten L2- Lernern (ab einem Erwerbsalter von 6 Jahren) grammatikalische Aspekte der Sprache im B.Z. bei zusätzlicher Aktivierung rechtshemisphärischer und sub-kortikaler Strukturen verarbeitet werden. Bei frühen L2-Lernern hingegen konnten sie keine Unterschiede in der Grammatikverarbeitung der L1 und L2 finden. In Friedericis Modell der Sprachverarbeitung (vgl. Friederici, 1995; Friederici/ Kotz, 2003) wird die Aktvität der B.R. bei der Syntaxverarbeitung durch die „early left-anterior negativity“ (ELAN) repräsentiert. Diese findet sich jedoch nicht bei späten L2- Lernern (vgl. Mueller u.a. 2005). Friederici, A.D. (1995), „The time course of syntactic activation during language processing: A model based on neuropsychological and neurophysiological data“, in: Brain and Language, Jg. 50, Nr. 3, 259-281. - Friederici, A.D./ Kotz, S.A. (2003), „The brain basis of syntactic processes: functional imaging and lesion studies“, in: Neuroimage, Jg. 20, Supplement 1, 8-17. - Meass, B./ Koelsch, S./ Gunter, T.C./ Friederici, A.D. (2001), „Musical syntax is processed in Broca’s area: an MEG study“, in: Nature Neuroscience, Jg. 4, Nr. 5, 540-545. - Mueller, J.L./ Hahne, A./ Fuji, Y./ Friederici, A.D. (2005), „Native and nonnative speakers’ processing of a miniature version of Japanese as revealed by ERPs“, in: Journal of Cognitive Neuroscience, Jg. 17, Nr. 8, 1229-1244. - Trepel, M. (2004), Neuroanatomie. Struktur und Funktion, 3. Aufl., München. - Wartenburger, I. et al. (2003), „Early setting of grammatical processing in the bilingual brain“, in: Neuron, Jg. 37, Nr. 1, 159-170. Martin G. Döpel Buchstabe-Laut-Beziehung, die: s. Graphem-Phonem-Korrespondenz Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: s. BAMF Bundessprachenamt, das: deutsche Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung und zentraler Dienstleister für den öffentlichen Dienst im Fremdsprachenbereich. Zu seinen Aufgaben zählt die fremdsprachliche Ausbildung für Angehörige der Streitkräfte sowie für Mitarbeiter des Bundes und der Länder in über 40 Sprachen (darunter Deutsch als Fremdsprache), die Entwicklung von Lehr-, Lern- und Prüfungsmitteln, Übersetzungs- und Dolmetscharbeiten, Terminologiearbeit, die Beratung und Koordination von Sprachdienstarbeit auf nationaler und internationaler Ebene sowie die Kooperation mit den Sprachendiensten anderer Staaten. Internetadresse: www.bundessprachenamt.de Imke Mohr <?page no="45"?> 34 CALL (Computer Assisted Language Learning) C CALL (Computer Assisted Language Learning): s. computerunterstützter Sprachunterricht CALP (Cognitive Academic Language Proficiency): CALP bildet mit BICS (Basic Interpersonal Communicative Skills) ein Begriffspaar, das den Unterschied zwischen kontextualisierter Alltagssprache und dekontextualisierter Bildungssprache erfasst (vgl. Cummins 1979). In industrialisierten Gesellschaften ist die schulische Vermittlung von Fachwissen untrennbar mit dem Erwerb bildungssprachlicher Fähigkeiten verbunden. Dazu zählen der fachlich angemessene Gebrauch sprachlicher Mittel zur Ausführung kognitiver Operationen (z.B. Textinhalte stichwortartig zusammenfassen, Prozesse beschreiben, Ursachen von Ereignissen erklären) und das Wissen über die fachtypischen Textsorten, mit denen diese sprachlich realisiert werden (vgl. Cummins 2000, 59). Die Beherrschung von CALP ist somit Voraussetzung für erfolgreiches Lernen und für schulischen und beruflichen Erfolg. Im DaZ-Kontext muss von Seiten der Lehrenden dafür Sorge getragen werden, dass Kinder nicht-deutscher Muttersprache im Unterricht Gelegenheit erhalten, CALP in der Zweitsprache Deutsch zu erwerben. Mithin ist eine gezielte Förderung bildungssprachlicher Kompetenzen unbedingt angezeigt. Cummins, J. (1979), „Cognitive/ academic language proficiency, linguistic interdependence, the optimum age question and some other matters“, in: Working Papers on Bilingualism 19, 121-129. - Cummins, J. (2000), Language, Power and Pedagogy. Bilingual Children in the Crossfire, Clevedon et al. Udo Ohm can do-Beschreibung: s. Kann-Beschreibung Carl-Duisberg-Centren (CDC): gegründet 1962. Der Hauptsitz liegt in Köln mit 7 weiteren Zentren in und 5 Kooperationspartnern außerhalb Deutschlands (Stand 2008). Die CDC sind ein gemeinnütziges Bildungs-Dienstleistungsunternehmen, das seit 1997 vom TÜV geprüfte Sprachkurse (Deutsch und Fremdsprachen), Sprachreisen (für Schüler und Erwachsene) und internationale Schulprogramme (High School Year in englischsprachigen Ländern und in Deutschland) anbietet. Außerdem vermitteln die CDC Auslandspraktika. Benannt wurden sie nach dem deutschen Unternehmer Carl Duisberg (1861-1935). In Köln arbeitet am CDC auch eine Koordinatorin der Open University. Abgenommene Deutschprüfungen sind TestDaF, Zertifikat Deutsch, Deutsche Sprachprüfung Hochschule. Internetadresse: www.cdc.de Tatjana Atanasoska Casus obliquus: bezeichnet den von der Rektion eines Verbs, einer Präposition oder eines Adjektivs abhängigen Kasus, also alle Kasus außer dem, in dem das Satzsubjekt steht. Im Deutschen gibt es drei Casus obliqui: Genitiv, Dativ und Akkusativ. Die Satzglieder, die in einem C.o. stehen, werden unter dem Oberbegriff Objekt zusammengefasst. Marina Matthey Casus rectus: bezeichnet den von der Rektion des Verbs unabhängigen, unflektierten Kasus, also den, in dem insbesondere das Satzsubjekt steht. Im Deutschen ist das der Nominativ. Das Gegenstück zum C.r. ist der Casus obliquus. Marina Matthey CDC: s. Carl-Duisberg-Centren CEFR (Common European Framework of Reference): s. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen Chunk, der: Der Begriff wurde erstmals von George Miller geprägt und bezeichnet die Kodierung einzelner Elemente zu größeren Einheiten. Dadurch kann das Kurzzeitgedächtnis bei beschränkter Kapazität mehr Informationen behalten und verarbeiten. C. sind in ihrer semantischen Bedeutung enger als ihre Teile und pragmatisch stärker an bestimmte Situationen gebunden, so sind z.B. guten und Morgen universeller und mit einer größeren semantischen Breite einsetzbar als guten Morgen. Ellis (2003) beschreibt „Chunking“ als assoziativen Lernmechanismus, der beim Erwerb sequenzieller Informationen (also welche Phoneme, Lexeme und Kollokationen zusammen stehen) von essenzieller Bedeutung ist. Es können so komplexe Regeln erworben werden, obwohl „Chunking“ ein einfacher Lernmechanismus ist. „Chunking“ liegt auch der Bildung von Phraseologismen zugrunde. <?page no="46"?> cognitive maps 35 Conklin, K./ Schmitt, N. (2008), „Formalic sequences: Are they processed more quickly than nonformulaic language by native and nonnative speakers? “, in: Applied Linguistics, Jg. 29, Nr. 1, 72-89. - Ellis, N.C. (2003), „Constructions, Chunking, and Connectionism: The emergence of second language structure“, in: Doughty, C./ Long, M. (Hrsg.), The handbook of second language acquisition, Malden, 63-103. - Solso, R.L. (2005), Kognitive Psychologie, 2. Aufl., Heidelberg. Martin G. Döpel CLIL: s. Content and Language Integrated Learning Cloze-Test, der: auch: Cloze-Verfahren; Besteht in seiner klassischen Form aus einer einzelnen (authentischen) Textpassage, in der jedes n-te Wort getilgt ist, wobei n zumeist eine Zahl zwischen 5 und 10 ist. Die Testperson muss die fehlenden Wörter rekonstruieren. Das Verfahren wurde zunächst zur Messung der Lesbarkeit von Texten verwendet, später auch zur Testung zweit- und fremdsprachlicher Kompetenzen eingesetzt. Die Zahl der korrekten Rekonstruktionen gilt als globales Maß rezeptiver und produktiver Sprachkompetenz. Der CT ist u.a. in folgender Hinsicht kritisiert worden: Benachteiligung aufgrund von thematischer Spezifizität; häufig zu hohe Schwierigkeit selbst für Muttersprachler; unzureichende Reliabilität und fragliche Validität. Es existiert eine Reihe von Varianten wie z.B. Multiple-Choice-Cloze und Zuordnungs-Cloze. Beim sog. „rational deletion cloze“ - häufig als Lückentest bezeichnet - werden spezifische Wörter getilgt wie z.B. kohäsionsstiftende Elemente. Eine auch im Bereich DaF mittlerweile häufig eingesetzte Weiterentwicklung des Cloze-Verfahrens mit sehr guten psychometrischen Eigenschaften ist der sog. C-Test. Bei diesem wird beginnend mit dem zweiten Wort des zweitens Satzes in ca. 4-6 kurzen Texten jeweils die zweite Worthälfte getilgt. Internetadresse: www.c-test.de - Eckes, T./ Grotjahn, R. (2006), „A Closer Look at the Construct Validity of C-Tests“, in: Language Testing, Jg. 23, Nr. 3, 290-325. - Oller, J. W., Jr./ Jonz, J., Hrsg. (1994), Cloze and Coherence, Lewisburg. Rüdiger Grotjahn Code, der: s. Kode Codeswitching: Das Wechseln zwischen Sprachen und auch deutlich distinkten Varietäten. Hat sich gegenüber dem Begriff Sprachwechsel durchgesetzt. C. findet sich typischerweise in Situationen mit mehrsprachiger Teilnehmerkonstellation. C. weist unterschiedliche strukturelle Muster sowie unterschiedliche interaktionslogische Funktionen auf. C. findet sowohl an Satz- und Äußerungsgrenzen als auch satz-, äußerungs- und wortintern statt. Beispiel: A: Índim, Selda’yı arıyom bakıyom. (Bin ausgestiegen, bin los nach Selda schauen) Bi baktım. Matthias’ı diyor hey kannsch du mi: mitnehmen? (Auf einmal seh ich Matthias, sagt er) Isisn Freund von mir, mit dem ich früher inner Scheh Klasse war. He: kannschte mi: mitnehmen diyo, eh i hab niemand diyo … A. switcht mit dem Zitieren des deutschen Freundes Matthias und mit der erläuternden Nebensequenz, woher er Matthias kennt, vom Türkischen ins Deutsche. Die Zitate sind mit dem türkischen Verbum dicendi (diyo/ r - sagt er) geklammert. Gleichzeitig wechselt A. ins erzählerische Präsens und leiht seinem Freund auch die dialektale (schwäbische) Stimme (kannschte mi: mitnehmen … i hab niemand), was mit der eher standardsprachlichen Erläuterung mit dem ich früher inner [in der] … Klasse war deutlich kontrastiert. Es wird also zwischen Sprachen und zwischen Varietäten geswitcht. Gumperz u.a. haben eine Vielzahl sozialer und metaphorischer Funktionen des C. herausgearbeitet und sie vor allem in den Kontext konversationeller Aushandlungsprozesse gestellt ( Konversationsanalyse), aber auch Unterscheidungen wie Codemixing eingeführt. Je dichter das C., umso mehr treten einzelne konversationelle und situative Funktionen in den Hintergrund und C. wird zu einem hybriden Code-Mixing, zu einem sog. „We-Code“. Auer, P., Hrsg. (1998), Code-Switching in Conversation: Language, Interaction and Identity, London. - Hinnenkamp, V. (2005), „‚Zwei zu bir miydi? ‘ − Mischsprachliche Varietäten von Migrantenjugendlichen im Hybriditätsdiskurs“, in: Hinnenkamp, V./ Meng, K. (Hrsg.), Sprachgrenzen überspringen. Sprachliche Hybridität und polykulturelles Selbstverständnis, Tübingen, 51-103. Volker Hinnenkamp cognitive maps: s. mental maps <?page no="47"?> 36 Cognitive Academic Language Proficiency Cognitive Academic Language Proficiency: s. CALP Community Language Learning: Als CLL bezeichnet man eine Sprachlernmethode, die in den 1970er Jahren von Charles Curran entwickelt wurde. Die Methode hieß zuerst „Counselling Learning“ und wurde in der Therapie angewandt: Der Patient spricht über seine Probleme, der Therapeut reformuliert die Äußerungen des Patienten durch Reflexionen, Paraphrasierungen, Zusammenfassungen. Bei der Arbeit mit CLL im FSU sitzen die Teilnehmer im Kreis. Der Input wird vom Teilnehmer bestimmt. Er sagt das, was er einem Kollegen oder dem Lehrer mitteilen möchte, in der L1. Der Lehrer setzt diese Äußerung adäquat in die L2 um. Der Teilnehmer wiederholt die Äußerung in der L2, der Lehrer korrigiert, ggf. mehrfach, die Aussprache. Dann wird die L2-Äußerung des Teilnehmers aufgenommen. Dieser Schritt wird mit neuem Input mehrfach durchgeführt bis eine sinnvolle Gesprächssequenz erreicht ist. Anschließend transkribieren die Teilnehmer die Aufnahme oder einen Teil der Aufnahme. Anhand dieses Skripts kann dann weitergearbeitet werden, z.B. an Strukturen, der Lexik oder Aussprache. Voraussetzungen für den Einsatz von CLL im FSU: 1. Der Inhalt des Kurses ist nicht durch einen vorgegebenen Wortschatz festgelegt. 2. Der Lehrer beherrscht die L1 der Teilnehmer oder eine gemeinsame Metasprache. CLL eignet sich für die Arbeit mit einer L1-homogenen Gruppe und für den Einzelunterricht. Stevick, E. (1980), Teaching languages: a Way and Ways, Rowley, MA. Doris van de Sand Complément/ Komplement, das: bezeichnet eine syntaktische Kategorie und repräsentiert die Ergänzung entweder eines Nomens in Subjektposition (Frau Mayer ist Schauspielerin.) oder eines Nomens in Objektposition (Wir wählten sie zur Präsidentin.). Das C. ist immer von einem Verb abhängig und kann auch direkt als Ergänzung eines Verbs fungieren (Michaela ist im Garten.). Als Complementizers/ Komplementierer werden Konjunktionen (dass, ob oder Relativpronomen) definiert, die eine Phrase einer anderen unterordnen, wie z.B. in Nebensätzen: Hans kauft ein Auto, das bereits 20 Jahre alt ist. ( Phrasenstrukturgrammatik). Im Kontext der Government and Binding Theorie kann C. eine Phrase dominieren und steht hierarchisch gleichberechtigt neben dem Satz. Dies ist insbesondere für die Erklärung der Verbzweit- und Verbendstellung im Deutschen von Bedeutung. Ohne im Detail auf die zugrunde liegende Argumentation einzugehen, sehen wir vereinfacht die folgende Gesetzmäßigkeit: Im Nebensatz steht das finite Verb in finaler Position: …, dass ich ihn gesehen habe. Die gesamte Phrase wird von C. regiert. Im Hauptsatz wird angenommen, dass das finite Verb in die Position der Complementphrase wandern kann und damit in die zweite Position vorrückt: Ich habe ihn gesehen. Grewendorf, G. (1991), Aspekte der deutschen Syntax. Eine Rektions-Bindungs-Analyse, Tübingen. Thomas Fritz computergestützte Sprachbeschreibung: C.S. verbindet linguistische Formen der Sprachbeschreibung mit Methoden der Informationstechnologie zur Formalisierung sprachlicher Daten, Strukturen und Regeln. Als Hauptrichtung der Grammatikmodellierung gilt die auf die Generative Transformationsgrammatik zurückgehende Konstituentenstruktursyntax, die im Kern mit Ersetzungsregeln ( Phrasenstrukturgrammatik) operiert (S NP VP; NP DET N; VP V NP etc.). Mit solchen kontextfreien Grammatiken lassen sich formale Sprachen gut beschreiben. Spezifische Phänomene natürlicher Sprachen (freie Wortstellung, diskontinuierliche Konstituenten etc.) sind hingegen nur schlecht modellierbar. Unifikationsgrammatiken verwenden daher zusätzlich komplexe Merkmalsstrukturen, die bei der Konstruktion von syntaktischen Strukturen verknüpft (unifiziert) werden (z.B. Lexikalisch Funktionale Grammatik in der Processability Theory, vgl. Pienemann 1998, 89-116). Die dependenzgrammatische Richtung der c.S. verwendet keine Ersetzungsregeln, sondern lexikalisierte Grammatiken (vgl. Dormeyer 2004, 9ff.). Bei der syntaktischen Konstruktion werden die im Lexikon beschriebenen Merkmalsstrukturen zusammengeführt. Im Sinne der Dependenzgrammatik wird hier somit eine Leerstelle gefüllt bzw. ein Dependens mit seinem Regens verbunden. Dormeyer, R. (2004), Syntaxanalyse auf der Basis der Dependenzgrammatik, Berlin. - Pienemann, M. (1998), <?page no="48"?> Computerlinguistik 37 Language Processing and Second Language Development: Processability Theory, Amsterdam. Udo Ohm computergestützter Sprachunterricht: Oberbegriff für Sprachunterricht, in dem neuere Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt werden. Es existieren unterschiedliche Möglichkeiten der technischen Realisierung sowie zahlreiche didaktische Modelle. Generell zu unterscheiden sind computerbasierte und webbasierte Lernangebote. Computerbasiert sind multimediale Lernangebote auf einem Datenträger (CD-ROM, DVD). 1. Computergestützter Unterricht (CU) wird u.a. auch als Computerunterstützter Unterricht (CUU) bzw. Computer Assisted Learning (CAL) bezeichnet. Kritikpunkte an diesen Lernangeboten sind die fehlende Berücksichtung individueller Lernprozesse, die beschränkte Auswahl an Übungstypen sowie die mangelhafte Form der Rückmeldung. 2. Webbasierte Lernangebote nutzen die Möglichkeiten des Internets für den Sprachunterricht. Dabei sind Lerninhalte im Internet abrufbar und können durch internetbasierte Kommunikationsformen wie E-Mail, Chat oder Diskussionsforen ergänzt werden. Individuelle Lernprozesse können so begleitet und unterstützt werden. Die technische Basis bilden meist Learning and Content Management Systeme sowie Webseiten (Hypertexte), wie z.B. WebQuest (Webseite mit Rechercheaufgaben und Publikationsmöglichkeit). Werden webbasierte Lernphasen mit Präsenzunterricht kombiniert, spricht man von Blended learning. Der Erfolg von Formen und Angeboten des c.S. hängt davon ab, ob sich daraus ein didaktischer Mehrwert ergibt, d.h. die Lehr- und Lernziele besser als mit anderen Methoden erreicht werden können. Eva Mandl computergestützte Übersetzung: Übersetzungstätigkeit, die sich spezieller Computerprogramme bedient (auch computerunterstützte Übersetzung). Je nach Anteil, den der Mensch bzw. der Computer dabei übernimmt, wird zwischen zwei Ausprägungen der c.Ü. unterschieden: a) humanaided machine translation (HAMT); Charakteristik: Der Computer übersetzt, der Mensch hilft dabei durch Vor- und Nachbereitung des zu übersetzenden Materials. b) machine-aided human translation (MAHT); Charakteristik: Der Mensch übersetzt, der Computer unterstützt ihn dabei durch ausgewählte Programme (vgl. Harms/ Luckhardt 2009). In der MAHT haben die Programme vielfältige Funktionen: automatisches Speichern und Wiederabrufen von Terminologie und Satzsegmenten; Recherche in speziellen Terminologie-Datenbanken im Internet und auf Datenträgern; allgemeine Internet-Recherche und Sammeln von Referenztexten zu verschiedenen Sprachpaaren. Die c.Ü. findet vorwiegend beim Übersetzen von Gebrauchstexten Anwendung. Harms, I./ Luckhardt, H.-D. (2009), Virtuelles Handbuch für Informationswissenschaft, Universität des Saarlandes, Saarbrücken (http: / / is.uni-sb.de/ studium/ handbuch/ webpush.html). Jens Reimann Computerlinguistik, die: Unter CL im engeren Sinn versteht man eine von statistischen und linguistischen Verfahren ausgehende und auf technische Anwendungen verschiedener Art ausgerichtete Disziplin, bei der vor allem Fragen einer angemessenen Mensch-Maschine-Interaktion auf sprachlichem Wege gelöst werden sollen. Daher spielen sowohl Daten geschriebener wie gesprochener Sprache eine Rolle. Die Analyse, Bearbeitung und Synthetisierung gesprochener Sprache ist dabei häufig eine zentrale Aufgabe. Im weiteren Sinn werden mit CL auch jene korpuslinguistischen Forschungen benannt, bei denen die Forschung innerlinguistischen Zielen verpflichtet ist. Sie ist auch durch eine stärker theoretische Ausrichtung gekennzeichnet. Ihr geht es zentral um die Entwicklung und Erprobung von Methoden und Instrumenten der Sprachanalyse, die teils der Operationalisierung linguistischer Konzeptionen dient, teils die Möglichkeiten einer mathematisch-statistischen Vorgehensweise zur Gewinnung von Erkenntnissen nutzt. Idealerweise sollten auf diesem Wege sprachliche Strukturen emergent sichtbar werden. Die Forschungen in diesem Bereich beziehen sich derzeit größtenteils auf die in großen Datenbanken geschriebener Sprache niedergelegten Materialien. Carstensen, K.-U./ Ebert, Chr./ Endriss, C./ Jekat, S./ Klabunde, R./ Langer, H., Hrsg. (2004), Computerlinguistik und Sprachtechnologie. Eine Einführung, Heidelberg. Ludwig Eichinger <?page no="49"?> 38 Consecutio temporum Consecutio temporum: Aufeinanderfolge der Zeiten. Die Zeitenfolge kennzeichnet im Lateinischen eine geregelte Abfolge der Tempora in komplexen Sätzen, z.B. bei Präteritum im Hauptsatz folgt das Plusquamperfekt im Nebensatz. Im Deutschen gibt es eine strikte Zeitenfolge nur noch in Konditionalgefügen sowie bei nachdem: Präsens - Präsens: Wenn sie Zeit hat, geht sie ins Kino. Präteritum - Präteritum: Wenn sie Zeit hatte, ging sie ins Kino. Konjunktiv II - Konjunktiv II: Wenn sie Zeit hätte, ginge sie ins Kino. Konjunktiv II, Vorzeitigkeit - Konjunktiv II, Vorzeitigkeit: Wenn sie Zeit gehabt hätte, wäre sie ins Kino gegangen. Hauptsatz - Präteritum, Nebensatz - Plusquamperfekt: Nachdem sie gegessen hatten, fuhren sie nach Haus. Lutz Götze Constructio ad sensum: grammatischer Fachterminus für eine semantisch motivierte Abweichung von für den Standardfall geltenden Regeln hinsichtlich grammatikalischer Korrektheit. In erster Linie betrifft dies die Nichterfüllung einer zu erwartenden Kongruenz zwischen dem Subjekt und dem finiten Verb hinsichtlich des Numerus: Gut eine Million Menschen feierten den Christopher Street Day.; Haus und Hof war dem Erdbeben zum Opfer geworden. Und/ oder der Person: Ich oder du kann ja den Flug schon mal reservieren. (Zu nicht lizenzierten Konstruktionsverstößen vgl. ggf. Zeugma). Bei DaF-Sprechern ist bei der Produktion entsprechender grammatikalischer Abweichungen eher kein Hintergrund im Sinne einer C.a.s. anzunehmen, sondern ein interimssprachlicher ( Interimsprache). Hans Barkowski Content and Language Integrated Learning (CLIL): hat sich im europäischen Raum als Oberbegriff für Lern- und Unterrichtskontexte etabliert, in denen bei der Vermittlung von Fachinhalten zumindest partiell eine andere Sprache als die Erstsprache (L1) der Lernenden eingesetzt wird. Je nach geschichtlicher Entwicklung sowie den quantitativen und qualitativen Merkmalen der jeweiligen Umsetzungsformen sind in Europa unterschiedliche Bezeichnungen für die kombinierte Vermittlung von (fremd-)sprachlichen Fertigkeiten und sog. nicht-linguistischen Fachinhalten anzutreffen: Im skandinavischen Raum spricht man in Anlehnung an die dort vergleichsweise früh adaptierten und erprobten Varianten der kanadischen Sprachimmersion und deren nordische Bezeichnung „språkbad“ von Sprachbad sowie bei weniger zielsprachenintensiven Varianten bezeichnenderweise von Sprachdusche ( Immersion). Im deutschsprachigen Raum haben sich wiederum Begriffe wie bilingualer Unterricht bzw. bilingualer Sachfachunterricht (bes. Deutschland), Deutschsprachiger Fachunterricht (an den deutschen Auslandsschulen), Fremdsprache als Arbeitssprache (bes. Österreich) oder auch Sprachimmersion (bes. Schweiz) eingebürgert. Besonders treffend und zeitgerecht ist die Verwendung von CLIL als Oberbegriff insofern, als es den Schwerpunkt des schulischen Wissenserwerbs auf die Lernperspektive setzt und den für sämtliche CLIL-Kontexte bezeichnenden doppelten Fokus des Unterrichts auf Sprache und auf Fachinhalt explizit ausdrückt. Internetadressen: EU (in englischer Sprache): http: / / ec.europa.eu/ education/ languages/ language-teaching/ doc236_en.htm - Goethe-Institut: www.goethe. de/ ges/ spa/ dos/ ifs/ deindex.htm Kim Haataja Critical Incident, der: Bezeichnung a) für die episodische Darstellung einer kritischen Interaktionssituation zwischen Akteuren aus unterschiedlichen Kulturen b) für Ereignisse der i.F. beschriebenen Art. 1. Konzeptualisierungen Begründet wurde die C.I.-Tradition 1954 von dem Psychologen J.C. Flanagan als Beobachtungsmethode, um kritische Ereignisse des Luftverkehrs in Hinblick auf deren situative Bedingungen und Folgereaktionen identifizieren und im Rahmen der Pilotenschulung eignungsdiagnostisch einsetzen zu können. In interkulturelle Lehr- und Lernkonzeptionen fanden C.I. Eingang über die von Triandis und Fiedler entwickelte Methode des Culture Assimilator: Zu einem auf einer kulturellen Missverständnissituation beruhenden Fallbeispiel werden im Multiple-Choice-Verfahren unterschiedliche Begründungsmöglichkeiten angeboten, die helfen sollen, das dargestellte Missverständnis zu erklären. In Deutschland konnte sich die Methode in den 1990er Jahren durch die länderspezifischen Beispielsammlungen von A. Thomas etablieren. 2. Kritik Kritische Einwände betreffen weniger die C.I.- Technik selbst als vielmehr deren didaktische Umsetzungsformen. Liegen C.I. in schriftlicher <?page no="50"?> Cultural Studies 39 Form vor, lassen sich die Auslöser und situativen Kontexte der beschriebenen Handlungssituation lediglich verkürzt darstellen. Auf dieser Basis tendieren Kulturassimilatoren zwangsläufig zu monokausalen und generalisierenden Begründungen von faktisch äußerst komplexen Handlungssituationen. Offener gestaltet sind dagegen Verfahren, bei denen in einer Gruppe selbst erlebte C.I. erzählt und reflektiert werden. Fiedler, F.E./ Mitchell, T./ Triandis, H.C. (1971), „The culture assimilator: An approach to cross-cultural psychology“, in: Journal of Applied Psychology 55 (2), 95-102. Jürgen Bolten Critical period: von Lenneberg (1967) eingeführtes Konzept, wonach es - unter der Voraussetzung eines quantitativ und qualitativ angemessenen Inputangebots - ein biologisch begründetes Zeitfenster für den vollständigen Erwerb von Sprachen gibt. Die Annahme, dass es aufgrund reifungsbedingter physiologischer Veränderungen (wie z.B. Lateralität des Gehirns oder Abnahme der neuronalen Plastizität) nach Einsetzen der Pubertät nicht mehr möglich ist, die Erstsprache vollständig zu erwerben, ist empirisch gut belegt. In Bezug auf den Fremdsprachenerwerb geht man hingegen inzwischen von mehreren kritischen bzw. sensiblen Phasen aus, die sich auf die verschiedenen sprachlichen Ebenen beziehen und die nicht abrupt, sondern eher allmählich enden. Während man für die Aussprache annimmt, dass sie ab einem Erwerbsbeginn im Alter von 6 Jahren nicht mehr vollständig möglich ist, geht man in Bezug auf die Morphosyntax davon aus, dass sie ab einem Alter von 12 Jahren nicht mehr auf einem muttersprachlichen Niveau erworben werden kann. Für die sprachlichen Ebenen der Lexik und der Pragmatik konnten bisher keine kritischen bzw. sensiblen Phasen nachgewiesen werden. Lenneberg, E.H. (1967), Biological Foundations of Language, New York. - Long, M. (2005), „Problems with supposed counter-evidence to the critical period hypothesis“, in: International Review of Applied Linguistics 43 (4), 287-317. - Singleton, D. (2005), The critical period hypothesis: a coat of many colors“, in: International Review of Applied Linguistics 43 (4), 269-285. Karin Aguado C-Test, der: s. Cloze-Test Cultural Awareness: Kulturaufmerksamkeit, Kulturbewusstheit. In der didaktischen Literatur wird C.A. häufig im Zusammenhang mit Language Awareness ( Sprachaufmerksamkeit, Sprachbewusstheit) diskutiert. Konzepte, die einen vergleichenden, reflektierten Umgang mit Sprache und Kultur einfordern, werden dann zusammenfassend als „language(s) and cultural awareness“- Ansätze bezeichnet (vgl. Luchtenberg 2001). Diese Ansätze betreffen sowohl Inhalte und Ziele als auch Methoden des Unterrichts, wobei die verbindende Forderung lautet, dass die Vermittlung und das Erlernen von Sprache und Kultur durch ein Nachdenken über Sprache und Kultur begleitet werden sollte und Lehrende wie Lernende einen bewussten Umgang mit sprachlichen und (inter)kulturellen Begegnungen pflegen und gestalten lernen ( interkulturelle Kompetenz). Als Gegenstände von C.A. und deren Vermittlung gelten insbesondere der Vergleich sprachlicher, soziopragmatischer und kultureller Phänomene ( Sprachvergleich; Kulturvergleich; Pragmatik) sowie die Sensibilisierung für bzw. die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel im Umgang mit kultureller Diversität. Luchtenberg, S. (2001), „Language(s) and Cultural Awareness: Ein Thema für die Fremdsprachenlehrerausbildung? “, in: Neusprachliche Mitteilungen aus Wissenschaft und Praxis 54/ 3, 130-138. Dirk Skiba Cultural Studies: in GB in den 1960er Jahren entstandener interdisziplinärer Ansatz (Soziologie, Literaturtheorie, Kulturanthropologie u.a.), bei dem weniger die sog. Hochkultur als vielmehr die Vielfalt aller gesellschaftlichen Artefakte als Konstruktion sozialer Wirklichkeit in den Blick gerät. Kultur wird dabei nicht als in gesellschaftlichem Konsens entstandenes Produkt gesehen, sondern als ein von Dissens geprägter Prozess des Aushandelns von Bedeutungen, der nur im Zusammenhang von Produktion und Rezeption sowie den damit einhergehenden Bedingungsfaktoren von politischer, sozialer und ökonomischer Ungleichheit analysiert werden kann. Im deutschen Sprachraum haben die Interkulturelle Germanistik und die interkulturelle Landeskunde diese Ansätze tw. aufgegriffen und eigenständig weiterentwickelt ( Deutschlandstudien). Schmidt-Dengler, W., Hrsg. (1999), Germanistik im Spannungsfeld zwischen Philologie und Kulturwissenschaft (= Stimulus, Beiheft 3), Wien. - Wierlacher, A. u.a., Hrsg. <?page no="51"?> 40 Cultural Turn (1975ff.), Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache/ Intercultural German Studies, München. Uwe Koreik Cultural Turn: C.T. meint eine durch die Abkehr vom aufklärerischen Wissenschaftsideal bedingte kulturwissenschaftliche Wende in den Geistes- und Sozialwissenschaften in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. und ist insbesondere durch eine Neubestimmung des Kulturbegriffs gekennzeichnet Kultur wird nicht mehr als abgrenzbare Einheit gesehen, sondern wie z.B. bei Geertz (1991) als dynamisch, ambivalent und plural bestimmt - sowie durch die Abkehr von den quantitativen Methoden der Sozialforschung, bis hin zu einem Rückgriff auf die Sinnverstehensleistungen der Subjekte und die Interpretation kultureller, semantischer und symbolischer Formen. Für die Fremdsprachendidaktik macht bspw. Hu (1996) diesen Ansatz fruchtbar, die sich von den Leitbegriffen im wissenschaftlichen Diskurs über Interkulturalität abgrenzt und ‚Lernen‘ als ‚kulturelles Symbol‘ beschreibt. Begriffe wie „kulturalistische Wende“ oder „xenologische Wende“, sind in diesem Sinne nicht mit dem C.T. gleichzusetzen. Altmayer, C. (2004), „,Cultural Studies‘ - ein geeignetes Theoriekonzept für die kulturwissenschaftliche Forschung im Fach Deutsch als Fremdsprache? “, in: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht (Online), 9 (3), 14 S. - Geertz, C. (1991), Dichte Beschreibung, Frankfurt a. M. - Hu, A. (1996), ‚Lernen als kulturelles Symbol‘: Eine empirische qualitative Studie zu subjektiven Lernkonzepten im Fremdsprachenunterricht bei Oberstufenschülerinnen und -schülern aus Taiwan und der Bundesrepublik Deutschland (= Manuskripte zur Sprachlehrforschung 49), Bochum. Evelyn Röttger Culture Assimilator: s. Critical Incident Curriculum, das: S.B. Robinsohn hat den Begriff C. im Zusammenhang mit der Bildungsreform der 1960er Jahre im deutschen Sprachraum populär gemacht: im Unterschied zum Lehrplan zielt C. nicht auf vorgeschriebene Lehrinhalte und Methoden, sondern auf eine bildungstheoretisch begründete, mit den Mitteln der Wissenschaft entwickelte und durch eine ständige Revision an die wechselnden Anforderungen der Gesellschaft angepasste und öffentlich verantwortete Darstellung dessen, was und wie unter welchen Bedingungen gelehrt und gelernt werden soll. Ein C. macht begründete Angaben über Lehr- und Lernziele, Unterrichtsmittel, Methoden und Erfolgskontrollen für ein Fach oder eine Institution, ebenso aber über die Rahmenbedingungen, unter denen der Unterricht stattfinden soll. In einem weiten Verständnis von C. (im Sinne eines Rahmenc.) rückt die Gesamtheit eines Bildungsprozesses ins Zentrum ( Gesamtsprachencurriculum), während die konkrete Ausgestaltung dann in Lehrplänen und Richtlinien erfolgt. C. in einem engeren Verständnis wird dagegen auch als Synonym für den Begriff Lehrplan gesehen und benutzt. Während ein geschlossenes C. (auch: produktorientiertes C.) den Lehrstoff ebenso wie die Lehrmethoden im einzelnen vorschreibt, formuliert ein offenes bzw. prozessorientiertes C. die geforderten Kompetenzen der Lernenden und die Aufgaben, bei deren Lösung diese Kompetenzen sich entwickeln sollen. Für den Fremdsprachenunterricht charakterisiert der Begriff C. im Gegensatz zum traditionellen Lehrplan den Übergang von der Lehrauf die Lernperspektive sowie die stärkere Beteiligung der Wissenschaften an der C.entwicklung. Dabei lassen sich je nach den Vermittlungsschwerpunkten unterscheiden: 1. das (fremd-)sprachliche C., bei dem die konkreten sprachlichen Lernziele im Zentrum stehen, 2. das landeskundliche und 3. das literarische C., die auf die Inhaltsdimensionen von Sprachunterricht zielen. Mit Spiralc. wird die Tatsache bezeichnet, dass mit zunehmender Verfügung über sprachliche Mittel Sprachhandlungen oder auch Themen und Inhalte erneut, nun aber in differenzierterer Form und kulturell angemessener bearbeitet werden können (z.B. kann Höflichkeit anfangs mit bitte ausgedrückt werden, nach Vermittlung des Konjunktivs gibt es situations- und rollenspezifische Nuancierungen). Bausch, K.-R. (2003), „Funktionen des Curriculums für das Lehren und Lernen fremder Sprachen“, in: Bausch, K.-R./ Christ, H./ Krumm, H.-J., Hrsg., Handbuch Fremdsprachenunterricht, 4. Aufl., Tübingen, 111-116. - Neuner, G. (2001), „Curriculumentwicklung und Lehrziele Deutsch als Fremdsprache“, in: Helbig, G./ Götze, L./ Henrici, G./ Krumm, H.-J. (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 2. Halbband, Berlin, [u.a.]., 797-810. - Robinsohn, S. B. (1967), Bildungsreform als Revision des Curriculums, Neuwied/ Berlin. Silke Hofer CUU (Computerunterstützter Unterricht): s. Computergestützter Sprachunterricht <?page no="52"?> Datenaufbereitung 41 D DAAD: s. Deutscher Akademischer Austauschdienst D-A-CH-Konzept, das: 1. Grundlagen D-A-CH (für Deutschland, Österreich und die Schweiz) oder D-A-CH-L (Einbeziehung Liechtensteins oder Luxemburgs) steht für eine Zusammenarbeit zwischen Fachexperten sowie Mittlerorganisationen des deutschsprachigen Raumes. Ausgehend von den ABCD-Thesen wurde das Konzept einer in den Sprachunterricht integrierten Landeskunde entwickelt, das auf die seit 1990 veränderte fachliche und gesellschaftliche Situation reagiert. Dabei geht es um die Verknüpfung von Sprach- und Landeskundevermittlung, wobei Deutsch als plurizentrische Sprache und die Sensibilisierung für intrakulturelle Unterschiede im deutschsprachigen Raum im Zentrum stehen. Das D. bedeutet die grundsätzliche Anerkennung der Vielfalt des deutschsprachigen Raumes im Sprachunterricht, in der Landeskundevermittlung, bei der Produktion von Lehrmaterialien sowie in der Aus- und Fortbildung von Unterrichtenden. Mit der „Wiener Erklärung“ (1999) wurde die Zusammenarbeit im Rahmen einer DACHL-Arbeitsgruppe fixiert. In Zusammenarbeit mit dem Internationalen Deutschlehrerverband werden regelmäßig DACHL-Länderkunde-Seminare durchgeführt, die das D. in Form einer erlebten Landeskunde in die Praxis umsetzen. 2. Prinzipien Bezogen auf den DaF-Unterricht wurden 1997 fünf Prinzipien formuliert, welche das D. als eine integrierende Landeskundedidaktik kennzeichnen (vgl. Hackl u.a.): 1. eine der kulturellen Vielfalt des deutschsprachigen Raums entsprechende Landeskunde der Regionen, die nicht additiv, sondern exemplarisch zu verstehen ist; 2. die Begründung der Projektarbeit als zentraler Methode eigenverantwortlichen Lernens; 3. die Autonomieförderung der Lernenden durch kreatives, mitgestaltendes Arbeiten und die damit verbundene Ersetzung einer reinen Informationsvermittlung durch die Frageperspektive der Lernenden; 4. eine komplexe, auf die Veränderungen in der Fremdsprachendidaktik reagierende Neuorientierung der Landeskundedidaktik, die sich u.a. durch die Moderationsrolle der Lehrenden, durch neue lernpsychologisch begründete Arbeitsmethoden sowie durch produktbezogene und die Lernenden einbeziehende Evaluationsformen auszeichnet; 5. die multiperspektivische, d.h. exemplarischhistorische, grenzübergreifend-konzeptionelle und methodisch-pragmatische, öffentlichkeitsrelevante Gestaltung von landeskundlichen Projekten. Hackl, W./ Langner, M./ Simon-Pelanda, H. (1997), „Integrierende Landeskunde - ein (gar nicht so) neuer Begriff“, in: Theorie und Praxis. Österreichische Beiträge zu Deutsch als Fremdsprache. Jahrbuch 1, 17-34. - „Wiener Erklärung zur Sprachförderung und Zusammenarbeit in Mittel- und Osteuropa“ (1999), in: Krumm, H.-J. (Hrsg.), Sprachen - Brücken über Grenzen. Wien, 22-23. Rainer Bettermann DaF: s. Deutsch als Fremdsprache DaM: s. Deutsch als Muttersprache Darstellungsfunktion der Sprache: s. Organon- Modell Data driven learning: s. datengeleitetes Lernen Datenaufbereitung, die: Unverzichtbar für eine valide Datenanalyse und -interpretation ist die angemessene Aufbereitung der erhobenen Rohdaten (z.B. Protokolle, Fragebögen, Tests, Messungen, Video-/ Audioaufnahmen von Interviews oder Gruppendiskussionen). Wie diese Aufbereitung im Einzelnen erfolgt, ist von dem gewählten Forschungsansatz und dem spezifischen Erkenntnisinteresse wie auch von der Art der gewonnenen Daten abhängig. Bei einer qualitativ angelegten Studie, die das Ziel verfolgt, einen größtenteils unbekannten Forschungsgegenstand mithilfe z.B. von mündlichen Interviews zu untersuchen und aus den gewonnenen verbalen Informationen Hypothesen zu entwickeln, werden Daten erhoben, die anders aufbereitet werden müssen als Daten, die etwa in einer eher quantitativ angelegten Studie erhoben werden, die gezielt Hypothesen über einen bereits gut bekannten Gegenstand überprüfen möchte ( Datenerhebung). Die Aufbereitung schriftlich gewonnener quantitativer Daten beginnt zumeist mit ihrer Bereinigung, ihrer Kodierung und ihrer Umwandlung in elektronische Daten für anschließende statistische Auswertungen. Ein zentrales Aufbereitungsverfahren für die Analyse qualitativ gewonnener mündlicher Daten ist die Transkription, d.h. ihre Verschriftlichung. Grundsätzlich ist zu beachten, dass zwi- <?page no="53"?> 42 Datenerhebung schen D. und Datenauswertung nicht immer strikt getrennt werden kann, da die Entscheidung, welche Daten aufbereitet werden, immer auch bereits eine Auswahl und somit eine Interpretation darstellt. Bortz, J./ Döring, N. (2006), Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Geisteswissenschaftler, Heidelberg. Karin Aguado Datenerhebung, die: Die Erhebung von Daten zum Zweck der systematischen empirischen Untersuchung einer gegebenen Fragestellung ist ein komplexes Unternehmen, dem zahlreiche Entscheidungen zugrunde liegen, die dokumentiert und plausibel begründet werden müssen. Dazu zählen die Benennung des Forschungsziels und des spezifischen Erkenntnisinteresses, die Festlegung des Forschungsdesigns (z.B. eher qualitativ oder eher quantitativ; experimentell, quasiexperimentell oder nicht-experimentell, Längsschnitt- oder Querschnittstudie), die Auswahl bzw. Entwicklung der Untersuchungsinstrumente, die Gewinnung von Versuchspersonen sowie die Bestimmung der jeweiligen Datenaufbereitungs- und -analysemethoden. Zwecks Sicherstellung der Qualität wissenschaftlicher Untersuchungen ist bereits bei der D. die Einhaltung einer Reihe von Gütekriterien unverzichtbar. So müssen die gewählten Datenerhebungsmethoden dem Gegenstand angemessen und das gesamte Vorgehen muss nachvollziehbar beschrieben werden. Ob ein eher induktives oder ein eher deduktives Vorgehen gewählt wird und die D. entsprechend eher der (explorativen) Aufstellung von Hypothesen und Theorien oder deren (explanativer) Überprüfung dient, hängt vom jeweiligen Erkenntnisinteresse ab. Die wichtigsten Methoden der empirischen D. sind Beobachtungen (z.B. Selbst- oder Fremdbeobachtung; teilnehmende oder nicht-teilnehmende Beobachtung) und Befragungen (z.B. mündlich oder schriftlich; offen oder geschlossen), die zu Analysezwecken mithilfe von Notizen, Protokollen oder Audiobzw. Videoaufzeichnungen festgehalten und damit intersubjektiv überprüfbar gemacht werden. Weitere Verfahren der D. sind Experimente, Testverfahren oder Messungen. Da sowohl die technische als auch die inhaltliche Qualität der Daten für die Auswertung und die möglichen Erkenntnisse ausschlaggebend sind, ist schon bei der D. darauf zu achten, gültige und zuverlässige Daten zu gewinnen. Bortz, J./ Döring, N. (2006), Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Geisteswissenschaftler, Heidelberg. Karin Aguado datengeleitetes Lernen: 1. Allgemein Lernbzw. Rezeptionsvorgänge, die auf der - auch als aufsteigend ( bottom up) und induktiv bezeichneten - Verarbeitung von sprachlichen Einzeldaten (Lauten, Wörtern …) beruhen. Sie stehen im Gegensatz zu absteigenden ( top down, deduktiven) Prozessen, die schemageleitetes Lernen begleiten. D.L. tritt vor allem beim Hör- und Leseverstehen auf, allerdings meist im Gleichgewicht mit absteigender Verarbeitung. 2. D.L. als individueller Lernstil Der Lernstil der „Datensammler“ ist kommunikativ orientiert, arbeitet viel mit Chunks und stützt sich im Gegensatz zu „Regelaufstellern“ besonders auf d.L. (Edmondson/ House 2000, 215). 3. D.L. als Lernverfahren Die englische Bezeichnung für d.L., data driven learning, wird meist in der Bedeutung einer systematischen Korpusanalyse verwendet, bei der die Lernenden von den Daten Generalisierungen ableiten, die sie auf neue Daten anwenden (vgl. Lemnitzer/ Zinsmeister 2006, 167), u.a. im computergestützten Sprachunterricht (vgl. Rüschoff/ Wolff 1999, 130). Edmondson, W. J./ House, J. (2000), Einführung in die Sprachlehrforschung, 2. überarb. Aufl., Tübingen. - Lemnitzer, L./ Zinsmeister, H. (2006), Korpuslinguistik: Eine Einführung, Tübingen. - Rüschoff, B./ Wolff, D. (1999), Fremdsprachenlernen in der Wissensgesellschaft. Zum Einsatz der Neuen Technologien in Schule und Unterricht, Ismaning. Klaus-Börge Boeckmann Dativus Commodi/ Dativus Incommodi: Dativ des Nutznießers/ Geschädigten, Benefaktiv/ Malefaktiv. NP im Dativ, die denjenigen bezeichnet, zu dessen Nutzen oder Schaden die Handlung/ das Geschehen erfolgt, semantisch definierte Teilgruppe des Dativobjekts: Er repariert/ bespritzt der Frau das Auto., Ihm ging das Auto kaputt. Ist das Besitzobjekt unveräußerlich, gilt dieser Dativ auch als Pertinenzdativ: Er wäscht dem Kind die Haare./ Ihm brennt die Haut. Der DC./ DInc. ist stets fakultativ, unterscheidet sich syntaktisch ansonsten nicht vom Dativobjekt und wird in DaF-Lehrbüchern auch <?page no="54"?> Defizit-Hypothese 43 oft so behandelt, insbesondere kann er bei Passivierung zum Subjekt werden: Sie bekam das Auto repariert/ bespritzt. Er stellt ein die Valenz erweiterndes Zusatzargument zum Basisprädikat dar. Entgegen den Annahmen der Valenzgrammatik ist der DC./ DInc. nicht frei, sondern wegen semantischer Restriktionen verbspezifisch: *Er bewundert ihr das Auto. Voraussetzung für sein Auftreten ist, dass die Handlung/ der Vorgang ihrem/ seinem Inhalt nach zu einem für den Dativreferenten positiven/ negativen Resultat führen kann. Ogawa, A. (2003), Dativ und Valenzerweiterung, Tübingen. - Wegener, H. (1985), Der Dativ im heutigen Deutsch, Tübingen. Heide Wegener DaZ: s. Deutsch als Zweitsprache Deduktion, die/ deduktiv: D. ist ein aus dem Bereich der klassischen Logik stammendes Prinzip, welches den Prozess der Herleitung einer Aussage (Konklusion) aus verschiedenen wahren Aussagen (Prämissen) bezeichnet. Aus den Prämissen Alle Deutschen sprechen deutsch. und Paul ist Deutscher. kann demnach Paul spricht Deutsch. abgeleitet werden. Das Prinzip, gedanklich/ argumentativ den Weg vom Allgemeinen zum Besonderen zu gehen, gehört, wie auch die Induktion, zu den wissenschaftsmethodologischen Grundprinzipien. Im Kontext der fremdsprachlichen Vermittlung steht die deduktive Methode für das Prinzip „von der Regel zur Übung“ ( top down): Nach der Präsentation und Erklärung einer grammatischen Regel wird diese durch Übungen gefestigt, eine Praxis, die insbesondere die stark lehrerzentrierte Grammatik-Übersetzungsmethode (GÜM) favorisiert. Poser, H. (2001), Wissenschaftstheorie: Eine philosophische Einführung, Stuttgart. - Seel, N. (2003), Psychologie des Lernens, München/ Basel. Kerstin Rische Default-Regel, die: grammatische Regel für den Standardfall, die nur solange gilt, wie keine weitergehenden Einschränkungen vorliegen, Ausnahmen also zulässt. Eine D.-R. kann folglich Systeme repräsentieren, die Irregularitäten aufweisen. Z.B. sind im Deutschen Substantive auf „-e“ im Defaultfall feminin (Jacke, Hose), wenn sie jedoch männliche Lebewesen bezeichnen, maskulin (Bote, Hase). Das zusätzliche semantische Merkmal schränkt die Geltung der D.-R. für Substantive auf „-e“ also ein. Bei Psycholinguisten gilt der s-Plural als Default, da er bei allen Genusklassen auftritt (die Opas, Omas, Autos), wogegen die anderen Pluralsuffixe auf Genusklassen restringiert sind. Tatsächlich gelten für die speziellen Wörter mit s-Plural aber andere Restriktionen (vgl. Wegener 1995, 22 f.), so dass es fragwürdig erscheint, ob das Deutsche nur eine D.-R. aufweist und nicht vielmehr mehrere. Für jede Genusklasse kann ein Pluralsuffix als Default angenommen werden: Feminina „-(e)n“: Bank-en, Maskulina und Neutra „-(e): “ Hund-e, Boot-e. Jedoch selegieren die schwachen Maskulina „-(e)n“, die starken Feminina „-(e)“, die Neutra der alten ir-Klasse „-er“: Hase-n, Küh-e, Kind-er, und die speziellen Wörter „-s“: Uni-s, Kuckuck-s, Mann-s. Die Flexionsklassen schränken die Geltung der D.-R. für die Genusklassen also ein. Wie das Beispiel des deutschen Plurals zeigt, können im Einzelfall die Abweichungen so zahlreich und komplex sein, dass der DaF-Unterricht neben den D.-R. auch Muster für die Ausnahmeklassen vermitteln sollte, die sich im natürlichen Spracherwerb dank hoher Tokenfrequenz ganzheitlich einprägen können (Mann/ Männer, Hand/ Hände). Wegener, H. (1995), Die Nominalflexion des Deutschen, verstanden als Lerngegenstand, Tübingen. Heide Wegener Defizit-Hypothese, die: bezeichnet die Annahme, dass bestimmte Formen sprachlichen Ausdrucks als unzureichend und interventionsbedürftig zu qualifizieren sind. 1. Die D.-H. in der Soziolinguistik Nach Bernstein lässt sich je nach sozialer Schicht (abhängig von Bildung, Einkommen und sozialem Einfluss) ein unterschiedliches Sprachverhalten aufzeigen, wobei sich die sozial schwachen Schichten durch eingeschränktere und tendenziell negativ bewertete Sprachkompetenzen auszeichnen ( restringierter Code) und diese wiederum ihren sozialen Status verstärken. Dem gegenüber sehen die Vertreter der Differenzhypothese (u.a. Labov) unterschiedliche sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten gegeben, mit denen aber äquivalente kommunikative Leistungen erbracht werden (vgl. Dittmar 1973). <?page no="55"?> 44 deiktisch/ Deixis 2. Die D.-H. in der Pädagogik und kompensatorischen Erziehung Die D.-H. wird auch in Bezug auf Sprachkompetenzen von Migranten und Fragen der Sprachförderung und Integration verwendet. Die sog. Ausländerpädagogik und die kompensatorische Erziehung der 1970er Jahre waren bemüht, sprachliche Defizite auszugleichen. Aus der Sicht der in den 1980er Jahren entstehenden Interkulturellen Pädagogik wurden dabei aber unhinterfragt kulturelle Normen ins Spiel gebracht. Im Unterschied zur D.-H. der Ausländerpädagogik wurde in der auch von der Interkulturellen Pädagogik vertretenen Differenzhypothese dagegen die Gleichberechtigung unterschiedlicher Kulturen in einer zunehmend als multikulturell verstandenen Gesellschaft betont und statt einseitiger Anpassung wechselseitige Akzeptanz gefordert (vgl. Holzbrecher 2008). Mit dem Zuwanderungsgesetz und den Integrationskursen ist die Diskussion um die Frage von Defizit oder Differenz neu belebt worden. Hier wird von Vertretern der Differenzhypothese v.a. auf den sprachlichen Reichtum von Migranten abgehoben (z.B. Krumm 2002), während insbesondere im schulischen Bereich die Sprachkompetenzen vieler Kinder und Jugendlicher mit Migrationshintergrund als unzureichend für das Bestehen im deutschen Bildungssystem und im Berufsleben und in diesem Sinne als defizitär erscheinen. Dittmar, N. (1973), Soziolinguistik, Frankfurt a. M. - Holzbrecher, A. (2008), „Interkulturelles Lernen“, in: Ahrenholz, B./ Oomen-Welke, I. (Hrsg.), Deutsch als Zweit- und Fremdsprache, Baltmannsweiler, 118-130. - Krumm, H.-J. (2002), „‚One sprachen konten wir uns nicht ferstandigen. Ferstendigung ist wichtig‘. Entwicklung und Tendenzen in der Sprachlehrforschung im Bereich Migration und Integration“, in: Deutsch als Zweitsprache 2/ 2002, 32-40. Bernt Ahrenholz deiktisch/ Deixis, die: sprachliche Elemente, die ohne Kontext keine eindeutige Bedeutung, sondern eine Verweisfunktion haben (drüben, bald, weiter, würde). Diese bekommen sie erst in einer bestimmten Sprechsituation, in der sie auf eine konkrete Person, Zeit u.a. hinweisen. D. werden unterschieden: 1. nach ihrer Funktion: a) Personald. vertreten die drei Rollen in einer Sprechsituation (Sprecher: ich; Angesprochener: du; Besprochener: er); b) Lokald. aus denen die Entfernung (hier, dort) bzw. Richtung (hinschieben, herschieben, rechts, links) ersichtlich ist; c) Temporald. mit Hinweis auf die Vor-, Gleich- oder Nachzeitigkeit zum aktuellen Geschehen (gestern, damals, jetzt, heuer, morgen, dann); d) Soziald. zeigen die soziale Stellung (höher-, gleich-, niedrigergestellt) der Kommunikationspartner zueinander (Geben Sie mir.…; Gib mir.…; Er gebe mir.…); e) Modald. beziehen sich auf die Wahrscheinlichkeit (sicher - möglich) des Geschehens (Er kommt. Er könnte kommen.). 2. nach ihrer Form: a) morphologische D. z.B. Tempus als Marker der Temporald. (Er kommt. Er kam.), Modus als Marker der Modald. (Ich gebe.…; Ich gäbe.… b) lexikalische D. z.B. Pronomina (wir, ihr), Demonstrativa (dieser, jener), Adverbien (oben, damals, so), Partikeln (sicher, wohl). 3. nach ihrer Stellung: a) Anadeixis (abschließend); b) Katadeixis (einführend). Bühler, K. (1934), Sprachtheorie, Jena. - Diewald, G. M. (1991), Deixis und Textsorten im Deutschen, Tübingen. Tomáš Ká ň a deklaratives Wissen: Begriff der Kognitionspsychologie zur Informationsverarbeitung, der das sog. „Wissen was“, d.h. Faktenwissen umfasst. Die Unterscheidung von deklarativem und prozeduralem Wissen ist bei Anderson im Rahmen seines Modells des Adaptive Control of Thought (ACT) zu sehen (vgl. Grotjahn 1997, 38). Das d.W. wirkt zusammen mit dem prozeduralen Wissen, dem „Wissen wie“, bei der Top-down- Verarbeitung. Beide Wissenskomponenten sind für die Sprachverarbeitung doppelt ausgelegt, einmal als Sprachwissen und zum anderen als Weltwissen (vgl. Wolff 1990, 614). Zum deklarativen Sprachwissen gehört z.B. Faktenwissen zum Wortschatz (Wortbedeutungen, Wortarten), zur Grammatik, zur Pragmatik; zum deklarativen Weltwissen das Faktenwissen über die uns umgebende Welt (z.B. Geographie, Politik, Kultur). Grotjahn, R. (1997), „Strategiewissen und Strategiegebrauch. Das Informationsverarbeitungsparadigma als Metatheorie der L2-Strategieforschung“, in: Rampillon, U./ Zimmermann, G. (Hrsg.), Strategien und Techniken beim Erwerb fremder Sprachen, Ismaning, 33-76. - Wolff, D. (1990), „Zur Bedeutung des prozeduralen Wissens bei Verstehens- und Lernprozessen im schulischen Fremdsprachenunterricht“, in: Die Neueren Sprachen, Jg. 89, 610-625. Barbara Biechele <?page no="56"?> Dependenzgrammatik 45 Deklination, die: Unter D. ist in erster Linie die Flexion von Substantiven nach Kasus und Numerus gefasst und in zweiter Linie die Flexion der zusätzlich am Genus ihres Bezugssubstantivs orientierten Stellvertreter ( Pronomen) und Begleiter (Artikel; Adjektive; einige Numeralia). Die deklinierten Formen eines Nomens bilden Deklinationsparadigmen, die sich zu Deklinationsklassen zusammenfassen lassen. Der Erwerb und die Vermittlung der Kompetenz des normgerechten Umgangs mit - insbesondere komplexen - Nominalen durch bzw. an DaF-Lernende erfordert hohe Übungsintensität, erstreckt sich über lange Zeiträume des Lernens wie auch der sprachlichen Praxis und sollte nicht mit zu hohem Korrektheitsanspruch belastet werden. Sabira Levin Dekodierung, die: Ausdruck für die Übertragung einer zunächst nicht verständlichen Zeichenmenge in eine verständliche. Dieser Übertragungspraxis liegt ein Kode zugrunde. Die (Fehl-)Interpretation von Sprache als Kode, bereits bei Bühler kritisiert, erfuhr bei der Digitalisierung und Algorithmisierung sprachlicher Zeichen im Rahmen der Informationstheorie neues Gewicht. Die Übertragung in biologische Zusammenhänge (genetischer Kode) führt die Metaphorik in die Lebenswissenschaften ein. In mechanistischen Kommunikationsmodellen (Sender-Empfänger- Modellen) wird die D. gern als Modellierung für das Verstehen verwendet. Die Ausdrücke Kode- Wechsel bzw. -switch nutzen die Metapher innerhalb der Linguistik, meist ohne expliziten Bezug zu einer entsprechenden Theorie. Interpretationen der Verstehensprozesse als D. verkennen deren komplexe Strukturen. Bühler, K. (1934/ 1965 2 ), Sprachtheorie, Jena/ Stuttgart. Konrad Ehlich Deletion, die: s. Tilgung Denominativum, das / denominale Ableitung: ein Verb oder Adjektiv, das von einem Nomen abgeleitet wurde (z.B. Stein stein-ig, Wasser wässern). Mandy Höhle Denotation, die/ denotativ: Beziehung des sprachlichen Zeichens zu den Objekten, Ereignissen, Qualitäten etc., die sie sprachlich vertreten. So denotiert z.B. das Wort Großglockner den „höchsten Berg Österreichs“, gehen eine „aufrechte Bewegung auf Füßen, wobei immer ein Teil der Sohle auf dem Boden bleibt“. Die d. Bedeutung ist demnach der kognitive Kern, die „Hauptbedeutung“ (im Unterschied zur pragmatisch bedingten konnotativen Bedeutung), die in der Sprachgemeinschaft relativ einheitlich verstanden wird. Die d. Bedeutungen der Lexeme werden in Wörterbüchern beschrieben. Tomáš Ká ň a Dependenz, die: auch: Abhängigkeit. D. ist neben Konstituenz ( Konstituentenstruktur) eine der beiden syntaktischen Grundrelationen. D. ist definiert als gerichtete Abhängigkeit der Wörter im Satz, und zwar dergestalt, dass jedes Wort mit Ausnahme des finiten Verbs genau von einem anderen Wort des Satzes abhängt (und nicht umgekehrt). Das finite Verb des Hauptsatzes steht an der Spitze des Strukturbaums und hängt seinerseits von keinem anderen Wort ab, z.B.: lieben Leute im Löwenzahnsalat Manche Frühling frischen Im Unterschied zur traditionellen Grammatik und Logik und auch zur Konstituentenstrukturgrammatik und in Übereinstimmung mit der modernen Logik wird in der D.- und in der Valenzgrammatik der Satz nicht als aus Subjekt und Prädikat zusammengesetzt angesehen, sondern das finite Verb steht kraft seiner prädikativen Rolle an der Spitze des Stammbaums. Von ihm ist das Subjekt als eine der Ergänzungen neben anderen Ergänzungen (z.B. den Objekten) und neben den Angaben abhängig. In der Semantik nennt man die Ergänzungen Argumente und die Angaben Modifikatoren. Klaus Welke Dependenzgrammatik, die: auch: Abhängigkeitsgrammatik; Moderne Grammatiken lassen sich in D. und Konstituentengrammatiken gliedern. Der Begründer der modernen D. ist der französische Sprachwissenschaftler Lucien Tesnière. Sein Hauptwerk erschien posthum 1959. Die nach Auffassung der D. in einem Satz bestehenden Abhängigkeitsbeziehungen werden in Strukturbäumen dargestellt. Die Wörter hän- <?page no="57"?> 46 Derivation gen direkt oder indirekt voneinander ab und zwar so, dass jedes Wort von einem und nur einem anderen Wort abhängt. Die Ausnahme bildet das finite Verb des übergeordneten Satzes (Hauptsatzes), das an der Spitze des Strukturbaums steht - zur grafischen Darstellung vgl. Dependenz. Die jeweils übergeordnete Einheit wird als Regens bezeichnet, die abhängigen Einheiten heißen Dependens (Pl. Dependentien). Die Dependentien unterteilt Tesnière in actants (Aktanten, Ergänzungen) und circonstants ( Angaben). Den Satz vergleicht er mit einem Drama (petit drame). Sätze sind Handlungen (Verben) mit Aktanten in Umständen (Angaben). Im Zusammenhang mit der Unterscheidung von Ergänzungen und Angaben führte Tesnière den Begriff der Valenz ein. Valenz ist die Fähigkeit von Verben und im weiteren Sinne von Valenzträgern, eine bestimmte Zahl und Art von Ergänzungen zu verlangen. Der Begriff der Valenz wurde zu einem Grundbegriff der Grammatiktheorie. Ágel, V./ Eichinger, L. M./ Eroms, H.-W. et al. (2003), Dependenz und Valenz. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung, 1. Halbbd., Berlin/ New York. - Dürscheid, C. (2007), Syntax. Grundlagen und Theorien, Wiesbaden. - Eroms, H.-W. (2000), Syntax der deutschen Sprache, Berlin/ New York. - Tesnière, L. (1980), Grundzüge der strukturalen Syntax, Stuttgart. Klaus Welke Derivation, die: auch: Ableitung. Neben der Komposition ( Kompositum) das wichtigste Mittel der Wortbildung in der deutschen Sprache. Mit Hilfe von lexikalischen Morphemen und Ableitungsaffixen werden neue Wortformen gebildet. Als D. bezeichnet man den Prozess der Bildung, sein Produkt nennt man Derivat. Innerhalb der D. wird zwischen expliziter und impliziter D. unterschieden. Zur expliziten D. gehören: - Präfixderivation/ Präfigierung, z.B.: Missernte, unvorsichtig, aufschlagen, - Suffixderivation/ Suffigierung, z.B.: Kindheit, trinkbar, sprachlich, - kombinatorische Derivation (Kombination aus Präfix und Suffix), z.B.: Gehupe. Bei der expliziten D. werden also Affixe dem Grundmorphem hinzugefügt. Als implizite D. werden Prozesse deverbaler D. von Substantiven und Verben (werfen Wurf, Abflug abfliegen) zusammengefasst. Sie erfolgt ohne Verwendung von Affixen, sondern ist mit einem Wechsel im Stammvokal verbunden; heute ist die implizite D. allerdings unproduktiv. Demgegenüber ist die explizite D. höchst produktiv. Sie spielt in Hinblick auf DaF eine besondere Rolle für die Förderung des potenziellen Wortschatzes. Eichinger, L. M. (2000), Deutsche Wortbildung. Eine Einführung, Tübingen. - Fleischer, W./ Barz, I., unter Mitarbeit von M. Schröder (1995), Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache, 2. erg. Aufl., Tübingen. Renate Freudenberg-Findeisen DESI (Deutsch Englisch Schülerleistungen International): eine repräsentative Studie zur Erfassung der sprachlichen Leistungen in Deutsch und Englisch an Schulen in Deutschland. DESI erfasste 2003 und 2004 die Kompetenzen von Neuntklässlern in unterschiedlichen Schulformen in Deutsch und Englisch. Grundlage der Testkonstruktion waren die Lehrpläne beider Fächer. Darüber hinaus wurde eine Videostudie zum Unterricht durchgeführt. Ziel war die Erklärung der sprachlichen Leistungen der Schüler durch individuelle, unterrichtliche, schulische und familiäre Faktoren. Ferner sollte DESI Informationen über die Qualität des Deutsch- und Englischunterrichts zur Verfügung stellen. Internetadresse: http: / / www2.dipf.de/ desi/ - Klieme, E./ Beck, B., Hrsg. (2007), Sprachliche Kompetenzen - Konzepte und Messung. DESI-Studie (Deutsch Englisch Schülerleistungen International), Weinheim. Ingrid Gogolin Deskription, die/ deskriptiv: Mit D. bezeichnet man die wertungsfreie Beschreibung eines ausgewählten Phänomens oder eines Sachverhalts zum Zweck einer im Anschluss erfolgenden angemessenen Analyse und Erklärung. 1. In der Sprachwissenschaft: im Gegensatz zu einer normativen, präskriptiven Sichtweise auf die Sprache - wie sie in erster Linie in unterrichtsbezogenen Kontexten eingenommen wird - geht es in der d. Sprachwissenschaft ausschließlich um die unvoreingenommene, genaue und möglichst vollständige Beschreibung des aktuellen Sprachgebrauchs einer Sprechergemeinschaft. 2. In der Forschungsmethodologie: ein methodisches Vorgehen, bei dem jegliches Vorwissen - Theorien, Erfahrungen, Annahmen etc. - bewusst ausgeblendet wird, um den zu untersuchenden Gegenstand so zu erfassen, wie er ist, und ihn auf diese Weise intersubjektiv zugänglich zu machen. Je weniger über einen Forschungsgegenstand bekannt ist, desto wichtiger ist zunächst eine möglichst umfassende und ge- <?page no="58"?> Deutsch als Fremdsprache (DaF) 47 naue Beschreibung - dies trifft insbesondere auf praxisbzw. anwendungsbezogene Fragestellungen zu -, um darauf aufbauend Hypothesen oder Forschungsfragen zu entwickeln, die in sich anschließenden Studien gezielt untersucht werden können. Karin Aguado deskriptive Linguistik: Gegenüber einer starken Konzentration auf universale und auf aus universalen Prinzipien abgeleitete Formen der Linguistik setzt sich eine d. („beschreibende“) L. die möglichst präzise empirische Erfassung sprachlicher Formen und Strukturen zum Ziel. Dabei folgt sie unterschiedlichen Methoden und methodologischen Prinzipien. So versucht der Distributionalismus unter Nutzung statistischer Verfahren, die Verteilung sprachlicher Einheiten in einer Gesamtmenge sprachlicher Daten, einem Korpus, zu erfassen. Der Strukturalismus entwickelt Strukturbeschreibungen von sprachlichen, aber auch von anderen im weiteren Sinn semantischen Systemen. Für „tote“ Sprachen ist das Korpus per Definition die Gesamtmenge der überhaupt vorhandenen schriftlichen Sprachdaten, die allenfalls durch neue epigraphisch-archäologische Funde noch Erweiterung findet. Für heute noch verwendete Sprachen ist die Korpuserstellung hingegen eines der zentralen theoretisch-methodologischen Probleme der d.L., für das es bisher keine überzeugende und verallgemeinerte Lösung gibt. Auch die verbesserten Möglichkeiten elektronischer Datenspeicherung und -verarbeitung entheben die d.L. nicht dieser grundsätzlichen Problematik. Ein zweiter Problembereich betrifft die Deskriptionskategorien, für die häufig auf (ggf. etwas modifizierte) überkommene Kategorien wie die der Wortarten zurückgegriffen wird, und zwar selbst dort, wo die Sprachstrukturen dem nicht entsprechen. Dürr, M./ Schlobinski, P. (2006), Deskriptive Linguistik, 3. Aufl., Göttingen. Konrad Ehlich Deutsch als Fremdsprache (DaF): 1. Begriffsklärung DaF bezeichnet alle unterrichtspraktischen und wissenschaftlichen Aktivitäten, die sich mit der deutschen Sprache und der Kultur der deutschsprachigen Länder unter dem Aspekt des Lehrens und Lernens von Nichtdeutschsprachigen beschäftigen. Im engeren Sinne zielt DaF auf die spezifische Situation des Fremdsprachenlernens außerhalb des deutschen Sprachraums, während sich Deutsch als Zweitsprache auf den Erwerb des Deutschen im deutschsprachigen Kontext bezieht. 2. Zur Geschichte Die Geschichte des DaF-Unterrichts lässt sich seit Beginn der Überlieferung in deutscher Sprache, insbesondere seit der Verdrängung des Lateinischen durch die Volkssprachen ab dem 14. Jh. verfolgen (Glück 2002, DaF, Geschichte des Faches). Zu Beginn des 20. Jhs. wurden Institutionen gegründet, zu deren Aufgaben u.a. eine externe Verbreitung von Deutsch gehörte und - in den Nachfolgeorganisationen - bis heute gehört, so z.B. das Goethe-Institut und der Deutsche Akademische Austauschdienst (vgl. Ammon 1991). Erst in den 1970er Jahren wurde DaF auch im deutschen Sprachraum zum Thema von Wissenschaft. Inzwischen existieren in Deutschland, Österreich und der Schweiz Hochschulinstitute, Lehrstühle, Fachverbände u.ä. (vgl. Helbig u.a. 2001). 3. Zugänge DaF ist ein interdisziplinäres Fachgebiet, in dem erziehungs- und sozialwissenschaftliche Grundlagen und Kontexte gleichrangig mit sprachlichen und kulturellen Strukturen und Inhalten untersucht werden müssen. Traditionell werden vier Zugänge unterschieden (vgl. Henrici/ Koreik 1994): a) ein literaturwissenschaftlicher, der auch als interkulturelle bzw. transnationale Germanistik bezeichnet wird (vgl. Wierlacher/ Bogner 2003; Stickel 2003) und die Manifestation kultureller Prägungen in Texten betont sowie die „kulturräumliche Distanz“ der Lesenden bei der Textrezeption untersucht; b) ein linguistischer, bei dem Sprachsystem und Sprachkontrast, aber auch sozio- und diskurslinguistische Aspekte (z.B. die Frage, welche der nationalenVarietäten des Deutschen im Ausland zu unterrichten sei) eine zentrale Rolle spielen; c) ein landeskundlich-kulturwissenschaftlicher Zugang, der Fragen der Mentalität und Stereotypen, der Entstehung von Landesbildern und kulturellen Prägungen ins Zentrum rückt; d) schließlich eine lehr-lerntheoretische Orientierung, d.h. die Arbeitsfelder der Fremdsprachendidaktik und Sprachlehrforschung; e) zusätzlich ist die Sprachenpolitik zu nennen, d.h. die Frage nach der Rolle der deutschen Sprache im Rahmen der europäischen Mehrsprachigkeit <?page no="59"?> 48 Deutsch als Fremdsprache, Geschichte des Faches wie nach dem Beitrag, den der Deutschunterricht zum interkulturellen Verstehen leisten kann (vgl. Krumm/ Portmann-Tselikas 2006). 4. Offene Fragen Als Folge des Nationalsozialismus ist Deutsch in internationalen Organisationen kaum als Arbeitssprache verankert, obwohl dies bei der, was die Zahl der Muttersprachler angeht, stärksten Sprache innerhalb der EU angebracht wäre. Es bleibt eine Aufgabe der künftigen Sprachenpolitik, Wege zu finden, die Rolle der deutschen Sprache international zu stärken, dies zugleich als Stärkung der europäischen Mehrsprachigkeit anzulegen. Ammon, K. (1991): Die internationale Stellung der deutschen Sprache, Berlin. - Glück, H. (2002), Deutsch als Fremdsprache in Europa vom Mittelalter bis zur Barockzeit, Berlin. - Helbig, G. u.a., Hrsg. (2001), Deutsch als Fremdsprache - ein internationales Handbuch, 2 Bde., Berlin. - Henrici, G./ Koreik, U., Hrsg. (1994), Deutsch als Fremdsprache - Wo warst Du, wo bist Du, wohin gehst Du? , Baltmannsweiler. - Krumm, H.-J./ Portmann-Tselikas, P. R., Hrsg. (2006), Begegnungssprache Deutsch - Motivation, Herausforderung, Perspektiven, Innsbruck. - Stickel, G., Hrsg. (2003), Deutsch von außen, Berlin. - Wierlacher, A./ Bogner, A., Hrsg. (2003), Handbuch interkulturelle Germanistik, Stuttgart. Hans-Jürgen Krumm Deutsch als Fremdsprache, Geschichte des Faches: 1. Begriffsklärung Es ist zu unterscheiden zwischen der „Sache“ Deutsch als Fremdsprache (DaF) und ihrer Institutionalisierung als Schul- und akademisches Fach. Seit dem Mittelalter wird in Europa das Deutsche (bzw. seine älteren Sprachstufen) als Fremdsprache gelernt. Als Schulfach beginnt DaF seine Karriere im 19. Jh. Als akademisches Hilfsmittel („Deutschkurse für Ausländer“) existiert es seit etwa 1900, als Studienfach seit den 1970er Jahren. 2. Entwicklung DaF ist im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit die wichtigste (moderne) Fremdsprache in Nordeuropa, in den baltischen Ländern, in Ungarn und im west- und südslavischen Sprachraum. Im 18. Jh. wird es im ostslavischen Sprachraum zur führenden Fremdsprache. In Süd- und Westeuropa (außer an den Sprachgrenzen) sowie auf den britischen Inseln spielt DaF nie eine große Rolle. DaF wird entlang der Sprachgrenzen und in den deutschen Sprachinseln in Nord-, Mittel- und Osteuropa lange Zeit oral erworben. Im Adel und im entstehenden Bürgertum wird DaF bis ins 19. Jh. durch Sprachmeister gelehrt. Die ältesten bekannten Lehrmaterialien stammen aus Norditalien (15. Jh.). Gedruckte Materialien für den Unterricht erscheinen seit dem 16. Jh. in Polen, Böhmen, Ungarn, Frankreich, Katalonien und Italien. In den nordischen Ländern setzen Lehrmittelproduktion und DaF-Unterricht im 17. Jh. ein (bis dahin war „Semikommunikation“ mit Deutschsprachigen möglich), in Russland und Nordamerika im 18. Jh. Anlässe für den Erwerb von DaF lagen im Fernhandel, in adligen Fernheiraten und den Kavaliersreisen, im „Kindertausch“, in Flucht und Integration (z.B. Wallonen, Franzosen, Savoyer, Tschechen im 16. und 17. Jh.). Im 19. Jh. steigt das Deutsche zu einer führenden Wissenschaftssprache auf und wird zu einer maßgeblichen Publikationssprache. Als Kolonialsprache spielte DaF nur eine marginale Rolle. Der Geschichte des DaF widmet sich die Buchreihe „Fremdsprachen in Geschichte und Gegenwart“ (FGG). Glück, H. (2002), Deutsch als Fremdsprache in Europa vom Mittelalter bis zur Barockzeit, Berlin/ New York. - Glück, H./ Morcinek, B., Hrsg. (2006), Ein Franke in Venedig. Das Sprachbuch des Georg von Nürnberg (1424) und seine Folgen, (FGG 3), Wiesbaden. - Glück, H./ Pörzgen, Y. (2009), Deutschlernen in Rußland und in den baltischen Ländern vom 16. Jh. bis 1941. Eine teilkommentierte Bibliographie, (FGG 5). Wiesbaden, im Druck. Helmut Glück Deutsch als Muttersprache (DaM): 1. Verbreitung Gemessen an der Zahl muttersprachlicher Sprecher und seiner ökonomischen Stärke zählt Deutsch zu den 10 Weltsprachen und ist mit rund 100 Mio. die meistgesprochene Muttersprache in der EU (Stand 2007). In Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein bildet DaM die Mehrheit und ist dort abgesehen von der Schweiz solo-offizielle, in der Schweiz und in Luxemburg ko-offizielle Amtssprache. Als regionale Amtssprache gilt Deutsch in Belgien und der autonomen Provinz Bozen-Südtirol in Italien. Bevölkerungsanteile mit DaM gibt es auch im französischen Elsass. Deutsch gehört damit zum Typ der plurinationalen oder plurizentrischen Sprachen. Die v.a. durch Ammon angestoßene Diskussion um die nationalen Varietäten ist für das Prestige des Österreichischen Deutsch bzw. Schweizerdeutsch relevant. Aus historischen Gründen finden sich Sprachinseln mit DaM als Minderheitensprache in den ost- und <?page no="60"?> Deutsch als Zweitsprache (DaZ) 49 südosteuropäischen Ländern. Weiters gibt es Emigrantenkolonien in Übersee, die DaM weiter pflegen (z.B. in Brasilien, in Chile, in den USA oder in Namibia). 2. Unterricht DaM bezeichnet auch den Deutschunterricht für Lerner mit deutscher Muttersprache und grenzt sich ab vom Deutschunterricht als Nationalitätensprache, als Zweit- oder Fremdsprache. Zur Begriffsdifferenzierung muss die Stellung der Sprache im Schulcurriculum und für das Individuum betrachtet werden. Basierend auf der traditionellen Gleichsetzung von Nation und Sprache erfüllt DaM im Bildungssystem der deutschsprachigen Länder eine Doppelfunktion als Unterrichtsfach und Unterrichtssprache und hat eine zentrale Bedeutung im Fächerkanon. Für Schüler mit DaZ oder DaF übernimmt die Zweitsprache Deutsch damit dieselbe Bildungsfunktion wie die Erst- oder Muttersprache. Die Migrationsbewegungen der letzten Jahrzehnte führen dazu, dass der Anteil von Schülern mit DaM im deutschen Sprachraum zugunsten einer mehrsprachigen Schülerpopulation tendenziell abnimmt. Dies führt zu einer Neuorientierung des Faches DaM im Schulwesen und zu einem an Mehrsprachigkeit orientierten Deutschunterricht. Ammon, U. (1995), Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Problem der nationalen Varietäten, Berlin/ New York. - Bredel, U. u.a., Hrsg. (2006), Didaktik der deutschen Sprache. Ein Handbuch, 2 Bde., Paderborn/ München/ Wien. Andrea Dorner Deutsch als zweite oder weitere Fremdsprache: Spracherwerbstheoretisch ist es sinnvoll, zwischen einer ersten Fremdsprache und zweiten oder weiteren Fremdsprachen zu unterscheiden, weil die ersten Fremdsprachen im individuellen Lernerrepertoire eine Sonderrolle einzunehmen scheinen. Mit ihnen werden Fremdsprachenlernerfahrungen das erste Mal gemacht und Lernende geprägt, und sie scheinen als Bezugssprachen eine Brückenfunktion zwischen Erst- und weiteren Fremdsprache(n) einzunehmen. Diese Annahme wird durch erste neurolinguistische Untersuchungen gestützt: Die Erstsprache(n) werden teilweise und in Abhängigkeit von der jeweiligen Leistung, die bei der Sprachverarbeitung gefordert ist, in anderen Hirnarealen gespeichert und prozessiert als die Fremdsprache(n). Englisch ist mittlerweile in vielen Curricula die erste und obligatorische Fremdsprache, so dass Deutsch, wenn überhaupt curricular verankert und angeboten, als eine typische zweite oder weitere Fremdsprache gilt ( Mehrsprachigkeit, Sprachenpolitik). Curricular und didaktisch-methodisch ergeben sich hieraus verschiedene mögliche Konsequenzen ( Mehrsprachigkeitsdidaktik): Lehrwerke und Unterricht können auf vorhandene Vorerfahrungen zurückgreifen; die Progression kann möglicherweise steiler angelegt und der Zugriff stärker aus rezeptiver Sicht erfolgen und zugleich anspruchsvoller sein. Beispielsweise könnten die ersten Kapitel von Lehrwerken sogleich mit längeren Texten beginnen und sich nicht mit wiederholenden und für die Lernenden ermüdenden Sprechakten zum Kennenlernen aufhalten, sie könnten Internationalismen einbeziehen, auf vorher gelernte Sprachen verweisen bzw. sie ebenfalls mit einbeziehen. Möglicherweise können auch lernstrategische Aspekte wie Kenntnis des eigenen Lernertyps und entsprechendes Agieren vorausgesetzt werden und als entlastendes Element in den Unterricht mit einfließen. Dass dies allerdings nicht für alle Kulturkreise gilt, hat beispielsweise Kärchner-Ober 2009 mit ihrer Untersuchung malaysischer DaF- Lernender gezeigt. Hufeisen, B./ Neuner, G., Hrsg. (2005), Mehrsprachigkeitskonzept - Tertiärsprachenlernen - Deutsch nach Englisch, 2. Aufl., Straßburg. - Kärchner-Ober, R. (2009), „The German Language is Completely Different from the English Language.“ Gründe für die Schwierigkeiten des Lernens von Deutsch als Tertiärsprache nach Englisch bei malaysischen Studenten mit verschiedenen nicht-Indo-Europäischen Erstsprachen. Eine datenbasierte, sozio-ethnografische Studie, Tübingen. Britta Hufeisen Deutsch als Zweitsprache (DaZ): 1. Begriffsklärung Mit DaZ werden je nach Fokussierung i.W. drei verschiedene Ausschnitte des fachlichen Kontinuums „Deutsch als Zweitsprache“ bezeichnet: a) die deutschsprachlichen Äußerungen von Sprechern, die das Deutsche als Fremdsprache in einer deutschsprachigen Region und weitgehend außerunterrichtlich erworben haben; Sprecher dieser Varietät gehören überwiegend zu den Gruppen der Arbeitsmigranten, Aussiedler und Flüchtlinge; mit Bezug auf die Arbeitsmigranten hat DaZ die bis Ende der 1970er Jahre gebräuchliche Bezeichnung Gastarbeiterdeutsch (GAD) abgelöst; b) das Unterrichtsfach, das die Förderung des Erwerbs des DaZ betreibt und c) das Teil- und Spezialgebiet des wiss. Faches Deutsch als <?page no="61"?> 50 Deutsch als Zweitsprache (DaZ) Fremdsprache bzw. der Sprachlehr- und -lernforschung, das die Spezifika der sprachlichen Varietät DaZ, die Erforschung des Erwerbs von DaZ sowie die Entwicklung von methodisch-didaktischen Konzepten der Förderung des DaZ-Erwerbs zum Gegenstand hat. 2. Geschichtliche Entwicklung Das Phänomen des DaZ-Erwerbs ist eine Begleiterscheinung von Einwanderungsprozessen in deutschsprachige Länder und insofern so alt wie diese; zum Gegenstand besonderer gesellschaftlicher und wiss. Aufmerksamkeit wurde es dagegen erst seit den 1970er Jahren. Seit Beginn des 3. Jahrtausends wird DaZ insbesondere in Zusammenhängen forcierten gesellschaftlichen und politischen Interesses für die Schulleistungen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ( PISA; Bildungsstandards) sowie im Kontext der sich aus ökonomischen wie demografischen Gründen wandelnden Zuwanderungspolitik ( Integrationsvereinbarung; Integrationskursverordnung; Integrationskurse) thematisiert (z. Geschichte von DaZ s. Barkowski 2003). 3. Zum Profil Als spezifisches Teilgebiet ist DaZ von anderen Situierungen des Fremdsprachenlehrens und -lernens durch seine komplexe Einbindung in den Kontext ‚Einwanderungsgesellschaft‘ mit seinen umfassenden Bedeutsamkeiten deutlich unterschieden, wie die folgende Übersicht (aus Barkowski 2003, 521) zeigt (Abb. 1). Die Grafik macht die besondere und komplexe Faktorensituation deutlich, mit der DaZ es insbesondere im Hinblick auf Problemlösungen der „Dimension Praxis“ zu tun hat. 4. Zum Verhältnis von DaZ und DaF Im Prinzip ist DaZ als Teilgebiet von DaF in dessen wiss. und außerwiss. Praxis voll integriert und nutzt umfänglich dessen Wissensbestände; andererseits hat auch DaZ die Weiterentwicklung des Gesamtfaches wesentlich beeinflusst und befördert (zu Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen vgl. u.a. Rösler 1995). Zudem wurden im Kontext von DaZ in den folgenden Bereichen spezielle Erkenntnisse gesammelt bzw. Konzepte und Materialien entwickelt: Berufsorientierter FSU; Bilingualer Sachfachunterricht; Interkulturelles Lernen; Zweisprachige Alphabetisierung; Zweitsprachendidaktik und methodik; Zweitsprachenunterricht. Barkowski, H./ Harnisch, U./ Kumm, S. ( 2 1986), Handbuch für den Deutschunterricht mit Arbeitsmigranten, Mainz. - Barkowski, H. (2003), „30 Jahre Deutsch als Zweitsprache - Rückblick und Ausblick“, in: Info DaF 30, 6, Abb. 1 <?page no="62"?> Deutsches Institut für Erwachsenenbildung e.V. (DIE)/ Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen 51 521-540. - Klein, W. (1984), Zweitspracherwerb, Frankfurt a. M. - Kniffka, G./ Siebert-Ott, G. ( 2 2009), Deutsch als Zweitsprache. Lehren und Lernen. Standardwissen Lehramt, Tübingen/ Basel. - Rösler, D. (1995), „Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Gemeinsamkeiten und Unterschiede“, in: Dittmar, N./ Rost-Roth, M. (Hrsg.), Deutsch als Zweit- und Fremdsprache. Methoden und Perspektiven einer wissenschaftlichen Disziplin, Frankfurt a. M., 149-160. - Internetadresse: www.daz-portal.de Hans Barkowski Deutsche Auslandsgesellschaft e.V.: eine der Mittlerorganisationen, gefördert vom deutschen Außenministerium (Auswärtiges Amt); die DA, gegr. 1949, setzt sich für die Pflege der deutschen Auslandsbeziehungen und die Förderung internationaler Verständigung ein; Hauptaufgabe des Vereins - mit Sitz in Lübeck - ist die Organisation und Durchführung von Fortbildungsangeboten für Deutschlehrende aus Nord- und Nordosteuropa. Internetadresse: www.deutsche-auslandsgesellschaft.de Hans Barkowski Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD): Der DAAD ist eine Vereinigung (e.V.) der Hochschulen und Studierendenschaften der Bundesrepublik Deutschland; 1925 gegründet, 1945 aufgelöst, 1950 wieder gegründet. Vereinszweck ist die Förderung des internationalen akademischen Austauschs. Diesem Zweck dienen fünf strategische Ziele: 1. Förderung ausländischer Nachwuchseliten, um künftige Führungspersönlichkeiten in Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft, Politik und Medien als Partner und Freunde für Deutschland zu gewinnen; 2. Förderung deutscher Nachwuchseliten, um sie als künftige Führungspersönlichkeiten in Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft, Politik und Medien im Geiste internationaler und interkultureller Begegnung und Weltoffenheit zu qualifizieren; 3. Förderung der Internationalität und Attraktivität der deutschen Hochschulen; 4. Förderung der Germanistik und der deutschen Sprache, der Literatur und der Landeskunde an ausgewählten ausländischen Universitäten; 5. Förderung der Hochschulentwicklung in Entwicklungs- und Transformationsländern in Mittel- und Osteuropa, um deren wirtschaftlichen und demokratischen Reformprozess zu unterstützen. Der DAAD fungiert weiterhin als nationale Agentur für die Mobilitätsprogramme der EU. Die Förderung richtet sich auf die Zielgruppen Studierende, Praktikanten, Doktoranden und Wissenschaftler. Sie umfasst alle akademischen Fächer sowie die bildende Kunst und die Musik. Für die Programme stehen öffentliche Mittel in Höhe von ca. 300 Mio. Euro zur Verfügung (2008); Hauptgeldgeber: Auswärtiges Amt, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie EU. Der DAAD informiert weltweit über das deutsche Bildungs- und Hochschulsystem. Internetadresse: www.daad.de Werner Roggausch Deutscher Volkshochschulverband e.V. (DVV): bildungs- und verbandspolitische Vertretung der ca. 1.000 Volkshochschulen (VHS) und der VHS- Landesverbände auf Bundes- und europäischer Ebene. Fremdsprachen gehören traditionell zu den wichtigsten Lernangeboten der VHS, wobei neben dem Englischen das Deutsche als Zweitsprache zahlenmäßig hervortritt. Für die seltener gelernten Sprachen sind die VHS oft alleiniger Anbieter. Dem DVV kommt eine wichtige Funktion beim Erfahrungsaustausch, bei der Erarbeitung von Konzepten und Positionen und nicht zuletzt bei Aus- und Fortbildung der Unterrichtenden - ein Arbeitsschwerpunkt der Landesverbände - zu. Internetadresse: www.dvv-vhs.de Gerhard von der Handt Deutsche Schulen im Ausland: s. Zentralstelle für das Auslandsschulwesen Deutsches Institut für Erwachsenenbildung e.V. (DIE)/ Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen: Unabhängige forschungsorientierte Serviceeinrichtung für die gesamte Erwachsenenbildung, hervorgegangen aus der Pädagogischen Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschulverbandes, an der u.a. die ersten Empfehlungen und Testformate für das Sprachenlernen von Erwachsenen entwickelt wurden (zuerst VHS-Zertifikate, dann The European Language Certificates). Ursprüngliches Ziel der Zertifikate war die Förderung des handlungsorientierten Sprachenlernens, heute steht eher der Testaspekt im Vordergrund (bes. DaZ-Tests). Der Arbeitsschwer- <?page no="63"?> 52 Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH) punkt des DIE hat sich von Rahmenrichtlinien auf individualisierte, mediale und informelle Lern- und Lehrformen ausgeweitet. Internetadresse: www.die-bonn.de Gerhard von der Handt Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH): Nachfolgeprüfung für die PNdS (Prüfung zum Nachweis deutscher Sprachkenntnisse). Mit dieser Prüfung müssen nichtdeutschsprachige Studienbewerber nachweisen, dass ihre Sprachkenntnisse für ein erfolgreiches Studium an einer deutschen Hochschule ausreichen. Die Prüfungserstellung und -bewertung erfolgt nach den Vorgaben einer von der deutschen Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und dem Fachverband Deutsch als Fremdsprache erarbeiteten Rahmenordnung (RO-DT) und Musterprüfungsordnung (MPO) an den einzelnen Hochschulen und Studienkollegs. Im Rahmen eines Registrierungsverfahrens wird die Übereinstimmung der örtlichen DSH-Prüfungsordnung und des Prüfungsverfahrens mit den Bestimmungen der RO-DT und der DSH-MPO überprüft. Anbieter, die die Voraussetzungen erfüllen, werden auf der Homepage der HRK registriert. In der DSH werden Hörverstehen, Textproduktion, Leseverstehen und wissenschaftssprachliche Strukturen überprüft und ein mündliches Prüfungsgespräch geführt. Seit der grundlegenden Änderung der Rahmenordnung 2004 (erneute Überarbeitung 2009) wird bei einer bestandenen DSH nach DSH 1, 2 und 3 differenziert, wobei mit der DSH 2 an den meisten Hochschulen der Studienzugang gewährt wird. Aufgrund der fehlenden Standardisierung kann die DSH Testgütekriterien ( Gütekriterien) wie Objektivität, Reliabilität und Validität nur sehr begrenzt erfüllen (vgl. auch TestDaF). Koreik, U., Hrsg. (2005), DSH und TestDaF - eine Vergleichsstudie, Baltmannsweiler. Uwe Koreik Deutsch-Französisches Jugendwerk (DFJW): Das DFJW (Office franco-allemand pour la jeunesse/ OFAJ), gegründet durch Staatsvertrag 1963, ist eine binationale Einrichtung mit dem Auftrag, die Jugend Deutschlands und Frankreichs und seit 1976 zunehmend auch dritter Länder zusammenzuführen und ihre Verständigung zu fördern. Schwerpunkt seiner Arbeit ist die außerschulische Jugendarbeit. Dessen ungeachtet fördert das DFJW neben der Begegnung von jungen Berufstätigen auch den Austausch von Schülern und Studenten. Das DFJW hat auf folgenden Sektoren Entwicklungsarbeit geleistet: Spracharbeit (hier z.B. Lernen im Tandem, Ausbildung von Sprachanimateuren, Entwicklung von thematischen Glossaren für die Zusammenarbeit), Interkulturelles Lernen („neue Formen internationalen und interkulturellen Lernens entwickeln und hierzu genauer analysieren, wie eine fremde Kultur wahrgenommen und erlebt wird und wie es möglich ist, Jugendliche auf interkulturelle Begegnungen vorzubereiten“; Ménudier 1991, 196-197), Ausbildung von Führungskräften für die Jugendarbeit und die Weiterentwicklung der Austauschpädagogik. Internetadresse: www.dfjw.org - Bock, H.-M., Hrsg. (2003), Begegnung und europäischer Bürgersinn. Studien zum Deutsch-Französischen Jugendwerk 1963-2002, Opladen. - Ménudier, H. (1991), Das Deutsch-Französische Jugendwerk. Ein exemplarischer Beitrag zur Einheit Europas, Stuttgart/ München. Herbert Christ Deutsches Sprachdiplom (DSD): Sprachprüfung der Kultusministerkonferenz ( KMK), die an ausländischen Schulen mit Deutschunterricht angeboten wird. Bei der Zulassung von Schulen im DSD-Programm wird geprüft, ob der Deutschunterricht bestimmten Qualitätskriterien genügt. Das DSD existiert seit 1974 und hat seitdem verschiedene Reformen durchlaufen. Die aktuelle Fassung des DSD orientiert sich an den Kompetenzbeschreibungen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen ( GeR). Beim DSD handelt es sich um eine Stufenprüfung, die für zwei Lerngruppen angeboten wird: für das mittlere Lernniveau auf den Stufen A2/ B1 und für das obere Lernniveau auf den Stufen B2/ C1 des GeR. Leistungen auf B1 berechtigen zum Besuch eines deutschen Studienkollegs, das B2/ C1-Diplom ist die sprachliche Zugangsberechtigung für ein Hochschulstudium. Das DSD ist eine standardisierte Prüfung und unterliegt strengen Qualitätsanforderungen. Bärbel Gutzat/ Boris Menrath Deutschlandismus, der: s. Teutonismus Deutschlandstudien: ein Versuch, im terminologischen Kampf um eine angemessene Bezeichnung für den vielfach kritisierten Begriff Lan- <?page no="64"?> DGFF (Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung) 53 deskunde eine Alternative zu finden, die einerseits einen Bezug zu dem in der angelsächsischen Welt aufgekommenen Begriff German Studies herstellt und andererseits eine Aufwertung des landeskundlichen Forschungs- und Vermittlungsbereichs des Fachs Deutsch als Fremdsprache bewirkt. Der von R. Picht 1975 eingeführte und in DAAD-Tagungspublikationen verwendete Begriff wurde von Koreik aufgegriffen, hat sich aber nicht durchgesetzt, nicht zuletzt, weil Landeskunde auf den gesamten deutschen Sprachraum zielt und Österreich und die Schweiz nicht ausklammern kann ( D-A-CH-Konzept). Picht, R., Hrsg. (1975), Deutschlandstudien, Bonn, Bad Godesberg. - Koreik, U. (1995), Deutschlandstudien und deutsche Geschichte. Die deutsche Geschichte im Rahmen des Landeskundeunterrichts für Deutsch als Fremdsprache, Baltmannsweiler. Uwe Koreik Deutschlehrerausbildung, die: s. Lehrerausbildung Deutschlehrerverband, der: Interessenvertretung der Deutschlehrenden; in vielen Ländern existieren D., oft gemeinsam für Schul- und Hochschullehrende vereint mit dem jeweiligen Germanistenverband. Der Internationale Deutschlehrerverband (IDV) ist der Dachverband der nationalen D., im Jahr 2009 umfasst er 101 Verbände aus 84 Ländern. Der deutschsprachige Raum ist durch die D. Deutschlands (FaDaF, Fachgruppe DaF im Fachverband Moderne Fremdsprachen), Österreichs (ÖDaF) und der Schweiz (AKDaF, LEDAFIDS) vertreten. Internetadresse: www.idvnetz.org/ verbaende_weltweit/ verbaende_weltweit.htm Hans-Jürgen Krumm Deutsch-Polnisches Jugendwerk (DPJW): Polsko- Niemiecka Współpraca Młodziez ˙ y (PNWM); 1991 als erste binationale dt.-polnische Organisation mit der Rechtspersönlichkeit einer internationalen Organisation durch die Regierungen Deutschlands und Polens gegründet; zuständig für die Förderung des dt.-polnischen Jugendaustausches. Das DPJW hat den Auftrag, das Verständnis zwischen Polen und Deutschen zu verbessern, Vorurteile überwinden zu helfen und zur Versöhnung zwischen den beiden Völkern beizutragen. Mit Büros in Potsdam und Warschau ist die Struktur des DPJW paritätisch und binational nach fachlichen Zuständigkeiten gegliedert. Gefördert werden Begegnungsmaßnahmen und Fachprogramme, darüber hinaus hilft das DPJW bei der Suche nach Projektpartnern oder Partnerorganisationen und berät in inhaltlichen und organisatorischen Fragen des Jugendaustausches. Ulrike Würz Deutschsprachiger Fachunterricht (DFU): bezeichnet insbesondere an den deutschen Auslandsschulen den Unterricht in Sachfächern, der auf Deutsch erteilt wird. Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen entwickelt hierfür Materialien und bietet Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrende an. In der Fremdsprachendidaktik wird der DFU meist als bilingualer Sachfachunterricht bezeichnet (vgl. auch Content and Language Integrated Learning). Hochschulen (Zusatzqualifikation), Verlage, das Goethe-Institut u.a. bieten inzwischen vielfältige Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und Materialien an. Internetadresse: http: / / schulwebs1.dasan.de/ dfu/ index. html Hans-Jürgen Krumm Deverbativum, das/ deverbale Ableitung: ein aus einem Verbalstamm abgeleitetes Wort (Substantiv, Adjektiv); den Vorgang nennt man d.A.. Beispiele: aus Verben gebildete Adjektive (deverbale Adjektive): begreifbar von begreifen, lehrbar von lehren; aus Verben gebildete Substantive (deverbale Substantive): Atmung von atmen, Schwankung von schwanken, Einwirkung von einwirken. Erben, J. (2000), Einführung in die deutsche Wortbildungslehre, 4., aktual. und ergänzte Aufl., Berlin. Renate Freudenberg-Findeisen DFJW: s. Deutsch-Französisches Jugendwerk DFU: s. deutschsprachiger Fachunterricht DGFF (Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung): Verband von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich der Erforschung des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen in institutionellen Kontexten widmen, aber auch des Erwerbs und Gebrauchs von Zweitsprachen und der Mehrsprachigkeit. Die DGFF unterstützt fremdsprachenbezogene Forschungsaktivitäten und vergibt derzeit zwei Förderpreise. Sie organisiert im zweijährigen Turnus Kongresse für <?page no="65"?> 54 Diachronie/ diachronische Sprachwissenschaft Fremdsprachendidaktik und daneben Tagungen für wissenschaftlichen Nachwuchs; sie gibt die „Zeitschrift für Fremdsprachenforschung“ heraus. Internetadresse: www.dgff.de Jürgen Quetz Diachronie, die/ diachronische Sprachwissenschaft: von de Saussure eingeführte Terminologie für die geschichtliche Dimension von Sprache, als Gegensatzbegriff zur Synchronie eines von geschichtlicher Entwicklung absehenden ‚gleichzeitigen‘ Sprachkonzepts ( synchrone Sprachwissenschaft). Durch diese Gegenüberstellung wurde die historische Blickrichtung der Sprachwissenschaft des 19. Jhs. relativiert, so dass sie ihre vorherrschende Stellung verlor. Im 20. Jh. wirkt diese Entwertung des Geschichtlichen prototypisch für andere sozialwissenschaftliche Theorien ( Strukturalismus). Erst in jüngerer Zeit gewinnt die d.S. eine neue Bedeutung, insbesondere mit Blick auf Phänomene des Sprachwandels. Konrad Ehlich diagnostischer Test: dient zur Feststellung des Sprachstands einer Person ( Sprachstandsdiagnose). D.T. testen meist differenziert in verschiedenen Teilbereichen (Fertigkeiten, Sprachsystem). D.T. werden meist als Einstufungstests eingesetzt, d.h. Lernende mit unterschiedlichen Niveaus werden diagnostisch getestet und Kursen zugeordnet. Da Einstufungen möglichst rasch und ökonomisch ablaufen sollen, bestehen diese Tests meist aus schnell auswertbaren, rezeptiven bzw. reproduktiven Testformaten, wie C-Tests, Multiple Choice, Falsch-Richtig-Aufgaben u.Ä. Kennzeichnend für d.T. ist das „Testen-nachoben“, d.h. die einzelnen Aufgaben weisen einen ansteigenden Schwierigkeitsgrad auf. Manuela Glaboniat DIALANG: ein von über 20 europäischen Institutionen entwickeltes Projekt der Europäischen Kommission, das im Internet kostenlos computergestützte diagnostische Sprachtests ( diagnostischer Test) in 14 europäischen Sprachen anbietet. Das System stützt sich auf die Niveaubeschreibungen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen ( GeR) und beinhaltet auch Teile der Selbsteinschätzung. Bislang stehen den Nutzern in den verschiedenen Sprachen Tests für Lese- und Hörverständnis, Grammatik, Wortschatz sowie im Ansatz auch zu Schreibfähigkeit zur Verfügung. Im Unterschied zu anderen Tests ( Proficiency Tests) erhalten die Nutzer kein Zertifikat, sondern profilartige Rückmeldungen über ihre jeweiligen (fertigkeitsbezogenen) fremdsprachlichen Kompetenzen und Empfehlungen für das weitere Lernen. Internetadresse: www.dialang.org/ german/ index.htm Manuela Glaboniat Dialekt, der: eine - meist räumlich mehr oder minder stark begrenzte - Varietät einer Sprache. Der Ausdruck wechselt mit ‚Mundart‘, das noch im 18. Jh. allgemein auch für Sprache gebraucht wurde. Der D. wird i.A. einer Hochvariante (für das Deutsche dem Hochdeutschen) gegenübergestellt. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jhs. finden D. ein erhebliches linguistisches Interesse, sowohl sprachsystematisch wie sprachgeographisch. D.forschung war zudem Vorreiter für eine Einbeziehung mündlicher Sprache und eine breitere Empirie in der Linguistik. Der Ausdruck wird heute teilweise eher unpräzise auf unterschiedliche Sprachstrukturtypen angewendet wie Ortsdialekte einerseits, D. wie das Bairische oder Alemannische andererseits, die ihrerseits wieder zahlreiche Einzeldialekte aufweisen. Er wird aber auch für Regionalbzw. Stadtsprachen wie das Ruhrdeutsche oder das Berlinische gebraucht, obwohl diese sich sprachsystematisch und sprachsoziologisch deutlich unterscheiden. Die neuere varitätenlinguistische Theoriebildung bezieht die sozialen ebenso wie kontaktlinguistische Aspekte verstärkt mit ein. Die soziographischen Veränderungen durch Migration und die Entstehung neuer Varietäten führen über die traditionellen D.bestimmungen hinaus. Untersuchungen zur Rolle von D. im DaF- und DaZ- Unterricht fehlen. Besch, W./ Knoop, U./ Putschke, W./ Wiegand, H. E., Hrsg. (1982/ 1983), Dialektologie, 2 Bde., Berlin/ New York. - Krefeld, T. (2004), Einführung in die Migrationslinguistik, Tübingen. Konrad Ehlich Diathese, die: s. Genus verbi Didaktik, die: bezeichnet in einem allgemeineren Begriffsverständnis die Reflexion, Lehre und Er- <?page no="66"?> Differenzhypothese 55 forschung aller Fragen des Lehrens und Lernens. Klafki und Weniger bestimmen D. in einer engeren Bedeutung als Theorie der Bildungsinhalte: D. ist die Disziplin, die die Frage nach dem „Was“, nach der Bedeutung des Lernens für das Leben junger Menschen beantworten muss und damit der Methodik, die Fragen des „Wie“ behandelt, übergeordnet. Neben die allgemeine D. tritt die Fachdidaktik ( Fremdsprachendidaktik), die sich demgemäß nicht auf methodische Fragen beschränken darf, sondern für das einzelne Unterrichtsfach Fragen der Legitimation und der Inhalte bearbeiten muss. Im Hinblick auf die nach wie vor unsystematische Verwendung des Begriffs und um die Gleichwertigkeit didaktischer wie methodischer Fragestellungen für die Unterrichtsplanung zu betonen, hat sich im Bereich DaF eingebürgert, die Behandlung von Fragen des Lehrens und Lernens von Sprachen als „D. und Methodik“ zu bezeichnen. Klafki, W. (1963), Studien zur Bildungstheorie und Didaktik, Weinheim. - Weniger, E. (1952/ 1960), Didaktik als Bildungslehre, 2 Bde., Weinheim. Hans-Jürgen Krumm didaktische Grammatik: die wohl gängigste Bezeichnung für eine lehrund/ oder lernbezogene Darstellung fremdsprachlicher Regularitäten (vgl., mit tw. ähnlicher Zielsetzung, auch kommunikative Grammatik). Ihre modellhafte Entwicklung umfasste mehrere Etappen: Wurde sie ursprünglich als bloße Übernahme linguistischer Beschreibungen und Beschreibungsansätze in den Fremdsprachenunterricht verstanden, so gestaltete sich das Verständnis von d.G. mit weiteren Einsichten in den fremdsprachlichen Lehr- und Lernprozess zunehmend komplexer; es reichte von bloßen Vereinfachungen linguistischer Beschreibungen, die als solche bereits als didaktisch angesehen wurden, über die Annahme eines didaktisches Filters, der aus lern- und unterrichtsrelevanten Informationen besteht und die Kriterien zur Veränderung der linguistischen Beschreibung liefert, bis zu einer Konzeption, die beim je konkreten Lerner in seiner spezifischen Lernsituation ansetzt und damit den einzelnen Lerner zum Ausgangspunkt nimmt. Letztgenanntes Modell führte zu der Annahme, dass d.G. als Buch kaum existieren können, da die individuellen Voraussetzungen jedes einzelnen Lerners unterschiedlich sind. D.G. seien somit eine lediglich virtuell existente, individuellen lernerseitigen Bedürfnissen Rechnung tragende Beschreibung der Zielsprache. Gleichwohl werden Grammatiken für die Hand der Lernenden und/ oder Lehrenden erstellt. Sie bewegen sich zwangsläufig im Spannungsfeld zwischen lernerangemessener Darstellung und Verständlichkeit einerseits und linguistischer Adäquatheit andererseits. In der Folge führt dies entweder zu didaktisch grammatischen Darstellungen, bei denen die Lernerangemessenheit nicht selten durch fehlerhafte Beschreibungen eines Ausschnitts der Zielsprache erkauft wird, oder aber zu komplexen und in sich vollständigen Beschreibungen der jeweiligen fremdsprachlichen Struktur, die jedoch von Lernern aufgrund der Komplexität nicht mehr zu verarbeiten sind. Hierbei wird deutlich, dass das Kriterium der Auswahl von besonderer Bedeutung für die Entwicklung von d.G. ist: Was muss unbedingt in eine d.G. hinein, auf was kann ggf. verzichtet werden, weil es in dem sprachlichen Umfeld, in dem sich der anvisierte Lerner bewegt, nicht von Belang ist? Korpusbasierte Ansätze beantworten diese Frage auf der Grundlage eines authentischen Datenkorpus; konzeptuelle Ansätze orientieren sich demgegenüber an abstrakteren Kriterien, mit denen die Lernerrelevanz begründet wird. Das Kriterium der Auswahl spielt auch eine wichtige Rolle bei der Unterscheidung zwischen d.G. und pädagogischen Grammatiken. Bausch, K.-R., Hrsg. (1979), Beiträge zur didaktischen Grammatik, Kronberg. - Harden, T./ Marsh, C., Hrsg. (1993), Wieviel Grammatik braucht der Mensch ? , München. - Hennig, M. (2001), Welche Grammatik braucht der Mensch? Grammatikenführer für Deutsch als Fremdsprache, München. Frank G. Königs DIE: s. Deutsches Institut für Erwachsenenbildung e.V. Differenzhypothese, die: 1. in der Sprachwissenschaft: Als Reaktion auf die von Bernstein in den 1960er Jahren aufgestellte und massiv kritisierte Defizit-Hypothese, der zufolge Angehörige der Unterschicht einen restringierten sprachlichen Kode verwenden, was auf Defizite hinsichtlich ihrer kognitiven Fähigkeiten zurückzuführen sei, formulierte Labov (1963) die D. Auf der Basis umfassender empirischer Daten konnte er schichtenspezifische Unterschiede im Sprachgebrauch nachwei- <?page no="67"?> 56 Diglossie sen und stellte dabei fest, dass die Sprache von Unterschichtsangehörigen zwar anders, aber funktional gleichwertig und nicht weniger differenziert als die von Angehörigen der Mittel- und Oberschicht beschaffen ist. Labov zufolge ist es unzulässig, aus einem sozial und situativ bedingt andersgearteten Sprachgebrauch Schlüsse auf die kognitive Leistungsfähigkeit des Sprachbenutzers zu ziehen. Dennoch ist festzustellen, dass die von Angehörigen der Unterschicht verwendete sprachliche Varietät stigmatisiert ist, und dass ihre Kinder in der Schule, in der ja ein elaborierter Sprachkode als Norm gesetzt wird, zwingend benachteiligt sind. 2. In der interkulturellen Pädagogik zielt die D. auf die Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung unterschiedlicher Kulturen in der multikulturellen Gesellschaft und ist als Gegenkonzept zu Konzepten der kompensatorischen Erziehung (Defizit-Hypothese) wie auch der Assimilation von Migranten an die Aufnahmegesellschaft zu verstehen. Bernstein, B. (1960) „Language and social class“, in: British Journal of Sociology 11, 271-276. - Labov, W. (1972), Language in the inner city. Studies in the Black English Vernacular, Oxford. Karin Aguado Diglossie, die: die funktionale und asymmetrische Trennung von Sprachen in zweibzw. mehrsprachigen Gesellschaften bzw. die strikte Trennung von hochsprachlichen gegenüber sozial niedrigen Varietäten innerhalb einer Gesellschaft ( Mehrsprachigkeit). Ferguson hat diesen Begriff in der Soziolinguistik in Abgrenzung zu Bilingualität populär gemacht, Fishman hatihn weiter entwickelt. Das Nebeneinander von sog. „High/ Low-“Varietäten (H/ L), etwa in der Schweiz mit dem Schweizer Standarddeutsch (z.B. im Bildungsbereich) und dem Schwyzerdütsch im Alltag oder Spanisch und Guaraní in Paraguay sind viel diskutierte Beispiele. Es gibt Bilingualismus mit und ohne D. sowie D. ohne Bilingualismus. D. wirft einen Blick auf die soziolinguistische Situation von oben. Dagegen herrscht oft ein sog. Sprachkontinuum (Dialektkontinuum) zwischen H- und L-Varietäten/ Sprachen bis hin zu Mischsprachen vor, zudem kann es Regionen und Gemeinschaften mit ganz anderen Prestige-Besetzungen von Sprachen/ Varietäten geben. Für die in weiten Teilen als diglossisch zu betrachtende Situation zwischen Migrantensprachen und dem Deutschen haben I ˙ nci Dirim und Peter Auer exemplarisch Jugendgruppen erforscht, in denen das Türkische als prestigereiche Lingua Franca benutzt wird. Dirim, I ˙ ./ Auer, P. (2004), Türkisch sprechen nicht nur die Türken, Berlin. - Kremnitz, G. (1994), Gesellschaftliche Mehrsprachigkeit, Wien. Volker Hinnenkamp digressiv: Terminus der Textlinguistik; als d. werden, v.a. auf die Textstruktur in Wissenschaftstexten bezogen, nicht explizit kohärente Textpassagen qualifiziert, in denen mindestens ein Teil der Mikropropositionen nicht an eine zentrale, abstraktere Makroproposition bzw. an das Textthema direkt angebunden werden können. Digressionen können funktional (Exkurs, Fußnote) oder durch schlechte Textplanung (als Abschweifung, Inkohärenz) bedingt sein. Digressivität ist u.a. ein wichtiges Merkmal kulturbedingter Unterschiede wissenschaftlicher Texte: Deutsche Texte sind z.B. oft asymmetrischer (d.h. die Textteile sind nicht gleich lang) und digressiver angelegt als z.B. englischsprachige, die eher linear und symmetrisch aufgebaut sind. Eva-Maria Willkop Diminutiv(um), das (auch: Deminutivum): Verkleinerungsform; 1. meist durch ein Affix (vgl. Schätzchen) aber auch durch Kompositabildung wie Mini- oder Zwerg- (Miniurlaub; Zwergschule) verändertes Nomen mit der zusätzlichen Bedeutung „jung“ bzw. „klein“, häufig mit affektiver (z.B. Liebesgefühle ausdrückender) und/ oder stilistisch-pragmatischer (Herabsetzung; Abwehr u.a.m. ausdrückender) Konnotation. Gebildet wird das D. i.d.R. mit den Suffixen „-chen“, „-lein“, „-el“ oder „-le“. Einige Dialekte (z.B. Schwäbisch) sind durch einen ausgeprägten Gebrauch des D. gekennzeichnet. Das D. erscheint unabhängig vom Genus des ursprünglichen Nomens immer im Neutrum, bis auf in D. gewandelte Eigennamen mit der Endung „-el“, die mit dem Genus des natürlichen Geschlechts übereinstimmen: das Hänschen und das Gretchen, aber der Hänsel und die Gretel. 2. Ebenfalls den Verkleinerungseffekt fokussiert der meist adjektivisch gebrauchte Terminus diminutiv; damit wird eine Aktionsart qualifiziert, die eine geringere Intensität einer Handlung ausdrückt wie in lächeln. Im Deutschen ist diese Aktionsart häufig mit dem Aspekt „Wiederho- <?page no="68"?> Direktiv 57 lung“ (= Iteration) verknüpft und man spricht dann von iterativ-diminutiven Verben (vgl. hüsteln = „eher kurz und nicht sehr laut, aber mehrfach hintereinander husten“). Das Stammaffix „-el“ ist produktiv und wird für Ad-hoc-Bildungen genutzt wie etwa schimpfeln. Mandy Höhle/ Sabira Levin Diphthong, der: Der D. bezeichnet im Ggs. zum Monophthong eine Folge von zwei Vokalen, die einen gemeinsamen Silbenkern bilden, wovon meistens ein Teil etwas prominenter ist und vom anderen Teil begleitet wird. Im Deutschen unterscheidet man die drei D. / ae ∑ / wie in <Bein>, / ao ∑ / wie in <Baum> und / ɔ ø ∑ / wie in <Freund>, wobei der zweite Vokalteil das unsilbische Element bildet. Die beiden Vokalteile entstehen durch eine Gleitbewegung der Artikulationsorgane, so dass sich auditiv zwei Lautphasen unterscheiden lassen, die aber in jedem Fall einsilbig realisiert werden. Beate Redecker direkte Methode: Fremdsprachenmethode, die die Vermittlung von Fremdsprachen direkt, d.h. ohne Umweg über die Muttersprache und ohne Hilfe von Grammatikregeln und Übersetzung propagiert. Der Unterricht findet in der Fremdsprache statt, im Mittelpunkt steht die gesprochene Sprache alltäglicher Kommunikationssituationen, die vor allem über Dialoge gelernt werden soll. Grammatik wird induktiv gelehrt, im Vordergrund steht der Wortschatz von Alltagsgesprächen in prototypischen Äußerungen. Gelernt wird mit Hilfe von Visualisierungen, Assoziationen, Nachsprechen und Imitieren sowie spielerischen Aktivitäten wie Rollenspielen. Obwohl die Grammatik nicht explizit gelehrt/ gelernt wird, orientieren sich Lehrwerkskapitel und Unterrichtsentwürfe häufig primär an grammatischen Lernzielen, mit der Folge, dass Dialoge und Übungen sich oft mehr an den grammatischen Themen als an der Natürlichkeit der Sprache orientieren. Ein weiterer Kritikpunkt: die weitgehende Ausklammerung fortgeschrittener schriftlicher Kompetenzen sowie kultureller und interkultureller Fragestellungen. Die d.M. entstand in der 2. Hälfte des 19. Jhs. als Reformmethode und als Gegenentwurf zur Grammatik-Übersetzungs-Methode (GÜM). Wichtige Vertreter waren Gouin („L’art d’enseigner et d’etudier les langues“, 1880), Viëtor („Der Sprachunterricht muss umkehren“, 1882), Berlitz (Berlitz Language Schools, 1878). Vertreter der d.M. forderten, dass der Erwerb von Kommunikationsfähigkeit im Zentrum des Fremdsprachenunterrichts stehen solle. Große Unterstützung erhielt die d.M. durch die neue wissenschaftliche Disziplin der Phonetik, die sich seit 1850 etabliert hatte. Auch aus diesem Grunde stehen in der d.M. Mündlichkeit sowie Ausspracheschulung im Zentrum des Interesses und werden - damit einhergehend - muttersprachliche bzw. muttersprachengleiche Kompetenzen bei Lehrern präferiert. Zu Beginn des 20. Jhs. setzte sich die d.M. in vielen Ländern Europas und in den USA durch, in Deutschland insbesondere im Anfängerunterricht und an den Realschulen, ohne allerdings die GÜM vollständig zu verdrängen. Prinzipien und Annahmen der d.M. hatten großen Einfluss auf spätere Methoden, z.B. die audiolinguale/ audiovisuelle Methode ebenso wie auf den kommunikativen Fremdsprachenunterricht. Sie ist immer noch weit verbreitet, insbesondere in kommerziellen Sprachenschulen. Neuner, G./ Hunfeld, H. (1993), Methoden des fremdsprachlichen Deutschunterrichts: Eine Einführung, Berlin u.a. Erwin Tschirner direktes Objekt: Semantisch betrachtet identifiziert das d.O. Personen oder Sachen/ Sachverhalte, die in einen Vorgang besonders eng und als Patiens einbezogen sind (Ich brauche Erholung.; Er antwortete ihm nicht.). Bei der nicht immer einheitlichen Definition des d.O. sind v.a. semantische (das unmittelbare Betroffensein) und syntaktische Kriterien (Tatsache, dass d.O. von der Verbalphrase regiert wird) leitend. Verben, die ein d.O. regieren, werden auch als transitive Verben bezeichnet. Im Deutschen wird das d.O. v.a. durch Akkusativ markiert. Sabira Levin Direktiv, das: Begriff aus der Satzanalyse und dort der Perspektive zugeordnet, semantische Rollen samt ihrer morphosyntaktischen Formmerkmale in Relation zueinander zu identifizieren und zu beschreiben; D. steht dabei terminologisch für den „Ort“, auf den eine Handlung/ ein Ereignis/ ein Sachverhalt „zustrebt“ und fasst so unterschiedliche semantische Beziehungen und formale Enkodierungsweisen wie Leg bitte das <?page no="69"?> 58 Diskurs Buch auf meinen Schreibtisch.; Lasst uns was trinken gehen! ; Das Spiel wird zu Null enden.; u.a.m. Hans Barkowski Diskurs, der: 1. in zahlreichen Zusammenhängen gebrauchter Begriff zur Kennzeichnung länger andauernder, insbesondere in der gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Öffentlichkeit verhandelter Themen (z.B. Gender-Diskurs, Gerechtigkeits-Diskurs, oder mit Fokus auf DaF/ DaZ: Kultur-Diskurs, Autonomie-Diskurs, Lernen/ Erwerben-Diskurs u.a.). 2. D. als Gegenstand der wissenschaftlichen Analyse in unterschiedlichen wissenschaftlichen Kontexten ( Diskursanalyse), wobei die untersuchten D. von mündlich/ konkret/ sozial situierten bis hin zu schriftlich (re-)konstruierten (z.B. Protokolle) reichen. Nadja Zuzok Diskursanalyse, die: in unterschiedlichen wissenschaftlichen Kontexten (darunter Geschichte, Politik, Soziologie, Sprache) etablierter Begriff mit - z.T. auch innerfachlich - unterschiedlicher Belegung, was den theoretischen Hintergrund sowie das Erkenntnisinteresse und die methodologische Ausrichtung der D. betreibenden Wissenschaftler bzw. wissenschaftlichen Schulen angeht. Weitgehend gemeinsamer Gegenstand ist die Untersuchung von Diskursen in ihren gesellschaftlichen Kontexten, wobei funktionale Erklärungen für strukturelle Phänomene gefunden werden sollen: z.B. derart, dass sich Nominalisierungen vermehrt in wissenschaftlichen Texten finden usw. usf. Darüber hinausgehende Präzisierungen sind auf dem Hintergrund der hohen Varianz der Nutzung und semantischen Belegung des Begriffs, selbst bei Beschränkung auf linguistische Kontexte, kaum möglich, zumal schon der Begriff des Diskurses uneinheitlich definiert und gebraucht wird. Es empfiehlt sich deswegen, im Umgang mit diskursanalytischen Arbeiten deren Gegenstände, theoretische Hintergründe und methodische Vorgehensweisen von Fall zu Fall in Augenschein zu nehmen. Im gegebenen fachlichen Kontext sind D. v.a. im Kontext der Spracherwerbsforschung sowie der Unterrichtsforschung, aber auch der Analyse von Prozessen interkultureller Begegnung von Bedeutung und folgen dort sowohl soziologischen als auch linguistischen Paradigmen und Fragestellungen, darunter solchen der Pragmatik und der Fehleranalyse (s.a. Unterrichtsanalyse). Ehlich, K., Hrsg. (1993), Diskursanalyse in Europa, Frankfurt a. M. Nadja Zuzok Diskursgrammatik, die: s. Textgrammatik Diskurs-Partikel, die: zusammenfassende Bezeichnung für Redemittel, welche vor allem in gesprochener Sprache auftreten. Zu den D.-P. zählen Gliederungspartikel, Antwortpartikel sowie manchmal auch Interjektionen (z.B. au, pfui, igitt) und Onomatopoetika (z.B. quaken, glitschig). D.-P. sind im Normalfall nicht syntaktisch gebunden und können auch isoliert verwendet werden. Sie erfüllen hauptsächlich diskursstrukturelle, relationale, und/ oder organisatorische Funktionen; darunter: Herstellung, Aufrechterhaltung und Beendigung eines kommunikativen Kontakts (z.B. hey, ja, hm), wechselseitige Steuerung der Gesprächspartner (z.B. oder? , also), Realisieren von kommunikativen Planungs- und Reparaturpausen (z.B. aha, tja, ähm, na ja). Claudia Zellmann distinktives Merkmal: bedeutungsunterscheidendes Merkmal. Der Begriff wird im sprachwiss. Kontext v.a. im Bereich der Phonetik/ Phonologie und dort zur Charakterisierung von solchen Lautmerkmalen herangezogen, die Phoneme unterscheiden. Das sind z.B. bei den Konsonanten Artikulationsstelle, Artikulationsart und Grad der artikulatorischen Spannung. Dabei werden solche Lautmerkmale als distinktiv bezeichnet, die innerhalb des Phonemsystems einer Sprache funktional wirksame Unterschiede begründen. So sind z.B. die Merkmale lenis vs. fortis, die sich auf einen unterschiedlichen Grad der Artikulationsspannung (schwach vs. stark gespannt) beziehen, d.M. des Deutschen, da sich der Unterschied semantisch markierend auswirkt: backen vs. packen. Vgl. auch Phonem und Allophon. Anna Peterwerth Distributionalismus, der: Name einer linguistischen Methode der Analyse sprachlicher Äußerungen, die auf das Miteinandervorkommen und die relative Verteilung sprachlicher Einheiten zueinander zielt; Die Methode wurde im klassischen amerikanischen Strukturalismus in der Nachfolge Bloomfields u.a. durch Z. S. Harris perfektioniert. D. ist daher auch neben den Termini (taxonomischer) Strukturalismus und deskriptive <?page no="70"?> Diversitäts-Hypothese 59 Linguistik zu einem Namen für die amerikanische Richtung des klassischen Strukturalismus geworden. Wenn man Äußerungen, die in einer Sprache vorkommen, beschreiben will, muss man zum einen diese Äußerungen segmentieren (in Einheiten zerlegen). Zum anderen muss man die Distribution der Einheiten (Verteilung der Einheiten in der Äußerungskette relativ zueinander), ihr Miteinandervorkommen (co-occurance), ermitteln. Auf Grund der Distribution erfolgt dann eine Klassifikation der Einheiten gleicher Distribution relativ zu anderen Klassen von Einheiten. Tests zur Ermittlung der Distributionen sind u.a. Substitution, Permutation, Omission, Transformation ( Umsetzungsprobe). Einen analogen Ansatz verfolgte in Europa H. Glinz, mit seiner Ersatzprobe ( Substitution), Verschiebeprobe und Weglassprobe. Distributionsanalysen sind per se auf die sprachliche Form gerichtet. Die Grundeinheiten, mit denen der klassische D. hantierte, waren auf der lautlichen Ebene das Phonem und auf der Zeichenebene (der syntaktischen Ebene) das Morphem. Das Wort galt als eine prätheoretische, also zu vernachlässigende Größe. Bloomfield, L. (1933), Language, New York. - Gleason, H. A. (1955), An Introduction to Descriptive Linguistics, New York. - Glinz, H. (1965), Die innere Form des Deutschen: Eine neue deutsche Grammatik, Bern/ München. - Harris, Z. S. (1951), Methods in Structural Linguistics, Chicago. - Helbig, G./ Schenkel, W. (1969), Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben, Leipzig. Klaus Welke Divergenz, die: 1. bezogen auf eine Einzelsprache bezeichnet D. die Auseinanderentwicklung von zwei vorher eng zusammenstehenden Sprachstrukturzuständen bzw. die Spaltung eines einheitlichen sprachlichen Zustandes in zwei oder mehr Folgezustände (z.B. zwei Varianten einer Sprache A entwickeln sich zu zwei selbstständigen Sprachen A und B). 2. In der kontrastiven Linguistik versteht man unter semantisch-lexikalischer D., dass einem Wort einer Ausgangssprache mehrere Wörter einer Zielsprache entsprechen. (z.B. dt. Frau entspricht ženšc ˇ ina (erwachsene, weibliche Person), žena (Ehefrau), gospoža (Anrede vor Eigennamen) im Russischen). D. kann ebenso auf phonologischer und morphologischer Ebene sowie im Bereich der Phraseologisierung auftreten. Grimm, H.-J. (2001), „Kontrastivität in der Lexik“, in: Helbig, G. u.a. (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache, Ein internationales Handbuch, 1. Halbbd., Berlin/ New York, 214-223. - Mattheier, K. J. (1996), „Varietätenkonvergenz, Überlegungen zu einem Baustein einer Theorie der Sprachvariation“, in: Sociolinguistica 10, Konvergenz und Divergenz von Dialekten Europas, 31-52. Mandy Höhle Diversifizierung, die: zielt auf ein verbreitertes Angebot konkurrierender Sprachen im Curriculum der Schulen, Hochschulen und der Erwachsenenbildung. D. als Faktum [vgl. zu der tatsächlich erreichten D. in den deutschsprachigen Ländern Bausch/ Christ/ Krumm 2007 (Art. 13, 14 und 15)] ist zu unterscheiden von D. als sprachen- und schulsprachenpolitischem Programm (vgl. Zapp 1989). D. wird in Deutschland spätestens seit dem Ende des I. Weltkriegs diskutiert. U.a. werden folgende Fragen und Probleme benannt: 1. Sollen alle mit der gleichen Sprache beginnen oder soll von Anfang an diversifiziert werden? Die Bedeutung der zuerst gelernten Fremdsprache ergibt sich daraus, dass sie den Lerner stärker prägt als die nachfolgenden und dass sie zum günstigsten Zeitpunkt gelernt wird. 2. Durch welche Maßnahmen kann den Sprachlernbedürfnissen der Lerner und dem Sprachenbedarf der Gesellschaft am besten entsprochen werden? Ein „Verkehrsplan“ für die Sprachen kann nur unter Mitwirkung aller Beteiligten und auf der Grundlage von Forschung erstellt werden. 3. Welche (sprachen)politischen Ziele sollen mit dem Fremdsprachenunterricht erreicht werden? Ist das politische Ziel eine Welt, die in einer Sprache spricht oder eine „sprachenteilige Gesellschaft“ ( Homburger Empfehlungen)? Bausch, K.-R./ Christ, H./ Krumm, H.-J., Hrsg. (2007), Handbuch Fremdsprachenunterricht, 5. Aufl., Tübingen. - Zapp, F. J. (1979), Fremdsprachenlehren und Fremdsprachenlernen für die Welt von morgen. Koblenzer Erklärung des Fachverbands Moderne Fremdsprachen, in: Neusprachliche Mitteilungen 42, 140-142. Herbert Christ Diversitäts-Hypothese, die: Als Reaktion auf die internationalen Migrationsbewegungen seit den späten 1960er Jahren wird zunächst die kulturelle Differenz und Ethnizität in der pädagogischen Diskussion thematisiert. Sprache und Kultur der Zuwanderer gelten als Hindernis für die Assimilation ( Defizit-Hypothese). Die interkulturelle Erziehung sieht ihre Aufgabe darin, einheimische und zugewanderte Schüler zu einem <?page no="71"?> 60 Domäne Leben in einer multikulturellen Gesellschaft zu befähigen und dabei Unterschiede zu tolerieren ( Differenzhypothese). Das damit akzeptierte unverbundene Nebeneinander von Kulturen wird jedoch zunehmend kritisiert. Es gehe vielmehr darum, Vielfalt als Gewinn auch für die Zuwanderungsgesellschaft anzuerkennen. Die D.-H. zielt darauf, die Vielfalt der Lebenswelten, der Sprachen, sozioökonomischen Hintergründe und Einstellungen sowie die kulturelle Heterogenität als konstitutive Elemente der Gesellschaft anzuerkennen. In diesem Sinne werden Differenzen nun nicht mehr als solche gedeutet, sondern die Dimensionen der Vielfalt konstatiert und die Herausbildung neuer Formen kultureller Identität durch die wechselseitige Beeinflussung vieler Kulturen und verschiedener sozialer Identitäten (Ethnie, Generation, Geschlecht, Religion, Schicht, usw.) akzeptiert. Krüger-Potratz, M. (2005), Interkulturelle Bildung, Eine Einführung, Münster. - Allemann-Ghionda, C. (2008), „Für die Welt Diversität feiern - im heimischen Garten Ungleichheit kultivieren? Von gegenläufigen Entwicklungen in der Politik, Theorie und Praxis der interkulturellen Bildung in Europa“, in: Zeitschrift für Pädagogik 54 (1), 18-33. Mandy Höhle Domäne, die: 1. 1964 von J. A. Fishman eingeführter Begriff der Soziolinguistik; D. fokussiert die Verwendungsorte/ gesellschaftlichen Kontexte der Einzelsprachen in bilingualen Sprachgemeinschaften ( Diglossie), aber auch in individuellen mehrsprachigen Systemen ( Bilingualismus). Ausgangspunkt für die Erschließung von D. sind Interaktionen. Nach Werlen (2004, 336 ff.) sind zueinander passende Orte (bspw. Universität), Rollenbeziehungen (bspw. Professoren/ Studenten) und Themen (bspw. Hausarbeit) für D. des Sprachgebrauchs kennzeichnend. D. werden heutzutage meist allgemein als gesellschaftliche Bereiche begriffen und auch auf Varietäten bezogen (vgl. ebd.). 2. In der Taxonomie Blooms (1976) zur Klassifikation von Lernzielen bezieht sich D. auf die Bereiche der Kognition, Affektivität und Psychomotorik. 3. Langackers Kognitive Grammatik (1987) definiert D. als den Kontext, der zur Charakterisierung einer semantischen Einheit notwendig ist. D. umfassen u.a. Konzepte und können unterschiedlich klassifiziert werden (z.B. Grad der Abstraktion; vgl. ebd., 147). Bspw. bietet die D. AUGE den Kontext für ZWINKERN, die D. GE- SICHT den Kontext für AUGE usw. Bloom, B. S. (1976), Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich, 5. Aufl., Weinheim/ Basel. - Fishman, J. A. (1972), The Sociology of Language: An Interdisciplinary Social Science Approach to Language in Society, Rowley, Mass., USA. - Langacker, R.W. (1987), Foundations of Cognitive Grammar Vol. 1, Theoretical Prerequisites, Stanford, 147-182. - Werlen, I. (2004), „Domäne/ Domain“, in: Ammon, U. u.a. (Hrsg.), Sociolinguistics: an international handbook of the science of language and society, 2. vollst. überarb. Aufl., (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft Bd. 3), Halbbd. 1, Berlin u.a., 335-341. Tina Stein Dominanzkultur, die: Der Begriff D. wurde von der Psychologin Rommelspacher (1995) geprägt und meint ein Geflecht verschiedener Machtdimensionen (u.a. Ethnie, Geschlecht, Schicht), die in Wechselwirkung zueinander stehen. D. ist in Kategorien der Über- und Unterordnung gefasst und kommt insbesondere in ökonomischen, politischen und historischen Zusammenhängen einer Gesellschaft zum Ausdruck. Der Begriff wurde in der DaF-Didaktik genutzt, um zu verdeutlichen, dass sich asymmetrische Machtverhältnisse auf alle Ebenen interkulturellen Lernens und Lehrens, - vom fachdidaktischen Diskurs bis hin zur Rezeption von Lehrwerken - auswirken und damit dem kulturrelativistischen Anspruch interkultureller Didaktik entgegen stehen können (vgl. Röttger 1998). Später wurde der Begriff ‚dominanzkulturelle Missverständnisse‘ geprägt, mit dem ein Nicht- oder Falsch-Verstehen gemeint ist, das auf einem ökonomischen oder politischen Machtgefälle beruht. In Röttger (2004, 278 ff.) wurde am deutsch-griechischen Beispiel gezeigt, wie solche Missverständnisse entstehen und wie ihnen im DaF-Unterricht begegnet werden kann. Röttger, E. (1998), „Dominanzkultur und Interkulturalität: Grenzen und Möglichkeiten interkultureller DaF- Didaktik in Griechenland“, in: Barkowski, H. (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache - weltweit interkulturell? (Kulturen in Bewegung 2), Wien, 175-197. - Röttger, E. (2004), Interkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht. Das Beispiel Deutsch als Fremdsprache in Griechenland, Hamburg. - Rommelspacher, B. (1995), Dominanzkultur. Texte zu Fremdheit und Macht, Berlin. Evelyn Röttger doppelseitige Halbsprachigkeit: auch: Semilingualismus; bezeichnet einen Defekt in der Sprach- <?page no="72"?> DSH 61 entwicklung, der meist in Migrationssituationen auftritt, wenn weder die Erstsprache noch die Zweitsprache ausreichend gefördert wird, z.B. keine zweisprachige Alphabetisierung erfolgt. Als d.H. wird insbesondere die Sprachkompetenz von Migrantenkindern charakterisiert, die in keiner der beiden Sprachen das sprachliche Niveau von einsprachigen Gleichaltrigen erreichen, was kognitive und soziale Störungen zu Folge haben kann. Oksaar (2003, 163) bezeichnet diesen Zustand als „sprachliche Heimatlosigkeit“. Oksaar, E. (2003), Zweitspracherwerb, Stuttgart. Mandy Höhle doppelter Erstsprachenerwerb: auch: „simultaner Erwerb zweier Erstsprachen“; „primärer Bilingualismus“; von d.E. spricht man, wenn ein Kleinkind zwei Sprachen gleichzeitig erwirbt, also mit zwei Erstsprachen bzw. Muttersprachen aufwächst. Es besteht in der wissenschaftlichen Diskussion weder Einigkeit über das Alter, in dem die zweite Sprache spätestens hinzukommen darf, noch über die obere Altersgrenze für d.E., meist wird diesbezüglich der Eintritt in das dritte Lebensjahr genannt. D.E. führt i.d.R. zur Beherrschung beider Sprachen auf unterschiedlichem Niveau. Diana Maak DPJW: s. Deutsch-Polnisches Jugendwerk Drama-Pädagogik, die: 1. Begriffsklärung DP bezieht sich auf aus der Theaterpraxis entlehnte Arbeitsformen in diversen Kontexten. DP ist von der Theaterpädagogik (TP) abzugrenzen: Im Gegensatz zur TP (Lernende reflektieren über Theateraufführungen) bezieht DP Lernende in die Aufführung mit ein. Im DaF/ DaZ-Zusammenhang handelt es sich dabei zumeist um freie und kurze Improvisationen im Kontext und als Funktion des Sprachlernprozesses. 2. Lehr- und Lernziele Lehr- und Lernziele in dramapädagogischen (i.F. dp.) Arbeitsprozessen sind neben sprachlichen Zielen - wie der Entwicklung der Fertigkeiten - auch die Ausbildung interkultureller und kommunikativer Kompetenz, die Förderung von Lern(er)autonomie ( Autonomie/ autonomes Lernen) und die Verbindung von kognitiven und emotionalen Lernprozessen (Ganzheitlichkeit: Lernen durch Erfahren und Erleben). Das narrative Potenzial von Bild-, Film- und Textmaterial und auch deren Leerstellen nutzend, erfolgt in der dp. Arbeit mit Figuren, ihren Geschichten und Lebenssituationen auch ein Perspektivenwechsel: weg von der eigenen Person - hin zur Fremdperspektive in (fiktiven) Rollen (Entwicklung von Empathie und Ambiguitätstoleranz). 3. Anwendungsfelder und -techniken Verwendung findet die DP im DaF-Unterricht sowohl in der Literatur- (vgl. Schewe 1993; Tselikas 1999) als auch in der Landeskundevermittlung. Neuere und erfolgreiche Versuche zum Einsatz von DP gibt es auch bei der Vermittlung von Grammatik (vgl. Even). Dp.-Elemente finden sich auch in alternativen Methoden, so z.B. in Total Physical Response und Suggestopädie. Eingesetzte Inszenierungstechniken sind u.a. Pantomime und Rollenspiel. Zur Arbeit mit Musik in dp. Kontexten vgl. z.B. Huber (2003). 4. Theoretische Zuordnung Eine theoretische Verortung der DP in DaF steht noch aus. Forschungsdesiderata bestehen u.a. bezügl. dp. Übungstypologien, Unterrichtsphasenmodellen und Bewertungskriterien für die Leistungsmessung in dp. Unterrichtskontexten (vgl. Schewe 1993, 2003; Even 2003). Even, S. (2003), Drama Grammatik, München. - Huber, R. (2003), Im Haus der Sprache wohnen, Tübingen. - Schewe, M. (1993; 2003), Fremdsprache inszenieren, Oldenburg. - Tselikas, E. I. (1999), Dramapädagogik im Sprachunterricht, Zürich. Thomas Müller Drill-Übung, die: s. Pattern drill Drittsprache, die: bezeichnet die dritte Sprache, mit der ein Kind aufwächst. Sie wird neben der Erst- und Zweitsprache oft als die am wenigsten dominante Primärsprache angesehen, obwohl die meisten untersuchten Kinder, die mit drei oder mehr Sprachen aufwachsen, auch in ihren D. durchaus sprachhandlungskompetent sind. (vgl. z.B. Gatto 2000). Gatto, D. (2000), „Language proficiency and narrative proficiency of a trilingual child“, in: Dentler, S./ Hufeisen, B./ Lindemann, B. (Hrsg.), Tertiär- und Drittsprachen. Projekte und emprirische Untersuchungen, Tübingen, 117-142. Britta Hufeisen DSH: s. Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang <?page no="73"?> 62 Durativ Sprachunterricht entwickelt wurden. EAQUALS umfasst institutionelle Mitglieder aus über 20 Ländern, deren Vollmitglieder sich im dreijährigen Turnus einer umfassenden Qualitätskontrolle unterziehen. Ferner beteiligt sich EAQUALS an europäischen Projekten im Bereich der Sprachenpolitik, der Förderung der Mehrsprachigkeit und des lebenslangen Sprachenlernens. Zusammen mit der Association of Language Testers in Europe hat es das „EAQUALS-ALTE Europäische Sprachenportfolio“ entwickelt (vgl. EAQUALS-ALTE 2000). Zudem werden Schulungsmaterialien und Forschungsartikel veröffentlicht. EAQUALS organisiert jährlich eine internationale Tagung sowie ein internationales Seminar und veröffentlicht den „EAQUALS Newsletter“. EAQUALS-ALTE (2000), EAQUALS-ALTE European Language Portfolio, 1. Aufl., Milano; online: www.eelp.org - Internetadresse: www.eaquals.org Laura Muresan ECML (European Centre for Modern Languages): s. EFSZ EEG (Elektro-Enzephalogramm): Aufzeichnung der elektrischen Aktivität von Nervenzellen des Gehirns mittels am Kopf platzierter Elektroden; das EEG gehört zu den zentralen Hilfsmitteln der Erforschung der Sprachverarbeitung (s. ggf. auch Magnetresonanztomographie/ MRT); dabei besteht die besondere Leistung des EEG darin, die spontane elektrische Hirnaktivität in Reaktionen auf spontane sprachliche Reize oder auf definierte sprachliche Einzelereignisse als Spannungszeitdiagramm abzubilden. Im bisherigen Ergebnis wurden dabei „ereigniskorrelierte Potenziale“ ( EKP) im Sinne von typischen Aktivitätsmustern je nach Art der Sprachverarbeitungsaufgabe ermittelt. Mittels EEG können ausschließlich sprachrezeptive Vorgänge verlässlich beobachtet werden; ferner lässt das EEG nur eine ungefähre Zuordnung von Aktivitäten und beteiligten Gehirnregionen zu. Kischka, U./ Wallesch, C.-W./ Wolf, G., Hrsg. (1997), Methoden der Hirnforschung. Eine Einführung, Heidelberg/ Berlin. Hans Barkowski EFSZ (Europäisches Fremdsprachenzentrum): Einrichtung des Europarats mit Sitz in Graz/ Österreich; arbeitet an der Umsetzung sprachenpo- Durativ, der: bezeichnet eine Aktionsart, die ein Geschehen als andauernd/ ohne zeitliche Begrenzung ablaufend fokussiert (auch: Kontinuativ/ Aterminativ). Der D. wird im Deutschen entweder durch durative ( imperfektive) Verben (z.B. schlafen, essen, blühen, laufen), oder durch komplexe Konstruktionen (z.B. „sein + am + substantivierter Infinitiv“: Wir sind am Essen.) ausgedrückt. Die Leistung des D. sowie die Art seiner sprachlichen Umsetzung variieren sprachenspezifisch: im Englischen etwa wird der D. u.a. durch „continuous“ und in den Aspektsprachen durch den unvollendeten Aspekt markiert. Marina Matthey DVV: s. Deutscher Volkshochschulverband e.V. Dysglossie, die: organisch bedingte Aussprachestörung, früher: Sprechwerkzeugstörung; eine Aussprachestörung infolge angeborener oder erworbener organischer Veränderungen der Artikulationsorgane. Diese Veränderungen können die Muskeln, Nerven und das knöcherne System der Artikulationsorgane betreffen. Je nach Schädigungsort werden die D. auch in labiale, dentale, linguale, palatale und nasale D. eingeteilt. Bei den palatalen und nasalen D. kommt es neben einer Aussprachestörung zusätzlich zu Veränderungen im Stimmklang. Böhme, G. (1997), Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen, 3. Aufl., Stuttgart. - Friedrich, G./ Biegenzahn, W./ Zorowka, P. (2000), Phoniatrie und Pädaudiologie, 2. Aufl., Göttingen. Stephanie Kurtenbach Dysgrammatismus, der: s. Sprachentwicklungsstörung, spezifische Dyslexie, die: s. Alexie Dysphasie, die: s. Sprachentwicklungsstörung, spezifische E EAQUALS (The European Association for Quality Language Services): pan-europäischer Verband von Sprachkursanbietern und anderen Organisationen mit explizitem Qualitätsanspruch. 1991 gegründet, bietet EAQUALS ein allgemein anerkanntes Qualitätssystem, das auf Chartas und Qualitätsstandards beruht, die spezifisch für den <?page no="74"?> Einzelunterricht 63 litischer Empfehlungen zur Förderung der Mehrsprachigkeit in Unterricht und Praxis. Im Rahmen von 4-jährigen Arbeitsprogrammen werden von internationalen Teams Projekte durchgeführt, die einen sprachenübergreifenden, lehr- und lernpraktischen Ansatz verfolgen. Mit Fokus auf die Aus- und Weiterbildung von Lehrerbildnern und Sprachenlehrkräften werden methodisch-didaktische Materialien ebenso wie Handreichungen zur Förderung sprachen- und bildungspolitischer Reformen und Innovationen erstellt. Zu weiteren Informationen über das EFSZ, über die laufende Projektarbeit und für kostenlose Downloads von EFSZ-Publikationen s. die Internetadresse: www.ecml.at. Susanna Slivensky egozentrische Sprache, die: in der Sprachentwicklungsforschung die Selbstansprache, die Kinder etwa ab dem dritten Jahr an sich richten, wenn sie auf Probleme stoßen und Orientierung suchen. Sie ist hörbar (also direkt beobachtbar), aber nicht für andere bestimmt. Zwei unterschiedliche Deutungen dieses Phänomens sind in den 1920er und 1930er Jahren entwickelt und in der Folgezeit weiter bearbeitet worden: Jean Piaget (1923/ 1975), der die kindliche Entwicklung insgesamt als Weg von anfänglich allein selbstbezogener Kognition zu reflexivem Handeln und Sprechen im sozialen Miteinander aufgefasst hat, sah in der e.S. eine vorübergehende „Begleitmusik“ des Handelns, die allmählich abstirbt, um sozial flexiblem, rationalem Verhalten Platz zu machen. Lev Vygotskij (1934/ 2002) hat die e.S. anders gesehen, nämlich als ein Stadium des Übergangs bei der Internalisierung des zunächst dominanten äußeren, dialogischen Sprechens in die innere Verfügung von Kindern. Demzufolge beruht die Entwicklung der Fähigkeit, nachzudenken und Pläne für das Handeln zu schmieden, auf der Einverleibung ursprünglich partnerschaftlichen Redens in die Kognition, samt den durch die materielle Lebensumwelt dargestellten Verfahren des Umgangs mit Problemen: Vorgänge, die ursprünglich konkret und interaktionell abliefen, können allmählich auch allein und in Gedanken, angeleitet durch die innere Sprache, bewerkstelligt werden. Piaget, J. (1923/ 1975), Sprechen und Denken des Kindes, Düsseldorf. - Vygotskij, L. (1934/ 2002), Denken und Sprechen, Weinheim. Gudula List egressiv: s. inchoativ Einräumungssatz, der: s. Konzessivsatz Einstufungstest, der: ein Sprachtest zur raschen Einschätzung von Sprachkenntnissen, aus Zeitgründen mit einfach auswertbaren Testformaten (z.B. Multiple Choice oder C-Tests). Dabei werden meist rezeptive Fertigkeiten und Grammatik überprüft. E. werden auch online angeboten, oft mit direkter Rückmeldung zur Selbsteinschätzung(vgl. DIALANG).Sprachkursanbieter ordnen mittels E. Interessenten einer (Kurs-) Gruppe mit ähnlichem Sprachniveau zu (E. engl. placement test). Das Bestehen des E. kann Voraussetzung für die Zulassung zu einem bestimmten Kurs sein. Alternativen zu standardisierten E. sind individuelle Einstufungsberatungen oder differenzierte Sprachstandsdiagnosen. Margit Doubek Einwortsatz, der: Im Zuge des Erstspracherwerbs produzieren Kinder in einer frühen Phase Äußerungen, die aus einem Wort bestehen, z.B. auto, mama, katze, (ele)fant, papa, ab, mehr, auch, da, ja, nein, puste, heiß (vgl. Szagun 2006). I.d.R. äußern Kinder E. etwa im Alter von 12 bis 20 Monaten und gehen danach zu Zweiwortsätzen über. Unter Berücksichtigung der Intonation und des Kontexts werden E. von den Kommunikationspartnern der Kinder durchaus im Sinne komplexerer Sprachhandlungen interpretiert, z.B. wird Katze. als Da ist eine Katze. oder Ich will zur Katze. oder Wo ist die Katze? verstanden. Szagun, G. (2006), Sprachentwicklung beim Kind. Ein Lehrbuch, vollst. neu überarb. Aufl., Weinheim/ Basel. Anna Peterwerth Einzelunterricht, der: Sammelbegriff für folgende Aktivitäten: 1. Unterricht mit nur einem Teilnehmer mit einem für den Gruppenunterricht konzipierten kurstragenden Lehrwerk. 2. klassischer Nachhilfeunterricht mit einem Schüler auf der Basis des schulischen Curriculums und Lehrmaterials mit dem Ziel der Kompensation von Kompetenzdefiziten und der Verbesserung der Leistungsbewertungen seitens der Schule; 3. Einzeltraining, häufig mit Führungskräften aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, mit an individuellen Zielen und Wünschen ausgerichteten Curricula und Lehr-/ Lernformen. Doris van de Sand <?page no="75"?> 64 EKP EKP, das (Ereignis-korreliertes Potenzial) : auch: ERP = Event Related Potential; gemitteltes Spannungszeitdiagramm der hirnelektrischen Aktivität in Antizipation oder Reaktion auf ein definiertes Reizereignis ( EEG); unterschieden werden dabei einzelne Komponenten, die unterschiedliche kognitive Prozesse der Sprachverarbeitung widerspiegeln. (Vgl. auch Gehirnforschung). Hans Barkowski elaboriert: Begriff aus der Soziolinguistik und der von Bernstein (1972) entwickelten sprachsoziologischen Kodetheorie, die von der Hypothese ausgeht, dass sich aus der sozio-ökonomischen Schichtung einer Sprachgemeinschaft eine entsprechende Differenzierung im sprachlichen Verhalten der Sprecher ergibt. Zentral ist für Bernstein die Unterscheidung zwischen dem e. Kode, der dem normalen Sprachgebrauch der Oberbzw. Mittelschicht entspricht und dem restringierten Kode, der der Unterschicht entspricht. E. Sprechen zeichnet sich durch ein stärker entwickeltes und differenzierteres Ausdrucksvermögen, grammatische Korrektheit und logische Strukturiertheit aus und lässt sich sprachlich festmachen am Grad der Satzkomplexität, einer an Adjektiven und Attributen reichen Ausdrucksweise und an einem abwechslungsreichen Wortschatz. Bernstein, B. (1972), Studien zur sprachlichen Sozialisation, Düsseldorf. - Schlieben-Lange, B. (3., erw. Aufl. 1990), Soziolinguistik. Eine Einführung, Stuttgart. Renate Freudenberg-Findeisen Elision, die: Reduktion; Assimilation, sprechwissenschaftlich; Ausfall eines Lautes oder einer Lautgruppe, meist zum Zweck der Sprecherleichterung und/ oder bei hoher Sprechgeschwindigkeit, z.B. in der Umgangssprache. Häufig ist im Deutschen der Murmelvokal in Endsilben betroffen (ich mache […'max], reden ['re: dn ≤ ], kommen [k ɔ m]). Oft werden die Endsilben im Zusammenhang mit der E. auch noch assimiliert (leben [m ≤ ]). Die E. kann jedoch auch andere Konsonanten und Vokale betreffen (nicht [n i ç], und [ υ n], ich [ç]). E. in Endsilben verlaufen nach bestimmten Regeln und müssen DaF-/ DaZ-Lernenden vermittelt werden. Kerstin Reinke Elizitierung, die: meint in der Sozio- und Psycholinguistik sowie Spracherwerbsforschung Verfahren, Probanden in definierten Kontexten zu bestimmten Äußerungen zu veranlassen. Meist ist hier das ‚Hervorlocken‘ bestimmter Sprechakte oder komplexerer Äußerungen in Rollenspielen, Befragungen o.ä. gemeint. In der Soziolinguistik gelten Methoden der E. allgemein als Erhebungsmethoden für Verfahren der Datengewinnung. Besonders diskutiert wird dabei die Rolle der E.techniken für die Art der gewonnen Daten sowie das Problem möglicher Inferenz(en). Bernt Ahrenholz Ellipse: bezeichnet das nach bestimmten grammatikalischen und semantischen Regeln ( Kotext; Kontext) lizenzierte Fehlen sprachlicher Elemente, die bei standardgemäßer Realisierung zu erwarten sind. Dabei sind E. sprachökonomisch und stilistisch motiviert: Hänsel verlief sich im Wald und Gretel […] gleich mit., Gretel lief zum Pfefferkuchenhaus und […] knusperte drauflos. Eine Sonderform der E. liegt in der lexikalisierten E. vor, bei der ein obligatorisches Glied einer Verbalphrase als immer schon mitgedacht gewertet wird und deswegen regelmäßig weggelassen werden darf: Die Hühner haben nicht gelegt. Wegen der komplexen Regeln, die E. zugrunde liegen, gehört die Vermittlung/ der Erwerb produktiver Kompetenz im Umgang damit eher zu den Lerngegenständen jenseits der Grundstufe (ab C1). Sabira Levin ELP: s. Europäisches Sprachenportfolio E-Mail-Tandem, das: eine spezielle Form des Sprachlern-Tandems, bei der die Tandempartner per E-Mail über das Internet kommunizieren („Distanztandem“). Die Kommunikation findet medienbedingt schriftlich und zeitversetzt (asynchron) statt. Im Internet findet man Seiten, die Partner für E.-M.-T. in unterschiedlichen Sprachen vermitteln (z.B. den Tandem-Server an der Ruhr-Universität Bochum: http: / / www.slf.ruhruni-bochum.de). Udo Ohm emisch - etisch: Die Begriffe em. und et. wurden von Pike (1967, 37) in die Kulturwissenschaften eingeführt, und zwar in Analogie zur linguis- <?page no="76"?> Emphase 65 tischen Unterscheidung von Phonemik und Phonetik: Wie die Phonemik die für eine Einzelsprache jeweils relevanten, kleinsten bedeutungsunterscheidenden Einheiten (Phoneme) beschreibt, während die Phonetik die materiellen Eigenschaften von Lauten (Phone) zum Gegenstand hat, fokussiert die Attribuierung em. einzelkulturell herausgebildete und kontextualisierte Sinnbestände, während et. solchen Merkmalen u. Eigenschaften gilt, die gewissermaßen allen einzelkulturellen Ausprägungen als universeller „Themen- und Markierungsvorrat“ zugrunde liegen. Als em. Ansätze werden entsprechend Forschungsverfahren bezeichnet, die kulturelle Phänomene „von innen“, d.h. aus der Perspektive der zu untersuchenden Kultur analysieren. Bspw. können Japanologen die japanische Gesellschaft mithilfe des Begriffs „amae“ (etwa: Wunsch nach Geborgenheit in Abhängigkeit) beschreiben. In kulturkontrastiven Studien kann es erforderlich sein, von verschiedenen em. Konzeptionalisierungen eines universellen Kulturthemas - z.B. „Individuum und Gruppe“ - auszugehen und induktiv einen et. Kategorienvorrat zu entwickeln, der einen Vergleich ermöglicht (vgl. Herwartz- Emden 1995, 196ff.). Interkulturelle Konflikte entstehen häufig dann, wenn sich analoge Konzepte in zwei Kulturen partiell überlagern (vgl. Brislin 2000, 83-88). Brislin, R. (2000), Understanding Culture’s Influence on Behaviour, Orlando. - Herwartz-Emden, L. (1995), Mutterschaft und weibliches Selbstkonzept. Eine interkulturell vergleichende Studie, Weinheim/ München. - Pike, K. (1967), Language in relation to a unified theory of the structure of human behaviour, The Hague. Dirk Skiba emotiv: Begriff aus der Textlinguistik, bezeichnet die emotionale Färbung einer Aussage wie z.B. in Ausrufesätzen Seid herzlich willkommen! anzutreffen; e. Markierungen werden u.a. durch Interjektion und/ oder Intonation erzielt. Nach R. Jakobson (s.a. A. Marty) drückt die e. oder expressive Funktion der Sprache die Haltung des Sprechers gegenüber dem Kommunikationsinhalt aus (s.a. Organon-Modell; Sprechhandlung). Jakobson, R. (1971), „Linguistik und Poetik“, in: Ihwe, J. (Hrsg.), Literaturwissenschaft und Linguistik. Ergebnisse und Perspektiven, Frankfurt a. M., 142-178. - Marty, A. (1908), Untersuchungen zur Grundlegung der allgemeinen Grammatik und Sprachphilosophie, Halle an der Saale. Kerstin Rische Empathie, die: das Vermögen, sich in fremde Personen und Handlungskontexte einfühlen zu können. 1. E. als verhaltenswissenschaftlicher Begriff Ausführlich diskutiert wurde der Sachverhalt bereits zu Beginn des 20. Jh. in Theodor Lipps ästhetisch-psychologischen Studien zum „Einfühlungsvermögen“. Die von dem Freud-Schüler entwickelte Vorstellung der ‚inneren Imitation‘ von Verhaltensdispositionen eines Alter Ego wurde in der Folgezeit vor allem von der Psychotherapie, der (Medizin-)Psychologie und der Pädagogik aufgegriffen und erlebt in jüngster Zeit eine Renaissance in neurobiologischen Diskursen zu E.-konzepten. Als Resultat einer umfangreichen Kritik aus hermeneutischer Perspektive besteht inzwischen Einigkeit darin, dass der mit E. verbundene Versuch einer Perspektivenübernahme nicht identifikatorisch verstanden werden darf. Es geht vielmehr darum, andere Personen und Handlungskontexte als ‚andere‘ rational und emotional verstehen zu können, nicht jedoch darum, diese Verhaltensweisen zu adaptieren. 2. E. in Kontexten des Fremdsprachenunterrichts Seit den 1990er Jahren hat sich E. in der Fremdsprachendidaktik als programmatischer Begriff etabliert, wo E. als grundlegender Bestandteil der interkulturellen Kompetenz der Lehrenden und Lernenden verstanden wird, sowie für die Konzeptualisierung von Lehrmaterialien und Lernszenarien, deren Aufgabe explizit darin gesehen wird „Sichtwechsel“ zu initiieren und z.B. mit Hilfe des Internet Interkulturalität erlebbar werden zu lassen. Gassner, B. (2006), Empathie in der Pädagogik: Theorien, Implikationen, Bedeutung, Umsetzung, Heidelberg. - Lipps, T. (1906), „Einfühlung und Ästhetischer Genuss“, in: Die Zukunft 16, 100-114. Jürgen Bolten Emphase, die: bezeichnet die Hervorhebung einer kommunikativen Absicht mit Hilfe sprachlicher Mittel (z.B. durch spezifische Wortwahl, Wortstellung oder Prosodie). In der gesprochenen Sprache wird E. meist durch Intonation oder verstärkende Beiwörter realisiert, in geschriebenen Texten z.B. durch Wiederholungen oder Zeichensetzung. Aufgrund der unterschiedlichen Realisation von E. in verschiedenen Sprachen kommt es häufig zu Fehlinterpretationen und Verständnisschwierigkeiten. So entsteht z.B. bei russischen Deutschlernenden aufgrund der spezifischen Intonation des Russischen oft der Eindruck <?page no="77"?> 66 emphatisch erregter, emotional überhöhter Sprache, obwohl sie keine E. intendieren (vgl. Mehlhorn/ Trouvain 2007, 6 ff.). Mehlhorn, G./ Trouvain, J. (2007), „Sensibilisierung von Lernenden für fremdsprachliche Prosodie“, in: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht, Jg. 12, Nr. 2. Ulrike Eder emphatisch: s. Emphase bewirkend, nachdrücklich Empirie, die: E. als wissenschaftliches Handlungsfeld und Forschungspraxis gilt der Generierung von Erkenntnis in direkter Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit mittels Beobachtung, Erhebung von Daten und Durchführung von Experimenten. Empirische und theoretische Verfahren der Erkenntnisgewinnung sind als komplementäre Bestandteile wissenschaftlicher Praxis anzusehen und tragen gemeinsam zu einem vertieften Verständnis ihrer Gegenstände bei. Empirische Forschung dient dabei sowohl der Theoriebildung als auch ihrer Überprüfung (Verifikation vs. Falsifikation); dabei geht sie systematisch vor und verlangt die Operationalisierung der Untersuchungsgegenstände und die exakte Auswahl und Bestimmung der Beobachtungs- und Messverfahren ( Forschungsmethoden); überholt ist die Verwendung des Begriffs E. in Zusammenhang nur mit dem quantitativen Forschungsansatz; vielmehr dienen im Rahmen unterschiedlicher Forschungsansätze sowohl Daten, die gemessen und gezählt (quantifizierbare Daten) werden, als auch Daten, die mittels nichtstandardisierter Erhebungsverfahren gewonnen werden, aber nicht exakt quantifizierbar sind (qualitative Daten), als Grundlage empirischer Erkenntnisgewinnung. Ein Verständnis der Disziplin DaF/ DaZ als empirische Wissenschaft bedeutet, dass Theorien und Hypothesen sich aus empirischer Forschung im Wirklichkeitsbereich des Lehrens und Lernens von DaF und DaZ ergeben. Claudia Riemer endogen/ exogen: endogen: griech. ‚innen entstehend‘; exogen: griech. ‚außerhalb entstehend‘. Im Fach DaF/ DaZ werden die Begriffe z.B. im Kontext der Spracherwerbsforschung verwendet, die sich u.a. damit beschäftigt, inwieweit innere (endogene) oder äußere (exogene) Faktoren für den Spracherwerb bedeutsam sind. Anna Peterwerth Enklitikon, das/ enklitisch: Das E. bezeichnet eine schwach betonte Spracheinheit ( Morphem oder Synsemantikon), die sich an das vorangehende Wort anlehnt und dabei gleichzeitig geschwächt wird wie in kannst Du kommen zu kannste kommen oder hörst Du zu hörste. Diesen Vorgang bezeichnet man als e. im Gegensatz zu proklitisch, wo der Prozess der Anlehnung und Abschwächung in gegenteiliger Richtung erfolgt wie in das Kind zu ’s Kind, Klitikon. Beate Redecker Enkulturation, die: s. Kulturstandard; Kultur Entlehnung, die: Prozess und Resultat der Übernahme eines sprachlichen Ausdrucks aus einer fremden Sprache (Gebersprache) in die Muttersprache (Nehmersprache); ( Lehnwort, Internationalismus). Die Ursachen für E. liegen in verschiedenen politischen, kulturellen oder wirtschaftlichen Entwicklungen. E. entstehen auf unterschiedlichen Wegen: Die direkte E. erfolgt meist auf dem Weg der Sachentlehnung (wie Mauer, Ziegel aus dem Lat. oder Airbag, Camping aus dem Engl.) sowie der literarischen Übernahme. Von indirekter E. wird gesprochen, wenn ein Wort den Weg über eine andere Sprache geht (wie z.B. Meeting aus dem Engl. über das Russ.). Schippan, T. (1992), Lexikologie der deutschen Gegenwartssprache, Tübingen. Renate Freudenberg-Findeisen Entscheidungsfrage, die: s. Satzfrage episches Präsens, das: eine stilistische Form des historischen Präsens. Das historische Präsens übernimmt in Texten mit Bezug auf Vergangenes die Funktion des Präteritums. Das e.P. wird in fiktionalen erzählenden Texten als Erzählzeit, in vielen zeitgenössischen Werken als Grundtempus des Erzählens gebraucht und stellt heute ein stark konventionalisiertes Stilmittel dar. Ursprünglich diente der Gebrauch des Präsens in Texten mit Vergangenheitsbezug dazu, den Sachverhalt zu vergegenwärtigen bzw. lebendiger erscheinen zu lassen. Dieser Effekt hat sich im Laufe der Zeit aber soweit abgeschwächt, dass er kaum noch wahrgenommen wird. Mandy Höhle episches Präteritum, das: Das Präteritum bezeichnet eine Handlung, die vor dem Sprech- <?page no="78"?> Ergänzung 67 zeitpunkt liegt. Es wird daher als Tempus in der geschriebenen Sprache dann verwendet, wenn es um die Schilderung eines vergangenen Sachverhaltes geht. In der gesprochenen Sprache hingegen wird hier meist das Perfekt gebraucht, zumal im Oberdeutschen. Als Erzähltempus der geschriebenen Sprache hat das Präteritum eine epische (literarische) Funktion; Thomas Mann spricht vom Erzähler als dem „raunenden Beschwörer des Imperfekts“: „Ein einfacher junger Mann reiste im Hochsommer von Hamburg, seiner Vaterstadt, nach Davos-Platz im Graubündischen. Er fuhr auf Besuch für drei Wochen.“ (Thomas Mann: Der Zauberberg). Lutz Götze epistemisch: Der Ausdruck wird linguistisch zur Bezeichnung von auf das Wissen (p) bezogenen sprachlichen Phänomenen verwendet wie z.B. ich glaube, dass p, ich vermute, dass p. Im Deutschen gehört dazu auch die wissensbezogene Verwendung der Modalverben (Fritz soll gekommen sein, Fritz muss gekommen sein usw.). Andere Sprachen wie das Koreanische oder amerikanische Sprachen unterhalten dafür komplexe Formstrukturen (‚epistemische Modalität‘), durch die morphologisch z.B. zwischen Wissen durch Wahrnehmung, durch Hören-Sagen, durch Schlussfolgerung u.ä. unterschieden wird. E. Phänomene werden auch unter den Ausdrücken „propositional attitude“ oder „stance“ behandelt. Konrad Ehlich Epistemologie, die: allgemeine Theorie des systematisch erhobenen und entwickelten Wissens. Der griech. Ausdruck episteme erfuhr in der frühen Wissenschaftstheorie insbesondere des Aristoteles eine zentrale Stellung als Ausdruck für das wohlbegründete Wissen, das der techne als einem praktisch begründeten Wissen gegenübergestellt wurde. Im 20. Jh. entwickelten sich verschiedene Versuche zu einer allgemeinen Theorie des wissenschaftlichen Wissens, so insbesondere im Neopositivismus und in der Analytischen Philosophie, die die Entwicklung einer allgemeinen Wissenschaftslehre (vgl. Fichte) aufnahmen. In solchen Zusammenhängen steht E. für eine allgemeine Wissenschaftstheorie. Je nach den theoretischen Grundannahmen unterscheiden sich die Anforderungen, die daran gestellt werden. Konrad Ehlich ERFA Wirtschaft-Sprache: Das Akronym ERFA steht für „Erfahrungskreis“. Der seit 1968 regelmäßig zweimal jährlich in einer der Mitgliedsfirmen tagende Arbeitskreis der Verantwortlichen für das Sprachtraining in deutschen Unternehmen befasst sich jeweils mit fachlich aktuellen Themen der Methodik und Didaktik der Fremdsprachenvermittlung im beruflichen Kontext. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen zu Inhalten und Formen des berufsbegleitenden fremdsprachlichen und interkulturellen Trainings in Unternehmen ( berufsorientierter Fremdsprachenunterricht). Mitglieder sind derzeit Vertreter von ca. 40 Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, davon ca. 20 Unternehmen des Deutschen Aktien Indexes (DAX). Die Mitgliedsliste umfasst beispielsweise die deutschen und Schweizer Großbanken ebenso wie die großen deutschen Unternehmen der Automobil- und Chemieindustrie. Informationsaustausch und Tagungsdokumentationen erfolgen auf einer größtenteils nicht-öffentlichen Internetseite. Ziel des ERFA ist neben dem Informationsaustausch und der Weiterbildung ihrer Mitglieder die Kommunikation und Weiterentwicklung von Qualitätsstandards für die Aus- und Weiterbildung von Trainern im berufsbezogenen Fremdsprachentraining. Internetadresse: www.daf.uni-jena.de/ erfa Hermann Funk Ergänzung, die: auch: Aktant, Mitspieler; zentraler Begriff der Valenzgrammatik. E. sind syntaktische Einheiten, die von der Valenz des Verbs gefordert werden. Als die beiden formalen Grundkriterien haben sich Obligatheit ( obligatorisch) und Rektion ( Subklassenspezifik) herausgeschält. Eine in Frage kommende syntaktische Einheit ist E., wenn sie obligatorisch oder regiert ist. Das „oder“ ist im nicht ausschließenden Sinne zu verstehen, also als „und/ oder“. Bezogen auf Satzglieder sind Subjekt, Objekt, Subjektsprädikativum und Objektsprädikativum E. Adverbialbestimmungen sind meist Angaben. Z.B. ist in Emil verzehrt ein Brötchen. das Objekt auf Grund von Obligatheit und Rektion eine E. In Emil isst ein Brötchen. ist das Objekt nur auf Grund der Rektion eine E. Denn das Objekt ist weglassbar. Es ist hier also eine fakultative E. Das Subjekt (Emil) ist nicht regiert, ist aber auf Grund der Obligatheit eine E. In Emil wohnt in Berlin. ist auch die Adverbialbestimmung auf Grund der Obligat- <?page no="79"?> 68 Ergänzungsfrage heit eine E. Im semantischen Sinne sind E. diejenigen syntaktischen Einheiten, zwischen denen das Verb (der Valenzträger) eine Relation stiftet. Z.B. bezeichnet wohnen im obigen Beispielsatz eine Relation zwischen einer Person und einem Ort. In Emil liest das Buch in der Bibliothek. bezeichnet lesen eine Relation zwischen einer Person und einem Objekt (Buch). Emil und das Buch sind also E. Die Adverbialbestimmung in der Bibliothek ist nicht regiert und nicht obligatorisch, also Angabe. Als solche bezeichnet sie eine Eigenschaft/ einen Umstand des zu betreffenden Sachverhalts und nicht einen Relationspartner von lesen. Klaus Welke Ergänzungsfrage, die: s. W-Frage Ergänzungsklasse, die: Unterscheidung von Ergänzungen nach formalen (morphologischen und syntaktischen) Merkmalen. Z.B. unterscheidet Engel (1977) zehn E., u.a. Nominativ-, Akkusativ-, Dativergänzungen, Präpositivergänzung (Er wartet auf etwas.), Situativergänzung (Er wohnt in Berlin.), Direktivergänzung (Er fährt nach Berlin.). Engel, U. (1994), Syntax der deutschen Gegenwartssprache, Berlin ( 1 1977). Klaus Welke ergatives Verb, das: Untergruppe der intransitiven Verben; e.V. sind Verben, von denen man in der generativen Transformationsgrammatik annimmt, dass ihr Subjekt syntaktisch auf ein Objekt zurückzuführen ist. Das betrifft zum einen so genannte labile Verben, bei denen die Möglichkeit einer solchen Ableitung offensichtlich ist, z.B. Die Sonne schmilzt den Schnee. - Der Schnee schmilzt. In der generativen Grammatik werden darüber hinaus auf Grund bestimmter Kriterien auch intransitive Verben, zu denen es keine transitive Gegenrichtung gibt, als e.V. angesehen. Solche Kriterien sind: Bildung des Perfekts mit sein, attributive Verwendbarkeit des Partizips II, z.B. kommen, einschlafen: Er ist gekommen, der gekommene Brief; Er ist eingeschlafen, der eingeschlafene Student - im Unterschied bspw. zu schlafen, atmen (hat geschlafen, hat geatmet, *der geschlafene Student, *der geatmete Student). Grewendorf, G. (1989), Ergativity in German, Dordrecht. - Welke, K. (2002), Deutsche Syntax funktional. Perspektiviertheit syntaktischer Strukturen, Tübingen ( 2 2005). Klaus Welke Ergativsprache, die: einer der drei Sprachtypen neben Nominativ-Akkusativ-Sprachen und Aktivsprachen, in die man die Sprachen der Welt in syntaktischer Hinsicht untergliedern kann. In E. stehen sich nicht ein Nominativ und ein Akkusativ gegenüber, sondern ein Absolutiv, manchmal ebenfalls Nominativ genannt, und ein Ergativ. In Nominativ-Akkusativ-Sprachen ist der Nominativ der Grundkasus (Kasus des Subjekts). Im Nominativ fallen die Kasusrollen ( semantische Rollen) ‚Agens‘ und ‚Vorgangsträger‘ zusammen (z.B. Emil zersägt das Brett. Das Brett trocknet.), und der Akkusativ denotiert die Rolle ‚Patiens‘ (Emil zersägt das Brett.). In E. (mit syntaktischer Ergativität) ist der Absolutiv der Grundkasus (Kasus des Subjekts). In ihm fallen die Rollen ‚Patiens‘ und ‚Vorgangsträger‘ zusammen, und der Ergativ denotiert die Rolle ‚Agens‘. Man unterscheidet syntaktische und morphologische E. Viele E. sind nur noch in morphologischer Hinsicht E. In syntaktischer Hinsicht ist hier der Ergativ zum Grundkasus geworden. Dixon, R.M.W. (1994), Ergativity, Cambridge. Klaus Welke Erklärungsadäquatheit, die: gilt als das hochrangigste der drei von Chomsky definierten Gütekriterien für die linguistische Beschreibung natürlicher Sprachen (s.a. Beobachtungsadäquatheit, Beschreibungsadäquatheit). Eine Sprachbeschreibung gilt dann als erklärungsadäquat, wenn sie sowohl beobachtungsals auch beschreibungsadäquat ist und darüber hinaus mit einer Spracherwerbstheorie (im Falle Chomskys der nativistischen, universalgrammatischen; s.a. Universalgrammatik) im Einklang steht. Das Kriterium der E. ist Chomsky zufolge bei vergleichenden wissenschaftlichen Bewertungen mehrerer beschreibungsadäquater Grammatiktheorien anzulegen. Chomsky, N. (1964), Current Issues in Linguistic Theory, Den Haag. - Chomsky, N. (2004), „Beyond Explanatory Adequacy“, in: Belletti, A. (Hrsg.), Structures and Beyond. The Cartography of Syntactic Structures, Bd. 3, Oxford, 104-131. Julia Settinieri erlebte Landeskunde, die: ein Prinzip landeskundlichen Lernens in den deutschsprachigen Zielländern, bei dem die Annäherung an die fremde Kultur üblicherweise außerhalb des Klassenzimmers, in projektorientierten Aktivitäten, <?page no="80"?> Erwachsenenbildung 69 durch Recherchen und Beobachtungen und in persönlicher Interaktion mit den Menschen erfolgt. Kriterien für erfolgreiche Aufgabenstellungen sind ausreichende sprachlich-kommunikative Vorbereitung auf mögliche Kontakt- und Konfliktsituationen, interkulturelle Sensibilisierung, Einbeziehung der persönlichen Interessen der Lernenden, Teamorientierung und Vertrautheit mit Strategien und Techniken der Recherche im fremdsprachlichen Umfeld. Die Lernenden gehen projekt- und produktorientiert vor, am Ende einer Aufgabe steht die Präsentation der Ergebnisse (Radiosendung, Video, szenisches Spiel, Plakatausstellung, Magazin, Diskussion, Präsentation u.ä.). Aufgabenstellungen von e.L. entfernen sich immer mehr vom reinen Erforschen von Daten, Fakten und Zahlen hin zum Gewinnen von konkreten Einblicken in den Alltag der Menschen, in ihre Gefühlswelten und Befindlichkeiten und zum exemplarischen Darstellen von (auch widersprüchlichen) Einzelphänomenen. Mit den Mitteln moderner Informationstechnologien lassen sich Aufgaben erlebter Landeskunde heute auch aus der Ferne durchführen, wobei besonders Webcams, online Radio- und Fernsehnachrichten, Homepages verschiedener Institutionen, Chats und Diskussionsforen eine prominente Rolle zukommt. Goethe-Institut, Hrsg. (2001), Erlebte Landeskunde. Handbuch für Spracharbeit. München. - Biechele, M./ Padros, A. (2003), Didaktik der Landeskunde, Fernstudieneinheit 31, München. Roland Fischer ERP (Event Related Potential): s. EKP Ersetzungsprobe, die: s. Substitution Erstsprache, die: die Sprache, die Kleinkinder zuerst in natürlicher Umgebung als ihre Muttersprache erlernen ( Spracherwerb). Die Bezeichnung E. umgeht die Problematik, die mit der Deutung des Begriffs Muttersprache als von der Mutter (und nicht etwa vom Vater) erlernter Sprache einhergeht, sowie einer sich gegen Zwei- und Mehrsprachigkeit richtenden Einstellung, die suggeriert, dass es nur eine Sprache geben könne, in der ein Sprecher eine hohe Sprachkompetenz aufweist; der Terminus E. macht andere Sprachen erwartbar. Bei simultaner Zweisprachigkeit in den ersten Lebensmonaten ist auch doppelter Erstspracherwerb möglich. Jede Nicht- E. wird als Zweitsprache bezeichnet, auch dann, wenn sie die Funktionen der E. z.B. als Familiensprache übernimmt. Das Bildungswesen in den deutschsprachigen Ländern tut tw. immer noch so, als verfügten alle Kinder bei Schulbeginn über die gleiche E. (Gogolin 1994 „monolingualer Habitus“; Monolingualismus) und nimmt die Vielfalt der E. der Einwanderungsgesellschaft noch zu wenig zur Kenntnis ( Mehrsprachigkeit). Als Erkenntnis der Zweitspracherwerbsforschung gilt dagegen, dass der erfolgreiche Erwerb der Zweitsprache eine gefestigte E. voraussetzt, andernfalls drohe doppelseitige Halbsprachigkeit. Für Kinder mit Migrationshintergrund bedeutet das, ihnen nach Möglichkeit eine zweisprachige Alphabetisierung bzw. zumindest Unterricht in ihren Herkunftssprachen ( muttersprachlicher Unterricht) anzubieten. Ahlzweig, C. (1994), Muttersprache-Vatersprache. Die deutsche Nation und ihre Sprache, Opladen. - Gogolin, I. (1994), Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule, Münster. - Gogolin, I./ Neumann, U., Hrsg. (2009), Streitfall Zweisprachigkeit. The Bilingualism Controversy, Münster. Mandy Höhle Erstspracherwerb, der: s. Erstsprache; Spracherwerb; doppelter Erstspracherwerb Erwachsenenbildung, die: Die Begriffe E. und Weiterbildung (W.) werden weitgehend synonym verwendet (Tippelt 1999, 11). Als Weiterbildung definiert der Deutsche Bildungsrat die „Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer […] ersten Ausbildungsphase“ (Bildungsrat 1970, 197). Trotz der prinzipiellen Gleichstellung wird mit W. eher der berufliche Aspekt angesprochen, während mit E. in erster Linie das private und vorwiegend informelle (also nicht auf ein verbindliches Ziel hin bezogene) Lernen assoziiert wird. Als prototypische Einrichtungen der E. werden die Volkshochschulen (als öffentlich geförderte Einrichtung) angesehen. Sprachkurse bilden den größten Anteil in deren Angebot (bis zu 40%). Innerhalb des Bereichs Sprachen liegt Deutsch als Zweitsprache mengenmäßig zusammen mit Englisch an der Spitze. Die VHS-Statistik weist 24.999 DaF-Kurse (entsprechend 14,9% des Gesamtsprachenangebots, größtenteils DaZ-Angebote) mit 2.094.582 Unterrichtsstunden (= 35,7%) aus. In der Rubrik „Besondere Adressatengruppen“ liegt die Gruppe <?page no="81"?> 70 Erwerben der Ausländer im Berichtsjahr 2006 der VHS- Statistik mit 31% vorne (Reichart/ Huntemann 2006, 9). Deutscher Bildungsrat, Hrsg. (1970), Empfehlungen der Bildungskommission, Strukturplan für das Bildungswesen, Stuttgart. - Reichart, E./ Huntemann, H., Volkshochschul- Statistik 2006, 45. Folge, Arbeitsjahr 2006, Bonn. - Tippelt, R., Hrsg., (1999), Handbuch Erwachsenenbildung/ Weiterbildung, Opladen. Gerhard von der Handt Erwerben: s. Lernen-Erwerben-Debatte Erwerbssequenz, die: Das Lernen von Sprachen ist bis zu einem gewissen Grad von Prinzipien und Regeln geprägt. Spracherwerb ist also kein zufälliger Prozess und folgt auch nicht einfach dem strukturierten Input im Unterricht, sondern bestimmte Sprachbereiche werden in einer vorhersehbaren Abfolge, den E., erworben. Gut untersucht ist der Erwerb der Wortstellung. Insbesondere die vom ZISA-Projekt (Clahsen et al. 1983) bei Migranten mit romanischen Erstsprachen beobachtete E. (Voranstellung von Adverbien - Satzklammer - Inversionsregel -Verb-End in Nebensätzen) hatte Einfluss auf theoretische wie didaktische Diskussionen ( Teachability Hypothese, Interface-Position). Weiter sind E. für Interrogation, Negation und Kasus beschrieben worden. Die Untersuchungen beziehen sich meist auf ungesteuerten Erwerb, wurden z.T. aber auch für Spracherwerb im Fremdsprachenunterricht überprüft und teilweise bestätigt (vgl. u.a. Pienemann 1998, Diehl et al. 2000). Offene Fragen bestehen im Hinblick auf individuelle Variation, Altersabhängigkeit, unterschiedliche Erstsprachen und Lernkontexte, bisher noch nicht untersuchte Sprachbereiche und eine umfassende empirische und theoretische Klärung von E. Clahsen, H./ Meisel, J. M./ Pienemann, M. (1983), Deutsch als Zweitsprache. Der Spracherwerb ausländischer Arbeiter, Tübingen. - Diehl, E./ Christen, H./ Leuenberger, S./ Pelvat, I./ Studer, T. (2000), Grammatikunterricht: Alles für der Katz? Untersuchungen zum Zweitspracherwerb Deutsch, Tübingen. - Pienemann, M. (1998), Language Processing and Second Language Development. Processibility Theory, Amsterdam. Bernt Ahrenholz Erwerbstyp, der: Basierend auf der Abfolge des Lernens in Abhängigkeit vom Alter und dem Erwerbskontext unterscheidet man die folgenden E.: Erstspracherwerb, Zweitspracherwerb und Fremdspracherwerb. Erstspracherwerb ( Erstsprache) bezieht sich auf die erste Sprache, die man in seinem Leben lernt. Dieser Spracherwerb ist eng an die kognitive, soziale und emotionale Entwicklung des Kindes gebunden. Lernt man von Anfang an zwei (oder mehr) Sprachen, spricht man von doppeltem bzw. bilingualem Erstspracherwerb (Apeltauer 2001), auch wenn beide Sprachen unterschiedlich stark oder domänenspezifisch ausgeprägt sind. Wird eine weitere Sprache etwa ab dem dritten Lebensjahr zusätzlich erworben, spricht man von (frühem) Zweitspracherwerb (Klein 1987), der auch dritte oder vierte Sprachen einschließt. Ist eine zweite Sprache nicht zentrales Mittel der alltäglichen Kommunikation und wird sie im Wesentlichen mit Hilfe von Sprachunterricht erlernt, spricht man von Fremdspracherwerb. Mögliche Besonderheiten des Erwerbs von dritten oder vierten Sprachen werden auch unter Tertiärspracherwerb (Hufeisen 2001) gefasst. Apeltauer, E. (2001), „Bilingualismus - Mehrsprachigkeit“, in: Helbig, G. u.a. (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch. 1. Halbband, Berlin, 628- 638. - Hufeisen, B. (2001), „Deutsch als Tertiärsprache“, in: Helbig, G. u.a. (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch. 1. Halbband, Berlin, 648-653. - Klein, W. (1987), Zweitspracherwerb. Eine Einführung, Frankfurt a. M. Bernt Ahrenholz Erzählzeit, die: Wird über Vergangenes erzählt, so gebraucht man in der gesprochenen Sprache zumeist das Perfekt, in der geschriebenen Sprache das Präteritum. Dies gilt zumal für literarisches Erzählen ( episches Präteritum). Beim Erzählen gegenwärtiger Sachverhalte ( Aktzeit gleich Sprechzeit) wird das Präsens gewählt. Um innerhalb vergangenen Geschehens den Gegenstand besonders hervorzuheben, ist in der geschriebenen Sprache ein Wechsel zum Präsens möglich: Da liefen sie im Kreise und spielten mit dem Ball, andere tanzten. Plötzlich schreit ein Junge auf und deutet nach oben: „Da fliegt ein Riesenvogel.“ Bei Pressemitteilungen wird häufig die Überschrift im Perfekt gefasst, der Bericht erfolgt im Präteritum: Urlauberschiff auf Grund gelaufen. Wie die lettische Küstenwache mitteilte, wurde niemand von den 651 Passagieren sowie 320 Besatzungsmitgliedern verletzt. Das nach ersten Untersuchungen nur wenig beschädigte Schiff sollte bis zum späten Freitagabend freigeschleppt werden. Das 173 Meter lange Schiff befand sich auf dem Weg von Tallin nach Riga. Lutz Götze <?page no="82"?> Ethnomethodologie 71 ESIS: s. Europäisches Siegel für innovative Spracheninitiativen Ethnographie, die: bezeichnet gleichzeitig Forschungsmethodik und Produkt der Kultur- und Sozialwissenschaften: Beschreibung und Analyse menschlicher Lebenswelten und Gesellschaftsstrukturen. Kernmethode ist die Feldforschung. In der Völkerkunde des 19. Jhs. bezog sich E. aus einer eurozentristischen Forscherperspektive ausschließlich auf die Erfassung fremder - als ‚exotisch‘ bzw. ‚primitiv‘ gewerteter - Ethnien. Zu Beginn des 20. Jhs., auf dem Höhepunkt der Industrialisierung, begann die neu entstehende wissenschaftliche Volkskunde, sich für das ‚Fremde im Eigenen‘ zu interessieren und nutzte E. für eine Art ‚Binnenexotik‘ innerhalb der eigenen Kultur (z.B. in Kleidung, Bräuchen und Sprache der ländlichen Bevölkerung) zur Suche nach vermeintlichen Überresten ‚uralter‘ Sitten. Nach mehreren Paradigmenwechseln schließt E. heute - in Erkenntnis von Kulturdynamik und Austauschprozessen - sowohl die Erforschung des Eigenen als auch des Fremden ein und umfasst nicht nur ganze Ethnien, sondern ebenso gesellschaftliche Subgruppen, z.B. Berufsstände, Subkulturen, urbane Lebenswelten. Für DaF/ DaZ stellen moderne E. mit ihrem Versuch eines nicht wertenden, hermeneutischen Verstehens von Kultur(en) und ihrem Anspruch, das Fremde im Eigenen und das Eigene im Fremden bewusst zu machen, einen wichtigen Beitrag zum interkulturellen Verstehen dar. Geertz, C. (1978), Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt a. M. - Kaschuba, W. (2006), Einführung in die Europäische Ethnologie, Münster. Eva V. Chen Ethnolekt, der: bezeichnet den Lekt (Sprache, Varietät, Kode, Stil etc.) von Sprechern mit sog. ethnischen Merkmalen der Sprache wie typifizierter Akzent, aber auch mit typifizierten grammatikalischen und paralinguistischen Merkmalen. E. sind oft reaktive Bildungen mit identifikatorischer Funktion. In Deutschland richtet sich das Augenmerk z.B. stark auf solche Deutschvarietäten, die in Jugendgruppen mit sog. Migrationshintergrund verwendet werden und ihre Mitglieder als zu dieser ethnischen Gruppe zugehörig erkennbar machen. In dem Satz Isch geh Kino finden sich etwa die typische ch-zu-sch-Aussprache sowie der Wegfall von Präposition und Artikel (Jugendliche türkischer Herkunft). Diese Varietäten stehen im Gegensatz zu sog. defizitären Formen der Zweitsprache, sie sind originär stilistische Varianten, die aber im Vergleich zu Dialekten wenig Nachhaltigkeit aufweisen. Neben den primären ethnolektalen Varietäten gibt es sekundäre Formen, wie Stilisierungen durch nicht-ethnische Nachahmer und die Medien. Volker Hinnenkamp Ethnolinguistik, die: wissenschaftliche Disziplin, die Themen der Ethnologie (Völkerkunde) und Linguistik verknüpft, um Zusammenhänge zwischen Sprache, Denken und Kultur zu erforschen. Als Vordenker der E. im 19. Jh. gilt W. von Humboldt mit seinen sprachphilosophischen Theorien über die Eigenarten der verschiedenen Völker in Kultur und Sprache, die in Untersuchungen zu spezifischen Relationen z.B. zwischen Lexik und Sozialbeziehungen, grammatischen Strukturen und Wahrnehmung u.a. von L. Weisgerber weitergeführt wurden. Die moderne E. erhielt wichtige Impulse durch D. Hymes, der mit seiner ‚Ethnographie des Sprechens‘ (1962) eine strukturalistische Methodik zum Vergleich kommunikativer Gewohnheiten in verschiedenen Kulturen entwickelte. Bekanntes Beispiel für ethnolinguistische Studien sind die sprachvergleichenden Forschungen von Berlin/ Kay zur Universalität und Spezifik von Farbbezeichnungen. Berlin, B./ Kay, P. (1969), Basic Color Terms. Their Universality and Evolution, Berkeley. - Humboldt, W. von (1962), Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechtes, Reprint der Originalausgabe von 1836. Bonn. - Gumperz, J. J. (1996), „The linguistic and cultural relativity of conversational inference“, in: Gumperz, J. J./ Levinson, S. C. (Hrsg.), Rethinking linguistic relativity, Cambridge, 374-406. - Foley, W. A. (1997), Anthropological Linguistics, Oxford. Eva V. Chen Ethnomethodologie, die: bezeichnet eine aus der Soziologie (Garfinkel 1967) stammende und mit der Soziolinguistik verknüpfte qualitative Forschungsrichtung zur Analyse von Alltagshandlungen und Erkenntnis der ihnen zugrunde liegenden Regeln. Grundannahmen der E.: 1. soziale Wirklichkeit konstituiert sich durch kommunikative Handlungen bzw. Interaktionen <?page no="83"?> 72 ethnozentrisch/ Ethnozentrismus (vgl. Sprechakttheorie), diese sind durch Indexikalität gekennzeichnet, 2. Handelnde produzieren durch ihre Handlungen Bedeutungen, die je nach Situation jeweils neu konstruiert werden ( Kontext), 3. Menschen als soziale Wesen sind bestrebt, Sinn in Handlungen/ Interaktionen zu erkennen bzw. einzufordern durch ständiges Beobachten, (Neu-)Einordnen und Deuten, wobei sich Handlung und Sinn jeweils wechselseitig aufeinander beziehen (Reflexivität). Von diesen Annahmen ausgehend entwickelte sich als Kernmethode der E. die Konversationsanalyse, aber auch klassische Methoden der Ethnographie werden angewandt. Abels, H. (2004), Interaktion, Identität, Repräsentation. Kleine Einführung in interpretative Theorien der Soziologie, Wiesbaden. - Garfinkel, H. (1967), Studies in Ethnomethodology, Malden/ USA. - Harden, T. (2006), Angewandte Linguistik und Fremdsprachendidaktik, Tübingen. Eva V. Chen ethnozentrisch/ Ethnozentrismus, der: Menschen interpretieren und beurteilen neue Erfahrungen und andere Menschen von ihren eigenen, durch die sprachlich-kulturelle Sozialisation erworbenen Normalitätsvorstellungen her, d.h. e. Zunächst ist nicht bewusst, dass dieser e. Blick auf die Welt kein universeller, sondern ein kulturell geprägter und damit auch verengter Blick ist, der den eigenen Standpunkt unzulässig zur allgemeinen Norm erhebt. Es ist eine zentrale Aufgabe der interkulturellen Erziehung, zur Überwindung von E. beizutragen und die Geltungsansprüche der eigenkulturellen Wahrnehmung zu relativieren. Hans-Jürgen Krumm etisch: s. emisch Etymologie, die: die Lehre von der Herkunft der Wörter/ eines Wortes. Nach der Historisierung der Sprachwissenschaft in der Neuzeit wurde die eigentliche Wahrheit eines Wortes (sein etymon) in dessen historisch frühester Form gesehen. Der heutige Gebrauch schließt daran an und rekonstruiert als E. eines Wortes die Wortgeschichte unter Bezug auf allgemeinere „Gesetze“ der lautlichen und morphologischen Veränderung ( Diachronie). Dabei werden nicht belegte Zwischen- oder Vorstufen erschlossen, oft mit der Gefahr, dass an die Stelle der Rekonstruktion eine spekulative Konstruktion tritt. Demgegenüber sind neuere etymologische Werke (Seebold) deutlich vorsichtiger. Als Volkse. werden solche Spekulationen bezeichnet, die auf der Grundlage von Laut- und Formähnlichkeiten Zusammenhänge herstellen, die in der Geschichte eines Wortes nicht wirklich bestehen (z.B. Quäntchen von quantum - in Wahrheit von quintus, „Fünftel-Maß“, daher in alter Rechtschreibung Quentchen). Etymologische Informationen können beim Erwerb und der systematischen Erschließung eines fremdsprachlichen Lexikons hilfreich sein; Volkse. taugen z.T. als Eselsbrücken. Seebold, E. (1981), Etymologie. Eine Einführung am Beispiel der deutschen Sprache, München. Konrad Ehlich EUNIC (European National Institutes for Culture): Zusammenschluss derjenigen nationalen Kulturinstitute, die international arbeiten; die Bundesrepublik ist mit dem Goethe-Institut, Österreich durch sein Außenministerium vertreten. EUNIC fördert den Gedanken der Mehrsprachigkeit und des interkulturellen Dialogs und setzt sich für die Einrichtung europäischer Kulturhäuser ein. Nationale Netzwerke dienen der Zusammenarbeit der verschiedenen Kulturinstitute in einem Land, einer Region oder Stadt. Internetadresse: www.eunic-europe.eu/ EUNIC-website/ index.php? L =1 Hans-Jürgen Krumm Euphemismus, der: spezieller Fall der Benennung oder Umschreibung ( Periphrase), wobei der Gegenstand oder Sachverhalt durch ein anderes (oft fremdsprachliches) Wort geschönt dargestellt wird. E. finden sich besonders im Umgang mit Tabuthemen (Tod - Heimkehr), der sprachlichen Aufwertung banaler Sachverhalte (etwas anbieten - offerieren) sowie der Verharmlosung/ Verschleierung gefährlicher und gefährdender Sachverhalte und ihrer Folgen - wie z.B. im Kontext von Kriegen: Zivilopfer - Kollateralschäden (vgl. Rada, 2001). Rada, A. (2001), Tabus und Euphemismen in der deutschen Gegenwartssprache: mit besonderer Berücksichtigung der Eigenschaften von Euphemismen, Budapest. Kerstin Rische EuroComGerm: von der Europäischen Union unterstützte Forschungs- und Entwicklungsprojek- <?page no="84"?> Evaluation 73 te, die versuchen, die Verstehensfähigkeit (Comprehension bzw. Interkomprehension) in verwandten europäischen Sprachen innerhalb der germanischen (EuroComGerm), der romanischen (EuroComRom) bzw. der slavischen (Euro- ComSlav) Sprachfamilie zu trainieren und dazu eine gemeinsame Methode entwickelt haben, das Verfahren der „Sieben Siebe“ (vgl. Hufeisen/ Marx 2007), das es erlaubt, Sprachverwandtschaften zu erkennen und für das Lernen bzw. Verstehen verschiedener Sprachen zu nutzen. Hufeisen, B./ Marx, N. (2007), EuroComGerm - Die sieben Siebe. Germanische Sprachen lesen lernen, Aachen. - Internetadressen: www.eurocomgerm.de; www.eurocomcenter.com Hans-Jürgen Krumm europäischer Referenzrahmen: s. GeR (Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen) Europäisches Siegel für innovative Spracheninitiativen (ESIS): Auszeichnung, die von der Europäischen Kommission (1996) initiiert wurde und seit 1997 jährlich für kreative Neuerungen im Bereich des Sprachenlehrens- und -lernens im Rahmen eines Wettbewerbs vergeben wird. ESIS wird in 30 Ländern verliehen und ist auf europäischer Ebene unter der Bezeichnung „European Label“ etabliert, in Österreich „Europäisches Siegel für innovative Sprachenprojekte“. Die Europäische Kommission veröffentlicht die ausgezeichneten Projekte aller mitwirkenden Länder (vgl. http: / / ec.europa.eu/ education/ language/ label/ index.cfm). Bei ESIS können sich Einzelpersonen oder Institutionen bewerben, die neue Wege zur Förderung des Sprachenlernens beschreiten oder unterstützen. Die Beurteilung der eingereichten Projekte erfolgt durch eine nationale Fachjury anhand von Kriterien, die z.T. auf europäischer Ebene vereinbart wurden und für alle teilnehmenden Länder gelten und z.T. auf nationaler Ebene (meist in Form eines Jahresschwerpunkts) festgelegt sind. Im Bereich DaF/ DaZ wurden bisher insbesondere Projekte zur Förderung der Mehrsprachigkeit und der Sprachförderung von Migranten(kindern) ausgezeichnet. Europäische Kommission (1996), Weißbuch zur allgemeinen und beruflichen Bildung: Lehren und Lernen. Auf dem Weg zur kognitiven Gesellschaft, Luxemburg. Ulrike Eder Europäisches Sprachenportfolio: Neben dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen ( GeR) stellt das E.S. ein besonders wirksames und inzwischen weltweit verbreitetes Instrument zur Förderung des Sprachenlernens dar. Im Gegensatz zum GeR ist das E.S. Eigentum der Lernenden und soll ihre Lernautonomie beim Sprachenlernen stärken ( Autonomie) und zum Lernen weiterer Fremdsprachen motivieren. Jedes E.S. umfasst drei Teile, einen Sprachenpass, in den die Lernenden ihre erreichten Leistungen (Zeugnisse, aber auch Selbstbeurteilungen nach einem vorgegebenen Raster) eintragen können, eine Sprachenbiografie, die die Reflexion des Sprachlernprozesses unterstützt und beim Planen weiteren Sprachenlernens hilft, sowie ein Dossier, in dem Lernende ihre Sprachleistungen in Form von Ton- oder Textdokumenten dokumentieren. Angepasst an die jeweilige Lerngruppe (Schüler verschiedener Schulstufen, Erwachsene) entstehen in zahlreichen Mitgliedsländern des Europarats E.S., die nach einer Validierung durch einen Ausschuss des Europarats in Schulen und der Erwachsenenbildung eingesetzt werden. Internetadresse: www.coe.int/ portfolio - Matzer, E., Hrsg. (2001), Das europäische Sprachen-Portfolio und andere Umsetzungen des Portfolio-Konzepts (ZSE-Report 57), Graz. Hans-Jürgen Krumm Europäisches Fremdsprachenzentrum, das: s. EFSZ European National Institutes for Culture: s. EU- NIC Evaluation, die: systematische Untersuchung des Nutzens bzw. der Wirksamkeit eines Gegenstandes oder Verfahrens. Die erzielten Ergebnisse bzw. Empfehlungen müssen nachvollziehbar auf empirisch gewonnenen Daten beruhen. Im Bildungsbereich orientiert sich die E. an den Forschungsmethoden der empirischen Sozialforschung und bezieht sich auf a) die Leistungsmessung im Unterricht, b) die Beurteilung der Qualität und Effektivität von Unterrichtsprogrammen und Bildungsmaßnahmen oder -materialien einschließlich der Leistungen der daran beteiligten Personen. Faktoren wie der Kontext (individuelle Voraussetzungen, Rahmenbedingungen), die Struktur (Methodik, Curriculum) und das Ergeb- <?page no="85"?> 74 exogen nis (Testverfahren) des Lernprozesses werden berücksichtigt. Man unterscheidet zwischen Fremdevaluation (externe E.) und Selbstevaluation (interne E.) z.B. durch Lehrende ( Handlungsforschung). Die E. fremdsprachlicher Lehr- und Lernprozesse hat in Bezug auf Sprachfördermaßnahmen in DaF/ DaZ in den letzten Jahren aufgrund der raschen sozialen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen und aufgrund der Ergebnisse von Studien wie PISA an bildungspolitischer Relevanz gewonnen (vgl. Finkbeiner/ Fehling 2003). Altrichter H./ Posch, P. (1998), Lehrer erforschen ihren Unterricht: eine Einführung in die Methoden der Aktionsforschung, Bad Heilbrunn. - Finkbeiner, C./ Fehling, S., Hrsg. (2003), Evaluation im Brennpunkt - Fremdsprachen lernen und lehren, Landau. - Flick, U., Hrsg. (2006), Qualitative Evaluationsforschung, Reinbeck. Andrea Dorner exogen: s. endogen Exotismus, der: bezeichnet eine spezifische Sicht auf das Fremde (sachlich-kulturell), die Fremde (geographisch) und den Fremden (ethnisch), die durch Projektionen eigener Wunschvorstellungen „vom richtigen Leben in einer besseren Welt“ geprägt ist und sich in der einseitigen Zuschreibung von positiven Merkmalen und Eigenschaften an das/ die Fremde(n) ausdrückt. Aus ethnopsychoanalytischer Sicht (vgl. Erdheim 1991) kann E. dabei ggf. als Reaktionsbildung in der Phase der Adoleszenz verstanden werden, wenn Jugendliche keine Möglichkeit haben oder sehen, konflikthafte bzw. unbefriedigende persönliche Verhältnisse in Auseinandersetzung mit ihrem Umfeld positiv zu verändern. E. geht mit Xenophilie einher und ist wie diese und deren Antipode, die Xenophobie, Ausdruck des Unvermögens, Fremdes und Fremde in erster Linie als different zum Eigenen, Bekannten zu erleben. Erdheim, M. (1991), „Zur Ethnopsychoanalyse von Exotismus und Xenophobie“, in: Psychoanalyse und Unbewußtheit in der Kultur, Frankfurt a. M., 258-265. Tina Stein Experiment, das/ experimentell: unter kontrollierten Bedingungen durchgeführter quantitativer Forschungsansatz, der Aussagen über Ursache-Wirkungs-Beziehungen von Variablen erlaubt, die vorab als unabhängig und abhängig definiert werden. Störvariablen werden soweit wie möglich von der Untersuchung ausgeschlossen. Im Idealfall erfolgt eine Zufallszuweisung bzw. zumindest eine anhand relevanter Merkmale kontrollierte Zuweisung der Untersuchungsteilnehmer auf eine Versuchs- und eine Kontrollgruppe. Die unabhängige Variable (Einflussvariable) wird durch eine von dem Forscher initiierte Manipulation (z.B. eine spezifische Lehrtechnik) operationalisiert, der nur die Versuchsgruppe ausgesetzt wird, nicht aber die Kontrollgruppe; die abhängige Variable wird durch einen für beide Gruppen identischen Prä- und Posttest (z.B. Sprachtest) gemessen. E. implizieren hohe interne, aber geringe externe Validität. In der Fremdsprachenforschung sind E. nur selten zu finden. Claudia Riemer Explosiv, der: Syn. Plosiv, Klusiv, Okklusiv, Verschlusslaut; Konsonant mit Artikulationsmodus E., der mit spezifischem Explosionsgeräusch aufgrund der Sprengung eines Verschlusses gebildet wird. Das Sprenggeräusch kann kräftig (Fortis-E.: Paar) oder schwach sein (Lenis-E.: Bar). Das Deutsche hat drei Paar E.: [p b] [t d] [k g]. Die Behauchung bei Fortis-E. v.a. im Anlaut akzentuierter Silben und im Wortauslaut wird als Aspiration bezeichnet: packen, Musik. Lenis-E. treten stimmhaft: ein Bild [b] und stimmlos: das Bild [b ± ] auf ( Stimmlosigkeitsassimilation). E. zeichnen sich durch drei zeitlich getrennte Phasen aus: Verschlussbildung, Verschluss, Verschlusslösung (Sprengung), z.B. werden bei [p] zuerst die Lippen verschlossen (Verschluss), über einen gewissen Zeitraum verschlossen gehalten (Verschlussphase) und schließlich infolge des abrupten Entweichens der Atemluft gesprengt (Verschlusslösung). Kerstin Reinke Extension, die/ extensional: Bedeutungsumfang, den Umfang der Bedeutung betreffend, das betreffend, was auf Grund der gegebenen Bedeutung bezeichnet werden kann. Gegensatz: Intension: Bedeutungsinhalt, den Bedeutungsinhalt betreffend. Analog werden in der Sprachwissenschaft auch die Begriffe ‚Bezeichnung‘ ( Denotation) für E. und ‚Bedeutung‘ für Intension verwendet. Sprachliche Ausdrücke können e. identisch und intensional verschieden sein; Beispiele: Abendstern und Morgenstern als Bezeichnung für die Venus oder die viel zitierten Benen- <?page no="86"?> Fachsprachendidaktik 75 nungen Napoleons als „der Sieger von Jena“ und „der Verlierer von Waterloo“. Auch die beiden Sätze Napoleon besiegte die Preußen in der Schlacht bei Jena. (Aktiv) und Preußen wurde von Napoleon in der Schlacht bei Jena besiegt. ( Passiv) sind e. identisch, aber intensional (in ihrer Bedeutung) verschieden. Klaus Welke extrinsisch: Fachbegriff aus der Motivationsforschung; e. Motivation charakterisiert ein Verhalten von Lernenden, welches durch zu erwartende Konsequenzen von außen determiniert wird. Es wird gelernt, um belohnt zu werden (z.B. Lob oder gute Noten) oder um Strafe (z.B. Tadel oder schlechte Noten) zu vermeiden. Die e. Motivation kann sich bei Teamarbeit auf daraus zu beziehendes Prestige oder folgende Anerkennung und Belohnung beziehen (Zimbardo/ Gerrig 1999, 748). Rheinberg, F. (2000) 3. Aufl., Motivation, Stuttgart. - Zimbardo, P. G./ Gerrig, R. J. (1999) 7. Aufl., Psychologie, Berlin. Barbara Biechele Eye tracking, das: experimentalpsychologische Methode, bei der unter Zuhilfenahme von geeigneten Geräten die Bewegungen und Fixationspunkte der Augen nachverfolgt und ausgewertet werden. Grundannahmen: Augenbewegungen (AB) sind zwischen Wahrnehmung und Kognition angesiedelt und basieren auf Verbindungen zwischen dem visuellen System und dem Gedächtnis bzw. den Erwartungen und Zielen einer Person. Die AB werden dabei sowohl von Bottom-up-Wahrnehmungswie auch von Top-down-Kognitionsprozessen bestimmt und ermöglichen Einblicke in kognitive Verarbeitungsprozesse. In der Fremdsprachenforschung wird E.t. besonders im Bereich des Lesens und des visual-world-Paradigmas eingesetzt, um alternative und ergänzende Daten zu bspw. EKP-Experimenten ( Gehirnforschung) zu gewinnen und Verarbeitungsprozesse zu erforschen. Frenck-Mestre, Ch. (2005), „Eye-movement recording as a tool for studying syntactic processing in a second language: a review of methodologies and experimental findings“, in: Second Language Research, 21, (2), 175-198. online: http: / / slr.sagepub.com/ content/ vol21/ issue2 Daniela Zahn F FAA (Fremdsprache als Arbeitssprache, die): s. bilingualer Sachfachunterricht, s. Content and Language Integrated Learning Fachsprache, die: Der Begriff dient einerseits zur Unterscheidung zwischen fachsprachlicher und nicht-fachsprachlicher Varietät (F. vs. Gemeinsprache), anderseits bezeichnet er die sprachlichen Spezifika bzw. Mittel, die für die Bewältigung kommunikativer Aufgaben in einem bestimmten Fach benötigt werden. Gemeinsames Merkmal aller F. ist eine hohe Frequenz bzw. eine Dominanz bestimmter sprachlicher Strukturen (z.B. Nominalisierungen, Komposita, Genitivformen, Funktionsverbgefüge, Konditionalsätze), die der sprachlichen Ökonomie und Präzision dienen. Aus fremdsprachendidaktischer Sicht (s. a. Fachsprachendidaktik) sind neben den Unterschieden auch die Gemeinsamkeiten zwischen F. und Gemeinsprache von Interesse. Udo Ohm Fachsprachendidaktik, die: Der Begriff F. wurde zuerst in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre in naturwissenschaftlichen und technischen Fachgebieten angewandt. In den 1990er Jahren führte die große Sprachkursnachfrage im wirtschaftswissenschaftlichen und kaufmännischen Bereich zu einer stärkeren Orientierung an den Erfordernissen des beruflichen Handelns, was u.a. zur Berücksichtigung von Lerninhalten führte, die auf die Entwicklung fach- und branchenspezifischer kommunikativer und interkultureller Kompetenz abzielen (z.B. Verkaufsgespräch führen, Verhandeln) (vgl. Fearns 2003, 169 f.). Im DaF/ DaZ-Kontext haben wir es heute daher weniger mit Fachsprachenunterricht als mit berufsbezogenem oder berufsorientierendem Fremdsprachenunterricht zu tun (vgl. Funk 2003, 175 f.). Während im berufsqualifizierenden Unterricht an die berufliche Erfahrung und Kompetenz der Lernenden angeknüpft werden kann, ist dies im berufsvorbereitenden Unterricht noch nicht möglich. Von der Zielorientierung her ist in berufsbegleitenden oder berufsqualifizierenden Kursen die Vermittlung fachbzw. berufsspezifischer Sprachkenntnisse erwünscht. Im berufsvorbereitenden Unterricht sind dagegen eher berufsfeldübergreifende fachsprachliche Strukturen sowie Techniken und Strategien für das selbstständige Weiterlernen zu vermitteln. <?page no="87"?> 76 Fachsprachenforschung Im DaZ-Kontext ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass insbesondere bei Jugendlichen nicht-deutscher Herkunftssprache - nicht selten aber auch bei erwachsenen Migranten in der berufbezogenen Qualifizierung - die Aneignung und Vermittlung fachbzw. berufssprachlicher Kompetenz häufig dadurch erschwert wird, dass nur eine geringe bildungssprachliche Kompetenz ( CALP/ Cognitive Academic Language Proficiency) vorliegt. Hier ist eine entsprechende fachbzw. berufsbezogene Zweitsprachenförderung angezeigt (vgl. Ohm et al. 2007). Fearns, A. (2003), „Fachsprachenunterricht“, in: Bausch, K.-R./ Christ, H./ Krumm, H.-J., Hrsg., Handbuch Fremdsprachenunterricht, 4. Aufl., Tübingen, 169- 174. - Funk, H. (2003), „Berufsbezogener Fremdsprachenunterricht“, in: Bausch, K.-R./ Christ, H./ Krumm, H.-J., Hrsg., Handbuch Fremdsprachenunterricht, 4. Aufl., Tübingen, 175-179. - Ohm, U./ Kuhn, C./ Funk, H. (2007), Sprachtraining für Fachunterricht und Beruf. Fachtexte knacken - mit Fachsprache arbeiten, Münster. Udo Ohm Fachsprachenforschung, die: Eine genuin sprachwissenschaftliche F. hat sich erst im 20. Jh. entwickelt. War sie bis zur Mitte des 20. Jhs. vornehmlich am Fachwortschatz orientiert, haben sich seitdem verschiedene Forschungsschwerpunkte herausgebildet. Roelcke nennt u.a. die Gliederung von Fachsprachen, die lexikalische Semantik von Fachsprachen, die Grammatik von Fachsprachen, die fachsprachliche Textlinguistik, die fachsprachliche Pragmatik und Kommunikationswissenschaft (Roelcke 2005, 187-188). Das Verhältnis von F. und Fachsprachendidaktik wird unterschiedlich beurteilt (vgl. Fluck 1992, 8-12). Einerseits werden Positionen vertreten, die davon ausgehen, dass Fachsprachendidaktik auf Ergebnisse der F. angewiesen ist. Andererseits gibt es Stimmen, die die Produktivität der F. für die Fachsprachendidaktik eher gering einschätzen. Ein grundlegendes Defizit besteht dabei aus Sicht der Fachsprachendidaktik darin, dass F. bisher kaum systematische Erkenntnisse über die kommunikative Funktion von Fachsprache in Situationen beruflichen Handelns bereitgestellt hat. Exemplarisch seien zwei Forschungsdesiderata benannt: 1. Die in der Fachsprachendidaktik längst vollzogene Hinwendung zur Vermittlung fachbzw. berufsbezogener kommunikativer Kompetenz müsste mit Forschungen zur mündlichen Kommunikation unterstützt werden. Insbesondere mit Blick auf interkulturelle Kompetenz zählt dazu auch die bisher noch kaum untersuchte fachliche Körpersprache (vgl. Kalverkämper 2000). 2. Obwohl in der Fachtextlinguistik kommunikative Aspekte eine wesentliche Rolle spielen (Schoenke 2000, 127 f.), ist die funktionale Interpretation sprachlicher Erscheinungen auf lexikalischer und syntaktischer Ebene häufig unzureichend (Roelcke 2005, 189) und daher für den Einsatz in Lehr-/ Lernkontexten wenig produktiv. Wünschenswert wären systematische Untersuchungen zur kommunikativen und kognitiven Funktion von Fachtextsorten in Situationen beruflichen Handelns. Fluck, H.-R. (1992), Didaktik der Fachsprachen, Tübingen. - Kalverkämper, H. (2000), „Fachliche Körpersprache“, in: Baumann, K.-D./ Kalverkämper, H./ Steinberg-Rahal, K., Hrsg., Sprachen im Beruf. Stand - Probleme - Perspektiven, Tübingen, 45-81. - Roelcke, T. (2005), Fachsprachen, 2. Aufl., Berlin. - Schoenke, E. (2000), „Textlinguistik im deutschsprachigen Raum“, in: Brinker, K./ Antos, G./ Heinemann, W./ Sager, S.F., Hrsg., Text- und Gesprächslinguistik. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung, Bd. 16.1, Berlin/ New York, 123-131. Udo Ohm Fachsprachenunterricht, der: s. Fachsprachendidaktik Fachtext, der: Anknüpfend an allgemeine Theoriebildungen zum Untersuchungsgegenstand Text kann auch beim F. zwischen einer textinternen und einer textexternen Beschreibungsebene unterschieden werden. Die textinterne Sicht fokussiert auf strukturelle Erscheinungen im Sinne einer Textgrammatik. Für F. ist hier der präzise und hochfrequente Einsatz von verweisenden (Pronomen; Pronominaladverbien: dabei, hieraus, wodurch) und gliedernden sprachlichen Mitteln (z.B. Textadverbien: erstens, zweitens … schließlich; einerseits … andererseits; ferner etc.) typisch. Die textexterne Perspektive geht von der kommunikativen Funktion eines F. in Situationen fachsprachlichen Handelns aus. Dabei muss in allen Fächern und Berufen ein breites Spektrum schriftlicher und mündlicher Fachtextsorten mit unterschiedlichen gemeinsprachlichen Anteilen berücksichtigt werden (vgl. wissenschaftlicher Aufsatz, Geschäftsbrief, telefonische Meldung einer Maschinenstörung). Im DaF/ DaZ-Kontext bieten die strukturellen Merkmale von F. Anknüpfungspunkte für die Förderung von Leseverstehen (vgl. Ohm et al. 2007). Im Bereich der Sprachproduktion <?page no="88"?> Faktorenanalyse 77 können strukturelle Erscheinungen und sprachliche Mittel systematisch im Hinblick auf ihre kommunikative Funktion in Situationen fachlichen bzw. beruflichen Handelns vermittelt werden (z.B. schriftliche Reklamation: Adjektive zur Beschreibung von Mängeln, Modalverben zum Ausdruck von Notwendigkeit, Möglichkeit etc.; präzise Lokalisierung der Zugänglichkeit von Arbeitsmitteln mittels Lokaladverbialien u.v.a.m.; vgl. Online-Module unter www.sprachtrainingberuf.de). Ohm, U./ Kuhn, C./ Funk, H. (2007), Sprachtraining für Fachunterricht und Beruf. Fachtexte knacken - mit Fachsprache arbeiten, Münster. Udo Ohm Fachverband Deutsch als Fremdsprache (FaDaF): Verein, Interessenvertretung für Einrichtungen und Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland in wissenschaftlicher Lehre und Forschung und/ oder in unmittelbar unterrichtsbezogenen Zusammenhängen der Vermittlung von DaF und DaZ tätig sind; Mitglied des Internationalen Deutschlehrerverbandes. Der FaDaF vertritt das Fach DaF/ DaZ und öffentliche wie private Einrichtungen im Zusammenhang der o. gen. Arbeitsfelder, unterstützt Lehrkräfte an Hochschulen im In- und Ausland sowie den wissenschaftlichen Nachwuchs, setzt sich für das Studium von Ausländern in Deutschland ein und führt die Fachaufsicht über die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang, ein Prüfungsformat zur Einstufung und Feststellung deutschsprachlicher Kompetenz für die Zulassung zum Fachstudium an deutschen Hochschulen. Fortlaufende Aktivitäten und Veröffentlichungen: Jahrestagung DaF, Fachtagungen u. Arbeitskreise, Regionaltreffen, Mitgliederzeitung „FaDaF aktuell“, „Materialien DaF“ (MatDaF). Der FaDaF kooperiert eng mit verschiedenen Organisationen, wie z.B. dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, dem Goethe-Institut, dem BAMF. Internetadresse: www.fadaf.de Brigitte Sorger Fachwortschatz, der: Der Begriff F. bezeichnet aus systemlinguistischer Sicht die Gesamtheit der Lexeme eines fachlichen Sprachsystems. Da F. die Inhalte eines Fachs am offensichtlichsten repräsentiert, wird Fachsprache vielfach kurzerhand damit gleichgesetzt. Diese Auffassung ignoriert aber die syntaktischen, textuellen und kommunikativen Besonderheiten von Fachsprachen. Wesentliche Merkmale von F. sind Terminologisierung, Differenzierung und Systembildung. Innerhalb eines F. haben Fachwörter eine begrifflich präzise, häufig genormte Bedeutung (z.B. Spannung in Mechanik und Elektrotechnik). Im Berufsalltag sind aber auch nicht-genormte Fachwörter anzutreffen (z.B. Mäuschen für Lammfellwalze). Begriffliche Differenzierungen sind bei Substantiven z.B. durch Modifikation mit Adjektiven (anatomische vs. chirurgische Pinzette) möglich. Systematische Wortbildungen können z.B. durch Komposition erfolgen (Frisierkamm, Strähnenkamm, Toupierkamm etc.). Die Übergänge vom F. zum Wortschatz der Gemeinsprache sind fließend. Einerseits kommt fachbzw. berufssprachliche Kommunikation nicht ohne gemeinsprachliche Lexik aus, anderseits finden Fachwörter im Berufsalltag - insbesondere im Kundenkontakt - laufend Eingang in die Gemeinsprache. Für den berufsbezogenen DaF/ DaZ-Unterricht ist daher eine textbzw. pragmalinguistische Perspektive auf F. zu bevorzugen, die lexikalische Mittel im Hinblick auf ihren Gebrauch und ihre Funktion in Texten und Situationen beruflichen Handelns systematisiert. Udo Ohm FaDaF: s. Fachverband Deutsch als Fremdsprache Faktitiv: 1. synonym für kausativ gebraucht, 2. bezeichnet jenes Objekt, das durch das im Verb ausgedrückte Geschehen hervorgerufen oder bewirkt wird: z.B. Klaus baut eine Sandburg, im Gegensatz zum affizierten Objekt, das von der im Verb ausgedrückten Handlung direkt betroffen ist: Klaus streicht das Fenster. Mandy Höhle Faktorenanalyse, die: Sammelbegriff für unterschiedliche multivariate statistische Forschungsmethoden zur Analyse quantitativer Daten, die Zusammenhänge zwischen mehreren wechselseitig voneinander abhängigen, nicht immer genau bestimmbaren Variablen explorieren, indem sie diese anhand ihrer Korrelationen in möglichst wenige voneinander unabhängige hypothetische Konstrukte (= Faktoren oder <?page no="89"?> 78 Faktorenkomplexion Hauptkomponenten) klassifizieren. Das Verfahren wird angewendet, um zu sehen, ob sich z.B. hinter unterschiedlichen Items eines Fragebogens „latente“ Einflussgrößen verbergen. Faktoren sind Bündel von Variablen, die untereinander hoch korrelieren; korrelieren Variablen nur schwach oder gar nicht miteinander, gehören sie unterschiedlichen Faktoren an. Korreliert eine Variable stark mit einem Faktor, bezeichnet man dies als hohe Faktorladung. Laden mehrere Variablen auf einen Faktor hoch, bedeutet dies, dass die Variablen denselben Inhalt messen. In Teilschritten (z.B. Eigenwertbestimmung der Faktoren, Rotation) werden die wichtigsten Faktoren ermittelt. Wird mehr als ein Faktor ermittelt, ist dies ein Beleg dafür, dass die Variablen mehrere Dimensionen erfassen. Die Interpretation und Bezeichnung der ermittelten Faktoren - das Aufspüren der gemeinsamen Inhalte der zugehörigen Variablen - bleibt dann Aufgabe des Forschers und ist immer subjektiv geprägt. Eine wichtige Voraussetzung für F. ist, dass die verwendeten Daten aus einer relativ homogenen, normalverteilten Stichprobe stammen. Backhaus, K. u.a. (2006), Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung. 11. üb. Aufl., Berlin/ Heidelberg. Claudia Riemer Faktorenkomplexion, die: bezeichnet die Summe und das Interagieren all derjenigen Variablen, die unterrichtliches Lernen ausmachen. Dieses ursprünglich aus der Pädagogik kommende Konzept wurde zu einem der zentralen Konzepte bei der Erforschung des unterrichtlich gesteuerten Lehrens und Lernens fremder Sprachen ( Forschungsmethodologie). Um fremdsprachliches Lernen angemessen erfassen, erklären und verbessern zu können, ist es notwendig, die unterrichtskonstituierenden Variablen in ihrer Ausprägung und ihrer Beziehung zueinander zu kennen. Unterricht im Allgemeinen, Fremdsprachenunterricht im Besonderen wird dabei als je eigener Fall von Lernen bzw. Fremdsprachenlernen interpretiert: Die Qualität des Lernvorgangs wird durch die Qualität der einzelnen Variablen und ihre Beziehung zueinander bestimmt. Für die Sprachlehrforschung wurde die F. zu einem zentralen Paradigma: Zum einen wurde damit die Spezifik des Gegenstands betont und grundsätzlich von außerunterrichtlichen ‚natürlichen‘ fremdsprachlichen Aneignungsvorgängen unterschieden. Zum anderen machte dieses Paradigma eine Ausdifferenzierung des forschungsmethodischen Inventars notwendig. Die F. gilt in der Sprachlehrforschung als anerkanntes Erklärungsmodell für fremdsprachliches, unterrichtsgebundenes Lernen und Lehren; eine Kontrolle all dieser Variablen wird zwar als wünschenswert, aber beim derzeitigen Stand auch als utopisch angesehen. Königs, F. G. (1983), Normenaspekte im Fremdsprachenunterricht, Tübingen. Frank G. Königs fakultativ: Eine syntaktische Einheit ist f., wenn man sie aus einer gegebenen Konstruktion weglassen kann, ohne dass die Konstruktion ungrammatisch wird. Zum Beispiel sind Attribute oder Adverbialbestimmungen oft f.: Der (wackere) Streiter (für Gerechtigkeit) errötete (leicht). In der Valenzgrammatik unterscheidet man zwischen f. und obligatorischen Ergänzungen. Bspw. ist in Emil isst Spargel. das Objekt eine f. Ergänzung, in Emil verzehrt Spargel. ist das Objekt eine obligatorische Ergänzung. Angaben sind i.d.R. nur f. Klaus Welke falsche Freunde, die: Wörter zweier Sprachen, die im Schrift- und Klangbild gleich oder ähnlich sind, aber unterschiedliche Bedeutung ( Semantik) haben; dies führt zu Fehlern in der Zielsprache ( Interferenzfehler). F.F. weisen folgende Merkmale auf: - Sie betreffen zwei oder mehrere Sprachen, treten häufig bei etymologisch verwandten Sprachen oder Sprachen, die in engem Kontakt stehen, auf, - Sie sind in lautlicher und graphischer Form völlig oder teilweise identisch, haben aber unterschiedliche Bedeutung, - Sie führen auf Grund von Übereinstimmungen/ Ähnlichkeiten zum falschen Gebrauch (semantischen Verstößen) und somit zu Kommunikationsstörungen/ Missverständnissen, - Sie können nach verschiedenen formalen und inhaltlichen Kriterien klassifiziert werden. Im DaF/ DaZ-Unterricht sollte, - je nach Ausgangssprache der Lernenden - bereits im Anfängerunterricht beim Wortschatzlernen auf f.F. aufmerksam gemacht werden. Sagt z.B. ein englischer Lerner *Ich kaufe meinem Bruder ein Gift., so kann dies zu schwerwiegenden Missverständnis- <?page no="90"?> Fehler 79 sen führen, obwohl ihm gift aus der Muttersprache sehr vertraut ist. Engl. Gift = dt. das Geschenk, dt. das Gift = engl. poison. Wörterbücher und Wortlisten zu f.F. können nützliche Hilfen sein. Kroschwewski, A., (2000), „False Friends“ und „true friends“, Ein Beitrag zur Klassifizierung des Phänomens der intersprachlich-heterogenen Referenz und deren fremdsprachendidaktischen Implikationen, Frankfurt a.M. - Müller, W., (1973), Leicht verwechselbare Wörter, Duden-Taschenwörterbücher, Bd. 17. Silke Demme Falsifikation: Nachweis des Nichtzutreffens einer Hypothese oder Theorie als Ergebnis einer hypothesentestenden empirischen Untersuchung (Gegenteil: Verifikation). Voraussetzung für die F. ist, dass die Hypothese logisch widerlegbar und exakt formuliert und operationalisierbar ist. Nach der klassischen Wissenschaftstheorie (nach Karl Popper) gilt eine Hypothese so lange als gültig, bis sie widerlegt ist. Wenn eine Hypothese nicht falsifiziert werden kann, bedeutet dies noch nicht, dass sie richtig ist. Universelle Hypothesen (z.B. „Kein erwachsener L2-Lerner erreicht in der L2- Syntax muttersprachliches Niveau.“) sind prinzipiell nicht verifizierbar, aber durch das Auffinden eines einzigen konträren Falls endgültig falsifiziert. Claudia Riemer Familienähnlichkeit, die: Terminus für Beziehungen, die auf Ähnlichkeiten bezüglich äußerer Merkmale innerhalb einer kategorial gleichen Grundmenge beruhen; im auf das Deutsche bezogenen sprachwissenschaftlichen Kontext wären dies etwa Ähnlichkeiten, die mit den Paradigmeneigenschaften der Wortarten (z.B. VERB: + Flexion + Valenzträger ( Valenz) etc.; SUB- STANTIV: + Deklination + Genus etc.) und der je konkreten morphosyntaktischen Gestalt ihres Auftretens zusammenhängen. Dabei begründet F. regelähnliche Interrelationen (vgl. etwa singen - sang - gesungen; trinken - trank - getrunken u.a.), die lernunterstützend wirksam sind, verursacht aber ggf. auch Transfererscheinungen ( Transfer), die zunächst nicht zielführend sind (vgl. z.B. die Stammformen von singen und bringen). Relationen im Sinne von F. sind von weitreichender Bedeutung für das Verständnis von Lernvorgängen und die Anlage von Gedächtnissen (vgl. Pinker 2000 sowie Sprachverarbeitung; Konnektionismus), sowie für daraus ableitbare methodisch-didaktische Arrangements der Förderung des Fremdsprachenerwerbs (vgl. Barkowski 2006). Pinker, S. (2000), Wörter und Regeln: die Natur der Sprache, Heidelberg/ Berlin, 363-389. - Barkowski, H. (2006), „Processability - Words & Rules - Konnektionismus: Drei Modellierungen der Sprachverarbeitung und ihre Bedeutung für das Lernen und Lehren von Fremdsprachen“, in: Krumm, H.-J./ Portmann-Tselikas, P. (Hrsg.), Theorie und Praxis. Österreichische Beiträge zu Deutsch als Fremdsprache, Bd. 9, Innsbruck, 27-42. Hans Barkowski Feedback, das: In der Unterrichtspraxis versteht man unter F. primär die Rückmeldung zw. den Lernenden und den Lehrenden im Unterrichtsprozess bzw. in tutorisierten Online-Lernangeboten sowie, in einem weiter gefassten Verständnis, auch die Rückmeldungen unter Lernenden (z.B. in unterrichtlichen Gruppenarbeitsprozessen; in IT-gestützten Chats u.a.m.) oder die vorprogrammierten Reaktionen einer interaktiv strukturierten Lernsoftware auf die Lernprozeduren der Nutzer. Hauptziele des F.: Evaluation des Lernprozesses, der Lehr-/ Lernergebnisse sowie eingesetzter Materialien u. methodisch-didaktischer Arrangements unter Aspekten der Prozesssteuerung sowie der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung. Bastian, J./ Combe, A./ Langer, R. (2003), Feedback-Methoden. Erprobte Konzepte, evaluierte Erfahrungen, Weinheim u.a. Verena Merlingen Fehler, der: Als F. werden i.d.R. Abweichungen von geltenden Normen und/ oder Verstöße gegen die sprachliche Richtigkeit und Angemessenheit bezeichnet. Eine genaue Definition hängt vom jeweiligen Erkenntnisinteresse (z.B. Fehleranalyse, Fehlerdidaktik) oder von ihrem Stellenwert in der Bewertung von Lernerleistungen ab. F. können z.B. gesehen werden als Systemverstoß und damit als sprachlich unakzeptable Äußerung, die mit einem reinen Verstoß gegen das Regelsystem einer Sprache zutunhat(z.B.ich arbeitet*). Sie können als Verstoß gegen den Sprachgebrauch gelten, der dann allerdings alle in deutschsprachigen Ländern vorkommenden Varietäten und Varianten umfassen müsste. Sie können darüber hinaus gegen die Situationsangemessenheit verstoßen. Es könnte sich dabei also um grammatisch korrekte Äußerungen handeln, die aber in <?page no="91"?> 80 Fehleranalyse einer Situation z.B. als unhöflich betrachtet würden. Auch unterrichts- und lernstandsbezogene Kriterien können in die Bestimmung dessen, was als Fehler gelten soll, eingehen. Dabei wird ein zu beurteilendes Sprachphänomen in bestimmten Situationen oder zu bestimmten Zeitpunkten nicht als F. gewertet. Hierbei wird allerdings die Ebene der reinen Beschreibung des fehlerhaften Sprachprodukts verlassen und ein didaktisch begründeter Standpunkt einbezogen. Ausgehend von ihrer jeweiligen Oberflächenstruktur können F. unterschiedlichen Kategorien zugeordnet werden (z.B. phonetischer, orthographischer, morphologischer, syntaktischer, lexikalischer, kontextueller, stilistischer, pragmatischer F.). F. entstehen im Sprachlernprozess z.B. durch Transferieren aus der Muttersprache und anderen Sprachen in die Zielsprache (interlinguale Interferenz; Interferenzfehler), durch Übergeneralisieren einer fremdsprachlichen Kategorie oder Regel innerhalb der Zielsprache (intralinguale Interferenz), durch Regularisieren, Simplifizieren oder auch durch Einsetzen von bestimmten Kommunikations- und Lernstrategien. F. können auch eingeteilt werden in noch systematisch auftretende Kompetenzfehler und in Performanzfehler, d.h. F., die im Sprachgebrauch nicht mehr systematisch auftauchen. Cherubim, D., Hrsg. (1980), Fehlerlinguistik. Beiträge zum Problem der sprachlichen Abweichung, Tübingen. - Kielhöfer, B. (1975), Fehlerlinguistik des Fremdspracherwerbs, Kronberg. - Kleppin, K. (1998), Fehler und Fehlerkorrektur, Berlin et al. Karin Kleppin Fehleranalyse, die: auch: Fehlerlinguistik; hervorgegangen aus dem Anspruch der Kontrastivhypothese, Fehler und die in diesem Konzept damit verbundenen Lernschwierigkeiten durch eine kontrastive Analyse von Ausgangs- und Zielsprache vorhersagen und/ oder erklären zu können. Es werden systematisch einzelne Lernerfehler untersucht, die bei der mündlichen und/ oder schriftlichen Produktion im ungesteuerten sowie gesteuerten Fremdsprachenerwerb auftreten. Ausgehend von ihrer jeweiligen Oberflächenstruktur werden sie in einer Fehlerbestimmung unterschiedlichen Kategorien zugeordnet (z.B. phonetischer, orthographischer, morphologischer, syntaktischer, lexikalischer, kontextueller, stilistischer, pragmatischer Fehler). Darüber hinaus wird versucht festzustellen, inwieweit die sprachlichen Abweichungen Indizien für beschreibbare mentale Prozesse sind, ob Fehler entstanden sind z.B. durch Transferieren aus der Muttersprache und anderen Sprachen in die Zielsprache (interlinguale Interferenz; Interferenzfehler), durch Übergeneralisieren einer fremdsprachlichen Kategorie oder Regel innerhalb der Zielsprache (intralinguale Interferenz), durch Regularisieren, Simplifizieren oder auch durch Einsetzen von bestimmten Kommunikations- und Lernstrategien. Ziel solcher F. soll einerseits sein, Erkenntnisse über den Stand und die Entwicklung von Lernersprachen zu gewinnen. Dabei wird z.B. auch eingeschätzt, ob es sich bei dem jeweiligen Fehler um einen noch systematisch auftretenden Kompetenzfehler oder um einen im Sprachgebrauch nicht systematisch erscheinenden Performanzfehler handelt. Andererseits sollen die Bestimmung von Fehlertypen und die Analyse von Fehlerursachen dabei helfen, Aussagen zu Fehlerbewertungen, zur Fehlerprophylaxe, Fehlertherapie bzw. Fehlerkorrektur zu machen. In der neueren fremdsprachendidaktisch orientierten Forschung spielt die F. kaum mehr eine Rolle. Dies hängt damit zusammen, dass die alleinige Konzentration auf fehlerhafte Äußerungen aufgegeben wurde und Fehler als ein Teil in der Übergangskompetenz in der insgesamt zu beschreibenden Lernersprache betrachtet werden. Außerdem gehen Forschungsarbeiten zur Lernersprache mittlerweile über eine rein linguistisch orientierte Analyse sprachlicher Äußerungen hinaus. Insbesondere in der Fehlerdidaktik des Faches DaF/ DaZ ebenso wie in der Auslandsgermanistik werden F. jedoch auch weiterhin zur Bestimmung von Lernproblemen sowie als Grundlagen für die Fehlertherapie oder zumindest die Fehlererklärung genutzt. Da Lernende durchweg ihre Erstsprache mit der zu erlernenden Fremdsprache vergleichen, wird versucht, diese Neigung zum Sprachvergleich auch didaktisch zu nutzen ( Sprachvergleich). Cherubim, D., Hrsg. (1980), Fehlerlinguistik. Beiträge zum Problem der sprachlichen Abweichung, Tübingen. - Kielhöfer, B. (1975), Fehlerlinguistik des Fremdspracherwerbs, Kronberg. - Henrici, G./ Zöfgen, E., Hrsg. (1993), Themenheft: Fehleranalyse und Fehlerkorrektur. Fremdsprachen lehren und lernen, 22. Karin Kleppin Fehlerdiagnose, die: genaue Bestimmung der Fehlerkategorie (z.B. phonetischer, orthographischer, morphologischer, syntaktischer, lexikali- <?page no="92"?> Fehlerkorrektur 81 scher, kontextueller, stilistischer, pragmatischer Fehler), der Fehlerursache (z.B. interlinguale, intralinguale Interferenz) und des Fehlerortes in einer Lernerproduktion. Sie ist Bestandteil der Fehlerkorrektur und Fehlerdidaktik und kann zur Fehlerbewertung und -gewichtung herangezogen werden. Cherubim, D., Hrsg. (1980), Fehlerlinguistik. Beiträge zum Problem der sprachlichen Abweichung, Tübingen. - Kielhöfer, B. (1975), Fehlerlinguistik des Fremdspracherwerbs, Kronberg. Karin Kleppin Fehlerdidaktik, die: umfasst die Fehlerkorrektur in ihrer Funktion als Lernhilfe und die vielfältigen Möglichkeiten, Aufgaben und Übungen im Unterricht einzusetzen, die einen lernfördernden Umgang mit Fehlern erlauben. In der F. stehen z.B. folgende Ziele im Vordergrund: - Lernern wird der mögliche positive Stellenwert von Fehlern im Lernprozess bewusst. - Lerner erkennen die Fehler und Fehlertypen (z.B. phonetisch-phonologische, morpho-syntaktische, lexiko-semantische, pragmatische Fehler), die bei ihnen gehäuft auftreten. - Lerner erkennen Fehlerursachen (z.B. Interferenzen, Übergeneralisierungen), durchschauen ihren eigenen Lernprozess und entwickeln Sprachbewusstheit. - Lerner richten ihre Kommunikations- und Lernstrategien daraufhin aus, Fehler als Lernanlass zu nutzen (z.B. angstfreier Umgang mit Fehlern und entsprechenden Aufgaben und Übungen, bewusstes Hypothesentesten, bewusstes Verarbeiten von Korrekturen wie z.B. Erstellen von eigenen Fehlerprotokollen). Die Fehlerbewertung steht in enger Verbindung zur F. Da Fehler in den letzten Jahren nicht mehr als Indikator für mangelnde Leistung gelten, hat sich auch das Vorgehen bei der Fehlerbewertung verändert. Es geht nicht mehr darum, einen Zählwert für Fehler zu erhalten und dabei eine Gewichtung von Fehlern mit einzubeziehen, also einen Fehlerquotienten (Fehleranzahl : Wortanzahl) zu errechnen. Vielmehr wird der Grad der Korrektheit beurteilt. Dabei orientiert man sich an den positiven Kann-Beschreibungen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens und bezieht dabei z.B. Kriterien wie Verständlichkeit und Häufigkeit des Auftretens bestimmter Fehlertypen mit ein. Lernmaterialien, die dazu dienen, sich mit den eigenen Fehlern zu beschäftigen und sie in Zukunft zu vermeiden, existieren für unterschiedliche Sprachen (für DaF vgl. Heringer 2001, Rug/ Tomaszewski 1996). Demme, S. (2001), „„… über Fehler beim Fremdsprachenlernen sollten wir noch viel mehr erfahren.“ Wie DaF-Studierende ihre Erfahrungen im Umgang mit Fehlern beim Fremdsprachenlernen reflektieren“, in: Aguado, K./ Riemer, C. (Hrsg.), Wege und Ziele. Zur Theorie, Empirie und Praxis des Deutschen als Fremdsprache (und anderer Fremdsprachen), Perspektiven Deutsch als Fremdsprache, Bd. 15, Hohengehren, 227-244. - Heringer, H. J. (2001), Fehlerlexikon. Deutsch als Fremdsprache, Berlin. - Kleppin, K. (1995), „Fehler als Chance zum Weiterlernen“, in: Fremdsprache Deutsch. Sondernummer Fremdsprachenlerntheorie, 22-26. - Rug, W./ Tomaszewski, A. (1996), Meine 199 liebsten Fehler, Stuttgart. Karin Kleppin Fehlerkorrektur, die: zu unterscheiden sind die Selbst- und die Fremdkorrektur. Im Zusammenhang mit der Selbstkorrektur wird auch der Begriff Reparatur benutzt. Die F. ist eng verbunden mit der Einstellung zu Fehlern beim Lernprozess und bei der Fehlerdiagnose. In der Fremdsprachendidaktik steht insbesondere die lehrerseitige Korrektur von schriftlichen und mündlichen Lernerprodukten im Mittelpunkt von Untersuchungen und sich daraus ableitenden Empfehlungen. Fragestellungen für die Forschung betrafen vor allem die im Unterricht erfolgende mündliche F.; dazu gehören z.B.: Sollen Fehler korrigiert werden oder verschwinden sie im Verlaufe des Lernprozesses von selber? Zu welchem Zeitpunkt sollen Fehler korrigiert werden (sofort nach dem Fehler, nach einer Äußerungssequenz, in einer späteren Korrekturphase)? Welche Fehler sollen korrigiert werden? Wie sollen sie korrigiert werden (z.B. direkt oder als Aufforderung zur Selbstkorrektur) und wer soll dies tun? Die F. ist darüber hinaus eng gekoppelt an die Problematik der Bewertung. In diesem Zusammenhang liegen Korrekturen auf einem Kontinuum zwischen der Grundlage für Bewertungen der Korrektheit von Lernerproduktionen und für fördernde Maßnahmen zum Weiterlernen ( Fehlerdidaktik). Kleppin, K. (1998), Fehler und Fehlerkorrektur, Berlin usw. - Kleppin, K. (2006), „Zum Umgang mit Fehlern im Fremdsprachenunterricht“, in: Jung, O. H. (Hrsg.), Praktische Handreichung für Fremdsprachenlehrer, Frankfurt a.M., 64-70. - Lochtmann, K. (2002), Korrekturhandlungen im Fremdsprachenunterricht, Bochum. - Tönshoff, W. (2005), „Mündliche Fehlerkorrektur im Fremdsprachenunterricht. Ein Blick auf neuere empiri- <?page no="93"?> 82 Feldergrammatik sche Untersuchungen“, in: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung, Jg. 16, Nr. 1, 3-22. Karin Kleppin Feldergrammatik, die: Grammatikansatz, der kommunikative Funktionen bzw. Inhaltsbereiche mit kommunikativer Funktion zum Ausgangspunkt der linguistischen Beschreibung macht (s.a. kommunikative Grammatik). Diese Inhaltsbereiche, wie z.B. eine Vermutung ausdrücken, etwas begründen, etwas vergleichen werden als Felder beschrieben, denen in systematischer, aber mehrfach vermittelter Weise bestimmte Sprachmittel entsprechen. Die F. fußt auf der Theorie des funktional-semantischen Feldes (Bondarko 1987). Indem die F. einen semantischpragmatischen Ausgangspunkt wählt, zielt sie auf folgende Aspekte: - Überwindung der Trennung von Grammatik und Lexik; - Darstellung von Ausdrucksbzw. Formenvielfalt ( Polymorphie); - Förderung einer Produktionskompetenz: Indem die F. von Inhaltsbereichen ausgeht, rückt sie Redebzw. Schreibabsichten in den Vordergrund; - Felder als Tertium comparationis. Vielversprechend ist ein onomasiologischer Zugang beim Fremdsprachenlernen für die Entwicklung aktiver zweisprachiger Grammatiken und die Förderung von Language-Awareness ( Onomasiologie). Bondarko, A.V. (1987), Teorija funkcional’noj grammatiki, (Theorie der funktionalen Grammatik. Einführung, Aspektualität, Zeitliche Lokalisiertheit, Taxis), Leningrad. - Buscha, J./ Freudenberg-Findeisen, R., Hrsg. (2007), Feldergrammatik in der Diskussion, Frankfurt a.M. Renate Freudenberg-Findeisen Feldforschung, die: Im Rahmen von F. werden Untersuchungsgegenstände nicht experimentell, sondern in ihrem natürlichen Kontext untersucht. F. folgt einem offen gehaltenen, qualitativen Forschungsansatz. Entscheidend für F. ist, dass die Untersuchungsteilnehmer in ihren alltäglichen Praktiken (z.B. im Fremdsprachenunterricht, in ihren alltäglichen sprachlichen Handlungsräumen) verbleiben, was artifizielle Forschungsergebnisse verhindern soll. F. ist von besonderer Relevanz für ethnographische Forschungsansätze, die mittels teilnehmender Beobachtungen und offener Befragungen im Rahmen von Längsschnittstudien und flexiblen Forschungsstrategien durchgeführt werden ( Ethnographie). Von Forschern werden dabei eine möglichst vorurteilsfreie und hinsichtlich der eigenen kulturell geprägten Haltung reflektierte Herangehensweise an das Feld sowie Teilnahme im Feld, die mit einem Feldforschungstagebuch dokumentiert wird, verlangt. Ethischen Fragen, v.a. zum Umgang mit Untersuchungsteilnehmern und Untersuchungsergebnissen, wird großes Gewicht beigemessen. Untersuchungsergebnisse sollen in Form dichter Beschreibungen publiziert werden. Da der Untersuchungskontext nicht manipuliert werden darf, ist die Kontrolle von Variablen nicht in Gänze möglich (eingeschränkte interne Validität), den Untersuchungsergebnissen wird aber eine hohe ökologische und externe Validität zugeschrieben. Claudia Riemer Femininum: s. Genus feministische Linguistik, die: geht davon aus, dass Sprache - d.h. das Sprachsystem und der Sprachgebrauch - geschlechterspezifisch geprägt ist. Die - ausschließlich von Frauen geführte - Frauenbewegung im Deutschland der 1970er Jahre bildete mit ihrer fundamentalen Gesellschaftskritik und ihren Bemühungen um neue, spezifisch weibliche Ausdrucksmöglichkeiten den Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit dem Thema Geschlecht und Sprache ( Frauensprache). Daraus entwickelte sich die f.L., die patriarchalische Strukturen in der Sprache wie auch im Sprachverhalten aufdeckte. Zentrale Forderung ist die sprachliche Gleichstellung der Frau, vor allem in morphologischer Hinsicht bei der Bezeichnung von Genus und Geschlecht, was zur expliziten Benennung des weiblichen Pendants in der Öffentlichkeit führte, z.B. Kommilitonen und Kommilitoninnen, Lehrerinnen und Lehrer. Umstritten ist, ob das hierfür vielfach eingeführte groß geschriebene Binnen-I (LehrerInnen) als sprachökonomische Lösung zulässig oder aber, da es nicht direkt gelesen werden könne und den Regeln der deutschen Schriftsprache (i.d.R. keine Großbuchstaben im Wortinnern) widerspreche, abzulehnen sei. Auf Anregung der f.L. wurden vielfach Leitfäden für geschlechtergerechten Sprachgebrauch entwickelt (vgl. Bundesministerium 1997). Da die Sensibilität für den geschlechtergerechten Sprachgebrauch im deutschen Sprachraum zuge- <?page no="94"?> Feststellungsprüfung 83 nommen hat, sollte das Thema auch im DaF/ DaZ- Unterricht behandelt werden (vgl. Frey 1997). Bundesministerium für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz, Hrsg. (1997), Anleitungen zu geschlechtergerechtem Sprachgebrauch (= Schriftenreihe der Frauenministerin Bd. 13), Wien. - Frey, E. (1997), „Überlegungen zum geschlechtsspezifisch orientierten Deutschlernen“, in: Zielsprache Deutsch 28 (2), 99-106. - Samel, I. (2000), Einführung in die feministische Sprachwissenschaft, 2. Aufl., Berlin. Mandy Höhle Fernstudium, das: bezeichnet eine Möglichkeit der Aus- oder Fortbildung, bei der wesentliche Teile des Studiums zu Hause in Form von schriftlichem oder audiovisuellem Material erarbeitet werden können und nur begrenzte Direktphasen insbesondere zur Lernberatung und bei Prüfungen stattfinden. Für Deutsch als Fremdsprache hat das vom Goethe-Institut und der Gesamthochschule Kassel entwickelte Fernstudienprojekt Maßstäbe gesetzt; die ca. 30 publizierten Fernstudieneinheiten dienen weltweit als Grundlage für die Lehrerfortbildung. Darüber hinaus bietet das Goethe- Institut auch in Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen Fernstudienkurse für unterschiedliche Voraussetzungen an. Verfahren des Blended learning werden bei den Online-Sprachkursen genutzt, um trotz Fernstudiums direkte Kontakte und Rückmeldungen zu ermöglichen. Internetadresse: www.goethe.de/ lrn/ prj/ fnu/ deindex. htm Hans-Jürgen Krumm Fertigkeit, die: 1. Historisch-methodengeschichtliche Entwicklung Der unterschiedliche Wert der vier F. in der Geschichte der Fremdsprachendidaktik ist abhängig von den Prinzipien der jeweiligen Methodenkonzepte und den Erkenntnissen der verschiedenen Bezugswissenschaften. Bei Vorherrschen der Mündlichkeit ( direkte Methode, audiolinguale Methode, audiovisuelle Methode, frühe kommunikative Didaktik) spielen Hören und Sprechen eine wichtige Rolle, in Konzepten, die Schriftlichkeit betonen ( Grammatik-Übersetzungs-Methode), stehen Lesen und Schreiben an erster Stelle. 2. Zum Begriff der Fertigkeiten Die klassischen vier F., Hören, Lesen, Sprechen, Schreiben, werden bestimmt durch den Charakter der sprachlichen Tätigkeit (rezeptiv versus produktiv), das Medium (akustisch versus graphisch) und den Zeitpunkt des Erwerbs (gleichzeitig versus versetzt) sowie mündlich (Hören und Sprechen) versus schriftlich (Lesen und Schreiben). F. sind eng an kulturelle Gegebenheiten gebunden und können im Unterschied zu Fähigkeiten nur bewusst erworben werden. Im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen ( GeRS) werden die F. als kommunikative Aktivitäten und Strategien, über die Lernende verfügen müssen und die sie einsetzen, um ihre Ressourcen zu mobilisieren, dargestellt. F. werden in produktive Aktivitäten und Strategien, zu denen das Sprechen und das Schreiben zählen, und in rezeptive Aktivitäten und Strategien, zu denen das Hören (auditive rezeptive Aktivität), das Lesen (visuelle rezeptive Aktivität) und das Sehen (audiovisuelle Rezeption, Sehverstehen) zählen, eingeteilt. Darüber hinaus rechnet der GeRS auch mündliche und schriftliche interaktive Aktivitäten und Strategien wie z.B. Diskutieren, Konversieren und Korrespondieren sowie die Sprachmittlung zu den kommunikativen Aktivitäten. 3. Rolle und Funktion im Fremdsprachenunterricht F. werden auch (Sprach-)Tätigkeiten genannt und sind das tragende Element des Fremdsprachenunterrichts. Ziel ist das Verstehen gesprochener und geschriebener Texte und die Befähigung zur eigenen mündlichen und schriftlichen Textproduktion. F. haben eine Doppelfunktion, sie sind Mittel und Ziel des Fremdsprachenunterrichts. Als Mittel des Sprachenlernens (Sprachverarbeitung) liegt die Priorität auf den rezeptiven F., die Betonung liegt auf dem Verstehen und der Verarbeitung des Verstandenen. Werden die F. als Ziel (Sprachverwendung) gesehen, steht die Integration und die Aufeinanderbezogenheit aller vier F. von Anfang an im Zentrum. Faistauer, R. (2001), „Zur Rolle der Fertigkeiten“, in: Helbig, G./ Götze, L./ Henrici, G./ Krumm, H. J. (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, 2. Halbband, Berlin, 864-871. - Krumm, H.-J. (2001), „Die sprachlichen Fertigkeiten: isoliert - kombiniert - integriert“, in: Fremdsprache Deutsch, 24, 5-12. Renate Faistauer Feststellungsprüfung, die: Die Bezeichnung F. ist die Abkürzung für „Prüfung zur Feststellung der Eignung ausländischer Studienbewerber für die Aufnahme eines Studiums an Hochschulen in <?page no="95"?> 84 Figura etymologica der Bundesrepublik Deutschland“. Sie dient dem Nachweis der Befähigung, in einer bestimmten Fachrichtung an einer wissenschaftlichen Hochschule zu studieren. Die F. ist für Fachhochschulen und Universitäten unterschiedlich und gilt nur für den jeweils gewählten Studienschwerpunkt. Ausländische Studienbewerber, deren Hochschulzugangsberechtigung mit der deutschen nur bedingt vergleichbar ist, müssen die F. vor Beginn des Fachstudiums ablegen. Sie bildet i.d.R. den Abschluss einer Ausbildung an einem Studienkolleg, kann aber auch extern abgelegt werden. Die F. besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil, wobei die schriftliche Prüfung in zwei Fächern des gewählten Schwerpunktkurses sowie Deutsch abgelegt werden muss. Der Deutschteil der F. gilt als ein für die Zulassung erforderlicher Sprachnachweis zum Studium und daher als der DSH, dem TestDaF, dem Großen Deutschen Sprachdiplom, der ZOP und dem KDS äquivalent. Liegt ein solches Zertifikat bereits vor, findet die F. ohne den Teil Deutsch statt. Die F. kann einmal, und zwar frühestens nach einem halben Jahr, wiederholt werden. Rahmenordnung für ausländische Studienbewerber, für den Unterricht an den Studienkollegs und für die Feststellungsprüfung. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 15. April 1994 i.d.F. vom 18.09.1998. Wolfgang Wegner Figura etymologica: Kombination eines Verbs mit einem Objekt derselben Wurzel: z.B. eine (gute) Tat tun, wodurch eine gesteigerte rhetorische Wirkung erzielt werden soll. Das Verfahren wird im Deutschen besonders bei intransitiven (also nicht objektfähigen) Verben eingesetzt (den Schlaf des Gerechten schlafen) und ist dann im Allgemeinen idiomatisiert. Lausberg, H. (2000), 10. Aufl., Elemente der literarischen Rhetorik, München. Konrad Ehlich Filmdidaktik, die: Teil der Fremdsprachendidaktik; F. verfolgt im Prinzip das allem Lehr-/ Lernhandeln übergeordnete Ziel der Vermittlung interkultureller und kommunikativer Kompetenz in der Fremdbzw. Zweitsprache und nutzt dazu die dem Film und dessen unterschiedlichen Formaten, Gattungen und Genres eigenen Qualitäten und Potenziale. Als Medium der Inszenierung und Simulation kontextgebundenen sprachlichen und nichtsprachlichen Handelns in der spezifischen, pointierten Verknüpfung von visuellen, verbalen und nonverbalen Kodes unterstützt Film einerseits die bewusste Wahrnehmung und unterrichtliche Berücksichtigung extra- und paraverbaler Kommunikationssignale Lautstärke, Sprechtempo, Körpersprache), andererseits bietet das Medium in seinen thematischen Fokussierungen und Informationsangeboten ebenso wie in den konkreten Dialogen einen attraktiven Fundus zur weiteren Nutzung im Unterricht: als Sprechanlässe; als Gegenstand der Landeskunde; für interkulturelle Vergleiche; als Vorbilder für dialogisches Sprechen und Rollenspiele oder auch zur Thematisierung des „Mediums Film“ selbst. Bei der Filmrezeption üben und vollziehen die Lernenden die Fertigkeit des Hör-Seh-Verstehens, überprüfen ihre Resultate in der Anschlusskommunikation, erlernen und praktizieren das Aushandeln von Bedeutung und die Versprachlichung subjektiver Wahrnehmungen. Biechele, B. (2006), „Film/ Video/ DVD in Deutsch als Fremdsprache - Bestandsaufnahme und Perspektiven“, in: Materialien Deutsch als Fremdsprache, Nr. 76, S. 309-328. - Kamp, W./ Rüsel, M. (1998), Vom Umgang mit Film, Berlin. - Wintersteiner, W., Hrsg. (2003), Film, Innsbruck. Tina Welke finit/ finites Verb: Verben treten stets in Verbformen auf. Man unterscheidet f. und infinite Verbformen. F. Verbformen sind im Unterschied zu infiniten Verbformen ( Infinitive und Partizipien) nach Person, Numerus, Tempus, Modus und Genus konjugiert. F.V. bilden allein oder mit anderen Wörtern bzw. Wortgruppen zusammen das Prädikat: Emil fragt etwas, Emil will nach etwas fragen, Emil stellt etwas in Frage. Klaus Welke flektierende Sprachen: F.S. sind eine Unterart der synthetischen Sprachen. Zu den f.S. werden die Sprachen gezählt, in denen grammatische Bedeutungen und syntaktische Beziehungen im Satz zu größeren Anteilen durch Flexion ausgedrückt werden, insbesondere durch die Deklination von Nomen und Adjektiven und die Konjugation von Verben. Als klassisches Beispiel für f.S. gilt Latein. Auch Deutsch zählt zu diesem Sprachtyp, des Weiteren Sanskrit, Altgriechisch sowie die slawischen, baltischen und viele andere indogermanische und <?page no="96"?> Flüssigkeit/ fluency 85 semitische Sprachen. Die wichtigsten Flexionsmittel im Deutschen sind Affixe (machen - machte, gehe - gehst), Ablaut (gehen - ging), Umlaut (Baum - Bäume) und Suppletion (gut - besser). Im Gegensatz zu agglutinierenden Sprachen sind in den f.S. die Grenzen zwischen den Morphemen häufig schwer erkennbar, da grammatische Morpheme mit den lexikalischen oft eng verschmolzen sind (z.B. durch Veränderungen im Wortstamm: Ablaut, Umlaut). Des Weiteren kann in f.S. ein grammatisches Morphem mehrere grammatische Kategorien vertreten, z.B. markiert -en in die Kinder schlafen gleichzeitig die 3. Person und den Plural. Somit werden in einem grammatischen Morphem mehrere Funktionen vereint (fusioniert). Deswegen werden f.S. gelegentlich auch als fusionale oder fusionierende Sprachen bezeichnet. Marina Matthey Flexion, die: Die F. ist die Beugung (Veränderung der Form eines Wortes) zum Ausdruck grammatischer Kategorien wie z.B. des Tempus einer Verbform - antwortete - oder des Kasus eines Substantivs - des Vaters. Grammatische Kategorien, die durch die F. ausgedrückt werden können, werden als Flexionskategorien bezeichnet. Die Gesamtheit aller Flexionsformen eines Wortes heißt Flexionsparadigma. Sprachen, in denen die Wörter flektiert werden, heißen flektierende Sprachen. Im Deutschen betrifft die F. folgende Wortarten: Substantive, Artikel und Pronomina ( Deklination), Verben ( Konjugation), Adjektive ( Komparation, Deklination) und manche Adverbien (Komparation). Nicht flektiert werden die meisten Adverbien (hier, da), Präpositionen (auf, um), Konjunktionen (als, wenn) und die Interjektionen (aha, tja). Die F. erfolgt im Deutschen mit Hilfe von grammatischen Morphemen, wobei diese oft mit dem Wortstamm verschmelzen. Es wird zwischen der äußeren und der inneren F. unterschieden. Erstere kommt durch Affixe (laufen - gelaufen, sagen - sagte) zum Ausdruck, die zweite durch Umlaut (Garten - Gärten), Ablaut (sprechen - sprach), Konsonantenwechsel (ziehen - zog) und Suppletion (bin - war). Marina Matthey Flexionskategorie, die: grammatische Kategorie, die durch Flexion ausgedrückt wird. Im Deutschen sind das folgende Kategorien: Kasus ( Substantiv, Adjektiv, Artikel, Pronomen), Numerus (Substantiv, Adjektiv, Artikel, Pronomen, Verb), Genus (Substantiv, Adjektiv, Artikel, Pronomen), Steigerungsstufe (Adjektiv und einige Adverbien), Person (Verb), Modus (Verb), Tempus (Verb) und Genus verbi (Verb). In flektierenden Sprachen, also auch im Deutschen, werden F. durch Flexive (Flexionsmorpheme) ausgedrückt. Ein Flexiv kann dabei mehr als eine F. vertreten, z.B. er sagt: -t steht für die F. Person und Numerus. Außerdem kann eine F. durch verschiedene Flexive ausgedrückt werden, z.B. -e, -en, -s und -er können die F. Plural ausdrücken. Marina Matthey Flexiv, das: auch: Flexionsmorphem, Flexem; ein gebundenes grammatisches Morphem, das zum Ausdruck einer Flexionskategorie dient. Das F. wird dem Derivationsmorphem (also einem Wortbildungsmorphem) gegenübergestellt, z.B. im Wort Kinder ist -er ein F., da es für die Flexionskategorie Plural steht, im Wort Lehrer ist -er hingegen ein Derivationsmorphem, weil damit vom Verb lehren ein neues Wort abgeleitet wird ( Derivation). Charakteristisch für die deutsche Sprache ist das Phänomen der Allomorphie im Bereich der F.. Das bedeutet, dass verschiedene F. zum Ausdruck derselben grammatischen Kategorie benutzt werden, z.B. sind -e, -er und -s Plural- Allomorphe/ -Alloflexe: Tisch - Tische; Lied - Lieder; Auto - Autos. Marina Matthey Flüssigkeit, die/ fluency: qualitativer Aspekt des mündlichen Sprachgebrauchs; einerseits meint F. die beinahe mühelos spontane und fließende Sprachverwendung (vgl. Niveaustufe C1 des GeR), andererseits zeigt sich F. durch automatisierte, lexikalisierte Sequenzen auch in der Sprachproduktion der Lernenden unterschiedlicher Niveaustufen sowie an höherer Produktionsgeschwindigkeit, Sicherheit und Verfügbarkeit sprachlicher Strukturen. F. ist im DaF-/ DaZ-Unterricht u.a. durch Automatisierungsübungen trainierbar, v.a. aber ein Ergebnis kontinuierlicher und frequenter Sprachpraxis. Dabei muss die erreichte F. des Ausdrucks nicht einem Korrektheitsgrad gleichen Niveaus entsprechen (s. dazu ggf. Zweitspracherwerbstheorie). Leeson, R. (1975), Fluency and language teaching, London. Gundula Scherf <?page no="97"?> 86 Focus Focus: Komplementärbegriff zu Topic; Synonym zu Rhema ( Thema-Rhema-Gliederung) focus on form: s. Fokus auf Form Fokus auf Form: bezeichnet eine Unterrichtsphase in einem inhalts- und aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht, in dem der Fokus explizit auf Sprachstrukturen einschließlich der Textgrammatik und der Regeln der Wortbildung liegt. Ellis unterscheidet focus on form von focus on forms, wobei letzterer einen grammatisch-zentrierten Unterricht meint. F.a.F. dagegen geht davon aus, dass grammatische Regeln nur thematisiert werden sollten, wenn sich das Bedürfnis dazu auf Seiten der Lernenden im Rahmen einer inhaltlichen Aufgabenstellung ergibt, da andernfalls die Lernenden den Strukturen keine nachhaltige Verarbeitungsaufmerksamkeit widmen. Damit ergibt sich eine Unterrichtsphasierung, in der an Anfang und Ende einer Sequenz inhaltliche Aufgaben stehen und zu einem von den Lernern zu bestimmenden Zeitpunkt eine Kognitivierungsphase stattfindet Lehrphasen). Die Problematik in der Umsetzung dieses Ansatzes im Lehrwerk ergibt sich aus der Tatsache, dass diese bereits ein im funktionalen Verhältnis zu den Lernzielen stehendes Kognitivierungsangebot vorbereiten müssen ( Kognitivierung) und daraus, dass individuelle Lerner zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in Bezug auf unterschiedliche Regeln Systematisierungsbedürfnisse haben, die u.U. mit Mitteln unterrichtlicher Binnendifferenzierung nicht auszugleichen sind. Doughty, Catherine (2001), „Cognitive underpinnings of focus on form“, in: Robinson, P., Cognition and Second Language Instruction, Oxford, 206-257. Hermann Funk Fokuspartikel, die: Charakteristisch für lexikalische Einheiten, die als Partikel klassifiziert werden können, ist, dass sie je nach Verwendungsweise auch anderen Lexemklassen zugeordnet werden können (z.B. Sie ist oft allein (Modaladverb) vs. Sie allein ist schuld daran (F.)). Partikeln erfüllen unterschiedlichste Funktionen, F. heben bestimmte Teile eines Satzes hervor. Sie bilden zusammen mit ihrer Konstituente den Kern der Information (Fokus) im Satz, d.h. die F. markiert den Teil des Satzes, der den größten Mitteilungswert besitzt. F. setzen voraus, dass Alternativen zu ihrem Bezugswort vorhanden sind. Dabei werden zwei Arten von F. unterschieden: inklusive oder additive F., die andere Möglichkeiten einschließen (z.B. Sogar/ selbst/ auch/ besonders Klaus spielte mit.) und exklusive oder restriktive F., die Alternativen ausschließen (z.B. Einzig/ nur/ allein/ bloß Klaus spielte mit.) Mandy Höhle Foreigner Talk, der: auch: Fremdenregister. Muttersprachler vereinfachen dabei in der Kommunikation mit Fremdbzw. Zweitsprachensprechern ihre Alltagsvarietät, um sie verständlicher (= in einfacherer Form) zu machen, z.B. Du morgen Doktor gehen, verstehen? Die gut gemeinte Verständnishilfe hält die Lernenden langfristig von den grammatisch korrekten Äußerungsstrukturen ab und behindert daher den Erwerbsprozess; häufig drückt das undifferenzierte „Heruntersprechen“ (respektloses du statt höfliches Sie) auch soziale Diskriminierung aus. Merkmale u.a.: langsames Sprechtempo mit Überartikulation (phonologische Ebene), starke Vereinfachung der Deklination und Konjugation, z.B. VerbenimInfinitiv(syntaktische Ebene),Vermeidung schwieriger, weniger gebräuchlicher durch Paraphrasierung mittels einfacher, oft allgemeinerer Wörter oder Begriffe (semantische Ebene). Norbert Dittmar forensische Linguistik/ forensische Phonetik: untersucht geschriebene und gesprochene Sprache unter kriminologischen oder gerichtlichen Aspekten. Bei der Analyse handgeschriebener oder gedruckter Texte werden Stilmerkmale (Stilometrie) und graphische Merkmale genutzt, um Aussagen zur Urheberschaft von z.B. anonymen Droh- und Erpresserbriefen, Bekennerschreiben oder Geständnissen zu machen oder um Fälschungen z.B. in Testamenten oder Plagiate z.B. in akademischen Arbeiten und in künstlerischen Texten nachzuweisen. Die f.Ph. als Teilgebiet der f.L. untersucht gesprochene Äußerungen auditiv und computertechnisch (akustisch). Auch bei verstellten oder technisch manipulierten Stimmen können das Geschlecht, das biologische Alter, die regionale Herkunft (Dialekt, fremder Akzent), sprachliche und nichtsprachliche Besonderheiten (Sprechfehler, Schmatz-, Schluckgeräusche) sowie Merkmale der Aufnahmesituation und Übertragung analysiert werden. Durch die elektronische Erfassung werden verschiedene Faktoren kombiniert (z.B. Stimmmerkmale und Fußabdrücke) und können zur Sprecheridentifizierung beitragen. <?page no="98"?> Forschungsansätze 87 Internetadresse der International Association of Forensic Linguistics: www.iafl.org - Internetadresse der International Association for Forensic Phonetics and Acoustics : www.iafpa.net. - Kniffka, H. (1998), „Forensische Phonetik und forensische Linguistik“, in: Kröger, B. J. et al. (Hrsg.), Festschrift Georg Heike. (= Forum Phoneticum 66), Frankfurt a.M., 279-291. Ursula Hirschfeld Formativ, das: ein von Bloomfield (1926) in die Sprachwissenschaft eingeführter, mehrfach belegter Begriff. 1. Kennzeichnung von minimalen Elementen der Wortbildung (z.B. Flexionsmorpheme: -e als Markierung der 1. Person Singular Präsens); 2. Tw. synonym für Signifiant (Schippan 1992): Lautkörper (F.) Blume hat mehrere Bedeutungen (Pflanze, Blüte, Schaum, Hasenschwanz, Weinaroma); 3. In der generativen Grammatik kleinste Funktionseinheiten der Syntax, wobei zwischen lexikalischem F. (z.B. Frau, schön) und grammatischem F. (Singular, Präsens) zu unterscheiden ist. Schippan, T. (1992), Lexikologie der deutschen Gegenwartssprache, Tübingen. Mandy Höhle formelhafte Sprache/ formulaic speech: umfasst die vorgeprägten Bausteine sprachlicher Kommunikation; darunter Wortpaare (klipp und klar), satzwertige Ausdrücke (Neue Besen kehren gut.) bis hin zu mehr oder weniger vorgeprägten Mustern für konventionalisierte Kommunikationsanlässe (z.B. Entschuldigungen, Danksagungen). Formelhaftigkeit ist dabei ein graduelles Phänomen und betrifft in etwa den Ausdrucksbestand, der den Bereich der Phraseologie im weiteren Sinne ausmacht. Gradueller Natur können die genannten Wortverbindungen auch hinsichtlich ihrer Festigkeit und ihrer Reproduzierbarkeit sein (bei jmdm. einen Stein im Brett haben wäre z.B. weniger variierbar als eine Entscheidung treffen/ fällen). Von großer Bedeutung ist f.S. auch für die Fremdsprachendidaktik, da das Verfügenkönnen über Vorgeprägtes die Sprachverarbeitung entscheidend entlasten kann. Ähnlich wie für chunks gelten auch für die Vermittlung von f.S. spezifische methodisch-didaktische Zugänge ( Phraseo-Didaktik, Mentales Lexikon). Aguado, K. (2002), „Formelhafte Sequenzen und ihre Funktionen für den L2-Erwerb“, in: Zeitschrift für Angewandte Linguistik 37, 27-49. - Lüger, H. H. (1999), Satzwertige Phraseologismen, Wien - Stein, St. (1995), Formelhafte Sprache, Frankfurt a.M. Heinz-Helmut Lüger F ÖR M IG (Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund): ein Modellprogramm zur Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, das 2004 bis 2009 in zehn deutschen Bundesländern durchgeführt wurde; in etlichen Bundesländern schließt sich ein Transferprogramm an. Ziel ist die Entwicklung von Konzepten der Diagnostik und daran anschließenden kooperativen Förderung bildungssprachlicher Fähigkeiten, verbunden mit dem Aufbau regionaler Sprachbildungsnetzwerke. Die Konzepte konzentrieren sich auf die Übergänge im Bildungssystem: vom Kindergarten in die Grundschule, von der Grundschule in die Sekundarstufe und von der Schule in den Beruf. Internetadresse: www.blk-foermig.uni-hamburg.de Ingrid Gogolin Forschungsansätze, die: Unterschieden werden zwei forschungsmethodologische Hauptpositionen, die disziplinenübergreifend als qualitative und quantitative F. bezeichnet werden und die die bipolaren Enden eines Kontinuums markieren. Qualitative und quantitative F. implizieren jeweils unterschiedliche Voraussetzungen, Ziele und forschungsmethodologische Standards ( Gütekriterien), gehen von unterschiedlichen zugrunde gelegten Menschenbildern und Vorstellungen über die Forschungsorganisation aus und setzen Daten voraus, die nach unterschiedlichen Maximen erhoben, aufbereitet und analysiert werden. Für die Auswahl eines F. ist relevant, ob der Wissensstand zum spezifischen Gegenstand eine begründete Hypothesenprüfung erlaubt oder ob es sinnvoller ist, mögliche Vorannahmen und Hypothesen über das Untersuchungsfeld zunächst empirisch zu gewinnen. Für DaF und DaZ sind beide Forschungsansätze sowie Mischformen daraus relevant. Für Fragestellungen, die direkt in der Praxis untersucht werden, ist Handlungsforschung ein wichtiger praxisorientierter F., der i.d.R. eher Prinzipien eines qualitativen F. folgt. 1. Quantitativer Forschungsansatz Angestrebt werden generalisierbare Gesetzmäßigkeiten. Aus der Außenperspektive sollen interessierende Untersuchungsobjekte auf exakt <?page no="99"?> 88 Forschungsmethoden zu spezifizierende Bedingungen zurückgeführt werden. Aufgestellte Hypothesen sollen dabei verifiziert oder falsifiziert ( Falsifikation) werden. Hierfür müssen Teilbereiche des Untersuchungsfeldes isoliert und kontrolliert werden ( Variablen). Dies impliziert i.d.R. eine größere Stichprobe (im Idealfall im Rahmen eines Experiments). Erhoben werden sollen reliable Daten ( Reliabilität), die mit Hilfe standardisierter Forschungsmethoden elizitiert ( Elizitierung) und ausgewertet werden. 2. Qualitativer Forschungsansatz Angestrebt wird ein empathischer Nachvollzug des je untersuchten Wirklichkeitssegments aus der Perspektive der Untersuchungsteilnehmer, wobei das Gesamtfeld als Informationslieferant zur Verfügung steht. Hypothesen und Theorien sollen erst während des Forschungsprozesses durch das interpretative Auffinden wiederkehrender Muster in den Daten erschlossen werden, wobei ausgeprägte Vorstrukturierungen des Untersuchungsfeldes weitgehend vermieden werden sollen (Einsatz offener Forschungsmethoden). Das Untersuchungsfeld soll so weit wie möglich natürlich belassen sein ( Feldforschung) und möglichst tiefgründige, reichhaltige Daten liefern. I.d.R. können nur kleine Stichproben, häufig über einen gewissen Zeitraum, untersucht werden. Mackey, A./ Gass, S. M. (2005), Second Language Research. Methodology and Design, Mahwah, NJ/ London. - Grotjahn, R. (2006), „Zur Methodologie der Fremdsprachenerwerbsforschung“, in: Scherfer, P./ Wolff, D. (Hrsg.), Vom Lehren und Lernen fremder Sprachen, Frankfurt a.M. Claudia Riemer Forschungsmethoden, die: Im Rahmen empirischer Forschung sind Verfahren der Erhebung, Aufbereitung und Analyse sowie Interpretation von Daten zielgerichtet, systematisch und reflektiert auszuwählen. Diese Verfahren sind im Rahmen von Forschungsansätzen und forschungsmethodologischen Grundlagen ( Forschungsmethodologie) zu begründen und an den jeweiligen Untersuchungsgegenstand anzupassen. F. konstituieren den Untersuchungsgegenstand je in spezifischer Weise und haben daher erheblichen Anteil an der Güte der Daten und Interpretationen ( Gütekriterien). 1. Methoden der Datenerhebung Unterschieden wird zwischen a) schriftlicher (Fragebogen) und mündlicher Befragung (Interview, Gruppendiskussion); b) Beobachtung (z.B. Unterrichtsbeobachtung); c) Introspektion von Kognitionen (z.B. introspektives Interview, Retrospektion, Lautes-Denken-Protokoll, Lerntagebuch) und d) Tests ( Sprachtests). Für sprachwissenschaftliche Untersuchungen (z.B. von lernersprachlichen Entwicklungen) werden häufig umfangreiche Korpora erhoben. 2. Methoden der Datenaufbereitung Vor der Analyse und Interpretation müssen Daten in eine bearbeitbare Form gebracht werden. Quantitative Daten werden i.d.R. in auszählbare Werte überführt (quantifiziert). Daten aus qualitativen mündlichen Befragungen und Introspektionen werden verschriftet (transkribiert), wobei in Abhängigkeit von den Untersuchungsgegenständen unterschiedlich differenzierte Transkriptionen erforderlich werden. Hilfreiche Dienste leisten EDV-gestützte Verfahren (z.B. die kostenfreie Software EXMARaLDA). 3. Methoden der Datenanalyse und -interpretation Quantitative Daten werden i.d.R. mittels statistischer Instrumentarien (z.B. die Software SPSS und die kostenfreie Software „R“) ausgewertet; die Auswahl der statistischen Verfahren und der mit ihnen möglichen Interpretationen ergibt sich aus dem Erkenntnisinteresse der Untersuchung und dem Typ der erhobenen Daten. Qualitative Datenanalyse und -interpretation erfolgt je nach Erkenntnisinteresse mittels Verfahren, die i.d.R. nicht auf vorgängigen Kategorisierungen beruhen; eingesetzt werden neben sprachwissenschaftlichen Verfahren zur Analyse von Sprachdaten z.B. Verfahren der Diskurs- und Konversationsanalyse, der qualitativen Inhaltsanalyse und des offenen/ axialen/ selektiven Kodierens nach Richtlinien der Grounded Theory (auch mit Unterstützung von Software, wie z.B. atlas.ti, MaxQDA). Dörnyei, Z. (2007), Research Methods in Applied Linguistics, Oxford. - Ellis, R./ Barkhuisen, G. (2005), Analysing Learner Language, Oxford. Claudia Riemer Forschungsmethodologie, die: F. ist ein disziplinenübergreifender Wissenschaftsbereich, der sich mit den Grundlagen der Erkenntnisgewinnung durch Forschung beschäftigt. F. entwickelt Kriterien und Richtlinien zur Entwicklung und Bewertung von Forschungsansätzen und Forschungsmethoden; dies impliziert eine <?page no="100"?> Fossilierung/ Fossilisierung 89 Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen Theorie und Empirie (Theoriegenese vs. Theorieüberprüfung), den epistemologischen und anthropologischen Grundannahmen und zu beachtenden Gütekriterien. Grundsätzlich gilt die forschungsmethodologische Regel, dass Forschungsmethoden und Kriterien dem jeweiligen Untersuchungsgegenstand und Erkenntnisinteresse angemessen sein sollen und dass sämtliche Entscheidungen und das zugrunde gelegte Menschenbild transparent zu machen sind. F. im Bereich DaF und DaZ muss sich - wie die Fremdsprachenforschung insgesamt - damit auseinandersetzen, dass das Lernen und Lehren von Fremd- und Zweitsprachen durch eine Vielzahl sich wechselseitig beeinflussender Faktoren bestimmt wird ( Faktorenkomplexion), dass Lehr- und Lernprozesse innerhalb eines zu bestimmenden sozialen Milieus und ggf. innerhalb von Institutionen stattfinden, dass man es sowohl mit Produkten als auch mit Prozessen zu tun hat und dass diese Prozesse des Lehrens und Lernens dynamisch sind und von individuellen Unterschieden zwischen Lernenden und durch Instabilität der Lernprodukte geprägt sind. Forschungsmethodologische Entscheidungen führen zur Verortung von Forschungsprojekten im Rahmen eines Forschungsansatzes. F. im Bereich DaF und DaZ ist auch dem Postulat verpflichtet, dass Forschung über die allgemeine Erkenntnisgewinnung hinaus für die Praxis relevant ist. Grotjahn, R. (1999), „Thesen zur empirischen Forschungsmethodologie“, in: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung, Jg. 10, Nr. 1, 133-158. - Grotjahn, R. (2003), „Konzepte für die Erforschung des Lehrens und Lernens fremder Sprachen: Forschungsmethodologischer Überblick“, in: Bausch, K.-R./ Christ, H./ Krumm, H.-J. (Hrsg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht, 4. Aufl., Tübingen, 493-499. - Riemer, C. (2007), „DaF/ DaZ und empirische Forschung: wechselnde Herausforderungen“, in: Informationen Deutsch als Fremdsprache, Jg. 34, Nr. 5, 445-459. Claudia Riemer fortis: f. bedeutet ‚stark gespannt‘ und ist im Deutschen ein phonologisch distinktives Merkmal (f. vs. lenis) zur Unterscheidung der Explosive und Frikative. F.-Explosive (Tisch [t]) und F.-Frikative (Fisch [f]) werden mit Anspannung der Artikulationsmuskulatur ( Artikulation) und daher mit höherer Intensität gebildet, was zu einem kräftigen Explosionsgeräusch (bei Explosiven, teilweise mit zusätzlicher Behauchung) oder einem kräftigen Reibegeräusch (bei Frikativen) führen kann. Wegen des kräftigen Ausatmungsstroms bei der Geräuschbildung sind F.-Konsonanten immer stimmlos. Der F.- Lenis-Kontrast bereitet DaF-/ DaZ-Lernenden Probleme, da in den meisten anderen Sprachen Explosive und Frikative distinktiv in stimmhaftstimmlos unterschieden werden. F.-Konsonanten (besonders Explosive) im Deutschen werden daher oft zu wenig gespannt gesprochen. Kerstin Reinke Fossilierung/ Fossilisierung, die: 1. Definition Der Begriff F. bezieht sich auf einen Endzustand der Beherrschung von Fremd- und Zweitsprachen (vgl. Klein 1992, 61), wobei ein Individuum im Verlauf seiner lebenslangen Sprachentwicklungskarriere hinsichtlich jeder seiner Sprachen ggf. auch mehrere unterschiedliche Endstände erreichen kann. Den Idealfall des vollständigen Erwerbs gibt es (selbst für den Muttersprachler) nicht, da Spracherwerb stets auf unterschiedliche Ausdrucksrepertoires in verschiedenen Varietäten ( Dialekte, Soziolekte, Standard, Stile, Register) bezogen ist. Eher ausnahmsweise erreichen Fremd- und Zweitspracherwerber die durchschnittliche Kompetenz eines Muttersprachlers. F. ist der Natur nach selektiv (vgl. Klein a.a.O.): Zu unterschiedlichen Zeitpunkten kann die Aussprache, das Lexikon, die (Morpho-) Syntax fossilieren („versteinern“). Dafür gibt es ganz unterschiedliche Gründe: a) es besteht keine persönliche Motivation, den Sprachgebrauch zu verbessern; b) der Anpassung an die Sprecher der Zielsprache wird eine Grenze gesetzt, um - meist unbewusst - die eigene soziale Identität zu wahren; c) das sprachverarbeitende System ist aufgrund unterschiedlicher Ursachen - darunter Lernungeübtheit, altersbedingte physiologische Veränderungen im Zentralnervensystem u.a.m. - nicht bzw. nicht mehr in der Lage, fossilierte Sprachstände zu verändern. 2. Didaktische Implikationen In der Fachliteratur finden sich eher wenige Vorschläge für methodisch-didaktische Interventionen zur Überwindung f.bedingter Lernbarrieren (frühe Ansätze dazu finden sich in Barkowski/ Harnisch/ Kumm 1986). Die Diskussion über eine spezifische, für „‚fluent-but-fossilized‘-learners“ (Han 2004, 174) geeignete Didaktik ist gleichwohl seit den 1970er Jahren fester Bestandteil des Fachdiskurses im Bereich der Vermittlung <?page no="101"?> 90 Frageinversion von Deutsch als Zweitsprache und wird seit Einrichtung der sog. Integrationskurse ab 2005, an denen zahlreiche Lernende mit stark fossilierten Strukturen teilnehmen, erneut intensiviert. Eine solche Didaktik müsste sich individuell mit den Ursachen für den Stillstand befassen und bei den Lernenden ein Bewusstsein für die „objektive Distanz“ (Klein 1992, 147) zwischen ihrem eigenen sprachlichen Verhalten und jenem der muttersprachlichen Sprecher schaffen, sie müsste konsistente (Selbst-)Korrekturverfahren anwenden und die Betroffenen gleichzeitig (neu) motivieren - kurz: Sie müsste die F. eher als einen Prozess denn als ein Produkt betrachten. Barkowski, H./ Harnisch, U./ Kumm, S. (1986), Handbuch für den Deutschunterricht mit Arbeitsmigranten, 2. Aufl., Mainz. - Han, Z. H. (2004), Fossilization in Adult Second Language Acquisition, Clevedon. - Klein, W. (1992), Zweitspracherwerb. Eine Einführung, Königstein/ Ts. Norbert Dittmar (1.)/ Evelyn Röttger (2.) Frageinversion, die: syntaktische Struktur, die neben den Mitteln der Frageintonation (bzw. auf graphemischer Ebene Fragezeichen) und der Interrogativpronomen die Möglichkeit bietet, Fragen zu formulieren. Für die Bildung einer Satzfrage wird mithilfe der F. das finite Verb von seiner Zweitstellung im Aussagesatz in die erste Position umgeordnet, z.B. Du trinkst. Trinkst du? Dabei muss im Aussagesatz nicht unbedingt die Subjekt-Verb-Folge eingehalten werden: Jetzt fährst du. Fährst du jetzt? oder Fährst jetzt du? Im Gegensatz zu anderen Sprachen wie dem Englischen oder Französischen, wo diese Subjekt-Verb-Folge der Satzglieder festgelegt ist, steht im Deutschen nur die Stellung des finiten Verbs fest, nicht jedoch die der anderen Satzteile. Hier tritt das Subjekt also nicht unbedingt unmittelbar nach dem finiten Verb auf. Die Verb-Erst- Position bei Satzfragen stellt für viele Lernende eine Besonderheit der deutschen Sprache dar, weshalb im Unterricht für dieses Satzbaumuster besonders sensibilisiert werden sollte. Yang, Young-Sook (2003), Aspekte des Fragens. Frageäußerungen, Fragesequenzen, Frageverben, Tübingen. Julia Brade Frame, der: eine spezifische Form des Weltwissens ( Schema-Theorie). Eine standardisierte und strukturierte konventionelle Repräsentation eines Vorgangs, einer Handlung oder einer Situation (z.B. Kindergeburtstagsfeier), mit dem/ der Attribute (Eigenschaften) mehr oder weniger stark verbunden werden können. Solche (umfangreichen) Wissensbestände unterstützen das Inferieren bei der Rezeption. F. ist ein eher statischer Begriff, kann jedoch im Verlauf der Zeit durch Erfahrungen adaptiert werden. Minsky, M. (1975), „A framework for representing knowledge“, in: Winston, P. H. (Hrsg.), The psychology of computer vision, New York, 211-277. Madeline Lutjeharms Frauensprache, die: 1. die politisch korrekte Art und Weise, wie Frauen in Personen- und Berufsbezeichnungen der gesprochenen und geschriebenen Sprache ausdrücklich genannt und mit ihren Leistungen und Kompetenzen angeführt werden wie z.B. in Kauffrau oder in Liebe Studentinnen und Studenten! ; 2. Bezeichnung für den Kommunikationsstil bzw. die Sprachmuster, die vornehmlich Frauen verwenden und worin sie sich dzgl. von Männern unterscheiden. Die Unterscheidung in weiblichen und männlichen Stil ist allerdings nicht ausschließlich an das biologische Geschlecht derer, die ihn jeweils praktizieren, gebunden, vielmehr können sie als soziale Stile auch geschlechtsüberschreitend vorkommen und verweisen damit auf unterschiedliche Sozialisation, Erziehung und Kultur als Ursache ihrer Ausprägung. Internetadresse: www.frauensprache.com - Oppermann, K./ Weber, E. (2008), Frauensprache, Männersprache, Zürich. Alexandra Rösner Freinet-Pädagogik, die: benannt nach Célestin Freinet (1896-1966), einem französischen Reformpädagogen, der die Verschulung des Lernens (Scolatismus) kritisiert und das autonome Lernen, die eigene Untersuchung der Wirklichkeit anstelle des Abarbeitens von Lehrbüchern ins Zentrum des Unterrichts rückt. Unterricht durch Handeln und Kommunikation, ein produktives Umgehen mit Medien und Materialien sollen die Gleichschaltung und Indoktrination der Lernenden vermeiden helfen. Zu den wichtigsten Arbeitstechniken der F.-P., gerade auch im Fremdsprachenunterricht, zählen der freie Text bzw. das freie Schreiben und die Klassenkorrespondenz, mit der die Grenzen des Klassenraums überschritten werden und die Lernenden in einen realen Austausch auch über Sprachgrenzen hinweg treten können. Dietrich, I., Hrsg. (1995), Handbuch Freinet-Pädagogik. Eine praxisbezogene Einführung, Weinheim/ Basel. Silke Hofer <?page no="102"?> Fremdsprachendidaktik 91 Fremdbild, das: 1. Begriffsklärung F. umfasst die kognitiven und affektiven Vorstellungen von Menschen über Kulturen, denen sie nicht selbst angehören. F. bezieht sich im Vergleich zum teils synonym verwendeten sozialpsychologischen Begriff Stereotyp stärker auf kulturell geprägte und tradierte Muster der Wahrnehmung landeskundlicher Gegebenheiten und der Bevölkerung. 2. Entwicklung Das Interesse an der Thematisierung des Fremd- und Selbstbildes ist verbunden mit a) der Zielsetzung der interkulturellen Kommunikation; b) der Verknüpfung von Sprach- und Kulturlernen als wesentlichem Faktor eines erfolgreichen Spracherwerbs; c) der Diskussion des der Fremdsprachenvermittlung zugrundeliegenden Kulturbegriffs; d) der Diskussion von „Fremd“ und „Eigen“ in der interkulturellen Germanistik. Das Fach DaF hat keine eigene Methodologie der Erforschung von F. entwickelt. Komplexe Methoden der empirischen Sozialforschung werden nur kursorisch adaptiert. Die Begriffsbildung greift zurück auf Ergebnisse der Sozialpsychologie, der Wissenssoziologie, der kulturellen Gedächtnisforschung und der (Ethno-)Psychoanalyse. Landeskundliche F.-Konzepte, erfahrungsorientierte bzw. empirische Studien über Lernergruppen und unterrichtsrelevante Voreinstellungen bzw. Wahrnehmungen der Lernenden stehen relativ unverbunden nebeneinander. Die Reflexion von Voreinstellungen und erfahrungsbasierten Einstellungen zur Zielsprachenkultur sind Bestandteil vieler Lehrwerke und der praktischen Unterrichtsgestaltung. Hans-Joachim Althaus Fremdenrecht, das: s. Ausländerrecht Fremdenregister, das: s. Foreigner Talk Fremdkultur, die: s. Interkulturalität, s. Kultur Fremdsprachendidaktik, die: 1. Begriffserklärung In der deutschsprachigen Literatur wird unter Didaktik meist die theoretische und konzeptionelle Beschäftigung mit den sprachlich-inhaltlichen Gegenständen und deren Umsetzung in Lernziele, Stoffauswahl und -gliederung verstanden. International umfasst F. in einem weiten Begriffsverständnis oft das gesamte Spektrum wissenschaftlichen wie praktischen Umgangs mit der Vermittlung von Fremdsprachen (einschl. Zweitsprachen). Stern (1984) schlägt z.B. vor, F. auf drei hierarchisch gegliederten Ebenen zu konzeptualisieren: sprach- und sprachlerntheoretische Grundlagen; didaktisch-methodische bzw. curriculare Konzepte; und die praktische Gestaltung von Lehr-, Lern- und Evaluierungsverfahren. 2. Geschichte Die ältesten fremdsprachendidaktischen Vorschläge für den neusprachlichen Unterricht sind in der „Didactica Magna“ (1633-38) von Comenius (1592-1670) zu finden. Im 19. Jh. setzte sich im Zuge der Humboldtschen Reformen und des humanistischen Bildungsideals auch im Unterricht der neueren Sprachen (vor allem Französisch und Englisch) die Grammatik- Übersetzungs-Methode (GÜM) durch. Ende des 19. Jh. kehrte die F. - in Deutschland angeregt durch Viëtors Streitschrift „Der Sprachunterricht muss umkehren“ (1882) - zu ihren pragmatischen Ursprüngen und dem Primat des Sprachkönnens zurück und bereitete den Boden für die sog. direkte Methode. Im 20. Jh. war die F. von unterschiedlichen sprachwissenschaftlichen und lernpsychologischen Entwicklungen geprägt. Die audiolinguale oder audiovisuelle Methode (ca. 1950-1975) beruhte auf dem Strukturalismus in der Sprachwissenschaft und dem Behaviorismus in der Lernpsychologie; der kommunikative Fremdsprachenunterricht (seit ca. 1975) baut vor allem auf der Pragmalinguistik sowie einem neuen Verständnis von Lernern als handelnden Personen auf. Eine empirische Fremdsprachendidaktik entstand in Deutschland seit ca. 1975 mit der Sprachlehr- und -lernforschung. 3. Neuere Entwicklungen Die aktuelle F. ist geprägt von einer Vielzahl von neuen Entwicklungen und Schwerpunkten in ihren Bezugswissenschaften, u.a. der Linguistik, Zweitspracherwerbsforschung, den Erziehungswissenschaften und Kulturwissenschaften, von neuen Zielgruppen und von (sprachen-)politischen Entwicklungen, insbesondere in Europa. Das europäische Bekenntnis zur Mehrsprachigkeit und die Entwicklung des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen ( GeR) haben sowohl eine neue Tertiärsprachendidaktik (u.a. Deutsch nach Englisch) und <?page no="103"?> 92 Fremdsprachenerwerb Mehrsprachigkeitsdidaktik (u.a. für romanische, slawische, germanische Sprachen) als auch eine Professionalisierung ( Qualitätssicherung) im Fremdsprachenunterricht sowie bei der Entwicklung von Bildungsstandards und bei Testverfahren hervorgebracht. Das Konzept des Frühen Fremdsprachenlernens (Kindergarten/ Vorschule; 1./ 3. Klasse) sowie der bilinguale Sachfachunterricht in der Schule benötigen eigene fremdsprachendidaktische Ansätze (vgl. auch Zweitsprachendidaktik). Die Ausdifferenzierung der Zielgruppen und der Einfluss des Konstruktivismus haben zu einer stärkeren Individualisierung und Lernerorientierung geführt. Neuere Modellierungen von Sprachverarbeitungsprozessen wie etwa die des Konnektionismus lassen zudem neue Lernwege aufscheinen und alte, z.T. verworfene, in neuem Licht erscheinen. Huneke, H.-W./ Steinig, W. (2005), Deutsch als Fremdsprache: Eine Einführung, Berlin. - Stern, H. H. (1984), Fundamental concepts of language teaching, Oxford. - Storch, G. (1999), Deutsch als Fremdsprache. Eine Didaktik: Theoretische Grundlagen und praktische Unterrichtsgestaltung, Stuttgart. Erwin Tschirner Fremdsprachenerwerb, der: als sprachwissenschaftlicher Terminus wird F. i.W. in den folgenden Belegungen verwendet: 1. In der umfassendsten Verwendung meint F. die Aneignung weiterer Sprachen in deutlichem zeitlichen Abstand zum Beginn des Erstspracherwerbs, i.e. frühestens ab dem 3. Lebensjahr, wobei als Kriterium der zu diesem Zeitpunkt vorliegende entwicklungspsychologische Reifestand gilt, nach dessen Erreichen jeder weitere Spracherwerb anderen Steuerungen unterliegt als der Erstspracherwerb; aus demselben Grund spricht man bei früherer Aneignung einer weiteren Sprache von „doppeltem Erstspracherwerb“ (s. Bilingualismus). In dieser Verwendungsweise ist die Unterscheidung zwischen Fremd- und Zweitsprache terminologisch nicht thematisiert, d.h. F. impliziert beide Erwerbsfälle. 2. In eingeschränkterer Verwendung fokussiert F. die Aneignung einer Fremdsprache im Sinne von 1., aber unter Ausschluss des Erwerbs einer fremden Sprache als Zweitsprache, meint also ausdrücklich das vornehmlich unterrichtsgestützte und gesteuerte Erlernen von Fremdsprachen. 3. In einem noch eingeschränkteren Verständnis, das auf Krashens hypothetische Unterscheidung zwischen dem „Lernen“ und „Erwerben“ von Fremdsprachen als zwei prinzipiell verschiedenen Weisen der Sprachaneignung zurückgeht, meint F. nurmehr Prozesse der impliziten, nicht (explizit) regelgeleiteten Aneignung von Fremdsprachen, wie sie besonders für den Zweitspracherwerb (zur terminologischen Abgrenzung zu ‚Second Language Acquisition‘ (SLA) s. dort) zutrifft; Krashens Position ist allerdings - mindestens in der starken Annahme, dass Lernen und Erwerben zu getrennten und unverbundenen Wissens- und Könnensbeständen führen - umstritten ( Lernen-Erwerben-Debatte) und kann - u.a. angesichts jüngerer Ergebnisse der Gehirnforschung zur Sprachverarbeitung, aber auch weiterer Befunde empirischer Unterrichtsforschung - als widerlegt gelten. Im deutschen Wissenschaftsdiskurs hat sich bezügl. der verschiedenen Aneignungsformen und -fälle des F. die Unterscheidung in Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache etabliert, wobei DaF als Oberbegriff und Bezeichnung des Faches in seiner Gesamtheit gilt, dem DaZ als gewichtige fachliche Abteilung mit definierten besonderen Gegenständen zugeordnet ist. Zu zentralen Befunden und Hypothesen zum F. s. ggf. Fremdsprachenbzw. Zweitsprachenerwerbstheorie. Krashen, S. D. (1981), Second Language Acquisition and Second Language Learning, Oxford. Hans Barkowski Fremdsprachenerwerbstheorie, die: Eine umfassende allgemein anerkannte F. gibt es bis heute nicht. Sie müsste die verschiedenen Sprachbereiche Phonetik, Lexik, Syntax, Morphologie und Pragmatik ebenso berücksichtigen wie eine Reihe gattungsspezifischer, individueller (affektiver, kognitiver, biologischer und psychologischer), sozialer, kultureller, institutioneller und sprachspezifischer Faktoren. F. müssten die Bedingungen des Erwerbs in einer Theorie modellieren, um zu erklären, wovon der Erwerbsverlauf, die Geschwindigkeit des Erwerbs und der Grad der erreichten Sprachkompetenz abhängen. F. gelten dem unterrichtlich gestützten Spracherwerb und dessen Bedingungen; dabei werden häufig eher Einzelaspekte des Fremdspracherwerbs fokussiert. Krashen (1981) unterscheidet zwischen Lernen und Erwerben ( s. Lernen-Erwerben- <?page no="104"?> Fremdsprachenmethodik 93 Debatte). Zwar ist bei Krashen sowohl Lernen wie auch Erwerben im Fremdsprachenunterricht möglich, erlerntes Wissen geht aber nicht in Erwerb über ( Non-Interface-Position). Zweifellos ist Input eine Voraussetzung für das Erlernen einer Sprache. Gegenstand der Inputhypothese ist die Frage, wieviel und welcher Art der Input sein muss, um vom Lerner aufgenommen zu werden (intake). Zu berücksichtigen ist, dass in der Interaktion von Lernern und Muttersprachlern oder Lehrern Anpassungsprozesse stattfinden, die den Input modifizieren ( foreigner talk, teacher talk, Chaudron 1988); gleichzeitig finden verständnissichernde Aktivitäten, Bedeutungsklärungen, Reparaturen und Korrekturen statt, deren Funktion für den Spracherwerb in der Interaktionshypothese diskutiert wird. Input spielt auch im Konnektionismus eine Rolle, der Spracherwerb als einen Prozess sieht, der wesentlich auf der Generierung von Musterwissen beruht, das v.a. auf Frequenz, Ähnlichkeit und Kontingenz basiert. In der Kontrastivitätshypothese hat die Erstsprache einen wesentlichen Einfluss, da sie den Spracherwerb stark von positivem oder negativem Transfer beeinflusst sieht. In der Interlanguage-Hypothese wird der Zweit- und Fremdspracherwerb als ein Prozess gefasst, in dem die jeweilige Lernersprache als systematisch und dynamisch beschrieben wird. Niederschlag gefunden hat der Ansatz u.a. in Modellen, die basierend auf Prinzipien kognitiver Verarbeitung für Bereiche wie Syntax, Interrogation oder Negation bestimmte sprachspezifische Erwerbssequenzen gegeben sehen. Damit stellt sich die Frage der Lehrbarkeit dieser Sprachbereiche. In der Teachability Hypothese geht Pienemann (1984) davon aus, dass Sprachunterricht immer an dem jeweiligen Erwerbsstand ansetzen muss und nur helfen kann, die nächste Erwerbsstufe beschleunigt zu erreichen. Im Konstruktivismus schließlich wird die Frage der Lehrbarkeit eher in Zusammenhang damit gesehen, dass Spracherwerb als ein individueller Konstruktionsprozess verstanden wird und die Lerner einer Gruppe notwendigerweise eigene Lerngeschwindigkeiten und Lernwege haben. Chaudron, C. (1988), Second Language Classrooms. Research on Teaching and Learning, Cambridge. - Krashen, S. D. (1981), Second Language Acquisition and Second Language Learning, Oxford. - Mitchell, R./ Myles, F. (2004), Second Language Learning Theories. Second Edition, London. - Pienemann, M. (1984), „Psychological Constraints on the Teachability of Languages“, in: Studies in Second Language Acquisition, Jg. 6, Nr. 2, 186-214. Bernt Ahrenholz Fremdsprachengeragogik, die: eine Analogiebildung zum Begriff Fremdsprachenandragogik (Fremdsprachenvermittlung an Erwachsene); bezeichnet die Methodik und Didaktik der Vermittlung fremder Sprachen an ältere Menschen. In der FG werden Erkenntnisse aus der allgemeinen Fremdsprachendidaktik, der Altenbildung und der Gerontologie (Wissenschaft des Alterns/ Alters) zusammengeführt. Die Spezifika des Sprachenlernens im Alter beziehen sich primär auf Veränderungen in der Informationsverarbeitung (Intelligenz, Sensorik, Psychomotorik) im Laufe des Lebens, auf Aspekte der Lernerfahrung allgemein und Sprachlernerfahrung im besonderen und auf motivationale Aspekte. Hervorzuheben ist die kognitive Plastizität (Lernfähigkeit) bis in höhere Altersstufen. Bezogen auf die grundlegenden Fertigkeiten beim Fremdsprachenlernprozess stellen sich Hörverstehen und Aussprache als die vom Alternsprozess am ehesten negativ tangierten Bereiche heraus. Das geragogische Prinzip „Optimierung durch Selektion und Kompensation“ (Berndt 2003, 228 f.) wird auch hier als erfolgreich angesehen. Berndt, A. (2003), Sprachenlernen im Alter. Eine empirische Studie zur Fremdsprachengeragogik, München. Annette Berndt Fremdsprachenlehrer/ in, der/ die: s. Lehrer Fremdsprachenlehrerausbildung, die: s. Lehrerausbildung Fremdsprachenmethodik, die: 1. Begriffsklärung F. bezeichnet die Gesamtheit aller unterrichtsbezogenen Planungen und Handlungen, die sich mit dem Erlernen bzw. der Vermittlung einer fremden Sprache und Kultur beschäftigen. Im umgangssprachlichen Gebrauch wird darunter auch die Methodik des Zweitsprachenerwerbs verstanden, deren Inhalte und Unterrichtsdesigns sich von der F. teilweise unterscheiden ( Zweitsprachenmethodik). Im engeren Sinne meint F. die Gesamtheit der Unterrichtsdesigns, im weiteren Sinne schließt die F. Fragen der Auswahl und der <?page no="105"?> 94 Fremdsprachenpolitik Strukturierung von Inhalten und Vermittlungskonzepten, die Fremdsprachendidaktik also, mit ein. 2. Entwicklung Zwar gab es auch schon vor dem II. Weltkrieg eine Vielzahl von Vermittlungskonzepten, die Einzelaspekte wie Landeskunde und kulturvergleichende Ansätze ( Kulturkunde) oder Sprachverwendung ( direkte Methode) in den Mittelpunkt stellten. Erst die Ausweitung der demographischen Basis der Fremdsprachenunterrichts (für weniger bildungsals verwendungsorientierte Lernende) verlangte nach veränderten Konzepten und bahnte den Weg für eine wissenschaftlich fundierte F. So markiert der Einfluss der strukturalistischen Linguistik ( Strukturalismus) auf die Sprachtrainingskonzepte der Programme der US-amerikanischen Army Language School den Beginn der wissenschaftlichen Konzeptbildung der F., in deren Folge weitere linguistische Schulen (z.B. Pragmalinguistik) konzeptuelle Elemente beisteuerten, die sich in einer Reihe von Methodenkonzeptionen verdichteten, die jeweils auch neue Bezugswissenschaften mit sich brachten (Soziologie, Psychologie, Pädagogik und jüngst die Neurowissenschaften), wobei die Begriffe Ansatz und Methode teilweise synonym, teilweise unterschiedlich verwendet werden. Am einflussreichsten auf die Gegenwart war das seit den 1970er Jahren im angelsächsischen und deutschsprachigen Raum unterschiedlich interpretierte und durch den Europarat nachhaltig beförderte Konzept des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts, das einen pragmatischen Sprachhandlungsbezug in den Mittelpunkt stellt. Hinzu kamen zu allen Zeiten immer wieder „Designer-Methoden“ (Nunan nach Brown 2007: 25), die sog. alternativen Methoden. 3. Felder, Standards und Prinzipien Etwa seit Beginn der 1990er Jahre („Post-Methoden-Ära“, Brown 2007: 40) ist als Folge einer immer differenzierteren Forschung gleichzeitig in Pädagogik, Psychologie, Spracherwerbsforschung und F. das Ende der „großen Hypothesen“, der Makro-Konzepte zu beobachten. Die großen Methodenkonzeptionen können die vielfältigen Ansätze aus Forschung und Unterrichtspraxis nicht mehr integrieren. Gegenwärtig kann daher nicht von einer einzelnen dominierenden Methodenkonzeption, sondern von vier F.-Standards (kompetenzorientiert, mehrsprachig und interkulturell-sensibel, lernprozessorientiert und forschungsbasiert) ausgegangen werden, die sich in vier Feldern manifestieren: dem (aus Lernersicht) bedeutungsvollen Input (inhaltsorientierter Arbeit an Texten und Themen), sprachstrukturbezogener Arbeit ( Fokus auf Form), aktivem Sprachhandeln der Lernenden ( Handlungsorientierung) und der Automatisierung sprachlichen Outputs ( Output- Hypothese). Auf dieser Grundlage ist vor allem von den folgenden Grundprinzipien der F. auszugehen, aus denen jeweils Unterrichtsszenarien, Übungs- und Aufgabenformen abzuleiten sind: Inhaltsorientierung, Aufgabenorientierung, Evaluationsbezug, lernerorientiert-flexibler Medieneinsatz, Differenzierung und Individualisierung, interaktiv-kooperative Arbeitsformen. Brown, D. (2007), Teaching by Principles - An Interactive Approach to Language Pedagogy, New York. - Huneke, H.-W./ Steinig, W. (2005), Deutsch als Fremdsprache. Eine Einführung, 4. Aufl., Berlin. - Piepho, H.-E. (1974), Kommunikative Kompetenz als übergeordnetes Lernziel im Englischunterricht, Dornburg-Frickhofen. Hermann Funk Fremdsprachenpolitik, die: s. Sprachenpolitik Fremdsprachenwachstum, das: Der Ansatz des F. beschreibt ein Bündel an didaktischen Prinzipien, die sich vom klassischen kommunikativen Fremdsprachenunterricht abgrenzen. Er beruft sich in seinen spracherwerbsbezogenen Grundlagen auf die Theorie der Universalgrammatik (speziell die Government and Binding Theorie) Chomskys und das darauf aufbauende Erwerbsmodell. Zwei wesentliche Elemente des F. sind die Unterscheidung in Aktivitäten, die sich auf das Verstehen beziehen (Authentisches Hören und Lesen) und solche, welche die sprachliche Form im Zentrum der Aufmerksamkeit haben (analytisches Lesen und Hören). Zentral sind die Verwendung von authentischen Texten und ein nicht durch Leitfragen und andere Überprüfungsaufgaben gesteuerter Zugang zum Verstehen. Im Bereich der produktiven Fertigkeiten bietet das F. eine Trennung in freie und gelenkte Aktivitäten an. Hier ist vor allem die Gesprächskonstruktion zu nennen, bei der Lernende einen vorgegebenen Dialog gemeinsam mit dem Lehrenden rekonstruieren und so das im konkreten Fall notwendige strukturelle und bedeutungsrelevante Wissen aktivieren. Die Verwendung von authentischen Texten dient als wesentlicher Input für <?page no="106"?> Fugen-s- 95 den Spracherwerb und das damit verbundene Neusetzen von Parametern. Buttaroni, S. (1997), Fremdsprachenwachstum. Sprachenpsychologischer Hintergrund und didaktische Anleitungen, München. Thomas Fritz Frequenz, die: 1. einer der wichtigsten Einflussfaktoren im Spracherwerb; insbesondere korrelieren Übungs-F. und Lernerfolg sowie F. der Begegnung mit Sprachereignissen auf allen Fertigkeitsebenen und Behaltensleistungen sowie Erwerbstempo. 2. zentraler Untersuchungsgegenstand der Sprachstatistik; F.-Wörterbücher erfassen die häufigsten Wörter einer Sprache; die 2.000 frequentesten Wörter zählen dabei oft zum Grundwortschatz (A1-B1), die auf den Plätzen 2.000 bis 4.000/ 5.000 zum Aufbauwortschatz (B2). Nach neueren Untersuchungen müssen ca. 95% der Tokens ( Typ-Token-Relation) eines Textes verstanden werden, damit der Sinn eines Textes zutreffend erfasst werden kann. Dafür wird ein Mindestwortschatz von ca. 5.000 Wörtern benötigt. F. im Sinne von Auftretenshäufigkeit beeinflusst den Spracherwerb. Erwin Tschirner Frikativ, der: Syn. Reibelaut, Engelaut, Spirant; Konsonant mit Artikulationsmodus F. ( Artikulation), der mit spezifischem Friktionsgeräusch (bzw. Reibegeräusch) gebildet wird. Das Reibegeräusch entsteht aufgrund der Ausatmungsluft, die eine an verschiedenen Artikulationsstellen gebildete Enge passiert. Das Geräusch kann kräftig (Fortis-F., z.B. [f], fortis) oder schwach sein (Lenis-F., z.B. [v], lenis). Das Deutsche hat fünf Paar F.: [f v], [s z], [ ʃ ], [ ç j ], [x ʁ ]. Lenis-F. treten stimmhaft: ein Wort [v] und stimmlos: das Wort [v ± ] auf ( Stimmlosigkeitsassimilation). F. sind in ihrer Dauer variabel, wobei dies kein distinktives Merkmal ist. Kerstin Reinke Frühbeginn, der/ frühes Fremdsprachenlernen, das: ist in Deutschland zumeist mit dem Fremdsprachenunterricht in der Grundschule (enge Definition) assoziiert. Eine weite Definition schließt auch vorschulische Lernangebote mit ein. Zumeist abgegrenzt vom F. werden der frühe ungesteuerte Erwerb einer Zweitsprache, die sprachliche Frühförderung von Kindern mit Migrationshintergrund, der frühe herkunftssprachliche sowie auch der frühe bilinguale bzw. immersive Unterricht. Der F. in der Grundschule setzt in Deutschland entweder in der 1. oder in der 3. Klasse ein. Zielsprache ist im Regelfall Englisch mit einem zumeist geringen Stundenumfang von 1-2 Stunden pro Woche. Intensivere sowie (teil-)immersive Programme sind noch selten. Ein organisatorisches wie methodisch-didaktisches Problem stellt derzeit noch der Übergang von der Primarstufe zur Sekundarstufe dar, ebenso eine die Spezifika von F. fokussierende Lehreraus-, -weiter- und -fortbildung. Das Begegnungssprachenkonzept, das den interaktiven gegenseitigen Erwerb kontaktierender Muttersprachen in lebensweltlichen Kontexten verfolgte, ist im Zuge der bildungspolitischen Favorisierung von F. mit Zielsprache Englisch weitgehend durch einen kompetenzorientierten Unterricht mit systematischer sprachlicher Progression ersetzt worden. Als relativ gesichert kann gelten, dass F. der primären Sprach- und Intelligenzentwicklung der Schüler nicht schadet. Positive Lerneffekte lassen sich aber bei einem F. mit geringer Kontaktstundenzahl nur bedingt nachweisen. Für F. bezogen auf DaF im Ausland setzt sich u.a. das Goethe-Institut besonders ein, u.a. über pädagogische Verbindungsarbeit, Lehrmaterialentwicklung, die Zeitschrift Primar, ein umfangreiches Online-Angebot sowie durch Lehrerfortbildungsangebote. Kierepka, A./ Krüger, R./ Mertens, J./ Reinfried, M., Hrsg. (2004), Frühes Fremdsprachenlernen im Blickpunkt. Status quo und Perspektiven, Tübingen. - Schlak, T. (2006), „Der Frühbeginn Englisch aus psycholinguistischer Perspektive - Revisited“, in: Fremdsprachen und Hochschule, Nr. 78, 7-25. Torsten Schlak Fugen-s-, das: Morphem, das bei einem Kompositum zwischen den beiden Konstituenten auftritt wie in Liebe -sbrief. Das Auftreten des F.-shängt nur von der ersten Konstituente ab: Das F.-stritt grundsätzlich nur nach Substantiven auf, dabei regelhaft u.a. nach Suffixbildungen auf -ung, -heit, -keit, -ion, -ität (Heizung-s-bau, Krankheit-s-verlauf, Heiterkeit-s-ausbruch, Station-sschwester, Universität-s-angehöriger); daneben auch bei manchen Simplizia wie Liebe, Arbeit (Arbeit-szeugnis). Das F.-shat keine Bedeutung. Andere Fugenelemente (auch: Fugenzeichen) sind -n-, -en-, -er-, -e-, -es- und -(e)ns- (Kirche-n-musik, Held- <?page no="107"?> 96 Fügewort en-tat, Kleid-er-bügel, Kleb-e-band, Land-es-bischof, Glaube-ns-bekenntnis). In Österreich steht das F.-snach g, k, ch sowie in spez. Zusammensetzungen ( Österr. Deutsch). Maria Thurmair Fügewort, das: gelegentlich, u.a. in Schulbüchern und in manchen Grammatiken (z.B. Helbig/ Buscha, 401) verwendete Sammelbezeichnung für die Wortarten Präposition (in, während etc.) und Konjunktion (z.B. und, aber, weil, dass usf.); der Begriff fokussiert dabei ausschließlich die den beiden Wortarten gemeinsam zukommende Eigenschaft, Sätze bzw. Satzteile zu verbinden (gilt so prinzipiell für Konjunktionen und fallbezogen für Präpositionen). Insofern weitere Eigenschaften der genannten Wortarten, darunter auch solche, die gewichtige Unterschiede in ihren jeweiligen Eigenschaften und Funktionen begründen, mit dem Begriff „Fügewort“ nicht erfasst sind, ist der terminologische und klassifikatorische Nutzen des Terminus aus linguistischer, aber auch fremdsprachendidaktischer Sicht als eher begrenzt einzustufen. Helbig, G./ Buscha, J. (1991; 1996), 17. Aufl., Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht, Leipzig u.a. Hans Barkowski funktionale Grammatik, die: betont den Zusammenhang von Form und Funktion in der Grammatik; f.G. führen formalsyntaktische Strukturen auf kommunikative und kognitive, pragmatische und semantische Bedingungen zurück, einschließlich solcher der Sprachverarbeitung und des Sprachwandels. Traditionelle Grammatiken sind, wie die moderne generative Transformationsgrammatik, meist autonom konzipiert. Sie teilen mit, wie Sätze in einer Sprache grammatisch richtig gebildet werden. F.G. sind Entwicklungen, die aus einer logisch-philosophischen (K. F. Becker) oder einer psychologischen Tradition (H. Paul) kommen oder beiden Traditionen verbunden sind (W. Wundt, K. Bühler). Heutige f.G. können ebenfalls eher kognitiv orientiert sein (z.B. Cognitive Grammar) oder eher kommunikativ. Letztere arbeiten mit Begriffen wie Thema und Rhema als zentrale Kategorien, die schon bei H. Paul vorgeprägt waren. Die meisten heutigen Grammatiktheorien sind in einem weiten Sinne funktional. Sie nennen sich f.G., Universal Grammar, Cognitive Grammar, Konstruktionsgrammatik, Feldergrammatik (Theorie der funktional-semantischen Felder). Eisenberg (1998; 1999) und Zifonun/ Hoffmann/ Strecker (1997) betrachten ihre Grammatiken als f.G. Eine vergleichsweise frühe Konzeption einer f.G. für DaF/ DaZ-Belange stellt die kommunikative Grammatik (KG) dar (vgl. Barkowski 1986) sowie Feldergrammatik. Barkowski, H. (1986), Kommunikative Grammatik und Deutschlernen mit ausländischen Arbeitern. Ein Modell, Mainz. - Buscha, J. u.a. (1998), Grammatik in Feldern. Ein Lehr- und Übungsbuch für Fortgeschrittene, Ismaning. - Eisenberg, P. (1998; 1999), Grundriß der deutschen Grammatik, Bd. 1, Das Wort, Bd. 2, Der Satz, Stuttgart. - Givón, T. (1979), On Understanding Grammar, New York u.a. - Welke, K. (2002), Deutsche Syntax - funktional. Perspektiviertheit syntaktischer Strukturen, Tübingen. - Zifonun, G./ Hoffmann, L./ Strecker, B. (1997), Grammatik der deutschen Sprache, 3 Bde., Berlin/ New York. Klaus Welke funktionale Satzperspektive, die: s. funktionale Grammatik, s. Thema-Rhema-Gliederung Funktionsverb/ Funktionsverbgefüge (FVG), das: auch: Streckverb, Streckverbgefüge. FVG werden gebildet aus Verb + Direktivum, Verb + Akkusativobjekt oder Verb + statischer Lokalbestimmung, z.B.: ein Buch zur Verfügung stellen, Hilfe leisten, etwas in Schwung halten. Charakteristisch für FVG ist, dass das Verb mit einer ursprünglichen Ergänzung zu einem komplexen Prädikat zusammenwächst, vergleichbar einer analytischen Verbform. Das Verb verliert dabei teilweise seine ursprüngliche lexikalische Bedeutung und wird zu einem Hilfsverb. Die Ergänzungen übernehmen die eigentliche Prädikatrolle. Das ist möglich, weil es sich typischerweise um Substantive handelt, die von Verben abgeleitet sind und deren Valenz erben ( Valenzvererbung). In Konsequenz daraus bilden FVG eine Gruppe sui generis unter den verbalen Valenzträgern. Welke, K. (2007), Einführung in die Satzanalyse. Die Bestimmung der Satzglieder im Deutschen, Berlin. - Kamber, A. (2008), Funktionsverbgefüge - empirisch. Eine korpusbasierte Untersuchung zu den nominalen Prädikaten des Deutschen, Tübingen. Klaus Welke Funktionswort, das: auch: Synsemantikon, Hilfswort, zusammenfassender Terminus für Klassen von Wörtern ( Wortart), die nicht Vollwörter (Verben, Substantive, Adjektive, Adverbien) sind. Klaus Welke <?page no="108"?> Ganzheitsmethode 97 Futur, das: zukünftige Zeit (Lat.). F. I und F. II sind zwei Tempora (Zeitformen). F. I wird mit werden + Infinitiv des Verbs, F. II mit werden + Partizip II + haben/ sein gebildet. F. I wird sowohl zum Ausdruck zukünftigen Geschehens (Er wird die Arbeit beenden) wie - immer häufiger - als Ausdruck der Modalität (Erwartung, Sicherheit, Möglichkeit, auch Drohung) gebraucht, häufig bestärkt durch adverbiale Strukturen: Morgen/ sicher/ wahrscheinlich wird er die Arbeit beenden. Die zeitliche Funktion wird oft, zumal in der gesprochenen Sprache, durch die Präsensform plus Temporaladverb ausgedrückt: Morgen beendet er die Arbeit. Das F. II repräsentiert fast ausschließlich modale Kategorien (Vermutung, Hoffnung usw.) Auch hier verstärken häufig adverbiale Angaben die jeweilige Aussage: Der Mann wird das sicher erledigt haben. (Erwartung). Das F. II steht hier in enger Verbindung mit dem Perfekt, das freilich die Wahrscheinlichkeit der Aussage erhöht: Der Mann hat das sicher erledigt. (fester Glaube). Lutz Götze Fuzzylogik, die: Terminus für Beziehungssysteme, die im Ggs. zur klassischen Logik nicht auf klaren Gleichheitsbzw. Unterschiedsfeststellungen auf der Basis eindeutiger Kategorisierungen und Merkmale wie +/ - Merkmal X; B folgt aus A etc. beruhen, sondern Gruppierungen auf der Basis anderer Relationen zulassen wie z.B. Ähnlichkeit, Funktion, Kollokation („gemeinsames Auftreten“), Häufigkeit, semantischer Vernetzung u.a.m. Relationen im Sinne von F. sind u.a. für das Verständnis von Lernvorgängen und die Anlage von Gedächtnissen bedeutsam (s. dazu ggf. auch Familienähnlichkeit; Konnektionismus). Hans Barkowski G GAL: s. Gesellschaft für Angewandte Linguistik Gallizismus, der: Entlehnung aus dem Französischen. Bezieht sich nicht nur auf ganze Lexeme (z.B. Abenteuer von frz. aventure), sondern auch auf einzelne Wortbildungsmorpheme wie -ei aus afrz. -ie. Bereits im Mittelalter kam es zu einer ersten, Mitte des 17. bis ins 18. Jh. zur zweiten Entlehnungswelle aus dem Französischen, besonders durch politische und gesellschaftliche Umstände dieser Zeit, die das Deutsche beeinflussten. Vor allem Begriffe aus Mode, Militär und Esskultur gelangten in den deutschen Sprachwortschatz (z.B. das Portemonnaie). Als G. werden aber auch Nachbildungen einer syntaktischen oder idiomatischen Eigenheit der französischen Sprache bezeichnet, z.B. das Bett hüten von garder le lit oder den Hof machen von faire la cour. Polenz, P. v. (2000), Deutsche Sprachgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Bd. 1, Berlin/ New York. - Telling, R. (1987), Französisch im deutschen Wortschatz, Berlin. Mandy Höhle ganzheitlich/ Ganzheitlichkeit, die: s. Holismus Ganzheitsmethode, die: Die G. zielt auf zweitsprachliche Kompetenz in Alltag, Schule, Arbeit und Familie, geht Zweitsprachen-Unterricht fächerübergreifend an und orientiert sich an den miteinander verbundenen allgemeinen Lernzielen Handlungs-, Kommunikations- und Reflexionsfähigkeit. Bildungstheoretisch werden die Methode Paulo Freire, Gruppen-, Freinet- und Projektpädagogik, Offener Unterricht, Projektunterricht, Tätigkeitstheorie und Erkenntnisse der Gehirnforschung maßgeblich in den Fachdiskurs sowie in Vorschläge zu methodisch-didaktischen Umsetzungen einbezogen. Der in Freiburg entwickelte sog. „didaktische Baukasten“ (auch „Freiburger Modell“) empfiehlt dazu beispielhaft ein variierbares Vorgehen in den Schritten: - Initialimpuls: Kommunikationssituationen in Bildern (z.B. Beim Arzt), - Erfahrungsäußerungen (spontan und rudimentär, u.a. zu diagnostischen Zwecken), - Rollenspiel (Lehrkraft - Lernende; Lernende - Lernende), - angeleitete Textproduktion (Tafelanschrieb: Überschrift und wenige Sätze), - „grammatische Schleife“ (Besprechung/ Vermittlung grammatischer Phänomene wie z.B. der Bildung von Präpositionalausdrücken oder substantivischer Komposita) - „interkulturelle Schleife“ (z.B. Umgang mit Krankheit im Kulturvergleich), - ggf. „berufliche Schleife“ (z.B. Tätigkeiten von Arzt-/ Zahnarzthelferin), - individuelle und Gruppenaktivitäten, - Reflexion der Unterrichtseinheiten, inkl. Feedback der Lernenden. <?page no="109"?> 98 Gastarbeiterdeutsch Schmitt, G. (2001), „Der Faktor „Lehren“ im Bedingungsgefüge des Deutsch als Zweitsprache-Unterrichts.“, in: Helbig u.a. (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, Berlin/ New York, 785-796. Guido Schmitt Gastarbeiterdeutsch, das: im Folgenden GAD; frühe, schon bei Einführung umstrittene Bezeichnung für Varietäten des Deutschen, wie sie von den sog. Gastarbeitern (vgl. Arbeitsmigration) gesprochen wurden und von denen in einer ersten Phase empirisch basierter Untersuchungen zunächst vermutet wurde, es handle sich aus linguistischer Sicht um eine Variante des Pidgin- Typs ( Pidginsprache); das sog. GAD wurde erstmals von Clyne (1968), dann in ersten umfassenderen Querschnittstudien durch HPD (= Heidelberger Forschungsprojekt Pidgin-Deutsch) und ZISA (= Wuppertaler Forschungsprojekt zum Zweitspracherwerb italienischer und spanischer Gastarbeiter; vgl. Clahsen u.a. 1983) untersucht. Als Hauptmerkmale des GAD wurden in diesen Untersuchungen - wie später in vielen weiteren - das Fehlen von Flexionsendungen, des definiten und indefiniten Artikels sowie von Präpositionen, Pronomina, Konjunktionen und Kopula identifiziert - Merkmale, die auch kennzeichnend für Fossilierungen sind (zu weiteren Aspekten vgl. Zweitspracherwerbstheorie; Deutsch als Zweitsprache). Clahsen, H./ Meisel, J. M./ Pienemann, M. (1983), Deutsch als Zweitsprache. Der Spracherwerb ausländischer Arbeiter, Tübingen. - Clyne, M. G. (1968), „Zum Pidgin-Deutsch der Gastarbeiter“, in: Zeitschrift für Mundartforschung, 35, 130-139. - Heidelberger Projekt „Pidgin-Deutsch“ (1975), Sprache und Kommunikation ausländischer Arbeiter, Kronberg/ Ts. - Keim, I. (1978), Gastarbeiterdeutsch. Untersuchungen zum sprachlichen Verhalten türkischer Gastarbeiter, Tübingen. Evelyn Röttger GDS: s. Großes Deutsches Sprachdiplom Gebärdensprache, die: Oberbegriff für eine visuell-gestische Sprachfamilie. Weltweit gibt es zahlreiche verschiedene G. (Gesamtzahl unbekannt), deren Grammatiken und Modalität sich von Lautsprachen unterscheiden. Nationale G. sind in vielen Ländern rechtlich als Minderheitensprachen und/ oder Bildungssprachen anerkannt. Verwandtschaften zwischen G. entsprechen nicht jenen der Staatssprachen (Bsp. Verschiedenheit von britischer, amerikanischer und australischer G.). Die Grammatik von G. ist u.a. geprägt von der Verwendung des Raumes (3D) und Simultanität und beinhaltet manuelle und nonmanuelle Komponenten. Die Erwerbsmuster von G. sind regelhaft und ähneln im Verlauf denen von Lautsprachen, die Verarbeitung findet vorrangig linkshemisphärisch statt. Die moderne Erforschung der G. begann ca. 1960 und ist vielerorts noch immer unterrepräsentiert/ in Entwicklung. Grammatiken und Lexika sind in vielen Ländern erst im Entstehen, daher gibt es oft wenig Unterrichtsmaterial für das Erlernen und den Unterricht. Ursprung der G. sind Gehörlosengemeinschaften und nationale/ internationale Gehörlosenkulturen. Hauptverwender sind gehörlose/ hörbehinderte Menschen, für die G. barrierefrei erwerbbare Sprachen sind. Lautsprachen sind oftmals Zweitsprachen, die bewusst erlernt werden müssen. Boyes Braem, P. ( 3 1995), Einführung in die Gebärdensprache und ihre Erforschung, Hamburg. - Marschark, M./ Spencer, P. E., Hrsg. (2003), Oxford Handbook of Deaf Studies, Language, and Education, Oxford. Verena Krausneker/ Katharina Schalber Gehirnforschung, die: Teilgebiet der Neurowissenschaften; beschäftigt sich mit der Frage nach Aufbau und Funktionsweise von Gehirnen, insbesondere vom menschlichen Gehirn und zählt zu den Grundlagenwissenschaften der mit dem Erwerb und der Vermittlung von Sprachen befassten Wissenschaften. 1. Forschungsfragen und methodologische Zugänge Im Fachkontext DaF/ DaZ interessiert v.a., mittels G. Antworten darauf zu erhalten, a) welche mentalen Prozesse der Sprachverarbeitung (Sprachrezeption und -produktion) zugrunde liegen, b) ob und ggf. in welchen Hinsichten sich entsprechende Prozesse hinsichtlich Erstspracherwerb (L1), Fremdbzw. Zweitspracherwerb (L2) unterscheiden und c) welche Konsequenzen dies für das Lernen und Lehren von Fremdsprachen hat. Auf linguistischer Ebene liegt ein Schwerpunkt des Interesses auf Untersuchungen zur Verarbeitung lexikalisch-semantischer und grammatikalischer Informationen. Dazu kommen v.a. solche Methoden der G. zum Einsatz, die Sprachverarbeitungsprozesse - wie vermittelt auch immer - in actu abbilden, wie z.B. EEG und MRT (für eine Einführung vgl. z.B. Kischka u.a. 1997). <?page no="110"?> generative Transformationsgrammatik 99 2. Grammatik und Lexik im Kopf des Fremdsprachenlerners - zur Forschungslage Bisherige Untersuchungen legen nahe, dass bei der Sprachverarbeitung von komplexen Vernetzungen bei Beteiligung unterschiedlicher Gehirnareale auszugehen ist und dabei semantische und affektive Konnotationen eine prominente Rolle spielen; weiterhin besteht starke Evidenz für die Annahme, dass Ort und Art der Sprachverarbeitung vom Grad der Automatisierung sprachlicher Strukturen abhängig sind. Dabei spielen zwar die als Sprachzentren angesehenen Großhirnareale Brocasches Zentrum und Wernickesches Feld eine Schlüsselrolle, fungieren jedoch nicht als allein zuständige Arbeits- und Gedächtniseinheiten im Sinne eines Produktions- und Grammatikmoduls (Broca) und Rezeptions- und Semantikmoduls (Wernicke). Weiterhin zeichnen sich folgende Befunde als richtungweisend ab: Sprachverarbeitungsprozesse in der L2 gleichen mit fortgeschrittenem Lernprozess zunehmend denen in der L1; Handlungsorientierung, intrinsische Motivation, allmähliche Automatisierung sprachlicher Strukturen sowie eine an den erreichten Kenntnisstand des Lerners anknüpfende und altersspezifische Darbietung des Lernstoffes unterstützen den Erwerb einer L2 signifikant. Viele Prinzipien der kognitiv-konstruktivistischen Fremdsprachendidaktik scheinen somit mit Erkenntnissen der G. zu korrelieren (vgl. Zippel 2009; dort auch zahlreiche weiterführende Lit.; einige vorsichtige Überlegungen bezügl. methodisch-didaktischer Ableitungen finden sich in Barkowski 2005). Barkowski, H. (2005), „Processability - Words & Rules - Konnektionismus: Drei Modellierungen der Sprachverarbeitung und ihre Bedeutung für das Lernen und Lehren von Fremdsprachen“, in: Theorie und Praxis. Österreichische Beiträge zu Deutsch als Fremdsprache, Bd. 9, Innsbruck u.a., 27-42. - Kischka, U./ Wallesch, C.-W./ Wolf, G., Hrsg. (1997), Methoden der Hirnforschung. Eine Einführung. Heidelberg/ Berlin. - List, G. (2006), „Gehirnforschung und Fremdsprachenunterricht: Was wäre dem Gehirn denn fremd? “, in: Barkowski, H. et al. (Hrsg.), Materialien Deutsch als Fremdsprache. Bd. 76: „Umbrüche“, Regensburg, 7-24. - Roth, G. (2002), „Das verknüpfte Gehirn: Bau und Leistung neurobiologischer Netzwerke.“ Fünfteilige Vortragsreihe im Rahmen der Psychotherapiewochen, Lindau (als DVD erhältlich). - Spitzer, M. (2000), Geist im Netz. Modelle für Lernen, Denken und Handeln, Heidelberg/ Berlin. - Zippel, W. (2009), Semantik und Grammatik im Kopf. Ein Forschungsüberblick, Tübingen. Hans Barkowski/ Wolfgang Zippel gemäßigte Kleinschreibung: Seit den Reformbemühungen Konrad Dudens (1902) um die Rechtschreibung der deutschen Sprache, zuletzt geändert in der Rechtschreibreform 2005, wird um die Groß- oder Kleinschreibung der Substantive, substantivierten Verben, Adjektive, Artikelwörter und Pronomen gestritten. In den „Wiesbadener Empfehlungen“ des Arbeitskreises für Rechtschreibung vom 15.10.1958 wurde die so genannte g.K. empfohlen, derzufolge lediglich alle Satzanfänge, Eigennamen, höfliche Anredepronomen (Du, Sie, Ihnen) sowie fachsprachliche Abkürzungen (DGB, SPD) mit großen Anfangsbuchstaben geschrieben werden sollten. Damit sollte die Orthographie der deutschen Sprachen an andere Buchstabensprachen (Englisch, Französisch usw.) teilweise angenähert werden. Der Vorschlag wurde später verworfen; die jetzige Regelung beinhaltet im Gegenteil eine Ausweitung der Majuskelschreibung (Großschreibung der Substantive und vergleichbarer Wortarten). Lutz Götze Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: s. GeR (Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen) Generalisierbarkeit, die: G. wird wissenschaftlichen Aussagen, insbesondere Untersuchungsergebnissen empirischer Forschung zugesprochen, die für eine anzunehmende Grundgesamtheit verallgemeinerbar sind. Von generalisierbaren Untersuchungsergebnissen können allgemeingültige Erkenntnisse abgeleitet werden. Generalisierbarkeit setzt u.a. Repräsentativität voraus und gestattet die Annahme, dass Aussagen/ Befunde auch auf andere Stichproben übertragbar sind. G. wird manchmal auch als „externe Validität“ bezeichnet. G. setzt voraus, dass die Gütekriterien der Reliabilität und Validität erfüllt sind. Claudia Riemer generative Grammatik: s. generative Transformationsgrammatik generative Transformationsgrammatik: von Noam Chomsky entwickelt als Versuch, eine theoretische Antwort auf die Frage zu geben, wie Sprecher einer Sprache mit einer endlichen Anzahl an Regeln eine unendliche Anzahl an grammatikalischen Sätzen produzieren können. Sie unter- <?page no="111"?> 100 Genitivus obiectivus scheidet sich von präskriptiven Grammatiken vor allem dadurch, dass sie sich zum Ziel setzt, eine beschränkte Anzahl von Regeln zu entwickeln, die es ermöglicht, eine unendliche Anzahl von Sätzen zu produzieren und zu verstehen. Ein zentrales Merkmal der GTG ist die theoretische Annahme idealer Sprecher/ Hörer, welche die Fähigkeit besitzen, grammatikalisch korrekte Sätze der Sprache zu verstehen und zu produzieren. Das Wissen der idealen Sprecher/ Hörer über die Regelhaftigkeiten der Sprache ist ein wesentliches Element der GTG. Die GTG beschreibt einen dynamischen Prozess, in dem Regeln Sprache generieren, d.h. erzeugen. Ein weiteres wesentliches Merkmal der GTG ist die Unterscheidung zwischen Kompetenz, d.h. dem Wissen über die Funktionsweise der Sprache, d.h. der Regeln, und Performanz, d.h. der konkreten Produktion von Sprache in ihrem kommunikativen Kontext. Die GTG hat sich in den letzten 50 Jahren ausgehend von Modellen, die einen großen Apparat an Transformationsregeln aufweisen und mit den Konzepten der Tiefen- und Oberflächenstruktur operieren, entwickelt. In der Government and Binding Theorie werden die einzelnen Transformationsregeln zu Gunsten von allgemeinen Gesetzmäßigkeiten aufgegeben, die an ihrer statt die syntaktische Struktur generieren. Ein solches Gesetz ist die Theta-Theorie ( Theta-Rolle), die u.a. Verben die Anzahl der notwendigen Objekte zuschreibt. In der Minimalistischen Theorie, dem letzten Entwurf Chomskys, werden Konzepte wie Tiefenstruktur und Oberflächenstruktur sowie Transformationsregeln zu Gunsten eines einfacheren Modells aufgegeben, in dem alle wichtigen syntaktischen Informationen im Lexikon enthalten sind. Es wird zum Beispiel ein Verb nicht mehr als Verb (ohne Person und Zeitform) in die Struktur eingesetzt und dann einer Reihe von Transformationen unterzogen, bis es seine syntaktisch entsprechende Form erhält, sondern bereits mit diesen Informationen aus dem Lexikon eingespeist und dann auf seine Richtigkeit überprüft. Chomsky, N. (1965), Aspects of the Theory of Syntax, Cambridge/ Massachusetts. - Chomsky, N. (1988), Lectures on Government and Binding, Dordrecht. - Chomsky, N. (1994), „A Minimalist Program for Linguistic Theory“, in: Hale, K./ Keyser, S. J. (Hrsg.), The View from Building 20. Essays in Linguistics in Honor of Sylvain Bromberger, Cambridge, 1-52. Thomas Fritz Genitivus obiectivus: Objektgenitiv, semantische Funktion eines Attributs im Genitiv, das bei einem deverbalen Substantiv steht und auf das Akkusativobjekt des Verbs zurückgeht, von dem dieses Substantiv abgeleitet ist: der Bau des Hauses jemand baut(e) das Haus, Gegensatz Genitivus subiectivus. Ballweg, J. (1998), „Eine einheitliche Interpretation des attributiven Genitivs“, in: Vuillaume, M. (Hrsg.), Die Kasus im Deutschen, Tübingen, 153-166. Heide Wegener Genitivus subiectivus: Subjektgenitiv, semantische Funktion eines Attributs im Genitiv, das bei einem deverbalen Substantiv steht und auf das Subjekt des Verbs zurückgeht, von dem dieses Substantiv abgeleitet ist: der Bau des Architekten Pei - der Architekt Pei baut(e) etwas, die Abfahrt des Zuges - der Zug fährt/ fuhr ab. Gegensatz Genitivus obiectivus. Ballweg, J. (1998), „Eine einheitliche Interpretation des attributiven Genitivs“, in: Vuillaume, M. (Hrsg), Die Kasus im Deutschen, Tübingen, 153-166. Heide Wegener Genus, das: Pl. Genera, grammatisches Geschlecht. Grammatische Kategorie, die mit dem Substantivparadigma untrennbar verbunden ist und u.a. zur Einteilung des nominalen Wortschatzes in mehrere Klassen dient. Das Deutsche unterscheidet die G. Femininum, Maskulinum und Neutrum. Formale Merkmale für das einem Nomen je inhärente G. sind Suffixe, im Dt. z.B. die fast eindeutigen Wortbildungssuffixe (z.B. -heit, -ung feminin; -ling, -er maskulin, -chen, -tum neutrum) sowie die Flexionssuffixe an den mit dem Bezugsnomen kongruierenden Wortarten Artikel, Adjektiv und Pronomen. Die syntaktische Kongruenz, Hauptfunktion des G., ermöglicht die Nominalklammer, erleichtert die Sprachverarbeitung ( Priming- Effekt des Artikels) und erhöht die Textkohärenz: das durch einen Elfmeter erzielte Tor, mit dem […]. Die Genuszuordnung erfolgt im Dt. primär nach formalen Kriterien wie Wortausgang (-e Fem., Suffixe s.o.), Einsilbigkeit Mask., nur vereinzelt nach der Semantik, u.a. nach dem Sexus der bezeichneten Lebewesen, hier überlagert durch andere Merkmale wie Kollektiva Neutrum (Pferd, Rind). Differentialgenus tritt nur bei substantivierten Adjektiven auf: der/ die/ das Alte. Fremdwörtern wird das jeweilige G. <?page no="112"?> German Studies 101 nach formalen Merkmalen und/ oder in Analogie zu semantisch ähnlichen Wörtern zugewiesen. Die ursprüngliche Funktion des idg. G., Nomen konzeptuell nach dem Merkmal [+/ - partikularisierend] als Individuativa, Kollektiva, Kontinuativa oder Abstrakta zu kennzeichnen, ist nur noch bei Verbableitungen zu erkennen: der Lauf, die Lauferei, das Laufen. Wegen der Menge der Regeln, nach denen G. zugewiesen wird, empfiehlt es sich, beim Fremd- und Zweitsprachenerwerb nur solche Regeln zur kognitiven Unterstützung des Lernprozesses zu nutzen, die auf deutliche semantische (z.B. Sexus: der Fuchs - die Fähe) oder formale Merkmale zurückgehen wie z.B. -ung; -heit (die Kleidung; die Gesundheit) usw. und i.Ü. Substantive mitsamt ihrem G. zu lernen bzw. zu lehren. Weber, D. (2001), Genus, Frankfurt a.M. Heide Wegener Genus verbi: auch: Diathese oder Geschlecht des Verbs; morphologische Kategorie des Verbs, die Unterscheidung zwischen Aktiv und Passiv. Im weiteren Sinne können zu G.v. auch andere Konstruktionen mit passiver Bedeutung gezählt werden, z.B. sich öffnen. Marina Matthey GeR/ GeRS (Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen): erstveröffentlicht 2001. Der GeR hilft Curricula, Lehrwerke und Tests miteinander zu vergleichen. Er versucht relevante fachliche Konzepte in systematischen Zusammenhängen darzustellen. Sprachenpolitisches Ziel ist die Förderung der Mehrsprachigkeit und der individuellen Vielsprachigkeit. Bekanntester Aspekt sind die sechs Referenzniveaus: A Elementare Sprachverwendung B Selbstständige Sprachverwendung C Kompetente Sprachverwendung A 1 A 2 B 1 B 2 C 1 C 2 START 1 Fit in Deutsch 1 START 2 Fit in Deutsch 2 Zertifikat Deutsch Goethe- Zertifikat B2/ TestDaF Goethe- Zertifikat C1/ TestDaF KDS/ GDS Die Niveaus sind als Stufen in Skalen mit KANN-Beschreibungen (vgl. u.a. Schneider/ North 2000) beschrieben, z.B. „Kann Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke verstehen, die mit Bereichen von ganz unmittelbarer Bedeutung zusammenhängen (z.B. Informationen zur Person und zur Familie, Einkaufen, Arbeit, nähere Umgebung).“ (entnommen GeR, A2). Weitere Skalen zu den sprachlichen Mitteln, die bei der Sprachverwendung benötigt werden (Wortschatz, Grammatik usw.), zu pragmatischen Kompetenzen wie Flexibilität oder Kohärenz sowie zu funktionalen Kompetenzen wie Flüssigkeit, runden die Möglichkeiten zur Beschreibung von Sprachprofilen ab. Die in der ALTE zusammengeschlossenen Testanbieter haben ihre Tests auf den GeR „geeicht“. Das Portfolio ist ebenso eine direkte Umsetzung der Ideen des GeR wie Profile deutsch und das DIALANG-System zur Selbst- und Fremdbeurteilung. Der Europarat hat ein Handbuch entwickelt, das zeigt, wie man Tests auf den GeR eichen (kalibrieren) kann. Die Qualität der KANN-Beschreibungen, aber auch Aspekte des Gesamtkonzepts des GeR werden im Fachdiskurs z.T. kontrovers diskutiert (vgl. u.a. Quetz 2001, Bausch et al. 2002, Fulcher 2004). Bausch, K.-R. et al., Hrsg. (2002), Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen, Tübingen. - Council of Europe, Hrsg. (2001), A Common European Framework of Reference for Languages: Learning, teaching, assessment, Strasbourg/ Deutsch: Goethe-Institut et al., Hrsg. (2001), Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: Lernen, lehren, beurteilen, München u.a.; Internetadresse: www. goethe.de/ referenzrahmen - Fulcher, G. (2004), „Deluded by Artifices? “ in: Language Assessment Quarterly 1/ 4, 253-266. - Quetz, J. (2001), „Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen“, in: InfoDaF 28/ 6, 553-563. - Schneider, G./ North, B. (2000), Fremdsprachen können - was heisst das? , Zürich. Jürgen Quetz Geragogik, die: s. Fremdsprachengeragogik German Studies: allgemein Germanistik, vor allem im englischsprachigen Ausland; geisteswissenschaftliche Disziplin, die die deutsche Sprache und deutschsprachige Literatur in Vergangenheit und Gegenwart erforscht; seit der „Krise“ der Germanistik oft mit neueren Tendenzen sowohl der Auslandswie Inlandsgermanistik in Verbindung gebracht, die das traditionell philologische Fach multi- und interdisziplinär in Richtung Geschichts-, Kultur-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit Blick auf die deutschsprachigen Länder hin öffnen. Zu den wichtigsten Verbänden der G.S. gehören die German Studies Association und die Gesellschaft für interkulturelle Germanistik (GiG). Internetadresse: www.thegsa.org Erwin Tschirner <?page no="113"?> 102 Gerundivum Gerundivum, das: s. Verbaladjektiv Gesamtsprachencurriculum, das: Deutsch als Muttersprache, Unterricht in den Familiensprachen von Migrantenkindern, Fremdsprachenunterricht - die sprachlichen Angebote des Bildungswesens stehen i.d.R. unverbunden nebeneinander.Ein G. ist dagegen ein Rahmenplan, der das Sprachunterrichtsangebot bündelt und aufeinander abstimmt. D.h. das G. versucht, im Hinblick auf die Sprachentwicklung des Menschen ein Gesamtkonzept sprachlicher Bildung zu erarbeiten, indem geprüft wird, wann ein günstiger Zeitpunkt für die Förderung bestimmter Sprachen ist, wie sich der Unterricht in verschiedenen Sprachen koordinieren, wie sich Synergien nutzen lassen ( Mehrsprachigkeitsdidaktik). Hinzu kommt, dass es an den Schnittstellen des Bildungssystems, z.B. den Übergängen vom Kindergarten in die Grundschule, von dort in das Gymnasium, bisher keine Kontinuität gibt und in den weiterführenden Bildungsstufen die bereits mitgebrachten Spracherfahrungen kaum berücksichtigt werden. Für die Forschung impliziert ein G. die Notwendigkeit zu untersuchen, wie sich Prozesse des Erlernens der ersten und weiterer Fremdsprachen unterscheiden und evtl. stützen Transfer, Tertiärsprachenforschung). Für DaF wird ein G. aktuell, seit Deutsch immer mehr zur zweiten oder dritten gelernten Fremdsprache wird, hier also Lehrer auf vorhergehenden Sprachlernerfahrungen aufbauen könnten, wenn sie über diese informiert wären. Für DaZ hat sich der Ruf nach einem G. entwickelt, weil das Bildungswesen bisher die mitgebrachten Sprachkenntnisse von Migrantenkindern nicht nützt und auch die Sprachförderung in Deutsch nicht mit Sprachanforderungen in anderen Fächern koordiniert ist ( languages across the curriculum). Hufeisen, B./ Lutjeharms, M. (2005), Gesamtsprachencurriculum, Integrierte Sprachendidaktik, Common Curriculum, Tübingen. Hans-Jürgen Krumm Gesamtsprachenkonzept, das: Versuch, die einzelsprachenspezifischen Aspekte des Lernens und Lehrens von Sprachen auf ihre Gemeinsamkeiten und sprachenübergreifenden Prinzipien hin zu untersuchen und als etwas Gesamthaftes zu betrachten. Aus wissenschaftstheoretischer Perspektive können so gemeinsame Forschungsfragen generiert, untersucht und beantwortet werden, aus unterrichtspraktischer Perspektive kann über Synergien und sprachenübergreifende Lehr- und Lernmuster der Einzelsprachenunterricht entschlackt werden, um ihn spezifischer und nachhaltiger zu gestalten. Ein idealtypisches G. kann in ein konkretes Gesamtsprachencurriculum umgesetzt werden und umfasst keineswegs nur die klassischen und typischen Fremdsprachen, sondern auch die jeweiligen Erstbzw. Herkunftssprachen der Lernenden und die jeweiligen Umgebungs-, Verkehrs- und Muttersprache(n), im deutschsprachigen Raum, auch Deutsch als Zweitsprache. Echte curriculare Mehrsprachigkeit entsteht, wenn auch die Sachfächer mit einbezogen werden. Hufeisen, B./ Lutjeharms, M., Hrsg. (2005), Gesamtsprachencurriculum - Integrierte Sprachendidaktik - Common Curriculum. Theoretische Überlegungen und Beispiele der Umsetzung, Tübingen. Britta Hufeisen Geschichte des Faches Deutsch als Fremdsprache: s. Deutsch als Fremdsprache, Geschichte des Faches Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL): gegründet 1968. Die GAL fördert die angewandte Linguistik, insbesondere den Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse in Deutschland. Sie gibt die Buchreihe forum Angewandte Linguistik (fAL) und die Zeitschrift für Angewandte Linguistik (ZfAL) heraus und führt jährlich eine Tagung durch. Die GAL ist Mitglied der Association Internationale de Linguistique Appliquée (AILA). Internetadresse: www.gal-ev.de Tatjana Atanasoska Gesellschaft für interkulturelle Germanistik (GiG): internationale wiss. Vereinigung von Hochschul- Germanisten, gegr. 1984 in Karlsruhe zur Erforschung und Vermittlung interkultureller Germanistik, verstanden als kulturwissenschaftlich fundierte Philologie des Deutschen (Fremdkulturwissenschaft). Ziele: Intensivierung wiss. Kontakte zwischen Inlands- und Auslandsgermanistik, Förderung des Interesses an Interkulturalität im Rahmen der muttersprachlichen und fremdsprachigen Germanistik sowie der kulturellen Praxis in Schulen, Universitäten und auswärtiger Kulturarbeit. <?page no="114"?> gesteuerter Spracherwerb 103 Wierlacher, A./ Bogner, A., Hrsg. (2003), Handbuch interkulturelle Germanistik, Stuttgart. Ernest W.B. Hess-Lüttich gesprächsspezifische Formel: komplexes, memorisiertes, automatisiertes und i.d.R. ganzheitlich erworbenes Ausdrucksmittel (z.B. Was waren das noch? , […] oder wie das heißt.); eine g.F. dient L1- und L2-Sprechern u.a. als Gesprächsstrategie zur Überbrückung von Formulierungsengpässen, sie ermöglicht so eine Fortführung des Sprechvorgangs und schafft Planungszeit für die weitere Rede (vgl. Stein 1997, 47 f.). Der Erwerb einer g.F. in L1 und L2 erfolgt meist aus natürlichen Sprachlernvorgängen (Imitation oder Nachahmung). Die semantisch richtige Verwendung der g.F. durch Fremdsprachenlerner unterstützt den Eindruck von „sprachlicher Flüssigkeit“ und einer native like Kompetenz. Im kindlichen L2-Erwerb wird zudem davon ausgegangen, dass g.F. als Formulierungsmuster dienen (vgl. Müller 2000, 148 f.). (s. ggf. auch Chunk; formelhafte Sprache). Müller, K. (2000), Lernen im Dialog. Gestaltlinguistische Aspekte des Zweitspracherwerbs, Tübingen, 148 ff. - Stein, S. (1997), „o leck! Ich wä: ß nimme: wie das heißt“. Formulierungsflauten in der Zweitsprache“, Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung, Nr. 31, 33-77. Christiane Rausch gesprochene Sprache: 1. Definition Mündliche Kommunikation (MK) ist menschheitsgeschichtlich die primäre Form der sprachl. Verständigung mit spezifischen Mitteln, Formen und Funktionen: Personen verständigen sich durch Laute und Körperbewegungen (multimodal), um spezifische Ziele zu realisieren, und zwar gemeinsam präsent in einer Situation, sich gegenseitig beeinflussend (interaktiv) und in zeitlicher Abfolge (sequenziell). Um frequente Begegnungssituationen wie z.B. Begrüßung, Hilfsersuchen usw. zu konstituieren, nutzen sie Konventionen und verfestigte Formen entsprechender kommunikativer Gattungen. G.S. bezeichnet die verbalsprachlichen Anteile der MK einschließlich aller bedeutungstragenden stimmlichen und prosodischen Erscheinungen. Analyse-Kategorien sind u.a. Laut, Wort, funktionale Einheit, Gesprächsbeitrag und kommunikative Gattung. 2. Abgrenzung Gegenüber der Schriftsprache weist g.S. unterschiedliche Produktions- und Rezeptionsbedingungen sowie Funktionen auf. Dies bedingt vielfältige syntaktische (z.B. Aussage-Referenz- Strukturen), lexikalische (Gesprächs-/ Abtönungspartikeln) und pragmatische (Sprecherwechsel) Besonderheiten. 3. Relevanz G.S. ist v.a. in fremdsprachlichen Allgemeinkursen das unterrichtliche Hauptlernziel. Zu deren Vermittlung wird seit der „Kommunikativen Wende“ Anfang der 1970er Jahre ( Kommunikative Kompetenz) fachweit der Einsatz authentischer Sprachvorbilder gefordert. Seitdem werden zunehmend auch unbearbeitete Hörtexte aus realer Kommunikation (z.B. Gespräche im Restaurant u.ä.) bzw. medialer Herkunft (Radio, Fernsehen) im Unterricht eingesetzt und die Lernenden werden durch entsprechende Lernformen (z.B. Rollenspiele mit anschließendem Feedback im Unterricht) auf realitätsgerechtes Sprechhandeln vorbereitet (seit kurzem entsteht eine für Analysezwecke wie auch für die Lehrmaterialproduktion geeignete „Datenbank Gesprochenes Deutsch“ mit Tonaufnahmen und Transkripten; vgl. IDS Mannheim 2003 f.). Daneben finden sich aber auch weiterhin Lehrwerkdialoge in eher schriftnaher Qualität (vgl. Fiehler 2008) und ein hoher Anteil an Unterrichtskommunikation mit ihren „pädagogisch“ motivierten Verformungen. Vor allem Dialoge in Grundstufen-Lehrwerken weisen schriftsprachliche Merkmale wie ganze Sätze oder ana-/ kataphorische Redundanzen auf, die kommunikative Interaktivität beschränkt sich häufig auf material- und lehrerinduzierte Sprecherwechsel. Fiehler, R. (2008), „Gesprochene Sprache - ein „sperriger“ Gegenstand“, in: Chlosta, C. et al., Hrsg. (2007), Auf neuen Wegen. Deutsch als Fremdsprache in Forschung und Praxis, Göttingen, 261-274. - IDS Mannheim (2003 f.) http: / / agd.ids-mannheim.de/ html/ index.shtml Reinhard Fiehler/ Bernd Müller-Jacquier gesteuerter Spracherwerb: im Kontext der Unterscheidung unterschiedlicher Situierungen des Lernens/ Erwerbens von Sprachen gebräuchlicher Terminus für einen unterrichtlich bzw. - in erweitertem Sinne - durch explizites Lehrhandeln und/ oder einschlägige Lehr- und Lermaterialien systematisch beeinflussten Fremdsprachenerwerb. In Abgrenzung dazu gelten Erstspracherwerb und Zweitspracherwerb als Vertreter ungesteuerten Spracherwerbs. Insofern allerdings argumentiert werden kann, dass Spracherwerbsprozesse durch die Einflüsse der je unterschiedlichen Faktorenkonstellationen und -ausprägungen (et- <?page no="115"?> 104 Gestik wa sprachlicher Input, Teilhabe an Kommunikation, Akzeptanz im gesellschaftlichen Umfeld etc.) sowie durch die neurophysiologisch determinierten Prozesse der Sprachverarbeitung immer schon in verschiedenen Hinsichten „gesteuert“ verlaufen, ist die definitorische Qualität des Begriffs g.S. wie auch die Trennschärfe zwischen g.S. und dem dazu komplementären Terminus ‚ungesteuerter Spracherwerb‘ als relativ einzuschätzen. Dies gilt auch für deren Gebrauch in Forschungskontexten zum Spracherwerb, zumal „reine“ Fälle gesteuerten bzw. ungesteuerten Fremdsprachenerwerbs selbst im terminologisch intendierten Sinne empirisch kaum anzutreffen sind. Eine begriffliche Alternative zur Unterscheidung der Situierung von Spracherwerbsprozessen bietet sich mit den Attribuierungen „explizit-intentional gesteuert“ vs. „außerunterrichtlich“, mit denen sich auch „gemischte“ Erwerbsfälle in ihren unterschiedlichen Anteilen erfassen lassen. Hans Barkowski Gestik, die: zentrales Element der Körpersprache; Bewegungen der Arme, Hände und Finger zum Zweck der Kommunikation oder als Begleiterscheinung individueller Überlegungen bzw. Zustände. G. ist besonders eng mit Sprache verknüpft (Kendon 2004) und tritt in vielfältigen Formen und Funktionen auf. Man kann sprachbegleitende, sprachersetzende und autonome Gesten unterscheiden. - Sprachbegleitende Gesten (Illustratoren) illustrieren, modellieren und strukturieren das Gesagte. Hierzu gehören deiktische Gesten (Zeigegesten), ikonische Gesten (zeichnen ein Redeobjekt nach), Kinematographen (zeichnen eine Handlung nach), Taktgebergesten (akzentuieren und strukturieren die Rede), Ideographen (zeichnen den Gedankenfluss nach) und Regulatoren (regulieren den Sprecherwechsel). - Sprachersetzende Gesten substituieren eine Äußerung, können aber auch sprachbegleitend auftreten. Hierzu zählen lexikalisierte Gesten (z.B. Aneinanderreiben der Fingerspitzen für Geld) und Embleme (sprachgleiche Gesten, die einen ganzen Satz darstellen (Bsp. Vogelzeiggeste für Du bist verrückt). - Autonome bzw. eher sprachunabhängige Gesten signalisieren oder verbergen allgemeine Erregung. Hierzu zählen Manipulationen oder Adaptoren (Berührung des eigenen Körpers, des Gesprächpartners oder von Gegenständen). G. im Allgemeinen, aber besonders lexikalisierte Gesten, Embleme und Adaptoren sind kulturell geprägt und führen oft zu Missverständnissen. Kendon, A. (2004), Gesture. Visible Action as Utterance, Cambridge. - Müller, C. (1998), Redebegleitende Gesten. Kulturgeschichte - Theorie - Sprachvergleich, Berlin. - Bebilderte Liste von Gesten: http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Liste_der_Gesten Ruth Eßer GIG: s. Gesellschaft für interkulturelle Germanistik Gleichsetzungsnominativ, der: auch: Prädikatsnominativ. Als G. bezeichnet man den Nominativ, der als Nominativ des Subjektsprädikativs dem Subjektsnominativ gegenübersteht, z.B.: Emil ist ein Fuchs. Klaus Welke Gleichzeitigkeit, die: Die Tempusformen des Verbs sowie andere sprachliche Mittel (z.B. Adverbien, Konjunktionen) drücken zeitliches Geschehen aus ( Tempus). G. liegt vor, wenn z.B. in einem Satz Aktzeit und Sprechzeit zusammenliegen (Er telefoniert (gerade)), bzw. in einem Satzgefüge (Hauptsatz/ Nebensatz) das Geschehen des Nebensatzes zeitgleich zum Geschehen des Hauptsatzes verläuft. Dem entsprechen verschiedene Subjunktionen zur Einleitung temporaler Nebensätze: 1. Dauer eines Geschehens: während, solange, seit, seitdem: Während Susanne nachts schlief, ging Klaus arbeiten. 2. Zeitpunkt eines Geschehens: wenn, denn, als, da, wenn: Als der Hahn krähte, erwachten Klaus und Susanne. Mandy Höhle Glossar, das: Wörterverzeichnis mit Erläuterungen zur Erschließung bzw. zum besseren Verständnis eines Textes. Glossare finden sich in der Neuzeit oft als Bestandteil editierter Textausgaben, wurden jedoch schon in Antike und Mittelalter angefertigt, um Lesern erklärungsbedürftige Wörter (z.B. Archaismen und Fremdwörter) in wissenschaftlichen und literarischen Texten zu erläutern. Frühmittelalterliche G. sind oft einsprachig (lat.-lat.) angelegt. Die zweisprachigen G. des MA., in denen lateinische Wörter durch Übersetzungen und Erklärungen in der Volkssprache erläutert wurden, gelten als Vorgänger des zweisprachigen Wörterbuchs. In vergleichbarer Funktion werden viele Fremdsprachen-Lehr- <?page no="116"?> Government and Binding Theorie 105 werke mit zusätzlich erwerbbaren G. in den Muttersprachen der potenziellen Käufer/ Lerner bzw. weit verbreiteten anderen Fremdsprachen angeboten. Anna Peterwerth Glottodidaktik, die: 1965 an der Posener Universität als Name für die von L. Zabrocki gegründete Zeitschrift „Glottodidactica. An International Journal of Applied Linguistics“ geprägter Ausdruck, der dann zur Bezeichnung einer neuen akademischen Disziplin wurde. In der Lehre steht die professionelle Ausbildung von Fremdsprachenlehrern im Zentrum, in der Wissenschaft geht es um Theorien der Sprachaneignung, das Lehren und Lernen von Fremdsprachen sowie die Erstellung von Mitteln und Methoden des Fremdsprachenunterrichts. Heute wird G. an allen polnischen Universitäten als relativ eigenständiges Fach betrieben. G. wird in deutschsprachigen Publikationen gelegentlich als Synonym für Fremdsprachendidaktik benutzt. Pfeiffer, W. (2001), Nauka j ę zyków obcych. Od praktyki do praktyki, Pozna ń . - Grucza, F. (2007), Lingwistyka stosowana. Historia-Zagadnienia-Osi ą gni ę cia, Warszawa. Franciszek Grucza/ Hans-Jörg Schwenk Goethe-Institut, das: 1. Aufgaben Das G. ist das Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland. Seine Ziele sind die Förderung der deutschen Sprache im Ausland, die Pflege der internationalen kulturellen Zusammenarbeit und die Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes durch Informationen über das kulturelle, gesellschaftliche und politische Leben. Mit einem Netzwerk aus Instituten, Goethe-Zentren, Kulturgesellschaften, Lesesälen und Sprachlernzentren erfüllt das G. zentrale Aufgaben der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Im Jahr 2008 gibt es 147 G. in 83 Ländern. Die Finanzierung des G., das die Rechtsform eines eingetragenen Vereins hat, erfolgt durch Zuwendungen des Auswärtigen Amts und des Bundespresseamts, erhebliche Eigeneinnahmen, private Kulturträger, die Bundesländer, die Kommunen und private Förderer. 2. Geschichte Das G. wurde 1951 gegründet, um ausländische Deutschlehrer in Deutschland fortzubilden. Mit der Institutseröffnung in Athen 1953 begann seine internationale Erweiterung. An den ausländischen Instituten wurden Deutschunterricht, Lehrerfortbildung und Kulturprogramme angeboten. Durch die Angliederung aller bisher im Ausland tätigen deutschen Kulturinstitutionen an das G. wurde es 1959-1960 zu einem globalen Institutsnetz ausgebaut. 1976 unterzeichneten das Auswärtige Amt und das G. einen Vertrag, in dem der Status des G. als unabhängige Kulturinstitution geregelt wird. Nach dem Fall der Mauer weiteten sich seine Aktivitäten in den 1990er Jahren stark nach Osteuropa aus, es kam zu zahlreichen Neugründungen. 2001 fusionierte das G. mit Inter Nationes, einem Verein zur Förderung zwischenstaatlicher Beziehungen. Von diesem Zeitpunkt an hieß es bis 2003 Goethe-Institut Inter Nationes. 3. Die Spracharbeit des Goethe-Instituts Im Studienjahr 2007/ 2008 lernten 196.888 Personen an G. weltweit Deutsch. Das G. richtet auf allen Niveaus und für verschiedene Zielgruppen Deutschprüfungen aus, davon berechtigen einige sprachlich zum Zugang zu einem Studium an Hochschulen in Deutschland. Außerdem bietet es weltweit Fortbildungen, Fernkurse und Prüfungen für DaF- und DaZ-Lehrer an. Seit August 2007 ist das G. Ausrichter der Sprachprüfung „Start Deutsch 1“, die seit der Änderung der dzgl. gesetzlichen Grundlagen in 2007 für einen gesetzlich definierten, eingeschränkten Personenkreis Voraussetzung für den Ehegattennachzug nach Deutschland ist. Internetadresse: www.goethe.de Katharina von Ruckteschell Government and Binding Theorie, die: auch: Rektions- und Bindungstheorie, von Noam Chomsky in „Lectures on Government and Binding“ (1988) entwickelt. Die Theorie nimmt die Tatsache einer angeborenen Fähigkeit des Spracherwerbs und das Vorhandensein von Strukturen, die allen Sprachen gemein sind ( Universalgrammatik), an. Das Modell der GBT nimmt eine sprachliche Struktur auf vier Ebenen an: Das Lexikon enthält alle spezifischen Merkmale der lexikalischen Elemente. Aus dem Lexikon gespeist werden die einzelnen Elemente in der D-Struktur (Ebene 1) dargestellt, ohne noch miteinander verbunden zu sein. Durch verschiedene Bewegungen werden die Elemente so angeordnet, dass sie miteinander in Phrasen (z.B. Nominal- oder Verbalphrasen) verbunden sind. Die Bewegungsregeln werden <?page no="117"?> 106 Gradadjektiv in der GBT nur ganz allgemein als move - bezeichnet. Ein Beispiel für eine Bewegungsregel ist das Vorrücken eines Verbs in die CP-Position ( Complément) im deutschen Satz. Die Bewegungen sind nicht unbeschränkt, sondern folgen einer Reihe von Einschränkungen, die u.a. die Reichweite der Bewegungen festlegen. So kann ein Verb nur in die nächstliegende CP-Position rücken und nicht in eine beliebige. Das Resultat der Bewegungen ist die so genannte S-Struktur (Ebene 2). Aus dieser wird das sprachliche Material, die phonlogische Form (PF, Ebene 3), also über Laute und Prosodie und über die logische Form(LF, Ebene 3), die Schnittstelle zur Semantik, weiter verarbeitet. Lexikon D-Struktur Move Phonologische Regeln S-Struktur LF- Move PF LF Chomsky, N. (1988), Lectures on Government and Binding, Dordrecht. Thomas Fritz Gradadjektiv, das: drückt Eigenschaften einer Person oder Sache aus, indem es eine Beziehung zu einem anderen Objekt herstellt (z.B. Ihre Lippen waren eisblau = Ihre Lippen waren blau wie Eis) oder eine graduelle Abstufung erkennen lässt (z.B. geringer Grad: Ihr Haar schimmerte rötlich = ein wenig rot). Dabei stellt das G. den Sachverhalt differenzierter als die Komparation dar, indem es die Eigenschaften zusätzlich semantisch nuanciert oder emotional wertende Komponenten hinzufügt. G. werden mithilfe von Komposition (z.B. kirschrot) oder Derivation/ Präfigierung (hypermodern) und Suffigierung (kränklich) gebildet. Mandy Höhle Gradation, die/ Gradierung, die: G. bedeutet, eine lexikalische Einheit zu einer anderen in Beziehung zu setzen und deren Gehalt gegeneinander abzuwägen. Im Deutschen ist dies mithilfe der Komparation von Adjektiven in Verbindung mit festen Wendungen möglich (z.B. von gleichem Wert mit Positiv: Klaus ist so groß wie Susi, von unterschiedlichem Wert mit Komparativ: Klaus ist größer als Susi, höchster Wert mit Superlativ: Klaus ist am größten). Weiterhin ist es mithilfe von Kompositabildung und Präfixsowie Suffixderivation bei Adjektiven möglich, gradierende Beziehungen auszudrücken (z.B. Vergleich/ gleicher Grad: pechschwarz = so schwarz wie Pech, hoher Grad: spiegelglatt = sehr glatt, zu hoher Grad: hypermodern = zu modern, geringer Grad: kränklich = ein wenig krank). Mandy Höhle Grammatik: Mit G. wird in erster Linie die formale Verfasstheit der Sprache(n) selbst bezeichnet. Daneben fungiert der Terminus als Bezeichnung wissenschaftlicher Modelle der Analyse und Beschreibung der formalen Verfasstheit von Sprachen sowie für Nachschlagewerke unterschiedlicher Anliegen (z.B. Grammatiken für bestimmte Schulstufen; Grammatiken für den FSU; Grammatiken als Nachschlagewerke). 1. Grammatik als Eigenschaft von Sprache(n) Unter der Grammatik einer Sprache werden deren „Mittel der Form“ verstanden, als System von Ausdrucksmitteln unterschiedlicher Struktur und Funktion (Laute/ Buchstaben und Kombinationen davon; Wörter; Wortverbindungen; Sätze; Satzverbindungen; Texte). Die Mittel der Form dienen dem Zweck, Inhalte unserer Wahrnehmung und unseres Denkens sprachlich zu repräsentieren und auf diese Weise der Kommunikation verfügbar zu machen. Damit gehören die formalen Eigenschaften von Sprachen zu deren konstitutiven Bestandteilen, sind Sprache. 2. Grammatiken als systemische Modelle wissenschaftlicher Sprachbetrachtung Linguistische Grammatikmodelle untersuchen die Formseite der Sprache(n); sie bestimmen die verschiedenen Mittel kategorial, ordnen sie in Gruppen (z.B. Konsonant-Vokal; Nomen-Verb) und versuchen darüber hinaus das Zusammenwirken der einzelnen Mittel der Form systematisch zu erfassen und in einer kohärenten Aussage über das Gesamtsystem von Sprache als universellem Werkzeug menschlicher Kommunikation bzw. über konkrete Einzelsprachen (für das Deutsche vgl. z.B. die Grammatiken von Eisenberg oder Zifonun u.a.) zusammenzuführen. Die daraus resultierenden Sprachbeschreibungsmodelle unterscheiden sich einerseits in ihren Ansätzen (vgl. z.B. Dependenzvs. Konstituentengrammatik), aber auch im Grad ihrer Berücksichtigung der Ausdrucksfunktionen <?page no="118"?> Grammatikdidaktik 107 sprachlicher Mittel oder der Einbeziehung der Textebene (s. Textgrammatik) oder der Qualität sprachlicher Ereignisse, als soziale Handlungen zu fungieren ( Pragmatik). 3. Zur Rezeption und Verwendung linguistischer Sprachbeschreibungsmodelle als Orientierungen für die Grammatikvermittlung Unabhängig von aspektuellen Bedeutsamkeiten, wie sie im Prinzip für alle wissenschaftlichen Ansätze systematischer Beschreibung des Deutschen zutreffen, werden fachweit dem Valenzansatz ( Valenz) sowie der Funktionalen Grammatik besondere Potenziale für die Grammatikvermittlung in FSU-Kontexten zuerkannt; so gilt die Valenz der Verben als mögliches Orientierungssystem für die syntaktische Progression, aber auch für die Vermittlung des Verb-Lexikons, während die Funktionale Grammatik die Entwicklung von Konzepten für didaktische Grammatiken (vgl. dazu u.a. Barkowski 1986; Götze 1999; Freudenberg-Findeisen 1999) sowie die Entwicklung von Lehr-/ Lernmaterialien und die Unterrichtspraxis wesentlich beeinflusst hat und beeinflusst. 4. Grammatiken als Nachschlagewerke Grammatiken im Sinne von Nachschlagewerken richten sich entweder an beliebige Nutzer/ Käufer, wie etwa die DUDEN-Grammatik, grammis u.v.a., oder fokussieren ausgewählte Gebrauchskontexte mit einem besonderen Bedarf an einer spezifischen Auswahl oder sprachlichen und/ oder didaktischen Aufbereitung des dargebotenen Grammatikstoffes (so etwa diverse Grammatiken für den schulischen Kontext). Einige dieser Angebote verstehen sich ihrem Anspruch nach als systematische Darstellungen der Grammatik des Deutschen für DaF-Erfordernisse (z.B. Helbig/ Buscha; Kars/ Häußermann). Darüber hinaus gehören kontrastive Grammatiken (für eine Übersicht s. Institut für Deutsche Sprache) zu den grundlegenden Handwerkszeugen einer den Aufbau von Sprachaufmerksamkeit unterstützenden Methodik/ Didaktik des FSU. (Vgl. auch Grammatikvermittlung). Barkowski, H. ( 2 1986), Kommunikative Grammatik und Deutschlernen mit ausländischen Arbeitern, Mainz. - Eisenberg, P. ( 2 2004), Grundriß (sic) der deutschen Grammatik. Bd. 1: Das Wort; Bd. 2: Der Satz, Stuttgart u. Weimar. - Freudenberg-Findeisen, R., Hrsg. (1999), Ausdrucksgrammatik versus Inhaltsgrammatik. Linguistische und didaktische Aspekte der Grammatik, München. - Götze, L. (1999), „Eine funktionale Grammatik für Deutsch als Fremdsprache“, in: Sibitzki, B./ Wotjak, B., Linguistik und Deutsch als Fremdsprache, Tübingen, 81-94. - grammis: www.ids-mannheim.de/ gra/ grammis - Helbig, G./ Buscha, J. (1970/ 1984/ 1991 ff.), Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht, Leipzig u.a. - Kars, J./ Häußermann, U. (1997), Grundgrammatik Deutsch, Frankfurt a.M. - Sopota, A. (2004), Universalgrammatik und Fremdsprachenunterricht, Frankfurt a.M. - Zifonun, G. u.a. (1997), Grammatik der deutschen Sprache, 3 Bände, Berlin/ New York. Hans Barkowski Grammatikalität, die: bezeichnet in der Sprachwissenschaft die grammatikalische Wohlgeformtheit eines Satzes innerhalb des grammatikalischen Systems einer Sprache. G. bezieht sich ausschließlich auf die grammatikalische Richtigkeit eines Satzes, nicht auf seine Akzeptabilität, d.h. seine semantische Stichhaltigkeit. Ein Beispiel für diesen Umstand ist der Satz Nachts ist es kälter als draußen, der dem Prinzip der G. entspricht, nicht jedoch dem der Akzeptabilität. Generative Linguisten bezeichnen G. als ein Zeichen für das Vorhandensein von sprachlicher Intuition (das implizite Wissen), die beim Spracherwerb entwickelt wird. Grammaticality Judgement Tests (GJT) sind in der Spracherwerbsforschung ein viel verwendetes Instrument, um das implizite sprachliche Wissen von Lernenden zu testen. Das implizite Wissen stellt ein nicht bewusstes Regelwissen über die Sprache dar, das nicht auf explizitem Wissen über Regeln basiert. Es stellt einen Einblick in die Kompetenz dar. In GJT werden Lernende gebeten, Beispielsätze auf ihre G. zu überprüfen. Diese Art von Test schließt jede Interferenz der Produktion (der Performanz) aus. Kritiker der GJT behaupten, dass die Beurteilung von Sätzen nach ihrer G. nicht ausschließlich eine Frage der linguistischen Kompetenz darstelle, sondern auch andere allgemeine kognitive Fähigkeiten einschließt. Thomas Fritz Grammatikdidaktik: bezeichnet all jene unterrichtsbezogenen Konzepte und Planungen, die die Einsicht der Lernenden in die morpho-syntaktische, lexikalische, semantische und pragmatische Systematik der Sprache zum Ziel haben. Im Kontext des fremdsprachlichen Unterrichts sind die konzeptuellen Grundfragen der G. nur in Abhängigkeit zur jeweiligen Fremdsprachenmethodik definierbar: Sie gelten der methodischen Vorgehensweise (z.B. induktiv/ deduktiv/ individuell/ kollektiv), dem Umfang der angestrebten Bewusstmachung (Anteil am Fremdsprachenun- <?page no="119"?> 108 Grammatikmethodik terricht insgesamt), dem optimalen Zeitpunkt (Progression), den zu Lernzwecken nützlichen metasprachlichen Begriffen (Terminologie) und den dazu verwendeten Materialien. In der Geschichte der didaktisch-methodischen Ansätze ist dabei sowohl eine Erweiterung des Gegenstandsbereichs der G. von der morpho-syntaktischen Orientierung zu interkulturellen und pragmatischen Fragen der Systematik des Gebrauchs zu konstatieren als auch eine Entwicklung von lehrbezogenen (deduktiv, präskriptiv, kollektiv durch Regelvorgaben) zu lernprozessbezogenen Systematisierungen (induktiv, individuell durch Kognitivierungshilfen). Dabei werden linguistische Beschreibungsmodelle lediglich partiell und eklektisch je nach Alter, Vorkenntnis und Systematisierungsbedürfnissen der Lernenden einbezogen. Düwell, H./ Gnutzmann, C./ Koenigs, F., Hrsg. (2000), Dimensionen der didaktischen Grammatik. Festschrift für Günter Zimmermann zum 65. Geburtstag, Bochum. Hermann Funk Grammatikmethodik, die: s. Grammatikvermittlung Grammatiktheorie, die: Eine Grammatik ist eine Eigenschaft einer Sprache oder eine Beschreibung dieser Eigenschaft. G. bietet zu beiden ein theoretisches, die Grundlagen von Grammatik beschreibendes und/ oder erklärendes Konstrukt. Grammatik als Beschreibung einer Sprache bezieht sich entweder auf diese Sprache als ganze oder auf die sprachlichen Formen und deren Kombination zu syntaktischen Gebilden. In beiden Hinsichten greift Grammatik auf die frühesten Erkenntnisse in der griechischen Sprachwissenschaft zurück, die die lateinische übernahm. Sie bilden bis heute die Grundlagen westlicher Sprachwissenschaft. Im Mittelpunkt dieser Tradition steht die Lehre von den partes orationis („Redeteile“ oder „Wortarten“), deren Achtzahl lange eine kanonische Geltung hatte. Die Verankerung in der mittelalterlichen Universitätsausbildung als erstem Teil des „Triviums“ verlieh dieser G. (1) eine große Festigkeit und Verbreitung, die die theoretischen Unausgewogenheiten und Brüche zwischen ihren einzelnen Teilen (ontologisch, topologisch, funktional) bis heute überdecken. Dieser Lehre liegen Sprachen des flektierenden Sprachtypus, also Sprachen mit einer reichen Morphologie (Griechisch, Lateinisch im indogermanischen Sprachtypus) zu Grunde. Die Anwendung der so gewonnenen Kategorien auf Sprachen aus anderen Sprachtypen erweist sich als problematisch (agglutinierende Sprachen, z.B. Türkisch, Ungarisch) bis unmöglich (isolierende, z.B. Chinesisch, und polysynthetische, z.B. Inuktitut). Die verschärften methodologischen Anforderungen an Wissenschaften im 20. Jh. führen zu einer G. (2), wie sie insbesondere von der Generativen Transformationsgrammatik (Chomsky) bzw. Teilen der Kognitiven Grammatik (Langacker, Givón) angestrebt wird. Zwischenzeitliche Versuche zu logisch basierten G. (z.B. Montague, Cresswell) wurden in jüngerer Zeit stärker in die Semantik überführt. - G. (1) und G. (2) weisen bis heute ein weitgehend ungeklärtes Verhältnis zu den als selbstverständlich unterstellten überkommenen Kategorien ihrer Entstehung in der griechischen Grammatikschreibung auf. Insbesondere das Verhältnis von Form und Funktion bedarf weiterer Klärung. Die mit von Humboldt begonnenen grammatiktheoretischen Ansätze, die nur sporadisch aufgenommen wurden (amerikanische Ethnolinguistik, Sprachinhaltsforschung), sind hierfür ebenso von Bedeutung wie eine systematischtheoretische Rekonstruktion der Grammatik als sprachliche Handlungsressource (funktional-pragmatische Grammatik). Redder, A./ Rehbein, J., Hrsg. (1998), Grammatik und mentale Prozesse, Tübingen. Konrad Ehlich Grammatik-Übersetzungsmethode (GÜM), die: in Europa im 19. Jh. für den neusprachlichen Unterricht an Gymnasien nach dem Vorbild des Griechisch- und Lateinunterrichts entwickelte Methode. Sprachenlernen dient der geistig-formalen Schulung des Menschen, der Erziehung zu ordnendem Denken und der Formung seiner Persönlichkeit. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit den Bildungsgütern der fremden in Bezug zur eigenen Kultur. Die GÜM verfolgt ein strenges kognitives Lernkonzept, Sprachenlernen ist Mittel zur Herausbildung von logisch-abstraktem Denken. Grundlage der Sprachbeschreibung ist die geschriebene, literarisch geformte Sprache. Regeln werden mit Hilfe der lateinischen Grammatik formuliert und nach Wortarten geordnet, was zu einer hohen Zahl von Ausnahmeregeln führt. Unterrichtsprinzipien: Einsichtnahme in die Baugesetze der fremden Sprache durch Vergleich <?page no="120"?> Grammatikvermittlung 109 mit der Muttersprache. Durch Anwendung von Regeln erfolgt eine Rekonstruktion der fremden Sprache und die Reproduktion korrekter Sätze. Übungsformen sind Hin- und Rückübersetzungen schriftlicher, vor allem literarischer Texte, Satzumformungen nach formalen Grammatikregeln, die Wiedergabe vorgegebener Texte und Diktate sowie das Verfassen von Aufsätzen. Die Mündlichkeit von Sprache ist nachrangig, Sprachbeherrschung bedeutet Sprachwissen. Die Orientierung am Lehrwerk mit genauen Vorgaben zum Ablauf des Unterrichts spielt eine zentrale Rolle, der Unterricht läuft deduktiv und frontal-lehrerzentriert ab. Vorherrschende Unterrichtssprache ist die Muttersprache der Lernenden. Renate Faistauer Grammatikvermittlung, die: 1. Fachliche Verortung und Begriffsklärung Auf die konkreten Gegenstände von DaF/ DaZ bezogen, hat es G. im Einzelnen zu tun - mit der Rolle der Mittel der Form im Kontext eines auf die Vermittlung kommunikativer Kompetenz zielenden FSU (s.a. Grammatik); - mit der Verfasstheit des Deutschen im Hinblick auf die Mittel der Form aus linguistischer Sicht; - mit grundlegenden Erkenntnissen über Spracherwerbsbzw. Sprachlernvorgänge und deren Förderungsmöglichkeit); - mit der sozial, kulturell und individuell bedingten Diversität von Lernerbiografien als Eingangsvoraussetzung für Gestaltungsoptionen unterrichtlichen Lehrens und Lernens; - mit der Zusammenführung von Positionen und Erkenntnissen aus den gen. Teilbereichen in methodisch-didaktische Konzepte und Einzelentscheidungen (s.a. Grammatikdidaktik). 2. Zentrale Orientierungen von G. in Geschichte und Gegenwart Es existiert eine umfangreiche, die Fachgeschichte wie auch aktuelle Diskurse und Praxen prägende Diskussion darüber, wie G. „prinzipiell“ zu arrangieren sei und auf welchem Wege welche Kompetenzen hinsichtlich der Mittel der Form erreicht werden können bzw. sollen. Was die historische Dimension betrifft, so gilt die sog. Grammatik-Übersetzungsmethode (GÜM), wie sie etwa die Zeit bis 1920 dominierte, als ebenso überwunden wie die sog. direkte Methode (DirM) zu Beginn des 20. Jh. und die audiolinguale Methode nach 1945. Stattdessen hat sich seit Beginn des kommunikativen Fremdsprachenunterrichts die Überzeugung herausgebildet, dass der Erwerb der grammatischen Eigenschaften von Fremdsprachen je nach Lerngegenstand und Lernertyp sowohl über Muster als auch über explizite Regelkenntnisse geschieht und dabei deduktive Lehrinstruktion ebenso wie induktiv erschließende Lerneraktivität das Mittel der Wahl sein kann. 3. Qualitätskriterien für die G. In Auswertung des Fachdiskurses lassen sich folgende Qualitätskriterien für den kritischen Umgang mit G.-Angeboten und -Praxen formulieren: - sprachwissenschaftlich ausgewiesene und systemisch konsequente Beschreibung und Bezeichnung grammatikalischer Lerngegenstände mit explizitem Fokus auf deren kommunikativer Funktion; - besondere Berücksichtigung der sprachtypologischen Merkmale des Deutschen bei der Gewichtung von grammatikalischen Lehr-/ Lernschwerpunkten, ggf. auch im Vergleich mit den Herkunftssprachen der Lernenden; - Berücksichtigung von Aspekten einer kulturkontrastiven Betrachtung der grammatischen Eigenschaften von Sprachen (s. dazu Götze u.a. 2009); - Integration holistischer (z.B. Vermittlung von Chunks, Routinen u.ä.; s.a. Phraseo-Didaktik) und kognitiv-analytischer Wege und Formen der Aneignung grammatischer Kompetenz, u.a. zum Aufbau von Sprachaufmerksamkeit (vgl. dazu Handwerker 2009); - adressatenspezifische Differenzierung des methodisch-didaktischen Umgangs mit grammatikalischen Lerngegenständen in Berücksichtigung von Lernerbiografien und - ggf. kulturell verorteten - Lehr-/ Lerntraditionen ( Lernkultur); - Aufnahme von Progressionsempfehlungen ( Progression) für die Sequenzierung grammatikalischer Lerngegenstände, und zwar a) bezogen auf ein Gesamtcurriculum fortschreitender Kompetenzentwicklung und b) in Betrachtung einzelner Lerngegenstände (z.B. einer schrittweisen Vermittlung des Formenbestands des deutschen Perfekts); - Berücksichtigung von Modellen u. Erkenntnissen der Spracherwerbsforschung. Fandrych, C./ Thonhauser, I., Hrsg. (2008), Fertigkeiten und Kompetenzen - separiert oder integriert? Wien 2008. - Gnutzmann, C./ Königs, F. G., Hrsg. (1995), Perspektiven des Grammatikunterrichts, Tübingen. - Götze, L./ Traoreé, <?page no="121"?> 110 Graphem S./ Mueller-Liu, P., Hrsg. (2009), Kulturkontrastive Grammatik - Konzepte u. Methoden, Frankfurt a.M. - Handwerker, B., Hrsg. (1995), Fremde Sprache Deutsch. Grammatische Beschreibung - Erwerbsverläufe - Lehrmethodi, Tübingen. - Handwerker, B. (2009), „Sprachunterricht als Instruktion zur Inputverarbeitung“, in: Zeitschrift f. Literaturwissensch. u. Linguistik, Jahrgang 39, Heft 153, 96-111. - Kühn, P., Hrsg. (2004), Übungsgrammatiken Deutsch als Fremdsprache: Linguistische Analysen und didaktische Konzepte, Materialien Deutsch als Fremdsprache, Heft 66, Regensburg. Hans Barkowski Graphem, das: kleinste distinktive, d.h. bedeutungsunterscheidende Einheit in einem Schriftsystem, die ein Phonem (dann bezeichnet als Phonographem) bzw. eine Phonemfolge repräsentiert. G. sind strukturell und funktional definiert und bilden in ihrer Gesamtheit das Grapheminventar einer Sprache. G. sind von Buchstaben zu unterscheiden, die keine feste Korrespondenz zu Phonemen oder Phonemverbindungen aufweisen, sondern grafische Repräsentationen der G. sind. Wie Phoneme in der gesprochenen Sprache durch Laute, so werden G. in geschriebenen Texten durch Buchstaben (Graphe) realisiert, wobei einem G. mehrere Buchstaben entsprechen können, z.B. in Druck- und Schreibschrift, Groß- oder Kleinschreibung. Ursula Hirschfeld Graphematik, die: auch: Graphemik; Wissenschaft, die sich mit den Grundeinheiten des Schriftsystems, den Graphemen als den graphischen Vertretern der Phoneme befasst. Die G. gehört zum Kernbereich der Grammatik, sie untersucht die Einheiten des Schriftsystems hinsichtlich ihrer bedeutungsunterscheidenden Funktion (Ermittlung des Grapheminventars), die morphologische und syntaktische Funktion der Grapheme sowie die Graphem-Phonem- Korrespondenzen und die Entwicklung und Fixierung von Schriftnormen ( Rechtschreibung). Graphemische Untersuchungen dienen auch der Dekodierung historischer Texte oder der Umsetzung von Schrift in verarbeitungsgerechte Systeme für die linguistische Datenverarbeitung. Ursula Hirschfeld Grapheminventar, das: Gesamtheit der in einem Schriftsystem vorhandenen Grapheme. Der Umfang und die Struktur eines G. ergibt sich aus dem Phoneminventar der jeweiligen Sprache. Das G. entspricht nicht dem Alphabet, dieses stellt das Buchstabeninventar dar, auf dem die Grapheme basieren. Alphabete sind im Vergleich zu G. weniger umfangreich. Im Deutschen genügen die lateinischen Buchstaben nicht zur schriftlichen Repräsentation der Grapheme, es sind Ergänzungszeichen notwendig (<ä, ö, ü, ß>), so dass insgesamt 30 Buchstaben sowie verschiedene feste Kombinationen (wie <ch, sch>) genutzt werden, um die Grapheme abzubilden ( Graphem- Phonem-Korrespondenz). Ursula Hirschfeld Graphem-Phonem-Korrespondenz (GPK), die: Für die Korrespondenz zwischen Graphemen und Phonemen lassen sich für jede Sprache Regeln aufstellen. Die GPK sind dabei in den auf dem lateinischen Alphabet beruhenden Schriftsystemen sehr unterschiedlich. Während es im Finnischen oder Ungarischen ein (nahezu) eindeutiges Verhältnis zwischen Graphemen und Phonemen gibt, stehen im Deutschen 30 Buchstaben 42 Phonemen gegenüber. Wird von der graphischen Vorlage ausgegangen, ergeben sich Schwierigkeiten durch die phonetische Mehrdeutigkeit, d.h. ein Graphem steht für mehrere Phoneme, analysiert man die Beziehung von der Phonemseite aus, so treten Zuordnungsschwierigkeiten durch die graphemische Mehrdeutigkeit auf, d.h. ein Phonem steht für mehrere Grapheme. Dies lässt sich am Beispiel der Homophonie verdeutlichen: Unterschiedliche Grapheme werden für die gleichen Phoneme verwendet (wobei es um verschiedene Wortbedeutungen geht: Lehre - Leere, Lieder - Lider, Waise - Weise. Hinzuweisen ist auf die graphische Interferenz beim Fremdsprachenlernen, sie führt zu Lese- und Schreibproblemen, weil die GPK (bzw. die Laut-Buchstaben-Beziehungen) aus der Muttersprache übertragen werden, z.B. bei <z> im Deutschen / ts/ - in vielen anderen Sprachen / z/ , bei <j> im Deutschen / j/ - im Spanischen / x/ . Ursula Hirschfeld Großes Deutsches Sprachdiplom (GDS): vom Goethe-Institut in Zusammenarbeit mit der Ludwig-Maximilians-Universität München herausgegebene DaF-Prüfung ( Proficiency Test), deren Anforderungen auf bzw. über dem Niveau C2 des GeR liegen. Das GDS befreit z.B. von der sprachlichen Aufnahmeprüfung an deut- <?page no="122"?> Gruppensprache 111 schen Universitäten und gilt in einzelnen Ländern als Sprachnachweis für angehende Deutschlehrende. In den schriftlichen und mündlichen Prüfungsteilen sind neben ausgezeichneten Sprachkenntnissen nicht nur sehr hohe Kompetenzen im Umgang mit literarischen, wissenschaftlichen oder fachspezifischen Texten erforderlich, sondern auch profunde stilistisch-rhetorische Fähigkeiten und landeskundliche Kenntnisse. Manuela Glaboniat Grundwortschatz, der: Sammlung von Wörtern und Wendungen, die auf einer Kompetenzskala passiv und teilweise aktiv beherrscht werden müssen. Die qualitative Eingrenzung bezieht sich auf den Begriff der Grundstufe, der europaweit durch Niveaubezeichnungen des „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen“ ( GeR) ersetzt wurde. Danach versteht man unter „Elementare Kompetenz“ die Stufen A1 und A2. Die Publikation Profile deutsch setzt die Beschreibung des GER für die Sprache Deutsch um und bietet eine Auflistung des Wortschatzes für die Stufen A und B an. Testspezifikationen wie z.B. „Start Deutsch Prüfungsziele Testbeschreibung“ reduzieren den Wortschatz auf denjenigen Kernbestand, der maximal zum Bestehen einer Prüfung beherrscht werden soll. Die Frequenz der Wörter im alltäglichen Gebrauch wird dabei noch nicht systematisch einbezogen. Der Aufbau von Grundwortschatzlisten ist meist gleich. Zunächst werden die für das Niveau vorgesehenen Themenbereiche genannt. Es folgen häufig gebrauchte Wörter, gelistet in Wortgruppen wie z.B. Zahlen, Wochentage. Daran schließen sich eine alphabetische Zusammenstellung der einzelnen Wörter mit Beispielsätzen, wichtige Redewendungen und idiomatische Ausdrücke an. Der G. bildet neben den Inventaren zu Grammatik, Sprachhandlungen und Notionen für Lehrwerks- und Testautoren die Grundlage für Unterrichts- und Prüfungsmaterialien eines bestimmten Sprachniveaus. Glaboniat et al. (2005), Profile deutsch, Berlin/ München. - Goethe-Institut et al., Hrsg. (2001), Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen, Berlin/ München. - Goethe-Institut, Hrsg. (2007), Start Deutsch 1 Wortliste, München. - Perlmann- Balme, M./ Kiefer, P. (2004), Start Deutsch: Prüfungsziele, Testbeschreibung, München. Michaela Perlmann-Balme Gruppenarbeit, die: Zusammenarbeit mehrerer Lernender in einer Gruppe zur gemeinsamen Ausführung von Aufgaben. Ziele der G. sind die Förderung der Interaktion und Kooperationsfähigkeit, Erhöhung der Chance auf aktiven Sprachgebrauch und intensivere Beteiligung am Unterricht. Auch kooperatives, autonomes und selbstverantwortliches Lernen soll gefördert werden. G. ist ein wesentliches Element zur inneren Differenzierung heterogener Lerngruppen ( Binnendifferenzierung, Heterogenität). Vielfach bestehen Vorbehalte gegen G. Gut geplante G. ermöglicht aber Formen sprachlichen Handelns (Fragen, Argumentieren, Dokumentieren), die zwar Ziel eines kommunikativen Fremdsprachenunterrichts sind, im lehrerzentrierten Unterricht aber kaum vorkommen. Wesentlich für eine erfolgreiche G. sind gute Vorbereitung, klare Arbeitsanweisungen, das Angebot von Redemitteln zur Gesprächsführung und Erfüllung der Aufgabe (Argumentieren, Dokumentieren u.a.), Begleitung und Hilfeleistung, die Veröffentlichung und Auswertung der Ergebnisse sowie die Einbettung in den übrigen Unterrichtsverlauf. Durch Einsatz von G. verändern sich Rolle und Aufgaben der Lehrperson: Sie koordiniert und beobachtet, motiviert und bietet Beratung und Hilfe. Das vorwiegend monodirektionale Kommunikationsverhalten des Frontalunterrichts wird abgebaut, der aktive Einsatz der Zielsprache und der Abbau von Sprechhemmungen werden begünstigt. Schwerdtfeger, I. (2007), Gruppenarbeit und innere Differenzierung, Fernstudieneinheit 29, 4. Aufl., Berlin u.a. Nadja Kerschhofer-Puhalo Gruppensprache, die: bezeichnet den Zusammenhang von Sprachgebrauch und Gruppenzugehörigkeit des Sprechers. In Gruppenzusammenhängen entwickelt das Individuum seine Identität, die es sprachlich manifestiert. Was für die Differenzierung der Binnenstruktur von (Klein-)Gruppen gilt, lässt sich auf Aggregate größerer Einheiten, Institutionen und die Gesellschaft übertragen. Im Rahmen der Gesamtkultur einer Gesellschaft sind Teilkulturen zu unterscheiden, die sich untereinander durch Ensembles besonderer Merkmale, durch erhöhte Gruppensolidarität, durch stärkere Gruppenkohäsion auszeichnen, die durch Sprache nach innen gefestigt wird, nach außen abgrenzend (unterscheidend) wirkt ( Soziolekt). <?page no="123"?> 112 GÜM Gruppenspezifische Varietäten der Sprache stehen im Zentrum des Interesses an der sozialsymbolischen Funktion der Sprache, deren gruppentypische „Ausweise“ nicht objektiv gegebene linguistische Daten sind, sondern Produkte von Interpretationsakten der Selbst- und Fremdeinschätzung der Sprecher als Gruppenmitglieder und ihrer Bewertung von sprachlichen Merkmalen als sozialen Indikatoren dieser Mitgliedschaft. Die sozialen und sprachlichen Unterschiede werden nicht als solche handlungsorientierend relevant, sondern insoweit sie als semiotisch manifeste vermittelt und Resultate vergleichender Wertung sind. Mit Methoden der empirischen Soziolektforschung lassen sich das kollektive Wissen über sprachliche Variation und die stereotypen Urteile (oder Vorurteile) über Varietäten auf der Basis weniger Merkmale erschließen. Die Merkmale können symptomhafte Anzeichen für Stigma-/ Prestige-Varietäten sein, für Sprachschichten oder Ortssprachen, für Herkunft und Bildungsgrad der Sprecher. Sie können aber auch konstitutiv für die Bildung solcher Gruppen sein, die sich wesentlich über die Form ihres Sprachgebrauchs definieren (Berufs-, Fach-, Wissenschaftssprachen, insoweit diese nicht unter dem Aspekt funktionaler Variation behandelt werden: Funktiolekte). Dittmar, N. (1997), Grundlagen der Soziolinguistik, Tübingen. - Hess-Lüttich, E.W. B. (1987), Angewandte Sprachsoziologie, Stuttgart. - Löffler, H. ( 2 1994), Germanistische Soziolinguistik, Berlin. Ernest W.B. Hess-Lüttich GÜM: s. Grammatik-Übersetzungsmethode Gütekriterium, das: Unter G. für Tests werden allgemein die drei Begriffe Validität, Reliabilität und Objektivität verstanden. Bachman und Palmer (1996, 17 ff.) ergänzen diese Liste durch die Begriffe Impact (Auswirkungen), Praktikabilität, Authentizität und Interaktivität, verzichten jedoch auf den Begriff Objektivität, da dieser mehrere unterschiedliche Aspekte umfasse, von denen der wichtigste, die „Interrater-Reliability“ (Grad der Übereinstimmung von Bewertungen unterschiedlicher Bewertender) unter den Oberbegriff Reliabilität fällt. Der Oberbegriff „Nützlichkeitskriterien“, den Bachman und Palmer verwenden, weist darauf hin, dass kein Test an sich gut ist, sondern die Nützlichkeit immer im Kontext der Bedingungen, unter denen er eingesetzt wird, beurteilt werden muss. Hervorzuheben ist das Kriterium „Impact“, unter dem alle gesellschaftlichen Auswirkungen zu verstehen sind, die der Test haben kann. Bachman, L. F./ Palmer, A. S. (1996), Language Testing in Practice. Designing and Developing Useful Language Tests, Oxford. - Glaboniat, M. (1998), Kommunikatives Testen im Bereich Deutsch als Fremdsprache: eine Untersuchung am Beispiel des österrreichischen Sprachdiploms, Innsbruck/ Wien. Silvia Demmig H Handlungsforschung, die: auch: als Aktionsforschung bezeichneter Forschungsansatz, bei dem Handelnde in ihrem eigenen Praxisfeld - z.B. Sprachlehrende in ihrem Unterricht - Feldforschung mit dem Ziel betreiben, die Praxis zu verbessern. H. wird als reflektierter Lernprozess verstanden und zur persönlichen beruflichen Weiterentwicklung sowie als Instrument der Lehreraus-, -fort- und -weiterbildung (Warneke 2007) sowie der Schulentwicklungs- und Evaluationsforschung eingesetzt (Altrichter/ Feindt 2004, 424). H. lässt sich nicht zur Gänze den Gütekriterien traditioneller Forschung unterwerfen und wird daher teils als unwissenschaftlich kritisiert (Prengel/ Heinzel/ Carle 2004, 186). H. unterscheidet sich von nicht-forschendem Handeln vor allem durch die Systematik und die Dokumentation des Forschungsprozesses. Der Verlauf dieses Prozesses wird oft als Kreislauf beschrieben, bei dem Handlungsidee, Handlung, Reflexion/ Evaluation der Handlung und praxisbezogene Theorie sich immer wieder abwechseln (Altrichter/ Feindt 2004, 417). Altrichter, H./ Feindt, A. (2004), „Handlungs- und Praxisforschung“, in: Helsper, W./ Böhme, J., Hrsg. (2004), Handbuch der Schulforschung, Wiesbaden, 417-435. - Prengel, A./ Heinzel, F./ Carle, U. (2004), „Methoden der Handlungs-, Praxis- und Evaluationsforschung“, in: Helsper, W./ Böhme, J. (Hrsg.), Handbuch der Schulforschung, Wiesbaden, 183-199. - Warneke, D. (2007), Aktionsforschung und Praxisbezug in der DaF-Lehrerausbildung, Kassel. Klaus-Börge Boeckmann Handlungsorientierung, die: 1. Der Begriff H. bezieht sich auf die kommunikative Wende in der Linguistik und Fremdsprachendidaktik der 1970er Jahre, die mit einer Abkehr von sprachstrukturbezogenen Ansätzen und einer Hinwendung zum Sprachgebrauch einherging. Mit der programmatischen Formu- <?page no="124"?> Helvetismus 113 lierung von kommunikativer Kompetenz als oberstem Lernziel des Sprachunterrichts wurde der Fokus auf kommunikative Intentionen, Situationen, authentische Sprechanlässe und Lernmaterialien sowie pragmatisch angemessenes Sprachhandeln gelegt; erstes Lehrwerk, das sich im DaF-Zusammenhang an diesen Zielen ausrichtete, war „Deutsch aktiv“ (Neuner et al. 1979). Die Sicht auf Kommunikation als Sprachtätigkeit führte des Weiteren zur Betonung der vier Fertigkeiten. Mit dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen ( GeR), erfuhr die H. europaweite Bestätigung als richtungweisendes Konzept für die Vermittlung von Fremd- und Zweitsprachen. 2. In Erweiterung der zielbezogenen Definition unter 1. bezieht sich die methodenbezogene Definition von H. (Bach/ Timm 2003) auf einen ganzheitlich ausgerichteten Unterricht, in dem die Lernenden selbstständig und mit ‚Kopf, Herz und Hand‘ zuvor vereinbarte Handlungsprodukte herstellen oder Aktivitäten planen und durchführen (Gedichtsammlung, Einkauf im Supermarkt o.ä.). Beim h. Unterricht verändert sich die Lehrerrolle vom Wissensvermittler zum Moderator, vom Entscheidungsträger zum Partner. Wie der Projektunterricht gliedert sich der h. Unterricht in eine Planungs-, Durchführungs- und Auswertungsphase und integriert Methoden wie Expertenbefragungen, Rollenspiele und sprachliches Probehandeln in realen außerunterrichtlichen Kontexten. Bach, G./ Timm, J.-P. (2003), „Handlungsorientierung als Ziel und als Methode“, in: dies. (Hrsg.), Englischunterricht. Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis. 3. Aufl., Francke, 1-21. - Neuner, G./ Schmidt, R./ Wilms, H./ Zirkel, M. (1979), Deutsch aktiv. Ein Lehrwerk für Erwachsene, Berlin/ München. Evelyn Röttger Haptik, die: bezeichnet das Aufnehmen von Sinneseindrücken über die Haut, insbesondere über die Hand, wie etwa Informationen über Material oder geometrische Eigenschaften. Diese sind in ihrer zerebralen Repräsentation u.a. mit semantischen Informationen verknüpft. Die multisensorische Repräsentation von Wissen kann durch verschiedenste Reizmodi aktiviert werden und bietet damit einen Ansatzpunkt für die Fremdsprachendidaktik. Indem bspw. (fremdsprachliche) semantische Informationen mit den jeweiligen haptisch erfahrbaren Informationen dargeboten werden (z.B. „weich“ mit dem Tastempfinden eines Stücks Watte), werden bestehende multisensorische Netzwerke aktiviert und die Verbindungen zwischen den einzelnen Knoten verstärkt. Damit ist die Information später schneller abrufbar und tiefer gespeichert. Der Einsatz haptischer Wahrnehmung im Fremdsprachenunterricht bietet sich je nach thematischer und didaktischer Bearbeitung für alle Alters- und Niveaustufen an. Grunwald, M., Hrsg. (2008), Human Haptic Perception - Basics and Applications, Berlin/ Basel/ Boston. Kerstin Rische Hauptsatz, der: auch: Trägersatz, Matrixsatz. Der H. ist ein Teilsatz eines zusammengesetzten Satzes, der keinem anderen Teilsatz untergeordnet ist. Die Wortstellung des H. entspricht der eines Aussagesatzes. Steht in Satzgefügen der Nebensatz vor dem H., steht das finite Verb des H. dagegen an erster Stelle. Syntaktisch betrachtet bedarf der H. i.d.R. keiner Stütze außerhalb sich selbst, er kann allein stehen. Bei Satzgefügen (Hauptsatz/ Nebensatz) enthält jedoch der Nebensatz ggf. wesentliche Informationen des zusammengesetzten Satzes (z.B. Klaus fragt, wann das Essen fertig sei). In semantischer Hinsicht ist das alleinige Auftreten eines H. dann nicht akzeptabel (z.B. *Klaus fragt), wenn der Nebensatz obligatorische Ergänzung zum H. ist. Bei Satzverbindungen werden zwei oder mehr H. nebeneinander geordnet ( Parataxe). Sowohl aus syntaktischer als auch aus semantischer Sicht sind diese H. unabhängig (z.B. [In der Mittagspause aßen die Studenten in der Mensa] HS1 [und der Dozent redete mit seinen Kollegen über das Wetter] HS2 ). Da sich die Teilsätze jedoch meist auf einen gemeinsamen Kontext (Ort, Zeit, Personen usw.) beziehen (hier: [in der Mittagspause]), führt die Annahme der gegenseitigen Autonomie bei der Trennung der Teilsätze ggf. zu einer semantischen Lücke, d.h. die Teilsätze sind zwar grammatisch korrekt, semantisch dagegen ist einer der H. inhaltsärmer. Eisenberg, P. (2006), Grundriss der deutschen Grammatik, Bd. 2, Der Satz, 3. Aufl., Stuttgart/ Weimar. - Helbig, G. (2004), „Koordination vs. Subordination von Sätzen, Hauptsatz vs. Nebensatz“, in: Helbig, G., Kleinere Schriften zur Grammatik, München, 1071-1082. Mandy Höhle Helvetismus, der: bezeichnet sprachliche Besonderheiten, die nur in standardsprachlichen Texten Schweizer Herkunft verwendet werden, dort aber durchaus üblich sind, z.B. Velo, parkieren. Der <?page no="125"?> 114 Hemisphäre Begriff H. wird am häufigsten in Bezug auf den Wortschatz verwendet, aber auch in Orthographie, Phonologie, Morphologie, Syntax und Semantik weist das Schweizer Standarddeutsch Besonderheiten auf. Die genaue Abgrenzung von standardsprachlichen und nicht-standardsprachlichen H. ist oft schwierig, so ist z.B. das Müesli aus dem Dialekt in den Schweizer Standard gelangt und hat sich als Müsli im gesamten deutschen Sprachraum durchgesetzt. Ammon unterscheidet spezifische H., die nur in der Schweiz verwendet werden, z.B. Traktandum, und unspezifische H., die zusätzlich auch in gewissen süddeutschen und/ oder österreichischen Regionen verbreitet sind: z.B. Trottoir (Ammon 1995, 251 f.). Ammon, U. (1995), Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Problem der nationalen Varietäten, Berlin. - Ammon, U. et al. (2004), Variantenwörterbuch des Deutschen. Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol, Berlin/ New York. - Dürscheid, C./ Businger, M., Hrsg. (2006), Schweizer Standarddeutsch. Beiträge zur Varietätenlinguistik, Tübingen. - Hägi, S. (2006), Nationale Varietäten im Unterricht Deutsch als Fremdsprache, Frankfurt a.M. Monika Clalüna Hemisphäre, die: Bez. für die Hälften des Großhirns. 1. Aufbau Beide H. bestehen je aus einer oberen Schicht grauer (Kortex) und einer unteren Schicht weißer Materie; die Informationsverarbeitung findet insoweit zunächst getrennt statt ( Lateralität); die Verbindung beider H. durch drei Querbahnen (Kommissuren) gewährleistet die Kooperation, Übermittlung und Synchronisation der Gehirntätigkeiten; jede H. lässt sich in fünf bis sechs Hirnlappen unterteilen; die Gesamtarchitektur (Zelltypen etc.) ist asymmetrisch zwischen den H. aufgeteilt. 2. Funktion Der Kortex spielt eine Schlüsselrolle für Aufmerksamkeit, Denken, Gedächtnis, Sprache und Bewusstsein. Subkortikale Areale (Basalganglien/ Kerne) scheinen für die Auswahl und Verarbeitung (nicht-)aktueller Handlungsmuster verantwortlich zu sein bzw. können als Kontroll- und Filterstelle (Erregungs- und Hemmungsweiterleitung) verstanden werden. Beide H. nehmen Aufgaben spezialisiert wahr. Bei Ausfällen können sich jedoch unter bestimmten Bedingungen Funktionen neu verorten. Birbaumer, N./ Schmidt, R. F. (2005), Biologische Psychologie, 6. Aufl., Berlin. - Gazzaniga, M. S./ Ivry, R. B./ Mangun, R. J. (2008), Cognitive Neuroscience: The Biology of the Mind, 3. Aufl., New York. - Della Sala, S. (2007), Tall Tales About the Mind and Brain: Separating Fact from Fiction, Oxford. Daniela Zahn Herder-Institut, das: ältestes und größtes universitäres Institut für Deutsch als Fremdsprache; entstand 1961 aus dem 1956 gegründeten Institut für Ausländerstudium an der Karl-Marx-Universität Leipzig; seit 1961 für die sprachliche Vorbereitung ausländischer Studierender auf ein Fachstudium in der DDR sowie für die Förderung deutscher Sprachkenntnisse im Ausland mit eigenen Kulturinstituten, vergleichbar dem Goethe-Institut der alten Bundesrepublik Deutschland und mit diesem insbesondere in den Zeiten des Kalten Krieges in politischer Opposition stehend. 1967 Gründung einer eigenen Forschungsabteilung mit Schwerpunkten in Linguistik, Phonetik, Didaktik, Landeskunde und Psycholinguistik; 1969 Einrichtung des ersten Lehrstuhls für Deutsch als Fremdsprache im deutschsprachigen Raum (Gerhard Helbig); 1992 Aufspaltung in H.-I. der Philologischen Fakultät der Universität Leipzig, Studienkolleg Sachsen und interDaF am H.-I. e.V.; gibt seit 1964 die Zeitschrift „Deutsch als Fremdsprache“ heraus. Internetadresse: www.uni-leipzig.de/ herder - Altmayer, C. (2007), „50 Jahre Herder-Institut, 50 Jahre Deutsch als Fremdsprache. Traditionen und Grenzüberschreitungen“, in: Deutsch als Fremdsprache 44, 67-74. Erwin Tschirner Herkunftssprache, die: bezeichnet im schulischen Kontext Migrantensprachen, die im Elternhaus erworben werden. Vor allem die großen H. (z.B. Türkisch) erfreuen sich auf Grund von Medien, anhaltender Einwanderung, Verankerung im <?page no="126"?> Hermeneutik 115 Stadtteil, Weitergabe durch die Eltern an die nächste Generation und Übernahme durch Sprecher anderer sprachlicher Herkunft großer Vitalität - spielen in der Schule aber nur eine marginale Rolle (Dirim/ Auer 2004) oder werden dort verschwiegen bzw. unterdrückt (Brizic ´ 2007). H. befinden sich im Migrationskontext in einem spezifischen Wandel, wodurch sich Unterschiede zu dem jeweiligen Gegenstück im Herkunftsland ergeben. Außerdem sind sie durch viele Varietäten gekennzeichnet, die durch die Kumulation von Dialekten und Soziolekten aus den Herkunftsländern entstehen. Brizic ´ , K. (2007), Das geheime Leben der Sprachen. Gesprochene und verschwiegene Sprachen und ihr Einfluss auf den Spracherwerb in der Migration, Münster. - Dirim, I ˙ . (2007), „Sprachkontaktphänomene und begleitende Sprachstandsdiagnostik - Möglichkeiten und Desiderata“, in: Reich, H. H./ Roth, H.-J./ Neumann, U. (Hrsg.), Sprachdiagnostik im Lernprozess. Verfahren zur Analyse von Sprachständen im Kontext von Zweisprachigkeit, FörMig- Edition 3, Münster, 114-132. - Dirim, I ˙ ./ Auer, P. (2004), Türkisch sprechen nicht nur die Türken. Über die Unschärfebeziehung zwischen Sprache und Ethnie in Deutschland, Berlin/ New York. I ˙ nci Dirim Herkunftssprachen-Kurs, der: 1. insbesondere in der Erwachsenenbildung Bezeichnung für Kurse, die in der Herkunftssprache der Teilnehmenden durchgeführt werden. Die H.-K. können ganz verschiedene Inhalte haben (z.B. Informationen über Behörden und Institutionen, Hauswirtschaft, Kindererziehung, Gesundheit, usw.). Ziel ist es, die allgemeine Lebenssituation der Migranten zu verbessern, ihre Kenntnisse über das Aufnahmeland zu erweitern und ihre Integration zu fördern. 2. Der Begriff wird insbesondere in DaZ auch für den muttersprachlichen Unterricht (in der Schweiz: Kurse in heimatlicher Sprache und Kultur - HSK) verwendet, d.h. für Maßnahmen, die dem Erhalt und der Förderung der Erstbzw. Familiensprache von Migrantenkindern dienen. Monika Clalüna Herkunftssprachenunterricht, der: bezeichnet Unterricht in Bildungseinrichtungen der Aufnahmeländer in den Familiensprachen eingewanderter Menschen. Er wird in Deutschland auch als Muttersprachlicher Unterricht (MU) oder Muttersprachlicher Ergänzungsunterricht (MEU) bezeichnet. H. wird seit den 1970er Jahren in der BRD als - i.a. freiwilliger - Zusatzunterricht angeboten. Der Unterricht wird - vor allem an Grund- und Hauptschulen - einige Stunden pro Woche - teilweise auch nachmittags und an einer Schule konzentriert - erteilt. Er kann z.Zt. auch um islamischen Religionsunterricht ergänzt werden. Je nach Bedarf werden v.a. die Staatssprachen der ehemaligen Entsendeländer, aber auch Russisch, Polnisch und teilweise auch Kurdisch und Farsi unterrichtet. Die Zeugnisrelevanz des Zusatzunterrichts ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt ebenso wie die Zuständigkeit, die bei den Konsulaten oder der deutschen Schulbehörde liegen kann. In wenigen Fällen werden auch nationale Schulen - z.B. in Griechisch oder Japanisch - eingerichtet. Inzwischen ist das Angebot - vor allem in Türkisch - stark erweitert worden, da Türkisch in vielen Bundesländern als Lehrfach studiert werden kann. Dadurch kann Türkisch auf allen Schulstufen als H. ebenso wie als Fremdsprache bis zum Abitur angeboten werden. Es besteht teilweise eine enge Verbindung zu Bilingualen Bildungsgängen und Deutsch als Zweitsprache, insbesondere durch zweisprachige Alphabetisierung; für Österreich vgl. BMUKK, Hrsg. (2008), Sprach- und Sprachunterrichtspolitik in Österreich. Länderbericht, Wien. Sigrid Luchtenberg Hermeneutik, die: Wissenschaft vom Verstehen, geisteswissenschaftliche Methode, die Verfahrensweisen für das autor-, werk- und epochenbezogene Auslegen von Texten festlegt. Mehrere Ebenen des Begriffs sind zu unterscheiden: 1. H., verstanden als Regelwerk und Anleitung, die sich auf wichtige gesellschaftliche Praxisfelder vor allem der Theologie und des Rechtswesens im 17. Jh. bezieht. 2. H., die allgemeine oder philosophische H. als Reflexion von Verstehensproblemen, die Voraussetzungen und Regularitäten des Verstehens und der Interpretation ergründen und im 19. Jh. mit der H. eine Wissenschaftstheorie der Geisteswissenschaften entwickeln wollte (Dilthey), verstanden allgemein als kunstgemäßes Auslegen fremder Rede (Schleiermacher [1810-1830] 1977, 309). 3. Philologische und literarische H., ausgehend von dem Philosophen Gadamer (1972) und seinem Schüler Habermas; sie wird von der Auffassung bestimmt, dass die Entschlüsselung des Textes ein Ins-Gespräch- Kommen des Lesers mit dem Text im Rahmen einer dialogischen Situation ist, in das der Leser sein eigenes Vorverständnis der Welt und des <?page no="127"?> 116 Heterogenität Textes mitbringt; Auslegungen literarischer Texte sind danach historisch und sozial variabel. 4. Interkulturelle H., relevant für Literaturwissenschaft und fremdsprachliche Literaturdidaktik im Fach DaF, geht von einer kulturüberschreitenden Rezeption literarischer Texte aus; Mecklenburg sieht die interkulturelle H. methodisch im „Spannungsfeld von ästhetischem Lesen (Bredella 1996), soziokulturellen Determinanten des Lesens und interkulturellem Verstehen“ (Mecklenburg 2008, 12). Bredella, L. (1996), „Warum literarische Texte im FU? Die anthropologische und pädagogische Bedeutung des ästhetischen Lesens“, in: Börner, W./ Vogel, K. (Hrsg.), Texte im Fremdsprachenerwerb. Verstehen und Produzieren, Tübingen. - Gadamer, H.-G. (1972), Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, 3. Aufl., Tübingen. - Mecklenburg, N. (2008), Das Mädchen aus der Fremde. Germanistik als interkulturelle Literaturwissenschaft, München. - Schleiermacher, F. (1977), Hermeneutik und Kritik, Frankfurt a.M. Werner Biechele Heterogenität, die: 1. H. wird in pädagogischen Kontexten auf Lerner innerhalb einer Lerngruppe bezogen, die sich hinsichtlich lernrelevanter Merkmale unterscheiden. Zu diesen Merkmalen zählen Vorwissen, kultureller und sozialer Hintergrund, Entwicklungsstand sowie Lernstil (vgl. Helmke 2009, 248-252). Angesichts der faktisch immer gegebenen Unterschiedlichkeit der Lerner besteht eine zentrale Aufgabe des Lehrers darin, durch Formen des adaptiven Unterrichts produktiv auf H. zu reagieren. Dies kann auf der methodischorganisatorischen Ebene durch gezielte binnendifferenzierende Maßnahmen ( Binnendifferenzierung) und offene Formen des Unterrichts erfolgen, indem etwa Freiräume hinsichtlich der Wahl der Sozialform, der Reihenfolge der Aufgabenbearbeitung oder der Festlegung des Arbeitstempos geboten werden. Auf der didaktisch-inhaltlichen Ebene besteht die Möglichkeit, Lerner an der Auswahl von Lerninhalten und der Bestimmung von Lernzielen zu beteiligen und im Unterricht alternative Lern- und Lösungswege aufzuzeigen. 2. Auch in der Kulturwissenschaft ist H. ein Schlüsselbegriff. Nach Überwindung des homogenisierenden Kulturverständnisses werden moderne Nationalkulturen heute in ihrer H. beschrieben, d.h. in ihren Divergenzen und Widersprüchen (vgl. Drechsel/ Schmidt/ Gölz 2000) ( Kultur). Drechsel, P./ Schmidt, B./ Gölz, B. (2000), Kultur im Zeitalter der Globalisierung. Von Identität zu Differenzen, Frankfurt a.M. - Helmke, A. (2009), Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts, Seelze-Velber. Dirk Skiba Heterostereotyp, das: s. Fremdbild, s. Stereotyp Hilfsverb, das: Zu den H. zählen im engeren Sinne haben, sein und werden. Zusammen mit dem Infinitiv und dem Partizip II der Vollverben bilden sie die zusammengesetzten Tempusformen und das Passiv. Die lexikalische Bedeutung der H. ist abgeschwächt, d.h. sie fungieren meistens als Funktionsverben. Alle drei genannten Verben haben auch eine Vollverbbedeutung, fungieren dann semantisch selbstständig (Werde, der du bist! ) und haben Valenz. Auch die Modalverben werden nicht selten zu den H. gerechnet. Sabira Levin Hirnforschung, die: s. Gehirnforschung historisches Präsens, das: Alle Tempora sind in der Weise deiktisch, dass ihre Funktionen/ Bedeutungen erst im realen Sprachakt der geschriebenen oder gesprochenen Sprache deutlich werden ( Tempus). Ein besonders typisches Beispiel ist das Präsens. Es ist zeitindifferent und kann daher Vergangenes (Goethe geht 1765 nach Leipzig.), Gegenwärtiges (Er lebt in München.) und Zukünftiges (Morgen fährt er nach Hamburg.) ausdrücken, die zeitliche Markierung erfolgt durch den Kontext bzw. weitere Angaben (z.B. Adverbien). Lediglich durch Konventionalisierung gilt die Tempusform Präsens als charakteristischer Ausdruck der Gegenwart, häufig mit modaler Bedeutung. Die Funktion, auch Vergangenes auszudrücken, wird traditionell auch als h.P. bezeichnet (Goethe geht 1765 nach Leipzig.) Weit Zurückliegendes wird durch die Präsensform lebendiger. Lutz Götze Hochdeutsch: Der Ausdruck wird in zwei nur teilweise deckungsgleichen Verwendungen gebraucht: einmal als Zusammenfassung für das Mittel- und Oberdeutsche gegenüber dem Niederdeutschen, zum anderen für das Ergebnis sprachlicher Ausgleichsprozesse des 16. bis 18. Jhs., in denen eine für den deutschen Sprachraum weitgehend einheitliche, entwickelte Verkehrs- und Bildungssprache hergestellt wurde. Das H. (als eine der südgermanischen Sprachvarietäten neben dem Niederdeutschen und Nie- <?page no="128"?> Homburger Empfehlungen 117 derländischen) ist eine über die drei Epochen Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch, Neuhochdeutsch (einschließlich jeweiliger Übergangsformen wie z.B. Frühneuhochdeutsch) über 1.200 Jahre dokumentierte Sprache. Sie vergrößerte ihre Reichweite besonders in der Neuzeit und wurde durch eine Reihe von impliziten (Bibelübersetzungen, bes. die Martin Luthers, Herausbildung einer deutschen Literatursprache) und expliziten Entwicklungen (Sprachgesellschaften, Grammatikschreibung, normative Stilistiken) zu jener voll ausgebauten Sprache, die, die Dialekträume übergreifend, besonders für die schriftliche Kommunikation entfaltet, schulisch verallgemeinert und nicht zuletzt durch die neuen Kommunikationsmedien zu einer allgemeinen und allgemein verständlichen Verkehrssprache im gesamten deutschen Sprachraum (einschließlich des zuvor niederdeutschen Sprachgebietes) wurde. Sie ist primärer Gegenstand der Vermittlung des Deutschen als Fremdwie als Zweitsprache. Dabei sind die unterschiedlichen großen Varietätengruppen angemessen zu berücksichtigen, die das H. als sog. plurizentrische Sprache aufweist. Konrad Ehlich Hochlautung, die: s. Standardaussprache Hochsprache, die: die gepflegteste, am strengsten vorgegebenen Normen unterliegende, in erster Linie schriftliche Sprachverwendung, häufig auch Literatursprache‚ Gemeinsprache, Einheitssprache oder Nationalsprache genannt. Weil die H. ein hohes Prestige genießt (im Unterschied zu Varietäten, die sozial niedrig markiert sind) und der Gebrauch dieser Varietät einem streng normierten und kodifizierten System von Vorschriften entspricht, wird sie als Standard- (varietät) bezeichnet. Sie ist nach normativen Standards vollständig kodifiziert, besitzt überregionale Reichweite und Gültigkeit, wird vorzugsweise in institutionellen Kontexten und öffentlichen Kommunikationssituationen benutzt und erscheint im Alltag der Kommunikation niemals in ihrer idealtypisch kodifizierten Norm. Die meisten Autoren sind sich darin einig, dass eine wesentliche Eigenschaft der H. ihre Kodifizierung und die Befolgung ihrer Normen (Gebote, Verbote) darstellt. Als notwendige Definitionsmerkmale werden genannt: überregional, oberschichtlich, invariant, ausgebaut und geschrieben. Für DaF-Lernende ist der Erwerb der H. von größtem Vorteil, weil mit ihr überregionale wie auch regionale Kommunikation problemlos geleistet werden kann. Damit erreicht der Lerner mithilfe der Standardvarietät höchste Kommunikationsreichweite. Für die oft erstrebenswerte lokale Identität ist es dagegen durchaus angebracht, sich Eigenschaften lokaler Varietäten zum Zwecke der Nähekommunikation anzueignen. Zur Verständigung reicht eine passive Kompetenz. Dittmar, N. (1997), Grundlagen der Soziolinguistik. Ein Arbeitsbuch mit Aufgaben, Tübingen. Norbert Dittmar Holismus, der: in den verschiedensten Kontexten vertretene Theorie und Methode der Betrachtung, Interpretation und Strukturierung wissenschaftlicher und sozialer Gegenstände; der H. betont die Ganzheitlichkeit menschlicher Erfahrung und beruft sich auf philosophische, psychologische und pädagogische Traditionen (vgl. Mayer 2002). In pädagogischen Zusammenhängen wird diese Auffassung häufig unter Bezugnahme auf Pestalozzi (1746-1826) mit der Formel zusammengefasst, Lernen müsse „in Verbindung von Kopf, Herz und Hand“ erfolgen. H. Konzepte prägen u.a. die Waldorfpädagogik (vgl. Jaffke 1996) und gewannen in der Fremdsprachendidaktik mit der kommunikativen Wende und der Handlungsorientierung an Bedeutung. Lernprozesse sollen so geplant und realisiert werden, dass die ganze Person mit allen ihren kognitiven, emotionalen, sozialen und expressiven Möglichkeiten angesprochen und gefördert wird. Ganzheitlich orientierte Vorstellungen bestimmen heute nicht nur die Methodik des frühen Fremdsprachenlernens, sondern haben auch deutliche Spuren in der Arbeit mit Jugendlichen (vgl. Sippel 2003) und Erwachsenen hinterlassen (vgl. Schewe 1993). Jaffke, C. (1996), Fremdsprachenunterricht auf der Primarstufe. Seine Begründung und Praxis in der Waldorfpädagogik, 2. Aufl., Weinheim. - Mayer, N. (2002), Ganzheitlichkeit und Sprache. Theorie des Begriffs und empirische Zugänge im Gespräch mit Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern, Frankfurt a.M. - Schewe, M. (1993), Fremdsprache inszenieren, Oldenburg. - Sippel, V. (2003), Ganzheitliches Lernen im Rahmen der ‚Simulation Globale‘. Grundlagen - Erfahrungen - Anregungen, Tübingen. Michael Legutke Homburger Empfehlungen: 1979 in Bad Homburg formuliert, sind ein sprachenpolitisches Manifest. Ihr Tenor ist: „Europäer sollten (…) den Sprachenreichtum Europas nicht nur als Tatsache zur Kenntnis nehmen, sondern (…) dafür <?page no="129"?> 118 Homonymie Sorge tragen, daß in allen Ländern genügend Personen bereit sind, den europäischen Nachbarländern auch im Medium der Sprache entgegenzukommen.“ (Weinrich 1980, 315). Wie diesem Postulat entsprochen werden kann, wird in den H.E. mit dem Begriff der „sprachenteiligen Gesellschaft“ umschrieben und mit konkreten Vorschlägen für einen diversifizierten Fremdsprachenunterricht vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung ausgeführt ( Diversifizierung). Eine „sprachenteilige Gesellschaft“ verlangt, dass alle Bürger ihre sprachlichen Kompetenzen anderen zur Verfügung stellen, wie sie ihrerseits erwarten dürfen, dass andere ihnen sprachlich helfen, wenn der Bedarf besteht. Sprachenteiliges Verhalten muss gelernt werden. Da Sprachmitteln wie überhaupt das Sprechen für andere traditionell wenig gepflegt wird, muss der diversifizierte, lebensbegleitende Fremdsprachenunterricht zusätzlich zu den anderen kommunikativen Kompetenzen auch die der Sprachmittlung betonen. Der Fremdsprachenunterricht sollte künftig nicht für jede Sprache den gleichen Weg gehen, sondern entsprechend dem konkreten Bedarf und den Lernbedürfnissen differenzieren. Die H.E. unterscheiden, um Wege der Differenzierung aufzuzeigen, curricular zwischen Begegnungssprachen, Fundamentalsprachen (= Sprachen, die als Basis-Fremdsprachen - etwa des allgemeinbildenden schulischen Curriculums - angeboten werden), Verkehrssprachen und Erschließungssprachen (z.B. Latein für Mediziner). Christ, H./ Schröder, K./ Weinrich, H./ Zapp, F. J., Hrsg. (1980), Fremdsprachenpolitik in Europa. Homburger Empfehlungen für eine sprachenteilige Gesellschaft, Augsburg. - Weinrich, H. (1980), „Fremdsprachen in einer sprachenteiligen Gesellschaft“, in: Die Neueren Sprachen 79, 315-319. Herbert Christ Homonymie, die: Bezeichnung für Gleichheit des Klangs (homophonisch) oder der Schreibweise von Wörtern (homographisch), z.B. B(b)ar (Lokal/ Bargeld), Laute (Musikinstrument oder Töne). Minimale Abweichungen fallen ebenfalls unter H. (Äquivokation). Im Fremdsprachenunterricht ist H. oft die Quelle von Missverständnissen. Hermann Funk Hören: H. ist das Vorhandensein und die Ausübung der Fähigkeit, über das Ohr akustische Signale und damit auch sprachliche Laute aufzunehmen und zu diskriminieren. Aus dem H. wird durch Hörintention(en) auf Seiten des Hörers Hörverstehen, das bewusste Verstehen durch Hinhören. In der didaktisch-methodischen Literatur werden die Begriffe des H. und des Hörverstehens sehr häufig gleichgesetzt. Thomas Stahl Hör-Seh-Verstehen, das: bezieht sich auf die Fertigkeit, audiovisuelle Medien, d.h. Filme unterschiedlicher Genres, im Fremdsprachenunterricht verstehen zu können. Gemäß dem semiotischen Status von Film bedeutet dies, Bild und Ton in ihren spezifischen Kodes wahrzunehmen, zu verstehen und zu interpretieren. HSV. zielt auf das adäquate Aufnehmen und Verarbeiten der kommunikativen Situation in ihrer Gesamtheit, d.h. das Erfassen der übermittelten Sprachzeichen und der nonverbalen wie extraverbalen, kommunikative Funktion tragenden Informationen und deren intentionsgerechte, partnerbezogene und situationsgerechte Widerspiegelung und Interpretation (vgl. Biechele 2006, 309). Das HSV., das dem natürlichen Verstehen entspricht und Verstehenswie Lernvorteile bewirkt, wird mittels Filmdidaktik im Fremdsprachenunterricht trainiert. Das „klassische“ Konzept der Fertigkeiten Hören, Lesen, Sprechen und Schreiben wird durch das Sehverstehen und das HSV. im modernen Fremdsprachenunterricht erweitert. Biechele, B. (2006), „Film/ Video/ DVD in Deutsch als Fremdsprache - Bestandsaufnahme und Perspektiven“, in: Barkowski, H./ Wolff, A. (Hrsg.), Umbrüche. Materialien Deutsch als Fremdsprache, Nr. 76, Regensburg, 309-328. - Schwerdtfeger, I.Ch. (2003), „Übungen zum Hör-Sehverstehen“, in: Bausch, K.-R./ Christ, H./ Krumm, H.-J. (Hrsg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht, 4. Aufl., Tübingen und Basel, 299-302. Barbara Biechele Hörspiel, das: Kunstform, die mit Stimme, Stille, Klängen und Geräuschen arbeitet und mittels Tonträger (Radio, CD) übertragen wird. Das H. zielt darauf, Gefühle, Assoziationen und Bilder im Kopf des Hörers entstehen zu lassen. Das traditionelle, inhaltsorientierte Rundfunk-H. erlebte um die 1950er Jahre einen Höhepunkt, das neue H. entwickelte ab Mitte der 1960er Jahre eine speziell akustische Ästhetik, beim O-Ton-H. werden originale Tonvorlagen zu einem akustischen Kunstwerk montiert. In den 1980er Jahren wurde vor allem das Kurzhörspiel (15-20 Min.) für den DaF-Unterricht entdeckt und in didaktisierten Reihen herausgegeben. Allerdings blieb sein <?page no="130"?> Hörverstehen 119 Einsatz aufgrund der sprachlichen und inhaltlichen Komplexität begrenzt. Seit den 1990er Jahren werden H. und Hörbücher eigens für den DaF-Unterricht entwickelt. Eva-Maria Jenkins Hörstil, der: Der Begriff H. bezeichnet die Art des Hörverstehens (HV). Der H. wird v.a. durch die Hörintentionen des Hörers und durch die Textsorte determiniert und kann im Verlauf des Rezeptionsprozesses wechseln. In der Fachliteratur werden drei grundsätzliche H. unterschieden, wobei die Begriffe nicht einheitlich verwendet werden: H.1: globales HV (auch extensiv oder kursorisch): das generelle Erfassen der Struktur, der Gesamtaussage oder der Schlüsselbegriffe eines Hörtextes. H.2: selektives HV (auch selegierend oder suchend): das Erfassen bestimmter Einzelinformationen eines Hörtextes. H.3: detailliertes HV (auch intensiv oder synthetisch): das Erfassen eines Hörtextes im Detail mit dem Ziel, ein möglichst vollständiges Textverständnis zu erreichen. Zu weiteren in der Fachliteratur genannten H. s. Wiemer (1999). Die Vermittlung der verschiedenen H. gehört zu den wichtigen Lernzielen einer an dem Modell Kommunikative Kompetenz orientierten Fremdsprachendidaktik. Wiemer, C. (1999), „Aspekte des Hörverstehens im fremdsprachlichen Lernprozess“, in: Eggers, D. (Hrsg.), Hörverstehen aus andragogischer Sicht. Sprachlern- und Spracherwerbsstrategien im Fremdsprachenunterricht mit Erwachsenen (Sprachandragogik Jahrbuch 1998), Mainz, 37-55. Thomas Stahl Hörtext, der: Zur Schulung des Hörverstehens von Lehrbuchautoren erstellt oder aus originalen Hörbeiträgen ausgewählt. Didaktische Kriterien sind: Realitätsbezug, Informationsdichte, Lexik, Textorganisation, strukturelle Komplexität, Verständlichkeit, Sprechgeschwindigkeit, Verstehensziele bezüglich verschiedener Lernniveaus und Zielgruppen. Die Aufgabensequenzierung „vor/ nach dem Hören, während des Hörens“ hat sich durchgesetzt. Trotz der Forderung nach größtmöglicher Authentizität von H. mit umgangssprachlichen, regionalen/ dialektalen Merkmalen überwiegen in Anfängerlehrwerken konstruierte, grammatikorientierte Alltagsdialoge; auch im Fortgeschrittenenunterricht werden authentische H. zu wenig genutzt, um realitätsadäquates Hörverstehen zu erreichen. Eva-Maria Jenkins Hörverstehen, das: 1. Begriffsklärung H. (auch verstehendes Hören) ist neben Leseverstehen, Sprechen und Schreiben eine der vier grundlegenden Kommunikationstätigkeiten. Der Begriff bezeichnet den durch einen auditiven Input ausgelösten Rezeptionsprozess, durch den der Inhalt mündlicher Texte erschlossen wird. In der Fremdsprachendidaktik meint H. die Fähigkeit, gesprochene Texte in der Zielsprache zu verstehen und darin enthaltene Informationen zu weiterem sprachlichen und nichtsprachlichen Handeln zu verwenden. 2. Vorgang des H. H. ist ein aktiver und konstruktiver Prozess der Bedeutungskonstitution, bei dem Text(daten) und Hörer(wissen) interagieren. Modellhaft vorstellen lässt sich das H. als Wechselwirkung zwischen datengeleiteten (aufsteigend, bottom up) und wissensgeleiteten (absteigend, top down) Operationen, die weitgehend parallel ablaufen. Bei der aufsteigenden Informationsverarbeitung werden die phonologisch-prosodischen, lexikalischen und morpho-syntaktischen Signale des akustischen Datenstroms registriert und aufbereitet. Bei der absteigenden Verarbeitung werden Schemata ( Schema-Theorie) des Sprach- und Weltwissens aktiviert und an den Text herangetragen. H. ist stets intentional, d.h. Voraussetzung des H. ist die individuelle Verstehensabsicht (Hörinteresse). Das jeweilige Hörziel, das in Auseinandersetzung mit dem Text immer wieder neu definiert werden kann, bestimmt den Hörstil. 3. Einflussfaktoren des H. Das H. wird durch interne und externe Faktoren beeinflusst (vgl. Marx 2005, 147-155). Interne Faktoren, die vom Hörer stammen, sind Gedächtnisleistung, eingesetzte Hörverstehensstrategien, sprachliches und nichtsprachliches Vorwissen sowie verschiedene affektive Variablen, die das Verstehen steuern, hemmen oder blockieren können, indem sie die Aufmerksamkeit des Hörers lenken (z.B. Konzentrationsfähigkeit, Interesse am Thema oder die Beziehung zum Sprecher). Externe Faktoren sind Merkmale des Sprechenden (z.B. Gestik, Mimik, Aussprache, Prosodie), des Textes (z.B. sprachliche Eigenschaften, Aufbau, Abstraktionsgrad, Thema) und der Hörumgebung (z.B. Hintergrundgeräusche). Dahlhaus, B. (1994), Fertigkeit Hören (Fernstudieneinheit 5), München. - Kühn, P., Hrsg. (1996), Hörverstehen im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Theoretische Fundie- <?page no="131"?> 120 hybrid/ Hybridität rung und unterrichtliche Praxis (Werkstattreihe Deutsch als Fremdsprache 53), Frankfurt a.M. u.a. - Marx, N. (2005), Hörverstehensleistungen im Deutschen als Tertiärsprache. Zum Nutzen eines Sensibilisierungsunterrichts im „DaFnE“, Baltmannsweiler. Thomas Stahl hybrid/ Hybridität, die: Der Begriff hat sich als allgemeine Bezeichnung für Vermischtes und Kreuzungen bezogen auf Sprache, Kultur und Identität in der Soziolinguistik sowie der Sozial-, Kultur- und Literaturwissenschaft etabliert. Nach Bronfen und Marius ist alles h., „was sich einer Vermischung von Traditionslinien oder von Signifikantenketten verdankt, was unterschiedliche Diskurse und Technologien verknüpft, was durch Techniken der collage, des samplings, des Bastelns zustande gekommen ist“ (1997, 14). Pidgin- und Kreolsprachen, aber auch Wortmischungen und Sprachmischungen wie dichte Formen des Codeswitching und Codemixing fallen darunter. Auf sprachliche Hybridbildungen stößt man bei Jugendlichen mit sog. Migrationshintergrund, die über Sprachmischungen eigene gruppenspezifische und ethnolektale „We-Codes“ entwickeln und diese z.T. auch benennen (z.B. karı ş ık konu ş mak als türkische Bezeichnung für gemischt sprechen). Eine engere Spielart der H. richtet sich auf die reaktive Entwicklung neuer sprachlicher, kultureller und identitärer Mischformen in der Auseinandersetzung mit der Mehrheitsgesellschaft. H. ist mittlerweile ein Schlüsselbegriff in der internationalen Debatte um Migration, Kulturkontakt, Globalisierung und Diasporakulturen, der Begriff wird aber auch wegen seiner Unschärfe kritisiert. Bronfen, E./ Marius, B. (1997), „Hybride Kulturen. Einleitung zur anglo-amerikanischen Multikulturalismusdebatte“, in: Bronfen, E./ Marius, B./ Steffen, T. (Hrsg.), Hybride Kulturen. Beiträge zur anglo-amerikanischen Multikulturalismusdebatte, Tübingen, 1-29. - Ha, Kien Nghi (2005), Hype um Hybridität. Kultureller Differenzkonsum und postmoderne Verwertungstechniken im Spätkapitalismus, Bielefeld. Volker Hinnenkamp Hyperbel, die: rhetorische Figur der Übertreibung, um eine verstärkte Wirkung beim Rezipienten zu erzielen (z.B. todmüde). Konrad Ehlich Hypermedia: H. ist eine Wortbildung aus Hypertext und Multimedia und wird artikellos verwendet. Der Begriff bezeichnet die Erweiterung der Hypertext-Konzeption durch Integration multimedialer Komponenten, wird aber auch als Synonym für Hypertext gebraucht. H. zeichnet sich demnach ebenfalls durch eine nicht-lineare, netzwerkartige Organisation von Informationseinheiten aus. H.-Systeme ermöglichen es, neben Texten auch Tonaufnahmen und Bewegtbilder zu speichern und zu präsentieren. Dadurch wird ein flexibler Zugriff auf multikodale (z.B. Textvs. Bildkodierung) und multimodale (z.B. Text lesen vs. Text hören) Informationen möglich. Für Lehr-/ Lernkontexte ist dies u.a. deshalb bedeutsam, weil eine Multikodierung von Informationen positive Effekte auf Behaltensleistungen haben kann. Allerdings besteht beim Lernen mit multimedialen Materialien auch die Gefahr kognitiver Überlastung. Lernende haben dann nur noch Kapazität für die automatische Verarbeitung von Informationen oder brechen die Verarbeitung sogar gänzlich ab (vgl. Weidenmann 2002, 57). Aufgrund seiner Interaktivität bietet H. Lernenden die Möglichkeit, aus einem multikodalen und multimodalen Lernangebot auszuwählen und Präsentationsabläufe entsprechend ihrer individuellen Voraussetzungen selbst zu gestalten. Weidenmann, B. (2002), „Multicodierung und Multimodalität im Lernprozess“, in: Issing, L. J./ Klimsa, P. (Hrsg.), Information und Lernen mit Multimedia und Internet. Lehrbuch für Studium und Praxis, 3. Aufl., Weinheim, 45-62. Udo Ohm Hyperonym, das: Wörter oder Begriffe, die zu einem weiteren Wort bzw. Begriff im Verhältnis der Überordnung stehen. Fisch ist H. zu Lachse und Forellen. Fahrzeug ist H. zu Auto. Gegenbegriff: Hyponym. In der fremdsprachlichen Wortschatzarbeit, u.a. in der Fach- und Berufssprache, sind H. eine wichtige Lernhilfe zur systematischen Ordnung, zur Vernetzung und beim Abruf bedeutungsverwandter Wörter. In der Fachsprache sind hyperonymische/ hyponymische Systeme oft durch Normen festgelegt (s. ggf. auch mentales Lexikon; Konnektionismus). Hermann Funk Hypertext, der: Bezeichnung für eine nicht-lineare, netzwerkartige Organisation von Informationseinheiten (Knoten). H. bestehen vorwiegend aus computertechnisch miteinander verknüpften <?page no="132"?> Hypothese 121 Textmodulen, enthalten oft aber auch Bilddarstellungen. Die Verknüpfungen werden als elektronische Verweise im Text realisiert. Enthält der H. auch Knoten mit Tonaufnahmen und Bewegtbildern, wird häufig von Hypermedia gesprochen. Einer breiten Öffentlichkeit wurde diese Informationstechnologie mit dem Aufstieg des World Wide Web (WWW) in den 1990er Jahren bekannt. Voraussetzung war die Entwicklung einer standardisierten Auszeichnungssprache für H. (Hypertext Markup Language) um 1990 und die freie Verfügbarkeit von sog. Webbrowsern ab 1993. Die Lernförderlichkeit von H. wird häufig damit begründet, dass eine netzwerkartige Repräsentation von Informationen kognitiv plausibel sei, den selbstgesteuerten Wissenserwerb unterstützte und die kognitive Flexibilität förderte. Wissenschaftlich gesehen sind diese Annahmen zu pauschal. H. können auch lernbehindernde Desorientierungen verursachen („lost in hyperspace“). Eine methodisch-didaktisch reflektierte Einbettung in geeignete Lehr-/ Lernarrangements ist daher unverzichtbar. Tergan, S.-O. (2002), „Hypertext und Hypermedia: Konzeption, Lernmöglichkeiten, Lernprobleme und Perspektiven“, in: Issing, L. J./ Klimsa, P. (Hrsg.), Information und Lernen mit Multimedia und Internet. Lehrbuch für Studium und Praxis, 3. Aufl., Weinheim, 99-112. Udo Ohm Hyponym, das: Wörter oder Begriffe, die zu einem weiteren Wort bzw. Begriff im Verhältnis der Unterordnung stehen. Lachse und Forellen sind Fische. Ein Auto ist ein Fahrzeug. Gegenbegriff: Hyperonym. In der fremdsprachlichen Wortschatzarbeit, u.a. in der Fach- und Berufssprache, sind H. eine wichtige Lernhilfe zur systematischen Ordnung, zur Vernetzung und beim Abruf bedeutungsverwandter Wörter. In der Fachsprache sind hyponymische/ hyperonymische Systeme oft durch Normen festgelegt (s. ggf. auch mentales Lexikon; Konnektionismus). Hermann Funk Hypostasierung, die: in verschiedenen Wissenschaften verwendeter, unterschiedlich belegter Terminus. Im Kontext von DaF/ DaZ begegnet H. in den folgenden Bedeutungen: 1. als Bezeichnung für den Vorgang der einseitigen Analyse und Beschreibung grammatikalischer Kategorien im Hinblick auf deren Ausdrucksfunktionen bzw. deren Status und Wirksamkeit als Kategorien der geistigen Welterfahrung. In dieser Bedeutung hat H. Anschluss an dzgl. geführte Diskurse in den Bereichen Grammatiktheorie und Sprachphilosophie (vgl. z.B. Inhaltsbezogene Grammatik und Sapir-Whorf-Hypothese). 2. Spezifischer Vorgang/ Sonderfall der Wortbildung, bei dem Flexionsmerkmale des produktiven Worts in das abgeleitete Wort übernommen werden, etwa zu beobachten bei dem substantivisch abgeleiteten Adverb abends und der gleichfalls aus einem Substantiv im Genitiv entstandenen Präposition mittels. Hans Barkowski Hypotaxe, die: auch: Satzgefüge. Bei einem hypotaktischen Satzkomplex ist ein Teilsatz einem anderen Teilsatz untergeordnet. Dabei kann der übergeordnete Teilsatz ein Hauptsatz oder ein Nebensatz sein: Das Baby schlief, obwohl überall die Silvesterböller knallten. (Hauptsatz, Nebensatz); …, obwohl draußen ein Höllenlärm war, weil überall die Silvesterknaller abgefeuert wurden, … (Nebensatz, Nebensatz). Der untergeordnete Teilsatz steht in Abhängigkeit zum übergeordneten Teilsatz. Abhängige Teilsätze können ganze Satzgliedfunktionen erfüllen (z.B. Micha weiß, dass Zigarre rauchen schädlich ist. hier: Objektfunktion). (Gegenbegriff Parataxe) Mandy Höhle Hypothese, die: 1. H. in der Forschungsmethodologie Ein zentrales Ziel der empirischen Forschung ist es, H. aufzustellen und zu überprüfen. Mit einer wissenschaftlichen H. wird ein Zusammenhang zwischen zwei oder mehreren Variablen postuliert, wobei die behauptete Beziehung nicht nur für Einzelfälle, sondern für eine ganze Klasse vergleichbarer Fälle Gültigkeit haben soll. Als zentrale Komponente aller empirischen Disziplinen muss eine wissenschaftliche H. eine Reihe von Bedingungen erfüllen: sie muss sich auf Sachverhalte beziehen, die empirisch überprüfbar sind, und es müssen Verfahren angegeben werden, mit deren Hilfe entscheidbar ist, ob der behauptete Zusammenhang tatsächlich vorliegt. Eine H. muss außerdem widerlegbar bzw. falsifizierbar sein, und es müssen die Bedingungen genannt werden, unter denen die aufgestellte Behauptung nicht gilt. Da Wahrscheinlichkeitsaussagen, die auf der Basis quantitativ angelegter Untersuchungen formuliert werden, nicht <?page no="133"?> 122 ICC (International Certificate Conference) durch einzelne Gegenbeispiele widerlegt werden können, müssen zu ihrer Überprüfung spezielle Prüfkriterien (z.B. statistische Signifikanzniveaus) angegeben werden. Da bei explorativen empirischen Untersuchungen H. nicht den Ausgangspunkt, sondern das Resultat der Forschung darstellen, gilt hier, dass die H. nachvollziehbar entwickelt und begründet werden muss. 2. H. in der Zweit- und Fremdsprachenerwerbsforschung Analog zu den o.g. Ausführungen wird in der kognitiv ausgerichteten Fremdsprachenerwerbsforschung davon ausgegangen, dass Lernende im Laufe ihres Erwerbs aufgrund von Vorwissen, Beobachtungen und Erfahrungen verschiedene H. über die zu lernende Sprache aufstellen, die sie - passiv oder aktiv - testen, indem sie sie entweder mit dem Sprachgebrauch von Sprechern der Zielsprache vergleichen, Sprecher der Zielsprache direkt befragen oder sie in ihren eigenen Äußerungen zur Anwendung bringen. Aufgrund des Feedbacks der zielsprachlichen Umgebung überprüfen sie dann, ob die von ihnen aufgestellten H. zutreffend sind oder nicht und ggf. modifiziert werden müssen. Bortz, J./ Döring, N. (2006), Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Geisteswissenschaftler, Heidelberg. - Corder, S. P. (1976), „The study of interlanguage“, in: Proceedings of the Fourth International Conference of Applied Linguistics, München. Karin Aguado I ICC (International Certificate Conference): s. Internationale Zertifikatskonferenz idealer Sprecher-Hörer: zentrales Untersuchungsobjekt der generativen Transformationsgrammatik: der i.S.-H., „der in einer völlig homogenen Sprachgemeinschaft lebt, seine Sprache ausgezeichnet kennt und bei der Anwendung seiner Sprachkenntnis in der aktuellen Rede von solch grammatisch irrelevanten Bedingungen wie begrenztes Gedächtnis, Zerstreutheit und Verwirrung, Verschiebung in der Aufmerksamkeit und im Interesse, Fehler (zufällige oder typische) - nicht affiziert wird.“ (Chomsky 1969, 13). Für den DaF/ DaZ-Kontext gilt die Vernachlässigung der Performanz zugunsten der Kompetenz des i.S.-H. nicht, denn Unterricht zielt auf Performanz und stellt in Rechnung, dass das Lernen von Fremdsprachen aus dem Zusammenwirken zahlreicher Faktoren resultiert, die sich sowohl auf Lehr- und Lernbedingungen im Klassenzimmer als auch auf psychologische und soziale Komponenten außerhalb des Klassenzimmers und spezifische Lernerfaktoren beziehen. Mit dem Begriff der kommunikativen Kompetenz hat die Fremdsprachendidaktik diese Abwertung von Performanz gegenüber der Kompetenz überwunden. Chomsky, Noam (1969), Aspekte der Syntax-Theorie, Frankfurt a.M. Jacqueline Fiuza da Silva Regis Identität, die: ein insbesondere in Soziologie und Psychologie zentraler Begriff, der i.d.R. eng mit Sprache ( Sprachidentität) und Kultur verknüpft ist. Generell bezeichnet I. das, was einen Menschen aus seiner eigenen oder einer Außenperspektive zu einem unverwechselbaren Individuum macht (Ich-I., personale I.) bzw. was eine Gruppe von anderen Gruppen unterscheidet (Wir- oder Gruppen-I.), wobei moderne Identitätskonzepte den prozesshaften Verlauf von I.- Entwicklung betonen, was den Wandel von I. ebenso wie die Herausbildung von Mehrfachidentität einschließt. Sprache und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten soziokulturellen Gemeinschaft sind wesentliche Kennzeichen solcher Unterscheidungen und Gemeinsamkeiten, aber auch Religion und bestimmte Wertvorstellungen konstituieren I. Durch den Namen bereits erhält ein Mensch seine personale I., wird aber zugleich auch als zugehörig zu einer Familie (soziale I.) festgelegt. Sprachverlust und kulturelle Entwurzelung, aber auch die Erfahrung von Diskriminierung können zu einer Gefährdung der I. führen, d.h. zu einem Zustand, in dem Menschen nicht mehr wissen, wer sie sind bzw. welcher Gruppe sie sich zugehörig fühlen. Oksaar (2003, 163) bezeichnet den Verlust der sprachlichen I. als „sprachliche Heimatlosigkeit“. Seit die europäischen Nationalstaaten nach dem Prinzip „Ein Staat - eine Sprache“ verfahren, ist auch die nationale I. eng mit Sprache verbunden, weshalb Migranten tw. gezwungen werden, die Landessprache zu lernen, wenn sie in einem Land bleiben wollen ( Integrations(sprach)kurs). Fragen der kulturellen I. von Minderheiten, ihrer Bedrohung bzw. Bewahrung, spielen ebenfalls im Kontext von Migration eine prominente Rolle (vgl. Integration; Assimilation). <?page no="134"?> Idiomatik 123 Janich, N./ Thim-Mabrey, C., Hrsg. (2003), Sprachidentität - Identität durch Sprache. (Tübinger Beiträge zur Linguistik, Bd. 465), Tübingen. - Krappmann, L. (1971, 9. Aufl. 2000), Soziologische Dimensionen der Identität, Stuttgart. - Oksaar, E. (2003), Zweitspracherwerb. Wege zur Mehrsprachigkeit und zur interkulturellen Verständigung, Stuttgart. Hans-Jürgen Krumm Identitätshypothese, die: Gemäß der I. nach Dulay & Burt (1974) verlaufen Spracherwerbsprozesse aufgrund überindividueller psycholinguistischer Bedingungen identisch - unabhängig davon, ob es sich um den Erwerb einer Erst-, einer Zweit- oder einer Fremdsprache handelt. Diese starke Version der L1 = L2-Hypothese ist aufgrund einer Reihe methodischer Unzulänglichkeiten der ihr zugrunde liegenden empirischen Studien sowie aufgrund der inzwischen nachgewiesenen internen und externen Unterschiede zwischen dem Erst-, Zweit- und Fremdsprachenerwerb nicht haltbar. So sind Fremdsprachenlernende kognitiv und sozial weiter entwickelt, sie verfügen bereits über - mindestens - eine Sprache und das damit verbundene lern- und kommunikationsstrategische Wissen. Und während alle Kinder jede Erstsprache gleich gut erwerben können, ist der Sprachlernerfolg von Fremdsprachenlernenden individuell sehr verschieden. Sie erreichen nur in den seltensten Fällen eine so hohe Sprachbeherrschung wie L1-Sprecher. Da eine absolute Identität der Erwerbsprozesse also ausgeschlossen ist, Langzeitstudien jedoch belegen konnten, dass es - unabhängig vom Erwerbstyp - für einige morphosyntaktische Phänomene (z.B. die Wortstellung oder die Negation) natürliche, universelle Erwerbssequenzen gibt, kann davon ausgegangen werden, dass die Spracherwerbsprozesse in Bezug auf bestimmte Strukturen ähnlich verlaufen und im Zweit- und Fremdsprachenerwerbsprozess Mechanismen aktiviert werden, die bereits im Erstsprachenerwerb eine Rolle spielen. Dulay. H./ Burt, M. K. (1974), „Natural sequences in child second language acquisition“, in: Language Learning 24, 37-53. - Ellis, R. (1990), Instructed second language learning, Oxford. - Pienemann, M. (1984), „Psychological constraints on the teachability of languages“, in: Studies in Second Language Acquisition 6 (2), 186-214. Karin Aguado Idiolekt, der: in Analogie zu Dialekt gebildeter Ausdruck für die sprachlichen Eigenheiten eines Individuums. I. setzt die Nutzung einer allgemeinen Sprache voraus, deren Gebrauch als jeweils spezifische Auswahl aus deren Realisierungsmöglichkeiten durch das Individuum wahrgenommen wird. Im strengen Sinn ist - nach Wittgensteins Kritik am Konzept der ‚Privatsprache‘ - eine bloß individuelle Sprache nicht möglich. Die individuellen Merkmale können sich auf die verschiedenen Aspekte des in der Kommunikation verwendeten sprachlichen Systems beziehen. Das, was für literarische Sprache als individueller Stil eines Autors literaturwissenschaftlich wahrgenommen wird, kann in diesem Sinn als idiolektal betrachtet werden. Konrad Ehlich Idiom, das: Der Begriff I. wird auf eine Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungen angewendet und in den damit befassten Fachdiskursen uneinheitlich definiert. Gleichzeitig begegnen - z.T. in synonymer Verwendung - zahlreiche alternative Begrifflichkeiten wie z.B. idiomatische Wendung, phraseologische Verbindung, Redewendung, metaphorische Redensart, Wortgruppenlexem usw. Dessen ungeachtet lassen sich folgende konsensfähige Aussagen zu I. treffen: I. stellen als dem Sprachsystem zuzurechnende 1. polylexikale, 2. (relativ) stabile und 3. lexikalisierte Einheiten eine zentrale Teilklasse von Phraseologismen dar (vgl. Fleischer 1997), unterscheiden sich jedoch von diesen durch das Kriterium der Idiomatizität (vgl. Roos 2001, 14). Die Bedeutung eines I. lässt sich demgemäß nicht aus der Summe der Bedeutungen der beteiligten Lexeme erschließen, da diese ihre je individuelle Bedeutung zugunsten einer Gesamtbedeutung aufgeben (vgl. Burger 2003), vgl. z.B. jmdm. einen Korb geben oder blinder Passagier. I. stellen aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften (u.a. relative Stabilität, Bildhaftigkeit, Idiomatizität) eine besondere Herausforderung für die fremdsprachliche Vermittlung dar (s. dazu ggf. Phraseo-Didaktik). Burger, H. (2003), Phraseologie: Eine Einführung am Beispiel des Deutschen, Berlin. - Fleischer, W. (1997), Phraseologie der deutschen Sprache, Tübingen. - Roos, E. (2001), Idiom und Idiomatik: Ein sprachliches Phänomen im Lichte der Kognitiven Linguistik und Gestalttheorie, Aachen. Britta Winzer-Kiontke Idiomatik, die: Aufgrund der Komplexität des Forschungsgegenstandes ergeben sich Schwierigkeiten bei der Festlegung einer allgemeingültigen <?page no="135"?> 124 Idiomatische Wendung Definition des Begriffs der I., wobei sich jedoch mit dem Terminus meist zwei Bedeutungsausprägungen verbinden. Zum einen bezeichnet I. die Teildisziplin der Phraseologie, die sich der Erforschung der Gruppe der Idiome widmet, zum anderen bezieht sich der Begriff auf den je konkreten Bestand der Idiome einer Sprache. In der Literatur wird vielfach darauf hingewiesen, dass sich I. nicht nur auf Idiome im klassischen Sinne (z.B. den Löffel abgeben) beschränken lässt (vgl. Coulmas 1981; Daniels 1985), sondern ebenfalls andere Bereiche, u.a. Einwortlexeme (z.B. Mauerblümchen) einbezieht. Dennoch finden sich Gruppen, die aus dem Bereich der I. ausgeschlossen werden sollten, u.a. Sprichwörter, Stereotype und Klischees, Zitate, Slogans u.a.m. (vgl. Roos 2001, 14 f.). Mittlerweile besteht weitgehend Konsens über die Notwendigkeit der Einbeziehung der I. in die fachwissenschaftlichen Gegenstände der Sprachlehr- und -lernforschung, und die Methodik/ Didaktik des Fremdsprachenunterrichts. Coulmas, F. (1981), Routine im Gespräch: Zur pragmatischen Fundierung der Idiomatik, Wiesbaden. - Daniels, K. (1985), „Idiomatische Kompetenz in der Zielsprache Deutsch: Voraussetzungen, Möglichkeiten, Folgerungen“, in: Wirkendes Wort, 1, 145-157. - Roos, E. (2001), Idiom und Idiomatik: Ein sprachliches Phänomen im Lichte der Kognitiven Linguistik und Gestalttheorie, Aachen. Britta Winzer-Kiontke Idiomatische Wendung, die: s. Phraseo-Didaktik Idiomatizität, die: bezeichnet die Eigenschaft eines Idioms, eine aus den einzelnen Komponenten syntaktisch und semantisch nicht voll erklärbare Einheit zu bilden (vgl. Burger 2003), bei der die Bedeutung an die Lexemkombination als ganze gebunden ist (z.B. jmdm. sein Ohr leihen im Sinne von ‚jmdm. zuhören‘). Grundsätzlich ist von einer weiten, auf struktureller Anomalie basierenden (vgl. etwa das unflektierte, nicht kongruent markierte attributive Adjektiv gut in dem Ausdruck auf gut Glück) und einer engen, auf semantischen Aspekten beruhenden Konzeption von I. auszugehen (vgl. Burger 2003, 20 ff.). Semantische I. grenzt das Zentrum der Phraseologie von deren Peripherie ab (vgl. ebd., 31) und verläuft prinzipiell graduell. So ist zwischen 1. vollidiomatischen (z.B. jmdm. einen Bären aufbinden), 2. teilidiomatischen (z.B. lügen, dass sich die Balken biegen) und 3. nicht-idiomatischen (z.B. sich die Zähne putzen) Ausdrücken zu unterscheiden. Bei 1. liegt eine starke Diskrepanz zwischen wörtlicher Leseart und phraseologischer Bedeutung vor, während bei 2. ein Element die freie, wendungsexterne Bedeutung beibehält und die anderen Komponenten die idiomatische und die wörtliche Leseart zulassen. Bei 3. kommt die Bedeutung auf Grundlage der Komponenten zustande. Für den Nichtmuttersprachler stellt die I. ein Herausforderung dar, insbesondere in Fällen, in denen wortgleiche Varianten existieren, wie z.B. bei baden gehen, das einmal im Sinne der Grundbedeutung der beteiligten Wörter und zum zweiten, in der phraseologisch gebundenen Bedeutung, im Sinne von „mit/ bei etwas scheitern“ zu verstehen ist (vgl. Palm 1995, 12). Burger, H. (2003), Phraseologie: Eine Einführung am Beispiel des Deutschen, Berlin. - Palm, C. (1995), Phraseologie, Tübingen. Britta Winzer-Kiontke Idiosynkrasie, die: „eigentümliche (Ver)mischung“; in diversen - meist wissenschaftlichen - Kontexten unterschiedlich belegter Begriff für von der Norm abweichende Verhaltensweisen, Empfindlichkeiten, Sprachverwendungen u.a.m. Im Kontext von DaF/ DaZ sind insbesondere die folgenden Belegungen bedeutsam: 1. Semantische I.: Bedeutungsbelegungen von Lexemen, insbesondere von Komposita, die von der diesem Lexem - bzw. den beteiligten Lexemen - üblicherweise zugeordneten Bedeutung/ en abweichen, z.B. Schürzenjäger (s.a. Idiomatizität). 2. Morphologische I.: einzelfallbezogene Abweichungen von regelhaften grammatischen Markierungen wie z.B. bei der Komparation der Adjektive gut (besser - am besten) oder viel (mehr - am meisten), bei denen das Basisadjektiv, anders als bei regelhafter Bildung - vgl. schlecht - schlechter - am schlechtesten - nicht erhalten bleibt. 3. Von idiosynkratischen Abweichungen („Fehlern“) spricht man, wenn Fremdsprachenlernende in ihren fremdsprachlichen Produktionen in semantischer oder grammatischer Hinsicht vom zielsprachlichen Standard abweichen und dies weder in einer mit vergleichbaren Lernern übereinstimmenden Weise tun noch eine plausible spracherwerbliche Erklärung für deren Zustandekommen gefunden werden kann. Hans Barkowski/ Mandy Höhle IDS, das: s. Institut für Deutsche Sprache <?page no="136"?> Immersion 125 IDV, der: s. Internationaler Deutschlehrerverband ifa: s. Institut für Auslandsbeziehungen IGLU-Studie: IGLU = Internationale Grundschul- Lese-Untersuchung; deutsche Bezeichnung der inzwischen zu zwei Zeitpunkten, 2001 und 2006, unter z.T. wechselnder Länderbeteiligung durchgeführten internationalen Studie IGLU/ PIRLS (= Progress in International Reading Literacy Study) zur Lesekompetenz; die deutsche Beteiligung an IGLU 2006 wurde dabei um eine Abfrage mit weiteren Items (IGLU 2006-E) ergänzt. IGLU stellt aus deutscher Sicht eine Ergänzung zur PISA-Studie dar und dient wie diese der - insbesondere bildungspolitisch motivierten - Ermittlung von Leistungsstandards und Förderbedarfen, darunter auch bezüglich der Kompetenz in Deutsch als Zweitsprache von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Internetadresse: www.ifs.uni-dortmund.de/ iglu2006 Hans Barkowski Ikon, das/ Ikonizität, die: Der Begriff Ikon wurde von Ch. S. Peirce eingeführt. Peirce unterscheidet drei Typen von Zeichen: Index, Ikon und Symbol. Während ein indexikalisches Zeichen zu dem Objekt, auf das es verweist, in realer Indexikalität (z.B. Rauch als Anzeichen für Feuer) und ein symbolisches Zeichen zu dem von ihm bezeichneten Objekt in konventioneller Beziehung ( Arbitrarität: z.B. Hutabnehmen als Zeichen für Begrüßung) steht, hat ein ikonisches Zeichen einen Ähnlichkeitsbezug zu dem Objekt, das es bezeichnet (Ikonizität). Gute Beispiele für Ikone sind die Icons in Computerprogrammen, die aufgrund ihrer Ähnlichkeitsbeziehung zu den Operationen, für die sie stehen (z.B. für Speichern), eine intuitive Bedienung ermöglichen sollen. Obwohl sprachliche Mittel und Strukturen prinzipiell als arbiträr betrachtet werden, besitzen sie auch ikonisches Potenzial. So wird bei der symmetrischen Koordination mit den einfachen Konjunktionen „und“ und „oder“ Symmetrie auch ikonisch zum Ausdruck gebracht, weil die Konjunktionen zwischen den Konjunkten stehen und diese ohne Bedeutungsveränderung vertauschbar sind (vgl. Eisenberg 1999, 368). Beim mündlichen Erzählen signalisieren prosodische Eigenschaften häufig Ähnlichkeit zwischen der sprachlichen Darbietung und dem verlesenen Inhalt, etwa wenn ein hektisches Geschehen in besonders schneller bzw. stakkatohafter Weise vorgetragen wird. Eisenberg, P. (1999), Grundriss der deutschen Grammatik. Bd. 2: Der Satz, Stuttgart/ Weimar. Udo Ohm Illokution, die/ illokutiver Akt, der/ illokutionärer Akt, der: In der Sprechakttheorie wird zwischen einem i.A. und einem lokutiven Akt unterschieden, die gleichzeitig vollzogen werden: Sätze haben Grundbedeutungen (Aussage, Wunsch, Aufforderung u.a.), die nicht immer deckungsgleich mit dem kommunikativen Sinn der Äußerung, also der Sprechhandlung (z.B. Bitte, Drohung, Feststellung, Ratschlag, Wunsch, Warnung, Vorwurf usw.) sind. Der lokutive Akt ist die Äußerung an sich, der i.A. ist die mit dieser Äußerung verbundene Sprechhandlung: In einem bestimmten Kontext (Mutter geht mit Kind spazieren) ruft die Mutter: „Der Hund ist bissig! “ Damit vollzieht sie nicht nur einen lokutiven Akt (sie schreibt dem Hund die Eigenschaft zu, bissig zu sein), sondern auch einen i.A. - die Sprechhandlung oder Sprechabsicht ist eine Warnung. Mandy Höhle Immersion, die: bezeichnet ein Konzept zweisprachiger (vor-)schulischer Erziehung, in welchem Fachinhalte in einer Fremd-/ Zweitsprache vermittelt werden. Hierdurch wird ein schnellerer und effektiverer Sprachlernzuwachs erwartet als durch konventionellen Fremdsprachenunterricht ( bilingualer Unterricht). Der Erfolg von I.programmen erweist sich als gebunden an Voraussetzungen: - Anpassung der Erziehungs-/ Unterrichtskonzepte an die sprachlichen Bedürfnisse und Voraussetzungen der Lernenden; - Zweisprachigkeit der Lehrkräfte; - Sprachliche Homogenität der Schülergruppe u.a. Typen von I.programmen werden danach unterschieden, in welchem Alter/ in welcher Klassenstufe mit der zweisprachigen Unterweisung begonnen und in welchem Umfang die Fremd-/ Zweitsprache als Lernmedium eingesetzt wird (totale oder teilweise I.). Entsprechend vielfältig sind Art und Ausprägung möglicher Konzepte. Deutsch als Fremd-/ Zweitsprache wird an staatlichen, privaten oder Modellschulen im In-und <?page no="137"?> 126 Imperativ Ausland unter Immersionsbedingungen vermittelt (z.B. Deutsche Schulen im Ausland, Staatliche Europa-Schulen Berlin, Deutsch-Italienische Gesamtschule Wolfsburg; bilingualer Unterricht, bilinguale Bildungsgänge). Le Pape Racine, C. (2000), Immersion - Starthilfe für mehrsprachige Projekte. Einführung in eine Didaktik des Zweitsprachunterrichts, Zürich. - Sarter, Heidemarie (1991), Sprache, Spracherwerb, Kultur. Das Beispiel der Migrantenkinder in Frankreich, Tübingen. - Wode, Henning (1995), Lernen in der Fremdsprache. Grundzüge von Immersion und bilingualem Unterricht, Ismaning bei München. Katharina Kuhs Imperativ, der: Befehlsform des Verbs, einer der drei Modi ( Modus) im Deutschen. 1. Formenbestand Die meisten Grammatiken nennen drei Imperativformen des Deutschen, zwei Vertraulichkeitsformen: Du-I. (2. P. Sg.) und Ihr-I. (2. P. Pl.) und eine Höflichkeitsform: Sie-I. (2. P. Sg./ Pl.). Der I. kennt keine Tempora. Die Formen des Du-I. werden von der 2. P. Sg. Präsens Indikativ abgeleitet, z.B. Lauf! , Nimm! . Die Formen des Ihr-I. sind mit Präsens Indikativ identisch, z.B. Schreibt! , Der Sie - I. ist mit den entsprechenden Formen von Präsens Indikativ identisch, z.B. Erzählen Sie! . Ausnahme: Sei bitte so nett! , Seien Sie so nett! . Bei den ersten zwei Formen werden Personalpronomen weggelassen, z.B. Komm! , Kommt! Der Sie-I. wird dagegen mit dem Personalpronomen gebraucht, z.B. Kommen Sie! . Der Wir-I. (1. P. Pl.) wie z.B. Gehen wir! wird z.T. auch zum I. gezählt, von vielen aber als I. abgelehnt, da er den Sprechenden einschließt (vgl. Helbig/ Buscha 2001, 173). Die Aufforderung an die 1. P. Pl. wird dagegen als Adhortativ bezeichnet. 2. Syntaktische Besonderheiten Das finite Verb des I. steht immer an der ersten Stelle im Satz, trennbare Verben werden getrennt, z.B. Kommt mit! . Die Sätze mit I. heißen Aufforderungssätze (Imperativsätze) und werden meistens graphisch mit einem Ausrufezeichen abgeschlossen. Die Satzmelodie ist gegen Ende fallend. Allerdings sind nicht alle Aufforderungen gleichzeitig Aufforderungssätze, es gibt auch alternative Formen, z.B. Fragen, Infinitiv. 3. Gebrauch Der I. kann außer Befehlen und Aufforderungen auch Bitten, Vorschläge oder Warnungen an eine oder mehrere Personen ausdrücken. Helbig, G./ Buscha J. (2002, neubearb. 2. Aufl.), Deutsche Grammatik, Berlin/ München. Marina Matthey Imperfekt, das: Bezeichnung für eine Tempusform der in die Gegenwart hineinreichenden Vergangenheit in Sprachen, die zwischen dem Aorist (historisches Perfekt, vergleichbar dem französischen passé simple), dem Perfekt als Ausdruck einer abgeschlossenen Handlung zumeist in der Vergangenheit und dem I. unterscheiden ( Tempus). Heute wird das I. zumeist als Präteritum bezeichnet: eine Form, die auf vergangenes Geschehen verweist und im Regelfall nicht abgeschlossen ist ( Aspekt). Lutz Götze imperfektiv: I. Verben sind im Unterschied zu perfektiven Verben nicht auf ein bestimmtes Resultat gerichtet, d.h. sie implizieren keinen Nachzustand. So folgt aus den perfektiven Verben einschlafen oder ausschlafen ein bestimmtes Resultat, nämlich, dass man am Ende schläft oder munter ist (falls nichts dazwischen kommt und jemand/ etwas einen um das ersehnte Resultat bringt). Das i. Verb schlafen impliziert in diesem Sinne keinen Nachzustand. Klaus Welke Implikatur, die: von Grice (1967) in Anlehnung an den Terminus „Implikation“ geprägtes Kunstwort zur Bezeichnung von logisch nicht zwingenden (pragmatischen) Schlüssen, die ein Hörer auf der Grundlage von bestimmten Konversationsmaximen in Bezug auf mögliche kommunikative Absichten des Sprechers ziehen kann, also auf das, was der Sprecher mit dem meint, was er sagt: so enthält eine Einladung auf einen Kaffee möglicherweise die I., dass der Einladende ein Anliegen damit verbindet, und wird von Kommunikationspartnern mit geteilter „Sprachkultur“ ggf. auch einverständlich interpretiert. I. sind insoweit Kandidaten für interkulturelle Missverständnisse und sollten im FSU thematisiert werden. Grice, H. P. ([1967] 1993), „Logik und Konversation“, in: Meggle, G. (Hrsg.), Handlung, Kommunikation, Bedeutung, Frankfurt a.M., 243-265, (engl. 1 1967). - Levinson, S. C. (2000), Presumptive meanings: the theory of generalized conversational implicature, MIT. Klaus Welke <?page no="138"?> indirekter Fragesatz 127 inchoativ: auch ingressiv. I. Verben bilden eine Untergruppe der perfektiven Verben, Gegensatz: egressiv. I. sind Verben, die einen Nachzustand als Verwirklichung des Vorzustandes implizieren, z.B. verlieben, erblühen. Egressiv sind dagegen solche perfektiven Verben, die einen Nachzustand als Nicht-mehr-Bestehen des Vorzustandes implizieren, z.B. verblühen, sterben. Die Termini i. und ingressiv werden auch synonym zu perfektiv verwendet, denn alle perfektiven Verben, auch die egressiven, implizieren als ihren Nachzustand einen anderen folgenden Zustand. Klaus Welke Indefinitadverb, das: unbestimmtes Adverb, wird meistens mit irgendgebildet. Die Formen des I. sind in fast allen semantischen Gruppen der Adverbien möglich, z.B. lokal: irgendwo, irgendwohin; temporal: irgendwann, mal; modal: irgendwie. Marina Matthey Indefinitpronomen, das: unbestimmtes Pronomen, bezeichnet Personen oder Dinge, die nicht näher identifiziert werden, z.B. man, jemand, etwas. Außerdem können I. auch eine unbestimmte Menge angeben, z.B. ein bisschen, ein paar. Manche I. werden nur substantivisch gebraucht, z.B. man, niemand, etwas, nichts, andere dagegen können auch als Artikelwörter vor dem Nomen benutzt werden, z.B. jeder, alle, solche, viele, einige, irgendein usw. Marina Matthey indigen: einheimisch, autochthon; 1. wird i. zur Bezeichnung territorial gebundener ethnischer Gemeinschaften verwendet und akzentuiert dabei häufig einen Gegensatz zur herrschenden und/ oder Mehrheitsgesellschaft nichtautochthoner Herkunft; dabei ersetzt der Begriff „indigene Völker“ romantisierende bzw. kolonialistische Begriffe wie „Naturvolk“, „Ureinwohner“ oder „Eingeborene“ und dient gleichzeitig ihrem Identitätsanspruch und Selbstbestimmungsrecht. 2. fungiert die Attribuierung i. als Qualifizierung emischer Forschungsansätze im Bereich der Kulturwissenschaften (indigenous approach; vgl. Brislin, 2000, 88-93). Brislin, R. (2000), Understanding Culture’s Influence on Behaviour, Orlando. Dirk Skiba Indikativ, der: neben Konjunktiv und Imperativ einer der drei Modi ( Modus) des Verbs im Deutschen. Aussage- oder „Wirklichkeitsmodus“/ Faktiv: Der durch die Aussage bezeichnete Sachverhalt wird als gegeben dargestellt: Das Raumschiff landete auf dem Mond.. Im Gegensatz zu den beiden anderen Modi existiert I. in allen natürlichen Sprachen. Sabira Levin indirekte Rede: eine Form der Darstellung einer sprachlichen Äußerung, in der das Geäußerte mittelbar, nicht wörtlich, wiedergegeben wird. Die Wiedergabe der Äußerung kann wortgenau oder verkürzt sein. Einzelne Teile können in anderer Reihenfolge als im Original wiedergegeben werden. Im DaF-/ DaZ-Kontext besonders zu beachten ist: a) Die Transformation der wörtlichen Rede in die i.R. erfordert den Wechsel von deiktischen Elementen ( Deixis): Alle sagten: „Wir haben nichts gewusst.“ (direkte Rede) - Alle sagten, sie hätten nichts gewusst. (i.R.). b) Des Weiteren kann (nicht zwingend) der Modus umgewandelt werden. Insbesondere in der Umgangsprache wird häufig Indikativ beibehalten. Nach verbreiteter Auffassung erfolgt dagegen in elaborierter Rede und in schriftlichen Texten die Wiedergabe der direkten Rede unter stärkerer Nutzung der Formen des Konjunktivs, und zwar vorzugsweise des sog. Konjunktiv I und eher nur ersatzweise - bei Formengleichheit mit dem Indikativ: Wir haben nichts gewusst./ Er sagte, wir hätten nichts gewusst., - auch von Formen des sog. Konjunktivs II (… wir hätten nichts gewusst.) (vgl. aber dazu differenziert Eisenberg 4.4). c) Die in direkter Rede ggf. in differenzierter zeitlicher Abstufung vorliegenden indikativischen Vergangenheitsmarkierungen werden in i.R. vereinfacht, wobei die Formen Konjunktiv I Perfekt und Konjunktiv II Plusquamperfekt ggf. ohne Bedeutungsunterschied die Zeitstufe „Vergangenheit“ wiedergeben. Eisenberg, P. ( 3 2006), Grundriß der deutschen Grammatik. Bd. 2: Der Satz, Stuttgart/ Weimar. Sabira Levin indirekter Fragesatz: Zielstruktur/ Ergebnis der Transformation der in wörtlicher Rede gestellten Fragen in die indirekte Rede; dabei wird der Frageinhalt formal in eine Nebensatzstruktur überführt: Grundsätzlich sind zwei Fälle zu unterscheiden: a) Die Umwandlung von Satzfra- <?page no="139"?> 128 indirektes Objekt gen unter Verwendung der Subjunktion „ob“: Sie fragte: „War Goethe auch Professor an der Universität Jena? “ (wörtliche Rede); Sie fragte, ob Goethe auch Professor an der Universität Jena gewesen sei. (indirekte Rede). b) Die Umwandlung von sog. Ergänzungsfragen, wobei die nach dem Detail fragende Struktur (meist Fragepronomen und Frageadverbien, aber auch komplexere Ausdrücke wie z.B. unter welcher der eben genannten Voraussetzungen […]) den Nebensatz anführt: Sie fragte: „Wie viele Monate hat Schiller an Kabale und Liebe geschrieben? “; Sie fragte, wie viele Monate Schiller an Kabale und Liebe geschrieben habe. I.F. fungieren häufig als Höflichkeitsvarianten direkter Fragesätze: Könnten Sie mir vielleicht zeigen, wie man den Fahrscheinautomaten bedient? anstatt: Wie bedient man den Fahrscheinautomaten? Sabira Levin indirektes Objekt: dasjenige Objekt, auf das das Verb im Unterschied zum direkten Objekt sekundär den Blick des Betrachters lenkt. Traditionell wird diese Gegenüberstellung auf das Verhältnis von Dativobjekt als i.O. und Akkusativobjekt als direktem Objekt begrenzt: Emil schenkt dem Fremden einen Luftballon. Klaus Welke indoeuropäische Sprachen: s. indogermanische Sprachen indogermanische Sprachen (Pl) : international: indoeuropäische Sprachen; bilden mit ca. 140 Einzelsprachen und ca. 2,5 Milliarden muttersprachlichen Sprecherinnen und Sprechern die größte Sprachfamilie der Welt. Der Begriff i.S. bezieht sich auf die geographische Ausbreitung z.Z. der Entstehung, ca. 5000 bis 3000 v. Chr. Über Zeitpunkt und Lokalisierung gibt es unterschiedliche Annahmen, z.B. die nördliche Schwarzmeerregion oder die Region südlich des Kaukasus (Lehmann 1992). Durch Wanderungsbewegungen haben sich über die Jahrtausende verschiedene Sprachzweige entwickelt: das Germanische, Keltische, Italisch-Romanische, Slawische, Baltische, Griechische, Albanische, Armenische, Indo-Iranische, Anatolische und Tocharische; die beiden letztgenannten sind heute ausgestorben. Die meisten älteren Sprachstufen, von denen Einzelelemente in den heutigen Sprachen noch erkennbar sind, weisen folgende gemeinsame Merkmale auf: - stark flektierende Sprachen (Suffixe, wortinterne Veränderungen/ Ablaut) - Gemeinsamkeiten in Genus, Kasus, Numerus - Kongruenz zwischen Adjektiv und Nomen sowie Subjekt und Verb - die Kategorien Tempus, Modus und Aspekt bei den Verben Die gegenwärtige Forschung beschäftigt sich mit dem Laut- und Verbalsystem, der Syntax der Ursprache, aber auch mit Fragen der indoeuropäischen Kulturgeschichte sowie den Beziehungen der i.S. zu anderen Sprachfamilien und ist insoweit auch für die Mehrsprachigkeitsdidaktik und den Sprachvergleich von Bedeutung. Lehmann, W. P. (1992), Die gegenwärtige Richtung der indogermanistischen Forschung, Budapest. - Tichy, E. (2000), Indogermanistisches Grundwissen, Bremen. Silke Demme Indogermanistik, die: untersucht den Ursprung und die Entwicklung der indogermanischen (indoeuropäischen) Sprachen. Sie nutzt die historisch-vergleichende Methode zur Rekonstruktion des phonetischen, morphologischen und lexikalischen Materials. Erkenntnisziele sind die Rekonstruktion der indogermanischen Ursprache sowie die Erschließung der verschiedenen ältesten Stufen der einzelnen Sprachzweige des Indogermanischen. Als Begründer der I. gilt Bopp, der 1816 mit seiner Arbeit „Das Conjugationssystem der Sanskritsprache in Vergleichung mit jenem der griechischen, lateinischen, persischen und germanischen Sprache“ erstmals Verwandtschaften systematisch nachwies. Silke Demme Induktion, die/ induktiv: I. ist eine wissenschaftliche, theoriebildende Methode der Erkenntnisgewinnung, ausgehend vom Einzelfall hin zum Allgemeinen mit dem Ziel, das Gesetzmäßige durch Abstraktion und Generalisierung zu erschließen; darauf aufbauend, wird auch im fachwissenschaftlichen Diskurs zur Methodik-Didaktik des Lehrens und Lernens von Fremdsprachen häufig für induktive Lehrverfahren bzw. induktives Lernen argumentiert. Im unterrichtlichen Kontext wird etwa empfohlen, die Grammatik gänzlich implizit zu vermitteln ( pattern practice) oder jedenfalls Regeln nicht vorzugegeben, sondern die Lernenden anzuregen, aus einer Menge von Einzelfällen in Form von vorgegebenen Beispielen ohne zugrunde liegende Regularitäten <?page no="140"?> Infinitiv 129 oder Kategorien ohne lehrerseitige Grammatikerklärungen selbst zu erkennen ( Mustererkennung). Auch für den Umgang mit neu einzuführendem Wortschatz oder für die Bedeutungsermittlung kulturspezifischer Konnotationen im Umgang mit konventionalisierten Sprachhandlungen ( Register; Pragmatik) oder Texten ( Literaturdidaktik), werden induktive Verfahren vorgeschlagen. Im Gegensatz etwa zum dzgl „Methodenstreit“ in den 1960er und 1970er Jahren werden I. und deren Ggs., die Deduktion, in der aktuellen fachwissenschaftlichen Diskussion weniger als alternativ denn als komplementär angesehen. Es wird eine lernzielspezifisch auszuwählende Nutzung beider Verfahren empfohlen. Riedl, A. (2004), Grundlagen der Didaktik, Stuttgart, 104. - Tesch, F. (1993), „Computer und Grammatikunterricht“, in: Gnutzmann, C./ Königs, F. G. (Hrsg.), Perspektiven des Grammatikunterrichts, Tübingen, 111-115. Christin Winter Inferenz, die/ inferieren/ interferenzieren: Die Schlussfolgerung bzw. die Tätigkeit des Schlussfolgerns aus vorhandenen auf eine nicht explizit gegebene Information, wobei „inferenzieren“ die Intentionalität dieser Tätigkeit als explizites Verfahren betont. Für DaF/ DaZ sind insbesondere die folgenden spezielleren Verwendungsweisen relevant: 1. In der Sprachwissenschaft: a) Ergebnis, bzw. Vorgang einer Beeinflussung der Datenqualität durch das beteiligte Forschungspersonal v.a. in empirischen Untersuchungen (z.B. durch interkulturell unsensibles Interviewerverhalten; unangemessene Verfahren der Datenaufzeichnung u.a.m.); b)eine Folgerung auf der Basis von beim Sprecher/ Hörer vorhandenem sprachlichem Wissen, von Informationen in gesprochenen und geschriebenen Texten und von Wissen über die Welt. I. kann sich auf sprachimmanente Informationen stützen wie in Hans ist geschieden (I.: Hans war verheiratet). In Alltagskommunikation überwiegen pragmatische I. auf der Basis von Weltwissen wie z.B. in A: Wo ist eigentlich Fritz? B: Nun ja, vor Ernas Haus steht ein gelber V W, wo A aus der oberflächlich irrelevanten Antwort von B und seinem Wissen über Fritz (gelber VW, Beziehung zu Erna) sowie dem Wahrscheinlichkeitsschluss, dass da, wo ein Besitz von x steht, x nicht weit ist, die I. zieht, dass Fritz bei Erna ist (Levinson 1983: 97 ff.). 2. In der Fremdsprachenforschung: a) Ergebnis, bzw. Vorgang einer Beeinflussung der Datenqualität durch das beteiligte Forschungspersonal v.a. in empirischen Untersuchungen (z.B. durch interkulturell unsensibles Interviewerverhalten; unangemessene Verfahren der Datenaufzeichnung u.a.m.); b) eine Lernstrategie des Wortschatzerwerbs, bei der die Bedeutung eines unbekannten Wortes auf der Basis von Wortbildungsregelmäßigkeiten, der syntaktischen Umgebung seines Vorkommens, dem Kontext, der Textsorte und dem Weltwissen erschlossen wird (Haastrup 1991). 3. In der Leseforschung und -didaktik wird I. eine Schlüsselrolle beim Textverstehen zugewiesen, mit dessen Hilfe Leser Kohärenz in einem Text erzeugen (Ehlers 1998). Ehlers, S. (1998), Lesetheorie und fremdsprachliche Lesepraxis, Tübingen. - Haastrup, K. (1991), Lexical Inferencing Procedures or Talking about Words, Tübingen. - Levinson, S. (1983), Pragmatics, Cambridge. Karlfried Knapp inferenziell: s. Modalverben infinites Verb, das: auch: infinite Verbform oder Infinitum; zum i.V. zählen alle nicht konjugierten Verbformen. Das Gegenteil von i.V. ist Finitum ( finites Verb). Im Gegensatz zum finiten Verb kann das i.V. alleine kein Prädikat im Satz bilden. 1. Formen Zu den i.V. zählen im Deutschen die Infinitive (z.B. fragen, gefragt haben, gefragt werden usw.) und die Partizipien (z.B. fragend, gefragt). 2. Gebrauch Meist in Verbindung mit einem finiten Verb als Bestandteil einer zusammengesetzten Verbform, so im Perfekt, Futur, Passiv usw. (z.B. Marie ist aufgestanden., Das Auto wird gerade repariert.); Infinitive auch als Bestandteil eines zusammengesetzten Prädikats in Verbindung mit Modalverben oder anderen Vollverben (z.B. Ich möchte dich nicht stören., Der Dieb versuchte zu fliehen.); außerdem noch in satzwertigen und adverbialen Verwendungen (z.B. Zu Hause angekommen, ging Henri sofort ins Bett., Einander immer wieder ermunternd setzten sie den beschwerlichen Aufstieg fort.). Die Gruppe der Partizipien ist produktiv im Hinblick auf einen Übergang zu Adjektiven und Nomen: der zerbrochene Krug; Reisende soll man nicht aufhalten.; sie verlieren dabei ihren Status als i.V. und wechseln die Wortart. Marina Matthey Infinitiv, der: eine der Stammformen des deutschen Verbs; der I. ist im Deutschen hinsichtlich <?page no="141"?> 130 Infinitivkonstruktion Person, Numerus und Modus unmarkiert, kann aber hinsichtlich Tempus (z.B. geträumt haben) und Genus Verbi (vgl. sehen - gesehen werden) in entsprechenden Kontexten markiert werden. In seiner Grundform Verbstamm + -en (leb + -en) vertritt der I. Verben - trotz Formengleichheit mit dem I. Präsens - in ihrer Grundbedeutung. Es wird ferner zwischen dem sog. reinen I. (leben) und dem I. mit „zu“ (zu leben) unterschieden. Der reine I. ist dabei Teil des Formeninventars des Verbparadigmas (Futur I), fungiert zudem als Baustein in Verbgruppen (z.B. Du solltest mal ausspannen.; Wollen wir angeln gehen? ) und ist die formale Basis der Nominalisierung von Verben - Das Wandern ist des Müllers Lust. - während bei der Bildung von Subjekt- und Objektausdrücken vor allem der I. mit „zu“ beteiligt ist (Es allen recht zu machen, ist unmöglich.; Ich werde versuchen dich abzuholen. (Für eine umfassende Darstellung vgl. z.B. Eisenberg, Kap. 11). Eisenberg, P. ( 2 2004), Grundriß der deutschen Grammatik. Bd. 2: Der Satz, Stuttgart/ Weimar. Sabira Levin Infinitivkonstruktion, die: syntaktische Konstruktion, die als übergeordnetes Element einen Infinitiv enthält. I. sind satzwertig und haben die Funktion vergleichbarer Nebensätze, wie etwa die eines Objektsatzes (Vergiss nicht, den Brief aufzugeben.) oder Attributsatzes (Er hatte die Hoffnung, Lotte wiederzusehen.). I. können darüber hinaus Teil des Prädikats ( Prädikativ) sein (Lass das Baby schlafen.). In diesen Konstruktionen ist das Objekt des Satzes Subjekt der I. (es ist das Baby, das schläft). I. treten in dieser Funktion auch mit „zu“ auf (Er bat sie einzutreten.). Dabei veranlassen z.B. die Verben lassen, spüren, sehen, hören, fühlen, wissen, legen, schicken eine I. ohne „zu“, während bei den Verben helfen, bitten, erlauben, raten u.a.m. die I. mit „zu“ gebildet wird. Sabira Levin Infix, das: s. Affix Informant, der: Ein I. ist als Angehöriger einer Gruppe (z.B. als Sprecher einer Sprache/ Varietät oder als Mitglied einer sozialen Gruppe) eine Quelle für (z.B. linguistische oder soziologische) empirische Forschungen. In den meisten sprachwissenschaftlichen Untersuchungen sind I. Muttersprachler der betreffenden Sprache. Sie stellen die für die jeweilige Forschungsfrage relevanten objekt- oder metasprachlichen per Introspektion gewonnenen Informationen zur Verfügung, die entweder mithilfe von Notizen oder durch Audiobzw. Videoaufnahmen festgehalten werden. Karin Aguado Informationstechnologie, die: Der Begriff bezeichnete ursprünglich die gesamte Technik (Hard- und Software) im Bereich der Datenverarbeitung. Mit der zunehmenden Konvergenz spezifischer Technologien (v.a. in der Datenverarbeitung, Kommunikationstechnik und Unterhaltungselektronik) zu einem integrierten System mit universeller Wirkung (vgl. Castells 2004, 75-82) wurde I. zur zusammenfassenden Bezeichnung aller Einrichtungen zur elektronischen Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung von Daten (z.B. gesprochene und geschriebene Texte, Musik, Stand- und Bewegtbilder) einschließlich der dazu erforderlichen Endgeräte. Die für entsprechend entwickelte und orientierte Gesellschaften zutreffende fortgeschrittene Durchdringung aller öffentlichen, beruflichen und privaten Lebensbereiche durch I. zeigt sich auch im Bereich des Fremdsprachenlernens und -lehrens ( Computergestützter- Sprachunterricht). Es sind dabei neue Formen des individuellen und sozialen Online-Lernens ( Lernoberflächen, Web 2.0) entstanden, die allerdings zunehmend nicht alternativ und/ oder in Konkurrenz zu traditionellen Formen des Lernens in Kursen, sondern in Kombination mit diesen eingesetzt werden ( Blended Learning). Castells, M. (2004), Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Das Informationszeitalter, Opladen. Udo Ohm ingressiv: s. inchoativ inhaltbezogene Grammatik: auch: inhaltbezogene Sprachauffassung; eine Richtung der Grammatik und Sprachtheorie, die maßgeblich von Leo Weisgerber in den 1920er/ 1930er Jahren begründet wurde und eine funktionale Sicht auf Sprache/ Grammatik beinhaltet ( funktionale Grammatik). Die i.G. war nach 1945 in Deutschland zunächst die herrschende Richtung, bis sie in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren von der strukturellen Grammatik ( Strukturalismus) abgelöst wurde. Weisgerber orientierte sich an W. v. Humboldt und dessen Idee der Sprache als „Energeia“ (sprachlich-geistiger Tätigkeit) und Sprache als Weltsicht. Vertreter der i.G. sind u.a. P. Grebe, H. Brinkmann und J. Erben. Diese <?page no="142"?> innere Sprachform 131 ebneten mit dem Begriff des Satzbauplans und mit dem Aufgreifen des Valenzkonzepts den Weg zur Valenztheorie. Weisgerber selbst spitzte Humboldts Thesen subjektivistisch zu, indem er die These aufstellte, dass eine Sprache die Welt grundsätzlich anders darstellt, als sie ist. Vor 1945 hatte er sich bemüht, die i.G. in die Rassenideologie des Nationalsozialismus zu integrieren. Brinkmann, H. (1972), Die deutsche Sprache. Gestalt und Leistung, Düsseldorf ( 1 1962). - Grebe, P. (1959), Duden. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, Mannheim. - Erben, J. (1960), Abriss der deutschen Grammatik, Berlin ( 1 1958). - Weisgerber, L. (1929), Muttersprache und Geistesbildung, Göttingen. Klaus Welke inhärent: bedeutet allgemein das untrennbare Zusammengehören eines Sachverhalts mit seinen Eigenschaften bzw. weiteren Sachverhalten; bezogen z.B. auf die grammatischen Eigenschaften des Deutschen ist den deutschen Nomen, im Gegensatz zu etwa den englischen Nomen, die Kategorie Genus inhärent. Kerstin Rische inkorporierende Sprache: Für i.S. ist charakteristisch, dass Funktionen, die in Sätzen separat auftreten (z.B. Prädikat + Objekt) einem Trägerwort(stamm) inkorporiert (wörtl.: „einverleibt“) werden. Insbesondere polysynthetische Sprachen weisen Inkorporation auf, so z.B. viele nordamerikanische Indianersprachen. Ein Beispiel aus dem Cheyenne: nátahpe‘emaheona, ich habe ein großes Haus: das Nomen maheo „Haus“ ist in den Verbalstamm inkorporiert. Ansätze von Inkorporation finden sich aber auch in anderen Sprachen, so auch im Portugiesischen (cantâ-lohei: wörtl. „singen-es-ich werde“), im Englischen (babysitting) oder im Deutschen bei der Bildung von Komposita: ehebrechen, haushalten, Teilchenbeschleuniger. Haarmann, H. (2001), Kleines Lexikon der Sprachen. Von Albanisch bis Zulu, München - Haarmann, H. (1976), Grundzüge der Sprachtypologie. Methodik, Empirie und Systematik der Sprachen Europas, Stuttgart. Sabira Levin Inlandsgermanistik, die: nicht unumstrittene Bezeichnung für die Germanistik im deutschsprachigen Raum im Unterschied zur Auslandsgermanistik Konrad Ehlich Innat/ Innatismus: auch Nativismus; wissenschaftl. Auffassung, wonach auch einige soziale, kommunikative oder auch intellektuelle Kompetenzen von Lebewesen nicht erst im Prozess ontologischer Entwicklungen herausgebildet werden, sondern Teil genetischer Grundausstattung sind; in Bezug auf den Spracherwerb vertritt der I. die Annahme, dass Menschen bereits von Geburt an mit einem kognitiven System zum Erwerb der Grammatik von natürlichen Sprachen ausgestattet sind, da sie zu komplex sei, um sie allein aus dem Input zu erschließen. Gegenpositionen zum I. sind der Empirismus ( Behaviorismus) und der Konstruktivismus, die Umwelt- und Erwerbsfaktoren deutlich höhere Bedeutung als der angeborenen Ausstattung beimessen, sowie der Interaktionismus, der Spracherwerb auf die Interaktion zwischen Kind und Umwelt zurückführt. Piattelli-Palmarini, M./ Chomsky, N./ Piaget, J., Hrsg. (1983), Language and learning - the debate between Jean Piaget and Noam Chomsky, London. - Pinker, S. (1996), Der Sprachinstinkt, München. Klaus-Börge Boeckmann innere Sprache: Bindeglied zwischen Gedanke und Wort, das der Bewusstmachung und Kontrolle des Handelns dient. Ausführlich hat Vygotskij (1934/ 2002) die Entstehung der i.S. in der Kindheit und ihre Funktion für die kulturhistorische Genese der Person beschrieben: Ausgangspunkt ist danach der soziale Austausch beim gemeinschaftlichen Handeln von Kindern und Erwachsenen; auf dieser Basis bildet sich über die egozentrische Sprache durch Interiorisierung zwischenmenschlicher Aktivität die i.S. als maßgebliches intrapsychisches Instrument für kulturell geprägte Denk- und Handlungsanleitung heraus. Das Thema wird im Zusammenhang mit Mehrsprachigkeit kaum wahrgenommen, obwohl es, insbesondere für den Erwerb von DaZ in der Kindheit, aber auch insgesamt für die Aneignung anderer Sprachen, große Relevanz besitzt. Vygotskij, L. (1934/ 2002), Denken und Sprechen, Weinheim. Gudula List innere Sprachform: einer der Grundbegriffe Wilhelm von Humboldts, zu dem es in der sprachphilosophischen Literatur zahlreiche Versuche der Interpretation gibt. Der Begriff zielt auf die Quintessenz der in einer Sprache und deren Struktur zum Ausdruck kommenden „geistigen“ Kraft der <?page no="143"?> 132 Input Sprecher einer Sprache. Humboldts Sprachtheorie bereitet spätere Theorien über den Einfluss der Sprache auf das Denken vor, Sapir-Whorf-Hypothese, inhaltbezogene Grammatik. Die Philosophie des 20. Jhs. mit ihrer These, dass Sprache Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis ist, war maßgeblich von ihm beeinflusst. Humboldt, W. v. (1998), Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts, Paderborn u.a., ( 1 1836-39). Klaus Welke Input, der: umfasst das gesamte einem Lernenden mündlich und/ oder schriftlich zur Verfügung stehende Sprachmaterial. Damit I. für den Erwerb genutzt und zu Intake werden kann, muss er vom Lernenden wahrgenommen und verarbeitet werden. Wie I. quantitativ und qualitativ für einen erfolgreichen Erwerb idealerweise beschaffen sein muss, ist umstritten. Sowohl im Erstals auch im Zweit- und Fremdsprachenerwerb wird Lernenden angepasster I. angeboten, also einfacher, hochfrequenter Wortschatz, verlangsamtes Sprechtempo, besonders deutliche Artikulation sowie vereinfachte grammatische Strukturen und ein Verzicht auf Kontraktionen und Pronominalisierungen. In Bezug auf den Erstsprachenerwerb spricht man hier von ‚motherese‘, ‚caretaker speech‘ oder ‚child-directed speech‘, beim ungesteuerten Zweitsprachenerwerb von Foreigner Talk und bezüglich des gesteuerten Fremdsprachenerwerbs von Teacher Talk. Diese Art des I. scheint nützlich für die sprachliche Verarbeitung zu sein, ob sie auch den Spracherwerb fördert, ist empirisch bisher nicht zweifelsfrei belegt ( Input-Hypothese). Karin Aguado Input-Hypothese, die: Input stellt eine unverzichtbare Voraussetzung für jeglichen Spracherwerb dar - zu der Frage, wie er idealerweise beschaffen sein soll, gibt es jedoch unterschiedliche Positionen. Der - umstrittenen - I.-H. von Krashen (1981) zufolge reicht es für einen erfolgreichen Erwerb aus, dass der zur Verfügung gestellte Input verständlich ist. Dazu müssen die zu erwerbenden sprachlichen Ausdrücke bzw. Strukturen minimal über dem aktuellen Sprachstand der Lernenden liegen (= „i + 1“). D.h. der Input darf nicht zu einfach, aber auch nicht zu schwierig sein. Diese Annahme ist zwar plausibel, aber empirisch nicht überprüfbar und damit nicht falsifizierbar. Kritisiert wurde ferner die Behauptung Krashens, dass verständlicher Input für einen erfolgreichen Spracherwerb hinreichend sei und die explizite Vermittlung wie auch aktive mündliche Produktion durch die Lernenden überflüssig mache, da die Sprache durch das Angebot ausreichenden verständlichen Inputs automatisch erworben würde. Es ist allerdings nicht nachgewiesen, dass Verstehen tatsächlich den Erwerb fördert bzw. dass Erwerb einzig und allein aufgrund von Verstehen stattfindet. So kann beispielsweise gerade unverständlicher Input für Lernende von großem Wert sein, weil die von ihnen wahrgenommene Kluft zwischen der Zielsprache und ihren eigenen zielsprachlichen Fähigkeiten Lernaktivitäten auslösen und zu weiterem Spracherwerb führen kann (vgl. White 1987). Krashen, S. (1981), Second language acquisition and second language learning, Oxford. - White, L. (1987), „Against comprehensible input: the input hypothesis and the development of second language competence“, in: Applied Linguistics 8, 95-110. Karin Aguado Institut für Auslandsbeziehungen (ifa): 1917 als „Museum und Institut zur Kunde des Auslanddeutschtums und zur Förderung deutscher Interessen im Ausland“ gegründet, dann in „Deutsches Ausland-Institut“ umbenannt, zur Beratung von Auswandernden und Betreuung der Auslandsdeutschen. 1949 Neugründung als gemeinnützige Körperschaft, vom Auswärtigen Amt, dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart geförderter Verein, der internationalen Kunstaustausch organisiert, den interkulturellen Dialog sowie die Vermittlung außenkulturpolitscher Informationen fördert. Internetadresse: www.ifa.de - Zeitschrift: Kulturaustausch. Zeitschrift für internationale Perspektiven. Silke Hofer Institut für Deutsche Sprache (IDS): 1964 als Stiftung bürgerlichen Rechts gegründet. Das IDS gehört zur Leibniz-Gemeinschaft und wird vom Bund und dem Land Baden-Württemberg finanziert. Sein satzungsgemäßes Ziel ist es, die deutsche Sprache in ihrem gegenwärtigen Gebrauch und in ihrer neueren Geschichte zu erforschen und zu dokumentieren, die Zusammenarbeit mit anderen in- und ausländischen Einrichtungen <?page no="144"?> Integration 133 ähnlicher Zielsetzung zu pflegen und wissenschaftliche Dienstleistungen zu erbringen. Diesen Zwecken dienen die drei Abteilungen Grammatik, Lexik und Pragmatik und Sprachgebrauch. Neben zentralen Projekten - wie der „Grammatik des Deutschen im europäischen Vergleich“, dem lexikographischen Projekt „elexiko“ oder dem Projekt der Pragmatik „Verstehen in der verbalen Interaktion“ - gehört die Erstellung und Analyse großer elektronischer Korpora der geschriebenen und gesprochenen Sprache zu den Arbeiten, mit denen das IDS auch einen Beitrag zur wissenschaftlichen Infrastruktur des Faches leistet. Hinzu kommt ein Angebot im Internet: u.a. das Korpusrecherchesystem „CosmasII“, das „Archiv für gesprochenes Deutsch“,das grammatische Informationssystem „grammis“ und die in dem Portal OWID versammelten lexikographischen Daten. Das IDS veranstaltet eine Jahrestagung und publiziert mehrere Schriftenreihen, es gibt die Zeitschriften „Deutsche Sprache“ und „Sprachreport“ heraus. Internetadresse: www.ids-mannheim.de Ludwig Eichinger Instrumental, der: Begriff aus der Satzanalyse und dort der Perspektive zugeordnet, semantische Rollen samt ihrer morphosyntaktischen Formmerkmale in Relation zueinander zu identifizieren und zu beschreiben; I. steht dabei für die Mittelbzw. Mittlerfunktion, die einer Person, Sache, einem Sachverhalt etc. in einer bestimmten Handlung bzw. einem bestimmten Ereignis, Sachverhalt etc. in direkter Beteiligung zukommt: Nägel treibt man mit einem Hammer.; Ohne Beziehungen kriegt kaum einer eine Professur.; Schwefelsäure erhält man, indem in einem mehrschrittigen chemischen Verfahren Schwefel, Wasserstoff und Sauerstoff in die neue Verbindung H 2 SO 4 überführt werden. Hans Barkowski Instrumentalsatz, der: eine Unterart des Modalsatzes ( Nebensatzes), in dem das Mittel zum Erreichen eines im Hauptsatz benannten Sachverhalts ausgedrückt wird. Der I. wird durch die Konjunktionen indem oder dass eingeleitet. Bei der Konjunktion dass steht im Hauptsatz das obligatorische Korrelat dadurch (damit), z.B. Wege entstehen dadurch, dass man sie geht. (Franz Kafka); Indem ich dich korrigiere, will ich dir doch nur helfen. Marina Matthey Intake (engl.): Mit I. werden diejenigen Aspekte, Elemente oder Strukturen des Inputs bezeichnet, auf die Lernende ihre Aufmerksamkeit richten und die sie für ihren Spracherwerb nutzen. Damit es zu einem Lernfortschritt kommt, müssen Lernende den wahrgenommenen Input weiterverarbeiten und schließlich in ihre Interlanguage integrieren. Zu diesem Zweck wird er mit vorhandenem Wissen verglichen und im Idealfall verknüpft. Darüber hinaus werden Hypothesen über die zu lernende Sprache aufgestellt und anschließend überprüft - dies führt letztlich zur Formulierung von lernersprachlichen Regeln. I. stellt somit eine unverzichtbare Voraussetzung für den Spracherwerb dar. Karin Aguado Integration, die: Im Kontext von Migration bedeutet I. das Sich-Zusammenfügen von Migrant und Aufnahmegesellschaft zu einer neuen Einheit und beschreibt den Prozess der wechselseitigen bibzw. multilateralen Annäherung (Gegensatz: Assimilation, integrationspolitisch). I. als ein komplexer, langwieriger und nicht linear verlaufender Prozess hat folgende Voraussetzungen und Merkmale: 1. individuelle I. bezeichnet den psychosozialen Prozess des „Ankommens in der Fremde“ (Hoffman 1993) und kann verschiedene Ausformungen und Grade erreichen. Voraussetzungen für gelingende I. sind positiv erlebte Beziehungen zu Personen der Aufnahmegesellschaft sowie zu Personen der eigenen Gruppe sowie existenzielle Sicherheit und motivierende Zukunftsperspektiven (Grinberg/ Grinberg 1990). Der Erwerb der Landessprache(n), Kenntnis und Anerkennung sozialer Regeln sowie die subjektive Entscheidung, sich auf lange Sicht niederzulassen (Volf/ Bauböck 2001) sind sowohl Voraussetzung als auch Ergebnis positiv verlaufender I. 2. gesellschaftliche I. beschreibt soziale Prozesse, die durch gesetzliche und institutionelle Rahmenbedingungen (mit)bestimmt sind. Programme zur Förderung von I. haben im besten Fall zwei zentrale Ziele: Aufnahme und Zusammenhalt. Aufnahme kann durch entsprechende Angebote zur Einführung in die Sprache und Gesellschaft des Aufnahmelandes unterstützt werden. Darüber hinaus muss es für Zuwandernde die Möglichkeit der gleichberechtigten gesellschaftlichen Partizipation geben <?page no="145"?> 134 Integrationskursverordnung (Wohnungsmarkt, Aus- und Weiterbildung, Arbeitsmarkt, Medien und Bürgerrechte). Die Förderung des sozialen Zusammenhalts muss sich um die Versöhnung von gegensätzlichen Interessen, Lebensweisen, ideologischen und religiösen Überzeugungen bemühen (Volf/ Bauböck 2001). Dafür muss Integrationspolitik in allen Bereichen der Steuerung des Gemeinwesens (Sozial-, Wirtschafts-, Bildungs- und Kulturpolitik) die Gesellschaft als Ganzes im Blick haben (Europäische Kommission 2007). Aus DaZ-Perspektive gehört die Ausbildung sprachlicher Kompetenz im Interesse selbstbestimmter I. zu den vorrangigen Kriterien der Gestaltung eines adressatenbezogenen Curriculums. Grinberg, L./ Grinberg, R. (1990), Psychoanalyse der Migration und des Exils, München/ Wien. - Hoffman, E. (1993), Lost in Translation. Ankommen in der Fremde, München. - Europäische Kommission (2007), Handbuch zur Integration für Entscheidungsträger und Praktiker, 2. Ausgabe, Brüssel. - Volf, P./ Bauböck R. (2001), Wege zur Integration. Was man gegen Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit tun kann, Klagenfurt/ Cerlovec. Verena Plutzar Integrationskursverordnung, die: durch das deutsche Bundesministerium des Innern erlassene Rechtsverordnung, welche die Umsetzung der bundesweiten Integrationskurse gemäß § 43 Aufenthaltsgesetz näher regelt. Die Regelungen der I. betreffen die Grundstruktur der Kurse, die Dauer, die Lerninhalte, die Vorgaben bezüglich der Auswahl und Zulassung der Kursträger, die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für die ordnungsgemäße und erfolgreiche Teilnahme an den Kursen, Prüfungsangelegenheiten sowie die erforderliche Datenübermittlung zwischen den beteiligten Stellen. Die I. trat am 01.01.2005 in Kraft, eine geänderte Fassung am 08.12.2007. Internetadresse: http: / / bundesrecht.juris.de/ bundesrecht/ intv/ gesamt.pdf Jens Reimann Integrations(sprach)kurs, der: Deutsch als Zweitsprache-Sprachkurs im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zur sprachlichen Integration von Zuwanderern in der Bundesrepublik Deutschland ( Zuwanderungsgesetz). Zielgruppe des I. sind (Neu-)Zuwanderer sowie Teilnehmende der nachholenden Integration, die noch nicht das Sprachniveau B1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens erreicht haben. Die Zielgruppe zeichnet sich durch starke Heterogenität hinsichtlich Bildungsvoraussetzung, Sprachlernerfahrung, vorausgegangenem Zweitspracherwerb, Motivation und psychosozialer Befindlichkeit aus. Ziel des I. ist sprachliche Handlungsfähigkeit und gesellschaftliche Partizipationskompetenz in der aufnehmenden Gesellschaft (vgl. Bundesministerium, Verordnung: IntV § 3 Integrationskursverordnung). Grundlegend für die Konzeption des I. ist die Analyse der gesellschaftlichen Handlungsfelder, in denen Zuwanderer sich orientieren, Probleme bewältigen, ihre Kompetenzen und ihre Persönlichkeit einbringen, eigene Rechte wahrnehmen, an Bildung und Weiterbildung teilhaben etc. Für eine gelungene Kommunikation sind neben sprachlichen Kompetenzen in hohem Maße interkulturelle, strategische und landeskundliche Kompetenzen erforderlich. Die Konzeption des I. basiert auf einer integrierten Vermittlung dieser Kompetenzen. Bundesministerium des Innern (2004), Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler, Berlin. - Goethe-Institut (2008), Rahmencurriculum für Integrationskurse Deutsch als Zweitsprache, München. - Rambøll Management (2007), Evaluation der Integrationskurse nach dem Zuwanderungsgesetz, Berlin. Karin Ende Integrationsvereinbarung, die: ist Teil des österreichischen Ausländerrechts und dient laut Gesetzgeber „der Integration rechtmäßig auf Dauer oder längerfristig niedergelassener Drittstaatsangehöriger“ (§ 14 Abs. 1 NAG). Ausgenommen sind EWR-Bürger und Bürger der Schweiz sowie deren Angehörige, Studierende, Schlüsselarbeitskräfte, Kinder unter 9 Jahren, Alte und Kranke sowie Asylbewerber, Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte. I. kann außer durch die Prüfung (s.u.) durch bestimmte Schulabschlüsse erfüllt werden. Migranten, die einen Aufenthaltstitel anstreben, sind im Rahmen der I. verpflichtet, einen Deutschkurs im Ausmaß von 300 Stunden (sowie bei Bedarf einen Alphabetisierungskurs von 75 Stunden) zu besuchen und im Anschluss daran eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GeR) erfolgreich zu absolvieren. Dafür wurde eine „Integrations-Deutschprüfung“ entwickelt, die auch für die Einbürgerung relevant ist. Die Kosten für den Kurs müssen zunächst von den Zugewander- <?page no="146"?> Interaktionshypothese 135 ten getragen werden; nur bei Bestehen der Prüfung innerhalb der ersten zwei Jahre des Aufenthalts werden 50% der Kosten (bis max. 750 Euro) vom Staat zurückerstattet. Danach sinkt die Kostenbeteiligung, bis nach vier Jahren die vollen Kosten von den Zugewanderten selbst getragen werden müssen. Wer nach fünf Jahren die Prüfung nicht absolviert hat, dem droht die Ausweisung. Die I. wird u.a. von Sprachdidaktikern, Sprachwissenschaftlern, Migrantenvertretern und Juristen scharf kritisiert. Internetadressen: www.sprachenrechte.at; www.integrationsfonds.org Verena Plutzar Intension, die/ intensional: im Gegensatz zu Extension/ extensional den Inhalt eines Begriffes, also die Bedeutung im engeren Sinne betreffend. Extensional gesehen ist z.B. HAUS die Menge aller Dinge, auf die die Bezeichnung Haus zutrifft. In i. Hinsicht ist HAUS die Bedeutung von Haus mit den semantischen Merkmalen, in die sich diese Bedeutung zergliedern lässt. Klaus Welke Intensivkurs, der: Unter I. versteht man Kurse begrenzter Dauer (meist vier bis acht Wochen, z.T. als Blockveranstaltung), die i.d.R. täglich und mehrstündig angeboten werden, z.T. mit Selbstlernphasen. Je nach Institution kann es verschiedene Typen von I. geben, z.B. an Universitäten Kurse zur DSH-/ TestDaF-Vorbereitung und Sommerkurse, beim Goethe-Institut Superintensivkurse (8-stdg.) oder an den Volkshochschulen verkürzte Integrationskurse für Lernende mit Vorkenntnissen. I. sind besonders geeignet für lerngewohnte Lernende, da hohe Konzentrationsfähigkeit nötig ist, und werden auch in der Form des digitalen Sprachlernprogramms angeboten. Gegensatz: extensive Kurse (Abendkurse etc.). Eva-Maria Willkop Interaktion, die: 1. Aus psychologischer und pädagogischer Sicht bezieht sich I. auf einen Prozess sozialer Beziehungsbildung, bei dem zwei oder mehr Menschen in ihrem Handeln wechselseitig aufeinander einwirken. Untersuchungsgegenstand sind dabei u.a. intraindividuelle (u.a. affektive und kognitive Aspekte des handelnden Subjekts), interindividuelle, intragruppale ( peer group) und intergruppale I. sowie die den jeweiligen Beziehungen zugrunde liegenden Interaktionsmuster. I. werden gemeinhin für die Entwicklung sozialer Kompetenzen vorausgesetzt. 2. Im FSU wird I. in ein Verhältnis zum Begriff der Kommunikation gesetzt, wobei I. als Oberbegriff fungiert. I. i.S.v. Sozialformen schaffen dabei die Bedingungen für Kommunikation und sind somit für das Erreichen des übergreifenden Lernziels kommunikative Kompetenz unerlässlich (vgl. Krumm 2000, 132). Demnach stellt sich für die Fremdsprachenmethodik und -didaktik die Frage, welche Art der I. den Lernprozess positiv beeinflusst, wobei zwischen zielsprachlichen (z.B. Begrüßungsrituale, Pragmatik, Sprechakt) und unterrichtlichen I.formen (u.a. symmetrische/ asymmetrische Rollenverteilung, Feedback, u.v.a.m.) unterschieden wird. Für den FSU sind neben den offenen sozialen auch jene I. bedeutend, die zw. Lerner und Text stattfinden (verdeckte I.). Skeptisch beurteilt wird hingegen die Auffassung von I., die aus der Beschäftigung des Lerners mit den im Unterricht verwendeten Medien - den sog. „interaktiven Medien“ - hervorgeht (vgl. Königs 2000, 128). Königs, F.G. (2000), „Reaktionen auf ‚Interaktion‘. Gedanken zur Erforschung eines (inzwischen) zentralen fremdsprachenunterrichtlichen Begriffs“, in: Bausch, K.-R. u.a. (Hrsg.), Interaktion im Kontext des Lehren und Lernens fremder Sprachen: Arbeitspapiere der 20. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts, Tübingen, 126-131. - Krumm, H.-J. (2000), „Pädagogische Interaktion im Fremdsprachenunterricht - Fremdsprachenunterricht als Interaktion“, in: Bausch, K.-R. u.a. (Hrsg.), Interaktion im Kontext des Lehren und Lernens fremder Sprachen: Arbeitspapiere der 20. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts, Tübingen, 132-138. Tina Stein Interaktionshypothese, die: Der I. zufolge handelt es sich beim Fremdsprachenerwerb um einen in und durch Interaktionen stattfindenden kognitiven Prozess. Die aktive Teilnahme an interaktiven Ereignissen und die daraus resultierende Konstruktion sprachlichen Wissens, so die Annahme, löst kognitive Prozesse aus und fördert die fremdsprachliche Entwicklung. Interaktionen werden als wichtig für den Fremdsprachenerwerb betrachtet, weil sie sowohl positive Evidenz in Form von verständlichem und angepasstem Input ermöglichen als auch negative Evidenz in Form von korrektivem Feedback <?page no="147"?> 136 Interdependenzhypothese bereitstellen, durch das die Aufmerksamkeit der Lernenden auf Form-Bedeutungs-Beziehungen gelenkt wird. Long (1983) nimmt an, dass wechselseitige, kooperative Kommunikation und damit einhergehende konversationelle Modifizierungen wie Verständnissicherungsfragen, Klärungsfragen, Wiederholungen, Paraphrasen oder Bestätigungen das Verstehen fördern und damit den Spracherwerb begünstigen. Die empirischen Befunde hinsichtlich der Hypothese „Erwerb durch Interaktion“ sind jedoch alles andere als eindeutig. Gass, S. (1997), Input, interaction and the second language learner. Mahwah. - Long, M. (1983), „Native speaker/ non-native speaker conversation and the negotiation of comprehensible input“, in: Applied Linguistics 4 (2), 126-141. Karin Aguado Interdependenzhypothese, die: Gemäß der von Cummins (1979) in Bezug auf einen sukzessiv erfolgenden Zweitsprachenerwerb aufgestellten I. besteht eine enge Abhängigkeitsbeziehung zwischen der Erst- und der Zweitsprache. Wie erfolgreich der Zweitsprachenerwerb verläuft, ist demnach abhängig vom erreichten Niveau in der Erstsprache. Gut entwickelte Erstsprachenkenntnisse wirken sich positiv auf den Zweitsprachenerwerb - und damit letztlich auch auf die schulischen Leistungen der Kinder - aus, schlecht ausgebildete erstsprachliche Fähigkeiten haben entsprechend ungünstige Auswirkungen. Daraus folgt, dass der Förderung der Erstsprache im Hinblick auf den Erwerb einer Zweitsprache eine wichtige Rolle zukommt. Gleichzeitig ist zu beachten, dass die Fähigkeit zu alltäglicher Kommunikation ( BICS) für den Schulerfolg nicht ausreichend ist, da hierfür die Fähigkeit zu einem formelleren, sach- und fachbezogenen Sprachgebrauch ( CALP) erforderlich ist. Cummins, J. (1979) „Cognitive/ academic language proficiency, linguistic interdependence, the optimal age question and some other matters“, in: Working Papers on Bilingualism 19, 197-205. Karin Aguado Interface-Position, die: Die Annahme, dass explizites Wissen über Sprache zu Spracherwerb und implizitem, automatisiertem Sprachgebrauch führt, bezeichnet man als I.-P. (Tönshoff 1992, 40 ff.). Diese ‚starke I.-P.‘ war lange Zeit unhinterfragte Basis des Fremdsprachenunterrichts. Krashen hingegen unterscheidet Lernen und Erwerben und nimmt an, dass erlerntes Wissen nicht in Erwerb überführt werden kann (noninterface-position). Die I.-P. wird v.a. von kognitionspsychologischen Ansätzen vertreten, die im Lernen einer Sprache keine wesentlichen Unterschiede zu anderen Lernaufgaben (wie Auto fahren) sehen. Allerdings sprechen Befunde der Zweitspracherwerbsforschung zu relativ konsistenten Erwerbssequenzen gegen diese Annahme, da diese kaum durch Unterricht beeinflussbar erscheinen. Für die Teachability Hypothese ergibt sich daraus, dass der Spracherwerb in Bezug auf bestimmte sprachliche Bereiche nur zu bestimmten Zeitpunkten durch Lehre unterstützt werden kann; dies wird auch als ‚schwache I.-P.‘ bezeichnet. In einer anderen (schwachen) I.-P. wird die Wahrnehmung bestimmter Phänomene der zu erlernenden Sprache ( Noticing) als Voraussetzung für den Erfolg expliziter Lehre gesehen (vgl. Schlak 1999). Tönshoff, W. (1992), Kognitivierende Verfahren im Fremdsprachenunterricht, Hamburg. - Schlak, T. (1999), „Explizite Grammatikvermittlung im Fremdsprachenunterricht? Das Interface-Problem Revisited“, in: Fremdsprachen und Hochschule Nr. 56, 5-33. Bernt Ahrenholz Interferenz, die: auch: negativer Transfer; der negative Einfluss der Muttersprache oder anderer, bereits vor dem Erlernen einer jeweiligen Fremdsprache erworbener Sprachen auf den Erwerb dieser Fremdsprache. Man unterscheidet inter- und intralinguale I.; interlinguale (zwischensprachliche) I. kann in zwei Richtungen verlaufen: von der Muttersprache zur Zielsprache = proaktiv und umgekehrt = retroaktiv (im Fremdsprachenunterricht eher selten, Sprachkontakt). Intralinguale I. beschreibt Übertragungen innerhalb der Zielsprache wie z.B. Übergeneralisierungen oder Analogiebildungen. Der Begriff I. ist eng verbunden mit der Kontrastivhypothese, die I. als eine wesentliche Fehlerursache beschreibt. Vertreter wie Lado gehen davon aus, dass Lernende Elemente zuvor gelernter Sprachen auf die Zielsprache übertragen. Sind diese Strukturen nicht identisch, so führt dies zu Interferenzfehlern. Hört man z. B. von Sprechern des Russischen oder Tschechischen einen Fehler wie *Die Fluss fließt durch die Stadt., so ist dieser (vermutlich) auf I. zurückführen, weil Fluss (dt. maskulin) in beiden Sprachen ein Femininum ist. Aber auch intralinguale I. <?page no="148"?> Interkulturalität/ interkulturell 137 (Analogie) ist nicht auszuschließen (vgl. die Elbe, die Donau - *die Fluss). Der Interferenzbegriff wird heute kritisch gesehen, da er die Unterschiede von I. als Prozess und dem Produkt dieses Prozesses nicht erfasst. „Zwischensprachliche Interaktion“ gilt als umfassendere Bezeichnung. Hufeisen, B./ Neuner, G. (1999), Angewandte Linguistik für den fremdsprachlichen Deutschunterricht, München. - Lado, R. (1967), Moderner Sprachunterricht, München. Silke Demme Interferenzfehler, der: gemeint sind Fehler beim Fremd- und Zweitsprachenerwerb, die durch Übertragung mutter- oder fremdsprachlicher Strukturen auf eine neu zu erlernende Sprache entstehen. Während Interferenz den Prozess dieser Übertragung bezeichnet, steht der Begriff I. für das Ergebnis dieses Prozesses. I. können auf allen Ebenen des Sprachsystems und der Sprachverwendung beobachtet werden; phonetische, grammatische und lexikalisch-semantische I. wurden besonders intensiv erforscht. Um Fehler im DaF/ DaZ-Unterricht als I. identifizieren zu können, bedarf es eines Sprachvergleichs zwischen der Muttersprache eines Lernenden und der zu erlernenden Zielsprache Deutsch ( Fehlerdiagnose), z.B.: *Mein Vater ist ein Lehrer./ My father is a teacher. Auch vor dem Deutschen gelernte Fremdsprachen sind zu berücksichtigen; z.B. könnte bei chinesischen oder polnischen Deutschlernenden I. nicht nur auf die Muttersprache, sondern auch auf Englisch als erste Fremdsprache zurückzuführen sein ( Tertiärsprache). Da Fehler beim Fremdsprachenlernen multikausale Phänomene sind, sollte bei der Ermittlung von Fehlerursachen nicht vorschnell auf I. geschlossen werden. Mitunter können inter- und intralinguale Prozesse sowie außersprachliche Ursachen gleichzeitig wirken. Juhasz, J. (1970), Probleme der Interferenz, Budapest. - Kleppin, K. (1998), Fehler und Fehlerkorrektur (Fernstudieneinheit 19), Berlin u.a. - Nickel, G., Hrsg. (1972), Fehlerkunde, Berlin. Silke Demme Interimsprache, die: bezeichnet den beim Erlernen einer Fremdsprache durch Unterricht jeweils erreichten Entwicklungsstand zwischen Unkenntnis und Beherrschung der zu erlernenden Sprache. Die I. bildet ein eigenständiges sprachliches System, das sich dynamisch auf die Norm der Zielsprache hin entwickelt. Nach Bausch/ Raabe (1978) unterscheidet sich das Konzept I. von dem der Lernersprache darin, dass die I. entscheidend durch den Lernkontext des Fremdsprachenunterrichts determiniert und deshalb nur auf diesen Kontext anwendbar ist. Bausch, K.-R./ Raabe, H. (1978), „Zur Frage der Relevanz von kontrastiver Analyse, Fehleranalyse und Interimsprachenanalyse“, in: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache. Bd. 4. Heidelberg, 56-78. Karlfried Knapp Interjektion, die: I. sind unflektierbare Wörter, die insbesondere zum Ausdruck von Empfindungen (u.a. ach, aha, au(a), hoppla, huch, nanu, oje, u.a.m.), Aufforderungen (na, he) oder zur Kontaktaufnahme (Hallo! ) dienen, wobei die Bedeutung einer I. je nach Kontext, Intonation und körpersprachlicher Begleitung variieren kann (vgl. z.B. Oh! ). I. sind syntaktisch ungebunden, werden als satzwertige (holophrastische) Äußerungen gebraucht und treten besonders in der gesprochenen Sprache auf. Für DaF und mehr noch für DaZ stellen I. insofern eine besondere Herausforderung dar, als ihr semantisch und pragmatisch angemessener Gebrauch die Kenntnis komplexer Verwendungsregeln voraussetzt. Sabira Levin Interkulturalität, die/ interkulturell: 1. Begriffsklärung Kulturelle Differenz, transkultureller Kontakt, Fremdverstehen gelten Anthropologen als Grundbedingung zivilisatorischer Entwicklung. Auf die Kategorie der I. als Inbegriff der Kommunikation zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturtraditionen richtet sich das Interesse zahlreicher Disziplinen, die ihren gemeinsamen Gegenstand je fachspezifisch explizieren, fachterminologisch definieren, fachhistorisch konturieren: in der Germanistik z.B. als linguistisches, literarästhetisches, literaturhistorisches, komparatistisches, didaktisches Problem ( Kultur; Kulturwissenschaft, interkulturelle Germanistik, interkulturelle Erziehung). Die Phänomenologie der Lebenswelt von Individuen als sozialen Subjekten in kulturell definierten sozialen Systemen führt zur akademischen Institutionalisierung von Cultural Studies, die wiederum seit den 1960er Jahren für die liberale Programmatik der Philologien in den zunehmend als multikulturell dargestellten Vereinigten Staaten von Amerika konzeptualisierende Funktion <?page no="149"?> 138 interkulturelle Erziehung gewinnen und in den 1970er Jahren zur Etablierung des Lehr- und Forschungsgebiets der Intercultural Studies beitragen. Durch die Rezeption solcher theoretischen Konzepte wird der Begriff seit den 1990er Jahren zunehmend in die neuen curricularen Aufgabenkataloge des Deutschen als Fremdsprache aufgenommen. 2. I. im DaF/ DaZ-Kontext In der Begegnung zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen wird das Medium ihrer Verständigung problematisch, insofern die Regeln seines Gebrauchs wechselseitig in Frage stehen. Gegenseitiges Verstehen kann dadurch beeinträchtigt, aber auch bereichert werden. Daher nimmt I. in ihren alltäglichen, ästhetischen, historischen, medialen und institutionellen Aspekten im DaF/ DaZ-Kontext einen zentralen Stellenwert ein. Die Aufmerksamkeit gilt dabei vor allem der Rolle der Sprache in interkulturellen Kontakten und Kontexten, der Verständigung mit oder zwischen Ausländern ( interkulturelle Kommunikation), der Fremdheitswahrnehmung und ihrer xenologischen Untersuchung ( Xenologie), dem Potenzial an Missverständnissen und den Ursachen von Konflikten in interethnischer Kommunikation, den Problemen i. Lernens und deren sprach(en)politischen Konsequenzen, den Perspektiven i. Übersetzens, dem Verhältnis von Minderheitskulturen und Mehrheitskulturen, der Entwicklung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zur Vorbereitung auf Tätigkeiten im Ausland bzw. zur Vermittlung i. Wissens im Inland, der kulturspezifischen Prägung der Fach- und Wissenschaftskommunikation bzw. der i. Kommunikation am Arbeitsplatz, den Funktionen und Wirkungen der schönen Künste in der Vermittlung zwischen den Kulturen sowie den Auswirkungen moderner Technologien auf die internationale Kommunikation. Hansen, K. P. (1995), Kultur und Kulturwissenschaft, Tübingen/ Basel. - Hepp, A. (2006), Transkulturelle Kommunikation, Konstanz. - Heringer, H. J. (2004), Interkulturelle Kommunikation, Tübingen/ Basel. - Hofmann, M. (2006), Interkulturelle Literaturwissenschaft, München. - Wierlacher, A./ Bogner, A., Hrsg. (2003), Handbuch interkulturelle Germanistik, Stuttgart. Ernest W. B. Hess-Lüttich interkulturelle Erziehung: 1. Begriffsklärung Konzept am Ende des 20. Jhs.; auch Interkulturelle Pädagogik, multicultural education, éducation interculturelle. Im deutschen Sprachgebrauch hat sich multikulturell für die Beschreibung der Zusammengesetztheit von Gesellschaften und interkulturell ( Interkulturalität)auf der Ebene der Begegnung von Menschen sowie der Erziehungsziele durchgesetzt (Auernheimer 1990, 2). 2. Entwicklung Auernheimer (2003, 9) sieht mindestens drei Anlässe für interkulturelle Bildung und Erziehung: innergesellschaftliche, v.a. migrationsbedingte Multikulturalität, die Vereinigung Europas mit verschiedenen Sprachen und Traditionen, die Weltgesellschaft mit kultureller Vielfalt, kulturellen Grenzziehungen und Kooperationserfordernissen. Die ausländerpädagogischen Konzepte der 1960er und 1970er Jahre (Assimilierung; herkunft- und rückkehrorientiert) erwiesen sich als ungeeignet. Das seit 1980 entwickelte interkulturelle Konzept berücksichtigt, dass sich der Aufenthalt der Arbeitsmigranten verfestigt hat und dass weiterer Zustrom nicht nur aus der Arbeitsmigration zu erwarten ist. Daher soll die Welt von morgen - trotz unvermeidbarer Konflikte - gemeinsam und über kulturelle Grenzen hinweg gestaltet werden, wozu die Auseinandersetzung mit den jeweiligen kulturellen Symbolsystemen gehört. In der Folge wurden sowohl grenzüberschreitende didaktische Konzepte als auch fachdidaktische Konzepte interkulturell und mehrsprachig ausgebaut (vgl. dazu genauer Oomen-Welke 2008). 3. Gegenwärtiger Stand Merkmale sind nach Auernheimer (2003, 21) das Eintreten für die Gleichheit aller, Respekt für die Andersheit, interkulturelles Verstehen, interkultureller Dialog, d.h. Einlassen auf fremde Sinnwelten. Inzwischen ist das interkulturelle Prinzip akzeptiert, wenn auch nicht durchgängig und nicht immer angemessen umgesetzt. In Lehrwerken treten Kinder mit nichtdeutschen Namen auf und handeln, in der Literaturdidaktik werden u.a. Werke behandelt, die Migrationserfahrungen, heterogenes Zusammenleben, Fremdheit und Grenzüberschreitungen thematisieren. In der Sprachdidaktik Deutsch ist das Language-Awareness-Konzept produktiv, das die Sprachenvielfalt in der Umgebung und der Welt reflektiert und auch den Sprachen der zweisprachigen Kinder im Unterricht Platz einräumt ( Sprachaufmerksamkeit; Ahrenholz/ Oomen-Welke 2008, Kap. E, F.). 4. Konkurrierende Ansätze Die antirassistische Erziehung fordert Maßnahmen gegen jede Diskriminierung (Figueroa 1993, <?page no="150"?> interkulturelle Kommunikation 139 Hormel/ Scherr 2004, Holzbrecher 2004). Vgl. die Initiative „Schule ohne Rassismus“ (www. schule-ohne-rassismus.org). Die transkulturelle Erziehung vermeidet Zuschreibungen. Bei Begegnungen zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen verwischen sich die Grenzen, Zugehörigkeiten und Attribute werden wählbar. Solche Selbstkonstruktionen müssten auch für die Schule möglich sein (diversity-Konzept nach Hormel/ Scherr 2004, 205 ff.). Auernheimer, G. (1990), Einführung in die Interkulturelle Erziehung, Darmstadt. - Auernheimer, G. (2003), Einführung in die Interkulturelle Pädagogik, 3. Aufl., Darmstadt. - Oomen-Welke, I. (2008), „Deutschunterricht in der multikulturellen Gesellschaft“, in: Kämper-van den Boogaart, M. (Hrsg.), Deutschdidaktik, 5. Aufl., Berlin, 60-74. - Ahrenholz, B./ Oomen-Welke, I., Hrsg. (2008), Deutsch als Zweitsprache. Handbuch Deutschunterricht in Theorie und Praxis, Baltmannsweiler. - Figueroa, Peter (1993), „Vielfalt, Ungleichheit, Rassismus und die Folgen für die Erziehung“, in: Boteram, N. Hrsg., Interkulturelles Verstehen und Handeln, Pfaffenweiler, 115-135. - Hormel, U./ Scherr, A. (2004), Bildung für die Einwanderungsgesellschaft, Wiesbaden. - Holzbrecher, A. (2004), Interkulturelle Pädagogik, Berlin. Ingelore Oomen-Welke interkulturelle Germanistik: Als Lehr- und Forschungsgebiet ist i.G. eine Variante der Auslandsgermanistik bzw. von DaF im In- und Ausland mit einem stark xenologischen Profil: Schwerpunkte sind theoretische und empirische Zugriffe auf Fremdheit, multikulturelle Identitäten und Mehrsprachigkeit, interkulturelle Kommunikationsprozesse, Rezeptionen der deutschen als fremder Literatur und Deutschland als fremder Kultur und die Vermittlung interkultureller Kompetenzen im DaF-Unterricht. Je nach Schwerpunkt vor Ort beinhaltet das Lehrangebot der i.G. insbesondere: a) (diskursbzw. text-)linguistische Methoden zur Analyse interkultureller Kommunikationssituationen mit Deutschsprachigen (unter Berücksichtigung von Deutsch als plurizentrischer Sprache) und wissenschaftlicher Stile, b) kulturell beeinflusste Interpretationen literarischer Texte und c) kulturwissenschaftlichethnographische Erschließungen landeskundlicher Inhalte (einschließlich ihrer Darstellung in den Medien und durch kulturelle Mittlerorganisationen). Über kontrastive Vergleiche gehen die Methoden der i.G. hinaus, indem sie ihre Forschungsgegenstände prinzipiell aus verschiedenen kulturellen Perspektiven bestimmten und dabei die Wirkungen aufgefasster Kulturalität einbeziehen. Kotthoff, H., Hrsg. (2002), Kultur(en) im Gespräch, Tübingen. - Müller-Jacquier, B./ Neuland, E., Hrsg. (2008), „Interkulturelle Kommunikation - Interkulturalität“ (Themenheft), Der Deutschunterricht, Heft 5. - Wierlacher, A./ Bogner, A., Hrsg. (2003), Handbuch interkulturelle Germanistik, Stuttgart. Bernd Müller-Jacquier interkulturelle Kommunikation: Im menschlichen Kommunikationsverhalten drückt sich die durch ihre sprachliche und soziokulturelle Sozialisation geprägte Wahrnehmung und Wertung der Umwelt aus ( Kultur). Von i.K. spricht man, wenn Menschen unterschiedlicher kultureller Prägungen miteinander kommunizieren und sich dabei der Tatsache bewusst sind, dass sich die eigene und die Wahrnehmung des anderen unterscheiden, so dass es, um Missverständnisse zu vermeiden, einer interkulturellen Kompetenz bedarf, um sich trotz sprachlich-kulturell unterschiedlicher Sichtweisen zu verständigen. I.K. ist dadurch charakterisiert, dass das gemeinsame sprachlich-kulturelle Handlungsrepertoire begrenzt ist, weil jeder Sprecher seine ethnozentrische Sichtweise zum Ausgangspunkt nimmt. Gelingen kann i.K. nur, wenn die Bereitschaft besteht, sich auf die Sichtweise des jeweils anderen zumindest so weit einzulassen, dass Fremdverstehen möglich ist. Das wissenschaftliche Interesse an i.K. entstand im Gefolge der Abkehr von einer rein systemlinguistischen Auffassung von Sprache zugunsten einer Untersuchung der konkreten Bedingungen gelingender Sprachverwendung in konkreten Situationen ( Pragmalinguistik) und der in Zeiten der Globalisierung zunehmenden Migrationsbewegungen und Mobilität der Menschen etwa zu Beginn der 1960er Jahre. Im Vordergrund standen zunächst wirtschaftliche und politische Interessen am Gelingen von Kommunikation über sprachlich-kulturelle Grenzen hinweg (vgl. Müller 1991). Mit der Arbeitsmigration und der Anwesenheit von Migrantenkindern in deutschsprachigen Schulen entwickelte sich in den 1970er Jahren eine pädagogisch-emanzipatorische Sicht auf i.K.: Soll eine bloße Assimilation der „Fremden“ vermieden und ihre Teilhabe an der Aufnahmegesellschaft ohne Unterdrückung von mitgebrachten sprachlichkulturellen Prägungen erreicht werden, so bedarf es der i.K., um gegenseitiges Verstehen und Miteinanderleben zu ermöglichen ( interkulturelle Erziehung). <?page no="151"?> 140 interkulturelle Kompetenz Die angewandt linguistische Forschung konzentriert sich bei der Untersuchung von i.K. zum einen auf die Untersuchung des Umgangs mit sprachlich-kultureller Differenz in konkreten Kommunikationssituationen. Mit diskursanalytischen Verfahren werden die Prozesse der Bedeutungsaushandlung und des Fremdverstehens untersucht (vgl. Rehbein 1985). Zum andern steht der Umgang mit Missverständnissen bzw. die Präzisierung einer interkulturellen Kommunikationsfähigkeit als Lernziel für den Sprachunterricht im Zentrum (vgl. Knapp-Potthoff/ Liedtke 1997). Für DaF schlagen sich die so gewonnenen Erkenntnisse zum einen im Umgang mit deutschsprachigen Texten nieder, bei denen die interkulturelle Germanistik fremdkulturelle Leseperspektive und die besonderen Rezeptionsbedingungen zum Thema macht, zum andern in einer interkulturellen Landeskunde, die den Kulturvergleich nutzt, um ethnozentrische Sichtweisen zu überwinden. Für DaZ gehört interkulturelles Lernen angesichts der multikulturellen Zusammensetzung von Schulklassen zu den grundlegenden Unterrichtsprinzipien. Knapp-Potthoff, A./ Liedtke, M., Hrsg. (1997), Aspekte interkultureller Kommunikationsfähigkeit, München. - Müller, B.-D, Hrsg. (1991), Interkulturelle Wirtschaftskommunikation, München. - Rehbein, J., Hrsg. (1985), Interkulturelle Kommunikation, Tübingen. Hans-Jürgen Krumm interkulturelle Kompetenz: Das Wahrnehmen, Denken, Fühlen, das Kommunikationsverhalten, die Werte und Tabus der Menschen werden wesentlich durch ihre je unterschiedliche Sprache und Kultur geprägt. Infolge von wirtschaftlicher Verflechtung, modernen Kommunikationsmitteln, Tourismus, Migration und damit einhergehenden Hybridisierungserscheinungen ( Hybridbildung), aber auch wegen der intrakulturellen Differenz nehmen Kontaktsituationen zwischen Menschen unterschiedlicher Kultur und damit auch Missverständnisse und Konflikte zu. In multikulturellen Gesellschaften sind solche Kontaktsituationen so alltäglich, vielfältig und unvorhersehbar, dass man sich häufig nicht im Vorhinein darauf einstellen bzw. vorbereiten kann. I.K. als die Fähigkeit, mit Angehörigen einer anderen Kultur möglichst sensibel, respektvoll und konfliktfrei zu interagieren, setzt also eine kognitiv und emotional offene Persönlichkeit voraus, die bereit ist, die eigenen Maßstäbe und Vorurteile zu reflektieren, das eigene Selbst- und Fremdbild zu durchdenken, mit Ambiguitätstoleranz und Empathie auf die Erfahrung kultureller Andersartigkeit zu reagieren und andere Kulturen als ebenbürtig anzuerkennen (sofern sie nicht gegen Grundwerte, wie z.B. die Menschenrechte, verstoßen). I.K. stellt ein wichtiges Lernziel in kompetenzorientierten Konzepten des Fremdsprachenunterrichts dar ( GeR, Kompetenz), bislang können diese die Frage, wie i.K. gelehrt, gelernt und überprüft werden kann, allerdings nicht hinreichend klar beantworten. Byram, M./ Morgan, C. u.a. (1994), Teaching-and-Learning Language-and-Culture, Clevedon. - Knapp-Potthoff, A./ Liedke, M., Hrsg. (1997), Aspekte interkultureller Kommunikationsfähigkeit, München. Thomas Grimm interkulturelle Landeskunde: eine Landeskunde, die das wechselseitige kulturelle Lernen in den Vordergrund rückt und die Relativität der eigenen kulturellen Prägung betont. Das Bewusstmachen kultureller Kodes soll dabei über kulturkontrastive Einzelvergleiche hinausgehen und idealtypisch alle in einer heterogenen Lernergruppe vertretenen kulturellen Hintergründe beleuchten ( Kulturkontrast, Kulturvergleich), um das jeweilige Orientierungssystem der Wahrnehmung, des Denkens, Wertens und Handelns zu verstehen ( Kultur; Kulturstandard) und die Reflexion über die eigene Kultur zu ermöglichen. Stärker als konzeptuelle Überlegungen haben zwei Lehrwerke mit der konkreten Ausarbeitung einer i.L. die Unterrichtspraxis des Deutschen als Fremdsprache beeinflusst: „Sprachbrücke“ (1987 ff.) für den Anfängerunterricht und „Sichtwechsel“ (1984 bzw. 1995 ff.) für die Mittelstufe. Viele in der i.L. entwickelte Ansätze werden heute im Rahmen der kulturwissenschaftlichen Orientierung von DaF weitergeführt ( Kulturwissenschaft). Altmayer, C. (2004), Kultur als Hypertext. Zur Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache, München. - Müller-Jacquier (2001), „Interkulturelle Landeskunde“, in: Helbig, G. u.a., Hrsg., Deutsch als Fremdsprache, Ein internationales Handbuch. Bd. 2 (19.2), Berlin 1230-1234. - Röttger, E. (2004), Interkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht, das Beispiel Deutsch als Fremdsprache in Griechenland, Hamburg. Uwe Koreik interkulturelle Literatur: Literatur, die auf verschiedene Kulturen bezogen ist und kulturelle Interdependenzen ins Zentrum rückt. Damit ist <?page no="152"?> interkulturelles Lernen: 141 sie nicht einer - meist monokulturell fokussierenden - Nationalliteratur zuzuordnen, sondern wird zu einer „Literatur des Dazwischen“ (Wintersteiner 2006, S. 277), die sich zwischen Kulturen oder auch Sprachen bewegt und das Spannungsfeld zwischen Universalismus und Kulturalismus auslotet. Das führt sowohl zu multikulturellen Formen, in denen unterschiedliche Kulturen mehr oder weniger unvermittelt nebeneinander existieren, als auch zu transkulturellen Orientierungen, in denen die Unterschiede zwischen Kulturen zunehmend verwischt werden, die aber auch hybride Formen entstehen lassen oder auch zu dominanzkulturellen Gestaltungsformen bzw. einer kritischen Auseinandersetzung damit. Da i.L. ihrem Ursprung nach nicht mehr an einen Ort oder eine Kultur gebunden ist, wird sie zu einer „neuen Weltliteratur“, die den Lesern die Teilhabe an globalen Ereignissen wie Migration, Multiethnizität, Hybridität, Globalisierung etc. ermöglicht. Dies lässt sich - in multikulturell zusammengesetzten Gruppen ebenso wie in monokulturellen Lernkontexten - literaturdidaktisch nutzen, indem man den in der i.L. geführten interkulturellen Diskurs entschlüsselt und hinsichtlich seiner Reichweite für individuelle, soziale oder kulturelle Entwicklungen diskutiert, damit die Fähigkeit zur wechselseitigen Empathie und zum ggf. mehrfachen Perspektivenwechsel entwickeln hilft und auf diese Weise das Fremdverstehen und die interkulturelle Kompetenz fördert. Bredella, L./ Delanoy, W./ Suhrkamp, C. (2004), Literaturdidaktik im Dialog, Tübingen. - Dawidowski, C./ Wrobel, D., Hrsg. (2006), Interkultureller Literaturunterricht, Baltmannsweiler. - Honnef-Becker, I., Hrsg. (2007), Dialog zwischen den Kulturen. Interkulturelle Literatur und ihre Didaktik, Baltmannsweiler. - Wintersteiner, W. (2006), Poetik der Verschiedenheit. Literatur, Bildung, Globalisierung, Klagenfurt. Heidi Rösch interkulturelle Pragmatik: Die i.P. beschreibt und untersucht, wie Fremdsprachenlerner „sprachliche Handlungen in einer Fremd- oder Zweitsprache verstehen und produzieren und wie sprachliche Handlungskompetenz in einer sekundären Sprache erworben wird“ (Kasper 1993, 41), wie Angehörige verschiedener Kulturen gemeinsame Routinen entwickeln, welches diese sind und schließlich, wie sie ein gemeinsames Wissen als Grundlage der Verständigung konstruieren (vgl. Herrlitz/ Koole/ Loos 2003, 395). Die i.P. hat zwei sich ergänzende Forschungsperspektiven (vgl. Herrlitz/ Koole/ Loos 2003, 390 f.). Komparatistische Arbeiten geben Aufschluss über eigenkulturelles Wissen, über eigenkulturelle Prägungen und Orientierungen der Aktanten. Diese Strukturperspektive erforscht, was die Aktanten „mitbringen“, wenn sie in den Prozess der interkulturellen Kommunikation eintreten. Lerneräußerungen und interkulturelle Kommunikationsprozesse lassen sich jedoch nicht hinlänglich rekonstruieren, wenn einzig herkunftskulturelle Unterschiede betrachtet werden. Die i.P. untersucht daher als Lernersprachenpragmatik auch den allmählichen Aufbau von Handlungskompetenz (vgl. Kasper 1993). Ebenfalls aus dynamischer Perspektive untersucht die i.P., wie sich Kommunikationspartner in aktuellen Begegnungssituationen aufeinander einstellen, um sich über Kulturgrenzen hinweg zu verständigen. Die Forschungsaktivitäten und Wissensbestände der i.P. bilden dabei im DaF-/ DaZ-Kontext in all ihren Perspektivierungen eines der Fundamente für einen wissenschaftlich begründeten Umgang mit interkultureller Kompetenz als Ausbildungsziel von Lehrenden wie Lernenden. Herrlitz, W./ Koole, T./ Loos, E. (2003), „Interkulturelle Pragmatik“, in: Wierlacher, A./ Bogner, A. (Hrsg.), Handbuch interkulturelle Germanistik. Stuttgart/ Weimar, 388-395. - Kasper, G. (1993), „Interkulturelle Pragmatik und Fremdsprachenlernen“, in: Timm, J. P./ Vollmer, H. J. (Hrsg.), Kontroversen in der Fremdsprachenforschung, Bochum, 41-77. Dirk Skiba interkulturelles Lernen: mehrfach facettierter Terminus, der folgende Praxisfelder betrifft: die deskriptive und analytische Beschäftigung mit Lernprozessen und -programmen in multikulturellen, mehrsprachigen Gesellschaften; die ethische und methodologische Ausrichtung/ Gestaltung von Lernprozessen in Gesellschaften d. gen. Zusammensetzung; besondere Aufmerksamkeit wird dabei dem i.L. in der Schule (hier fächerübergreifend) sowie in Kontexten des Fremd- und Zweitsprachenlernens entgegengebracht. Begriff und erste Konzepte i.L. wurden in Deutschland Anfang der 1980er Jahre in kritischer Auseinandersetzung mit der sog. Ausländerpädagogik, deren zentrale und einseitige Ausrichtung der Kompensation sog. ausländerseitiger Defizite galt, entwickelt. Als grundlegendes Ziel des i.L. (vgl. programmatisch z.B. schon früh Pommerin-Götze u.a. <?page no="153"?> 142 Interlanguage 1992) wurde/ wird das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Ethnien, Religions- und Sprachgemeinschaften sowie sozialer Gruppen in multiplen Gesellschaften formuliert sowie, als deren ethisch-axiomatische Basis, die prinzipielle Gleichwertigkeit aller Kulturen bei Anerkennung rechtsstaatlicher demokratischer Grundprinzipien. Moderne Konzepte i.L. betonen zudem die gemeinsame Verantwortung aller Teilgruppen für die Gestaltung ihres gesamtgesellschaftlichen Gemeinwesens, insbesondere auch, um Parallelgesellschaften zurückzubauen bzw. deren Entstehen entgegenzuwirken (vgl. Ates 2007, 3. Aufl.). Kritik an Theorie und Praxis i.L. wurde und wird u.a. mit den Argumenten vorgebracht, dass im Kontext von Globalisierung und Migration der dem i.L. zugrunde liegende Kulturbegriff obsolet geworden sei (z. dzgl. kontroversen Diskussion s. Kultur) bzw. das Konzept - implizit und unbeabsichtigt - gar kultureller Diskriminierung in die Hand arbeite (so etwa schon 1984 Radtke/ Czock). Des ungeachtet hatte und hat i.L. in seinen grundlegenden Orientierungen großen Einfluss auf die Gestaltung schulischen Lernens in Migrationsgesellschaften, darunter besonders auch des DaZ-Unterrichts (vgl. u.a. Barkowski 1995). Ates, S. (2007), Der Mulitkulti-Irrtum. Wie wir in Deutschland besser zusammenleben können, 3. Aufl., Berlin. - Barkowski, H. (1995), „Prinzipien Interkulturellen Lernens und ihre Bedeutung für die Vermittlung des Deutschen als Zweitsprache“, in Dittmar, N./ Rost-Roth, M. (Hrsg.), Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Frankfurt a.M. - Pommerin-Götze, G./ Jehle-Santoso, B./ Bozikake- Leisch, E., Hrsg. (1992), Es geht auch anders! Leben und Lernen in der multikulturellen Gesellschaft, Frankfurt a.M. - Radtke, F.-O./ Czock, H. (1984), „Sprache-Kultur- Identität: die Obsessionen der Migrationspädagogen“, in: Stüwe, G./ Peters, F. (Hrsg.), Lebenszusammenhänge von Ausländern und pädagogische Problematik, Bielefeld, 37-79. Gabriele Pommerin-Götze Interlanguage, die: Der von Selinker (1972) eingeführte Begriff und die damit verbundene Hypothese besagen, dass beim Erwerb einer zweiten Sprache der Lerner ein spezifisches Sprachsystem - die I. ausbildet, die Züge sowohl der Grundals auch der Zweitsprache sowie eigenständige, von Grund- und Zweitsprache unabhängige sprachliche Merkmale aufweist. Bei dieser Lernersprache spielen v.a. folgende psycholinguistische Prozesse eine Rolle: der Transfer aus anderen Sprachen und der Lernumgebung, Lernstrategien, Kommunikationsstrategien und Übergeneralisierungen. Mandy Höhle Interlanguage-Hypothese, die: Gemäß der I.-H. sind Lernende kreative Subjekte ihres Zweit- oder Fremdsprachenerwerbsprozesses, in dessen Verlauf sie durch Aktivierung und Nutzung ihres gesamten Sprachbesitzes - also ihrer Erstsprache, der zu lernenden Zielsprache sowie jeder weiteren zuvor oder gleichzeitig gelernten Sprache - eine individuelle lernersprachliche Varietät entwickeln. Diese von Selinker (1972) als Interlanguage bezeichnete Varietät, (in der Literatur auch als Interimsprache oder approximatives System bekannt), ist ein formal und funktional zunächst reduziertes, aber dennoch strukturiertes und zugleich dynamisches Sprachsystem, das strukturell zwischen der Erstsprache und der Zielsprache angesiedelt ist, aber auch einige spezifische Merkmale aufweist, hinsichtlich derer es sich von beiden Sprachsystemen klar unterscheidet. Die Interlanguage durchläuft eine Reihe von z.T. vorhersagbaren und erstsprachenunabhängigen Stadien, wobei sie sich kontinuierlich in Richtung auf die Zielsprache bewegt und dabei zunehmend komplexer wird. Die von den Lernenden selbst aufgestellten Regeln und die ihnen zugrunde liegenden Hypothesen zeigen, dass es sich beim Zweit- und Fremdsprachenerwerb um einen konstruktiven und kognitiven Prozess handelt, bei dem nicht ausschließlich aus der Erstsprache transferiert wird bzw. der nicht allein auf einer unzureichenden Kenntnis zielsprachlicher Regeln basiert. Fehler werden von Vertretern der I.-H. als wichtige Indikatoren für die beim Spracherwerb stattfindenden kognitiven Verarbeitungsprozesse betrachtet. Selinker, L. (1972) „Interlanguage“, in: International Review of Applied Linguistics 10, 209-231. - Selinker, L. (1992) Rediscovering interlanguage. London. Karin Aguado Internationaler Deutschlehrerverband (IDV): Dachverband von rund 100 nationalen Deutschlehrer- und Germanistenverbänden aus etwa 80 Ländern; eingetragener Verein, Sitz im Land des jeweils amtierenden Präsidenten. 1. Geschichte Gegründet 1968, übernahm der IDV in der Zeit des sog. Kalten Krieges eine wichtige Kontakt- und Brückenfunktion für Fachleute aus allen <?page no="154"?> Internationalismus 143 Teilen der Welt. Heute fungiert der IDV als weltweites Netzwerk seiner Mitgliedsverbände für ein breites Spektrum von Aufgaben und Aktivitäten im Zusammenhang von DaF. 2. Zweck und Ziele des IDV Förderung und Ausbau der Kontakte und der Zusammenarbeit zwischen seinen Mitgliedsverbänden, Unterstützung der DaF-Lehrer in ihrer beruflichen Tätigkeit und fachlichen Aus- und Fortbildung, Mitwirkung bei der Weiterentwicklung des Faches DaF und der sprachenpolitischen Unterstützung der Stellung der deutschen Sprache in der Welt im Rahmen der Förderung der Mehrsprachigkeit als leitendem Grundsatz. 3. Organisation Die Geschäfte werden von einem fünfköpfigen Vorstand geführt, der auf vier Jahre gewählt wird und unter Beteiligung je eines Experten aus jedem der deutschsprachigen Länder zweimal jährlich eine Sitzung abhält. Die Generalversammlung wird alle zwei Jahre einberufen; jedes Mitgliedsland hat zwei Stimmen, unabhängig von der Anzahl der nationalen Verbände. 4. Aktivitäten Veranstaltet die Internationale Deutschlehrertagung (IDT) und die sog. Deutscholympiade (IDO), Regionaltagungen, Fachsymposien, Delegiertenseminare und D-A-CH-L-Seminare. Zeitschrift: „IDV-Magazin“ (bis 2004 IDV-Rundbrief). Fördert den plurizentrischen Ansatz und initiierte die ABCD-Thesen. Internetaderesse: www.idvnetz.org Brigitte Sorger Internationale Vereinigung für Germanistik (IVG): 1951 auf dem Kongress der Fédération Internationale des Langues et Littératures Modernes in Florenz (Italien) gegründet. Die IVG verfolgt das Ziel, die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Germanistik zu fördern, wobei unter Germanistik die Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft des Deutschen, Niederländischen, Friesischen und Afrikaans ebenso wie des Skandinavischen mit Dänisch, Isländisch, Norwegisch und Schwedisch und des Jiddischen in ihren gegenwärtigen und geschichtlichen Ausprägungen sowie in ihrer praktischen und didaktischen Anwendung verstanden wird. Die Hauptaufgabe der IVG besteht in der Unterstützung wissenschaftlicher Projekte, der Verbesserung der persönlichen Beziehungen innerhalb der vertretenen Fachgebiete, der Herstellung und Unterhaltung von Kontakten zu den einzelnen germanistischen Landesverbänden sowie der Stärkung der germanistischen Lehre an den Universitäten. Die IVG richtet alle fünf Jahre einen Weltkongress zur Behandlung aktueller wissenschaftlicher Probleme und organisatorischer Fragen der Germanistik im internationalen Rahmen aus, wobei diese jeweils in dem Land stattfinden, das gerade den IVG- Präsidenten stellt. Bisher wurden elf Kongresse veranstaltet. Der zwölfte IVG-Kongress findet 2010 in Warschau/ Polen unter dem Generalthema „Vielheit und Einheit der Germanistik weltweit“ statt. Die Verhandlungssprache der IVG ist das Deutsche. Internetadresse: www.ivg.uw.edu.pl Franciszek Grucza/ Hans-Jörg Schwenk Internationale Zertifikatskonferenz (IZK): eine Nicht-Regierungs-Organisation (NGO), die sich als Netzwerk für Qualität im Sprachunterricht versteht und sich insbesondere um die internationale Anerkennung von Sprachenzertifikaten (u.a. durch Akkreditierung) kümmert. Zahlreiche Volkshochschulen sind Mitglieder der IZK ( Association of Language Testers in Europe, The European Language Certificates). Internetadresse: www.icc-languages.eu Hans-Jürgen Krumm Internationalismus, der: Ausdrücke ähnlicher Form mit weitgehend ähnlicher Bedeutung in unterschiedlichen Sprachen, die meist das Ergebnis von Fremdwortübernahmen bzw. Entlehnungen sind. Im europäischen Bereich handelt es sich dabei vor allem um griechische, lateinische, sonstige romanische und gegenwärtig vor allem um englische Ausdrücke, die im Rahmen des Kulturtransfers in einer Reihe anderer europäischer Sprachen übernommen wurden (Demokratie, democracy, democrazia etc. aus griech. demokratia; Konversation, conversation (frz.), conversation (engl.)). Phonologisch werden die Ausgangsausdrücke in charakteristischer Weise angepasst. Oft ergeben sich auch semantische Unterschiede - bis dahin, dass die Gebersprache für den heutigen Ausdruck ein eigenes, unabhängiges Wort hat, z.B. neugriech. pharmakio vs. dtsch. Apotheke(vgl. aber frz. pharmacie). Europäische Internationalismen können als Lernhilfe beim Fremdspracherwerb eingesetzt werden, bedürfen aber sowohl <?page no="155"?> 144 International Phonetic Alphabet (IPA) phonologisch wie semantisch (mit Blick auf die Gefahr „falscher Freunde“) besonderer Vermittlungs-Aufmerksamkeit. Andere Kulturbereiche wie der arabisch-islamische (vgl. arab. ğ umhuria, türk. gumhuriet, ‚Staatswesen‘); der fernöstliche oder der indische weisen ähnliche Transfers auf. Die Verallgemeinerung des Weltmarkts führt zu einer diese Kulturbereiche übersteigenden Verbreitung von I., wobei z.T. gerade die phonologischen Adaptierungen diese Übertragungen nur noch schwer erkennbar sein lassen. Braun, P./ Schaeder, B./ Volmert, J., Hrsg. (2003), Internationalismen II. Studien zur interlingualen Lexikologie und Lexikographie. Tübingen. - Kolwa, A. (2001), Internationalismen im Wortschatz der Politik, (Arbeiten zur Sprachanalyse asa 38), Frankfurt a.M. Konrad Ehlich International Phonetic Alphabet (IPA): phonetisches Alphabet, auf dessen Basis alle menschlichen Laute und deren Eigenschaften, z.B. Vokale, Konsonanten etc. nach Artikulationsorten klassifiziert, annähernd exakt beschrieben und wiedergegeben ( Notation) werden können. Das IPA ordnet jedem Laut ein Zeichen des griech. oder lat. Alphabets zu. Mit der ersten Fassung des IPA im Jahr 1888 wurde die phonetische Transkription erstmals international standardisiert, die letzte aktualisierte Fassung stammt aus dem Jahr 2005. Im Kontext des Spracherwerbs ist die Beherrschung des IPA für die phonetische Erschließung neuen Vokabulars aus Wörterbüchern von Bedeutung. Kerstin Rische International Phonetic Association (IPA): Der internationale Phonetik- und Lautschriftverband IPA (frz. Bezeichnung: „Association Phonétique Internationale“) wurde 1886 von dem französischen Linguisten P. É. Passy (1859-1940) zur Förderung der Phonetik gegründet, zunächst unter dem Namen „The Phonetic Teacher’s Association“ (vgl. Handbook 1999, 194 ff.). 1888 publizierte die IPA erstmals das inzwischen mehrfach überarbeitete und erweiterte International Phonetic Alphabet (IPA), ein noch heute verbreitetes, internationales Alphabet der Lautschrift. Handbook of the International Phonetic Association. A guide to the use of the International Phonetic Alphabet (1999), Cambridge. Ulrike Eder Inter Nationes: 1952 gegründeter Verein, der im Auftrag der deutschen Bundesregierung die kulturelle und gesellschaftspolitische Kooperation mit dem Ausland im Medienbereich fördern sollte. Für den DaF-Bereich waren zahlreiche Audiomaterialien wichtig, die im DaF-Unterricht insbesondere an Hochschulen eingesetzt wurden. 2000 schlossen sich I.N. und das Goethe-Institut zusammen. 2001 bis 2004 führte das Goethe- Institut den Namen „Goethe-Institut Inter Nationes“. Hans-Jürgen Krumm Interpunktion, die: s. Zeichensetzung interrogativ: steigender Sprechmelodieverlauf ( Melodie, Kadenz). Der i. Melodieverlauf hat eine bedeutungsunterscheidende Funktion ( Intonem), er unterscheidet z.B. Entscheidungsfragen von Aussagen (i.: Hans war hier? vs. terminal: Hans war hier. ). Die i. Sprechmelodie gilt als Grenzsignal ( Pausierung). Bei gelesenen und vorformulierten Äußerungen findet sie sich am Ende einer (Teil-)Äußerung, d.h. sie zeigt die Grenzen einer syntaktischen und/ oder inhaltlich-semantischen Einheit an, vornehmlich einer Entscheidungsfrage oder einer sehr freundlichen Äußerung. Ursula Hirschfeld Interrogativadverb, das: auch: Frageadverb; erfragt Umstände wie Ort, Art und Weise, Zeit, Grund usw. (z.B. wo, woher, wie, wann, warum usw.) und leitet Fragesätze und interrogative Nebensätze ein (z.B. Wo treffen wir uns? , Sag mir bitte, wo wir uns treffen.). Zusammen mit den Interrogativpronomina und Interrogativartikeln gehören I. im Deutschen zu den so genannten W- Wörtern. Marina Matthey Interrogativartikel, der: artikelwertiges Fragewort; wie bei den Artikeln (ein usw.; der usw.) wird zwischen dem indefiniten und dem definiten Fall des I. unterschieden: welcher usw. fragt dabei nach einem konkreten Mitglied einer bekannten bzw. als bekannt vorausgesetzten, endlichen Menge, z.B. Welches Kleid gefällt dir am besten? , während was für (ein) usw. eher auf allgemeine, kategoriale und typologische Merkmale von Personen, Gegenständen, Sachverhal- <?page no="156"?> Intonem 145 ten usw. fokussiert und das Feld möglicher Antworten weit öffnet, z.B. Was für ein Kleid passt zu meinem Typ? . I. leiten Fragesätze und interrogative Nebensätze ein. Zusammen mit den Interrogativpronomina und Interrogativadverbien gehören I. im Deutschen zu den so genannten W- Wörtern. Marina Matthey Interrogativpronomen, das: auch: Fragepronomen; erfragt Personen und Sachen, z.B. wer, was, wem, wen usw. und leitet Fragesätze oder auch interrogative Nebensätze ein, z.B. Wer kommt heute zur Party? , Ich weiß nicht, was ich dir schenken kann. Zusammen mit den Interrogativadverbien und Interrogativartikeln gehören I. im Deutschen zu den so genannten W-Wörtern. Marina Matthey Intersubjektivität, die: Grundsatz in der Forschungsmethodologie, dass Forschung nicht von der Subjektivität des Forschenden beeinflusst sein darf, sondern der Überprüfung durch andere standhalten muss. I. zählt zu den Gütekriterien von Forschung, alternativ zum Kriterium Objektivität. In qualitativer Forschung, die keine Generalisierbarkeit der Ergebnisse anstrebt, wird nicht unbedingt I., sondern reflektierte Subjektivität der Forschenden verlangt. Müller-Hartmann, A./ Schocker-v. Ditfurth, M., Hrsg. (2001), Qualitative Forschung im Bereich Fremdsprachen lehren und lernen, Tübingen. Klaus-Börge Boeckmann Intertextualität, die: Texte werden immer im Hinblick auf andere Texte geschrieben und rezipiert. Der Terminus I. bezeichnet die Beziehung zwischen Texten. Innerhalb des Begriffes wird zwischen produktionsästhetischer und rezeptionsästhetischer I. differenziert: Produktionsästhetische I. liegt dann vor, wenn die Texte selbst durch Anspielungen und Zitate auf andere Texte Bezug nehmen. Wenn hingegen erst die Rezipienten eines Textes diesen mit anderen Texten verbinden, spricht man von rezeptionsästhetischer I. (vgl. Stierle 1983, 7 ff.). Auch die durch einen konkreten Text initiierten Lernertexte (z.B. kreative Bearbeitungen und Kommentare) können, wenn sie zum Unterrichtsgegenstand gemacht werden, als intertextuelle Bezugstexte fungieren. Für den fremdsprachigen Kontext wurde I. vor allem von Hallet (2002) aufgegriffen. Er betont, dass die Fähigkeit, Texte zueinander in Beziehung zu setzen, eine wichtige Dimension fremdsprachiger Diskursfähigkeit darstellt. Ausgehend von einem semiotischen und zugleich multimedialen Textverständnis entwickelte er eine Literaturdidaktik, die den Fremdsprachenunterricht insgesamt als Netzwerk intertextueller Bezüge begreift. Hallet, W. (2002), Fremdsprachenunterricht als Spiel der Texte und Kulturen. Intertextualität als Paradigma einer kulturwissenschaftlichen Didaktik, Trier. - Stierle, K. (1983), „Werk und Intertextualität“, in: Schmid, W./ Stempel, W.-D. (Hrsg.), Dialog der Texte. Hamburger Kolloquium zur Intertextualität, Wien, 7-26. Ulrike Eder Intonation, die: 1. Im engeren Sinne bezeichnet I. die Sprechmelodie ( Melodie, Kadenz) und ihren Verlauf. 2. Im weiteren Sinne umfasst I. die Gesamtheit der suprasegmentalen Mittel und Merkmale ( Prosodie, suprasegmentale Phonetik). Zu den Mitteln gehören neben der Sprechmelodie die Lautstärke, die Dauer, das Sprechtempo, die Sprechspannung und deren jeweilige Variation sowie, quasi als Nichtvorhandensein dieser Merkmale, die Pausen ( Pausierung). Als aus allen Mitteln - je nach Sprechintention und Sprechsituation - spezifisch kombinierte, komplexe suprasegmentale Gestaltungsmerkmale gesprochener Äußerungen sind Akzentuierung ( Akzent) und Rhythmisierung ( Rhythmus) anzusehen. Die intonatorischen bzw. suprasegmentalen Mittel wirken im Deutschen als parasprachliche Merkmale i.d.R. zusammen und werden als schwer zerlegbare Einheit empfunden, auch wenn einzelne Mittel dominieren können. Hirschfeld, U./ Stock, E., Hrsg. (2000), Phonothek interaktiv, München (CD-ROM). - Peters, J. (2005), „Intonation“, in: Duden - Die Grammatik. 7. Aufl., Mannheim, Kap. 2. Ursula Hirschfeld Intonem, das: bedeutungsunterscheidende suprasegmentale Einheit (analog zu Phonem). Ein I. umfasst die melodisch-dynamische Gestaltung des Endes einer Äußerung, d.h. der letzten akzentuierten Silbe und der ihr inhaltlich angeschlossenen nichtakzentuierten Vor- und Nachlaufsilben. Insbesondere die Melodie ( Kadenz) <?page no="157"?> 146 intralingual wirkt mit terminalen (fallenden), interrogativen (steigenden), und progredienten (schwebenden)Verläufen bedeutungsunterscheidend (satztypdifferenzierende Funktion). Terminale und interrogative I. signalisieren Abgeschlossenheit, progrediente I. Nichtabgeschlossenheit, z.B. interrogativ: Hans war hier? vs. terminal: Hans war hier. vs. progredient Hans war hier und ist dann… . Ursula Hirschfeld intralingual: auch: innersprachlich; Bezeichnung für Phänomene innerhalb einer Sprache. Beispielsweise sind i. Interferenzfehler jene Fehler, die bei Lernenden unterschiedlicher Erstsprache in der Zweitsprache auftreten und nicht auf einen Transfer aus der Erstsprache, sondern auf eine fehlerhafte Übergeneralisierung von bereits erlernten sprachlichen Strukturen der Zweitsprache zurückzuführen sind. Bordag, D. (2006), Psycholinguistische Aspekte der Interferenzerscheinungen in der Flexionsmorphologie des Tschechischen als Fremdsprache, Hildesheim. Mandy Höhle intransitiv: Verben, die im Unterschied zu transitiven Verben kein Objekt im Akkusativ regieren. Dazu gehören Verben mit Dativobjekt, Präpositionalobjekt oder mit Direktivum. Im Engeren sind i. Verben solche Verben, die nur ein Subjekt als Ergänzung verlangen, s. auch absolute Verben. Transitive Verben, die in einem Satz ohne Akkusativobjekt verwendet werden, werden traditionell ‚i. gebraucht‘ genannt, vgl. auch fakultative Valenz. Klaus Welke intrinsisch: I. Motivation benennt einen aus dem Inneren der Lernenden kommenden Antrieb, eine Leistung um ihrer selbst willen zu erbringen. Dabei spielt die Freude an einer Tätigkeit oder am Lernen eine entscheidende Rolle. I. Motivation entsteht, wenn Personen Rückmeldungen über ihre eigene Leistungsfähigkeit bekommen und in Übereinstimmung mit ihrem Kompetenz- und Autonomiebedürfnis handeln können (Spada 2006, 535). Spada, H. (2006), 3. Aufl., Allgemeine Psychologie, Bern. Barbara Biechele Introspektion, die: Verfahren in der Forschungsmethodologie, bei dem eigene innere Vorgänge beschrieben werden, um Aufschlüsse darüber zu erhalten, wie z.B. Lernvorgänge ablaufen. Eine der dabei verwendeten Forschungsmethoden ist das Lerntagebuch, aber auch „lautes Denken“ während oder nach der Erfüllung einer Aufgabe ist eine Form der I. Forschungsverfahren wie Interviews oder Befragungen können ebenfalls Elemente von I. enthalten, wenn nach inneren Vorgängen gefragt wird (Eckerth 2003, 116 ff.). Eckerth, J. (2003), Fremdsprachenerwerb in aufgabenbasierten Interaktionen, Tübingen. - Faerch, C./ Kasper, G., Hrsg. (1987), Introspection in second language research, Clevedon. Klaus-Börge Boeckmann invariant: qualifiziert Merkmale in Hinblick auf deren Rolle bei Klassifizierungen; i. sind Merkmale, die auf ausnahmslos alle Vertreter einer Klasse zutreffen. Danach ist z.B. Genus ein i. Merkmal der Klasse der Substantive im Deutschen. Die meisten Bedeutungen in einer natürlichen Sprache, aber auch viele wissenschaftliche Begriffe, lassen sich nicht i. definieren ( Prototyp). Zu den i. Merkmalen kommen variante hinzu, die typisch für die Klasse sein können und als typische Merkmale neben i. die Klasse charakterisieren und zum Begriff/ zur Bedeutung eines Wortes gehören. Z.B. trifft das Merkmal ‚genau in einem Genus (fem., mask, oder neutr.) vorkommend‘, zwar auf die meisten, aber nicht auf alle Substantive des Deutschen zu. Auch in Lexika findet man etwa für VOGEL neben i. Merkmalen wie ‚warmblütig‘, ‚befiedert‘ auch variante, aber typische Merkmale wie ‚meist flugfähig‘. Es gibt auch Klassen/ Wortbedeutungen ohne i. Merkmale. Z.B. wird man für Wörter wie Tisch, Stuhl, Satz, Wort, Roman, Erzählung kaum ein i. Merkmal angeben können. Klaus Welke Inversion, die: 1. In der Literaturwissenschaft bezeichnet I. eine rhetorische Figur. Dabei weicht die Stellung der Wörter von der üblichen Wortfolge ab (z.B. Hänschen klein statt kleines Hänschen). 2. In der Sprachwissenschaft bezieht sich I. auf die Stellung des Subjekts. Beispielsweise führt die Besetzung des Vorfelds wg. der obligatorischen Zweitstellung des finiten Verbs in deutschen <?page no="158"?> Iteration 147 Aussagesätzen regelmäßig zu einer Umkehrung der üblichen Subjekt-Verb-Stellung im Satz (z.B. trotzdem hat er … vs. *trotzdem er hat …). Mandy Höhle IPA: s. International Phonetic Association, s. International Phonetic Alphabet Irrealis, der: Ausdrucksweise, die die Nichtfaktivität eines Sachverhalts markiert; I. wird oft unzutreffend als Synonym für Konjunktiv II gebraucht, der Begriff erfasst aber nur eine der mit den Formen des Konjunktivs II ausdrückbaren Modalitäten (darunter der Potentialis - vgl. Eisenberg 115 f.). „Nichtwirklichkeit“ i.S. des I. markiert in eindeutiger Weise ausschließlich die vergangenheitsbezogene Form des Konjunktiv Plusquamperfekts in Konditionalsätzen wie: Wenn ich zur Stelle gewesen wäre, hätte ich ihr geholfen. Zu den komplexen Verwendungsweisen und Ausdrucksfunktionen der Konjunktive s. i.Ü. Konjunktiv. Eisenberg, P. (1994), Grundriß der deutschen Grammatik. Bd. 2: Der Satz, Stuttgart; Weimar. Sabira Levin isolierende Sprachen, die: auch: amorphe Sprache, Wurzelsprache; als i.S. werden Sprachen bezeichnet, die keine gebundenen Morpheme verwenden, d.h. in denen die Wörter morphologisch nicht veränderbar sind, also nicht flektiert werden können. Grammatische Bedeutungen und syntaktische Beziehungen zwischen den Wörtern werden durch grammatische Hilfswörter und/ oder die Wortfolge im Satz ausgedrückt. I.S. werden den agglutinierenden (z.B. Türkisch) und flektierenden Sprachen (z.B. Deutsch) gegenübergestellt. Als Beispiele für i.S. gelten Vietnamesisch und klassisches Chinesisch. In der Sprachtypologie Sapirs werden i.S. auch als analytische Sprachen bezeichnet (vgl. Lyons 1995, 191). Die wichtigsten Merkmale der i.S. sind meist eine feste Wortfolge im Satz, oft ein komplexes tonales System, im Idealfall besteht jedes Wort aus einem Morph, es werden keine Flexive verwendet. Es sei aber betont, dass keine Sprache rein isolierend ist. Vietnamesisch und Chinesisch kommen dem Idealfall am nächsten. Viele Merkmale einer i.S. weist auch das Englische auf. Inwieweit eine Sprache isolierend ist, kann errechnet werden, indem das Verhältnis zwischen der Anzahl der Wörter und der Anzahl der Morpheme gemessen wird: Je geringer der Unterschied, desto „isolierender“ ist die Sprache. Demnach ist z.B. Englisch „isolierender“ (1,68) als Sanskrit (2,59) (vgl. ebd.). I.S. sind von „isolierten“ Sprachen zu unterscheiden, d.h. Sprachen, die mit keiner anderen Sprache verwandt sind wie z.B. Baskisch. Bei Sprechern von i.S. ist aus sprachtypologischen Erwägungen zu erwarten, dass insbesondere der Erwerb der morphologischen Eigenschaften des Deutschen besondere Lernanstrengungen und eine problemspezifische methodisch-didaktische Unterstützung erfordert. Lyons, J. (1995), Einführung in die moderne Linguistik, 8. Aufl., München. Marina Matthey Isomorph: 1. Bezeichnung für die strukturelle Gleichheit lexikalischer Einheiten von gleicher sprachlicher Struktur (Strukturparallelismus) Dies kann sich auf Satzebene auf die Anzahl von Konstituenten (z.B. Klaus liebt Susanne. vs. Otto wäscht Anna. = Subjekt + Verb + Objekt), auf der Wortebene auf die Anzahl von Wortbildungselementen (z.B. un-einheit-lich vs. un-tröst-lich = Präfix un-, Suffix -lich) beziehen. 2. Bezeichnung für einen sprachlichen Ausdruck, bei dem eine eindeutige Beziehung zwischen Inhalt und Form, d.h. eine 1 : 1-Übereinstimmung gegeben ist. Dies trifft aber nur auf wenige sprachliche Ausdrücke zu, beispielsweise auf Zahlen (z.B. drei = 3), weshalb der Begriff i. hier umstritten ist. So bedeutet z.B. ausdauernd arbeiten keineswegs exakt dasselbe wie fleißig, arbeitsam. Römer, C. (2006), Morphologie der deutschen Sprache, Tübingen. Mandy Höhle Iteration, die: auch: Reduplikation/ Verdoppelung; I. wird 1. als Fremdwort mit der angegebenen Bedeutung in unterschiedlichsten, insbesondere fachsprachlichen Kontexten verwendet und kann dann auch mit dem Terminus der Aktionsart von Verben verbunden gebraucht sein (s. dort, sowie iterativ); 2. linguistischer Terminus für den Vorgang der Wiederholung von Morphemen und Worten, z.B. dalli dalli; wauwau, manchmal auch von Vokalwechsel begleitet wie bei Krimskrams; im Dt. ist I. eher selten lexikalisiert wie bei Kuckuck oder Papa, sondern wird - besonders in der Kindersprache (bittebitte) bzw. komplementär dazu, der Ammensprache (hap- <?page no="159"?> 148 iterativ worden ist das an der Naturwissenschaft orientierte Programm, nachzuweisen, dass es ausnahmslos geltende Gesetze der lautlichen Entwicklung gibt. Auf die J. gehen bis heute gültige Darstellungen älterer Sprachperioden zurück, z.B. der mittelhochdeutschen (H. Paul) oder der althochdeutschen Sprache (W. Braune). Als ein Grundlagenwerk der junggrammatischen Sprachtheorie kann man H. Pauls „Prinzipien der Sprachgeschichte“ (1880) ansehen. Es wird bis heute als Hochschullehrbuch genutzt. Im Gegensatz zur späteren strukturalistischen Sprachtheorie F. de Saussures, für den der Gegenstand der Sprachwissenschaft die langue ist, ist der Gegenstand für H. Paul eher die parole, von Paul als Summe der individuellen sprachlichen Tätigkeiten verstanden. Die Orientierung auf die kommunikative Tätigkeit macht H. Paul zu einem Vorläufer der funktionalen Grammatik. U.a. wurden die Begriffe Thema und Rhema (bei Paul: psychologisches Subjekt und psychologisches Prädikat - vgl. Thema-Rhema-Gliederung) von ihm geprägt. Zu den J. gehören neben den Genannten auch O. Behaghel, K. Brugmann, B. Delbrück, A. Leskien, H. Osthoff, E. Sievers, K. Verner. Paul, H. (1881), Mittelhochdeutsche Grammatik, Halle/ Saale. - Paul, H. (1880), Prinzipien der Sprachgeschichte, Halle/ Saale. - Braune, W. (1886), Althochdeutsche Grammatik, Halle/ Saale. Klaus Welke Juxtaposition, die: insbesondere in der traditionellen diachron orientierten Wortbildung gebräuchlich. Ein gehäuftes Zusammenvorkommen von Wörtern kann dazu führen, dass diese Wörter zu einem Wort zusammenwachsen. Es entstehen Zusammenrückungen wie aufgrund, kennenlernen, radfahren u.a.m. Klaus Welke K Kadenz, die: spezifischer Verlauf der Melodie am Ende einer (Teil-)Äußerung, d.h. ab der letzten akzentuierten Silbe. Die K. kann terminal (fallend), interrogativ (steigend) und progredient (schwebend) verlaufen. Die K. kann bedeutungsunterscheidende, d.h. satztypdifferenzierende Funktion haben ( Intonem), z.B. interrogativ: Hans war hier? vs. terminal: Hans war hier. ). Terminale und interrogative K. sigpihappi) -, aber auch sonst in freien, auch spontanen Bildungen usw. produktiv genutzt, um die Iterativität von Vorgängen (vgl. tagtäglich; ritscheratsche) oder Emphase/ Intensität (z.B. Quitschquatsch) morphologisch-semantisch zu markieren. In manchen Sprachen, etwa dem Indonesischen, wird der Plural durch I. markiert. Sandy Pannwitz iterativ: wird in verschiedenen Bereichen verwendet: Informatik, Mathematik, Geschichte usw. In der Linguistik werden Verben als i. bezeichnet, wenn sie einen sich ständig wiederholenden Vorgang oder eine sich ständig wiederholende Handlung ausdrücken. Im Deutschen enden solche Verben i.d.R. auf -ern oder -eln, z.B. flattern, kränkeln, sticheln. Als i. wird auch eine Aktionsart der Verben bezeichnet (s. Iterativum). Marina Matthey Iterativ/ ~um, der/ das: Aktionsart der Verben, Untergruppe des Durativs; bringt einen sich wiederholenden oder gewohnheitsmäßigen Vorgang zum Ausdruck. Andere Bezeichnungen: Frequentativ, Multiplikativ, Habituativ. Im Deutschen wird I. u.a. durch semantisch entsprechend konnotierte Verben, die oft mit den Suffixen -ern und -eln gebildet werden, z.B. hüsteln, flattern sowie durch die Konstruktion „pflegen + zu + Infinitiv“ ausgedrückt, z.B. Mein Vater pflegte zu sagen […].. I. ist manchmal schwer von den Diminutiva und Intensiva (lächeln, köcheln) abzugrenzen. Marina Matthey IZK: s. Internationale Zertifikatskonferenz J Junggrammatiker, die: Gruppe von Grammatikern des späten 19. bis (teilweise) frühen 20. Jhs.; die Bezeichnung J. wurde ihnen von Vertretern der Vorgängergeneration der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft um J. Grimm und F. Bopp in spöttischer Absicht verliehen. Die J. wendeten die Wertung als Namen ihrer Schule ins Positive. Die J., deren Zentrum Leipzig war, spitzten das Programm ihrer Vorgänger zu. Die Sprachgeschichte wurde als alleiniger wissenschaftlicher Gegenstand angesehen. Berühmt ge- <?page no="160"?> Kasus 149 nalisieren eine abgeschlossene Äußerung, progrediente K. bedeutet Nichtabgeschlossenheit. Steigen oder fallen kann die Melodie von Silbe zu Silbe, aber auch innerhalb einer Silbe, die Größe des Intervalls ist von der Expressivität des Sprechausdrucks abhängig. Ursula Hirschfeld Kanal, der: Als K. wird in Kommunikationsmodellen und der Kommunikationswissenschaft metaphorisch der Übertragungsweg bzw. das Medium der Übertragung von Signalen angesehen. So ist im klassischen Kommunikationsmodell ( Kommunikation), das im Rahmen der Nachrichtentechnik von Shannon und Weaver entwickelt wurde, die Verbindung zwischen Sender und Empfänger als K. bestimmt. Der K. kann je nach Beschaffenheit zur Übersendung akustischer oder visueller Signale oder auch anderer Signale dienen. Zu Störungen in der Kommunikation kann es durch Geräusche oder andere Beeinträchtigungen der Übertragung kommen. Shannon, C. E./ Weaver, W. (1949 [1998]), The Mathematical Theory of Communication, Urbana. Martina Rost-Roth KANN-Beschreibungen: engl. CAN DO-statements, dt. auch: Deskriptoren; formulieren, welche kommunikativen Aktivitäten jemand ausführen kann/ können sollte, wenn er ein bestimmtes Lernziel erreicht hat. Übliche Struktur der K.-B.: (Sprecher) KANN + Aktivität (was? )/ Qualität der dafür benötigten sprachlichen Mittel (wie? ) + VERB + Bedingungen/ Beschränkungen, z.B.: „KANN kurze, einfache Texte zu vertrauten Themen verstehen, in denen alltagsbezogene Sprache verwendet wird“. Mit Hilfe solcher K.-B. werden im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen ( GeR), im Sprachenportfolio etc. kommunikative Kompetenzen in Interaktion, Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben, aber auch linguistische Kompetenzen beschrieben. Jürgen Quetz Kanon, der: Organisationsform der kulturellen (und literarischen) Orientierung und Erinnerung, wobei zwei Verwendungsweisen nebeneinander existieren: eine ‚materiale‘, die den K. als Sammlung musterhafter Texte betrachtet, und eine ‚abstrakte‘, die in ihm nicht die Texte selbst, sondern das Prinzip der Auswahl und Beurteilung erkennt, den Maßstab der Zusammenstellung. Als Instrument der kulturellen Sinnbildung und Sozialisation kann der K. durch kritische Prüfung seine formativen Funktionen immer wieder erneuern, nicht zuletzt mit Blick auf die Wirkung von Texten in Lesern, auf die kulturwissenschaftliche Frage nach den Interaktionen von Literatur und Mensch in sozialen Zusammenhängen. So werden im Fach DaF seit den 1990er Jahren literarische Texte nicht mehr im Rahmen eines traditionellen K. deutschsprachiger Literatur, sondern nach ihrem Stellenwert im sprachlichen und kulturellen Entwicklungsprozess der Adressaten ausgewählt (Ackermann 2001): z.B. Texte, die ausdrücklich kontrastiv zur kulturellen Tradition der Lerner stehen, die Fremdheitsthematik und Minderheitensituationen darstellen oder die literarische Beziehungen zwischen der deutschsprachigen Literatur und der des Kulturraumes der Adressaten offenbaren. Ackermann, I. (2001), „Fragen des literarischen Kanons“, in: Helbig, G. u.a. (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache - ein internationales Handbuch, 2 Bd., Berlin, Bd. 1, S. 1346-1353. - Ehrlich, L./ Schildt, J./ Specht, B., Hrsg. (2007), Die Bildung des Kanons. Textuelle Faktoren - Kulturelle Funktionen - Ethische Praxis. Köln/ Weimar/ Wien. Werner Biechele Kardinalzahl, die: auch: Grundzahl (null, eins, zwei, drei usf.); K. geben eine bestimmte Anzahl an Dingen oder Personen an. Die K. von 0 bis 999.999 weisen teils pronominale, teils adjektivische Merkmale auf (vgl. Gallmann/ Sitta 2001, 66). I.d.R. werden K. nicht dekliniert. Davon abweichend wird das Zahlwort eins wie der unbestimmte Artikel ein dekliniert und für die übrigen K. existieren einige wenige Genitivbzw. Dativformen (z.B. ein Bündnis zweier Staaten, sich auf allen vieren bewegen). Höhere K. wie Million, Milliarde sind feminine Substantive. Gallmann, P./ Sitta, H. (2001), Deutsche Grammatik, 4. Aufl., Zürich. Anna Peterwerth Kasus, der: Sg.: der Kasu ˇ s, Pl.: die Kasu ¯ s; auch Fall. Es handelt sich um morphologische Abwandlungen von Substantiven und Adjektiven in flektierenden und agglutinierenden Sprachen, vgl. auch Flexion, Deklination. Wie bei anderen sprachlichen Zeichen meint man mit <?page no="161"?> 150 Kasusattraktion K. das Zeichen in seiner formalen Gestalt und unterscheidet davon die Bedeutung/ Funktion ( semantische Relation). Das Deutsche besitzt vier K.: Nominativ, Akkusativ, Dativ und Genitiv. Das Finnische, eine agglutinierende Sprache, besitzt je nach Zählweise 14, 15 oder 16 Kasus. Falls sich in einer Sprache K. überhaupt unterscheiden lassen, setzt man im Grenzfall auch das Fehlen einer Abwandlung als K. an, wie beim deutschen Nominativ. Man spricht dann von einem Nullmorphem. Das Deutsche ist dabei, seinen flektierenden Charakter im Bereich der substantivischen Kasus einzubüßen. Bspw. werden feminine Substantive bis auf die Singular-Plural-Differenz nicht durch K.-Markierungen differenziert. Man kann jedoch die Kombination von Artikeln (oder von Adjektiven) mit Substantiven als eine analytische Flexion ansehen. Z.B. bleibt trotz Ausfall des synthetischen Dativs (-e) in dem Mann(e) der Dativ auf Grund der Artikelflexion als analytische Form weiter bestehen. Analoges gilt für das Verhältnis von Präpositionen + Kasus. Man spricht daher auch von Präpositionalkasus, vgl.: Er erinnert sich der Sache. - Er erinnert sich an die Sache. (vgl. Rektion). Andere Sprachen drücken semantische Relationen durch andere Mittel aus. Prominente Mittel sind Wortstellung und Präpositionen. Auch das Deutsche greift dort, wo es keine Kasusunterschiede mehr gibt, auf die Wortstellung zurück. In Hans kritisiert/ lobt Klaus. werden die semantischen Rollen von Hans und Klaus nicht durch Kasus unterschieden. Nur die Wortstellung signalisiert, wer wen kritisiert/ lobt, wer also Agens und wer Patiens ist. Als Bestandteil des komplexen Deklinationsparadigmas deutscher Nominalphrasen und durch deren Eingebundenheit in die Rektion/ Valenz deutscher Verben gehören K. zu den besonders schwer und nur langfristig und durch frequente Sprachtätigkeit zu erwerbenden morphologischen Eigenschaften des Deutschen. In Förderzusammenhängen empfehlen sich stetige Übungen auf allen Niveaus der Sprachbeherrschung, die Vermittlung geeigneter Lernstrategien, v.a. auch für den autonomen Erwerb außerhalb von Unterricht, sowie die Ausnutzung (Bewusstmachung) von Analogien und weiteren linguistischen Konzepten wie die Unterscheidung von strukturellen und lexikalischen Kasus. Klaus Welke Kasusattraktion, die: Attraktion meint in der Sprachwissenschaft eine Angleichung im Bereich der Lautung, der Bedeutung oder der Syntax. K. bezeichnet daher die Übereinstimmung des Kasus zweier Phrasen, die sich aufeinander beziehen. Dies wird im Deutschen nicht als K., sondern als Kasuskongruenz interpretiert: Als guter Tänzer wusste Klaus, dass er Chancen bei Susanne hatte. als guter Tänzer bezieht sich auf den Nominativ Klaus und steht deshalb im gleichen Kasus ( Gleichsetzungsnominativ). Mandy Höhle Kasusbedeutung, die: Funktionen/ Bedeutungen von Kasus sind semantische Relationen (Rollen). Diese sind nicht notwendigerweise an Kasus gebunden. Denn sowohl in Sprachen ohne (morphologische) Kasus müssen solche Rollen ausgedrückt werden, als auch in flektierenden Sprachen dann, wenn Kasus fehlen. Das einfachste Verfahren der Denotation ist die Wortstellung, vgl. Emil verspottet Ludwig., Die Lehrer ärgern die Schüler., Katzen fangen Mäuse. Es gilt die Regel: ‚Agens vor Patiens‘. Im Deutschen ist diese Regel weniger rigoros als im Englischen, weil es noch viele Fälle gibt, in denen Kasusformen vorhanden sind; vgl. Den Schüler ärgert der Lehrer. Auch auf die Semantik der beteiligten Wörter und auf die Pragmatik verlassen sich die Sprecher des Deutschen, wenn sie ein Patiens in die Spitzenposition bringen, vgl.: Noten erteilen Lehrer. Mäuse fangen Katzen. Klaus Welke Kasusgrammatik, die: die mit dem Namen Fillmores verbundene Theorie abstrakter Relationen ( Tiefenkasus), die Fillmore (1968), der damaligen generativen Transformationsgrammatik entsprechend als syntaktische und nicht als semantische Kategorien auffasste. Grundlage der Begriffsbildung sind de facto natürlich semantische Relationen wie Agens, Patiens, Adressat, die in einer flektierenden Sprache vor allem durch Kasus ausgedrückt werden, die aber in anderen Sprachen und z.T. auch in flektierenden Sprachen durch andere sprachliche Mittel wie die Wortstellung gekennzeichnet werden. Fillmore, Ch. J. (1968), „The Case for Case“, in: Bach E./ Harms R. J. (Hrsg.), Universals in Linguistic Theory, New York, 1-88. Klaus Welke Kasusrelation, die: s. semantische Relation/ semantische Rolle <?page no="162"?> Kausativkonstruktion 151 Kasusrolle, die: s. Kasus Kasustheorie, die: 1. Kasusgrammatik, 2. Teiltheorie der Government and Binding Theorie innerhalb der generativen Transformationsgrammatik; Theorie abstrakter syntaktischer Kategorien, denen in einer flektierenden oder agglutinierenden Sprache Kasus entsprechen. Klaus Welke Katapher, die/ Kataphora/ kataphorisch: vorgreifende Verwendung eines phorischen Ausdrucks (vgl. in ggs. Funktion Anapher) mit Bezug auf ein in der Äußerung erst nachfolgendes Bezugselement: Obwohl sie angeblich jenseits aller Wahrscheinlichkeit lag, trat die Finanzkrise ein. K. sind kommunikativ paradox: Sie nehmen eine Fokuskontinuierung in Anspruch, bevor der Fokus der Aufmerksamkeit etabliert wurde. Dadurch wird dem Hörer eine erhöhte Verarbeitungsleistung abverlangt. Ehlich, K. (2007), Sprache und sprachliches Handeln, Bd. 1, D2. Berlin/ New York. Konrad Ehlich Katwijker Empfehlungen: Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bestand in Ost- und Mitteleuropa das Bedürfnis und die Chance, den Fremdsprachenunterricht neu auszurichten. Auf einem 1992 im niederländischen Katwijk durchgeführten Symposion wurden deshalb Empfehlungen für die Curriculumentwicklung formuliert. In den K.E. wird Curriculumentwicklung nicht als Konzept- und Methodenexport angelegt, sondern als demokratischer Prozess unter Einbeziehung aller Beteiligten, ausgerichtet an den Bedürfnissen und dem Lernbedarf für Deutsch vor Ort. In zahlreichen mittel- und osteuropäischen Ländern entstanden auf der Grundlage der K.E. Rahmencurricula für Deutsch, deren Implementation in den 1990er Jahren auch wissenschaftlich begleitet wurde. Breitung, H., Hrsg. (1992), Katwijker Empfehlungen zur Curriculumentwicklung für den Deutschunterricht als Fremdsprache, München. Hans-Jürgen Krumm Kauderwelsch, das: „unverständliches, fremdartiges Gerede“. Das Adjektiv welsch geht auf die Volcae, einen keltischen Volksstamm, zurück. Die Germanen bezeichneten mit *Walh ō s Welsche verallgemeinernd alle Kelten. Nachdem die keltischen Gebiete durch die Römer besetzt wurden, wurde die Bezeichnung auf die romanische Bevölkerung übertragen. Die Herkunft des Bestandteils Kauder ist nicht geklärt. Kauderwelsch könnte die Sprache der Bewohner des schweizerischen Orts Chur bezeichnen. Das Rätoromanisch der Churer (obd. Kaurer) empfanden die angrenzenden Germanen als unverständlich. Das Wort K. bietet im Kontext interkulturellen Lernens ggf. einen guten Gesprächsanlass zum Austausch über wertende Attribuierungen fremder Sprachen und die (historischen) Hintergründe solcher Attribuierungen. Anna Peterwerth Kausalsatz, der: Nebensatzart, die im engeren Sinne die Ursache eines zu beschreibenden Sachverhaltes angibt und mit den Konjunktionen da oder weil eingeleitet wird. In einem weiteren Verständnis werden auch die Nebensatzarten Konditional-, Konzessiv-, Konsekutiv- und Finalsatz zur Gruppe der Kausalsätze gerechnet. Im GeR wird die produktive Verwendung erster einfacher K. für das Niveau A2 vorgeschlagen. Charlotte Köhler kausatives Verb: transitives Verb. Der Subjektreferent verursacht einen Vorgang, der das Objekt in der Patiensrolle betrifft. Typischerweise wird eine Zustandsveränderung ausgedrückt, diese lässt sich mit einem intransitiven Verb beschreiben, dessen Subjektreferent mit dem Objektreferenten des k.V. identisch ist. (Die Sonne trocknet die Kleidung Akk vs. intransitiv: Die Kleidung Nom trocknet.) Mandy Höhle Kausativkonstruktion, die: Der Subjektaktant der K. veranlasst den Objektaktanten etwas zu tun. Wird mit lassen + Infinitiv des Vollverbs gebildet (z.B. Der König lässt seine Angestellten kommen). Nicht zu verwechseln ist dies mit einer ähnlichen Konstruktion, die jedoch ausdrückt, dass jemandem etwas überlassen wird. (z.B. Klaus lässt Susanne kochen = 1. Klaus veranlasst Susanne dazu zu kochen. = K.; 2. Klaus überlässt es Susanne zu kochen.) Mandy Höhle <?page no="163"?> 152 KDS (Kleines deutsches Sprachdiplom) KDS (Kleines deutsches Sprachdiplom): 1962 vom Goethe-Institut entwickelte Sprachprüfung mit Schwerpunkt auf literarischen Texten, die Deutschkenntnisse auf dem gehobenen Mittelstufen-Niveau (aktuell C2 nach GeR) verlangt. Korrektur und Bewertung erfolgen zentral in München. Das KDS kann an Goethe-Instituten und an weiteren lizenzierten Prüfungszentren im In-und Ausland abgelegt werden und stellt einen anerkannten Sprachnachweis zum Hochschulzugang an deutschen Universitäten dar. Das KDS ist dem Deutschen Sprachdiplom der KMK Stufe 2 gleichgestellt. Goethe-Institut (2000), Kleines Deutsches Sprachdiplom für Ausländer: Informationen für Interessentinnen und Interessenten, München. Charlotte Köhler Kindersprache, die: die Sprache von Kindern zwischen 0 und ca. 11 Jahren. Ausgangspunkt ist die Systematik der Sprache, die Kinder in ihrem Umfeld wahrnehmen und - zunächst oft in übergeneralisierter Form - nachahmen. Die K. durchläuft in allen Sprachbereichen (Laut, Wort, Syntax, Semantik, Pragmatik) spezifische Entwicklungsstufen ( Spracherwerb). K. dient von Anfang an der sprachlichen Interaktion. Das gilt bereits für die Lallphase. Ab dem 10. Lebensmonat beginnen Kinder einzelne Worte zu artikulieren. Einwort- und Zweiwortsätze sind die ersten syntaktischen Strukturen der K., die bereits im Alter von 1-1,5 Jahren formuliert werden. Einige komplexe syntaktische Konstruktionen kommen in der gesprochenen Sprache kaum vor. Somit gibt auch der Schriftspracherwerb wichtige Impulse für die Entwicklung der K. Weil der Erwerb von weiteren Sprachen auf den in der Erstsprache entwickelten sprachlichen und kognitiven Strukturen aufbaut, ist es für den Frühbeginn in einer Fremdbzw. Zweitsprache wichtig, dass parallel der zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossene Spracherwerb in der Erstsprache weitergeführt und gefördert wird. Butzkamm, W./ Butzkamm, J. (2004), Wie Kinder sprechen lernen. Kindliche Entwicklung und die Sprachlichkeit des Menschen, 2. Aufl., Tübingen. Ulrike Eder Kinesik, die: Teildisziplin der Kommunikationswissenschaft, die menschliches Bewegungsverhalten auf seine kommunikative Relevanz, v.a. im Zusammenspiel mit der linguistisch beschreibbaren Verbalsprache, untersucht und mit Hilfe eines Notationssystems beschreibt. Häufig dient K. als Oberbegriff für nonverbale Kommunikation oder Körpersprache. Analog zu linguistischen Struktureinheiten postulierte Birdwhistell (1952), dass sich eindeutig definierbare bedeutungsunterscheidende Bewegungseinheiten (Kineme) gruppieren lassen und zusammen mit anderen Bewegungseinheiten, sog. Kinemorphe, bilden. Er vermutete eine ‚Grammatik‘ der Kinemorphe, d.h. er suchte nach Gesetzmäßigkeiten, welche den kommunikativen Körperbewegungen zugrunde liegen. Zugleich verwies er auf die Bedeutung des situativen Kontexts zur Bedeutungsentschlüsselung. Birdwhistell, R. L. (1952), Introduction to Kinesics: An Annotated System for the Analysis of Body Motion and Gestures, Louisville. Manuela Knötig Klassenkorrespondenz, die: Briefwechsel zwischen gleichaltrigen Schülern an unterschiedlichen Schulen. Dazu bedarf es einer Kontaktsprache, die eventuell für beide Partner eine Fremdsprache darstellt. Der Austausch ermöglicht eine authentische Kommunikation. Sie kann auch als Email-Korrespondenz realisiert werden. Nicht zu unterschätzen ist bei K. auch ein möglicher persönlicher Gewinn für die Lernenden. Sie können aus diesem Briefkontakt persönliche Beziehungen - im Sinne von Brieffreundschaften - knüpfen und ausbauen. In der Freinet-Pädagogik ersetzt die K. die künstlichen Lehrbuchtexte und ermöglicht den Gebrauch der Fremdsprache zur direkten Verständigung. Der Klassenraum wird zur „Werkstatt“, in der die Lernenden gemeinsam die Korrespondenz vorbereiten. Ilona Feld-Knapp Kleines Deutsches Sprachdiplom: s. KDS Kleingruppenarbeit, die: 1. bezeichnet die Aufteilung einer Großgruppe in mehrere arbeitsfähige Kleingruppen (meist 3-6 Personen) zur Bearbeitung gleicher oder unterschiedlicher Themen/ Aufgaben. Die Zusammensetzung der Kleingruppen kann nach verschiedenen Kriterien erfolgen (Niveau, Leistung, Herkunftssprache, Interessen u.a.). K. dient häufig der Lösung von Heterogenitätsproblemen ( Heterogenität) und als Mittel zur inneren Differenzierung, wobei K. nicht mit <?page no="164"?> Kode/ Code 153 innerer Differenzierung gleichzusetzen ist, sondern diese nur begünstigt. 2. Der Terminus K. bezeichnet in der Erwachsenenbildung auch die Arbeit mit kleinen Lerngruppen (8-15 Personen) und gilt als Qualitätskriterium, um Lernenden optimale Bedingungen (Interaktion, Redezeit) zu bieten. Nadja Kerschhofer-Puhalo Klitikon, das: Das K. bezeichnet eine schwach betonte Spracheinheit (meist Morphem, aber auch Synsemantikon), die sich an eine benachbarte, akzentuierte Einheit anlehnt. Das K. hat i.d.R. die morphologische Form eines eigenständigen Wortes, da es sich aber um eine streng unbetonte Einheit handelt, wird das K. oft eine zu Konsonanten reduzierte Form. Dies kann proklitisch, also von vorn an das akzentuierte Wort wie in frz. <tu as> zu <t’as> oder dt. <das Haus> zu <’s Haus> und enklitisch, also von hinten an das akzentuierte Wort wie in engl. <could not> zu <couldn’t> oder dt. <hast Du> zu <haste> geschehen ( Enklitikon). Beate Redecker KMK (Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland): Zusammenschluss der Kultusminister bzw. -senatoren der deutschen Bundesländer. Die KMK beschäftigt sich mit Aspekten der Bildungs-, Forschungs- und Kulturpolitik, die von überregionaler Bedeutung sind, z.B. mit der Sicherung von Qualitätsstandards im Bildungswesen und der Förderung von Bildungs- und Wissenschaftskooperationen. Internetadresse: www.kmk.org Anna Peterwerth Knacklaut, der: Syn. Kehlkopfknacklaut, Glottisplosiv, Glottisschlag, fester Stimmeinsatz, Ventiltönchen, Vokalneueinsatz; der K. ist ein stimmloser konsonantischer Laut, er entsteht aufgrund der Sprengung des Stimmlippenverschlusses und ist als leises Explosionsgeräusch hörbar. Im Deutschen hat der K. keinen Phonemstatus ( Phonem) und ist auch kein selbstständiger Laut. Er tritt als Grenzsignal (Vokalneueinsatz) nur vor silbeninitialen Vokalen auf (be | achten [ ʔ a]), und zwar häufiger bei langsamem, sorgfältigem Sprechen und besonders wenn der Vokal zu einer akzentuierten Silbe gehört. Beim schnellen Sprechen fällt er oft weg. Für DaF-/ DaZ-Lernende ergeben sich Probleme, weil der K. in den meisten anderen Sprachen nicht vorkommt. Er muss wegen seiner Bedeutung als Grenzsignal geübt werden (im |Ei vs. im ∞ Mai). Kerstin Reinke Koartikulation, die: das artikulatorisch ( Artikulation) bedingte Ineinandergreifen der Sprechbewegungen bei benachbarten Lauten. So werden z.B. bei der Bildung des Wortes Bühne schon beim anlautenden Konsonanten [b] die Lippen gerundet, weil der darauf folgende Vokal gerundet ist (im Gegensatz zu Biene). Bei hoher Sprechspannung und niedriger Sprechgeschwindigkeit lässt sich die K. auditiv nicht wahrnehmen. Bei schnell und ungespannt gesprochenen Äußerungen kommt es jedoch zu deutlich wahrnehmbaren Reduktionen bzw. Lautreduzierungen, Elisionen und Assimilationen, die sprachabhängig sind. Im Deutschen treten sie besonders in den nicht betonten und damit ungespannten Äußerungsteilen auf. Ursula Hirschfeld Kode/ Code, der: wird als Anweisung bzw. Vorschrift verstanden, Informationen von Zeichenmengen eines Repertoires in Zeichenmengen eines anderen Repertoires zu konvertieren. Dazu wird vorausgesetzt, dass der K. allen Kommunikationsteilnehmern bekannt ist. K. wird auch im Sinne systemischer Sprachgebrauchspräferenzen in Abhängigkeit von den (i) Teilnehmern einer Interaktion in einer bestimmten sozialen (ii) Umgebung mit Bezug auf bestimmte (iii) Themen verwendet. Jeder dieser drei sozialen Faktoren determiniere andere Wahlen von Zeichenkombinationen. Die Kodierung der Zeichenkombinationen auf der phonetisch-phonologischen, morpho-syntaktischen, semantischen und pragmatischen Ebene erfolge je nach situativem, teilnehmerspezifischem und themenbezogenem Zuschnitt der Rede unterschiedlich. Schließlich wird unter Kodewechsel ( Codeswitching) das regelhafte Wechseln von einem einzelsprachlichen K. (z.B. Deutsch) und einem anderen einzelsprachlichen K. (z.B. Suahili) innerhalb und zwischen Sätzen verstanden. Die forschungsleitende Frage lautet, wie Elemente des einen mit solchen des anderen K. kombiniert werden (können). Das Wechseln von Varietäten im Rahmen einer Einzelsprache (z.B. zwi- <?page no="165"?> 154 Kodetheorie schen Bayrisch und der deutschen Standardvarietät) wird in Analogie als Kodeverschiebung (code shifting) bezeichnet. Ein repräsentativer Überblick über den Stand der Forschung in diesem Bereich findet sich in Milroy (1995). Dittmar, N. (1973), Soziolinguistik. Kritische Darstellung ihrer Theorie, Empirie und Anwendung, Frankfurt a. M. - Milroy, L., Hrsg. (1995), One speaker, two languages: Crossdisciplinary perspectives on code-switching, Cambridge. Norbert Dittmar Kodetheorie, die: Bernsteins Theorie der Kodes besagt, dass Sprecher unterschiedlicher sozialer Schichten signifikant verschiedene morphosyntaktische und semantische Strukturmuster produzieren. Dass die Sprachverwendung schriftferner Schichten insgesamt weniger verschiedene Wörter, diese aber öfter benutzt, während schriftnahe Schichten mehr unterschiedliche Wörter und diese in differenzierterer Weise nutzen, gilt zwar nicht als bewiesen, aber als plausibel empirisch belegt. Die Theorie stellt dem negativ bewerteten restringierten Kode (Unterschicht) den standardnahen elaborierten Kode (Mittelschicht) gegenüber. Die Gegner einer Defizittheorie (Minderwertigkeit des restringierten Kodes) haben als Alternative die Differenzhypothese aufgestellt, die die Unterschiedlichkeit der beiden Kodes hervorhebt. Ammon, U. (1972), Dialekt, soziale Ungleichheit und Schule, Weinheim. - Dittmar, N. (1973), Soziolinguistik. Kritische Darstellung ihrer Theorie, Empirie und Anwendung, Frankfurt a. M. Norbert Dittmar Kognition, die: umfasst die Gesamtheit von Prozessen, die mit der Wahrnehmung von Informationen, ihrer Verarbeitung und Speicherung im Gedächtnis sowie ihrer Nutzung und Anwendung in spezifischen Situationen verbunden sind. Anfang der 1960er Jahre vollzog sich in der Psychologie die Abwendung vom Behaviorismus, oft als kognitive Wende bezeichnet (Schwarz 2008, 11). Roth (1994, 29 f.) differenziert zwischen nichtkognitiven neuronalen Prozessen (rein physiologische Ereignisse, neuronale und präkognitive Prozesse) und kognitiven, d.h. bedeutungshaften Prozessen. K. wird als Informationsverarbeitung verstanden, die im kognitiven System geleistet wird. Ein kognitives System wird aus der Perspektive seines Aufbaus/ Tektonik (unterschiedliche mentale Repräsentationen von Wissen, z.B. Schema, Skript, Frame, Proposition), seiner Funktionsweise/ Dynamik ( Top-down- und Bottom-up-Verarbeitungsprozesse) und seiner Veränderbarkeit/ Genetik (Modelle des Lernens) beschrieben. (vgl. Wolff 2002, 33 f.). Wolff, D. (2002), Fremdsprachenlernen als Konstruktion: Grundlagen für eine konstruktivistische Fremdsprachendidaktik, Frankfurt a. M. - Roth, G. (1994), Das Gehirn und seine Wirklichkeit, Frankfurt a. M. - Schwarz, M. (2008), Einführung in die kognitive Linguistik, 3. Aufl., Tübingen. Barbara Biechele Kognitionswissenschaft, die: auch: cognitive science. Die K. ist als ein interdisziplinärer Ansatz zur Erforschung von künstlichen und natürlichen Wahrnehmungs-, Erkennens-, Denk-, Wissens- und Handlungsleistungen, ihren Erscheinungsformen, ihren Strukturen und den dabei ablaufenden Prozessen zu verstehen (vgl. Pospeschill 2004, 16). Arbeiten der Psychologie, Philosophie, Informatik, Linguistik sowie Neurowissenschaft haben wesentlichen Einfluss auf die Herausbildung der K. Auch die Entwicklung des Computers, durch die sich eine Sprache zur Beschreibung von Prozessen der Informationsverarbeitung etablierte, leistete einen wesentlichen Beitrag für die Formulierung der Modelle und Theorien der K. Pospeschill, M. (2004), Konnektionismus und Kognition. Eine Einführung, Stuttgart. Barbara Biechele kognitiv: s. Kognition, s. Kognitivierung Kognitivierung, die: Einsatz von auf Bewusstmachung zielenden unterrichtsmethodischen Verfahren (Lehrverfahren), d.h. die Gerichtetheit des Lehrverhaltens auf kognitives Lernen als bewusstes, einsichtiges, sinnvolles Lernen (vgl. Tönshoff 1992, 14). Der Begriff K. wird in der fremdsprachenmethodischen Diskussion sowohl für Prozesse der Verarbeitung und des Lernens sprachlicher Phänomene (z.B. im Bereich der Grammatik, Pragmatik) als auch für die Vermittlung von Lernstrategien verwendet. Tönshoff, W. (1992), Kognitivierende Verfahren im Fremdsprachenunterricht: Formen und Funktion, Hamburg. Barbara Biechele Kohärenz, die: K. ist vor allem eine Eigenschaft von Texten; sie gilt als das zentrale Kriterium für Textualität. K. meint spezifisch den seman- <?page no="166"?> Kommunikation 155 tisch-kognitiven Sinnzusammenhang in Texten, der sich z.B. in der Wiederkehr bestimmter sprachlicher Elemente etwa in semantischen Netzen (z.B. Schlange - Kino oder Schlange - Dschungel - gefährlich) oder in einer spezifischen thematischen Entfaltung oder einer Makrostruktur zeigt. K. ist nicht notwendigerweise in einem Text vorhanden, sondern wird vom Textproduzenten und Textrezipienten hergestellt. In einem weiten Verständnis umfasst K. auch die Kohäsion als formale K.. Maria Thurmair Kohäsion, die: Begriff aus der Textlinguistik bzw. Textgrammatik; die K. wird als Eigenschaft von Texten behandelt und als wesentliches Merkmal der Textualität gesehen: K. betrifft die Verbindungen auf der Oberfläche eines Textes, beruht auf grammatischen, morphosyntaktischen Abhängigkeiten und Mitteln der Verknüpfung und wird bestimmten sprachlichen Strukturen zugeschrieben, die Elemente wiederholen, ersetzen oder verknüpfen, wie etwa Mittel der Verweisung/ Textphorik (z.B. Proformen/ Verweisformen) sowie Ellipsen, Konnektoren (z.B. Konjunktionen, Subjunktionen), Thema- Rhema-Gliederung, thematische Progression oder Tempus, z.B. Um die Ecke kam eine Frau. Die Frau war völlig außer Atem, denn sie wollte den Bus unbedingt noch erwischen. K. wird nicht immer streng von Kohärenz getrennt, sondern bisweilen als eine Unterform der Kohärenz (nämlich als formale Kohärenz) gesehen. Maria Thurmair Kollokation, die: 1. In sprachwissenschaftl. Kontexten wird mit K. das häufige gemeinsame Vorkommen von i.d.R. zwei Wörtern in einem Syntagma bezeichnet. Diese Wortpaare (v.a. Adjektiv + Nomen und Nomen + Verb) sind mehr oder weniger fest und können kontextuell erwartbar sein (blond - Haare/ Bier, Auto - bremsen, Obst - entkernen); Adjektive z.T. nur attributiv: *Das Bier ist ja blond! ). Für den FU sind K. eine Hilfe beim Erwerb neuer Lexik ( Chunk) und bei der Bedeutungserschließung im Kontext. Signifikante Häufigkeit und Festigkeit der K. sind in digitalen Korpora leicht ermittelbar, vgl. Kollokationstest. 2. K. i.w.S.: durch Korpusanalyse ermittelte beliebige Wortkombination zu statistischen oder anderen Zwecken, z.B. Integration + Türkei. Eva-Maria Willkop Kollokationstest, der: Verfahren der distributionellen Korpusanalyse, v.a. in der Lexikologie angewandt. Die Suche und Klassifikation von möglichen und ausgeschlossenen Kontextpartnern erlaubt Rückschlüsse auf die semantischen Strukturen eines Lexems, z.B. über verschiedene denotative, konnotative oder stilistische Bedeutungen in verschiedenen Kollokationen. Bsp.: fett als Attribut: fette Wurst, fetter Mann, fette Nachzahlung; fett als Adverbial: fett unterstreichen, fett feiern (Jugendsprache). Manchmal auch Test zum Erproben von (nur partieller) Äquivalenz von Synonymen und von Mehrdeutigkeiten: fetter/ dicker Mann vs. fette/ * dicke Wurst; der DJ ist total fett! (= dick oder hervorragend). Eva-Maria Willkop Kommunikation, die: Der Begriff wird in unterschiedlicher Weise gebraucht, um auf Prozesse der Informationsübermittlung zu verweisen. Man kann zwischen interpersonaler K. sowie K. über Massenmedien bzw. technisch vermittelter K. unterscheiden. Mit der Entwicklung elektronischer Medien erlangt dabei K. über Internet und virtuelle Kommunikation zunehmende Bedeutung. Entsprechend breit und unterschiedlich sind auch die Untersuchungsbereiche von Kommunikationswissenschaft. Es gibt eine Vielzahl von Kommunikationsmodellen, die versuchen, den Prozess der Nachrichtenübermittlung zu fassen. Besondere Verbreitung fand das Modell von Shannon und Weaver mit den Komponenten Sender, Empfänger und Kanal als Weg der Übertragung für Signale, die über einen bestimmten Kode vermittelt werden. K. kann weiters auch als Prozess mit verschiedenen Phasen (Senden/ Kodieren, Vermitteln/ Übertragen und Empfangen/ Dekodieren) gesehen werden. In der Folge wurden zahlreiche weitere Modelle, auch mit stärkerer Ausdifferenzierung in einzelnen Bereichen sowie unter stärkerer Berücksichtigung von Rückmeldung entwickelt. Als wesentliche Merkmale werden z.T. Wechselseitigkeit und Intentionalität angesehen. Speziell bezogen auf sprachliche K. ist auch Reflexivität in Form von wechselseitigen Erwartungen der Interaktanten bedeutsam. Für sprachliche K. ist die Formel von Lasswell „Wer sagt was mit welchen Mitteln zu wem mit welcher Wirkung? “ von besonderer Bedeutung. Einen sehr weiten Kommunikationsbegriff vertreten Watzlawick u.a. über das Axiom „man kann nicht nicht kommunizieren“, indem <?page no="167"?> 156 Kommunikationsfähigkeit hervorgehoben wird, dass jegliche Art des Verhaltens Informationen und Beziehungsaspekte beinhaltet, womit generell die Perspektive von K. als Feld sozialen Handelns ( Pragmatik) angesprochen ist. Speziell in Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht und die Unterrichtsforschung sind die Unterrichtskommunikation und Unterrichtsinteraktion von Interesse. Hierbei wird untersucht, wie zwischen Lehrenden und Lernenden, aber auch unter Lernenden kommuniziert wird ( Unterrichtssprache). Im Vordergrund steht dabei die Frage, inwiefern die Art der K. bzw. Unterrichtsinteraktion Lernprozesse und Ausdrucksmöglichkeiten der Lernenden ermöglicht und damit fördert oder einschränkt. Mit der sog. ‚kommunikativen Wende‘ wurde die Förderung der Kommunikationsfähigkeit der Lerner als kommunikative Kompetenz vorrangiges Lernziel des Fremdsprachenunterrichts. Lasswell, H. D. (1948), „The Structure and the Function of Communication in Society“, in: Bryson, L. (ed.), The Communication of Ideas, New York. - Maletzke, G. (1998), Kommunikationswissenschaft im Überblick. Grundlagen, Probleme, Perspektiven, Opladen. - Shannon, C. E./ Weaver, W. (1949 [1998]), The Mathematical Theory of Communication, Urbana. - Watzlawick, P./ Beavin, J. H./ Jackson, D. D. (1967 [2007]), Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien, 11. Aufl., Bern u.a. Martina Rost-Roth Kommunikationsfähigkeit, die: Lehr- und Lernziel des Fremdsprachenunterrichts, das sich an den Bedürfnissen der sprachlichen Interaktion in authentischen Zusammenhängen orientiert ( kommunikative Kompetenz). Es handelt sich um eine komplexe Fähigkeit, bei der mehrere Dimensionen sprachlichen Handelns zusammenwirken, die sich differenzieren lassen in sprachsystematische (grammatische, lexikalische, phonologische bzw. graphische) Kenntnisse, Wissen um Kommunikationsstrategien sowie pragmatische und sozio-kulturelle Kompetenzen. Europarat (2001), Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen, Berlin. Renate Freudenberg-Findeisen Kommunikationsgemeinschaft, die: Der Begriff der K. spielte zunächst in der Sprachphilosophie eine Rolle (vgl. z.B. Karl Otto Apel). K. zeichnen sich - zumindest idealiter - dadurch aus, dass sie über die gleiche Sprache sowie gleiche Regeln der Sprachverwendung und des Sprachgebrauchs bzw. entsprechende Normen verfügen. Auch in der Soziolinguistik und bei der Betrachtung interkultureller Kommunikation wird die Kommunikationsgemeinschaft als Einheit gesehen. In diesem Zusammenhang impliziert der Begriff bei Gumperz (1971) jedoch nicht zwangsläufig sprachliche Homogenität. Nicht zuletzt kann es auch in Beachtung eines differenzierten Verständnisses von Kultur bei gleicher Sprache unterschiedliche Kommunikationsgemeinschaften geben, wie sich dies in Untersuchungen zu deutsch-deutschen Kommunikationen und Vergleichen abzeichnete. Gumperz, J. J. (1971), Language in Social Groups, Essays selected and introduced by Dil, A. S., Stanford. Martina Rost-Roth Kommunikationsstrategie, die: Mit dem Terminus K. wird in der Fremd- und Zweitspracherwerbsforschung vorrangig auf Strategien verwiesen, die Nichtmuttersprachler bzw. Lerner einer Sprache einsetzen, wenn sie in der Zielsprache nicht über die entsprechenden Mittel verfügen, um etwas auszudrücken. ‚Communication Strategies‘ wurden bereits bei Selinker und Corder im Rahmen von Zweitspracherwerbstheorien thematisiert. Bei der Betrachtung von K. werden verschiedene Arten von Strategien wie ‚achievement strategies‘, die auf Problemlösung ausgerichtet sind, und Ersatz- und Kompensationsstrategien sowie Vermeidungsstrategien unterschieden. Eine Vielzahl von Arbeiten versucht, verschiedene Ausprägungen von K. über Typologien zu fassen. Empirische Untersuchungen arbeiteten anfangs vorrangig mit experimentellen Settings. Während K. zunächst als monologische Produktionen untersuchten wurden, rückten mit der Zeit auch interaktionistische und später kognitivistische Perspektiven in den Vordergrund. In der Fremdsprachendidaktik wird die Vermittlung von K. als Möglichkeit gesehen, kommunikative Kompetenz trotz beschränkter zielsprachlicher Ausdrucksmittel zu fördern. Auch im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen wird die Vermittlung von K. - neben anderen Strategien - als wesentliches Ziel fremd- und zweitsprachlichen Unterrichts thematisiert. Byalistock, E. (1990), Communication Strategies. A Psychological Analysis of Second-Language Use, Oxford. Martina Rost-Roth <?page no="168"?> kommunikative Kompetenz 157 Kommunikationswissenschaft, die: wird in den Sozial- und Geisteswissenschaften zum einen verstanden als die Wissenschaft, die sich mit der systematischen Erforschung von Nachrichtenübermittlung zwischen ‚Sendern‘ und ‚Empfängern‘ ( Kommunikation) unterschiedlichster Art befasst. Zum anderen wird unter K. die Befassung mit durch Medien vermittelter Kommunikation verstanden und ist hiermit hauptsächlich in der Publizistik verankert. Die Befassung mit Kommunikation hat ihre Wurzeln bereits in der antiken Rhetorik. In neuerer Zeit haben u.a. die Auseinandersetzung mit der Persuasion (Überredung, Überzeugung) und die Entwicklung von Massenmedien Schwerpunkte gesetzt. Dabei kamen zunehmend auch empirische Methoden zur Anwendung. K. ist in unterschiedlichen Ausprägungen auch als Studiengang und Forschungsbereich an Universitäten vertreten. Maletzke, G. (1998), Kommunikationswissenschaft im Überblick. Grundlagen, Probleme, Perspektiven, Opladen. - Schmidt, S. (2000), Orientierung Kommunikationswissenschaft. Was sie kann, was sie will, Reinbek. Martina Rost-Roth kommunikative Didaktik: ein Modell des Unterrichtens, in dem die Interaktion zwischen den Unterrichtspartnern im Mittelpunkt steht. Wissen wird danach nicht unidirektional vorgegeben und vermittelt, sondern durch Interaktion zwischen den Unterrichtspartnern gemeinsam aufgebaut. In der Fremdsprachendidaktik fällt die k.D. zeitlich mit dem Auftauchen der kommunikativen Kompetenz und der beginnenden Diskussion über die Lernerautonomie zusammen. Dies führt zu der Vorstellung von Fremdsprachenunterricht als einem Ort, an dem Bedeutung durch gegenseitigen Austausch aller am Unterricht beteiligten Personen aufgebaut wird, wobei den Lernenden aufgrund ihrer Autonomie ein erhebliches Mitspracherecht für die Ausgestaltung der Interaktion und der Kommunikation zukommt. Die Ausrichtung des Unterrichts erfolgt in stärkerem Maße als in vorangehenden didaktischen Modellen an den Bedürfnissen der Lerner. Eine inhaltliche Verzahnung mit dieser didaktischen Konzeption ergibt sich durch die in den 1980er Jahren zunehmende Bedeutung der Pragmalinguistik für die Fremdsprachendidaktik, die an die Stelle der alten Wortartengrammatik Sprachhandlungen und Sprachfunktionen als Ordnungskategorien für die Progression im Fremdsprachenunterricht setzt, was zu einem völlig anderen Aufbau fremdsprachlicher Lehrwerke führt. Nicht zuletzt auch unter Bezug auf die Bedeutung von Sprachhandlungen für das Erlangen kommunikativer Kompetenz stellt das Aushandeln über die unterrichtlichen Zielsetzungen, Inhalte und Verfahren ein wesentliches Element der k.D. dar. Piepho, H.-E. (1980), Deutsch als Fremdsprache in Unterrichtsskizzen, Heidelberg. Frank G. Königs kommunikative Grammatik: uneinheitlich definierter und verwendeter Begriff für ein spezifisches Konzept einer didaktischen Grammatik für Belange des Lernens und Lehrens von Fremdsprachen. Dabei referiert „kommunikativ“ auf den Begriff der kommunikativen Kompetenz als übergeordnetem Lernziel. Ein frühes, umfassendes Konzept einer KG auf dem Hintergrund entsprechenden Bedarfs im DaZ-Kontext hat Barkowski (1982) vorgelegt. Als theoretische Grundlagen des Modells dienen Ansätze der linguistischen Pragmatik, insbes. der Sprechakttheorie, und das Sprachbeschreibungsmodell der funktionalen Grammatik. Den Ausgangspunkt der Konzeption bilden die Versprachlichungsbedürfnisse bzw. -intentionen der Fremdsprachenlerner, diesen sind geeignete Sprachmittel - lexikalische wie grammatische und intonatorische - zuzuordnen. (s. dazu ggf. auch Grammatikvermittlung). Für das Deutsche liegen inzwischen einige solcher Zuordnungen für ausgewählte sprachlich-kommunikative Handlungsfelder vor ( Feldergrammatik; Valenzwörterbuch). Ein zentrales Desiderat ist dagegen weiterhin die systematische und theoretisch überzeugende Kategorisierung der grundlegenden sprachlichen Bausteine kommunikativer Handlungskompetenz in der Funktion des gliedernden Ordnungsprinzips einer KG. Barkowski, H. (1982), Kommunikative Grammatik und Deutschlernen mit ausländischen Arbeitern. Ein Modell, Königstein/ Ts., (2. Aufl. 1986/ Mainz). - Götze, L. (1999), „Eine funktionale Grammatik für Deutsch als Fremdsprache“, in: Skibitzki, B./ Wotjak, B. (Hrsg.), Linguistik und Deutsch als Fremdsprache. Festschrift für Gerhard Helbig zum 70. Geburtstag, Tübingen, 81-94. Hans Barkowski kommunikative Kompetenz: 1. Begriffsgeschichte Unter dem Stichwort k.K. wurde zunächst in der US-amerikanischen Ethnographie des Sprechens <?page no="169"?> 158 kommunikativer Fremdsprachenunterricht (Dell Hymes) ein Gegenkonzept zum Chomskyschen Kompetenz-Konzept vorgetragen, durch das die Verkürzungen des Chomskyschen Sprachbegriffs kritisiert wurden. Viele Phänomene der k.K. in diesem Sinn sind bei Chomsky gerade als Teile der Performanz von der systematischen linguistischen Analyse ausgeschlossen. Eine zweite Nutzung des Ausdrucks erfolgte durch Habermas in seinem Modell einer universalen Kommunikationstheorie: Hier bezeichnet die k.K. als regulative Idee die kommunikative Herstellung und Unterhaltung sozialer Beziehungen. 2. K.K. als Leitbegriff der Sprachdidaktik Zu Beginn der 1970er Jahre hat Piepho den Begriff der k.K. aus der anglo-amerikanischen Diskussion aufgegriffen und im deutschsprachigen Raum zur Begründung eines kommunikativen Fremdsprachenunterrichts genutzt. Während die zuvor genannten Verwendungen des Begriffs in spezifische Theoriekonstrukte integriert bzw. eingebettet sind, wird in der pädagogischen und der (fremd-)sprachdidaktischen Literatur k.K. in Anspruch genommen, um eine allgemeine Befähigung des Menschen zur Kommunikation zu bezeichnen, eine Befähigung, die durch pädagogische Bildungsprozesse erweitert oder allererst ausgebildet werden soll und kann. Insbesondere in der Fremdsprachendidaktik richtet sich der Ausdruck kritisch gegen die Reduktion von Lerngegenständen auf bloße Systemaspekte von Sprache, wie sie in extremer Weise in der Grammatik-Übersetzungsmethode im Mittelpunkt standen, aber auch in die Sprache ähnlich verkürzenden Grammatiktheorien heute wieder grundlegend sind. In diesem Sinn ist die Vermittlung und die Ausbildung k.K. ein wichtiges Ziel des Fremdsprachenunterrichts und eine zentrale Aufgabe einer realistischen Fremdsprachdidaktik. Vermittlungsmethodisch verlangt die zentrale Stellung dieses Lernziels einen Fremdsprachenunterricht, der die Lerner optimal motiviert und der ihnen umfängliche Möglichkeiten zur Aneignung der fremden Sprache als Ensemble von Handlungsmitteln für das Kommunizieren in dieser Sprache bereitstellt. Zahlreiche neuere fremdsprachendidaktische Modelle sind diesen Zielen verpflichtet ( kommunikative Didaktik). Brill, L. M. (2005), Lehrwerke/ Lehrwerkgenerationen und die Methodendiskussion im Fach Deutsch als Fremdsprache, Aachen. - Habermas, J. (1971), „Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der Kommunikativen Kompetenz“, in: Habermas, J./ Luhmann, N. (Hrsg.), Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie. Frankfurt a. M., 101- 140. - Hymes, D. (1968), „Ethnography of Speaking“, in: Fishman, J. A. (Hrsg.), Readings in the Sociology of Language, Den Haag, 99-138. - Legutke, M., Hrsg. (2008), Kommunikative Kompetenz als fremdsprachendidaktische Vision, Tübingen. - Piepho, H. E. (1974), Kommunikative Kompetenz als übergeordnetes Lernziel im Englischunterricht, Dornburg-Frickhofen. Konrad Ehlich kommunikativer Fremdsprachenunterricht: Der Begriff der kommunikativen Kompetenz lässt sich auf zwei unterschiedliche Entwicklungen zurückführen, die beide als Grundlage für den k.F. gesehen werden können: zum einen die Aufwertung der von Chomsky vernachlässigten Performanz, d.h. die Beschäftigung mit Fragen der Sprachverwendung und des Sprachgebrauchs in der Pragmalinguistik (Hymes 1972), zum andern das philosophische und emanzipatorische Konzept von kommunikativer Kompetenz bei Habermas und Luhmann (1971). Piepho (1971) hat beide Ansätze verknüpft und im deutschen Sprachraum für den Fremdsprachenunterricht fruchtbar gemacht. Kommunikative Kompetenz wird als oberstes Lernziel für einen k.F. formuliert. Diese „kommunikative Wende“ in den 1970er Jahren begründet mit der Entwicklung neuer Lehrpläne und der Erarbeitung von materialreichen Grundlagen in den Sprachenprojekten des Europarats (für Deutsch: Kontaktschwelle 1981) den k.F. Impulse der audiolingualen und der audiovisuellen Methode wie Authentizität und Situativität werden aufgegriffen und weiterentwickelt. Fremdsprachenlernen wird im Sinne der Sprechakttheorie (Austin 1972, Searle 1971) als handlungsorientierter Vorgang gesehen, dessen Ziel der authentische Gebrauch der Sprache und die Fähigkeit der Lernenden, sprachlich angemessen zu handeln, ist. Fremdsprachliches Können steht im Mittelpunkt, Mündlichkeit hat Vorrang vor Schriftlichkeit, die Lernenden als Subjekte des Unterrichts stehen im Zentrum, was eine Neudefinition der Rolle der Lehrenden als Helfende im Lernprozess mit sich bringt, ebenso neue Unterrichtsformen wie Rollenspiele, Simulationen, Projekte, u.ä. Mit dem ersten kommunikativen Lehrwerk für DaF, „Deutsch aktiv“ (Neuner u.a. 1979 ff.), wird der kommunikative Deutschunterricht weltweit als Methode etabliert. Der emanzipatorische Ansatz (vgl. Dietrich 1974) tritt hinter dem angelsächsischen pragmatisch-funktionalen Konzept zurück: Es geht dar- <?page no="170"?> Komparativ 159 um, rollen- und situationsangemessene Sprechhandlungen zu erlernen, die es erlauben, die eigenen Sprechintentionen zu verwirklichen. Die Grammatik verliert ihre führende Rolle. In den 1980er Jahren wird der pragmatisch-funktionalen Ansatz weiter entwickelt: neben dem kommunikativen Handeln („sprechen mit“) kommt auch dem (Text-)Verstehen eine größere Bedeutung zu, auch literarische Textsorten spielen wieder eine Rolle, „Sprechen über“ (Erzählen) wird wichtig, die Ausgrenzung der Grammatik wird im „postkommunikativen Fremdsprachenunterricht“ zugunsten der Entwicklung von Sprachbewusstsein zurückgenommen. Baldegger, M. u.a. (1981), Kontaktschwelle Deutsch als Fremdsprache, Berlin/ München. - Dietrich, I. (1979), 2. Aufl., Kommunikation und Mitbestimmung im Fremdsprachenunterricht, Königstein. - Hymes, D. (1972), „On communicative competence“, in: Pride, J. B./ Holmes, J. (Hrsg.), Sociolinguistics: Selected Reading, Harmondsworth, 269-293. - Piepho, H. E. (1974), Kommunikative Kompetenz als übergeordnetes Lernziel im Englischunterricht, Dornburg. Renate Faistauer kommunikative Validierung: dialogisches Verfahren in der qualitativen Forschung, mithilfe dessen Forscher den Wahrheitsgehalt, die Validität, einer Dateninterpretation durch Rücksprache mit den Untersuchungsteilnehmern überprüfen. K.V. bedient sich dazu häufig auch Strukturlegeverfahren. Hierbei werden durch die Untersuchungsteilnehmer Strukturbilder zum Untersuchungsgegenstand erstellt (wobei z.B. transkribierte Interviewpassagen in einen systematischen Zusammenhang gebracht werden); und die dabei entstandenen Bilder und ggf. dadurch sichtbar werdenden konfligierenden Sichtweisen der Untersuchungsteilnehmer und Forscher werden im Dialog miteinander abgeglichen (z.B. „Heidelberger Strukturlegetechnik“ im Rahmen des „Forschungsprogramms Subjektive Theorien“). Scheele, B./ Groeben, N. (1988), Dialog-Konsens-Methoden zur Rekonstruktion Subjektiver Theorien. Die Heidelberger Struktur-Lege-Technik (SLT), konsensuale Ziel-Mittel-Argumentation und kommunikative Flussdiagramm-Beschreibung von Handlungen, Tübingen. Claudia Riemer Kommutation, die: s. Substitution Kommutationstest, der: s. Substitution Komparation, die: meint die Steigerung von Adjektiven. Der Positiv stellt die Normalform des Adjektivs dar, von der sich die gesteigerten Formen des Komparativs und des Superlativs abheben. Komparativ und Superlativ werden i.d.R. in Vergleichskonstruktionen gebraucht. Zur Bildung der Komparativform dient das Suffix -er, der Superlativ setzt sich aus Grundform + -st/ est zusammen. Unregelmäßige Formen treten bei Adjektiven wie gut, viel, hoch, nah u.a. auf. In einigen Fällen lassen sich auch Adverben steigern, hierzu zählen bald, oft, wohl und gern. Mandy Höhle Komparatistik, die: Je nach Kontext ist die vergleichende Literaturwissenschaft oder die vergleichende Sprachwissenschaft gemeint. 1. K. als Vergleichende Literaturwissenschaft Die K. stellt literarische Texte in einen breiten Kontext, um neue Ebenen des Verstehens zu eröffnen. Sie vergleicht Texte aus unterschiedlichen Sprachen und Kulturkreisen sowie Literatur und andere Künste. Zur Wissenskonstruktion werden unterschiedliche Teildisziplinen herangezogen, z.B.: Literatur- und Kunsttheorie, Rezeptionsforschung, Motivforschung etc. (Corbineau-Hoffmann 2004). 2. K. als vergleichende Sprachwissenschaft Die (historisch-)vergleichende Sprachwissenschaft ist Teil der allgemeinen Sprachwissenschaft und versteht sich als erklärende Wissenschaft. Forschungsschwerpunkte sind Sprachtypologie und genetische Sprachverwandtschaft ( Sprachfamilien, Schwerpunkt: Indogermanistik) sowie die historische Entwicklung von Sprachen und Sprachvarietäten. Jacob Grimm (1785-1863) gilt als Begründer der historischen Sprachforschung (Szemerényi 1990, 8). Sprachvergleich mit fremdsprachendidaktischer Ausrichtung betreibt die kontrastive Linguistik. Corbineau-Hoffmann, A. (2004), Einführung in die Komparatistik, 2. Aufl., Berlin. - Lyons, J. (1995), Einführung in die moderne Linguistik, 8. Aufl., München. - Szemerényi, O. (1990), Einführung in die vergleichende Sprachwissenschaft, 4. Aufl., Darmstadt. Sabine Dengscherz Komparativ, der: erste Steigerungsstufe des Adjektivs (s.a. Positiv, Superlativ), auch Höherstufe genannt, drückt Ungleichheit aus. Regelmäßig gesteigerte Adjektive bilden den K. im Deutschen mit dem Suffix -er und evtl. mit Um- <?page no="171"?> 160 Komparativsatz laut, z.B. schön - schöner, lang - länger. Die Vergleichspartikel nach dem K. lautet als; älteres denn begegnet vor allem in der Literatur. Die Verwendung von wie oder als wie (Ich bin schneller wie/ als wie du.) findet sich in einigen deutschen Dialekten und in der Umgangssprache, gilt aber als nicht-standardsprachlich. Marina Matthey Komparativsatz, der: auch Vergleichssatz, eine Unterart des Modalsatzes. Im K. wird ein im Hauptsatz ausgedrückter Sachverhalt mit einem dazu in Beziehung gesetzten anderen Sachverhalt verglichen. Der Vergleich betrifft den Grad oder die Qualität der Sachverhalte bezogen auf ausgewählte Merkmale, die ihrerseits durch ein Adjektiv oder Adverb ausgedrückt sind. Es wird zwischen realen und fiktiven (bzw. hypothetischen) Vergleichssachverhalten unterschieden. K., die einen realen Sachverhalt in den Vergleich einbringen, können Gleichheit oder Ungleichheit ausdrücken; bei Gleichheit wird der K. eingeleitet durch die Konjunktion wie, im Hauptsatz steht das Korrelat so/ genauso, sowie das jeweilige Adjektiv/ Adverb im Positiv: Der Urlaub war genauso schön, wie ich es mir vorgestellt hatte.; bei Ungleichheit wird der K. eingeleitet durch die Konjunktion als; das Adjektiv/ Adverb des Hauptsatzes steht im Komparativ: Der Urlaub war noch viel schöner, als ich es mir vorgestellt hatte. K., die hingegen einen hypothetischen bzw. fiktiven Sachverhalt in den Vergleich einbringen, werden durch die Konjunktionen als, als ob, als wenn, wie wenn eingeleitet, das Verb im K. steht dabei meist im Konjunktiv: Er begrüßte mich, als hätten wir uns ewig lange nicht gesehen. Marina Matthey kompensatorische Erziehung: Ziel ist es, Kinder aus bildungsfernen Schichten so zu fördern, dass sie Chancengleichheit im Bildungssystem erreichen. K.E. konzentriert sich zwar auf bildungsrelevante sprachliche Fähigkeiten, kombiniert die Sprachförderung aber häufig mit einer Familien- und Sozialbetreuung und der Förderung sozialen Verhaltens. Ansätze der k.E. sind i.d.R. auf spezielle Zielgruppen konzentriert, seit den 1970er Jahren z.B. auf Mädchen, seit Beginn des 21. Jhs. eher auf Jungen aus sozial benachteiligten Familien. Eine weitere Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien. Typische Programme der k.E. sind z.B. „Hippy“ (ein Familienbildungsprogramm aus Israel, das Eltern dabei unterstützt, ihre vierbis sechsjährigen Kinder besser auf den Schuleintritt vorzubereiten), das US-amerikanische Programm „head start“ oder die englischen „Early Excellence Centres“. In Evaluationen konnte einigen Programmen bescheinigt werden, dass sie sich positiv auf die spätere Bildungskarriere auswirken; dies gilt insbesondere für schulvorbereitende Ansätze. Kritik bezieht sich darauf, dass k.E. nicht auf eine grundlegende Veränderung der Schule und des Unterrichts mit Blick auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Schüler zielt, sondern darauf, die Kinder an eine Schule anzupassen, die ihrer Lernausgangslage möglicherweise gar nicht gemäß ist. Bernstein, B. (1977), Class, codes and control. Towards a theory of educational transmissions, London. - Weiß, H., Hrsg., (2000), Frühförderung mit Kindern und Familien in Armutslagen, München/ Basel. Ingrid Gogolin Kompetenz, die: bezeichnet einerseits spezifische, für einen Handlungsbereich grundlegende Fähigkeiten, andererseits juristisch die Zuständigkeit für einen spezifischen Bereich. Durch Chomskys Nutzung in seiner Grammatiktheorie wurde K. zum grundlegenden sprachlichen Vermögen, das im Sinn einer Universalgrammatik als angeborene Fähigkeit zur Erzeugung von Sätzen gilt; sie wird bei Chomsky als eigentlicher Gegenstand der Linguistik angesehen. Angesichts der großen Wirkung dieser Theorie und in Abwehr der von ihr als bloße Performanz diskreditierten kommunikativen Phänomene wurde in der Ethnologie des Sprechens (Hymes) das Konzept einer kommunikativen Kompetenz entwickelt, das die Befähigung des Menschen zu einer sozial-interaktiv angemessenen und erfolgreichen Kommunikation in seiner Gruppe bezeichnet. In ähnlicher, aber wissenschaftstheoretisch anders begründeter Weise entwickelte Habermas eine deduktive Theorie der kommunikativen Kompetenz. Diese unterschiedlichen, ja z.T. konträren Konzepte flossen unter Aufnahme pädagogischer Fähigkeits-Konzepte in einem fremdsprachendidaktischen Kernkonzept zusammen, durch das Aufgaben und Ziele von Fremdsprachenvermittlung bzw. Fremdsprachenaneignung erfasst werden sollen. Je nach Gewichtung der verschiedenen Bezugskonzepte treten dabei jeweils <?page no="172"?> Kompositum 161 andere Aspekte der (fremd-)sprachlichen Qualifikationen der Sprecher/ Lerner in den Vordergrund. Die Unterscheidung von Fähigkeiten und Fertigkeiten lässt sich in diesen Zusammenhang ebenso einbringen wie unterschiedliche Konzeptualisierungen vom Lernbzw. Aneignungsprozess von (fremden) Sprachen. Der Betonung der Eigentätigkeit des Lernenden zur Ausbildung der K. (konstruktivistische Modelle) stehen kompetenzfördernde Vermittlungskonzepte gegenüber. - Angesichts der Diffusität des Ausdrucks und seiner fremdsprachentheoretischen Nutzung empfiehlt sich ein eher vorsichtiger Umgang damit. Im Zusammenhang mit der Entwicklung von Bildungsstandards ist Kompetenzorientierung zu einem Schlagwort für einen Perspektivenwechsel in allen Unterrichtsfächern geworden, die Abkehr von Lernzielen und Inhalten hin zu den zu erwerbenden Fähigkeiten. Konrad Ehlich Kompetenzfehler, der: In der Fehlerlinguistik unterscheidet man zwischen Performanzfehlern und K. Als Performanzfehler bezeichnet man Fehlgriffe, die Lernende selbst erkennen und sogar (eventuell mit Hinweis oder Hilfe von außen) selbst korrigieren können (Versprecher, Flüchtigkeitsfehler, Tippfehler u.ä.) K. hingegen sind Fehler, die Lernende selbst (noch) nicht erkennen können, weil sie das entsprechende sprachliche Phänomen entweder noch nicht (richtig) gelernt, falsch verstanden oder bereits wieder vergessen haben. Hier sind also entsprechende didaktische Maßnahmen der Fehlerkorrektur und -therapie (z.B. Erklärungen, Übungen, Korrekturmethoden) notwendig. Die Unterscheidung zwischen Performanz- und K. spielt auch in der Fehlerbewertung eine Rolle: Während versehentliche Performanzfehler grundsätzlich eher vernachlässigbar sind, spielen K. eine größere Rolle. Hier differenziert man z.B. zwischen Verstößen auf kontextueller, stilistischer, lexikalischer, morphologischer, syntaktischer, orthographischer und phonetischer Ebene. Bei der Fehlerbewertung ist v.a. auch wichtig, ob ein Fehler verständnisstörend oder gar missverständlich ist. Cherubim, D., Hrsg. (1980), Fehlerlinguistik. Beiträge zum Problem der sprachlichen Abweichung, Tübingen. - Kleppin, K./ Königs, F. G. (1991), Der Korrektur auf der Spur. Untersuchungen zum mündlichen Korrekturverhalten von Fremdsprachenlehrern, Bochum. Manuela Glaboniat Kompetenztest, der: ein Test, der die fremdsprachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten indirekt abbildet, im Gegensatz zum Performanztest, bei dem die sprachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten direkt beobachtbar sind. Beim K. wird die zu messende Fertigkeit in Teilkompetenzen zerlegt. Noch in den 1970er und 1980er Jahren wurde versucht, die Fertigkeit Schreiben durch Aufgabentypen mit Lückentexten zu Textkohärenzmarkern (z.B. Konnektoren) zu testen. In neueren, kommunikativen Sprachtests wie dem TestDaF wird die Fertigkeit Schreiben jedoch direkt durch Performanztests getestet (Arras 2007, 35 ff.). Weder die Saussuresche noch die Chomskysche Terminologie entspricht dem heutigen Verständnis von Kompetenz in der Testwissenschaft, aber es herrscht durchaus eine linguistische Betrachtung (im Gegensatz zu einer eher psychologisch orientierten Annäherung) des Begriffes vor (Shohamy 1996, 138 u. 147). Breite Akzeptanz in der Testwissenschaft findet das Modell von Bachman und Palmer (1996, 66 ff.), die Kompetenz als aus Sprachwissen und strategischer Kompetenz zusammengesetzt beschreiben. Arras, U. (2007), Wie beurteilen wir Leistung in der Fremdsprache? Strategien und Prozesse bei der Beurteilung schriftlicher Leistungen in der Fremdsprache am Beispiel der Prüfung Test Deutsch als Fremdsprache (TestDaF), Tübingen. - Bachman, L. F./ Palmer, A. S. (1996), Language Testing in Practice. Designing and Developing Useful language Tests, Oxford. - Shohamy, E. (1996), „Competence and performance in language testing“, in: Brown, G. u.a. (Hrsg.), Performance and competence in language acquisition. Cambridge, 138-151. Silvia Demmig Komplement, das: s. Complément Komposition, die: s. Wortbildung, s. Kompositum Kompositum, das: ein Wortbildungsprodukt, das nach dem Muster der Komposition (auch: Zusammensetzung) gebildet wurde, bei dem zwei selbstständige lexikalische Morpheme zu einem neuen, komplexen Lexem zusammengesetzt werden; die zweite Konstituente legt Wortart und grammatische Kennzeichen ( Genus, Deklination) fest (die Nuss + der Kuchen = der Nusskuchen). Bei einem K. bestimmt die erste Konstituente (Bestimmungswort bzw. Determinans) die zweite Konstituente (Grundwort bzw. Determinatum) semantisch genauer (z.B. Apfel- <?page no="173"?> 162 Konditional saft, Husten-saft; hell-blau, himmel-blau). Die genaueren Bedeutungsbeziehungen zwischen den Bestandteilen eines K. werden oft aufgrund des Weltwissens oder des Kontexts erschlossen (vgl. z.B. die unterschiedlichen Bedeutungsbeziehungen in Stahlschrank vs. Aktenschrank vs. Küchenschrank; Kindertee vs. Pfefferminztee vs. Hustentee). Komposition tritt vor allem bei Substantiven und Adjektiven auf und ist unbegrenzt produktiv. Im DaF-Zusammenhang spielt Komposition v.a. im Kontext bedeutungserschließenden Lesens, aber auch beim Erwerb und der Vermittlung des Lexikons eine das Lernen erleichternde Rolle. Maria Thurmair Konditional: bezeichnet die Bedingung und kann in Form eines vollständigen Nebensatzes, dem Konditionalsatz, oder als Kausaladverbial, auftreten, das mit „unter welcher Bedingung? “ oder „in welchem Fall? “ erfragbar ist, z.B. bei Regen bleiben wir zuhause; unter diesen Umständen lässt sich schwer arbeiten. Mandy Höhle Konditionalsatz, der: ein Nebensatz, der eine Bedingung für das tatsächliche Eintreten des im Hauptsatz bezeichneten Geschehens - d.h. für die Faktizität des Folgesachverhalts - beinhaltet. Eingeleitet werden K. mit wenn, falls, im Falle, dass, z.B. Wenn du aufisst, scheint morgen die Sonne. K. können auch uneingeleitet auftreten, z.B. Kommt er heute nicht, kommt er morgen. In der Aussagenlogik werden K. nicht als grammatische Teilsätze, sondern als Sätze der Form wenn A, dann B betrachtet, deren Wahrheitswert bewertet wird. Es wird nicht berücksichtigt, ob die Teilsätze inhaltlich miteinander verbunden sind oder nicht. Mandy Höhle konfrontative Linguistik: s. kontrastive Linguistik Kongruenz, die: Grammatische K. meint die formale Übereinstimmung zusammengehöriger Teile eines Satzes in Kasus, Numerus, Genus und Person. Damit wird gekennzeichnet, dass zwei Bestandteile eines Satzes in einer engen Beziehung zueinander stehen. Die gemeinsamen grammatischen Merkmale der jeweiligen Bestandteile heben diese vom Rest des Satzes ab und verdeutlichen die Zusammengehörigkeit, z.B. [Der nette Verkäufer] gab [dem unfreundlichen Kunden] [eine gepfefferte Ohrfeige]. Problematisch hierbei ist, 1. dass die morphosyntaktischen Merkmale innerhalb des Flexionsparadigmas nicht einheitlich auftreten (z.B. Dat. der Frau vs. dem Mann), 2. zusammengehörende Teile im Satz keine einheitlichen Flexionsmerkmale annehmen (z.B. Dat. der schönen FrauØ) und 3. morphosyntaktische Merkmale nur sehr selten am Nomen selbst abzulesen sind, d.h. sie sind häufig nur abstrakt vorhanden: Das Genus ist im Deutschen nur in wenigen Fällen direkt am Lexem (z.B. Feminina an der Endung -in: Studentin) erkennbar. Diese Aufgabe übernimmt i.d.R. der bestimmte Artikel (z.B. der Mann/ dem Mann) oder ein Adjektiv (z.B. ein schöner Mann) bzw. der unbestimmte Artikel und das Adjektiv gemeinsam (z.B. einem schönen Mann). Der Kasus wird in zusammengehörenden Teilen des Satzes ebenfalls zumeist lediglich an den zum Nomen gehörenden Gliedern deutlich (z.B. der nette Verkäufer (Nom./ Sg./ Mask.) vs. dem netten Verkäufer (Dat./ Sg./ Mask.). Am Nomen ist der unterschiedliche Kasus nicht erkennbar). Für den DaF-Unterricht stellt K. generell, z.B. *ein schön Mann, und zusätzlich die Differenzierung zwischen bestimmtem und unbestimmtem Flexionsparadigma ein Lernproblem dar, z.B. der schöne Mann vs. ein schöner Mann. Mandy Höhle Konjugation, die: Mit der K. wird die Flexion eines Verbs bezeichnet. Im Deutschen werden die Verben nach folgenden Kategorien konjugiert: Person (1., 2., 3. P.), Numerus ( Singular, Plural), Modus ( Indikativ, Konjunktiv, Imperativ), Genus verbi ( Aktiv, Passiv) und Tempus ( Präsens, Präteritum, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur I und II). Die Mehrheit dieser Formen werden allerdings nicht bzw. nicht allein durch Veränderungen am Verb, sondern analytisch gebildet, d.h. unter Mitwirkung von Hilfsverben (Perfekt, Plusquamperfekt, Futur I und II, Passiv). Die infiniten Verbformen ( Infinitive, Partizipien) zählen ebenfalls zur Flexion des Verbs, werden aber selbst nicht flektiert. Im Deutschen werden zwei Konjugationsgruppen unterschieden: schwache (regelmäßige) K., z.B. machen - machte - gemacht und starke (unregelmäßige) K., z.B. lesen - las - gelesen. Die Konjugation der deutschen Verben gehört wegen ihres Formenreichtums zu den Bereichen, die beim Er- <?page no="174"?> Konjunktiv 163 werb des Deutschen als Fremdsprache besonders hohen Lernaufwand und gezielte methodisch-didaktische Unterstützung erfordern, insbesondere für Lerner, deren Muttersprachen nicht zum flektierenden Sprachtyp ( flektierende Sprachen) gehören und die noch keine andere Fremdsprache dieses Typs erworben haben. Marina Matthey Konjunktion, die: auch: Bindewort; unflektierbare Wortart; K. stellen syntaktische Verbindungen zwischen Wörtern, Wortgruppen, Satzgliedern oder Sätzen her und drücken dabei gleichzeitig inhaltliche Beziehungen aus. Prinzipiell werden zwei Arten von K. unterschieden: 1. Koordinierende K. verbinden gleichgeordnete Elemente miteinander: Hauptsätze (Ich gehe fort und du bleibst hier.), Nebensätze gleichen Grades (Er weiß, dass sie geht und dass sie gepackt hat.) oder Satzglieder (Hänsel und Gretel freuten sich.). Semantisch werden weiterhin folgende Typen unterschieden: kopulative (und, sowohl - als auch, nämlich, weder - noch), disjunktive (oder, entweder - oder), adversative (aber, doch, jedoch, sondern, während), temporale (als, während, solange, seit(dem) u.a.), kausale (denn, da, weil u.a.) und modale K. (indem, dadurch dass, ohne dass u.a.). 2. Subordinierende K. ( Subjunktion) bilden mit dem finiten Verb die Satzklammer (Du weißt, dass ich wieder komme.) und leiten Nebensätze und zwar Adverbialsätze (als, da, wo, indem u.a.) und Subjekt- und Objektsätze (wann, dass, wer u.a.) ein. Sabira Levin Konjunktionaladverb, das: setzt Sachverhalte in Beziehung zueinander und verbindet diese. Anders als Konjunktionen ist das K. ein Satzglied und muss nicht am Satzanfang stehen: Jemand sollte mir helfen, sonst werde ich nicht fertig. (K.) o. […], ich werde sonst nicht fertig.. Durch K. lassen sich insbesondere folgende Beziehungen ausdrücken: Grund: darum, deshalb, deswegen; Voraussetzung/ Folge: daraufhin, dennoch, gleichwohl, andernfalls, notfalls, sonst; Einschränkung/ Einräumung: insofern, hingegen, indes. Die Zuordnung der hier als K. klassifizierten Ausdrücke wird z.T. unterschiedlich gehandhabt, je nachdem, welche der Merkmale und Eigenschaften eines Wortes fokussiert sind: So rechnet etwa Eisenberg (a.a.O., 331) Ausdrücke wie deshalb unter die Pronominaladverbien. Eisenberg, P. ( 2 2004), Grundriß der deutschen Grammatik. Bd. 2: Der Satz, Stuttgart/ Weimar. Sabira Levin Konjunktionalsatz, der: Sammelbezeichnung für Nebensätze, die durch eine subordinierende Konjunktion ( Subjunktion) wie weil, dass, als usw. eingeleitet werden. K. lassen sich hinsichtlich ihrer syntaktischen Relation und Ausdrucksfunktion unterteilen in 1. Ergänzungssätze (Komplementsätze), die als Satzteile des ihnen übergeordneten Satzes fungieren (vgl. Subjektsatz, Objektsatz) und 2. Adverbialsätze/ Adjunktsätze, die zu dem im übergeordneten Satz ausgedrückten Inhalt eine Aussage hinzufügen, ohne dass diese inhaltlich bzw. strukturell gefordert ist (vgl. etwa Kausalsatz; Konzessivsatz; Temporalsatz). Sabira Levin Konjunktiv, der: auch: Möglichkeitsform, Potentialis, Subjunktiv; eine der drei Modusformen des Verbs mit einem ausgeprägten morphologischen Paradigma; der K. ermöglicht in seiner Kernfunktion, unterschiedliche Haltungen zu den in einer Aussage repräsentierten Sachverhalten auszudrücken, wobei diesen Haltungen gemeinsam ist, dass sie die verhandelten Sachverhalte als faktisch nicht aktuell gegeben markieren (Eisenberg nennt diese Kerneigenschaft Nichtfaktivität i. Ggs. zur Kerneigenschaft des Indikativ, die mit Faktivität beschreibbar sei; vgl. Eisenberg 2004, Bd. 2, Abschn. 4.4). Zu diesen nichtfaktiven Haltungen gehören u.a. Wunsch, Zweifel, Spekulation u.v.a.m. Die Unterscheidung zwischen K. I und K. II ist der Sache nach komplex und kompliziert und unter Grammatikern insbesondere im Hinblick auf deren Ausdrucksfunktionen umstritten; im Hinblick auf das Gesamtinventar des Konjugationsparadigmas bildet der K. hingegen ein Kontinuum, auf das beide Varianten in je spezifischer Weise zugreifen (s.u.). Im unterrichtlichen Kontext wird der Konjunktiv nach Formen und Ausdrucksfunktionen oft wie im Folgenden segmentiert: K. I (K. Präsens, Perfekt, Futur I und II) dient, vor allem in nicht-alltagssprachlichen, formellen und öffentlichen Kontexten, zur Markierung von Aussagen als wiedergegeben ( indirekte Rede): Sie sagte, er sei der Täter., aber auch von Anweisungen, z.B. bei Rezepten: Man nehme 3 Eier. oder Einräumungen: Sei dem, wie es sei, … . K. II (K. Präteri- <?page no="175"?> 164 Konjunktor tum, Plusquamperfekt, würde-Formen) markiert verhandelte Sachverhalte als Gegenstände der Spekulation (vgl. Irrealis), häufig in Verbindung mit dem Konditionalis: „Wenn K. schlau wäre, würde sie P. verlassen.“ und wird ebenfalls in der sog. ind. Rede eingesetzt, und zwar zwingend bei Nichteindeutigkeit von K. I-Formen ( Homonymie z.B. zw. 1. Pers. Sg. Ind. und 1. Pers. Sg. K. I: ich sehe - ich sehe) und unabhängig davon in der Alltagssprache, hier den K. I tendenziell in dieser Funktion ablösend. In Zusammenhängen intentionaler Spracherwerbsförderung (Unterricht; Lehrwerke/ -angebote) sollte bei der Ersteinführung von K. I bzw. K. II die Vermittlung von prägnanten Ausdrucksfunktionen des K. sowie die kontextangemessene Verwendung fokussiert werden. Ferner ist jeweils der - im Vergleich zum Indikativ - besondere Umgang des K. mit Tempus in der methodisch-didaktischen Aufbereitung zu berücksichtigen. Buscha, J./ Zoch, I. (1995), Der Konjunktiv, Berlin. - Eisenberg, P. (2004), Grundriß der deutschen Grammatik Bd. 2: Der Satz, Stuttgart/ Weimar. - Kürschner W. (2008), Grammatisches Kompendium, Tübingen. Hans Barkowski/ Kerstin Rische Konjunktor, der: Oberbegriff für Elemente, die Sätze verknüpfen; Konjunktion, Subjunktion. Konnektionismus/ konnektivistisch: eine Forschungsrichtung der Kognitionswissenschaft mit dem Ziel, kognitive Prozesse mithilfe künstlicher informationsverarbeitender Netzwerke zu simulieren und zu konstruieren. Aufgrund der Analogien zum biologischen Nervensystem gewinnt dieser Ansatz an Bedeutung. Die Verarbeitungskapazität k. Modelle beschränkt sich auf kleine, spezielle Interessensfelder. Für den DaF-/ DaZ-Kontext sind Modelle der Sprachverarbeitung und des -erwerbs von eigenem Interesse. Sprachverarbeitung in k. Modellen erfolgt parallel durch gegenseitige Aktivierung und Inhibierung verschiedener Zelleinheiten des Netzwerkes; Lernen geschieht eigenständig durch Modifikationen der Verbindungsstärken zwischen diesen Einheiten. Durch diese Mechanismen entstehen spezifische Verarbeitungsmuster innerhalb des Netzwerkes, die es ermöglichen, ohne explizites Regelwissen zu arbeiten. Die parallele Verarbeitung, der Verzicht auf einen gesonderten Regelbestand und die Tatsache, dass elementare Informationsverarbeitung subsymbolisch verläuft, unterscheidet k. Ansätze grundlegend von anderen Sprachverarbeitungstheorien. Pospeschill, M. (2004), Konnektionismus und Kognition. Eine Einführung, Stuttgart. Claudia Keßler Konnektoren, die: „Verbinder“; s. Subjunktion, s. Konjunktion Konnotation, die/ konnotativ: pragmatische Information, die mit der eigentlichen ( denotativen) Bedeutung des sprachlichen Zeichens mitgeliefert werden kann. K. spiegeln u.a. emotionale, soziale, regionale, zeitliche, sogar politische Wertungen wider, wobei der Bedeutungsinhalt unverändert bleibt (Gans - Ganserl, essen - tafeln, Sozialist - Sozi). Im Unterschied zur Denotation kann die K. aber auch individuell sein, muss also in der Sprachgemeinschaft keinen einheitlichen (negativen oder positiven) Wert haben. K. können durch lexikalische (trinken - saufen), morphologische (Rede - Rederei) oder strukturelle Mittel (auf die Palme bringen - ärgern) ausgedrückt werden. Tomáš Kána konsekutiv: die Folge kennzeichnend; ein k. Verhältnis besteht zwischen zwei Teilsätzen, wenn das Geschehen oder der Sachverhalt des übergeordneten Satzes im untergeordneten Satz zu einer Folge führt (z.B. Wenn es regnet, müssen wir nach drinnen gehen.). K. Verhältnisse können auch mithilfe von Präpositionen (z.B. infolge), Subjunktionen (z.B. sodass, so…, dass), Konjunktionen (z.B. um) oder Adverbien (z.B. folglich, infolgedessen, demzufolge) ausgedrückt werden. Mandy Höhle konsekutives Dolmetschen: mündliche Übertragung von Texten, bei der zunächst ein Text oder ein Textabschnitt in einer Ausgangssprache dargebracht und danach in einer Zielsprache wiedergegeben wird (auch abschnittsweises Dolmetschen). Das k.D. kann unilateral (Vortragsdolmetschen) oder bilateral (Verhandlungs- oder Gesprächsdolmetschen) erfolgen. Das Gegenstück zum k.D. ist das Simultandolmetschen. Jens Reimann Konsekutivsatz, der: Nebensatz, der eine tatsächliche oder eine mögliche Folge ausdrückt. <?page no="176"?> Konstituentenstruktur 165 Eingeleitet werden K. mit den Konjunktionen so …, dass, so dass, als dass und dass, satzwertige Infinitivgruppen mit um. Die mögliche Folge kann der K. entweder mithilfe des Modalverbs können (z.B. Er hat soviel Kraft, dass er es bis ans Ziel schaffen kann.) oder mit der Infinitivgruppe mit um (z.B. Er hat soviel Kraft, um es ans Ziel zu schaffen.) ausdrücken. Mandy Höhle Konsonant, der: Mitlaut; in Bildung, Klang und Verwendung von einem Vokal abgrenzbares Phonem bzw. Phon (Laut). K. entstehen durch Verschluss- (z.B. [p]) und Engebildung (z.B. [f]) im Mund. Zu den K. zählen mit Geräusch gebildete ( stimmlose Explosive, z.B. [p] und Frikative, z.B. [f]), mit Klang und Geräusch gebildete ( stimmhafte Explosive, z.B. [b] und Frikative, z.B. [v]) und nur mit Klang gebildete Laute ( Nasale, z.B. [n], Liquide, z.B. [l]). Distinktive Merkmale der K. sind im Deutschen die Artikulationsstelle, der Artikulationsmodus (-art) und für Explosive und Frikative noch der Spannungsgrad ( fortis vs. lenis, z.B. [p] vs. [b]). Nicht distinktiv ist die Stimmhaftigkeit der Lenis-Konsonanten ( Stimmlosigkeitsassimilation). K. allein können i.d.R. keine Silbe bilden (mit Ausnahme der Endsilbenrealisation, z.B. leben ['le 2 bm ≤ ]. Hier wird der Nasal [m] aufgrund von Schwa-Elision (= der Vokal wird nicht gesprochen) silbisch, d.h. Silbenträger). Kerstin Reinke Konsonantenbuchstabe, der: Schriftzeichen des Alphabets und kleinster grafischer Bestandteil eines geschriebenen Wortes, mit dem Konsonanten (Laute bzw. Phoneme) dargestellt werden. Im deutschen Alphabet gibt es 22 K.: <b, c, d, f, g, h, j, k, l, m, n, p, q, r, s, t, v, w, x, y, z, ß>, im Schweizerdeutschen wird für <ß> immer <ss> verwendet. Die K. können verdoppelt (<bb, dd, ff> usw.) und auf vielfältige Weise vor und nach Vokalbuchstaben kombiniert werden, wobei es feste (<qu, ch, sch>) und freie (<pf, schr, mpft>) Kombinationen gibt. Die einzelnen K. und K.-Verbindungen stehen für unterschiedliche Laut-Buchstaben-Beziehungen. Ursula Hirschfeld Konsonantenhäufung, die: Kombinationen von Konsonanten, die entweder zum Wortstamm gehören oder durch Flexion, Konjugation, Ableitung oder Zusammensetzung entstehen: kämpfen, (du) kämpfst, Kampfplatz. Silbeninitial können im Deutschen maximal drei, silbenfinal bis zu fünf, über die Silbengrenze hinaus noch mehr Konsonanten aufeinander folgen: du schimpfst schrecklich. I.d.R. müssen K. im Deutschen vollständig gesprochen werden. Manchmal wirken Assimilationserscheinungen reduzierend ( Assimilation, sprechwissenschaftlich). Deutsch verfügt im Vergleich zu vielen anderen Sprachen über relativ viele K., so dass für DaF- Lernende Probleme auftreten, wenn entweder K. nicht vollständig realisiert werden (du schreibst vs. du schreist) oder Sprossvokale eingefügt werden (braten vs. beraten). Kerstin Reinke Konstituentenanalyse, die: 1. in einem allgemeinen Sinne Bestimmung der formalen Bausteine von Äußerungen auf den Ebenen Wort, Satzglied und Satz hinsichtlich ihrer kategorialen Zuordnungen; 2. Fachterminus für das im klassischen amerikanischen Strukturalismus ( Distributionalismus) entwickelte Verfahren der IC (= Immediate Constituent)-Analyse, die auf die Aufdeckung der Konstituentenstruktur des Satzes gerichtet ist, vgl. auch Phrasenstrukturgrammatik. Fries, Ch. C. (1952), The Structure of English. An Introduction to the Construction of English Sentences, London. - Gleason, H. A. (1955), An Introduction to Descriptive Linguistics, New York u.a. - Wells, R. S. (1947), „Immediate constituents“, in: Language 23, 81-117. Klaus Welke Konstituentengrammatik, die: Syntax, die die Konstituentenstruktur als Grundlage der Beschreibung wählt. Klaus Welke Konstituentenstruktur, die: neben der Dependenzstruktur eines der beiden grundlegenden Strukturierungsprinzipien von Sätzen, vgl. auch Phrasenstruktur ( Phrasenstrukturgrammatik). Die K. des Satzes ist die hierarchische Vereinigung von elementareren syntaktischen Einheiten (Konstituenten) zu umfassenderen Konstituenten (Konstruktionen). Darstellungsweisen sind u.a. Strukturbäume oder Klammerungen, stark vereinfacht und wie üblich mit Verbendstellung z.B.: <?page no="177"?> 166 Konstruktionsgrammatik Satz N VP' N VP N V Emil Anita Blumen schenkt [Emil [Anita [Blumen schenkt]]] Aus der entgegengesetzten Perspektive gesehen ist die K. des Satzes die schrittweise Zerlegung von umfassenderen Einheiten in jeweils kleinere Einheiten. Es geht also auf der jeweiligen Hierarchiestufe um die unmittelbaren Konstituenten einer Konstruktion von der umfassendsten Konstruktion, dem Satz, bis zu den letzten Konstituenten, den Wörtern und darüber hinaus den Morphemen. Die K. hat wie die Dependenzstruktur auch einen semantischen Aspekt. Die hierarchische Vereinigung von Konstituenten zu Konstruktionen entspricht der schrittweisen hierarchischen Vereinigung von elementaren Bedeutungseinheiten zu umfassenderen Bedeutungseinheiten beim Satzverstehen ( Semantik, strukturelle Semantik). So bildet im obigen Beispiel zunächst [Blumen schenkt] eine semantische Einheit, dann [Anita Blumen schenkt], bis hin zum Satz [Emil Anita Blumen schenkt]. Klaus Welke Konstruktionsgrammatik, die: Gruppe von Grammatiktheorien, die - vereinfacht gesagt - nicht vom Einzelwort zur Konstruktion gelangen, sondern den umgekehrten Weg gehen, deren Herangehen also nicht lexembasiert oder projektionistisch ist, sondern konstruktionsbasiert. Die meisten modernen Grammatiktheorien wie z.B. die generative Transformationsgrammatik und die Valenz- und Dependenzgrammatik gehen projektionistisch von einem Kopf (Terminus der generativen Grammatik) bzw. Valenzträger oder Regens aus und gelangen von dort zu Konstruktionen, im Falle von Verben also zu Sätzen. Die K. setzt bei Konstruktionen an. Sie betrachtet Konstruktionen analog zu Wörtern als empirisch vorfindliche Einheiten aus Form und Bedeutung. Die K. kann ganz singuläre Konstruktionen erfassen, wie z.B.: so was von x (blöd, gemein, Geiz) und damit auch alltagssprachlich konventionalisierte und phraseologisch gebundene Sprachbestände. Konstruktionen können aber auch abstrakter sein mit Leerstellen z.B. für Verben, z.B. die Nominativ-Akkusativ-Konstruktion oder die Nominativ-Dativ-Konstruktion. Die K. ist eine gebrauchsbasierte Grammatiktheorie, eine Theorie also, die auf die Parole bzw. Performanz gerichtet ist und nicht ausschließlich auf die Kompetenz wie andere Grammatiktheorien, insbesondere die generative Grammatik. Der Zugang von der Konstruktion aus macht die K. für den Fremdsprachenunterricht interessant ( chunk). Die K. kann darüber hinaus besser als projektionistische Grammatiktheorien die Existenz von Konstruktionen erklären, für die es keinen Lexikoneintrag, z.B. in einem Valenzwörterbuch, gibt. Das sind Konstruktionen wie: Er aß den ganzen Teller leer. Er nieste die Serviette vom Tisch. In einem Valenzwörterbuch findet man dagegen nur Einträge, die auf Sätze zutreffen wie Er aß einen Apfel/ an einem Apfel. Er aß. bzw. Er nieste. Fischer, K./ Stefanowitsch, A. (2006), Konstruktionsgrammatik. Von der Anwendung zur Theorie, Tübingen. - Goldberg, A. E. (1995), Constructions: a Grammar Approach to Argument Structure, Chicago/ London. -Welke, Klaus (2009), „Valenztheorie und Konstruktionsgrammatik“, in: Zeitschrift für germanistische Linguistik 37, 82-125. Klaus Welke Konstruktivismus, der: eine auf anthropologischen Annahmen basierende Erkenntnistheorie, die die Frage diskutiert, wie der Mensch seine Welt konstruiert. Der K. betont auf der Grundlage neurowissenschaftlicher Forschungen die Selbsttätigkeit des Erkennens und die Selbststeuerung des Lernens. Lernen wird als sich selbst organisierende, operational geschlossene und emergente Aktivität beschrieben (vgl. Siebert 2008, 7). Von außen wirkende Stimuli werden im Nervensystem strukturdeterminiert und selbstreferenziell umgewandelt. „Die Vorgänge in der Welt bilden sich nicht direkt im Gehirn ab, sondern bewirken Erregungen in den Sinnesorganen, die zur Grundlage von Konstruktionsprozessen unterschiedlicher Komplexität und Beeinflussung durch Lernprozesse werden, an deren Ende unsere bewussten Wahrnehmungsinhalte stehen.“ (Roth 2003, 84) Die so erzeugte Wirklichkeit ist keine Abbildung der Außenwelt, sondern eine funktionale, viable Konstruktion. Lernprozesse als Konstruktionsprozesse haben spezifische Eigenschaften, die es ermöglichen, konstruiertes Wissen so weiter zu verarbeiten, dass es für erneute Konstruktions- <?page no="178"?> Kontext 167 prozesse zur Verfügung steht. (vgl. Wolff 2002, 11) Roth, G. (2003), Aus Sicht des Gehirns, Frankfurt a. M. - Siebert, H. (2008), Konstruktivistisch lehren und lernen, Grundlagen der Weiterbildung, Augsburg. - Wolff, D. (2002), Fremdsprachenlernen als Konstruktion: Grundlagen für eine konstruktivistische Fremdsprachendidaktik, Frankfurt a. M. Barbara Biechele Kontaktlinguistik, die: Der Begriff K. wurde 1979 anlässlich des ersten Weltkongresses zu Sprachkontakt und Sprachkonflikt geprägt; interdisziplinäre Forschungsrichtung, die sich mit dem Kontakt von Sprachgemeinschaften und dessen Auswirkungen auf die einzelnen Sprachen beschäftigt; K. versteht Sprache als soziales Konstrukt und bezieht demographische, politische, wirtschaftliche, kulturelle, weltanschauliche und psychologische Aspekte mit ein. Forschungsgebiete: Sprachtod vs. Sprachentstehung (z.B. Pidgin- und Kreolsprachen), Sprachkonflikt, Sprachwechsel, Stigmatisierung vs. Prestige von Sprachen. Goebl, H./ Nelde, Peter H./ Starý, Z., (Hrsg.) (1996), Kontaktlinguistik. HSK 12, 2 Bde, Berlin/ New York. Sabine Dengscherz Kontaktschwelle, die: 1. Stufenbezeichnung für das Niveau B1 des GeR; wird analog zu Threshold Level und Niveau seuil auch als das „Schwellenniveau“ bezeichnet, da hier die Schwelle zwischen Grund- und Mittelstufe bzw. zwischen „elementarer“ und „selbstständiger Sprachverwendung“ liegt. 2. Publikation des Europarats von 1981, die lange Zeit als Grundlagenwerk zur Planung und Gestaltung von DaF-Sprachkursen, Lehrwerken, Curricula und Prüfungen galt. Die K. enthält Listen von Lernzielbeschreibungen, Sprechakten, Wortschatz- und Grammatikinventar und wurde 2001 durch Profile deutsch abgelöst. Baldegger, M. u.a. (1981), Kontaktschwelle Deutsch als Fremdsprache, Berlin/ München. - Glaboniat, M. u.a. (2005), Profile deutsch A1- C2 (Version 2.0), Berlin/ München. Manuela Glaboniat Kontaktsprache, die: 1. Bezeichnung für beliebige Sprachen in der Funktion der Lingua Franca als gemeinsame Kommunikationssprache von Sprechern unterschiedlicher Muttersprachen; prototypisch: A/ L1 X und B/ L1 Y kommunizieren in LZ (LZ = K.). Dabei subsumiert K. so unterschiedliche Fälle wie den einer gemeinsamen Verkehrssprache in einem Vielsprachenstaat, im Sprachenkontakt entstandene bzw. gebrauchte Mischvarietäten ( Pidginsprache; Foreigner Talk), Englisch als globale Lingua Franca oder ad hoc eingesetzte gemeinsame Fremdsprachen. 2. Bezeichnung für Sprachen, die miteinander im lebensweltlichen Kontakt stehen (Nachbarschaftssprachen), z.B. in multikulturellen, mehrsprachigen Wohnquartieren oder in sprachlichkulturellen Enklaven (z.B. Sorbien) oder in Grenzgebieten (z.B. Dänemark/ Schleswig-Holstein). 3. Im Kontext von Spracherwerb und Fehlerlinguistik ist K. die Bezeichnung für genau die Sprache, die in einem individuellen mehrsprachigen System jeweils als Ausgangspunkt von Transfereffekten ( Transfer) auf die andere(n) Sprache(n) in den Blick genommen wird. Alexandra Rösner Kontamination, die: im sprachwissenschaftlichen Kontext 1. die durch sich überlagernde Sprachplanungsprozesse unabsichtlich verursachte Verschmelzung von Sprachbausteinen zu nicht standardgemäßen Ausdrücken (vgl. etwa *unbeglaublich aus unglaublich+unbeschreiblich); 2. die mangels ausreichend differenzierten Wortschatzes erfolgende kreative Verknüpfung von Wörtern bzw. von Wörtern und Wortbildungsmorphemen zu mehr oder weniger verständlichen, nicht standardgemäßen Ausdrücken wie z.B. Schönung (für VERSCHÖNERUNG) oder Krokophant (für KROKODIL); diese Form der K. findet sich v.a. beim kindlichen Erstspracherwerb und beim Fremdbzw. Zweitspracherwerb; 3. Verschmelzungen von Wörtern bzw. Wörtern und Wortbildungsmorphemen in der Absicht, stilistisch-semantische Effekte zu erzielen wie bei verschlimmbessern oder Hustinetten (aus Husten + Tabletten); 4. Bezeichnung für sprachliche Erscheinungen, die aus 1.-3. resultieren. Hans Barkowski Kontext, der: Der Fachbegriff K. kommt in verschiedenen Disziplinen vor: 1. K. in der Sprachwissenschaft Im Bereich der Kommunikationstheorie bezeichnet K. alle Elemente einer Kommunikationssituation, die das Verstehen einer Äußerung bestim- <?page no="179"?> 168 kontextsensitiv men. In der Textlinguistik unterscheidet man zwischen textinternem (sprachlichem) K. (auch: Kotext)undtextexternem(außersprachlichem) K. (auch: situativer K.). Zu letzterem zählen u.a. äußere Umstände wie Ort, Zeit usw. (allgemeiner K.), Gestik und Mimik (nonverbaler K.), die Beziehung zwischen Kommunikationspartnern, deren Alter, Geschlecht usw. (persönlicher/ sozialer K.), Intonation, Lautstärke und Tempo der Äußerung (emotionaler K.) sowie der aktuelle K. der Kommunikationssituation. 2. K. in der Literaturwissenschaft Oft dem Terminus Kulturkontext untergeordnet, der den gesamten kulturellen Hintergrund einer Äußerung meint, wird unter literarischem K. die historische, geistesgeschichtliche und soziokulturelle Umgebung eines Werks sowie seine Abhängigkeit von anderen Texten verstanden. 3. K. in der Fremdsprachendidaktik Im DaF/ DaZ-Unterricht besteht eine wichtige Lesestrategie darin, Wörter aus dem Kotext und K. zu erschließen. Anita Schütz kontextsensitiv: auch: kontextbeschränkt oder kontextabhängig. 1. K. wird in unterschiedlichen sprachwissenschaftlichen und literaturwissenschaftlichen Kontexten verwendet, um die methodologische Notwendigkeit der eingehenden Berücksichtigung je relevanter Kontexte in Betrachtung eines wissenschaftlich verhandelten Details zu attribuieren, so etwa im Umgang mit der Valenz-Notation von Verben oder der Bedeutungsanalyse von Einzelwörtern in lyrischen Texten u.a.m. 2. Fachterminus in der generativen (Transformations-)Grammatik bzw. der Ersetzungs- oder Phrasenstrukturgrammatik; eine k. Ersetzungsregel ( Notation z.B. a b/ x+_+y) besagt, dass das Symbol a durch b ersetzt werden kann, wenn x links und y rechts von a steht, z.B.: Art der/ 0_N + Nominativ, Maskulinum den/ 0_N + Akkusativ, Maskulinum (0 = Symbol für beliebigen Kontext) Vor allem in den älteren Arbeiten zur Transformationsgrammatik wurden einige k. Regeln formuliert. Anita Schütz Kontextualisierung, die: steht in der interaktionalen und interkulturellen Soziolinguistik für einen Ansatz, der den Prozess der Konstituierung von Kontext in den Handlungen der Kommunikationsbeteiligten verortet. Der klassische Kontext-Begriff ist statisch. Kontext besteht aus einem Bündel außersprachlicher Merkmale, die die Kommunikationssituation und damit die Sprechaktivitäten beeinflussen. K. dynamisiert dieses einseitige Bestimmungsverhältnis und zeigt anhand empirischer Interaktionsdaten auf, wie die Kommunikationsbeteiligten diesen Kontext gemeinsam aushandeln und herstellen. Kontextualisierungshinweise treten i.d.R. gebündelt und kontinuierlich auf. Die Kommunikationsbeteiligten zeigen sich durch kommunikative Mittel auf den unterschiedlichsten Ebenen der Kommunikationsstruktur - verbal, nonverbal, paraverbal - an, wie Äußerungen oder Redeteile zu verstehen sind oder wie die Kommunikationsbeteiligten zu einander stehen; sie schaffen z.B. einen gemeinsamen Witzkontext oder Unterrichtskontext. Dabei greifen sie auf soziokulturell geteilte Wissensbestände zurück. Viele Kontextualisierungsverfahren sind konventionalisiert. Ein Kode-orientierter Ansatz der interkulturellen Kommunikation kann auf diese Weise den Zusammenhang von Kommunikationskonventionen und Kultur aufzeigen und Missverständnisse bis ins kleinste Detail der Kommunikationsstruktur zurückverfolgen und aufzeigen, was die Kommunikationsbeteiligten jeweils verstanden haben. Auer, P. (1986), „Kontextualisierung“, in: Studium Linguistik 19, 22-47. - Gumperz, J. J. (1982), Discourse Strategies, Cambridge. Volker Hinnenkamp kontrastive Linguistik: Die k.L. beschäftigt sich mit dem Vergleich zweier oder mehrerer Sprachen. Das Erkenntnisinteresse kann dabei sehr unterschiedlich sein. Die (Historisch-)Vergleichende Sprachwissenschaft ( Komparatistik) erforschte bereits im 19. Jh. Sprachverwandtschaft und Sprachtypologie; für die Fremdsprachendidaktik wurde die k.L. Ende der 1950er Jahre relevant (vgl. Lado 1957). 1. Entwicklung und Kritik Die k.L. durchlief sehr unterschiedliche Stadien der wissenschaftlichen Akzeptanz. Mit Vertretern wie R. Lado, R. Lee und W. R. Di Pietro erlebte die junge Wissenschaft ihre Hochblüte in den 1960er <?page no="180"?> Kontrastivität 169 und 1970er Jahren, wurde anfangs überschätzt und war danach stark umstritten. Der k.L. wurde eine naive Auffassung von Sprachstrukturen vorgeworfen. Einerseits gebe es keine feststehenden Kriterien für die Vergleichbarkeit zweier Sprachen, andererseits konzentriere sich die k.L. zu stark auf Interferenz und berücksichtige dabei auch nur einseitig den Einfluss der Muttersprache auf die Fremd- oder Zweitsprache. Die schärfste Kritik richtete sich gegen die Annahme der Prognostizierbarkeit von Fehlern in der Lernersprache, eine Vorstellung, die bald zurückgenommen werden musste (vgl. Rein 1983, 14-33). 2. Aktuelle Forschungsansätze Im Zuge einer Neubewertung des Sprachvergleichs als Lernstrategie (vgl. Wildenauer-Józsa 2005) sind in den letzten Jahren Arbeiten erschienen, die Ansätze aus der k.L. in die moderne Forschung integrieren. Der Fokus liegt weniger auf Lernschwierigkeiten als vielmehr auf der Suche nach Vernetzungs- und Anknüpfungspunkten zwischen den einzelnen Sprachen im Sinne gehirngerechten Lernens. Der Forschungsschwerpunkt hat sich dadurch verlagert: Ging es in frühen Arbeiten der k.L. vor allem um die Erforschung von Unterschieden zwischen Sprachen, die zu Interferenzen ( Interferenzfehler) in der Lernersprache führen könnten (vgl. Juhász 1970), rücken neuere Arbeiten (z.B. Steinhauer 2006) Ähnlichkeiten zwischen den Sprachen und daraus resultierende Transfermöglichkeiten in den Mittelpunkt. Kühlwein, W. (1990), „Kontrastive Linguistik und Fremdsprachenerwerb“, in: Gnutzmann, C, (Hrsg.), Kontrastive Linguistik, Frankfurt a. M., 13-32. - Juhász, J. (1970), Probleme der Interferenz, Budapest. - Lado, R. (1957), Linguistics Across Cultures, Michigan. - Rein, K. (1983), Einführung in die Kontrastive Linguistik, Darmstadt. - Steinhauer, B. (2006), Transfer im Fremdspracherwerb, Frankfurt a. M. - Wildenauer-Jósza, D. (2005), Sprachvergleich als Lernerstrategie, Freiburg. Sabine Dengscherz Kontrastivhypothese, die: eine der wichtigen Hypothesen zum Zusammenhang zwischen Erst- und Zweitsprache/ Fremdsprache (neben der Identitätshypothese, der Interlanguage-Hypothese und der Interdependenzhypothese). Die K. steht in Zusammenhang mit dem Behaviorismus und dem Strukturalismus. Sie versucht den Lernprozess in der L2 mit der Kontrastivität zwischen L1 und L2 vorherzusagen (starke Version) bzw. zu begründen (schwache Version): Lernende übertragen ihre sprachlichen Gewohnheiten von der L1 auf die L2. Wo Kontraste zwischen L1 und L2 gegeben sind, erwartet die K. negativen Transfer bzw. Interferenzfehler, wo Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten gegeben sind, positiven Transfer, d.h. korrekten L2- Gebrauch. Kritik an der K. ergab sich aus dem Nachweis, dass Fehler auch auf Ähnlichkeiten beruhen können, Transfer nur einen kleinen Teil des Spracherwerbs ausmacht und vorhergesagte Transferprozesse empirisch nicht nachgewiesen werden konnten. Ausgehend von der K. entstanden in den 1960er Jahren zahlreiche Sprachvergleiche zwischen Deutsch und anderen Sprachen als Grundlage für die Entwicklung von Lehrwerken. Auch im Fachgebiet Deutsch als Zweitsprache wird die K. vielfach zur Erklärung von Fehlerursachen und Lernproblemen herangezogen. Mitschian, H. (2000), „Vom Behaviorismus zum Konstruktivismus. Das Problem der Übertragbarkeit lernpsychologischer und -philosophischer Erkenntnisse in die Fremdsprachendidaktik“. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online], Jg. 4, Nr. 3. Klaus-Börge Boeckmann Kontrastivität, die: die Tatsache, dass Sprachen Unterschiede auf allen Ebenen des Sprachsystems aufweisen. Die kontrastive Linguistik widmet sich der Erforschung dieser Unterschiede. Zunächst wurde die K. vor allem im Bereich der Phonetik und der Syntax untersucht, später auch auf anderen Sprachebenen, also z.B. Lexikon oder Morphologie. Für die Spracherwerbsforschung ist die K. zwischen der Herkunftssprache der Lernenden und der Zielsprache zentral. Ziel des Sprachvergleichs ist dabei die Vorhersage bzw. Erklärung von Transfer im Sinne der Kontrastivhypothese. Allerdings ist eine vollständige kontrastive Analyse zwischen zwei Sprachen nicht möglich, so dass solche Analysen nur für Teilbereiche vorliegen. Es lassen sich verschiedene Formen von K. unterscheiden: z.B. entsprechen einem Element der L1 zwei oder mehr Elemente in L2 ( Divergenz) bzw. umgekehrt ( Konvergenz); Elemente aus einer Sprache fehlen in der anderen gänzlich oder Elemente sind in beiden Sprachen unterschiedlich verteilt. Neuere Konzepte von Kontrastivität setzen den Sprachvergleich als Unterrichtstechnik ein, wobei über kontrastive Analyse des Sprachsystems hinausgehend nun auch interkulturelle Pragmatik und konfrontative Semantik einbezogen werden. <?page no="181"?> 170 Konvergenz Institut für Deutsche Sprache, Hrsg. (1982-2002), Deutsch im Kontrast, 21 Bände, Heidelberg/ Tübingen. - Wildenauer-Józsa, D. (2005), Sprachvergleich als Lernerstrategie. Eine Interviewstudie mit erwachsenen Deutschlernenden, Freiburg. Klaus-Börge Boeckmann Konvergenz, die: Bezogen auf eine Einzelsprache bezeichnet K. einen Veränderungsprozess innerhalb einer Sprache, an dem zwei oder mehr unterschiedliche Varietäten dieser Sprache beteiligt sind. Diese Varietäten treten zueinander in Beziehung und Sprachformen der einen Varietät werden in die Struktur der anderen Varietät übernommen. Diese Varietät tritt dann neben der angestammten Varietät als Variante auf. In der kontrastiven Linguistik bezeichnet K. den Fall, dass mehrere Begriffe (zu einem Phänomen) in der Ausgangssprache nur einem Begriff in der Zielsprache zugeordnet werden können. Gegenteil der K. ist die Divergenz: türk. leicht von Gewicht: hofıf; leicht zu lösende Aufgabe: kolay dt. beides leicht. Mandy Höhle Konversationsanalyse, die: Die K. entwickelte sich im Rahmen der Soziologie als Ethnomethodologie, eine Forschungsrichtung, die sich mit Methoden der Soziologie und Sozialanthropologie alltäglichen Gesprächen zuwandte. Kennzeichnend ist der Datenbezug auf aufgenommene und transkribierte Alltagsgespräche (aus technischen Gründen zunächst v.a. Telefonunterhaltungen), die als jeweils ad hoc konstituierte soziale Einheiten angesehen und so - im soziologisch-positivistischen Sinn - zum Grunddatum einer Sozialtheorie gemacht werden. Die detaillierte Analyse hat eine Reihe von Ordnungsstrukturen herausgearbeitet, die in diesen Daten zu erkennen sind. In der deutschen Rezeption wurden weitere sozialwissenschaftliche Konzepte damit verbunden (Schütze 1975); zugleich wurde der Gegenstandsbereich zunehmend erweitert, wobei der Alltagskonversation weiterhin der Stellenwert einer Grundlagenstruktur zugewiesen wird. Die Gegenstandserweiterung führt zugleich zur Ersetzung des Ausdrucks „Konversation“ durch „Gespräch“. Als theoretische Grundüberzeugung bleibt dabei, dass an individuellen Aushandlungen orientierte Gespräche die Analysebasis abgeben, so dass für die theoretische Konzeption die Gesellschaftlichkeit sprachlichen Handelns weiterhin in Frage gestellt ist. In diesem Sinn ist K. ein Gegenkonzept zu einer gesellschaftlich fundierten Diskursanalyse, wie sie insbesondere in der Funktionalen Pragmatik entwickelt wird ( Pragmatik). Teilweise wird versucht, den Ausdruck „Gesprächsforschung“ als übergreifenden Terminus zu nutzen, wobei die Ausweitung der Semantik von „Gespräch“ weiterhin problematisch bleibt. Im Bereich von DaF/ DaZ ist die K. insbesondere für das Aufdecken interkultureller Unterschiede und Missverständnisse und die Vermittlung von Argumentationsstrategien fruchtbar gemacht worden (vgl. Rost 1989, Yakovleva 2004). Rost, M. (1989), Sprechstrategien in „freien Konversationen“, eine linguistische Untersuchung zu Interaktionen im zweitsprachlichen Unterricht, Tübingen. - Schütze, F. (1975), Sprache, soziologisch gesehen, München. - Yakovleva, E. (2004), Deutsche und russische Gespräche, ein Beitrag zur interkulturellen Pragmatik, Tübingen. Konrad Ehlich Konversationsmaxime, die: Als K. bezeichnete der englische Philosoph Paul Grice (1967) Prinzipien, die der menschlichen Kommunikation (Konversation) zu Grunde liegen. Der Begriff der K. ist zu einem Grundbegriff der Linguistik mit großer theoretischer und praktischer Relevanz geworden. Grundprinzip ist das Prinzip der Kooperation. Auf diesem basieren alle weiteren K., vgl. im Einzelnen Grice (1993), Levinson (2000). Von besonderer Bedeutung ist die von Grice so genannte Maxime der Relation. Sie besagt, dass ein Hörer grundsätzlich davon ausgeht, dass das, was der Sprecher sagt, relevant (bedeutsam) ist. Aus dieser und aus weiteren Maximen kann ein Hörer Implikaturen (logisch nicht zwingende Schlussfolgerungen) ableiten über das, was der Sprecher mit dem meint, was er sagt. Grice, H. P. (1993), „Logik und Konversation“, in: Meggle, G. (Hrsg.), Handlung, Kommunikation, Bedeutung, Frankfurt a. M., 243-265, (engl. 1 1967). - Levinson, S. C. (2000), Presumptive meanings: the theory of generalized conversational implicature, MIT. Klaus Welke Konversationsübung, die: Im Zusammenhang mit der direkten Methode der Versuch, die Schriftfixierung des Fremdsprachenunterrichts, besonders des Grammatik-Übersetzungs-Unterrichts, zu kompensieren. K. waren dabei dem Konversationsideal der „gebildeten Unterhaltung“ verpflichtet. In der kommunikativen Didaktik (Piepho) wurden Gedanken des britischen <?page no="182"?> Kopulasatz 171 Kontextualismus (J. R. Firth) übernommen, nach denen eine erfolgreiche Kommunikation nicht durch isoliertes Fertigkeitentraining, sondern nur durch bewusstes Wahrnehmen der vielfältigen linguistischen und soziolinguistischen Elemente gesprochener Sprache möglich ist. K., z.B. in Form von Rollenspielen und situativ eingebetteten Dialogen, sollten das vermitteln. In der neueren Fremdsprachenvermittlung sind K. durch vielfältige Übungs- und Praxisformen gesprochener Sprache ersetzt. Konrad Ehlich Konversion, die: 1. Verfahren der Wortbildung. Überführung eines Wortes in eine andere Wortart ohne äußere oder innere formale Änderungen des betreffenden Wortes. Man unterscheidet zwischen Stammkonversion ( Stamm): Fisch fischen. (Als Verb erhält fischdie Infinitivendung -en.), blau das Blau und Wortformkonversion: Infinitive (also Verbformen) werden zu Substantiven: rauchen/ das Rauchen oder flektierte Adjektive zu Substantiven: blau/ das Blaue/ der Blaue/ die Blaue. Die Richtung der K. verläuft vom Konkreten zum Abstrakten, also z.B. Fisch zu fischen, verfahren zu das Verfahren. 2. In der Syntax und Semantik spricht man von K., wenn sich Verben bzw. Verbformen und andere Wörter/ Wortformen mit entgegengesetzter Perspektivierung (Blickrichtung) gegenüberstehen. Es gibt einige lexikalisch konverse Verben, z.B.: Anna gibt Erwin das Buch. vs. Erwin bekommt das Buch von Anna. oder Das Buch interessiert Anna. vs. Anna interessiert sich für das Buch. Das Passiv (nur Vorgangs- und Rezipientenpassiv) kann man als syntaktisches Mittel zur Herstellung einer konversen Bedeutung ansehen: Emil betritt den Raum. - Der Raum wird von Emil betreten., Rudi schenkt Emil das Buch. - Emil bekommt das Buch von Rudi geschenkt. Klaus Welke konzessiv: „einräumend“; k. Ausdrücke nehmen relativierend bzw. abwehrend Stellung zu möglichen - tatsächlich geäußerten oder auch nur spekulativ eingeführten bzw. denkbaren - Einwänden/ Gegengründen für das Eintreten einer Handlung bzw. eines Ereignisses bzw. Zutreffen eines Sachverhaltes, wobei diese Handlungen usw. sowohl bereits geschehen sein als auch in der Zukunft liegen können. Aus diesem Grund wird das k. Verhältnis auch als „Verhältnis des unwirksamen Gegengrundes“ bezeichnet (z.B. Er kam trotz seiner Erkältung in die Schule. = Er kam, obwohl er mit seiner Erkältung im Bett hätte bleiben sollen, in die Schule.). Der Gegengrund oder Einwand ist jedoch gleichzeitig als im konkreten Fall nicht wirksam oder überwunden gekennzeichnet. K. Anzeigewörter sind Präpositionen wie trotz, unbeschadet, abgesehen von, ungeachtet; Subjunktionen wie obgleich, obwohl, obzwar, trotzdem, wenngleich, selbst wenn u.a.m.; Adverbien wie trotz allem, dennoch, gleichwohl aber auch durch nebenordnende Verknüpfungen wie … (zwar) …, aber (Du magst (zwar) Recht haben, aber überzeugt hast du mich nicht.) trotzdem oder doch (Der Safe hatte ein angeblich unüberwindliches Sicherheitssystem; trotzdem waren sämtliche Unterlagen daraus verschwunden.; Er hatte keine Chance, doch das Glück kam ihm zu Hilfe.) können k. Verhältnisse versprachlicht werden. Mandy Höhle Konzessivsatz, der: Nebensatz, der vor allem durch die Konjunktionen obwohl, obschon, wenn auch, wenngleich, wennschon, selbst wenn, sogar wenn eingeleitet wird. Als Korrelat im Hauptsatz kommen trotzdem, doch und dennoch vor. Der K. beschreibt einen Sachverhalt, der zwar eine Einschränkung, Einräumung oder einen Gegensatz zur Hauptsatz-Handlung darstellt, aber nicht ausreicht, um dessen Geltung außer Kraft zu setzen. Daher bezeichnet man diese Nebensätze auch als „Nebensätze des unzureichenden Grundes“. Bsp.: Sie geht heute zur Arbeit, obwohl sie sich krank fühlt. Claudia Zellmann Kopula, die: auch Kopulaverb; Verben, die sich insbesondere semantisch von Vollu. Modalverben unterscheiden, da sie eher eine syntaktische Funktion erfüllen und nur Komponenten wie Veränderung, Gültigkeit oder Modus der Existenz denotieren. K. der deutschen Sprache sind sein, werden und bleiben. Sie besitzen fast keine eigenständige lexikalische Bedeutung und verfügen über eine besondere Art von Valenz, wobei in Kopula-Sätzen neben der Struktur Nomen im Nominativ und adverbiales Ajektiv (Peter ist erschöpft) zwei unterschiedliche Ergänzungen im Nominativ zugelassen sind (z.B. in Peter ist der Lehrer. u. Wir bleiben Freunde.). Jacqueline Fiuza da Silva Regis Kopulasatz, der: Satz, in dem das Prädikat aus einem nichtprädikativen Verb, einer Kopula, <?page no="183"?> 172 Kopulativverb und einem prädikativen Nomen oder Adjektiv besteht (z.B. in Das Land ist groß oder Goethe war ein Schriftsteller). In DaF/ DaZ-Zusammenhängen ist es wichtig zu beachten, dass in manchen Sprachen diese Aussagen in Sätzen ohne Kopula, in Nominalsätzen, gemacht werden (z.B. im Russischen Я - преподаватель / Ich bin Lehrer), was zu Interferenzen führen kann. Jacqueline Fiuza da Silva Regis Kopulativverb, das: s. Kopula Körpersprache, die: Der Körper ist in jeder Faceto-face-Interaktion als produzierendes und rezipierendes leibliches Agens und Medium unabdingbar mitbeteiligt. K. kann definiert werden als eine Komponente zwischenmenschlichen Verhaltens, die die Interaktion ohne oder zusätzlich zur Sprache ( nonverbale Kommunikation) bewusst und unbewusst etabliert, aufrechterhält, modelliert und steuert. K. vermittelt Informationen über alle Interaktanten, ihr Verhältnis zueinander sowie über ihr Verhältnis zum Interaktionsgegenstand, K. modelliert die gesprochene Sprache und steuert den Diskursverlauf ganz entscheidend mit. Körpersprache umfasst: Blickverhalten, Gestik, Mimik, Haptik, Olfaktorik, Proxemik, Kinetik. In jeder Kommunikationshandlung (Poyatos 2002) wirken grundsätzlich vier Kommunikationsebenen zusammen: die verbale (Wörter), die paraverbale (Lautstärke, Lachen, Stimmlage etc.), die nonverbale (Mimik, Gestik, Körperhaltung etc.) und die extraverbale (Zeit, Ort, Kontexte etc.). Interaktive Bedeutungskonstitution entsteht erst durch ein Zusammenwirken dieser vier Ebenen und ist nur unter Einbeziehung aller vier Ebenen angemessen zu beschreiben und analysieren. K. ist in vielen Teilen kulturell geprägt und spielt beim Spracherwerb und im DaF- Unterricht lehrer- und lernerseitig eine entscheidende Rolle (Eßer 2007). Eßer, R. (2007), „Körpersprache in Babylon“, in: Eßer, R./ Krumm, H.-J. (Hrsg.), Bausteine für Babylon: Sprache, Kultur, Unterricht, München, 320-332. - Poyatos, F. (2002), Nonverbal Communication Across Disciplines: Culture, Sensory Interaction, Speech, Conversation, Vol. 1., Amsterdam/ Philadelphia. - Rosenbusch, H. S./ Schober, O., Hrsg., (2004), Körpersprache und Pädagogik, Baltmannsweiler. Ruth Eßer Korpus, das: Pl. Korpora; nach unterschiedlichen Kriterien und Motiven angelegte Sammlung authentischer schriftsprachlicher oder gesprochensprachlicher Texte. Neben den Primärdaten umfassteinK.gewöhnlichMetadaten(Informationen über Herkunft der Primärdaten, Kodierungsverfahren etc.) und häufig linguistische Annotationen (Informationen zu Morphosyntax, Syntax, Semantik, Pragmatik, Fehlern etc.) (vgl. Lemnitzer/ Zinsmeister 2006; Scherer 2006). Während K. früher nur in Papierform vorlagen, sind die Daten vieler K. heute digitalisiert, d.h. auf Rechnern gespeichert und maschinenlesbar, was neue Möglichkeiten des Zugriffs und der statistischen Auswertung eröffnet. Der Nutzen öffentlich zugänglicher K. für Belange des Fremdsprachenunterrichts ist vielfältig: Einsprachige K. können bei Erstellung von Wörterbüchern und Lehrwerken konsultiert oder direkt im Unterricht als Datenressource genutzt werden; die Übersetzungsdidaktik kann auf mehrsprachige K. zurückgreifen; die Fremdsprachenerwerbsforschung und die Didaktik profitieren schließlich von systematisch erstellten Lernerkorpora. Für das Deutsche als Fremdsprache wird zurzeit ein umfangreiches fehlerannotiertes Lernerkorpus (Falko) aufgebaut (vgl. Lüdeling 2007). Lemnitzer, L./ Zinsmeister, H. (2006), Korpuslinguistik. Eine Einführung, Tübingen. - Lüdeling, A. (2007), „Das Zusammenspiel von qualitativen und quantitativen Methoden in der Korpuslinguistik“, in Kallmeyer, W./ Zifonum, G. (Hrsg.), Sprachkorpora - Datenmengen und Erkenntnisfortschritt, Berlin, 28-48. - Scherer, C., (2006), Korpuslinguistik, Heidelberg. Dirk Skiba Korpusanalyse, die: Beinhaltet die Untersuchung in Korpora vorliegender authentischer Texte zum Zweck empirisch fundierter Sprachbeschreibung/ -analyse. DaF-spezifische Lehr- und Lernmaterialien sowie (lerner)lexikographische Nachschlagewerke können v.a. in Hinblick auf die Auswahl der zu berücksichtigenden sprachlichen Phänomene und die Bestimmung von Erwerbsreihenfolgen von der K. entscheidend profitieren. Sie ermöglicht bspw. eine Bestimmung der Frequenz von Wörtern, grammatischen Strukturen und Wortverbindungen inklusive ihrer semantischen, morphosyntaktischen und pragmatischen Eigenschaften und Konnotationen sowie deren Dokumentation anhand authentischer Beispiele. Ein weiterer Anwendungsbereich ist die Analyse von Lernersprachen zur Ermittlung von Fehlerschwerpunkten oder Erwerbssequenzen. <?page no="184"?> Kreolsprache 173 Fandrych, C./ Tschirner, E. (2007), „Korpuslinguistik und Deutsch als Fremdsprache. Ein Perspektivwechsel“, in: Deutsch als Fremdsprache, 2007/ 4, 195-204. - Heine, A. (2008), „Zur Nutzbarkeit der gegenwärtig verfügbaren deutschen Korpora für die Lernerlexikographie Deutsch als Fremdsprache. Anspruch und Wirklichkeit“, in: Deutsch als Fremdsprache, 2008/ 1, 3-8. Franziska Wallner korrektive Phonetik: K.P. prognostiziert im Sprachvergleich und untersucht im konkreten Sprachlernprozess phonetische Fehlleistungen, die zu einer fremden Aussprache beitragen, auf lautlicher und intonatorischer Ebene und zeigt Möglichkeiten ihrer Korrektur auf Basis der deutschen Standardaussprache (zum Sprachvergleich s. Hirschfeld u.a. 2002; ein umfangreiches Übungsangebot bieten z.B. Rausch/ Rausch 1991). Hirschfeld, U./ Kelz, H. P./ Müller, U., Hrsg. (2002), Phonetik international. Grundwissen von Albanisch bis Zulu (CD-ROM), Waldsteinberg. - Rausch, R./ Rausch I. (1991): Deutsche Phonetik für Ausländer, Berlin u.a. Beate Lex Korrektur, die: s. Fehler, s. Fehlerkorrektur Kotext, der: auch: Co-Text; sprach- und literaturwissenschaftlicher Terminus des 20. Jhs., der den textinternen sprachlichen (verbalen) Kontext, der einer Textstelle vorausgeht oder folgt, vom textexternen, situationalen Kontext abgrenzt; ein K. kann mündlich oder schriftlich vorliegen. Im DaF/ DaZ-Unterricht besteht eine wichtige Lesestrategie darin, Wörter aus dem K. und Kontext zu erschließen. Anita Schütz Krefelder Modell, das: 1975 bis 1994 als bikulturelles Modell für den Unterricht von Schülern mit Migrationshintergrund (seinerzeit: ausländische Schüler) entwickelt. Es entstand noch in der Zeit der Ausländerpädagogik, war aber geprägt durch die Vorstellung eines integrativen Unterrichts, in dem deutsche Schüler mit solchen einer anderen Nationalität eine gemeinsame Klasse besuchen sollten. Abgelehnt wurden also alle Formen separierenden Unterrichts. Die beteiligten Grundschulen konzentrierten sich auf eine Nationalität. Um dies organisieren zu können, wurde auch auf ‚Busing‘ (= Verteilung der Schüler auf die am Projekt beteiligten Schulen mit Schulbussen) zurückgegriffen. Ab der ersten Klasse gab es gemeinsamen Unterricht, dessen Anteil kontinuierlich zunahm. Insbesondere erhielten die Schüler mit Migrationshintergrund im K.M. getrennten Unterricht in Deutsch als Zweitsprache und im muttersprachlichen Unterricht. Weitere Modelle - auch im Elementar- und Sekundarbereich - schlossen sich an. Kritisiert wurde - trotz Anerkennung der Erfolge - neben dem ‚Busing‘ die binationale Grundlegung, die als nicht mit der Lebensrealität in einem mehrsprachig-mehrkulturellen Land vereinbar gilt. Dickopp, K.-H. (1982), Erziehung ausländischer Kinder als pädagogische Herausforderung: Das Krefelder Modell, Düsseldorf. Sigrid Luchtenberg Kreolisierung, die: der historisch-kulturelle Prozess der Entstehung von Kreolsprachen aus Pidgins, pidginisierten Varietäten oder Kontaktsprachen. Die pragmatischen Ausdruckmodi (Repertoire ungrammatisch miteinander verbundener lexikalischer Einheiten) pidginisierter Varietäten werden gemäß syntaktischem Modus „grammatikalisiert“. Bei fortschreitender Grammatikalisierung entstehen Kreolsprachen: funktionelle und strukturelle Beschränkungen, unregelmäßige Formen und Strukturen, Prinzipien der Vereinfachung und Reduktion von Pidgin- Sprache werden zugunsten einer voll ausgebauten, regelgeleiteten Sprache ausgebaut. Hymes hat K. als Teil eines Lebenszyklus von sprachlichen Varietäten beschrieben: Pidginisierung - Entpidginisierung - Kreolisierung - Kreol - Entkreolisierung - Standardisierung - Standard. Hymes, D. (1971), Pidginisation and creolisation of languages, Cambridge. Norbert Dittmar Kreolsprache, die: voll ausgebaute, z.T. standardisierte Sprache, die aus (mündlichen) Kontaktsprachen (meist im Kontext der Kolonialisierung/ Sklaverei entstandene Pidginsprachen) hervorgegangen ist. Gegenüber Pidgins zeichnen sich K. durch einen komplexen Ausbau der inneren und äußeren Form sowie eine Differenzierung ihrer Gebrauchsdomänen aus. K. stellen der Kommunikation einen systemischen, grammatisch ausgebauten Modus zur Verfügung und werden - parallel zu anderen Muttersprachen ihrer Sprecher - als (oft nicht kodifizierte) Muttersprachen benutzt. K. werden auch als Kontinuum grammatisch unterschiedlich differenziert <?page no="185"?> 174 Kultur ausgebauter Varietäten bezeichnet ( Kreolisierung). Hymes, D. (1971), Pidginisation and creolisation of languages, Cambridge. Norbert Dittmar Kultur: 1. Zur Begriffsklärung Die aus den verschiedenen Kulturwissenschaften vorliegenden Angebote zur Definition von K. sind Legion und jeweils auf fachspezifische Aspekte und Bedarfe zugeschnitten (vgl. dazu Hansen ²2000). Im Fachdiskurs DaF/ DaZ hat sich seit etwa 2000 tendenziell ein Kulturbegriff durchgesetzt, der unter K. die Gesamtheit der Eingriffe des Menschen in seine Mitwelt zu Zwecken der Befriedigung seiner materiellen und ideellen Bedürfnisse versteht, einschließlich der diese Eingriffe begleitenden körperlichen, geistigen und sprachlichen Handlungen und der geistigen und stofflichen Manifestationen und Produkte (vgl. Barkowski/ Eßer 2005). Die konkreten Einzelkulturen werden dabei als historisch-dynamische Systeme mit ggf. starken Binnenuntergliederungen („Subkulturen“) sowie als nicht auf den Geltungsraum von Nationalstaaten begrenzt betrachtet. 2. K. und das Lernen und Lehren fremder Sprachen Für den gen. Kontext spielt K. auf folgenden Ebenen eine bedeutsame Rolle: a) Alltagswelt, Geschichte, ethische Orientierungen, sozioökonomische Verfasstheit und künstlerische Hervorbringungen der Zielkultur unter besonderer Berücksichtigung herkunftskultureller Wahrnehmung und Deutung( Landeskunde; Literatur/ -didaktik) - b) die Eigenschaften von Sprachen (lexikal.-grammat.-pragmat.) im Hinblick auf deren kulturelle Prägung - c) methodisch-didaktische Konzepte und Praxen in Berücksichtigung der Ebene ggf. differierender Lehr-/ Lernerfahrungen bzw. -erwartungen (s. z.B. Boeckmann 2006; Pan 2008; Witte 1996). Die zunehmende Beachtung des Faktors K. hat seit Mitte der 1970er Jahre zu das Fach in seiner ganzen Breite betreffenden Neuorientierungen geführt, die v.a. mit dem Begriff Interkulturalität/ interkulturell verknüpft sind. 3. Zum forschenden Umgang mit kultureller Markiertheit im gegebenen Kontext Im Kern der methodologische Diskussionen über den Zugang zum und Umgang mit dem „empirischen Feld“ geht es darum, das Kulturspezifische der Erscheinungen jenseits subjektiver Verzerrungen durch den Blick des Forschenden zu identifizieren und von deren universellen Merkmalen zu sondern (vgl. dazu Barkowski/ Eßer 2001 sowie emisch/ etisch; Kulturem). Potenzielle Forschungsfelder sind dabei alle unter 2. gen. Bereiche. Barkowski, H./ Eßer, R. (2001), „Haltet den Dieb … Von der Schwierigkeit, den Faktor Kultur in seiner Bedeutung für methodische Arrangements fremdsprachenunterrichtlichen Lernens und Lehrens dingfest zu machen“, in: Funk, H./ Koenig, M. (Hrsg.), Kommunikative Fremdsprachendidaktik - Theorie und Praxis in Deutsch als Fremdsprache, München, 83-93. - Barkowski, H./ Eßer, R. (2005), „Wie buchstabiert man K-u-l-t-u-r? Überlegungen zu einem Kulturbegriff für Anliegen der Sprachlehr- und -lernforschung“, in: Duxa, S./ Hu, A./ Schmenk, B. (Hrsg.), Grenzen überschreiten. Menschen, Sprachen, Kulturen, Tübingen, 88-99. - Boeckmann, K.-B. (2006), Kommunikativer Fremdsprachenunterricht u. regionale Lehr- und Lernkultur. Eine empirische Untersuchung zum Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht in Japan, Innsbruck. - Hansen, K. P. ( 2 2002), Kultur und Kulturwissenschaft. Eine Einführung, Tübingen/ Basel. - Pan, Y. (2008), Interkulturelle Kompetenz als Prozess. Modell und Konzept für das Germanistikstudium in China aufgrund einer empir. Unters., Sternenfels. - Witte, A.(1996), Fremdsprachenunterricht und Eigenkultur. Kulturgeprägte Bedingungen, kulturangemessene Unterrichtsmethoden und subjektive Lehrtheorien von DaF-Lehrkräften in Nigeria, München. Hans Barkowski Kulturanthropologie, die: Wissenschaft vom Menschen und seinem Verhältnis zur Kultur. Mit der Anerkennung der Soziologie als zentraler Leitdisziplin hat sich die Volkskunde in den 1970er Jahren in Deutschland zur K. gewandelt und als eine interdisziplinäre, empirische Kulturwissenschaft von der traditionellen Volkskunde abgegrenzt. Für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache ist die K. insofern bedeutsam, als sie auch nach der Bedeutung von Sprache für den Menschen fragt, insbesondere danach, wie Sprache in der sozialen Interaktion eingesetzt wird. Girtler, R. (2006), Kulturanthropologie. Eine Einführung, Wien/ Münster. Andrea Koban Kulturem, das: Begriff im Rahmen der Kulturemtheorie (Oksaar 1988). Die Kulturemtheorie beschreibt das komplexe Zusammenspiel und die wechselseitige Bedingtheit von Kultur, Sprache und außersprachlichen Variablen. Danach sind alle kulturellen Gruppen vergleichbar organisiert, und zwar in K. genannten Einheiten. Diese <?page no="186"?> KulturKontakt Austria (KKA) 175 sind universelle Handlungen und Konzepte jeden sozialen Zusammenlebens (wie z.B. Begrüßung, Zustimmung, Ablehnung). Die universellen K. werden durch besondere - und für verschiedene kulturelle Gruppen jeweils unterschiedliche - Verhaltensweisen, die sogenannten Behavioreme (= spezifische nonverbale, verbale und paraverbale Formen sowie extraverbale Einflussfaktoren - Behaviorismus) realisiert. Bsp.: Auf der Kulturemebene kann das universelle K. ‚Begrüßung‘ nonverbal durch die Behavioreme ‚Händeschütteln‘ (in Deutschland) oder ‚Verbeugung‘ (in Japan) realisiert werden. Kultureme Behavioreme Nonverbal Extraverbal Verbal Parasprachlich Mimik Zeit Wörter Gestik Raum Körperbewegungen … soziale Variablen (Oksaar 1988: 28, Hervorhebung R. E.) Eßer, R. (2006), „‚Die deutschen Lehrer reden weniger und fragen mehr …‘. Zur Relevanz des Kulturfaktors in DaF-Forschung und DaF-Praxis“, in: Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht 2006/ 3, http: / / zif. spz.tu-darmstadt.de/ jg-11-3/ beitrag/ Esser1.htm. - Oksaar, E. (1988), Kulturemtheorie. Ein Beitrag zur Sprachverwendungsforschung, Göttingen. Ruth Eßer Kulturinstitute: Nationale K. sind wichtige Organe der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) vieler Länder. AKBP umfasst den internationalen Austausch in bildender Kunst, Literatur, Musik, Film, Theater/ Tanz sowie die Förderung von Sprache und Landeskunde im Ausland. Finanziert werden K. v.a. durch staatliche Zuwendungen; Ressourcen, Organisation und Ausrichtung sind unterschiedlich. So erhalten die K. Deutschlands, die Goethe-Institute, z.B. Mittel vom Auswärtigen Amt (AA), sind aber in Verwaltung und inhaltlicher Arbeit als eingetragener Verein unabhängig. Das Verhältnis zum AA ist durch einen Rahmenvertrag geregelt. Weitaus öfter sind K. Einrichtungen ihrer Außenministerien, so die französischen oder britischen K. I.d.R. bieten K. im Ausland Sprachkurse an, organisieren Kulturprogramme und verfügen über Bibliotheken mit Medien in der Sprache des Landes des K.. Die K. haben unterschiedlich große Netzwerke, so betreibt z.B. das Goethe-Institut 147 Institute in 83 Ländern, hinzu kommen Partnereinrichtungen, u.a. Lesesäle oder Sprachzentren. V.a. europäische Länder verfügen über K., viele andere Länder betreiben ihre AKBP über ihre Auslandsvertretungen. Die K. von 25 Ländern der EU haben sich 2007 zu EUNIC (European Union National Institutes for Culture) vereinigt, um gezielt europäische Netzwerke aufzubauen. Sattler, J. (2007), Nationalkultur oder europäische Werte? Berlin. - Znined-Brand, V. (1999), Deutsche und Französische Auswärtige Kulturpolitik, Frankfurt a. M. Katharina von Ruckteschell KulturKontakt Austria (KKA): Verein, gegründet 1989 als Auslagerung von mehreren österreichischen Ministerien; ursprünglich für die Koordination von internationalen Kulturprojekten, seit 1994 auch für die internationale Bildungskooperation im voruniversitären Bereich zuständig. Betreut vorrangig in den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas gemeinsam mit nationalen und internationalen Partnern Bildungsprojekte und Lehrerfortbildungen. Ziel ist die Unterstützung nachhaltiger Bildungsreformen in den Partnerländern und damit die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen Wissensgesellschaft in ganz Europa. KKA betreut die österr. Beauftragten für Bildungskooperation, die u.a. im Bereich DaF Bildungsprojekte entwickeln und durchführen. Weiters werden in Zusammenarbeit mit der Koordinationsstelle des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) die Lehrer an bilingualen Schulen in Tschechien, Ungarn und der Slowakei und die österreichischen Lehrer in Südosteuropa (Albanien, Bulgarien, Serbien) unterstützt. Die Koordinationsstelle betreut im Auftrag des BMUKK auch Lehrer, die an österreichischen, deutschen und europäischen Auslandsschulen tätig sind. Mit dem Koordinationsbüro Austrian University Network Office (AUNO) unterstützt KKA seit 2005 das ASEA UNINET, das den wissenschaftlichen Austausch österreichischer Universitäten und anderer Bildungseinrichtungen mit asiatischen Partnerinstitutionen fördert. Internetadressen: www.kulturkontakt.or.at - www.keducation.at Brigitte Sorger <?page no="187"?> 176 Kulturkontrast Kulturkontrast, der: In Analogie zur kontrastiven Linguistik meint der Begriff K. die durch vergleichende Beschreibung ermittelte Differenz einer Kultur A zu Kultur B. Das Verfahren der kontrastiven Kulturanalyse, das Göring (1975) für DaF erstmals benennt, soll dem Abbau von Ethnozentrismus und Vorurteilen dienen. In der DaF-Didaktik setzten sich Kultur kontrastierende Fragestellungen zunehmend durch (vgl. z.B. Neuner 1986) und finden inzwischen regelmäßig Eingang in kommunikative und interkulturelle Lehrwerke. (Leitfrage: ‚Und wie ist das bei Ihnen? ‘) Mit der verstärkten Kritik an essentialistischen Kulturkonzepten, der inflationären Verwendung des Begriffs interkulturell und der Gleichsetzung von Kulturvergleich und Interkulturalität wurde das k. Verfahren in den letzten Jahren zunehmend kritisiert. Wie Guest (2006) bemerkt, werden in der k. Forschung zudem häufiger reduktionistische Aussagen über kulturelle Aspekte des Fremdsprachenlernens getroffen, die auf teils spekulativen Ergebnissen einiger weniger kulturkontrastiver Studien beruhen. Göhring, H. (1975), „Kontrastive Kulturanalyse und Deutsch als Fremdsprache“, in: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache, 1, 80-92. - Guest, M. (2006), „Culture research in foreign language teaching: Dichotomizing, stereotyping and exoticizing cultural realities? “, in: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht (Online), 11 (3), 14 ff. - Neuner, G., Hrsg. (1985), Kulturkontraste im DaF-Unterricht (Studium DaF - Sprachdidaktik 5), München. Evelyn Röttger Kulturkunde, die: Ansatz und Vorläufer der heutigen Landeskunde; K. fokussiert eher allgemeine Informationen über z.B. Geschichte, Kultur, Philosophie und Kunst eines jeweiligen Landes: nicht Zahlen, Daten und Fakten sollen vermittelt werden, sondern es geht um das komplexe Wahrnehmen und Verstehen einer Kultur; K. kann insofern v.a. als Gegen- oder auch Komplementärkonzept zu Realienkunde verstanden werden. Hackl, W. (2001), „Informationsorientierte Landeskunde“, in: Helbig, G./ Götze, L./ Henrici, G./ Krumm, H.-J. (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache - ein internationales Handbuch, 2. Halbbd., Berlin, 1204-1215. Désirée Ruge Kulturmorphologie, die: Auffassung von Kulturen als ganzheitlichen Erscheinungen, die analog zu biologischen Prozessen eine Entwicklung von der Geburt über das Erblühen und Wachsen bis zum Absterben durchlaufen (Frobenius, Spranger, Spengler u.a.). K. in einem weiteren Sinne befasst sich mit der Entwicklung und Verbreitung von Kulturerscheinungen (auch Sprachen, Dialekte) der in einem Kulturraum lebenden Menschen und ist eng mit dem Begriff Kulturraumforschung verbunden. Silke Hofer Kulturpolitik, die: staatliche Handlungen (Gesetze, Finanzierung, Institutionalisierung) bezogen auf kulturelle Entwicklungen und Einrichtungen. Hauptaufgabe der K. ist die Vermittlung und Förderung der Kultur eines Landes; auch die Sprachförderung wird vielfach als Teil nicht nur der Bildungs-, sondern auch der K. gesehen. Für die Außenpolitik wird K. (genauer: Auswärtige K.) häufig als die „dritte Säule“ neben der Wirtschafts- und Sicherheitspolitik bezeichnet. Hierfür haben auch die deutschsprachigen Länder zahlreiche Mittlerorganisationen geschaffen, die den jeweiligen Außenministerien zugeordnet sind (so z.B. das Goethe-Institut dem Auswärtigen Amt, das Österreich Institut dem Bundesministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten). Für die auswärtige K. hat die Sprachförderung neben der Förderung von Kunst, Wissenschaft und Medien eine besondere Bedeutung ( Sprachenpolitik). Neben den staatlich geförderten Einrichtungen spielen auch Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen eine wichtige Rolle im internationalen Kulturaustausch. Quenzel, G. (2005), Konstruktionen von Europa. Die europäische Identität und die Kulturpolitik der europäischen Union, Bielefeld. - Wolf, A., Hrsg. (2000), Sprache - Kultur - Politik (Materialien Deutsch als Fremdsprache 53), Regensburg. Silke Hofer Kultursprache, die: Hochsprache bzw. ein Sprachstandard, der eine bestimmte kultursprachliche Geltung und Funktion innehat und folgende Kriterien aufweist: Supraregionalität (auch Überregionalität), Literalität, Multifunktionalität, Literarizität, Intersozialität, Philologität und Internationalität. Hinsichtlich der Vielzahl von Mundarten ist die Hochsprache die einzige Konstante, weshalb sie auch (All-)Gemeinsprache oder Einheitssprache genannt wird. Die K. findet <?page no="188"?> Kultur und Sprache 177 sowohl in der Literatur, Musik und Kunst als auch in sämtlichen Wissenschaften wie Mathematik, Logik, Philosophie, Soziologie etc. Anwendung, wobei es hier einerseits um den schriftlichen oder mündlichen Gebrauch der Sprache selbst (bei Veröffentlichungen), als auch um die weltweite Repräsentanz des Landes/ der Länder dieser Sprache - für Deutsch sind das insbesondere Deutschland, Österreich, die Schweiz und Liechtenstein (D-A-CH-L) - und dessen/ deren Kulturgut geht. Müller, R. (1972), „Hoch- und Kultursprache. Konstituierung eines Systems begrifflicher Merkmale und seine sprachliche Konkretion am Beispiel des Neuhochdeutschen“, in: Kennosuke, E./ Kürschner, W./ Rensch, K./ Ringmacher, M. (Hrsg.), Linguistik jenseits des Strukturalismus. Akten des II. Ost-West-Kolloquiums, Tübingen, 425-475. Alexandra Rösner Kulturstandard, der: Unter K. werden hypothetische Konstrukte verstanden, die kulturspezifische Arten der Wahrnehmung, des Denkens, des Wertens, des Empfindens und Handelns determinieren und von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich persönlich und für andere Personen als normal, typisch, selbstverständlich und verbindlich angesehen werden. Eigenes und fremdes Verhalten wird auf der Grundlage von K. beurteilt und reguliert. K. wirken somit als ein Gradmesser für kulturell akzeptiertes Handeln, wobei der individuelle und gruppenspezifische Umgang mit K. zur Handlungssteuerung innerhalb eines gewissen Toleranzbereichs variieren kann, bevor seitens der sozialen Umwelt Sanktionen erfolgen. K., die in der einen Kultur von großer Bedeutung sind, können in einer anderen Kultur auch vorhanden sein, aber möglicherweise eine andere Funktionalität besitzen. So ist der K. „Sachorientierung“ im Alltagsleben und im beruflichen Handeln in Deutschland von zentraler Bedeutung, wenn es um die Erbringung von Leistung geht. Für Menschen in vielen anderen europäischen und z.B. auch asiatischen Kulturen schreibt der K. hingegen „Beziehungs- und Personenorientierung“ vor, wonach es Vorrang hat, sich zunächst um ein gutes, harmonisches, motivierendes Klima in der interpersonalen Begegnung und Kooperation zu bemühen, bevor man sich mit sachbezogenen Details befasst. Ein den geltenden K. gemäßes Verhalten wird im Verlauf des individuellen Sozialisationsprozesses (Enkulturation) gelernt und automatisiert bzw. habitualisiert (vgl. Bourdieu 1999). Bourdieu, P. (1999), „Sprachlicher Markt“, in: Auer, P. (Hrsg.), Sprachliche Interaktion. Eine Einführung anhand von 22 Klassikern, Tübingen, 240-252. - Thomas, A. (2005), „Kultur und Kulturstandards“, in: Thomas, A./ Kinast, E.-U./ Schroll-Machl, S. (Hrsg.), Handbuch interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Bd. 1 Grundlagen und Praxisfelder, 2. Aufl., Göttingen, 19-31. - Schroll-Machl, S. (2007), Die Deutschen - Wir Deutsche, Fremdwahrnehmung und Selbstsicht im Berufsleben, 2. Aufl., Göttingen. Alexander Thomas Kulturthema, das: bezeichnet in der interkulturellen Germanistik ein Thema, das im öffentlichen Selbst- und Weltverständnis einer oder mehrerer Kulturen zu einem bestimmten Zeitpunkt besondere Bedeutung gewinnt. Der K.forschung geht es um Konzepte mit universalistischem Charakter und weltweiten Anknüpfungsmöglichkeiten, die aber gleichzeitig auch solche Dimensionen enthalten, die nur in bestimmten Regionen (wie Europa) oder Ländern Gültigkeit beanspruchen können. Beispiele für K. sind etwa das Verhältnis von Eigenem und Fremdem, Toleranz, Arbeit, Wohnen, Essen, Gesundheit, Religion und Höflichkeit. Im Kontext des K. Toleranz kommt es z.B. zum einen darauf an (vgl. Wierlacher 1996), die europäische Idee der Toleranz auf ihre kulturelle Reichweite hin zu überprüfen und zum anderen das Toleranzpotenzial der Kulturen in der Absicht zu erforschen, kulturdifferente Toleranzkonzepte zu entdecken, in denen sich die Individualität der verschiedenen Kulturen spiegelt. Den Vertretern der K.forschung im Kontext der interkulturellen Germanistik geht es letztlich darum, diese K. in interkulturellen Diskursen so auszuloten, dass sie zu einem wechselseitig produktiven Miteinanderumgehen in der Vielfalt der Kulturen beitragen (zur Kritik an Ansätzen der interkulturellen Germanistik vgl. z.B. Zimmermann 1991). Wierlacher, A. (1996), Kulturthema Toleranz. Zur Grundlegung einer interdisziplinären und interkulturellen Toleranzforschung, München. - Zimmermann, P., Hrsg. (1991), „Interkulturelle Germanistik“. Dialog der Kulturen auf deutsch? , 2. erg. Aufl., Frankfurt. Adelheid Hu Kultur und Sprache: internat. Kooperationsstelle für DaF im österr. Unterrichtsministerium; Vernetzung mit sprachpolitischen Aktivitäten und <?page no="189"?> 178 Kulturvergleich Zielen (national und international). Schwerpunkte: Fortbildung für DaF-Unterrichtende, Lehrmaterialien(Landeskunde), Österr. Sprachdiplom Deutsch, Österreichzentrum Skövde (DaF im Nordischen Raum/ Baltikum). Leitung und Betreuung von Projekten, darunter Radioprojekte, interkulturelle Schulprojekte, Lehrbucherstellung, Curriculaentwicklung, Wettbewerbe, Sprachentage etc. Kooperationspartner: Ministerien, Deutschlehrerverbände/ IDV, DaF- Mittlerorganisationen, Universitäten, Schulen, Aus- und Fortbildungseinrichtungen für DaF-Unterrichtende. Internetadresse: www.kulturundsprache.at Gertrude Zhao-Heissenberger Kulturvergleich, der: Der Vergleich zwischen Phänomenen der eigenen, bekannten und der neuen, unvertrauten Kulturräume ist ein grundlegender, ständig auftretender kognitiver und oft wertender Akt im Kontext des Sprachenlernens und -lehrens. Zusätzlich zu den zu vergleichenden Größen tritt ein Tertium Comparationis hinzu, also ein Gesichtspunkt, auf dessen Basis verglichen wird. Ein Grundproblem des K. besteht oft darin, dass dieses Tertium Comparationis als ortlos angenommen wird, so als könne man von hier aus unbeteiligt und objektiv Kulturen miteinander vergleichen. Tatsächlich geschehen Vergleiche aber immer von einem kulturellen Standort aus. Der Akt des Vergleichens sollte im Fremdsprachenunterricht immer wieder bewusst reflektiert werden, um interkulturelle Kompetenz zu entwickeln. Es gilt, ethnozentrische Formen des Vergleichs, bei dem Kulturdifferenz schlichtweg in die eigenen Wahrnehmungsmuster eingemeindet wird, in Frage zu stellen und stärker darauf hinzuarbeiten, die Angemessenheit des Tertium Comparationis selbst in Frage zu stellen und dessen Genese, Struktur und Funktion zu erkunden. Angesichts globaler, v.a. durch Medien und Migration bedingter Diffusionsprozesse, hochgradiger intrakultureller Differenzen und mehrkultureller Identitäten gewinnt der K. noch an Komplexität, bietet aber auch ein großes Potenzial für kulturübergreifende Verstehensprozesse. Cappai, Gabriele (2007), „Vergleichen“, in: Straub, J./ Weidemann, A./ Weidemann, D. (Hrsg.), Handbuch interkulturelle Kommunikation und Kompetenz. Grundbegriffe - Theorien - Anwendungsfelder, Stuttgart/ Weimar. - Loenhoff, J. (2003), „Kulturvergleich und interkulturelle Kommunikation“, in: Germanistisches Jahrbuch GUS „Das Wort“, 105-114. Adelheid Hu Kulturwissenschaft, die: Sammelbegriff für diejenigen Disziplinen, welche die Vorgänge des menschlichen Lebens unter dem Gesichtspunkt ihrer Kulturbedeutung betrachten. Die Anerkennung des Konstruktcharakters kollektiver Bedeutungssysteme, d.h. die Überzeugung, dass Kultur von Menschen konstruiert/ inszeniert wird, kann als gemeinsam akzeptierte Basis gelten. Seit Ende der 1990er Jahre mehren sich kulturwissenschaftlich orientierte Beiträge auch im Forschungsbereich des Lernens und Lehrens von Sprachen. Es handelt sich dabei z.B. um Ansätze im Kontext der Landeskunde, die stärker kollektive Deutungsmuster und Symbolik sowie Fragen des kulturellen Gedächtnisses ins Zentrum stellen. Auch im Bereich der Text- und Literaturdidaktik sind kulturwissenschaftliche Impulse von Bedeutung. Forschungen zur sprachlich-kulturellen Heterogenität rekurrieren vielfach auf kulturwissenschaftliche Arbeiten, da Sprache, Kultur und Migration einen Kernbereich kulturwissenschaftlicher Forschung darstellen. Forschungsmethodisch ist die Einsicht in die Kulturgebundenheit jeder Forschung sowie die Notwendigkeit, diese Gebundenheit durch theoretische Transparenz zumindest bewusst zu machen, gerade für die Fremdsprachenforschung von großer Bedeutung. Böhme, H./ Matussek, P./ Müller, L. (2000), Orientierung Kulturwissenschaft. Was sie kann, was sie will, Reinbek. - Hallet, W. (2002), Fremdsprachenunterricht als Spiel der Texte und Kulturen. Intertextualität als Paradigma einer kulturwissenschaftlichen Didaktik, Trier. - Hu, A. (2007), „Kulturwissenschaftliche Ansätze in der Fremdsprachendidaktik“, in: Hallet, W./ Nünning, A. (Hrsg.), Neue Ansätze und Konzepte der Literatur- und Kulturdidaktik. Trier, 13-30. Adelheid Hu künstliche Sprache: 1. in der Interlinguistik Bezeichnung für von Personen oder Personengruppen bewusst geschaffene Sprache, die i.d.R. der Erleichterung der internationalen sprachlichen Kommunikation dienen soll. Die bisher erfolgreichste k.S. ist das Esperanto, weitere Beispiele sind Volapük, Ido, Interlingua. 2. In der Informationstechnologie bezeichnet k.S. Konstruktsprachen, die nicht der menschlichen Kommunikation dienen, sondern der Bedienung von Maschinen <?page no="190"?> LAD 179 (Computer, Werkzeugmaschinen), wobei auf einem Vorrat von Grundsymbolen durch Anwendung bestimmter grammatischer Regeln syntaktisch korrekte Sätze, Programme genannt, erzeugt werden. Ein Anwendungsgebiet solcher vollständig formalisierter Sprachen sind die Programmiersprachen. Diese werden meist entweder nach dem Vorbild von Logik-Kalkülen (z.B. Prolog) oder imperativen Rechenarchitekturen (z.B. Basic, Fortran, Pascal) konstruiert (vgl. Scherb 1992, 67-69). Scherb, M. (1992), Künstliche und natürliche Sprache, Hildesheim. Alexandra Rösner Kunstwort, das: ein bewusst gebildetes neues Wort, um einen bisher noch nicht mit einer Bezeichnung belegten Begriff, meist aus Wissenschaft und Technik, zu benennen, z.B. alloglott in Anlehnung an den Begriff polyglott ( Polyglossie) als Bezeichnung für Anderssprachige. Als K. werden auch jene Wörter bezeichnet, die für experimentelle Untersuchungen erfunden werden und auf keinen Referenten in der realen Welt verweisen. Sie werden u.a. dazu verwendet, Schlussfolgerungen für die Regularitäten beim Spracherwerb zu ziehen (z.B. elizitiert der Wug-Test, dass der Plural engl. Substantive durch ein -s markiert wird: this is a wug - these are three wug-s). Mandy Höhle Kurzzeitgedächtnis, das: Nach dem aus der kognitiven Psychologie stammenden modalen Gedächtnismodell wird mit K. das Gedächtnis bezeichnet, das zwischen Reizaufnahme und Langzeitspeicher liegt. Das K. hat nur eine äußerst beschränkte Kapazität (7 ± 2 Informationen). Das Konzept des Arbeitsgedächtnisses, das von Baddeley u.a. vertreten wird, geht nicht mehr von einer strengen Dichotomie zwischen K. und Langzeitgedächtnis aus. Vielmehr umfasst das Arbeitsgedächtnis Teile des Langzeitspeichers, teilt aber auch Merkmale des K. Das Arbeitsgedächtnis wird in drei Teile geteilt. Der räumlichvisuelle Notizblock verarbeitet visuelle Informationen, die Artikulationsschleife akustische Informationen. Die zentrale Exekutive steuert das Arbeitsgedächtnis, nimmt äußere Reize auf und leitet sie an die beiden anderen Subsysteme weiter, des Weiteren dient sie als Schaltstelle zum Langzeitspeicher. Solso, R. L. (2005), Kognitive Psychologie, Heidelberg. Martin G. Döpel L L1: s. Erstsprache L2: s. Zweitsprache L3: s. Drittsprache, s. Tertiärsprache labiles Verb: Verb, das sowohl intransitiv als auch transitiv verwendet werden kann, wobei das Subjekt des intransitiven Verbs dem Objekt des transitiven Verbs entspricht, z.B.: Die Vorstellung beginnt. - Jemand beginnt die Vorstellung. Klaus Welke LAC: s. languages across the curriculum LAD: Language Acquisition Device, „Spracherwerbsmechanismus“; von Noam Chomsky geprägter und definierter Terminus; steht für die Annahme, dass der Mensch über eine genetisch fixierte, artspezifische und einzelsprachenunabhängige (= universelle) Anlage - eben den LAD - verfügt, die es ihm gestattet, im Zuge der primären kindlichen Reifungsprozesse jede beliebige Muttersprache zu erlernen, indem die jeweiligen sprachlichen Umgebungsdaten nach bestimmten Parametern analysiert werden (vgl. Chomsky 1965). Als Hauptargument für LAD wird angeführt, dass kleine Kinder ihre Muttersprache offensichtlich auf der Basis von Regel-Ableitungen aufbauen, fehlerhafter bzw. unvollständiger Input der Sprachumgebung nicht zu fehlerhaften Lernergebnissen führe und die Entwicklung der Grammatikkompetenz bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Gesamtentwicklung - mit etwa 3 Jahren - weitgehend und einschl. der komplexen Strukturen abgeschlossen ist. Die LAD-Hypothese bildet ein Kernstück nativistischer Positionen zur Erklärung des Spracherwerbs sowie der Theorie der Universalgrammatik. Die Forschungslage, den Nachweis bzw. die Widerlegung der Existenz des LAD betreffend, ist widersprüchlich; eine abschließende Klärung steht aus. (Zu alternativen Erklärungsmodellen s. auch Spracherwerbstheorie; zur Bedeutung des LAD für den Fremdsprachenerwerb vgl. ggf. Fremdsprachenerwerbstheorie). <?page no="191"?> 180 Lakune Chomsky, N. (1965), Aspects of the theory of syntax, Cambridge, Mass. Hans Barkowski Lakune, die: bezeichnet eine (lexikalische) Lücke (z.B.: hungrig - satt, durstig - ? ). Im interkulturellen Kontext stammt die L.theorie aus der russischen Ethnolinguistik. Im Mittelpunkt stehen Probleme des interkulturellen (Text-) Verstehens, wenn Mitgliedern einer anderen Kultur für das Textverstehen wichtige Erfahrungen fehlen. L. erscheinen dem Rezipienten als etwas Unverständliches, Fehlerhaftes, nicht Voraussagbares. Ertelt-Vieth hat diesen ursprünglich texttheoretischen Ansatz weiterentwickelt, um interkulturelle Wahrnehmungs- und Lernprozesse empirisch zu erfassen. Ertelt-Vieth, A. (2005), Interkulturelle Kommunikation und kultureller Wandel. Eine empirische Studie zum russischdeutschen Schüleraustausch, Tübingen. Adelheid Hu Lallphase, die: die erste Stufe der Lautentwicklung. Während Babys in der ersten, noch nicht (laut)sprachspezifischen L. (ca. ab dem 2. Monat) die Artikulationsmöglichkeiten von Zunge, Gaumen und Lippen in Verbindung mit Atmung und Stimme ausprobieren und so erste Laute bilden, kann man in der zweiten L. (ca. ab dem 6. Monat) schon deutlich zwischen Vokalen und Konsonanten unterscheiden. Häufige Reduplikationen (z.B.: dada, lala) sind charakteristisch, wobei Klangunterscheidungen zwischen Konsonanten nach dem Prinzip des maximalen Kontrasts zunächst zwischen Labialen (z.B.: papa) und Nasalen (z.B.: mama), später auch zwischen Labialen und Dentalen (z.B.: tata) erfolgen. Jakobson, R. (1969), Kindersprache, Aphasie und allgemeine Lautgesetze, Frankfurt a. M. Ulrike Eder Landeskunde, die: 1. Der Begriff L. fasst verschiedene Forschungsansätze und Lehrkonzepte zusammen, die sich mit landes- und kulturspezifischen Inhalten des Deutschunterrichts sowie Methoden und Strategien ihrer Darstellung, Vermittlung, Aneignung und Anwendung befassen. 2. L. wurde zunächst vor allem als Realienkunde verstanden und entwickelte sich seit den 1920er Jahren zu einer Kulturkunde, in der in der Zeit des Nationalsozialismus eine nationalistische und rassistische Ausrichtung die Oberhand gegenüber humanistischen Anliegen gewann. Nach dem II. Weltkrieg bis zum Ende der 1960er Jahre spielten landes- und kulturkundliche Inhalte im Fremdsprachenunterricht eine geringe Rolle. Danach etablierte sich die L. in Lehre und Forschung. Mit dem Ende der Zweistaatlichkeit in Deutschland und den gesellschaftlichen Veränderungen in Europa seit 1989/ 90 hat die L. ihre ideologische Funktion im Wettstreit der politischen Systeme verloren. Die neuere Entwicklung ist durch stärkere Integration in den Sprachunterricht, eine zunehmende kulturwissenschaftliche Begründung und eine Vielfalt von methodischen Konzepten gekennzeichnet. 3. Die methodischen Konzepte der L. werden meist in ‚kognitive‘, ‚kommunikative‘ und ‚interkulturelle‘ Ansätze eingeteilt, was in gewisser Weise ihrer historischen Entwicklung entspricht, jedoch auch synchronisch als Schwerpunktsetzung innerhalb eines integrativen Konzepts zu verstehen ist. Der ‚kognitive‘ Ansatz versteht L. nicht mehr als systematische Vermittlung von Fakten und Tatsachen mit dem Ziel eines komplexen Landesbildes, sondern als Entwicklung von Strategien zur selbstständigen Wissenserweiterung. Der ‚kommunikative‘ Ansatz integriert die L. konsequent in den Sprachunterricht, um die Lernenden in die Lage zu versetzen, in kommunikativen Situationen adäquat handeln zu können. Mit dem Cultural Turn der 1990er Jahre erfuhr der kommunikative Ansatz eine Erweiterung zur interkulturellen L. Kulturbzw. Fremdverstehen wurde zum gleichwertigen Lernziel erklärt. Zu den referenzwissenschaftlich begründeten Konzepten zählen u.a. interdisziplinäre sowie einzelwissenschaftlich begründete konzeptionelle Zugänge, die auf wichtige Aspekte der L. (Geschichte, Kunst und Musik, Literatur) abzielen. Seit Ende der 1990er Jahre werden verstärkt kulturwissenschaftlich begründete Konzepte diskutiert, welche sich angesichts globaler kultureller Prozesse von homogenen Kulturbegriffen lösen, auf kulturelle Differenz, Transkulturalität und Hybridität von Kulturen setzen und damit eine Neupositionierung der L. im Sinne eines lebensweltlich konzipierten, offenen und prozesshaften Projekts im Rahmen der interkulturellen Begegnung erfordern. Lüsebrink, H.-J. (2007), „Kultur- und Landeswissenschaften“, in: Bausch, K.-R./ Christ, H./ Krumm, H.-J. (Hrsg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht, 5. Aufl., Tübingen, 60-65. - Veeck, R./ Linsmayer, L. (2001), „Ge- <?page no="192"?> Langzeitgedächtnis 181 schichte und Konzepte der Landeskunde“, in: Helbig, G./ Götze, L./ Henrici, G./ Krumm, H.-J. (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch. 2. Halbbd., Berlin, 1160-1167. Rainer Bettermann Langage: fungiert in der Terminologie F. de Saussure’s (1857-1913) als Oberbegriff zu Langue und Parole und steht etwa für die „allgemeine Sprachfähigkeit des Menschen“ (s. ggf. auch Linguistik; Strukturalismus). Hans Barkowski/ Hans-Jürgen Krumm Längsschnittstudie, die: auch: Longitudinalstudie; Forschungsdesign, in dessen Rahmen dieselbe Untersuchung zum Zwecke des Vergleichs der erhobenen Datensätze zu zwei oder mehreren Zeitpunkten durchgeführt wird (i. Ggs. zur Querschnittsstudie). Dabei wird zumeist entweder eine Stichprobe über einen bestimmten Zeitraum begleitet (Panelstudie), oder es werden zu verschiedenen Zeitpunkten gezogene Stichproben, die für dieselbe Population repräsentativ sind, zueinander in Beziehung gesetzt (Trendstudie). Während Panelstudien auch intraindividuelle Prozesse aufzeigen können, erfassen Trendstudien lediglich intragruppalen Wandel. L. zielen primär auf die Darstellung von Entwicklungen und die Etablierung von Kausalrelationen. Sie können sowohl quantitativ als auch qualitativ ausgerichtet sein, und anstelle von Menschen können auch Objekte (z.B. Lehrmaterialien) den Forschungsgegenstand bilden. In der Zweitsprachenerwerbsforschung werden L. z.B. zur Untersuchung von Lernersprache eingesetzt. Dörnyei, Z. (2007), Research Methods in Applied Linguistics, Oxford. Julia Settinieri Language Acquisition Device: s. LAD Language awareness: s. Sprachaufmerksamkeit Languages across the curriculum (LAC): Das Konzept LAC stellt eine Kombination von Sprachenlernen und Fachlernen dar. Es hat seine Wurzeln in den kanadischen Immersionsprogrammen ( Immersion), die vor allem im Zusammenhang mit dem kommunikativen Sprachunterricht im deutschsprachigen Raum intensiv rezipiert wurden. Ziel von LAC ist Sprachenlernen durch sachbezogene Kommunikation. Dies bedeutet, dass Sachunterricht in einer Fremdsprache durchgeführt wird, z. B. Geschichtsunterricht in Deutsch. LAC wird manchmal auch als bilingualer Unterricht oder als partieller Immersionsunterricht bezeichnet. In den letzten Jahren hat sich der Terminus Content and Language Integrated Learning (CLIL) für Unterrichtsformen im Sinne von LAC durchgesetzt. Thomas Fritz Language shift: s. Sprachwechsel Langue: Gegensatz: Parole (Sprache im Sinne von Sprechen). Der Begriff geht auf F. de Saussure (1857-1913) zurück. L. ist für Saussure ein dem einzelnen Sprecher vorgegebener sozialer Tatbestand, ein abstraktes Sprachsystem und der eigentliche Gegenstand der Sprachwissenschaft. Der Terminus wurde zu einem Schlüsselbegriff der modernen Linguistik und im Gefolge Saussures unterschiedlich ausgedeutet: als System von Regeln, Mustern und sprachlichen Einheiten, das der aktuellen Sprachverwendung (der Parole) zu Grunde liegt (Sprachsystem - Sprachverwendung), oder als die der Sprachverwendung zu Grunde liegende Fähigkeit der Sprecher/ Hörer ( Kompetenz - Performanz bei N. Chomsky). Mit der Betonung der L. wurde Saussure zum Wegbereiter des Strukturalismus. Er orientierte die Linguistik des 20. Jhs. auf die Beschreibung und Erklärung von Sprache als System und Struktur und damit auf Synchronie und im Bereich der Grammatik auf Syntax, während die Grammatik des 19. Jhs. vor allem auf Diachronie und Morphologie gerichtet war. Saussure, F. de (1967), Grundfragen der Sprachwissenschaft, Berlin (frz. 1 1916). - Chomsky, N. (1965), Aspects of a Theory of Syntax, Cambridge/ Mass. (dt. 1970). Klaus Welke Langzeitgedächtnis, das: auch: Langzeitspeicher; Teil des Gedächtnisses, der dauerhaft Informationen speichert; besteht aus: 1. deklarativem Gedächtnis ( deklaratives Wissen), unterteilt in semantisches G. (enthält Weltwissen) und episodisches G. (speichert Ereignisse des eigenen Lebens); 2. prozeduralem G. ( prozedurales Wissen); speichert automatisierte, nicht bewusst gesteuert ablaufende Handlungen/ Fertigkeiten wie z.B. Schreiben, Schwimmen. Für DaF/ DaZ wichtig: Überführung und Verankerung von neuen Informationen ins L. ist stark abhängig <?page no="193"?> 182 Lateralität von a) deren Bedeutsamkeit für den Lernenden; b) der Intensität und „Tiefe“ der kognitiven Verarbeitung sowie dem Übungsaufwand sowie c) der Zahl der Verbindungen zu schon vorhandenen Wissensbeständen. Anderson J. R./ Funke, J., Hrsg. (2007), Kognitive Psychologie, 6. Aufl., Berlin [u. a.]. Daniela Zahn Lateralität, die: Seitigkeit; bezeichnet die Verortung von Verarbeitungsprozessen in einer der beiden Hemisphären (Großhirnhälften), bspw. Zuständigkeit der linken Hirnhälfte für die rechte Körperseite. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass die Hemisphären Verarbeitung spezialisiert wahrnehmen (links: rational, logisch, analytisch, sprachlich; rechts: emotional, kreativ, musisch). Stand der Forschung: es gibt zwar eine Spezialisierung, diese betrifft aber nur Vorlieben bzw. Schwerpunkte. Für DaF/ DaZ wichtig: Obwohl linksseitige Areale dominant involviert sind ( Brocasches Zentrum, Wernickesches Feld), zeigen neuere Arbeiten auch die starke Beteiligung rechtsseitiger Areale (vgl. Lindell 2006; Gehirnforschung). Lindell, A. K. (2006), „In Your Right Mind: Right Hemisphere Contributions to Language Processing and Production“, in: Neuropsychology Review, 16 (3), 131-148. Daniela Zahn Laut-Buchstaben-Beziehung, die (LBB): Analog zu der Graphem-Phonem-Korrespondenz lässt sich das Verhältnis zwischen Lauten und Buchstaben darstellen, oft wird beides gleichgesetzt und die meist komplizierte Beziehung zwischen Graphemen/ Buchstaben und Phonemen/ Lauten vereinfacht bzw. ignoriert. Im Deutschen können folgende Fälle auftreten: - ein Buchstabe - verschiedene Laute, z.B. <s> - [s z], z.B. es, lesen - ein Buchstabe - mehrere Laute, z.B. <x> - [ks], z.B. Text - mehrere Buchstaben - verschiedene Laute, z.B. <ch> - [ç x k], z.B. ich, acht, Chor - mehrere Buchstaben - mehrere Laute, z.B. <chs> - [ks], z.B. sechs - mehrere Buchstaben - ein Laut, z.B. <ch> - [x], z.B. acht - verschiedene Buchstaben - ein Laut, z.B. <i, ie, ih, ieh> - [i: ], z.B. wir, sie, ihr, sieht. Trotz dieser Zuordnungsvielfalt ist das phonetische oder Lautprinzip das Hauptprinzip der deutschen Rechtschreibung, in der Sprachlaute und Buchstaben als einander zugeordnet betrachtet werden und Schwierigkeiten vor allem entstehen, wenn gleiche Laute durch unterschiedliche Buchstaben repräsentiert sind. Da auch andere Prinzipien (das etymologische, das historische, das semantische u.a.) wirken, sind Veränderungen in den LBB (Rechtschreibreformen) schwierig. Die aktuelle Schreibung von <ß> nach langem Vokal und Diphthong und <ss> nach kurzem Vokal optimiert die LBB. Duden - Die deutsche Rechtschreibung (2006), 24. Aufl., Mannheim (CD-ROM). - Nerius, D. (2001), „Graphematik/ Orthographie“, in: Fleischer, W. (Hrsg.), Kleine Enzyklopädie Deutsche Sprache, Frankfurt a. M., 325-350. Ursula Hirschfeld Lautlehre, die: ist als Lehre von den Sprachlauten ein Teilgebiet der Linguistik. Sie beschäftigt sich im Einzelnen 1. mit der akustischen, physiologischen und perzeptiven Lautbeschreibung (Phonetik), 2. mit der Funktion der Sprachlaute im Sprachsystem (Phonologie) und 3. mit ihrer sprachhistorischen Entwicklung (Lautgeschichte, Diachronie). Bisweilen wird L. im engeren Verständnis nur synonym zu Phonetik verwendet. Zur prinzipiellen Bedeutung der L. als Referenzwissenschaft für DaF/ DaZ vgl. die Einträge Phonetik und Phonologie. Beate Lex Lautqualität, die: auch: Klang; Bezeichnung für die auditiv zu beurteilende Klang- oder Geräuschfarbe der Laute, die sich durch unterschiedliche Einstellungen und Spannungsgrade der Artikulationsorgane ergeben ( Artikulation). Der Begriff L. wird für das Deutsche v.a. zur Benennung der Klangbesonderheiten der Vokale verwendet. Hier besitzt die L. - meist im Zusammenhang mit der Lautquantität - eine distinktive Funktion: Lange Vokale sind meist qualitativ gespannt und geschlossen (z.B. Beet [e 2 ], ihn [i 2 ], fühlen [y 2 ]), kurze Vokale ungespannt und offen (z.B. Bett [ ™ ], in [ I ], füllen [ y ]). Nur die beiden langen E-Laute (lesen [e 2 ] - läsen [ ™2 ]) unterscheiden sich distinktiv ausschließlich in der L. Die Kombination L. und Lautquantität für Vokale ist in den meisten anderen Sprachen nicht vorhanden, so dass bei DaF/ DaZ-Lernenden mit größeren Problemen zu rechnen ist. Der <?page no="194"?> Lautverbindung 183 Unterschied kurz/ ungespannt/ offen - lang/ gespannt/ geschlossen wird häufig auch nicht korrekt wahrgenommen. Kerstin Reinke Lautquantität, die: Bezeichnung für Lautdauer. Im Deutschen ist die L. ein distinktives phonologisches Merkmal der Vokale, meist verbunden mit der Lautqualität. Die A-Laute (Staat [a 2 ] - Stadt [a]) und die beiden ungespannten E- Laute (wählen [ ™2 ] - Wellen [ ™ ]) unterscheiden sich allein in der L., alle anderen sowohl in L. als auch in Lautqualität. Die L. weist als distinktives Merkmal nicht auf die absolute, sondern relative Dauer der Vokale hin - in Abhängigkeit von Akzentuiertheit ( Akzent), Sprechsituation und Lautkontext sind lange Vokale unterschiedlich lang, kurze sind jedoch immer kurz. Bei den Konsonanten sind v.a. Frikative (z.B. [f]), Nasale (z.B. [n]), Liquide (z.B. [l]) größeren Schwankungen in der L. unterworfen, hier ist L. jedoch kein distinktives Merkmal. Die Kombination von L. und Lautqualität für Vokale ist in den meisten anderen Sprachen nicht vorhanden, so dass bei DaF/ DaZ-Lernenden mit größeren Problemen zu rechnen ist. Der Unterschied kurz/ ungespannt/ offen - lang/ gespannt/ geschlossen wird häufig auch nicht korrekt wahrgenommen. Kerstin Reinke Lautreduzierung, die: Assimilation (sprechwiss.), Reduktion, Reduktionsvokal; Abschwächung der Artikulationsmerkmale ( Artikulation) für einen Laut hinsichtlich der Lautqualität, der Lautquantität und der Lautintensität, meist unter dem Einfluss anderer Laute und abhängig von der Akzentuierung und der Sprechgeschwindigkeit. So können sich die Artikulationsmerkmale des langen/ gespannten Vokals [e 2 ] im Artikel der (der Tisch) u.a. in Abhängigkeit von der Sprechgeschwindigkeit und Betonung sehr stark verändern: voll realisiert [de 2A ], Abschwächung der Lautquantität [de A ] und Lautqualität [d ™A ], [d E ]. L. können verschieden stark sein und bis zum Verschwinden eines Lautes führen ( Elision), wie z.B. bei Schwa-Lauten in Endsilben: sehen ['ze 2E n] vs. [ze 2 n]. Bei DaF-/ DaZ-Lernenden stellen sich notwendige L. meist nicht automatisch ein, sondern müssen insbesondere bezüglich der Endsilben erklärt (Regeln) und geübt werden. Kerstin Reinke Lautstruktur, die: wird durch die Phonologie untersucht und stellt sprachspezifische Kombinationsregularitäten von Phonemen dar. Alle Phoneme einer Einzelsprache zusammengenommen bilden das Phonemsystem dieser Sprache, das durch Distributionen (Verteilungs-, Umgebungsregeln) der Lautkombinationen und der Silbenposition sowie durch Realisierungsregeln für die Aussprache ergänzt wird ( Prosodie). Im Deutschen darf etwa / mk/ in einem Morphem nicht kombiniert werden, der Konsonant / h/ ist nur am Silbenanfang zulässig, <ch> muss nach <a, o, u, au> als [x] realisiert werden. Eine L. entspricht i.d.R. einem Lautbild (Zeichenausdruck) und ist mit einem Begriff (Zeichenbedeutung) verbunden, z.B. / ha: b E n/ haben; / bu: X / Buch; / z I ç E r/ sicher. Es sind aber auch L. konstruierbar, die dem Sprachsystem einer Einzelsprache entsprechen, ohne dass ihnen eine Bedeutung zugeordnet ist. Solche Nonsenswörter (Logatome), z.B. <blosten> können literarische Stilelemente sein oder für sprachwissenschaftliche Untersuchungen (z.B. phonetische, morphosyntaktische u.a.m.) herangezogen werden. Beate Lex Lautumgebung, die: Aufeinanderfolge von Vokalen und Konsonanten, deren Kombinationsmöglichkeiten in jeder Einzelsprache geregelt ( Phonotaktik) sind. Die L. bestimmt die Verwendung von Allophonen und die konkreten lautlichen Realisierungen der Phoneme. Bestimmte Allophone können nur in Verbindung mit bestimmten Vokalen oder Konsonanten gebildet werden, z.B. die R-Allophone nach langen Vokalen (vokalisiert) und vor Vokal sowie nach kurzen Vokalen (konsonantisch): / r/ wird vokalisiert in Uhr, hört, es ist konsonantisch in Uhren, hören, rot, Herr. Die L. spielt ebenso eine Rolle bei Reduktions- und Assimilationsprozessen. Ursula Hirschfeld Lautverbindung, die: Im engeren Sinne wird die Bezeichnung L. (feste L.) für die Diphthonge (vokalische L.: Eis, Mai, Mayer [ aI ], Haus, Kakao [ aÜ ], neu, Häuser [ Cø ]) und Affrikaten (konsonantische L.: Zoo [ts], Kopf [pf]) verwendet. Zudem werden auch relativ häufig auftretende Konsonantenfolgen (braun, blau, grau, krumm, klein, schwarz, spitz, streng usw.) als L. bezeichnet. Im weiteren Sinne wird darunter jede mögliche Lautfolge verstanden. Im Deutschen existiert <?page no="195"?> 184 LCMS eine kleine Anzahl fester vokalischer L. ( Diphthonge) und eine größere Anzahl fester konsonantischer L. ( Affrikaten). Feste L. aus Vokalen und Konsonanten sind im Deutschen nicht vorhanden bzw. haben keinen Phonemstatus ( Phonem). Für DaF-/ DaZ-Lernende sind L. oft wegen unbekannter Laut-Buchstabenbeziehungen schwierig, konsonantische L. werden ggf. - u.a. interferenzbedingt - als zu komplex empfunden und durch eingefügte Sprossvokale aufgelöst, z.B. wird braten wie beraten ausgesprochen bzw. der Unterschied zwischen diesen beiden Verben wird nicht wahrgenommen. Kerstin Reinke LCMS: s. Lernplattform Learnability-Hypothese, die: Teil-Hypothese der Processability Theorie mit Erklärungsanspruch im Hinblick auf überindividuelle Beschränkungen/ Voraussetzungen von Spracherwerbsabfolgen. Manfred Pienemann LEDAFIDS: Verband der Lektoren und Lektorinnen DaF in der Schweiz. Internetadresse: www.ledafids.ch Leerstelle, die: Der Begriff der L. wird in den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Kontexten in definierten und Ad-hoc-Bedeutungen verwendet. Für DaF/ DaZ sind vor allem die folgenden Bezüge relevant: 1. L. in der Literaturdidaktik Die Rezeptionsästhetik geht davon aus, dass literarische Texte Unbestimmtheitsstellen enthalten, mit denen an den Leser appelliert wird, dem Text Bedeutung zuzuweisen (Iser 1972). Die Literaturdidaktik sieht in solchen L. eine wichtige Texteigenschaft, um die Lernenden durch Interpretationsgespräche zur Sprachproduktion anzuregen. Das Sprechen über die Leseerfahrungen mit einem fremdsprachigen Text erlaubt zugleich, Lese-Erfahrungen als individuell sowie kulturell geprägt bewusst zu machen (Krusche 1985, 139 ff.). 2. L. in der Sprachwissenschaft L. bezeichnet in den Sprachwissenschaften die auf Grund von Konstituentenstrukturen sowie syntaktischen und/ oder semantischen Umgebungen ermittelbaren Lücken unterschiedlichen Status’, je nachdem, ob eine Lücke obligatorisch besetzt sein müsste, um nicht zu unvollständigen bzw. ungrammatischen - sprich: normabweichenden - Ausdrücken zu führen, wie z.B. in Ich habe Sigrid [L./ obligatorisch] geschenkt, oder ob eine Lücke als fakultativ zu werten ist, insofern zwar auch ohne ihre „Füllung“ normgerechte Ausdrücke vorliegen - Ich habe Sigrid [L./ fakultativ] ein Buch geschenkt - aber die genannten grammatischen und/ oder semantischen Umgebungen die Füllung dieser Lücke/ L. besonders empfehlen: Ich habe Sigrid zum Geburtstag ein Buch geschenkt. Der Begriff der L. begegnet in DaF- Zusammenhängen insbesondere in Diskursen zu Valenzgrammatik und Verbvalenz und deren Adaptionen im Kontext der Methodik und Didaktik des Grammatikunterrichts. 3. L. in kulturwissenschaftlichen Diskursen Hier bezeichnet L. den Befund des Nichtvorhandenseins spezifischer kultureller Sachverhalte/ Diskurse/ materieller Entitäten u.a.m. in der Kultur X im Vergleich mit deren Vorhandensein in der Kultur Y (s.a. Lakune; Kulturvergleich), einschließlich entsprechender Befunde im kulturwissenschaftlich motivierten Sprach(en) vergleich. Ágel, V. (2000), Valenztheorie, Tübingen. - Iser, W. (1972), Der implizite Leser, München. - Krusche, D. (1985), Literatur und Fremde, München. - Müller-Küppers, E. (1991), Dependenz-/ Valenz- und Kasustheorie im Unterricht Deutsch als Fremdsprache (= Materialien DaF Bd. 36), Regensburg. Hans-Jürgen Krumm Lehnwort, das: aus einer fremden Sprache übernommenes Wort, das durch Anpassung in Lautung, Schreibung und Flexion an den einheimischen Wortschatz von den Sprechern einer Gemeinschaft nicht mehr als fremd erkannt wird (z.B. Straße, Kloster, Burg); L. sind also so weit in den einheimischen Wortschatz integriert, dass sie wie einheimische Wörter ausgesprochen, geschrieben und flektiert werden. Zum Lehn-Wortschatz werden ebenfalls Wörter gezählt, die nach fremdem Vorbild entstanden sind, aber nicht im eigentlichen Sinne aus der fremden Sprache entlehnt wurden. Hierzu zählen die Lehnschöpfung, eine vom Vorbild strukturell unabhängig freie Verdeutschung: z.B. le moment - der Augenblick, die Lehnübertragung, eine Wiedergabe des fremden Vorbildes mit nur teilweiser Strukturentsprechung: frz. le compagnon - dt. der Mitgesell und die Lehnübersetzung, eine wörtliche Übertragung <?page no="196"?> Lehrerausbildung 185 eines Begriffs ins Deutsche, z.B. Sonn-tag von lat. dies solis, Eiserner Vorhang nach Churchills Iron Curtain. Polenz, P. v. (2000), Deutsche Sprachgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Bd. 1, Berlin/ New York. Mandy Höhle Lehramtsstudium, das: s. Lehrerausbildung Lehrer, der/ Lehrerin, die: Die Bezeichnung von Personen, die (Sprachen) unterrichten, variiert je nach Lehr-Lern-Kontext. In der Erwachsenenbildung wird eher von Kursleitern gesprochen, um den Unterschied zum schulischen Lernen zu markieren; in Unterrichtskonzepten, die die Selbstständigkeit der Lernenden betonen ( autonomes Lernen) wird L. eher die Rolle von Lernberatern oder Lernhelfern zugewiesen. Die Forschung ist sich einig, dass L. einen entscheidenden Einfluss auf das Gelingen oder Scheitern von Lernprozessen haben; das gilt für den Fremd- und Zweitsprachenunterricht in besonderem Maße, ist hier doch i.d.R. der L. als einziger im „Besitz“ der zu erlernenden Sprache und damit des Schlüssels zur neuen Sprache und Kultur. Dennoch sind Fremdsprachenl. eher selten Gegenstand der Forschung, nicht zuletzt, weil sie im Umgang mit den Lernenden, dem Lehrplan und dem Lehrbuch einen großen Aktualisierungsspielraum haben, so dass Untersuchungen zum Lehrverhalten i.d.R. keine Allgemeingültigkeit beanspruchen können. Einen Schwerpunkt der Forschung bilden Studien zur beruflichen Sozialisation und zum Selbstverständnis (vgl. Caspari 2003) bzw. zu spezifischen Handlungsfeldern wie etwa dem Korrekturhandeln (vgl. Kleppin/ Königs 1991). Für die Auslandsgermanistik spielt die Deutschlehrerausbildung eine große Rolle. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat sich insbesondere in den mitteleuropäischen Ländern eine intensive Fachdiskussion über die Neuorientierung der L.rolle entwickelt (vgl. Kast/ Krumm 1994). In den deutschsprachigen Ländern dagegen existiert keine eigenständige Lehrerausbildung für DaF/ DaZ, vielmehr rekrutieren sich die L. aus den allgemeineren Bachelor-/ Masterstudiengängen bzw. bringen Zusatzqualifikationen mit. Damit geht auch ein unsicherer Status dieser L. (oft nur mit befristeten Lehraufträgen) einher (vgl. Christ 1990). Für DaZ spielen auch die L. für den sog. muttersprachlichen Unterricht ( Herkunftssprachenunterricht) eine wichtige Rolle, allerdings ist in vielen Bildungsbereichen ihr Status unbefriedigend (vgl. Çınar 1998). Caspari, D. (2003), Fremdsprachenlehrerinnen und Fremdsprachenlehrer - Studien zu ihrem beruflichen Selbstverständnis, Tübingen. - Çınar, D., Hrsg. (1998), Gleichwertige Sprachen? Muttersprachlicher Unterricht für die Kinder von Einwanderern, Innsbruck. - Christ, H. (1990), Der Fremdsprachenlehrer in der Weiterbildung, Tübingen. - Kast, B./ Krumm, H.-J., Hrsg. (1994), Neue Wege in der Deutschlehrerausbildung (= Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1994), München. - Kleppin, K./ Königs, F. G. (1991), Der Korrektur auf der Spur. Untersuchungen zum mündlichen Korrekturverhalten von Fremdsprachenlehrern, Bochum. Hans-Jürgen Krumm Lehrerausbildung, die: 1. Allgemeines Die L. für den Unterricht an Schulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz erfolgt an Pädagogischen Hochschulen und Universitäten, wobei sich die Strukturen von Land zu Land unterscheiden. Die Ausbildung von Fremdsprachenlehrern war traditionell an den Universitäten in den philologischen Fächern angesiedelt; mit der Einführung von Fremdsprachenunterricht auch in der Primarstufe haben auch Pädagogische Hochschulen solche Aufgaben übernommen. Für eine Unterrichtstätigkeit in der Erwachsenenbildung gibt es in vielen Ländern, so auch in Deutschland und Österreich, keine geregelte allgemeine Ausbildung, allerdings bieten manche Bildungsträger, so z.B. die Volkshochschulen, eigene Qualifikationsmöglichkeiten an. In der Fremdsprachenlehrerausbildung steht die Vermittlung der Zielsprache und ihrer Grammatik im Zentrum, hinzu kommen philologische Studieninhalte (Sprach- und Literaturwissenschaft einschließlich Sprach- und Literaturgeschichte). Fremdsprachendidaktik gehört keineswegs überall zu den Pflichtgegenständen der L., allerdings schließt sich an die L. oft eine unterrichtspraktische Phase (in Deutschland: Referendariat, in Österreich: Unterrichtspraktikum) an. 2. L. für Deutsch als Fremdsprache Seit den 1990er Jahren haben die Hochschulen in Deutschland und Österreich Bachelor- und Masterstudiengänge für DaF und/ oder DaZ eingerichtet, die für eine Lehrtätigkeit im außerschulischen Deutschunterricht im In- und Ausland qualifizieren (vgl. Casper-Hehne u.a. 2006). In nichtdeutschsprachigen Ländern wurde die früher oft rein philologische Ausbildung stärker auf <?page no="197"?> 186 Lehrerfortbildung das Berufsfeld Deutschunterricht zugeschnitten, tw. wurden hierfür eigene Institute wie z.B. die Lehrerkollegs in Polen eingerichtet (vgl. Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1994). Der Schwerpunkt solcher Ausbildungsgänge liegt im Bereich der Methodik des Deutschunterrichts sowie der entsprechenden Grundlagen in den Bereichen der Sprachlehr- und Sprachlernforschung, Landeskunde, Literaturdidaktik und interkulturellen Kommunikation. Spezifische Aus- und Weiterbildungsangebote gibt es für den bilingualen Sachfachunterricht. Da es für DaF bislang keine Möglichkeiten eines Referendariats gibt, haben die Hochschulen unterschiedliche Praktikumsprogramme entwickelt (vgl. Ehnert/ Königs 2001). Das Goethe-Institut bietet in Kooperation mit Hochschulen auch ein Fernstudium an. 3. L. für Deutsch als Zweitsprache Die insbesondere seit Mitte der 60er Jahre des 20. Jh. verstärkt einsetzende Arbeitsmigration in die deutschsprachigen Länder sowie die zunehmende Zahl von nichtdeutschsprachigen Kindern an Schulen im deutschen Sprachraum hat zur Einrichtung vielfältiger Zusatz- und Erweiterungsstudien für DaZ geführt, in denen auch Fragen der Mehrsprachigkeit, des bilingualen Lernens und sozialpsychologische Grundlagen vermittelt werden (vgl. die Übersicht unter www.fadaf.de/ de/ daf_angebote/ studieng_nge/ , Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung). Casper-Hehne, H./ Koreik, U./ Middeke, A., Hrsg. (2006), Die Neustrukturierung von Studiengängen „Deutsch als Fremdsprache“. Probleme und Perspektiven, Göttingen. - Ehnert, R./ Königs, F. G., Hrsg. (2001), Die Rolle der Praktika in der DaF-Lehrerausbildung (= Materialien DaF 59), Regensburg. - Fremdsprache Deutsch, Sondernummer 1994 („Neue Wege in der Deutschlehrerausbildung“). Silke Hofer Lehrerfortbildung, die: Teil der Lehrerbildung, im Gefüge der Lehrerausbildung, Berufseinführung und der Lehrerweiterbildung. Die Begriffe L. und Lehrerweiterbildung werden im deutschsprachigen Raum oft synonym verwendet, in der Schweiz meist ausschließlich Lehrerweiterbildung. In den meisten europäischen Ländern sind Lehrpersonen verpflichtet, an der organisierten L. regelmäßig teilzunehmen. Nach den neuesten Tendenzen insb. im Bereich der Sprachdidaktik und Mediendidaktik, lässt sich die folgende Unterscheidung erkennen: a) in der Fortbildung erwerben Lehrpersonen neue pädagogisch-didaktische, methodische, fachwissenschaftliche, bildungspolitische Kenntnise und Erkenntnisse, um diese im Unterricht mit ihren Schülern und/ oder an ihrer Schule umzusetzen, und diese werden mit Bestätigungen anerkannt; b) in der Weiterbildung erwerben (meist) bereits fortgebildete Lehrpersonen zusätzliche Kompetenzen, die sie befähigen, im öffentlichen Bildungswesen eine, an ein Zertifikat gebundene, neue Funktion (z.B. Fachberater, Mentor, Fachexperte, Schulleiter, Inspektor, Lehrerfortbildner) auszuüben. Die L. liegt im Spannungsfeld der Bildungspolitik, der Erziehungswissenschaft, der Psychologie, insbes. der Sozialpsychologie, der Andragogik und der Organisationssoziologie sowie der verschiedenen Fachwissenschaften. Die L. kann zentral oder dezentral organisiert, sie kann von staatlichen oder privaten Anbietern kostenpflichtig oder kostenlos für die Lehrenden angeboten werden. Die häufigsten Formen der institutionellen L. sind Hospitation allein oder mit einer Gruppe, schulinterne L., Qualitätszirkel, Forum/ Symposion/ Tagung, Impulsseminarreihen, kürzere und längere Kurse mit oder ohne Praxisphase, Sommerkurse, Studienwochen, Studienreisen, Arbeit an Großprojekten z.B. in der Forschung und Entwicklung, Arbeit in einer Arbeitsgruppe, Langzeitfortbildung (‚Sabbatical‘), Lehreraustausch, Fernstudium und On-Line- Kurse. Die rasante Entwicklung der menschlichen Lebensweisen und der Informations- und Kommunikationstechnologien, die Erkenntnisse der Gehirnforschung und der Sprachlehrforschung, die neuen europäischen bildungspolitischen und fachlichen Empfehlungen, die Veränderungen der Lehrerausbildung im Zusammenhang mit dem Bologna-Prozess und die Konzentrationen der Ressourcen werden voraussichtlich zum Herauskristallisieren heute noch nicht erkennbarer übergreifender Konzepte der L. beitragen. Anna Majorosi Lehrerweiterbildung, die: wird oft mit Lehrerfortbildung als dem allgemeineren Begriff gleichgesetzt, lässt sich aber unterscheiden, indem L. nicht nur die Anpassung der in der Lehrerausbildung erworbenen Kompetenzen an neue Entwicklungen meint, sondern auf den Erwerb zusätzlicher Qualifikationen, die neue berufliche Einsatzmöglichkeiten eröffnen, abzielt (Raasch 2003, 486 ff.). Lehrerfortbildung und L. werden in Deutschland auch als die dritte Phase der Leh- <?page no="198"?> Lehr- und Lerntradition 187 rerbildung bezeichnet (1. Phase = Lehrerausbildung/ Studium, 2. Phase = Referendariat/ unterrichtspraktisches Jahr). Je nach regionalen Möglichkeiten und Angeboten reichen die Veranstaltungsformen von mehrwöchigen Intensivkursen an Akademien bis hin zu Zusatzstudien z.B. für eine Lehrqualifikation im bilingualen Sachfachunterricht oder, als Erweiterung des Lehramts für Deutsch, für Deutsch als Zweitsprache. Duxa, S. (2001), Fortbildungsveranstaltungen für DaZ- Kursleiter in der Weiterbildung und ihre Wirkungen auf das professionelle Selbst der Lehrenden (= Materialien DaF 57) Regensburg. - Raasch, A. (2003), „Fort- und Weiterbildung von Fremdsprachenlehrern“, in: Bausch, K.-R./ Christ, H./ Krumm, H.-J., Hrsg., Handbuch Fremdsprachenunterricht, 4. Aufl., Tübingen, 486-491. Silke Hofer Lehrerwissen, das: Der Begriff zielt auf zwei eng miteinander zusammenhängende Aspekte des beruflichen Handelns von Lehrern: 1. Im engeren Sinne meint L. die aus Erfahrung gewonnenen Einsichten und Einstellungen von Lehrenden, die das Lehrerhandeln leiten. Nicht immer sind Lehrenden die Maximen, an denen sie ihr Handeln ausrichten, auch bewusst. Erfahrung führt vielmehr zu subjektiven Theorien, die als „imperative Kognitionen“, d.h. zu Handlungsnormen geronnene und nur schwer veränderbare Prinzipien das Unterrichtshandeln bestimmen (vgl. Wagner 1984). 2. In einem weiteren Verständnis geht es um das Verhältnis zwischen dem (expliziten) L., auch als Professionswissen bezeichnet, und dem Lehrerkönnen, d.h. um die Frage, wie Wissen an (angehende) Lehrer vermittelt und bei ihnen verarbeitet sein muss, damit es handlungsleitend werden kann und in der Unterrichtspraxis genutzt wird. Noch herrscht in den an der Lehrerausbildung beteiligten Wissenschaften kein Konsens darüber, über welches pädagogische (z.B. diagnostische, interkulturelle), fachdidaktische, sprachliche und Fachwissen Lehrende verfügen müssen, um den Unterrichtsaufgaben angesichts einer zunehmenden sprachlich-kulturellen Heterogenität der Lernenden gerecht zu werden. Beck, E. u.a. (2008), Adaptive Lehrkompetenz. Analyse und Struktur, Veränderung und Wirkung handlungssteuernden Lehrerwissens, Münster. - Wagner, A. C. u.a. (1984), Bewußtseinskonflikte im Schulalltag. Denk-Knoten bei Lehrern und Schülern erkennen und lösen, Weinheim. Hans-Jürgen Krumm Lehrmaterial, das: s. Lehrwerk Lehrmethode, die: s. Methode Lehrphase, die: L. sind strukturierte und voneinander abgrenzbare Abschnitte eines bewusst geplanten Unterrichts, die in unterschiedlichen Zeitintervallen verlaufen. L. beschreiben idealiter den Verlauf des Lehrprozesses und beruhen auf gedächtnis- und kommunikationspsychologischen (vgl. Storch 1999, 155) sowie didaktischmethodischen Annahmen. L. müssen übergreifend Phasen der Lernstoff- oder Sprachaufnahme (Einstieg, Vorbereitungsphase, Präsentation), der Sprachintegration (Textarbeit, Semantisierung, Systematisierung, Bewusstmachung) und der Sprachanwendung (Übungen, Aufgaben bis freie Anwendung) enthalten. Storch, G. (1999), Deutsch als Fremdsprache - eine Didaktik, München. Barbara Biechele Lehrplan, der: Der Begriff wurde von Joachim Heinrich Campe (1746-1818) geprägt. Er verstand darunter Pläne, „nach welchen man lehret, den Unterricht ordnet und einrichtet“. Seither sind L. wichtige Instrumente der staatlichen Regulierung der Schule geworden, sei es, dass der Staat selbst L. für Schulen erließ, oder dass er die Schulen veranlasste, auf der Grundlage staatlicher Richtlinien für die jeweilige Schule gültige L. zu formulieren, um „einen hinsichtlich Zielen, Inhalten und Methoden gleichwertigen und (…) über die einzelne Klasse und Schule hinaus vergleichbaren Fremdsprachenunterricht zu garantieren“ (Christ 2007, 74). Christ, Ingeborg (2007), „Staatliche Regelungen für den Fremdsprachenunterricht: Curricula, Richtlinien, Lehrpläne“, in: Bausch, K.-R./ Christ, H./ Krumm, H.-J. (Hrsg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht, 5. Aufl., Tübingen, 71-77. Herbert Christ Lehr- und Lerntradition, die: Bezeichnung für regional differenzierte, kulturell verankerte Formen des Lehrens und Lernens. LLT sind Untersuchungsgegenstand empirischer Studien zu Formen der Lernkultur in verschiedenen Ländern, die den Ausgangspunkt didaktischer Empfehlungen bilden. Während informelle, anekdotisch basierte Erfahrungsberichte aus entfernten Kulturen wie China und Japan häufig eine „kulturelle Unvereinbarkeit“ zwischen der in West- <?page no="199"?> 188 Lehrverhalten europa dominierenden Unterrichtsmethodik ( kommunikative Kompetenz) und fernöstlichen LLT postulieren, weisen neuere empirische Untersuchungen (vgl. Boeckmann 2006) nach, dass eigene und fremde LLT viele Überschneidungen aufweisen. In jedem Fall gilt inzwischen als Fachkonsens, dass der DaF-/ DaZ-Unterricht für fremdkulturelle LLT Aufmerksamkeit entwickeln und sich bemühen sollte, deren Eigenheiten methodisch aufzugreifen und einem unreflektierten Export „westlicher“ Unterrichtsmethoden in Länder mit anderen Bildungstraditionen entgegenzuwirken. Boeckmann, K.-B. (2006), Kommunikativer Fremdsprachenunterricht und regionale Lehr- und Lernkultur. Eine empirische Untersuchung zum Deutsch-als-Fremdsprache- Unterricht in Japan, Innsbruck. Dirk Skiba Lehrverhalten, das: Allgemein bezeichnet der Begriff alle Formen des Handelns von Lehrern, die das (Lern-)Verhalten der Lernenden beeinflussen. Insbesondere im Fremdsprachenunterricht gilt dabei, dass nicht nur das bewusste L. eine Rolle spielt, vielmehr Lehrende, insbesondere wenn es sich um Muttersprachler handelt, als „typisch“ für Menschen aus dem jeweiligen Sprachraum wahrgenommen werden und ihr (Sprach-)Handeln insgesamt Vorbildfunktion hat. Im Besonderen wurde L. seit Mitte der 1960er Jahre zum Thema, als mit dem Verfahren des Microteaching eine Abwendung von einer rein wissensvermittelnden hin zu einer verhaltensorientierten Lehrerausbildung stattfand: Ziel war und ist es, durch das Training konkreter teaching skills L. zu trainieren, damit Lehrende über ein breites und geübtes Methodenrepertoire verfügen, aus dem sie situationsgerecht auswählen können. Insbesondere im angelsächsischen Raum wurde untersucht, welches L. für das Sprachenlernen besonders förderlich ist (vgl. z.B. Peck 1988). Kritik entzündet sich daran, dass evtl. ein zu lineares Verhältnis zwischen einem spezifischen L. und dem Lernverhalten angenommen und damit die Faktorenkomplexion des Unterrichtsgeschehens unzulässig reduziert wird. Unter dem Begriff des „Empowerment“ rücken neuere Konzepte nicht mehr das L., sondern die Stärkung der Autonomie der Lehrenden, d.h. ihre Fähigkeit, ihr Lehrhandeln zu reflektieren und sich selbstbewusst auf neue Situationen einzulassen, ins Zentrum (vgl. Krumm/ Portmann-Tselikas 2003). Krumm, H.-J./ Portmann-Tselikas, P. R., Hrsg. (2003), Lernen im Beruf (= Theorie und Praxis. Österreichische Beiträge zu Deutsch als Fremdsprache Bd. 7), Innsbruck. - Peck, A. (1988), Language Teachers at Work, New York/ London. - Ziebell, B. (2002), Unterrichtsbeobachtung und Lehrerverhalten (= Fernstudieneinheit 32), Berlin. Hans-Jürgen Krumm Lehrwerk, das: bezeichnet ein strukturiertes, publiziertes Text- und Übungsangebot für Unterricht oder Einzelstudium, das i.d.R. auf einem methodisch-didaktischen Gesamtkonzept basiert. 1. Entwicklung Das fremdsprachliche L. ist hervorgegangen aus dem Lehrbuch, das seit Mitte der 1920er Jahre durch Hörmedien und seit Beginn der 1960er Jahre durch audiovisuelle Materialien (Lichtbilder, später Projektionsfolien) und Arbeitsbücher ergänzt wurde. Mit der beginnenden Methodenvielfalt kamen weitere Begleitmaterialien hinzu, so u.a. Testhefte, Lesehefte, Intensivtrainer zu Hörtexten, Grammatik und Wortschatz, Videos, Glossare sowie digitale und Internetangebote, die aus Dateien zum Herunterladen oder online zu bearbeitenden Übungen bestehen. Um die Vielfalt der Unterrichtsoptionen transparent zu halten, werden Lehrerhandbücher derzeit digitalisiert, z.T. verbunden mit einer Lehrwerkdatenbank, und ausgestattet mit projektionsfähigen Materialteilen, Übungsgeneratoren und Unterrichtsplanern. 2. Der L.markt Im deutschsprachigen Raum wurde der Markt für fremdsprachliche L. seit Mitte der 1920er Jahre überregional von wenigen spezialisierten Verlagen dominiert, wobei es für DaF zeitweise zu einer starken, weltweiten Dominanz zweier L. kam: Schulz/ Griesbach „Deutsche Sprachlehre für Ausländer“ (1955 ff.) und Aufderstraße/ Bock/ Gerdes/ Müller „Themen“ (1983 ff.). International einflussreich waren darüber hinaus Braun/ Nieder/ Schmöe „Deutsch als Fremdsprache“ (1967 ff.) audiolinguale Methode, Neuner/ Schmidt/ Wilms/ Zirkel „Deutsch aktiv“ (1979 ff.) kommunikativer Fremdsprachenunterricht. Seit den 1980er Jahren wurden weltweit verstärkt regionale L. für DaF entwickelt. Mit der verpflichtenden Vorschreibung von Integrations(sprach)kursen werden vermehrt auch L. für diese Zielgruppe entwickelt. Die zunehmende Konkurrenz im gleichen Angebotssegment, die teilweise sinkenden Lernerzahlen und <?page no="200"?> Leistungsmessung 189 die durch aufwändige multimediale Entwicklungen (DVD und online) verursachten steigenden L.-Stückkosten setzen regionale und kleinere Verlage weltweit unter Druck und führen verstärkt zu Lizenzausgaben deutscher DaF-L. anstelle regionaler Eigenentwicklungen. Eine nennenswerte L.wirkungsforschung hat sich nicht etabliert (vgl. aber Lehrwerkanalyse). Kast, B./ Neuner, G., Hrsg. (1994), Zur Analyse, Begutachtung und Entwicklung von Lehrwerken für den fremdsprachlichen Deutschunterricht, Berlin/ München. - Funk, H. (2005), Ist die Qualität von Lehrwerken messbar? Ja und nein. Ein Verfahrensvorschlag, in: Neue Beiträge zur Germanistik. Bd. 4, Heft 4, 14-27. Hermann Funk Lehrwerkanalyse, die: umfasst die Beschreibung und Bewertung von Lehrwerken/ -materialien nach der fachwissenschaftlichen Qualität (Methodik/ Didaktik; Spracherwerbsforschung; Lernpsychologie) und die Eignung für den Einsatz in Sprachkursen (Adressatenbezug; kurstragend/ als Zusatzmaterial). Bekannte Kriterienkataloge enthalten das Mannheimer Gutachten (Engel u.a. 1977)und das „Mainzer G.“ (Barkowski u.a. 1979). Während differenzierte und systematische Kriterienkataloge ein Höchstmaß an Transparenz, Objektivität und Vergleichbarkeit gewährleisten, kann eine synthetische, d.h. eher globale Wertung unter gewissen Umständen deutlicher die Vorzüge und Schwachpunkte eines Lehrwerks herausstellen, so dass beide Verfahren verbunden werden sollten. Die fachdidaktische Perspektive ist durch diejenige von Unterrichtenden und Lernenden zu ergänzen. Weitgehend noch ein Desiderat stellen empirische Untersuchungen zu Einsatz und Lehr-/ Lernwirksamkeit von Lehrwerken „in actu“ dar. In der traditionellen L. stehen gedruckte Medien wie Kursbuch und Kursleiterbuch im Mittelpunkt, von denen aus evtl. weitere Lernmedien gesteuert werden. Komplexe Verbundsysteme ohne gedruckte Leitmedien erfordern modifizierte Analyseinstrumente. Barkowski, H. u.a. (1979), Deutsch für ausländische Arbeiter. Gutachten zu ausgewählten Lehrwerken, Königstein. - Engel, U. u.a. (1977), Mannheimer Gutachten zu ausgewählten Lehrwerken DaF, Heidelberg. - Kast, B./ Neuner, G., Hrsg. (1994), Zur Analyse, Begutachtung und Entwicklung von Lehrwerken für den fremdsprachlichen Deutschunterricht, München. Gerhard von der Handt Lehrwerkgutachten, das: s. Lehrwerkanalyse Lehrwerkkritik, die: s. Lehrwerkanalyse Lehrziel, das: umfasst, was im Unterricht gelehrt werden soll. Unter L. des Fremdsprachenunterrichts ist das durch Curricula, Kursprogramme, Lehrmedien und Prüfungen bestimmte Niveau des Sprachkönnens zu verstehen. L. sind in Form von Taxonomien beschreibbar. So lassen sich der gesellschaftlichen, der institutionellen, der fachlichen wie der unterrichtlichen Ebene gemäß L. unterschiedlicher Reichweite formulieren (vgl. Neuner 2001, 806). Neuner, G. (2001), „Curriculumentwicklung und Lehrziele Deutsch als Fremdsprache“, in: Helbig, G./ Götze, L./ Henrici, G./ Krumm, H.-J., Hrsg. (2001), Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, Berlin/ New York, 797-810. Barbara Biechele Leistungsmessung, die: Bezeichnung für das Evaluieren von im Sprachlernprozess erbrachten Leistungen, Fortschritten oder Fähigkeiten. Je nach Ziel und Funktion der L. werden verschiedene Testverfahren eingesetzt. Funktionen der L.: 1. Steuerung und Optimierung des laufenden Lehr- und Lernprozesses (pädagogische Funktion), 2. Qualitätssicherung und Forschung (Grundlage für Lehr- und Lernforschung, Schulentwicklung), 3. Beurteilung von Fähigkeiten, Leistungen und Lernfortschritten (Berichts- und Selektionsfunktion). Je nach Funktion bezieht sich die L. auch auf unterschiedliche Normen. Bei L. in Bezug zu Leistungen anderer Personen spricht man von einer kollektiven Norm (normorientiertes Testen). Ein solches Ranking ist immer abhängig von den Leistungen der anderen. Bei L. in Bezug auf individuelle Normen hingegen werden individueller Lernzuwachs, persönliche Stärken u.Ä. berücksichtigt. Im Gegensatz dazu steht die sachbzw. kriterienbezogene Norm, bei der sich die L. auf ein vorher festgelegtes „Kriterium“ (Lernbzw. Prüfungsziele) bezieht. Kriterienorientierte L. ist Voraussetzung für die Aussagekraft und Validität von Prüfungen mit hoher Berichts- und Selektionsfunktion (z.B. Proficiency Tests), als Basis müssen detaillierte Spezifikationen vorliegen. Vollmer, H. (2003), 4. neu bearb. Aufl., „Leistungsmessung, Lernerfolgskontrolle und Selbstkontrolle: Überblick“, in: Bausch, K.-R. et al. (Hrsg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht, Tübingen, 365-370. Manuela Glaboniat <?page no="201"?> 190 Lektürekanon Lektor, der: In verschiedenen Kontexten verwendete Bezeichnung: 1. für im Publikationswesen (Verlage; andere Medien) beschäftigte Mitarbeiter, die Texte bezüglich ihrer Publikationswürdigkeit einschätzen, Autoren beraten, Texte redigieren u.a.m.; 2. für das Amt des Vorlesers von biblischen Texten in institutionellen Kontexten der Religionsausübung; 3. Berufsund/ oder Statusbezeichnung für akademisch qualifizierte Fremdsprachen-Lehrende an Hochschulen. Im Kontext von DaF/ DaZ ist die Bezeichnung, in Anlehnung an Status und Funktion des englischen lecturer, insbesondere für aus Deutschland bzw. Österreich an ausländische Hochschulen entsandte Dozenten gebräuchlich. Organisationen zur Lektorenvermittlung sind dabei v.a. DAAD, CDC, Robert-Bosch-Stiftung, Österreichkooperation. Die Qualifikationsvoraussetzung für eine Entsendung an germanistische Einrichtungen sind i.d.R. ein abgeschlossenes Hochschulstudium in DaF/ DaZ oder Germanistik (Haupt- und Nebenfach) und möglichst auch Lehrerfahrungen. Die Aufgaben variieren je nach Land und Universität und betreffen vorrangig die Sprach- und Kulturvermittlung, aber auch einführende wissenschaftliche Lehrangebote zu germanistischen Inhalten (Linguistik; Literaturwissenschaft) und die Mitarbeit in der internationalen akademischen Kooperation u.a.m. DAAD (2001), Handbuch Lektorenarbeit, Bonn. - Roggausch, W. (1997), Als Lektor ins Ausland. Das Lektorenprogramm des DAAD - Zielsetzung und Verfahren, Bonn. Claudia Lang Lektürekanon, der: s. Kanon Lemma, das: Pl. Lemmata, Grundform eines Wortes bzw. einer lexikalischen Einheit, die als Eintrag oder Stichwort in Nachschlagewerken erscheint. In deutschen Wörterbüchern z.B. erscheinen Nomen im Nominativ Singular, Verben im Infinitiv. Da die Festlegung der L. Konventionen entspricht, die interkulturell unterschiedlich sein können (in traditionellen Lateinwörterbüchern beispielweise erscheinen Verben nicht im Infinitiv sondern in der 1. Person Singular des Indikativ), kann diese Tatsache in DaF/ DaZ-Zusammenhängen zu Verwirrungen führen und den Nutzen von Wörterbüchern beeinträchtigen. Jacqueline Fiuza da Silva Regis lenis: L. bedeutet ‚schwach gespannt‘ und ist im Deutschen ein phonologisch distinktives Merkmal ( fortis vs. l.) zur Unterscheidung der Explosive und Frikative. L.-Explosive (Bein [b]) und L.-Frikative (Wein [v]) werden mit geringer Anspannung der Artikulationsmuskulatur und daher mit geringerer Intensität gebildet, so dass die Laute nur schwach geräuschhaft sind und nach stimmhaften Lauten ( Vokalen, Nasalen, Liquiden) stimmhaft werden können, z.B. ein Bein [n b]. Nach Sprechpause und stimmlosen Lauten (Fortis-Explosiven, Fortis- Frikativen) sind sie aber stimmlos, z.B. das Bein [s b ± ] ( Stimmlosigkeitsassimilation). Der Fortis-L.-Kontrast bereitet DaF-/ DaZ-Lernenden Probleme, da in den meisten anderen Sprachen Explosive und Frikative distinktiv in stimmhaftstimmlos unterschieden werden. L.-Konsonanten im Deutschen werden daher oft zu stimmhaft gesprochen. Kerstin Reinke Lern(er)autonomie, die: s. Autonomes Lernen Lernberatung, die: eine Form der sozialen Interaktion zwischen Lernberatern und Lernenden einer fremden Sprache, bei der den Lernenden eine Unterstützung bei der Lösung ihrer auf das Sprachenlernen bezogenen Probleme angeboten wird. Dies soll dadurch gewährleistet werden, dass ihnen geholfen wird, über die eigenen Lernprozesse mit dem Ziel zu reflektieren, sie selbst zu steuern und damit zu effektivieren. Die Selbststeuerung besteht darin, eigene erreichbare Lernziele zu definieren, sie mit für sich sinnvollen Mitteln zu verfolgen und diesen Prozess kontinuierlich zu evaluieren. L. kann individuell oder in einer Gruppe und sowohl face-to-face als auch auf Distanz erfolgen. Mehlhorn, G./ Kleppin, K., Hrsg. (2006), Sprachlernberatung (= Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht, 11. Jg. Heft 2). Online. http: / / zif.spz. tu-darmstadt.de/ jg-11-2/ allgemein/ beitra30.htm. Pavel Chromcak Lernen, das: ein Prozess der Veränderung von Wissen, Einstellungen, Werten, Fertigkeiten oder Verhalten aufgrund von Erfahrung; L. kann absichtlich und zielorientiert (explizit) oder beiläufig (implizit) stattfinden und geschieht auf dem Wege der Wahrnehmung und Bewertung der Umwelt, der Verknüpfung von Neuem mit Be- <?page no="202"?> Lernen-Erwerben-Debatte 191 kanntem und dem Erkennen von Regelmäßigkeiten. L. kann mit Hilfe von Lehrmethoden ( Methode) und Lernstrategien planvoll gestaltet werden und ist besonders erfolgreich, wenn die Eigeninteressen der lernenden Person berücksichtigt werden. Frühe Lerntheorien betrachteten Lernen vor allem aus der Sicht des Lehrens als Konditionieren, wobei ein bedingter (gelernter) Reflex mit einem Reiz assoziiert wird ( Reiz-Reaktions- Modell). Dieser bedingte Reflex kann entweder mit einem unbedingten (angeborenen) Reflex assoziiert werden (klassisches Konditionieren) oder mit der Reaktion auf den bedingten Reflex (operantes Konditionieren). Beim kognitiven Konditionieren entsteht der bedingte Reflex durch Herumprobieren und Einsichthandeln. Neuere Theorien unterscheiden zwischen Zufallslernen, Akkumulationslernen und Konzeptlernen. Zufallslernen (trial and error) ist dann effektiv, wenn es neben der richtigen Lösung nur einige wenige falsche Lösungen gibt. Akkumulationslernen ist ein graduelles, additives Lernen, bei dem ein Nachlassen der Lernleistung ( Lernplateau) durch einen Methodenwechsel ausgeglichen werden kann. Beim Konzeptlernen entstehen aus der Interaktion zwischen bestehendem und neuem Wissen vernetzte Sicht- und Handlungsweisen, neue Kategorien und Konzepte. Die Bereiche, in denen gelernt wird, beeinflussen die Art des Lernens. Beim Lernen sensumotorischer Fertigkeiten spielen Üben, Imitation und Feedback eine wichtige Rolle. Beim Wissenserwerb ist vor allem das Konzeptlernen bedeutsam, während beim Lernen von Verhalten Vorbilder eine große Rolle spielen. Fremdsprachliches Lernen ist eine sehr komplexe Art des Lernens und umfasst alle drei gen. Bereiche. Der sensumotorische Bereich ist zum Beispiel beim Sprechen und Hören besonders wichtig, während expliziter und impliziter Wissenserwerb die Kategorien- und Systembildung im phonologischen, syntaktischen, lexikalischen und soziokulturellen Bereich fördert. Kulturelles und interkulturelles Lernen wiederum kann als ein Lernen von Verhalten betrachtet werden. Je nachdem, welche Leitgedanken und Richtprinzipien für die Gestaltung von Lernprozessen im Vordergrund standen, wurden unterschiedliche Lernmodelle entwickelt, u.a. Konditionierung, gehirngerechtes Arbeiten, problembasiertes Lernen, Lernen am Modell, Lernen durch Handeln, Lernen durch Lehren und situiertes Lernen. Durch den Blick auf die lernende Person im Zusammenhang mit der Diskussion um das autonome Lernen sind in letzter Zeit individuelle Unterschiede im Hinblick auf Lernstile, Lernstrategien, Lernziele und Motivation stärker in den Vordergrund getreten. Zu beachten sind ferner neuere Erkenntnisse und Entwicklungen der empirischen Spracherwerbsforschung sowie der Gehirnforschung zu Fragen der lernenden Verarbeitung semantischer und morphosyntaktischer Eigenschaften von Fremdsprachen bzw. DaF u. DaZ. Bednorz, P./ Schuster, M. (2002), Einführung in die Lernpsychologie, München. - Spitzer, M. (2002), Lernen: Gehirnforschung und Schule des Lebens, Heidelberg. Erwin Tschirner Lernen-Erwerben-Debatte, die: Krashen unterscheidet in seiner Monitortheorie zwischen Erwerben, d.h. der Aneignung von Sprache in natürlicher Kommunikation, die sich aufgrund eines angeborenen Spracherwerbsmechanismus wie beim Erstspracherwerb vollzieht, und Lernen, d.h. der Aneignung von Regelwissen und dessen Kontrolle mittels eines Monitors, wobei erlerntes Wissen sich nicht in erworbene Kompetenz transformiert ( non-interface-position). In der BRD hat diese Unterscheidung in den 1980er Jahren zu einer Debatte zwischen Vertretern der Zweitspracherwerbsforschung (Wode, Felix) und der Sprachlehr- und -lernforschung (Bausch, Königs, Götze) geführt. Im Mittelpunkt stand die Frage, in welchem Maße der Fremdspracherwerb durch Unterricht beeinflussbar ist oder weitgehend ohne Steuerungsmöglichkeiten „natürlichen“ Erwerbsprozessen folgt. Als didaktische Konsequenz wurde auf der einen Seite eine starke Orientierung an natürlicher Kommunikation vorgeschlagen, die möglichst angstfrei und unter Verwendung von verständlichem Input stattfinden solle. Auf der anderen Seite wurden Chancen gesehen, Sprachaneignungsprozesse durch angemessene Lehrverfahren zu beschleunigen. Erneute Bedeutung hat die Debatte im Zusammenhang mit der Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund bekommen, bei der Ansätze wie die Lernszenarien v.a. auf angstfreie, authentische Kommunikation setzen, während andere Konzepte die Vermittlung von Regelwissen propagieren. Bernt Ahrenholz <?page no="203"?> 192 Lernergrammatik Lernergrammatik, die: 1. Zum einen meint L. die grammatische Beschreibung einer Fremdsprache für die Hand der Lernenden, d.h. es handelt sich um eine didaktische Grammatik, die besonders auf die Bedürfnisse des lernenden Individuums abgestimmt ist und versucht, den Aneignungsvorgang zu optimieren, indem z.B. an die Vorwissensbestände des Lerners angeknüpft und verständlich formuliert wird etc. 2. Zum zweiten ist mit L. das mentale Modell gemeint, das ein Lerner von der Grammatik einer Fremdsprache hat und das ihm die Rezeption und Produktion fremdsprachlicher Texte gestattet. Diese mentale L. kann unvollständig sein und ist starken Veränderungen - z.B. durch Informationszuwachs über die fremde Sprache - unterworfen. Im Idealfall weisen beide Auffassungen von L. zahlreiche Berührungspunkte auf. Frank G. Königs Lernerorientierung, die: Einstellung bzw. Ausrichtung des Unterrichts, um dem Lernenden und seinem individuellen Lernverhalten in der Lernergruppe in Kenntnis und unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebenssituation (wie Alter, soziokultureller Hintergrund, Ausgangssprache, Lernziele, echte Bedürfnisse, Interesse, Autonomiebedarf) im Unterrichtsprozess methodisch-didaktisch gerecht zu werden. L. umfasst ferner die über die Lernorganisation hinausgehende individuelle Lernberatung und Lernbegleitung. Anna Majorosi Lernersprache, die: Sprachvarietät, die Lernende in einem bestimmten Stadium ihres Sprachlernprozesses entwickeln. Sie ist nicht einfach zufällig, fehlerhaft und gegenüber der Zielsprache defizitär, sondern stellt eine von Lernenden eigenständig und kreativ entwickelte sprachliche Struktur dar. Corder hat erstmals die Bedeutung einer systematischen Fehleranalyse als Informationsquelle über den Lernprozess betont, Selinker die Interlanguage-Hypothese entwickelt, in der er verschiedene Prozesse benennt, die Einfluss auf die L. haben. L. lässt sich wie folgt charakterisieren: sie ist systematisch, transitorisch/ instabil, eigenständig gegenüber L1 und L2, variabel (z.B. situationsabhängig), durchlässig und veränderbar durch Lern- und Kommunikationsstrategien (Edmondson/ House 2000, 232). In neueren Arbeiten (z.B. Aguado 2008) wird die L. mit empirischen Ergebnissen zu Erwerbssequenzen sowie mit der Diskussion um Learnability/ Teachability in Verbindung gebracht. Aguado, K. (2008), „Wie beeinflussbar ist die lernersprachliche Entwicklung? Theoretische Überlegungen, empirische Erkenntnisse, didaktische Implikationen“, in: Fremdsprache Deutsch, Nr. 38 (Sprachen lernen - Theorien und Modelle), 53-59. - Edmondson, W. J./ House, J. (2000), Einführung in die Sprachlehrforschung (2., überarb. Aufl.), Tübingen u.a. Klaus-Börge Boeckmann Lernervarietät, die: s. Lernersprache Lernfortschrittstest, der: Instrument der Leistungsmessung, das sowohl Lernenden als auch Lehrenden Rückmeldung über den Lernfortschritt, eventuelle Defizite sowie die Effizienz des Unterrichts gibt. Im Unterschied zu Proficieny Tests (Feststellungsprüfungen) oder Einstufungstests sind L. vom Lernstoff des Unterrichts abhängig. L. können einen formelleren (z.B. Kursabschlussprüfungen) oder informelleren Charakter (Zwischentests) haben. Sie sind nicht standardisiert und werden dezentral erstellt. Im Vergleich zu kriterienorientierten Proficiency Tests stellen die meist norm- oder individualorientierten L. eine Binnenperspektive dar und sind daher nach außen nur in geringem Ausmaß aussagekräftig. Manuela Glaboniat Lernkultur, die: L. sind konkrete, durch Lehr- und Lernbezüge kommunikativ hergestellte soziale Handlungsformate. L. sind prinzipiell kulturell markiert und insoweit ein methodisch-didaktisch zu berücksichtigender Faktor in Prozessen des DaF-/ DaZ-Lernens sowie Gegenstand kulturvergleichender pädagogischer Forschung. Unterschieden werden eine deskriptive und eine normative Bedeutungsvariante von L.: 1. Als deskriptive Kategorie kennzeichnet der Begriff L. Formen des Lernhandelns in bestimmten Handlungskontexten, die sich durch institutionelle Rahmenbedingungen, curriculare Richtlinien, didaktische Konzepte etc. unterscheiden. 2. In normativer Konnotation wird von L. i.S. eines „dem menschlichen Lernvermögen adäquaten pragmatischen Arrangements“ gesprochen, welches das Ziel verfolgt, individuelle Kompetenzen der Lerner zu fördern und selbstbestimmte For- <?page no="204"?> Lernpsychologie 193 men des Handelns zu „kultivieren“ (vgl. Veith 2003, 47). Veith, H. (2003), Kompetenzen und Lernkulturen. Zur historischen Rekonstruktion moderner Bildungssemantiken, Münster. Dirk Skiba Lernplateau, das: Begriff aus der Lerntheorie, der ein Stagnieren des Lernfortschritts bezeichnet. Ein Weiterlernen in dieser Zeit wäre nicht effektiv, deshalb sollten beim Lernen auch Lernpausen eingeplant werden. In Bezug auf den Spracherwerb spricht man von L., wenn Lernende, z.B. weil die erreichten Kommunikationsmöglichkeiten für sie ausreichen, ihre Lernbemühungen einstellen. Dabei kann es auch zur Fossilisierung oder sogar zu Rückbildungen kommen. Andere Ursachen für L. können das Fehlen elementarer Grundlagen, falsches Einlernen, aber auch Misserfolge, Müdigkeit u.ä. sein. Apeltauer E. (2001), „Zweitspracherwerb als Lerneraktivität I: Lernersprache - Lernprozesse - Lernprobleme“, in: Helbig, G. u.a. (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache: Ein internationales Handbuch, 1. Halbbd., Berlin, 677-683. Manuela Glaboniat Lernplattform, die/ Learning and Content Management System (LCMS): Softwaresystem zur Gestaltung von Lehr-Lerninhalten, zur Organisation von Lernprozessen in webbasierten Lernumgebungen und zur Benutzeradministration. 1. Komponenten L. integrieren in einem System unterschiedliche Werkzeuge zur Erstellung von Aufgaben und Übungen ( Autorenprogramm), zur Präsentation und Verwaltung von Inhalten, zur Navigation und Evaluation (z.B. Lernwegs- und Lernerfolgskontrollen) sowie zur Kommunikation (Chats, Blogs), zur Kollaboration (z.B. Wikis) und zum Lernen (z.B. Notizbuch- und Glossarfunktion). Durch unterschiedliche Rechtevergaben erlauben die meisten L. Lehrenden wie Lernenden, in unterschiedlichen Rollen (Autor, Tutor, Lerner) auf die Werkzeuge und Inhalte zuzugreifen und eigene Datenbanken und Lern- und Kommunikationsräume anzulegen. 2. Leistungsbreite Durch die Möglichkeit zur strukturierten Präsentation von Materialien mit zugeordnetem Übungsapparat eignen sich L. für die Vermittlung deklarativen Wissens. Die Kommunikationsfunktionen unterstützen kooperatives Lernen. Die kreative Gestaltung flexibler, interaktiver Lehr- Lernarrangements und individueller Lernwege ist oft noch durch die Konzeption der L. begrenzt. Ihr Wert erschließt sich durch den didaktisch geplanten Einsatz und die mögliche Kombination mit dem Präsenzunterricht. Rösler, D. (2007), E-Learning Fremdsprachen. Eine kritische Einführung, 2. Aufl., Tübingen. - Schulmeister, R. (2003), Lernplattformen für das virtuelle Lernen. Evaluation und Didaktik, München. Christina Kuhn Lernprozess, der: Bezeichnung insbesondere für die mentalen Vorgänge von der ersten Konfrontation des Lernenden mit dem Lerngegenstand an. Im Idealfall führt ein erfolgreicher L. am Ende zur freien Verfügbarkeit und korrekten Anwendung des Lerngegenstands durch den Lernenden. Die stärkere Berücksichtigung des L. gegenüber dem Lernprodukt steht dabei für einen Perspektivenwechsel, der sein Entstehen vor allem psycholinguistischen Arbeiten verdankt. Durch sie wurde der Blick verstärkt auf die mentalen Vorgänge bei der Aneignung einer fremden Sprache gelenkt, und das Lernen selbst geriet auch empirisch stärker in das Zentrum der Forschung. Dabei besteht die Hoffnung, durch Beobachtung fremdsprachlicher L. diese selbst effektivieren zu können. Durch die zunehmende Ausdifferenzierung von Konzepten wie der Lernerautonomie wird jedoch deutlich, dass unterschiedliche L. zu identischen Lernprodukten führen können und umgekehrt. Die Annahme eines idealen, für alle Lerner erstrebenswerten L. findet in dieser absoluten Form durch die empirische Forschung keine Bestätigung. Die mit der Lernerorientierung verbundenen Einsichten und Ergebnisse haben zu einer verstärkten Aufmerksamkeit für den Vorgang der Fremdsprachenaneignung geführt, machen die Betrachtung des Lernprodukts jedoch keineswegs obsolet oder zweitrangig. Häufig lassen sich erst durch die Lernprodukte begründete Rückschlüsse auf die ihnen zugrunde liegenden L. ziehen. L. und Lernprodukte ergänzen sich also aus Sicht der Forschung notwendigerweise. Frank G. Königs Lernpsychologie, die: Teildisziplin der Psychologie, die sich mit den verschiedenen Formen, Arten, Verläufen und Bedingungen des Erwerbs von Fertigkeiten, Gewohnheiten, Wissen und Ein- <?page no="205"?> 194 Lernstil stellungen beschäftigt (vgl. Schönpflug 2003, 49). Die Entwicklung der psychologischen Lernforschung, die auch pädagogisch verwertbare Ergebnisse erbrachte, setzte mit Beginn des 20. Jh. ein, wobei in Übereinstimmung mit übergreifenden kulturhistorischen Bedingungen die Assoziations-, Gestalt- und Kognitionspsychologie hervortraten (vgl. Seel 2000, 18). Die heutige L. zielt auf eine systematische Beschreibung der psychologischen Grundlagen des Lernens in pädagogischen Handlungsfeldern als Synthese der verschiedenartigen Theorien der psychologischen Teildisziplinen, so z.B. der kognitions-, motivations- und sozialpsychologischen Theorien, und auf die Diskussion entsprechender Forschungsbefunde (vgl. Seel 2000, 13). Die aktuelle Forschung analysiert Lernprozesse mit dem Ziel, allgemeinere Aufschlüsse über Erwerb und Veränderungen von psychischen Repräsentationen und Vorgängen zu erhalten, die grundlegende Orientierungen für Lernbzw. Lehrmethoden ergeben (vgl. Schönpflug 2003, 50). Schönpflug, U. (2003), „Lerntheorie und Lernpsychologie“, in: Bausch, K.-R./ Christ, H./ Krumm, H.-J. (Hrsg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht, 4. Aufl., Tübingen/ Basel, 49-54. - Seel, N. M. (2000), Psychologie des Lernens, München. Barbara Biechele Lernstil, der: individueller Zugang zu wahrgenommenen Informationen, sowohl bei Rezeption als auch bei der Sprachverarbeitung. Die häufigste L.-Klassifikation bezieht sich auf die kognitive Disposition und unterscheidet mindestens zwei Typen: den analytischen L. (systematisch, kognitiv, Hypothesen testend) und den imitativen L. (holistisch, global, assoziativ und intuitiv). Z.T. finden sich auch vier Typen je nach ihrer Bevorzugung von a) konkreter Erfahrung, b) Reflexion, c) Abstraktion und d) Ausprobieren. Typen: a+b = Pragmatiker (Divergierer); b+c = Theoretiker (Assimilierer); c+d = Reflektierer (Konvergierer); a+d = Aktivisten (Akkomodierer). Eine weitere Differenzierung der L. orientiert sich an Persönlichkeitsmerkmalen und differenziert extrovertierte, feldabhängige (d.h. sozial orientierte) L. und introvertierte, feldunabhängige L. Im FU beeinflusst Berücksichtigung des L. den Lernerfolg, wobei als allgemeinste methodisch-didaktische Empfehlung gilt, Lerngegenstände dzgl. facettenreich zu arrangieren. Z.T. wird L. mit Lern(er)typ gleichgesetzt und damit der bevorzugte Sinneskanal der Verarbeitung angesprochen (visuell, auditiv und kinästhetisch; zum Teil differenziert in haptisch/ taktil und motorisch). Eva-Maria Willkop Lernstrategie, die: lernzielorientierter Handlungsplan, der bewusst oder unbewusst eingesetzt wird. 1. Arten Man unterscheidet v.a. vier Gruppen von L.: (1.) Kognitive L. betreffen Wissensorganisation und Elaboration (bei Fertigkeiten, Wortschatz, Grammatik; z.B. Gedächtnis-L.) sowie die einzelnen Lernschritte. (2.) Metakognitive L. dienen der Planung dieser Schritte, der eigenen Lernerfolgskontrolle und der anschließenden Regulation des Lernprozesses. (3.) Ressourcenbezogene L. beziehen sich auf die Lernorganisation, z.B. Zeitmanagement, Konzentrationsförderung oder Wahl der Lernumgebung. Die (4.) sozial-affektiven L. umfassen L. zur Interaktion im FU (z.B. bei Projektarbeit) und in realen Situationen (z.B. zur Kompensation) sowie emotionale L. z.B. zur Angstregulierung oder Selbstmotivation. 2. Strategietraining Für autonomes Lernen ist ein integriertes und explizites Training nötig (vs. implizites oder blind training), das die L. kontextuell eingebettet, in zyklischer Progression vermittelt und festigt mit den Phasen Bewusstmachung unbewusster L., Präsentation neuer L./ L.-Komplexe (z.B. von Schreibstrategien), Erprobung und anschließende Evaluierung der L. Bimmel, P./ Rampillon, U. (2000), Lernerautonomie und Lernstrategien, München. - Mandl, E./ Friedrich, H. (2006), Handbuch Lernstrategien, Göttingen. - Rampillon, U. (2003), „Lerntechniken“, in: Bausch, K.-R. et al. (Hrsg.), Handbuch Fremdsprachenunterricht, 4. Aufl., Tübingen/ Basel, 340-344. - Westhoff, G. (2001), „Lernstrategien - Kommunikationsstrategien - Lerntechniken“, in: Helbig, G. et al. (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache, HSK 19.1, Berlin, 684-692. Eva-Maria Willkop Lerntagebuch, das: ein Instrument des autonomen Lernens; es dient der Reflexion der Lernenden in Bezug auf ihren persönlichen Lernweg. L. können im Unterricht und im Selbststudium eingesetzt werden. In einem L. halten die Lernenden einerseits Gelerntes und andererseits weitere Ziele des Lernprozesses fest. Wichtig ist bei einem L., dass eine Struktur der Reflexion zur Unterstützung für die Lernenden angeboten wird. Dazu <?page no="206"?> Lernwörterbuch 195 können Fragen dienen, welche die inhaltliche Dimension des Lernens betreffen (a), aber auch solche, die persönliche Entwicklungsschritte (b) thematisieren. a) Was habe ich heute Neues gelernt? Was ist mir beim Lernen aufgefallen? Wo habe ich noch Probleme? Wo kenne ich mich noch nicht aus? b) Wie ist es mir persönlich mit dem Lernen gegangen? Wobei fühle ich mich wohl/ sicher? Wobei fühle ich mich noch nicht wohl oder noch nicht sicher? In Bezug auf die Ziele des Lernens können die folgenden Fragen von Bedeutung sein: Woran möchte ich in der nächsten Zeit weiterarbeiten? Wann werde ich wo, womit und wie einen neuen Inhalt weiter bearbeiten? Was möchte ich in der nächsten Zeit konkret anwenden? Es gibt L. als kursbegleitendes Material, kursunabhängig und auch in elektronischer Form. In Portfolios werden Elemente eines L. aufgegriffen und genutzt. Thomas Fritz Lerntheorie, die: strebt die Beschreibung, Erklärung und Prognose von Lernen an. Allgemeine L. lassen sich grob in behavioristische und kognitive L. unterscheiden. Erstere basieren auf dem Reiz-Reaktions-Modell: durch einen - prinzipiell neutralen - Reiz werden reflexartige Reaktionen ausgelöst. Von ihnen gehen wiederum Rückwirkungen auf den Lernvorgang aus. Demgegenüber betonen kognitive L. die Bedeutung von Bewusstsein, aber auch Emotionen beim Lernen. Zu diesen kognitiven L. zählen Ansätze zum einsichtsvollen Lernen oder der Konstruktivismus, der Lernen als Konstruktion begreift. Neuronale L. heben auf die physiologischen Funktionsweisen des menschlichen Gehirns und Nervensystems ab und sehen Lernen als ein Ingangsetzen von Gehirnaktivitäten an. Gleichsam ‚quer‘ zu diesen unterschiedlichen L. wird die Frage diskutiert, in welchem Umfang Lernen ein naturgegebener und damit vorgegebener Vorgang ist, der sich Einflüssen von außen weitgehend entzieht (nature) oder ob Lernen auf bestimmten Faktoren beruht, die zwar angeboren, in ihrer Ausprägung aber individuell und damit für eine Beeinflussung von außen offen sind (nurture). Für den Fremdsprachenunterricht haben allgemeine L. zwei Auswirkungen gehabt: Zum einen führten sie zu methodischen Verfahren und betreffen damit die Methoden; dies gilt z.B. für die auf den Behaviorismus zurückreichende audiolinguale bzw. audiovisuelle Methode oder kognitive Verfahren, die sich stärker an kognitiven L. ausrichten. Zum zweiten haben sie die Entstehung von Hypothesen und Theorien zur Aneignung von Fremd- und Zweitsprachen beeinflusst, mit denen fremdsprachliche Aneignungsvorgänge modelliert werden sollen ( Spracherwerbstheorie, Fremdsprachenerwerbstheorie). Beispielhaft zu nennen sind hier die Kontrastivhypothese, die Identitätshypothese, die Interlanguage-Hypothese, die Interaktionshypothese, die Interdependenzhypothese oder die Interface-Position. Auch durch die fremdsprachlichen L. zieht sich die Diskussion um nature und nurture (vgl. z.B. die Identitätshypothese mit ihrer Annahme von weitgehend angeborenen Erwerbssequenzen vs. die Interlanguage-Hypothese). Waren die zeitlich zuerst entstandenen Theorien und Hypothesen durch einen starken Antagonismus gekennzeichnet, so zeichnen sich heutige Modellierungsansätze stärker dadurch aus, dass die jeweils konträre Position nicht in toto abgelehnt wird. Eine allumfassende und unumstrittene fremdsprachliche Lerntheorie ist nach wie vor ein Desiderat. Wendt, M. (1993), Strategien des fremdsprachlichen Handelns. Lerntheoretische Studien zur begrifflichen Systematik, Tübingen. Frank G. Königs Lernwörterbuch, das: L. sind zur Unterstützung des Erlernens von Fremdsprachen konzipiert und unterscheiden sich von einem üblichen ein- oder zweisprachigen Wörterbuch dadurch, dass L. eine bestimmte Auswahl an Lexik für ein bestimmtes Niveau des Fremdsprachenlernens und für je bestimmte Zielgruppen enthalten; so gibt es z.B. ein L. „Deutsch als Fremdsprache für die Grund- und Mittelstufe“ mit dem Wortschatz für das Zertifikat Deutsch (Lübke 2001), ein L. „Grund- und Aufbauwortschatz Deutsch als Fremdsprache“ in thematischen Feldern nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen A1-B2 (Tschirner 2008) oder für den Englischunterricht der Sekundarstufe I ein englisch-deutsches L. (Berold 2006) u.ä. Auch reihen L. die enthaltene Lexik nicht in jedem Fall alphabetisch, sondern auch nach z.B. lexikalischen Sachgebieten wie Personalien, Wohnen, Umwelt usw. (so Tschirner 2008). Je nach Konzept beinhalten L. weiterhin <?page no="207"?> 196 Lernziel ggf. grammatische Übersichten, Verwendungsbeispiele der behandelten Lexik, Lernhilfen oder auch landeskundliche Informationen zur regionalbedingten Lexik (so findet sich z.B. in Reimann/ Dinsel 2005, 80 der Eintrag „s Abendessen, s Nachtessen schweiz.“). L. bieten den Fremdsprachenlernern insbesondere auch Informationen für die kontextgebunden zutreffende Anwendung der Lexik an und unterstützen damit die pragmatische Dimension des Fremdsprachenlernens und -gebrauchs. Berold, K. (2006), Words you can use. Lernwörterbuch, Berlin. - Lübke, D. (2001), Lernwortschatz Deutsch. Lernwörterbuch Deutsch als Fremdsprache für die Grund- und Mittelstufe. Wortschatz zum neuen Zertifikat Deutsch. Deutsch - Italienisch, Ismaning. - Reimann, M./ Dinsel, S. (2005), Großer Lernwortschatz Deutsch als Fremdsprache. Deutsch - Spanisch/ Alemán - Español, Ismaning. - Tschirner, E. (2008), Lextra - Lernwörterbuch Grund- und Aufbauwortschatz Deutsch als Fremdsprache, Berlin. Milica Sabo Lernziel, das: L. ist eine genau formulierte Aussage über durch Unterricht oder andere Lernsituationen und -materialien zu bewirkende gewünschte Kompetenzveränderungen der Lernenden. Das L. trägt wesentlich zur Transparenz, zur Evaluierbarkeit und zur Bewusstmachung der Lehr- und Lernprozesse bei. Es kann sich u.a. auf die Entwicklung der sozialen (z.B. angemessenes Sprachhandeln in vorgegebenen Situationen), kognitiven (z.B. interaktive Aktivitäten und Strategien), affektiven (z.B. Kooperation oder Motivation) und psychomotorischen (z.B. bei Kleinkindern das Schreiben von Buchstaben) Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Lernenden beziehen. Das L. wird abhängig von seiner Funktion auf verschiedenen Abstraktionsniveaus, aber immer aus der Perspektive der Lernenden formuliert: die Richtziele mit hohem Abstraktionsniveau erscheinen dabei z.B. in bildungspolitischen Dokumenten, die Grobziele mit mittlerem Abstraktionsniveau in der Planung von größeren Einheiten wie bei einzelnen Sprachkursen oder der Jahresplanung an öffentlichen Schulen, die Feinziele mit niedrigem Abstraktionsniveau werden für Unterrichtsstunden oder für deren Sequenzen formuliert. Das Anliegen eines zielorientierten, bewussten Vorgehens auf allen Ebenen der Lernzielbeschreibung bzw. -festlegung manifestiert sich z.B. im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen, in den Diskussionen über Bildungsstandards und Unterrichtsqualität und in Planungshilfen wie etwa Profile deutsch. Anna Majorosi Lesedifferenz, die: bezieht sich auf Unterschiede zwischen eigen- und fremdkultureller Rezeption. Leser aus verschiedenen Kulturkreisen verstehen und deuten denselben literarischen Text unterschiedlich und machen somit je spezifische Lese- Erfahrungen auf dem Hintergrund differenter eigenkultureller Sozialisation. L. wird dabei nicht nur von Leser-, sondern auch von Textseite her untersucht, v.a. im Rahmen der interkulturellen Germanistik. Krusche, D. (2000), „Lese-Differenz“, in: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache, 26, 87-104. Anita Schütz Lesen, das: ein Vorgang in der Zeit, der aus mehreren Teilkomponenten besteht, deren Zusammenspiel Lesekompetenz ausmacht. Der Prozess des L. beginnt mit primären Wahrnehmungsvorgängen und führt über die phonologische Rekodierung zur Buchstaben- und Worterkennung. Eine effiziente Worterkennung ist Voraussetzung für die Lesegeschwindigkeit und damit für das Leseverstehen. Nach der Integration von Wörtern in den Satzzusammenhang und dem Erfassen von Aussageinhalten eines Satzes, müssen Verbindungen zwischen Sätzen hergestellt werden (lokale Kohärenz). Für das Textverstehen müssen auf der Basis von Hintergrundwissen selektive und inferenzielle Aktivitäten durchgeführt werden. Der ‚gute‘ Leser zeichnet sich zudem durch metakognitive Fähigkeiten der Selbstkontrolle und der Steuerung seines Leseprozesses aus. Das L. in der Fremdsprache wird beeinflusst von der zuerst in einer Sprache erlernten Lesefähigkeit und der Fremdsprachkompetenz. Eingeschränkter Wortschatz, verlangsamte Lesegeschwindigkeit, begrenzte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses, mangelndes kulturelles Hintergrundwissen, fehlende Selektivität und reduzierte Inferenzen charakterisieren den fremdsprachigen Leser. Das L. in der Zweitsprache ist durch den spezifischen Migrationskontext bestimmt. Außer Einschulungsalter und Erwerbsphase sind Zweitsprachenkenntnisse entscheidend für den Leseerwerb in der L2. Von beherrschendem Einfluss sind das Bildungsmilieu, der soziale Status der Eltern, die Abkapselung in Wohngebieten, die den Zugang <?page no="208"?> Leseverstehen 197 zu Lernmöglichkeiten der L2 erschweren, die Kommunikationssprache, die Medienpraxis und die Sprachfertigkeiten der Eltern in der L2 sowie die literale Praxis im Elternhaus. Aufgrund einer mangelnden literalen Erfahrung zu Hause entwickelt sich nur wenig Verständnis von Schriftlichkeit, ihrer Differenz zur Mündlichkeit und funktionalen Aspekten von L. und Schreiben, was einen erfolgreichen L2-Leseerwerb in der Schule beeinträchtigt. Die Rolle der Erstsprache für eine Optimierung des L2-Erwerbs wird kontrovers diskutiert. Die Befürworter einer zweisprachigen Erziehung akzentuieren sprachwissenschaftlich-kognitive Vorteile und unter dem Blickwinkel kultureller und sprachlicher Heterogenität und Vielfalt den kulturellen Wert von Zwei-/ Mehrsprachigkeit. Die Gegner einer bilingualen Erziehung wenden ein, dass es keine empirisch gesicherten Ergebnisse über positive Effekte des Erstsprachenerwerbs auf den L2-Erwerb gibt. Swantje Ehlers Lesestrategie, die: mentaler Handlungsplan zum Erreichen eines Leseziels. Lesen besteht aus einer Vielzahl an Aufgaben, wie Wörter identifizieren, referenzielle Beziehungen herstellen oder Sätze syntaktisch zergliedern, die der Leser zeitgleich bewältigen muss. Da Leseaufgaben hierarchisch geordnet sind, setzt ihre Durchführung auf Seiten des Lesers eine Planungsfähigkeit voraus, wie und in welchen Handlungsschritten eine Aufgabe optimal bewältigt werden kann. L. dienen daher der Ökonomisierung des Leseprozesses. Man unterscheidet zwischen kognitiven und metakognitiven L. Die kognitiven Strategien sind direkt auf die Durchführung einer Leseaufgabe bezogen. Dazu gehören: Hypothesen bilden, Welt- und Textwissen aktivieren, Schlussfolgerungen ziehen, Kontextmerkmale wie Titel oder Bilder berücksichtigen. Die metakognitiven Strategien beziehen sich auf die Planung, Kontrolle und Steuerung des eigenen Leseprozesses. Es handelt sich um eine innere Heuristik zur Lösung von Leseproblemen, die sich in Fragen umwandeln lässt wie: Habe ich verstanden? Wo liegt das Problem? Da jeder Leser ein unterschiedliches strategisches Verhalten hat und die Anwendung von Lesestrategien auch von der Interpretation einer Leseaufgabe abhängt, kommt es zu unterschiedlichen Textverständnissen. Die Effizienz der Vermittlung von L. im Fremdsprachenunterricht ist nicht eindeutig, aber vieles spricht dafür, dass eine explizite und implizite Vermittlung eine lesefördernde Funktion hat. Swantje Ehlers Lesetechnik, die: gehört zu den Taktiken. Darunter werden elementare kognitive Prozesse verstanden, die hierarchisch auf einem niedrigeren Niveau liegen als Strategien und in diese inkorporiert sind. Zu den L. gehören: Unterstreichen von Wichtigem, Vergleichen, Notizenmachen, Markieren, ein Flussdiagramm Erstellen. L. sind zugleich Lerntechniken, die helfen, den Lernprozess zu organisieren und das Behalten zu unterstützen. Swantje Ehlers Lesetext, der: im Prinzip jeder schriftlich fixierte Text, vom Einworttext (z.B. die Aufschrift Vorsicht auf einem Schild) bis hin zu einem mehrbändigen Roman. Je nach Textsorte bestehen sehr spezifische Textmuster (SMS, Lexikoneintrag, Fachartikel, Roman usw.), wobei es Übergänge geben kann. Lehrbuchdialoge sind als Lernhilfe meist schriftlich fixiert, aber nicht als L. gemeint. Im FSU wird heute für Leseübungen meist mit authentischen Texten gearbeitet, d.h. mit Texten, die im Zusammenhang des gesellschaftlichen Sprachhandelns der native speaker als Texte zum Lesen fungieren ( Textsorte). Madeline Lutjeharms Leseverstehen, das: gehört mit dem Hörverstehen zu den rezeptiven Sprachfertigkeiten in Abgrenzung zu den produktiven Fertigkeiten (Schreiben und Sprechen). Das Spezifische des L. besteht darin, dass die zu entschlüsselnden Sprachzeichen schriftsprachlich gegeben sind. Grundlage für den Erwerb und die Schulung von Leseverstehensfertigkeiten in der Fremdsprache bildet die kognitionspsychologische Forschung zum fremdsprachlichen Lesen und ihre Untergliederung des Leseprozesses in Teilkomponenten; dazu gehören die grundlegenden Fertigkeiten (Worterkennung, syntaktische und semantische Analyse; Herstellen von Leseflüssigkeit) und höherstufigen Fertigkeiten mit der Bildung übergeordneter Texteinheiten und dem Ziel, zu einem Verstehen eines Textes zu gelangen. In diesem Prozess steuert der Leser sein Wissen und seine Erfahrungen bei, so dass es zu <?page no="209"?> 198 Lexem unterschiedlichen Textverständnissen kommt. Aufgaben und Übungen zielen darauf, diese Fertigkeitskomponenten im Fremdsprachenunterricht zu schulen und damit den Lerner zu befähigen, selbstständig fremdsprachliche Texte in ihren wesentlichen Inhalten zu erfassen. Die Übungen lassen sich entsprechend den Fertigkeitskomponenten von L. folgendermaßen systematisieren: 1. Übungen zum Aufbau eines fremdsprachlichen Lexikons: Selektion von wichtigen und unwichtigen Wörtern; 2. Übungen zur Satzanalyse; 3. Übungen zum satzübergreifenden Verstehen; 4. Übungen zum Textaufbau; 5. Übungen zum Erfassen des Hauptgedankens eines Textes; 6. Übungen reduktiver Fertigkeiten; 7. Übungen zum Textverstehen. Beim L. unterscheidet man zudem Leseformen. Darunter wird die Fähigkeit des Lesers verstanden, sich entsprechend dem Text und seinem Anforderungsniveau, der Situation und der Aufgabenstellung in seinem Leseverhalten anzupassen. Folgende Leseformen werden unterschieden: 1. Orientierendes Lesen mit dem Ziel, sich einen Überblick zu verschaffen. 2. Überfliegendes ( Skimming) Lesen mit dem Ziel, den Hauptinhalt eines Textes zu erfassen. 3. Selektives ( Scanning) Lesen mit dem Ziel, bestimmte Informationen zu suchen. 4. Detailliertes Lesen mit dem Ziel, einen Text tiefer zu verstehen. Ehlers, S. (2003), „Übungen zum Leseverstehen“, in: K.-R. Bausch et al. (Hrsg.), Handbuch Fremdesprachenunterricht, 3. Aufl., Tübingen, 287-291. Swantje Ehlers Lexem, das: auch: lexikalische Einheit. Basiseinheit des Wortschatzes, realisiert als Wort oder Mehrworteinheit ( Phraseologismus): relativ feste Zuordnung von Formativ und Bedeutung, die von den verschiedenen grammatischen Wortformen abstrahiert und auch Konstituente eines anderen L. ( Wortbildung) sein kann. Eine Konzeption lexikalischer Kompetenz findet sich bei Nation (2001, 27), der, differenziert nach rezeptivem und produktivem Wissen, in Wissen über Form, Bedeutung und Gebrauch unterscheidet: gesprochene und geschriebene Form, Form und Bedeutung(en), Konzept und Referenten, Assoziationen/ Konnotationen, grammatische Eigenschaften, Kombinierbarkeit mit anderen L., pragmatische Gebrauchsbedingungen. Eine vollständige Kenntnis aller Komponenten ist in der L2 - wie auch in der L1 - nicht erwartbar. Nation, P. (2001), Learning Vocabulary in Another Language, Cambridge. Lutz Köster Lexik, die: s. Lexikon, s. Wortschatz Lexikalisierung, die: Vorgang der Aufnahme eines lexemartigen Sprachausdrucks ( Lexem) in das intersubjektiv standardisierte Lexikon einer Sprachgemeinschaft; i.d.S. erfordert u.a. jede Wortneubildung das erfolgreiche Durchlaufen eines Lexikalisierungsprozesses, während dessen insbesondere auch deren semantische Belegung verbindlich gemacht wird. I.d.S. sind z.B. Stute für „erwachsenes weibliches Pferd“ oder etw. auf dem Kerbholz haben für „geltendes Recht verletzt haben“ Ergebnisse von L. im Deutschen, wobei gerade das Feld der Idiomatik zeigt, dass L. komplexe Wege historischer Belegungen und Umwertungen von Sprachausdrücken durchlaufen kann ( Sprachwandel). Sabira Levin Lexikographie, die: Praxis der Erstellung von Wörterbüchern (Enzyklopädien, Lexika); (häufig) in alphabetischer Anordnung der Einträge, mit normativer (z.B. Rechtschreibwb.) oder deskriptiver Zielsetzung. Gegenstand ein- oder mehrsprachiger Wb. sind der synchronische (diachronische) Wortschatz einer Sprache, einer Varietät oder eines Teilwortschatzes (Fremdwb.). Im Spracherwerbskontext sind vor allem folgende Wörterbuchtypen relevant: Synonymwb., Stilwb. (Kollokationswb.), Wortfamilienwb., Phraseologisches Wb., Bildwb., Onomasiologisches Wb., Aussprachewb. und Lernerwb. (für DaF zehn Lernwörterbücher bis 2008), die für Rezeption, Produktion und systematisches Wortschatzlernen konzipiert sind. Elektronische Wb. sind als CD-ROM-Versionen und im Internet (Bsp. Institut für deutsche Sprache Mannheim, Uni Leipzig) verfügbar. Die Praxis der L. ist zum Gegenstand der Metalexikographie geworden (Wiegand 1998), sie schließt Wörterbuchbenutzungsforschung sowie Wörterbuchdidaktik (Schaeder 2000) ein. Engelberg, S./ Lemnitzer, L. (2004), Lexikographie und Wörterbuchbenutzung, 2. Aufl., Tübingen. - Schaeder, B. (2000), „Wörterbucharbeit im Unterricht Deutsch als Fremdsprache“, in: Germanistische Linguistik, H. 155- 156, 249-280. - Wiegand, H.-E., Hrsg. (1998), Perspektiven der pädagogischen Lexikographie des Deutschen, Tübingen. Lutz Köster <?page no="210"?> Limbisches System 199 Lexikologie, die: Teilgebiet der Linguistik, das Lexeme - Wörter, Einheiten unterhalb der Wortebene (Abkürzungen, Wortbildungselemente, Morpheme) und Mehrworteinheiten ( Phraseologismen) - in Aufbau ( Formativ) und ihren Bedeutungen, Bedeutungsbeziehungen und -veränderungen beschreibt und erforscht sowie Gliederung und Strukturen des Wortschatzes untersucht: paradigmatische und syntagmatische Beziehungen, Wortfamilien, Wortfelder, stilistische Varianten. Fragen der Bedeutungsverwendung der Lexeme haben zur Integration kognitionspsychologischer Modelle der Wissensrepräsentation in die lexikologische Arbeit geführt ( mentales Lexikon). Wissenschaftsorganisatorisch können Disziplinen wie Semantik ( Semasiologie, Onomasiologie), Etymologie, Onomastik, Wortbildung, Phraseologie und Stilistik der L. subsumiert werden. Kenntnisse der L. sind z.B. unmittelbar für die Wortschatzarbeit relevant (Vokabeleinführung, Erklärungsverfahren; vgl. Bohn 1999). Bohn, R. (1999), Probleme der Wortschatzarbeit, Berlin. - Schippan, Th. (1992), Lexikologie der deutschen Gegenwartssprache, Tübingen. Lutz Köster Lexikon, das: 1. Synonym für Wortschatz. L. wird auch zur Bezeichnung eigenständiger Teilsysteme verwendet, Bspw. Phraseolexikon (Diskussion bei Schindler 2002); 2. mentales Lexikon; 3. Nachschlagewerk: (ugs.) Synonym für (Sprach-)Wörterbuch, von dem das Sachwörterbuch (Enzyklopädie, L.) - trotz fließender Grenzen (enzyklopädische Anreicherung und kulturspezifische Markiertheit von Einträgen auch im Sprachwörterbuch) - zu unterscheiden ist. Schindler, W. (2002), „Lexik, Lexikon, Wortschatz: Probleme der Abgrenzung“, in: Cruse, D. A./ Hundsnurscher, F./ Job, M./ Lutzeier, P. R. (Hrsg.), Lexikologie. Lexicology. Ein internationales Handbuch zur Natur und Struktur von Wörtern und Wortschätzen, 1. Halbbd., Berlin, 34-44. Lutz Köster Lexikoneintrag, der: 1. allg. Bezeichnung für in einem Lexikon auftretende Wörter bzw. Begriffe (auch Lemma); 2. allg. Bezeichnung für das in einem Lexikon jeweils verwendete Format, in dem die Lemmata präsentiert werden (L. als spezifische Textsorte); 3. Bezeichnung für die im mentalen Lexikon gespeicherten Spracheinträge, inkl. der - ggf. mehrwortigen - Chunks. (Zu weiteren Bedeutsamkeiten von L. vgl. ggf. auch Sprachverarbeitung; Gehirnforschung). Hans Barkowski Lied-Didaktik, die: didaktisch-methodisch begründeter Einsatz von Liedern zur Erhöhung von Motivation und Optimierung des Lernprozesses. Man kann unterscheiden zwischen Sprachlern- Liedern, die eigens vor allem für den frühen Deutschunterricht produziert werden, und authentischen Liedern, d.h. in den Zielkulturen einstmals oder aktuell populären Liedern verschiedener Genres, Stile und Szenen (Kinderlied, ‚Volkslied‘, Kunstlied, Schlager, Popsongs, Rockballaden, Liedermacher etc.). Manche Lehrwerke haben authentische Lieder in ihr Konzept integriert. Eine wichtige Rolle bei der Auswahl von Liedern spielen neben den allgemein für Hör- und Lesetexte geltenden Kriterien insbesondere kulturelle Aspekte des Musikgeschmacks und der Musikrezeption bei Lehrenden und Lernenden. Die Methodik ist abhängig von Stellenwert (zentraler Text, Zusatzmaterial) und Funktion der Lieder (Belebung, Sequenzierung, Lexikonerwerb, Kulturverstehen u.a.m.) im jeweiligen Unterrichtskonzept. Die Bestimmung der didaktischen Schwerpunkte (Sprachtraining, kulturelle Inhalte, künstlerische Mittel) ist eine Voraussetzung für die Auswahl adäquater Übungsformen. Nach Badstübner-Kizik (2004) können den lernpsychologischen, reproduktiven, rezeptiven, produktiven, interkulturellen und informativen Potenzen von Musik entsprechende Arbeitsverfahren zugeordnet werden und zwar zur Unterstützung der Rezeption und Produktion von Sprache, zur Vorbereitung und Unterstützung von Wahrnehmung, zur Förderung von Reflexionsfähigkeit und eines landeskundlichen Wissenskontextes. Badstübner-Kizik, C. (2007), Bild- und Musikkunst im Fremdsprachenunterricht, Frankfurt a. M. Rainer Bettermann Limbisches System: Struktur im Inneren des Gehirns, wobei zwei Regionen von besonderem Interesse für die Fremdsprachendidaktik sind. 1. Der Hippocampus spielt eine bedeutende Rolle beim deklarativen Lernen (z.B. von Vokabeln oder Regeln) und beim prozeduralen Lernen. Neues Wissen wird durch den Hippocampus vom Kurzins Langzeitgedächtnis übertragen. Neuere Studien zeigen, dass vor allem während <?page no="211"?> 200 Linearisierung/ Linearität des Schlafes Transferprozesse vom Hippocampus in die Großhirnrinde stattfinden. 2. Die Amygdala, auch Mandelkern genannt, spielt eine zentrale Rolle bei der emotionalen Bewertung eingehender Sinnesinformationen, bevor diese bewusst wahrgenommen werden. Dies hat u.a. zur Folge, dass unter Angst Gelerntes dauerhaft zusammen mit dem erlebten Angstgefühl abgespeichert wird. Spitzer, M. (2003), „Der Mandelkern und die metakognitive Kernkompetenz: Gehirnforschung für die Schule (Geist & Gehirn), in: Nervenheilkunde, Jg. 22, Nr. 1, 216-219. - Thompson, R. F. (2001), Das Gehirn, 3. Aufl., Heidelberg/ Berlin. Martin G. Döpel Linearisierung/ Linearität, die: auch: Serialisierung/ Serialität; eine der Grundeigenschaften der Verfasstheit von Sprachen (neben Arbitrarität). L. fokussiert die Tatsache der räumlichen bzw. bei gesprochener Sprache zeitlichen Abfolge sprachlicher Strukturelemente auf der Mikro- (z.B. Morphem; Silbe) und Makroebene (z.B. Konstituenten; Satzgefüge) und variiert sprachentypologisch und einzelsprachlich, wobei als Orientierung für syntaktische Abfolgen gelten kann, dass umfänglich flektierende Sprachen wie z.B. das Deutsche höhere Gestaltungsspielräume eröffnen als der Gegentyp (vgl. etwa das Englische). Zu den Linerarisierungsmerkmalen bzw. -vorschriften des Deutschen gehören u.a. die Abfolge Artikel - attributives Adjektiv - Substantiv in Nominalen (vgl. etwa ein interessantes Buch) und die fixierte Zweitstellung des finiten Verbs im Aussage-Hauptsatz.: Ich habe leider meine Unterlagen zu Hause vergessen. Gestaltungsspielräume werden insbesondere für pragmatische, semantische und stilistische Akzentuierungen genutzt; dies gilt im Deutschen v.a. auch für die Besetzung der ersten Stelle in Aussage-Hauptsätzen (vgl. etwa Meinetwegen brauchen wir kein neues Auto.). Colliander, P. (2001), „Linguistik im DaF-Unterricht“, in: Colliander, P. (Hrsg.), Linguistik im DaF-Unterricht, Frankfurt a. M., 25-53. Charlotte Köhler Lingua Franca, die: Neben die ursprüngliche spezifische Verwendung dieses Begriffs für Mischsprachen der romanischen Sprachfamilie ist seit ca. 1980 zunehmend die Verwendung von L.F. als Bezeichnung für Verkehrssprachen getreten, die im Kontakt zwischen Menschen verschiedener Erstsprachen benutzt werden. Dabei kann es sich um regionale (z.B. Spanisch in Lateinamerika bzw. Deutsch in Mitteleuropa um 1980/ 2000) oder fachspezifische (z.B. Deutsch um 1900 als Verkehrssprache in vielen Wissenschaften) L.F. oder aber um global verwendete Sprachen handeln. Als Folge des britischen Kolonialismus einerseits, des II. Weltkriegs andererseits hat sich seit etwa 1950 zunehmend Englisch als weltweite L.F. durchgesetzt, während Deutsch nur noch in wenigen Bereichen (z.B. in der Theologie und Philosophie) als L.F. funktioniert. Umstritten ist, ob und in welchem Ausmaß die Verwendung einer L.F. andere Sprachen bedroht und die Bereitschaft zum Erlernen weiterer Fremdsprachen reduziert ( Gesamtsprachencurriculum). Born, J., Hrsg. (1993), Deutsch als Verkehrssprache in Europa (Jahrbuch Institut für Deutsche Sprache), Berlin. - Pörksen, U., Hrsg. (2005), Die Wissenschaft spricht Englisch? Versuch einer Standortbestimmung, Göttingen. Hans-Jürgen Krumm Lingua-Puzzle, das: eine der Arbeitstechniken im Bereich des Hörverstehens, denen im Fremdsprachenwachstum eine besondere Stellung eingeräumt wird. Beim L. wird eine kurze Passage eines bereits in groben Zügen verstandenen Hördokuments in allen Details rekonstruiert und abschließend memoriert und/ oder aufgeschrieben. Insoweit die Lernenden beim L. alle Ebenen der Sprachverarbeitung mobilisieren, kommt ihm für den „absichtsvollen“ L2-Erwerb eine besondere Bedeutung zu. Da das L. keinerlei pädagogischen oder sprachdidaktischen Jargon benützt, ist es als Selbstlerntechnik für Lerner, die wenig bis gar keine Vorkenntnisse in grammatischer Terminologie haben, sehr gut geeignet. Buttaroni, S. (1997), Fremdsprachenwachstum. Sprachenpschologischer Hintergrund und didaktische Anleitungen, München. Alfred Knapp Linguistik, die: neuere Bezeichnung für Sprachwissenschaft; beide Ausdrücke können meist füreinander eintreten. Der Gegenstand der L. wird ebenso wie ihre Methoden unterschiedlich bestimmt. In einer traditionellen Sicht sind ihr Gegenstand zunächst die Grammatik und das Lexikon einer einzelnen Sprache. Hier liegt Sprache in ihrer schriftlichen Form zu Grunde, die zwischen Wörtern und Sätlinguistischer <?page no="212"?> Determinismus 201 zen klar unterscheidet. Lautlehre, Formenlehre und Syntax als Teile der Grammatik, Wörter und Wortbildungslehre als Teile des Lexikons umfassen für ein solches Verständnis Hauptgebiete der L. Das 19. Jh. verarbeitete darüber hinaus die historische Entwicklung dieser Bereiche. So wurde die Sprachgeschichte zum zentralen Forschungsgebiet. Mit dieser Tradition brach de Saussure am Beginn des 20. Jhs. radikal, indem er der Geschichte der Sprachen ( Diachronie) das nur als Gleichzeitiges zu verstehende Sprachsystem ( Synchronie) gegenüberstellte. Als genuinen Gegenstand einer Allgemeinen L. bestimmte er das System der langue als System von wechselseitig voneinander abhängigen Zeichen. Alle anderen Phänomene von Sprache wurden als Teile der parole systematisch zurückgedrängt bzw. als Aspekte von langage allgemein aus der L. ausgeschlossen. Ähnlich rigorose Veränderungen des Gegenstandsbereichs zeigen sich während des 20. Jhs. So eliminierte die behavioristisch-distributionalistische Sprachwissenschaft(Bloomfield, Gleason, Hockett) die Bedeutung, um sich auf die Erfassung von Zeichenverteilungen in einem Korpus zu konzentrieren - mit wichtigen Folgen für die Sprachaneignungstheorie und die Vermittlungsmethodik ( pattern drill). Die generative (Transformations-) Grammatik (Chomsky) verschob das linguistische Interesse fast gänzlich auf die Syntax und eliminierte große Teile von Sprache als bloße Performanz sowie Kommunikation insgesamt aus dem Bereich linguistischer Objekte. Demgegenüber wurden wichtige Aspekte von Sprache von nicht-linguistischen Theorien (Sprachpsychologie, Bühler; Sprachphilosophie, Austin, Wittgenstein; Sprachsozialanthropologie, Hymes, Ferguson; Sprachsoziologie, Habermas, Bourdieu; u.a.) zum Gegenstand gemacht. Durch die „Wende“ der Linguistischen Pragmatik ( Pragmalinguistik) erfolgte eine Neubestimmung des Gegenstandsbereichs der L. und ihrer Methodik, eine verstärkte Hinwendung zur gesprochenen Sprache und zur linguistischen Rekonstruktion des Zusammenhangs von Sprache und Gesellschaft. Für die Rekonstruktion des sprachlichen Handelns wird der systematische Einbezug der zuvor abgespaltenen Teile von Sprache in die L. unabdingbar. Die allgemeinen Gegenstandsbestimmungen der L. resultieren in einer Allgemeinen Sprachwissenschaft, die unter Bezug auf Daten einzelne Sprachen oder unter Bezug auf allgemeine gattungsbzw. gruppenspezifische Merkmale theoretische Bestimmungen für Sprache zu ihrem Objektbereich entwickelt. So gewonnene Erkenntnisse haben häufig zugleich eine Anwendungsperspektive, so dass eine Trennung von allgemeiner (dann als „theoretisch“ verstandener) und angewandter Sprachwissenschaft unzureichend ist. Die Vielfalt der Sprachen der Welt, ihre Beschreibung und ihre Systematik ( Sprachtypologie) gewinnen erst in jüngster Zeit für die L. eine neue Relevanz. Gegenüber universalistischen Tendenzen wird so der Reichtum der Sprachen der Welt als ein wichtiger Gegenstandsbereich von L. erkannt, was gerade mit Blick auf die sich entwickelnde gesellschaftliche Mehrsprachigkeit von großer Bedeutung ist. Hoffmann, L. (1996), Sprachwissenschaft. Ein Reader, Berlin/ New York. Konrad Ehlich linguistischer Determinismus: Die aus der Sprachphilosophie stammende Theorie des l.D. besagt, dass die Sprache die Art und Weise der menschlichen Wahrnehmung und des Denkens bestimmt. Uneinigkeit herrscht in der Forschung darüber, welcher Art und wie groß der Einfluss grammatischer und semantischer Strukturen auf Wahrnehmung und Weltsicht ist - eine wichtige Frage nach den Grenzen interkultureller Verständigung bzw. Verstehbarkeit. Mit der Theorie eng verknüpft ist die u.a. in der sog. Sapir-Whorf-Hypothese vertretene Idee der sprachlichen Relativität: aufgrund seiner Arbitrarität hängt die Bedeutung eines sprachlichen Zeichens vom jeweiligen Wortfeld ab, die durch Sprache bedingten mentalen Kategorien sind dementsprechend beliebige soziale Konstruktionen. Die Reichweite des l.D. wurde in verschiedenen empirischen Studien sowohl bekräftigt als auch eingeschränkt, u.a. in interkulturellen Vergleichen zur Farbbenennung und Farbwahrnehmung. Es zeigte sich, dass Probanden, in deren Sprache Begriffe zur Differenzierung bestimmter Farbabstufungen fehlten, größere Schwierigkeiten mit der Wahrnehmung und dem Erinnern an diese Farbabstufungen hatten. Lenneberg, E. (1953), „Color naming, color recognition, color discrimination: a re-appraisal“, in: Language, Bd. 29/ 4, 463-471. - Whorf, B. L. (1963), Sprache, Denken, Wirklichkeit. Beiträge zur Metalinguistik und Sprachphilosophie, Reinbek. Eva V. Chen <?page no="213"?> 202 Linguolandeskunde Linguolandeskunde, die: speziell auf die Linguistik bezogene Form der Landeskunde; der Fachbegriff ist eine Übersetzung aus dem Russischen. Das von Verscagin/ Kostomarov entwickelte Konzept wurde in den 1980er Jahren v.a. in der DDR aufgegriffen und weitergeführt. L. vermittelt landeskundliche Inhalte direkt durch Auseinandersetzung mit fremdsprachlichen Strukturen/ Elementen statt in separaten thematischen Unterrichtseinheiten. Reichstein, A. D. (1982), „Linguistische Grundlagen des landeskundlichen Aspekts im Fremdsprachenunterricht“, in: Deutsch als Fremdsprache, Jg. 19, 258-266. - Zuckova, I. (1986), „Zur Frage des Verhältnisses von Landeskunde, Linguolandeskunde und Fremdsprachenmethodik“, in: Deutsch als Fremdsprache, Jg. 23, 29-32. Eva V. Chen Linkstendenz, die/ linksversetzend: 1. Ein wesentliches Konzept der Beschreibung der deutschen Satzstruktur ist die Satzklammer, die wiederum drei wesentliche Stellungsfelder, das Vorfeld, das Mittelfeld und das Nachfeld, determiniert. Als Vorfeld wird bezeichnet, was der linken Satzklammer vorausgeht, das Mittelfeld wird i.d.R. durch die linke und die rechte Satzklammer begrenzt. Das Nachfeld folgt auf den rechten Klammerteil. Linksversetzend meint nun Konstruktionen, bei denen zu einer Konstituente im Vorfeld ein koreferenter Ausdruck, der keine eigene kommunikative Einheit darstellt, vor die Satzstruktur, d.h. vor das Vorfeld, gestellt wird: Dem Otto, dem würde ich nichts glauben. 2. Bezogen auf die Stellung von Dativ- und Akkusativobjekt im Satz bezeichnet L. die Tendenz von Pronomen im Akkusativ und von Reflexivpronomen, die Position links vom Dativobjekt einzunehmen: Er gibt seiner Freundin/ ihr ein Geschenk Er gibt es ihr. Mandy Höhle Liquid, der: Fließlaut; Bezeichnung für einen Konsonanten mit dem Artikulationsmodus L., bei dem das jeweils im Artikulationstrakt aufgebaute Hindernis fließend durch die Ausatmungsluft überwunden wird ( Artikulation) - dies trifft im Deutschen auf folgende Konsonanten zu: den Lateral [l](leise) sowie die fakultativen R-Varianten Zungenspitzen-r [r] und Zäpfchen-r/ uvulares r [ ® ] (Reise). Kerstin Reinke Literalität, die/ Literacy: 1. Phänomen der Entwickeltheit eines Schriftsystems und schriftsprachlicher Kommunikationsformen in spezifischen gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Kontexten; 2. die Fähigkeit, Schriftsprache zu gebrauchen, d.h. zu lesen, zu verstehen, zu schreiben und über schriftsprachlich Verfasstes zu sprechen; L. umfasst also sprachliche, kognitive, kommunikative und soziale Kompetenzen sowie soziokulturelles Wissen. Fremd- und Zweitsprachensprecher sind in aller Regel auch mit ihnen - mehr oder weniger - fremden schriftsprachlichen Praktiken konfrontiert (vgl. Schmölzer-Eibinger 2008, 41); deren Vermittlung/ Förderung bedarf deswegen spezifischer methodisch-didaktischer Kenntnisse und Arrangements ( Schreiben). Schmölzer-Eibinger, S. (2008), Lernen in der Zweitsprache, Tübingen. Imke Mohr Literatur, die: Oberbegriff für Schrifttum jeder Art, in diesem Sinne sind alle sprachlich fixierten, auch nichtkünstlerischen Werke L. Wird auch als Ordnungsbegriff zur Klassifizierung einer Hauptkunstart benutzt, die neben anderen (bildende Kunst, darstellende Kunst, Musik, Architektur etc.) existiert; in diesem Sinne ist L. Gegenstand der Germanistik. L. ist Teil der Kultur. Sie bestimmt sich den jeweiligen Wertungssystemen einer Gesellschaft nach durch Schriftlichkeit, Fiktionalität, Literarizität, Polysemie/ Bedeutungsoffenheit (Allkemper/ Eke 2004, 26). L. im Fach DaF schließt im besonderen Maße Texte ein, die den interkulturellen Dialog ermöglichen, in denen Kulturunterschiede bedacht und über Kulturgrenzen hinausgedacht wird (Gutjahr 2002, 352 f.), L., „die auf angemessene Weise von der Komplexität des Subjekts, der Welt und des Lebens spricht, über die wir uns über unser Dasein in der Welt und über unser Gegenüber- Sein zur Welt, also über uns selbst verständigen“ (Braungart 2004, 303). Allkemper, A./ Eke, N. O. (2004), Literaturwissenschaft, Paderborn. - Braungart, W., (2004), „Gute Texte, schlechte Texte“, in: Schlechte Literatur, Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes, Jg. 51, 3. Heft, 292-303. - Gutjahr, O. (2002), „Alterität und Interkulturalität. Neuere deutsche Literatur“, in: Benthin, C./ Velten, H. R. (Hrsg.), Germanistik als Kulturwissenschaft. Eine Einführung in neue Theoriekonzepte, Hamburg, 345-369. Werner Biechele <?page no="214"?> Litotes 203 Literaturdidaktik, die: 1. Gegenstandsbereich Im Zentrum der L. steht die „Vermittlung von Literatur, ihre systematische, im öffentlichen Raum erfolgende und von der Wissenschaft ‚kontrollierte‘ Deutung oder Interpretation“ (Bogdal/ Korte 2002, 13). Sie bewegt sich in einem Spannungsfeld von Literaturwissenschaft, Schule (Unterricht) sowie Bildungs- und Lerntheorien. Die Vermittlung von Literatur im muttersprachlichen wie im fremdsprachlichen Unterricht kann einen wichtigen Beitrag zur Stiftung kultureller Kohärenz leisten, z.B. hier zwischen der aktuellen Lebenswelt der Lerner und der historischen Tradition, dort zwischen der fremdkulturellen Welt des Textes und der eigenkulturellen Welt der Lernenden. 2. Potenzen und didaktisch-methodische Überlegungen Die Potenzen erklären sich aus der Funktion von Literatur und deren Modellcharakter. Diese begründen für die Vermittlung von Literatur als Prinzip, dass der literarische Text einen Anspruch darauf hat, im unterrichtlichen Diskurs entschlüsselt zu werden, die Lernenden ein Recht darauf, durch sachkundige Unterrichtsgestaltung Werkzeuge zum Entschlüsseln der versteckten Botschaften zu erhalten. 3. Zur Spezifik fremdsprachlicher L. Im fremdsprachlichen Unterricht ist die Zielsprache zugleich Objekt, insofern es um das Verstehen von Literatur geht, die in der fremden Sprache geschrieben ist und als Kulturträger Einblicke in die Zielkultur gewährt, und sie ist Verständigungsmittel, weil die jeweiligen Texte Bezugspunkte für Interpretationsgespräche in der Fremdsprache sind, durch die das mündliche und schriftliche Ausdrucksvermögen verbessert werden sollen. Als wichtiges Bildungsziel ist die Vermittlung sprachlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten, als Erziehungsziele sind Fremdverstehen, Selbsterfahrung und Interkulturalität anzusehen. Fremdsprachliche L. geht heute von einem am Text belegbaren Interpretieren im Sinne einer kritischen Hermeneutik aus, damit das Gespräch über den Text einerseits nicht in subjektiver Beliebigkeit endet, andererseits Literaturrezeption nicht durch vorgegebene Interpretationen eingeschränkt wird. Bogdal, K.-M./ Korte, H., Hrsg. (2002), Grundzüge der Literaturdidaktik, München. - Bredella, L. (2007), Lesen und Schreiben im Rahmen der rezeptionsästhetischen Literaturdidaktik. Gegen verengte und überzogene Konzeptionen des Lesens. Ms. - Krusche, D. (2002), „Ist Fremde lehrbar? “, in: Barkowski, H./ Faistauer, R., (Hrsg.), … in Sachen Deutsch als Fremdsprache, Hohengehren, 387-417. Werner Biechele Literaturlehrforschung, die: bearbeitet die Frage nach der Bedeutung sowie der Wirkungsweise literarischer Texte. Der Begriff wurde parallel zum Begriff Sprachlehrforschung in der interkulturellen Germanistik geprägt. L. befasst sich daher insbesondere mit der Wirkung deutschsprachiger Literatur auf anderssprachige Leser ( Rezeptionsäthetik). Der Umgang mit Literatur, deren Lebensbezug sowie die kognitiven und affektiven Effekte von Literatur sind zentrale Schwerpunkte dieses leserbzw. lernerorientierten Forschungsgebiets. Wierlacher, A. (1980), „Literaturlehrforschung des Faches Deutsch als Fremdsprache“, in: Wierlacher, A. (Hrsg.), Fremdsprache Deutsch 2. München, 315-339. Judith Hellmann Literatursprache, die: spezifische Sprachform des literarischen Diskurses, identisch gebraucht mit Begriffen wie Dichtersprache und Sprache der schönen Literatur. Hochentwickelte, durch bewusste Formung geprägte Existenzform einer Nationalsprache. Die L. ist das materielle Element der Inhalt-Form-Beziehung; sie bestimmt die spezifische Art und Weise des Aneignungsprozesses sowohl durch den Schriftsteller als auch durch den Rezipienten, der die in der Sprache des Textes gebundene Wertung aufspüren und in ihrem Bezug zum gesamten Kunstwerk erfassen muss. Schriftsteller schöpfen aus allen Existenzformen (Dialekt, Umgangssprache, Literatursprache) der Nationalsprache. Es gibt keine an sich geeigneten oder ungeeigneten Sprachelemente, als geeignet oder ungeeignet erweisen sie sich erst im Prozess der Gestaltwerdung der künstlerischen Idee. Werner Biechele Litotes, die: rhetorisches Stilmittel der Untertreibung, mittels dessen zum einen Bescheidenheit signalisiert werden kann (Ich hoffe, damit einen kleinen Beitrag zur Klärung … geleistet zu haben.), zum anderen Aussagen und Urteile besonders hervorgehoben (Ich glaube, das ist mir nicht schlecht gelungen.) oder ironisch eingefärbt werden können: So ein Aufsichtsratsvorsitzender eines Stromkonzerns verdient schon ein paar Euro. L. gehört auch <?page no="215"?> 204 Logopädie im Deutschen zum kommunikativen Alltag und sollte deswegen im DaF/ DaZ-Unterricht schon ab der Grundstufe Beachtung finden. Hans Barkowski Logopädie, die: bezeichnet eine noch junge medizinisch-therapeutische Fachdisziplin, die sich mit der Prävention und Rehabilitation von Kommunikationsstörungen befasst. Diese Beeinträchtigungen können die Sprache, das Sprechen, die Stimme, das Hören und das Schlucken betreffen. Der Terminus L. wurde erstmals 1913 durch den Wiener Phoniater Emil Fröschels anstelle der damals üblichen Bezeichnung „Medizinische Sprachheilkunde“ eingeführt. Später erweiterte sich der Begriffsumfang auf das Gesamtgebiet der medizinischen Sprach- und Stimmheilkunde. Das Fachgebiet der L. ist mit den Bezugsdisziplinen Medizin (vor allem Phoniatrie, Pädiatrie, Neurologie), Psychologie, Soziologie, Sprachwissenschaft und Pädagogik eng verbunden und gewinnt Erkenntnisse in Theorie und Empirie auch aus diesen Wissenschaftsgebieten. Teilgebiete der L. sind Prävention, Beratung, Diagnostik, Therapie, Rehabilitation, Lehre und Forschung von Kommunikationsstörungen. In Europa wird die gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung Logopäde/ Logopädin bevorzugt verwendet. In einigen Ländern werden andere Termini synonym gebraucht. Der Begriff „Speechand Language Pathology“ repräsentiert die international gebräuchliche Bezeichnung. Grohnfeldt, M., Hrsg. (2007), Lexikon der Sprachtherapie, Stuttgart. Stephanie Kurtenbach Lokaladverb, das: Adverb, das ein Geschehen oder ein Objekt im Raum situiert oder eine örtliche Beziehung bezeichnet. Man unterscheidet Ortsadverbien (Frage: Wo? , z.B. dort, unten, oben, links, rechts, daheim, auswärts) und Richtungsadverbien (Frage: Wohin? / Woher? , z.B. dorthin, geradeaus, bergab, heim, stadteinwärts, herab, herunter). Mandy Höhle Lokalangabe, die: im Grammatikdiskurs uneinheitlich verwendeter Terminus zur Bezeichnung von Angaben zur „Verortung“ von Handlungen, Geschehnissen usw. 1. Nach allgemeiner Auffassung können sich L. dabei sowohl auf Nominale (das Haus am Deich) als auch auf Verbausdrücke/ Prädikate (Das Haus liegt am Deich) oder Sätze (Im letzten Winter hat es reichlich Schnee gegeben) beziehen, also attributiv, adverbial und als („freie“) Angabe fungieren und umfassen dabei der Form nach unterschiedliche Strukturen, v.a. die Lokaladverbien, wie da, dorthin usw. und Präpositionalangaben (am Deich), aber auch Relativsätze (das Land, wo Milch und Honig fließen). 2. Nach valenzgrammatischer Terminologie bezeichnet L. ausschließlich die sog. „freien“, nicht valenzgebundenen Lokalangaben, während eine L. wie in Das Haus liegt am Deich. als Lokalergänzung ( Ergänzung) bezeichnet wird. Hans Barkowski Lokalbestimmung, die: s. Lokalangabe Lokalergänzung, die: s. Lokalangabe Lokalsatz, der: Relativsatz, der mit einem Lokaladverb (wo, woher, wohin) eingeleitet wird. Der L. hat die Funktion einer adverbialen Bestimmung eines Ortes oder einer Richtung, kann aber ebenso den Ort eines Geschehens näher beschreiben. Der L. nimmt Bezug auf eine Lokalergänzung oder auf eine durch ein Nomen oder ein Lokaladverb ausgedrückte Angabe im Hauptsatz. Stimmen die lokalen Beziehungen überein ist das Bezugswort optional; z.B. Viele wollen (dort) arbeiten, wo andere Urlaub machen. Christin Winter Lokativ, der: Terminus im Rahmen des linguistischen Konzepts semantischer Rollen; bezeichnet den Ort, an dem die Handlung, die vom Verb ausgedrückt wird, stattfindet, z.B. Anna geht am Meer spazieren. Mandy Höhle Lokution, die/ lokutiver Akt/ lokutionärer Akt: In der Sprechakttheorie wird zwischen einem illokutiven und einem l.A. unterschieden, die gleichzeitig vollzogen werden. Der l.A. stellt die Äußerung an sich dar: In einem Gespräch sagt eine Mutter zu ihrem Kind: „Draußen ist es kalt.“ Der l.A. ist die Feststellung, dass es draußen kalt ist. Die Sprechabsicht, der illokutive Akt könnte die Aufforderung an das Kind sein, sich eine Jacke anzuziehen. Mandy Höhle <?page no="216"?> Matrix/ Matrixsatz 205 Longitudinalstudie, die: s. Längsschnittstudie Lückentext, der: Text mit Auslassungen, die von den Lernenden zu füllen sind. L. werden sowohl als Übungsals auch Testverfahren eingesetzt. Man unterscheidet zwischen selektiv gesetzten Lücken (z.B. Tilgen aller Verben) und mechanisch (zufällig) gesetzten Lücken, wie z.B. bei CLO- ZE- und C-Tests. Dabei handelt es sich um integrative Testverfahren zur Überprüfung einer allgemeinen Gesamtsprachkompetenz, die auf dem Konzept der sog. reduzierten Redundanz beruhen. L. werden oft auch mit rezeptiven Auswahlformaten verbunden, d.h. pro Lücke stehen mehrere Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung ( Multiple Choice). Manuela Glaboniat M Malefaktiv, der: semantische Rolle, die im Deutschen durch einen Dativ Incommodi realisiert wird und das Opfer der Handlung/ des Vorgangs bezeichnet: Er zerbricht ihr den Krug., Ihm ging das Benzin aus. Bei ergativen Verben kann dieser Dativ auch als Verursacher interpretiert werden: Ihm ist der Krug zerbrochen. Gegensatz Benefaktiv. Die Interpretation als Bene- oder Malefaktiv kann vom Kontext abhängen: Er bemalt ihr die Wand. Wegener, H. (1991), „Der Dativ - ein struktureller Kasus? “, in: Fanselow, G./ Felix, S. W. (Hrsg.), Strukturen und Merkmale syntaktischer Kategorien, Tübingen, 70-103. Heide Wegener Mannheimer Gutachten, das: 1974 beauftragte die Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes eine Gruppe von zehn Experten, die in Deutschland erschienenen Lehrwerke für DaF einer fachlichen Prüfung zu unterziehen. Die Expertengruppe tagte im Institut für Deutsche Sprache in Mannheim, daher die Bezeichnung MG. 1977 wurden die Kriterien sowie die Lehrwerkgutachten publiziert, 1979 ein Folgeband. Sie lösten eine kontroverse Fachdiskussion aus und können als der Beginn einer systematischen Lehrwerkanalyse im Fach DaF bezeichnet werden. U. Engel u.a. (Bd. 1, 1977/ Bd. 2, 1979), Mannheimer Gutachten zu ausgewählten Lehrwerken Deutsch als Fremdsprache, Heidelberg. - Zielsprache Deutsch (1978), Heft 2: „Kritische Beiträge zum Mannheimer Gutachten“. Hans-Jürgen Krumm marxistische Sprachtheorie, die: Sammelbezeichnung für Sprachtheorien, die sich auf Theoreme und Methodologien beziehen, die von Marx oder Engels vertreten wurden. Im Einzelnen handelt es sich um Konzepte, die sich auch in anderen Theorien und Philosophien finden. Zu den bevorzugten Konzepten einer m.S. gehört ein Zugang, der die Sprache aus der praktischen Lebenstätigkeit erklärt und sie im Zusammenhang mit der übrigen Lebenstätigkeit sowie deren gesellschaftlicher Verfasstheit (Sozialsystem, Wirtschaftssystem, Wertesystem u.a.m.) betrachtet. Sprache wird als etwas Soziales und historisch Gewordenes und sich Entwickelndes gesehen. Neben dem Historischen spielt Dialektik eine große Rolle. In der Tendenz werden einzelne Aspekte von Sprache wie Synchronie und Diachronie, Bedeutung und Form sprachlicher Zeichen nicht isoliert gesehen, sondern als sich in einem widersprüchlichen Zusammenhang befindend. Das gilt auch für Sprache, Denken und Kommunikation. Marx, K./ Engels F. (1974), Die deutsche Ideologie, Marx/ Engels Werke Bd. 3, Berlin ( 1 1845/ 46). - Volosinov, V. N. (1975), Marxismus und Sprachphilosophie, Berlin (russ. 1930). Klaus Welke maschinelle Übersetzung, die: s. computergestützte Übersetzung Maskulinum: s. Genus matched-guise-Technik, die: Befragungsverfahren zur Feststellung von Einstellungen zu verschiedenen Sprachen (auch Sprachvarietäten), bei dem (bilinguale) Sprecher inhaltlich identische Texte in verschiedenen Sprachen vorlesen. Auf Grundlage dieser Stimmproben schließen die Probanden auf die Persönlichkeit der Sprechenden. Da die unterschiedlichen Sprachproben von ein und demselben Sprecher stammen, spiegelt die Reaktion der Testpersonen nicht die Einstellung zur Person, sondern zur jeweiligen Sprache wider. Ryan, E. B./ Giles, H./ Hewstone, M. (1988), „The Measurement of Language Attitudes“, in: Ammon, U. (Hrsg.), Soziolinguistik/ Sociolinguistics: an international handbook of the science of language and society, Bd. 2, Berlin/ New York, 1068-1081. Manuela Glaboniat Matrix, die/ Matrixsatz, der: Pl. Matrizen, Matrices; 1. Matrix: schematische Darstellung von <?page no="217"?> 206 Meaningful drill Merkmalen von Phonemen, Morphemen, Wörtern in Tabellenform, i.d.R. mit den Werten +/ -, z.B. in Bezug auf semantische Merkmale: [Mensch] [erwachsen] [weiblich] Kind + - +/ - Junge + - - Mädchen + - + Frau + + + Mann + + - 2. Matrixsatz: übergeordneter Satz, in den ein untergeordneter Satz eingebettet wird, z.B. enthält die Konstruktion [x ist prima] in Dass Emil kommt, ist prima. den Nebensatz dass Emil kommt als einen in einen M. eingebetteten Nebensatz. Dass Emil kommt ist prima. Diese Terminologie ist in zweierlei Hinsicht günstig. Sie betrifft alle Varianten von Über- und Unterordnung von Sätzen und nicht nur Haupt- und Nebensätze. Sie verweist darauf, dass sich ein übergeordneter und ein untergeordneter Satz (oder ein Haupt- und ein Nebensatz) nicht additiv gegenüber stehen, sondern dass ein untergeordneter Satz in einen M. eingebettet ist. Klaus Welke Meaningful drill: bezeichnet eine Drill-Übung für das Sprachlabor, die im Gegensatz zu sinnentleerten Strukturübungen in einen kommunikativen Kontext eingebettet ist und eine reale Gesprächssituation simuliert. M.d. markieren den Übergang von der audiolingualen zur kommunikativen Methode (beispielhaft Göbel 1983). Göbel, R. (1983, 3. erw. Aufl. 1991), Deutsch mit Fortgeschrittenen, Bielefeld. Hans-Jürgen Krumm Mediation, die: M. hat für DaF/ DaZ vor allem folgende Bedeutungen: 1. M. als Überführung eines Ausgangstextes in eine andere Sprache: Im Gegensatz zur Übersetzung steht hier nicht die exakte Wiedergabe des Textes im Vordergrund, sondern die grobe inhaltliche Wiedergabe, das Beschränken auf wesentliche, relevante Informationen. 2. M. als Verfahren, Konflikte auf konstruktive Weise zu deeskalieren und zu bearbeiten, wobei in pädagogischen Kontexten vor allem Maßnahmen zur Konfliktprävention von Bedeutung sind. Ziel der interkulturellen M. ist es, kulturelle Ursachen von Konflikten zu thematisieren und die Interdependenz von affektiven (z.B. Empathie, Vorurteile), kognitiven (z.B. Verständnis für fremde Handlungszusammenhänge) und verhaltensspezifischen Dimensionen (z.B. Kommunikationsfähigkeit und soziale Kompetenz) aufzuzeigen. M. vereinigt Ansätze aus verschiedenen Disziplinen, wie Psychologie, Pädagogik und Kommunikationswissenschaften. Die Rolle der Mediatoren ist die von unparteiischen Dritten, die den Konfliktparteien helfen, selbst einvernehmliche Lösungen zu finden. Peer-M. wird im Schulbereich angewendet und meint die Vermittlung bei Konflikten mit und unter Gleichaltrigen durch dafür ausgebildete Schüler. Altmann, G. u.a. (1999), Mediation. Konfliktmanagement für moderne Unternehmen, Weinheim. - Faller, K. (1995), Mediation in der pädagogischen Arbeit, Mülheim an der Ruhr. Elfie Pennauer Mediendidaktik, die: interdisziplinär arbeitendes Teilgebiet der Didaktik, das sich mit den Funktionen und Wirkungen von Medien in Lehr-/ Lernprozessen befasst (vgl. Kron/ Sofos 2003, 48). Als zentrale Funktionen von Medien im Fremdsprachenunterricht (FU) können die Vermittlung zwischen Lehrenden und Lernenden (Effektivierung der Wissensvermittlung; z.B. durch Tafelbild), Unterrichtsgeschehen und Lernenden (Initiierung und Regulierung kommunikativen Handelns; z.B. Bilder als Sprechanlässe), Zielsprache/ -kultur und Lernenden (authentischer Zugang; z.B. Filmanalyse im FU, Filmdidaktik) betrachtet werden (vgl. Huneke/ Steinig 2005, 179 ff.). Die M. ist den verschiedenen allgemeinen Lehr-/ Lernzielen der Fremdsprachendidaktik verpflichtet: So wird ein Medieneinsatz beim Training von Fertigkeiten maßgeblich von der Frage bestimmt, welche Modalitäten und Kodalitäten ( Multimedia) die Medien unterstützen. Zur Förderung von Kommunikationsfähigkeit und interkultureller Kompetenz können Potenziale von Online-Medien ( E-mail Tandems; Online-Projekte etc.) genutzt werden. Nicht zuletzt ist die Förderung der Schlüsselqualifikation Medienkompetenz selbst ein Lernziel des FU. Aus der Perspektive der M. ist jeder Medieneinsatz mit dessen je spezifischer Produktivität für das übergeordnete unterrichtliche Lehr- und Lernarrangement zu begründen. <?page no="218"?> Mehrsprachigkeit 207 Huneke, H.-W./ Steinig, W. (2005), Deutsch als Fremdsprache. Eine Einführung, 4. Aufl., Berlin. - Kron, F. W./ Sofos, A. (2003), Mediendidaktik, München/ Basel. Udo Ohm Medium, das/ Medien: M. wird sehr uneinheitlich definiert. Universale Definitionen bestimmen M. als Ausweitungen des menschlichen Körpers (u.a. McLuhan 2001) oder als flexible Zusammenhänge von Elementen (z.B. LUFT), die Formen (z.B. SCHALLWELLEN) aufnehmen können. Ein anderer, gängiger Definitionsansatz geht vom Grad der Beteiligung technischer Hilfsmittel an der Informationsübertragung aus (primäre M.: Sprache, Mimik, Gestik; sekundäre M.: Rauchzeichen, Schrift, Bild; tertiäre M.: Telefon, Fernsehen, Internet), ein weiterer fokussiert die Art der Datenkodierung (analog: Schallplatte; digital: CD) und wieder ein anderer die technische Funktion (Speicher-M.: Schallplatte; Übertragungs-M.: Kabel; Kommunikations-M.: Brief, Telefon). Dabei werden die Definitionsansätze allerdings nicht immer trennscharf beachtet, sondern bestimmen teilweise wechselnd und in Kombination den Fachdiskurs. In Lehr-/ Lernkontexten ist eine Klassifizierung nach den angesprochenen Sinnesmodalitäten (auditive M.: Musikstück, Hörfunkbeitrag; visuelle M.: Bild, Stummfilm; audiovisuelle M.: Tonfilm; Fernsehbeitrag) und den Kodierungen (verbal: Hörfunkbeitrag, Buch; pictoral: Bild, Stummfilm; multikodal: Text mit Bildern, Tonfilm) besonders produktiv. Zudem kann zwischen M. für Individualkommunikation (Brief, Telefon) und Massenmedien (Zeitung, Fernsehen) differenziert werden. Im ersten Fall ist unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. Soziolekt, Register) symmetrische Kommunikation möglich (Sender und Empfänger können Rollen wechseln), im zweiten nicht (nur zentrale Sendequelle für viele Empfänger). Eine Mischform stellt z.B. der Blog dar. McLuhan, M. (2001), Understanding Media. The Extensions of Man, London/ New York. Udo Ohm Mehr-Speicher-Modell, das: auch: Multi-memory model; ein Gedächtnismodell, das beschreibt, wie die Prozesse des Enkodierens, Speicherns, Abrufens zusammenwirken, um Informationsverarbeitung und damit Lernen zu ermöglichen; das M.-S.-M. postuliert drei seriell angeordnete Komponenten: a) sensorischer Speicher: verarbeitet Sinneseindrücke, überführt als wichtig identifizierte Informationen in das b) Kurzzeitgedächtnis, wo die Informationen zur weiteren Verarbeitung wenige Sekunden bereit gehalten werden; von dort werden sie entweder in den c) Langzeitspeicher überführt oder sie werden vergessen. (Zur weiteren Präzisierung/ Modifikation: Arbeitsgedächtnis). Atkinson, R. C./ Shiffrin, R. M. (1968), „Human Memory: A Proposed System and its Control Processes“, in: Spence, K. W./ Spence, J. T. (Hrsg.), The psychology of learning and motivation, vol. 8., London, 13-113. Daniela Zahn Mehrsprachigkeit, die: bezeichnet den Umstand, dass einer Person (individuelle M.) oder einem System (gesellschaftliche M., lebensweltliche M., institutionelle M.) mehrere Sprachen zur Verfügung stehen. Fasst man den Begriff sehr weit, so ist jeder Mensch mehrsprachig, da er schon in seiner Muttersprache über mehrere Varietäten (muttersprachliche M.) verfügt. Je nach Zeitpunkt, Art und Stufe des Erwerbs können mehrere Formen individueller M. unterschieden werden: simultane M., wenn gleichzeitig mehrere Sprachen im Kleinkindalter natürlich, d.h. ohne formalen Unterricht, erworben werden; sukzessive M., wenn mehrere Sprachen hintereinander erlernt werden, was sowohl natürlich als auch gesteuert erfolgen kann. Königs (2000) differenziert mit Blick auf die Schule in retrospektive M., wenn Lernende bereits mehrsprachig in den Unterricht kommen und eine ihrer Sprachen unterrichtet wird, retrospektivprospektive M., wenn Lernende mehrsprachig in den Unterricht kommen, aber keine ihrer Sprachen Lerngegenstand ist, und prospektive M., wenn Lernende erst durch den Fremdsprachenunterricht M. aufbauen. Eine adäquate Förderung von M. in der Schule muss demzufolge auf einer curricularen M. basieren, in der das Lernen verschiedener Sprachen aufeinander abgestimmt und die lebensweltliche M. der Schüler von Anfang an berücksichtigt wird (Krumm 2005). Während M. früher häufig nur in ihrer maximalen Variante als das Beherrschen von mehreren Sprachen auf jeweils muttersprachlichem Niveau verstanden wurde, zählt heute auch die Beherrschung von Teilkompetenzen, deren Einsatz sich jeweils nach dem Kommunikationspartner, dem -zweck und -ort richtet, zur M. (funktionale M., rezeptive M.). <?page no="219"?> 208 Mehrsprachigkeitsdidaktik Bausch, K.-R./ Königs, F. G./ Krumm, H.-J., Hrsg. (2004), Mehrsprachigkeit im Fokus. Beiträge der 24. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts, Tübingen. - Königs, F. G. (2000), „Mehrsprachigkeit statt Sprachenlosigkeit! Überlegungen zur Bedeutung von Mehrsprachigkeitskonzepten für Deutsch als Fremdsprache“, in: Koroschetz, R. (Hrsg.), Brückenschlag. Actas del X. Congreso Latinoamericano de Germanística, Caracas (auf CD-ROM). - Krumm, H.-J. (2005), „Von der additiven zur curricularen Mehrsprachigkeit: Über die Notwendigkeit der Einbeziehung von Minderheiten-, Migranten- und Nachbarsprachen“, in: Hufeisen, B./ Lutjeharms, M. (Hrsg.), Gesamtsprachencurriculum, Integrierte Sprachdidaktik, Common Curriculum, Tübingen, 27-36. Barbara Haider Mehrsprachigkeitsdidaktik, die: auch: Tertiärsprachendidaktik; Sprachen wurden in der Vergangenheit isoliert voneinander gelernt, ohne dass die vorhandenen Sprachkenntnisse der Lernenden in anderen Sprachen systematisch genutzt wurden. Für den fremdsprachigen Deutschunterricht hat sich diese Situation geändert, seit deutlich ist, dass Deutsch immer häufiger als zweite Fremdsprache nach Englisch gelernt wird: Ca. 50 % der Deutschlernenden weltweit lernen Deutsch als zweite Fremdsprache, weitere 20 % sogar erst als dritte. M. versucht, die vorhandenen Sprachkenntnisse und Sprachlernerfahrungen für eine Ökonomisierung des Deutschlernens bzw. des Sprachenlernens generell zu nutzen (vgl. Bausch/ Heid), zum einen, indem Sprachverwandtschaften aufgesucht werden, zum andern, indem das Sprachbewusstsein geschult und Lernstrategien vermittelt werden. Auch für Kinder mit Migrationshintergrund gilt, dass sie bereits eine oder mehrere Sprachen und oft ein hohes Sprachbewusstsein mitbringen, wovon der DaZ-Unterricht Gebrauch machen kann. Bausch, K.-R./ Heid, M., Hrsg. (1990), Das Lehren und Lernen von Deutsch als zweiter oder weiterer Fremdsprache: Spezifika, Probleme, Perspektiven, Bochum. - Martinez, H./ Reinfried, M., Hrsg. (2006), Mehrsprachigkeitsdidaktik gestern, heute und morgen, Tübingen. - Müller, N. u.a. (2006), Einführung in die Mehrsprachigkeitsforschung, Tübingen. Hans-Jürgen Krumm meliorativ: Terminus für die Qualifizierung eines sprachlichen Ausdrucks als den damit bezeichneten Gegenstand oder Sachverhalt aufwertend; Teilklasse der Euphemismen. Die Bedeutungsaufwertung wird v.a. mittels lexikalischer Spezifizierung, so z.B. durch den Einsatz von Synonymen (etwa Ehemann - Gemahl, Kinderarzt - Pädiater) realisiert, wobei Effekt und Akzeptanz des verwendeten m. Ausdrucks vom jeweiligen Kontext und Kommunikationspartner abhängen (Ggs. pejorativ). Da entsprechende Konnotierungen sich Fremdsprachenlernern nur schwer erschließen und die unpassende Verwendung m. Ausdrücke leicht zu Missverständnissen bzw. anderen nicht intendierten Reaktionen der Kommunikationspartner (Irritation, Lachen, Spott etc.) führt, bedarf ihre Vermittlung pointierter Kontextualisierung und interkultureller Kommentierung. Hans Barkowski/ Kerstin Rische Melodie, die: Sprechmelodie, Intonation im engeren Sinne; prosodisches Merkmal neben Lautstärke, Dauer, Sprechgeschwindigkeit, Sprechspannung sowie Pausierung; im engeren Sinn Stimmtonverlauf (akustisch: Grundfrequenz), bezogen auf eine (Teil-)Äußerung. Die M. zeigt universelle Merkmale, wie z.B. die Deklination (d.h. über eine Äußerung hinweg kontinuierlich absinkende M.), sie dient sprachabhängig der Hervorhebung ( Akzent) in Wort, Wortgruppe und Äußerung, der Rhythmisierung ( Sprechrhythmus) und als Grenzsignal bei der Bildung von Teiläußerungen und beim Abschluss von Äußerungen ( Intonem, Kadenz, interrogativ, terminal). Typisch für das Deutsche sind ein relativ kleines Melodieintervall und ein starker Abfall am Äußerungsende. Ursula Hirschfeld Memorandum zum Muttersprachlichen Unterricht, das: bezweckt die Umsetzung einer gleichberechtigten muttersprachlichen Erziehung für ausländische Schüler, folglich die enge Verknüpfung des Unterrichts in der Muttersprache mit dem Unterricht in deutscher Sprache während der Schulzeit in der BRD; formuliert elementare Funktionen der Muttersprache für die Kindesentwicklung, Forderungen für die Regelschule und einen Vorschlag zur Unterrichtsorganisation, s.a. Herkunftssprache. BAGIV, Hrsg. (1985), Muttersprachlicher Unterricht in der Bundesrepublik Deutschland. Sprach- und bildungspolitische Argumente für eine zweisprachige Erziehung von Kindern sprachlicher Minderheiten. (Tagungsakten), Hamburg. Gundula Scherf <?page no="220"?> Mental Maps 209 mentales Lexikon: bezeichnet die Gesamtheit der gespeicherten Wörter sowie der lexikalischen Speicher-, Ordnungs- und Abrufprinzipien des Gehirns, zu denen Begriffssysteme wie Meronymie und Hyponymie ebenso gehören wie Formen der Koordination durch Antonymie und Synonymie, Kollokation und Kookkurrenz (gehäuft gemeinsames Auftreten von Wörtern). Aus den Forschungen zum m.L. sind Hinweise auf Einführungszeitpunkt, pragmatische Einbindung und gemeinsam einzuführende Wörter im Unterricht abzuleiten. Erkenntnisse über die Struktur des m.L. können u.a. über Assoziationstests gewonnen werden. So werden Adjektive bevorzugt antonymisch gespeichert und prototypische Merkmale von Nomen, z.B. Vogel - fliegen oder Bäcker - backen - Brot, stärker verbunden und schneller abgerufen als weniger prototypische (z.B. Vogel - Tier). Erkenntnisse über frequente Verbindungen im m.L. können u.a. aus der Korpusanalyse gewonnen werden. Aus der Versprecherforschung (Leuninger 1993), den Fehlern beim Prozess des produktiven Abrufs von Wörtern, lassen sich z.B. Erkenntnisse über die Speichernähe von lautlich ähnlichen Wörtern (Versprecher - Verbrecher) gewinnen. Dabei können Konzipierungsphase, Formulierungsphase, phonetische Enkodierung und Monitorprozesse (d.h. Kontrolle und ggf. Re-Strukturierung) von Äußerungen unterschieden werden. Hier spielt die Wortebene eine im Vergleich zur Grammatik zentrale Rolle. Lernwortschatz wird schneller und nachhaltiger verarbeitet, wenn er universellen Strukturen des mentalen Lexikons folgt. Aitchison, J. (2001), Wörter im Kopf - Eine Einführung in das mentale Lexikon, Tübingen. - Leuninger, H. (1993), Reden ist Schweigen, Silber ist Gold. Gesammelte Versprecher, 2. Aufl., Zürich. Hermann Funk Mentalismus, der: Terminus für einen spezifischen theoretischen Ansatz der Erklärung des menschlichen Sprachvermögens, insbesondere der Ontogenese des individuellen Spracherwerbs. M. wurde von Chomsky (1977) im Kontext seiner Hypothese von der Existenz einer Universalgrammatik definiert, der gemäß von einer angeborenen, genetisch fixierten Ausstattung zum Spracherwerb ( LAD) auszugehen sei. Der M. unterscheidet sich theoretisch diesbezüglich insbesondere von den Positionen des Behaviorismus und des Interaktionismus ( Interaktionshypothese), indem er Sprachentwicklungsprozesse primär als Ergebnis des Wirkens nicht beobachtbarer geistiger Fähigkeiten und mentaler Prozesse betrachtet. Chomsky, N. (1977), Reflexionen über die Sprache, Frankfurt a. M., 1. Kap., 11-48. - Bidese, E. (2002), Die Strukturen des freien und kreativen Handelns: Interpretationen und Perspektiven aus der linguistischen Forschung Noam A. Chomskys und der ethischen Reflexion Thomas von Aquins, Würzburg, 41-49. Christin Winter Mentalität, die: komplexes Phänomen, das sowohl Konzepte und Ideen als auch unbewusste Motive umfasst. Damit lässt sich der Begriff der M. nicht festlegen auf die vorherrschenden Denkfiguren und mentalen Strukturen einer Epoche oder einer gesellschaftlichen Gruppe, sondern er schließt auch psychische Faktoren, die unbewussten und halb bewussten Beweggründe ein, die soziale Handlungsmuster und kulturelle Ausdrucksformen prägen. Im DaF-Kontext spielt der Begriff im Bereich der Landeskunde und des interkulturellen Lernens eine Rolle und wird bei der Kontrastierung von Kulturen verwendet ( Kulturkontrast, Kulturvergleich). Das Konzept ist allerdings problematisch, wenn es Strukturen des Denkens und Fühlens als unveränderliche Merkmale einer Gesellschaft ansieht: Es wirkt dann durchaus stereotypisierend und stigmatisierend. M.forschung ist vor allem im Bereich der Geschichtswissenschaft im Zusammenhang mit der Historikerschule der „Annales“ betrieben worden. Im Gegensatz zur Geistes- oder Ideengeschichte bezieht man bewusst eine große Vielfalt von Dokumenten - durchaus auch aus der Alltagswelt - mit ein, um deren mentale und emotive Voraussetzungen zu rekonstruieren. Hier wird ein ausgesprochen offener Begriff von M. zugrunde gelegt, der gerade Komplexität und Vielfalt deutlich machen will. Behal-Thomsen, H./ Lundquist-Mog, A./ Mog, P. (1993), Typisch deutsch? Arbeitsbuch zu Aspekten deutscher Mentalität, Berlin. - Mog. P., Hrsg. (1992), Die Deutschen in ihrer Welt. Tübinger Modell einer integrativen Landeskunde, Berlin. Adelheid Hu Mental Maps, die: Der Begriff M.M. wird in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen benutzt. Für DaF/ DaZ sind M.M. ein methodischdidaktisches Instrument. Sie können den Lehrenden helfen, Einblicke in die Gedanken des <?page no="221"?> 210 Meronym Lernenden zu erhalten, um den Unterricht auf die individuellen Bedürfnisse hin zu gestalten. In der Geografie, speziell in der Sozialgeografie, werden M.M. als kognitive Karten verstanden. Sie sind individuelle Vorstellungen einer Person von einer räumlichen Situation. Mit Hilfe von M.M. setzen sich Menschen mit ihrer Umwelt auseinander. In der Psychologie wird zwischen einem verbalen und einem visuellen Denkmodus unterschieden. M.M. sind Teil des visuellen Denkmodus und werden als kognitive Repräsentationen des physikalischen Raumes verstanden. M.M. können im Unterricht für DaF/ DaZ zum Einsatz kommen, um einen stärkeren Bezug zur Lebenswelt der Lernenden zu erhalten. M.M. werden sichtbar, indem sie z.B. zeichnerisch zu Papier gebracht werden. M.M. zeigen die Wahrnehmung der Lernenden und ermöglichen dem Lehrenden Rückschlüsse. M.M. können u.a. als Sprech- und Schreibanlass dienen. Downs, M./ Stea, D. (1982), Kognitive Karten, New York. - Ehlers, S. (1993), „Hermeneutik des Raumes - Kognitives Kartieren als curriculares Planungskriterium“, in: Deutsch als Fremdsprache Jg. 30, Nr. 4, 211-218. - Zimbardo, P. G./ Gerrig, R. J. (2004), Psychologie, 16. Aufl., München u.a. Nancy Kersten Meronym, das: Wort/ Begriff, das/ der zu einem weiteren Wort/ Begriff im Verhältnis „Teil von…“ steht, z.B. ist Henkel M. zu Tasse oder Karosserie zu Auto. Die Nutzung von begrifflichen Relationen wie der Meronymie empfiehlt sich im Kontext des Erlernens/ der Vermittlung fremdsprachlichen Lexikons, insofern sie in der Gedächtnisorganisation eine wichtige Rolle spielen und insbesondere die nachhaltige Speicherung von Wörtern durch semantisch-sachliche Vernetzung unterstützen (s. ggf. auch mentales Lexikon; Konnektionismus). Hans Barkowski Metakognition, die: Der Begriff M. bezeichnet den selbstreflexiven Bezug des wissenden, denkenden und handelnden Menschen sowie die Art der selbstgesteuerten Überwachung von Lernvorgängen und kommunikativen Handlungen. Metakognitive Strategien beziehen sich einerseits auf das deklarative Wissen über Gedächtnis-, Denk- und Lernprozesse, andererseits werden exekutive metakognitive Kontrollstrategien beim selbstregulierten Lernen eingesetzt (vgl. Artelt 2000, Kap. 1). Besonders im Umgang mit digitalen Medien sind metakognitives Strategiewissen und metakognitive Regulationsaktivitäten zur Kontrolle und Steuerung des Lernprozesses erforderlich. Der M. wird auch beim rezeptiven (vgl. Christmann/ Groeben 1999) und produktiven (z.B. Winter 1992) Sprachhandeln eine zentrale Bedeutung zuerkannt. Artelt, C. (2000), Strategisches Lernen, Münster. - Christmann, U./ Groeben, N. (1999), „Psychologie des Lesens“, in: Franzmann, B./ Hasemann, K./ Löffler, D./ Schön, E. (Hrsg.), Handbuch Lesen, München, 145-223. - Winter, A. (1992), Metakognition beim Textproduzieren, Tübingen. Dirk Skiba Metakommunikation, die: In einem weit gefassten Begriffsverständnis ist M. Merkmal einer jeden Kommunikation, da diese immer einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt enthält, „derart, dass letzterer den ersteren bestimmt und daher eine M. ist“ (Watzlawick/ Beavin/ Jackson 1974, 56). In einem enger gefassten Begriffsverständnis meint M. „Kommunikation über Kommunikation“ (Watzlawick/ Beavin/ Jackson 1974, 41 f.). In pädagogischen Kontexten besitzen beide Bestimmungen von M. Relevanz: Fremdsprachenlerner tendieren erstens dazu, nur die Sachbezüge von Äußerungen wahrzunehmen und in ihren Sprachproduktionen den Beziehungsaspekt ungenügend zu berücksichtigen; es gehört insoweit zu den Lernzielen eines an der Vermittlung kommunikativer Kompetenz orientierten Unterrichts, bei den Lernenden für diese Zusammenhänge Aufmerksamkeit zu entwickeln. Zweitens dient M. im FSU - wie in allen Lernprozessen - der lern- und unterrichtsbegleitenden Kommunikation über den Verlauf eben dieser Prozesse, einschließlich der gruppendynamischen. Doerry, G. (1982), Metakommunikation in Lerngruppen, 4. Aufl., Bonn/ Frankfurt a. M. - Watzlawick, P./ Beavin, J. H./ Jackson, D. D. (1974), Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien, 4. Aufl., Bern/ Stuttgart/ Wien. - Wuttke, E. (2005), Unterrichtskommunikation und Wissenserwerb. Zum Einfluss von Kommunikation auf den Prozess der Wissensgenerierung, Frankfurt a. M. et al. Dirk Skiba Metapher, die: die Übertragung eines Wortes (z.B. Löwe) auf einen Namen (z.B. Alberto) aufgrund einer Ähnlichkeit zwischen ihnen (der Mut, das Tertium Comparationis): Alberto ist ein Löwe. Die M. gilt als künstlerische Redefigur, für <?page no="222"?> Methode 211 den poetischen Diskurs charakteristisches Stilmittel. Diese Denkweise wurde vor allem von Lakoff und Johnson (1980) revidiert, die zeigen, dass viele Ausdrücke der Alltagssprache metaphorischer Natur sind. Für sie ist die M. in erster Linie eine ‚Denkstruktur‘, die ein konzeptuelles Feld (z.B. die Zeit) durch Rückgriff auf eine andere Erfahrungsdomäne (z.B. die Bewegung im Raum) darstellt. Diesbezüglich werden die metaphorischen Vorstellungen (z.B. Zeit ist ein bewegliches Objekt) als ‚konzeptuelle M.‘ definiert, die die Grundlage für die Produktion zahlreicher Ausdrücke darstellen (Zeit kommt, rückt näher u.ä.). Diese Sichtweise der ‚M. der Alltagssprache‘ eröffnet neue Perspektiven für das Sprachenlernen, denn viele sprachliche Elemente können nach ihren assoziativen Verbindungen gelernt werden, d.h. nach M., die ihre Organisationsprinzipien unterstützen. Bellavia, E. (2007), Erfahrung, Imagination und Sprache, Tübingen. - Lakoff, G./ Johnson, M. (1980), Metaphors We live By, Chicago. Elena Bellavia Metaphorik, die: in der kognitiven Linguistik dem Phänomen zugeordnet, dass ein Großteil der Alltagssprache aus metaphorischen Ausdrücken besteht, deren Gebrauch generalisierbar und im Gedächtnis der Sprecher einer bestimmten Gemeinschaft gespeichert ist (Gibbs 1994). So ist z.B. die konzeptuelle Metapher „Ideen sind Schneideinstrumente“ (Lakoff/ Johnson 2003, 61) die Grundlage für die Produktion zahlreicher Ausdrücke wie beispielsweise Das war eine schneidende Bemerkung. und Er hat einen messerscharfen Verstand (ibd.). Gibbs, R. W. (1994), The Poetics of Mind. Figurative Thought, Language, and Understanding, Cambridge. - Lakoff, G./ Johnson, M. (2003), Leben in Metaphern, Heidelberg. Elena Bellavia Metaphorisierung, die: 1. In der Linguistik stellt M. den Prozess der Verbindung zwischen der zentralen Bedeutung eines Wortes und seiner periphersten Bedeutung dar (z.B. die Bedeutung von Flasche als „Gefäß, in dem man Flüssigkeiten aufbewahrt“ und der Bedeutung des Wortes als „Schwächling, Versager“). Das Ergebnis des Prozesses der M. ist eine Metapher. 2. Im Kontext des Sprachenlernens spricht man von M. als dem Mechanismus, nach dem sowohl Kinder beim L1-Erwerb als auch Lernende weiterer Sprachen bei der Anwendung schon gelernter Wörter auf neue Objekte einen Prozess der metaphorischen Ausdehnung in Bewegung setzen, so z.B., wenn ein Lernender mit Türkisch als Muttersprache den Ausdruck die Schwester des Knoblauchs für das Wort Zwiebel kreiert. Die M. gehört zu den wichtigsten Strategien, die beim L1-Erwerb entwickelt und beim Lernen weiterer Sprachen transferiert werden. Elena Bellavia Metasprache, die: im Rahmen des Logischen Positivismus diejenige Sprache, in der die wissenschaftliche Verständigung über die Objektsprache erfolgt. So ist z.B. die Grammatiktheorie Teil der M. über Sprache. Die Verwechslung von Meta- und Objektsprache führt häufig zu einer Konfundierung zweier unterschiedlicher Theorieebenen. Die schärfere wissenschaftstheoretische Trennung hat zum Ziel, eine nicht von den Mehrdeutigkeiten der Objektsprache verunklärte theoretische Sprache zu entwickeln, der Eindeutigkeit und logische Präzision zukommt. Die Kritik der Transzendentalen Hermeneutik (Apel), aber auch schon diejenige des späten Wittgenstein weist demgegenüber auf die Unaufgebbarkeit der Alltagssprache als „letzter M.“ hin. Apel, K.-O. (1973), Transformation der Philosophie, 2 Bde., Frankfurt a. M. - Reichenbach, R. (1999, 1. Aufl. 1947), Grundzüge der symbolischen Logik, Braunschweig/ Wiesbaden. Konrad Ehlich Metatheorie, die: gemeint ist einerseits eine Konzeptbildung, die jede Theorie übersteigt - und dann wahrscheinlich wieder außer-, anti- und letztlich vor-theoretisch wäre; andererseits wäre eine M. zu einzelnen Theorien z.B. eine Allgemeine Wissenschaftstheorie ( Epistemologie) oder auch z.B. die Metaphysik. Konrad Ehlich Methode, die: 1. Begriff Im Bereich des (Sprach-)Unterrichts bezeichnet M. diejenigen Grundsätze und Verfahrensweisen, die eingesetzt werden, um die Unterrichtsziele zu erreichen. Dabei wird der Begriff M. dann benutzt, wenn die unterschiedlichen Arbeitsformen und Übungen eine gemeinsame theoretische Grundlage aufweisen oder von den gleichen übergreifenden Prinzipien geleitet werden, <?page no="223"?> 212 Methodik d.h. im eigentlichen Sinne ist der Begriff M. nur dann legitim, wenn von Unterrichtsverfahren auf einer wissenschaftlichen Grundlage die Rede ist. Damit unterscheidet sich der deutsche Begriff M. von der Begrifflichkeit in anderen Sprachen; so wird z.B. im Französischen la méthode auch für ein einzelnes Lehrwerk gebraucht. Geschlossene M.konzeptionen schreiben Lehrenden die einzelnen Unterrichtsschritte präzise vor und dürfen tw. nur nach Teilnahme an einem Methodentraining eingesetzt werden (so tw. bei den sog. alternativen M.), während offene M. wie der kommunikative Fremdsprachenunterricht von den Lehrenden variabel an die Zielgruppe und Lernsituation angepasst werden. 2. Entwicklung der M. des fremdsprachlichen Deutschunterrichts Die M.geschichte (vgl. Neuner/ Hunfeld 1993) lässt sich charakterisieren als Wechsel zu jeweils neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die als befruchtend für den Fremdsprachenunterricht gesehen wurden: Die direkte M. nutzt Erkenntnisse der damals neuen Wissenschaft Phonetik, Behaviorismus und Strukturalismus prägten die audiolinguale M., die Pragmalinguistik und insbesondere die Sprechakttheorie den kommunikativen Unterricht und das interkulturelle Lernen, wobei diesen methodischen Ansätzen kein geschlossenes Konzept mehr zu Grunde liegt, sondern Erkenntnisse aus unterschiedlichen Disziplinen (Pädagogik, Linguistik, Psychologie u.a.) fruchtbar gemacht werden. 3. Erforschung von Unterrichtsm. Die Unterrichtsforschung hat lange versucht herauszufinden, welches denn die beste M. sei. Die großen M.experimente der 1950er und 1960er Jahre vor allem im angloamerikanischen und skandinavischen Raum erbrachten jedoch kaum eindeutige Ergebnisse. Zu viele Faktoren beeinflussen das Unterrichtsgeschehen und die Lernergebnisse ( Faktorenkomplexion), auch ist der Aktualisierungsspielraum für Lehrende und Lernende so groß, dass Ergebnisse kaum übertragbar sind. Auch Versuche in den 1970er Jahren, die Überlegenheit der sog. alternativen M., insbesondere der Suggestopädie, empirisch zu belegen, müssen als gescheitert betrachtet werden. Mit der zunehmenden sprachlichkulturellen Heterogenität der Lernenden hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es die eine „beste M.“ für alle Lernenden nicht gibt, dass es vielmehr darauf ankommt, für spezifische Lerngruppen und Lernziele jeweils geeignete Unterrichtsverfahren zusammenzustellen (Methodeneklektizismus). Kommunikative und Mehrsprachigkeitsdidaktik, die Gehirnforschung, aber auch - insbesondere im Bereich DaZ - die Sozialpsychologie und die Bildungsgangforschung stellen Erkenntnisse bereit, die zielgruppenadäquat genutzt werden. Damit löst sich der klassische Methodenbegriff zugunsten offener Unterrichtsverfahren auf, deren Kennzeichen die durchgehende Lernerorientierung ist. Bausch, K.-R. u.a., Hrsg. (1993), Fremdsprachenlehr- und -lernprozesse im Spannungsfeld von Steuerung und Offenheit, Bochum. - Bausch, K.-R. u.a., Hrsg. (2002), Neuere curriculare und unterrichtsmethodische Ansätze und Prinzipien für das Lehren und Lernen fremder Sprachen, Tübingen. - Neuner, G./ Hunfeld, H. (1993), Methoden des fremdsprachlichen Deutschunterrichts (= Fernstudieneinheit 4), Berlin. Hans-Jürgen Krumm Methodik, die: In einem allgemeinen, übergreifenden Verständnis ist M. der Sammelbegriff für alle in einem Fachgebiet angewandten Methoden, also im Bereich des Fremdsprachenunterrichts die Lehre von den dort gängigen Unterrichtsmethoden. Seit den 1960er Jahren wird der Begriff M. tw. eher einschränkend gebraucht: Didaktik bezeichnet nach Klafiki (1963) die Theorie der Bildungsinhalte, während M. auf einer nachgeordneten Ebene die konkrete Umsetzung im Unterricht meint und als präskriptive Teildisziplin der Fremdsprachendidaktik verstanden wird. Im Hinblick auf die nach wie vor unsystematische Verwendung des Begriffs und um die Gleichwertigkeit didaktischer wie methodischer Fragestellungen für die Unterrichtsplanung zu betonen, hat sich im Bereich DaF insbesondere durch Publikationen des Goethe-Instituts seit den 1980er Jahren eingebürgert, unterrichtsmethodische Fragen mit dem Etikett „Didaktik und M.“ zu kennzeichnen (vgl. Strauss 1984). Klafki, W. (1963), Studien zur Bildungstheorie und Didaktik, Weinheim. - Strauss, D. (1984), Didaktik und Methodik Deutsch als Fremdsprache, eine Einführung, München. Hans-Jürgen Krumm Methodologie, die: Methodenlehre; M. entwickelt und diskutiert, mit welchen Methoden sich wissenschaftliche Fragestellungen in strukturierter Weise möglichst zielführend bearbeiten lassen(vgl. Forschungsmethodologie). Daneben wird M. auch im Deutschen, analog zu den Konnotationen des englischen Terminus methodo- <?page no="224"?> Migration 213 logy, zur Charakterisierung von Unterrichtsmethoden verwendet. In der Sprachlehr- und Sprachlernforschung wird zudem auch das Design von empirischen Untersuchungen als deren M. bezeichnet. Hans-Jürgen Krumm Metonymie, die: eine uneigentliche Ausdrucksverwendung, die die Rhetorik zu den Tropen ( Tropus) zählt. Anders als bei der Metapher besteht zwischen dem, was gesagt wird, und dem, wofür es steht, ein realer sachlicher Zusammenhang (z.B. Goethe lesen für die Lektüre von Goethes Werken). Diese Beziehung kann unterschiedlichster Art sein; z.B. steht der Ort für das am Ort Lokalisierte (Berlin protestiert), das Gefäß für den Inhalt (den Teller aufessen). Lausberg, H. (2000), 10. Aufl., Elemente der literarischen Rhetorik, München. Konrad Ehlich Microteaching, das: in den 1960er Jahren aus den USA übernommenes Verfahren zum Training des Lehrverhaltens, bei dem es darum geht, die Komplexität des Unterrichtsgeschehens hinsichtlich der Zeit (ein Unterrichtsversuch dauert ca. 5-20 Minuten), der Teilnehmerzahl (eine vertraute Kleingruppe von ca. 3-10 Personen) sowie der Lehraufgabe (Beschränkung auf einen teaching skill) zu reduzieren, um einzelne Lehrfertigkeiten zu automatisieren oder zu verändern. M. ist eine Form des Modelllernens für (angehende) Lehrer: Wünschenswerte Verhaltensweisen (z.B. beim Korrigieren, für die Lehrerfrage etc.) werden erarbeitet und nach Möglichkeit auf der Grundlage von Videobeispielen besprochen und in einem Trainingszyklus erprobt. Dieser umfasst einen Erstversuch, eine sofortige Rückmeldung (z.B. durch Ansehen der Videoaufzeichnung des Erstversuchs oder Feedback der am Versuch Teilnehmenden) und einen Zweitversuch vor einer anderen Schüler- oder Kollegengruppe sowie eine abschließende Kritikphase (vgl. Zifreund 1966). Neben Einrichtungen der Lehreraus- und Lehrerfortbildung hat das Goethe- Institut M. in seiner Dozentenausbildung genutzt und durch Unterrichtsdokumentationen ergänzt, die den Transfer in die Unterrichtsrealität erleichtern sollten (vgl. Kast 1994). Kast, B. (1994), „Lehrertraining durch Microteaching“, in: Fremdsprache Deutsch, Sonderheft 1994, 59-65. - Zifreund, W. (1966), Training des Lehrverhaltens mit Fernseh-Aufzeichnungen in Kleingruppen-Seminaren. (Beiheft 1 zur Zeitschrift programmiertes lernen), Berlin. Hans-Jürgen Krumm Migrant/ in, der/ die: Im Gegensatz zum Begriff Immigrant (Einwanderer) und Emigrant (Auswanderer) fokussiert die Bezeichnung M. ausschließlich das im Prozess der Migration befindliche Individuum und drückt aus, dass M. Menschen sind, deren Identität weder durch herkunftsgesellschaftliche Prägungen noch durch die Aufnahmegesellschaft hinreichend beschrieben werden kann. Der Begriff M. signalisiert insoweit vor allem Mobilität, ohne Aspekte kultureller Identität, Integrationsziele u.a. zu konnotieren. Im politischen Diskurs findet neben den gen. Bezeichnungen auch der Begriff „Zuwanderer“ Verwendung, der gleichzeitig die Migrationsrichtung und den Aspekt der Integration impliziert. Im Gegensatz zu der Bezeichnung Ausländer referiert der Begriff M. substanziell nicht auf den staatsbürgerschaftlichen Status und bleibt mithin als Identitäts- oder Zuschreibungsmerkmal ggf. auch jenseits einer Einbürgerung relevant, was sich u.a. in der inzwischen gängigen Attribuierung „mit Migrationshintergrund“ niedergeschlagen hat. Volf, P./ Bauböck, R. (2001), Wege zur Integration. Was man gegen Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit tun kann, Klagenfurt/ Celovec. Verena Plutzar Migration, die: M. bedeutet „Wanderung“ und bezeichnet räumliche Mobilität. Als „conditio humana“ ist M. so alt wie die Menschheit selbst und ein alltägliches soziales Phänomen, das durch jeweils unterschiedliche historische, ökonomische, kulturelle und politische Kontexte geprägt ist (Kraler 2007). Zu den klassischen Migrationsformen gehören Binnenmigration, Kolonisation, Nomadentum, Siedlerbewegungen und der Handel mit in die Sklaverei Verschleppten. Gegenwärtig unterscheidet man Fluchtmigration, Arbeitsmigration, Familienzusammenführung und Menschenhandel. Ein dominantes Motiv der Migrationsgeschichte ist die Kontrolle und Steuerung von M.. War bis 1960 das vorherrschende Selektionsprinzip die Herkunft, werden im Rahmen von Arbeitsmigration und „Migrations-Management“ Migranten nach sozialen und ökonomischen Kriterien ausgewählt. Europa ist aus migrationssoziologi- <?page no="225"?> 214 Migrationsliteratur scher Sicht spätestens seit Ende des II. Weltkriegs de facto ein Immigrationskontinent, jedoch vielfach ohne entsprechendes Selbstverständnis bei Bevölkerung und Politik (Fassmann 2002). Für das Individuum bedeutet M. eine einschneidende und zumeist krisenhaft erlebte Erfahrung. M. ist ein Prozess, der mit der Entscheidung zur M. beginnt und mit der Entscheidung zu bleiben fließend in den Prozess der Integration übergeht. Fassmann, H./ Kohlbaner, J./ Reeger, U., Hrsg. (2002), Zuwanderung und Segregation. Europäische Metropolen im Vergleich, Klagenfurt/ Celovec. - Grinberg L./ Grinberg R. (1990), Psychoanalyse der Migration und des Exils, München/ Wien. - Kraler, A./ Husa, K./ Bilger, V./ Stacher, I., Hrsg. (2007), Migrationen. Globale Entwicklungen seit 1850, Wien. Verena Plutzar Migrationsliteratur, die: Zur M. zählen literarische Werke, die einen literarischen Beitrag zur Migration leisten, indem sie Migration als individuelle, soziale, kulturelle und globale Herausforderung thematisieren und/ oder sprachlich oder ästhetisch gestalten. Im Unterschied zur Exilliteratur ist M. in der Gesellschaft, in der sie entsteht und auf die sie Bezug nimmt, d.h. im Falle von eingewanderten Autoren in der Aufnahmegesellschaft, verortet. M. liegt dabei quer zu den literarischen Großformen. In der deutschsprachigen M. dominieren Lyrik und Epik, in jüngerer Zeit nimmt die Produktion von Kinderliteratur und Spielfilmen zu. Dabei nutzt und adaptiert die M. z.T. tradierte, in der Herkunftsliteratur der Autorinnen und Autoren gebräuchliche Erzählformen wie das mündliche Erzählen oder Textsorten wie Fabeln oder Poems und bearbeitet damit aktuelle Themen. Weiters finden sich neben kulturvermittelnden auch dominanzkritische und empathische Erzählformen, die Leser zur kulturellen Selbst- und Fremdreflexion anregen und einen interkulturellen Perspektivenwechsel unterstützen ( Interkulturelle Literatur). Neben zweisprachigen Paralleltexten liegen mehrsprachige Gedichte vor, die nur mit Kompetenzen in allen beteiligten Sprachen zu verstehen sind. Interlinguale Texte wie das Gedicht „Allianz“ von Zehra Çirka, das mit den Worten „Auf deutsch heißt die Hand Hand/ auf türkisch heißt sie el/ so ein Handel“ beginnt, spielen mit unterschiedlichen Sprachen, verwischen die Sprachgrenzen, indem sie die Bildhaftigkeit der türkischen Sprache in deutscher Sprache formulieren. Sie schaffen punktuell eine neue Sicht auf Sprachen und ihre Verwendung unter Migrationsbedingungen. Arnold, H., Hrsg. (2006), Text+Kritik Sonderband IX/ 06: Literatur und Migration, München. - Müller, H., Hrsg. (2001), Migration, Minderheiten und kulturelle Vielfalt in der europäischen Jugendliteratur, Frankfurt. - Schenk, K./ Todorow, A./ Tvrdik, M., Hrsg. (2004), Migrationsliteratur. Schreibweisen einer interkulturellen Moderne, Tübingen/ Basel. Heidi Rösch Mimik, die: zentrales Element der Körpersprache; durch Kontraktionen der Gesichtsmuskeln bedingte sichtbare - unwillkürliche oder intentionale - Bewegungen der Gesichtsoberfläche. M. hat diverse Funktionen: als Signal individueller Zustände, als Ausdruck interpersonaler Einstellungen bzw. als Verhalten, das die Interaktion begleitet und steuert. M. steht auch in enger Verbindung zum Sprechen: Sie modelliert und substituiert die eigene Rede und steuert den Diskursverlauf sowie den Sprecherwechsel mit. Man unterscheidet universale und kulturgeprägte M. Universal - und damit mimisch überall auf der Welt gleich realisiert - werden die sogenannten sieben Grundemotionen: Freude, Angst, Trauer, Zorn, Schmerz, Überraschung, Ekel. Alle anderen Gesichtausdrücke sind in ihrer Art, ihrem Verwendungskontext, ihren Darbietungsregeln und ihrer Bedeutung kulturell geprägt und können dadurch zu Missverständnissen führen. Sie sollten daher im DaF-Unterricht vermittelt werden. Ekmann, P. (2007), Gefühle lesen, München. Ruth Eßer Minderheit, die: Bevölkerungsgruppe, die sich durch besondere Merkmale von der Bevölkerungsmehrheit unterscheidet und meist, jedoch nicht immer, weniger Angehörige als diese aufweist. Von besonderem Interesse sind hier ethnische, sprachliche und kulturelle M., die ihre eigene, von der Mehrheit verschiedene Kultur und/ oder Sprache haben. Sie werden oft auch als Sprach-M., Sprach- oder Volksgruppen bezeichnet. Zu unterscheiden sind allochthone (zugewanderte) M. (z.B. bosnische Zuwanderer) und autochthone (ansässige) M. (z.B. Sorben), wobei die Unterscheidung zwischen beiden oft nur auf dem Zeitpunkt der Einwanderung beruht. In Europa genießen autochthone Minderheiten (deren Angehörige durchwegs Staatsbürger ihres Aufenthaltsstaats sind) meist gesetzlichen Schutz bzw. Förderung, z.B. in Österreich <?page no="226"?> Mittlerorganisation 215 nach dem Volksgruppengesetz. Die M.-rechte (z.B. Gebrauch der eigenen Sprache vor Behörden) können u.a. nach dem Territorialprinzip (in einem bestimmten Gebiet) oder dem Bekenntnisprinzip (gebunden an ein Bekenntnis der Zugehörigkeit) zuerkannt werden. Letzteres ist von Bedeutung für M., die nicht in einem bestimmten Gebiet siedeln (nicht-territoriale M.), z.B. viele Roma und Sinti in Europa. Zugewanderte M. werden meist nicht als in diesem Sinne zu schützende M. anerkannt. Boshammer, S. (2003), Gruppen, Recht, Gerechtigkeit: Die moralische Begründung der Rechte von Minderheiten, Berlin [u.a.]. - Heckmann, F. (1992), Ethnische Minderheiten, Volk und Nation: Soziologie inter-ethnischer Beziehungen, Stuttgart. Klaus-Börge Boeckmann Minderheitensprache, die: 1. Allgemeines Sprache, die von Angehörigen einer Minderheit gebraucht wird und die zumeist für diese auch ein Bestandteil ihrer von der Mehrheit verschiedenen Identität ist. Die Einstufung als M. ist von der örtlichen Konstellation abhängig, z.B. ist Slowenisch in Österreich M., in Slowenien aber Mehrheitssprache. Lokal, also z.B. in einzelnen Schulklassen, Stadtvierteln oder Landstrichen, können M. de facto Mehrheitssprachen sein, was aber an ihrem Status als M. (der zumeist auf nationaler Ebene bestimmt wird), nichts ändert. 2. M. und Mehrheitssprache Oftmals sind Menschen, die M. sprechen, zwei- oder mehrsprachig, da die M. nicht in allen Lebensbereichen verwendet werden kann. M. werden bei zugewanderten („neuen“) Minderheiten oft als L1 ( Erstsprache) gesprochen, ab der zweiten im Land geborenen Generation steigt die Bedeutung der Mehrheitssprache, teils wird sie zur L1. Auch sich der Minderheit zugehörig Fühlende besitzen u.U. nur mehr rudimentäre Kenntnisse der M. Durch die Mehrsprachigkeit der M.-sprecher ist die M. nicht immer in allen Domänen ausgebaut und vielfach werden Elemente der Mehrheitssprache in die M. übernommen, was einer der Gründe dafür ist, dass M. oft nicht als vollwertige Sprachen anerkannt werden. Wenn Sprecher einer M. im Schulalter keine Förderung in dieser erhalten und ausschließlich in der Mehrheitssprache beschult werden, liegt Submersion vor, was nachteilige Folgen für Sprachkompetenz und Identität haben kann (Oksaar 2003, 157 ff.). 3. Schutz und Förderung Auf europäischer Ebene bietet die „Charta der Regional- und Minderheitensprachen“ (1998) des Europarats den in Europa ansässigen M. völkerrechtlichen Schutz. Zugewanderte, „neue“ Minderheiten werden von der Charta nicht erfasst. Schutz bieten aber die UN-Menschenrechtsakte (die ein Verbot der sprachlichen Diskriminierung vorsehen) und die UN-Konvention über Kinderrechte (die die Pflege der kulturellen und sprachlichen Identität von Kindern regelt). Zudem hat die Parlamentarische Versammlung des Europarats 2006 eine „Empfehlung über die Rolle der Muttersprache im Schulwesen“ verabschiedet, die für (Zuwanderer-)Kinder, die eine M. sprechen, eine Beschulung in dieser vorsieht. Oksaar, E. (2003), Zweitspracherwerb: Wege zur Mehrsprachigkeit und zur interkulturellen Verständigung, Stuttgart. - Europarat (1992), Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, Straßburg. Klaus-Börge Boeckmann Minimalpaar, das: besteht aus zwei Wörtern verschiedener Bedeutung, die sich in einem relevanten Merkmal unterscheiden. 1. In der Phonologie bilden zwei Wörter ein M., wenn sie gleich viele Laute enthalten, sich aber nur in einem Laut, d.h. in mindestens einem relevanten Merkmal, unterscheiden und dadurch verschiedene Bedeutung haben: Matte - Latte oder Matte - Mitte. / m/ und / l/ bzw. / a/ und / i/ wirken im Deutschen bedeutungsunterscheidend, d.h. sie besitzen den Status eines Phonems. 2. Seltener werden M. in der Morphologie verwendet, um Unterschiede zwischen bedeutungstragenden Elementen ( Morphemen) aufzuzeigen. Die M.-Analyse ermittelt Morphe, um Verständnis für bedeutungstragende grammatikalische Elemente zu vermitteln: guter - gutes. Nadja Kerschhofer-Puhalo Mischsprache, die: s. Sprachmischung Mittlerorganisation: M. sind unabhängige Organisationen, die international wirken und insbesondere die deutsche Sprache fördern. Die deutschen M. haben unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte (Sprachkursangebote, Deutschlehreraus- und -fortbildungsprogramme, Bildungskooperation Deutsch, Austauschprogramme, Vermittlung von Stipendien). Deutsche M. agieren im Rahmen der auswärtigen Kultur- und <?page no="227"?> 216 M-Linie Bildungspolitik der Bundesrepublik Deutschland und werden vom Auswärtigen Amt unterstützt. Deutschland verfügt über eine Reihe von M.: Deutscher Akademischer Austauschdienst ( Deutscher Akademischer Austauschdienst), Goethe-Institut (GI), Zentralstelle für Auslandsschulwesen ( ZfA), Pädagogischer Austauschdienst, Institut für Auslandsbeziehungen (ifa), Deutsche Auslandsgesellschaft. Die wesentlichen Aufgaben der einzelnen M. sind: DAAD: Förderung der Hochschulkooperation mit einem Lektorenentsendeprogramm (ca. 400 Lektoren), Unterstützung der Germanistik im Ausland, Ansprechpartner für alle Fragen zum Thema Hochschule und Studium. GI: ca. 140 Institute im Ausland und 13 Institute im Inland (hier hauptsächlich Sprachkurse und Prüfungen); an den Auslandsinstituten darüber hinaus Kulturprogramme und Bildungskooperation Deutsch; ausgestattet mit Bibliotheken, die Informationen zur Sprache, Kultur und Gesellschaft Deutschlands ermöglichen; Ansprechpartner für an deutscher Kultur Interessierte und Lehrende und Lernende der deutschen Sprache. ZfA: Teil des Bundesverwaltungsamts; betreut ca. 2.000 deutsche Lehrer an etwa 120 deutschen Schulen im Ausland (ermöglicht damit u.a. die schulische Versorgung deutscher Kinder im Ausland); unterstützt mehr als 450 von der Bundesrepublik Deutschland geförderte schulische Einrichtungen sowie deutsche Abteilungen an staatlichen Schulen; bietet Prüfungen an, die zum Besuch einer deutschen Hochschule bzw. Universität berechtigen; Ansprechpartner in Schulfragen. PAD: fördert den internationalen Austausch im schulischen Bereich (Schüler- und Lehreraustauschprogramme) im Auftrag der Länder der Bundesrepublik Deutschland ( KMK) und vermittelt internationale Begegnungen und Kontakte; gleichzeitig nationale Agentur für Bewerbungen bei EU-Förderprogrammen (z.B. Comenius, Lingua). ifa: Förderung des internationalen kulturellen Austauschs (Vortrags- und Begegnungsreisen von Politikern, Künstlern, Vertretern der Wirtschaft, Journalisten); Vorbereitung von Vertretern deutscher Firmen auf einen Auslandseinsatz; Sonderprogramm für deutsche Minderheiten in den MOE-Ländern; Ansprechpartner für sprachliche- und kulturelle Austauschprogramme. Deutsche Auslandsgesellschaft: Fortbildung für Deutschlehrkräfte speziell für Nord- und Nordosteuropa. Internetadressen: www.daad.de - www.goethe.de - www.auslandsschulwesen.de - www.kmk.org/ pad/ ueberbli.htm - www.ifa.de - www.deutausges.de Knuth Noke M-Linie, die: Der von Glück (1989) geschaffene Terminus M-L. (Migrantenlinie) bezeichnet in Abgrenzung zur A-Linie (Auslandslinie) die Forschung über den Erwerb und die Lehre des Deutschen für Eingewanderte und ihre Familien (s.a. Zweitspracherwerb; Gastarbeiterdeutsch; Deutsch als Zweitsprache). Glück, H. (1989), „Meins und Deins = Unsers? Über das Fach ‚Deutsch als Fremdsprache‘ und die ‚Interkulturelle Germanistik‘“, in: Zimmermann, P. (Hrsg.), Interkulturelle Germanistik. Dialog der Kulturen auf Deutsch? , Frankfurt a. M., 57-92. - Röttger, E. (1998), „M-Linie und A-Linie: Zur Bedeutung migrationsbezogener Forschung für die interkulturelle Fremdsprachendidaktik“, in: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online], 2 (3), 24pp., http: / / zif.spz.tu-darmstadt.de/ jg-02-3/ beitrag/ roettger.htm Evelyn Röttger Mnemotechnik, die: wird meistens mit den Begriffen Mnemonik, Gedächtniskunst bzw. Gedächtnishilfe und Merkhilfe gleichgesetzt. M. ist ein Einprägungsverfahren mit gedächtnisstützender Funktion. Durch ihren Einsatz sollen Speicherung und Abrufbarkeit von Informationen im Gedächtnis und damit die Lernleistung verbessert werden. M. sind als Alternative zum Auswendiglernen vor allem bei spezifischen Lernproblemen des Wortschatzes und der Grammatik, z.B. bei der Genuszuordnung von Substantiven, der Zuordnung von Präpositionen zu Fällen oder auch bei der Wortstellung und Rechtschreibung einsetzbar. Beispiele (Sperber 1989; Brzezinska 2009): 1. „Eselsbrücken“ - Merkverse mit Reim und Rhythmus (z.B. „von aus bei mit nach seit von zu, fordern Dativ immerzu“), 2. Systeme in Form von Regeln und anderen Gruppierungen wie das Zusammenfassen in einem Wort (auch in einem Akronym oder Quasi-Wort) bzw. Satz (Akrostichon) oder die Gruppierung nach Klangbildern (z.B. singen sang gesungen, klingen klang geklungen), 3. reale oder imaginäre Visualisierungen wie Schemata, bildliche Darstellungen und Kategorisierungen (z.B. Assoziation der drei deutschen Genera mit drei verschiedenen Farben bzw. Symbolen). M. können gezielt ausgebaut werden, indem Lehrende geeignete Lernhilfen für konkrete <?page no="228"?> Modalverb 217 Bereiche des Deutschlernens vorstellen und zum Erproben anbieten. Brzezinska, A. (2009), Genuslernen mit Hilfe von Farbe. Mnemotechniken beim Fremdsprachenlernen, Innsbruck. - Sperber, H. (1989), Mnemotechniken im Fremdsprachenerwerb mit Schwerpunkt Deutsch als Fremdsprache, München. Agnieszka Brzezinska Modaladverb, das: M. bezeichnen unterschiedliche Aspekte der Art und Weise, in der sich Handlungen, Vorgänge, Zustände usw. vollziehen, präsentieren usw.; zu diesen Aspekten gehören solche der Qualität (z.B. vergebens), der Quantität/ Intensität (z.B. besonders; kaum) und der Zeit (sofort) sowie Erweiterungen (außerdem), Aufzählungen (erstens), Einschränkungen (immerhin) u.a.m. M. können wie alle Vertreter der Wortart Adverb nicht flektiert werden. Die vergleichsweise geringe Anzahl der M. wird aus funktionaler Sicht (s. Modaladverbial) entscheidend ergänzt durch die Eigenschaft der Wortart Adjektiv, in der unflektierten Grundform wie ein M. fungieren zu können wie z.B. in Er spricht schnell. Walter Thalhammer Modaladverbial, das: M. sind Ergänzungen, die die Art und Weise der im Satz ausgedrückten Handlungen, Ereignisse, Zustände usw. näher bestimmen. M. können mit wie? (Beschaffenheit), wie viel? (Quantität), wie sehr? (Grad, Intensität), womit? (Instrument, Mittel), woraus (Material) oder mit wem? / ohne wen? (Begleitung) erfragt werden. M. werden realisiert durch Modaladverben: Er redete kaum., adverbial gebrauchte Adjektive: Er redete schnell., Nominalergänzungen (s. Nominal): Er redete Schrott., Präpositionalgruppen: Er redete ohne Unterlass., und Nebensätze: Er redete, als ob er dafür bezahlt würde. Walter Thalhammer Modalangabe, die: s. Modaladverbial Modalergänzung, die: s. Modaladverbial Modalität, die: Mit M. wird die Veränderung der eigentlichen Aussage eines Satzes bezeichnet, die die subjektive Perspektive (Glaube, Befehl, Bitte, Hypothese, indirekte Rede etc.) der betreffenden Person ausdrückt. Im Deutschen wird M. keinesfalls nur durch das Modalverb und den Modus ausgedrückt, sondern auch mit einer Reihe von weiteren Sprachmitteln, die neben verschiedenen Wortarten, wie Verben (z.B. Ich glaube, dass das ein Irrtum ist.), Adverbien (z.B. Das ist wohl ein Witz! ) und anderen Partikeln (z.B. Ich komme ja schon./ Bleib doch hier! ), auch die Intonation und die Satzzeichen (z.B. Er ist krank? ) einschließen. Walter Thalhammer Modalpartikel, die: s. Partikel Modalsatz, der: M. sind Nebensätze oder Infinitivkonstruktionen, die Mittel und Begleitumstände angeben, die mit Handlungen, Ereignissen, Zuständen usw., die im Hauptsatz thematisiert sind, einhergehen bzw. verbunden sind: Sie wurde gesund, indem sie ihre Ernährung völlig umstellte.; Er nahm ab ohne zu hungern. Als Einleitewörter für den M. fungieren modale Konjunktionen wie z.B. indem ( Instrumentalsatz), ohne (dass) (M. des fehlenden - im Prinzip kontextuell erwartbaren - Begleitumstandes), anstatt (dass) (M. des stellvertretenden Begleitumstandes), insofern (als) (Restriktivsatz) oder als (ob) ( Komparativsatz). Walter Thalhammer Modalverb, das: Zu den M. gehören können, mögen/ möchten, müssen, dürfen, sollen, wollen; tw. werden auch brauchen, lassen, werden dazugerechnet. a) In nicht-referenzieller Verwendung geben M. nach traditioneller Auffassung das Verhältnis (Wünsche, Fähigkeiten, Bedürfnisse) des Satzsubjektes zur Satzaussage an (z.B. Hannes kann gut tanzen.) und werden als Hilfsverben angesehen. Da sich mit M. gebildete Prädikate aus semantischer Sicht grundlegend von ihren modalverblosen Varianten unterscheiden (Hannes kann tanzen. - Hannes tanzt.), lassen sich M. aber auch als Vollverben (vgl. Schanen) bzw. Verben sui generis; (vgl. Eisenberg 3.4) verstehen. b) In inferenzieller Verwendung fungieren können, mögen/ möchten, müssen, dürfen, sollen, wollen, werden als subjektive Sprecher-/ Schreiber-Kommentare und zwar (1) bezügl. des Grades der Wahrscheinlichkeit (z.B. A. mag/ kann/ wird/ muss/ dürfte nicht zu Hause gewesen sein.) des Zutreffens eines Sachstandes; (2) bezügl. des in die Selbstaussage eines Akteurs vom Sprecher/ Schreiber gesetzten Vertrauens: A. will zu Hause gewesen sein. o. (3) des Überbringens einer Nachricht, deren Wahrheits- <?page no="229"?> 218 Modifikator gehalt der Sprecher/ Schreiber nach Stand seiner Informationen nicht einschätzen kann und will: A. soll gelacht haben. Für den DaF-/ DaZ-Unterricht ist besonders darauf zu achten, dass die z.T. hochkomplexen Ausdrucksfunktionen der M., zumal bei inferenziellem Gebrauch, differenziert vermittelt werden. Eisenberg, P. ( 2 2004), Grundriß der deutschen Grammatik, Bd. 2: Der Satz, Stuttgart; Weimar, 90 ff. - Schanen, F. (1995), Grammatik Deutsch als Fremdsprache, München. Hans Barkowski/ Walter Thalhammer Modifikator, der: Relation in der Semantik; zu den M. zählen insbesondere Zeit-, Lokal- und Modalangaben; der M. entspricht der syntaktischen Relation der Angaben in der Valenztheorie. Klaus Welke Modus, der: Pl. Modi; Oberbegriff zu den Formen und Funktionen der sprachlichen Kennzeichnung einer Aussage im Hinblick auf Imperativität und Nichtimperativität bzw. Faktivität und Nichtfaktivität (vgl. Eisenberg Kap. 4). Grundlegende M. des Deutschen sind der Indikativ (Merkmale: Nichtimperativität + Faktivität) und der Konjunktiv (Nichtimperativität + Nichtfaktivität). Ob der Imperativ den M. zuzurechnen ist, wird in verschiedenen Grammatiken unterschiedlich kommentiert und entschieden. Zu den Formen und Funktionen von Indikativ, Konjunktiv (I, II) und Imperativ sowie deren Kommentierungen im Hinblick auf DaF/ DaZ s. jeweils dortselbst. Eisenberg, P. ( 2 2004), Grundriß der deutschen Grammatik, Bd. 2: Der Satz, Stuttgart/ Weimar, 100 ff. Walter Thalhammer MOE-Länder: Bezeichnung für die Länder Mittel- und Osteuropas, die zum ehemaligen Ostblock einschließlich der ehemaligen Sowjetunion gehörten. Unter M. werden i.d.R. die Länder Republik Estland, Republik Lettland, Republik Litauen, Republik Polen, Republik Slowenien, Slowakei, Tschechische Republik und Republik Ungarn zusammengefasst. Die EU-Kommission zählt noch die Republik Bulgarien sowie Rumänien dazu. Goethe-Institut (2008), Jahrbuch 2007/ 2008, München. Knuth Noke Monitor-Hypothese, die: Annahme, die auf Krashen zurückgeht und zwei Modi von Spracherwerb unterscheidet: einen Erwerbsmodus (acquisition), der unbewusst verläuft, und einen Lernmodus (learning) als bewussten Prozess. Der Erwerb erfolgt über den intuitiven Sprachgebrauch. Das Lernen (bewusste Auseinandersetzung mit den formalen Eigenschaften der fremden Sprache) führt zur Ausbildung eines Monitors, der die korrekte Sprachproduktion begleitet. Der Monitor ermöglicht die Korrektur potenzieller Äußerungen, bevor diese gesprochen oder geschrieben werden. Der Begriff M.H. wird von Krashen selbst nicht mehr verwendet, da er die später entwickelte Input-Hypothese als ebenso zentral für seine Theorie betrachtet. Beim heutigen Forschungsstand lassen sich weder hinreichende empirische Belege für die tatsächliche Wirksamkeit des Spracherwerbsmechanismus noch für einen absoluten Gegensatz von ‚Erwerben‘ und ‚Lernen‘ finden. Krashen, S. (1981), Second Language Acquisition and Second Language Learning, Oxford. Barbara Biechele Monolingualismus, der/ monolingual: Einsprachigkeit; besagt, dass ein Individuum oder eine ganze Gesellschaft lediglich über eine einzige Sprache verfügen. Eine Gesellschaft wird auch dann als m. bezeichnet, wenn es anderssprachige Minderheiten gibt und/ oder in der Schule Fremdsprachen gelernt werden, die Gesellschaft insgesamt sich aber als einsprachig versteht und organisiert. Gogolin, I. (1994), Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule, Münster. Mandy Höhle Monophthong, der: Der M. bezeichnet einen Vokal, der zugleich den Silbenkern einer Silbe bildet und bei dem sich während der Artikulation die Artikulationsorgane nicht bewegen, so dass auditiv keine Qualitätsänderung innerhalb des Vokals wahrgenommen werden kann (wie in <Tag>). Im Unterschied zum M. kennt das Deutsche auch Diphthonge als Vokalfolge. Beate Redecker Monophthongierung, die: phonologischer Prozess, bei dem eine Vokalfolge ( Diphthong) zu einem einfachen Langvokal ( Monophthong) <?page no="230"?> Motivation 219 zusammengezogen und vereinfacht wird. Dies geschieht meist als Folge einer artikulatorisch motivierten Lautveränderung in Abhängigkeit zur Lautumgebung, z.B. in der Sprachgeschichte von germ. ai e ¯ und au o ¯ im Ahd. (Lautwandel). M. können in der gesprochenen Alltagssprache auch als Marker von regionalen Umgangssprachen auftreten, z.B. in der Realisierung von / ao/ in <Baum> zu / o: / in <Boom> oder / ae/ in <keine> zu / e: / in <keene> in einigen nieder- und mitteldeutschen Umgangssprachen. Beate Redecker Monosemie, die: Eigenschaft von lexikalischen Einheiten, die nur eine Bedeutung, ein einziges Semem aufweisen; trifft v.a. für eng spezifizierte Ausdrücke zu: vgl. etwa Kreuzspinne (Ggs. Polysemie). Jacqueline Fiuza da Silva Regis Morph, das: kleinstes bedeutungstragendes lautliches bzw. graphisches Wortsegment auf der Performanzebene einer Sprache, auch Minimalzeichen genannt. Z.B. bei arbeit-en ist -en ein M., das die grammatische Information Infinitiv, und arbeitein M., das die lexikalische Information repräsentiert - genauso wie u.a. bei tanz-en oder les-en. Die Wahrnehmung dieser möglichen Segmentierung kann Lernenden dabei helfen, auch neue unbekannte Wörter zu dekodieren und in Verbindung mit verwandten Wörtern desselben Wortfeldes oder mit denselben Merkmalen zu verstehen - z.B. in les-en und les-bar; oder in lesbar und trink-bar. Jacqueline Fiuza da Silva Regis Morphem, das: abstrakte kleinste Einheit mit einer bedeutungstragenden Funktion auf der Kompetenzebene einer Sprache; kann durch die Summe der gleichwertigen Morphe - Allomorphe - auf der Performanzebene ausgedrückt werden. Auf Deutsch kann beispielsweise das grammatische M. Pluralu.a. mittels folgender Allomorphe repräsentiert werden: -er wie in Kind-er; -e wie in Abend-e. Gleichermaßen entsprechen Haus und Häus- (wie in Häusern) demselben M. In DaF-Kontexten kann die Unterscheidung zwischen möglichen Realisierungen einer abstrakten sprachlichen Einheit und dieser Einheit selbst dazu dienen, sowohl falsche Verallgemeinerungen zu vermeiden als auch hilfreiche Verbindungen abzuleiten. Jacqueline Fiuza da Silva Regis Morphologie/ Morphematik, die: linguistisches Teilgebiet, das sich mit der Form oder Struktur der Wörter bzw. der Verteilung der Morpheme innerhalb einer Wortform beschäftigt. Es wird zwischen Flexions- und lexikalischer M. unterschieden. Die Flexionsmorphologie untersucht die formalen Beziehungen zwischen Wörtern innerhalb eines Paradigmas, Deklination und Konjugation - z.B. zwischen fühlen, fühlt und fühle. Die lexikalische M. betrifft die Beziehungen zwischen Wörtern verschiedener Lexeme, die Wortbildung - z.B. zwischen fühlen, Gefühl und einfühlsam. Da Deutsch starke morphologische Ausprägungen aufweist, sind morphologische Aspekte ein unentbehrlicher Bestandteil seiner Didaktik. Jacqueline Fiuza da Silva Regis Motivation, die: 1. Begriff M. ist ein affektives Lernermerkmal, dem ein wesentlicher Einfluss auf den Erfolg und die Schnelligkeit des Lernens einer Zielsprache zugeschrieben wird. M. ist nicht direkt beobachtbar, variiert zwischen Individuen und unterliegt Schwankungen. In Bezug auf DaF und DaZ ist v.a. die Lern- M. relevant: Diese bewirkt (gerichtete) Aktivität auf ein Lernziel hin und beeinflusst die Ausdauer und Antriebsstärke, dieses Ziel zu erreichen. Grundlage einer M. sind Motive (= Beweggründe), die in der Persönlichkeit und Biographie der Lernenden, ihrer (Lern-)Umgebung und ihren Einstellungen und Orientierungen zur Zielsprache und der damit verbundenen Kultur begründet sind. Allgemein gilt die Regel, dass Lernende motivierter handeln, je wertvoller das angestrebte Ziel erscheint und je größer die Wahrscheinlichkeit ist, das Ziel zu erreichen. Konsens herrscht darüber, dass M. ein multidimensionales Konstrukt ist, das von vielen inneren und äußeren Variablen beeinflusst ist. 2. Konzepte in der Fremdsprachenforschung Unterschieden werden a) Inhaltstheorien zu den Gründen für das Erlernen der Zielsprache und b) Theorien zu den Prozessen, die zu motiviertem Handeln führen. Unter anderem werden folgende Motive und M. für das Fremdsprachenlernen unterschieden: Eine instrumentelle Orientierung <?page no="231"?> 220 MRT beruht auf der Annahme, dass die Zielsprache für das spätere Leben nützlich ist, während eine integrative Orientierung ein besonderes Interesse und positive Einstellungen in Bezug auf die Sprache und Kultur ausdrückt. Extrinsisch motivierte Lernende benötigen Anreize, die außerhalb der Lernaufgabe liegen und die mehr oder weniger fremdbestimmt sein können (die z.B. vom äußeren Druck eines Pflichtschulfachs bis zur Relevanz der Zielsprache für die eigene Persönlichkeitsentwicklung reichen), während intrinsisch motivierte Lernende aus innerem Bedürfnis (Neugier, Selbstverwirklichung, Vergnügen) eine Zielsprache lernen. M. bewirkt bzw. unterstützt nicht nur Lernen, sondern kann umgekehrt auch ein Ergebnis von Lernprozessen sein, hiermit werden v.a. Selbstkonzepte in Verbindung gebracht (z.B. Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit, Kontrollüberzeugungen). 3. Motivierung Unterrichtliche Maßnahmen zur Verbesserung sowie Erhaltung der M. sollten genau auf die Zielgruppe abgestimmt und vielfältig sein. In der fremdsprachendidaktischen Fachliteratur findet man viele Empfehlungen, die u.a. Motivierung durch gezielte Auswahl von Unterrichtsgegenständen, Medien und Techniken sowie durch Förderung der Autonomie (insb. Unterstützung der Lernenden bei der Festsetzung realistischer Lernziele und Reflexion der Lernfortschritte) vorschlagen und der Gruppendynamik eine wichtige Rolle zuweisen. Dörnyei, Z. (2001), Teaching and Researching Motivation, Harlow etc. - Küppers, A./ Quetz, J., Hrsg. (2006), Motivation Revisited, Münster. - Wicke, R. (2004), Aktiv und kreativ lernen. Projektorientierte Spracharbeit im Unterricht Deutsch als Fremdsprache, Ismaning. Claudia Riemer MRT, die: MagnetResonanzTomographie (auch fMRT/ f = funktionelle); physikalisches Verfahren zur Aufzeichnung der Struktur des Gehirns oder seiner Aktivität in Antizipation oder Reaktion auf kontrolliert dargebotene Stimuli oder interne kognitive/ motorische/ emotionale Prozesse; bei der MRT wird der Körper oder der Kopf sehr starken Magnetfeldern und elektromagnetischen Wechselfeldern im Radiofrequenzbereich ausgesetzt, durch die bestimmte Atomkerne (Wasserstoff-Atome) der magnetisierten Körperstruktur angeregt werden, so dass sie schwache elektromagnetische Felder erzeugen. Physikalische Basis sind die unterschiedlichen Relaxationszeiten der angeregten Atome in den interessierenden Gewebsarten. Die funktionelle MRT basiert physiologisch gesehen auf dem Vorgang, dass sich der Sauerstoffgehalt des Blutes und damit die Relaxationszeiten der Sauerstoffatome im Blut in Abhängigkeit der Gehirnaktivität verändern. MRT und fMRT gehören zu den sog. bildgebenden Verfahren der Gehirnforschung; die fMRT wird auch in der Forschung zur Sprachverarbeitung und Sprachproduktion eingesetzt; funktionelle MR-Tomogramme ermöglichen dabei u.a. Einblicke in Struktur-Funktions-Beziehungen des Gehirns (vgl. dazu z.B. Rüschemeyer 2005). Rüschemeyer, S.-A. (2005), „Die Verarbeitung gesprochener Sätze in Erst- und Zweitsprache“, in: Barkowski, H./ Wolff, A. (Hrsg.), Umbrüche. Materialien Deutsch als Fremdsprache Bd. 76, Regensburg, 85-101. Hans Barkowski/ Wolfgang Miltner multikulturell/ Multikulturalität, die: interkulturell Multilingualismus, der: wird zumeist als Synonym für Mehrsprachigkeit verwendet. Bei Übernahme aus dem Englischen oder Französischen wird differenziert: Der Europarat verwendet M. zur Bezeichnung der Vielsprachigkeit einer Gesellschaft und Plurilingualismus für die individuelle Mehrsprachigkeit (Europarat 2001). In EU-Dokumenten hingegen bezeichnet M. i.d.R. die Mehrsprachigkeit einer Person, während der Terminus linguistic diversity (Sprachenvielfalt) auf die Mehrsprachigkeit der europäischen Gesellschaft verweist (Europ. Komm. 2006). Europäische Kommission, Hrsg. (2006), Eurobarometer Spezial: Die Europäer und ihre Sprachen, Brüssel. - Europarat, Hrsg. (2001), Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen, Berlin/ München. Barbara Haider Multimedia, das: Schlagwort, das die Integration unterschiedlicher medialer Elemente bezeichnet, ohne zwischen technischen, darstellungs- und wahrnehmungsbezogenen Aspekten zu unterscheiden. Für die Mediendidaktik sind die Begriffe Multikodierung und Multimodalität produktiver: Multikodale Medienangebote beinhalten mehrere Kodes oder Symbolsysteme <?page no="232"?> Nachahmungstheorie 221 (z.B. Text mit Bild); multimodale Angebote sprechen mehrere Sinneskanäle an (z.B. visuelle und auditive Textpräsentation). Weidenmann, B. (2002), „Multicodierung und Multimodalität im Lernprozess“, in: Issing, L. J./ Klimsa, P. (Hrsg.), Information und Lernen mit Multimedia und Internet. Lehrbuch für Studium und Praxis, 3. Aufl., Weinheim, 45-62. Udo Ohm Multiple Choice: Testverfahren, bestehend aus jeweils einem Einleitungstext (z.B. einem Satz oder einer Frage) und mehreren, meist drei bis fünf Antwortmöglichkeiten zur Auswahl, die wiederum meist aus einer richtigen Lösung und verschiedenen Distraktoren bestehen. Es gibt aber auch MC-Formate, bei denen mehrere Lösungen oder auch keine richtig sein können. Je nach Anzahl und Art der Auswahlmöglichkeiten (Plausibilität der Distraktoren) sowie Ausrichtung und Gewichtung der MC-Aufgaben kann man den Schwierigkeitsgrad (und die Ratewahrscheinlichkeit) der Aufgaben steuern. Die Validität und Aussagekraft von MC-Sprachtests im Hinblick auf kommunikative Sprachkompetenz ist sehr umstritten. Manuela Glaboniat Multisemie, die: von Henne (1972) eingeführter Begriff für Wörter, die lautlich die gleiche Gestalt haben, jedoch unterschiedliche Bedeutungen tragen, aber sowohl polysem als auch homonym sind. Homonymie liegt vor, wenn ein Wort (ein Signifiant) mehrere Signifiés bezeichnet, diese jedoch in keinem erkennbaren begrifflichen Zusammenhang stehen (z.B. Bank als Geldinstitut oder als Sitzgelegenheit). Von Polysemie spricht man, wenn ein Wort (ein Signifiant) mehrere Signifiés bezeichnet, die auf eine gemeinsame Vorstellung oder Wurzel zurückgehen (z.B. Bank als Sitzgelegenheit: die Sitzbank, die Sandbank). Der Begriff hat sich in der Sprachwissenschaft nicht durchsetzen können, es wird meist nur nach Polysemie und Homonymie unterschieden. Henne, H. (1972), Semantik und Lexikographie, Berlin/ New York. Mandy Höhle Murmelvokal, der: syn. Reduktionsvokal, Zentralvokal, Schwa-Laut; Bezeichnung für den mit geringer Mundöffnung, halbhoch aufgewölbter Zunge und ungespannter Artikulationsmuskulatur - d.h. zentral - gebildeten Vokal [ E ]. Im Deutschen wird er nur in akzentlosen Vor- und Nachsilben verwendet (Besuch [b E 'zu 2 x], ich komme [… 'k C m E ], kommen ['k C m E n]) und in Nachsilben häufig elidiert, zuweilen verbunden mit Assimilationserscheinungen (haben ['ha 2 bm ≤ ], reden ['  e 2 dn ≤ ]). In nichtakzentuierten Silben nichtakzentuierter Wörter (v.a. Synsemantika) können andere Vokale, vor allem die E-Laute zum M. reduziert werden, z.B. er kommt [ E 'k C mt]. Der Status des M. als Phonem ist umstritten. Lernprobleme ergeben sich für DaF-/ DaZ-Lernende, denen aus ihrer Ausgangssprache solche Reduktionserscheinungen fremd sind. Sie realisieren anstelle des M. häufig ein kurzes/ offenes [ ™ ]. Kerstin Reinke Mustererkennung, die: Vorgang, in dessen Verlauf in einem Datensatz sich wiederholende, ähnlichkeitsbasierte Regularitäten identifiziert, klassifiziert und abstrahiert werden. M. geschieht dabei in Abhängigkeit von der Auftretenshäufigkeit ( Type-/ Token-Relation) und Prägnanz (saliency) des Musters. Im Kontext des Fremd- und insbesondere des Zweitspracherwerbs befördert M. auf der Basis des Erfassens und Verarbeitens von sprachlichen Mustern (s. dazu ggf. a. Chunk) u.a. den Aufbau von syntaktischem Wissen und ist eine wesentliche Grundlage für den Erfolg intensiven Übens in Prozessen der rezeptiven und produktiven Automatisierung sprachlicher Zielstrukturen. Anderson, J. R./ Funke, J. (2007), Kognitive Psychologie, Kap. 2: Wahrnehmung, Berlin/ Heidelberg, 47-90. Daniela Zahn Muttersprache, die: s. Erstsprache, s. Deutsch als Muttersprache muttersprachlicher Unterricht, der: s. Herkunftssprachenunterricht N Nachahmungstheorie, die: eine im Behaviorismus entwickelte Theorie, der zufolge insbesondere das kindliche Lernen durch Beobachten und absichtliches oder unabsichtliches Imitieren eines Vorbilds der unmittelbaren Umgebung erfolgt. Der zeitliche Abstand zwischen der Beobachtung <?page no="233"?> 222 Nachbarsprache und der Nachahmung kann unterschiedlich lang, die Ähnlichkeit zwischen ihnen unterschiedlich stark sein. Die das individuelle Versuchslernen abkürzende Nachahmung ist ein komplexer Prozess, der für die Entwicklung perzeptiv-motorischer (wie z.B. auditiver und artikulatorischer) Funktionen unverzichtbar ist. Als alleiniges Erklärungsprinzip für den Spracherwerb ist sie jedoch nicht ausreichend, da Lernende sowohl im Erstals auch im Zweit- und Fremdsprachenerwerb Strukturen und Relationen erwerben, die sie zuvor nicht gehört und somit nicht per Nachahmung gelernt haben können. Karin Aguado Nachbarsprache, die: Sprache, die im angrenzenden Land/ in angrenzenden Ländern bzw. als Minderheitensprache auf dem Territorium eines Nationalstaates gesprochen wird, wie dies insbesondere in Einwanderungsländern die Regel ist. Der deutschsprachige Raum hat neun N., wobei nur Französisch und Italienisch in den deutschsprachigen Ländern in größerem Umfang gelernt werden. Deutsch hingegen ist in allen angrenzenden Regionen eine wichtige Fremdsprache. Neuere sprachenpolitische Konzepte und EU-Regionalkonzepte versuchen v.a. in Europa das Lernen der jeweiligen N. besonders zu fördern. Methodische Ansätze (z.B. zur Begegnungssprache oder die Grenzdidaktik) sind umfassende Konzepte (linguistische, kulturelle, historische, ethnologische, etc.) und agieren interdisziplinär. Ziel ist es, die Kommunikation in den Grenzregionen auf der sprachlichen, der politischen, der ökonomischen und der kulturellen Ebene zu verbessern. Der Begegnungssprachenansatz ist damit ein zentrales Konzept im Zusammenhang der Förderung von Mehrsprachigkeit. In Maastricht (NL) wurde CICERO, ein Koordinations- und Informationszentrum für den Unterricht der N. eingerichtet, das auch eine Projektdatenbank betreut. Internetadresse: www.cicero-net.nl - Raasch, A. (2006), „Sprachen - Brücken über Grenzen? “, in: Krumm, H. J./ Portmann, P. (Hrsg.), Begegnungssprache Deutsch, Innsbruck, 159-166. Brigitte Sorger Nachfeld, das: bezeichnet das Stellungsfeld nach den infiniten Verbteilen, also die Position nach dem klammerschließenden Element ( Satzklammer, Satzstruktur). Im N. stehen regelmäßig vor allem subjunktionale Nebensätze, aber auch andere Elemente (Er hat gestern erst eingekauft, weil er vorher keine Zeit hatte., Er hat gestern erst eingekauft für seinen Geburtstag.). Einen besonderen Fall im N. stellen sog. Rechtsversetzungen ( Rechtstendenz) und Nachträge dar, mit denen Elemente im Mittelfeld spezifizierend oder erläuternd wieder aufgenommen werden, bei der Rechtsversetzung pronominale Formen, beim Nachtrag Unterschiedliches (Und dann haben wir beide uns total verlaufen, Susanne und ich., Er brachte ihr Rosen mit, 50 rote Rosen.) Wenn Satzteile, die üblicherweise im Mittelfeld (oder im Vorfeld) stehen, ins N. gestellt werden, spricht man von Ausklammerung; damit wird die Satzklammer durchbrochen (Er hat gestern erst eingekauft das Bier.). Maria Thurmair Nachsilbe, die: s. Suffix Nachzeitigkeit, die: Bezeichnung einer Handlung nach dem Sprechzeitpunkt ( Aktzeit nach Sprechzeit). Die Tempusformen des Verbs sowie andere lexikalische Mittel (Adverbien, Konjunktionen u.a.) drücken zeitliches Geschehen aus ( Tempus). So verweisen Präteritum und Plusquamperfekt stets auf Vergangenes (Vorzeitigkeit), das Präsens ist zeitlich indifferent, Futur I und Futur II verweisen im Regelfall auf Zukünftiges bei starkem modalen und aspektualen Charakter (N.; Aktzeit nach Sprechzeit). Aber auch das Präsens kann durch eine Temporalangabe N. ausdrücken: Morgen komme ich nach Haus. Lutz Götze NAG, das: s. Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz Narrativ, der/ narrativ: 1. in einigen Sprachen vorkommende morphologische bzw. syntaktische Formkennzeichen für Erzählungen, z.B. in baltischen Sprachen als eigener Erzählmodus oder in einigen Kaukasussprachen als Erzählkasus. 2. Bezeichnung für Textstrukturen, die Erzähltexte von z.B. argumentativen oder Sachtexten unterscheiden. Konrad Ehlich Nasal, der/ nasal: auch: Nasallaut, Nasenlaut; Nasalität. 1. Ein N. ist ein Klanglaut, bei dessen <?page no="234"?> Nationalliteratur 223 Artikulation der weiche Gaumen gesenkt ist und der im Kehlkopf gebildete Stimmklang durch die Nase strömt, wo er seinen charakteristischen nasalen Klang erhält. Die Mundpassage ist durch unterschiedliche Verschlussbildungen verlegt, wodurch der Klang modifiziert wird. Im Deutschen gibt es nur N.-Konsonanten (mit dem Artikulationsmodus n.), und zwar [m n ŋ ], keine N.-Vokale - diese kommen aber gelegentlich in Fremdwörtern und Namen fremder Herkunft, z.B. aus dem Französischen (Restaurant [ ÂŘ] ), vor. 2. n.: phonologisch distinktives Merkmal (± n.), das Konsonanten hinsichtlich des Artikulationsmodus kategorisiert; danach gilt für die N. [m n ŋ ] +n. und für Explosive, z.B. [p b] und Frikative, z.B. [f v] -n. Mit besonderen Problemen ist bei DaF-/ DaZ-Lernenden zu rechnen bei der Bildung des Nasals [ ŋ ] (wird häufig - z.B. in singen - nicht nasal [ ŋ ], sondern explosiv gelöst [ ŋ ]) und ggf. bezüglich zu starker Nasalierung der Vokale. Kerstin Reinke Nasalität, die: syn. Nasalierung; auditiv wahrnehmbares und akustisch messbares komplexes Phänomen, das sich auf einzelne, mehrere oder alle Sprachlaute des Redestromes bezieht. Einige Sprachlaute des Deutschen enthalten grundsätzlich N., v.a. Nasale [m n ŋ ] und auch Vokale in Umgebung von Nasalen, z.B. lang, Restaurant (jedoch vergleichsweise weniger als die Nasalvokale z.B. im Französischen). N. kann - intendiert oder pathologisch bedingt - aber auch (fast) alle Sprachlaute des Redestroms betreffen und erzeugt dann besondere (emotionale) Wirkungen. N. entsteht durch Artikulation bei gesenktem Velum, so dass die Ausatmungsluft durch die Nase strömt, wo der charakteristische nasale Klang entsteht. Akustisch zeigt sich N. bei nasalierten Vokalen in einem schwächeren, aber höheren Formanten F1, nasalierte Vokale und Konsonanten besitzen neben in ihrer Intensität abgeschwächten oralen Formanten zusätzlich besondere nasale Formanten. Lernprobleme bei DaF/ DaZ-Lernenden äußern sich - je nach Ausgangssprache - z.B. entweder in zu starker nasaler Färbung der Vokale oder in explosiver Lösung des Nasals [ ŋ ] z.B. in singen als [ ŋ ]. Péttursson, M./ Neppert, J. M. H. (2002), Elementarbuch der Phonetik, 3. Aufl., Hamburg. Kerstin Reinke nationale Varietäten: Deutsch wird als eine plurizentrische Sprache bezeichnet, d.h. dass sich in den deutschsprachigen Ländern gleichberechtigte n.V. entwickelt haben. Deutschland, Österreich und die Schweiz gelten als Vollzentren, in denen die Varianten kodifiziert sind, während für die Halbzentren Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol solche Kodifizierungen nicht vorliegen. Unterschiede zwischen den n.V. sind auf allen sprachlichen Ebenen nachweisbar, auch wenn zu beachten ist, dass - sich im Lauf der Geschichte ändernde - Staatsgrenzen nie völlig identisch mit Sprachgrenzen sind. Welche dieser n.V. gelernt werden bzw. wie diese in den Deutschunterricht einbezogen werden können, ist eine je nach Lernort und Lernziel unterschiedlich zu beantwortende Frage. Hägi, S. (2006), Nationale Varietäten im Unterricht Deutsch als Fremdsprache, Frankfurt a. M. - Ammon, U. u.a. (2004), Variantenwörterbuch des Deutschen. Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol, Berlin. Andrea Koban Nationalitätensprache, die: Terminus zur Bezeichnung der Sprache einer nationalen Minderheit. Deutsch als N. findet sich insbesondere in Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa. Da die Primärsprache der Minderheitenangehörigen meist nicht mehr das Deutsche, sondern die jeweilige Umgebungssprache ist, ist Deutsch vielfach zur Zweitsprache geworden. Eine spezielle Didaktik des Deutschen als N. muss die besondere innere und äußere Mehrsprachigkeit der Lernenden, ihre lebensweltliche Transkulturalität an der Schnittstelle zwischen mehreren Sprachen und Kulturen angemessen berücksichtigen. Földes, Cs. (1994), „Neue Ansätze der Lehrerausbildung im Spannungsfeld zwischen Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Nationalitätensprache“, in: Informationen Deutsch als Fremdsprache, Jg. 21, Nr. 4, 431-443. Csaba Földes Nationalliteratur, die: Zentralbegriff kulturpolitischer Konzepte, die historische Entwicklungsformen der Literatur in nationalen Gemeinschaften, verbunden mit politisch-sozialen Wertungen innerhalb konkreter Literaturverhältnisse, bezeichnen. In Deutschland als Schlüsselbegriff der germanistischen Nationalphilologie erstmalig 1777 verwendet. Ist die N. in Deutschland zunächst verbunden mit der Suche des Bürgertums nach Identität in einer imaginären Kulturgemein- <?page no="235"?> 224 Nationalsprache schaft, wird sie im 19. Jh. Ausdruck der bildungsbürgerlichen Vorstellung von einer Kulturnation in Verbindung mit einem von Exklusivität bestimmten Lektürekanon ( Kanon). Seit den 1960er Jahren zunehmende Internationalisierung der philologisch-historischen Forschung, seitdem neue Überlegungen zum Status der traditionellen Philologien und des literarischen Kanons. Literarische Texte werden jetzt für ein Aushandeln kultureller Differenzen statt zur Identitätsstiftung in Anspruch genommen. Bachmann-Medick spricht von hybriden, postkolonialen Weltliteraturen, die das vertraute Modell von N. ebenso aufbrechen wie den universellen Geltungsanspruch westlicher Literaturstandards und ihres Kanons (vgl. Bachmann-Medick 2004, 12). Bachmann-Medick, D., Hrsg. (2004), Kultur als Text, 2. Aufl., Tübingen/ Basel. - Harth, D. (2000), „Nationalliteratur - Ein Projekt der Moderne zwischen Mystifikation und politischer Integrationsrhetorik“, in: Gardt, A., Hrsg., Nation und Sprache. Die Diskussion ihres Verhältnisses in Geschichte und Gegenwart, Berlin/ New York, 349-381. Werner Biechele Nationalsprache, die: gilt als spezifischer Ausdruck der Identität der Angehörigen der Nation und ihrer Kultur. Nationen werden meist als kongruent mit Staaten verstanden (z.B. französische Nation - Frankreich - N. Französisch), aber auch als Volksgruppen, die über keinen eigenen Staat verfügen und oft Nationalitäten genannt werden (z.B. Basken in Spanien und Frankreich: N.- oder Nationalitätensprache Baskisch). Amtssprachen von Staaten und N. können kongruieren (Schweiz: Alle vier staatlichen Amtssprachen sind N.) oder divergieren (Luxemburg: Letzeburgisch ist N. und Amtssprache, Deutsch und Französisch sind nur Amtssprachen; Namibia: Englisch ist Amtssprache, Deutsch, Afrikaans und mehrere autochthone Sprachen sind nur N.). Ulrich Ammon Native Speaker, der: muttersprachlicher Sprecher der Zielsprache, einerseits Zielvorstellung und Modell für DaF- und DaZ-Lernende, andererseits wird muttersprachliche Kompetenz auch als beste Voraussetzung für DaF- und DaZ-Lehrende angesehen. Da DaF- und DaZ-Lernende kaum Kommunikationssituationen muttersprachlichmonokulturellen Charakters, sondern zumeist interkulturelle Situationen bewältigen müssen, wird allerdings gefordert, nicht die Kompetenz von N.S., sondern die von „intercultural speakers“ anzustreben. Damit wäre auch bei Lehrkräften ihre interkulturelle Kompetenz wichtiger als ihre muttersprachliche Sprachkompetenz. Klaus-Börge Boeckmann Nativismus, der: Position der Spracherwerbstheorie, die davon ausgeht, dass Kinder von Geburt an eine kognitive Ausstattung zum Erwerb und zur Verarbeitung von Sprache mitbringen (auch Innatismus). Diese Annahme beruht auf der Beobachtung, dass der L1-Input quantitativ und qualitativ ungenügend sowie fehlerhaft ist und kaum negative Evidenz bietet. Trotzdem wird ein vollständiges L1-System aufgebaut. Grundlage dafür ist laut N. die Universalgrammatik, die auf Grund von „Prinzipien“ und „Parametern“ die Optionen für die L1-Grammatik einschränkt und einen beschleunigten Erwerb ermöglicht. Andere Bereiche der Sprache (u.a. Lexikon, Semantik und Pragmatik) müssen aus dem Input gelernt werden. Beim Zweitspracherwerb befürwortete der N. zunächst die Identitätshypothese, die einen gleichen Verlauf von L1- und L2-Erwerb postuliert. Da theoretische und empirische Erkenntnisse gegen diese Annahme sprechen, konzentriert sich die Diskussion jetzt auf den Zugang von L2-Erwerbenden zur Universalgrammatik: die Interface-Position geht von einem vollen Zugang aus, andere Positionen vertreten einen teilweisen oder keinen Zugang. Klann-Delius, G. (2008), Spracherwerb (2., aktual. u. erw. Aufl.), Stuttgart. Klaus-Börge Boeckmann Natural Approach: beruht auf der Spracherwerbstheorie von Stephen D. Krashen und wurde von diesem gemeinsam mit Tracy D. Terrell in den 1980er Jahren in den USA entwickelt. Er ist ein kommunikativer Ansatz im engeren Sinne, stark wortschatzorientiert. Man konzentriert sich auf positive, klassenraumgebundene, über Bildmaterial visualisierbare Inhalte. Klassische Grammatikvermittlung ist im N.A. grundsätzlich möglich, soll jedoch zeitlich limitiert erfolgen. Die Lehrenden lenken das Unterrichtsgespräch und sind die zentrale Inputquelle. Auffallend sind die vielen Display-Fragen. Der Input wird graduiert. Die Lernenden üben vorgegebene Dialoge ein, verfassen gelenkte Texte, stellen und beantworten Fragen, agieren in Rollenspielen. Die Lehrbuchlektionen sind thematisch geordnet und <?page no="236"?> Negation 225 in Sprechsituationen, Wortschatz, eine Leseecke sowie Strukturen und Übungen gegliedert. Die dahinterliegende ambitionierte Theorie blieb bislang ohne empirisch-wissenschaftliche Überprüfung und findet in der praktischen Umsetzung kaum Platz. Brigitte Ortner natürliche Sprache, die: als Gegensatzbegriff zu künstlichen oder artifiziellen Sprachen verwendeter Ausdruck zur Bezeichnung von in der Geschichte entwickelten Sprachen von Gruppen. Die Kennzeichnung als ‚natürlich‘ betont gegenüber der Geplantheit artifizieller Sprachen die nicht explizit geplante Entstehung, Tradierung und Praxis von Sprachen. Aufgrund einer zweiten Gegensatzbeziehung, der von Natur vs. Gesellschaft, legt der Ausdruck es nahe, dass für Sprachen von deren Gesellschaftlichkeit abgesehen werden könne, eine Auffassung, die in der Annahme einer universalen, dem Menschen angeborenen Sprachkompetenz ihre expliziteste Ausprägung erfährt. Das Reden von einer n.S. steht zugleich in der Gefahr, charakteristische Unterschiede zwischen menschlichen und tierischen Kommunikationssystemen zu nivellieren. Konrad Ehlich natürliches Geschlecht, das: bezieht sich auf die Zuweisung des grammatischen Genus an Nomina, die Lebewesen bezeichnen, nach dem Kriterium des jeweils biologisch zutreffenden Geschlechts, also männlich/ maskulin bzw. weiblich/ feminin. Die Übereinstimmung zwischen grammatischem Geschlecht und n.G. ist in den natürlichen Sprachen jeweils nur partiell gegeben; im Deutschen gilt sie bei Personen-, Verwandtschafts- und Berufsbezeichnungen, zum großen Teil auch bei Tierbezeichnungen. Die formale Markierung des n.G. erfolgt in jedem Fall durch die Artikelwörter, aber auch durch bestimmte Wortbildungsmittel (z.B. Suffix -in für Feminina und -er für Maskulina) oder durch Differenzierung auf der lexikalischen Ebene (Vater/ Mutter, Knecht/ Magd). Mit n.G. verfügen Fremdsprachenlerner über eine verlässliche Hilfe im Umgang mit dem Genus im Deutschen. Wegner, H. (1995), „Das Genus im DaZ-Erwerb. Beobachtungen an Kindern aus Polen, Russland und der Türkei“, in: Handwerker, B. (Hrsg.), Fremde Sprache Deutsch, Tübingen, 1-24. Sabira Levin Nebenordnung, die: auch: Parataxe oder Beiordnung, Beziehung zwischen Teilsätzen eines zusammengesetzten Satzes, wenn zwischen diesen Teilsätzen das Prinzip der Gleichrangigkeit herrscht, z.B. Es blitzte und es donnerte (HS+HS). Dies können Hauptsätze sein. Aber auch Nebensätze, wie z.B. Klaus ging in die Schule, obwohl er heiser war und obgleich Susanne ihm dies ausdrücklich verboten hatte. (HS+NS+NS), können nebengeordnet sein. Mandy Höhle Nebensatz, der: Teilsatz eines zusammengesetzten Satzes, der einem Hauptsatz oder einem anderen N. untergeordnet ist bzw. sich auf diesen bezieht. Semantisch und syntaktisch betrachtet bedarf der N. einer Stütze außerhalb sich selbst, er kann also nie allein stehen, in kommunikativer Hinsicht jedoch enthält der N. zumeist die wesentliche Information (z.B. Er behauptet, das Universum sei unendlich groß.). Klassifiziert werden N. i.d.R. nach Form, Funktion und Semantik: 1. Form: Es wird unterschieden in eingeleitete und uneingeleitete N. Eingeleitete N. werden subklassifiziert in Konjunktionalsätze (eingeleitet mit subordinierender Konjunktion), Relativsätze (eingeleitet mit Relativpronomen) und Interrogativsätze (eingeleitet mit Interrogativum). Uneingeleitete N. werden klassifiziert nach der Wortstellung des Verbs in Verberst-, Verbzweitsätze und infinite Sätze. 2. Funktion: N. haben Satzgliedfunktion (Subjektsatz: z.B. Dass sie zu spät war, störte ihn.; Objektsatz: z.B. Er meint, dass er richtig liegt.; Prädikativsatz, Adverbialsatz), sind Teil eines Satzglieds (Attributsatz, z.B. Die Frage, die gestellt wurde, ist irrelevant.) oder haben keine syntaktische Funktion im übergeordneten Satz (z.B. weiterführender Nebensatz). 3. Semantik: Semantisch wird nach Relativsätzen (Bezug zu einem Element des übergeordneten Satzes), Inhaltssätzen (nicht relativ und nicht adverbial) und Verhältnissätzen (nicht relativ, aber adverbial) unterschieden. Mandy Höhle Negation, die: Verneinung eines Geschehens, einer Handlung, eines Sachverhalts, einer Frage, aber auch das Absprechen einer Eigenschaft oder die Zurückweisung einer Behauptung oder Aufforderung kann N. beinhalten. N. tritt auf verschiedenen Ebenen auf: a) syntaktische N.: Anna geht nicht ins Theater. Das Negationswort nicht ne- <?page no="237"?> 226 Negationsadverb giert den Satz explizit als Ganzes, b) kommunikative oder pragmatische N.: Anna fragte: Kommst du mit ins Theater? Otto: Ich muss meine Hausaufgaben machen. Mit seiner Antwort verneint Otto, dass er mit ins Theater geht, ohne dies explizit mitgeteilt zu haben. Die Verneinung kann nur aus dem Zusammenhang erschlossen werden, c) lexikalische N.: Anna ist satt, aber Otto ist noch hungrig. Dieser Gegensatz kann auch umschrieben werden mit satt - nicht satt, d) morphologische N.: glücklich - unglücklich; Sachverhalte können durch Negationselemente wie „un-“, „-los“, „nicht-“ verneint werden. Mandy Höhle Negationsadverb, das: N. sind Adverbien, durch die Handlungen, Ereignisse, Sachverhalte usf. als nicht zutreffend bezeichnet werden, wobei das Nichtzutreffen durch eine unspezifische Attribuierung (z.B. keinesfalls, keineswegs, nicht) oder durch die Attribuierungen „nicht zutreffend bezügl. Zeit“ (nie, niemals) oder auch „nicht zutreffend bezügl. Raum“ (nirgends, nirgendwo, nirgendwohin) ausgedrückt sein kann: Ich gehe nicht mit ins Kino, ich gehe nämlich nie ins Kino und heute gehe ich nirgendwohin. Hans Barkowski Negationsartikel, der: das Artikelwort kein; es negiert Nomina bzw. Nominalgruppen, erhält dabei vom Nomen die Genusmarkierung zugewiesen und kongruiert mit diesem in Bezug auf Kasus und Numerus: Er war mir keine große Hilfe. Hans Barkowski Negationspartikel, die: Mit N. werden Partikeln bezeichnet, durch die eine Negation ausgedrückt wird (nein, nicht); Nicht er war gemeint. Anna Peterwerth Negationspronomen, das: Dazu zählen die Indefinitpronomen nichts, niemand und keine/ -er/ -(e) s durch die - je nach Funktion in einer Äußerung - negiert wird, dass es einen benennbaren Akteur oder Sachverhalt bzw. ein Objekt usw. gibt/ gegeben hat/ geben wird: Angeblich war nichts geschehen., Keiner wollte etwas gesehen haben. (Zu weiteren semantischen und syntaktischen Eigenschaften vgl. Pronomina.) Hans Barkowski Nennform, die: s. Infinitiv Nennwort, das: s. Substantiv Neologismus, der: 1. In der Sprachgeschichte die Bildung von Wörtern für neue Begriffe und Sachen. N. können gebildet werden durch Ableitungen (z.B. Leiden-schaft), Zusammensetzungen (Ich-AG), durch Übersetzungen von Fremdwörtern (z.B. Abstand für frz. distance im 17. Jh. von P. v. Zesen) und durch Bedeutungsverlagerung (z.B. Zweck = ursprüngliche Bedeutung Nagel, erst seit dem 16. Jh. Ziel). 2. In der Literaturwissenschaft besonderes Stilmittel zur Verfremdung, Betonung oder Heraushebung. N. sind hier einmalig gebrauchte, meist auf einen erzählerischen oder dichterischen Kontext beschränkte Neubildungen (z.B. feuchtverklärt, Goethe). 3. Besonders Fachsprachen und Wissenschaftssprachen neigen zur Bildung von N. (z.B. Automobil). Z.T. kommt es zur Habitualisierung von N. und zur Integration in den allgemeinen Wortschatz. Elsen, H. (2004), Neologismen: Formen und Funktionen neuer Wörter in verschiedenen Varietäten des Deutschen, Tübingen. - Polenz, P. v. (2000), Deutsche Sprachgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Bd. 1, Berlin/ New York. Mandy Höhle Neurolinguistik, die: Wissenschaftsgebiet im Grenzbereich von Neurologie, kognitiver Linguistik und Psycholinguistik. N. fokussiert die neurophysiologischen Grundlagen/ Substrate der Repräsentation von Sprache sowie von Sprachgebrauch ( Fertigkeiten) und Sprachverarbeitung ( Spracherwerb, Gehirnforschung). Insoweit zählt die N. zu den Grundlagenwissenschaften des Faches DaF/ DaZ, mit wachsender Bedeutung auch für Fragen methodisch-didaktischer Theoriebildung und die Unterrichtspraxis. Eine weitere interdisziplinäre Schnittmenge besteht zur Künstlichen Intelligenz und deren Versuchen, Informationsverarbeitung in Anlehnung an neuronale Netzwerke zu modellieren und darauf aufsetzend komplexe Lernvorgänge zu simulieren ( Konnektionismus). Historisch entwickelte sich die N. aus der Aphasieforschung (Untersuchung von Sprachdefiziten als Resultat von Gehirnschäden). Heute dominieren jedoch nicht-invasive Verfahren: 1. bildgebende hämodynamische Methoden: funktionale Magnetresonanztomographie ( fMRT), PET (Positronen-Emissions-Tomographie), 2. elektrophysiologische Methoden: MEG (Magnetoennominale <?page no="238"?> Klammer/ Nominalklammer 227 zephalographie), EKP (ereigniskorrelierte Potenziale). Gemeinsamkeit der Methoden: neuronale Aktivität bzw. Lokalisation wird mit sprachlichen Stimuli der Experimente in Zusammenhang gebracht. Die neurolinguistische Forschungslage zu Fragen des Fremdbzw. Zweitsprachenlernens ist bislang als eher schmal einzuschätzen und in ihren Befunden teilweise uneindeutig bis widersprüchlich (vgl. Zippel 2009). Dabei bilden v.a. folgende Fragen den Fokus des Interesses: Welche lokalen und funktionalen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen L1- und L2-Verarbeitung gibt es und was bedeuten diese ggf.? Welchen Einfluss haben Erwerbsalter, Erwerbsdauer und Sprachkönnensstand auf die lokalen und funktionalen Gemeinsamkeiten und Unterschiede? Gullberg, M./ Indefrey, P. (2006), The cognitive neuroscience of second language acquisition, Malden/ Oxford. - Ingram, J. C. L. (2007), Neurolinguistics: An Introduction to Spoken Language Processing and Its Disorders (Cambridge Textbooks in Linguistics), Cambridge. - Paradis, M. (2004), A Neurolinguistic Theory of Bilingualism, Amsterdam. - Zippel, W. (2009), Semantik und Grammatik im Kopf, Tübingen. Daniela Zahn Neutrum, das: s. Genus Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das (NAG): Bezeichnung des 2005 novellierten österreichischen Fremdengesetzes (so die Bezeichnung bis 2005), welches in § 14 die sog. Integrationsvereinbarung enthält, d.h. die Vorschrift, dass für die Verlängerung von Aufenthaltstiteln der erfolgreiche Besuch eines Integrations(sprach)kurses nachzuweisen ist (Diskussion und Kritik auf der Plattform der NGO „Sprachenrechte“). Zuständig für die Durchführung der Integrationsvereinbarung ist der dem österreichischen Innenministerium zugeordnete Österreichische Integrationsfonds. Internetadresse: www.sprachenrechte.at Hans-Jürgen Krumm Niveaubeschreibungen: Im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen ( GeR) ist mit Hilfe von KANN-Beschreibungen formuliert, welche kommunikativen Aktivitäten ein Sprecher/ Lernender auf einem der sechs Referenzniveaus des GeR ausführen kann. Die KANN-Beschreibungen sind Basis der Eichung von Tests oder Kompetenzstandards auf den GeR. Die sechs Referenzniveaus des GeR sind A1/ A2 = Elementare Sprachverwendung (Sp.), B1/ B2 = Selbstständige Sp., C1/ C2 = Kompetente Sp.; B1 entspricht dabei dem Threshold Level (Kontaktschwelle Deutsch, auch dem Zertifikat D