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Internationales Management

0814
2013
978-3-8385-8481-2
978-3-8252-8481-7
UTB 
Prof. Dr. Manfred Perlitz
Prof. Dr. Randolf Schrank
Prof. Dr. Franz Xaver Bea
Prof. Dr. Steffen Scheurer

Die Schuldenkrise und die Diskussion über Chancen und Risiken für die deutsche Wirtschaft durch die Euro-Frage zeigt die Aktualität des Faches »Internationales Management« in der Praxis. Das Buch behandelt daher die Herausforderungen, die sich für Unternehmen, Branchen und Volkswirtschaften aus der zunehmenden Globalisierung ergeben. Es wird auf die Kernfragen des strategischen internationalen Managements genauso eingegangen wie auf internationale Probleme in den Funktionsbereichen von Marketing über den Finanzbereich bis hin zur Forschung und Entwicklung. Die Didaktik ist in der 6. Auflage noch stärker in den Vordergrund gerückt. Neben vielen inhaltlichen Erweiterungen und Aktualisierungen ist die Struktur wesentlich gestrafft und durch Fallstudien von Unternehmen und Standpunkten von Praktikern ergänzt. Das Buch eignet sich für Kurse auf dem Bachelor- und Master-Level, richtet sich jedoch auch an Praktiker aus international tätigen Unternehmen.

<?page no="1"?> Unternehmensführung Herausgegeben von Franz Xaver Bea Steffen Scheurer <?page no="2"?> Manfred Perlitz / Randolf Schrank Internationales Management 6., vollständig neu bearbeitete Auflage UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München <?page no="3"?> Prof. Dr. Manfred Perlitz, Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Internationales Management, Universität Mannheim Prof. Dr. Randolf Schrank, Professor für Allgemeine BWL, Unternehmensführung und Internationales Management, Fachhochschule Mainz Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 1. Auflage 1993 2. Auflage 1995 3. Auflage 1997 4. Auflage 2000 5. Auflage 2004 © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2013 Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: istockphoto.com, Empato Druck und Bindung: fgb · freiburger graphische betriebe, Freiburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstraße 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 8481 ISBN 978-3-8252-8481-7 <?page no="4"?> Autoren und Mitwirkende Autoren des Gesamtwerks Prof. Dr. Manfred Perlitz Universität Mannheim Lehrstuhl für Allgemeine BWL und Internationales Management Schloss 68131 Mannheim Prof. Dr. Randolf Schrank Fachhochschule Mainz Lehrstuhl für Allgemeine BWL und Internationales Management Lucy-Hillebrand-Straße 2 55128 Mainz Theoriebeiträge unter Mitwirkung von Prof. Dr. Andreas Becker Hochschule Aschaffenburg, Professor für Grundlagen der BWL und Marketing Dr. Detlef Pietsch BMW Group, Leiter Projekt Alternative Antriebe Prof. Dr. Kai Wiltinger/ Daniela Wärner FH Mainz, Professor für BWL, Rechnungswesen & Controlling / FH Mainz, Lehrkraft für besondere Aufgaben Rechnungswesen, Controlling und Finanzen Standpunkte von Dr. Kurt Bock BASF SE, Vorstandsvorsitzender Prof. Hans-Olaf Henkel Autor und Honorarprofessor Christian Boehringer Boehringer Ingelheim, Vorsitzender des Gesellschafterausschusses Dr. Karl-Ludwig Kley Merck KGaA, Vorsitzender der Geschäftsleitung Dr. Harald F. Stock Grünenthal Gruppe, Chief Executive Officer Dr. Philip Martens Novelis Inc., Chief Executive Officer Prof. Dr. Udo Ungeheuer SCHOTT AG, Vorsitzender des Vorstandes Dr. Rüdiger Grube Deutsche Bahn AG und DB ML AG, Vorsitzender des Vorstands Andreas Mosler Frank Walz- und Schmiedetechnik GmbH, Geschäftsführer <?page no="5"?> Michael Samak Saatchi und Saatchi, Regional CEO Deutschland & Schweiz Joachim Müller Bilfinger SE, Finanzvorstand Franz J. Michel Coface Deutschland, Vorstandsvorsitzender Fallstudien von Axel Nösner Stefan Zwerenz KnowledgeAgent GmbH, Geschäftsführer MAN Truck & Bus AG, Head of Market & Competitor Analysis Light Vehicles & External Engines Matthias Litschke PERLITZ STRATEGY GROUP GmbH & Co. KG, Manager Dr. Michael Siebler Boehringer Ingelheim, Leiter Firmenarchiv Dr. Detlef Pietsch Maciej Malinowski BMW Group, Leiter Projekt Alternative Antriebe / BMW Group, Vermarktung Projekt Alternative Antriebe Dr. Karl-Ludwig Kley Merck KGaA, Vorsitzender der Geschäftsleitung Michael Demmer Novelis Inc., Director Strategy, Global Can Dr. Nikolaos Katsikis SCHOTT-Rohrglas GmbH, Leiter Business Development Adriana M. Nuneva Heidelberger Druckmaschinen AG, Senior Vice President, Global Marketing & Communications / Print Media Academy & Consulting Prof. Dr. Marcel Crisand Prof. Dr. Michael Woywode Universität Mannheim, Geschäftsführer, Institut für Mittelstandsforschung, Universität Mannheim, Institutsleitung und Lehrstuhlinhaber, Institut für Mittelstandsforschung Thilo Sekol SAP AG, CFO Advisory Daniela Wärner FH Mainz, Lehrkraft für besondere Aufgaben Rechnungswesen, Controlling und Finanzen Michael Dominique Gross Energie Baden-Württemberg AG, Risikomanagement und Controlling Ildiko Kreisz Nele Herweg Accenture, Personalleiterin für Deutschland, Österreich und Schweiz Accenture, Personalmanagerin <?page no="6"?> Vorwort zur 6. Auflage Als die erste Auflage des Buches „Internationales Management“ Anfang der 1990er Jahre auf dem Markt erschienen ist, kam es durch den Zusammenbruch der damaligen Sowjetunion zu einer Öffnung vieler neuer Märkte. In diesem Zusammenhang und mit den neuen Kommunikations- und Informationstechniken begann das eigentliche Zeitalter der Globalisierung der Wirtschaft. Dabei ist die Globalisierung durch das Entstehen von Unternehmen charakterisiert, die weltweit präsent sind, sei es durch internationalen Handel, Direktinvestitionen im Ausland oder durch den Abschluss von Technologieverträgen. Durch diese Aktivitäten entwickelten international tätige Unternehmen globale Netzwerkstrukturen. Mit der neuen ökonomischen Weltordnung mussten Unternehmen oftmals ihre Strategien überdenken und auch die Führung von global ausgerichteten Unternehmensnetzwerken stellte eine neue Herausforderung dar. Während anfangs das Phänomen der Globalisierung sehr stark im Zusammenhang mit großen Unternehmen gesehen wurde, spielen heute zunehmend auch mittlere und kleinere Unternehmen eine bedeutende Rolle. Deshalb richtet sich dieses Buch nicht nur an Studenten, sondern auch an Führungskräfte großer, mittlerer und kleinerer Unternehmen. Die vorliegende neue Auflage des Buches ist in vielen Aspekten überarbeitet und neu ausgerichtet worden. So wurde aus didaktischen Gründen eine Reihe von Kürzungen vorgenommen, um damit den Lehrstoff auf zwei Semester zu straffen. Andererseits wurden zahlreiche Ergänzungen hinzugefügt, um Themen wie z.B. Unternehmensverantwortung oder IT-gestützte Koordination gerecht zu werden, welche in der Diskussion zum Internationalen Management an Bedeutung gewonnen haben. Inzwischen haben Unternehmen durch ihre globalen Tätigkeiten sehr große Erfahrungen gesammelt, die auch für Studenten relevant sind und die die bestehenden theoretischen Aspekte und Modelle sehr gut veranschaulichen. Deshalb gibt es zu jedem Kapitel aus der Sicht von Topmanagern Stellungnahmen zu zentralen Fragestellungen des entsprechenden Kapitels. Hier können die Leser Einblicke in die Denkweise von Unternehmensführern gewinnen und am Ende eines jeden Kapitels wird anhand einer Fallstudie aus der Unternehmenspraxis der besprochene Stoff vertieft. Damit soll das jeweilige Thema aus unterschiedlicher Sicht dargestellt und bearbeitet werden. Das Buch versucht in einem holistischen Ansatz alle Aspekte zu erörtern, die Unternehmen zu berücksichtigen haben, wenn sie sich außerhalb ihres Heimatlandes engagieren. So sollen alle unternehmerischen Aspekte von der Strategieformulierung bis hin zu Problemen leistungsbezogener und administrativer Funktionsbereiche im Hinblick auf die Internationalisierungsentscheidung von Unternehmen analysiert werden. Durch den entscheidungsorientierten General-Management-Ansatz bezüglich der Internationalisierung von Unternehmen unterscheidet sich das Buch von solchen, die einerseits nur das internationale Umfeld beschreiben oder andererseits sich nur auf betriebliche Teilpolitiken wie z.B. inter- <?page no="7"?> VIII nationales Marketing, internationale Beschaffung und/ oder internationale Forschung und Entwicklung konzentrieren. Auch die Struktur des Buches wurde grundlegend überarbeitet, ohne dabei den Ansatz des Buches zu verändern. Hierbei stand im Vordergrund, die Vermittlung des Stoffes in der Lehre zu erleichtern, also die „Teachability“ zu erhöhen. Hierzu dient die in der folgenden Grafik dargestellte modulare Struktur. Die elf Kapitel sind in zwölf Lehreinheiten unterteilt, welche wiederum in vier Blöcken organisiert sind. Diese entsprechen somit einer durchschnittlichen Anzahl von Lehrveranstaltungen eines Semesters, sind aber inhaltlich eher auf eine zweisemestrige Veranstaltung ausgerichtet. Hierbei wurde darauf geachtet, dass jedes Kapitel in sich als Modul in der Lehre vermittelbar ist. Die Einzelmodule bauen also nur minimal aufeinander auf und können für eine Lehrveranstaltung relativ frei kombiniert werden. Auch die vier Hauptblöcke sind als Lehrmodule verwendbar. Abhängig von der Ausrichtung des Faches Internationales Management an der jeweiligen Hochschule können zum Beispiel die ersten beiden Blöcke zu einer Vorlesung „Internationales Management“ verbunden werden. Das Eingehen auf die Funktionsbereiche, welches Gegenstand der Blöcke drei und vier ist, kann je nach Länge und Spezialisierungsgrad der Vorlesung hinzugenommen werden. Grundsätzlich kann das Buch sowohl auf der Bachelorals auch auf der Masterebene Verwendung finden. Durch eine Verschiebung der Schwerpunkte zwischen den Modulen kann der Lehrstoff leicht angepasst werden. Der Umfang des Buches hat zwar leicht zugenommen. <?page no="8"?> IX Dies ist aber teilweise durch die wesentlich höhere Dichte von grafischen Darstellungen und die zahlreichen aufgenommenen Praxisbeiträge zu erklären, nicht durch eine wesentliche Erhöhung des Stoffumfangs. Zuerst werden die Grundlagen für ein internationales Management dargestellt. So wird zunächst das globale Umfeld beschrieben, in dem heute Unternehmen agieren müssen. In diesem Zusammenhang werden die Wirtschaftsräume mit ihren Potenzialen neu in dem Buch aufgenommen und analysiert. Anschließend wird die internationale Wettbewerbssituation dargelegt, die die strategischen Entscheidungen von Unternehmen beeinflussen. In diesem Kontext werden auch die unterschiedlichen volks- und betriebswirtschaftlichen Theorien der Internationalisierung vorgestellt. Darüber hinaus müssen international tätige Unternehmen ihre Aktivitäten in unterschiedlichen Kulturkreisen erfolgreich gestalten. Aus diesem Grunde wird im Grundlagenteil beschrieben, welche Einflüsse von der Kultur auf unternehmerisches Denken und Handeln ausgehen. Daneben wird auch der Einfluss unterschiedlicher ethischer Einstellungen auf unternehmerische Tätigkeiten im Ausland aufgezeigt. Im Anschluss an die Grundlagen wird der Themenkomplex der Strategischen Ausrichtung des Unternehmens anhand der Bereiche Strategieentwicklung, Internationalisierungsstrategie sowie Organisation und Kooperation erörtert. Dazu wird zunächst die Logik einer Strategieentwicklung vorgestellt und anschließend die Besonderheiten von Internationalisierungsstrategien dargestellt. Ist diese formuliert, dann muss diese umgesetzt werden. Deshalb werden im Sinne der Maxime „structure follows strategy“ die Probleme der Organisation und Kooperation international tätiger Unternehmen im Anschluss an die Formulierung einer Internationalisierungsstrategie beschrieben. Ist die Gesamtstrategie des Unternehmens festgelegt, hat das meist erhebliche Konsequenzen für die einzelnen Funktionsbereiche des Unternehmens. Deshalb werden im Anschluss an die strategischen Überlegungen für das Gesamtunternehmen die Teilstrategien einzelner leistungsbezogener Funktionsbereiche erörtert. Diese umfassen die Forschung und Entwicklung, das Supply Chain Management und das Marketing. In diesem Kapitel sind erhebliche Änderungen vorgenommen worden. Einerseits wurde das Kapitel gestrafft und andererseits um den Gedanken des Supply Cain Managements ergänzt. Die Umsetzung einer Internationalisierungsstrategie wird aber auch durch administrative Funktionsbereiche unterstützt. Diesen Funktionsbereichen ist das letzte Kapitel des Buches gewidmet. Welche Konsequenzen sich aus der Internationalisierung unternehmerischer Aktivitäten für das Rechnungswesen und das Controlling sowie die Finanzierung ergeben, wird in diesem Kapitel genauso beschrieben wie Probleme des internationalen Personalmanagements. Auch in diesem Kapitel wurde eine Reihe von neuen Entwicklungen in dem Buch aufgenommen. So haben sich seit der letzten Auflage zahlreiche Änderungen in der internationalen Rechnungslegung und im internationalen Finanzumfeld ergeben, was insbesondere für diesen Bereich erhebliche Umstellungen dieser Inhalte nach sich zog. <?page no="9"?> X Eine so umfassende Darstellung des Themas „Internationales Management“ kann nur als eine Gemeinschaftsleistung gelingen. Deshalb haben seit der ersten Auflage viele Personen an diesem Buch mitgewirkt, denen wir zu großem Dank verpflichtet sind. Insbesondere möchte ich folgenden Personen für ihre tatkräftige Unterstützung danken. Die Erstellung der sechsten Auflage basierte auf guter Teamarbeit der Autoren und der Mitarbeiter und Hilfskräfte des Fachbereichs Wirtschaft der Fachhochschule Mainz sowie nicht zuletzt der zahlreichen bereits genannten Beitragenden aus der Unternehmenspraxis. Herr Dipl.-Kfm. Dominik Passon, Herr Michael Schumacher (M.A.), Herr Dipl.-Kfm. Steffen Huth und Herr Frederic Jenewein (B.A.) haben wertvolle Ideen zu einzelnen Kapiteln beigesteuert, wofür wir uns herzlich bedanken. Zudem waren an dieser 6. Auflage insbesondere Frau Stefanie Fecher (B.A.), Frau Anne- Katrin Brunier (B.A.), Herr Thomas Schneider (B.A.), Herr Tobias Mauritz (B.A.), Herr Stefan Robers, Herr Simon Sieben und Frau Helene Springer (B.A.), Herr Sebastian Klein und Herr Erat Aydin (M.A.) beteiligt. Natürlich basierten auch die früheren Auflagen auf wertvoller Mitarbeit und Beiträgen, welche das Fundament der jetzigen Neufassung lieferten. An dieser Stelle wollen wir uns bei diesen Personen ausdrücklich bedanken. Unser Dank gilt insbesondere Herrn Prof. Dr. Walter Paul, Herrn Prof. Dr. Frank Seger ( † ), Herrn Dr. Alexander Weiser, Herrn Prof. Dr. Helge Löbler, Herrn Dr. Matthias Zieschang, Frau Dipl.-Kffr. Martine Niederkorn, Herrn Dr. Lasse Schulze, Herrn Dr. Jürgen Bufka, Herrn Prof. Dr. Rainer Schnauffer, Herrn Dr. Michael Schulz, Herrn Dr. Thorsten Peske, Herrn Prof. Dr. Olaf Rank, Herrn Dipl.-Hdl. Werner Diehl und Herrn Gerhard Langenmayr, die wesentliche inhaltliche Beiträge geleistet haben. Herr Dipl.-Kfm. Gerald Hock gebührt besondere Erwähnung für seinen Beitrag zum Kulturkapitel. Dank gebührt Frau Dipl.-Kffr. Marissa Horvatin, Frau Dipl.-Angl. Annette von Köckritz, Frau Dipl.-Kffr. Göril Olsen, Herrn Dipl.-Kfm. Gerrit Otto, Frau Nikola Heimann, Herrn Oliver Höldin, Frau Joanna Kowalska, Herrn Matthias Magnus, Frau Kathrin Siefken, Frau Stefanie Burger, Frau Simone Brenck, Frau Judith Burrmann, Frau Myriam Dukek, Frau Ute Jahns, Frau Yvonne Hauck, Frau Laurence Langenbrinck, Herrn Andreas von Rosen, Herrn Alexander von Scheidt, Frau Silke Schuhmacher, Herrn Thomas Strack, Herrn Gonzalo Pérez-Espejo, Herrn Nino Santos und Herrn Stefan Mayer, die als Hilfskräfte viel Engagement bei der Überarbeitung gezeigt haben. Danken möchten wir auch Herrn Egbert Lenat, der als Lektor die aufwändige Erstellung des Buches begleitet hat. Herrn Prof. Dr. Ulrich Schüle und Frau Prof. Dr. Anett Mehler- Bicher, welche im Erstellungszeitraum des Buches das Dekanat des Fachbereichs Wirtschaft der Fachhochschule Mainz innehatten, danken wir für die Unterstützung des Projektes. Unser Dank gilt auch dem UVK-Verlag für die gute Zusammenarbeit, insbesondere Herrn Dr. Jürgen Schechler. <?page no="10"?> XI Das Buch wurde nur möglich durch die reibungslose Zusammenarbeit eines überaus engagierten Teams. Mannheim und Mainz, im April 2013 Manfred Perlitz Randolf Schrank Anmerkung der Autoren: Durch meine Emeritierung an der Universität Mannheim wurde es notwendig, das Buch auf „mehrere Schultern zu verteilen“. Deshalb bin ich meinem früheren Schüler Professor Dr. Randolf Schrank sehr dankbar, dass er sich bereit erklärt hat, die Ko-Autorenschaft zu übernehmen. Er hat bei der Neugestaltung des Buches einen beträchtlichen Teil übernommen und ohne seine sehr große Unterstützung und seine neu eingebrachten Ideen wäre das Buch in seiner jetzigen Form nicht möglich gewesen. Deshalb nochmals an dieser Stelle ein ausdrücklicher Dank an ihn. Manfred Perlitz Seit ich 1989 den Berufungsvortrag meines späteren akademischen Lehrers in Mannheim hörte, war ich begeistert von dem Ansatz, Forschung und Lehre als Impuls für die Praxis zu verstehen und nicht als akademische Selbstbespiegelung. In der Folge hatte ich das Glück, als Famulant schon an der ersten Auflage des „Internationalen Managements“ mitzuarbeiten, in den folgenden Auflagen konnte ich als wissenschaftlicher Assistent und später als Kollege in der Beratung „Perlitz Strategy Group“ auch aktiv mitgestalten. Mit der Aufnahme als Ko-Autor schließt sich dieser Kreis und es ist eine große Ehre für mich, dieses wichtige Werk auch in Zukunft mitgestalten zu dürfen. Hierfür gebührt meinem akademischen Lehrer großer Dank. Ich hoffe, mich dieser Aufgabe würdig zu erweisen. Randolf Schrank <?page no="12"?> Inhaltsübersicht Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld __________________________________1 1 Dynamik des globalen Wettbewerbs ____________________________________ 4 2 Internationalisierung und Internationales Management _____________________ 10 3 Triebkräfte der Internationalisierung ___________________________________ 15 Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs _____________________51 1 Volkswirtschaftliche Konzepte des internationalen Wettbewerbs _____________ 56 2 Managementorientierte Konzepte des internationalen Wettbewerbs ___________ 81 Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung_______________________ 113 1 Kultur __________________________________________________________117 2 Kulturbedingte Unterschiede in der Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsibility) _______________________________________________141 Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld_________________ 169 1 Internationale Aspekte des Strategieprozesses ____________________________173 2 Ablauf des Strategieprozesses ________________________________________174 3 Status quo: Definition der Ausgangsbasis _______________________________176 4 Strategische Analyse _______________________________________________193 5 Zusammenfassende Analyse _________________________________________216 6 Strategieformulierung ______________________________________________237 7 Strategiebewertung ________________________________________________251 8 Strategieumsetzung ________________________________________________272 9 Notwendigkeit eines international orientierten Strategieprozesses _____________297 Kapitel V: Internationalisierungsstrategien _______________________________307 1 Strategische Lücken-Analyse _________________________________________311 2 Überprüfung der Voraussetzungen für eine Internationalisierung _____________318 3 Gestaltungsformen von Markteintrittsstrategien __________________________336 4 Wirtschaftlichkeitsanalysen __________________________________________340 Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement _____367 Ziele und Rahmenbedingungen des internationalen Organisationsmanagements ______370 <?page no="13"?> X • Inhaltsübersicht 1 Organisationsstrukturen ____________________________________________373 2 Prozessorganisation ________________________________________________389 3 Internationales Kooperationsmanagement_______________________________395 Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement______427 1 Ziele des internationalen F&E-Managements ____________________________431 2 Planung der internationalen Forschung und Entwicklung ___________________434 3 Organisation der internationalen Forschung und Entwicklung________________452 Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management____________________467 1 Internationales Beschaffungsmanagement _______________________________473 2 Internationales Produktionsmanagement ________________________________482 3 Internationales Logistik- und Exportmanagement _________________________495 Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement ________________________507 1 Internationale Produktpolitik_________________________________________513 2 Internationale Preispolitik ___________________________________________516 3 Internationale Kommunikationspolitik _________________________________527 4 Internationale Vertriebspolitik ________________________________________545 5 Einfluss des Internets auf den Marketing-Mix in internationalen Unternehmen ___550 Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement ______________569 1 Controlling im internationalen Unternehmen ____________________________575 2 Rechnungslegung im internationalen Unternehmen ________________________591 3 Internationales Finanzmanagement ____________________________________621 Kapitel XI: Internationales Personalmanagement __________________________687 1 Besonderheiten der Personalbedarfsplanung im internationalen Unternehmen ___691 2 Besonderheiten in den Besetzungsstrategien im internationalen Unternehmen ___692 3 Probleme der Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland ____________________701 4 Unternehmensexterne Einflussfaktoren auf das internationale Personalmanagement _____________________________________________________711 Literaturverzeichnis ____________________________________________________727 Stichwortverzeichnis ___________________________________________________785 <?page no="14"?> Inhaltsverzeichnis Vorwort ___________________________________________________________ VII Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld _________________________ 1 Standpunkt: BASF SE _________________________________________________ 2 1 Dynamik des globalen Wettbewerbs __________________________________ 4 2 Internationalisierung und Internationales Management__________________10 2.1 Begriffliche Grundlagen ____________________________________________10 2.1.1 Begriff der Internationalisierung ______________________________________ 10 2.1.2 Begriff der Internationalen Unternehmung ______________________________ 11 2.2 Internationales Management im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre _____12 3 Triebkräfte der Internationalisierung _________________________________15 3.1 Märkte __________________________________________________________15 3.1.1 Globale Integration der Weltwirtschaft _________________________________ 15 3.1.2 Entwicklungsstufen der wirtschaftlichen Integration _______________________ 17 3.1.3 Internationale Wirtschaftsräume ______________________________________ 19 3.2 Kosten__________________________________________________________ 28 3.3 Technologien ____________________________________________________ 29 3.4 Formen der Internationalisierung ___________________________________ 32 3.4.1 Export _________________________________________________________ 32 3.4.2 Direktinvestitionen ________________________________________________ 36 3.4.3 Lizenzen ________________________________________________________ 37 3.5 Marktteilnehmer _________________________________________________ 39 3.5.1 Unternehmen ____________________________________________________ 39 3.5.2 Staaten _________________________________________________________ 42 Fallstudie: Internationale Marktanalyse im Nutzfahrzeugmarkt: Analyse des Busmarktes für MAN Truck & Bus _________________________________ 43 Literaturempfehlungen _______________________________________________ 49 Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs ___________ 51 Standpunkt: Herausforderung der Globalisierung__________________________ 52 1 Volkswirtschaftliche Konzepte des internationalen Wettbewerbs _________ 56 1.1 Theorien des internationalen Handels _______________________________ 56 1.1.1 Klassische Theorien _______________________________________________ 56 1.1.2 Moderne Theorien ________________________________________________ 57 <?page no="15"?> XVI • Inhaltsverzeichnis 1.2 Theorien der Direktinvestition ______________________________________ 70 1.3 Theorien zu internationalen Technologieverträgen _____________________ 74 1.4 Übergreifende Theorien der Internationalisierung _____________________ 77 2 Managementorientierte Konzepte des internationalen Wettbewerbs________81 2.1 EPRG-Modell ____________________________________________________81 2.2 Triademodell ____________________________________________________ 83 2.3 Globalisierungskonzept von Porter __________________________________ 90 2.4 Wettbewerbsvorteile von Nationen nach Porter ________________________ 94 2.4.1 Grundkonzept ___________________________________________________ 94 2.4.2 Dynamik des „Diamanten“ _________________________________________ 100 2.4.3 Bedeutung des „Diamanten“ und Kritik _______________________________ 103 2.5 Relevanz für das Internationale Management _________________________107 Fallstudie: Internationale Marktlebenszyklen in der Nutzfahrzeugindustrie ____ 108 Literaturempfehlungen _______________________________________________ 110 Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung _____________ 113 Standpunkt: Boehringer Ingelheim______________________________________ 114 1 Kultur __________________________________________________________ 117 1.1 Kulturbegriff_____________________________________________________ 117 1.1.1 Kulturmodell von Trompenaars _____________________________________ 120 1.1.2 Kulturmodell von Hofstede ________________________________________ 122 1.1.3 Kulturmodell der GLOBE-Studie ____________________________________ 130 1.1.4 Andere Kulturmodelle ____________________________________________ 131 1.2 Kulturvergleichende Managementforschung __________________________135 1.3 Interkulturelles Management _______________________________________139 2 Kulturbedingte Unterschiede in der Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsibility) _____________________________________________ 141 2.1 Begriff und Varianten der Unternehmensverantwortung ________________ 141 2.1.1 Unternehmensverantwortung im neoklassischen Ansatz (Shareholder Approach) 145 2.1.2 Unternehmensverantwortung im ganzheitlichen Ansatz (Stakeholder Approach) 146 2.2 Corporate Social Responsibility im Unternehmen ______________________147 2.3 Internationale Richtlinien der Unternehmensverantwortung _____________150 2.3.1 Triple Bottom Line _______________________________________________ 150 2.3.2 Grünbuch der Europäischen Kommission zur CSR ______________________ 151 2.3.3 Global Compact der United Nations__________________________________ 153 2.3.4 Die OECD-Leitsätze _____________________________________________ 154 2.3.5 Standard ISO 26000 ______________________________________________ 156 2.3.6 Code of Conduct der Fair Labor Association (FLA) ______________________ 159 <?page no="16"?> Inhaltsverzeichnis • XVII 2.4 Herausforderungen der CSR im internationalen Rahmen________________159 Fallstudie: Corporate Social Responsibility bei Boehringer Ingelheim _________ 161 Literaturempfehlungen _______________________________________________ 166 Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld _______ 169 Standpunkt: Merck ___________________________________________________ 170 1 Internationale Aspekte des Strategieprozesses_________________________ 173 2 Ablauf des Strategieprozesses ______________________________________ 174 3 Status quo: Definition der Ausgangsbasis ____________________________ 176 3.1 Strategische Geschäftsfelder________________________________________176 3.2 Faktenbasis _____________________________________________________182 3.3 Ziele und Vorgaben _______________________________________________187 4 Strategische Analyse ______________________________________________ 193 4.1 Interne Analyse __________________________________________________193 4.1.1 Internationale Wertkettenanalyse ____________________________________ 193 4.1.2 Zentralisierung versus Dezentralisierung der Wertkette____________________ 199 4.2 Externe Analyse _________________________________________________ 202 4.2.1 Internationale Umfeldeingrenzung ___________________________________ 203 4.2.2 Analyse des Umfeldes _____________________________________________ 211 5 Zusammenfassende Analyse _______________________________________ 216 5.1 BCG-Portfolio ___________________________________________________217 5.2 McKinsey/ GE-Matrix _____________________________________________221 5.3 Directional Policy Matrix von Shell _________________________________ 232 5.4 SWOT-Analyse _________________________________________________ 234 6 Strategieformulierung_____________________________________________237 6.1 Dimensionen der internationalen Strategieformulierung _______________ 237 6.2 Wachstumsstrategien: Ansoff-Matrix _______________________________ 238 6.3 Internationale Wettbewerbsstrategie: Porter-Matrix ___________________ 245 7 Strategiebewertung _______________________________________________ 251 7.1 Finanzielle Bewertung ___________________________________________ 252 7.1.1 Wertmanagement als Bezugsrahmen __________________________________ 252 7.1.2 Erstellung eines Bewertungsmodells __________________________________ 254 7.1.3 Internationale Strategiebewertung unter Risiko __________________________ 256 7.2 Qualitative Bewertung ____________________________________________271 <?page no="17"?> XVI • Inhaltsverzeichnis 8 Strategieumsetzung ______________________________________________272 8.1 Implementierungsplanung ________________________________________ 273 8.2 Steuerungskonzept ______________________________________________ 280 8.2.1 Performance Measurement als Steuerungskonzept _______________________ 280 8.2.2 Integration und Konsolidierung internationaler Scorecards _________________ 286 8.3 Change Management ____________________________________________ 289 9 Notwendigkeit eines international orientierten Strategieprozesses ________297 Fallstudie: BMW Group: Der globale Launch des „MINI E“ ________________299 Literaturempfehlungen _______________________________________________304 Kapitel V: Internationalisierungsstrategien _____________________ 307 Standpunkt: Grünenthal Gruppe ________________________________________308 1 Strategische Lücken-Analyse _______________________________________ 311 1.1 Entscheidungssituation ohne strategische Lücke ______________________ 311 1.2 Entscheidungssituation mit strategischer Lücke _______________________316 1.3 Entwicklung der Internationalisierung aus der strategischen Lücke _______317 2 Überprüfung der Voraussetzungen für eine Internationalisierung_________ 318 2.1 Allgemeine Voraussetzungen _______________________________________318 2.2 Analyse der länderspezifischen Voraussetzungen _____________________ 324 2.2.1 Informationsgewinnungsprozesse ____________________________________ 325 2.2.2 Überprüfung des Internationalisierungspotenzials für den Auslandsmarkt _____ 330 2.2.3 Modelle zur Bestimmung der Vorteilhaftigkeit der Umweltsituation im Ausland _ 332 3 Gestaltungsformen von Markteintrittsstrategien _______________________336 4 Wirtschaftlichkeitsanalysen ________________________________________340 4.1 Misfit-Analyse __________________________________________________ 340 4.2 Wirtschaftlichkeitsanalyse zur Auswahl von Internationalisierungsformen_ 342 4.2.1 Quantitative Analyse ______________________________________________ 343 4.2.2 Qualitative Analyse _______________________________________________ 344 4.2.3 Modell für die Zusammenführung von quantitativer und qualitativer Analyse ___ 346 4.2.4 Fallbeispiel _____________________________________________________ 347 4.2.5 Zusammenfassende Beurteilung des Entscheidungsmodells ________________ 355 Fallstudie: Merck: Internationalisierung durch M&A _______________________ 361 Literaturempfehlungen _______________________________________________363 Basisliteratur __________________________________________________________ 363 Vertiefungsliteratur _____________________________________________________ 363 <?page no="18"?> Inhaltsverzeichnis • XIX Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement ___________________________________________ 367 Standpunkt: Novelis Inc. ______________________________________________368 Ziele und Rahmenbedingungen des internationalen Organisationsmanagements 370 1 Organisationsstrukturen___________________________________________373 1.1 Klassische internationale Organisationsstrukturen ____________________ 373 1.2 Neuere Organisationsstrukturen internationaler Unternehmen __________ 379 1.2.1 Management-Holding _____________________________________________ 379 1.2.2 Internationale Netzwerkstrukturen ___________________________________ 382 1.2.3 Intraorganisatorische Netzwerke _____________________________________ 385 2 Prozessorganisation ______________________________________________389 2.1 Technokratische Instrumente _____________________________________ 389 2.2 Personenorientierte Instrumente ___________________________________ 392 3 Internationales Kooperationsmanagement____________________________395 3.1 Eigenschaften internationaler Kooperationen ________________________ 395 3.2 Internationaler Kooperationsprozess ________________________________ 396 3.2.1 Internationale Kooperationen auf rein vertraglicher Basis __________________ 400 3.2.2 Internationale Gemeinschaftsunternehmen _____________________________ 405 3.2.3 Weitere Ausprägungsformen internationaler Kooperationen ________________ 407 3.3 Internationales Kooperationsmagement mit Hilfe sozialer Netzwerke _____410 Fallstudie: Organisation für eine globale Wachstumsstrategie _______________ 417 Literaturempfehlungen _______________________________________________423 Basisliteratur __________________________________________________________ 423 Vertiefungsliteratur _____________________________________________________ 423 Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement ___________________________________________ 427 Standpunkt: Schott AG ________________________________________________428 1 Ziele des internationalen F&E-Managements _________________________ 431 2 Planung der internationalen Forschung und Entwicklung _______________434 2.1 Strategische Planung_____________________________________________ 434 2.1.1 Methoden zur Analyse des Status quo _________________________________ 435 2.1.2 Modelle zur internationalen Standortwahl in der F&E ____________________ 439 2.1.3 Make-or-Buy-Entscheidungen_______________________________________ 444 2.1.4 Festlegung der zukünftigen Forschungsrichtung _________________________ 448 <?page no="19"?> X • Inhaltsverzeichnis 2.1.5 Internationale Allokation personeller und finanzieller Ressourcen____________ 449 2.2 Operative Planung_______________________________________________ 450 3 Organisation der internationalen Forschung und Entwicklung ___________452 3.1 Aufbauorganisation ______________________________________________ 452 3.1.1 Internationale Kollegien ___________________________________________ 452 3.1.2 Internationales Projektmanagement __________________________________ 452 3.1.3 Internationale Liniensysteme________________________________________ 453 3.1.4 Stabsstellen _____________________________________________________ 454 3.2 Ablauforganisation ______________________________________________ 455 3.2.1 Zentrale Steuerung _______________________________________________ 459 3.2.2 Lokale Autonomie _______________________________________________ 459 3.2.3 Flexible Integration _______________________________________________ 460 Fallstudie: Internationales Innovationsmanagement _______________________462 Literaturempfehlungen _______________________________________________466 Basisliteratur __________________________________________________________ 466 Vertiefungsliteratur _____________________________________________________ 466 Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management __________ 467 Standpunkt: Deutsche Bahn AG ________________________________________468 1 Internationales Beschaffungsmanagement ___________________________473 1.1 Auswahl internationaler Beschaffungsquellen ________________________ 474 1.2 Bestimmungsfaktoren der Auswahl der internationalen Beschaffungsstrategie _______________________________________________________ 475 1.3 Entscheidungen über die Fertigungstiefe ____________________________ 477 1.4 Organisation der internationalen Beschaffung _________________________481 2 Internationales Produktionsmanagement ____________________________482 2.1 Bedeutung und Charakter des internationalen Produktionsmanagements _ 482 2.1.1 Das Produktionsmanagement im Rahmen der Funktionsbereiche____________ 482 2.1.2 Politische Einflüsse im Produktionsmanagement ________________________ 483 2.2 Aktionsparameter des internationalen Produktionsmanagements ________ 485 2.2.1 Ansätze der Produktionsorganisation _________________________________ 485 2.2.2 Internationales Standortmanagement _________________________________ 487 2.2.3 Internationales Kapazitätsmanagement ________________________________ 493 3 Internationales Logistik- und Exportmanagement _____________________495 3.1 Internationale Logistik als Basis von Wettbewerbsvorteilen _____________ 495 3.2 Kontextfaktoren der internationalen Logistik _________________________ 498 Standpunkt: Frank Walz- und Schmiedetechnik GmbH_____________________ 501 <?page no="20"?> Inhaltsverzeichnis • XXI Literaturempfehlungen _______________________________________________505 Basisliteratur __________________________________________________________ 505 Vertiefungsliteratur _____________________________________________________ 505 Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement ______________ 507 Standpunkt: SAATCHI & SAATCHI GmbH _____________________________508 1 Internationale Produktpolitik ______________________________________ 513 2 Internationale Preispolitik _________________________________________ 516 2.1 Preisstrategien ___________________________________________________517 2.2 Zahlungs- und Lieferbedingungen __________________________________519 2.3 Kostenorientierte Preisfestlegung im Ausland ________________________ 520 2.4 Konkurrenzorientierte Preisfestlegung im Ausland ____________________ 522 2.5 Kundenorientierte Preisfestlegung im Ausland _______________________ 524 2.6 Einfluss staatlicher Regulierungen auf die Preisfestlegung im Ausland ___ 525 2.7 Einfluss von Wechselkurs- und Inflationsentwicklungen auf die Preisfestlegung im Ausland ___________________________________________ 525 2.8 Verrechnungspreise zwischen inländischer Muttergesellschaft und ausländischer Tochtergesellschaft __________________________________ 525 3 Internationale Kommunikationspolitik_______________________________527 3.1 Kommunikationspolitische Strategien_______________________________ 528 3.1.1 Standardisierung der internationalen Kommunikationsstrategie______________ 529 3.1.2 Differenzierung der internationalen Kommunikationsstrategie ______________ 531 3.1.3 Internationale Dachkampagnenstrategie _______________________________ 533 3.2 Instrumente der internationalen Kommunikationspolitik _______________ 534 3.2.1 Werbung _______________________________________________________ 534 3.2.2 Personal Selling __________________________________________________ 540 3.2.3 Messen ________________________________________________________ 541 3.2.4 Öffentlichkeitsarbeit im internationalen Unternehmen ____________________ 541 3.2.5 Sponsoring und Product-Placement im internationalen Unternehmen ________ 544 3.2.6 Direkt-Marketing im internationalen Unternehmen_______________________ 544 3.2.7 Die unterschiedliche Bedeutung der einzelnen Instrumente ________________ 545 4 Internationale Vertriebspolitik______________________________________545 4.1 Wahl der Vertriebswege im Ausland ________________________________ 546 4.2 Auswahl der Vertriebsorgane im Ausland ____________________________ 548 4.3 Besonderheiten der internationalen Vertriebslogistik __________________ 549 5 Einfluss des Internets auf den Marketing-Mix in internationalen Unternehmen ________________________________________________________550 <?page no="21"?> X • Inhaltsverzeichnis 5.1 Bedeutung des Internets für die internationale Unternehmung __________ 550 5.2 Einfluss des Internets auf die internationale Produktpolitik _____________ 552 5.3 Einfluss des Internets auf die internationale Preispolitik _______________ 554 5.4 Einfluss des Internets auf die internationale Kommunikationspolitik _____ 555 5.5 Der Einfluss des Internets auf die internationale Vertriebspolitik ________ 558 Fallstudie: Weltweite Markenführung am Beispiel der Heidelberger Druckmaschinen AG ___________________________________________________560 Literaturempfehlungen _______________________________________________566 Basisliteratur __________________________________________________________ 566 Vertiefungsliteratur _____________________________________________________ 566 Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement ____ 569 Standpunkt: Bilfinger SE ______________________________________________570 1 Controlling im internationalen Unternehmen _________________________575 1.1 Grundkonzept des Controllings und Besonderheiten im internationalen Umfeld ________________________________________________________ 575 1.2 Ausrichtung des internationalen Controllings ________________________ 578 1.2.1 Organisation des Controllings im internationalen Unternehmen _____________ 578 1.2.2 Standardisierung oder Differenzierung des Controllings ___________________ 582 1.2.3 Controlling und Kultur ____________________________________________ 583 1.3 Ausgewählte Einzelprobleme ______________________________________ 586 1.3.1 Ausgestaltung von Technologieverträgen ______________________________ 586 1.3.2 Verrechnungspreisbildung__________________________________________ 587 2 Rechnungslegung im internationalen Unternehmen ___________________ 591 2.1 Historie des IASB _______________________________________________ 593 2.2 Rechnungslegung nach IAS/ IFRS _________________________________ 596 2.3 Jahresabschluss nach IAS/ IFRS ___________________________________ 599 2.4 Wichtige nationale Rechnungslegungssysteme _______________________ 605 2.5 Konzernrechnungslegung internationaler Unternehmen ________________613 Fallstudie: Internationale Rechnungslegung ______________________________ 618 3 Internationales Finanzmanagement _________________________________ 621 3.1 Ziele, Rahmenbedingungen und Akteure des internationalen Finanzmanagements___________________________________________________ 625 3.1.1 Ziele des internationalen Finanzmanagements___________________________ 625 3.1.2 Rahmenbedingungen des internationalen Finanzmanagements ______________ 626 3.1.3 Interne Rahmenbedingungen des internationalen Finanzmanagements ________ 632 <?page no="22"?> Inhaltsverzeichnis • XXIII 3.1.4 Akteure des internationalen Finanzmanagements ________________________ 635 3.1.5 Prozess der Kapitalbeschaffung _____________________________________ 641 3.2 Besondere Aspekte der internationalen Finanzierung von Tochtergesellschaften___________________________________________________ 645 3.2.1 Finanzierung von Vertriebsgesellschaften ______________________________ 646 3.2.2 Finanzierung von Produktionsgesellschaften____________________________ 647 3.3 Instrumente der internationalen Finanzierung________________________ 650 3.3.1 Instrumente der internationalen Eigenfinanzierung _______________________ 650 3.3.2 Instrumente der internationalen Fremdfinanzierung ______________________ 650 3.3.3 Instrumente der internationalen Finanzdisposition _______________________ 655 3.4 Herausforderungen der internationalen Finanzierung _________________ 667 3.4.1 Finanzierung im Rahmen von internationalen M&A-Transaktionen __________ 667 3.4.2 Private-Equity-Finanzierung als Sonderform der internationalen Finanzierung __ 675 Fallstudie: Internationales Controlling bei EnBW__________________________680 Literaturempfehlungen _______________________________________________686 Basisliteratur __________________________________________________________ 686 Vertiefungsliteratur _____________________________________________________ 686 Kapitel XI: Internationales Personalmanagement ________________ 687 Standpunkt: Coface Deutschland _______________________________________688 1 Besonderheiten der Personalbedarfsplanung im internationalen Unternehmen ________________________________________________________ 691 2 Besonderheiten in den Besetzungsstrategien im internationalen Unternehmen ________________________________________________________692 2.1 Ethnozentrische Besetzungsstrategie _______________________________ 695 2.2 Polyzentrische Besetzungsstrategie_________________________________ 696 2.3 Geozentrische Besetzungsstrategie _________________________________ 697 2.4 Zusammenfassende Beurteilung der Besetzungsstrategien _____________ 700 3 Probleme der Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland ________________ 701 3.1 Auswahlphase ___________________________________________________701 3.1.1 Auswahlkriterien _________________________________________________ 701 3.1.2 Auswahltechniken ________________________________________________ 703 3.2 Vorbereitungsphase______________________________________________ 704 3.2.1 Schulung und Training ____________________________________________ 704 3.2.2 Fixierung des Entsendungsvertrages __________________________________ 705 <?page no="23"?> X • Inhaltsverzeichnis 3.3 Einsatzphase ___________________________________________________ 707 3.3.1 Einsatzdauer ____________________________________________________ 707 3.3.2 Betreuung während des Einsatzes ____________________________________ 708 3.4 Reintegrationsphase _____________________________________________ 709 4 Unternehmensexterne Einflussfaktoren auf das internationale Personalmanagement ____________________________________________________ 711 4.1 Arbeits- und sozialrechtliche Einflüsse _______________________________ 711 4.2 Einfluss der kulturellen Dimensionen auf das Personalmanagement ______712 4.2.1 Machtdistanz____________________________________________________ 713 4.2.2 Individualismus __________________________________________________ 715 4.2.3 Maskulinität ____________________________________________________ 716 4.2.4 Unsicherheitsvermeidung __________________________________________ 717 4.2.5 Zeitvorstellungen ________________________________________________ 719 4.2.6 Kontextualität ___________________________________________________ 720 4.2.7 Kognitive Prozesse _______________________________________________ 720 4.2.8 Religiöse Vorstellungen ____________________________________________ 721 Fallstudie: Personalarbeit am Beispiel eines weltweit tätigen Beratungsunternehmens _______________________________________________________722 Literaturempfehlungen _______________________________________________725 Basisliteratur ________________________________________________________ 725 Vertiefungsliteratur ___________________________________________________ 725 Literaturverzeichnis __________________________________________________727 Stichwortverzeichnis__________________________________________________785 <?page no="24"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld <?page no="25"?> 2 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld Standpunkt: BASF SE BASF SE BASF ist das weltweit führende Chemieunternehmen: The Chemical Company. Die BASF erzielte 2011 einen Umsatz von rund 73,5 Milliarden € und beschäftigte am Jahresende mehr als 111.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. www.basf.com Dr. Kurt Bock, Vorstandsvorsitzender Kurt Bock ist seit Mai 2011 Vorsitzender des Vorstands der BASF SE und verantwortlich für die Bereiche Legal, Taxes & Insurance, Strategic Planning & Controlling, Communications & Government Relations, Global Executive Human Resources, Investor Relations und Compliance. 1. Welche Rolle spielen Szenarien der Weltwirtschaftsentwicklung bei der Entscheidung über das globale Engagement der BASF? Sind diese Prozesse formalisiert? Schon heute wissen, was morgen gefragt ist - diese Eigenschaft zeichnet einen erfolgreichen Unternehmer aus. Beim Fußball ist es genauso: Wer gut ist, läuft dahin, wo der Ball ist. Gewinnen wird aber, wer dahin läuft, wo der Ball sein wird. Daher schauen wir ganz genau hin, wie sich die für uns wichtigen Länder und Abnehmerindustrien entwickeln werden und planen weit in die Zukunft voraus. Ein Beispiel: Wir werden uns weiter internationalisieren, da die heutigen Schwellenländer das Wachstum für die Chemieindustrie vorantreiben werden. Bei der BASF werden die aufstrebenden Volkswirtschaften 2020 mit 45% zum Umsatz (ohne Oil & Gas) beitragen. Darauf stellen wir uns heute schon ein, indem wir Produktionsstandorte aufbauen und unsere Forschung beispielsweise in Asien verstärken. 2. Welche Rolle spielt die Auslandserfahrung des Topmanagements für die Entwicklung erfolgreicher Internationalisierungsstrategien? Welche Bedeutung hat eine Auslandserfahrung für die Karriereplanung von Mitarbeitern? Wir legen Wert darauf, dass unsere Nachwuchskräfte ihre ersten Auslandserfahrungen früh in ihrer Karriere erwerben. Voraussetzung für den Aufstieg in unser oberes Managementteam ist es, mindestens eine - besser mehrere mehrjährige Auslandsstationen erfolgreich absolviert zu haben. Denn wer in einem globalen Unternehmen eine Führungsaufgabe übernimmt, ist häufig für Mitarbeiter und Teams in verschiedenen Ländern verantwortlich. Das geht nur mit internationaler Erfahrung. Auch meine Stationen in Deutschland, Brasilien und in den USA waren für mich persönlich und beruflich unendlich wertvoll. Nicht nur weil globale Zusammenarbeit viel einfacher und erfolgreicher ist durch persönli- <?page no="26"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 3 che Kontakte. Wer in verschiedenen Ländern lebt und arbeitet, muss sich mit anderen Kulturen auseinandersetzen. Auf neuen Märkten ist nur der erfolgreich, der Verständnis für die Wünsche, Bedürfnisse und Werte anderer Kulturen hat. Wer global denkt, muss das ganze Bild im Kopf haben und globale mit regionalen Interessen verbinden können. Wenn ich in Asien in eine Produktionsanlage investiere, was heißt das für unser Geschäft in den USA? Welche Auswirkungen hat das auf die Weltmarktpreise? Wenige Cent Preisunterschied können darüber entscheiden, ob Containerschiffe von West nach Ost fahren oder umgekehrt. 3. Welche Faktoren werden das globale Unternehmensumfeld in Zukunft bestimmen, was wird für den Erfolg globaler Unternehmen zentral sein? Im Jahr 2050 werden 9 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Sie brauchen mehr Nahrungsmittel, mehr Energie und Zugang zu sauberem Trinkwasser. Sie alle wollen eine bessere Lebensqualität, vor allem in den Schwellenländern. Wenn wir weiterleben wie bisher, brauchen wir in Zukunft die Ressourcen von drei Planeten so groß wie unsere Erde, um die Menschheit zu versorgen. Nachhaltigkeit ist daher das entscheidende Thema für unsere Zukunft. Und auch heute schon: Kunden wollen nachhaltige Produkte, die Industrie nachhaltige Lösungen, Mitarbeiter wollen in Unternehmen arbeiten, die Nachhaltigkeit ernst nehmen. Mehr Nachhaltigkeit erreichen wir nur über mehr Innovationen: Genau hier liegen viele Chancen für die Chemieindustrie und ihre Kunden. 4. Wie kann der Wissenstransfer zwischen dem Stammhaus und den internationalen Einheiten sichergestellt werden? Welche Rolle spielt hierbei die Entsendung von Mitarbeitern aus dem Stammhaus? Wissen und Know-how entsteht und wächst immer mehr dezentral in regionalen Exzellenzzentren. Umso wichtiger ist es, dass wir als ein Unternehmen unser Wissen teilen, damit es sich weiter entwickeln kann. Deshalb unterstützen wir unsere Mitarbeiter über Ländergrenzen hinweg, Wissen zu teilen. Ein direkter Weg sind Auslandsaufenthalte, sie dienen dem Wissensaustausch und sorgen zugleich für mehr Verständnis untereinander. Dabei geht es weniger um den Austausch zwischen der Zentrale und unseren Gruppengesellschaften als um den Wechsel von Mitarbeitern in und zwischen den Regionen. Aktuell sind rund 1.400 Mitarbeiter international auf einem Transfereinsatz tätig, ein weitaus größerer Teil arbeitet in internationalen Projekten zusammen. Ein anderes Beispiel: Seit Anfang 2010 haben wir ein eigenes globales Online-Netzwerk, das „connect.BASF“ heißt. Wir setzen damit auf Wissensaustausch, funktionierende Netzwerke und Zusammenarbeit über Einheits- und Ländergrenzen. Das alles bringt uns voran auf dem Weg zu einem noch besser vernetzten, kunden- und lösungsorientierten Unternehmen. <?page no="27"?> 4 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld 5. Welche Rolle spielt das „Diversity Management“ bei der Besetzung von Spitzenpositionen in Ihrem Unternehmen? Wir sind davon überzeugt, dass wir mit einem vielfältig zusammengesetzten Team erfolgreicher sind. Das gilt für die ganze BASF - überall auf der Welt und auf allen Hierarchiestufen. Wer neue Märkte betritt, der muss seine Perspektive wechseln, die Menschen vor Ort kennen, die Unterschiede sehen und aktiv nutzen, sonst wird er keinen Erfolg haben. Unsere Kunden erwarten von uns kreative Ideen und erkennen, dass diese Ideen von Mitarbeitern stammen, die eine breite Markterfahrung mitbringen. Neue Talente, die in der BASF Fuß fassen, erwarten Offenheit und Aufgeschlossenheit. Bei Vielfalt denken wir nicht nur an äußere Merkmale, wie Nationalität, Alter oder Geschlecht, sondern viel mehr an Erfahrungen und Werte. Wir arbeiten schon seit Jahrzehnten mit Kollegen aus anderen Nationen zusammen, was neu ist, ist, dass wir den Nutzen von Vielfalt erkennen und aktiv im Geschäft umsetzen. Und das ist eine Daueraufgabe. 6. Was ist die Zukunft des internationalen Personalmanagements, welche Themen werden hier die strategischen Entscheidungen bestimmen? Wie schaffen wir es, die besten Mitarbeiter für uns zu gewinnen, auch wenn der Fachkräftemarkt immer enger wird? Wie begegnen wir der Herausforderung einer stark alternden Gesellschaft gerade in den Industrieländern? Wie stellen wir uns auf die Anforderungen der Generation Y ein? Um überall auf der Welt die besten Mitarbeiter zu gewinnen, zu halten und gemeinsam das beste Team zu bilden, braucht es dreierlei. Erstens ist es wichtig, das Talent jedes einzelnen Mitarbeiters zu erkennen, zu entwickeln und zu fördern. Zweitens müssen Unternehmen hervorragende Arbeitsbedingungen bieten - mit attraktiven Rahmenbedingungen. Und drittens brauchen wir hervorragende Führungskräfte und eine offene Führungskultur, die gegenseitiges Vertrauen, Respekt und hohe Leistungsbereitschaft fördert. 1 Dynamik des globalen Wettbewerbs Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist durch eine zunehmende Internationalisierung der wirtschaftlichen Aktivitäten gekennzeichnet. Stichworte wie „Globalisierung“ und „multinationale Unternehmen“ charakterisieren diesen Entwicklungsprozess, der neue Herausforderungen an die Unternehmensführung stellt. Gerade in jüngster Zeit ergaben sich in der Unternehmensumwelt zum Teil revolutionäre Veränderungen, die besonders die auslandsorientierten deutschen Unternehmen zu neuen Strategien und Konzepten zwingen, um dauerhaft ihre Wettbewerbsposition zu sichern. Beispiele für diese Veränderungen sind: ein verstärktes Aufkommen von neuen, erfolgreichen Wettbewerbern aus den Schwellenländern, wie z.B. Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika (BRICS- Staaten), <?page no="28"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 5 eine zunehmende Präsenz von weltweit operierenden Unternehmen aus den führenden Industrienationen auf dem deutschen Markt, das Entstehen großer einheitlicher Wirtschaftsblöcke wie des EU-Binnenmarktes, der Nordamerika-Zone (NAFTA), der ASEAN-Staaten und der MERCOSUR- Staaten sowie eine sich beschleunigende Entwicklung und Diffusion neuer Technologien, insbesondere im Informations- und Kommunikationsbereich. Eines der ersten Beispiele für eine globale Strategiekonzeption stellte das „Triade-Denken“ von Ohmae (Ohmae, K., 2006) dar. In diesem Konzept wurden die drei großen Wirtschaftsregionen der Welt, Nordamerika, Japan und Westeuropa, in den Mittelpunkt strategischer Überlegungen der Marktbearbeitung gerückt und die Ansicht vertreten, dass es in Zukunft von zentraler Bedeutung für den Unternehmenserfolg sein wird, in diesen wichtigsten Regionen der Weltwirtschaft gleichzeitig und dauerhaft präsent zu sein. Voraussetzung für dieses strategische Handlungskonzept ist allerdings die Erhaltung oder Gewinnung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens in allen drei Regionen. Im Rahmen der Globalisierung des Wettbewerbs wird die Erhaltung oder Gewinnung von internationalen Wettbewerbsvorteilen zur zentralen Herausforderung und Aufgabe der Unternehmensführung. Die neuen Globalisierungskonzepte dürfen sich aber nicht nur auf den Absatzbzw. Marketingbereich beschränken, sondern müssen alle betrieblichen Teilbereiche im Sinne einer Querschnittsaufgabe umfassen. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen wird somit nicht nur durch bestehende Produkte, Verfahren und Dienstleistungen, sondern auch durch die Innovationsfähigkeit des Managements, das Planungs- und Kontrollsystem sowie die effiziente Umsetzung strategischer Grundkonzepte in allen betrieblichen Teilbereichen bestimmt. Im Hinblick auf die Konkurrenzsituation in den Weltmärkten kann die Struktur des (weltweiten) Wettbewerbs durch eine „Internationale Jagdlinie“ dargestellt werden (Perlitz, M., 1985b). Aus ihr wird deutlich, dass Unternehmen aus einer Reihe von Entwicklungsländern zunächst solche aus Schwellenländern „jagen“, d.h., dass diese einem verschärften Wettbewerb durch Unternehmen aus der genannten Ländergruppe ausgesetzt sind. Bei den Schwellenländern handelt es sich hauptsächlich um Staaten aus Südostasien und zum geringeren Teil aus Lateinamerika sowie aus dem früheren Ostblock. Die Unternehmen aus den Schwellenländern „jagen“ ihrerseits wiederum Unternehmen aus den Industrieländern. Zwischen diesen beiden Länderblöcken vollzieht sich im Grunde der gleiche Prozess, der vor 20 bis 25 Jahren zwischen Japan und den westlichen Industrieländern begonnen hat. Damals machten die Japaner den Europäern und den Amerikanern z.B. die Stahlindustrie, den Schiffsbau und die Uhrenindustrie streitig. Heute produzieren die Schwellenländer mehr Stahl, Schiffe und Uhren als die Industrieländer. <?page no="29"?> 6 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld Abbildung 1: Internationale Jagdlinie Ähnliche Entwicklungen finden heute auf den Märkten für Automobile, Computer, Unterhaltungselektronik oder Kameras statt. So werden derzeit beispielsweise etwa 80% der Canon-Kameras außerhalb Japans gefertigt. Dieser Prozess der Verlagerung der Produktion von Industrieländern in erfolgreiche Schwellenländer setzt sich weiter fort. Die großen Herausforderungen kommen derzeit aus China und Indien. Beide Länder konkurrieren durch ihre Unternehmen in zunehmendem Maße mit Unternehmen aus den Industrienationen. Für die Unternehmen der Industrieländer ergibt sich aus der „Internationalen Jagdlinie“ die strategische Fragestellung, wen oder was sie eigentlich „jagen“? Für die Beantwortung dieser Frage sind grundsätzlich zwei strategische Denkansätze möglich. Der erste strategische Denkansatz wird durch die rückwärts gerichteten Pfeile in Abbildung 1symbolisiert. Mit ihnen soll verdeutlicht werden, dass Unternehmen aus Industrienationen in bestehenden Produktbereichen gegen Anbieter aus Entwicklungsländern konkurrieren bzw. mit Unternehmen aus dieser Ländergruppe wettbewerbsfähig bleiben wollen. Dieser internationale Wettbewerb spielt sich be ispielsweise auf den Gebieten des Massenstahls, der Massentextilien, der Massenchemikalien, der Massenlederwaren und der Agrarprodukte ab. Die gleiche Herausforderung ergibt sich aus dem Versuch der westlichen Unternehmen, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit bei „höherwertigen“ Produkten gegenüber Unternehmen aus den Schwellenländern zu erhalten. Hierbei handelt es sich z.B. um Produkte wie Stahl, Schiffe, Automobile, Uhren, TV, Camcorder, oder Computer bzw. Computerchips. Hierdurch gewinnt der zweite strategische Denkansatz zunehmend an Bedeutung: Nur durch Innovationen, welche einen langfristig orientierten Wettbewerbsvorteil gegenüber den Schwellenländern ermöglichen, können die klassischen Industrienationen sich im internationalen Wettkampf durchsetzen. Während Probleme der Produkt- und Prozess- <?page no="30"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 7 innovationen von Unternehmen aus Industrieländern - insbesondere im Vergleich zu chinesischen Unternehmen - häufig Gegenstand von Untersuchungen sind, ist die Betrachtung von Strategieinnovationen bisher nicht in ausreichendem Maße in das Bewusstsein des Managements vorgedrungen. Jedoch gewinnt dieser Aspekt immer mehr an Bedeutung (Sommerlatte, T., 2011; Schrank R., 2008). Heute kann bei westlichen Unternehmen gerade im Bereich der Strategie eine auffallende Gleichförmigkeit der Grundkonzepte festgestellt werden, die mit bestimmten Schlagworten, wie z.B. Qualitäts- oder Kostenführerschaft, Lean Management, Reengineering, Konzentration auf Kernkompetenzen, Outsourcing u.ä.m., die gerade „en vogue“ sind, belegt werden. Letztlich führt jedoch diese Gleichförmigkeit der strategischen Denkansätze zu einem durchschnittlichen Erfolg und lässt exzellente Unternehmen seltener oder bisher exzellente Unternehmen immer durchschnittlicher werden (Peters, T.J./ Waterman, R.H., 2007). Einerseits lässt sich das Aufholen asiatischer Unternehmen im Vergleich zu US-amerikanischen und europäischen Unternehmen erkennen, was eine zunehmende Veränderung der Wettbewerbssituation von Unternehmen aus westlichen Industrienationen gegenüber Konkurrenten aus anderen Regionen der Welt nach sich zieht. Andererseits gehörte 2011 ein großer Teil der wertvollsten Unternehmen der Welt nicht mehr zum produzierenden Gewerbe. Damit ergeben sich auch neue Problemstellungen für das Internationale Management, das sich bis heute sehr stark auf produzierende Unternehmen fokussiert hat. Abbildung 2: Die teuersten Unternehmen der Welt Quelle: o.V. (FAZ), 2012 <?page no="31"?> 8 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld Im Zusammenhang mit der Tendenz einer weltweiten Strategieanpassung lässt sich feststellen, dass sich die unternehmerischen Probleme für alle Unternehmen „globalisiert“ haben. Solche Probleme sind z.B. zunehmender Wettbewerb, Globalisierung der Märkte, Marktsättigung, neue Spielregeln des Wettbewerbs oder stark schwankende Wechselkurse. So werden die Probleme für die Manager immer ähnlicher und es werden zunehmend die gleichen Methoden bzw. Konzepte benutzt, um diese Probleme strategisch zu bewältigen. Im Ergebnis kommt es damit heute zu einer „Globalisierung von Grundkonzepten und -methoden“, die von Amerika über Europa bis nach Japan bekannt sind und meist auch gleichzeitig angewandt werden. Die Zukunft wird zeigen, ob durch die neuen Schwellenländer China und Indien beziehungsweise Russland neue Wege des Managements gefunden werden. Diese Entwicklung führt zu einer Strategieanpassung der Wettbewerber an die erfolgreichsten Unternehmen („best practice“), die letztlich zum Modell für alle anderen werden. Das Ergebnis ist eine weltweite Strategieimitation, die letztendlich wiederum zu der angedeuteten Durchschnittlichkeit führt. Exzellente Unternehmen sind jedoch durch eine Andersartigkeit geprägt, die sehr eng mit dem Phänomen der Strategieinnovation verbunden ist. Vielleicht sind die japanischen Unternehmen in der Vergangenheit u.a. gerade deshalb so erfolgreich gewesen, weil sie noch genügend Potenzial für eine ausgeprägte Andersartigkeit besaßen, während europäische bzw. amerikanische Unternehmen zu ähnlich geworden sind. In diesem Zusammenhang sind chinesische oder indische Unternehmensstrategien auch interessant zu beobachten. Die Ende der 1990er Jahre extrem hohe Bewertung der sogenannten „Net-World“-Unternehmen kann auch nur durch deren Andersartigkeit erklärt werden (teilweise betrugen die Kurs-Gewinn-Verhältnisse dieser Unternehmen bis zu 4000). Die Kurzlebigkeit solcher „Erfolgsstrategien“ zeigt sich anhand von Abbildung 3. Diese zeigt die - gemessen an ihrem Börsenwert - 20 wertvollsten Unternehmen der Welt der Jahre 1972, 1982, 1992 und 2011. Deutlich werden dabei vor allem zwei unterschiedliche Trends. Einerseits lässt sich das Aufholen der Japaner im Vergleich zu US-amerikanischen Unternehmen zumindest bis zu Beginn der 1990er Jahre erkennen, was eine zunehmende Veränderung der Wettbewerbssituation von Unternehmen aus westlichen Industrienationen gegenüber Konkurrenten aus anderen Regionen der Welt nach sich zog. Andererseits gehörte 2011 ein großer Teil der wertvollsten Unternehmen der Welt nicht mehr zum produzierenden Gewerbe und chinesische Unternehmen sind bereits sehr stark vertreten. Damit ergeben sich auch neue Problemstellungen für das Internationale Management, das sich bis heute sehr stark auf produzierende Unternehmen und westliche Managementmethoden fokussiert hat. In der Praxis lässt sich feststellen, dass seit ungefähr Mitte der 1960er Jahre die „Innovationslokomotiven“ in Gestalt der Unternehmen aus den Industrienationen auf vielen Gebieten immer langsamer vorankommen, während die Unternehmen aus den Schwellenländern, insbesondere aus Asien, gleichsam als „Waggons“, immer mehr an Tempo zulegen. <?page no="32"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 9 Abbildung 3: Die 20 am Börsenwert gemessen wertvollsten Unternehmen in der Welt im Zeitvergleich (Werte in Mrd. $) Quelle: Forbes, 2011, online Aufgrund mangelnder Produkt-, Prozess- und Strategieinnovationen besteht für die „Lokomotive“ damit zunehmend die Gefahr, dass sie von einigen „Waggons“ überholt wird oder auf bestimmten Gebieten bereits überholt wurde. Die Bedeutung dieser Entwicklung für die Wirtschaft und die Gesellschaft in den Industrienationen zeigt sich z.B. darin, dass in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2011 fast jeder vierte Arbeitsplatz vom Export und damit von der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft abhängig war (Rödl & Partner, 2012, online). Im Jahr 2008 hatte Deutschland mit 72,1 Prozent eine überdurchschnittlich hohe Außenhandelsquote. Im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise fiel die Außenhandelsquote Deutschlands im Jahr 2009 auf 61,2 Prozent. 2010 erreichte sie mit 70,7 Prozent wieder nahezu das Vorkrisenniveau (Bundeszentrale für politische Bildung, 2011; Statistisches Bundesamt, 2011, online). Ein Beispiel, wie durch ein gutes Innovationsmanagement die Wettbewerbsfähigkeit zurückgewonnen werden kann, ist der heutige Erfolg der deutschen Automobil- und Chemieindustrie. Von 1991 bis 2007 betrug das Wachstum bei den wissensintensiven Dienstleistungen rund 30 Prozent, in den anderen Dienstleistungsbranchen dagegen nur etwa zehn Prozent (Eickelpasch, A., 2011). Für Unternehmen stellt sich damit die Herausforderung, eine überlegene Innovationsfähigkeit zu entwickeln. Die Erhaltung oder die Gewinnung sowie die effiziente Ausnutzung von internationalen Wettbewerbsvorteilen im Ausland durch Innovationen ist ein zentraler Gegenstand des Internationalen Managements, das im Folgenden mit seinen wesentlichen Problemfeldern dargestellt werden soll. <?page no="33"?> 10 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld 2 Internationalisierung und Internationales Management 2.1 Begriffliche Grundlagen 2.1.1 Begriff der Internationalisierung In der Literatur wird mit dem Begriff der Internationalisierung eine Vielzahl verschiedener Phänomene beschrieben. Das Spektrum der Betrachtungen reicht von bestimmten Formen des Markteintritts, d.h. Internationalisierung verstanden als Export, Direktinvestition im Ausland oder Lizenzvergabe ins Ausland, über Fragestellungen zur Führung ausländischer Tochterunternehmen, bis hin zur abstrakten Gleichsetzung von Internationalisierung und grenzüberschreitender Auslandstätigkeit (Macharzina, K., 1989; Colberg, W., 1989; Carl, V., 1989). Die Trennlinie der verschiedenen Ansichten verläuft im Wesentlichen zwischen Ansätzen, die den Begriff auf ganz bestimmte funktionsbereichsspezifische Probleme beziehen und hauptsächlich am Absatzmarkt bzw. Marketing orientiert sind und solchen, die von einer funktionsübergreifenden Ausdehnung der Aktionsmöglichkeiten der Unternehmung in andere Länder ausgehen. Darüber hinaus versucht insbesondere die „Neue Institutionenökonomik“ die Internationalisierung in den Zusammenhang mit dem Überschreiten von nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen zu bringen (Erlei, M./ Leschke, M./ Sauerland, D., 2007; Schmidtchen, D./ Schmidt-Tenz, H.-J., 2003). Die Reduktion der Internationalisierung auf Marketingfragen und deren Problemfelder ist jedoch zu eng, da sich auch andere betriebliche Teilbereiche, wie z.B. Finanzierung, Beschaffung, Produktion oder Forschung und Entwicklung über Ländergrenzen hinweg ausdehnen können (von Behr, M., 2004; Krystek, U./ Zur, E., 2002; Porter, M.E., 1989b). Die Internationalisierung ist ein Phänomen, das - zumindest konzeptionell - das Unternehmen als Ganzes umfasst. Eine ausschließlich funktionsbereichsspezifische Betrachtung der länderübergreifenden Aktionsfeldausdehnung erscheint daher nicht angebracht. Gleiches gilt für die Einschränkung des Begriffs auf die erstmalige Aufnahme von Auslandsaktivitäten. Wie weit der Begriff der Internationalisierung ausgelegt werden kann, wird deutlich, wenn die möglichen Grundstrukturen des internationalen Wettbewerbs näher betrachtet werden. Abbildung 4 stellt diese Strukturen, die schon in den einleitenden Ausführungen zur „Internationalen Jagdlinie“ angedeutet wurden, schematisch dar. Im Fall A konkurriert das inländische Unternehmen U 1 mit dem ausländischen Unternehmen U 2 auf dessen Heimatmarkt. Dieser Fall ist ebenso unproblematisch als internationaler Wettbewerb und damit als Problem der Internationalisierung anzusehen wie der Fall B, der beschreibt, dass das inländische Unternehmen U 1 mit dem ausländischen Unternehmen U 2 <?page no="34"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 11 auf einem Drittmarkt in Konkurrenz tritt. Von besonderem Interesse für die Begriffsbildung ist jedoch der Fall C, in dem das ausländische Unternehmen U 2 mit dem inländischen Unternehmen U 1 auf dessen Heimatmarkt, d.h. im Inland, in Konkurrenz tritt. Selbst bei einer solchen Situation muss im Grunde von Internationalisierung gesprochen werden, da zumindest in der Konkurrenzanalyse der Aktionsraum des Unternehmens U 1 von dem Aktionsraum des ausländischen Unternehmens U 2 abhängt. Eine einseitige Ausrichtung des Internationalisierungsbegriffs auf die Fälle A und B erscheint aufgrund der Zusammenhänge in Fall C nicht angebracht. Im Folgenden soll unter Internationalisierung die länderübergreifende Ausdehnung des unternehmerischen Aktionsfeldes verstanden werden, die die Fälle A, B und C einschließt. Abbildung 4: Grundstruktur des internationalen Wettbewerbs 2.1.2 Begriff der internationalen Unternehmung Neben der oben dargestellten prozessualen Sichtweise der Auslandsaktivität existiert in der Literatur ein institutioneller Ansatz, der das Phänomen der Internationalisierung mit dem jeweiligen Unternehmen verknüpft (Dülfer, E., 2008). Danach gilt ein Unternehmen als international, wenn es Aktivitäten im Ausland durchführt. Da eine solche Sichtweise nicht an einen bestimmten Funktionsbereich gebunden ist, erfolgt die Klassifikation der internationalen Unternehmung unabhängig von der Art der Auslandsaktivitäten. Bedeutsam ist allerdings die Frage, ab welchem Grad des Auslandsengagements eine Unternehmung als international gelten kann, da sinnvollerweise nicht jede Auslandsaktivität, wie z.B. die bloße Kreditaufnahme im Ausland, zu einer internationalen Unternehmung führt. Trotz vieler unterschiedlicher Messkonzepte zur Beurteilung des Internationalisierungsgrades, die vom Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz über die Anzahl der Beschäftigten im Ausland bis hin zur Höhe der Direktinvestitionen bzw. der Anzahl der Tochterunternehmen im Ausland reichen, ist eine schlüssige und eindeutige Festlegung bis heute nicht gelungen (Dülfer, E., 2008). Vor dem Hintergrund der Heterogenität verschiedener Branchen und Unternehmen erscheint deshalb eine ausschließlich quantitative Festlegung aufgrund inadäquater Messkonzepte problematisch. <?page no="35"?> 12 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld Eine über die quantitative Abgrenzung hinausgehende Klassifikation stellt die qualitative Orientierung an den Unternehmenszielen dar. Demnach gilt eine Unternehmung dann als international, wenn die Auslandsaktivitäten zur Erreichung und Sicherstellung der Unternehmensziele von wesentlicher Bedeutung sind. In diesem Sinne soll nachfolgend auch der Begriff des internationalen Unternehmens Verwendung finden. Dabei stellt sich jedoch weiterhin das Problem, wie diese Bedeutung gemessen werden kann. In der Literatur sind weitere Begriffe wie transnationale, multinationale oder globale Unternehmung vorzufinden (Carl, V., 1989). Hinter diesen Termini verbergen sich jedoch häufig ganz spezifische Konzepte international agierender Unternehmen, die weitere Eingrenzungen vornehmen (Müller, S., 1991; Bartlett, C.A., 1986). 2.2 Internationales Management im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre Kaum ein anderes Themengebiet der Betriebswirtschaftslehre hat in den letzten Jahren in Wissenschaft und Praxis so viel Aufmerksamkeit erfahren wie das der Internationalisierung. Nahezu unübersehbar ist mittlerweile auch im deutschen Sprachraum die Anzahl von Veröffentlichungen zu diesem Thema. Anders als in der angelsächsischen Betriebswirtschaftslehre, wo der Fachbereich „International Management“ eine lange Forschungstradition hat, ist dies in Deutschland erst seit Anfang der 1980er Jahre der Fall. Die Tagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaftslehre, die im Jahr 1982 in Berlin mit dem Generalthema „Internationalisierung der Unternehmung als Problem der Betriebswirtschaftslehre“ stattfand, kann als Geburtsstunde der umfassenden Auseinandersetzung mit Fragen der internationalen Unternehmenstätigkeit in der deutschen Betriebswirtschaftslehre gesehen werden (Lück, W./ Trommsdorff, V., 1982). In der Literatur gibt es verschiedene Konzeptionen zur Abgrenzung des Internationalen Managements (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Buckley, P.J., 1991; Carl, V., 1989; Macharzina, K./ Engelhard, J., 1987; Albach, H., 1981). Dabei wird der Versuch unternommen, die konstitutiven Merkmale internationaler Unternehmenstätigkeit und deren Bedeutung für betriebswirtschaftliche Fragestellungen herauszuarbeiten. Insbesondere die spezifischen Umweltbedingungen der international tätigen Unternehmung, die im Wesentlichen in unterschiedlichen staatlichen Rahmenbedingungen und in einer fremdartigen Kultur gesehen werden, stehen im Mittelpunkt dieser Bemühungen (Dülfer, E., 2008; Buckley, P.J., 1991; Albach, H., 1981). Keines der Konzepte ist allerdings unumstritten, deshalb lässt sich bis heute das Internationale Management nicht als geschlossenes und konsistentes System wissenschaftlich geprüfter Aussagen darstellen (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Krystek, U./ Zur, E., 2002; Macharzina, K./ Oesterle, M.-J., 2002; Perlitz, M., 1993; Hawkins, R., 1984). Weit mehr Konsens ist in der Literatur hinsichtlich der Konkretisierung der Aufgaben des Internationalen Managements festzustellen. So besteht weitgehend Übereinstimmung darüber, dass die Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit neue Problemstellungen <?page no="36"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 13 schafft, die für rein national agierende Unternehmen nicht von Bedeutung sind. Fragen des Währungsmanagements oder der Absicherung von Auslandsrisiken sind hier beispielhaft zu nennen. Aufgabe des Internationalen Managements ist es daher, Problemlösungen für die originären Fragestellungen zu erarbeiten, die sich aus der Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit ergeben. Hinsichtlich einer weitaus komplexeren Planungs- und Entscheidungssituation international agierender Unternehmen ist eine weitgehende Übereinstimmung vorzufinden. Zahlreiche Untersuchungen, die nationale und internationale Unternehmen in dieser Hinsicht vergleichen, teilen diese Auffassung (Wiesner, K. 2005; Macharzina, K./ Oesterle, M.-J., 2002; Welge, M.K., 1981). Die Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung oder Ergänzung des bestehenden betriebswirtschaftlichen Instrumentariums in Bezug auf die Komplexität der konkreten Planungsaufgabe stellt somit eine weitere zentrale Aufgabe des Internationalen Managements dar. Trotz der weitgehenden Übereinstimmung bezüglich der Aufgaben des Internationalen Managements sind der eigenständige Charakter und die Einordnung des Faches weiterhin offen. Insbesondere sehen Vertreter aus bestehenden Funktionsbereichen in den dargestellten Problembereichen der Internationalisierung nur eine Ausdehnung der jeweiligen Funktionsbereiche um internationale Aspekte (Colberg, W., 1989). Internationales Marketing, internationale Beschaffung, internationale Finanzierung, internationale Personalpolitik etc. wären demnach als Erkenntnisobjekte der jeweiligen Teildisziplinen aufzufassen und deswegen eine eigenständige Disziplin Internationales Management bzw. Internationale Betriebswirtschaftslehre nicht notwendig. Einer derartigen Sichtweise ist jedoch entgegenzuhalten, dass die ausschließliche Einengung der betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der Auslandsaktivität auf einen bestimmten Teilbereich bzw. eine Teilfunktion der Komplexität der realen Entscheidungssituation nicht gerecht werden kann und daher keine hinreichende Basis der Problemlösung darstellt (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Porter, M.E., 1989b). Gerade die äußerst komplexen betrieblichen Entscheidungen internationaler Unternehmensaktivitäten sind aufgrund ihres spezifischen (Querschnitt-) Charakters funktionsübergreifend zu erforschen, was jedoch nicht heißen soll, dass eine Beschäftigung mit funktionsbereichsspezifischen Problemen der Internationalisierung sinnlos wäre. Abgesehen von der dargestellten inhaltlichsachlichen Notwendigkeit, muss eine funktionsübergreifende und damit auch eigenständige Betrachtungsweise des Faches Internationales Management einen wichtigen Beitrag für das „ Denken in betrieblichen Gesamtzusammenhängen“ leisten. Ein derartiger Ansatz ist ganz im Sinne einer General-Management-Ausbildung, die an den Hochschulen jedoch mehr und mehr vernachlässigt wird. Die Betrachtung des Internationalen Managements im Sinne einer betriebswirtschaftlichen Institutionslehre, wie z.B. Industrie-, Bank-, Versicherungs- oder Handelsbetriebswirtschaftslehre, ist m.E. ebenfalls verfehlt. Eine Internationalisierung findet bei allen Institutionen statt. Damit müsste das Internationale Management neben den Besonderheiten der einzelnen Institutionen, die Gegenstand der institutionell orientierten Betriebswirtschaftslehre sind, die besonderen Aspekte untersuchen, die sich aus der <?page no="37"?> 14 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld Internationalisierung dieser Institutionen ergeben. Das Internationale Management geht aber über eine reine Institutionslehre hinaus. Damit geht der Anspruch des Internationalen Managements nicht in die Richtung einer neuen betriebswirtschaftlichen Funktions- oder Institutionslehre, sondern in Richtung einer General-Management-Lehre, die neben der Betriebs- und Volkswirtschaft auch eine Reihe von Hilfswissenschaften wie z.B. die Soziologie, die Politologie, die Rechts- oder andere Gesellschaftswissenschaften benötigt. Nur ein umfassendes Verständnis dieser Aspekte kann zu einem erfolgreichen Internationalen Management führen. Insofern ist das Forschungsgebiet „ Internationales Management“ nicht als eine eigenständige betriebswirtschaftliche Funktionslehre zu sehen. Der Sinn des Internationalen Managements kann nur in der funktions- und einzelwissenschaftsübergreifenden Erfassung komplexer Tatbestände bei Auslandsentscheidungen von Unternehmen liegen. Werden diese Problembereiche von der Betriebswirtschaftslehre nicht erfasst, läuft sie Gefahr, dass die Unternehmenspraxis der wissenschaftlichen Erkenntnis immer weiter vorauseilt. <?page no="38"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 15 3 Triebkräfte der Internationalisierung 3.1 Märkte Abbildung 5 macht deutlich, wie sich die Bedeutung der Regionen, gemessen am kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt, im Zeitablauf verändert hat. Von Christi Geburt an bis Mitte des 19. Jahrhunderts war Asien die wirtschaftlich stärkste Region der Welt. Dann übernahm bis zum Ende des ersten Weltkrieges Europa diese Rolle. Von Ende des ersten Weltkrieges bis zum Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts war Amerika der Kontinent mit dem höchsten kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt. Nun hat Asien diese Rolle wieder übernommen. Abbildung 5: Anteil der Kontinente am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Prozent Quelle: UNCTAD, 2012, eigene Berechnungen aus Länderdaten der Weltbank, online Mit dieser Entwicklung kam es jeweils zu beträchtlichen Marktverschiebungen, die die Handelsströme, aber auch die Investitionstätigkeit von Unternehmen beträchtlich beeinflussten. Heute sind diese drei Weltregionen in etwa von gleicher Bedeutung für die Auslandsaktivitäten von Unternehmen mit einer Tendenz, dass Asien der am stärksten wachsende Markt der Welt ist. 3.1.1 Globale Integration der Weltwirtschaft Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kam es zu einer neuen Weltwirtschaftsordnung. Bis dahin hat sich die Welt weitgehend in politische Blöcke aufgeteilt (kommunistische, sowjetische, westliche und neutrale Staaten). Die neue Aufteilung der Welt stellen zunehmend Wirtschaftsblöcke dar, die unterschiedliche Formen annehmen können. Damit ergibt sich für Unternehmen ein neues Weltbild. Für unternehmerische Entscheidungen spielt es dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle, in welchen Wirtschaftsblöcken das Unternehmen in Zukunft tätig sein will. Die Vor- und Nachteile der Ausgestaltung der <?page no="39"?> 16 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld Wirtschaftsräume spielen eine Rolle für Standortentscheidungen für die Produktion und Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen. Aber auch Fragen der Markteintritts- und Bearbeitungsstrategien hängen von den Bedingungen, die in den Wirtschaftsräumen bestehen, ab. Deshalb erscheint es sinnvoll, einen Blick auf die internationalen Wirtschaftsräume zu werfen. Globalisierung vs. Regionalisierung In den letzten Jahrzehnten wurde die Integration der Weltwirtschaft insbesondere durch die World Trade Organization (WTO) vorangetrieben. Durch multilaterale Handelsabkommen verfolgt die WTO das Ziel, den freien Handel von Gütern und Dienstleistungen zwischen den Mitgliedsstaaten zu sichern. Diese Abkommen haben vor allem zu der Abnahme von Zöllen und nichttarifärer Handelshemmnisse geführt (Hill, C., 2010; Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010). Dem Globalisierungsprozess steht aber auch eine Regionalisierung der Wirtschaft gegenüber. Unter Regionalisierung versteht man die Bildung von regionalen Handelsblöcken, mit dem Ziel die Wirtschaft innerhalb dieser Region, durch den Abbau von Handelshemmnissen zu stärken (Hill, C., 2010). Die Integration der Weltwirtschaft wurde insbesondere durch die Verbesserung der rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für den weltweiten Handel durch die WTO verstärkt (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010). Neben dem Globalisierungstrend lässt sich auch eine wirtschaftliche Integration auf regionaler Ebene beobachten. Eine regionale wirtschaftliche Integration kommt durch Abkommen zum Abbau tarifärer und nichttarifärer Handelsbeschränkungen für Güter, Dienstleistungen und Produktionsfaktoren zwischen Ländern einer geografischen Region zustande (Hill, C., 2010). Multilaterale Handelsabkommen zwischen WTO-Mitgliedern WTO-Mitglieder müssen die Organisation über alle regionalen Handelsabkommen informieren. Fast alle WTO-Mitglieder sind auch Mitglied eines regionalen Abkommens (Hill, C., 2010). Weltweit existieren 489 regionale Handelsabkommen/ Präferenzzonen, bei denen die Waren und Dienstleistungen getrennt betrachtet werden. Weitere 380 Handelsabkommen, von denen 202 aktuell in Kraft sind, bestehen bis heute, bei denen nicht zwischen Waren und Dienstleistungen getrennt wird (World Trade Organization, 2011, online). Circa 60% des Welthandels wird durch regionale Abkommen beeinflusst (Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012). Mitgliedsländer versprechen sich von einer wirtschaftlichen Integration einen höheren Lebensstandard durch erhöhte Spezialisierung, niedrigere Preise, größere Auswahl, höhere Produktivität und effizientere Nutzung von Ressourcen (Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012; Hill, C., 2010). Regionale Integrationsabkommen verfolgen das Ziel, durch steigenden Handel und Kostensenkungen Wachstums- und Entwicklungspotenziale auszuschöpfen. Für kleinere oder weniger entwickelte Länder steht der langfristig gesicherte Zugang zu Märkten mit hoher <?page no="40"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 17 Kaufkraft im Vordergrund. Große Länder erwarten gleichzeitig, dass sie trotz zusätzlicher Kosten und Verantwortung von der Kooperation profitieren. Die Motive der Zusammenschlüsse gehen allerdings über Handelsaspekte hinaus: Im Vordergrund stehen dabei politische Sicherheit, Bündelung von Interessen und die damit verbundene Stärkung der Verhandlungsmacht gegenüber anderen Gruppen und in internationalen Foren (Bundesfinanzministerium, 2012, online). Durch die Uruguay- und Gatt-Runden versuchten Länder seit 1947 einen Abbau von Handelsbarrieren zu erreichen. Diese Bestrebungen wurden dann durch die Gründung der WTO institutionalisiert. Da diese jedoch weltweit agiert und viele Mitgliedstaaten zählt, sind Einigungen auf Abkommen sowie deren Umsetzung von längerer Dauer. Die größte Herausforderung liegt bei der Einhaltung der aufgestellten Regeln durch alle Mitglieder, insbesondere in der Agrarwirtschaft. Deshalb findet die wirtschaftliche Integration regional statt und nicht unter der Federführung der WTO. Heute verhandelt die WTO mit Wirtschaftsblöcken und versucht so die weitere Entwicklung zu steuern (Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012; Hill, C., 2010). Die zwei bekanntesten Wirtschafsträume/ -blöcke sind die EU und die NAFTA. Man spricht von einem Wirtschaftsblock, wenn zwei oder mehrere Länder eine Freihandelszone bilden. Grenzübergreifende Investitionen sind auch charakteristisch für Wirtschaftsblöcke. In einer späteren Phase (z.B. EU) können die Liberalisierung des Kapitalmarktes und der Austausch von Arbeitskräften und Technologien hinzukommen. Die Harmonisierung der Finanz- und Währungspolitik sind weitere mögliche Schritte (Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012). 3.1.2 Entwicklungsstufen der wirtschaftlichen Integration Die Vertiefung der wirtschaftlichen Integration in einer Region verläuft in Schüben und ist gekennzeichnet von Stillstand oder Rückschlägen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist dabei eine stabilitätsorientierte Wirtschaftspolitik in den Mitgliedsländern. Präferenzzonen sind gekennzeichnet durch Vereinbarungen von Vorzugsbedingungen, z.B. niedrigere Zölle oder höhere Einfuhrquoten für den Handel mit bestimmten Gütern. Bei Freihandelszonen erfolgt ein weitgehender Abbau von Handelsbeschränkungen zwischen den Mitgliedsstaaten (Physikalisch-Technische Bundesanstalt, 2009, online). In einer vollständigen Freihandelszone sind alle diskriminierenden Tarife, Quoten, Subventionen und administrative Behinderungen beseitigt. So wird der Handel zwischen den Mitgliedsstaaten nicht verzerrt. Gegenüber Nichtmitgliedsstaaten kann jedes Land eine eigene Handelspolitik festlegen (Söllner, A., 2008). In einer Freihandelszone ist die Einführung von Herkunftsregeln („rules of origin“) unabdingbar. Sie stellen sicher, dass nur innerhalb der Freihandelszone hergestellte Güter zollbefreit sind. Die Herkunftsregeln sollen verhindern, dass Güter über das Mitgliedsland mit den niedrigsten Zöllen eingeführt und zollfrei in andere Länder innerhalb der Freihandelszone exportiert werden. <?page no="41"?> 18 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld Von einer Zollunion spricht man, wenn interne Handelsbeschränkungen und einheitliche Außenzölle festgelegt werden. Oftmals ist dies verbunden mit dem Abbau weiterer Hemmnisse, z.B. administrativer Art (Physikalisch-Technische Bundesanstalt, 2009, online). Für die Verhandlungen über einheitliche Außenzölle, die Koordinierung der gemeinsamen Außenhandelspolitik und die Kontrolle der Handelsbeziehungen ist ein bedeutender Verwaltungsapparat notwendig. Gemeinsame Außenzölle ermöglichen andererseits die Abschaffung von komplizierten Herkunftsregeln (Söllner, A., 2008). Ein gemeinsamer Markt liegt dann vor, wenn es zu einer Ausweitung der Freiheit des Güterverkehrs kommt. Zudem beinhaltet die Schaffung eines gemeinsamen Marktes oft auch die Liberalisierung des Kapitalmarktes, die Freizügigkeit der Arbeitskräfte und die Niederlassungsfreiheit von Unternehmen (Physikalisch-Technische Bundesanstalt, 2009, online). Die freie Faktormobilität wird durch die Abschaffung von Restriktionen in Bezug auf Immigration und Emigration und freien grenzüberschreitenden Kapitalverkehr ermöglicht. Für einen gemeinsamen Markt ist ein hohes Maß an Harmonie und Kooperation in der Finanz-, Währungs- und Beschäftigungspolitik nötig (Söllner, A., 2008). Eine Wirtschaftsunion resultiert aus der Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes mit weitgehender Vereinheitlichung der ökonomischen Rahmenbedingungen, die sowohl die Ordnungsals auch die Prozesspolitik betreffen (Physikalisch-Technische Bundesanstalt, 2009, online). Eine tiefere Integration wird durch eine gemeinsame Währung, die Harmonisierung der Steuerraten und eine gemeinsame Geld- und Finanzpolitik erreicht. Dieses hohe Maß an Integration setzt eine völlig neue Arbeitsteilung zwischen den gemeinsamen Organen und den einzelnen Regierungen voraus und erfordert einen entsprechenden Verwaltungsapparat (Söllner, A., 2008). Abbildung 6: Entwicklungsstufen der wirtschaftlichen Integration Quelle: In Anlehnung an: Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012; Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010 <?page no="42"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 19 Die letzte Stufe im Integrationsprozess ist eine politische Union. Sie wird durch die Schaffung gemeinsamer Institutionen für die Legislative, Judikative und Exekutive erreicht. Die EU verfügt als einziger Wirtschaftsraum bereits über supranationale Institutionen wie z.B. dem Rat der Staats- und Regierungschefs, der Kommission und dem Europäischen Parlament. Diese sind aber im Vergleich zu den nationalen Organen noch stark eingeschränkt (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010; Schmidt, S./ Schünemann, W. J., 2009). 3.1.3 Internationale Wirtschaftsräume Abbildung 7: Wirtschaftsräume EU - Europäische Union Der europäische Binnenmarkt ist volumenmäßig der größte der Welt. Neben wirtschaftlichen Zielen will die EU auch die politische Stabilität sichern, kulturelle Vielfalt wahren und gemeinsame Werte pflegen (z.B. nachhaltige Entwicklung, gesunde Umwelt, Menschenrechte). Die EG, in der die EU ihren Ursprung hat, wurde nach dem 2. Weltkrieg gegründet mit dem Ziel, durch politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit den Frieden zwischen den europäischen Ländern zu sichern und den Wiederaufbau des Kontinents zu beschleunigen (Europäische Union, 2012, online). Mit der abnehmenden Gefahr von Kriegen in Europa rückten in den 1950er Jahren wirtschaftliche Ziele in den Vordergrund (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010). Nach der Einführung der Freihandelszone (1959) und der Zollunion (1968) und der Erweiterung der EU um weitere Mitglieder verlangsamte sich der Integrations- und Harmoni- <?page no="43"?> 20 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld sierungsprozess in den 1970er Jahren aufgrund unterschiedlicher Zielsetzungen. Erst mit der Vollendung des Binnenmarktes zum 31.12.1992 erhielt die EU neuen Schwung (siehe „ vier Freiheiten“ des Binnenmarktes). Die „ vier Freiheiten“ des Binnenmarktes sind (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010): (1) Freiheit des Warenverkehrs (a) Errichtung einer Zollunion, d.h. der Zusammenschluss einer Gruppe von Staaten zu einem einheitlichen Zollgebiet (b) Zölle zwischen den Mitgliedsstaaten werden aufgehoben (c) Einheitliche Zölle gegenüber Drittländern (d) Keine mengenmäßigen Beschränkungen innerhalb der Mitgliedsstaaten (Wagner, H., 2009) (e) Wegfall von Grenzkontrollen, Harmonisierung oder gegenseitige Anerkennung von Normen und Vorschriften, Steuerharmonisierung (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010) (2) Freiheit des Personenverkehrs (a) Wegfall von Grenzkontrollen (b) Niederlassungs- und Beschäftigungsfreiheit (Wagner, H., 2009) (3) Freiheit des Dienstleistungsverkehrs (a) Liberalisierung der Finanzdienste (b) Harmonisierung der Banken- und Versicherungsaufsicht (c) Öffnung der Transport- und Telekommunikationsmärkte (Wagner, H., 2009) (4) Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs (a) Kapitalverkehrskontrollen werden abgeschafft (b) Liberalisierung des Wertpapiermarktes (c) Vereinfachungen für Geld- und Kapitalbewegungen (Wagner, H., 2009) Die Einführung des Euro war ein wichtiger Schritt zur Schaffung der Wirtschaftsunion. Ziel der Einführung des Euro ist es, die Transaktionskosten und Wechselkursrisiken zu senken und die Preistransparenz zu erhöhen (Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012). Zunächst wurde die gemeinsame Währung 1999 in 11 Mitgliedsländern eingeführt. Am 1. Januar 2002 wurden Eurobanknoten und -münzen in 12 Mitgliedsländern in Umlauf gebracht (Europäische Union, 2012, online). <?page no="44"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 21 Ein entscheidender Schritt in der wirtschaftlichen Vereinigung von West- und Ost- Europa war die „ Osterweiterung“ um 10 Mitgliedsländer zum 1. Mai 2004 (Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012). Heute ist die EU ein Zusammenschluss von 2 demokratischen Ländern (Europäische Union, 201 , online). In Zukunft möchte die EU weitere Mitglieder aufnehmen und die Zusammenarbeit verstärken. Die Basis für strukturelle Anpassungen und Änderungen in den kommenden Jahren wurde mit dem Vertrag von Lissabon im Dezember 2007 gebildet. Er soll zu mehr Demokratie und Transparenz führen, Arbeits- und Abstimmungsverfahren verkürzen, die Grundrechte in der Charta verankern und eine einheitliche Stimme der EU bei globalen Fragen sicherstellen (Europäische Union, 2012, online). Die EU basiert auf vier Organen, die im Folgenden näher beschrieben werden. Der EU-Rat stellt das oberste Gremium der EU dar und setzt sich aus Staats- und Regierungschefs, dem Präsidenten des EU-Rates und dem Präsidenten der Kommission zusammen. Der EU-Rat legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten der EU fest. Er ist zwar eine politische Instanz, wird aber nicht gesetzgeberisch tätig. Der EU-Ministerrat entscheidet über Gesetzesvorschläge (teilweise ist jedoch die Zustimmung des EU-Parlamentes erforderlich) und umfasst die Fachminister der Mitgliedsstaaten (z.B. Rat der Umweltminister bei Umwelt-Themen). Er koordiniert die Außen- und Wirtschaftspolitik der EU und die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten im Bereich Justiz und Polizei. Darüber hinaus stellt er den EU-Haushalt auf und schließt internationale Verträge. Bei wichtigen Fragen ist eine einstimmige Entscheidung notwendig. In Zukunft soll es aber auch Mehrheitsentscheidungen geben. Die Kommission ist die „ Regierung“ der EU und besteht aus einem Präsidenten und einem Kommissar je Mitgliedsland. Sie schlägt Gesetze vor, überwacht deren Umsetzung und kontrolliert die Umsetzung des EU-Haushaltes und der EU-Programme. Im EU-Parlament sitzen die direkten Vertreter der EU-Bürger (ähnlich dem Deutschen Bundestag). Es gibt 750 direkt gewählte Abgeordnete, die Gesetzen zustimmen müssen. Das Parlament hat kein Recht auf eine eigene Gesetzesinitiative. Es ist befugt, über die Hälfte der EU-Ausgaben abzustimmen, jedoch nicht berechtigt, über die Agrarausgaben zu entscheiden. In Zukunft soll dem EU-Parlament mehr Rechte eingeräumt werden. Weitere Organe der EU sind der Gerichtshof der EU, die Europäische Zentralbank und der Europäische Rechnungshof (Europäische Union, 2012, online). NAFTA - North American Free Trade Agreement Bei der NAFTA handelt es sich um ein Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko. Sie wurde am 01.01.1994 gegründet. Die USA und Kanada hatten 1989 bereits ein Freihandelsabkommen abgeschlossen (North American Free Trade Agreement, 2012, online). Neben dem europäischen Wirtschaftsraum ist die NAFTA die größte Freihandels- <?page no="45"?> 22 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld zone der Welt. Vor der Gründung bestand bereits ein hoher Verflechtungsgrad zwischen den Mitgliedern (Wagner, H., 2009). Abbildung 8 gibt die wichtigsten Kennzahlen der NAFTA wieder. * = Daten für 2011 sind Schätzwerte Abbildung 8: Kennzahlen der NAFTA Quelle: NAFTA, 2012, online Ziel der NAFTA ist der Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen. Darüber hinaus existieren Sonderregelungen für bestimmte Sektoren wie z.B. für die Automobil- und Textilindustrie sowie für die Landwirtschaft und den Energiemarkt. Außerdem gibt es noch Regelungen für die Marktöffnung von Dienstleistungen, der Niederlassungsfreiheit, der Inländerbehandlung und der Meistbegünstigung (Wagner, H., 2009). Restriktionen für ausländische Direktinvestitionen wurden beseitigt. Ausnahmen stellen Investitionen in die mexikanische Energieindustrie und den Schienenverkehr sowie die amerikanische Flugindustrie und den Funkverkehr dar (Hill, C., 2010). Die NAFTA weist im Vergleich zu anderen regionalen Abkommen einen asymmetrischen Entwicklungsstand der Mitgliedsländer auf. Die Freizügigkeit des Faktors Arbeit zwischen Mexiko und USA/ Kanada ist vertraglich ausgeschlossen. Damit sollen starke Migrationsbewegungen aus dem Schwellenland Mexiko in die nordamerikanischen Staaten verhindert werden. Trotzdem ist der Gewinner bislang insbesondere Mexiko (Wagner, H., 2009). Seit der Gründung hat sich das Handelsvolumen zwischen den drei Mitgliedern vervierfacht und zwar auf US$ 1.011,7 Mrd. im Jahre 2011 (hierbei werden nur die Importe der NAFTA-Partner berücksichtigt) (Secretaria de Economia, 2012, online). Das gemeinsame Bruttosozialprodukt dieser drei Länder hat sich in dem Zeitraum seit dem Zusammenschluss mehr als verdoppelt: von US$ 7,6 Bill. im Jahr 1993 auf knapp US$ 18 Bill. im Jahr 2011. Die Exporte von den USA nach Kanada haben sich im selben Zeitraum mehr als verdoppelt, dasselbe gilt für die Exporte von Kanada in die USA. Mexiko profitiert besonders von <?page no="46"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 23 dem Zugang zu den Märkten der USA und Kanada, das Exportvolumen zwischen Mexiko und der Vereinigten Staaten hat sich seit der Zugehörigkeit zur NAFTA versiebenfacht. Viele mexikanische Branchen wie Elektronik, Textilien, medizinische Produkte oder Dienstleistungen haben sich durch den gemeinsamen Markt überhaupt erst etablieren lassen. Kanada und Mexiko wickeln ca. 80% ihres Außenhandels mit den USA ab und haben 60% ihres Bestandes an Direktinvestitionen in den USA. Abbildung 9 zeigt die große Bedeutung der USA für Kanada und Mexiko bezüglich der Exporttätigkeit dieser Länder. Abbildung 9: Exporte in die USA, 2010 (in Prozent der Gesamtexporte) Quelle: CIA World Factbook, 2011, online Das Pro-Kopf-Einkommen von Mexiko ist auf über US$ 9.330 (The World Bank, 2010) gestiegen. Damit ist Mexiko das Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen in Lateinamerika (North American Free Trade Agreement, 2012, online; Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012). Die USA und Kanada profitieren von der Entwicklung Mexikos, da es sich zu einem wichtigen Absatzmarkt entwickelt hat. Zudem haben amerikanische Unternehmen die Möglichkeit, arbeitsintensive Produktionsprozesse nach Mexiko zu verlagern. Im Grenzgebiet zu den USA durften zuvor schon ausländische Unternehmen Rohstoffe und Vorprodukte zollfrei einführen. Diese Regelung wurde in dem Maquiladoras-Programm 1965 verankert, um ausländische Kapitalzuflüsse zu fördern. Mit der NAFTA wurde dieser Abbau der Zollschranken auf das gesamte Land ausgedehnt (Hill, C., 2010; Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010). Viele nordamerikanische Unternehmen haben folglich ihre Produktionsstätten von Niedriglohnländern in Asien nach Mexiko verlagert (z.B. Gap Inc., Liz Claiborne) (Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012). Auch wenn sich die Exporte mexikanischer Produkte erhöhten und zusätzliche Arbeitsplätze entstanden, hat die Freihandelszone zu einem signifikanten Anstieg von Importen und einem Außenhandelsdefizit für Mexiko geführt (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010). Die NAFTA hat im Gegensatz zu EU/ MERCOSUR/ ASEAN nicht das Ziel, eine Wirtschaftsunion bzw. eine politische Union zu werden. Sie verfügt über keine eigenen Organe, sondern nur über einen lockeren institutionellen Rahmen, dessen Hauptaufgabe es ist, die <?page no="47"?> 24 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld Umsetzung des Abkommens zu überwachen und Auseinandersetzungen, die sich aus der Interpretation des Abkommens ergeben können, zu lösen (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010; Wagner, H., 2009). Eine Erweiterung der NAFTA wird seit vielen Jahren diskutiert. Einige lateinamerikanische Länder haben bereits ihr Interesse an einer Mitgliedschaft signalisiert. Aufgrund der Anlaufschwierigkeiten der NAFTA sind die Mitglieder allerdings nicht entscheidungsfreudig. Die Gespräche über Chile als potenzielles Neumitglied laufen schon seit 1995 (Hill, C., 2010). MERCOSUR - Mercado Comun del Sur 1991 wurde der Mercado Comun del Sur oder kurz MERCOSUR genannt gegründet. Dieser Zusammenschluss basiert auf einem bilateralen Abkommen zwischen Brasilien und Argentinien von 1988 mit dem Ziel der Schaffung einer Freihandelszone innerhalb von 10 Jahren (Hill, C., 2010; Rugman, A.M./ Collinson, S., 2009). Er stellt den stärksten Wirtschaftsblock in Südamerika dar (Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012). Neben den Gründungsmitgliedern Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay wurde 2005 Venezuela als assoziiertes Mitgliedsland integriert. Zwischen MERCOSUR und Chile, Bolivien, Peru, Ecuador und Kolumbien besteht ein Assoziierungsabkommen, das zu einer Präferenzzone mit Vorzugsbedingungen führte (Mercado Comun del Sur, 2012, online; Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012; Wagner, H., 2009). Oberstes Organ des MERCOSUR ist der Rat des Gemeinsamen Marktes, der sich aus den Wirtschafts- und Außenministern zusammensetzt (Wagner, H., 2009). Ziel von MERCO- SUR ist es, einen freien Verkehr von Gütern, Dienstleistungen und Produktionsfaktoren durch den Abbau tarifärer und nichttarifärer Handelshemmnisse zu schaffen und einen gemeinsamen Außenzoll zu erreichen (Mercado Comun del Sur, 2012, online; Wagner, H., 2009). Weitergehende Ziele sind die Harmonisierung der institutionellen Bedingungen in den Bereichen Agrar-, Industrie-, Fiskal-, Währungs-, Wechselkurs-, Kapital-, Dienstleistungs-, Transport- und Kommunikationspolitik (Mercado Comun del Sur, 2012, online; Wagner, H., 2009). MERCOSUR setzt sich aus asymmetrischen Vertragsparteien zusammen. Nach einem erfolgreichen Start (der Handel zwischen den vier Gründungsmitgliedern vervierfachte sich zwischen 1990 und 1998) stieß MERCOSUR 1998 in eine existenzielle Krise als Folge der Währungs- und Finanzkrise in Argentinien. Insgesamt fällt die Erfolgsgeschichte daher eher bescheiden aus. Bisher ist MERCOSUR nur eine „ unvollständige“ Zollunion (Hill, C., 2010; Wagner, H., 2009). Weiterhin gibt es viele Ausnahmeregelungen für den Abbau von Handelshemmnissen und für einen gemeinsamen Außenzoll (Hill, C., 2010; Wagner, H., 2009). Relativ erfolgreich wird die Gründung der Entwicklungsbank „ Banco del Sur“ im Jahre 2007 angesehen. Die Bank verfolgt unter anderem das Ziel, die regionale Wirtschaft mit Krediten zu versorgen, um dadurch das wirtschaftliche Wachstum zu beschleunigen (Wagner, H., 2009). <?page no="48"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 25 ASEAN - Association of Southeast Asian Nations ASEAN wurde 1967 von Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Singapur und Thailand gegründet. Weitere Mitglieder sind heute Brunei, Kambodscha, Laos, Myanmar und Vietnam. Das oberste Organ ist die Konferenz der Staatsoberhäupter, die strategische Richtungsentscheidungen treffen kann. Der Rat der Außenminister tritt einmal jährlich zusammen und formuliert die politischen Leitlinien. Dem Rat untersteht ein Ständiger Ausschuss (Außenminister des Gastgeberlandes und die dortigen akkreditierten Botschafter der Mitgliedsländer). Der ständige Ausschuss führt die Geschäfte der ASEAN bis zum nächsten Außenministertreffen und unterbreitet den sonstigen Fachministertreffen und den ASEAN- Komitees Berichte und Empfehlungen. Des Weiteren verfügt jedes Land über ein ASEAN-Sekretariat, das für die Durchführung landesspezifischer Programme zuständig ist (Wagner, H., 2009). Ziel von ASEAN ist die Förderung der regionalen Zusammenarbeit auf politischem, wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet zur Festigung des Friedens in Südostasien, um das Wachstum der Wirtschaft zu steigern. Darüber hinaus wird der Abbau von Zöllen (AFTA) auf unter fünf Prozent angestrebt. Es bestehen aber bis heute signifikante Ausnahmen. In den ersten Jahren gab es keine nennenswerten Erfolge durch die Bildung des ASEAN. Zu Beginn der 1990er Jahre kam es jedoch zu einer Wiederbelebung der Anstrengungen zur Zielerreichung von ASEAN. Stufenweise wurden die Zölle für eine Vielzahl an Produkten abgebaut und die maximale tarifäre Belastung auf 5% gesenkt. 1992 kam es zur Gründung der AFTA (ASEAN Free Trade Agreement). Seit dem 1. Januar 2010 befindet sich der ASEAN in der zweiten Phase. Zu diesem Zeitpunkt tritt für China das Freihandelsabkommen in Kraft. Für die ASEAN-Staaten Kambodscha, Laos, Myanmar und Vietnam wird das Abkommen erst 2018 in Kraft treten. 6.682 Zolltarife wurden seit Anfang 2010 abgeschafft. Davon sind 17 Sektoren betroffen, u.a. 12 im herstellenden Gewerbe, 5 in der Landwirtschaft, der Fischerei und im Bergbau. Des Weiteren ist ASEAN an einer Beseitigung der Zölle mit China, Japan und Südkorea interessiert (Hill, C., 2010). <?page no="49"?> 26 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld * = Daten für 2011 sind Schätzwerte Abbildung 10: Die vier großen Wirtschaftsblöcke im Überblick Quelle: World Bank, 2012, online; NAFTA, 2012, online; Europäische Union, 2012, online; MERCOSUR, 2012, online; ASEAN, 2012, online; IMF 2011, online; Eurostat, 2011, online, CIA World Fact Book, 2012, online Weitere regionale Handelsabkommen Weitere Beispiele für kleinere oder weniger fortgeschrittene Wirtschaftsräume sind: CAN - Comunidad de Naciones (=ANCOM - Andean Common Market) Es handelt sich dabei um eine Zollunion zwischen Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Peru und Venezuela. Der Handel innerhalb des Wirtschaftsraumes ergibt nur 5% des gesamten Handels der Mitgliedsländer. Die Anden erschweren den Transport von Gütern zwischen den Nationen (Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012; Söllner, A., 2008). CARICOM - The Caribbean Community CARICOM umfasst 15 Mitgliedsländer aus der englischsprachigen Karibikregion. Bisher wurden Handelsbarrieren gesenkt, aber die geplante Zollunion wurde noch nicht umgesetzt (Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012; Hill, C., 2010). CACM - Central American Common Market Mitglieder von CACM sind Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Dominikanische Republik. Seit der Gründung in den frühen 1960er Jahren wurde jedoch wenig Fortschritt, insbesondere wegen eines Konfliktes zwischen Honduras und El Salvador im Jahre 1969, erreicht. <?page no="50"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 27 2003 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen, da die USA Interesse an einem bilateralen Handelsabkommen mit dem Wirtschaftsblock zeigte. 2005 wurde das Freihandelsabkommen Central American Free Trade Agreement unterzeichnet (Hill, C., 2010). APEC - Asia-Pacific Economic Cooperation APEC setzt sich aus den Ländern Australien, Kanada, Chile, China, Japan, Mexiko, Russland und USA zusammen. Das Ziel ist die Einführung von Freihandel zwischen diesen Ländern. Bisher gab es jedoch nur geringe Erfolge in den Verhandlungen, da die Mitgliedsstaaten zu unterschiedliche wirtschaftliche Interessen und Prioritäten haben (Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012; Hill, C., 2010). EFTA - European Free Trade Agreement Die EFTA besteht aus Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz. Ursprünglich wurde die EFTA von ehemaligen EU- (EG-)Mitgliedern gegründet, die bei der Integration nicht über eine Freihandelszone hinausgehen wollten. Mittlerweile sind von den sieben Mitgliedern nur noch Norwegen und die Schweiz übriggeblieben und es sind Liechtenstein und Island hinzugekommen. Die anderen Länder haben sich wieder der EU angeschlossen (Rugman, A.M./ Collinson, S., 2009) Misst man die Bedeutung der wichtigsten Wirtschaftsblöcke anhand des Bruttoinlandsproduktes, dann sieht man, dass die EU und die NAFTA fast gleich groß sind und der Abstand zu den MERCOSUR- und den ASEAN-Staaten doch noch recht beträchtlich ist (vgl. Abbildung 11). * = Daten für 2011 sind Schätzwerte Abbildung 11: Bruttoinlandsprodukt der Wirtschaftsräume und ausgewählter Länder Quelle: IMF, 2011, online <?page no="51"?> 28 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld 3.2 Kosten Der erste strategische Denkansatz aus dem Kapitel „Dynamik des globalen Wettbewerbs“ wirft die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen es den Unternehmen westlicher Industrieländer gelingen wird, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Wenn keine Unterschiede in den Produkten zwischen den internationalen Wettbewerbern auf den Weltmärkten bestehen, reduziert sich die Frage der Wettbewerbsfähigkeit weitgehend auf vorhandene Kostenvorteile. Die alleinige Ausrichtung des strategischen Denkens auf die Kostenseite erscheint jedoch für Unternehmen aus den westlichen Industrienationen wenig erfolgversprechend, da sie dann mit Unternehmen aus Ländern konkurrieren, die zum Teil 80% niedrigere Kosten haben. So hat Porter festgestellt, dass Kostenvorteile nur „flüchtige Wettbewerbsvorteile“ sind (Porter, M.E., 1999). Abbildung 12 gibt einen internationalen Vergleich der Arbeitskosten im Industriebereich für das Jahr 2010 wieder. Aus ihr wird deutlich, welche neuen Herausforderungen auf die deutsche Wirtschaft insbesondere aus den neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zukommen können. Abbildung 12: Die Lohnstückkosten im verarbeitenden Gewerbe, Landeswährung als Grundlage, Index: 2002 = 100 Quelle: U.S. Department of Labor, Bureau of Labor Statistics, December 2010 <?page no="52"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 29 Abbildung 13: Vergleich der Arbeitskosten im Verarbeitenden Gewerbe im Jahr 2010 (Angaben für Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellte) je geleistete Stunde in Euro) Quelle: Industrielle Arbeitskosten im internationalen Vergleich, in: IW Trends, Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, 2011 3.3 Technologien Abbildung 14: Entwicklung der Patentanmeldungen, 1978-2010 Quelle: WIPO, PCT - The international patent review, 2010, online <?page no="53"?> 30 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld Die globale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen hängt hauptsächlich davon ab, ob Unternehmen eine überlegene Produkt- oder Prozesstechnologie entwickeln können. So kommt es weltweit zu einem Wettrennen bezüglich überlegender Technologien. In diesem Zusammenhang kommt es zu einem beträchtlichen Aufholprozess von Unternehmen aus den sogenannten „emerging markets“. Das lässt sich aus den Anmeldungen von internationalen Patenten ableiten. Abbildung 14 zeigt, wie sich die Patentanmeldungen vom Ende der 1970er Jahre bis heute entwickeln haben. Aus ihr wird deutlich, wie stark die Anzahl an Patentanmeldungen in diesen Jahren zugenommen hat. Während bis zum Jahre 2000 die meisten Patentanmeldungen von Unternehmen aus den klassischen Industrienationen kamen (vgl. Abbildung 15), sind heute Unternehmen aus Süd-Korea und China unter den Top 7 Anmeldern für Patente zu finden. Damit erweitert sich der Kreis technologiegetriebener Wettbewerber und die Herausforderung für die bisherigen Technologieführer wird immer globaler (vgl. Abbildung 16 und Abbildung 17). Abbildung 15: Patentanmeldungen im internationalen Vergleich 1990-2000 Quelle: WIPO, 2010, online Patentanmeldungen sind im Rahmen des Innovationsprozesses zwar nur ein erster Indikator für die Innovationsfähigkeit von Unternehmen, jedoch sind sie langfristig ein Indikator für die Innovationspotenziale von Unternehmen aus unterschiedlichen Ländern. Die Umsetzung von Ideen in global marktfähige Produkte ist Gegenstand des Innovationsmanagements (vgl. Kapitel 9 des Buches) und auf diesem Gebiet entscheidet sich, welchen Unternehmen das 21. Jahrhundert gehören wird. Es bleibt abzuwarten, wie Unternehmen aus den übrigen Schwellenländern wie z.B. Brasilien, Russland, Südafrika oder Indien in diesen Wettbewerb eingreifen werden. Für Unternehmen aus den klassischen Industrienationen ist der technologische Vorsprung überlebensnotwendig und das Innovationsmanagement von zentraler Bedeutung für zukünftige Erfolge auf den Weltmärkten. <?page no="54"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 31 Abbildung 16: Patentanmeldungen im internationalen Vergleich 1990-2010 Quelle: WIPO, 2010, online Abbildung 17: Patentanmeldungen im internationalen Vergleich 1990-2010 Quelle: WIPO, 2010, online <?page no="55"?> 32 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld 3.4 Formen der Internationalisierung 3.4.1 Export Die Bedeutung der Internationalisierung für Länder, Branchen und Unternehmen soll nachfolgend exemplarisch anhand einiger Entwicklungen der Weltwirtschaft dargestellt werden. Angesichts der Vielschichtigkeit der internationalen Wirtschaftsbeziehungen erfolgt diese Darstellung anhand verschiedener Indikatoren, die sich auf unterschiedliche Betrachtungsebenen beziehen. Neben der Welt- und Länderperspektive soll auch die Branchen- und Unternehmensebene erfasst werden, um einige wichtige Entwicklungen zu verdeutlichen. * = Prognose Abbildung 18: Entwicklung des Welthandelsvolumens (in Mrd. US$) Quelle: WTO, 2010, online Betrachtet man zunächst die Entwicklung der weltweiten Exporttätigkeit von Unternehmen, die sowohl in den nationalen Handelsstatistiken als auch von der UNO, der OECD sowie dem IMF erfasst werden, so kann man feststellen, dass sich das Welthandelsvolumen zwischen 1980 und 2011 nominal nahezu verachtfacht hat. Die Weltexporte unterscheiden sich nur geringfügig von den Weltimporten. Die Differenzen ergeben sich aus unterschiedlichen Methoden der Wertstellung. So werden Importe überwiegend zu CIF-Preisen (cost insurance freight) und Exporte vornehmlich zu FOB- Preisen (free on board) bewertet (Marschner, H., 1989). Welche Bedeutung dem Welthandel zukommt, wird im Vergleich zur Entwicklung des Weltbruttosozialproduktes deutlich. Wie Abbildung 19 zeigt, ist das Welthandelsvolumen in den letzten 40 Jahren im Durchschnitt stärker gewachsen als das Weltbruttosozialprodukt. Sie unterstellt als Ausgangssituation das Jahr 1950 und beginnt mit einem Index von 100 für den Welthandel und das Weltbruttosozialprodukt. Es wird ersichtlich, dass bis zum Jahre 2010 der Index für den Welthandel rund zweieinhalbmal so stark angestiegen ist wie <?page no="56"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 33 der für das Weltbruttosozialprodukt. Für die Unternehmensstrategie stellt somit der Außenhandel einen der zentralen „Wachstumsmärkte“ dar. Abbildung 19: Entwicklung des Welthandels und des Weltbruttosozialproduktes seit 1950 (Index 1950 = 100) Quelle: WTO, 2010, online Ein wesentlicher Grund für das Wachstum des Welthandels ist in der Beseitigung bzw. dem Abbau von tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen zu sehen, die insbesondere im Rahmen der verschiedenen GATT-Zollsenkungsrunden und der Welthandelsrunden der WTO erfolgten. So sank beispielsweise der durchschnittliche Zoll auf Industriegüter von 40% im Jahr 1940 auf 3,2% im Jahr 2005 (Bchir, M.H./ Jean, S./ Laborde, D., 2006). Abbildung 20: Anteile am Welthandel in Prozent Quelle: Rodrigue, J.-P./ Comtois, C./ Slack, B., 2011 <?page no="57"?> 34 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld Die aggregierte Betrachtung der Entwicklung des Welthandelsvolumens sagt aber noch nichts über die länderspezifische Bedeutung des Außenhandels aus. In den letzten Jahrzehnten wechselten sich in der Spitze der Exportnationen die USA und Deutschland als „Exportweltmeister“ ab, heute kommt diese Rolle China zu (vgl. Abbildung 20). Häufig wird die Globalisierung mit einer Intensivierung des Welthandels verbunden. Betrachtet man jedoch die weltweiten Handelsströme, so lässt sich feststellen, dass über 70% des Welthandels Regionalhandel ist. Dieser regionale Handel hat sich durch die Entwicklung der Wirtschaftsblöcke intensiviert und ist die treibende Kraft des Anstieges der Weltexporte. Im Zusammenhang mit dem Export kommt es damit mehr zu einer Regionalisierung als zu einer Globalisierung des Welthandels (vgl. Abbildung 21). Abbildung 21: Globaler und regionaler Handel in Prozent des Welthandels Quelle: UNCTAD, IMF und Worldbank, 2010, online Die Regionalisierung des Welthandels wird auch dadurch deutlich, wenn man die größten Weltregionen im Einzelnen betrachtet. Bei der Beschreibung der NAFTA-Zone wurde bereits darauf hingewiesen, dass fast 80% des Außenhandels von Mexiko und Kanada mit den USA abgewickelt werden. Abbildung 22 zeigt, dass auch die meisten EU-Länder ihren Handel weitgehend untereinander tätigen. <?page no="58"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 35 Abbildung 22: Hauptexportpartner ausgewählter Länder, 2010 (in Prozent der Gesamtexporte) Quelle: CIA Factbook, 2011, online Betrachtet man die asiatischen Länder, so zeigt Abbildung 23, dass auch diese etwa 50% ihres Handels untereinander betreiben. Abbildung 23: Bestimmungsorte asiatischer Exporte in Prozent Quelle: Worldbank, 2012, online; eigene Berechnungen Die Regionalisierungstendenzen des Welthandels werden wohl in Zukunft weiter zunehmen, da aufgrund der Wirtschaftskrisen in der Welt, trotz WTO und ähnlicher Abkommen, ein zunehmender Protektionismus zwischen den Wirtschaftsblöcken erwartet werden kann. Darüber hinaus sind die Unternehmen immer globaler aufgestellt, so dass sie die Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen weitgehend aus der Region bedienen können und sie somit Exporte aus ihren Heimatländern nur noch auf wenige „strategische” Produkte reduzieren. Abbildung 24 zeigt die Entwicklung von Wareneinfuhr und -ausfuhr für die Bundesrepublik Deutschland. Aus ihr wird ersichtlich, dass bis auf die Krisenjahre 2009 und 2010, fast ein permanenter Anstieg der Exporte stattfand. <?page no="59"?> 36 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld Abbildung 24: Entwicklung der Warenimporte und -exporte der Bundesrepublik Deutschland Quelle: Deutsche Bundesbank, 2011 (verschiedene Berichte) Der Anteil der Exporte am gesamten Bruttoinlandsprodukt Deutschlands betrug im Jahre 2011 28,8%. Auch für andere westliche Industrienationen ist der Export von ähnlicher Bedeutung. So betrug 2011 die Exportquote in Frankreich 20,6%, in Großbritannien 20,0% und in den USA 10,0% (CIA World Fact Book, 2012, online). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Exportgeschäft für viele deutsche Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen einen wesentlichen Teil der gesamten Geschäftstätigkeit ausmacht und von zentraler Bedeutung für den Erfolg dieser Unternehmen ist. Gleichzeitig führt die zunehmende internationale Verflechtung nicht nur zu Entwicklungspotenzialen für die Unternehmen, sondern auch zu Risiken durch neue und z.T. bessere Konkurrenzunternehmen. 3.4.2 Direktinvestitionen Neben der Aufnahme und Durchführung von Ex- und Importen stellt der direkte Transfer von Kapital und Management-Know-how, z.B. in Form von Direktinvestitionen bzw. Lizenzvergaben vom oder ins Ausland, eine weitere wichtige Möglichkeit internationaler Unternehmenstätigkeiten dar. Betrachtet man den Bestand der deutschen Direktinvestitionen im Ausland und den Bestand ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland als Indikatoren für die Bedeutung der internationalen Unternehmenstätigkeit, so ist hier eine kontinuierliche Zunahme deutscher Direktinvestitionen im Ausland festzustellen, während die Bestände ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland seit ca. 2005 nur unterproportional ansteigen (vergleiche Abbildung 25). <?page no="60"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 37 Abbildung 25: Bestand der unmittelbaren Direktinvestitionen von Ausländern in Deutschland und deutscher unmittelbarer Direktinvestitionen im Ausland Quelle: Deutsche Bundesbank, 2012, online Im globalen Umfeld lässt sich feststellen, dass Entwicklungs- und Schwellenländer seit der Jahrtausendwende in zunehmendem Maße an der Entwicklung des internationalen Direktbestandes an Direktinvestitionen partizipieren. Wie Abbildung 26 zeigt, war diese Entwicklung noch im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts weitgehend entkoppelt. Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung sind die Erfolge asiatischer Schwellenländer. * = Entwicklungsländer: Alle afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatischen Länder mit Ausnahme Japans. Abbildung 26: Weltweite Direktinvestitionen Quelle: UNCTAD, 2011, online 3.4.3 Lizenzen Für eine Vielzahl von Unternehmen sind Exporte oder Direktinvestitionen aus finanziellen oder personellen Gründen nicht möglich. Darüber hinaus verfügen viele, vor allem mittelständische Unternehmen, über zu geringe oder keine Erfahrung bezüglich internationaler <?page no="61"?> 38 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld Aktivitäten. Andere Unternehmen scheuen das Risiko, welches mit ausländischen Geschäften auftreten kann, und versuchen den Kapital- und Personaleinsatz zu minimieren. In diesem Zusammenhang wird die Vergabe von Lizenzen an ausländische Unternehmen interessant. Abbildung 27 macht deutlich, dass die grenzüberschreitende Lizenzvergabe in den letzten 10 Jahren für deutsche Unternehmen an Bedeutung zugenommen hat. Einerseits kommt es zu einem Anstieg von deutschen Unternehmen, die von ausländischen Unternehmen Lizenzen kaufen, und andererseits verkaufen deutsche Unternehmen zunehmend mehr Lizenzen an ausländische Unternehmen. Auch diese Entwicklung macht die zunehmende internationale Verflechtung deutscher Unternehmen mit dem Ausland deutlich. Abbildung 27: Zahlungsströme aufgrund von An- und Verkäufen von Lizenzen und Patenten in der Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland Quelle: Deutsche Bundesbank, Zahlungsbilanzstatistik, 2012, online <?page no="62"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 39 3.5 Marktteilnehmer 3.5.1 Unternehmen Abbildung 28: Auslandsquoten deutscher Großunternehmen in % Quelle: Hoppenstedt Bilanzdatenbank, Geschäftsberichte Abbildung 28 zeigt die Auslandsquote von deutschen Großunternehmen aus verschiedenen Branchen, die als Auslandsumsatz in Prozent des Gesamtumsatzes gemessen wird. Aus dieser Aufstellung geht hervor, dass eine Vielzahl von deutschen Großunternehmen mehr als die Hälfte des gesamten Konzernumsatzes im Ausland erwirtschaftet. Bemerkenswert für die deutsche Wirtschaft ist allerdings, dass sich auch mittelständische Unternehmen immer mehr im Ausland engagieren. Die bisher genannten Zahlen bezogen sich in erster Linie auf den Absatzbereich der Unternehmung. In der Unternehmenspraxis sind aber auch andere Unternehmensbereiche in wachsendem Maße von der Internationalisierung der jeweiligen Aktivitäten betroffen. Im Folgenden soll dies am Beispiel der Funktionsbereiche Personal, Beschaffung und Finanzen exemplarisch dargestellt werden. Der Personalbereich ist durch eine zunehmende internationale Verflechtung gekennzeichnet. Beispielhaft sei hier die Entwicklung des Anteils der Beschäftigten im In- und Ausland beim Henkel-Konzern genannt, die Abbildung 29 wiedergibt. Auch der Finanzbereich von Unternehmen sieht sich einer wachsenden Verflechtung der internationalen Kapitalmärkte gegenüber, die die Unternehmen bei Finanzierungsentscheidungen berücksichtigen müssen. Verknüpft man diese Entwicklung mit der Notwendigkeit, Zahlungsströme unterschiedlichster Währungen, die wiederum aus dem Absatz und/ oder der Beschaffung in verschiedenen Ländern resultieren, zu steuern und effizient zu koordinieren, so wird deutlich, welche Bedeutung die Internationalisierung für den Finanzbereich einer Unternehmung hat. <?page no="63"?> 40 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld Abbildung 29: Beschäftigte der Henkel KGaA (Konzern) im In- und Ausland Quellen: Henkel KGaA (Hrsg.): Geschäftsberichte, Ergänzung durch Hoppenstedt Bilanzdatenbank; Henkel, 2010, online Eindrucksvoll ist auch die Entwicklung im Bereich der Beschaffung und der Produktion. Abbildung 30 erläutert die Komponentenherkunft am Beispiel der Produktion des Smart fortwo. Aus diesem Schaubild wird deutlich, welchen Grad die Internationalisierung die Beschaffung erreicht hat. Zu Recht kann daher die moderne Unternehmung als ein komplexes Netzwerk internationaler Beziehungen bezeichnet werden. Das Management der Probleme, die sich aus der Internationalisierung für viele Unternehmen ergeben, wird zunehmend zu einer zentralen Überlebensfrage, weshalb die Bedeutung internationaler Unternehmenstätigkeit sowohl für die einzelne Unternehmung als auch für Branchen und Volkswirtschaften nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Abbildung 30: Komponentenbeschaffung für den Smart fortwo Quelle: o.V., 2003b <?page no="64"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 41 Allerdings ist diese Betrachtung für eine betriebswirtschaftliche Beurteilung immer noch zu undifferenziert. Deshalb wird im Folgenden die Bedeutung der Auslandstätigkeit aus dem Blickwinkel einzelner Branchen dargestellt. Als Beleg dafür gibt Abbildung 31 die jeweiligen Auslandsquoten unterschiedlicher Branchen wieder. * = Daten für 2011 sind Schätzwerte Abbildung 31: Exportquoten der Bundesrepublik Deutschland in verschiedenen Branchen Quelle: Commerzbank, 2011, online * = Erstes Quartal Abbildung 32: Verwaltetes Hedgefonds-Vermögen Quelle: o.V. (FAZ), 2011a Während Pensionsfonds schon sehr lange als internationale Investoren auftreten und riesige Vermögen von Versicherten weltweit anlegen und damit insbesondere globale Portfolioinvestitionen förderten, treten seit Beginn der 1990er Jahre zunehmend Hedgefonds auf. Diese Unternehmen sammeln von Banken und Privatpersonen sehr hohe Kapitalmittel ein <?page no="65"?> 42 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld (vgl. Abbildung 32), um sie dann weltweit in Unternehmen zu investieren. Damit wird ein Großteil der Direktinvestitionen im Ausland durch Hedgefonds initiiert und forciert. Abbildung 33: Die größten Hedgefonds - Verwaltetes Vermögen in Milliarden Dollar Quelle: o.V. (FAZ), 2011b Hedgefonds tätigen meist keine reinen Portfolioinvestitionen, sondern nehmen oft entscheidenden Einfluss auf die Unternehmenstätigkeit. Dies erfolgt meist über eine Beteiligung am Management. Abbildung 33 stellt die größten Hedgefonds-Unternehmen vor und zeigt, über welche beträchtlichen Investitionssummen diese Unternehmen verfügen. Da meist die Investitionen der Hedgefonds auf eine begrenzte Zeit angelegt werden, kommt es jährlich zu erheblichen Verschiebungen der Direktinvestitionen bezüglich der Branchen und der Regionen, in denen Investitionen getätigt werden. Damit werden Branchen oder Regionen in der Welt attraktiver oder wenig interessant für andere Investoren. 3.5.2 Staaten In den letzten beiden Jahrzehnten kam es in den rohstoffreichen und stark wachsenden Ländern zu einer erheblichen Akkumulation von Kapital. Die stark wachsenden „emerging markets“ benötigten vermehrt Rohstoffe für ihre Entwicklung, so dass insbesondere die rohstoffreichen Öl- und Gasländer einen sehr hohen Kapitalzufluss haben. China hat mit seiner Exportorientierung einerseits einen hohen Rohstoffbedarf, der den rohstoffreichen Ländern zugutekommt. Andererseits sammelt es durch seine Exporte sehr viel Kapital an. Oft wird dieses Kapital von Staatsfonds, die in diesen Ländern gegründet wurden, verwaltet. Abbildung 34 macht deutlich, dass außer Norwegen und Russland die größten Staatsfonds aus asiatischen Ländern kommen. Damit beeinflussen die Entscheidungsträger dieser Länder in zunehmendem Maße die Investitionsströme weltweit und nehmen damit auch Einfluss auf die Unternehmenspolitik vieler Unternehmen aus den klassischen Industrienationen. <?page no="66"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 43 * = Schätzung Abbildung 34: Staatsfonds: Dezember 2011, Mrd. US$ Quelle: o.V. (The Economist), 2011c Fallstudie: Internationale Marktanalyse im Nutzfahrzeugmarkt: Analyse des Busmarktes für MAN Truck & Bus Internationale Marktanalyse im Nutzfahrzeugmarkt: Analyse des Busmarktes für MAN Truck & Bus Axel Nösner, Geschäftsführer, KnowledgeAgent GmbH Stefan Zwerenz, Head of Market & Competitor Analysis Light Vehicles & External Engines, MAN Truck & Bus AG Die MAN Truck & Bus AG ist einer der führenden Bushersteller weltweit. Im Rahmen der Innovations- und Internationalisierungsstrategie stellt sich für MAN die Frage des Reifegrades im alternativ angetriebenen chinesischen Busmarkt. China ist einer der wichtigsten Wachstumsmärkte im Nutzfahrzeugbereich. Als Spezialist für Markt und Wettbewerb unterstützt KnowledgeAgent MAN bei der Analyse und Lösung strategischer Sachverhalte. Ein Team vor Ort analysierte den Markt und beurteilte den Marktreifegrad. Status der alternativ angetriebenen Busse in der Nutzfahrzeugindustrie Der Markt für Busse lässt sich in die drei Produktsegmente Stadtbusse, Überlandbusse und Reisebusse einteilen. Die Verwendung alternativer Antriebe konzentriert sich aufgrund der besonderen Nutzungscharakteristika und nicht zuletzt aufgrund der Reichweite vor allem auf das Segment der Stadtbusse. <?page no="67"?> 44 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld Abbildung 35: Entwicklung Gesamtmarkt Bus Europa, >8 t, Stückzahlen Quelle: MAN Truck & Bus AG Im Jahr 2010 wurden in Europa, wie in Abbildung 35 dargestellt, ca. 28.500 Busse mit einem Gesamtgewicht über 8 Tonnen abgesetzt, wovon der Marktanteil alternativ angetriebener Busse bei ca. 5% lag. Der Trend alternativ angetriebener Busflotten ist vor allem im Stadtbussegment seit 2008 ansteigend und weiteres Marktwachstum wird neben Europa vor allem in Nordamerika, Japan und den BRICS-Staaten erwartet. Metropolen wie London (UK) beschäftigen sich im Rahmen von Testflotten bereits seit einigen Jahren mit der Einführung von alternativ angetriebenen Bussen. 2010 wurde ein Plan des Bürgermeisters Boris Johnson bekannt, wie die bisher 8.000 vor allem konventionell angetriebenen Londoner Busse ab 2012 sukzessive durch eine alternativ angetriebene Flotte ersetzt werden sollen (siehe Abbildung 36). Abbildung 36: Simulation Austausch der Busflotte der Londoner Verkehrsbetriebe Quelle: Handelsblatt, 2010, online Trotz ambitionierten Vorgehens ist, wie die Simulation in dieser Abbildung deutlich macht, eine vollständige Substitution vor 2028 kaum denkbar. Dies zeigt, dass es in Europa zwar <?page no="68"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 45 einige Pilotprojekte im Bereich alternativ angetriebener Stadtbusse gibt, eine dynamische Entwicklung mit starkem Wachstumspotenzial aber erst in den Anfängen steckt. Um die Technologie weiterzuentwickeln und die Preise nachhaltig zu senken, ist für die Hersteller jedoch eine Steigerung der Produktions- und Absatzzahlen von großer Bedeutung. Neben den momentan noch hohen Preisaufschlägen für alternative Antriebstechnologien spielen vor allem technische Hindernisse eine große Rolle: Busse mit bspw. Hybridtechnologie sind durchschnittlich noch bis zu 50% teurer als vergleichbare Busse mit konventioneller Antriebstechnologie, eine Entwicklung zuverlässiger und leistungsfähiger Batterien, die eine ausreichende Fahrleistung ermöglichen, steht noch am Anfang, des Weiteren sind die Total Cost of Ownership (TCO) solcher Fahrzeuge ebenfalls noch wesentlich höher als bei verbrennungsmotorisch betriebenen Bussen. Wachstumspotenziale alternativ angetriebener Busse in China für die MAN Truck & Bus AG Durch die kontinuierliche Marktbeobachtung wurde MAN auf die jüngsten Entwicklungen im Bereich hybrider und elektrischer Stadtbusse in China aufmerksam. Demnach forciert die chinesische Regierung die Entwicklung dieses Marktsegments mit einem ambitionierten Plan, der vorsieht, in kurzer Zeit eine Flotte von je 1.000 Fahrzeugen in zehn Städten zu realisieren. In der Zwischenzeit wurde dieser Plan zunächst auf dreizehn, später auf zwanzig Städte ausgeweitet. Entsprechende Subventionen wurden vom chinesischen Staat verabschiedet. Subventionen für Busse mit einer Länge von mehr als 10 Metern (in RMB pro Fahrzeug) Abbildung 37: Subventionen für Busse mit alternativen Antrieben Quelle: KnowledgeAgent Research Um eine Bewertung des Marktreifegrades für die MAN Truck & Bus AG in das Segment der alternativ angetriebenen Stadtbusse in China vorzunehmen, wurde eine umfangreiche Analyse durchgeführt. Ziel hierbei war es, ein realistisches Bild der Markttreiber, des <?page no="69"?> 46 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld Marktpotenzials, des Wettbewerbssowie des Supply-Chain-Umfeldes zu erhalten. Diese Market Insights sind erforderlich, um den Marktreifegrad bestimmen und das Marktpotenzial einschätzen zu können. Die Analyse des Marktumfeldes wurde von MAN an KnowledgeAgent, einen externen Spezialisten für Markt- und Wettbewerbsinformationen, vergeben. Im Rahmen des Projektes wurde ein zweistufiges Verfahren von Sekundärsowie Primärquellenauswertung durchgeführt. Die Auswertung englischsprachiger internationaler Fach- und Tagespresse führte zu ersten Anhaltspunkten: Einige chinesische Hersteller melden große Auftragsvolumina im Bereich hybrider Stadtbusse. Die Zielvorgaben der Regierung deuteten auf ein großes Marktpotenzial und eine rasante Marktentwicklung hin. Eine Vielzahl an chinesischen Herstellern präsentierte im Internet bereits serienreife Stadtbusmodelle mit Hybridbzw. Elektroantrieb. Aufgrund der langjährigen Erfahrung mit dem Kommunikationsverhalten chinesischer Unternehmen konnte man darauf schließen, dass eine übertrieben positive Darstellung der realen Sachverhalte in China durchaus üblich ist. Um ein objektiveres Bild der Lage zu bekommen, wurde anschließend eine Befragung von Wissensträgern (Primärquellen) in der Branche durchgeführt. Aufgrund der kulturellen Unterschiede ist dies in der Regel nur vor Ort möglich, meist über persönliche Treffen und Face-to-Face-Interviews. Über das chinesische Research-Team der Fa. KnowledgeAgent wurden entsprechende Wissensträger identifiziert und befragt, u.a. aus den folgenden Organisationsbereichen: Hersteller von Stadtbussen sowie Zulieferer von hybrider bzw. elektrischer Antriebstechnologie Kommunale Stellen, die für die Gewährung von Subventionen zuständig sind Kommunale Stellen, die für die Beschaffung von Stadtbussen zuständig sind Flottenbetreiber von Stadtbussen in verschiedenen Städten und Landesteilen Die Durchführung der Interviews war bedeutend aufwendiger als die Auswertung der Sekundärquellen, ergab jedoch ein wesentlich realistischeres Marktbild. Dieses war davon geprägt, dass die offiziellen Zielvorgaben der Regierung bei Weitem nicht eingehalten wurden. Abbildung 38 verdeutlicht die Abweichung der Umsetzung von dem ursprünglichen Regierungsplan. Statt der geplanten 10.144 Fahrzeuge wurden nur rund 2.182 Fahrzeuge in den dreizehn betrachteten Städten angeschafft. Dies bedeutet, dass das tatsächliche Marktvolumen nur rund ein Fünftel des geplanten Marktvolumens ist. <?page no="70"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 47 Abbildung 38: Analyse tatsächlicher Stückzahlen Quelle: KnowledgeAgent Research Im Bereich der Technologie wurden die 15 wichtigsten Hersteller und ihre Produkte analysiert. Hier zeigte sich auf Basis der durchgeführten Interviews, dass es enorme technische Probleme mit den Stadtbussen gab, weshalb eine Vielzahl der angeschafften Busse gar nicht eingesetzt wurde bzw. nicht im Hybridmodus betrieben wurde. Wichtiger noch als die realistische Sicht auf Marktvolumen und Technologiestatus ist jedoch die Erkenntnis, dass ein starker lokaler Protektionismus bei der Vergabe der Aufträge besteht. Dies bedeutet nicht nur, dass lediglich chinesische Hersteller in den Genuss der Subventionen kommen, sondern auch, dass bei Neuanschaffungen in der Regel nur lokale Hersteller berücksichtigt werden. Dies führt zusätzlich zu einer starken Fragmentierung des Marktes, in dem sich neben den vier großen Herstellern (Foton, Yutong, Kinglong- Higer und Golden Dragon) zahlreiche kleine, regionale Spieler bewegen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass China einerseits in vielen Bereichen der wichtigste Wachstumsmarkt ist und sicherlich enorme Chancen bietet, andererseits aber auch die kulturellen Aspekte und insbesondere die Verflechtung von Wirtschaft und Politik fallspezifisch berücksichtigt werden müssen. Einige der Schwierigkeiten, mit denen KnowledgeAgent im Rahmen der internationalen Marktanalyse zu kämpfen hatte, wurden bereits erwähnt. So ist es zum Beispiel in China gang und gäbe, dass reale Sachverhalte stark geschönt dargestellt werden - im hier vorliegenden Fall die Auftragsvolumina hybrider Stadtbusse und die Serienreife alternativer Antriebstechnik. Ein weiteres Problem stellt selbstverständlich auch die Sprachbarriere dar. Durch die Kenntnis der Landessprache erschließt sich eine weitaus größere Zahl an Quellen. Face-to- <?page no="71"?> 48 • Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld Face-Interviews sind Befragungen übers Telefon vorzuziehen, da sie es dem Interviewer ermöglichen, detailliertere und präzisere Informationen zu erlangen als dies bei Telefonaten möglich ist. Diese Aspekte zeigen, wie wichtig es ist, bei der Analyse von internationalen Märkten und Wettbewerbern auf lokale Kenntnisse und Fähigkeiten zurückgreifen zu können. Auch hier gilt: „Think global - act local“. Fragen zur Fallstudie (1) Welche Gründe sprechen für eine Internationalisierungsstrategie im Bereich von alternativ angetriebenen Stadtbussen? (2) Wie schätzen Sie die Marktsituation in Europa ein? (3) Wie schätzen Sie die Marktsituation in China ein? (4) Wie schätzen Sie die Wettbewerbersituation in China ein? (5) Worin zeigen sich kulturelle Unterschiede bei der Nutzung von Primär- und Sekundärquellen in China im Vergleich zu Europa? (6) Glauben Sie, es ist für einen europäischen Hersteller sinnvoll, in den Markt für alternativ angetriebene Busse in China einzusteigen? Quellen Theorie Grant, R.M., 2012: Contemporary Strategic Analysis Text and Cases, 8 th Edition, Chichester (UK), John Wiley & Sons Ltd. Wright, M./ Filatotchev, I./ Hoskisson, R.E./ Peng, M.W., 2005: Strategy Research in Emerging Economies: Challenging the Conventional Wisdom, Journal of Management Studies, 42(1), pp. 1-33. Wright, S./ Calof, J.L., 2006: The Quest for Competitive, Business and Marketing Intelligence: A Country Comparison of Current Practice, European Journal of Marketing, 40(5/ 6), pp. 453-465. Daten Handelsblatt, 2010: Metropolen fahren mit Hybridbussen voraus, www.handelsblatt.com Abrufdatum, 24.09.2010. ChinaCarTimes, 2010: Government Confirms Subsidies for Hybrid and New Energy Vehicles, www.chinacartimes.com, Abrufdatum, 02.06.2010. <?page no="72"?> Kapitel I: Globales Unternehmensumfeld • 49 Literaturempfehlungen Basisliteratur Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012: International Business: The New Realities, 2. Aufl., New Jersey: Pearson, [Kapitel 2: „ Globalization of Markets and the Internationalization of the Firm“, S. 64-93]. Kutschker, M./ Schmid, S., 2011: Internationales Management, 7. Aufl., München, [Kapitel 3: „ Theorien der internationalen Unternehmung“, S. 379-481; Kapitel 7: „ Dynamik in der internationalen Unternehmung“, S. 1083-1211]. Vertiefungsliteratur Morasch, K./ Bartholomae, W., 2011: Internationale Wirtschaft, Lucius: München. Rodrigue, J.-P./ Comtois, C./ Slack, B., 2011: The Geography of Transport Systems, Second Edition, Routledge. <?page no="74"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs <?page no="75"?> 52 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs Standpunkt: Herausforderung der Globalisierung Prof. Hans-Olaf Henkel Hans-Olaf Henkel war in verschiedenen internationalen Managementpositionen für IBM tätig. Von Anfang 1995 bis Ende 2000 war er Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), von 2001 bis 2005 Präsident der Leibniz-Gemeinschaft. Heute lehrt Henkel als Honorarprofessor an der Universität Mannheim. 1. Wird sich die Globalisierung, welche die Weltwirtschaft in den letzten Jahrzehnten geprägt hat, mit der gleichen Dynamik fortsetzen? Das Wachstum der Weltwirtschaft wurde in den letzten Jahren durch den Aufholprozess der Schwellenländer, insbesondere der BRIC-Staaten, bestimmt. Ich glaube nicht, dass dieses Wachstum im gleichen Maße wie bisher verlaufen wird. Es wird trotzdem schneller verlaufen als in den USA und Europa, vor allem wird der Welthandel auf Jahrzehnte schneller wachsen als der Durchschnitt des Wachstums der einzelnen BIPs. Dazu werden Länder beitragen, die bisher nicht so im Fokus des Interesses standen, wie Indonesien, Mexiko, Südostasien und die nordafrikanischen Länder. Entscheidend bleibt, dass Marktwirtschaft, Menschenrechte und Demokratie weiter fortschreiten. Hier haben China und Russland einen strategischen Nachteil gegenüber anderen Ländern wie Indien, Brasilien und Indonesien. Zwar hat China eine bessere Infrastruktur, aber bei der „weichen“ Infrastruktur wie einer funktionierenden Demokratie sind diese Länder im Nachteil. Sie müssen den Übergang erst schaffen. Ob dieser friedlich und ohne Verwerfungen geschieht, steht in den Sternen . 2. Ohmae definierte die USA, Westeuropa und Japan als die zentralen Treiber der weltweiten Wirtschaftsentwicklung; inwiefern ist diese These noch zu halten und welche Regionen werden die Zukunft dominieren? Diese These muss revidiert werden. Als Produktionsland ist China längst allen drei Regionen davongeeilt. Als Softwarenation holt Indien schnell auf. Zwar kommen immer noch wichtige Impulse aus der „Alten Welt“, wie ich mal die Welt von Ohmae bezeichnen möchte (z.B. Software wie „Facebook“ aus den USA, Maschinenbau und Kfz-Innovationen aus Deutschland), aber Indien und China müssen als zusätzliche zukünftige „Treiber“ mitgezählt werden. So wie bei Japan auch, werden Indien und China nach einer Anfangsphase des Kopierens in eine Phase der Kreativität eintreten und die „Alte Welt“ mit eigenen Impulsen überraschen. Die außerordentliche Kreativität moderner chinesischer Kunst ist ein Vorbote industrieller Forschungsdurchbrüche aus diesen Ländern. <?page no="76"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 53 3. Sehen Sie das Modell einer geozentrischen, nicht an nationale Gegebenheiten orientierten Unternehmenskultur als zukunftsweisend oder spielen nationale Wurzeln weiterhin eine zentrale Rolle? Ich sehe die Bedeutung nationaler Wurzeln langsam zurückgehen. Seit die amerikanische IBM ihr PCbzw. ihr Laptopgeschäft an die chinesische Lenovo verkauft hat, ist die weltweite Marktstellung dieses Produktes eher gestiegen. Man kann dieses Phänomen anhand des Wandels großer deutscher Firmen sehr gut erkennen: Bayer macht z.B. inzwischen über 85% seines Umsatzes außerhalb Deutschlands, immer öfter werden Forschungsaktivitäten ins Ausland verlagert, der CEO von Bayer ist Niederländer. Einer der beiden zukünftigen CEOs der Deutschen Bank wird ein Inder sein. Dieser Trend darf aber nicht verwechselt werden mit der oft irrigen Annahme, die Kunden wollten in der Zukunft keine Produkte ohne „nationale Wurzeln“ mehr. GM ist vor Jahren mit der Idee eines „World Car“ gescheitert. Die Kunden wollen einen „deutschen“ Opel oder einen „schwäbischen“ Porsche und kein verwechselbares Einheitsprodukt. Mit anderen Worten, die Rücksichtnahme auf nationale Kundenwünsche muss auch ein weltweit tätiges Unternehmen immer im Auge behalten. 4. Wie kann ein Unternehmen aus Ihrer Sicht global agieren, ohne dabei die aus der nationalen Identität stammende Stärke zu verlieren? Das ist nach meiner Meinung die Schlüsselfrage. Ich beobachte zurzeit einen zunehmenden Trend zur Funktionalisierung zulasten der regionalen Verantwortung. Klar, in Zeiten der Globalisierung muss man über Landesgrenzen hinweg Entscheidungen treffen, aber die völlige Entmachtung „regionaler Könige“, die zurzeit bei fast allen „Global Players“ zu beobachten ist, birgt das Risiko, am regional verankerten Kunden vorbei zu entscheiden. Der richtige Mix aus funktionaler und regionaler Verantwortung macht den Unterschied. Produktion, Entwicklung, Administration und Infrastruktur können durchaus internationalisiert werden, Marketing schon weniger. Vor allem muss sichergestellt werden, dass die Entwicklung von Produkten immer wieder direkte Anstöße aus den Regionen bekommt. 5. Welche Faktoren bestimmen im 21. Jahrhundert die Wettbewerbsfähigkeit von Nationen? Neben der Bildung vor allem ein politisches System, in dem Ideen, Kritik, Anregungen ohne Furcht geäußert werden und „nach oben“ kommen können. Das gilt sowohl für Unternehmen als auch für Nationen. Hier sehe ich einen strategischen Nachteil Chinas und Russlands entstehen. Am Beispiel der Entwicklung Südafrikas kann man gut erkennen, wie schnell die Entwicklung zur Demokratie auch der wirtschaftlichen Entwicklung Beine machen kann. Den Zugang zu Rohstoffen sehe ich dagegen als weniger wichtig an. Dieser lenkt immer wieder von der Entwicklung eigener Kreativität ab und könnte zu einer Vernachlässigung der Bildungsanstrengungen, zu Trägheit und sinkender Wettbewerbsfähigkeit der Bevölkerung führen. Saudi-Arabien ist ohne intellektuelle Importe nicht überlebensfähig, wohl aber seit Langem eines der reichsten Länder der Welt. <?page no="77"?> 54 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs 6. Welche Rolle sollte der Staat oder supranationale Organisationen spielen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Region zu sichern? Er muss den Wettbewerb in allen Bereichen der Gesellschaft organisieren: in der Bildung, zwischen Regionen, unter den Unternehmen, in der Kultur, im Sport. Wettbewerbsfähig bleibt eine Region durch ... Wettbewerb! <?page no="78"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 55 Grundlagen des internationalen Wettbewerbs Für ein entscheidungsorientiertes Internationales Management stellt sich die Frage, welche Variablen auf die Unternehmensführung einwirken und zu einer Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit führen. Hierzu leisten Theorien der internationalen Unternehmenstätigkeit einen wertvollen Beitrag. Bereits in der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts wurden ökonomische Probleme angesprochen, die sich mit der Beziehung von Volkswirtschaften, Branchen und Unternehmen zum Ausland beschäftigen (Casson, M., 1988; Babbage, Ch., 1832; Ricardo, D., 1821; Smith, A., 1776). In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde eine Vielzahl von meist volkswirtschaftlichen Theorien entwickelt, die sich mit Problemen des Außenhandels, der Direktinvestitionen im Ausland und mit internationalen Technologieverträgen befassen. Ab den 1960er Jahren wurde durch die Diskussion über das Wesen und die Bedeutung von multinationalen Unternehmen auch in der Betriebswirtschaftslehre nach Theorien und Konzepten gesucht, die die Internationalisierung dieses Unternehmenstyps erklären sollten. Dabei stellt die Mehrzahl der Theorien und Konzepte Erklärungsmodelle dar, warum und wie es zu einer Internationalisierung von Volkswirtschaften, Branchen und Unternehmen kommt. Abbildung 39 stellt die im Folgenden behandelten betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Konzepte im Überblick dar. Abbildung 39: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs <?page no="79"?> 56 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs 1 Volkswirtschaftliche Konzepte des internationalen Wettbewerbs 1 .1 Theorien des internationalen Handels 1 .1.1 Klassische Theorien Merkantilismus und absolute Kostenvorteile Der Merkantilismus wird als die erste Theorie des internationalen Handels angesehen und trat im 16. Jahrhundert erstmals in Europa auf. Gekennzeichnet ist der Merkantilismus durch die intensive staatliche Förderung der Wirtschaft, mit dem Ziel den Außenhandel zu stärken und eine permanente positive Handelsbilanz zu wahren. Im 16. Jahrhundert waren Gold und Silber die offizielle Währung zwischen Nationen und Synonym für Wohlstand und Macht. Durch die Besteuerung von Importen und die Subventionierung von Exporten versuchte der Staat, einen permanenten Handelsüberschuss zu erzwingen, sowie die Macht und den Wohlstand des Landes zu steigern (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Hill, C.W.L., 2009). Die Gegenargumentation erfolgte unter anderem durch den Wirtschaftsökonom David Hume, der die Widersprüchlichkeit der merkantilistischen Sichtweise belegt. Laut Hume führt ein dauerhafter Exportüberschuss zu einer Erhöhung der Geldmenge und zu steigenden Preisen auf dem Inlandsmarkt. Im Vergleich zum Ausland werden die Waren auf dem Inlandsmarkt relativ teurer. Daraus folgt ein Importüberschuss, der durch die Gold- und Silberreserven finanziert wird. In den Empfängerländern kommt es zu dem gleichen Prozess, bis alle Länder einen Ausgleich von Importen und Exporten erreicht haben. Es wird dann von absoluten Kostenvorteilen gesprochen, wenn ein Land dasselbe Produkt zu niedrigeren Kosten herstellen kann als ein anderes Land. Durch Außenhandel können die Produktionsfaktoren in beiden Ländern effizienter eingesetzt werden. Komparative Kostenvorteile Die Theorie der Produktivitätsunterschiede geht davon aus, dass die relativen Kostendifferenzen zwischen zwei oder mehreren Ländern die Richtung der Handelsströme zwischen diesen Ländern bestimmen (Rose, K./ Sauernheimer, K., 2006). Ein bestimmtes Land hat einen komparativen Kostenvorteil bei der Herstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung, wenn die Opportunitätskosten der Herstellung des Produktes niedriger sind als die eines anderen Landes. In einem solchen Fall sind eine Spezialisierung und folglich internationaler Handel ratsam (Krugman, P./ Wells, R., 2009). Empirische Untersuchungen lassen jedoch erhebliche Bedenken an der praktischen Relevanz dieser Theorie für Volkswirtschaften aufkommen (Porter, M.E., 2001). <?page no="80"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 57 Faktorausstattung Heckscher (Heckscher, E.F., 1949) und Ohlin (Ohlin, B., 1931) begründeten das Entstehen des Handels zwischen Ländern mit den Unterschieden in der Faktorausstattung von Arbeit und Kapital (Hill, C.W.L., 2009). Ausgangspunkt ist dabei die Hypothese, dass Richtung und Struktur des Welthandels im Wesentlichen durch die relative Faktorausstattung bestimmt werden. Danach müssten die Erzeugnisse, für deren Produktion der relativ reichlich vorhandene und damit billige Faktor eines Landes notwendig ist, vergleichsweise billig sein und somit von diesem Land exportiert werden, während Güter, die einen relativ knappen Faktor zur Herstellung benötigen, teuer sind und folglich aus solchen Ländern importiert werden, in denen dieser Faktor reichlich vorhanden ist (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011). Das Heckscher-Ohlin-Theorem bestimmte lange Zeit die außenwirtschaftliche Diskussion. Eine empirische Bestätigung war nur unter Berücksichtigung zusätzlicher Erklärungsvariablen möglich. Insbesondere die empirische Untersuchung von Leontief (Leontief, W., 1956) führte zu umfangreichen Diskussionen über die Gültigkeit der Theorie. Leontief stellte für die USA, die in den Jahren 1947 und 1951 Kapital als reichlichen Faktor in Relation zur Arbeit hatten, fest, dass die Exportgüter arbeitsintensiver waren als die Importgüter. Dieses Phänomen, das als Leontief-Paradoxon bekannt wurde, hatte eine Reihe von Erklärungsversuchen zur Folge. Viele Untersuchungen bestätigten das Leontief-Paradoxon auch für spätere Jahre, unterschiedliche Branchen und andere Länder (Hill, C.W.L., 2009; Perlitz, M., 1978). Zur Auflösung des Leontief-Paradoxons wurden verschiedene Erklärungsvariablen untersucht, z.B.: der große Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitskräften (Humankapital) der Exporte fortgeschrittener Volkswirtschaften, der Effizienzvorsprung fortgeschrittener Volkswirtschaften bei der Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, der zu komparativen Vorteilen durch den technologischen Vorsprung in der Herstellung neuer Güter führt, und die Beschränkung von arbeitsintensiven Importen durch Zollbestimmungen fortgeschrittener Volkswirtschaften. Empirische Bestätigungen für die Auflösung des Leontief-Paradoxons konnten nicht für alle Erklärungsvariablen gewonnen werden (Baldwin, R.E., 1971). 1 .1.2 Moderne Theorien Theorie der technologischen Lücke Komparative Kostenvorteile ergeben sich auch aus internationalen Unterschieden in der Technologie. Aufbauend auf diesen Überlegungen, entwickelte Posner (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Posner, M.V., 1961) die Theorie, dass Exporte durch das Vorhandensein einer <?page no="81"?> 58 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs technologischen Lücke zwischen dem In- und Ausland entstehen. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Entwicklung eines Produktes, das entweder neu ist oder mit einem bereits existierenden Erzeugnis konkurriert. Ein Beispiel (Hufbauer, G.C., 1966) soll das Zustandekommen eines internationalen Handels durch eine technologische Lücke verdeutlichen: Ein deutsches Unternehmen hat ein neues Produkt A entwickelt, das in Konkurrenz zu einem Erzeugnis B eines US-Unternehmens steht, diesem Erzeugnis aber technologisch überlegen ist. Im Zeitpunkt t 0 beginnt das Unternehmen die Produktion. In den USA erlangt man einige Zeit später Kenntnis von dem neuen Produkt und beginnt den Import aus Deutschland. Damit kommt ein Exportstrom von Deutschland in die USA zum Zeitpunkt t 1 zustande. Die Zeitdifferenz zwischen dem ersten deutschen und dem ersten amerikanischen Konsum bezeichnet man als Nachfragelücke. Abbildung 40 stellt die Nachfragelücke (t 0 -t 1 ) grafisch dar. Abbildung 40: Theorie der technologischen Lücke In der Zwischenzeit stellen US-Unternehmen fest, dass ihr Markt durch die Importe aus Deutschland gefährdet wird oder, falls es sich um ein neues Erzeugnis handelt, eine sehr attraktive Marktchance besteht. Für sie gibt es nun neben einer passiven Haltung zwei mögliche Handlungsalternativen: die neue Technologie zu kaufen oder eine entsprechende eigene Technologie zu entwickeln. Problematisch wird die zweite Alternative dann, wenn in den USA das neue Produkt patentrechtlich von dem deutschen Unternehmen geschützt ist. In diesem Falle müssen die US-Unternehmen ein Produkt entwickeln, das keine Patentverletzung gegenüber dem deutschen Erzeugnis darstellt, oder das Patent kaufen. Beginnt das US-Unternehmen zum Zeitpunkt t 2 mit der eigenen Produktion, dann bezeichnet man die Zeitdifferenz zwischen t 0 und t 2 als Imitationslücke und die Imitationsroute wäre bei einem Technologieerwerb ein Technologievertrag. Kosten-, Liefer- oder andere Gründe können Vorteile für die US-amerikanischen Unternehmen sein, die dazu führen, dass <?page no="82"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 59 der Export des deutschen Unternehmens in die USA sinkt. Generell wird angenommen, dass der Export von Deutschland umso intensiver wird, je länger die Imitationslücke und die technologische Lücke bestehen. Im Zeitpunkt t 3 findet aus Deutschland kein Export mehr in die USA statt. Für den Zeitraum zwischen t 1 und t 3 spricht man von einem technologischen Lücken-Handel. Nach dem Zeitpunkt t 3 kann es nach dieser Theorie zu Exporten aus den USA nach Deutschland, d.h. zu einer Umkehrung der Exportströme, kommen. In der Regel wird bei der Theorie der technologischen Lücke unterstellt, dass der Export von einem Land mit technologischer oder industrieller Führerschaft ausgeht und dass dies meist auf Länder mit einem hohen Lohnniveau zutrifft. In der ersten Phase der Theorie hat das Innovationsunternehmen einen technologischen Vorsprung und die Lohnkosten spielen nur eine untergeordnete Rolle. Nachdem die Imitationslücke geschlossen wurde, werden jedoch die Kostenunterschiede nach dieser Theorie zur Hauptdeterminante des Handelsstromes, was zur Theorie der komparativen Kosten zurückführt. Darum wird unterstellt, dass in der zweiten Phase der Theorie eine Umkehrung der Exportströme von Niedrigzu Hochlohnländern erfolgt. Dieser Niedriglohn-Handel wird seinerseits wiederum durch das Aufkommen neuer Produkte oder Verfahren im Hochlohnland oder durch das Ansteigen der Lohnsätze im Niedriglohnland beendet. Die Entwicklung des technologischen Lücken-Handels zum Niedriglohn-Handel und dessen Ende ist in Abbildung 41 wiedergegeben. Aus ihr wird deutlich, welche Faktoren die Imitationslücken oder den Niedriglohn-Handel fördern oder beenden. Beim technologischen Lücken-Handel bestimmen jedoch nicht immer die Lohnkostenunterschiede zwischen den Ländern die Richtung des Handels in der zweiten Phase. Durch die Entwicklung eines neuen Produktes oder eines neuen Produktionsverfahrens im Hochlohnland kann die zweite Phase des Außenhandels auch wegfallen. In diesem Zusammenhang weist Porter darauf hin, dass knappe, teurere Arbeitskräfte ein wichtiger Anstoß für Innovationen sind (Porter, M.E., 2001). In der Realität kann es für das gleiche Land sowohl zu einem technologischen Lücken- Handel als auch zu einem Niedriglohn-Handel kommen. Hufbauer (Hufbauer, G.C., 1966) nennt als Beispiel den Export und Import von Nylon. Nachdem in den USA Nylon entwickelt und ab 1941 produziert wurde, hat 1950 Großbritannien als eines der ersten Länder neben den USA die Produktion von Nylon aufgenommen und im Gegensatz zu den USA auch nach Spanien exportiert (Freeman, C., 1963). Gleichzeitig begann der Export von Nylon von Großbritannien in die USA. Der Export von Großbritannien in die USA war ein Niedriglohn-Handel und der nach Spanien ein technologischer Lücken-Handel. Deshalb kann sich das Land mit den längsten Imitationslücken später nur noch auf den Niedriglohn-Handel einrichten. Umfangreiche empirische Untersuchungen für verschiedene Länder und Branchen zeigen die große Bedeutung dieser Theorie für das Zustandekommen von Exporten (Perlitz, M., 1978). <?page no="83"?> 60 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs Abbildung 41: Vom technologischen Lückenzum Niedriglohn-Handel Das Entstehen einer technologischen Lücke wird in dieser Theorie aus einer überlegenen Produkt- oder Prozesstechnologie abgeleitet. Damit basiert diese Theorie insbesondere auf dem Ergebnis von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten des Unternehmens. Betriebliche Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen beeinflussen das Regelkreissystem der Unternehmensführung. Aufgrund dessen muss die Erklärungsvariable „ Technologie“ in die betriebliche Stärken- und Schwächenanalyse zur Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie eingehen. Ebenso muss die Höhe der Arbeitskosten über die Erklärungsvariable „ Kosten“ in der betrieblichen Stärken- und Schwächenanalyse Berücksichtigung finden. Der Technologieaspekt wirkt sich in dieser Analyse auch auf die Erklärungsvariable „ Produktion“ aus. Gleichsam leistet die Theorie im Rahmen des Regelkreissystems einen Beitrag für die Umweltanalyse. Sie untersucht nämlich, welche Umweltfaktoren die Imitationslücke verkürzen oder verlängern. In diesem Zusammenhang werden die Erklärungsvariablen „ Größe des Marktes“ und „ Zollschranken“ für eine Umweltanalyse relevant. Darüber hinaus wird durch die Unterscheidung in Innovations- und Niedriglohnland auf die Bedeutung der Erklärungsvariablen „ Allgemeines Kostenniveau“ und „ Technologischer Stand“ für eine Umweltanalyse verwiesen. Diese Erklärungsvariablen beeinflussen über eine Umweltanalyse die Formulierung einer Internationalisierungsstrategie. <?page no="84"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 61 Produktlebenszyklus-Theorie Auch die Produktlebenszyklus-Theorie des internationalen Handels, die 1966 von Vernon (Vernon, R., 1966) entwickelt wurde, setzt bei neuen Produkten oder Verfahren an. Diese Theorie unterstellt, dass der Export von Gütern von deren Stellung auf ihrer Produktlebenszykluskurve abhängt. Vernon unterscheidet in seiner Betrachtung nicht, ob es sich um ein Konsum- oder Investitionsgut handelt (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011). Er unterscheidet drei Phasen im Produktlebenszyklus: (1) eine Einführungsphase, in der ein neues Produkt angeboten wird, (2) eine Wachstumsphase, in der das Produkt eine gewisse Reife erlangt hat und (3) eine Reifephase, in der das Produkt standardisiert ist. Ausgangspunkt seiner Argumentation ist ein im In- und Ausland neues Produkt. Dabei kann dieses Erzeugnis nach Vernon im Hinblick auf den Input, das Verfahren oder die Ausstattung neu sein. Das Exportverhalten von Unternehmen wird nach dieser Theorie wie folgt erklärt (Hirsch, S., 1967): Neue Produkte sind i.d.R. sich schnell ändernden Produktionstechniken ausgesetzt, durch hohe Stückkosten belastet und erfordern einen hohen Personalbedarf, wobei Naturwissenschaftler und Techniker die wichtigsten Personengruppen sind. Solange andere Unternehmen im Ausland noch nicht über eine entsprechende Technologie verfügen, wird unterstellt, dass das Innovationsunternehmen eine Monopolstellung hat. Die verhältnismäßig hohen Stückkosten spielen für den Innovator in diesem Stadium eine untergeordnete Rolle, da das Unternehmen „ Monopolgewinne“ erwirtschaftet und für den Produzenten wegen der großen Produktdifferenzierung eine relativ geringe Preiselastizität der Konsumentennachfrage besteht. Somit sind Kostengesichtspunkte während der Einführungsphase weniger bedeutend als die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen dem Produzenten und dem Konsumenten. Darüber hinaus sind in diesem frühen Stadium billigere Arbeitsplätze im Ausland für den Entscheidungsprozess unerheblich. In dieser Phase des Produktlebenszyklus beginnt der Export der Unternehmen. Dieser Export entspricht dem technologischen Lücken-Handel, der so lange ungestört fortgeführt werden kann, bis die Imitationslücke geschlossen ist. Dies kann bereits sehr früh erfolgen, d.h. wenn das Erzeugnis noch relativ neu ist (Einführungsphase), oder erst später, wenn das Produkt eine bestimmte Reife erlangt hat (Wachstumsphase). Bis zur Schließung der Imitationslücke steigt der Export ins Ausland. Da die neuen Erzeugnisse nach dieser Theorie zunächst nur für die Konsumenten mit höherem Einkommen in Betracht kommen, geht der Export schwerpunktmäßig in andere Industrienationen. Spätestens wenn das Produkt die Wachstumsphase des Produktlebenszyklus erreicht hat, nehmen die ersten Imitationsunternehmen im In- und Ausland die Produktion dieser Produkte auf. Diese Unternehmen befinden sich nach Vernon (Vernon, R., 1966) hauptsächlich in Industrieländern; allmählich tritt in diesen Ländern eine Importsubstitution ein. Auf <?page no="85"?> 62 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs den Drittmärkten, die verallgemeinernd mit den Entwicklungsländern gleichgesetzt werden, konkurriert nun das Innovationsmit den Imitationsunternehmen in immer stärkerem Ausmaß, was zu einer Senkung der Marktpreise führt. In dieser Phase ist nach Hirsch (Hirsch, S., 1967) die wichtigste Personengruppe das Management im Unternehmen. Die Erzielung eines Monopolgewinnes ist durch die nun aufkommende Konkurrenz nicht mehr möglich. Die Stückkosten, insbesondere die Lohnkosten, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Es kommt zu ersten Verlusten, die dazu führen, dass Entwicklungsländer ihre Kostenvorteile auszunutzen versuchen. Durch die niedrigeren Lohnkosten im Ausland sind dann ausländische Unternehmen auf dem Inlandsmarkt des Innovators konkurrenzfähig. In der Reifephase wird unterstellt, dass das Innovationsunternehmen und die anderen inländischen Unternehmen aus Kostengründen auf ihrem Inlandsmarkt nicht mehr konkurrenzfähig sind. Es findet eine vollständige Exportsubstitution durch Importe statt. Die Produktion wird in Entwicklungsländer verlagert und der Handel, der mit dem technologischen Lücken-Handel begonnen hatte, wird nun durch den Niedriglohn-Handel beendet. Abbildung 42 stellt den Ablauf der Produktlebenszyklus-Theorie des internationalen Handels schematisch dar. Am Beispiel des VW-Käfers lässt sich diese Theorie nachvollziehen. Der VW-Käfer wurde in Deutschland innoviert. In Deutschland wurden anfänglich mehr VW-Käfer produziert als konsumiert. Die überschüssige Produktion exportierte VW in andere Länder. Damit schloss sich in diesen Ländern die Nachfragelücke. Zunächst gingen die Exporte in andere Industrieländer und später in Entwicklungsländer. Zu diesem frühen Zeitpunkt war der VW-Käfer eine neue Produktidee. Als eines der nächsten Länder nahm z.B. Belgien und damit ein weiteres Industrieland die Montage und Produktion des VW- Käfers auf. Dies führte zum Schließen der Imitationslücke. Auch in Belgien wurden mehr VW-Käfer produziert als die dortige Inlandsnachfrage aufnehmen konnte. Damit exportierte VW den Käfer aus Deutschland und aus Belgien. Die Exporte gingen in andere Industrieländer und in Entwicklungsländer. Als der VW-Käfer sich langsam von einem reifenden zu einem standardisierten Erzeugnis entwickelte, nahmen Länder wie z.B. Brasilien, Mexiko und Nigeria die Produktion des VW-Käfers auf und exportierten ihn dann ebenfalls. In Deutschland wurde die Produktion des VW-Käfers eingestellt und die Nachfrage durch Importe aus Mexiko gedeckt. Damit kam es zu einer vollkommenen Umkehr der Handelsströme. Aus einem technologischen Lücken-Handel wurde ein Niedriglohn- Handel. Die Produktlebenszyklus-Theorie des internationalen Handels eignet sich hauptsächlich für Ex-post-Analysen (Perlitz, M., 1978). Aus solchen Ex-post-Analysen wird für Unternehmen aus Hochlohnländern deutlich, dass sie permanent innovieren, d.h. neue internationale Produktlebenszyklen beginnen müssen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben oder zu werden. Für betriebswirtschaftliche Entscheidungsmodelle liefert diese Theorie jedoch nur einen sehr begrenzten Beitrag. Um für betriebswirtschaftliche Ex-ante-Analysen eingesetzt <?page no="86"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 63 zu werden, müsste der konkrete Verlauf der Produktlebenszykluskurve für unterschiedliche Länder prognostizierbar sein. Daneben ist die Phaseneinteilung nicht unproblematisch und wird mehr oder weniger willkürlich vorgenommen. Für Entscheidungen über Exporte bzw. Importe ist die Kenntnis, wann Nachfrage- und Imitationslücken geschlossen werden, notwendig. Das Schließen dieser Lücken kann zwar ex-post erklärt, aber nicht ex-ante prognostiziert werden. Diese grundsätzliche Kritik gilt gleichermaßen für die Analyse des technologischen Lücken-Handels. Abbildung 42: Internationale Produktlebenszyklus-Theorie Des Weiteren ist kritisch anzumerken, dass für betriebswirtschaftliche Entscheidungen die Produktlebenszykluskurve keine vorgegebene und damit prognostizierbare Kurve ist, sondern die zu schätzenden Parameter abhängige Variable der Unternehmensstrategie sind. Damit wird eine Prognose des Verlaufs des Produktlebenszyklus ohne eine vorherige Festlegung der Unternehmensstrategie für das Unternehmen unmöglich. Es soll jedoch gerade durch eine Analyse des Produktlebenszyklus die Unternehmensstrategie festgelegt werden. Da sich zeigen lässt, dass der s-förmige Verlauf des Produktlebenszyklus nicht immer unterstellt werden kann und die Phasen damit nicht immer durchlaufen werden müssen, macht dies die Fragwürdigkeit dieses Konzeptes deutlich. Der neue VW-Käfer, der in Mexiko hergestellt und von dort in Industrie- und Entwicklungsländer exportiert wird, veranschaulicht, dass ein Imitationsland für ein Produkt auch zum Innovationsland werden kann. In diesem Beispiel ist der gesamte Ablauf der internationalen Produktlebenszyklus-Theorie infrage zu stellen. <?page no="87"?> 64 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs Unabhängig von den genannten Kritikpunkten bietet die Produktlebenszyklus-Theorie dennoch einige Anhaltspunkte zur Gestaltung einer betrieblichen Stärken- und Schwächensowie einer Umweltanalyse. So baut die Produktlebenszyklus-Theorie des internationalen Handels auf dem Bestehen von technologischen Lücken in der Einführungsphase auf. In dieser Theorie kommt damit der Forschung und Entwicklung sowie neuen Produkten und Produktionsverfahren eine zentrale Rolle zu. Die Aussagen der internationalen Produktlebenszyklus-Theorie basieren hauptsächlich auf Technologie- und Lohnkostenunterschieden. Diese gehen als mögliche Erklärungsvariablen „ Kosten“ und „ Technologie“ in eine betriebliche Stärken- und Schwächenanalyse ein. Die Stellung eines Produktes auf der Produktlebenszykluskurve bezieht sich auf die Erklärungsvariable „ Absatz“ in einer betrieblichen Stärken- und Schwächenanalyse. Die genannten Erklärungsvariablen tangieren wiederum das Regelkreissystem des Unternehmens und geben damit Impulse für die Formulierung einer Internationalisierungsstrategie. Lernkurven-Theorie des internationalen Handels Posner (Posner, M.V., 1961) und Arrow (Arrow, K.J., 1962) haben Lerneffekte als Erklärungsvariable für das Zustandekommen von Exporten untersucht. Die aus diesen Untersuchungen entstandene Lernkurven-Theorie des internationalen Handels basiert auf der These, dass die Technologie (hier insbesondere die Prozesstechnologie) eines Landes durch die dort kumulierte Produktionsmenge bestimmt wird. Sie besagt weiter, dass das Land mit dem größten kumulierten Produktionsvolumen durch Lerneffekte die niedrigsten Kosten erreicht, d.h. eine überlegene Technologie entwickelt, und damit über bessere Exportchancen verfügt als ein Land mit einer geringeren kumulierten Produktion. Durch den komparativen Kostenvorteil kann ein Land in der Lage sein, die entsprechenden Produkte erfolgreich zu exportieren, selbst wenn beide Länder die gleiche Faktorausstattung haben. Dieser Effekt ist umso stärker, je größer der Inlandsmarkt bzw. der Auslandsmarkt während des Bestehens einer Imitationslücke ist. Das der Lernkurven-Theorie des internationalen Handels zugrunde liegende Konzept ist die Lernkurve, die erstmals 1936 von Wright (Wright, T.P., 1936) bei der Fertigung von Flugzeugen empirisch festgestellt wurde. Wright stellte fest, dass bei jeder Verdoppelung der kumulierten Produktion im Zeitablauf die Kosten pro Flugzeug um einen bestimmten Lerngrad, z.B. 20%, gesunken sind. Umfangreiche empirische Untersuchungen bestätigen zwar, dass ein „ Learning by Doing“-Effekt auftritt (Albach, H., 1991; Perlitz, M., 1978), jedoch unterscheiden sich die Lerngrade in den verschiedenen Industriezweigen und der konkrete Verlauf der Lernkurven kann ein sehr unterschiedliches Aussehen haben. Empirisch wurden fallende Lernkurven, die in kartesischen Koordinaten mit logarithmischer Skaleneinteilung einen linearen Verlauf aufweisen, konvexe und s-förmige Lernkurvenverläufe nachgewiesen. In einigen Fällen kann es auch zu einer geknickt linear fallenden Lernkurve kommen, die zunächst relativ steil und im zweiten Abschnitt relativ flach verläuft. Abbildung 43 stellt die unterschiedlichen Typen von Lernkurven dar, die empirisch festge- <?page no="88"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 65 stellt wurden, wobei log Y ein Effizienzmaß (z.B. Kosten pro Stück, Arbeitsstunden bzw. Fertigungsstunden pro Stück) und log X ein Maß für die Erfahrung (z.B. kumuliertes Produktionsvolumen) ist. Während die traditionelle Lernkurven-Theorie Lernprozesse hauptsächlich im Fertigungsbereich untersucht, entwickelte die Boston Consulting Group dieses Konzept weiter und spricht von Erfahrungskurven, die alle Kostenarten, also auch die Absatz-, Forschungs-, Entwicklungssowie sonstige Gemeinkosten, in den Lernprozess mit einbeziehen (Henderson, B.D., 1984). In zahlreichen empirischen Untersuchungen wird gezeigt, dass auch bei Einbeziehung dieser Kostenarten linear fallende oder geknickt linear fallende Erfahrungskurven in der betrieblichen Praxis anzutreffen sind. Als Effizienzmaß dieser Erfahrungskurve (log Y) werden die Durchschnittspreise pro Stück untersucht, wobei ein linear fallender Verlauf der Lernkurve unterstellt wird. Abbildung 43: Mögliche Verläufe von Lernkurven Umstritten ist die Frage, ob es typische Lernkurven gibt. So wurden in verschiedenen Branchen sehr unterschiedliche Verläufe und Lerngrade gefunden. Damit wird deutlich, dass eine eindeutige Aussage über den Verlauf von Lernkurven ex-ante nur sehr schwer möglich ist. Trotzdem können Lerneffekte, zumindest als Rationalisierungspotenziale, nicht bestritten werden. Für veränderte oder neue Produkte können manchmal die Lerngrade ähnlicher Erzeugnisse Näherungswerte für eine Prognose über den Verlauf geben. Ein schwieriges, wenn auch nicht unlösbares Problem des Erfahrungskurven-Konzeptes ist die Trennung in die Einzeleffekte „ Learning by Doing“, Economies-of-Scale und Economies-of-Scope, worauf aber an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll. Die praktische Relevanz von Erfahrungskurven für die Entwicklung von Exportstrategien soll an einem Beispiel verdeutlicht werden (vgl. Abbildung 44). Zunächst soll davon ausgegangen werden, dass ein Unternehmen U D in Deutschland ein Produkt innoviert hat und <?page no="89"?> 66 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs durch die kumulierte Produktion dieses Erzeugnisses in Höhe von X D einen Erfahrungsvorsprung besitzt, der durch die Kostenhöhe P D bestimmt wird. E D gibt dabei die Erfahrungskurve wieder, die für deutsche Kostenverhältnisse typisch sein soll. Bei gleicher Kostenstruktur müsste ein deutscher Wettbewerber auch eine kumulierte Produktionsmenge X D erzielen, um mit U D gleichzuziehen. Tritt z.B. ein japanischer Wettbewerber U J neu in den Markt ein, dann werden i.d.R. bei der Betrachtung der Erfahrungskurve mehrere Effekte relevant. Erstens kann durch eine günstigere Ausgangskostensituation in Japan der Startpunkt K J niedriger sein als der des deutschen Unternehmens (K D ). Durch den niedrigeren Einstieg in die Erfahrungskurve würde der japanische Wettbewerber die kumulierte Produktionsmenge X einsparen (vgl. Abbildung 44). Zweitens kann ein japanischer Wettbewerber, der die Produktion später beginnt, die neueste Technologie am Markt kaufen und eine Neuoptimierung vornehmen, während das deutsche Unternehmen oftmals nur noch in bestehenden Systemen optimieren kann. Oft ermöglicht das einem japanischen Wettbewerber, eine steilere Erfahrungskurve zu realisieren, d.h., höhere Lerngrade sowie Economies-of-Scale- oder Economies-of-Scope-Effekte zu erreichen als der deutsche Konkurrent. Drittens hat ein japanischer Wettbewerber den Vorteil, dass das deutsche Unternehmen bereits das Marktpotenzial „ ausgetestet“ hat. Durch eine auf ein spezielles Produkt konzentrierte globale Exportstrategie kann das japanische Unternehmen schnell eine hohe kumulierte Produktion erreichen. Exporte bieten somit die Möglichkeit, Erfahrungskurveneffekte im Inland durch das Ausnutzen von Marktpotenzialen im Ausland zu erzielen. Gelten diese drei Voraussetzungen für einen japanischen Wettbewerber, dann benötigt dieser nur noch die kumulierte Produktionsmenge X J , um die gleiche Kostenhöhe (P J ) wie der deutsche Wettbewerber zu erreichen (P D ). Hinter den kumulierten Produktionsmengen X D und X J stehen unterschiedliche Zeithorizonte. Dem japanischen Wettbewerber gelingt es damit schneller als dem deutschen, das gleiche Kostenniveau (P J = P D ) auf der Erfahrungskurve zu erreichen. Unterstellt man als Nächstes, dass ein südkoreanisches Unternehmen U SK die Produktion des Erzeugnisses aufnimmt und geht von einem Ausgangskostenniveau K SK aus, das niedriger liegt als das des japanischen Wettbewerbers K J , dann spart das südkoreanische Unternehmen wiederum eine kumulierte Produktionsmenge. Nimmt auch das südkoreanische Unternehmen eine „ Neuoptimierung“ vor, realisiert es damit eine steilere Erfahrungskurve als der japanische Konkurrent. Geht man weiterhin davon aus, dass das südkoreanische Unternehmen ebenfalls eine globale Exportstrategie wählt, um seine kumulierte Produktion so schnell wie möglich zu erhöhen, so sieht man aus Abbildung 44, dass dann nur noch die kumulierte Produktionsmenge X SK benötigt wird, um mit dem deutschen und japanischen Unternehmen auf der Erfahrungskurve gleichzuziehen. Es ist damit wiederum <?page no="90"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 67 schneller als die japanische Konkurrenz. Die unterschiedlichen Zeitintervalle dieser „ Aufholjagd“ lassen sich, wie an anderer Stelle gezeigt wurde (Perlitz, M., 1983), mathematisch mit ihren kritischen Werten in Bezug auf Kapazitäten, Marktwachstum, Ausgangskostenniveaus und unterschiedliche Lerngrade ermitteln. Abbildung 44: Entwicklung von Exportstrategien auf der Basis von Erfahrungskurven Die Lernkurven-Theorie des internationalen Handels liefert eine Reihe von Erklärungsvariablen für eine betriebliche Stärken- und Schwächensowie eine Umweltanalyse. Einerseits sind die Lerneffekte für die Erklärungsvariablen „ Kosten“, „ Produktion“ und „ Technologie“ einer betrieblichen Stärken- und Schwächenanalyse bedeutsam. Andererseits wird es dem Unternehmen durch einen großen Inlandsmarkt möglich, die Erfahrungskurve relativ schnell zu durchlaufen und damit die Erklärungsvariable „ Größe des Marktes“ für eine Umweltanalyse relevant wird. Somit liefert die Lernkurven-Theorie des internationalen Handels Erklärungsvariablen, die für das Regelkreissystem der Unternehmensführung relevant werden und die Formulierung einer Internationalisierungsstrategie beeinflussen. Nachfragestruktur-Theorie Die Nachfragestruktur-Theorie, die von Linder (Linder, S.B., 1961) entwickelt wurde, unterscheidet zwischen Exporten von Ur- (= natürliche Ressourcen) und Industrieprodukten. Für die Erklärung des Außenhandels mit Urprodukten stützt sich Linder auf die Theorie der komparativen Kostenvorteile nach Heckscher und Ohlin (Faktorausstattungstheorie). Die Nachfragestruktur-Theorie wird somit nur für Industrieprodukte relevant. Eine schematische Darstellung der Nachfragestruktur-Theorie ist in Abbildung 45 wiedergegeben (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011). <?page no="91"?> 68 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs Wie diese Abbildung zeigt, unterscheidet Linder (Linder, S.B., 1961) einen potenziellen und einen aktuellen Bereich des Außenhandels. Als Bestimmungsfaktoren für die Ermittlung potenzieller Exportgüter betrachtet er zum einen die vorhandene Inlandsnachfrage, die eine kostengünstige Produktion erlaubt, und zum anderen eine Wachstumsgrenze für das betreffende Industriegut im Inland. Ausgangspunkt der Theorie ist die Überlegung, dass das Produkt zuerst im Inland angeboten wird. Dafür gibt Linder drei Begründungen: Es ist unwahrscheinlich, dass ein Unternehmen eine Nachfrage im Ausland befriedigen wird, die nicht im Inland existiert. Eine Begründung dafür liegt in der unvollkommenen Information, die das Unternehmen i.d.R. über das Ausland besitzt. Erfindungen und Innovationen sind im Allgemeinen zunächst auf die Umwelt bezogen, in der das Unternehmen normalerweise tätig ist. Daher werden Innovationen zunächst im Inland angeboten. Der Trial-and-Error-Prozess während der Einführungsphase macht eine enge Verbindung zwischen dem Produzenten und den Konsumenten erforderlich, um zu einem effizienten und billigen Informationsaustausch zu kommen. Dies ist am besten im Inland möglich. Linder räumt selbst ein, dass es auch Ausnahmen für die Unterstellung gibt, dass der potenzielle Export zunächst durch die Inlandsnachfrage bestimmt wird. Als eine solche Ausnahmesituation betrachtet er z.B., dass Erzeugnisse ohne Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen verfügbar sind oder dass Erzeugnisse keine Trial-and-Error-Phase mehr durchlaufen. Wenn der Inlandsmarkt ein weiteres Wachstum des Unternehmens verhindert, wird es nach Linder seinen Aktionsradius auf das Ausland erweitern. Dann beginnt das Unternehmen darüber nachzudenken, welche Länder für einen Export infrage kommen könnten. Als potenzielle Importländer kommen seiner Ansicht nach hauptsächlich solche in Betracht, die eine Ähnlichkeit in der Nachfragestruktur mit dem Exportland besitzen. Dabei misst er die Ähnlichkeit der Nachfragestruktur am Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung eines Landes. Seine Theorie lautet: Je ähnlicher die Nachfragestruktur von zwei Ländern ist, umso intensiver ist der potenzielle Außenhandel mit Industrieprodukten zwischen diesen beiden Ländern. <?page no="92"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 69 Abbildung 45: Nachfragestruktur-Theorie Neben diesen potenziellen Bereich stellt Linder den aktuellen Bereich des Außenhandels. Die aktuellen Exporte von Industriegütern werden durch eine Reihe von Faktoren bestimmt, die den Außenhandel fördern oder hemmen. Folgende Faktoren fördern seiner Meinung nach die aktuellen Exporte: Eine weltweite monopolistische Angebotsstruktur, Vorteile in der Beschaffung und Bearbeitung von Produktionsfaktoren im Vergleich zu in- und ausländischen Konkurrenzunternehmen, eine technologische Überlegenheit gegenüber Konkurrenzunternehmen im In- und Ausland, gute Managementfähigkeiten und eine kostengünstige Produktion durch Massenerzeugung. Folgende Faktoren hemmen nach dieser Theorie den aktuellen Export: Die Unkenntnis der Unternehmen über entfernt gelegene Märkte, die Höhe der Transportkosten und Handelsbeschränkungen. Linder gibt auch die Bestimmungsfaktoren für aktuelle Importländer an: kulturelle Faktoren wie z.B. Sprach- oder Mentalitätsunterschiede und politische Faktoren wie z.B. politische Gemeinschaften (Commonwealth, ehemaliges französisches Kolonialreich). <?page no="93"?> 70 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs Die Nachfragestruktur-Theorie wurde in vielfältiger Weise empirisch untersucht. Dabei überwiegen zwar die Bestätigungen der Linder-Theorie, aber es gibt auch eine Reihe von Studien, die die Grenzen des empirischen Erklärungswertes aufzeigen (Perlitz, M., 1978). Linder beschreibt in seiner Theorie mit der Wachstumsgrenze im Inland eine Einflussgröße, die die Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie initiieren kann. An dieser Stelle wird deutlich, wie aus Variablen einer betrieblichen Stärken- und Schwächensowie einer Umweltanalyse Rückkopplungseffekte auf den Strategiebereich des Regelkreissystems der Unternehmensführung auftreten. Diese Effekte geben gleichzeitig einen Anstoß für eine Neuorientierung der allgemeinen Unternehmensstrategie unter Einbeziehung von internationalen Unternehmensaktivitäten. Des Weiteren lässt sich aus der Nachfragestruktur-Theorie von Linder eine Vielzahl von möglichen Erklärungsvariablen für eine betriebliche Stärken- und Schwächensowie für eine Umweltanalyse ableiten. Dies gilt insbesondere für die Bestimmungsfaktoren des aktuellen Exportes. Die Monopolstellung eines Unternehmens liefert Ansatzpunkte für den „ Absatz“, Vorteile in der Beschaffung für die „ Beschaffung“ und die „ Kosten“, Vorteile aus der Bearbeitung von Produktionsfaktoren für die „ Produktion“ und die „ Kosten“, bessere Produkt- und Prozesstechnologien für die „ Kosten“ und „ Technologie“, bessere Managementfähigkeiten für das „ Personal“ und Economies-of-Scale-Effekte für die „ Kosten“ im Rahmen einer betrieblichen Stärken- und Schwächenanalyse. Die Struktur der Inlandsnachfrage, Wachstumsgrenzen im Inland, Distanzfaktoren (z.B. politische, kulturelle Gegebenheiten) und Zollbzw. Handelsschranken sind Faktoren, die über eine Umweltanalyse die Internationalisierungsentscheidung im Unternehmen beeinflussen. 1 .2 Theorien der Direktinvestition Der Export stellt nur eine von mehreren Markteintritts- oder -bearbeitungsstrategien im Ausland dar. Eine andere Möglichkeit ist die Durchführung einer Investition im Ausland. Investitionen im Ausland lassen sich nach verschiedenen Kriterien klassifizieren. So spricht man von einer Portfolioinvestition im Ausland, wenn lediglich eine Zins- und Liquiditätsmotivation für die Investition maßgebend ist. Solche Investitionen umfassen z.B. den Kauf von Aktien, Investmentzertifikaten und festverzinslichen Wertpapieren (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Jacobi, I., 1972). Direktinvestitionen im Ausland zielen nach einer Begriffsbestimmung der Deutschen Bundesbank darauf ab, einen unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftstätigkeit des kapitalnehmenden Unternehmens zu gewinnen oder einem Unternehmen, an dem der Investor bereits maßgeblich beteiligt ist, neue Mittel zuzuführen (Deutsche Bundesbank, 1965). Reine Renditeobjekte oder Maßnahmen zur Absicherung des angelegten Kapitals sind somit keine Direktinvestitionen. Der wesentliche Unterschied zwischen einer Portfolio- und einer Direktinvestition im Ausland liegt darin, dass bei der ersten Form der private Investor keine unmittelbare Managementkontrolle ausübt. Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Investitionsformen im Ausland ergibt sich aus den <?page no="94"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 71 verschiedenen Transaktionsformen für die Übertragung von Ressourcen. Während bei Portfolioinvestitionen nur eine monetäre Form der Kapitalübertragung vorgenommen wird, umfassen Direktinvestitionen sowohl einen geldlichen als auch einen realen Transfer oder eine Thesaurierung der im Ausland entstandenen Gewinne bzw. eine Kapitalaufnahme auf lokalen Geld- und Kapitalmärkten (Seifert, H., 1967). Theorie des oligopolistischen Parallelverhaltens Wie Hymer und Kindleberger weist Knickerbocker in seinen Untersuchungen darauf hin, dass viele multinationale Unternehmen auf oligopolistisch strukturierten Märkten arbeiten und es zu einem oligopolistischen Marktverhalten kommt (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Hill, C.W.L., 2009; Knickerbocker, F.T., 1973; Kindleberger, C.P., 1969; Hymer, S.H., 1960). Er unterscheidet in Bezug auf Direktinvestitionen im Ausland zwei typische Reaktionen der oligopolistischen Wettbewerber: (1) Direktinvestitionen im Ausland als Ergebnis einer Follow-the-Leader-Strategie und (2) Direktinvestitionen im Ausland als Gegenmaßnahme gegen eine solche Strategie im Heimatland des Unternehmens (Kreuzinvestitionsstrategie). In einer empirischen Untersuchung über das Verhalten von 187 US-amerikanischen Unternehmen aus der verarbeitenden Industrie in 23 Ländern, die den Zeitraum von 1948 bis 1967 abdeckt, findet Knickerbocker die Hypothese der Follow-the-Leader-Strategie bestätigt. Produktlebenszyklus-Theorie Vernon erklärt mit der von ihm entwickelten internationalen Produktlebenszyklus-Theorie nicht nur das Entstehen von Exporten, sondern stellt auch den Einfluss eines Produktlebenszyklus auf das Investitionsverhalten von Unternehmen dar. Er geht davon aus, dass für neue Erzeugnisse das Innovationsland als Standort für die erste Produktionsstätte gewählt wird, diese aber im Verlauf des internationalen Produktlebenszyklus in andere Länder verlegt wird (Hill, C.W.L., 2009; Vernon, R., 1966). Der Grundablauf des internationalen Produktlebenszyklus wurde bereits in den Theorien des internationalen Handels dargestellt. Behavioristische Theorie Verschiedene Erklärungsvariablen für das Zustandekommen von Direktinvestitionen im Ausland werden in der behavioristischen Theorie des Entscheidungsprozesses über die Internationalisierung von Unternehmen gegeben (Aharoni, Y., 1966). Aharoni fragt sich, warum sich Unternehmen trotz hoher Gewinnchancen im Ausland, die auch das höhere Risiko kompensieren würden, nicht für Direktinvestitionen im Ausland entschieden haben. Nach seinen Untersuchungen scheuen Führungskräfte in Unternehmen oft Zeit und Mühe, um mögliche Gewinne aus solchen Investitionen zu errechnen. Als Erklärung für dieses Verhalten gibt er an, dass offensichtlich genügend gewinnträchtige Anlagemöglichkeiten im Inland zur Verfügung stehen und aus Unkenntnis der Situation im Ausland eine <?page no="95"?> 72 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs Investition als zu risikoreich abqualifiziert wird, ohne dass zuvor eine Wirtschaftlichkeitsanalyse erfolgte. Der Entscheidungsträger im Unternehmen kann zwar über Anlagemöglichkeiten oder Steuervorteile im Ausland Bescheid wissen, trotzdem erscheint es ihm nicht sinnvoll, diese Möglichkeiten näher in das Kalkül mit einzubeziehen. Nach Beobachtungen Aharonis reicht die Prognose eines hohen Gewinnes i.d.R. nicht aus, um zu einem positiven Ergebnis für die Investitionsentscheidung zu gelangen, da international unerfahrene Führungskräfte meist die Schwierigkeiten über- und die Vorteile unterschätzen. Neben dem hohen Gewinn müssen deshalb noch andere Motive vorherrschen, um im Ausland zu investieren. Diese von Aharoni beschriebene Verhaltensweise beobachtete er bei vielen US- Unternehmen, was zu der Frage führte, wie es trotz dieser Grundeinstellung zu Direktinvestitionen im Ausland kommt (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011). Zur Klärung dieser Fragestellung unterscheidet Aharoni zwischen der Anstoß-, Bewertungs-, Investitions- und Nachprüfungsbzw. Verhandlungsphase. Da für das Regelkreissystem der Unternehmensführung in diesem Zusammenhang nach Erklärungsvariablen für das Zustandekommen von Direktinvestitionen gesucht wird, sind an dieser Stelle nur die Anstoß- und Bewertungsphase interessant und werden einer näheren Betrachtung unterzogen. Die Entscheidung, ins Ausland zu gehen, ist seiner Ansicht nach das Ergebnis einer Reihe von Faktoren, die zum einen in der Organisation begründet liegen und sich zum anderen aus Umwelteinflüssen ergeben. Bei einer Analyse des Entscheidungsprozesses zur Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten hat Aharoni festgestellt, dass es sich meist um eine oder mehrere Führungskräfte handelt, die als Hauptinitiatoren für eine Direktinvestition im Ausland agieren. Motive für dieses Verhalten sind u.a. Prestigedenken, Reiselust sowie das Bestreben, etwas für die Entwicklung anderer Länder zu tun. Erfahrungen aus der Vergangenheit, der Schulausbildung, dem Freundeskreis und Auslandsreisen stimulieren Führungskräfte ebenfalls, international tätig zu werden. Aharoni (Aharoni, Y., 1966) nennt folgende Faktoren, die als Initialkräfte (Initial Forces) ein Unternehmen zu einer Direktinvestition im Ausland veranlassen (Anstoßphase): Vorschläge, die von außen an das Unternehmen herangetragen werden, Angst, den Markt zu verlieren, Mitläufer-Effekte und starke Konkurrenz von ausländischen Unternehmen auf den Inlandsmärkten des Unternehmens. Vorschläge von ausländischen Händlern, von Repräsentanten ausländischer Regierungen und von Vertretern anderer Unternehmen haben nach Ansicht von Aharoni einen wesentlichen Einfluss auf die Internationalisierungsentscheidung. <?page no="96"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 73 Auch die Bedrohung des eigenen Marktes im Ausland stellt ein Motiv für die Aufnahme ausländischer Aktivitäten dar. Eine Bedrohung des Auslandsmarktes resultiert z.B. aus hohen Zollschranken, Importrestriktionen und der Forderung nach lokaler Produktion. Für das Unternehmen stellt sich dann die Frage, den Auslandsmarkt aufzugeben oder eine lokale Produktion zu beginnen. Bestehen in einem Land im Hinblick auf die Durchführung von Direktinvestitionen Beschränkungen, kommt der Abschluss eines internationalen Technologievertrages in Betracht. Als weitere Erklärungsvariable für die Entscheidung, eine Direktinvestition im Ausland durchzuführen, gibt Aharoni den Mitläufer-Effekt an. Er findet, dass sich Unternehmen gezwungen sehen, ihren Konkurrenten ins Ausland zu folgen, um ihre relative Größe und ihr relatives Unternehmenswachstum beizubehalten. Auch das Folgen eines Kunden oder Lieferanten führt nach Aharoni zu Direktinvestitionen im Ausland. Eine starke Konkurrenz aus dem Ausland auf dem Inlandsmarkt des Unternehmens wird in der Untersuchung von Aharoni ebenfalls als eine wesentliche Determinante für Direktinvestitionen genannt. Die Erklärungsvariablen der behavioristischen Theorie beeinflussen das Regelkreissystem der Unternehmensführung im Hinblick auf die Formulierung einer Internationalisierungsstrategie in unterschiedlicher Weise. Das Potenzial an externen Vorschlägen und die Marktsicherung im In- und Ausland sind Erklärungsvariablen, die über eine Umweltanalyse auf das Regelkreissystem wirken. Sie stellen Erklärungsvariablen dar, die über die Bestimmungsfaktoren „ Marktwachstum“, „ Allgemeines Kostenniveau“, „ Zollschranken“, „ Importrestriktionen“ und „ Local-Content-Vorschriften“ für eine Umweltanalyse relevant werden. Folgende Erklärungsvariablen beziehen sich auf eine betriebliche Stärken- und Schwächenanalyse, wobei in Klammern der jeweils angesprochene Bestimmungsfaktor angegeben wird: die Ausnutzung alter Maschinen ( „ Betriebsmittel“, „ Kosten“), der Verkauf von Know-how bzw. die Verteilung von Forschungs- und Entwicklungskosten ( „ Technologie“, „ Kosten“, „ Absatz“) und sonstiger fixer Kosten auf Auslandsgesellschaften ( „ Kosten“) sowie die Schaffung eines Marktes für Zulieferprodukte ( „ Beschaffung“), soweit die Zulieferprodukte nicht auch nach der Durchführung einer Direktinvestition im Ausland hergestellt werden. In der behavioristischen Theorie wurde die Bedeutung der Einstellung des Managements für die Aufnahme von Unternehmensaktivitäten im Ausland herausgestellt. Damit leistet sie einen wesentlichen Beitrag zum besseren Verständnis, wie die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten initiiert wird und wie damit Impulse für eine Formulierung von Internationalisierungsstrategien im Rahmen des Regelkreissystems der Unternehmensführung entstehen. Diese Impulse resultieren aus den persönlichen Erfahrungen und Motiven des Managements oder aus Mitläufer-Effekten. <?page no="97"?> 74 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs 1 .3 Theorien zu internationalen Technologieverträgen Als dritte Markteintritts- oder -bearbeitungsstrategie im Ausland können Unternehmen neben dem Export und der Direktinvestition internationale Technologieverträge abschließen. Technologieverträge können Lizenz-, Know-how-, technische Hilfs-, Beratungs- und Regieverträge sein (Jonash, R., 1995). Gegenstand eines Lizenzvertrages ist die Befugnis, das Recht eines anderen zu nutzen (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Burr, W., 2003). Unter Rechten werden einerseits Rechte des Kunsturhebergesetzes und des Literatururhebergesetzes verstanden, andererseits die Rechte des gewerblichen Rechtsschutzes (Patent, Gebrauchsmuster, Warenzeichen und Geschmacksmuster) (Böhme, W., 1967). Während der Lizenzvertrag die Benutzung eines Schutzrechtes beinhaltet, hat der Knowhow-Vertrag die Benutzung von technischen oder betriebswirtschaftlichen Kenntnissen und Erfahrungen zum Inhalt, die dem Know-how-Nehmer die Produktion und/ oder den Vertrieb von Gegenständen gestattet oder ermöglicht. Ein Schutzrecht für das gewährte Know-how, wie es einem Lizenzvertrag zugrunde liegt, besteht insofern nicht (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Hill, C.W.L., 2009) Burr sowie Kutschker und Schmidt benutzen den Begriff Know-how-Lizenz (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Burr, W., 2003). Gegenstand technischer Hilfsverträge, die vor allem im Verkehr mit Entwicklungsländern eine bedeutende Rolle spielen, sind die technische Beratung bei der Entwicklungsplanung von industriellen Projekten, die Ausarbeitung technischer Gutachten, die Projektierung und Errichtung von Anlagen, technische Schulungen und Investitionsgüterlieferungen (Perlitz, M./ Seger, F., 2003). Der Empfänger besitzt bei technischen Hilfsverträgen i.d.R. keine eigenen Fachkenntnisse, weshalb es sich im Allgemeinen um eine fachliche Beratung handelt, die nicht unbedingt ein gewerbliches Spezialwissen erfordert. Überschusstechnologie Eine Überschusstechnologie für internationale Technologieverträge liegt dann vor, wenn Unternehmen eine Technologie entwickelt haben, die sie selbst nicht ausnutzen können oder wollen (Perlitz, M., 1978) und die an Unternehmen im In- oder Ausland verkäuflich ist. Ein Hauptmotiv für den Verkauf der Überschusstechnologie ist die Erzielung von zusätzlichen Gewinnen, die zur Deckung der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen beitragen. Auf diese Weise bedeutet der Verkauf von Technologie einen Stimulus für das eigene Forschungs- und Entwicklungspersonal. Der Verkauf der Überschusstechnologie beeinträchtigt i.d.R. die anderen Aktivitäten und Märkte des Unternehmens nicht. Wird die Nutzung der Technologie nur möglich, wenn die Vorprodukte von dem Technologiegeber bezogen werden, so sind die daraus resultierenden Gewinne ein weiteres Motiv für den Verkauf der Überschusstechnologie an ein ausländisches Unternehmen. <?page no="98"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 75 Ein zusätzlicher Vorteil des Verkaufs von Überschusstechnologie liegt möglicherweise darin begründet, dass die Entwicklung neuer Technologien und deren Vergabe an Dritte dem Technologiegeber die Reputation eines technologischen Marktführers einbringen, was sich auf die Qualitätsbeurteilung der anderen von ihm erstellten Erzeugnisse positiv auswirken kann (Pfordte, R., 1974). Für die Vergabe von Überschusstechnologie spricht u.a. auch, dass durch den Verkauf Marktinformationen gewonnen werden, wie z.B. die Höhe der Absatzmenge, des Preises, die für eine vielleicht später geplante Eigennutzung der Technologie in dem betreffenden Ausland wichtig sind. In einer betrieblichen Stärken- und Schwächenanalyse wirkt das Vorhandensein von Überschusstechnologie auf die Bereiche „ Kosten“, „ Technologie“, „ Beschaffung“ und „ Absatz“. Technologiegewinnung und -sicherung Die Vergabe von eigener Technologie ins Ausland dient oft dem Erwerb fremder Technologie (Kreuzlizenzabkommen) und der Vermeidung von Prozessen gegen Imitatoren bzw. einer Anti-Trust-Klage. Daneben findet man die Vergabe von Kreuzlizenzen häufig in oligopolistischen Märkten, in denen wenige Anbieter den gemeinsamen Technologievorsprung gegenüber außenstehenden Dritten sicherstellen wollen. Auf diese Weise kommt es bisweilen zu einem Rückfluss von neuen Technologien, die auf der übertragenen Technologie aufbauen. Ein solches Vorgehen ermöglicht dem gebenden Unternehmen u.a. eine Schätzung des Technologiepotenzials des nehmenden Unternehmens, was im Rahmen der Konkurrenzanalyse einen erheblichen Vorteil darstellt. Manchmal ist die Technologievergabe dadurch bedingt, dass Unternehmen Gerichtsprozesse wegen Know-how- oder Patentverletzungen vermeiden wollen. Dies gilt vor allem dann, wenn Konkurrenzunternehmen ähnliche Technologien anwenden und nicht sichergestellt werden kann, ob tatsächlich eine Imitation vorliegt. In solchen Fällen neigen Unternehmen eher dazu, die Technologie an Konkurrenzunternehmen zu verkaufen, als langwierige Prozesse zu führen (Kreuzlizenzen). Aus Anti-Trust-Überlegungen kommt es ebenfalls zu einer Technologievergabe. Durch den Verkauf der Technologie oder z.T. auch durch eine kostenlose Gewährung soll vermieden werden, dass wegen einer marktbeherrschenden Stellung ein Anti-Trust-Verfahren gegen das betreffende Unternehmen eingeleitet wird. Anti-Trust-Überlegungen sind vor allem dann anzustellen, wenn Patentgemeinschaften, Patentanhäufungen in einer Hand, Patentlizenzierungen und Lizenzaustauschverträge bestehen (Lutz, R., 1997; Pfordte, R., 1974; Lovell, E.B., 1968). <?page no="99"?> 76 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs Unternehmensinterne Restriktionen Unternehmensinterne Restriktionen sind oft Bestimmungsfaktoren für den Abschluss internationaler Technologieverträge (Zentes, J./ Swoboda, B./ Morschett, D., 2004; Perlitz, M., 1989). Vor allem mittelständische und kleine Unternehmen verfügen meist nicht über die nötige Finanzdecke, genügend Kapazität und/ oder das entsprechende Personal, um eigene Technologien im Ausland über Exporte oder Direktinvestitionen selbst auszunutzen. Um die selbst entwickelte Technologie dennoch gewinnbringend im Ausland zu vermarkten, stellt für solche Unternehmen i.d.R. der Verkauf einer Technologie ins Ausland die einzige mögliche Markteintrittsstrategie dar . Ein weiteres Motiv für einen internationalen Technologievertrag ist die Schlechterstellung eines aktuellen oder potenziellen Konkurrenten, da diesem durch die Technologiegebühren höhere Kosten entstehen. Für das Unternehmen, das die Technologie kauft, ist oft der Erwerb billiger als die Eigenentwicklung. In manchen Fällen benötigt ein Unternehmen eine Mindestqualität der bezogenen Erzeugnisse, um die eigenen Produktionsstandards zu halten. Das führt mitunter dazu, dass das Unternehmen Technologien entwickelt, die es dem Lieferanten zur Verfügung stellen muss, damit dieser die Qualitätsstandards erfüllen kann. In einem solchen Fall handelt es sich überwiegend um Schutzrechte wie Patente, Gebrauchsmuster oder um reines Know-how. Will das Unternehmen eine neue Auslandsaktivität aufnehmen, ist es oft gezwungen, einem ausländischen Partner die Technologie zu geben, die ihm eine Produktion mit der entsprechenden Qualität ermöglicht. Die Technologievergabe lässt bisweilen den Erwerb einer Beteiligung an einem Auslandsunternehmen als Ersatz für eine eigene Direktinvestition im Ausland zu. Anstelle eines Kapitaltransfers tritt dann ein reiner Technologietransfer. Folgende Erklärungsvariablen leiten sich aus den Motiven interner Restriktionen für eine betriebliche Stärken- und Schwächenanalyse ab: (1) mangelnde Kapitalausstattung („Kapital“), (2) mangelnde Personalausstattung („Personal“), (3) mangelnde Maschinenkapazitäten („Betriebsmittel“), (4) Vormaterial-Know-how („Beschaffung“, „Technologie“, „Kosten“) und (5) Mindestqualitätsstandards („Absatz“, „Technologie“, „Kosten“). Unternehmensexterne Restriktionen Unternehmensexterne Restriktionen, die sich auf verschiedene Umweltfaktoren beziehen, können zum Abschluss eines internationalen Technologievertrages führen (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Perlitz, M./ Seger, F., 2003). <?page no="100"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 77 Ist der Absatzmarkt im Ausland für ein Erzeugnis zu klein, um eine Direktinvestition zu rechtfertigen, kann dies zum Abschluss eines internationalen Technologievertrages führen, wenn für ein ausländisches Unternehmen die Produktionsaufnahme ohne große Investitionen möglich ist. Besteht eine solche Situation, dann wird die Technologievergabe ins Ausland für den Technologieinhaber sinnvoll. In anderen Fällen ist der Markteintritt im Ausland für den Besitzer der Technologie zu teuer. Dies ist beispielsweise bei einer oligopolistischen Marktführerschaft im Ausland der Fall. Unter diesen Umständen ist es für den Technologieinhaber möglicherweise interessant, die Technologie an den Marktführer im Ausland zu verkaufen. Ein zusätzliches Motiv für einen internationalen Technologievertrag liegt oft in der Möglichkeit einer besseren Marktdurchdringung, wenn der inländische Technologieinhaber die ausländische Marktnachfrage allein nicht abdecken kann. Mitunter ist eine Technologievergabe an ein ausländisches Unternehmen notwendig, um nicht den dortigen Absatzmarkt zu verlieren. Das gilt vor allem dann, wenn im Ausland die Gefahr droht, dass das inländische Unternehmen seine Schutzrechte ohne eine Lizenzgewährung verlieren würde. Für bestimmte Entwicklungsländer ist dies besonders relevant. In anderen Fällen liegt der Abschluss eines internationalen Technologievertrages darin begründet, dass inländische Kunden Auslandsaktivitäten aufnehmen und somit Lieferanten zwingen, ihnen ins Ausland zu folgen. Je nach Auslandserfahrung eines Lieferanten wird eine Lizenzvergabe an ein ausländisches Unternehmen dem Export oder einer Direktinvestition vorgezogen. Die Vergabe von Technologie an ausländische Unternehmen wird oft auch durch staatliche Restriktionen erzwungen. In einigen Entwicklungsländern ist ein solcher Vertrag oft die einzige Möglichkeit für einen Marktzugang. Staatliche Restriktionen, die zu internationalen Technologieverträgen führen, sind z.B. Devisenbeschränkungen, die für Technologiegebühren in vielen Ländern weniger restriktiv (oft nur bis zu einer bestimmten Maximalgebühr) gehandhabt werden als für Dividenden- oder Zinszahlungen. Auch Importkontrollen können den Abschluss eines Technologievertrages als einzige Markteintrittschance offenlassen. Das Gleiche gilt für Investitionskontrollen und die Beschränkung von Beteiligungsverhältnissen bei Auslandsunternehmen. 1 .4 Übergreifende Theorien der Internationalisierung Theorie der Internalisierung Die Theorie der Internalisierung basiert auf dem Transaktionskostenansatz von Coase (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Rugmann, A.M./ Collinson, S., 2009; Coase, R.H., 1937). Der Ansatz von Coase betrachtet die Effizienz unterschiedlicher Transaktionsformen. Dabei werden die Transaktionskosten auf dem Markt mit den Kosten von innerorganisatorischen Transaktionen verglichen. Coase kommt bei seiner Analyse zu dem Ergebnis, dass für viele <?page no="101"?> 78 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs Transaktionen die Abwicklung über den Markt ineffizient ist. In diesem Fall wird die Transaktion nicht über den Markt, sondern mithilfe von innerorganisatorischen Koordinationsmechanismen durchgeführt. Viele Transaktionen sind ausschließlich innerhalb der Unternehmung möglich (Marktversagen). Deshalb sei eine Integration der Transaktionen in die Unternehmung effizienter, die intern transaktionskostengünstiger durchgeführt werden können. Die Integration von Transaktionen in das Unternehmen bezeichnet man als Internalisierung (Rugmann, A.M./ Collinson, S., 2009; Hill, C.W.L., 2009; Buckley, P.J., 1995). Buckley und Casson (Buckley, P.J./ Casson, M.C., 1991) haben den Transaktionskostenansatz auf multinationale Unternehmen übertragen und daraus die Theorie der Internalisierung entwickelt. Sie sehen das Entstehen von multinationalen Unternehmen als ein Ergebnis der Internalisierung von unvollkommenen Märkten. Vor allem betrachten sie die Märkte für Zwischenprodukte und für immaterielle Ressourcen wie z.B. Wissen und Erfahrung weitgehend als unvollkommen. Auch andere Bereiche immaterieller Leistungserstellung wie z.B. Forschung und Entwicklung, das Finanzmanagement und die Distribution sind oft besser zu internalisieren, als über den Markt zu beziehen. Im Rahmen der Internationalisierung können Unternehmen diese Vorteile aus der Internalisierung durch Direktinvestitionen im Ausland weltweit kostengünstiger nutzen, als dies durch marktbezogene Eintrittslösungen wie z.B. durch Exporte der Fall ist. Wenn Zwischenprodukte und immaterielle Ressourcen unternehmensintern international kostengünstiger als über die Auslandsmärkte disponiert werden können, kommt es zum Entstehen von Direktinvestitionen im Ausland und damit zu multinationalen Unternehmungen. Anhand einer Regressionsanalyse haben Buckley und Casson ihre Theorie getestet und kommen zu dem Ergebnis, dass internationale Unternehmen in Branchen mit einer hohen Forschungsintensität einen höheren Internalisierungsgrad aufweisen. Die Theorie der Internalisierung wurde von einigen Autoren um verschiedene Teilaspekte erweitert. So weist Hennart auf Internalisierungsvorteile durch das Vorhandensein von Goodwill und Know-how hin (Hennart, J.F., 1985). Baumann beschreibt die Bedeutung von Marktmacht, Economies-of-Scale-Effekten und Synergie-Effekten für die Gewinnung von Internalisierungsvorteilen (Baumann, H.G., 1975). Furubotn stellt die Bedeutung von Lerneffekten für die Erzielung von Internalisierungsvorteilen heraus (Furubotn, E.G., 1989). Magee begründet die Internalisierung mit einer Theorie der Aneignungsmöglichkeiten. Darunter versteht er die Möglichkeit des Urhebers einer Idee, sich den vollen Wert dieser Idee anzueignen. Da Informationen heute zunehmend ein öffentliches Gut werden, besteht nach Magee für Unternehmen die Gefahr, dass Imitatoren durch geringfügige Veränderungen der Produkteigenschaften die ursprüngliche Produktidee kostengünstig kopieren können. Deshalb gehen nach seiner Ansicht multinationale Unternehmen dazu über, den Informationstransfer unternehmensintern vorzunehmen und komplizierte, schwer zu imitierende Technologien zu entwickeln (Magee, S.P., 1977). Auf diese Weise kann das Unternehmen Internalisierungsvorteile generieren. <?page no="102"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 79 Eklektische Theorie Die Theorie der Internalisierung wurde von Dunning (Dunning, J.H., 1980) zur Eklektischen Theorie, die er später als „ Faktorausstattung/ Marktversagen-Paradigma der internationalen Produktion“ bezeichnet (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Hill, C.W.L., 2009; Dunning, J.H., 1988), weiterentwickelt. Nach ihm hängt die Internationalisierungsstrategie von folgenden Faktoren ab: Eigentumsund/ oder Wettbewerbsvorteile (Ownership Advantages (O)), Standortvorteile (Location Specific Advantages (L)) und Internalisierungsvorteile (Internalization Advantages (I)). Dunning untersucht die Bedeutung dieser Vorteile für das Entstehen von internationalen Produktionsstandorten und damit von multinationalen Unternehmen. Mit seinem Ansatz will Dunning die bislang dominierenden monokausalen Theorien erweitern, indem er neben der Organisationsauch die Standort-, Wettbewerbs- und Außenhandelstheorien in seine Eklektische Theorie einbezieht. Abbildung 46 stellt den Zusammenhang zwischen den verschiedenen von Dunning verwendeten Vorteilen und unterschiedlichen Markteintrittsstrategien dar. Abbildung 46: Zusammenhang zwischen OLI-Vorteilen und Markteintrittsstrategie nach der Theorie von Dunning Dunning hat seine Theorie anhand zahlreicher Untersuchungen empirisch bestätigt gefunden (Dunning, J.H./ Kundu, S.K., 1995; Dunning, J.H., 1979; 1980; 1981). Dennoch wurde der Ansatz stark kritisiert (Randøy, T./ Dibrell, C.C., 2002; Macharzina, K./ Engelhard, J., 1991; Braun, G., 1988; Krist, H., 1985; Buckley, P.J., 1985b; Kojima, K., 1978). Daher hat Dunning seine Eklektische Theorie inzwischen vor dem Hintergrund der Umweltdynamik und sich verändernden Unternehmensverhaltens mehrfach verteidigt bzw. angepasst. Seine Theorie wurde beispielsweise um folgende vier Komponenten erweitert (Dunning, J.H., 1988): Motive für die Entscheidung über internationale Produktionsstandorte wurden berücksichtigt, Faktorausstattungen der Länder, die Basis für Standortvorteile sind, wurden um Zwischenprodukte und um die Austauschmobilität von Produkten erweitert, Strukturvariablen für Strategieentscheidungen wurden in die Theorie eingeführt und <?page no="103"?> 80 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs Anwendungsbereiche seiner Theorie wurden erweitert, indem er nicht nur die Errichtung von internationalen Produktionsstandorten, sondern auch den Handel zwischen Konzerngesellschaften oder Desinvestitionen zu erklären versucht. Durch die Erweiterung seiner Theorie wurde zwar eine Vielzahl unterschiedlicher Variablen berücksichtigt, jedoch bleiben folgende Punkte kritisch (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Randøy, T./ Dibrell, C.C., 2002; Itaki, M., 1991; Macharzina, K./ Engelhard, J., 1991; Braun, G., 1988; Kirst, M., 1985): Es ergeben sich konzeptionelle Probleme des Zusammenführens von Variablen aus unterschiedlichen Erklärungsebenen (Makroökonomische Daten, Entscheidungsdaten für das Management etc.), die sich ohne Zwischenglieder nicht lösen lassen. Die Struktur- und Bestimmungsvariablen werden nicht auf ihre empirische Relevanz untersucht und stellen damit bloße Vermutungen dar. Dunning geht von einem homo oeconomicus aus, der nur aufgrund rationaler Entscheidungen seine Strategie entwickelt. Schon Aharoni (Aharoni, Y., 1966) hat gezeigt, dass diese Annahme nicht ohne Weiteres für Internationalisierungsentscheidungen aufrechtzuerhalten ist. Darüber hinaus werden die Bedingungen für den Erwerb der Fähigkeit und für die Bereitschaft zur Durchführung von Direktinvestitionen im Ausland und die Art und Weise, wie diese Entscheidung zustande kommt, nicht erklärt, sondern als gegeben hingenommen. Dunning untersucht nicht die Beziehungen, die zwischen seinen Variablen bestehen. Seine Theorie besteht nur aus einem Sammelsurium unterschiedlicher Variablen, die in keinen Zusammenhang zueinander gebracht werden. Seine Variablen, die auf Vorteile abstellen, stellen auch keine neuen Elemente einer Theorie dar, sondern wurden bereits bei Hymer sowie in den Ansätzen zur Internalisierung als Erklärungsvariablen aufgeführt. Itaki weist nach, dass der Ansatz von Dunning Redundanzen aufweist. So reichen nach seiner Analyse die Internalisierungs- und Standortvorteile schon aus, um die Existenz und das Wachstum von multinationalen Unternehmen zu erklären. Damit wird der Eigentumsund/ oder Wettbewerbsvorteil im Dunning-Ansatz überflüssig. Außerdem weist Itaki darauf hin, dass die Eigentumsund/ oder Wettbewerbsvorteile ökonomisch nicht zu trennen sind. Dunning macht deutlich, wie schwierig, wenn nicht unmöglich, es ist, eine umfassende Theorie der Internationalisierung zu entwickeln, da die Berücksichtigung vieler unterschiedlicher Aspekte das Problem aufwirft, welche Verbindungen zwischen diesen Aspekten selbst und der Internationalisierungsentscheidung bestehen. Der Ansatz von Dunning liefert für eine betriebliche Stärken- und Schwächensowie für eine Umweltanalyse eine solche Vielzahl von Variablen, dass die Gefahr besteht, dass keine eindeutigen Aussagen mehr formuliert werden können. Für die konkrete Entwicklung <?page no="104"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 81 einer Internationalisierungsstrategie eines Unternehmens sind jedoch die OLI-Vorteile so allgemein definiert, dass ohne eine Spezifizierung nur Anstöße gegeben werden, in welche Richtungen Unternehmen nach einem Wettbewerbsvorteil suchen sollten. 2 Managementorientierte Konzepte des internationalen Wettbewerbs 2 .1 EPRG-Modell Das EPRG-Modell gehört zu den zentralen Ansätzen des internationalen Managements (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Ahlstrom, D./ Bruton, G.D., 2010; Hill, C.W.L., 2009). Perlmutter (Perlmutter, H.V., 1969) kritisiert, dass in der Literatur der Grad der Multinationalität von Unternehmen fast ausschließlich mit „objektiven“ Maßgrößen bestimmt wird, wie z.B. mit Strukturvariablen (Anzahl der ausländischen Niederlassungen, Beteiligungsverhältnisse, Organisationsstruktur, Nationalität des Topmanagements usw.) und mit Leistungskriterien (absoluter oder zum Inland relativer Gewinn, Umsatz und Kapitaleinsatz im Ausland, Anzahl ausländischer Mitarbeiter usw.). Neben diesen „objektiven“ Maßgrößen, die meist auf eindimensionalen Kriterien basieren, spielt seiner Meinung nach die Einstellung des Topmanagements eine dominierende Rolle für die Messung der Multinationalität von Unternehmen: „The orientation toward foreign people, ideas, resources, in headquarters and subsidiaries, and in host and home environments, becomes crucial in estimating the multinationality of a firm“ (Perlmutter, H.V., 1969). Die Einstellung des Managements spiegelt sich in dem Führungskonzept eines Unternehmens wider. Perlmutter unterscheidet im Hinblick auf die Einstellung von Managern in international tätigen Unternehmen drei Führungskonzepte: ein ethnozentrisches (heimatlandorientiertes), ein polyzentrisches (gastlandorientiertes) und ein geozentrisches (weltorientiertes) Führungskonzept. Später haben Heenan und Perlmutter die drei genannten Konzepte um ein regiozentrisches (regionenorientiertes) Führungskonzept ergänzt (Heenan, D.A./ Perlmutter, H.V., 1979). Das ethnozentrische Führungskonzept ist dadurch charakterisiert, dass die Schlüsselpositionen in ausländischen Tochtergesellschaften bevorzugt durch Angehörige aus dem Stammland des Unternehmens besetzt werden. Mitarbeiter aus dem Land der Muttergesellschaft werden präferiert, da angenommen wird, dass sie intelligenter, fähiger und zuverlässiger sind als solche aus den Gastländern. Perlmutter weist darauf hin, dass diese Vorurteile meist aus einer mangelnden Kenntnis des ausländischen Arbeitsmarktes und der allgemeinen Situation des Gastlandes resultieren. Diese Einstellung wird dadurch gefördert, dass beim Topmanagement im Stammhaus und in den ausländischen Tochtergesellschaften die gleichen Denkmuster vorherrschen. Das polyzentrische Führungskonzept geht davon aus, dass sich die Kulturen in den verschiedenen Ländern so unterscheiden, dass sie nur schwer von Ausländern verstanden <?page no="105"?> 82 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs werden können. Deshalb sollte man das Management im Gastland mit ausländischen Mitarbeitern besetzen und diese weitgehend allein entscheiden lassen, solange sie die Zielsetzungen der Muttergesellschaft erfüllen. Bei dem polyzentrischen Führungskonzept wird unterstellt, dass das Management im Stammland die Einzelheiten im Auslandsgeschäft nicht wirklich verstehen und beurteilen kann. Es vertraut darauf, dass das ausländische Management „es schon richtig machen wird“. Aufgrund dieser Einstellung setzt sich das Topmanagement im Stammhaus nur aus Mitarbeitern des Stammlandes und in den Gastländern aus lokalen Managern zusammen, wobei der Einfluss von Stammhausangestellten auf Entscheidungen in den Gastländern so gering wie möglich gehalten wird. Beim regiozentrischen Führungskonzept erfolgt eine Rekrutierung von Führungskräften aus Ländern der gleichen Region. Als Beispiel wählen Heenan und Perlmutter den europäischen Markt. Von einem europäischen Produktionsstandort aus kann das Unternehmen viele unterschiedliche Märkte in Europa beliefern. Eine regionale Werbekampagne kann durch italienische, französische, britische und deutsche Manager auf „europäische Gemeinsamkeiten“ überprüft werden. Kandidaten, die eine Schlüsselposition in ihren Heimatländern übernehmen sollen, können in der europäischen Zentrale Erfahrungen sammeln und eine stärkere „eurozentrische“ Sicht entwickeln. Beim geozentrischen Führungskonzept versucht man, die unterschiedlichen Regionen der Welt im Rahmen eines globalen Ansatzes zu integrieren. Das Stammhaus und die ausländischen Tochtergesellschaften betrachten sich als Teil einer weltweiten Einheit. Die Überlegenheit dieser Einheit wird nicht mit bestimmten Nationalitätszugehörigkeiten gleichgesetzt, sondern resultiert aus der Fähigkeit, eine optimale Allokation der Ressourcen auf globaler Basis zu erreichen. Es kommt über alle Ländergrenzen hinweg zu weltweiten Synergieeffekten (Heenan, D.A./ Perlmutter, H.V., 1979). Perlmutter analysiert den Einfluss der unterschiedlichen Führungskonzepte auf verschiedene Organisationsvariablen wie z.B. Komplexität, Entscheidungsabläufe, Kontrolle, Incentives, Kommunikation, Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und Personalführung. Abbildung 47 gibt einen Überblick über den Zusammenhang zwischen diesen Organisationsvariablen und den unterschiedlichen Führungskonzepten (Heenan, D.A./ Perlmutter, H.V., 1979). Weiterhin weist Perlmutter darauf hin, dass in der Unternehmenspraxis verschiedene Führungskonzepte in einem Unternehmen vorzufinden sind oder sich in der konkreten Ausgestaltung unterscheiden. Zwar gibt es seiner Meinung nach kein einheitliches Muster, wie sich das EPRG-Profil im Zeitablauf entwickelt, jedoch sieht er den Pfad als typisch an, wonach sich die Unternehmenskultur von einer ethnoüber eine poly- und regiobis zu einer geozentrischen Orientierung entwickelt. <?page no="106"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 83 Abbildung 47: Das EPRG-Modell von Perlmutter In einer kritischen Analyse weisen Heenan und Perlmutter auf die Probleme hin, die sich aus den unterschiedlichen Führungskonzepten bzw. Unternehmenskulturen ergeben (Heenan, D.A./ Perlmutter, H.V., 1979). Sie sehen die Zukunft von multinationalen Unternehmen mehr in einem Regio- oder Geoals in einem Ethno- oder Polyzentrismus. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Ansatz von Perlmutter überwiegend auf einer Analyse der Einflüsse von unterschiedlichen Führungskonzepten bzw. Unternehmenskulturen auf bestimmten Organisationsvariablen basiert. Damit wird zwar ein Konzept der Internationalisierung vorgestellt, das alle Strategie-, Organisations- und Funktionsbereiche des Unternehmens beeinflusst, jedoch werden die Bestimmungsfaktoren, die zu einer Internationalisierungsstrategie führen, nur aus der Einstellung des Topmanagements abgeleitet. Es bleiben andere wichtige funktionsbereichsspezifische Aspekte, die die Entscheidung für eine bestimmte Internationalisierungsstrategie beeinflussen, genauso unberücksichtigt wie die Frage, in welchen Ländern sich Unternehmen engagieren sollten. 2 .2 Triademodell Mitte der 1980er Jahre entwickelte Ohmae das Triade-Modell für die Internationalisierung von Unternehmen (Rugmann, A.M./ Collinson, S., 2009; Ohmae, K., 2006). Er unterstellt, dass <?page no="107"?> 84 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs das „klassische“ Modell des multinationalen Unternehmens heute überholt sei. Die Globalisierung von Produkten und Märkten, der rasche technische Fortschritt und neoprotektionistische Tendenzen lassen nach Ohmae einen neuen Unternehmenstyp entstehen: das Triade-Unternehmen. Dessen Hauptmerkmal ist eine starke Wettbewerbsposition in den Triaderegionen USA, Europa und Japan (Ohmae, K., 2006). Damit betrachtet Ohmae ausschließlich OECD-Länder, auf die sich allerdings auch ein Großteil der internationalen Unternehmenstätigkeit konzentriert. Das Triade-Unternehmen wird in Japan, den USA und Europa als lokales Unternehmen betrachtet und übernimmt damit in diesen Regionen eine „Insider“-Stellung (Ohmae, K., 2006). Des Weiteren wird es als ein Unternehmen beschrieben, das über eine kleine Zentrale mit dem symbolischen Namen Anchorage verfügt. Die Stadt Anchorage wurde von Ohmae gewählt, da von hier aus die Wirtschaftszentren New York, Tokio und Düsseldorf in der ungefähr gleichen Flugzeit von sieben Stunden erreicht werden können. Die „Anchorage-Mentalität“ eines Unternehmens impliziert, dass bei der Formulierung der Unternehmensziele, Strategien und Maßnahmen alle möglichen Auswirkungen auf die Triade- Regionen berücksichtigt werden. Dazu ist eine genaue Kenntnis der Triade-Märkte erforderlich und das Triade-Denken soll ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur werden. Das Triade-Denken ist nach Meinung von Ohmae hauptsächlich durch drei Phänomene notwendig geworden: die zunehmend kapitalintensive Produktion, die dynamische Entwicklung neuer Technologien und die Homogenisierung der Nachfrage. Diese werden nachfolgend erörtert. Durch den Einsatz neuer Technologien in den Bereichen Entwicklung/ Design und Produktion kommt es nach Ohmae zu einer beträchtlichen Senkung des Lohnkostenanteils an den Gesamtkosten. Damit wird eine Produktionsverlagerung in Billiglohnländer aus Kostengesichtspunkten immer uninteressanter, da in diesen Ländern höhere Transportkosten aufgrund einer schlechteren Verkehrsinfrastruktur und höhere Versicherungsprämien anfallen als in den Ländern der Triade. Die kapitalintensivere Produktion benötigt hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Diese sind in vielen Niedriglohnländern nicht oder nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Aus diesen Gründen ist nach Ohmae eine Standortwahl innerhalb der Triade vorteilhaft. Daneben ist Ohmae der Ansicht, dass sich die Produktion in den Triadeländern immer stärker auf Hightech-Produkte konzentriert (Backhaus, K./ Hilker, I., 1994). Die Entwicklung von dynamischen neuen Technologien wird damit zu einer Überlebensaufgabe von Unternehmen. Die Forschung und Entwicklung von Hightech-Produkten wird seiner Meinung nach immer risikoreicher und kostspieliger, wodurch es für einzelne Unternehmen bei der hohen Geschwindigkeit der Technologieentwicklung zunehmend schwieriger wird, aus eigener Kraft mitzuhalten. Die beschleunigte Verbreitung der neuen Technologien macht den Faktor Zeit zu einem neuen strategischen Wettbewerbsvorteil. Technologische Monopolsituationen können deshalb nur für kurze Zeit gehalten werden (Ohmae, K., <?page no="108"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 85 2006). Aus den genannten Gründen gehen Unternehmen verstärkt den Weg der Kooperation und Integration. Auf diese Weise werden Marktpotenziale stärker und schneller ausgeschöpft. Dies kann durch eine Vorwärts-, Rückwärts- oder eine horizontale Integration erreicht werden. Diese Kooperations- und Integrationstendenzen sind nach Ohmae mit Unternehmen aus den Triade-Ländern eher möglich als mit solchen aus Ländern in anderen Wirtschaftsräumen. Die enge Verflechtung von Unternehmen innerhalb der Triade kann dazu führen, dass Imitatoren mit dem Innovator, durch die Aufnahme von Aktivitäten in den verschiedenen Triade-Ländern, auf dessen Heimatmarkt in Konkurrenz treten, damit können Unternehmen gleichzeitig Konkurrenten und Partner werden. Nach Ohmae kommt es darüber hinaus in den Triade-Ländern zu einer Homogenisierung der Märkte, da sich die Kaufkraft immer stärker angleicht. Damit greift er für die Triade- Märkte die Konvergenzthese von Levitt auf (Levitt, T., 1983). Da sich das Ausbildungsniveau in den Triade-Ländern angleicht und eine hoch entwickelte Infrastruktur, z.B. Massenmedien, vorhanden ist, setzt sich der Lebensstil einer Wohlstandsgesellschaft durch (Ohmae, K., 2006). Diese Entwicklung führt dazu, dass für bestimmte Produkte weltweite Trendsettergruppen entstehen. Es entwickelt sich ein „gemeinsamer“ Markt von „OECD-Bürgern“ oder von „Triade-Bürgern“, den Ohmae mit etwa 600 Millionen Menschen beziffert. Das durch die Kapitalintensität der Produktion, die Dynamik neuer Technologien und die Homogenisierung der Nachfrage geförderte Triade-Denken muss nach Ansicht von Ohmae einen zunehmenden Neoprotektionismus in den verschiedenen Triade-Ländern berücksichtigen. Protektionistische Maßnahmen sollen dazu dienen, heimische Produktionen, die nicht mehr weltweit wettbewerbsfähig sind, gegen internationale Konkurrenz zu schützen. Damit will man das Problem der Arbeitslosigkeit mildern. Dieser Protektionismus lässt sich nach Ohmae dadurch umgehen, dass ein Unternehmen in allen wichtigen Märkten als „Insider“ präsent ist. Wenn das nicht gelingt, so kann es in diesen Ländern plötzlich vor verschlossenen Türen stehen (Ohmae, K., 2006). Ein „Insider“ zeichnet sich durch die genaue Kenntnis des lokalen (regionalen) Marktes aus, und seine Präsenz und sein Einfluss sind in der Umgebung deutlich spürbar. Nach außen hin kann man den „triadischen Insider“, was sein Auftreten in dem jeweiligen Markt betrifft, nicht von einem lokalen Anbieter unterscheiden (Ohmae, K., 2006). Die dargestellten Herausforderungen für international tätige Unternehmen lassen sich nach Ansicht von Ohmae nicht mehr mit traditionellen Unternehmensmodellen lösen. Das Modell vom globalen Unternehmen sieht er in Anbetracht der geringen Bedeutung der Lohnkosten in Relation zu den Gesamtkosten als überholt an, da die Lohnkostenvorteile in vielen Ländern durch die Kostennachteile aus dem Standort und der Infrastruktur überkompensiert werden. Zudem sind globale Unternehmen durch das Aufkommen von protektionistischen Maßnahmen besonders gefährdet. Globale Unternehmen sind nach der Betrachtungsweise von Ohmae dadurch gekennzeichnet, dass sie stark von ihrem Stammland geprägt sind. <?page no="109"?> 86 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs Bezüglich der Markteintritts- und -bearbeitungsstrategie empfiehlt Ohmae ein Modell (Ohmae, K., 2006), in dem, gleichsam einem Sprinkler, nach der Innovation eines neuen Produktes alle Schlüsselmärkte gleichzeitig „überflutet“ werden. Damit soll eine schnelle Diffusion neuer Technologien in allen relevanten Märkten erreicht werden. Das „Sprinkler- Modell„ steht im Gegensatz zu dem „Wasserfall-Modell„, bei dem ein sequenzielles Vorgehen bei der Marktdurchdringung erfolgt (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Kreutzer, R., 1989b). Abbildung 48 gibt schematisch das „Sprinkler-“ und das „Wasserfall-Modell“ wieder. Abbildung 48: Wasserfall- und Sprinkler-Modell für den Markteintrittszeitpunkt Auch das Uno-Modell (Ohmae, K., 2006), nach dem die internationalen Aktivitäten von Unternehmen nicht nach betriebswirtschaftlichen Orientierungsgrößen (z.B. Marktpotenzial, Absatzvolumen) gesteuert werden, sondern im Sinne einer maximalen Länderpräsenz, kann nach Ohmae nicht erfolgreich sein, da erstens nicht für alle Länder dieser Welt von der Konvergenzthese ausgegangen werden kann und zweitens viele schwache Wettbewerbspositionen nicht vor Angriffen eines Konkurrenten aus der Triade schützen (Ohmae, K., 2006). Um aus einem international tätigen Unternehmen ein Triade-Unternehmen zu entwickeln, schlägt Ohmae eine Reihe von Maßnahmen vor. Es muss eine Neuorientierung der unternehmerischen Funktionsbereiche erfolgen. Alle betrieblichen Funktionen, insbesondere jedoch der Produktions- und Absatzbereich, müs- <?page no="110"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 87 sen im Hinblick auf die Triade-Märkte neu gestaltet werden. Beispielsweise muss sich die Produkttechnologie am Weltmarkt orientieren und auf globale Produktionsfaktoren ausgerichtet sein. Die Prozesstechnologie soll eine Kostendegression ermöglichen. Der Absatz muss im Sinne des „Sprinkler-Modells“ eine maximale Ausnutzung der Märkte in kurzer Zeit erreichen. Auch müssen sich international tätige Unternehmen mithilfe von Kooperationen zu Insidern in den Triade-Märkten entwickeln. Solche Kooperationsformen können z.B. Konsortien oder Joint Ventures sein, die vorzugsweise regional und nicht länderspezifisch ausgerichtet sind. Die Unternehmensorganisation muss nach Ohmae neu überdacht werden. Im Zusammenhang mit der optimalen Ausnutzung von Synergieeffekten unterscheidet er drei Organisationsmodelle international tätiger Unternehmen: das multinationale, das multilokale und das multiregionale Unternehmen. Bei der Beschreibung der unterschiedlichen Organisationsformen wird deutlich, dass seine Klassifikation dem ethnozentrischen (multinational), dem polyzentrischen (multilokal) und dem regiozentrischen (multiregional) Konzept von Perlmutter sehr ähnlich ist. Für ein Triade-Unternehmen ist für ihn in erster Linie eine multiregionale Organisationsstruktur empfehlenswert (Ohmae, K., 2006). Er schließt jedoch die anderen Organisationsstrukturen für ein Triade-Unternehmen nicht aus. Will sich ein Unternehmen zu einem Triade-Unternehmen entwickeln, so müssen auch die Aufgaben der Unternehmenszentrale neu definiert werden. Die Aufgabe der Zentrale besteht zunächst einmal darin, eine Vordenkerrolle zu übernehmen und den Mitarbeitern Motivation, Zielvorstellungen und Werte zu vermitteln. Dabei sind zwei Wertsysteme zu entwickeln: ein allgemeines, das Aspekte wie Leistungsanspruch und Zielvorstellungen beinhaltet, und ein spezielles Wertsystem, das an Regionen oder Funktionalbereichen ausgerichtet ist. Weiterhin muss die Zentrale aktiv die Unternehmensressourcen zwischen den Regionen verteilen, um bestimmte regionale Aktivitäten zu fördern (Ohmae, K., 2006). Damit soll erreicht werden, dass sich das lokale Unternehmen zu einem Insider entwickelt. Darüber hinaus ist die Zentrale dafür verantwortlich, alle relevanten Informationen aus den Triade- Regionen zu sammeln. Um eine möglichst kurze Reaktionszeit zu erreichen, müssen regelmäßig Informationen über Konkurrenzunternehmen und über veränderte Kundenwünsche erhoben werden. Es ist Aufgabe der Zentrale, „zum Wohle des Unternehmens neue Chancen zu entdecken und tote Winkel der Triade auszuleuchten“ (Ohmae, K., 2006). Eine weitere Aufgabe der Zentrale ist es, die Unternehmensbereiche in den einzelnen Triade-Ländern zu koordinieren und notwendig werdende Kooperationen zu initiieren. Sie muss permanent die Geschäftsfelddefinitionen überprüfen, um zu vermeiden, dass durch ein starres Festhalten an bestehenden Strukturen die Wahrnehmung neuer Chancen verhindert wird (Ohmae, K., 2006). <?page no="111"?> 88 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs Ohmae will die gesamte internationale Unternehmenstätigkeit nicht nur auf die Triade- Länder beschränken, sondern sieht auch eine Verantwortung des Triade-Unternehmens für die Dritte Welt. Jedes Triade-Unternehmen sollte deshalb engen Kontakt zu den jeweils südlich von ihm gelegenen Entwicklungsländern pflegen. So ordnet er Europa die afrikanischen Länder, Japan die asiatischen und Amerika die lateinamerikanischen Entwicklungsländer zu. Abbildung 49 zeigt die regionalen Verantwortungsbereiche der Triade-Unternehmen, wie sie von Ohmae gesehen werden. Bei dieser Verantwortungsstruktur kommt es für die Triade-Unternehmen bei ihren Aktivitäten in diesen Regionen weniger auf Gewinnerzielungsmöglichkeiten als auf humanitäre Hilfe an. Abbildung 49: Regionale Verantwortungsbereiche der Triade-Unternehmen Kritisch ist zu dem Ansatz von Ohmae anzumerken, dass sich das Modell der Triade weitgehend auf die Strategie der Kostenführerschaft konzentriert, die durch eine Marktdurchdringungsstrategie in den Triade-Ländern erreicht werden soll. Durch diese Konzentration auf die Triade-Länder sollen Economies-of-Scale-, Economies-of-Scope- und Lernvorteile erzielt werden, damit die Gewinnschwelle trotz kürzer werdender Lebensdauern von Produkten und Technologien erreicht wird. Darüber hinaus sollen diese Vorteile dazu dienen, die durch die Kapitalintensität der Produktion entstehenden hohen Fixkostenbelastungen schneller abzudecken. Mit dieser Betrachtungsweise vernachlässigt Ohmae die Qualitätsführerschaft als mögliche Strategiealternative. Die Analyse von Ohmae ist durch das japanische Denken geprägt. Das wird auch durch die „triadisch“ ausgerichtete Unternehmenszielsetzung deutlich, bei der geringere Gewinne in Teilmärkten zugunsten einer Gewinnmaximierung auf dem Gesamtmarkt in Kauf genommen werden. Während die traditionellen Unternehmensziele Return on Investment, Eigenkapitalrentabilität und absoluter Gewinn nach Ansicht von Ohmae in westlichen Industrie- <?page no="112"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 89 unternehmen im Vordergrund stehen, werden bei Triade-Unternehmen relative und absolute Marktanteilsziele als Steuergrößen bevorzugt. Ein weiterer kritischer Punkt in der Analyse von Ohmae ist die Konvergenzthese bezüglich der Triade-Länder. Seiner Meinung nach verschwinden zunehmend lokale und kulturelle Besonderheiten bei Produkten, da sich Kunden in den Triade-Ländern nur die fortschrittlichsten Produkte wünschen. Zwar gleichen sich die Einkommensstrukturen in den verschiedenen OECD-Ländern an und führen die Transport- und Kommunikationssysteme zu einem Abbau der Distanzen zwischen Ländern und Kulturen, jedoch stehen diesen Konvergenzen erhebliche globale Divergenztendenzen - auch in den Triade-Ländern - gegenüber. Die Entwicklung zu einer Multiple-Option-Society (Kreutzer, R., 1989b) zielt auf eine individuelle Bedürfnisbefriedigung ab. Wenn auch die Konvergenzthese für einige Märkte unterstellt werden kann (z.B. ähneln sich die Jugendkulturen in den USA, Japan und Europa), so lässt sich doch feststellen, dass sie nicht allgemeingültig ist. Allein die Unterschiede im Konsumentenverhalten in Europa zeigen, wie vielfältig die Bedürfnis- und Nachfragestrukturen trotz des gemeinsamen Marktes sind. Zu den genannten Punkten kommt hinzu, dass Ohmae sich weitgehend auf Großunternehmen konzentriert. Für mittlere und kleinere Unternehmen ist eine Triade-Strategie aus Mangel an Ressourcen i.d.R. nicht durchführbar. Ohmaes Konzept propagiert durch die vorgeschlagenen Kooperationsformen und die Fokussierung auf Großunternehmen implizit eine Konzentrationstendenz, bei der nur wenige Spitzenunternehmen überleben. Damit würden, folgt man der Überlegung von Ohmae, viele kleine Innovationsunternehmen nicht globalisieren können. Zudem kann das Konzept auch für Großunternehmen nicht empirisch bestätigt werden. Von den 380 multinationalen Unternehmen der Fortune 500 aus dem Jahr 2001, für die länderspezifische Umsatzzahlen verfügbar sind, können nur neun als Triade-Unternehmen bezeichnet werden. 320 dieser Unternehmen sind auf die Heimatregion fokussiert mit einem durchschnittlichen Umsatzanteil von 80,3% in dieser Region (Rugmann, A.M./ Collinson, S., 2009). Des Weiteren stützt sich Ohmae bei seiner Betrachtung fast ausschließlich auf Hightech- Konsumgüter. Damit wird der Investitionsgüter- und Dienstleistungsbereich weitgehend außer Acht gelassen. In diesen Märkten können Qualitätsführerschafts- und Nischenstrategien genauso erfolgreich sein wie Kostenführerschaftsstrategien. Damit vernachlässigt er einen großen Teil der Aktivitäten vieler international tätiger Unternehmen. Durch die Öffnung Osteuropas und durch die Entwicklung einiger Schwellenländer in Asien oder in Lateinamerika läuft Ohmae Gefahr, aufgrund der Konzentration auf die Triade-Länder interessante Marktchancen zu übersehen. Dies gilt insbesondere für die BRICS- Staaten. <?page no="113"?> 90 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs Insgesamt sind die Ausführungen von Ohmae auf die „Japanische Erfolgsstrategie“ der 1980er Jahre ausgerichtet. Ob Amerikaner und Europäer den japanischen Erfolgsweg imitieren können, ohne eine schlechte Kopie eines guten Japaners zu werden, erscheint fraglich. 2 .3 Globalisierungskonzept von Porter Porter stellt in seinen Ausführungen über den Wettbewerb auf globalen Märkten fest, dass man heute mehr über die Probleme weiß, „die ein Unternehmen auf dem Weg zur multinationalen Geschäftstätigkeit bewältigen muss, als über die Strategien, die für eine etablierte internationale Firma geeignet sind“ (Porter, M.E., 1989b). Er versucht daher, ein Rahmenkonzept für die Formulierung von Internationalisierungsstrategien zu entwickeln. Zunächst unterscheidet er zwischen länderspezifischen und globalen Branchen. In länderspezifischen Branchen ist der Wettbewerb zwischen den betreffenden Unternehmen innerhalb eines Landes oder einer kleinen Ländergruppe im Wesentlichen unabhängig vom Marktgeschehen in anderen Ländern. Eine globale Branche ist nach Porter dadurch gekennzeichnet, dass die Wettbewerbsposition eines Unternehmens in einem spezifischen Land von seiner Stellung in anderen Ländern beeinflusst wird oder der umgekehrte Sachverhalt vorliegt (Porter, M.E., 1989b). Während Unternehmen aus länderspezifischen Branchen entscheiden können, ob sie international tätig werden oder nur den Heimatmarkt bedienen wollen, ist für ein Unternehmen aus einer globalen Branche die Formulierung einer erfolgreichen Internationalisierungsstrategie eine lebenswichtige Aufgabe (Porter, M.E., 1989b). Nach Porter muss ein Unternehmen für die Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie eine Optimierung von Vorteilen aus einem integrierten weltweiten Verbundsystem unter Berücksichtigung der notwendigen Länderorientierung (Meckl, R./ Rosenberg, C., 1995) vornehmen (Porter, M.E., 1989b). Porter entwickelt sein Globalisierungskonzept aus der Wertkette, die in Abbildung 50 wiedergegeben wird (Porter, M.E., 1985). Im Rahmen seines Ansatzes unterscheidet Porter zwischen unterstützenden und Primäraktivitäten. Primäraktivitäten sind interne und externe Logistik, Produktion, Marketing und Verkauf sowie Kundendienst. Die unterstützenden Aktivitäten umfassen die Funktionen Beschaffung, technologische Entwicklung, Personalmanagement und die Infrastruktur des Unternehmens. Für die Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie muss das Management entscheiden, wie die verschiedenen Aktivitäten der Wertkette auf die unterschiedlichen Länder verteilt werden sollen. Porter schlägt vor, dass nachgelagerte, also stärker auf den Kunden bezogene Unternehmensfunktionen (Teile der externen Logistik, Marketing und Verkauf sowie Kundendienst) im Allgemeinen in der geografischen Nähe zum Kunden anzusiedeln sind. <?page no="114"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 91 Abbildung 50: Wertkette von Porter Die auf den nachgelagerten Aktivitäten basierenden Wettbewerbsvorteile, nach Porter entweder Kosten- oder Differenzierungsvorteile, sind in hohem Maße länderspezifisch. In Wirtschaftszweigen, in denen ein Wettbewerbsvorteil in erster Linie von den nachgelagerten und abnehmerorientierten Unternehmensfunktionen abhängt, entwickelt sich somit eine eher länderorientierte Wettbewerbsstruktur. Die vorgelagerten Aktivitäten (interne und Teile der externen Logistik sowie operative Funktionen) und die unterstützenden Maßnahmen sind nach seiner Ansicht nicht an den Kundenstandort gebunden (Rugmann, A.M./ Collinson, S., 2009; Porter, M.E., 1989b). Als wesentliche Unterscheidungsmerkmale für eine länderorientierte oder globale Strategie betrachtet Porter die Konfiguration und die Koordination der Unternehmensaktivitäten. Die Konfiguration der Unternehmenstätigkeiten kann zwischen den Extremen einer Konzentration, d.h. schwerpunktmäßige Ansiedlung einer Unternehmensaktivität an einem Standort, und einer Streuung der Aktivitäten, d.h. eine bestimmte Unternehmensaktivität wird in vielen Ländern ausgeführt, liegen. Die Koordination kann zwischen einer vollständigen lokalen Autonomie, bei der auf jede Koordination verzichtet wird, und einer engen Verzahnung der einzelnen Unternehmensteile liegen. Mithilfe der unterschiedlichen Ausprägungen der Strategievariablen Konfiguration und Koordination kommt Porter zu vier Varianten einer Internationalisierungsstrategie, die in Abbildung 51 wiedergegeben werden. Dabei handelt es sich um: (1) Länderspezifische Strategie eines multinationalen Unternehmens oder eines Inlandsunternehmens, das nur in einem Land tätig ist, (2) exportorientierte Strategie mit dezentralisiertem Marketing, (3) hohe Auslandsinvestitionen mit straffer Koordination der Auslandstochtergesellschaften und (4) einfache Globalstrategie. <?page no="115"?> 92 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs Abbildung 51: Varianten von Internationalisierungsstrategien Globalstrategien können nach Porter die unter den Punkten (2) bis (4) enumerierten Strategien darstellen (Porter, M.E., 1989b). Kostenvorteile aus Globalstrategien werden durch Economies-of-Scale- und Lerneffekte oder durch die Ausnutzung komparativer Kostenvorteile mithilfe einer Konzentration der Aktivitäten auf einen Standort oder einige wenige Standorte erreicht. Daneben kann es zu Koordinationsvorteilen kommen, die sich aus der geografischen Verknüpfung verwandter Funktionen (z.B. Forschung und Entwicklung) ergeben. Damit wird auch die Standortfrage gelöst: Die Economies-of-Scale- und die Lerneffekte bestimmen die Anzahl der Standorte, während die komparativen Kosten- und die Koordinationsvorteile die geografische Lage der Standorte festlegen (Hill, C.W.L., 2009; Porter, M.E., 1989b). Damit kommt Porter zu einer internationalen Verteilung der unterschiedlichen Unternehmensaktivitäten seiner Wertkette. Er weist dabei mit Recht darauf hin, dass eine Unterscheidung zwischen einer weltweiten Standardisierung und einer nationalen Individualisierung der Komplexität einer Internationalisierungsstrategie nicht gerecht wird. Nach seiner Analyse müssen die einzelnen Unternehmensaktivitäten der Wertkette getrennt dahingehend überprüft werden, ob sich durch die unterschiedliche Ausgestaltung der Konfiguration und/ oder Koordination Wettbewerbsvorteile im Sinne von Kosten- oder Differenzierungsvorteilen ableiten lassen. So ist es möglich, dass ein Unternehmen einige seiner Funktionen standardisiert, d.h. ihnen eine Konzentrationsstruktur zugrunde legt, und andere individualisiert, d.h. streut (Porter, M.E., 1989b). Unternehmen können bei dieser Betrachtung Kostenvorteile nicht nur dadurch erreichen, dass sie an einem bestimmten Standort ein niedrigeres Kostenniveau ausnutzen, sondern auch durch die Art und Weise, wie sie ihre betrieblichen Aktivitäten weltweit gestalten. Economies-of-Scale- und Lerneffekte sowie eine in Bezug auf die internationalen Abnehmer vorgenommene Produktdifferenzierung sind nicht an einzelne Länder gebunden, sondern an den strukturellen Aufbau und die Koordination der weltweiten Aktivitäten. Die internationale Optimierung der Wertkette führt nach Porter zu dauerhafteren Wettbewerbsvorteilen für Unternehmen als die Ausnutzung von komparativen Kostenvorteilen in einem Land (Porter, M.E., 1989b). <?page no="116"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 93 Porter entwickelt für globale Branchen die folgenden vier unterschiedlichen internationalen Gesamtstrategien, die sich im Hinblick auf ihre wettbewerbspolitische und geografische Streubreite unterscheiden (Rugmann, A.M./ Collinson, S., 2009; Porter, M.E., 1989b): (1) Globale Kostenführerschaft oder globale Differenzierung, (2) globale Segmentierung, (3) geschützte Märkte und (4) länderspezifische Anpassung. Abbildung 52 gibt die unterschiedlichen strategischen Alternativen in einer globalen Branche wieder. Bei der globalen Kostenführerschaft oder Differenzierung strebt das Unternehmen nach Kosten- oder Differenzierungsvorteilen, die aus einer globalen Konfiguration bzw. Koordination gewonnen werden können. Diese Kosten- oder Differenzierungsvorteile nutzt es mithilfe einer Globalstrategie in vielen Marktsegmenten aus. Als Beispiele für eine globale Kostenführerschaft nennt Porter die Unternehmen Toyota und Komatsu und für eine globale Differenzierung IBM und Caterpillar. Bei einer globalen Segmentierung bearbeitet das Unternehmen weltweit nur wenige Marktsegmente. Mitunter ermöglicht eine globale Strategie auch eine völlig neue Marktsegmentierungspolitik, weil bei der weltweiten Bedienung eines bestimmten Segmentes eine Größenschwelle überschritten wird, die bei der Bearbeitung des Segmentes in nur einem Land nicht erreichbar ist. Als Beispiele für Unternehmen, die diese Strategie verfolgen, nennt Porter mittelgroße multinationale Unternehmen, japanische Unternehmen in der Motorrad-, Traktoren- und Fernsehgeräteindustrie sowie multinationale Unternehmen aus der Schweiz und Finnland. Abbildung 52: Strategische Alternativen in einer globalen Branche Eine Strategie von Unternehmen, in geschützten Märkten tätig zu werden, resultiert aus staatlichen Beschränkungen, die einen globalen Wettbewerb verhindern. Mit einer frühzeitigen Direktinvestition kann sich das Unternehmen einen Markteintritt verschaffen, wo- <?page no="117"?> 94 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs durch hohe Zollschranken, stringente Importquoten oder ein hoher lokaler Eigenfertigungsanteil keine Hemmnisse mehr darstellen. Porter nennt Indien, Mexiko und Argentinien als Beispiele für Länder, die über zahlreiche geschützte Märkte verfügen. Bei einer länderspezifischen Anpassung konzentriert sich ein Unternehmen auf diejenigen Segmente, in denen spezielle Ländercharakteristika besonders zum Tragen kommen, obwohl die Branche insgesamt durchaus globale Züge aufweist. Das Unternehmen ist bereit, in jedem Land spezielle lokale oder regionale Anforderungen an die Produkte, Vertriebskanäle und Marketingmethoden zu erfüllen und verzichtet dabei auf die Wettbewerbsvorteile einer Globalstrategie (Hill, C.W.L., 2009; Porter, M.E., 1989b). Das Globalmodell von Porter ist wohl das bisher umfassendste Konzept für die Formulierung einer Internationalisierungsstrategie. Jedoch sind einige kritische Anmerkungen zu seinem Konzept angebracht. Erstens beschreibt Porter zwar allgemein, dass für die unterschiedlichen Unternehmensaktivitäten der Wertkette nach Kostenund/ oder Differenzierungsvorteilen gesucht werden müssen. Er lässt jedoch eine detaillierte Analyse, wie solche Wettbewerbsvorteile im Rahmen der Internationalisierung gefunden werden können, weitgehend vermissen. Nur einzelne, aneinander gereihte Beispiele verdeutlichen, wie solche Wettbewerbsvorteile im Einzelnen gefunden werden könnten. Wenn man z.B. bei der technologischen Entwicklung zwischen Grundlagenforschung, angewandter Forschung und Entwicklung unterscheidet, stellt sich die Frage, ob diese alle als unterstützende Maßnahmen zentralisiert werden sollten. Bei der Entwicklung hingegen müssen länderspezifische Kunden- und Marktaspekte berücksichtigt werden. Zweitens besteht die Gefahr, dass ein Unternehmen, wenn es erst einmal seine Wertkette international optimiert hat, sehr unflexibel werden kann, da eine Neuoptimierung des gesamten Wertkettensystems zu erheblichen Anpassungsschwierigkeiten führt. Porter hat dies erkannt, denn er stellt fest: „Daher gelingt einem einheimischen Unternehmen die Umwandlung in ein global operierendes Unternehmen oft leichter als einem ‹altgedienten› MNU, denn es fängt quasi bei null an, während das MNU zunächst seine internationalen Aktivitäten rationalisieren und umorganisieren muss“ (Porter, M.E., 1989b). Drittens führt Porter nur an einigen Stellen seines Konzeptes aus, wie die Markteintrittsstrategie im Einzelnen aussehen soll. 2 .4 Wettbewerbsvorteile von Nationen nach Porter 2 .4.1 Grundkonzept In seinem Buch über die Wettbewerbsvorteile von Nationen untersucht Porter (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Rugmann, A.M./ Collinson, S., 2009; Porter, M.E., 1999) nicht primär die Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie von Unternehmen. Jedoch zeigt er an- <?page no="118"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 95 hand einer empirischen Untersuchung, wie durch verschiedene Unternehmensumwelten die Strategie und damit auch die Internationalisierung von Unternehmen beeinflusst werden. Er kommt am Ende seiner Analyse zu einer Vielzahl von praktischen Ratschlägen, wie die aus seiner Umweltanalyse gewonnenen Erkenntnisse für Internationalisierungsentscheidungen von Unternehmen umgesetzt werden können (Porter, M.E., 1999). Ausgangspunkt von Porters Überlegungen ist die Hypothese, dass Nationalstaaten existieren, um ihren Bevölkerungen einen steigenden Lebensstandard zu ermöglichen. Ein wachsender Wohlstand der Bevölkerung kann nur durch eine große Konkurrenzfähigkeit von Ländern, Branchen oder Unternehmen infolge von Produktivitätssteigerungen und nicht allein durch „Erbe“, d.h. durch Erfolge, die in der Vergangenheit liegen, erreicht werden. Die Produktivität misst er an der realen Bruttowertschöpfung je Arbeits- oder Kapitaleinheit (Porter, M.E., 1999). Unter nationalen Wettbewerbsvorteilen versteht Porter Vorteile, die es einem Land ermöglichen, international wettbewerbsfähig zu sein. Er kritisiert, dass mit den klassischen Theorien der Internationalisierung die nationale Wettbewerbsfähigkeit nicht erklärt werden kann, da sie zu einseitig sind. So sei eine Ausrichtung auf komparative Kostenvorteile, auf die Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen oder auf das Humankapital, auf die Wechselkurse oder auf das Zinsniveau genauso ungeeignet für die Erklärung der Internationalisierung wie staatliche Maßnahmen (Porter, M.E., 1999). Außerdem könne man nicht von einer Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften sprechen, sondern diese sei das Ergebnis von konkurrenzfähigen Unternehmen oder Branchen. Deshalb sei bei einer Analyse der nationalen Wettbewerbsfähigkeit der Schwerpunkt der Betrachtung auf die Faktoren zu lenken, die Unternehmen oder Branchen international konkurrenzfähig machen. Hier komme es darauf an, dass einzelne Unternehmen oder Branchen permanent nach neuen Quellen für das Erlangen oder den weiteren Ausbau von Wettbewerbsvorteilen suchen. Damit setzt Porter bei seiner Untersuchung auf einem niedrigeren Aggregationsniveau an als die klassischen Theorien der Internationalisierung. Die Entwicklung eines stetigen Produktivitätszuwachses und damit nationaler Wettbewerbsvorteile kann nach Meinung Porters nur durch Innovationen in spezifischen Unternehmen und Branchen erreicht werden. Solche Innovationen können sich in einer verbesserten Qualität der Erzeugnisse, in der Entwicklung mit neuen Eigenschaften versehener oder neuer Produkte bzw. in neuen Prozesstechnologien ausdrücken. Damit schaffen sich Unternehmen bzw. Branchen eine neue Wettbewerbsbasis oder finden bessere Mittel, um in den bisherigen Bereichen zu konkurrieren. Nun gibt es für Porter gute und schlechte Umweltzustände, die die nationale Wettbewerbsfähigkeit und damit den Prozess zur Erlangung einer internationalen Wettbewerbsfähigkeit fördern. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes oder einer Branche hängt seiner Meinung nach von vier Haupt- und zwei Nebenelementen der Gesamtwirtschaft eines Landes ab, die Porter zu einer „Diamanten“-Theorie (Rugmann, A.M./ Collinson, S., <?page no="119"?> 96 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs 2009; Hill, C.W.L., 2009; Porter, M.E., 1999) zusammenfasst. Diese Elemente entscheiden darüber, ob sich Wissen und Fähigkeiten rasch akkumulieren, Informationen besser verbreiten, neue Einsichten in Produkt- und Verfahrenstechniken rascher umsetzen lassen, d.h. Innovationsprozesse gefördert oder gehemmt werden. Die von Porter analysierten vier Hauptelemente sind: (1) Faktorbedingungen, d.h. die Menge und Qualität der Einsatzfaktoren, insbesondere natürliche Ressourcen, die Ausbildung und Qualifikation von Arbeitnehmern und die Lohnhöhe, (2) Nachfragebedingungen eines Landes, insbesondere die Marktgröße, das Anspruchsniveau der Kunden an Produkte und Dienstleistungen sowie die Darstellungsmöglichkeiten der Produkte in den Medien, (3) Verwandte und unterstützende Branchen, insbesondere die Existenz von sogenannten Unternehmensclustern und (4) Unternehmensstrategien, Struktur und Konkurrenz, insbesondere die Anzahl von konkurrierenden Unternehmen und die Intensität des Wettbewerbs in einer Branche sowie die Struktur privater oder staatlicher Unternehmen. Neben diesen vier Hauptelementen führt Porter zwei Nebenelemente in seine „Diamanten“-Theorie ein: den Zufall und den Staat. Die Elemente der nationalen Wettbewerbsfähigkeit müssen sich nach Porter gegenseitig unterstützen, wenn Unternehmen oder Branchen und daraus abgeleitet ein Land international wettbewerbsfähig werden oder bleiben will. Diese Verflechtung versucht er mit einem „Diamanten“ zu symbolisieren. Der „Diamant“ misst, in welchem Maße ein Land Wettbewerbsvorteile entwickeln kann (Porter, M.E., 1999). Abbildung 53 stellt den „Diamanten“ dar (Porter, M.E., 1999). Faktorbedingungen Die Faktorbedingungen als erstes Element seines „Diamanten“ (Rugmann, A.M./ Collinson, S., 2009; Hill, C.W.L., 2009; Porter, M.E., 1999) umfassen nicht nur die Produktionsfaktoren aus den klassischen Außenhandelstheorien, sondern auch die verschiedenen Wege, sie am besten zu verbinden. Porter unterscheidet bei den Einsatzfaktoren menschliche, physikalische, Wissens- und Kapitalressourcen sowie die Infrastruktur. Die Einsatzfaktoren unterteilt er nach zwei unterschiedlichen Kriterien. So unterscheidet er einmal zwischen Grundfaktoren und fortschrittlichen Faktoren, wobei insbesondere die fortschrittlichen Faktoren für die Gewinnung von nationalen Wettbewerbsvorteilen wichtig sind (Porter, M.E., 1999). Grundfaktoren sind z.B. die natürlichen Ressourcen, das Humankapital und die Infrastruktur, während fortschrittliche Faktoren, z.B. die Technologien, die Fähigkeiten und das Wissen eines Landes darstellen. Zum anderen trennt er zwischen allgemeinen Faktoren und <?page no="120"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 97 speziellen Faktoren. Allgemeine Faktoren sind z.B. die allen Branchen zugängliche Infrastruktur, die Versorgung mit Fremdkapital oder der Bestand an engagierten Beschäftigten mit Hochschulabschluss. Spezielle Faktoren sind z.B. Personen mit Spezialkenntnissen, eine Infrastruktur mit speziellen Merkmalen, Grundlagenkenntnisse auf bestimmten Gebieten und andere Faktoren mit Bezug zu einem begrenzten Bereich oder gar nur zu einer einzigen Branche in einem Land (Porter, M.E., 1999). Porter kommt zu dem Ergebnis, dass ein Wettbewerbsvorteil dann am „klarsten und dauerhaftesten ist, wenn ein Land Faktoren besitzt, die für den Wettbewerb in einer bestimmten Branche gebraucht werden und sowohl fortschrittlich als auch speziell sind“ (Porter, M.E., 1999). Im Gegensatz zu den klassischen Theorien der Faktorausstattung betrachtet es Porter mitunter als Vorteil für ein Land, wenn anfänglich Wettbewerbsnachteile durch fehlende Grundfaktoren vorhanden sind, denn sie zwingen Unternehmen, in Technologien zu investieren, um besser als die faktorreiche Konkurrenz zu werden (Rugmann, A.M./ Collinson, S., 2009; Porter, M.E., 1999). Abbildung 53: Porters „Diamant“ zur Bestimmung nationaler Wettbewerbsvorteile Nachfragebedingungen Für die Bestimmung der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes sind drei allgemeine Eigenschaften der Inlandsnachfrage von Bedeutung: (1) Zusammensetzung oder Art der Verbraucherbedürfnisse, (2) Umfang und Wachstumsstruktur und (3) Mechanismen, mit denen die heimischen Präferenzen eines Landes den Auslandsmärkten vermittelt werden. Porter kommt zu dem Ergebnis, dass die Qualität der Inlandsnachfrage bei der Bestimmung eines Wettbewerbsvorteils entscheidender ist als die Quantität (Porter, M.E., 1999). <?page no="121"?> 98 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs Die Zusammensetzung der Inlandsnachfrage erhöht für ein Land die Wettbewerbsfähigkeit, wenn inländische Käufer die Inlandsunternehmen drängen, schneller zu innovieren und differenziertere Wettbewerbsvorteile zu erzielen als die ausländischen Konkurrenten. Auch die Segmentstruktur der Inlandsnachfrage und die Verteilung der Nachfrage beeinflussen die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. In globalen Segmenten erzielen Unternehmen nach Porter wahrscheinlich dort einen Wettbewerbsvorteil, wo sie einen großen oder besonders wichtigen Teil der Inlandsnachfrage an sich binden. Daneben muss gelten, dass eine entsprechende Inlandsnachfrage in anderen Ländern nur unbedeutend ist (Porter, M.E., 1999). Wichtiger als die Segmentstruktur erscheint Porter für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes, anspruchsvolle und schwierige Käufer in Bezug auf Produkte und Dienstleistungen zu haben. Die Anforderung der Kunden an die leichte Handhabbarkeit, die Verfügbarkeit, die Nützlichkeit und das Preis-Leistungsverhältnis sind Rahmenbedingungen für Unternehmen, die sie permanent zwingen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu kämpfen. Es kommt darauf an, besonders sensibel auf die Nachfragebedingungen im unmittelbaren Umfeld zu reagieren. Anspruchsvolle Kunden im Heimatland eines Unternehmens erzeugen einen Innovationsdruck, der für die Entwicklungsfähigkeit der gesamten Industrie und damit für ein ganzes Land vorteilhaft ist (Porter, M.E., 1999). Dabei ist es besonders günstig für ein Land, wenn die inländische Nachfragestruktur die der anderen Länder antizipiert, denn dadurch besitzt das Unternehmen einen Indikator für die globale Entwicklung (Porter, M.E., 1999). Größe und Wachstumsmuster der Inlandsnachfrage können ebenfalls einen nationalen Wettbewerbsvorteil in einer Branche stärken. Die Größe des Inlandsmarktes ist nach Porter für die Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen besonders dort relevant, wo mit hohen Anforderungen an die Forschung und Entwicklung, mit Economies-of-Scalebzw. Lerneffekten, mit Technologieparadigma-Wechseln oder mit einem hohen Unsicherheitsgrad gerechnet werden muss (Porter, M.E., 1999). Dann ermöglicht ein großer Inlandsmarkt das schnelle Erreichen einer Breakeven-Menge. Eine hohe Anzahl an unabhängigen Käufern in einem Land, die alle unterschiedliche Produktanforderungen stellen, erhöht nach Porter den Innovationsdruck auf die Unternehmen und fördert damit auch die Wettbewerbsfähigkeit einer Branche. Durch ein starkes Wachstum der Inlandsnachfrage wird nach Porter eine schnellere Übernahme neuer Prozesstechnologien erreicht als bei einem langsamen Wachstum, da die Unternehmen der Überzeugung sind, immer wieder in neue Produkte oder in neue Anlagen investieren zu müssen. Mobile oder international orientierte Käufergruppen sind nach Porter genauso ein Element der Nachfragebedingungen zur Erhaltung oder Erreichung von Wettbewerbsvorteilen wie ausländische Kunden, die im Inland ausgebildet wurden. Mit dem „Export einer bestimmten Kultur“, z.B. durch Filme, kann eine Präferenz im Ausland für inländische Produkte entwickelt werden. <?page no="122"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 99 Verwandte und unterstützende Branchen Porter geht davon aus, dass ein Unternehmen nur dann eine weltweite Spitzenposition einnehmen kann, wenn es auch Lieferanten von Weltspitzenniveau hat. Erst die Internationalität der Lieferanten garantiert dem Unternehmen, dass dieses selbst die globalen Vorteile nutzen kann. Vor allem haben diese Unternehmen nach Porter bessere Chancen, durch Allianzen im internationalen Wettbewerb zu bestehen (Porter, M.E., 1999). Außerdem machen sich die Unternehmen, wenn sie ihre Lieferanten fördern, weniger von ausländischen Lieferanten abhängig. Gleichsam profitiert ein Unternehmen von einer starken inländischen Konkurrenz zwischen Unternehmen der gleichen Branche in einem Land. Schon der Auftritt von einem oder mehreren international wettbewerbsfähigen Unternehmen beeinflusst seiner Meinung nach andere mit ihnen geschäftlich verbundene heimische Unternehmen und Industrien positiv und stärkt die Basis für Wettbewerbsvorteile der ganzen Wirtschaft. Die positiven Effekte für die Wettbewerbsfähigkeit resultieren aus dem Innovationswettbewerb innerhalb der inländischen Branche, wobei es durch die relativ kurzen Kommunikationswege und die kulturelle Gleichartigkeit im Heimatland der Unternehmen zu einem laufenden Austausch von Ideen und Konzeptionen kommt (Porter, M.E., 1999). Treten zu der großen Konkurrenz im Inland auch noch eine räumliche Konzentration und Geflechte wechselseitig verwobener Unternehmen und Industrien hinzu, dann bilden sich nach Porter „Unternehmenscluster“, die sich besonders vorteilhaft auf die übrigen Elemente des „Diamanten“ auswirken. Solche „Unternehmenscluster“ können in Städten (z.B. Detroit für die amerikanische Automobil-, Maschinen- und Autozulieferindustrie), Regionen (z.B. Silicon Valley) oder ganzen Kontinenten entstehen. Unternehmensstrategie, Strukturen und Konkurrenz Als letztes Hauptelement seines „Diamanten“ sieht Porter die Unternehmensstrategie sowie die Strukturen und die Konkurrenzsituation in einer Branche. Hier betrachtet er, wie sich Branchen und Unternehmen in den Ländern gebildet haben, wie sie organisiert sind und geführt werden. Er sieht Vorteile für die internationale Konkurrenzfähigkeit in den Ländern oder Branchen, die nach langfristigen und nicht nach kurzfristigen Zielen und Wettbewerbsvorteilen streben. Er verdeutlicht dabei, dass die Formulierung der Unternehmensziele länderspezifisch durch gesellschaftliche Gruppen unterschiedlich beeinflusst wird und welche Bedeutung nationale Prestigeziele für die Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen haben können (Porter, M.E., 1999). Die Verhaltensweisen der Unternehmensleitung und der Arbeitnehmer in unterschiedlichen Kulturkreisen können sich ebenfalls positiv auf den gesamten „Diamanten“ auswirken. Auch die Art, wie der Wettbewerb in einem Land geführt wird, spielt in Bezug auf die Entwicklung von nationalen Wettbewerbsvorteilen eine große Rolle. Dabei leisten die Handelspolitik und die Anti-Trust-Gesetzgebung einen wichtigen Beitrag. So zwingt der Konkurrenzdruck Unternehmen, auch international tätig zu werden. Eine starke Riva- <?page no="123"?> 100 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs lität auf dem heimischen Markt betrachtet Porter als einen nationalen Besitz, dessen Wert nur schwer zu überbieten ist (Porter, M.E., 1999). Rolle des Zufalls Porter beschreibt, dass auch Zufallsereignisse für die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit wichtig sind, weil sie Unterbrechungen hervorrufen, die zu Veränderungen in der Wettbewerbsposition führen können. Als Beispiele für solche Zufallsereignisse, die seiner Meinung nach einen großen Einfluss auf die Wettbewerbsvorteile ausüben, nennt Porter (Rugmann, A.M./ Collinson, S., 2009; Porter, M.E., 1999): (1) zufällige Entdeckungen, (2) größere technologische Brüche (z.B. Biotechnologie, Mikroelektronik), (3) Schwankungen bei den Produktionsmittelpreisen wie z.B. in der Erdölkrise, (4) bedeutende Verschiebungen auf den Weltfinanzmärkten oder bei den Wechselkursen, (5) extremer Anstieg der Welt- oder Regionalnachfrage, (6) politische Entscheidungen ausländischer Regierungen und (7) Kriege. Zufallsereignisse wirken sich nach der Analyse von Porter auf verschiedene Länder unterschiedlich aus. Das Land mit dem günstigsten „Diamanten“ wandelt seiner Meinung nach „Zufallsereignisse höchstwahrscheinlich in einen Wettbewerbsvorteil um“ (Porter, M.E., 1999). Rolle des Staates Der Staat kann Einfluss auf alle vier Hauptelemente des „Diamanten“ nehmen und sie positiv oder negativ verändern. Dabei ist die Rolle des Staates nach Porter einseitig. Die staatliche Politik zur Erlangung der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes scheitert, wenn sie der einzige Ursprung des nationalen Wettbewerbsvorteils bleibt. Eine erfolgreiche staatliche Politik ist nur in den Branchen möglich, wo grundlegende Bestimmungsfaktoren des nationalen Vorteils vorhanden sind und der Staat diese unterstützt. So kann die staatliche Politik die Chance von Branchen oder Unternehmen fördern, einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen oder zu erhöhen, sie kann aber den Vorteil nicht selbst schaffen (Rugmann, A.M./ Collinson, S., 2009; Porter, M.E., 1999). 2 .4.2 Dynamik des „Diamanten“ Nur Länder, die einen gut funktionierenden „Diamanten“ haben, d.h., bei denen sich die einzelnen Elemente des „Diamanten“ gegenseitig positiv verstärken, besitzen nach Porter langfristig nationale Wettbewerbsvorteile, die ihnen eine internationale Konkurrenzfähigkeit ermöglichen. Seiner Meinung nach ist kein Land in der Lage, in allen Branchen oder wenigstens bei den meisten Produkten weltweit gleich konkurrenzfähig zu sein. Eine welt- <?page no="124"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 101 weite Konkurrenzfähigkeit schaffen nur solche Industrien oder Unternehmen, die sich zuerst in einem besonders dynamischen heimischen Konkurrenzkampf durchsetzen konnten. So wird es selbst in den reichsten Ländern immer Branchen geben, die international nicht oder kaum erfolgreich sind. Länder mit Wettbewerbsvorteilen, die nur auf einem oder zwei Elementen des „Diamanten“ aufbauen, können, nach Ansicht von Porter keine langfristige globale Konkurrenzfähigkeit erlangen, da andere Wettbewerber in der Lage sind, sie zu umgehen. Ressourcenorientierte Wettbewerbsvorteile, z.B. die Ausnutzung billiger Arbeitskosten, sind seiner Meinung nach nur für kurzfristige Erfolge geeignet. Es kommt seiner Beobachtung nach kaum vor, dass ein Land von Beginn an über alle positiven Elemente des „Diamanten“ verfügt. Deshalb erreichen Länder eine internationale Wettbewerbsfähigkeit meist in drei Schritten. Im ersten Schritt erlangt ein Land seine Wettbewerbsvorteile aus einem einzigen Vorteil wie den Faktorbedingungen (z.B. billige Arbeitskräfte) oder den Nachfragebedingungen (z.B. Marktgröße). Jedoch ist von Anfang an fast immer eine heimische Konkurrenzsituation notwendig, da sie die Unternehmen anspornt, auch nach anderen als den ursprünglichen Wettbewerbsvorteilen zu suchen. So entstehen allmählich international wettbewerbsfähige Unternehmen und Branchen. Um langfristig erfolgreich zu sein, muss sich das Land im zweiten Schritt von einer „investitionsgetriebenen“ zu einer „innovationsgetriebenen“ Volkswirtschaft entwickeln. Im dritten Schritt bilden sich „Unternehmenscluster“ von Weltspitzenunternehmen, die eng miteinander verflochten sind und die durch eine extreme Inlandskonkurrenz so „gestählt“ sind, dass sie die Konkurrenz auf den Weltmärkten nicht zu fürchten brauchen. Porter weist aber darauf hin, dass es auch zu einer Überschätzung der eigenen Position kommen kann. Dann entsteht im vierten Schritt eine „wohlstandsgetriebene“ Volkswirtschaft, die Länder wieder in die Situation mangelnder Wettbewerbsvorteile zurückführt. Plötzliche oder nicht beeinflussbare externe Umwelteinflüsse, wie z.B. Kriege oder Embargos können sich auf existierende „Diamanten“ vorteilhaft auswirken oder zu einer Umstrukturierung von Branchen führen und ihn damit zerstören. So hat z.B. die Materialknappheit während des Zweiten Weltkrieges die USA gezwungen, innovative Durchbrüche im Bereich der Kunststoffe und der Metalllegierungen zu erreichen. Der hohe Anstieg der amerikanischen Löhne und Gehälter in den ersten Nachkriegsjahren führte zu einer verstärkten Automatisierung, um diese Arbeitskostennachteile zu kompensieren. Staatliche Eingriffe können nationale Wettbewerbsvorteile ebenfalls fördern oder negativ beeinflussen. So führt z.B. nach Porter eine rigorose Durchsetzung von Anti-Trust-Bestimmungen in einem Land zu einer verschärften Wettbewerbssituation und zwingt damit die Unternehmen zu Innovationen, was zur Bildung neuer nationaler Wettbewerbsvorteile führt. <?page no="125"?> 102 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs Im Folgenden werden die Auswirkungen dargestellt, die Änderungen in den einzelnen Elementen des Porterschen „Diamanten“ auf dessen Entwicklung und damit Veränderung haben. Einfluss auf die Faktorbedingungen: (1) Eine Ansammlung inländischer Konkurrenten regt die Faktorbildung an. Beispielsweise kann die Etablierung eines neuen Industriezweiges in einem Schwellenland zu einer verbesserten Verfügbarkeit von Fachpersonal führen. (2) Erkannte nationale Herausforderungen regen die Faktorbildung an. (3) Inlandsnachfrage beeinflusst Prioritäten für faktorbildende Investoren. (4) Verwandte und unterstützende Branchen schaffen oder beleben die Bildung übertragbarer Faktoren. Einfluss auf die Nachfragebedingungen: (1) Eine Gruppe Konkurrenten baut ein Landesimage und die Anerkennung als wichtiger Wettbewerber auf. Scharfer Wettbewerb vergrößert die Inlandsnachfrage und macht sie anspruchsvoller. (2) Differenzierte faktorbildende Mechanismen locken ausländische Studenten und die Beteiligung ausländischer Firmen an, was die Produkte des Landes mitzieht. (3) International erfolgreiche Branchen, die Komplementärprodukte herstellen, ziehen die Auslandsnachfrage nach dem Produkt der Branche mit. (4) Das Image verwandter und unterstützender Branchen mit Weltniveau springt über und kommt einer Branche zugute. Einfluss auf die Entwicklung verwandter und unterstützender Branchen: (1) Spezielle Faktoren sind auf verwandte und unterstützende Branchen übertragbar. (2) Eine Gruppe inländischer Konkurrenten regt die Bildung stärker spezialisierter Zulieferer und verwandter Branchen an. (3) Hohe oder zunehmende Inlandsnachfrage fördert das Wachstum und die Festigung von Zulieferbranchen. Einfluss auf den Inlandswettbewerb: (1) Faktorüberschuss oder spezielle faktorbildende Mechanismen bringen neue Mitbewerber hervor. (2) Früher Produktdurchsatz fördert den Zugang. Neuzugänge kommen aus verwandten und unterstützenden Branchen. (3) Benutzer von Weltrang steigen in Zulieferbranchen ein. <?page no="126"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 103 Zerstörung des „Diamanten“ In einem weiteren Untersuchungsschritt analysiert Porter, welche Entwicklungen zu einem Verlust des nationalen Vorteils führen und damit einen erfolgreichen „Diamanten“ zerstören. Im Ergebnis stellt er fest, dass die folgenden Gründe zu einem Verlust des nationalen Vorteils führen (Porter, M.E., 1999): (1) Faktorbedingungen verschlechtern sich (z.B. durch Verschlechterung der Qualität des spezifischen Humankapitals), (2) Inlandsbedürfnisse stehen nicht im Einklang mit der globalen Nachfrage (z.B. neue Designanforderungen, gesundheitliche Bedenken), (3) heimische Käufer geben ihren hohen Anspruch auf (z.B. Selbstzufriedenheit, geringere Anforderungen an Prozesstechnologien), (4) technologische Veränderungen führen zu erheblichen Nachteilen bei speziellen Faktoren oder es fehlen unterstützende Branchen (z.B. mangelndes Humankapital, falsche oder nicht vorhandene Infrastruktur), (5) Ziele schränken die Investitionsrate ein (z.B. zu hohe Ansprüche an die Ausschüttung von Gewinnen, zu hoher Anteil „nicht rechenbarer“ Investitionen), (6) Unternehmen verlieren Flexibilität (z.B. durch Selbstzufriedenheit der Unternehmensführung, mangelnden Willen, gegenwärtig genutzte Kapazitäten frühzeitig durch neue Anlagen zu ersetzen) und (7) der Inlandswettbewerb lässt nach (z.B. zu große Konzentration, staatliche Interventionen zum Schutz nicht konkurrenzfähiger Wettbewerber). 2 .4.3 Bedeutung des „Diamanten“ und Kritik Porter untersucht weiterhin, welche Aussagen sich für die Unternehmensstrategie aus seiner „Diamanten“-Theorie ableiten lassen. Er geht dabei von der Prämisse aus, „dass ein Unternehmen die Schaffung und Wahrung eines Wettbewerbsvorteils ins Auge fassen muss, der an den weltbesten Konkurrenten gemessen wird“ (Rugmann, A.M./ Collinson, S., 2009; Hill, C.W.L., 2009; Porter, M.E., 1999). Neben einer Vielzahl von allgemeinen Überlegungen, wie Wettbewerbsvorteile von Unternehmen gewonnen oder erhalten werden können, die sich auch auf den Inlandsmarkt beziehen (Porter, M.E., 1999), gibt Porter eine Reihe von Anregungen, die es Unternehmen ermöglichen sollen, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Auf eine vollständige Enumeration wird an dieser Stelle verzichtet, stattdessen sollen nur einige Schwerpunkte seiner Argumentation (Porter, M.E., 1999) dargestellt werden. Zunächst ist für die Ausarbeitung einer erfolgreichen Internationalisierungsstrategie eine genaue Analyse der internationalen Konkurrenz erforderlich. Hier kann der „Diamant“ Hilfestellung geben, um nationale Wettbewerbsvor- und -nachteile der Konkurrenz festzu- <?page no="127"?> 104 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs stellen. Diese nationalen Besonderheiten lassen häufig auch Aussagen darüber zu, wie das wahrscheinliche Verhalten der Konkurrenzunternehmen sein wird. Der heimische Stützpunkt eines Unternehmens bietet nicht in allen Branchen gleiche Chancen für einen internationalen Erfolg. Der „Diamant“ kann nun dazu benutzt werden, eine Auswahl von Branchen und Branchensegmenten vorzunehmen, für die das Land ein günstiger Stützpunkt ist. Die auf der Basis des „Diamanten“ zu stellenden Fragen für diese Länderauswahl werden in Abbildung 54 wiedergegeben (Porter, M.E., 1999). Für eine Internationalisierungsstrategie schlägt Porter vor, selektive Vorteile in anderen Ländern zu erschließen. Eine Globalstrategie kann zwar einen schwachen heimischen Stützpunkt nicht ersetzen, jedoch können Innovationspotenziale im Ausland Impulse für eine Weiterentwicklung von Vorteilen im Inland generieren. Daneben sollte das Unternehmen bemüht sein, anspruchsvolle Kunden und Märkte zu bedienen, um sich einem weltweiten Innovationsdruck auszusetzen. Durch die Ausnutzung von Vorteilen im Ausland, die aus Grundfaktoren stammen, kann eine weltweite Produktion die Stellung des Unternehmens im internationalen Wettbewerb verbessern. Auch die Internationalisierung der Beschaffung sowie der Forschung und Entwicklung schafft möglicherweise internationale Wettbewerbsvorteile. Internationale Unternehmensübernahmen und strategische Allianzen können nach Porter den Zugang zu Auslandsmärkten und zu selektiven Fachkenntnissen ermöglichen. Abbildung 54 gibt eine Zusammenstellung von Fragestellungen wieder, die Unternehmen anhand des „Diamanten“ untersuchen müssen (Porter, M.E., 1999). Abbildung 54: Fragestellung für die Prognose über das Verhalten ausländischer Konkurrenten Porter nimmt für sich in Anspruch, eine neue, umfassende Theorie zur Erklärung der globalen Wettbewerbssituation entwickelt zu haben (Porter, M.E., 1999). Hier erscheinen jedoch einige Zweifel angebracht (Fuchs, M./ Apfelthaler, G., 2009; Meckl, R./ Rosenberg, C., 1995). So ist seine Auslegung der klassischen, volkswirtschaftlich orientierten Theorien zu eng. Die bestehenden Ansätze widerlegt er mit einigen diesen Theorien widersprechenden Beispielen. Die klassischen Theorien stellen jedoch nicht, wie Porter meint, Alleinbzw. Absolutheitsansprüche. Viele Elemente seines „Diamanten“ beschreiben selbst unterschiedliche Aspekte verschiedener bereits entwickelter Theorien der Internationalisierung. <?page no="128"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 105 Abbildung 55: Fragen für die Auswahl von Branchen und Branchensegmenten, für die das Land ein günstiger heimischer Standort ist Im Rahmen der Faktorbedingungen wird genauso die Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen und von Humankapital betrachtet, wie dies in den klassischen Theorien der Faktorausstattung der Fall ist. Auch die bessere Ausnutzung dieser Faktoren im Sinne einer besseren Kombination der Einsatzfaktoren oder einer Verbesserung des Spezialwissens der Arbeitskräfte wird bereits in der Theorie der komparativen Kosten und deren Weiterentwicklungen analysiert. Die Bedeutung der Nachfragebedingungen ist in der Linder-Theorie für den Außenhandel bereits eingehend analysiert worden. Die Linder-These hebt für den Erfolg von Exporten insbesondere die Bedeutung der Ähnlichkeit und der Repräsentanz der Nachfragebedingungen für andere Märkte hervor. Die Marktgröße wird in der Economies-of-Scale- Theorie und das Anspruchsniveau der Kunden in der Theorie des intrasektoralen Handels für die Exportleistung von Ländern und Branchen betrachtet. Die Erkenntnis, dass ein harter inländischer Wettbewerb die Wettbewerbsfähigkeit einer Nation oder einzelner Branchen fördert, ist nicht als neu zu bezeichnen (Meissner, H.G., 1995). Die Bedeutung der Unternehmensstrategie und der -kultur für außenwirtschaftliche Erfolge wurde in dem EPRG-Modell von Perlmutter ebenfalls eingehend erörtert. Einige neue Aspekte ergeben sich bei der Betrachtung der Bedeutung von „Unternehmensclustern“ für die Gewinnung nationaler Wettbewerbsvorteile, wenn auch viele Argumente als Agglomerationseffekte der Standort-Theorie bekannt sind. Die Idee, dass nationale Wettbewerbsvorteile nur durch verstärkte Innovationsanstrengungen von Unternehmen oder Branchen erreicht werden können und dass dabei bestimmte Zwangsmotive bzw. Krisen förderlich sind, ist ebenfalls nicht neu (Perlitz, M./ Löbler, H., 1985). Aus den bisherigen Kritikpunkten kann man den Vorwurf ableiten, dass es Porter versäumt hat, die bisherigen theoretischen Ansätze mit ihren Erklärungsvariablen in sein Konzept einzubinden. So ist ein System von Allgemeinplätzen entstanden, das dem Theorieanspruch kaum genügt. Dabei entsteht der Eindruck, dass seine Theorie sich aus einer „sort of comprehensive laundry list against which businessmen can check their own washing“ (o.V., 1990) zu- <?page no="129"?> 106 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs sammensetzt. Jedoch besteht das Verdienst von Porter darin, bereits bestehende Theorien zu einem komplexen Gebilde zur Erklärung der nationalen Wettbewerbsvorteile zusammengefasst zu haben. Porters Theorie steht an vielen Stellen im klaren Widerspruch zu der Theorie von Ohmae. Während Ohmae argumentiert, dass ein Unternehmen seinen Ursprung verlassen muss, um „Insider“ in den Triade-Ländern zu werden, vertritt Porter die Auffassung, dass die nationalen Wettbewerbsvorteile, die eine internationale Konkurrenzfähigkeit begründen, zum überwiegenden Teil Prozessen entspringen, die von Faktoren des Heimatlandes determiniert und weiterentwickelt werden. Damit nimmt das Gewicht der Faktoren des Heimatlandes, wie z.B. Wertordnung, Kultur, Wirtschaftssystem, Geschichte, gesellschaftliche Institutionen, zu, d.h., die Vorteile, die aus nationalen Standorten erwachsen, sind für Porter wichtiger als Economies-of-Scale-Effekte, die die Triade-Strategie weitgehend tragen. Porter vertritt den Standpunkt, dass der zunehmend globaler werdende Wettbewerb den nationalen Hintergrund nicht unwichtiger, sondern im Gegenteil immer bedeutsamer macht. Er sieht die staatliche Einflussnahme als einen entscheidenden Faktor bei der Strategiewahl an, während Ohmae davon ausgeht, dass staatliche Interventionen nicht mehr greifen, da diese Reglementierungen von Triade-Unternehmen umgangen werden können. Die Übertragung oder Duplizierung des jeweiligen nationalen „Diamanten“ auf Tochtergesellschaften im Ausland ist nach Porter außerordentlich schwierig, da die Koordinations- und Informationslage einen effektiven Informations- und Wissensaustausch verhindern. Dies gilt insbesondere dann, wenn die einzelnen Tochtergesellschaften eine eigene Erfolgsverantwortung im Sinne von Profitcentern und damit kaum Interesse haben, ihr Wissen zu offenbaren. Die Idee von Ohmae geht von einem „OECD-“ oder „Triade-Bürger“ aus, der in der Realität noch nicht existiert, weshalb in diesem Zusammenhang Porter mit seiner Weltauffassung derzeit realistischer erscheint. Während die Betrachtung von Ohmae sehr stark aus der japanischen Perspektive erfolgt, ist die Analyse von Porter sehr durch die amerikanische Sicht geprägt. Porter betrachtet seine Theorie als dynamisch, während er die bisherigen Ansätze als statische Analysen ansieht. Er vertritt die Meinung, dass der „Diamant“ nicht nur vergangene Zustände beschreiben, sondern auch zukünftige Entwicklungen voraussagen kann. Sein Ansatz selbst ist aber eher als Erklärungsmodell für Entwicklungen der Vergangenheit angelegt. Eine zukunftsbezogene Dynamik muss auch in seinem Modell angezweifelt werden. Probleme ergeben sich bei der „Diamanten“-Theorie von Porter auch dadurch, dass er zwar immer wieder betont, dass sich die einzelnen Elemente gegenseitig positiv unterstützen müssen, um langfristige nationale Wettbewerbsvorteile zu erzielen, jedoch werden die Abhängigkeiten und der Zusammenhang zwischen den einzelnen Bausteinen nicht hinreichend dargestellt und analysiert (Grant, R.M., 1991a). <?page no="130"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 107 Thurow kritisiert mit Recht, dass Porter eher eine philosophische Arbeit als ein fundiertes Modell vorstellt, die somit schwer widerlegbar ist (Thurow, L.C., 1990). Diese Vorgehensweise erscheint vor dem Hintergrund wissenschaftstheoretischer Anforderungen an die Theorienbildung äußerst fragwürdig. Es muss daher angezweifelt werden, ob es Porter tatsächlich gelungen ist, eine Theorie der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Ländern, Branchen und Unternehmen zu formulieren. Porter zeigt mit seinem „Diamanten“ empirisch neue Zusammenhänge über die internationale Wettbewerbsfähigkeit anhand von 10 Ländern und mehr als 100 Branchen auf. Hier konkretisieren sich viele seiner Aussagen anhand von Beispielen aus Unternehmen und Branchen, die weltweit erfolgreich waren. 2 .5 Relevanz für das Internationale Management Die Konzepte von Perlmutter und Ohmae sowie das Globalisierungsmodell von Porter stellen zwar für ein entscheidungsorientiertes Internationales Management eine wertvolle Hilfe dar, indem sie aufzeigen, welche Gesichtspunkte für eine erfolgreiche Internationalisierung von Unternehmen relevant werden können, jedoch ist die Aussagekraft dieser Ansätze für praktische Entscheidungen und deren Umsetzung nur begrenzt. Erstens behandeln die Theorien zur Generierung von Internationalisierungsstrategien trotz der umfassenden Porter-Analyse nur Teilaspekte für konkrete betriebswirtschaftliche Entscheidungsprozesse im Zusammenhang mit dem Internationalen Management. Zweitens geben sie nur ansatzweise Gestaltungsempfehlungen wie z.B. Ohmae über die regionale Verteilung oder Perlmutter über Organisations- und Führungsprobleme der internationalen Aktivitäten von Unternehmen. Auch Porters Empfehlungen im Zusammenhang mit der Globalisierung der Wertkette oder im Rahmen der Analyse von nationalen Wettbewerbsvorteilen beantworten nicht alle für eine Internationalisierungsstrategie relevanten Fragestellungen. Sie sind somit weitgehend Erklärungsmodelle und nur begrenzt Entscheidungsmodelle (z.B. ansatzweise das Globalisierungsmodell von Porter). Drittens sind die Ansätze im situativen Kontext entwickelt worden und konzentrieren sich weitgehend auf Großunternehmen und auf bestimmte Industrieländer. Viertens werden die Interdependenzen und Zusammenhänge, die zwischen den unterschiedlichen als wichtig empfundenen Variablen vorhanden sind, nur sehr unzureichend analysiert. Fünftens werden in den verschiedenen Modellen nur vereinzelt konkrete Entscheidungshilfen für die Markteintritts- und -bearbeitungsstrategien im Ausland gegeben. Auch die Probleme der Umsetzung der Internationalisierungsstrategie in betriebliche Teilstrategien werden nur bruchstückhaft dargestellt und einer Lösung nähergebracht. Meist stehen dabei die Marketing-, teilweise auch die Beschaffungs- und Personalstrategie im Vordergrund der Überlegungen. Der „Rundumschlag“ bei der Analyse der nationalen Wettbewerbsvorteile <?page no="131"?> 108 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs von Porter ist andererseits wieder so umfassend, dass er zu einer konkreten betriebswirtschaftlichen Entscheidungshilfe nur wenig beiträgt. Fallstudie: Internationale Marktlebenszyklen in der Nutzfahrzeugindustrie Internationale Marktlebenszyklen in der Nutzfahrzeugindustrie Matthias Litschke, Manager, PERLITZ STRATEGY GROUP GmbH & Co. KG Die Stammmärkte der Hersteller von PKWs und LKWs in den traditionellen Industriestaaten Europas, Nordamerikas und Japan sind reife Märkte: Im Marktlebenszyklus haben sie nach der erfolgreichen Massenmobilisierung des 20. Jahrhunderts die Reifephase erreicht und stagnieren nun auf hohem Niveau. Die Hersteller haben ihr Geschäftsmodell erfolgreich um die lukrativen Geschäfte Wartung und Reparatur, Ersatzteile, Finanzierung sowie die Gebrauchtfahrzeugvermarktung erweitert. Diese Geschäfte machen in vielen Märkten bereits über 50% des Branchenumsatzes aus sowie 95% der Rentabilität. Das vermeintliche Kerngeschäft, der Verkauf neuer Fahrzeuge, ist zunehmend die wenig profitable Eintrittskarte in diese lukrativen After-Sales-Märkte. Echtes Wachstum scheint nur noch in den Schwellen- und sich entwickelnden Ländern möglich. Diese Märkte befinden sich im Marktlebenszyklus noch in unterschiedlichen Phasen des Wachstums mit jährlichen Wachstumsraten von z.T. bis zu 25% und einem stetig wachsenden Weltmarktanteil. Bei LKWs beträgt z.B. der Weltmarktanteil der BRIC- Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) bereits 64% der verkauften Einheiten, bei PKWs 28%. Mittelfristig ist davon auszugehen, dass die etablierten Stammmärkte der Hersteller nur noch lediglich 20% (LKW) bzw. 45% (PKW) des Weltmarktes ausmachen werden. Eine starke Präsenz in diesen Wachstumsmärkten ist also unabdingbar für die Unternehmensstrategie jedes etablierten Anbieters. Dies wirft jedoch Probleme auf: Die westlichen Hightech-Produkte sind für weite Teile dieser Märkte zu teuer und treffen hier auf kostengünstige Low- und Mid-Tech-Wettbewerber aus Schwellenländern wie Korea, China und Indien. Überdies stehen i.d.R. in Schwellen- und sich entwickelnden Märkten die für Hightech-Fahrzeuge notwendigen Treibstoffqualitäten nicht zur Verfügung: Gesetzliche Abgasnormen definieren die eingesetzte Motorentechnik, diese wiederum definiert die erforderliche Treibstoffqualität. Die Welt folgt hier kaskadenartig den entwickelten Ländern: Neue Abgasnormen werden in Westeuropa, den USA und Japan eingeführt, zeitversetzt in Osteuropa und den Schwellenländern übernommen und schließlich auch in sich entwickelnden Volkswirtschaften zum Standard. Technische „Rückwärtskompatibilität“ ist nicht gegeben: Ein deutscher LKW des modernen Euro-5-Standards würde durch den in Indien verfügbaren Diesel auf Euro- <?page no="132"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 109 3-Niveau beschädigt. Ein in Schwellenländern angebotenes Fahrzeug muss also nicht nur preislich wettbewerbsfähig sein, sondern überdies mit dem lokalen Treibstoff fahren können. Erforderlich für eine erfolgreiche Marktbearbeitung sind somit entweder lokal angepasste, technisch einfachere Fahrzeuge oder aber ältere Fahrzeuge aus den entwickelten Märkten, die noch aus der Zeit der älteren Abgasnormen stammen. Die Hersteller beschreiten beide Wege: Einerseits beteiligen sie sich an Herstellern der Zielmärkte oder kooperieren mit diesen. Die westlichen Hersteller bringen hierbei Kapital und Technologiekompetenz ein, die lokalen Hersteller kostengünstige Produktionskapazitäten und lokale Marktpräsenz. Der zweite Ansatz ist die Vermarktung gebrauchter Fahrzeuge aus den entwickelten Märkten. Hierbei schlagen die Hersteller zwei Fliegen mit einer Klappe: Im Neufahrzeuggeschäft ihrer Heimatmärkte vertreiben die Hersteller mittlerweile einen signifikanten Anteil aller Fahrzeuge via Leasing. Leasing ist letztlich ein Mietgeschäft, das Fahrzeug verbleibt hierbei i.d.R. im Eigentum des Herstellers und muss somit nach Ablauf des Leasingvertrages als Gebrauchtfahrzeug vermarktet werden. Die Heimatmärkte nehmen jedoch die hohe Anzahl solcher Gebrauchtfahrzeuge nicht auf. Der Export dieser Gebrauchtfahrzeuge in die Wachstumsmärkte löst dieses Problem und liefert dem Hersteller gleichzeitig technisch geeignete und günstige Fahrzeuge für die Wachstumsmärkte. Das Ergebnis ist eine Exportkaskade: Im ersten Schritt werden gebrauchte Fahrzeuge in die mittel- und osteuropäischen Wachstumsmärkte wie Polen, Tschechien oder Russland exportiert, wo sie für einige Jahre eingesetzt werden (2. Leben). Danach wandern sie für ein weiteres, drittes Leben nach Südostasien oder Südamerika, bevor sie wiederum Jahre später auf den afrikanischen Märkten landen, wo sie ihre verbleibende Nutzungsdauer verbringen (4. Leben). Während in Westeuropa für jeden fabrikneuen LKW zwei gebrauchte verkauft werden, sind dies in Polen oder Tschechien schon fünf und in Russland zehn. In den Märkten des dritten und vierten Lebens ist der Anteil der Gebrauchtfahrzeuge am Gesamtmarkt entsprechend noch höher. Unabhängig davon, ob diese Kaskade von den Herstellern selbst oder von unabhängigen Händlern in Gang gesetzt wird, schafft sie in den neuen Märkten eine Fahrzeugpopulation von Daimler-, MAN- oder Scania-LKW, die den Herstellern ein lukratives Ersatzteilgeschäft ermöglicht, ihre Marke bekannt macht und die Grundlage dafür legt, in Zukunft auch neue Fahrzeuge zu verkaufen, sobald das Wachstumsland das entsprechende Kaufkraftniveau erreicht hat. Hinter der Speerspitze der Gebrauchtfahrzeugvermarktung kann also nach und nach eine Vertriebsorganisation geschaffen werden, die schrittweise das gesamte etablierte Geschäftsmodell aus Neufahrzeug, Wartung/ Reparatur, Ersatzteilen und Finanzierung anbieten kann. Kritische Voraussetzung ist das Fehlen von Handelsbarrieren zwischen den Wirtschaftsblöcken sowie der Verzicht auf protektionistischen Schutz lokaler Produzenten. China als ein Land mit einer eigenen, lokalen LKW-Produktion hat sich zum Beispiel durch Zollbarrieren weitgehend von der beschriebenen Kaskade abgeschottet. Es ist ferner zu beobach- <?page no="133"?> 110 • Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs ten, dass Hersteller aus den Schwellenländern zunehmend den Wettbewerb mit den westlichen Herstellern aufnehmen, und zwar in Gegenrichtung zur westlichen Gebrauchtfahrzeugkaskade: In den Märkten des vierten, dritten und zweiten Lebens konkurrieren die westlichen Gebrauchtfahrzeuge zunehmend mit technisch einfachen, aber günstigen Neufahrzeugen aus China und anderen Schwellenländern. Es ist anzunehmen, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis chinesische und indische Hersteller auch in die Märkte Westeuropas und Nordamerikas eintreten, ggf. mittels Akquisition schwächerer westlicher Marken. Im PKW-Markt ist dies mit den Käufen von Jaguar und Land Rover durch die indische Tata Motors (2007) sowie von Volvo durch die chinesische ZhejiangGeely Holding Group (2010) bereits erfolgt. Der Kampf um den Weltmarkt ist also bereits in vollem Gange. Entscheidend für die etablierten Hersteller wird sein, ob sie es schaffen, das Potenzial der Wachstumsmärkte dauerhaft für sich zu erschließen . Fragen zur Fallstudie (1) In welchen Phasen des Marktlebenszyklus befinden sich die klassischen westeuropäischen und nordamerikanischen Industriestaaten im Hinblick auf PKWs und LKWs? In welcher Phase Schwellenländer wie China, Brasilien oder Indien? (2) Warum sind aktuelle Hightech-Produkte der klassischen Industrieländer im Hinblick auf Preis und technischen Anspruch nicht unbedingt gleichermaßen für Märkte in frühen Phasen des Marktlebenszyklus geeignet? (3) Erläutern Sie, wie Unternehmen die unterschiedlichen Entwicklungsstufen ihrer Absatzmärkte im Marktlebenszyklus für ihre Unternehmensentwicklung nutzen können. (4) Erläutern Sie die Auswirkungen von Handelsbarrieren auf die Umsetzbarkeit einer solchen Strategie. Literaturempfehlungen Basisliteratur Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012: International Business: The New Realities, 2. Aufl., Boston [u.a.], [Kapitel 1: „Introduction: What is International Business“, S. 38; Kapitel 2: „Globalization of Markets and the Internationalization of the Firm“, S. 64; Kapitel 4: „The Cultural Environment of International Business“, S. 122-153]. Hill, C., 2010: International Business: Competing in the Global Marketplace, 8., internationale Aufl., New York, [Kapitel 5: „International Trade Theory“, S. 166-203; Kapitel 7: „Foreign Direct Investment“, S. 240-273]. <?page no="134"?> Kapitel II: Grundlagen des internationalen Wettbewerbs • 111 Kutschker, M./ Schmid, S., 2011: Internationales Management, 7. Aufl., München, [Kapitel 3: „Theorien der internationalen Unternehmung“, S. 379-481]. Vertiefungsliteratur Krugman, P./ Obstfeld, M./ Merlitz, M., 2011: Internationale Wirtschaft, 9. Aufl., Pearson Studium: München. Rose, K./ Sauernheimer, K., 2006: Theorien der Außenwirtschaft, 14. Aufl., Vahlen: München. <?page no="136"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung <?page no="137"?> 114 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung Standpunkt: Boehringer Ingelheim Boehringer Ingelheim Boehringer Ingelheim ist ein forschungsorientiertes Pharmaunternehmen, das sich seit seiner Gründung im Jahre 1885 in Familienbesitz befindet. Boehringer Ingelheim zählt zu den größten Pharmaunternehmen weltweit und beschäftigt mehr als 42.000 Mitarbeiter bei einem Umsatz von 12,6 Mrd. Euro. www.boehringer-ingelheim.de Christian Boehringer, Vorsitzender des Gesellschafterausschusses Christian Boehringer ist seit 2007 Vorsitzender des Gesellschafterausschusses von Boehringer Ingelheim. In dieser Funktion bildet er die Brücke zwischen der Inhaberfamilie und der operativen Führung. 1. Inwiefern sehen Sie sich als Unternehmen in der sozialen Verantwortung? Soziale Verantwortung ist seit der Firmengründung eine Selbstverständlichkeit bei Boehringer Ingelheim. Die Bedürfnisse und das Engagement haben sich in den 125 Jahren aber geändert. In den Anfängen des Unternehmens waren Basisbedürfnisse wie ein Dach über dem Kopf, eine gute Ernährung und soziale Absicherung keine Selbstverständlichkeit, der Firmengründer hat hier neue Maßstäbe bei seiner Belegschaft gelegt. 2. In welcher Weise hat sich dies im Laufe der Zeit verändert? Als die Basisbedürfnisse mit der Entwicklung der sozialen Marktwirtschaft eine Selbstverständlichkeit wurden, haben sich die Folgegenerationen auf Kunst und Bildung spezialisiert. Schon ab der zweiten Generation wurden auch Bildungs- und Kulturaspekte Teil der sozialen Verantwortung bei Boehringer Ingelheim. Seit 1956 fördert die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften wissenschaftlichen Nachwuchs in der Sprach- und Literaturwissenschaft, Kunst und Geschichtshistorik durch Druckkostenzuschüsse bei den Dissertations- und Habilitationsschriften. 1959 wurden die „Ingelheimer Tage“ ins Leben gerufen. Dies ist eine jährlich stattfindende Ausstellung, die ursprünglich die fernen Kulturkreise, in denen das Unternehmen arbeitet, nach Ingelheim brachte und sich heute einzelnen Künstlern bzw. Kunstströmungen widmet. Seit 1983 fördert der Boehringer Ingelheim Fond (B.I.F.) über Doktoranden-Stipendien die bio-medizinische Grundlagenforschung auf höchstem internationalen Niveau. <?page no="138"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 115 Die Boehringer Ingelheim Stiftung als jüngste Stiftung fördert u.a. in Zusammenarbeit mit dem Land Rheinland-Pfalz an der Universität Mainz ein Institut für Molekulare Biologie mit 100 Millionen Euro. 3. Gibt es internationale Projekte, für die sich Boehringer Ingelheim einsetzt? Die Behandlung und Bekämpfung von AIDS ist zur globalen Herausforderung geworden. Boehringer Ingelheim trägt nicht nur durch AIDS-Medikamente in der entwickelten Welt zur Bekämpfung von AIDS bei, sondern unterstützt auch durch das „Viramune Donationprogramm“ die Bekämpfung der Krankheit in der unterentwickelten Welt. Mithilfe dieser Medikamentenspende kann mit zwei Injektionen die Übertragungschance einer mit AIDS infizierten Mutter auf das Kind deutlich gesenkt und damit die Ansteckungskette an einer wesentlichen Stelle reduziert werden. 4. Sind bei Boehringer Ingelheim weitere Programme hinsichtlich des sozialen Engagements in Planung? Derzeit denken wir darüber nach, wie wir unsere Mitarbeiter stärker in die Lösung sozialer Probleme in der Welt mit einbinden können. Wir sind derzeit auf der Suche nach sogenannten „Sozialunternehmern“, die wir mithilfe der Gesellschafter und unseren Mitarbeitern bei der Umsetzung ihrer Konzepte im Bereich „More Health“ unterstützen können. Sozialunternehmer sind Unternehmer, die nicht genügend Geld verdienen, um das nötige Kapital am Kapitalmarkt zu generieren, aber genug, um das Konzept nach einer Startphase selbst zu finanzieren. Wenn man ein Krankenhaus in der Dritten Welt unterstützt, ist das Krankenhaus in der Regel auf dauerhafte Spenden angewiesen, da die Patienten keinen Beitrag zur Finanzierung leisten können. Damit kann das Konzept auch nicht auf ganz Afrika ausgedehnt werden. Ein Beispiel für ein gelungenes Sozialunternehmen ist die Idee, Autisten aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten z.B. bei Versicherungsunternehmen einzusetzen. Die betreffende Person schafft für die Firma einen Mehrwert und bekommt ein Gehalt. Der Sozialunternehmer kann eine Vermittlungsgebühr verlangen und damit mehreren Autisten einen Arbeitsplatz beschaffen. Die Idee ist daher international skalierbar. Die ursprünglichen Investoren haben lediglich das Gehalt des Sozialunternehmers in den ersten 3 Jahren sowie die Startup-Kosten übernommen. Die Mitarbeiter des finanzierenden Unternehmens konnten sich auf vielfältige Weise bei der Startphase mit Rat und Tat engagieren und so sozial tätig sein. Wir glauben, dass alle Beteiligten gewinnen. Soziale Probleme können gelöst werden, die Arbeitszufriedenheit unserer Mitarbeiter steigt aufgrund des sozialen Engagements und wir können mit kalkulierbaren finanziellen Mitteln viel bewegen. <?page no="139"?> 116 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung 5. Wie verträgt sich CSR mit einem Unternehmen, das nach wirtschaftlicher Optimierung strebt? In der Vergangenheit wurde eine finanzielle Zuwendung wirtschaftlich und ökonomisch erfolgreicher Menschen oft erst als „sozial“ empfunden, wenn die Mittel gespendet wurden. Neuere CSR-Ansätze stellen durchaus Ansprüche, die einem wirtschaftlich geführten Unternehmen ähneln: Welchen Nutzen hat die CSR-Aktivität und wer ist bereit für diese Leistung zu bezahlen? Unternehmer können die Sozialunternehmer gut bei der Fragestellung, wie sich der Nutzen quantifizieren lässt und wer Kunde sein kann, beraten. Wie muss der Sozialunternehmer planen, sich organisieren und sich strukturieren, um ökonomisch erfolgreich zu sein (und damit nicht ewig auf Spenden angewiesen zu sein und sein Wachstum zu finanzieren)? Bei all diesen Fragen hat der erfolgreiche Unternehmer meist die Lernkurve, die der Sozialunternehmer noch vor sich hat, schon hinter sich. Mit welchen Key-Performance-Indikatoren kann der Sozialunternehmer seine Planumsetzung kontrollieren? Die Prinzipien eines erfolgreichen Key-Performance-Indikatorsystems einer CSR- Aktivität ähneln denen eines Unternehmens, auch wenn Unternehmen, die ihr Kapital aus dem Kapitalmarkt erhalten, Profit vielleicht stärker in den Vordergrund stellen. Auch wenn die meisten CSR-Aktivitäten bewusst als Non-Profit-Organisationen gegründet werden, ähneln sich die Herausforderungen, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden, in hohem Maß. Es zeigt sich auch, dass ein CSR-Engagement im eigenen Marktumfeld bzw. Erfahrungsbereich durchaus für beide Seiten von Vorteil sein kann. Wenn ein Pharmaunternehmen Sozialunternehmern hilft, die „More Health“ zum Thema haben, kann der Sozialunternehmer stark von der Erfahrung und dem Netzwerk seines Mentors profitieren. Auf der anderen Seite lernt der Mentor die Welt aus einem Blickwinkel zu sehen, den er normalerweise vermutlich in seinem Erfahrungsumfeld eher weniger sieht (Start-up-Mentalität anstatt Konzernmentalität; alternative Ansätze, das gleiche Problem zu lösen). 6. Inwieweit ist eine Schwerpunktsetzung der CSR-Aktivitäten im regionalen Umfeld des Unternehmens sinnvoll bzw. sollte die globale Perspektive im Vordergrund stehen? In Bezug auf das „More Health“-Projekt bei Boehringer Ingelheim widersprechen sich die lokale und globale Perspektive nicht. Jedes Land wird in den nächsten Jahren eine Patenschaft für einen Sozialunternehmer aus seiner Region übernehmen. Ist der Sozialunter- <?page no="140"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 117 nehmer erfolgreich, wird er seine Aktivität national, vielleicht sogar multinational ausweiten. Gerade in der Startphase ist es aber wichtig, dass die nationale Partnerschaft einen häufigen Austausch zwischen Sozialunternehmer und seinem Mentor ermöglicht. Gerade dadurch öffnet sich das Mentorunternehmen auch für die Menschen und Institutionen in seinem direkten Umfeld. 1 Kultur 1.1 Kulturbegriff Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Aktivitäten an den Erfordernissen ihrer Umwelt ausrichten. Weiterhin agieren sie flexibel und situationsspezifisch auf unterschiedliche Ereignisse (Meissner, H.G., 1999; Perlitz, M., 1994b). Dies ist auch der Basisgedanke des situativen Ansatzes, der davon ausgeht, dass es nicht „ den“ optimalen, sondern nur den in der jeweiligen Situation geeigneten Weg gibt. Für ein Unternehmen geht es darum, sich so zu verhalten, dass sich die verfolgten Unternehmensziele in der jeweiligen Situation bestmöglich realisieren lassen. Die Literatur zeigt eine Vielzahl von Variablen auf, die Unternehmen in ihrem Verhalten beeinflussen. Es wird grob unterschieden in Variablen der unternehmensexternen und -internen Umwelt. Der externe Teil lässt sich weiter untergliedern in eine vom Unternehmen beeinflussbare und in eine nicht beeinflussbare Umwelt. Kultur im Sinne von gemeinsam geteilten Werthaltungen in einer Gesellschaft ist ein Teilbereich der nicht beeinflussbaren Umwelt. Im eigenen Stammland sind die kulturell internalisierten Wertvorstellungen handlungsleitend. Alternativen werden nicht gesehen und Kultur wird somit als etwas Selbstverständliches hingenommen (Holzmüller, H.H./ Berg, N., 2002; Schuster, L., 1999; Dülfer, E., 1992a; Thorborg, H., 1991). Mit deren Problematik an sich wird das Unternehmen nicht konfrontiert. Inländer sind sich daher der Inhalte der eigenen kulturellen Prägung meist gar nicht bewusst, sie setzen sich mit der jeweiligen Kultur nur implizit auseinander. Im Gegensatz dazu treffen in kulturellen Überschneidungssituationen die gewohnten, eigenkulturell geprägten Denkmuster und Verhaltensweisen mit denen der fremdkulturell geprägten Interaktionspartner aufeinander. Die bisher geeigneten Handlungsweisen, Interpretations- und Bewertungsmuster versagen dann häufig, d.h., ein „ Fit“ zwischen der Situation und dem Verhalten ist nicht mehr gegeben und der Erfolg der Unternehmensaktivitäten dadurch oft gefährdet. Die kulturelle Umwelt wird daher erst bei internationalen Aktivitäten eines Unternehmens durch das „ Aufeinanderprallen“ von Kulturen bewusst und erlangt somit betriebswirtschaftliche Bedeutung. Kultur ist ein originärer Problembereich für das Internationale Management, da er erst durch eine Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit evident wird. <?page no="141"?> 118 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung Besonderen Einfluss hat die Kultur auf die interpersonelle Interaktion (Knapp, K., 2003; Kopper, E., 2003; Holzmüller, H.H., 1997; Harris, P.R./ Moran, R.T., 1991), welche vor allem im operativen Bereich der Unternehmensaktivitäten von Relevanz ist. Kultur wird daher als wichtige Umweltdimension für die internationalen betrieblichen Teilpolitiken diesem Kapitel vorangestellt. Hierzu wird zuerst das Phänomen Kultur definiert und diskutiert. Im Anschluss daran erfolgt eine Beschreibung der kulturvergleichenden Managementforschung sowie des interkulturellen Managements. Diese Komponenten werden in einer integrativen Darstellung verknüpft, wodurch die Bedeutung der Kultur für verschiedene internationale Teilpolitiken deutlich wird. Das Phänomen Kultur ist definitorisch schwer fassbar. Dies liegt darin begründet, dass sehr unterschiedliche Forschungsgebiete den Kulturfaktor in ihre Betrachtung einbeziehen. Je nach Forschungsgebiet variieren die Zielsetzungen und daher auch die Auffassungen. In einer umfangreichen Literaturanalyse haben die Anthropologen Kroeber und Kluckhohn bereits Anfang der 1950er Jahre 164 verschiedene inhaltliche Auslegungen des Begriffs Kultur zusammengetragen (Kroeber, A.L./ Kluckhohn, C., 1952). Keller bestimmt den Kulturbegriff anhand verschiedener Eigenschaften (v. Keller, E., 1982): Kultur ist menschengeschaffen. Sie ist ein Produkt kollektiven gesellschaftlichen Handelns und Denkens einzelner Menschen. Kultur ist überindividuell und ein soziales Phänomen, das den Einzelnen überdauert. Kultur wird erlernt und durch Symbole übermittelt. Kultur ist durch Normen, Regeln und Verhaltenskodizes verhaltenssteuernd. Kultur strebt nach innerer Konsistenz und Integration. Kultur ist ein Instrument zur Anpassung an die Umwelt. Kultur ist langfristig adaptiv wandlungsfähig. Hofstede stellt Kultur als ein gruppenspezifisches, kollektives Phänomen von gemeinsam geteilten Werthaltungen dar. „Culture is to a human collectivity what personality is to an individual“ (Hofstede, G., 2001). Er definiert Kultur als die kollektive Programmierung des menschlichen Denkens, die die Mitglieder einer Gruppe von Menschen von denjenigen einer anderen Gruppe unterscheidet. Die meisten Studien der kulturvergleichenden Managementforschung der 1980er und 1990er Jahre beziehen sich auf diese Begriffsbestimmung, die auch hier zugrunde gelegt wird. Das Kulturphänomen wird oft mit einem Eisberg verglichen, dessen größter Teil unter Wasser verborgen bleibt (vgl. Abbildung 56). Der sichtbare, explizite und manifeste Teil beinhaltet kulturelle Artefakte wie Symbole, Rituale, Sprache, Kleidung, Essen, Architektur, Kunst usw. Diese reflektieren aber nur tieferliegende Schichten der Kultur, d.h. die <?page no="142"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 119 zugrunde liegenden, meist unbewussten und internalisierten Wertvorstellungen, Normen, Denkweisen und Einstellungen (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Trompenaars, F., 1993). Abbildung 56: Kultur als Eisberg Kultur hat verschiedene Funktionen. Sie bietet dem Einzelnen ein Orientierungssystem und einen Bezugsrahmen, anhand derer eigene Erfahrungen und Verhaltensweisen eingeteilt und organisiert werden können. Der kulturelle Rahmen setzt somit Standards für Wahrnehmung, Denken, Urteilen und Handeln. Kultur als kollektiv geteilte kognitive Infrastruktur stellt einen effektiven Interpretations- und Problemlösungsmechanismus dar, um die komplexe Umwelt bewältigen zu können. Darüber hinaus stellt Kultur eine eigene Identität bereit. Der Sozialisationsprozess durch Lernen am Kulturmodell ermöglicht ein einheitliches Handeln und effizientes Arbeiten. Kultur hilft den Mitgliedern einer Gesellschaft bei der Kommunikation, Interaktion und Erfolgssicherung. Der Prozess der Prägung der kulturellen Grundpersönlichkeit des Einzelnen erfolgt durch Enkulturation, d.h. durch das Lernen der spezifischen Kulturmuster und -werte. Kulturelle, biologische und soziale Faktoren sowie Umwelteinflüsse sind dabei eng miteinander verbunden und ergänzen sich gegenseitig (siehe Abbildung 57) (Holzmüller, H.H./ Berg, N., 2002; v. Keller, E., 1982). <?page no="143"?> 120 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung Abbildung 57: Kultur, Gesellschaft und Individuum Quelle: v. Keller, E., 1982 Kulturen als Ergebnis eines langen Prozesses der internen Adaption und Integration bei gleichzeitiger Abgrenzung nach außen sind grundsätzlich sehr stabil und auf Kontinuität ausgerichtet. Dennoch verändern sich Kulturen. Kultur ist zugleich Produkt und Prozess, d.h., sie muss ständig ihre Anpassungsfähigkeit unter Beweis stellen. Nur ein adaptivevolutionärer Prozess kann es ermöglichen, dass die kulturellen Inhalte und Formen langfristig geeignet bleiben, die spezifischen Umweltprobleme zu lösen sind und eine Überalterung der kulturellen Determinanten verhindert wird (Dülfer, E., 1992a; Matenaar, D., 1983). Es bestehen verschiedene Ansätze, das Phänomen Kultur zu erfassen. Letztendlich geht es darum, das hypothetische Konstrukt Kultur in verschiedene Dimensionen aufzuspalten, die als Vergleichskriterien für die Beschreibung und den Vergleich einzelner Länder und Kulturen dienen sollen. In der Literatur lassen sich verschiedene Kulturdimensionen differenzieren. Zwei der bedeutendsten Kulturstudien sind die Ansätze von Trompenaars sowie von Hofstede. 1.1.1 Kulturmodell von Trompenaars Trompenaars unterscheidet in seinem Ansatz insgesamt sechs kulturelle Dimensionen, von denen allerdings nur fünf für den Themenbereich des Internationalen Managements relevant sind. Seine empirische Untersuchung zur Quantifizierung kultureller Differenzen basiert auf der Befragung von 15.000 Managern aus 47 Nationen. Er unterscheidet zwischen folgenden Kulturdimensionen (Trompenaars, F./ Hampden-Turner, C., 2012; Trompenaars, F., 1996; Trompenaars, F., 1993a): (1) Universalismus versus Partikularismus Diese Kulturdimension gibt wieder, inwieweit in dem jeweiligen Land das Generelle oder das Spezifische Vorrang hat. So legen universalistische Kulturen großen Wert auf die Einhaltung von Regeln und stellen diese gar über menschliche Beziehungen. Partikularistische Kulturen hingegen betrachten vorrangig die spezifischen Umstände oder persönlichen Hintergründe bei Entscheidungen aller Art. Hierdurch rückt die spezifische Situation in den Vordergrund. Eher universalistische Kulturen sind neben den angelsächsischen Ländern USA, Kanada und Großbritannien vor allem die germanischen Nationen Deutsch- <?page no="144"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 121 land, Österreich und die Schweiz, während beispielsweise Venezuela, Südkorea, Russland oder China als partikularistisch eingestuft werden. (2) Individualismus versus Kollektivismus Hierbei geht es um die Frage, ob sich Personen primär als Individuen sehen oder sich über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe definieren. Damit einher geht die Diskussion, ob sich Individuen bei ihren Entscheidungen an den persönlichen Interessen ausrichten oder eine Unterordnung unter ein Kollektiv stattfindet. Trompenaars betont, dass es bei dieser Dimension durchaus vorkommen kann, dass in Ländern sowohl individualistische als auch kollektivistische Tendenzen auftreten können. Die USA, Rumänien, Tschechien, Russland, Nigeria oder Israel gelten als individualistische, während Japan, Indien, Ägypten oder Mexiko als kollektivistische Nationen betrachtet werden. (3) Neutrale Beziehungen versus affektive Beziehungen Bei dieser Dimension spielen Gefühle und Beziehungen eine dominierende Rolle. So steht in neutralen Kulturen ein rationales Verhalten im Vordergrund, wohingegen in affektiven Kulturen Gefühle und Emotionen nicht unterdrückt werden. Die Mehrzahl der lateinischen, afrikanischen und arabischen Nationen wird den affektiven Kulturen zugerechnet, während Japan und China sowie mehrere mittel- und nordeuropäische Länder (z.B. Polen, Bulgarien oder Österreich) als neutral gelten. (4) Spezifische Beziehungen versus diffuse Beziehungen Diese Dimension drückt das Maß der Betroffenheit eines Individuums durch eine bestimmte Situation oder Handlung aus. In Kulturen mit diffusen Beziehungsstrukturen lassen sich unterschiedliche Lebensbereiche nicht voneinander trennen, während in spezifischen Kulturen beispielsweise die Felder Arbeit und Familie klar voneinander abgetrennt sind. China, Kuwait, Indonesien oder Chile gelten als eher diffus, während die westlichen Industriestaaten eher spezifisch orientiert sind. (5) Leistung versus Ansehen Die letzte Dimension bezieht sich darauf, ob der Status einer Person durch ihr Ansehen (z.B. aufgrund der Herkunft, religiöser Vorstellungen oder des Alters) oder aufgrund einer erzielten Leistung erreicht wird. Die USA gelten dabei als Land mit einer hohen Statuserreichung, wohingegen mitteleuropäische Länder (z.B. Italien, Deutschland und Russland) eher den Kulturen zugerechnet werden, in denen das Ansehen eine große Rolle spielt. In einer Vielzahl südamerikanischer, asiatischer und arabischer Länder sind derartige Tendenzen noch wesentlich stärker ausgeprägt. <?page no="145"?> 122 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung 1.1.2 Kulturmodell von Hofstede Die in der Betriebswirtschafts- und Managementlehre am häufigsten genannte und zitierte Studie zur Kulturerfassung stammt von Hofstede, der in seiner Untersuchung beim Computerhersteller IBM 117.000 Fragebögen aus 67 Ländern mit jeweils 60 Items analysiert hat (Hofstede, G., 1982). Die Datenerhebung fand zwar zwischen 1968 und 1972 statt, doch trotz des hohen Alters wird die Studie auch heute noch als Basis der meisten Untersuchungen zur kulturvergleichenden Managementforschung herangezogen. Ziel der Hofstede-Studie war die Ausarbeitung von Dimensionen, mit deren Hilfe Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Ländern dargestellt werden können. Hofstede gelangt in seiner Analyse zunächst zu vier Kulturdimensionen mit den Bezeichnungen: (1) Machtdistanz (2) Individualismus/ Kollektivismus (3) Maskulinität/ Femininität (4) Unsicherheitsvermeidung Später kam mit der Langfrist-/ Kurzfristorientierung eine fünfte Dimension hinzu. Die einzelnen Dimensionen werden nachfolgend erläutert (Hofstede, G., 2006; Hofstede, G., 2001; Hofstede, G., 2000; Hofstede, G., 1992). (1) Machtdistanz (power distance) Diese wird von Hofstede definiert als „the extent to which the less powerful members of institutions and organizations within a country expect and accept that power is distributed unequally“ (Hofstede, G./ Hofstede, G.J./ Minkov, M., 2010). Auf der Basis von Ländermittelwerten verschiedener Fragestellungen (z.B. wahrgenommener bzw. präferierter Führungsstil, Widerspruchsmöglichkeiten gegenüber dem Vorgesetzten) wurde von Hofstede ein Machtdistanz-Index (MDI) erstellt (vgl. Abbildung 58). Länder mit einem niedrigen Indexwert haben eine geringe Machtdistanz und umgekehrt. Die meisten afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Länder zeigen ebenso wie Frankreich, Belgien, Italien und Spanien hohe MDI-Werte; niedrige Machtdistanzwerte ergeben sich dagegen für die USA, Großbritannien, Deutschland und die skandinavischen Länder. Im Management wird sich eine hohe Machtdistanz z.B. dadurch bemerkbar machen, dass eine große Zahl von Hierarchiestufen besteht und ein Umgehen dieser Hierarchiestufen tabu ist. Zudem werden Entscheidungen in Ländern mit einer hohen Machtdistanz häufig stark zentralisiert. Des Weiteren werden Statussymbole und Privilegien nach außen sichtbar angewandt. <?page no="146"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 123 Die kursiv gedruckten Punktwerte für die Länder/ Regionen wurden aus der IBM Datenbank ermittelt. Die Punktwerte für die restlichen Länder basieren auf Wiederholungsstudien oder Schätzungen. Abbildung 58: Machtdistanz-Index-Werte (MDI) von 74 Ländern und Regionen Quelle: Hofstede, G./ Hofstede, G.J., 2009 (2) Individualismus versus Kollektivismus Die Dimension des Individualismus bzw. Kollektivismus misst, inwieweit sich die Menschen einer bestimmten Gesellschaft eher als einzelne, unabhängige Individuen oder als Mitglieder einer Gruppe definieren (Hofstede, G., 2001). Gesellschaften gelten dann als individualistisch, wenn Bindungen zwischen den einzelnen Personen locker sind und die Erwartung überwiegt, dass jeder für sich und seine unmittelbare Familie zu sorgen hat. In kollektivistischen Gesellschaften sind die Individuen hingegen von Geburt an in starke, geschlossene Gruppen integriert, die ein Leben lang für Schutz sorgen und dafür bedingungslose Loyalität erwarten. Die verschiedenen Grade der Ausprägung des Individualismus variieren von Kultur zu Kultur und können mit dem sogenannten Individualismus- Index (IDV) gemessen werden (vgl. Abbildung 59). Wie bereits im Falle der Machtdistanz repräsentieren die Punktzahlen die relative Position des jeweiligen Landes. Je niedriger die Punktzahl, desto kollektivistischer, je höher, desto individualistischer ist das jeweilige Land. Beinahe alle wohlhabenden Länder erreichen hohe IDV-Punktwerte, während fast alle ärmeren Länder niedrigere Punktwerte aufweisen. Im Management offenbart sich die individualistische Ausrichtung beispielsweise dadurch, <?page no="147"?> 124 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung dass der Einzelne Vorrang vor der Gruppe oder vor der gesamten Unternehmung hat. Damit einher geht eine geringe Loyalität, was zu häufigen Stellenwechseln und großer Mobilität führt. Arbeit dient folglich vornehmlich der Selbstverwirklichung und nicht dem Aufbau von Beziehungen. Dies äußert sich beispielsweise auch in der Tatsache, dass dem Inhalt der Aufgabe eine hohe Bedeutung zukommt. Die kursiv gedruckten Punktwerte für die Länder/ Regionen wurden aus der IBM Datenbank ermittelt. Die Punktwerte für die restlichen Länder basieren auf Wiederholungsstudien oder Schätzungen. Abbildung 59: Individualismus-Index-Werte (IDV) für 74 Länder und Regionen Quelle: Hofstede, G./ Hofstede, G.J., 2009 (3) Maskulinität versus Femininität Die Dualität der Geschlechter ist eine fundamentale und universelle Tatsache, mit der die verschiedenen Kulturen jedoch auf unterschiedliche Weise umgehen. Nach Hofstede misst diese Dimension „... the division of roles between the sexes“ (Torrington, D./ Hall, L./ Taylor, S., 2008). Bemerkenswert ist, dass bei der Studie die Wertvorstellungen der Frauen weniger zwischen den einzelnen Kulturen divergieren als die der Männer. Während Frauen grundsätzlich bescheidenere und fürsorglichere Vorstellungen haben, können Männer entweder ebenso denken oder eher bestimmende bzw. konkurrenzbetonte Werte verfolgen. Hofstede bezeichnet eine Gesellschaft als maskulin, wenn sie leistungsbezogen ist, die Individuen (unabhängig vom Geschlecht) erfolgsbezogen und selbstbewusst sind, Konflikte ausgefochten werden und Mitglieder mit abweichendem Verhalten übergangen oder missachtet <?page no="148"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 125 werden (Hofstede, G., et al., 2011). Eine feminine Kultur achtet eher auf zwischenmenschliche Beziehungen, die Bewahrung der Umwelt, Lebensqualität, schließt Kompromisse und schätzt Kooperation (Hofstede, G., 2001; Nath, R., 1986). Eine hohe Punktzahl bedeutet, dass die Maskulinität in einem solchen Land relativ zu den Ländern mit geringerer Punktzahl stärker ausgeprägt ist. Stark feminine Länder haben also geringe Maskulinitäts-Index-Werte (MAS) (vgl. Abbildung 60). Japan, Österreich, Venezuela, Italien, die Schweiz und Mexiko werden als maskuline Gesellschaften bezeichnet. Auch Deutschland ist maskulin orientiert. Die skandinavischen Länder sowie die Niederlande sind hingegen feminin ausgerichtet. Im Rahmen des Managements drückt sich Maskulinität dadurch aus, dass materiellen Aspekten ein hoher Stellenwert zugesprochen wird. Arbeit wird gegenüber Freizeit als wesentlich höher eingeschätzt. Als dominante Werte gelten Ehrgeiz, Selbstdisziplin sowie Karriereorientierung. Die kursiv gedruckten Punktwerte für die Länder/ Regionen wurden aus der IBM Datenbank ermittelt. Die Punktwerte für die restlichen Länder basieren auf Wiederholungsstudien oder Schätzungen. Abbildung 60: Maskulinitäts-Index-Werte (MAS) für 74 Länder und Regionen Quelle: Hofstede, G./ Hofstede, G.J., 2009 (4) Unsicherheitsvermeidung Ungewissheit ist für einzelne Individuen oft nur schwer zu ertragen. Die Dimension Unsicherheitsvermeidung lässt sich definieren als „der Grad, in dem die Mitglieder einer Kultur sich <?page no="149"?> 126 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung durch ungewisse oder unbekannte Situationen bedroht fühlen“ (Hofstede, G., et al., 2011). Jede Kultur hat Methoden entwickelt, um mit dieser Ungewissheit objektiv oder subjektiv zurechtzukommen, jedoch gibt es hierbei beträchtliche Unterschiede (Hofstede, G., 2001). Eine Gesellschaft mit einer starken Tendenz zur Unsicherheitsvermeidung versucht, die Zukunft zu kontrollieren oder zumindest über bestimmte Regeln, Gesetze, Verhaltensvorschriften und Sicherheits- und Schutzmaßnahmen zu beeinflussen (Hofstede, G., 1992). Sie ist relativ intolerant gegenüber abnormem Verhalten und eher abweisend gegenüber nicht vorhersagbaren Ereignissen und schwer einzuordnenden Meinungen. Demgegenüber erziehen Kulturen mit schwach ausgeprägter Unsicherheitsvermeidung ihre Mitglieder zu mehr Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Ungewohntem. Außerdem ist für sie eine stärkere Akzeptanz von Risiko charakteristisch. Abbildung 61 stellt die Unsicherheitsvermeidungswerte für verschiedene Kulturen dar. Die kursiv gedruckten Punktwerte für die Länder/ Regionen wurden aus der IBM Datenbank ermittelt. Die Punktwerte für die restlichen Länder basieren auf Wiederholungsstudien oder Schätzungen Abbildung 61: Unsicherheitsvermeidungsindex (UVI)-Werte für 74 Länder und Regionen Quelle: Hofstede, G./ Hofstede, G.J., 2009 Länder mit schwacher Unsicherheitsvermeidung haben geringe UVI-Werte und umgekehrt. Bei dieser Hofstede-Dimension sind selbst innerhalb einzelner Länderregionen beträchtliche Differenzen feststellbar. So weisen Griechenland und Portugal eine hohe Unsicherheitsvermeidung auf, während in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine mitt- <?page no="150"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 127 lere Einstufung vorzufinden ist. In Dänemark hingegen ist die Unsicherheitsvermeidung lediglich schwach ausgeprägt. Weitere bestehende kulturelle Differenzen innerhalb Europas analysieren im Detail auch Perlitz und Seger (Perlitz, M./ Seger, F., 2004). In Gesellschaften mit einer hohen Unsicherheitsvermeidung müssen Unternehmensentscheidungen eindeutig und präzise sein. Konflikte und abweichende Verhaltensmuster werden weitestgehend vermieden. Unter Umständen können derartige Mechanismen dazu führen, dass Innovationen frühzeitig erstickt werden, da wenig Platz für kreative Problemlösungen bleibt (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011). (5) Langfrist-/ Kurzfristorientierung Die fünfte - nachträglich hinzugefügte - Dimension wird als Langfristbzw. Kurzfristorientierung bezeichnet. Als Merkmale der langfristigen Orientierung von Kulturen sieht Hofstede eine große Ausdauer bzw. Beharrlichkeit im Verfolgen von Zielen, den Respekt vor am Status orientierten Rangordnungen, eine hohe Sparquote und Investitionstätigkeit sowie ein ausgeprägtes Schamgefühl. Eine besonders hohe Langfristorientierung zeigt sich der Studie zufolge, die allerdings lediglich in 23 Ländern durchgeführt wurde, vor allem in China, Hongkong, Taiwan und Japan, während Pakistan äußerst kurzfristig orientiert zu sein scheint. Deutschland nimmt dabei eine Mittelposition ein (vgl. Abbildung 62). Der in diesem Zusammenhang aufgeführte Zeitaspekt hat auch Konsequenzen für das Management. So werden in Kulturen mit einer langfristigen Orientierung häufig strategische Überlegungen gegenüber operativen und taktischen Fragen bevorzugt. Die Unternehmensplanung beschränkt sich folglich nicht auf die nächsten Monate oder unmittelbar folgenden Jahre. Die kursiv gedruckten Punktwerte für die Länder/ Regionen wurden aus der IBM Datenbank ermittelt. Die Punktwerte für die restlichen Länder basieren auf Wiederholungsstudien oder Schätzungen. Abbildung 62: Indexwerte zur Langfristorientierung, (ILO-)Werte für 39 Länder und Regionen Quelle: Hofstede, G./ Hofstede, G.J., 2009 <?page no="151"?> 128 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung (6) Selbstverwirklichung versus Selbstbeschränkung Die sechste Dimension, Selbstverwirklichung versus -beschränkung (indulgence vs. restraint), wird erstmals in der dritten Auflage des Werkes von Hofstede im Jahr 2010 beschrieben. Die Autoren definieren diese Dimension als „(…) a tendency to allow relatively free gratification of basic and natural human desires related to enjoying life and having fun. Its opposite pole, restraint, reflects a conviction that such gratification needs to be curbed and regulated by strict social norms“ (Hofstede, G./ Hofstede, G.J./ Minkov, M., 2010). Der Fokus liegt auf dem subjektiven Wohlbefinden („level of happiness“) einer Gesellschaft bzw. den Angehörigen eines Kulturkreises. Dies drückt sich beispielweise im Freizeitbedürfnis und der Selbstbestimmtheit über das eigene Leben aus. Auch die Bedeutung, eigene Gedanken frei äußern zu können, wird in dieser Kulturdimension beschrieben. Menschen in einer selbstbeschränkten Kultur empfinden ein geringeres Bedürfnis zur freien Meinungsäußerung. Außerdem neigen sie zur Introvertiertheit, Pessimismus und Zynismus. Angehörige eines Kulturkreises, der stärker durch Genuss und Selbstverwirklichung charakterisiert ist, sind tendenziell extrovertierter, optimistischer und erinnern sich eher an die glücklichen Momente in ihrem Leben (Hofstede, G./ Hofstede, G.J./ Minkov, M., 2010). Länder mit einem niedrigen Indexwert sind durch hohe Selbstbeschränkung gekennzeichnet, wohingegen Länder mit einem hohen Indexwert zu Genuss und Selbstverwirklichung tendieren. Die meisten zentral- und südamerikanischen Länder wie Venezuela, Mexiko, Argentinien und Brasilien weisen hohe Indexwerte auf. Aber auch westliche Industrieländer wie Schweden, Großbritannien und die USA zeigen durch hohe Indexwerte die kulturelle Bedeutung von Genuss und Selbstverwirklichung. Im Gegensatz dazu besitzen osteuropäische, arabische und asiatische Länder durch niedrige Indexwerte eine Kultur der Selbstbeschränkung. Deutschland ist mit einem mittleren Indexwert bei 92 untersuchten Ländern auf Position 52 angesiedelt (vgl. Die Angaben basieren auf den Faktorwerten von drei Items, die im Rahmen der World Values Survey ermittelt wurden. Abbildung 63). Die Ausprägung der Dimension hat auch Auswirkungen auf das Management. In Kulturen, die durch Selbstverwirklichung charakterisiert sind, wie beispielsweise den USA ist ein freundliches und optimistisches Auftreten (z.B. lächelndes Servicepersonal) im Geschäftsalltag die Normalität. Im Gegensatz dazu wird in einer selbstbeschränkten Kultur (z.B. Russland) eine ernste Mimik als Seriosität verstanden. Da es sich in der wissenschaftlichen Diskussion um eine neue Dimension handelt, wird auch von Hofstede und Kollegen darauf hingewiesen, dass zusätzliche Forschungsarbeiten zum genaueren Verständnis notwendig sind (Hofstede, G./ Hofstede, G.J./ Minkov, M., 2010). <?page no="152"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 129 Die Angaben basieren auf den Faktorwerten von drei Items, die im Rahmen der World Values Survey ermittelt wurden. Abbildung 63: Indexwerte zur Selbstbeschränkung, (IVR-)Werte für 93 Länder und Regionen Quelle: Hofstede, G./ Hofstede, G.J./ Minkov, M., 2010 Trotz der häufig geäußerten Kritik an Hofstedes Studie, die sich u.a. auf die von ihm definierten Dimensionen sowie die Gleichsetzung von Kulturen und Ländern bezieht, gilt seine Untersuchung nach wie vor als die umfangreichste, sowohl was die Zahl der berücksichtigten Länder als auch die Zahl der Befragten betrifft. Da eine Reihe von Folgeuntersuchungen seine Dimensionen und Einschätzungen in weiten Teilen bestätigen konnte - auch die Ähnlichkeit mit den bereits aufgeführten Dimensionen von Trompenaars ist erkennbar -, ist seine Studie auch heute noch prägend für die Kulturforschung und wird als Grundlage der meisten kulturvergleichenden Studien genutzt (z.B. Perlitz, M./ Seger, F., 2004; Weiser, A., 2004; Schmid, S., 1996; Hickson, D.J./ Pugh, D.S., 1995). Abbildung 64 zeigt die Kulturdimensionen im Überblick. <?page no="153"?> 130 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung Abbildung 64: Hofstedes Kulturdimensionen im Überblick Quelle: Hofstede, G./ Hofstede G.J., 2009 1.1.3 Kulturmodell der GLOBE-Studie Die GLOBE-Studie (Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness Research Program) begann Anfang der 1990er Jahre und befindet sich in der Validierungsphase (Lotter, 2010). Die Untersuchung wurde in 62 Ländern in einem Zeitraum von mehr als zehn Jahren durchgeführt. Der Schwerpunkt der Studie liegt in der Entwicklung einer Kulturtheorie, die den Fokus auf Kulturräume legt und nicht nur Länderstrukturen betrachtet. So wurden Deutschland, Österreich, die Niederlande sowie die deutschsprachige Schweiz in einem Cluster zusammengefasst. Zusätzlich existieren noch neun zusätzliche Cluster, wobei Europa mit insgesamt fünf Clustern die höchste kulturelle Diversität aufweist. Diese Kulturcluster werden von insgesamt neun Kulturdimensionen abgeleitet und sind eng an Hofstedes Dimensionen angelehnt. Machtdistanz sowie Unsicherheitsvermeidung entsprechen klar den Dimensionen Hofstedes. Aus der Dimension Individualismus/ Kollektivismus entwickeln sich in der GLOBE-Studie die Dimensionen gruppen-/ familienbasierter Kollektivismus und der institutionelle Kollektivismus. Kongruent dazu werden Geschlechtergleichheit und Durchsetzungsvermögen aus der Dimension Maskulinität-/ Femininität Hofstedes abgeleitet. Zusätzlich unterscheidet die GLOBE-Studie Kulturen nach ihrer Leistungs-, Zukunfts- und Fairnessorientierung. <?page no="154"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 131 Abbildung 65: Kulturmodelle im Vergleich Lotter prüft unter anderem die Kultursysteme von Hofstede, Trompenaars und der GLOBE- Studie auf Gemeinsamkeiten und stellt vielfache Überschneidungen fest. Diese aggregiert er zu fünf Kernbereichen und visualisiert die Überlappungen (Abbildung 65). Die Gemeinsamkeiten führt er dabei zum Teil darauf zurück, dass Hofstedes Dimensionen mithin adaptiert werden. Andererseits erhöhen aber die Gemeinsamkeiten die Vergleichbarkeit und auch die Aussagekraft der Kulturdimensionen als globale Unterscheidungskriterien von Kulturen. Neben den bislang aufgeführten Kulturdimensionen von Trompenaars und Hofstede werden in der Literatur häufig weitere Vergleichskriterien erwähnt. Aus Vollständigkeitsgründen werden diese daher zusätzlich aufgeführt. Allerdings können diese in Bezug auf die Dimensionen von Hofstede durchaus Interdependenzen aufweisen. 1.1.4 Andere Kulturmodelle (1) Zeitvorstellungen Die Zeitvorstellungen in verschiedenen Kulturen können anhand der Gegensatzpaare linear versus zyklisch (Dülfer, E., 2011; Dülfer, E., 1992a; Bleicher, K., 1986) und monochron <?page no="155"?> 132 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung versus polychron kategorisiert werden. Kulturen unterscheiden sich zudem bezüglich ihrer Gegenwarts-, Vergangenheitsbzw. Zukunftsorientierung. Diese Begriffe sollen kurz näher erläutert werden. Unter linearer Zeitvorstellung versteht man die strenge Aneinanderreihung von Monaten und Jahren. Was gestern geschah, ist für immer vorbei. Die Zeit gilt als mess- und teilbare Quantität, der Kalender ist monoskalar. Diese Zeitauffassung ist vor allem in Industriegesellschaften verbreitet. Bei der zyklischen Zeitauffassung ist die Zeit geprägt durch den ständigen Wechsel von Tag und Nacht, von Monden, von Jahreszeiten und dem Mahlzeitenturnus. Leistungsunterschiede in Quantität und Qualität können im Zeitablauf wieder ausgeglichen werden. Es bestehen beim Zeitverbrauch keine Opportunitätskosten. Die Zeit, die heute vergeudet wurde, kommt morgen wieder (Marcotty, A./ Solbach, W., 2003). Die zyklische Zeitauffassung ist vor allem in asiatischen Kulturen und in Agrargesellschaften verbreitet. Abbildung 66: Lineare und zyklische Zeitgerichtetheit Quelle: Bleicher, K., 1986 Bei der monochronen (oder sequenziellen) Zeitauffassung werden Dinge nacheinander erledigt (Trompenaars, F., 1993b; Schein, E.H., 1992). In Kulturen mit polychroner (oder synchroner) Zeitvorstellung herrscht die Auffassung, dass mehrere Dinge gleichzeitig erledigt werden können (Usunier, J.-C., 1991). Abbildung 67 macht deutlich, wie unterschiedlich die Gegenwarts-, Vergangenheits- oder Zukunftsorientierung in unterschiedlichen Kulturen sein kann. Die Größe der Kreise stellt die jeweilige Bedeutung dar. Deutlich werden auch die Zusammenhänge zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. <?page no="156"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 133 Abbildung 67: Zeitkonzeptionen: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Quelle: Trompenaars, F./ Hampden-Turner, C., 2003 (2) Raumvorstellungen Raum hat sowohl eine physische als auch eine soziale Bedeutung. Koordiniertes kulturelles Handeln erfordert gemeinsam geteilte Annahmen über die Bedeutung der Platzierung von physischen Gegenständen im Raum und auch darüber, wie man sich räumlich gegenüber anderen Individuen zu orientieren hat. Durch die räumliche Anordnung wird soziale Distanz oder Nähe ausgedrückt (Adler, N.J., 2002; Schein, E.H., 1992). (3) Kontextualität Hierbei wird insbesondere auf die Bedeutung des kontextuellen Rahmens für die Kommunikation Bezug genommen. Man unterscheidet „high-context“- und „low-context“-Kulturen. Kommunikation in high-context-Kulturen (östliche Kulturen) hängt sehr vom Kontext oder der nonverbalen Spezifizierung der Kommunikation ab (man muss zwischen den Zeilen lesen), wohingegen in low-context-Kulturen (USA, Mitteleuropa) die Kommunikation mehr von expliziter verbaler Kommunikation bestimmt wird (Campbell, N.C.G., et al., 1988). Gedankliche Muster, die Art zu denken, zu urteilen und Schlussfolgerungen zu ziehen sowie die Perzeption von Realität und Kausalität können sich von Kultur zu Kultur unterscheiden. Exemplarisch seien hier die unterschiedlichen Problemlösungsstile westlicher und östlicher Kulturen anhand einiger Merkmale dargestellt (Dülfer, E., 2011; Chikudate, N., 1991; Schwarz, G., 1991; Shaw, J.B., 1990) (vgl. Abbildung 68). <?page no="157"?> 134 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung Abbildung 68: Denk- und Problemlösungsstile westlicher und östlicher Kulturen Quelle: In Anlehnung an: v. Keller, E., 1982 (4) Religiöse Vorstellungen Je nach religiöser Anschauung neigen die jeweiligen Anhänger dazu, ihr Schicksal als selbst (intern) oder fremd (extern) kontrolliert anzusehen. Abbildung 69: Internale versus externale Kontrollüberzeugungen: Anteil der Befragten, die ihr Schicksal als eigenbestimmt ansehen (alle Angaben in Prozent) Quelle: Trompenaars, F./ Hampden-Turner, C., 2003 <?page no="158"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 135 Abbildung 69 gibt die Ergebnisse einer kulturvergleichenden Studie hinsichtlich externaler bzw. internaler Kontrollüberzeugungen wieder. Den Einfluss der Religion auf das wirtschaftliche Leistungsdenken hat Weber am Beispiel der protestantischen Ethik näher erläutert. Die beschriebenen Kriterien bzw. Dimensionen machen deutlich, wie das Phänomen Kultur beschrieben und teilweise operationalisiert werden kann. Der nachstehende Abschnitt beschäftigt sich mit den Zielsetzungen und grundsätzlichen Forschungsansätzen der kulturvergleichenden Managementforschung, um letztendlich die Abhängigkeit der Managementprozesse von der jeweiligen Kultur näher zu betrachten. 1.2 Kulturvergleichende Managementforschung Die kulturvergleichende Managementforschung ( „ cross-cultural management research“) untersucht primär den Einfluss kultureller Faktoren auf den Managementprozess. Nach Adler untersucht die kulturvergleichende Managementforschung „the behavior of people in organizations around the world and trains people to work in organizations with employee and client populations from several cultures. It describes organizational behavior within countries and cultures, compares organizational behavior across countries and cultures, and (...) seeks to understand and improve the interaction of co-workers from different countries and cultures“ (Adler, N.J., 2002). Allgemein ist der Gegenstand vergleichender Forschung das systematische Aufdecken, Identifizieren, Klassifizieren, Messen und Deuten von Unterschieden und Gemeinsamkeiten betriebswirtschaftlich bedeutsamer Phänomene (Perridon, L., 1981). Übertragen auf kulturvergleichende Forschung bedeutet dies, dass Unterschiede und Gemeinsamkeiten bezüglich Grundannahmen, Werten, Normen und Verhaltensweisen zwischen zwei oder mehreren Ländern identifiziert, verstanden, beschrieben, erklärt und möglicherweise bewertet werden (Schmid, S., 1996). Die kulturvergleichende Managementforschung verfolgt die nachstehenden Erkenntnisziele (v. Keller, E., 1989; v. Keller, E., 1982): (1) Deskriptiv-klassifikatorische Ziele Hierunter versteht man die Beschreibung, die Erfassung, den Vergleich und die Klassifikation verschiedener Kulturen. Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Managementprozessen, Normen und Wertvorstellungen werden identifiziert. Relativ homogene kulturelle Cluster werden abgeleitet. (2) Heuristische Ziele Die Ergebnisse aus dem ersten Erkenntnisschritt (Beschreibung, Vergleich, Klassifikation) bilden die Grundlage für die Entdeckung und Generierung von Hypothesen und Theorien über den Zusammenhang zwischen Managementvorgängen und kulturellen Faktoren. Man <?page no="159"?> 136 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung versucht also, die beschriebenen Phänomene zu erklären bzw. transkulturelle Gesetzmäßigkeiten abzuleiten. (3) Falsifikatorische Ziele Hier wird die Gültigkeit von Theorien, Hypothesen und Erklärungsmodellen in fremden Kulturen an der Realität überprüft (Kontrollfunktion). Der Kulturvergleich ermöglicht so in den Sozialwissenschaften das Testen von Theorien unter veränderten kulturellen Rahmenbedingungen und erfüllt somit die Funktion des in den Naturwissenschaften üblichen Experiments. Die Problematik beim Kulturvergleich besteht allerdings in der Isolierung der verursachenden Faktoren, da es kaum möglich ist, zwei völlig gleiche Objekte unter verschiedenen (kulturellen) Bedingungen zu analysieren, wie dies im idealen kontrollierten Experiment der Fall ist. Lassen sich bestimmte Gesetzeshypothesen in einer anderen Kultur nicht nachweisen, dann ist eine Aufdeckung der verursachenden kulturellen Hintergrundvariablen notwendig. Dies führt damit eventuell zur Entdeckung und Generierung neuer Hypothesen. Kulturvergleichende Managementforschung darf jedoch, ebenso wie die Kultur selbst, nicht als statisches Konstrukt verstanden werden. Vielmehr war sie im Zeitablauf einem kontinuierlichen Veränderungsprozess unterworfen, in dessen einzelnen Phasen unterschiedliche Fragestellungen und Zielsetzungen relevant waren. Eine Übersicht über den Entwicklungsprozess lässt sich Abbildung 70 entnehmen. Abbildung 70: Die Entwicklung der Kulturforschung im Management Quelle: Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Schmid, S., 1996 Die kulturvergleichende Managementforschung ist ein interdisziplinäres Forschungsgebiet. Aus verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen müssen Erkenntnisse problemorientiert integriert und zusammenhängend verarbeitet werden. Zahlreiche Beiträge haben sich mit dem Transfer von Managementtechniken in fremde Kulturen beschäftigt. Dabei haben sich im Wesentlichen drei kontroverse Positionen entwickelt (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Osterloh, M., 1994; Ralston, D.A., et al., 1993; Klimecki, R.G./ Probst, G.J.B., 1993; Bittner, A./ Reisch, B., 1993; Brooke, M.Z., 1992; Black, J.S./ Porter, L.W., 1991; Takahashi, Y., 1989): <?page no="160"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 137 Die Universalisten („universal approach“) behaupten, dass Managementprinzipien unabhängig von den kulturellen Umweltfaktoren allgemeine Gültigkeit besitzen. Das - meist in den USA entwickelte - Management-Know-how sei universell und könne daher leicht von einer Kultur in eine andere übertragen werden. Die ökonomischen Relativisten sind der Auffassung („culture free“-These), dass mit der fortschreitenden wirtschaftlichen Entwicklung, Industrialisierung und Technologisierung beinahe zwangsläufig eine Homogenisierung und Konvergenz der Managementprinzipien stattfindet. Die Logik der Industrialisierung generiert wirtschaftliche und technologische Imperative und Notwendigkeiten, die kulturelle Unterschiede mit der Zeit verschwinden lassen. Kulturvergleichende Managementstudien dienen hier der Suche nach Ähnlichkeiten bzw. werden teilweise langfristig gar als hinfällig betrachtet. Diese „culture-free“- These behauptet allerdings nicht, dass das Management und die Organisationsstrukturen von kulturellen Einflüssen unabhängig sind, sondern dass die Beziehungen zwischen den nichtkulturellen Kontextvariablen (Stand der industriellen Entwicklung, Größe der Unternehmung usw.) und der Organisationsstruktur jeweils von einer Gesellschaft zur anderen stabil sind. Kulturvergleichende Managementstudien unter annähernd gleichen Kontextbedingungen (gleicher ökonomischer Entwicklungsstand der Länder, gleiche Unternehmensgröße) konnten aber dennoch Managementunterschiede feststellen, die dann auf kulturelle Faktoren zurückgeführt werden müssen. Die Kulturisten heben die Kulturabhängigkeit („culture-bound“-These) aller Managementkonzepte und -instrumente hervor. Unterschiedliche kulturelle Ausgangsbedingungen erfordern ein angepasstes Managementverhalten. Als Folge davon kann das Management- Know-how nicht problemlos von einer Kultur auf eine andere übertragen werden. Berücksichtigt werden muss, dass die eher technischen Komponenten des Management- Know-how wie Investitions- und Budgetanalyse, Kostenrechnung und Controlling leichter übertragbar sind als die personen- und verhaltensbezogenen Teile wie z.B. Führungs-, Entscheidungs-, Motivations- und Kommunikationsstrukturen (v. Dijck, J.J., 1990; v. Keller, E., 1982). In einer Analyse über kulturvergleichende Managementstudien wurde festgestellt, dass Untersuchungen, die sich auf Makrovariablen (Technologie, Organisationsstrukturen usw.) konzentrieren, Konvergenztendenzen nachgewiesen haben, während Studien auf Mikroebene (Verhalten von Organisationsmitgliedern) eine Divergenz aufweisen (Adler, N.J./ Doktor, R./ Redding, S.G., 1986). Dieses Ergebnis relativiert die Universalisten- Kulturisten-Kontroverse und zeigt, dass der Einfluss der Kultur auch vom Untersuchungsgegenstand abhängt. Bezüglich der zahlreichen kulturvergleichenden Managementuntersuchungen lassen sich grundsätzlich zwei Forschungsmethoden (Cleff, T., 1996; Schmid, S., 1996; v. Keller, E., 1989; Nath, R., 1986; v. Keller, E., 1982) unterscheiden. In empirisch-quantitativen Untersuchungen wird davon ausgegangen, dass Kultur messbar ist und anhand einzelner kultureller Dimensionen und Skalen verglichen werden kann. <?page no="161"?> 138 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung Mit Hilfe „ harter“ Erhebungs- und Analysemethoden (schriftliche standardisierte Befragungsinstrumente, Interviews und Tests; multivariate Verfahren; Massenerhebungen/ Surveys) werden quantitative Daten generiert, die der Überprüfung bestimmter Hypothesen und der Suche nach Gesetzmäßigkeiten dienen sollen. Demgegenüber versuchen qualitative Fallstudien, Informationen über verschiedene Kulturen zu verarbeiten. Zu den „ weichen“ Forschungsmethoden zählen unstrukturierte Interviews, einführende Symptomdeutungen, die teilnehmende Beobachtung, Aktionsforschung, Literatur- und Sprachanalyse sowie die Analyse historischer Ursachen und Parallelen. Auch anekdotisches Material und persönliche Erfahrungen werden miteinbezogen. In grober Anlehnung an das Konzept von Perlmutter teilt Adler die kulturvergleichende Managementforschung in sechs Ansätze ein (Adler, N.J., 2002; Cleff, T., 1996; Kumar, B.N., 1988; Ronen, S., 1986; vgl. auch Nath, R., 1986; Adler, N.J., 1983a): (1) Parochiale Untersuchungen sind „ single-culture“-Studien und werden von Forschern aus dem jeweiligen Land durchgeführt. Implizit wird angenommen, dass die Forschungsergebnisse universelle Gültigkeit haben. (2) Die ethnozentrische Forschung geht implizit von der Überlegenheit der heimischen Managementmethoden aus und versucht, die Frage zu beantworten, wie eigene Theorien auch in anderen Kulturen angewendet werden können. Im Gegensatz zum parochialen Ansatz wird die Universalität der eigenen Konzepte jedoch erst gesucht und nicht nur vorausgesetzt. Die Suche nach Ähnlichkeiten soll zur interkulturellen Validität der heimischen Theorien führen. Methodisch geschieht dies meist durch eine Replikation einer „ single-culture“-Studie in einer anderen Kultur. „Measuring the second culture against the first - that is, using a self-reference criterion - is one of the indications of the underlying ethno-centrism inherent in this approach“ (Adler, N.J., 1983a). (3) Die polyzentrische Forschung geht davon aus, dass jede Kultur einzigartig ist und daher nur aus ihrem eigenen Begriffssystem und Bezugsrahmen heraus analysiert werden kann. Polyzentrische Studien beruhen auf zwei Annahmen: Die Prämisse der Äquifinalität besagt, dass es viele kulturspezifische Wege zur Erreichung bestimmter Managementziele gibt. Die Annahme der kulturellen Relativität bedeutet, dass keine der bestehenden Lösungsmöglichkeiten als besser oder effizienter angesehen wird. Universalität wird abgelehnt. Management und Organisation sollen vorurteilsfrei untersucht werden und gelten nur im Kontext ihres spezifischen kulturellen Umfeldes als verstehbar. Methodisch wird ein induktives und deskriptives Vorgehen bevorzugt. Der Schwerpunkt liegt auf den oben beschriebenen „ weichen“ Forschungsmethoden. Man versucht, Generalisierungen und die Formulierung nomothetischer Hypothesen zu vermeiden. Die Problematik dieses Forschungsansatzes besteht dann allerdings darin, die gewonnenen Ergebnisse zwischen verschiedenen Kulturen zu vergleichen, da ein gemeinsamer Bezugsrahmen fehlt. <?page no="162"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 139 (4) Der komparative Forschungsansatz ist der verbreitetste in der kulturvergleichenden Managementforschung. Komparative Studien sollen Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede zwischen zwei oder mehr Kulturen aufdecken. Die Annahme, dass es nur eine dominante Kultur bzw. Managementtheorie gibt, wird abgelehnt. Durch Vergleich sollen entweder universelle oder kulturspezifische Aspekte des Managementprozesses identifiziert werden. Implizite Universalität beinhaltet dieser Forschungsansatz allerdings dadurch, dass man Kulturen anhand gemeinsamer Dimensionen bzw. Kriterien zu vergleichen versucht. (5) Geozentrische Studien untersuchen das Management multinationaler Unternehmen. Wenn auch nicht explizit, sucht dieser Ansatz eher nach Ähnlichkeiten zwischen den Kulturen. Dabei wird von einer einheitlichen, durch die Muttergesellschaft geprägten Unternehmenskultur und einer möglichst vollständigen Integration der Tochtergesellschaften ausgegangen. Betont wird meist mehr die geografische Dispersität des Konzerns und nicht die kulturelle Verschiedenartigkeit. Im Mittelpunkt stehen Globalisierung und Gesamtoptimierung der Unternehmensstrukturen und -abläufe, d.h. eher die Makrovariablen als die Mikroebene des einzelnen Mitarbeiters. (6) Untersuchungen der synergistischen Forschungsrichtung konzentrieren sich auf Situationen interkultureller Interaktion in konkreten Arbeitssituationen. So gibt es Studien zu Führungsproblemen in internationalen Joint Ventures und strategischen Allianzen oder zur Problematik der Personalentsendung ins Ausland. Oft wird auch im Rahmen von Aktionsforschung versucht, Muster konfliktfreien Zusammenarbeitens (erst) zu entwickeln, wobei von gegenseitigen Sozialisations- und Lernprozessen der jeweiligen Mitarbeiter ausgegangen wird. 1.3 Interkulturelles Management Das interkulturelle Management befasst sich mit der konkreten Gestaltung von funktionalen, strukturalen und personalen Managementprozessen. Ziel ist die erfolgreiche Bewältigung kulturbedingter Managementprobleme durch Bereitstellung entsprechender Lösungsvorschläge für effizientes interkulturelles Handeln. Im Zentrum des Interesses stehen daher die verschiedenen Managementprozesse, kulturelle Überschneidungssituationen und Lösungsvorschläge für kulturbedingte Managementprobleme. Interkulturelle Probleme sind oftmals die Folge einer Art Ähnlichkeitsannahme gegenüber ausländischen Partnern oder von fehlendem Verständnis und Einfühlungsvermögen für die jeweiligen Kulturen (Thomas, A./ Hagemann, K., 2003; Schulz, B., 1993; Pfaller, P./ Heibutzki, H.J., 1991; o.V., 1991). Lösungsvorschläge für das interkulturelle Management können auf den Ergebnissen empirischer oder qualitativer kulturvergleichender Managementstudien beruhen. Interkulturelle Wissensvermittlung stützt sich häufig nur auf Sprachschulung, Landeskunde und Benimm- <?page no="163"?> 140 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung Regeln oder auf andere eher an der „ kulturellen Oberfläche“ liegende Verhaltenshinweise ( „ How to behave in ...“). Dabei ist generell der Wert solcher Hinweise für das soziale Protokoll im Einzelfall nicht zu bestreiten. Im Hinblick auf ein erfolgreiches interkulturelles Management dürften derartige Maßnahmen an der kulturellen Oberfläche allerdings kaum ausreichend sein. Vielmehr ist für das Management international tätiger Unternehmungen eine Auseinandersetzung mit den Tiefenstrukturen der jeweiligen Kulturkreise unumgänglich (Schmid, S., 1996). Da die Kultur, wie zu Beginn dieses Kapitels gezeigt, insbesondere Einfluss auf die interpersonelle Interaktion hat, erscheint es folgerichtig, einen Schwerpunkt des interkulturellen Managements auf eine international orientierte Personalentwicklung sowie auf eine zielgerichtete Aus- und Weiterbildung zu legen. Dieses sollte sowohl kultur- und interaktionsorientiert als auch informations- und verstehensorientiert sein (Thomas, A./ Hagemann, K., 2003; Holzmüller, H.H./ Berg, N., 2002; Thomas, A., 1995). Die kulturvergleichende Managementforschung bietet für das interkulturelle Management wertvolle Informationen, indem ein tiefer gehendes Verständnis der kulturellen Phänomene und Dimensionen sowie ihrer Hintergrundfaktoren geschaffen wird. Der internationale Manager wird so in die Lage versetzt, Muster kulturellen Handelns zu erkennen, Empathie zu entwickeln und kulturbedingte Managementprobleme besser zu lösen. Abschließend sollen die kulturvergleichende Managementforschung und das interkulturelle Management noch einmal klar voneinander abgegrenzt werden. Im Zentrum der kulturvergleichenden Managementforschung steht die Entwicklung von Theorien und Modellen über den Einfluss kultureller Faktoren auf die Managementprozesse. Gegenstand des Interesses des interkulturellen Managements ist die erfolgreiche Lösung kulturbedingter Managementprobleme. Interaktion und konkretes Handeln - weniger der Vergleich - stehen hier im Mittelpunkt (Adler, N.J./ Doktor, R./ Redding, S.G., 1986; Adler, N.J., 1983b). Die kulturvergleichende Managementforschung befindet sich im Verhältnis zum Praktiker des interkulturellen Managements quasi auf einer übergeordneten, metasprachlichen Ebene der Reflexion über den Zusammenhang zwischen kulturellen Faktoren und Managementprozessen, während sich der interkulturelle Manager in diesen Zusammenhang gestellt sieht und darauf durch konkretes Handeln reagieren muss (v. Keller, E., 1982). Die bisher besprochenen Teilbereiche der mit Kultur verbundenen Forschung sind entweder interdependent oder hängen kausal voneinander ab. Betriebliche Teilprozesse gestalten sich in unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich. Der Einfluss der Kultur ist evident. Die Kultur als Phänomen lässt sich durch die zuvor dargestellten Dimensionen bzw. Faktoren beschreiben. Kultur hat nicht gleichermaßen Einfluss auf alle betrieblichen Teilpolitiken, sondern wirkt sich besonders in personen- und verhaltensbezogenen Bereichen aus. Aus diesem Grund soll insbesondere in einem späteren Kapitel der Einfluss der Kultur auf die internationale Personalpolitik untersucht werden. <?page no="164"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 141 2 Kulturbedingte Unterschiede in der Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsibility) 2.1 Begriff und Varianten der Unternehmensverantwortung Unternehmen, die im Ausland tätig sind oder sein wollen, sind oft mit unterschiedlichen Erwartungshaltungen bezüglich deren Verantwortung für die Gesellschaft eines Landes konfrontiert. Erfolgreiches Wirtschaften in einem Land setzt dann ein Verhalten voraus, das diesen Erwartungen entspricht. Die soziale Verantwortung für die Menschen eines Landes kann sich auf drei Bereiche verteilen: eine indivuduelle, eine staatliche und eine unternehmerische Verantwortung. Welche Erwartungshaltung bezüglich der Verantwortung im Vordergrund steht, hängt von mehreren Faktoren ab, wie z.B. der Kultur, der vorherrschenden Religion oder dem Entwicklungsstand eines Landes. Im Zusammenhang mit der Kultur zeigen Studien von Maignan und Ferrell (Maignan et al., 2003), dass sich insbesondere individualistische und kollektivistische Kulturen in ihren Erwartungshaltungen bezüglich der sozialen Verantwortung von Individuen, des Staates und von Unternehmen unterscheiden. Individualistische Kulturen sehen hauptsächlich das Individuum, jedoch weniger den Staat oder Unternehmen in der Pflicht, sozial tätig zu sein. Wenn dann, wie in den USA, auch noch ein calvinistisches Gedankengut (Gott ist den Erfolgreichen gegenüber wohlgesonnen) hinzukommt, kommt es auf der Individualebene zu vielen sozialen Aktivitäten, staatliche oder unternehmerische Tätigkeiten im Sozialbereich werden jedoch weniger erwartet. Das drückt sich z.B. in einer großen Spendenbereitschaft einzelner Menschen aus oder durch das Entstehen großer privater Stiftungen, die durch Einzelpersonen gegründet werden (z.B. Bill Gates). Die Hauptaufgabe des Unternehmens ist die Gewinnerzielung, denn damit wird es einerseits dem Individuum möglich, Teile seines Einkommens zu spenden, und der Staat kann durch ein erhöhtes Steueraufkommen seinen Aufgaben, auch im sozialen Bereich, besser gerecht werden. Somit werden die Kunden und die Aktionäre zu den wichtigsten Interessengruppen eines Unternehmens (Lodge, 1990; Maignan et al. 2003). Mehr kollektivistisch geprägte Kulturen sehen die soziale Verantwortung mehr bei dem Staat oder den Unternehmen. Zwar ist Deutschland bei dem Individualismus-Index von Hofstede weltweit gesehen immer noch im oberen Mittelfeld platziert, jedoch ist der Wert mit 67 beträchtlich unter den Ländern mit einem sehr hohen Individualismus-Wert, wie z.B. den USA mit 91, Australien mit 90 und Großbritannien mit 89 Punkten. So wurden in Deutschland bereits mit der Bismarckschen Sozialpolitik Ende des 19. Jahrhunderts viele Bereiche der sozialen Verantwortung auf den Staat übertragen. Zwar haben deutsche Unternehmen wie z.B. Krupp oder Bergbauunternehmen in der gleichen Zeit bereits soziale <?page no="165"?> 142 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung Verantwortung für ihre Mitarbeiter übernommen, doch die Erwartungshaltung für soziale Belange richtet sich mehr an den Staat. In sehr kollektivistischen Kulturen wie z.B. Japan (46 Punkte) oder Südkorea (18 Punkte) wurde die soziale Verantwortung auf Unternehmen verlagert. Oft wurde das Leben der Mitarbeiter von der Wiege bis zur Bahre unternehmerisch in den Kereitsus oder Chaebols organisiert. Auch unterschiedliche Machtdistanzen können die Einstellung einer Gesellschaft bezüglich der sozialen Verantwortung von Unternehmen beeinflussen (Waldman, D., et al., 2006). Herrschen in einem Land oligopolistische Strukturen, wie dies in vielen lateinamerikanischen oder südostasiatischen Ländern der Fall ist, dann hängt die soziale Verantwortung von wenigen herrschenden Familien ab, die oft nicht nur Unternehmen, sondern auch den Staat maßgeblich beeinflussen. Länder mit niedrigen Machtdistanz-Werten zeichnen sich nach den Untersuchungen von Waldman et al. (Waldman, D., et al., 2006) durch ein hohes CSR-Engagement seitens der Unternehmen aus. Orij (Orij, 2010) hat die Bedeutung maskuliner oder femininer Kulturen für die Unternehmensverantwortung untersucht. Dabei macht er deutlich, dass sich bei femininen Kulturen eher eine größere soziale Verantwortung von Unternrehmen zeigt als bei maskulinien Kulturen. Das Streben nach einem harmonischen Miteinander femininer Kulturen fördert die soziale Verantwortung sowohl von staatlicher als auch unternehmerischer Seite. Letztlich spielt der Entwicklungsstand eines Landes eine erhebliche Rolle für die soziale Verantwortung für eine Gesellschaft. Soziale Verantwortung muss auch bezahlbar sein. Arme Länder können sich oft staatliche Leistungen im sozialen Bereich nicht leisten, so dass hier entweder die Individual- oder die Unternehmensebene gefordert sind. Wenn es in diesen Ländern nur wenige Reiche gibt und auch die Unternehmen nicht sehr erfolgreich sind, erwartet man, wenn international tätige Untrernehmen aus reicheren Ländern dort agieren, von diesen eine verstärkte Übernahme sozialer Verantwortung. Für Unternehmen bedeutet dies, dass ein erfolgreiches Wirtschaften in einem Land, von einer an die Erwartungshaltung der Menschen angepaßten sozialen Unternehmensverantwortung abhängt. Diese kann, wie vorher ausgeführt, kulturbedingt sehr unterschiedliche Konzepte und Verhaltensweisen notwendig machen. Deshalb werden im Folgenden unterschiedliche Konzepte der sozialen Unternehmensverantowrtung vorgestellt und analysiert. Begriffsinhalt Unternehmensverantwortung beschreibt das Einstehen des Unternehmens für Ziele und Werte, welche über die rein ökonomische Dimension hinausgehen. Neben der wirtschaftlichen Zielerreichung, welche sich beispielsweise durch Gewinnerzielung, Wertsteigerung oder Umsatzwachstum messen lässt, tritt die Verantwortung für Ziele, welche außerhalb des direkten Interesses der Anteilseigner (Shareholder) liegen. Somit ist eine Berücksichti- <?page no="166"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 143 gung anderer Stakeholder wie Gesellschaft, Mitarbeiter und Staat integraler Bestandteil dieses Konzeptes. Insbesondere seit der internationalen Finanzkrise am Ende des letzten Jahrzehnts hat diese Perspektive für Politik und Unternehmensführung stark an Bedeutung gewonnen und wird auch in Zukunft möglicherweise Einfluss auf Entscheidungen nehmen. Der Begriff der Unternehmensverantwortung hat sich allerdings im deutschen Sprachraum nur begrenzt durchsetzen können. Im Folgenden wird er daher synonym mit dem weitaus geläufigeren Begriff der Corporate Social Responsibility („CSR“) verwendet (Seidel, P., 2011). Dennoch erscheint der Begriffsumfang der Unternehmensverantwortung durchaus korrekter, da dieser eine Ausweitung auf Anteilseigner und z.B. die natürliche Umwelt beinhaltet. Konzepte der Unternehmensverantwortung werden auch unter den Begriffen Corporate Citizenship, Corporate Accountability, Nachhaltige Unternehmensführung/ Sustainability oder Unternehmensethik/ Business Ethics diskutiert (Keinert, C., 2008). Unterschiede bestehen dabei aber in erster Linie in der exakten Abgrenzung des Begriffes, weniger in den praktischen Implikationen, und sind historisch gewachsen. Im internationalen Umfeld finden sich zudem Ausprägungen, welche durch regionale Kulturunterschiede geprägt sind, wie die US-amerikanische Variante eines Shareholder-Value-orientierten CSR-Verständnisses oder die Unternehmensverantwortung im traditionellen deutschen Familienunternehmen. In der Unternehmenspraxis ist aber eine Annäherung der verschiedenen Konzepte erkennbar. Dazu tragen international operierende Unternehmen sowie Institutionen bei. ISO-Normen zum Qualitäts- und Umweltschutz, Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) und der Global Compact der United Nations dienen unabhängig vom benutzten Konzeptbegriff als Richtlinie und tragen so zur Konvergenz bei. Neben der allgemeinen Verantwortung von Unternehmen gegenüber der Gesellschaft steht CSR im engeren Sinne auch für das über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehende Engagement von Unternehmen für Ziele folgender Art: (1) Soziale Ziele (2) Ökologische Ziele (3) Wirtschaftliche Ziele Soziale Verantwortung dient den Zielen der Gesellschaft und kann beispielsweise durch die sozialverträgliche Beschäftigung von benachteiligten Menschen oder Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit genauso wahrgenommen werden wie durch die Unterstützung von Bildungseinrichtungen oder Jugendprojekten. Ökologische Verantwortung kann sich in der Verwendung verbrauchsarmer Fahrzeugflotten, ressourcenschonender Produktion oder einem nachhaltigen Management des CO 2 - Ausstoßes umsetzen lassen. Es existieren vielfältige Möglichkeiten für Firmen, sich der außerökonomischen Verantwortung zu stellen. <?page no="167"?> 144 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung Ökonomische Dimensionen der Geschäftstätigkeit beinhalten beispielsweise Gewinnerzielung, Kundenzufriedenheit, Wertsteigerung am Kapitalmarkt oder das Erbringen der Steuerschuld und das Leisten der Sozialabgaben. Diese Einteilung liegt vielen CSR-Konzepten zugrunde, kann aber in verschiedene Richtungen erweitert oder modifiziert werden. Hierbei spielt auch der Begriff der Nachhaltigkeit (Sustainability) eine große Rolle. Dieser beinhaltet neben der Ausrichtung des Unternehmens an ethischen Standards auch die langfristige Nachhaltigkeit dieser Orientierung aus einzel- und gesamtwirtschaftlicher Sicht. Hierbei wird gemeinhin eine äußerst langfristige Perspektive unterstellt: Nachhaltigkeit beinhaltet die Beibehaltung der entsprechenden Ziele. Historie Gerade der Nachhaltigkeitsgedanke hat in verschiedenen Wissenschaften eine lange Historie, aber auch die Unternehmensverantwortung wird seit Langem unter verschiedenen Aspekten thematisiert. Der deutsche Forstwirtschaftler v. Carlowitz formulierte in seinem 1713 erschienenen Werk „Sylvicultura Oeconomica“ erstmalig das Prinzip der Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft (v. Carlowitz, H.C., 2011[Reprint der Ausgabe von 1713]), was zumindest einen semantischen Ausgangspunkt für die Nachhaltigkeitsdebatte darstellt. Wirtschaftswissenschaftliche Auseinandersetzungen mit der Nachhaltigkeit des Wirtschaftens im Unternehmen finden sich später in den Werken von Dodd und Barnard (Dodd, E.M., 1932; Barnard, C.I., 1968). Prägend war aber vor allem die Arbeit von Howard Bowen in seinem zentralen Werk Social Responsibilities of the Businessman von 1953 (Bowen, H.R. 1953). Schon der Titel seines Werkes verdeutlicht, dass er die persönliche Verantwortung des einzelnen Managers in den Mittelpunkt stellt: „It refers to the obligations of businessmen to pursue those policies, to make those decisions, or to follow those lines of action which are desirable in terms of the objectives and values of our society“ (Bowen, H.R., 1953). Bereits zu dieser Zeit formulierte auch Peter Drucker, dass Manager die soziale Tragweite ihrer Entscheidungen beachten sollten, da sie damit einen weitreichenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben (Drucker, P.F., 2007). Einige Jahre später richtete McGuire mit seiner Definition: „The idea of social responsibilities supposes that the corporation has not only economic and legal obligations but also has certain responsibilities which extend beyond these obligations“ den Fokus auf das Unternehmen als Ganzes und nähert sich damit der heutigen Betrachtungsweise im Sinne einer Unternehmensverantwortung an (McGuire, J.W., 1963). Den modernen Begriff der Corporate Social Responsibilities prägte schließlich Walton in seinem 1967 veröffentlichten Werk mit dem gleichlautenden Titel (Walton, C.C., 1967). Neben dieser allgemeinen Entwicklung haben sich jedoch auch Varianten des CSR- Ansatzes etabliert, die auf einer grundsätzlich unterschiedlichen ethischen Position basie- <?page no="168"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 145 ren, welche auch zu internationalen Unterschieden in der CSR-Praxis führt. Zwei ausgewählte Positionen werden im Folgenden kurz dargestellt. 2.1.1 Unternehmensverantwortung im neoklassischen Ansatz (Shareholder Approach) 1970 charakterisierte der amerikanische Ökonom Milton Friedman Unternehmensverantwortung mit der Aussage, dass die soziale Verantwortung mit der Erzielung von ökonomischen Gewinnen bereits weitgehend erfüllt werde (Friedman, M., 1970). Dies macht ihn zum Vorreiter und zentralen Vertreter des sogenannten „Shareholder Approach“. Diese Haltung unterstellt, dass die Gewinnerzielung die einzige notwendige - zumindest aber die zentrale - gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens darstellt. Den Anteilseignern steht es durch ihre Gewinnbeteiligung wiederum frei, die Gesellschaft nach ihrem Ermessen am Erfolg des Unternehmens teilhaben zu lassen. Die Verwendung von Mitteln des Unternehmens für Zwecke des Gemeinwohls führt hingegen zu einer „Enteignung“ nicht nur der Shareholder, sondern indirekt auch anderer Stakeholder wie Kunden oder Mitarbeitern: „The corporate executive would be spending someone else’s money for a general social interest. Insofar as his actions in accord with his „social responsibility” reduce returns to stockholders, he is spending their money. Insofar as his actions raise the price to customers, he is spending the customer’s money. Insofar as his actions lower the wages of some employees, he is spending their money“ (Friedman, M., 1970). Aus der Sicht dieses Ansatzes ist es nicht die Aufgabe des Unternehmens bzw. des Unternehmers, Mittel für soziale oder ökologische Projekte zu investieren und damit den Unternehmensgewinn zu schmälern. Das komme einer Steuer gleich und sei daher abzulehnen: „The whole justification for permitting the corporate executive to be selected by the stockholders is that the executive is an agent serving the interests of his principal. This justification disappears when the corporate executive imposes taxes and spends the proceeds for ‚social purposes.“ (Friedman, M., 1970). Auch im Shareholder-Ansatz gibt es jedoch Anreize, gesellschaftlich verantwortlich zu handeln. So sollte die Honorierung nachhaltigen sozialen oder ökologischen Engagements des Unternehmens durch die Kaufentscheidung der Konsumenten oder die Investitionsentscheidung der Kapitalgeber erfolgen, wenn diese Stakeholder-Gruppen das gesellschaftliche Engagement tatsächlich wünschen. Hinzu kommt, dass einige Marktunvollkommenheiten dazu führen, dass der Markt keine adäquate Allokation von Ressourcen herstellen kann. Bei der Herstellung von Gütern entstehen zum Beispiel oft (negative) externe Effekte (Kosten), die auf die Gesellschaft als Ganzes oder einzelne Gruppen „abgewälzt“ werden (Hardes, H.D., 2002). Ein Teil der Kosten wird also externalisiert. Ein Industrieunternehmen, welches im Produktionsprozess beispielsweise CO 2 -Abgase ausstößt, profitiert von der Umweltbelastung, da es nur die Kosten der Herstellung, nicht aber die sozialen Kosten der externen Effekte berücksichti- <?page no="169"?> 146 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung gen muss. Die ökologische Problematik der Umweltverschmutzung verschärft sich zusätzlich, da es sich dabei oft um öffentliche Güter wie Luft und Wasser handelt (Mankiw, N.G./ Taylor, M.P., 2012). Die fehlende Bepreisung dieser öffentlichen Güter stellt ein Marktversagen dar. Somit verhilft die Wahrnehmung der Unternehmensverantwortung dabei, Fehlallokationen zu mildern und ist insofern auch kompatibel mit einer Perspektive, welche das freie Spiel des Marktes in den Vordergrund stellt. Die Vertreter des Shareholder-Ansatzes würden hier allerdings auf die Notwendigkeit ordnungspolitischer Rahmenbedingungen (z.B. Bepreisung des CO 2 -Ausstoßes) verweisen, welche im globalen Rahmen nur äußerst schwer umsetzbar sind. Insofern wird Unternehmensverantwortung im internationalen Rahmen immer teilweise rein ethisch motiviert sein müssen, was der Stakeholder-Ansatz in den Mittelpunkt stellt. 2.1.2 Unternehmensverantwortung im ganzheitlichen Ansatz (Stakeholder Approach) Carroll formulierte 1979 ein Konzept, welches die rein ökonomische Sichtweise mit der ethisch motivierten Unternehmensverantwortung zusammenführte (Carroll, A.B., 1979). Dadurch verdeutlicht er, dass die Gesellschaft neben der Einhaltung ethischer Normen und rechtlicher Vorgaben auch ein Gewinnstreben der Unternehmen erwartet, da eine zuverlässige Wirtschaft einen stabilisierenden Beitrag zur Gesellschaft leiste (Carroll, A.B., 1999). Dem stimmt auch Drucker in seinem 1984 erschienenen Artikel „The New Meaning of Corporate Social Responsibility“ (Drucker, P.F., 1984) zu. Nach Drucker und Carroll sind Unternehmen am ehesten bereit gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, wenn darin für sie ein zusätzlicher Gewinnanreiz besteht. Folgerichtig stellt Drucker das Gewinnstreben in eine übergeordnete Position, damit Unternehmen gewillt sind, sich gesellschaftlich zu engagieren (Drucker, P.F., 1984). Aufbauend auf diesen Ideen formuliert Freeman 1984 die Theorie des Stakeholder- Ansatzes der CSR, wobei Stakeholder als die Gruppen definiert werden, welche die Zielerreichung des Unternehmens beeinflussen oder aber von dieser beeinflusst werden (Freeman, M., 1984). Diese Definition integriert eine breitere Perspektive in das Zielsystem des Unternehmens und kann als Gegenentwurf zu Friedmans Shareholder-Ansatz gesehen werden. Auffallend bei der historischen Betrachtung der CSR-Forschung und -Praxis ist die Dominanz der US-amerikanischen Beiträge. Dies ist teilweise auf die im internationalen Vergleich weniger ausgeprägten sozialstaatlichen Sicherungssysteme und die liberale Wirtschaftspolitik zurückzuführen (Backhaus-Maul, H., 2008). Die europäische Diskussion findet ihren Anstoß im Bericht „Our Common Future“ der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Brundtland, G.H., 1984). Der Bericht definiert nachhaltiges, zivilgesellschaftliches Verhalten in den drei bereits genannten Dimensi- <?page no="170"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 147 onen Gesellschaft, Ökologie und Wirtschaft. Diese Definition prägte die Wahrnehmung des CSR-Konzepts weltweit und in Europa im Besonderen und entfachte einen weltweiten Diskurs über Nachhaltigkeit (Europäische Kommission, 2001). Durch die Erweiterung der CSR-Dimensionen um ökologische Nachhaltigkeitsaspekte hat sich der Begriff der „Triple Bottom Line“ (TBL) von Elkington etabliert, welcher manchmal auch als „PPP“ bezeichnet wird (Elkington, J., 1999). Die Vielzahl der Ansätze zeigt die Vielfältigkeit der Diskussion zur Unternehmensverantwortung. Loew et al. fassen folgende Inhalte einer grundlegenden Begriffsbestimmung zusammen (Loew, T., et al., 2004): (1) CSR umfasst die soziale und ökologische Dimension von Nachhaltigkeit. (2) CSR soll einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung leisten. (3) CSR fokussiert auf unternehmerisches Engagement über Compliance hinaus. (4) CSR schließt die Einhaltung der Rechtsvorschriften mit ein (Compliance). (5) CSR ist weder Ersatz für bestehende Rechtsvorschriften noch Ersatz für die Entwicklung neuer Rechtsvorschriften. 2.2 Corporate Social Responsibility im Unternehmen Spätestens seit der öffentlichen Forderung der EU-Kommission nach größerer Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung beschäftigen sich viele Unternehmen mit dessen praktischer Implementierung. In der Literatur werden unterschiedliche Ansätze zur praktischen Umsetzung erörtert. Die wichtigsten Ansätze sind nach einer Einteilung von Lantos (Lantos, G.P., 2001) die ethische, altruistische und die strategische CSR. Die Ansätze verfolgen unterschiedliche Interessen und führen daher zu verschiedenen Resultaten. Daher muss eine Organisation Prioritäten festlegen und sich bewusst machen, welche Erwartungen sie in das Engagement investiert und welche Ziele dadurch erreicht werden sollen. Strategische Unternehmensverantwortung Der zunehmende Druck der internationalen Öffentlichkeit zwingt Unternehmen zur Etablierung von gesondert organisierten CSR-Aktivitäten. Porter und Kramer kritisieren dieses Vorgehen, da die Effektivität dieser Aktivitäten durch die Trennung vom operativen Geschäft sehr begrenzt sei (Porter, M.E./ Kramer, M.R., 2006). Dieselbe Umsicht und Verbindlichkeit, welche im Kerngeschäft an den Tag gelegt wird, sollte auch bei der Unternehmensverantwortung zum Tragen kommen. Als Rahmen zur Bewertung der CSR-Aktivitäten dienen hierbei Porters Wertschöpfungskette und sein Diamanten-Modell der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. <?page no="171"?> 148 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung Abbildung 71: Porters CSR in der Wertschöpfungskette Die Wertkette hilft, ausgehend von einer „Inside-Out-Perspektive“, die gesellschaftlichen Effekte der Geschäftstätigkeit zu identifizieren. Die Analyse der Wertkette untersucht und priorisiert Stärken und Schwächen, die die gesellschaftliche Verantwortung beeinflussen, um hierdurch Wettbewerbsvorteile zu generieren. Abbildung 71 zeigt anhand der Aktivitäten der Wertkette das Potenzial zur effizienten CSR-Implementierung. Die Einführung einer effektiven CSR-Strategie erfordert aber auch einen Blick, der sich von außen nach innen richtet - die „Outside-In-Perspektive“. Sie richtet den Fokus auf die Effekte, die Veränderungen in der Wertschöpfungskette nach außen hin bewirken. In dieser Betrachtung sollte der Organisation bewusst sein, dass nicht alle externen Partner und Faktoren beeinflusst werden können. Daher sollte eine Konzentration auf die Kernbereiche stattfinden, die den größten gemeinsamen Mehrwert (Shared Value) für die Gesellschaft und das Unternehmen schaffen. <?page no="172"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 149 Abbildung 72: Porters „Diamant“ in Bezug auf Unternehmensverantwortung (CSR) Das Modell von Porter und Kramer ist letztlich in Friedmans Shareholder-Ansatz verwurzelt. Alle CSR-Aktivitäten verfolgen auch hier das Ziel einer Differenzierungsstrategie gegenüber dem Wettbewerb oder am Markt und insofern indirekt eine Gewinnmaximierung. Im Rahmen dieses Verständnisses von Unternehmensverantwortung werden die dafür getätigten Ausgaben nicht als unvermeidbarer Aufwand wahrgenommen, sondern einer langfristigen Investition in den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens gleichgestellt (McWilliams, A., et al., 2006). In gewisser Weise können diese Ausgaben als eine Investition in eine „Goodwill Bank“ betrachtet werden (Lantos, G.P., 2001; Vaughn, S., 1999). Das Unternehmen kann auf dieses „Guthaben“ im Falle ethisch bedingter Probleme zurückgreifen. Aufwendungen dieser Form sind somit in Übereinstimmung mit der Shareholder-orientierten CSR-Auffassung. Solange die Anteilseigner einen finanziellen Vorteil durch die Ausgaben erzielen, sind diese gerechtfertigt (Friedman, M., 1970). Ziel ist die Schaffung einer nachhaltig positiven Beziehung zu Kunden und Geschäftspartnern, welche zukünftige Konsum- und Investitionsentscheidungen beeinflusst (Brenkert, G.G., 1992). Ethische Unternehmensverantwortung Unternehmensentscheidungen beeinflussen eine Vielzahl von Individuen, Organisationen oder gesellschaftliche Gruppen. Viele dieser Akteure ziehen Nutzen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit, einige jedoch tragen gegebenenfalls physischen, psychischen oder wirtschaftlichen Schaden davon. Gegenüber den benachteiligten Personen und Gruppen über- <?page no="173"?> 150 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung nehmen die Unternehmen als potenzielle Verursacher dieses Schadens eine ethisch-moralische Verpflichtung. Dasselbe gilt natürlich umgekehrt für die Schaffung eines zusätzlichen Nutzens über die wirtschaftliche Beziehung hinaus. Jede Organisation, die dieser Verpflichtung nicht nachkommt, verhält sich gegebenenfalls unmoralisch und gefährdet damit ihre „license-to-operate“, das heißt die Möglichkeit auf weitere wirtschaftliche Betätigung (Porter, M.E.,/ Kramer, M.R., 2006). Obgleich negative Effekte auf andere nie ausgeschlossen werden können, ist der Versuch, diese zu minimieren, von zentraler Bedeutung und erweitert die strategische CSR insofern um einen grundlegend ethisch motivierten Aspekt. Wie in der ganzheitlichen Unternehmensverantwortung generell muss auch aus ethischer Sicht ein Kompromiss in Bezug auf ethische und ökonomische Ziele gefunden werden. Kosten, die die Umweltbelastung verringern oder die Produktsicherheit erhöhen, schmälern kurzfristig den Gewinn. Die Alternative ist jedoch ein Handeln ohne ethische Grundlage und eine bewusste Verminderung der gesellschaftlichen Gesamtwohlfahrt. Altruistische Unternehmensverantwortung Altruismus steht für aufopferndes, uneigennütziges oder selbstloses Handeln. Individuen und Organisationen können und sollten sich aus altruistischer Sicht verpflichtet fühlen, gesellschaftliche Missstände zu verbessern, weil sie die finanziellen oder ressourcenbedingten Möglichkeiten dazu haben. Die Verfügbarkeit finanzieller und personeller Mittel kann für Unternehmen Grund genug sein, Unternehmensverantwortung im gesellschaftlichen Sinne wahrzunehmen. Altruistische CSR ist jedoch stark von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens oder der Volkswirtschaft im Allgemeinen abhängig. Nur bei einer positiven ökonomischen Situation können Mittel für altruistische Projekte zur Verfügung gestellt werden. Die drei genannten Ausprägungen der Unternehmensverantwortung stehen für die Umsetzung und die dahinterstehende Motivation des Unternehmens. Im konkreten Fall wird es jedoch häufig zu einer Überschneidung der genannten Motive und zu einer Anpassung an etablierte internationale Richtlinien der Unternehmensverantwortung kommen. Diese werden im Folgenden dargestellt. 2.3 Internationale Richtlinien der Unternehmensverantwortung 2.3.1 Triple Bottom Line 1987 veröffentlichte die Brundtland-Kommission der Vereinten Nationen (UN) unter dem Vorsitz der damaligen norwegischen Ministerpräsidentin Brundtland den Bericht „Our common future“. Darin wird das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung wie folgt definiert: „Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“ (United Nations, 2010, online). Diese Definition der Brundtland-Kommission ist noch heute richtungsweisend. Der genannte Bericht unter- <?page no="174"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 151 gliedert die Nachhaltigkeit im Wesentlichen in die drei bereits genannten Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales. Die Begriffe „Drei-Säulen-Modell“ bzw. „triple bottom line“ werden alternativ dazu verwendet und stellen das Prinzip anschaulich dar (Schunk, S., 2009). Die begriffliche Anlehnung an das finanzielle Berichtswesen eines Unternehmens („Bottom Line“) weist dabei darauf hin, dass diesen Ergebnissen eine ähnliche Bedeutung zukommen sollte wie den finanziellen Resultaten. Viele Unternehmen machen diesen Grundgedanken zum Ausgangspunkt ihrer CSR- Aktivitäten. So baut das Nachhaltigkeitsmodell der Siemens AG auf dem Modell der Brundtland-Kommission auf, was Abbildung 73 darstellt. Abbildung 73: Siemens-Nachhaltigkeitsprogramm Quelle: Siemens AG, 2012, online Im Hinblick auf die ökologische Dimension wird versucht, die Umweltbilanz zu verbessern und ökologische Lösungen als Produkte weiter zu forcieren. Ökonomisch setzt die Siemens AG auf langfristige Wertschöpfung, aber auch Effizienzziele und eine Compliance sind Bestandteile des Programms, welche direkt angesprochen werden. Hier findet sich auch der Grundgedanke eines Steuerungs- und Reporting-Systems wieder. In sozialer Hinsicht werden Stakeholder-Beziehungen generell durch Institutionen (Sustainability Advisory Board) gefördert. Durch Projekte wie beispielsweise die „Sanjeevan Mobile Clinic“ (eine mobile Klinik für die Gesundheitsversorgung Indien) wird zudem gesellschaftliches Engagement gefördert (Siemens AG, 2012, online). 2.3.2 Grünbuch der Europäischen Kommission zur CSR Die Grünbücher der Europäischen Kommission sind Diskussionspapiere, welche regelmäßig zu einem bestimmten Thema herausgegeben werden, um auf diesem Gebiet <?page no="175"?> 152 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung einen öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs herbeizuführen. Oft führen sie zu politischen Initiativen, Verordnungen und Gesetzesänderungen. Auf die Vorgaben der „Lissabon-Strategie“ der EU reagierte die Kommission 2001 mit dem Grünbuch „Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“. Darin heißt es: „Die meisten Definitionen bezeichnen die Unternehmensverantwortung als ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren. Sozial verantwortlich handeln heißt nicht nur, die gesetzlichen Bestimmungen einhalten, sondern über die bloße Gesetzeskonformität hinaus „mehr“ investieren in Humankapital, in die Umwelt und in die Beziehungen zu anderen Stakeholdern“ (Europäische Kommission, 2001). Im Grünbuch wird die Unternehmensverantwortung bzw. CSR in eine interne und externe Dimension unterteilt (Europäische Kommission, 2001). Die interne Dimension bezieht sich auf folgende Themen: Humanressourcenmanagement Arbeitsschutz Anpassung an den Wandel Umweltauswirkungen und verantwortungsbewusste Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen Unter der externen Dimension subsumiert die Europäische Kommission: Lokale Gemeinschaften (Integration der Unternehmen in das lokale Umfeld) Intensive Kooperation mit den Geschäftspartnern, Zulieferern und Verbrauchern Achtung und Einhaltung der Menschenrechte Einfluss auf den globalen Umweltschutz Der von der Kommission verwendete Begriff der „sozialen Verantwortung von Unternehmen“ deckt sich dabei mit dem hier verwendeten Begriff der „Unternehmensverantwortung“. Im Rahmen des Konsultationsprozesses in Kapitel 4 des Grünbuchs wurden die betroffenen Akteure (Unternehmen, NGOs, Behörden, aber auch interessierte Einzelpersonen) aufgerufen, schriftliche Stellungnahmen bzw. Vorschläge hinsichtlich des Aufbaus und der Entwicklung von Rahmenbedingungen zur Förderung von CSR-Aktivitäten in Europa einzureichen (Thielemann, U./ Ulrich, P., 2009). Diese Vorschläge der Akteure wurden 2002 als eine „Mitteilung der Kommission betreffend der sozialen Verantwortung der Unternehmen - ein Unternehmensbeitrag zur nachhaltigen Entwicklung“ (Europäische Kommission, 2002) veröffentlicht. Darin wurde die Errichtung eines CSR-Multistakeholder-Forums angeregt, welches zwischen 2002 und 2004 auch stattfand. Die Ergeb- <?page no="176"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 153 nisse wurden in einem Abschlussbericht festgehalten, welcher 2006 zur Bildung einer CSR- Allianz zwischen der Kommission und europäischen Unternehmen führte, bei welcher das vorgenannte Forum integriert wurde. Diese Allianz wurde in 2009 und 2010 fortgesetzt und befasste sich zum Beispiel mit Themen wie Menschenrechte in der Wirtschaft (Beauftragung einer Studie zur Anwendbarkeit der bestehenden Gesetzgebung auf europäische Unternehmen, die international tätig sind) oder der Transparenz in der Berichterstattung in den Bereichen Environment, Social sowie Governance (Econsense, 2011, online). Auch das Grünbuch streicht den unmittelbaren wirtschaftlichen Wert heraus, den die Wahrnehmung der Unternehmensverantwortung haben kann, und positioniert CSR somit durchaus auch im Sinne der strategischen Interpretation von Porter und Kramer. Trotz der relativ allgemeinen Formulierung vieler Ziele hat das Grünbuch durch die Integration in viele Initiativen der europäischen Politik eine erhebliche Nachwirkung entfaltet. 2.3.3 Global Compact der United Nations Der United Nations Global Compact oder UNGC wurde 1999 von dem damaligen UN- Generalsekretär Annan vorgeschlagen und im Jahr darauf in Kraft gesetzt (Thielemann, U./ Ulrich P., 2009). Die UN-Mitglieder aus mehr als 130 Ländern (United Nations, 2011b, online) sollten auf freiwilliger Basis den Aufbau nachhaltig und verantwortlich arbeitender Unternehmen sowie Märkte unterstützen. Der UNGC ist in erster Linie ein Netzwerk zur Information und zum Austausch, welches ergänzend zur nationalen Gesetzgebung zu sehen ist. Es ist nicht als eine überwachende Instanz oder regulierende Behörde zu verstehen. Durch eine Mitgliedschaft gehen die Unternehmen und andere Organisationen eine rein ethische, aber keine legal durchsetzbare Verpflichtung ein, wodurch ein freiwilliger Ansatz der Unternehmensverantwortung bestärkt werden soll. Mit einer einfachen Mitteilung an die UN können interessierte Unternehmen ihre Mitgliedschaft erklären. Die Einhaltung der zehn Prinzipien aus den Bereichen Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte, Umweltschutz, Korruptionsbekämpfung soll die nachhaltige Entwicklung bzw. gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen fördern. Wann und in welchem Umfang allerdings Maßnahmen zur Befolgung der Regeln eingeleitet werden, liegt im Ermessen der Mitglieder selbst. Mitgliedsunternehmen erstellen einen jährlichen Bericht, den COP (Communication on Progress) über den Status der CSR- Implementierung. Wird es versäumt, den COP-Bericht einzureichen, wird zur Wahrung der Integrität die entsprechende Firma auf der Website der UNGC als „non communicating“ oder „inactive“ deklariert oder sogar von der Mitgliedschaft ausgeschlossen (Thielemann, U./ Ulrich, P., 2009). Die zehn Prinzipien der UNGC sind (United Nations, 2011c, online): Menschenrechte <?page no="177"?> 154 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung (1) Unternehmen sollen den Schutz der internationalen Menschenrechte unterstützen und achten und (2) sicherstellen, dass sie sich nicht an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig machen. Arbeitsnormen (3) Unternehmen sollen die Vereinigungsfreiheit und die wirksame Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen wahren. (4) Unternehmen sollen sich für die Beseitigung aller Formen der Zwangsarbeit einsetzen. (5) Unternehmen sollen sich für die Abschaffung von Kinderarbeit einsetzen. (6) Unternehmen sollen sich für die Beseitigung von Diskriminierung bei Anstellung und Erwerbstätigkeit einsetzen. Umweltschutz (7) Unternehmen sollen im Umgang mit Umweltproblemen dem Vorsorgeprinzip folgen. (8) Unternehmen sollen Initiativen ergreifen, um größeres Umweltbewusstsein zu fördern. (9) Unternehmen sollen die Entwicklung und Verbreitung umweltfreundlicher Technologien beschleunigen. Korruptionsbekämpfung (10)Unternehmen sollen gegen alle Arten der Korruption eintreten, einschließlich Erpressung und Bestechung. 2.3.4 Die OECD-Leitsätze Die Leitsätze der OECD wurden als Reaktion auf die sich beschleunigende Globalisierung in den 1970er Jahren entwickelt. Die Erstfassung wurde bereits 1976 verfasst und seitdem mehrfach überarbeitet. Die aktuellen OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen wurden 2011 anlässlich des 50-jährigen Bestehens der OECD neu überarbeitet und von den Mitgliedstaaten unterzeichnet. An der Neufassung wirkten Regierungsvertreter verschiedener Nationen, der beratende Ausschuss der Wirtschaft und der gewerkschaftlich beratende Ausschuss der OECD sowie Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit. In der Folge haben die Regierungen von 36 Industrieländern mittlerweile „Nationale Kontaktstellen“ eingerichtet, welche Anfragen beantworten, für die Lösung von Problemen zuständig sind und Beschwerden über die Nichteinhaltung der Leitsätze nachgehen. Die <?page no="178"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 155 „Nationale Kontaktstelle“ ist beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Referat Auslandsinvestitionen angesiedelt. Wie bei den zuvor genannten Initiativen sind auch hier die Leitsätze nicht rechtlich bindend, sondern bauen auf dem Prinzip der Freiwilligkeit auf. Sie stellen eine Ergänzung nationaler Rechtssysteme dar. Die G8-Staaten haben sich 2007 dazu verpflichtet, die Leitsätze gezielt zu fördern. Dies unterstreicht die weitgehende internationale Anerkennung der OECD-Prinzipien (Thielemann, U./ Ulrich, P., 2009). Abbildung 74 gibt einen Überblick über die Dimensionen der OECD-Leitsätze sowie deren Inhalt. <?page no="179"?> 156 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung Abbildung 74: Dimensionen und Inhalt der OECD-Leitsätze Quelle: BDA: Internationale Aspekte von Corporate Social Responsibility, 2011; OECD, 2011 2.3.5 Standard ISO 26000 Die ISO (International Standards Organisation) wurde 1947 gegründet. Sie umfasst 156 nationale Standardisierungsbehörden, deren Ziel es ist, weltweit gültige Industriestandards zu schaffen. Damit soll eine Vergleichbarkeit von Produkten und Verfahren auf den unterschiedlichen Märkten ermöglicht werden (Thielemann, U./ Ulrich, P., 2009). Nach einem langjährigen Entwicklungsprozess wurde der Standard ISO 26000 im Jahre 2010 in der Schweiz vorgestellt. 450 Experten und 210 Beobachter aus rund 100 Ländern gehörten zu der Expertengruppe, welche an der Erarbeitung von ISO 26000 teilnahm. Die genannte Norm soll lediglich als Leitfaden dem allgemeingültigen Verständnis und der genauen Definition der Unternehmensverantwortung dienen. Des Weiteren soll sie Organisationen aller Art (sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor) eine Hilfestellung bei der Gestaltung unternehmensspezifischer Prozesse und Maßnahmen zur CSR bieten. Die Norm stellt eher eine Richtlinie dar und ist weder als eine Art Pflicht bzw. Anforderung wie z.B. Zertifizierungen gemäß ISO 9001 und ISO 14001 zu verstehen, noch stellt sie einen Normenkatalog bzw. eine CSR-Checkliste dar. <?page no="180"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 157 Unternehmen können sich also nicht nach ISO 26000 zertifizieren lassen (ISO, 2011, online). Den relativ komplexen Aufbau der ISO 26000 verdeutlicht Abbildung 75. Abbildung 75: Aufbau und Inhalt der ISO 26000 Quelle: In Anlehnung an: Hardtke, A./ Kleinfeld, A., 2010 Im Verlauf des Erarbeitungsprozesses von ISO 26000 haben sich sieben Prinzipien der gesellschaftlichen Verantwortung herauskristallisiert (oberer Teil in Abbildung 75), die im Folgenden kurz erläutert werden. Rechenschaftspflicht spricht die moralisch-ethische Verpflichtung der Unternehmen gegenüber der Gesellschaft an. Es ist ein zusätzlicher Beitrag zum gesetzlichen Rahmen. Die Berichtsinhalte beziehen sich nicht nur auf Anteilseigner und staatliche Institutionen, sondern berücksichtigen auch die Umwelt und Gesellschaft. Die Informationen werden wie bei den meisten Richtlinien freiwillig veröffentlicht. Das Prinzip der „Rechenschaftspflicht“ im Sinne von ISO 26000 ist also weniger eine Verpflichtung als ein Appell an Unternehmen, eine möglichst transparente und offene Informationspolitik zu betreiben (Hardtke, A./ Kleinfeld, A., 2010). Der Grundsatz der Transparenz ist entsprechend im Zusammenhang mit der Rechenschaftspflicht zu betrachten. Die Betriebe sollen zwar die relevanten Informationen in realistischer, objektiver und verständlicher Weise zur Verfügung stellen (in Form von CSR- <?page no="181"?> 158 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung oder Nachhaltigkeitsberichten etc.), jedoch wird unter keinen Umständen erwartet, dass Wettbewerbsvorteile und Effizienz hierdurch beeinträchtigt werden (Hardtke, A./ Kleinfeld, A., 2010). Das Prinzip des ethischen Verhaltens beinhaltet, dass sich Management und Mitarbeiter im Konsens mit den Sitten und kulturellen Normen des Standortes verhalten (Wahrung der Integrität, Ehrlichkeit, Fairness und Verantwortung). Die Achtung der moralischen Wertevorstellungen soll einen positiven Beitrag über die Einhaltung der nationalen und internationalen Gesetzmäßigkeiten hinaus darstellen. Unter der Achtung der Interessen der Anspruchsgruppen ist z.B. die Bereitstellung umfassender Produktinformationen/ Produktdatenblätter zu verstehen. Jeder Kunde oder andere Interessengruppen wie zum Beispiel Verbraucherverbände können Aufklärung über das Produkt des Unternehmens verlangen. Wer letztlich zu den Anspruchsgruppen gehört, muss jedes Unternehmen für sich selbst festlegen. Die Grundregel der Gesetzestreue ist selbsterklärend. Im Hinblick auf das Compliance- Prinzip sollten sich vor allem Unternehmen, die international vertreten sind, unbedingt rechtzeitig über das nationale Gesetz informieren und sich damit genauestens auseinandersetzen. Unter der Achtung internationaler Verhaltensstandards sind global anerkannte Richtlinien, Normen und Selbstverpflichtungen eines weltweit agierenden Unternehmens zu verstehen. Beispielsweise sind hier der UN Global Compact, die International Labour Standards der ILO, Leitsätze der OECD zu nennen. Darüber hinaus können interne und/ oder externe Audits (z.B. ISO 14000) auch als Instrumente dienen. Mithilfe dieser allgemein anerkannten ethischen Grundsatzregelungen soll versucht werden, die in manchen Ländern nicht gesetzlich kontrollierten Grauzonen (z.B. Umweltschutz, Menschenrechte, Arbeitsrecht) abzudecken. Ziel ist die Vermeidung von Handlungen oder Aktionen, die nicht mit dem Völkerrecht oder den o.g. internationalen Leitsätzen vereinbar sind. Die Achtung der Menschenrechte bildet ein zentrales Prinzip der ISO 26000. Immer mehr Großunternehmen sind in Gebieten mit äußerst schwierigen Menschenrechtssituationen tätig. Hier sieht man eher die einflussreichen Firmen als die nicht immer ethisch handelnden nationalen Regierungen in der Pflicht, die Menschenrechte aktiv durchzusetzen. Dabei kann die Einhaltung der oben erwähnten Leitsätze und Standards unterstützend wirken (Hardtke, A./ Kleinfeld, A., 2010). Wie Abbildung 75 zeigt, werden aufgrund dieser 7 Prinzipien in den zwei Folgeschritten sogenannte Kernthemen identifiziert, welche im Weiteren in Handlungsfelder überführt werden. Insofern ist ISO 26000 keine bloße Beschreibung der relevanten Grundsätze für eine CSR-Orientierung, sondern bietet im höheren Maße als die von Regierungsorganisationen getragenen Ansätze auch einen Rahmen für ein CSR-orientiertes Managementsystem. <?page no="182"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 159 2.3.6 Code of Conduct der Fair Labor Association (FLA) Die Fair Labor Association (FLA) geht auf eine Initiative der US-Regierung unter Präsident Clinton zurück und wurde 1999 von Unternehmern, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Bildungseinrichtungen gegründet. Im Gegensatz zu den bisher genannten Richtlinien stellt der Code of Conduct der FLA eine von privaten Organisationen getragene Initiative dar. Die FLA wurde aufgrund problematischer Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie, insbesondere in einigen asiatischen Ländern, ins Leben gerufen. Die Zielsetzung ist es, die Arbeitsbedingungen in den sogenannten „Sweatshops“ (Ausbeutungsbetriebe) zu überwachen und zu verbessern. Das Missionstatement der FLA zeigt zudem eine Konzentration auf abhängig Beschäftigte: „The mission of the Fair Labor Association (FLA) is to protect workers’ rights and improve working conditions worldwide by promoting adherence to international labor standards“ (FLA, 2011, online). Der „Code of Conduct“ der FLA basiert auf den ILO (International Labour Organization)-Standards und erstreckt sich auf Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Missbrauch, Nichtdiskriminierung, Gesundheit und Sicherheit, Vereinigungsfreiheit, Entlohnung, Arbeitszeiten sowie Überstundenregelungen (FLA, 2011, online). Die Mitgliedsunternehmen gehen eine freiwillige ethische Verpflichtung ein, indem sie entsprechende Überwachungsprozesse einführen und regelmäßig darüber berichten. Bei der Zielerreichung ist die FLA auf die Mitarbeit der Textilien beschaffenden Haushalte und Unternehmen angewiesen, die wiederum einen Druck auf die großen Markenunternehmen ausüben können, indem sie bei der Beschaffung darauf achten, dass die Produkte in Betrieben hergestellt werden, die entsprechend dem Code of Conduct der FLA arbeiten. Eine Zertifizierung solcher produzierenden Betriebe durch die FLA erleichtert ihren Eintritt auf dem internationalen Markt. Die hohen Standards der FLA haben aber auch negative Folgen. Wenn ein Betrieb die Bedingungen nicht erfüllen kann, so droht ein Arbeitsplatzverlust, sobald der Zugang zu internationalen Märkten verwehrt wird. Da die Herstellung in der Textilbranche oftmals in Entwicklungsländern erfolgt, bedeutet dies, dass Menschen in diesen Ländern aufgrund ethischer Standards möglicherweise in die Arbeitslosigkeit gedrängt werden (Thielemann, U./ Ulrich, P., 2009). Dies würde den Vertretern der Shareholder-Schule indirekt Recht geben, da sie eine soziale und ökologische Verantwortung erst nach der Sicherstellung ökonomischer Ziele postulieren. 2.4 Herausforderungen der CSR im internationalen Rahmen Die im vorherigen Abschnitt aufgeführten Richtlinien der Unternehmensverantwortung ließen sich noch in verschiedene Richtungen erweitern, worauf hier aber verzichtet werden soll. Bei einem direkten Vergleich der genannten Richtlinien zeigt sich, dass diese inhaltlich große Überschneidungen aufweisen. Der wesentliche Unterschied in den international akzeptierten Konzepten liegt eher darin begründet, <?page no="183"?> 160 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung von welcher Organisation diese erarbeitet wurden und welchen Ansatz zur Umsetzung diese Organisationen vorschlagen oder unterstützend begleiten. So stellte das Konzept der Brundtland-Kommission zumindest für Europa einen konzeptionellen Meilenstein dar, welcher über das Grünbuch von 2001 und die darauf aufbauenden flankierenden Maßnahmen Eingang in Unternehmenspraxis und Politik gefunden hat. Die OECD-Richtlinien sind sicher im engen Zusammenhang mit diesem Ansatz zu sehen und führten zur Etablierung vielfältiger, von den nationalen Regierungen und der OECD selber getragenen Beratungs- und Förderungsstellen. Der UN Global Compact kann auf die breiteste Basis an teilnehmenden Nationen aufbauen und hat in Kombination mit der hier nicht eingehend besprochenen Global Reporting Initiative (GRI) zu einer hohen Akzeptanz bei wirklich global agierenden Unternehmen geführt. Die GRI wurde 1997 mit dem Ziel gegründet, einen weltweit anerkannten Leitfaden für die freiwillige Berichterstattung über ökonomische, ökologische und soziale Aktivitäten von Organisationen und Unternehmen zu entwickeln. Die Richtlinien der GRI bieten eine umfassende Zusammenstellung von Indikatoren, die die Dimensionen der Unternehmensverantwortung abdecken, wobei eine Kongruenz zum Ansatz der UNGC angestrebt wird. Ein Beispiel für die Berücksichtigung beider Richtlinien bietet der Bericht der BASF SE, welcher parallel zur finanziellen Berichterstattung aufgrund der GRI und des UNGC Rechenschaft ablegt (BASF SE, 2012, online). ISO 26000 bietet einen breiten Ansatz, welcher sich stärker am Einzelunternehmen orientiert, ist aber noch lange nicht so umgesetzt wie die anderen genannten Ansätze. Eine Richtlinie, welche sicher aus diesem Rahmen fällt und daher nur beispielhaft erwähnt wurde, ist der Code of Conduct der FLA. Dieses Konzept hebt sich durch die privatwirtschaftliche Trägerschaft, den Fokus auf eine Stakeholder-Gruppe (Arbeitnehmer) und den Ausgangspunkt in einer bestimmten Branche (Textil) hervor. Es ist aber insofern zukunftsweisend, als hier die Tendenz zur Spezifizierung der Inhalte, zu deren Anpassung an bestimmte Rahmenbedingungen und zur Konzentration auf bestimmte Anspruchsgruppen und Teilprobleme repräsentiert wird. Die Vielfalt des CSR-Konzeptes macht dies unabdingbar, worauf die internationale CSR-Forschung auch reagiert. Palazzo identifiziert aufgrund umfassender Analysen der internationalen Literatur die 10 wichtigsten Schwerpunkte der internationalen CSR-Forschung, welche keinesfalls als erschöpfend anzusehen sind (Palazzo, G., 2009). Die Thematik der internationalen Unternehmensverantwortung nimmt weiterhin an Bedeutung zu. CSR stellt mit Sicherheit ein zentrales Feld der künftigen Forschung zum internationalen Management dar. Viele internationale Konzerne berichten mittlerweile Kennzahlen, welche auf dem Global Compact der UN basieren; in ähnlicher Tiefe wie die finanziellen Informationen. In Abbildung 76 werden die Schwerpunkte der internationalen Forschung dargestellt. <?page no="184"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 161 Abbildung 76: Forschungsschwerpunkte der CSR Quelle: Palazzo, G., 2009 Fallstudie: Corporate Social Responsibility bei Boehringer Ingelheim Corporate Social Responsibility (CSR) bei Boehringer Ingelheim Dr. Michael Siebler, Leiter Firmenarchiv, Boehringer Ingelheim Boehringer Ingelheim ist ein forschungsorientiertes Pharmaunternehmen, das sich seit seiner Gründung im Jahre 1885 in Familienbesitz befindet. Es erforscht, entwickelt, produziert und vertreibt Humanpharmazeutika und Präparate für die Tiergesundheit. Weltweit beschäftigt das Unternehmen mehr als 44.000 Mitarbeiter in 145 verbundenen Unternehmen, die 2011 rund 13,1 Milliarden Euro erlösten. Boehringer Ingelheim betreibt Forschung und Entwicklung (F&E) an weltweit sieben Standorten und unterhält 20 Produktionsstätten in 13 Ländern. Im Jahr 2011 wurden für F&E 23,5 Prozent oder rund 2,5 Milliarden Euro der mit verschreibungspflichtigen Medikamenten erzielten Gesamterlöse aufgewendet. Die unternehmerische Verantwortung bei Boehringer Ingelheim ist fest verankert im Leitbild. Dieses ist Grundlage der gemeinsamen Identität, es ist für alle Mitarbeiter verbindlich und gibt Orientierung bei jeglichen Aktivitäten für das Unternehmen. Zwei Kernaussagen des Leitbildes definieren und charakterisieren dieses Selbstverständnis: <?page no="185"?> 162 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung (1) „Unser Ziel ist es, der Menschheit durch die Erforschung von Krankheiten und die Entwicklung neuer Arzneimittel und Therapien zu dienen.“ (2) „Bei all unseren Aktivitäten schützen wir unsere Mitarbeiter, unsere Einrichtungen und die Umwelt vor schädlichen Einflüssen, erhalten die natürlichen Ressourcen und fördern das Umweltbewusstsein. Mit dem Verfolgen dieser Ziele sind wir zusätzlich bestrebt, in den Ländern und Gemeinschaften, in denen wir geschäftlich aktiv sind, wirtschaftliches und soziales Wohlergehen zu fördern.“ In diesen Aussagen sind grundlegende Aspekte umfassender unternehmerischer Verantwortung enthalten, nämlich: auf Basis einer humanistischen Grundüberzeugung Werte und Verantwortung nach innen und nach außen zu leben sowie soziales Engagement für Mitarbeiter und gleichzeitiges Engagement der Mitarbeiter für andere. Diese in der Praxis gelebte CSR zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte des Unternehmens seit seiner Gründung im Jahre 1885. Ein solches Miteinander und Füreinander ist schon in der Familie des Firmengründers Albert Boehringer erkennbar und unterstreicht, dass CSR bei Boehringer Ingelheim eine Selbstverständlichkeit ist - und damit nachhaltig. Boehringer Ingelheim ist beim Thema CSR also eine treibende Kraft. So unterstützten der ältere Bruder und die Mutter den jungen Firmengründer über Jahre hinweg mit Rat und Tat und finanziellen Mitteln, da unter anderem zahlreiche Investitionen nötig waren und deshalb zunächst keine Gewinne erwirtschaftet werden konnten. Als sich mit der Produktion von Milchsäure in industriellem Maßstab der finanzielle Erfolg einstellte, konnte Albert Boehringer seine Mitarbeiter am Aufschwung teilhaben lassen und ihnen für ihre Treue danken. Bereits 1902 gründete er eine Betriebskrankenkasse, von 1907 an erfolgte der Bau von Häusern und Wohnungen für die Mitarbeiter, 1909 wurde eine finanzielle Unterstützung für alte und gebrechliche Arbeiter eingeführt und von 1910 an gab es bezahlten Urlaub. Eine betriebliche Altersversorgung gibt es seit 1912 und seit 1917 ein tägliches Essen für die Belegschaft; 1918 wurde für Hinterbliebene von Gefallenen die Albert und Helene Boehringer-Stiftung gegründet. Sowohl diese Stiftung als auch andere Einrichtungen bestehen bis heute, sind weiter entwickelt und an die Anforderungen der Gegenwart angepasst worden. In den ersten Jahrzehnten kümmerten sich Albert Boehringer und seine Familie also vor allem um die soziale Absicherung und Unterstützung der Mitarbeiter dort, wo die staatlichen Einrichtungen noch nicht heutigen Standards entsprachen. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Engagement für die Mitarbeiter weiter ausgebaut. Neben den immer stärker vom Sozialstaat geregelten Bereichen begannen Unternehmen und Gesellschafterfamilie, sich nunmehr auf Feldern zu engagieren, die eher gesellschaftspolitisch definiert sind, besonders der Bildung und Kunst. Manche Neuerung entsprang auch den modifizierten Anforderungen in der Welt von heute, neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen oder veränderten gesellschaftlichen Bedürfnissen wie etwa Umweltbewusstsein, Engagement für <?page no="186"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 163 die Schwachen, Behinderten und Kranken der Gesellschaft, Gesundheitsvorsorge, Familie und Beruf oder Bildung. Auf diesen und weiteren Gebieten - internationale Auszeichnungen belegen das - schafft Boehringer Ingelheim durch soziales Engagement Werte für Mitarbeiter und Gesellschaft. Dies sollen einige ausgewählte Beispiele belegen. Der Unterstützung und Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gilt ein besonderes Augenmerk. Das Angebot reicht von der flexiblen Arbeitszeitgestaltung über Serviceleistungen wie Elternzeit, Kinderbetreuung, Kinderkrippen, Mitnahme-Essen aus der Firma oder Wäsche- und Reinigungsservice bis hin zur Unterstützung beim Thema Beruf und Pflege von Angehörigen. Demografischer Wandel und gestiegene Lebenszeiterwartung unterstreichen die Bedeutung der eigenen Gesundheit als das wichtigste Kapital für die persönliche Lebensqualität. Deshalb bietet Boehringer Ingelheim regelmäßig allen Mitarbeitern einen umfassenden Gesundheits-Check-up an. Dabei steht die Beantwortung von vier Fragen im Vordergrund: Wo stehe ich mit meiner Gesundheit zurzeit? Gibt es Risiken, die langfristig meine Gesundheit gefährden? Welche praktikablen Möglichkeiten habe ich, etwas daran zu ändern? Was kann ich noch zur Förderung meiner Gesundheit tun? Ein Bestandteil der Beratung ist auch das Thema Ernährung. Gezielte Angebote im Mitarbeiterrestaurant helfen bei der Umsetzung einer Anpassung der Ernährung. Die Zusammenarbeit mit der akademischen Forschung und das Engagement in Public-Private-Partnership hat bei Boehringer Ingelheim eine lange Tradition. So konnte beispielsweise der Firmengründer Albert Boehringer schon 1903 den Chemiker und Nobelpreisträger Heinrich Wieland für eine Zusammenarbeit gewinnen, die Jahrzehnte währte. Heute unterstützt Boehringer Ingelheim etwa das 1985 gegründete Institut für Molekulare Pathologie in Wien (IMP), ein international als Exzellenzzentrum in Molekularbiologie und Genetik anerkanntes Forschungsinstitut für biomedizinische Grundlagenforschung. 2011 wurde das von der Boehringer Ingelheim Stiftung initiierte und mit 100 Millionen Euro geförderte Institut für Molekulare Biologie in Mainz (IMB) eingeweiht. Eine öffentlich-private Partnerschaft gibt es mit der Hochschule Biberach, wo 2006 der Bachelor- Studiengang Pharmazeutische Biotechnologie eingerichtet wurde; in 2010 folgte eine Kooperation der Hochschule Biberach und der Universität Ulm, die einen gemeinsamen Masterstudiengang Pharmazeutische Biotechnologie anbieten. Die Boehringer-Ingelheim-Stiftungen sind eigenständige und gemeinnützige Organisationen. Ziel dieser Organisationen ist es, durch die Förderung von außerordentlichen wissenschaftlichen Leistungen wichtige Entwicklungen voranzutreiben, welche die Lebensqualität langfristig verbessern können. Die Boehringer Ingelheim Stiftung fördert seit 1977 Exzellenzforschung in Medizin, Biologie, Chemie und Pharmazie, wie etwa das oben erwähnte IMB in Mainz; sie stiftet den <?page no="187"?> 164 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung seit 1964 vergebenen Heinrich-Wieland-Preis und verleiht alljährlich den Boehringer- Ingelheim-Preis für herausragende Leistungen von Nachwuchsforschern der Universitätsmedizin. Seit 1983 fördert der Boehringer-Ingelheim-Fonds biomedizinische Grundlagenforschung und unterstützt vor allem Nachwuchswissenschaftler. Bisher konnten mehr als 1000 Ph. D.-Stipendien vergeben werden. Mehr als 140 Stipendiaten wurden bisher zu Professoren ernannt, vier haben den angesehenen Leibniz-Preis erhalten. Die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften wurde 1956 von den Kindern des Firmengründers ins Leben gerufen. Sie unterstützt heute den wissenschaftlichen Nachwuchs etwa in den Sprach- und Literaturwissenschaften oder der Geschichte und Kunsthistorik vor allem mit Druckkostenzuschüssen für Dissertationen und Habilitationsschriften. Seit mehr als einem halben Jahrhundert bieten die 1959 von der Gesellschafterfamilie gegründeten Internationalen Tage alljährlich mit Ausstellungen Einblicke in Kulturtraditionen anderer Länder, Kunstströmungen oder in das Oeuvre einzelner Künstler. Beide Einrichtungen - die Internationalen Tage und die Stiftung für Geisteswissenschaften - sind Zeugnisse des lebendigen mäzenatischen Geistes der Gesellschafterfamilie, der sich auch in zahlreichen anderen Zuwendungen für die Gesellschaft und ihre Menschen manifestiert. Ein besonderes Engagement ist das Viramune®-Spendenprogramm für die Bekämpfung der verheerenden AIDS-Pandemie, beispielsweise auf dem Gebiet der Verhinderung der Mutter-Kind-Übertragung von HIV/ AIDS. Seit dem Jahr 2000 wurden Medikamente für mehr als 2 Millionen Mutter-Kind-Paare im Rahmen von 171 Programmen in 71 Länder gespendet; dabei wurde großer Wert gelegt auf die Zusammenarbeit mit Regierungen, medizinischen Fachkräften und Organisationen. Außerdem stellt Boehringer Ingelheim Generika-Herstellern, die durch die WHO vorqualifiziert sind, für alle einkommensschwachen Länder und für ganz Afrika sogenannte Non- Assert-Erklärungen aus. Damit ist festgelegt, dass keine Patentansprüche geltend gemacht werden, dass keine Lizenzgebühren anfallen und dass die hohe Qualität der Produkte sichergestellt ist. Diese Regelung gilt für die beiden Wirkstoffe Nevirapin und Tipranavir der beiden AIDS/ HIV-Präparate Viramune® und Aptivus®. Zusätzlich hilft Boehringer Ingelheim in diesen Ländern mit notwendigem Technologietransfer und gezielter Personalentwicklung, etwa durch Ausbildungsförderung von Ärzten. Ein gesellschaftliches und ehrenamtliches Engagement ist - wie schon in den vorherigen Beispielen oben gezeigt - ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur bei Boehringer Ingelheim. Folgerichtig engagieren sich Mitarbeiter weltweit einzeln oder in Gruppen und das Unternehmen als „Good Corporate Citizen“ in vielen Bereichen. Das <?page no="188"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 165 Spektrum reicht von Kinderfürsorge- und Bildungsprogrammen über die Katastrophen- und Nachbarschaftshilfe bis hin zum Umweltschutz. Zum 125jährigen Bestehen hat Boehringer Ingelheim 2010 unter dem Motto „ Making more health“ eine neue Initiative gegründet. Diese Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, Projekte der Corporate Social Responsibility auf eine nachhaltigere Basis zu stellen. Dazu wird Boehringer Ingelheim Partnerschaften mit „ Sozialunternehmern“ eingehen. Ein Sozialunternehmer gründet ein Non-Profit-Unternehmen. Mit diesem Unternehmen verdient er nicht genug, um sich das Startkapital am Kapitalmarkt zu besorgen, aber er wird bei Erfolg genug verdienen, um seine Organisation selbst und das nötige Wachstum zu finanzieren. Damit wird er unabhängig von einer dauerhaften Spendenunterstützung und sichert so die nachhaltige Lösung eines sozialen Problems. Das deutsche Pilotprojekt „discovering hands®“ bildet blinde und sehbehinderte Frauen als Tastexpertinnen zur Brustkrebsfrüherkennung aus. Aufgrund der besseren Tastfähigkeiten der blinden Frauen im Vergleich zu den sehenden Kollegen steigt die Qualität der Vorsorgeuntersuchung. Damit gewinnen die betroffenen Patienten. Zusätzlich können die Belastungen des Gesundheitswesens so stark gesenkt werden, dass die Versicherer ein Interesse haben, diese Serviceleistung zu finanzieren. Die behinderten Personen empfinden sich als Menschen mit einer besonderen Fähigkeit und weniger als Behinderte. Eine solche Serviceleistung löst also ein soziales Problem, wird aber gleichzeitig finanziell genügend honoriert, sodass „discovering hands®“ nicht auf Dauer von einer Unterstützung durch Spender angewiesen ist. Teil der Konzeption ist aber auch, dass sich Mitarbeiter bei der Gründung von Sozialunternehmen wie z.B. „discovering hands®“ unentgeltlich für die Sache einsetzen und damit ihr soziales Engagement dokumentieren. Dies fördert den Aspekt, sich mit berufsrelevanten Themen wie „Gesundheit“ auch aus ganz anderen Blickwinkeln zu beschäftigen. Boehringer Ingelheim gewinnt damit nicht im monetären Sinn, aber geht davon aus, dass das Thema „Mitarbeiterzufriedenheit“ so positiv beeinflusst werden kann. Aufgrund des letzten Aspektes fiel auch die Entscheidung, sich sozial in einem Bereich des Kerngeschäftes zu engagieren, denn hier ist die Fähigkeit, die Unternehmensgründer zu beraten und das bestehende Netzwerk zu ihren Gunsten zu nutzen, am größten. Ähnliche Projekte, die bereits angestoßen wurden, aber auch die ersten internen Erfahrungen zeigen, dass die Akzeptanz bei den eigenen Mitarbeitern hoch ist. Der Erfolg in der öffentlichen Wahrnehmung wird darin liegen, zu zeigen, dass die Unternehmen soziales Engagement nicht als Feigenblatt-Engagement betreiben bzw. diese Projekte nutzen, um primär ihr Kerngeschäft zu stärken. Vielmehr kann erfolgreich kommuniziert werden, dass mit einer Kombination aus der Entwicklung von onkologischen Produkten (Kerngeschäft) und sozialem Engagement in Bereichen, die der Kapitalmarkt nicht finanzieren kann (z.B. in der Brustkrebsfrüherkennung), alle Beteiligten zu den Gewinnern gehören. <?page no="189"?> 166 • Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung Fragen zur Fallstudie (1) Kann ein Unternehmen kurzfristig CSR-Programme entwickeln, die wirklich nachhaltig sind? (2) Ist es sinnvoll, den Schwerpunkt von CSR-Aktivitäten auf Themenbereiche zu konzentrieren, die sich aus dem Kerngeschäft im eigenen Unternehmen ergeben oder ableiten lassen? (3) Welche Faktoren bedingen die Glaubwürdigkeit von CSR eines Unternehmens bei den Mitarbeitern und in der Öffentlichkeit? Informationen www.boehringer-ingelheim.de, www.boehringer-ingelheim.com www.boehringer-ingelheim-stiftung.de, www.bifonds.de www.imp.ac.at, www.imb-mainz.de www.germany.ashoka.org Literaturempfehlungen Basisliteratur Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012: International Business: The New Realities, 2. Aufl., Boston [u.a.], [Kapitel 4: „The Cultural Environment of International Business“, S. 122-153; Kapitel 5: „Ethics and International Business“, S. 154-175]. Hill, C., 2010: International Business: Competing in the Global Marketplace, 8., internationale Aufl., New York, [Kapitel 3: „Differences in Culture“, S. 86-121; Kapitel 4: „Ethics in International Business“, S. 122-156]. Kutschker, M./ Schmid, S., 2011: Internationales Management, 7. Aufl., München 2011, [Kapitel 5: „Kultur in der internationalen Unternehmung“, S. 671-811]. Lasserre, P., 2007: Global Strategic Management, 2. Aufl., Houndmills [u.a.], [Kapitel 11: „ Cross-Cultural Management“, S. 301-322; Kapitel 15: „The Social Responsibility of the Global Firm“, S. 401-426]. Vertiefungsliteratur Crane, A./ McWilliams, A./ Matten, D./ Moon, J./ Siegel, D., 2008: The Oxford Handbook of Corporate Social Responsibility, Oxford University Press, New York 2008 [Kapitel 6: „Corporate Social Responsibility in Global Context”, S. 413-499]. Hofstede, G./ Hofstede, G.J./ Minkov, M., 2010: Cultures and organizations. Software of the mind: International cooperation and its importance for survival. 3. Aufl. McGraw-Hill: New York. <?page no="190"?> Kapitel III: Kultur und Unternehmensverantwortung • 167 McFarlin, D.B./ Sweeney, P.D., 2011: International Management: Strategic Opportunities and Cultural Challenges, 4. Aufl., Routledge: New York. Seidel, P., 2011: Internationale Unternehmen, Gesellschaft und Verantwortung, Wiesbaden. Trompenaars, F./ Hampden-Turner, C., 2012: Riding the waves of culture. Understanding diversity in global business. 3. Aufl. Nicholas Brealey: London. <?page no="192"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld <?page no="193"?> 170 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Standpunkt: Merck Merck Merck ist ein weltweit tätiges Pharma-, Chemie- und Life- Science-Unternehmen und erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2011 Gesamterlöse in Höhe von 10,3 Milliarden Euro. Die Merck-Aktie ist im DAX notiert. www.merckgroup.com Karl-Ludwig Kley, Vorsitzender der Geschäftsleitung Karl-Ludwig Kley ist seit 2007 Vorsitzender der Geschäftsleitung von Merck. Zuvor war er Mitglied des Vorstandes und Chief Financial Officer der Lufthansa und davor in verschiedenen leitenden Positionen für Bayer tätig. 1. Sind Analysen bezüglich Wertschöpfungskette, Umfeld, Wettbewerb und Branche notwendig oder ist die Erfahrung des Managements hinreichend, um erfolgreiche internationale Strategien zu entwickeln? Beides ist unverzichtbar. Am Anfang jeder Internationalisierungsstrategie muss eine umfassende Analyse stehen. Im Fokus sollten dabei nicht nur die aktuellen Gegebenheiten in einzelnen Regionen liegen, sondern auch Prognosen für die künftige Entwicklung. Allerdings sind auch die besten Analysen nur von begrenztem Wert, wenn sie nicht von einem erfahrenen, international versierten und vernetzten Management richtig interpretiert und umgesetzt werden. Denn keine Analyse kann die Wirklichkeit zu 100 Prozent abbilden. Außerdem haben wir gerade in den vergangenen Jahren eine Zunahme der Veränderungsgeschwindigkeit und eine Erhöhung der Volatilität erlebt. Da finden dann auch die besten Analysen ihre natürlichen Grenzen. Es bleibt daher immer ein beträchtlicher Rest, der durch Kompetenz, Erfahrung, kulturelles Verständnis und unternehmerischen Geist der Verantwortlichen gefüllt werden muss. 2. Welche Rolle spielt Größe im Pharma und Chemiegeschäft und inwiefern spielt dies eine Rolle in der internationalen Strategie von Merck? Zunächst: Der Größenbegriff wird oft unbestimmt verwendet. Ist z.B. der Jahresumsatz die relevante Messgröße oder sind es Mitarbeiterzahl oder Marktkapitalisierung? Gemessen am Börsenwert war mancher New-Economy-Startup zeitweise größer als etablierte Industrieunternehmen mit zehntausenden Mitarbeitern. „Größer“ muss also nicht zwangsläufig „bedeutender“ implizieren. Davon abgesehen ist Größe an sich kein Erfolgswert. World- Com war eine der größten Telefongesellschaften der Welt und ging dennoch in die Insolvenz. Ob ein Unternehmen langfristig erfolgreich ist, darüber entscheidet ein vielschichti- <?page no="194"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 171 ges Faktorengeflecht - beginnend mit der Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter über die Wettbewerbsfähigkeit der Produkte bis hin zur Solidität der Finanzierungsstruktur. Das gilt für Pharma und Chemie wie für jede andere Branche. Größe spielt allerdings dann eine Rolle, wenn man kritische Masse benötigt, etwa bei Investitionen in komplexe Produktionsanlagen oder bei der Entwicklung von Arzneimitteln. So kostet die Entwicklung, Zulassung und Markteinführung eines einzigen Medikaments mit neuem Wirkstoff rund 1 Milliarde Euro. Wir bei Merck haben die notwendige Größe für solche Entwicklungsanstrengungen; Größe als solche ist aber kein Unternehmensziel. Wir setzen stattdessen auf innovative Produkte, mit denen wir weltweit in Spezialmärkten führend sind: bei Pharma mit Biopharmazeutika, bei Chemie etwa mit High-Tech-Flüssigkristallen für Flachbildschirme oder bei Life Science mit Laborwassersystemen. 3. Verfolgt Merck auch Diversifikationsstrategien (Erschließung neuer Märkte und neuer Produktfelder) im Rahmen der Gesamtunternehmens- und Geschäftsbereichsstrategien? Ja - wir treiben zum Einen den Ausbau unserer Geschäfte in neuen Märkten oder in Märkten voran, in denen wir heute noch nicht optimal aufgestellt sind. Zum Anderen sind wir ein stark innovationsgetriebenes Unternehmen und setzen auf die Entwicklung neuer Produkte. Ein Beispiel für regionale Diversifikation sind die USA: Hier war Merck noch vor wenigen Jahren kaum präsent. Durch die Übernahme von Serono im Jahr 2007 haben wir zunächst unsere Marktposition bei Pharma deutlich gestärkt. Mit der 2010 durchgeführten Akquisition von Millipore mit Sitz in Boston sind wir nicht nur zu einem weltweit führenden Anbieter im Life-Science-Bereich geworden, sondern konnten zugleich auch unsere US-Präsenz in diesem Geschäft auf einen Schlag signifikant verbessern. Ein Beispiel für Produktdiversifikation sind Flüssigkristalle: Was als Nischenprodukt für Anzeigen von Taschenrechnern oder Armbanduhren begann, ist heute die Grundvoraussetzung für Tablet-PCs, Smartphones und Flachbildschirme aller Art. Die Flüssigkristalle sind damit zu einem zentralen Umsatztreiber für Merck avanciert. Und heute betreiben wir Forschung, um neue Anwendungsgebiete für diese Materialien zu identifizieren, etwa für die Beleuchtungsindustrie. 4. Ist der Mix von Pharma und Chemie wichtig für den Erfolg von Merck? Merck gibt es seit 1668. Es ist damit das älteste Pharma- und Chemieunternehmen der Welt, an dem die Gründerfamilie noch immer einen Anteil von rund 70 Prozent hält. Die Perspektive von Merck ist deshalb eine andere als bei anderen Unternehmen: Langfristiger Erfolg hat bei uns Vorrang gegenüber kurzfristigen Strohfeuer-Effekten. Merck denkt in Generationen, nicht nur in Quartalen. Und: Merck lernt stark aus Erfahrungen der Vergangenheit. Deshalb setzen wir nicht alles auf eine Karte. Die Diversifikation in verschiedene Geschäfte ermöglicht uns den besseren Ausgleich von Chancen und Risiken. Das ist sicherlich nicht für alle Unternehmen der richtige Weg, es ist aber gut für Merck. <?page no="195"?> 172 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld 5. Welche Bedeutung haben kulturelle Unterschiede bei der Umsetzung einer globalen Strategie? Internationalisierungsstrategien nach dem Motto „one size fits all“ bringen immer die Gefahr mit sich, kulturelle Unterschiede zu ignorieren. Produkte und Strukturen, die an solchen Besonderheiten vorbeigehen, gefährden den Geschäftserfolg. Unternehmen sind deshalb gut beraten, diese Besonderheiten bei der Formulierung und Umsetzung ihrer Strategien zu berücksichtigen. Und das auf mehreren Ebenen: Im Umgang mit Kunden und Zulieferern ebenso wie mit Blick auf die eigenen Mitarbeiter. Die Berücksichtigung kultureller Unterschiede sollte dabei nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden: Eine klare, global gültige Markenidentität ist ebenso unverzichtbar wie ein fester Kern von Werten, der das unternehmerische Handeln leitet. Wir bei Merck fühlen uns unseren sechs Werten Mut, Leistung, Verantwortung, Respekt, Integrität und Transparenz verpflichtet. Diese Werte sind in Deutschland entstanden und gelten für die gesamte Merck-Welt. Allerdings werden sie im jeweiligen kulturellen Kontext unterschiedlich interpretiert und gelebt. Eine so verstandene Unternehmenskultur nutzt das Potenzial kultureller Diversität, ohne die Identität des Unternehmens zu verwässern. <?page no="196"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 173 Strategieentwicklung im internationalen Umfeld 1 Internationale Aspekte des Strategieprozesses Strategisches Management ist ein komplexes und vielgestaltiges Feld der Betriebswirtschaftslehre. Neben der Definition einzelner Entscheidungsfelder der Strategie und der Charakterisierung von Lösungsansätzen für diese Bereiche hat insbesondere die prozessorientierte Strukturierung der strategischen Entscheidungen an Bedeutung gewonnen (Rothaermel, F.T., 2011; Lynch, R., 2011; Lombriser, R./ Abplanalp, P.A., 2010). Entsprechend dem grundlegenden Ansatz dieses Buches (Perlitz, M., 1985; Schrank, R., 2008b) wird diese Prozesssichtweise auch hier angewandt. Der Strategieprozess soll hierbei unter besonderer Berücksichtigung der internationalen Aspekte beleuchtet und gegebenenfalls erweitert werden. In der Literatur und in der Unternehmenspraxis sind eine Vielzahl von Konzepten entwickelt worden, die sich mit der Formulierung allgemeiner Unternehmensstrategien befassen (Grant, R.M., 2011; Lynch, R., 2011; Welge/ Al-Laham, A., 2010; Lombriser, R./ Abplanalp, P.A., 2010; Johnson, G./ Scholes, K./ Whittington, R., 2011). Mit diesen Konzepten, die auf einer Kombination von Marktmerkmalen und möglichen Wettbewerbsvorteilen basieren, versucht man, typische strategische Grundmuster zu entwickeln, die eine Einteilung von unterschiedlichen strategischen Denkansätzen in bestimmte Kategorien ermöglichen sollen. Sie beschäftigen sich hauptsächlich mit der Frage, welche Wettbewerbsvorteile für Unternehmen gegeben sein müssen, analysieren jedoch weniger, wie diese gerade im internationalen Umfeld zustande kommen. In der Folge werden daher entlang des Strategieprozesses Besonderheiten des internationalen Umfeldes aufgegriffen und erläutert. Komplexität Höhere Komplexität des Umfeldes durch unterschiedliche und sehr heterogene nationale Umweltgegebenheiten Risiko Erhöhte geschäftliche, finanzielle, politisch-rechtliche sowie kulturelle Risiken (Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2011) erfordern einen anderen Umgang mit Unsicherheiten im strategischen Umfeld Hohe Investitionen Die Aufnahme und Verfolgung internationaler Aktivitäten ist gemeinhin mit einer erheblichen zusätzlichen Kapitalbindung verbunden. Dieses „Money at Risk“ verlangt den gezielten Einsatz der Kapitalressourcen. <?page no="197"?> 174 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Erzielung größerer Skaleneffekte Die Ausweitung der Volumina von Absatz und Umsatz und die damit angestrebte Wachstumssteigerung bei Ausschöpfung der Kostensenkungspotenziale sind eine zentrale Motivation für die Internationalisierung. Volkswirtschaftliche Einflüsse Natürlich bleibt die Unternehmung auch im nationalen Umfeld nicht unberührt von wirtschaftspolitischen und konjunkturellen Einflüssen; diese werden im globalen Umfeld vielfältiger und sind schwerer beherrschbar. Erweiterte Ressourcenbasis und intensivierter Wettbewerb Der erweiterte Zugriff auf Wissens-, Rohstoff- und Finanzressourcen, welche im nationalen Umfeld nur bedingt vorhanden sind, eröffnet der Unternehmensführung neue Chancen, führt aber auch zu einem verschärften Wettbewerb durch Firmen, welche diese Ressourcen durch ihren nationalen Hintergrund besser nutzen können. Aufgrund dieser und anderer Unterschiede zum nationalen Strategieentwicklungsprozess wird im Folgenden insbesondere auf internationale Modifikationen und Erweiterungen von Instrumenten und Vorgehensweisen der Strategieentwicklung eingegangen. Hierzu findet ein Modell Anwendung, welches den Strategieprozess in grafischer Analogie zu einer Sanduhr in 12 Abschnitte unterteilt (Schrank, R., 2008). Im Folgenden wird auf die 12 Schritte des Sanduhr-Prozesses eingegangen, wobei die internationale Dimension der Umsetzung des jeweiligen Schrittes eine zentrale Rolle einnimmt. 2 Ablauf des Strategieprozesses Strategieprozesse können nach unterschiedlichen Mustern ablaufen. Die in der Literatur diskutierten Schemata weisen jedoch von den Inhalten und der Anordnung der Schritte auch weitgehende Überschneidungen auf (Grant, R.M., 2012; Lombriser, R./ Abplanalp, P.A., 2010; Lynch, R., 2011; Johnson, G./ Scholes, K./ Whittington, R., 2011). Das hier verwendete Sanduhr-Modell (Schrank, R., 2008) wird in Abbildung 77 grafisch dargestellt. Die Analogie zur Sanduhr symbolisiert die Verdichtung der Informationen im Zusammenhang mit der Informationssammlung und Analyse („Upstream“), welche nach der Strategieentscheidung (Mitte der Sanduhr) im Rahmen der Bewertung, Implementierung und Steuerung wieder in die Breite der Organisation getragen werden („Downstream“). Durch diesen optischen Aufbau wird die Navigation innerhalb des Prozesses unter Rückgriff auf klassische Instrumente und Methoden erleichtert. Zudem betont die Sanduhr den Charakter der Strategieentwicklung als sich wiederholendem Zyklus. Die <?page no="198"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 175 einzelnen Schritte enthalten zahlreiche Rückkopplungen und Querverbindungen, müssen aber andererseits in regelmäßigen Abständen erneut durchlaufen werden. Abbildung 77: Sanduhrmodell der Strategieentwicklung Quelle: Schrank, R., 2008 Der Prozess ist neben dem Upstream und dem Downstream in sechs Hauptphasen von I bis VI eingeteilt, welche zwölf symmetrisch angeordnete Schritte (I.a-VI.c) aufzeigen. Bevor strategische Analysen durchgeführt werden, gilt es, in Phase I („Status quo“) zunächst einige normative und informationelle Grundlagen zu legen, welche die späteren Phasen des Prozesses kanalisieren und unterstützen sollen. Hierzu zählt die Einteilung strategischer Geschäftsfelder genauso wie die Erstellung einer Informationsbasis und die Festlegung grundlegender Ziele und der Mission und Vision des Unternehmens. Im Kontext der Phase II („Analyse“) wird klassisch zwischen der internen und der externen Analyse unterschieden. Hierbei werden im Rahmen der internen Analyse (II.a) durch Nutzung verschiedener strategischer Instrumente Stärken und Schwächen herausgearbeitet, wohingegen die externe Analyse (II.b) nach außen blickend Chancen und Risiken des internationalen Umfeldes identifiziert. Die sich aus der internen und externen Analyse ergebenden Ergebnisse werden schließlich in Phase III („Zusammenfassende Analyse“) gebündelt, um durch fokussierte Informationen die Entscheidungsfindung zu ermöglichen. Gerade im internationalen Umfeld bieten erweiterte Portfolio- und SWOT-Analysen die Möglichkeit, die erhebliche Komplexität adäquat abzubilden. Die zusammenfassende Analyse befindet sich bildlich an der engsten Stelle der Sanduhr, da hier alle Daten in komprimierter Weise zusammengeführt werden. <?page no="199"?> 176 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Diese Konzentration auf Kerninhalte und die sich daraus ergebenden strategischen Kernfragen setzt sich in der Phase IV („Strategieformulierung“) fort. An dieser entscheidenden Stelle des Prozesses muss eine Konzentration auf die wichtigsten strategischen Entscheidungen stattfinden, ohne dass dabei die Vielgestaltigkeit einer Strategie vernachlässigt wird. Hier zwischen Dimensionen wie der regionalen Ausrichtung, der Innovationsorientierung, der Wettbewerbsposition und anderen sinnvoll abzuwägen, stellt eine zentrale Herausforderung der internationalen Strategiefindung dar. Die als Ergebnis formulierten Strategieoptionen werden in Phase V („Bewertung“) einer Überprüfung aus finanzieller (V.a) und strategischer (V.b) Sicht unterzogen. Auch an dieser Stelle ergeben sich insbesondere durch das international erhöhte Risiko andere methodische Herausforderungen an dessen Quantifizierung. Die letzte Phase VI („Implementierung und Steuerung“) führt visuell wieder in die Breite. Die internationale Strategie muss hier heruntergebrochen und umsetzbar gemacht werden, wozu die Schritte VI.a und VI.b den klassischen Implementierungsplan im Sinne eines Ablaufschemas sowie kennzahlenbasierte Steuerungssysteme im Sinne einer Balanced Scorecard verwenden. Diese beiden eher formal-quantitativen Umsetzungsinstrumente müssen jedoch durch ein begleitendes Change Management ermöglicht werden, welches sich in Schritt VI.c anschließt und das Leben der formulierten Strategie erst möglich macht. Im Folgenden werden die Schritte des Sanduhr-Prozesses im Einzelnen auf das internationale Umfeld übertragen. Hierzu werden in den einzelnen Bereichen ausgewählte Konzepte der Strategieentwicklung auf das internationale Umfeld übertragen, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit des Strategieprozesses zu erheben. 3 Status quo: Definition der Ausgangsbasis Den Anfang des Strategieentwicklungsprozesses stellt der Status quo als Datenbasis zur Informationsgewinnung dar. Zusammengesetzt aus den drei Teilbereichen Geschäftsfelder, Faktenbasis und normative Richtlinien, bündelt er alle für die Strategieentwicklung relevanten Daten. 3.1 Strategische Geschäftsfelder Die Bildung strategischer Geschäftsfelder stellt eine zentrale strategische Entscheidung des Unternehmens dar, welche durch den Grad der Internationalisierung wesentlich beeinflusst wird. Mit zunehmender internationaler Aktivität rücken regionale Abgrenzungen in den Vordergrund, wie dies das Beispiel Coca-Cola zeigt: „As a company whose success rests on its ability to connect with local consumers, it makes sense for The Coca-Cola Company to be organized into a regional structure which combines centralization and localiza- <?page no="200"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 177 tion. The Company operates six geographic operating segments - also called Strategic Business Units (SBUs) - as well as the corporate (Head Office) segment (Coca-Cola, 2011). Konzept und Vorgehen bei der Einteilung von Geschäftsfeldern werden im Folgenden erläutert. Strategische Geschäftsfelder sind durch das Unternehmen selbst definierte Planungs- und Analyseeinheiten, die einen Markt oder Teilmarkt darstellen, in dem ein Unternehmen bereits aktiv ist oder erwägt, dies zu tun. Er zeichnet sich durch eigene Wachstums- und Erfolgsaussichten, zukünftige Chancen und Risiken sowie Erfolgsfaktoren (z.B. organisatorische Fähigkeiten, Investitionsintensität) aus. Diese Unterschiede machen eine eigene strategische Ausrichtung des jeweiligen Geschäftsfeldes unabdingbar. Durch die Ähnlichkeit der Märkte innerhalb des Geschäftsfeldes ist es aber möglich, ein Geschäftsfeld einheitlich zu steuern (Hungenberg, H., 2010; Lombriser, R./ Abplanalp, P.A., 2010), woraus auch die Bezeichnung von „Unternehmen im Unternehmen“ resultiert (Rugman, A.M./ Collinson, S., 2009). Im internationalen Umfeld ergeben sich insbesondere bei der Wahl der Einteilungsdimensionen von Geschäftsfeldern spezifische Probleme. Strategische Geschäftsfelder lassen sich nach Produkten, Märkten, Funktionen, Technologien, aber eben auch nach Regionen, Ländern und anderen Dimensionen aufteilen, wobei je nach der verwendeten Methode mehrere Kriterien betrachtet werden können (Paul, H./ Wollny, V., 2011). Um dieser Komplexität zu begegnen, werden häufig Matrix- oder Tensordarstellungen gewählt, welche dabei helfen, sinnvolle Kombinationen zur Bildung von Geschäftsfeldern zu identifizieren. Etablierte Konzepte umfassen z.B. die Produkt-Markt- oder auch Marktleistungs- Marktsegmente-Matrix (Gausemeier, J./ Plass, C./ Wenzelmann, C., 2009) oder das Abnehmer- Funktions-Technologie-Konzept, welches drei Dimensionen betrachtet (Aumayr, K.J., 2009). Das Prinzip der Gegenüberstellung der Dimensionen zur Ermittlung möglicher Kombinationen zur Definition von Geschäftsfeldern ist jedoch sowohl den zweidimensionalen (Matrix) als auch den drei- oder mehrdimensionalen Ansätzen (Tensor) gemeinsam. Da beide Konzepte, genau wie die Mehrzahl der anderen in der Literatur diskutierten Kombinationen, die internationale Komponente nicht explizit berücksichtigen, zeigt Abbildung 78 eine zweistufige Tensor-Darstellung mit regionaler Komponente. <?page no="201"?> 178 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Abbildung 78: Die regionale Dimension in einer zweitstufigen Tensor-Darstellung zur Geschäftsfelddefinition Während die Vertikale und die Horizontale in dieser Darstellung Produkte und Kundengruppen darstellen, wird in der Tiefe des Würfels die regionale Dimension abgetragen. Was hier als eine Dimension erscheint, ist in der Unternehmenspraxis oft ein Problem mit mehreren Ebenen. Die hier beispielhaft blau markierte regionale Einteilung beginnt auf der Ebene von Ländern, welche jedoch im Weiteren zu strategisch oder regional sinnvollen Bündeln zusammengefasst werden. So kann es sinnvoll sein, die geografische Region Nordamerika lediglich in zwei Länder, hier Kanada und die USA, aufzugliedern, wenn dies die einzigen Märkte von strategischem Interesse sind. Genauso denkbar sind jedoch auch mehrstufige Einteilungen, bei denen Regionen zu Subregionen mit eigener strategischer Orientierung zusammengefasst werden, wie z.B. West- und Osteuropa, die je nach Herkunft und Ausrichtung des Unternehmens völlig unterschiedliche Rollen innehaben können - auch bei identischem Produktprogramm. Schließlich kann auch ein einzelnes Land zum Kernmarkt erklärt werden und mit einer besonderen Rolle aus der Region herausgenommen werden, weil bspw. die Marktgröße oder das Marktpotenzial dominant sind. Das Gleiche kann für sogenannte „lead countries“ gelten, die aus anderen strategischen oder Know-how-basierten Gründen eine Sonderrolle einnehmen. Eine strategisch sinnvolle Einteilung erfordert, dass die regionale Abgrenzung nicht zu eng oder zu weit gefasst ist (Ahlstrom, D./ Burton, G.D., 2010), da sonst entweder zu gleichförmige Strategien Anwendung finden werden oder im anderen Fall die regionale Zergliederung zu einer „unstrategischen“ Anpassung an den jeweiligen Heimatmarkt führt. <?page no="202"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 179 Die Ermittlung der Regionalhierarchie muss insofern einem rationalen, an den internationalen Gegebenheiten ausgerichteten Prozess folgen. Hierzu werden zunächst alle Länder, in welchen ein Unternehmen tätig ist oder tätig zu werden erwägt, identifiziert und gegebenenfalls zu Regionen und Subregionen zusammengefasst. Die Zusammenfassung sollte so erfolgen, dass die regionalen Einheiten sich aus marktseitiger, technologischer, politischrechtlicher und sozio-kultureller Sicht möglichst stark gleichen, da zu heterogene Umweltgegebenheiten innerhalb einer Region oder eines Geschäftsfeldes eine Entwicklung konsistenter Strategien nicht ermöglichen (Lynch, R., 2011). Eine regionale Einteilung könnte die Unterscheidung nach Schwellen- und Entwicklungsländern sein, wobei hierbei der Entwicklungsstand als einzige Variable herangezogen wird (Cullen, J.B./ Parboteeah, K.P., 2010). In vielen Fällen wird diese Einteilung aufgrund geografischer Unterschiede aber auch an ihre Grenzen stoßen. Abbildung 79 zeigt ein Beispiel für eine geografische Hierarchie strategischer Geschäftsfelder. Abbildung 79: Geografische Hierarchie zur Ermittlung regionaler Geschäftsfelder In dem dargestellten Fall wurden Einteilungen nach allgemeingültigen geografischen Abgrenzungen, aber auch nach strategischen Überlegungen vorgenommen. So nimmt Frankreich im vorliegenden Falle eine besondere Rolle als Kernmarkt ein, weil das Marktvolumen in diesem Markt eine eigenständige Strategie rechtfertigt. Eine solche Rolle kann sich zum Beispiel im Agrarbereich ergeben, da Frankreich mit einer Kombination aus hohem Ausbildungsniveau, relativ hohem Automatisierungsgrad und intensiver Bewirtschaftung den zentralen Absatzmarkt in Westeuropa darstellt. Oft resultiert eine solche Stellung aber auch aus historischen Gegebenheiten wie der Rolle als Heimatmarkt. Ähnliches gilt häufig für die USA, die sich allein aufgrund ihrer Marktgröße als Ankermarkt in der NAFTA- <?page no="203"?> 180 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Region anbieten. Anders als Frankreich innerhalb von Europa ist jedoch die Rolle der USA als Ankermarkt der Region mit einer Führungsrolle in der Strategie der Region verbunden. In Südamerika zeigt sich eine weitere Variante: Während der Teilkontinent an sich einen Zukunftsmarkt darstellt, in dem noch keine Geschäftstätigkeit vorliegt, wird Brasilien als momentaner „Brückenkopf“ für Aktivitäten in Lateinamerika von der US-amerikanischen Tochtergesellschaft bearbeitet. Westeuropa außerhalb von Frankreich hingegen wird als klassische Region geführt. Um der Globalisierung des Wettbewerbs Rechnung zu tragen, kann auch eine übergeordnete und regional alles umfassende Hierarchiestufe auf Konzernebene etabliert werden (Backhaus, K./ Schneider, H., 2009; Backhaus, K./ Büschken, J./ Voeth, M., 2003). Die Relevanz der regionalen Einteilung lässt sich durch ein weiteres Zitat aus dem Bericht von Coca-Cola belegen: „Our operating segments are primarily based on geographic responsibility, which is consistent with the way management runs our business. Our operating segments are subdivided into smaller geographic regions or territories that we sometimes refer to as ‚business units.’ These business units are also our reporting units. (Coca-Cola, 2011) We are a global business that operates on a local scale in every community where we do business. We create global reach with local focus because of the strength of the Coca-Cola system, which comprises our Company and our bottling partners - more than 300 worldwide. Our business operations are divided into the following geographies: Eurasia and Africa, Europe, Latin America, North America and Pacific, as well as our Bottling Investments Group.“ (Coca- Cola, 2011) Neben der erneuten Betonung der regionalen Abgrenzung lassen sich zwei Besonderheiten festhalten: Die Einbeziehung der - eigentlich externen - Partner im Abfüllgeschäft und die Bildung eines globalen Geschäftsfeldes „Bottling Investment“ im selben Segment. Beides weist darauf hin, dass die regionale Einteilung auch in so einem regional organisierten Geschäft wie dem von Coca-Cola die Berücksichtigung weiterer Dimensionen erfordert. Neben der Abgrenzung und anschließenden Hierarchisierung der regionalen Märkte muss die Komplexität bewältigt werden, welche durch den Abgleich mit der Produkt- und der Kundendimension entsteht. Der dargestellte dreidimensionale Tensor sprengt in der Praxis häufig die Grenzen der Komplexität und sollte durch ein schrittweises Vorgehen ermittelt werden, welches in Abbildung 80 dargestellt wird. <?page no="204"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 181 Abbildung 80: Mehrstufiges Vorgehen zur Kombination geografischer, kundenbezogener und produktbezogener Geschäftsfelder Hierbei wird zunächst von der häufig verwendeten Produkt-Kunden- oder auch Marktleistungs-Marktsegmente-Matrix ausgegangen. Der erste Schritt stellt also die Ermittlung international möglichst weitgehend einsatzbarer Produkt- und Kundengruppen dar. Im zweiten Schritt werden die in dieser Matrix bestehenden Produkt-Kunden-Kombinationen auf Basis der bereits lokalisierten strategischen Regionalhierarchie auf jeder Ebene (Welt, Regionen, Länder) und für jedes einzelne regionale Geschäftsfeld ermittelt. Neben dem Endziel der Abgrenzung von Geschäftsfeldern lässt sich hierdurch auch Heterogenität bzw. die mögliche Homogenität der globalen Märkte visuell darstellen. Je nach Regionen- oder Länderstruktur existieren oft nicht alle Produkt-Kunden-Kombinationen der Konzernebene auch in den Regionen. Aufgrund der individuellen Ausrichtung einzelner Länder kann ein Land ein vom Konzern stark abweichendes Portfolio vermarkten und trotzdem eine relevante und profitable Rolle im Konzern spielen. So lassen sich im Pharmabereich oft Produkte nicht global vermarkten, weil die Zulassungssituation in verschiedenen Ländern nur unterschiedliche Strategien zulässt. Der erfolgreiche Diabetes- Wirkstoff Metformin der Firma Merck wurde z.B. lange in einigen Ländern als generisches Produkt, in anderen als patentgeschütztes Produkt und in dritten Ländern gar nicht selber vertrieben, obwohl er über lange Jahre der zentrale Ertragsträger der Pharmasparte war. Das Land Spanien spielte im selben Zeitraum trotz eines stark abweichenden Portfolios eine wichtige Rolle im strategischen Gesamtkonzept. Im dritten Schritt schließlich gilt es, über die regionale Dimension eine Produkt-Kunden- Kombination zu legen, welche die globale Koordination der Regionen ermöglicht. Es muss hier eine Balance zwischen regionaler Anpassung und globaler Koordination gefunden werden, welche sich nur schwer systematisieren lässt. Im Ergebnis können solche Misch- <?page no="205"?> 182 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld lösungen wie die von Coca-Cola entstehen. Eine bestimmte Reihenfolge der Analyse ist hingegen notwendig, da eine Geschäftsfeld-Abgrenzung in allen Dimensionen sonst nahezu unmöglich ist (Meffert, H./ Burmann, C./ Kirchgeorg, M., 2011; Hinterhuber, H.H./ Handlbauer, G./ Matzler, K., 2003). 3.2 Faktenbasis Die internationale Unternehmenstätigkeit unterscheidet sich auch durch die Notwendigkeit der Ermittlung einer wesentlich erweiterten Menge einzubeziehender Informationen vom rein nationalen Wettbewerb (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011). In Abgrenzung zu Einschätzungen, Meinungen und normativen Aussagen wie Zielen werden diese hier als Faktenbasis („Fact Base“) für die internationale Unternehmensstrategie bezeichnet. Internationale Informationsrecherche Die Ermittlung der relevanten Daten stellt im internationalen Umfeld natürlich eine besondere Herausforderung dar, da die Informationsrecherche mit zahlreichen Hürden verbunden ist, welche im nationalen Umfeld nicht im selben Maße vorhanden sind. Solche Hürden sind unter anderem: sprachliche Hürden, insbesondere durch hinzukommende Barrieren bei der Schriftsprache bspw. in asiatischen, arabischen oder osteuropäischen Ländern. die Existenz unterschiedlicher Datendefinitionen und Abgrenzungen aufgrund technischer (z.B. DIN-Normen) oder wirtschaftlicher (z.B. Rechnungslegungsdaten) Standards. unterschiedliche rechtliche Gegebenheiten, welche die Verfügbarkeit von Daten beeinflussen. den politischen Einfluss, welchen Regierungen gerade in nichtdemokratischen Staaten auf die Verbreitung von bestimmten Informationen ausüben. die stark schwankende Zuverlässigkeit von Daten, selbst wenn diese vom Grundsatz her verfügbar sind. die mangelnde Aggregierbarkeit von Informationen aus unterschiedlichen nationalen Quellen. die erheblichen Kosten der Datenbeschaffung und das unabdingbare spezifische Know-how zu ihrer Erhebung. Diese Liste ließe sich sicher noch fortsetzen. Die Sicherstellung der Verfügbarkeit einer internationalen Faktenbasis ist somit im Vergleich zur rein nationalen Sicht deutlich aufwändiger. Der sich stetig verbessernde Zugang zu Daten über elektronische Medien kann die genannten Probleme bei der Verarbeitung und Interpretation aber nur teilweise lösen. Dies zeigt sich u.a. auch in der Fallstudie der Firma MAN in Kapitel I dieses Buches, <?page no="206"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 183 welche die Probleme bei der Erhebung und Interpretation solcher Daten am Beispiel des chinesischen Marktes verdeutlicht. Zwar steigt die Verfügbarkeit professionell erstellter Quellen von spezialisierten Unternehmen, die eine globale Abdeckung zum Ziel haben, jedoch leidet in der Regel die Datenqualität aufgrund der nötigen Vereinheitlichung bei der Aggregation von Quellen verschiedener internationaler Herkunft. Eine ständige Abwägung zwischen Detailtiefe auf der einen Seite und Aufwand der Datensuche auf der anderen Seite lässt sich daher im internationalen Umfeld nicht vermeiden. Es empfiehlt sich daher, in einem ersten Schritt Quellen zu nutzen, welche bereits Informationen und Daten aggregiert zur Verfügung stellen. Dies sind zum einen kostenpflichtige Datenbanken und Portale, zum anderen Non-Profit-Organisationen, die oft auf Länderbzw. globaler Ebene ökonomische Daten bereitstellen. Darüber hinaus sind zahlreiche Studienanbieter sowie auch frei verfügbare Internetportale mit einzubeziehen. Die nachfolgende Tabelle zeigt exemplarisch wichtige Quellen nach Kategorie geordnet (kostenpflichtige Quellen sind mit einem ($) versehen). Abbildung 81: Datenbanken und Recherchehilfen für die internationale Faktenbasis Natürlich können diese Quellen nur Anknüpfungspunkte für weitere, tiefergehende Analysen darstellen. Organisationen wie die UNCTAD, die WTO oder der CIA lassen bereits mit gebührenfrei verfügbaren Informationen recht weitgehende Faktenbasen auf der Länderebene zu. <?page no="207"?> 184 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Die Art der in der Faktenbasis zu erhebenden Daten kann sehr unterschiedlich sein. Neben einer genauen Definition der Geschäftsfelder sind Daten zu deren finanzieller Leistungsfähigkeit genauso unabdingbar wie zur Prognose finanzieller Daten für die kommenden Perioden. Die hierbei zu berücksichtigenden Werte betreffen zum Beispiel den Gewinn (EBIT, EAT), den Cashflow, die Rentabilität (Return on Sales, Return on Capital Employed, Return on Equity), das Wachstum (Umsatz pro Gesellschaft, Umsatz pro Produkt/ Produktgruppe, Umsatz pro Geschäftsfeld), die Wettbewerbsstellung (Marktanteil, Charakterisierung der Top-Wettbewerber pro Geschäftsfeld). Aber auch qualitative Daten wie Kundenzufriedenheit, rechtliche Gegebenheiten etc. sind zu erheben. Es ist an dieser Stelle wenig sinnvoll, eine vollständige Aufzählung der notwendigen Informationen aufzuführen. Zu den grundlegenden Informationskategorien gehören: Länderfakten Einwohnerzahl, Politisches Umfeld, Bruttosozialprodukt, Industrieproduktion, Branchenwachstum etc. Branchenfakten Produktionswert der Branche, globale Entwicklung, Absatzzahlen etc. Wettbewerberfakten Definition der Hauptwettbewerber, Umsatz, finanzielles Standing, strategische Position etc. Kundenfakten Unternehmen inkl. Adressdaten in der Branche, Umsätze mit Kunden, wichtige Segmente etc. Jede dieser Informationskategorien baut auf verschiedene Quellen der oben genannten Darstellung auf. Im Folgenden sollen beispielhaft einige Informationsformate dargestellt werden, welche in der Praxis Anwendung finden und insbesondere den internationalen Bereich betreffen. Länderfakten Im internationalen Bereich erstreckt sich die Ermittlung der Faktenbasis in wesentlich höherem Maße auch auf gesamtwirtschaftliche Länderdaten und nicht nur auf das direkte Branchenumfeld. Gerade bei Unternehmen, welche am Anfang ihres Internationalisierungsprozesses stehen, wird durch die Erhebung solcher Makrodaten eine erste Transparenz bezüglich der möglichen Bedeutung internationaler Märkte für den Geschäftserfolg geschaffen. Hier wird gerade in den frühen Phasen des Strategieprozesses mit der komprimierten Darstellung eines Landes in Form von „Ländersteckbriefen“ gearbeitet. Diese enthalten komprimierte Informationen, um die Rolle eines Landes zunächst generell einschätzen zu können. Abbildung 82 zeigt einen solchen Ländersteckbrief in vereinfachter Form. <?page no="208"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 185 Abbildung 82: Vereinfachter Ländersteckbrief in der Agrotechnik-Branche Wie aus der Grafik ersichtlich ist, werden branchenspezifische Informationen mit allgemeinen volkswirtschaftlichen Daten verbunden. Die Rolle des jeweiligen Landes in der momentan bestehenden Strategie wird schließlich in der letzten Zeile dargestellt, welche gleichzeitig als Grundlage für eine zukünftige, gegebenenfalls geänderte Strategieentscheidung dienen kann. Wettbewerberfakten Die Analyse von Wettbewerbern stellt einen zentralen Bestandteil der Faktenbasis dar. Hierbei ist es notwendig und sinnvoll, die quantitativen Basisdaten der wichtigsten Wettbewerber auf den internationalen und nationalen Märkten festzuhalten. Darüber hinaus sollte aber eine Einschätzung des Verhaltens der Wettbewerber vorgenommen werden, welche bereits in der Phase der Datensammlung erfolgen kann. Verhält sich ein Wettbewerber offensiv und versucht, Marktanteile zu gewinnen? Zieht er sich zurück, expandiert er ohne Rücksicht auf Einbußen der Profitabilität? Auch bei Aussagen dieser Art muss sofort auf Fakten zurückgegriffen werden. Sie können jedoch auch oft ohne hinterlegte quantitative Daten als Richtlinie dienen. <?page no="209"?> 186 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Abbildung 83: Vereinfachter Wettbewerbersteckbrief aus der Pharmabranche Fragen wie die eben aufgeführten können in einem sogenannten „Wettbewerbersteckbrief“ (Competitor Passport) aufgenommen werden, welcher über das in Abbildung 83 genannte Beispiel hinaus natürlich auch finanzielle und andere quantitative Daten enthalten sollte. Gerade im internationalen Umfeld, in welchem man oft in unbekannten Märkten agiert, ist es jedoch sinnvoll, schon in der Faktenbasis eine Einschätzung des jeweiligen Wettbewerbers zu verankern. Kundenfakten Zur Orientierung im Rahmen der Strategieentwicklung können bereits im Ländersteckbrief wichtige Daten bezüglich der Kunden festgehalten werden, wie dies im oben genannten Beispiel der Fall ist. Um im weiteren Verlauf der Strategieentwicklung jedoch ein genaues Bild bezüglich der internationalen Kundenstruktur zu erhalten, sollte die Informationssammlung auch auf Einzelkunden und die regionale Aufteilung der Nachfrage innerhalb eines Landes eingehen. Hierzu stehen mittlerweile weit ausgebaute Customer Relationship-Management (CRM)-Lösungen zur Verfügung. Abbildung 84 zeigt die Kundenstrukturanalyse eines Investitionsgüterunternehmens am Beispiel Spanien. Im vorliegenden Beispiel werden die Regionen des entsprechenden Landes, in diesem Fall Spanien, je nach deren Marktpotenzial in verschiedenen Farben dargestellt. Auch die Existenz von Verkaufsteams in bestimmten Regionen, die Standorte von Nicht-Kunden (NoCos), und der durch die Verkaufsteams erreichbare Radius, werden grafisch dargestellt. Hier- <?page no="210"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 187 durch wird ein Überblick über die Präsenz im jeweiligen Land gegeben, welche in Verbindung mit dem Ländersteckbrief eine Aussage bezüglich der Ausgangsposition für eine Marktausschöpfung in dem entsprechenden Land liefert. Abbildung 84: Kunden und Absatzgebietsanalyse eines Investitionsgüterproduzenten am Beispiel Spanien Die Liste der notwendigen Intonationsformate im Rahmen der Faktenbasis für die internationale Strategieentwicklung ließe sich fast beliebig weiterführen. An dieser Stelle wurden jedoch einzelne Beispiele herausgenommen und zentrale Informationsquellen aufgeführt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die verschiedenen Länder und Regionen, in denen das Unternehmen agiert, in der Auswertungsstruktur der Faktenbasis berücksichtigt werden. Nach erfolgter Abgrenzung internationaler Geschäftsfelder sollte deren geografische, produkt- und kundenseitige Dimensionierung als struktureller Rahmen zur Auswertung genutzt werden. Nur so ergibt sich das notwendige Maß an Vergleichbarkeit zur strategischen Analyse. Die Faktenbasis bildet also die Grundlage für die Phase II des Strategieprozesses, in welcher die gesammelten Fakten im Rahmen der Unternehmens- und Umfeldanalyse Anwendung finden. 3.3 Ziele und Vorgaben Die Bestimmung von Zielen und Vorgaben zur Erreichung dieser Ziele stellt den dritten Eckpfeiler der Status-quo-Phase dar. Ziele definieren angestrebte zukünftige Zustände der Unternehmenssituation (Hungenberg, H./ Wulf, T., 2011). <?page no="211"?> 188 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Vorgaben hingegen setzen die Rahmenbedingungen, unter welchen diese Ziele erreicht werden sollen. So definieren Lombriser und Abplanalp Strategie als das Erreichen eines Zieles im Rahmen bestimmter Vorgaben im Sinne einer „Leitplanke“, welche beispielsweise durch die Mission oder das Unternehmensleitbild festgelegt werden und Geschäftszweck und Werte definieren (Lombriser, R./ Abplanalp, P., 2010). Da die Abgrenzung von Mission, Leitbild und anderen Vorgaben der Unternehmensleitung weder in der Theorie noch der Unternehmenspraxis absolut trennscharf ist, wird hier der Begriff der Vorgabe gewählt. Der Zweck, die Zielerreichung unter gewissen Vorgaben stattfinden zu lassen, ist nämlich beiden Konzepten, der Mission und dem Leitbild, gemeinsam. Im Vordergrund steht die Koordinationsfunktion von Zielen und Vorgaben: Diese sind geeignet, Teilaktivitäten zu koordinieren, zu integrieren und auf eine gemeinsame Bezugsgröße auszurichten. Die Faktenbasis bietet die zentrale Datengrundlage für die Strategieentwicklung, diese muss jedoch in diesem Schritt durch eine normative, also wertende Grundausrichtung kanalisiert werden (Brauer, M./ Müller-Stewens, G., 2009). Im Folgenden werden Mission als zentrale Vorgabe, Vision als langfristige Zielbeschreibung und internationale Ziele als konkrete Ausprägung der Zieldefinition kurz charakterisiert. Mission Die Mission definiert das Tätigkeitsspektrum des Unternehmens („Was tun wir? “). Dabei stehen Aussagen zur Produkt-Marktkonzeption im Vordergrund, welche in der Geschäftsfeldabgrenzung bereits diskutiert wurden. Die Mission soll eine treffende und prägnante Aussage zum gegenwärtigen Tätigkeitsbereich des Unternehmens formulieren. Sie stellt insofern eine Vorgabe dar, als sie Richtlinien definiert, welche bei der Erreichung der Ziele des internationalen Unternehmens zu beachten sind. Hierbei können ähnlich wie bei der Geschäftsfeldabgrenzung Dimensionen wie Kunden, Produkte oder auch Geografie eine Rolle spielen. In gewisser Weise beinhaltet die Mission eine fokussierte, besser kommunizierbare Version der Geschäftsfeldeinteilung (Lynch, R., 2011) und ergänzt diese um andere Dimensionen des Tätigkeitsfeldes. Aufgabe der Mission ist es somit, Teilhabern und Mitarbeitern in verständlicher Form zu vermitteln, wofür das Unternehmen steht und in welchen Märkten es sich mit welchem Anspruch bewegt. Insofern sehen manche Autoren die Mission auch als gezielte Darstellung der Unternehmensphilosophie, was die Abgrenzung der Begriffe nicht gerade erleichtert (Ahlstrom, D./ Burton, G.D., 2010; Brauer, M./ Müller-Stewens, G., 2009). Darüber hinausgehend wird in der anglo-amerikanischen Literatur das „mission statement“ oder „business mission“ oftmals auch als Unternehmensleitbild verstanden, was weit mehr beinhal- <?page no="212"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 189 tet als die hier dargestellte Definition der Mission (Daft, L.R., 2010; Grüning, R./ Kühn, R., 2009; Matje, A., 1996). Aufgabe der hier vertretenen Auffassung einer Mission ist die Bestimmung des Zwecks und des Auftrags der Organisation: „In welchem Geschäft sind wir tätig? “. Je nach Ausrichtung der internationalen Tätigkeit werden national, international und global agierende Unternehmen unterschiedliche Missionen formulieren. Ein rein national agierendes Unternehmen kann durch die Benennung des regionalen Handlungsraumes in der Mission zum Beispiel einen hohen Grad an Marktnähe und Angepasstheit im Gegensatz zu internationaler Konkurrenz kommunizieren. Bei einem multinationalen Unternehmen im Sinne einer dezentralen internationalen Präsenz können die internationale Präsenz und die Anpassung an verschiedene Kulturen explizite Erwähnung finden. Eine globale Ausrichtung hingegen sollte sich von der Anpassung an einzelne Kulturen lösen und den Weltmarkt in den Vordergrund stellen. Zentral ist jedoch, dass das Unternehmen die Möglichkeit nutzt, mit seiner Mission für die Mitarbeiter wirklich fassbare und handlungsorientierte Aussagen zu treffen. In der Praxis sind häufig sehr allgemeine Missionen zu finden, wie Walt Disneys „To make people happy“ oder eindimensionale wie z.B. Body Shop‘s „To produce cosmetica that don‘t hurt animals or the environment“. Hier wird der Informationsgehalt für die bessere, vor allem externe Kommunizierbarkeit weitgehend reduziert. Die Berücksichtigung der regionalen und anderer Dimensionen würde den Mitarbeitern jedoch klarere Vorgaben kommunizieren, was gerade für ein komplexes, internationales Unternehmen eine besondere Bedeutung hat. Folgende Mission formulierte ein deutscher Pharmakonzern Anfang dieses Jahrtausends: „Unser Streben ist die Bekämpfung von Krankheiten. Hierzu entwickeln wir innovative, verschreibungspflichtige Medikamente und vertreiben diese auf den größten Weltmärkten.“ Obgleich diese Mission zunächst sehr allgemein erscheint, enthält sie doch wenige wesentliche und prägnante Aussagen: Das Unternehmen bewegt sich im Gesundheitsmarkt. Das Unternehmen entwickelt innovative Medikamente, zählt sich also nicht zu den Generikaherstellern. Das Unternehmen konzentriert sich auf verschreibungspflichtige Medikamente, zählt sich also nicht zu den Anbietern von sogenannten OTC-Medikamenten, welche frei verkäuflich sind und oft weniger schwere Krankheitsbilder behandeln. Das Unternehmen sieht sich als ein Spieler auf den größten Weltmärkten. Diese Formulierung definiert einige Basisaussagen, ohne die Art der Zielerreichung allzu sehr einzugrenzen. Besonders deutlich wird die Funktion als „Leitplanke“ durch die regio- <?page no="213"?> 190 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld nale Aussage, da das entsprechende Unternehmen zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf allen wichtigen internationalen Pharmamärkten vertreten war. Vision Anders als die Mission hat die Vision einen eindeutigen Zukunftsbezug und Zielcharakter. Sie soll eine umfassende, bildhafte Vorstellung von der Zukunft des Unternehmens geben („Wo wollen wir in der Zukunft stehen? “). Sinnstiftend, motivierend und handlungsorientiert sind zudem drei Eigenschaften, die eine gute Vision auszeichnen sollten (Lechner, C./ Müller-Stewens, G., 2011). Brauer und Müller-Stewens unterscheiden sechs verschiedene Kategorien von Visionen (Brauer, M./ Müller-Stewens, G., 2009; Lechner, C./ Müller-Stewens, G., 2011): (1) Ziel- oder wettbewerbsfokussierte Visionen, welche klar definieren, wo sich das Unternehmen im Wettbewerbsumfeld befinden will. (2) Feindfokussierte Visionen, die sich direkt gegen einen Wettbewerber richten. (3) Rollenfokussierte Visionen, welche sich an Unternehmen mit Leitbildfunktion orientieren. (4) Wandelfokussierte Visionen, welche fundamentale Änderungen in der Unternehmensstruktur darstellen. (5) Kundenfokussierte Visionen, welche auf bestmögliche Befriedigung von Kundenbedürfnissen abzielen. (6) Geschäftsmodellfokussierte Visionen, die ein Leistungsniveau als Maßstab nehmen und oftmals interne Verbesserungen anstreben. Ähnliche Varianten finden sich bei Dillerup und Stoi (Dillerup, R./ Stoi, R., 2008). Es fällt auf, dass diese Kategorisierung die internationale Dimension nicht direkt berücksichtigt. Insofern sollte gerade bei der Vision eines internationalen Unternehmens explizit darauf eingegangen werden, welche internationale Präsenz letztlich angestrebt wird. Natürlich bieten all die genannten Varianten Ansatzpunkte, um diesen Aspekt zu berücksichtigen. Folgende Beispiele enthalten einen regionalen Aspekt: Nationale Vision: Mediengruppe Oberfranken Unsere Vision: Heimat - Zukunft - Information Heimat ist für uns mehr als ein regionaler Standort. Heimat ist Bekenntnis zu einem Lebensgefühl. Das macht unsere besondere Nähe zu den Menschen aus. Denn Verbundenheit entsteht durch gemeinsame Identität. Die Zukunft Frankens liegt uns besonders am Herzen - weit über ambitionierte Ziele unseres Unternehmens hinaus. Wir möchten Impulse für die gesamte Region geben. Denn Lebensqualität ist etwas, das jeden von uns bereichert. <?page no="214"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 191 Information ist für uns mehr als Ware. Sie ist für das Leben in Franken von zentraler Bedeutung. Dafür setzen wir Technologien ein, die qualitativ genauso hochwertig sind wie die Nachricht selbst. Dieses Streben nach bester Informationsvermittlung vereint alle unsere Mitarbeiter. Die Mediengruppe Oberfranken stellt eine bewusst regional orientierte Vision in den Mittelpunkt. Die Stärken des Unternehmens ergeben sich aus dem regionalen Fokus, welcher sich auch innerhalb des deutschen Marktes stark regional auf den oberfränkischen Raum konzentriert. So kann eine Vision natürlich auch ohne Einbezug der internationalen Ausrichtung definiert werden, wenn diese nicht im Mittelpunkt der strategischen Überlegungen des Unternehmens steht. Anzumerken ist allerdings, dass der Übergang zu einer Mission fließend ist, was in der Praxis häufig der Fall ist. Globale Vision ohne regionalen Fokus: Rockwell Die Firma Rockwell ist allein aufgrund ihres Geschäftsmodells und der Branche für eine globale Präsenz prädestiniert, weshalb sie diese in der Vision auch nicht direkt erwähnt. Dennoch ist eine klare Richtunggebung in der Vision vorhanden, was sie trotz ihrer vereinfachten Form sehr hilfreich erscheinen lässt. Die Globalität der Unternehmenstätigkeit ist quasi nicht zentral und wird für die Vision außen vor gelassen. „Wir wollen von einem Hersteller von Verteidigungsprodukten zu dem am besten diversifizierten Hochtechnologieunternehmen werden“ (Brauer, M./ Müller-Stewens, G., 2009) Vision unter Einbezug der Globalität: Wikimedia Wikimedia ist allein aufgrund des Geschäftsmodells ein global agierendes Unternehmen, hat dies aber im Gegensatz zum vorgenannten Unternehmen explizit in die Vision mit aufgenommen. WIKIMEDIA 2010: „Stell dir eine Welt vor, in der jeder einzelne Mensch freien Anteil an der Gesamtheit des Wissens hat. Das ist unser Ziel“ (Wikimedia, 2010, online) Doch gerade bei zielbeziehungsweise wettbewerbsfokussierten Visionen lässt sich internationales Handeln auch aus der Wachstumsstrategie oder marktorientierter Sicht definieren. Demgemäß kann ein mögliches Ziel sein, führend in einem bestimmten geografischen Bereich zu sein. Wie die Beispiele zeigen, sind Visionen und Missionen nicht immer trennscharf. Oftmals werden Mischformen von Missionen und Visionen formuliert, welche beispielweise als „Strategic intent“ bezeichnet werden (Hamel, G./ Prahalad, C.K., 1998), jedoch ist in den normativen Richtlinien die Trennung der beiden Konzepte aufgrund der unterschiedlichen Funktionen sinnvoll (Brauer, M./ Müller-Stewens, G., 2009). Vor dem Hintergrund der extern kommunizierten Visionen und Missionen internationaler Unternehmen ist deren Informationsgehalt kritisch zu prüfen und zu hinterfragen. <?page no="215"?> 192 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Internationale Unternehmensziele Es bedarf der Formulierung konkreter Ziele, um die sehr langfristige Ausrichtung der Vision unter Berücksichtigung des nachhaltigen Versprechens, das mit der Mission an die Anspruchsgruppen gegeben wird, auf mittel- und kurzfristige Teilziele herunterzubrechen (Brauer, M./ Müller-Stewens, G., 2009). Hierzu gehören finanzielle Ziele wie Rentabilität, Marktstellungsziele, soziale Ziele, Markt- und Prestigeziele und andere. Da hierunter eine Vielzahl möglicher Zielausprägungen fällt, ist es wenig sinnvoll, diese hier auch nur ansatzweise vollständig aufzuzählen. Zu beachten ist, dass sich konkrete Ziele an der Vision und Mission des internationalen Unternehmens ausrichten müssen und nicht losgelöst von deren Formulierung gesehen werden dürfen. Zudem sollten sie möglichst konkret formuliert sein. Es sollte jedoch Berücksichtigung finden, dass sich viele Zielkategorien direkt aus der Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit ergeben. Spezifische Ziele internationaler Unternehmen umfassen zum Beispiel: Ausgleich saisonbedingter Nachfrageschwankungen auf dem Heimatmarkt durch Verhinderung von phasenweise auftretenden Umsatzeinbrüchen Langfristige Sicherung des Wachstums durch Erhöhung des Weltmarktanteils Ausweichen auf Auslandsmärkte mit geringerem Wettbewerbsdruck Wachstum: Sicherung und Erhöhung des gegenwärtigen Umsatzvolumens Risikostreuung durch Diversifikation im internationalen Rahmen Auslastung vorhandener Kapazitäten Nutzung von Kostenvorteilen durch Standortverlagerung Nutzung von „Economies of Scale“ Kostensenkung durch niedrigere Arbeitskosten, günstiger umzusetzende technische Standards, optimierte Beschaffungspreise Kostensenkung durch Lerneffekte, günstigere Beschaffungskonditionen Sicherung der Rohstoffversorgung etc. Die zeitliche Gültigkeit internationaler Ziele ist dabei abhängig von dem Wandel der Bedingungen und dem Anpassungswillen des Unternehmens. Deshalb haben auch Visionen und Ziele einen Lebenszyklus (Coenenberg, A.G./ Salfeld, R., 2007). Ein wichtiges Instrument der Zieldefinition, welches gerade bei der Internationalisierung eine zentrale Bedeutung einnimmt, wird erst im folgenden Kapitel V besprochen: die GAP-Analyse. <?page no="216"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 193 4 Strategische Analyse Die Phase II des Strategieprozesses zielt darauf ab, die im Rahmen der Faktenbasis gesammelten Daten zu analysieren und unter Zuhilfenahme geeigneter Instrumente so aufzubereiten, dass diese als Grundlage für die Strategieentscheidung dienen können. Aufgrund der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Methoden können gerade in den Phasen II-IV nur ausgewählte Ansätze besprochen und auf das internationale Umfeld übertragen werden. 4.1 Interne Analyse Die interne Analyse dient der Identifikation von Stärken und Schwächen des Unternehmens unter Berücksichtigung des Wettbewerbs. Es werden einerseits Kernkompetenzen und Wettbewerbsvorteile ermittelt sowie andererseits erfolgskritische Faktoren identifiziert, bei denen Wettbewerbsnachteile bestehen, die es zu kompensieren gilt (Deresky, H., 2008; Sachse, U., 2003). Welge und Al-Laham unterscheiden drei Gruppen interner Analysemöglichkeiten (Welge, M.K./ Al-Laham, A., 2012): Klassische Ansätze Wertorientierte Ansätze Ressourcen- und kompetenzorientierte Ansätze Die klassischen Ansätze beziehen sich dabei auf die historische Entwicklung des Unternehmens, das bestehende Produktprogramm und eine funktionsbereichsbezogene Analyse. Wertorientierte Ansätze hingegen basieren auf dem Ansatz der Wertkette von Porter, da diese die relevanten Unternehmensaktivitäten des Wertschöpfungsprozesses auch außerhalb der klassischen Funktionsbereiche abbildet (Kerth, K./ Asum, H./ Stich, V., 2009). Hierdurch wird die Analyse und Zuteilung von Kernkompetenzen ermöglicht (Welge, M.K./ Al- Laham, A., 2012). Ressourcen- und kompetenzorientierte Ansätze machen strategische Stärken und Schwächen an der Ausprägung bestimmter Ressourcen, Fähigkeiten oder Kernkompetenzen einer Unternehmung fest. Im Folgenden wird die Wertkettenanalyse aufgrund ihrer großen praktischen Bedeutung als repräsentatives Beispiel für interne Analysen im Allgemeinen dargestellt und aus dem Blickwinkel internationaler Unternehmen erläutert. 4.1.1 Internationale Wertkettenanalyse Porter unterteilt die Wertschöpfung des Unternehmens in primäre und unterstützende Aktivitäten. Die primären Aktivitäten beziehen sich direkt auf das Produkt, von der Her- <?page no="217"?> 194 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld stellung über die Logistik bis hin zum Vertrieb und der Kundenbetreuung. Unterstützende Aktivitäten hingegen sorgen für die Aufrechterhaltung der gesamten Infrastruktur und ermöglichen den reibungslosen Ablauf der primären Aktivitäten. Zieht man von der hier gemeinsam erwirtschafteten Wertschöpfung die bei jeder Unternehmensaktivität angefallenen Kosten ab, erhält man die erzielte Gewinnspanne (Porter, M.E., 2000). Natürlich stellt die Wertkette nur einen Rahmen dar, welcher je nach Branche und Ausrichtung des Unternehmens in unterschiedlicher Weise anzuwenden ist. Insofern sind die einzelnen Bereiche nicht als festgelegt zu betrachten, sondern können und müssen auf das Branchenumfeld angepasst werden. Abbildung 85 zeigt beispielhaft die Aktivitäten der generischen Werkkette nach Porter auf. Abbildung 85: Die generische Wertkette nach Porter Im internationalen Unternehmen stellt sich die Wertkette natürlich mehrdimensional und geografisch verteilt dar. Jede Aktivität kann grundsätzlich in jedem Land angesiedelt werden, im Extremfall ist die gesamte Wertkette in allen Regionen oder Ländern parallel vollständig ausgeprägt („home replication“). Typischer ist jedoch eine unterschiedliche Allokation der Wertkette je nach der betroffenen Aktivität. Abbildung 86 zeigt die Komplexität dieses internationalen Allokationsproblems grafisch auf. <?page no="218"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 195 Abbildung 86: Dimensionen der internationalen Wertkette Hierbei stellt eine horizontale Ebene jeweils ein Land dar. Die anderen beiden Dimensionen stehen für die Bereiche der Wertkette und deren Aufspaltung gemäß unterschiedlicher Länderstandorte. Typischerweise dezentral angesiedelte Aktivitäten wie zum Beispiel Vertrieb oder Kundendienst werden als ein Feld in jedem Land dargestellt. Zentral geregelte Unternehmensaktivitäten hingegen sind als durch alle Länderebenen laufende, vertikale Blocks abgebildet, wie am Beispiel des Finanzwesens, der Forschung und der Produktion zu erkennen ist. Auch diese Einteilung der Zentralisierung bedarf jedoch einer fallweisen Detailanalyse. Aus der Vielzahl der Kombinationsmöglichkeiten im Rahmen der dargestellten internationalen Wertkette lässt sich die Komplexität des Entscheidungsproblems ablesen. Um die Wertkettenanalyse für die internationale Strategieentwicklung nutzbar zu machen, sind verschiedene Schritte zu durchlaufen: (1) Erfassung der Ist-Situation der internationalen Wertschöpfungsstruktur (2) Identifikation der erfolgskritischen Wertschöpfungsbereiche für die internationale Strategie (3) Evaluierung der relativen Wettbewerbsposition gegenüber den internationalen Konkurrenten a. Leistungsfähigkeit b. Kostenposition (4) Identifikation von Ansatzpunkten zur globalen Optimierung der Wertkette Diese Schritte werden im Folgenden beschrieben. Erfassung der Ist-Situation Das Vorgehen zur Ermittlung der Basisinformationen der Wertkettenanalyse wird in der Literatur ausführlich dargestellt (Kerth, K./ Asum, H./ Stich, V., 2009; Welge, M.K./ Al-Laham, <?page no="219"?> 196 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld A., 2012; Porter, M.E., 2000). Im internationalen Umfeld steht jedoch die regionale Komponente der Wertschöpfungsstruktur im Vordergrund. Bei der Erfassung der Konfiguration der Wertkette sind Produktionsstandorte, Vertriebsniederlassungen, Service-Center etc. gleichermaßen zu berücksichtigen. Oftmals ergeben sich hierbei Strukturen, die historisch gewachsen sind und nicht auf einer globalen Logik der Ressourcenallokation basieren. Dies kann vielfältige Gründe haben: Zukäufe von Firmen in der Vergangenheit, Weiterführung von angestammten Standorten, historisch gewachsene Muster der Marktpräsenz etc. Diese Situation sollte offengelegt und transparent dargestellt werden, was Abbildung 87 beispielhaft veranschaulicht. Abbildung 87: Ausgangskonfiguration einer Wertkette Während in diesem Beispiel eine vollständige Wertkette im Heimatmarkt und an einem zentralen internationalen Standort existiert, werden andere Teile der Wertkette dezentral angesiedelt. Die Beispiele einer reinen Produktionsniederlassung in China und der Technologieentwicklung in Indien rücken einzelne Aktivtäten und deren Allokation in den Vordergrund, bilden aber die Komplexität einer solchen globalen Wertkettenkonfiguration nicht vollständig ab. Identifikation erfolgskritischer Wertschöpfungsbereiche Je nach Branche spielen unterschiedliche Bereiche der Wertkette eine zentrale Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Hierfür lassen sich zahlreiche Beispiele finden: So basiert die Stärke eines „Global Player“ in der Grundchemie oft auf starken Verbundstandorten, welche es erlauben, die sich ergänzende Herstellung verschiedener Chemikalien an zentralen Standorten zu optimieren. Der zentrale Standort der BASF SE in Ludwigshafen mit seiner hohen Zentralisierung und der stark integrierten Verbundstruktur ist hierfür nur ein Beispiel. In der forschenden pharmazeutischen Industrie hingegen sind Bereiche wie Forschung, Entwicklung und Vertrieb von ungleich höherer Bedeutung. Der Erfolg von markenorientierten Firmen der Konsumgüterindustrie wie L’Oreal oder Proc- <?page no="220"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 197 ter & Gamble auf der anderen Seite hängt stärker von der Marketingfunktion und nicht zuletzt vom Image des Gast- oder Heimatlandes ab. Insofern muss die Analyse und Bewertung einzelner Standorte und Funktionen vor dem Hintergrund der Branche und der Bedeutung der jeweiligen Aktivität gesehen werden. Evaluierung der relativen Wettbewerbsposition Die Bestimmung von Stärken und Schwächen in der Wertkette ist das Hauptziel der internationalen Wertkettenanalyse. Insofern ist die Wettbewerbsposition im nächsten Schritt auch normativ zu bewerten, d.h., es müssen bewertende Vergleiche zum Wettbewerber angestellt werden. Diese Aufgabe erfolgt getrennt nach der Wettbewerbsposition und der Kostenposition des Unternehmens (Paul, H./ Wollny, V., 2011). Die Einschätzung der Wettbewerbsposition wird von vielen Aspekten beeinflusst. Insofern kann diese häufig nur über die Anwendung von Scoring-Modellen erfolgen, bei denen verschiedene Aspekte der Leistungsfähigkeit über eine gemeinsame Skala messbar gemacht werden (vgl. hierzu im Detail Abschnitt 5 dieses Kapitels). Neben der Methodik des Scoring-Modells stehen aber insbesondere die anzuwendenden Kriterien sowie die Beschaffung der dem Urteil zu Grunde liegenden Informationen im Vordergrund. Mögliche Kriterien zur Bewertung der Leistungsfähigkeit einer Wertschöpfungsaktivität sind: Know-how (bspw. technisches Wissen, Verfügbarkeit von Patenten, Erfahrung) Internationale Präsenz (bspw. Abdeckung der zentralen internationalen Märkte durch eine entsprechende Außendienstorganisation, Internationales Logistiknetzwerk) Technische Ausstattung (bspw. Verfügbarkeit technischer Anlagen, Existenz von Produktionsstandorten mit einem entsprechenden Produktionsvolumen) etc. Die Liste ließe sich sicher beliebig fortsetzen. Das Problem der Informationsbeschaffung stellt sich natürlich im internationalen Bereich in besonderem Maße. Gerade bei diesen qualitativ definierten Kriterien ist es jedoch oft möglich, auf die Expertise und Erfahrung der Mitarbeiter zurückzugreifen. So ist beispielsweise die internationale Vertriebspräsenz eines Unternehmens im Pharmabereich den globalen Wettbewerbern meist bekannt und sollte in eine solche Analyse einfließen. Auch bei der Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Produktion kann oft aus den bekannten Produktionsvolumina und der technischen Qualität des Endproduktes auf die Leistungsfähigkeit des Bereiches rückgeschlossen werden. Zudem hat sich eine Vielzahl von Agenturen entwickelt, welche sich mit dem Thema „Benchmarking“ beschäftigen und vergleichende Kennzahlen und andere Fakten in standardisierter Form anbieten. Nicht zuletzt können auch Firmen kooperieren, um in <?page no="221"?> 198 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld nicht zentral wettbewerbsrelevanten Bereichen Informationen über die Qualität der eigenen Aktivitäten auszutauschen. Im Anschluss hieran ist die Kostenposition gegenüber dem Wettbewerber zu bestimmen. Hierzu erfolgt zuerst eine Bestandsaufnahme der eigenen Wertkette mit einer Verteilung der Gesamtkosten der Wertschöpfung über die verschiedenen Bereiche hinweg (Paul, H./ Wollny, V., 2011). Auf Basis dieser Information lassen sich meist Abschätzungen über die Kostenposition vornehmen, auch wenn die interne Kalkulation des Wettbewerbers natürlich nicht direkt zugänglich ist. Allein die Analyse einer Gewinn- und Verlustrechnung in Verbindung mit Fakten wie Arbeitskosten, Produktionsvolumen und Faktorkosten im entsprechenden Land, etc. lassen oft eine realistische Abschätzung der Kostenposition zu, auch wenn diese nicht exakt monetär quantifizierbar ist. Identifikation von Ansatzpunkten zur globalen Optimierung der Wertkette Nach der Durchführung dieser beiden Analysen kann das Ergebnis im Rahmen einer grafischen Darstellung analysiert werden, wie sie in Abbildung 88 wiedergegeben wird. Abbildung 88: Kategorisierung der Ergebnisse der Wertkettenanalyse Wie dargestellt, lassen sich die Bereiche der internationalen Wertkette anhand der vorher festgelegten Bedeutung der Wettbewerbsposition einordnen. Oft wird eine solche Analyse zu einer Neukonfiguration, zumindest aber zu einer Anpassung der internationalen Wertschöpfungsstruktur führen. So kann im oben genannten Fall hinterfragt werden, warum verschiedene Werke eine solch unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit aufweisen. Die hierauf basierenden Entscheidungen sind nicht immer einfach für das Unternehmen, da bestehende Strukturen verändert werden müssen und damit gegebenenfalls auch der Verlust von Arbeitsplätzen verbunden sein kann. Auf der anderen Seite hilft eine effiziente Allokation der Ressourcen im internationalen Umfeld auch, die Wettbewerbsfähigkeit von Standorten zu halten und somit wiederum Arbeitsplätze zu schaffen. Um über die Not- <?page no="222"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 199 wendigkeit paralleler Standorte bzw. die Öffnung oder Schließung von Standorten zu entscheiden, muss im Rahmen der Optimierung der Wertkette eine grundsätzliche Richtungsvorgabe über Zentralisierung/ Dezentralisierung der jeweiligen internationalen Aktivität erfolgen. Aufgrund der hohen Bedeutung dieser Entscheidung im internationalen Management werden im Folgenden Argumente für und gegen die Zentralisierung einzelner Wertkettenaktivitäten aufgeführt. 4.1.2 Zentralisierung versus Dezentralisierung der Wertkette Grundsätzlich bedeutet Zentralisierung eine Bündelung der Aktivität an einem bestimmten Ort, Dezentralisierung bezeichnet die Ausführung einer Aktivität in jedem Land, wobei zumeist Mischformen anzutreffen sind (Sachse, U., 2003). Für eine umfangreiche Analysebasis sollten diese Aspekte bei der Neukonzeption oder Optimierung einer Wertkette im internationalen Unternehmen integriert werden. Die Vorteilhaftigkeit der Zentralisierung und Dezentralisierung einzelner Aktivitäten hängt vom Kostenfaktor, von der gewünschten Kundennähe und den Gegebenheiten in den einzelnen Ländern ab. Wenn Unternehmensteile wie die Produktion oder die Beschaffung zentralisiert werden, so kann dies Kosteneinsparungen durch Skaleneffekte oder einen besseren Erfahrungsaustausch zur Folge haben. Die Dezentralisierung von Aktivitäten hingegen bringt Nähe zum Konsumenten und bessere Anpassungsmöglichkeiten an örtliche Gegebenheiten mit sich und ist insofern insbesondere für marktnahe Aktivitäten von Vorteil. In den folgenden Tabellen werden einige wichtige Argumente für die Zentralisierung oder Dezentralisierung einzelner Aktivitäten der Wertkette aufgeführt. Diese sind keinesfalls als gemeinhin gültig zu betrachten, sondern müssen branchen- und unternehmensspezifisch angepasst werden. <?page no="223"?> 200 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Abbildung 89: Vor- und Nachteile der Zentralisierung der Aktivitäten der Wertschöpfungskette - Produktion, Forschung und Entwicklung Industrielle Kernbereiche wie Produktion, Forschung und Entwicklung weisen oft eine Tendenz zur Zentralisierung auf, da Skaleneffekte eine hohe Bedeutung haben. Spätestens bei der Notwendigkeit zur nationalen Anpassung von Produkten ergibt sich zumindest bei der Entwicklung die Erfordernis zur Anpassung an nationale Gegebenheiten und damit zur Dezentralisierung (Krubasik, E./ Schrader, J., 1989). Abbildung 90: Vor- und Nachteile der Zentralisierung der Aktivitäten der Wertschöpfungskette - Marketing, Vertrieb, Beschaffung und Logistik <?page no="224"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 201 Je marktnäher ein Bereich ist, desto höher ist in der Tendenz der Druck zur Anpassung an nationale Gegebenheiten. So lässt sich ein global zentralisiertes Vertriebsmanagement in den meisten Branchen nur sehr schwer etablieren. Auf der anderen Seite stehen Aktivitäten wie die Beschaffung, welche in hohem Maße vom globalen „Pooling“ der Nachfrage des Unternehmens profitieren. Abbildung 91: Vor- und Nachteile der Zentralisierung der Aktivitäten der Wertschöpfungskette - Unterstützende Bereiche Die unterstützenden Aktivitäten müssen sich letztlich stark an der strategischen Orientierung des gesamten Unternehmens ausrichten. Ein global geführtes Unternehmen wird stärker vereinheitlichte Personalrichtlinien umsetzen als ein multinational organisiertes Unternehmen. Die genannten Argumente sollen an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden, bilden aber Anhaltspunkte für die wichtige Entscheidung über die Allokation der Wertschöpfungsbereiche. Allerdings bleiben Zentralisierungsentscheidungen organisations- und branchenabhängig, so dass generelle Empfehlungen nicht möglich sind. Eine kontinuierliche Überprüfung und Neubewertung der Konfiguration der Aktivitäten ist deshalb notwendig (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Sachse, U., 2003). Da es sich bei der internen Analyse um einen der umfangreichsten Teile des Strategieentwicklungsprozesses handelt, ist eine präzise Vorarbeit, zum Beispiel bei der Erstellung der Ausgangskonfiguration der Wertschöpfungskette, unabdingbar. Andererseits lässt sich durch die Konzentration auf die Vorgehensweise der Wertkettenanalyse ein Großteil der relevanten Aspekte für die interne Analyse abdecken. Dennoch kann im Rahmen der internen Analyse natürlich eine Vielzahl anderer Analyseinstrumente zum Einsatz kommen. Hierzu gehören unter anderem: Analyse der Kernkompetenzen (Welge, M.K./ Al-Laham, A., 2012) VRIO-Rahmen (Paul, H./ Wollny, V., 2011) <?page no="225"?> 202 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Ressourcen- und Fähigkeitsportfolio (Paul, H./ Wollny, V., 2011) Benchmarking (Lynch, R., 2011) Bezüglich dieser Instrumente sei hier auf die angegebene Literatur verwiesen. Im nächsten Schritt ändert sich die Perspektive der Analyse von der Innensicht auf eine Betrachtung des Umfeldes. 4.2 Externe Analyse Im Rahmen der externen Analyse wird das externe Umfeld des Unternehmens systematisch dargestellt und im Hinblick auf existierende Chancen und Risiken analysiert. Hierzu werden gemeinhin zwei Kategorien verwendet: die Analyse des allgemeinen Umfeldes unabhängig von der Branche (Makro-Umfeld) sowie die Analyse des direkten Unternehmensumfeldes im Sinne der Branche (Mikro-Umfeld). Um diese verschiedenen Ebenen zu beurteilen, sind verschiedene Konzept der Einteilung in relevante Teilbereiche entwickelt worden (Johnson, G./ Scholes, K./ Whittington, R., 2011; Thomas, H., 2007). Abbildung 92 zeigt eine mögliche Unterteilung dieser beiden Kategorien in Anlehnung an Daft und Lane im Überblick. Abbildung 92: Makro- und Mikroumwelt nach Daft/ Lane Quelle: Daft, R.L./ Lane, P., 2009 Wie ersichtlich ist, ordnen Daft und Lane die internationale Dimension der Makroumwelt zu. Diese wäre insofern als gleichwertige Kategorie neben den anderen Dimensionen einzuordnen. In einer anderen Sichtweise müssen jedoch sämtliche der genannten Kategorien im Hinblick auf das internationale Umfeld heruntergebrochen und gegebenenfalls pro Land, Region und auf globaler Ebene untersucht werden. Im internationalen Umfeld <?page no="226"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 203 impliziert die externe Analyse somit einen besonderen Grad an Komplexität, welcher kanalisiert und durch geeignete Instrumente eingegrenzt werden muss, um eine fokussierte Datenerhebung und -analyse zu ermöglichen. Hierzu werden nachfolgend gängige Instrumente mit einer länderspezifischen Analyse verbunden. Folgende Schritte sollte ein international tätiges Unternehmen im Rahmen der externen Analyse durchlaufen: A. Internationale Umfeldeingrenzung (1) Eingrenzung des globalen Umfeldes auf relevante Märkte (2) Informationsverdichtung durch Länderportfolioanalyse (3) Charakterisierung der strategischen Rolle der Länder (Sternmodell nach Spulber) B. Durchführung der Umfeldanalysen (4) Makro-Umfeldanalyse (Internationale PEST-Analyse) (5) Internationale Branchenanalyse (fünf Wettbewerbskräfte nach Porter) 4.2.1 Internationale Umfeldeingrenzung Im Rahmen dieses ersten Schrittes wird die Internationalität der Unternehmenstätigkeit dadurch berücksichtigt, dass das extrem komplexe internationale Umfeld eingegrenzt wird, um die Informationssammlung gezielt und gemäß der strategischen Bedeutung einzelner Länder und Regionen durchführen zu können. Eingrenzung des globalen Umfeldes Im Rahmen der Geschäftsfelddefinition in Schritt I.a wurden bereits Regionen oder Länder identifiziert, welche von strategischer Bedeutung für das Unternehmen sind. Dies sind insbesondere Länder, in denen das Unternehmen bereits tätig ist. Für die externe Analyse sind jedoch auch solche Länder zu berücksichtigen, deren Bearbeitung relevant sein könnte, welche aber im Rahmen der momentanen Strategie noch nicht im Fokus stehen, gleichwohl aber potenzielle Märkte darstellen. Ergibt sich im Schritt Faktenbasis eine datenmäßige Abbildung des Weltmarktes, so ist dieser daraufhin zu untersuchen, inwiefern über den bearbeiteten Teil des Weltmarktes hinaus andere regionale Einheiten von Interesse für die strategische Stoßrichtung des Unternehmens sein können. Abbildung 93 stellt dieses Vorgehen schematisch dar. <?page no="227"?> 204 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Abbildung 93: Strategische Segmentierung des Weltmarktes Ausgehend vom Weltmarkt werden die regionalen Segmente identifiziert, welche im Augenblick noch nicht bearbeitet werden, und in drei Kategorien unterteilt, zu denen als viertes die Kategorie der bearbeiteten Märkte hinzukommt: (1) Geschlossene Märkte, welche aus rechtlichen, politischen oder marktbezogenen Gründen nicht bearbeitet werden können oder sollen (2) Zugängliche Märkte, welche außerhalb des strategischen Fokus liegen (zu hoher Bearbeitungsaufwand, nicht vorhandene Ressourcen etc.) (3) Potenzielle Märkte, welche in die strategische Betrachtung mit einbezogen werden sollen (4) Bearbeitete Märkte, welche sich bereits in den strategischen Geschäftsfeldern abbilden Während die Kategorien (1) und (2) nicht in die weitere Analyse aufgenommen werden, muss bezüglich der Märkte der Kategorie (3) eine Entscheidung darüber fallen, ob diese eine strategische Rolle spielen werden. Die so identifizierten Ländergruppen (3) und (4) werden im nächsten Schritt einer allgemeinen, zunächst von der Rolle des Landes losgelösten datenbasierten Portfolioanalyse unterzogen. Informationsverdichtung durch eine Länderportfolioanalyse Im Kontext einer Länderportfolioanalyse werden grundlegende volkswirtschaftliche Daten der als relevant identifizierten Länder oder Ländergruppen im Zuge einer komprimierten Darstellung aufbereitet. Hierzu können zum einen Scoring-Modelle dienen (Kutschker, M./ Schmid, S., 2012), zum anderen bietet sich jedoch eine Visualisierung der zu komprimierenden Informationen an. Die Portfoliodarstellung im Sinne einer Matrix, welche im strategischen Management weite Verbreitung gefunden hat, wird bei volkswirtschaftlichen Analysen nur selten eingesetzt. <?page no="228"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 205 Gerade im internationalen Umfeld erlaubt diese Darstellung jedoch einen Überblick über die Wettbewerbsfähigkeit und Entwicklung von Ländern als Märkte oder aber Standorte, welcher die spätere Entscheidungsfindung entscheidend unterstützen kann. Es gibt verschiedene Ansätze der Länderportfolioanalyse (Perlitz, M., 1985a; Backhaus, K./ Voeth, M., 2010; Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010), welche meist verschiedene Dimensionen aus dem volkswirtschaftlichen Bereich oder aber Scoring-Modelle verwenden. Im Grundschema werden drei Dimensionen dargestellt: eine auf der vertikalen Achse, eine auf der horizontalen Achse sowie eine im Rahmen der Blasengröße der positionierten Länder. Die auf den beiden Achsen und durch die Blasengröße dargestellten Informationen sollten möglichst trennscharf die Rolle des Landes aus verschiedenen für das Unternehmen relevanten Blickrichtungen beleuchten. Abbildung 94 zeigt ein beispielhaftes Länderportfolio, welches die Rolle der entsprechenden Länder als Absatzmarkt beleuchtet. * = Compound Annual Growth Rate Abbildung 94: Beispiel für ein Portfolio zur Länderanalyse Während das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes über die Dynamik der Entwicklung Auskunft gibt, repräsentiert die Blasengröße das Bruttoinlandsprodukt in absoluten monetären Größen auf und gibt damit einen Eindruck über eine potenzielle Marktgröße. Das auf der X-Achse dargestellte Pro-Kopf-Einkommen wiederum enthält eine Aussage über die Kaufkraft, welche in der entsprechenden Volkswirtschaft vorhanden ist. Sie ist natürlich gegen die Marktgröße in Form des BIP abzuwägen, da auch in einer absolut großen Volkswirtschaft nicht unbedingt von einem wirtschaftlich relevanten Markt für gewisse Güter auszugehen ist. Typische Positionen finden sich zum Beispiel im oberen linken und im unteren rechten Quadranten des Portfolios. Zukunftsmärkte sind oft sich <?page no="229"?> 206 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld stark entwickelnde Länder, oft Schwellenländer, wie beispielsweise China, Brasilien oder Malaysia. Auch wenn diese von der absoluten Größe der Volkswirtschaft her durchaus schon als etablierte Märkte gelten können, weist das noch erhebliche Entwicklungspotenzial im Durchschnittseinkommen auf die im Vergleich zur Größenordnung des BIP eingeschränkte Kaufkraft hin. Saturierte Märkte hingegen finden sich oft in den etablierten Industrieländern wie beispielsweise Japan oder Deutschland, bei denen die Entwicklungsmöglichkeiten allein aufgrund des bereits erreichten hohen Niveaus beschränkter sind. Auch wenn eine solche Analyse bei einem Vergleich klassischer Industrienationen mit typischen Zukunftsmärkten trivial erscheinen mag, kann sie bei der Eingrenzung der externen Analyse doch hilfreiche Hinweise liefern, wenn zum Beispiel einzelne Regionen in Südamerika oder Osteuropa mit all ihren einzelnen Subregionen oder Ländern analysiert werden. Die interne Heterogenität solcher Regionen wird in der Praxis oft unterschätzt und sollte daher einer solchen Grobanalyse unterzogen werden. Auf Basis der Quadranten, in welchen sich die jeweiligen Länder befinden, kann eine Entscheidung über die Relevanz für die weitere Strategieentwicklung gefällt werden. Abbildung 95 zeigt ein solches marktorientiertes Länderportfolio am Beispiel ausgewählter Länder Lateinamerikas. Abbildung 95: Länderportfolio ausgewählter lateinamerikanischer Staaten 2011 Quelle: World Bank (2013), Cia Factbook (2013), online Neben dem hier beispielhaft dargestellten eher marktorientierten Länderportfolio lässt sich auch die Rolle der Länder als Wettbewerber und potenzieller Standort durch die Modifikation der Achsen analysieren (Perlitz, M., 1985a). Nach der volkswirtschaftlichen Charakterisierung der entsprechenden Ländermärkte kann nochmals eine eingehendere Analyse der Wettbewerbsfähigkeit des Landes erfolgen. Hier- <?page no="230"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 207 zu ist das Diamantenmodell von Porter sehr hilfreich, welches aber in Kapitel II schon ausführlich besprochen wurde. Nachdem die Entscheidung über ein relevantes „Set“ an Ländern gefallen ist, empfiehlt Spulber, diese anhand ihrer strategischen Rolle für das Unternehmen zu kategorisieren. Dieses Konzept wird im Folgenden als Exkurs dargestellt. Charakterisierung der strategischen Rolle der Länder (Sternmodell nach Spulber) Um die jeweilige Bedeutung der einzelnen Märkte für die Unternehmung zu klassifizieren, dient die von Spulber entwickelte „Stern-Analyse . Er unterscheidet fünf unterschiedliche Länderkategorien, die den Wettbewerbsvorteil einer international agierenden Unternehmung maßgeblich beeinflussen. Diese Länderkategorien sind: (1) Das Heimatland, dessen Eigenschaften die Leistungsfähigkeit im Wettbewerb beeinflussen. (2) Lieferantenländer, welche aufgrund der Beziehung zu Produktion und Lieferantenbeziehungen das wettbewerbliche Potenzial beeinflussen. (3) Kundenländer, welche die Nachfrage nach Produkten des Unternehmens bestimmen. (4) Partnerländer, die den Eindruck der Kunden und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens durch das Angebot ergänzender Produkte oder Dienstleistungen beeinflussen. (5) Konkurrenzländer, welche Aufschluss über die Strategien der Wettbewerber geben. Somit bietet die „Stern-Analyse“ einen konzeptionellen Rahmen zur Erfassung und Verarbeitung von Daten globaler Märkte, dessen grafische Visualisierung in Abbildung 96 wiedergegeben wird. <?page no="231"?> 208 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Abbildung 96: Stern-Modell der strategischen Rolle von Ländern nach Spulber Quelle: Daft, R.L./ Lane, P., 2009 (1) Heimatländer Ein signifikanter Einfluss auf den Unternehmenserfolg kann von dem eigenen Heimatland, d.h. dem Land, in dem die Unternehmenszentrale angesiedelt ist, ausgehen. Es gibt Eigenschaften des Heimatlandes, die den Wettbewerbsvorteil fundamental beeinflussen und deshalb die internationale Wettbewerbsfähigkeit fördern oder auch behindern. Andere Eigenschaften des Heimatlandes haben weniger Einfluss auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit, da sie durch die internationale Expansion überwunden werden können. Ein Beispiel für einen Heimatvorteil ist die Kundenloyalität lokaler Kunden, wenn ausländische Angreifer auf dem Heimatmarkt in den Wettbewerb treten. Global agierende Unternehmungen profitieren auch durch die Nutzung der Stärken eines Heimatlandes zur internationalen Expansion. Die Identität einer Unternehmung ist oftmals direkt mit dem Heimatland verknüpft, wie beispielsweise die Wahrnehmung von Haier als chinesisches oder der Tata Group als indisches Unternehmen. Die Unternehmensbzw. Markenidentität spielt wiederum eine Rolle bei den Verhandlungen mit Mitarbeitern, Lieferanten, Partnern und Wettbewerbern. Die Nationalität einer Marke kann den Verkauf also unterstützen oder auch behindern, je nachdem, welche Einstellung die Kunden zum Heimatland der Marke haben („Country of origin-Effekt“). Das politische und regulatorische Klima des Heimatlandes kann auch großen Einfluss auf die Unternehmung nehmen. Die Produkte, der Herstellungsprozess, die Umweltgesetze und die generellen Arbeitsbedingungen unterliegen den gesetzlichen Vorschriften der Aktivitäten im Heimatland. Restriktive Regularien (z.B. hohe Steuern) können die Wett- <?page no="232"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 209 bewerbsfähigkeit eines Unternehmens behindern. Einige Länder behandeln ihre großen multinationalen Unternehmungen als „Nationale Champions“ und unterstützen diese durch Subventionen, Handelsbeschränkungen oder Steuererleichterungen. Unternehmungen aus einer relativ offenen und flexiblen Volkwirtschaft haben die besten Möglichkeiten, die Vorteile globaler Märkte zu nutzen. (2) Lieferantenländer Große Unternehmungen sind von einer Vielzahl an Lieferanten abhängig. Zu den Lieferantenländern gehören die Länder, aus denen die globale Unternehmung ihre Inputfaktoren bezieht oder in denen sie ihre Produkte herstellt. Das Heimatland kann sicherlich eines der Lieferantenländer sein, jedoch wird die Unternehmung die beste Kombination aus Preis, Qualität und Einfachheit auf dem globalen Marktplatz auswählen. Dabei vergleichen Manager die Kosten, die durch den Kauf bei Lieferanten und bei der Entwicklung einer Produktion entstehen. Globale Wettbewerbsvorteile verlangen, dass die Unternehmung den bestmöglichen Mix von Lieferanten aus dem globalen Umfeld auswählt. Die Lieferantenseite einer globalen Unternehmung wird oft auch als die „globale Fabrik“ bezeichnet. (3) Kundenländer Einen aufwendigen Teil der Stern-Analyse stellt die Untersuchung der potenziellen Kundenländer dar. Manager müssen die jeweiligen Kundenpräferenzen berücksichtigen, um die Marktnachfrage richtig einschätzen zu können. Mithilfe dieser Marktinformationen lassen sich dann die Länder identifizieren, die zum Verkauf geeignet sind, d.h. welche Produkte angeboten werden sollen und welche Wettbewerbsstrategie verfolgt werden soll. (4) Partnerländer Durch den internationalen Wettbewerbsdruck konzentrieren sich Unternehmen immer mehr auf die eigenen Stärken und versuchen Aufgaben, die nicht zu ihren Kernkompetenzen gehören, durch Partnerschaften wie strategische Allianzen oder Joint Ventures abzugeben. Ziel ist es, die Kosten und Risiken zu verringern und die Innovationsprozesse zu beschleunigen. Grundsätzlich lassen sich Partnerschaften auf der Nachfrageseite von denen auf der Lieferantenseite unterscheiden. Auf der Nachfrageseite handelt es sich meistens um Komplementärprodukte (Computer und Software), die dann zum Beispiel im Bündel dem Kunden angeboten werden. Auf der Lieferantenseite wird durch den Austausch bzw. die Ergänzung von Komponenten, Technologien und Fähigkeiten die Produktionseffizienz gesteigert. Manager müssen zur Beurteilung der Erfolgschancen einer Partnerschaft immer den Landeskontext beachten, in dem das Partnerunternehmen beheimatet ist. Die richtige Kombination an Partnern und deren komplementären Eigenschaften kann zu einem globalen Wettbewerbsvorteil führen. (5) Wettbewerbsländer Die Untersuchung des globalen Geschäftsumfeldes anhand einer „Stern-Analyse“ schließt mit der Betrachtung der Länder ab, in denen die Wettbewerber agieren. Manager müssen <?page no="233"?> 210 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld ein Verständnis für die „Stern-Analyse“ des Wettbewerbs, d.h. über das Heimatland, die Lieferanten-, Kunden- und Partnerländer des Wettbewerbers, bekommen. Ziel ist die Identifikation von Unterschieden im geografischen Profil des eigenen Unternehmens mit dem des Wettbewerbers. Länderbasierte Unterschiede sind oft die Quelle zur Erreichung eines Wettbewerbsvorteils. Auf der Basis dieser Rollen muss eine Entscheidung über die Einordnung verschiedener Länder und Regionen erfolgen. Abbildung 97 zeigt ein Beispiel für eine solche Einordnung anhand eines Scoring-Modells. Abbildung 97: Einordnung von Ländern anhand der Stern-Analyse von Spulber Im dargestellten Fall spielt das von Spulber als „Heimatland“ bezeichnete Land natürlich auch eine zentrale Rolle. Im genannten Fall befinden sich im Heimatmarkt die wichtigsten Abnehmer, starke Wettbewerber, aber auch die Zulieferindustrie spielt eine wichtige Rolle. Dennoch lassen sich je nach Branche oft unterschiedliche Schwerpunkt- oder Kernrollen für verschiedene Länder festlegen. So mag Russland bei der Strategie von Unternehmen der Chemie-, Rohstoff- oder Energieindustrie eine zentrale Rolle als Zulieferer spielen, aber keinen ähnlichen Stellenwert als Abnehmer haben. Aufgrund einer Stern-Analyse nach Spulber sollte dies analysiert und auf seine Implikationen hin geprüft werden. Ein wichtiger Partner Russland in Zulieferung, Technologie und Energieversorgung erfordert eine andere Strategie als ein Land, welches möglicherweise in erster Linie als Absatzmarkt im Fokus steht. Zwar sind diese Rollen oft miteinander korreliert, was sich hier am Beispiel von China zeigt. Dennoch gilt es, für jede der Rollen in der externen Analyse unterschiedliche Daten zu berücksichtigen. <?page no="234"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 211 Wie bei vielen anderen Analysen liegt ein Hauptnutzen der Stern-Analyse darin, dass sich das internationale Unternehmen intensiv mit der Frage der Einstufung der Rolle verschiedener Länder befasst. Dies beeinflusst auf der einen Seite die Art der zu erhebenden Daten bei durchzuführenden Analysen, führt aber auf der anderen Seite auch zu einer Vorentscheidung über die Rolle nationaler Niederlassungen bzw. der entsprechenden Marktstrategie in der Region. An die Analyse der Rolle der Länder schließen sich die klassischen Instrumente der Makro- und Mikro-Umfeld-Analyse an. 4.2.2 Analyse des Umfeldes Ziel der Umfeldanalyse ist die Untersuchung von Chancen und Risiken der Makroumwelt, also des Umfeldes außerhalb der Branche und des Branchenumfeldes. Wie Abbildung 98 zeigt, bildet der Charakterisierung und Eingrenzung der Ländermärkte 21den Rahmen für die Umfeldanalyse. Auf dieser Basis werden bewährte Instrumente wie die PEST-Analyse und die Wettbewerbskräfte nach Porter angewendet. Abbildung 98: Drei Ebenen der Umfeldanalyse Makro-Umfeldanalyse Zur Analyse der Makroumwelt hat sich die PEST-Analyse als Format etabliert R.N./ Richman, B.M., 1965). PEST steht dabei für die Betrachtung der politischen, ökonomischen, soziokulturellen, und technologischen Umweltfaktoren. Das PEST-Modell wird von verschiedenen Autoren durch die Kategorien L“ (Legal) und E“ (Ecological) erweitert, was zu der Bezeichnung PESTEL-Analyse führt (Johnson, G./ Scholes, K./ Whittington, R., 2011; Thomas, H., 2007; Baum, H.-G./ Coenenberg, A.G./ Günther, T., 2007; Hungenberg, H., 2010). Die ausgewiesene Analyse der ökologischen Aspekte <?page no="235"?> 212 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld stellt gerade aufgrund der stark wachsenden Bedeutung ökologischer Fragen im Rahmen von Themen wie Klimawandel und CO 2 Management eine sinnvolle Erweiterung dar (Paul, H./ Wollny, V., 2011). Letztlich geht es jedoch bei der PEST-Analyse um eine sinnvolle Auflistung relevanter Trends und deren Stützung durch Daten. Die Liste der Kategorien ist fast beliebig erweiterbar, dennoch stellt der PEST-Rahmen einen sinnvollen Ausgangspunkt dar. Die Durchführung der PEST-Analyse umfasst dabei neben der Analyse der Umweltfaktoren auch die Trendüberwachung, die Prognose der Umweltentwicklung und die Beurteilung der Bedeutung der erfassten Entwicklungen. Einen konkreten Ablaufplan der PEST-Analyse zeigen zum Beispiel Dillerup und Stoi auf (Dillerup, R./ Stoi, R., 2010). Im internationalen Umfeld sind die Analysekategorien der PEST-Analyse entsprechend anzupassen, was Rugman und Collinson mit dem in Abbildung 99 dargestellten Schema beispielhaft dokumentieren (Rugman, A.M./ Collinson, S., 2009). Abbildung 99: Internationale PEST-Analyse Quelle: Rugman, A.M./ Collinson, S., 2009 Natürlich ist bei einer PEST-Analyse zu beachten, dass nicht nur die Umwelt Einfluss auf das Unternehmen nimmt, sondern auch Unternehmen in der Lage sind, auf ihre Umwelt einzuwirken, z.B. durch Beeinflussung der politisch-rechtlichen Umwelt durch Lobbyismus oder gezielte Förderung einzelner Trends durch die Unterstützung bestimmter Interessengruppen (Thomson, N./ Baden-Fuller, C., 2010). Da die Makroumwelt jedoch den Einflüssen des globalen Umfeldes ausgesetzt ist, sollte sie auf regionaler und auf Länderebene durchgeführt werden. Die vorher identifizierte Rolle der Region eines Landes im Rahmen des Spulber-Schemas bietet einen Anknüpfungspunkt, um die PEST-Analyse entsprechend an nationale Umfelder anzupassen. So sind die <?page no="236"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 213 zu analysierenden Trends in einem typischen Marktland sicher andere als die Analysekategorien eines Lieferantenlandes. Branchenanalyse Das klassische Instrument der Branchenanalyse, die Analyse der fünf Wettbewerbskräfte nach Porter, stellt auch für die internationale Analyse einen Ausgangspunkt dar (Kerth, K./ Asum, H./ Stich, V., 2011). Porter unterscheidet folgende Wettbewerbskräfte Rivalität unter den bestehenden Wettbewerbern Bedrohung durch neue Anbieter Verhandlungsstärke der Lieferanten Verhandlungsstärke der Abnehmer Ersatzprodukte Porter weist nach, dass die genannten Wettbewerbskräfte entscheidenden Einfluss auf die Profitabilität einer Branche haben. Die Analyse von Lieferanten und Abnehmern hat zum Ziel, zu ermitteln, wie viel Einfluss diese auf das Unternehmen und seine Strategie ausüben können. Bei einer geringen Anzahl von Lieferanten, welche unter Umständen sogar eine Monopolstellung für technologisch anspruchsvolle Teile eines Produktes haben, ist der Einfluss größer als bei einer großen Anzahl kleinerer Lieferanten für einfache Produkte. Ist Letzteres der Fall, ist es für ein Unternehmen einfacher, den Lieferanten zu wechseln. Aus der Perspektive des Kunden betrachtet, ergibt sich eine geringere Verhandlungsmacht, wenn eine Alternative für ein Produkt leicht zu erhalten ist, wohingegen bei hochwertigen und notwendigen Produkten, bei welchen ein Wechsel sehr kostenintensiv und schwierig ist, wenig Einfluss seitens des Kunden auf das Unternehmen ausgeübt werden kann (Thomson, N./ Baden-Fuller, C., 2010). Ersatzprodukte (Substitute und Innovationen) sind eine Bedrohung, auf die nur durch ständige Beobachtung reagiert werden kann. Es ist wichtig, durch Preissenkung, Anbieten gleicher Produkte oder mehr Serviceangebot für den Abnehmer auf ein Substitut zu reagieren, denn es kann die gesamte Branche signifikant verändern und Trends setzen, was folglich ältere Produkte unbrauchbar macht (Thomson, N./ Baden-Fuller, C., 2010; Rugman, A.M./ Collinson, S., 2009). Die Risiken, welche durch neue Anbieter entstehen, hängen im Wesentlichen von Markteintrittsbarrieren ab, welche natürlich im internationalen Umfeld eine besondere Rolle spielen. Ist es beispielsweise investitionsintensiv, in einen Markt einzudringen, herrscht eine hohe Loyalität zu bestehenden Wettbewerbern oder hat ein Neuanbieter nicht die Erfahrung und Produktionskapazität, um wettbewerbsfähige Preise anzubieten, so ist die Gefahr neuer Wettbewerber eher gering (Bea, F.X./ Haas, J., 2012). Neue Anbieter erhöhen die Rivalität in einer Industrie und minimieren die Überlebenschancen der Anderen in der Branche (Thomson, N./ Baden-Fuller, C., 2010). <?page no="237"?> 214 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Die Wettbewerber in der Branche schließlich bestimmen die Intensität der aktuellen und zukünftigen Rivalität. Sind zum Beispiel die Produkte weitestgehend austauschbar, die Marktaustrittsbarrieren hoch, die Umstellungskosten für den Abnehmer gering, das Branchenwachstum gering und die Branchenkultur hart, so steigt der Druck unter den Wettbewerbern, was es für jedes einzelne Unternehmen erschwert, wettbewerbsfähig zu bleiben (Kerth, K./ Asum, H./ Stich, V., 2011; Bea, F.X./ Haas, J., 2012). Aus der Branchenstrukturanalyse nach Porter leiten sich branchenspezifische Gefahren und Chancen ab, welche wiederum der Strategieentwicklung dienen. Die internationale Vielschichtigkeit einer Branche wird bei Porter nur teilweise berücksichtigt. Eine globale Betrachtung der Größen ist zwar möglich, allerdings werden so die vorstellbaren Unterschiede zwischen einzelnen Ländern der Branche nicht sichtbar, wie zum Beispiel eine differierende Verhandlungsmacht von Kunden oder Lieferanten zwischen einzelnen Ländern oder eine unterschiedliche Branchenrivalität in verschiedenen geografischen Einheiten. Somit ist auch die Branchenanalyse länderspezifisch durchzuführen. Wird die Analyse jedoch nur auf Länderebene durchgeführt, so resultiert daraus die Gefahr der Vernachlässigung globaler Einflussgrößen. So kann es globale Einflussgrößen auf die Branche geben, welche sich langfristig über Ländergrenzen hinweg durchsetzen werden, auch wenn sie noch nicht in jedem Land relevant sind. Beispiele können technologische Trends wie zum Beispiel die Biotechnologie sein, welche aufgrund ihrer hohen Komplexität nicht in jedem Markt diese Bedeutung haben. Auf der anderen Seite können Substitute oder neue Wettbewerber eine globale Gefahr darstellen, welche in der Region des Wettbewerbers zeitversetzt relevant wird. Letztlich ist also eine kombinierte globale und auf Regionen heruntergrochene Analyse der Branchenrentabilität und ihrer Einflussgrößen durchzuführen (Mellahi, K./ Frynas, J.G./ Finlay, P., 2005), ohne dabei den Konzernblickwinkel aus den Augen zu verlieren. Spulber empfiehlt beispielsweise, zu analysieren, ob die Gegebenheiten im Heimatland die eigene Strategie unterstützen, ab welchem Punkt sich der Länderfokus vom Heimatland entfernt, welchen Einfluss die Position der Lieferanten auf die eigene Produktion hat, wie die Eigenschaften von Ländern den Bezug zum Kunden beeinflussen, inwiefern Partnerländer die Produktion und den Vertrieb unterstützen beziehungsweise erweitern können und wie der geografische Kontext der Konkurrenten aussieht (Spulber, D.F., 2007). Ausgehend vom Spulber-Schema kann also die Analyse der Wettbewerbskräfte auf die Rolle des Landes zugeschnitten und spezifiziert werden. Dies gilt insbesondere für die Länder, welche in erster Linie als Lieferanten-, Wettbewerber- oder Abnehmerländer definiert wurden. Hier besteht eine direkte Beziehung zu den entsprechenden Wettbewerbskräften von Porter. Der Aufwand der Informationssammlung sollte auf die jeweilige Wettbewerbskraft konzentriert werden. Während Lieferanten- und Abnehmerländer direkt der jeweiligen Wettbewerbskraft zugeordnet werden können, bezieht sich der Einfluss von <?page no="238"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 215 Wettbewerberländern auf die beiden Kräfte neue Anbieter und Wettbewerber in der Branche. Die Kategorie Ersatzprodukte hingegen entspricht nicht direkt einer der Kategorien von Spulber und sollte stärker auf der Konzernebene analysiert werden, da damit gerechnet werden muss, dass die Bedrohung durch Substitute in vielen Fällen ein globales Problem der Branche ist. Abbildung 100 zeigt die Branchenstrukturanalyse nach Porter in Kombination mit einer länderorientierten Betrachtung auf Basis der Stern-Analyse. Abbildung 100: Länderorientierte Branchenanalyse auf Basis der Konzepte von Porter und Spulber In Verbindung mit der PEST-Analyse können nun Chancen und Risiken für die gesamte internationale Unternehmensumwelt herausgearbeitet werden, um im Anschluss Maßnahmen zu entwickeln, diese zu nutzen beziehungsweise Risiken zu vermeiden (Kerth, K./ Asum, H./ Stich, V., 2011). Im Ergebnis ergibt sich ein normalerweise qualitativ formuliertes internationales Chancen-Risiken-Profil, welches im nächsten Schritt in die komprimierte Darstellung der zusammenfassenden Analyse eingebunden wird. Abbildung 101 zeigt den Ablauf der externen Analyse mit den Instrumenten und den zugehörigen Ergebnis nochmals im Überblick. <?page no="239"?> 216 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Abbildung 101: Instrumente im externen Analyseprozess im Überblick 5 Zusammenfassende Analyse Die Analysen des klassischen Strategieprozesses stellen im internationalen Rahmen aufgrund der hohen Komplexität eine besondere Herausforderung dar. Gerade vor diesem Hintergrund spielt die zusammenfassende Analyse der gefundenen Informationen und deren Darstellung in leicht interpretierbaren und komprimierten Kategorien eine zentrale Rolle für das internationale Management. Im Wesentlichen lassen sich zwei Kategorien von zusammenfassenden Analysen unterscheiden. In der ersten Kategorie, der Gruppe der Portfolio-Konzepte, sind Instrumente wie die GE- oder McKinsey-Matrix (Schrank, R., 2011), das BCG-Portfolio und die Directional Policy Matrix von zentraler Bedeutung. Einen weniger formal strukturierten, in der Praxis aber weithin akzeptierten Ansatz stellen qualitative Verfahren wie die SWOT- Analyse dar. Im Folgenden werden die drei genannten zentralen Portfoliokonzepte auf ihre internationale Anwendbarkeit überprüft und um eine internationale Komponente erweitert. Des Weiteren wird kurz auf die internationale SWOT-Analyse eingegangen, obgleich hier eine direkte Übertragung auf das internationale Umfeld weniger notwendig erscheint. Ziel der zusammenfassenden Analyse ist es, aus den komprimierten Informationen Handlungsempfehlungen für geeignete Strategien ableiten zu können (Kerth, K./ Asum, H./ Stich, V., 2011). <?page no="240"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 217 5.1 BCG-Portfolio Ein klassisches Konzept der zusammenfassenden Analyse stellt das in den 1970er Jahren von der Boston Consulting Group entwickelte BCG-Portfolio dar (Hedley, B., 1977; Baum, H.-G./ Coenenberg, A.G./ Günther, T., 2007; Schneider, D., 2007). In der BCG-Portfolio-Analyse werden das Produktlebenszyklus- und das Erfahrungskurven-Konzept implizit miteinander verbunden. Das Produktlebenszyklus-Konzept wird mit der Variablen Marktwachstum und das Erfahrungskurven-Konzept mit der Variablen relativer Marktanteil in die BCG-Portfolio-Matrix integriert. Dabei wird der relative Marktanteil (RMA) durch den folgenden Quotienten bestimmt: RMA = U E / U GK , wobei U E der eigene, über alle Jahre kumulierte Umsatz und U GK der über die gleichen Jahre kumulierte Umsatz des an diesem Wert gemessenen größten Wettbewerbers ist. Manche Unternehmen verwenden als U GK den durchschnittlichen kumulierten Umsatz der drei größten Konkurrenten. In der Literatur wird auch der Umsatz eines Jahres und nicht der kumulierte Umsatz zur Bestimmung des relativen Marktanteils verwendet (Hahn, D., 2005; Hinterhuber, H.H./ Handlbauer, G./ Matzler, K., 2003). Dies ist jedoch bedenklich, wenn mit dem relativen Marktanteil die Stellung auf der Erfahrungskurve ermittelt werden soll. Da die Erfahrungskurve von der kumulierten Ausbringungsmenge ausgeht, muss auch der kumulierte Umsatz verwendet werden. Abbildung 102 gibt die grundsätzlichen Kategorien der BCG-Portfolio-Matrix und deren Cashflow-Wirkung wider. Abbildung 102: BCG-Portfolio-Matrix Produkte, Produktgruppen oder ganze Geschäftseinheiten werden in Bezug auf das Marktwachstum in zwei Kategorien unterteilt: eine mit hohem (Einführungs- und Wachstumsphase im Produktlebenszyklus) und eine mit niedrigem Wachstum (Reife- und Degenerationsphase im Produktlebenszyklus). Hinsichtlich des relativen Marktanteils werden <?page no="241"?> 218 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Produkte, Produktgruppen oder Geschäftseinheiten unterschieden, die auf ihren Märkten einen relativen Marktanteil kleiner eins (das Unternehmen hat eine höhere Stellung auf der Erfahrungskurve als der größte Wettbewerber) oder größer als eins (das Unternehmen liegt tiefer auf der Erfahrungskurve als der größte Wettbewerber) haben. Aus dieser Betrachtungsweise ergeben sich vier unterschiedliche Kategorien von strategischen Geschäftsfeldern: „Babies“ oder „Fragezeichen“ sind solche, die ein hohes Marktwachstum und einen relativen Marktanteil kleiner als eins bzw. 100% haben. „Stars“ sind in einem Markt mit hohem Wachstum positioniert und haben, gemessen am relativen Marktanteil, die Stellung eines Marktführers. Zu den „Cash Cows“ werden Produkte gerechnet, bei denen das Marktwachstum niedrig und der relative Marktanteil größer eins ist. Als „Dogs“ oder „Lahme Enten“ werden die Produkte bezeichnet, für die das Marktwachstum niedrig ist und keine Marktführerschaft besteht. Aus der Stellung der Produkte, Produktgruppen oder Geschäftsbereiche auf der Erfahrungskurve und dem Produktlebenszyklus wird abgeleitet, dass die „Babies“ und „Stars“ i.d.R. einen höheren Kassenabfluss als -zufluss und „Cash Cows“ und „Dogs“ einen höheren Kassenzugang als -abgang haben. Dabei wird unterstellt, dass sich das Unternehmen von „Dog“-Bereichen spätestens dann trennen sollte, wenn der Kassenabfluss den -zufluss übersteigt. Aus dieser Matrix wird in der Unternehmenspraxis eine Normstrategie abgeleitet, die als Daumenregel besagt, dass mindestens 10% des Umsatzes aus dem Bereich der „Babies“, 30% aus dem Bereich der „Stars“, 40-50% aus dem Bereich der „Cash Cows“ und maximal 10-20% aus dem Bereich der „Dogs“ stammen sollten. Bei Erreichung dieser Normstrategie ergäbe sich nach der Portfolio-Analyse ein finanzielles Gleichgewicht für das Unternehmen. Auch vom zeitlichen Aspekt her wäre das Unternehmen in einem Gleichgewicht, wenn mindestens 40% des Umsatzes aus Bereichen kommen, die in der Einführungs- und Wachstumsphase des Produktlebenszyklus stehen, und maximal 60% aus Bereichen, die sich in der Reife- und Degenerationsphase befinden (Hahn, D., 2005; Hinterhuber, H., 1996). Bei einer unkritischen Anwendung obiger Normstrategie besteht die Gefahr einer Fehleinschätzung. Generell führt jedoch eine beträchtliche Abweichung von dieser Normstrategie ein Unternehmen langfristig in eine Krise. Allgemein lassen sich aus der BCG-Portfolio- Analyse folgende strategische Aussagen ableiten: Erfolgreiche Produkte, Produktgruppen oder Geschäftseinheiten sind die, die sich von einem „Baby“ über einen „Star“ zur „Cash Cow“ entwickeln und als „Dog“ eliminiert werden, wenn der Kassenabfluss den -zufluss übersteigt. Ein Produkt, eine Produktgruppe oder ein Geschäftsbereich kann jedoch gleich als „Star“, „Cash Cow“ oder sogar als „Dog“ in der Matrix eingestuft werden. Dann verschiebt sich der entsprechende Startpunkt in der Matrix. <?page no="242"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 219 Besitzt ein Unternehmen zu viele „Babies“ oder „Stars“, besteht die Gefahr einer Liquiditätskrise. Das finanzielle Gleichgewicht kann dann durch einen Abbau von „Babies“ und/ oder „Stars“ bzw. durch eine Schaffung von „Cash Cows“ bzw. flüssige Mittel generierenden „Dogs“ wieder erreicht werden. Verfügt das Unternehmen über zu viele „Cash Cows“ oder „Dogs“, dann besteht die Gefahr, dass das Unternehmen aus seinem „Zeitgleichgewicht“ gerät. Das Unternehmen „überaltert“ mit seinen Produkten, Produktgruppen oder Geschäftseinheiten. Es muss sich dann Gedanken darüber machen, wie es die für die Zukunft wichtigen Bereiche der „Babies“ und/ oder „Stars“ generiert. Die BCG-Portfolio-Analyse betrachtet die Internationalisierung von Unternehmen nicht explizit, jedoch wird sie in mehrfacher Hinsicht bei näherer Betrachtung relevant. Im Folgenden wird überprüft, wie durch eine Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten erfolgreiche Durchläufe durch die BCG-Portfolio-Matrix erreicht werden können. Darüber hinaus wird untersucht, inwieweit die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten einen Beitrag zum Erreichen des finanziellen und des zeitlichen Gleichgewichtes leistet. Ein erfolgreicher Durchlauf durch die BCG-Portfolio-Matrix wird durch die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten in mehrfacher Hinsicht unterstützt. Um ein „Baby“ zu einem „Star“ zu entwickeln, muss das Unternehmen die größte kumulierte Produktion erreichen. Ein schnelleres Ablaufen der Erfahrungskurve wird durch Exporte erzielt. Eine frühe Exportorientierung ermöglicht es dem Unternehmen, über den Erfahrungskurven- Effekt Kostenvorteile zu generieren, die zu einer Marktführerschaft und damit zu einem „Star“ führen. Daneben wird es dem Unternehmen möglich, durch den Aufkauf von Konkurrenten im Ausland, die auf seinem Heimatmarkt tätig sind, die relative Wettbewerbssituation zu verbessern. Das erfolgt einerseits, um aus „Babies“ „Stars“ zu machen, andererseits, um das Abdriften von „Babies“ oder „Stars“ in den „Dog“-Bereich zu verhindern. Auch die Vergabe von Technologien ins Ausland ermöglicht es dem Unternehmen, seine relative Wettbewerbssituation im Inland, z.B. durch die Bildung von Kooperationen (u.a. durch strategische Allianzen), zu verbessern. Damit leistet die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten einen wichtigen Beitrag für den erfolgreichen Durchlauf durch die BCG-Portfolio-Matrix. Auch zur Überwindung eines finanziellen Ungleichgewichtes, das durch einen zu hohen Anteil an „Babies“ und/ oder „Stars“ in der BCG-Portfolio-Matrix entstanden ist, trägt die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten bei. Zunächst ist zu überprüfen, ob Kostensenkungspotenzale durch eine Internationalisierung der Beschaffung realisiert werden können. Daneben wird durch Exporte ein schnelleres Ablaufen der Erfahrungskurve erreicht und damit eine günstigere Kostensituation herbeigeführt. Interessant kann bei einem finanziellen Ungleichgewicht die Vergabe von Technologie gegen Gebühren ins Ausland sein. Des Weiteren führen internationale Kooperationen, bei denen der Partner das Kapital und das inländische Unternehmen das Know-how einbringt, u.U. zu einer <?page no="243"?> 220 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Entlastung der finanziellen Anspannung. Eine Kooperation mit Unternehmen im Ausland ist auch dann interessant, wenn durch sie eine Konkurrenz auf dem Heimatmarkt vermieden wird. Das Problem des zeitlichen Ungleichgewichtes bzw. der „Überalterung“ der Produkte, Produktgruppen oder Geschäftsbereiche kann durch die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten ebenfalls entschärft werden. So kommt es zum einen darauf an, die „Cash Cows“ so lange wie möglich in dieser Position zu halten. Kosteneffizienz ist hierfür eine wichtige Voraussetzung. Diese wird auch durch eine Internationalisierung der Beschaffung ermöglicht. Weiterhin kann das Unternehmen nach Märkten suchen, in denen die Produkte noch ein hohes Marktwachstum besitzen. Damit wird es möglich, aus „Cash Cows“ oder „Dogs“ im Inland „Babies“ oder „Stars“ im Ausland zu machen. Wählt man den Export als Markteintritts- oder -bearbeitungsstrategie, ist das Unternehmen in der Lage, die auf dem heimischen Markt erreichten Erfahrungskurven-Vorteile in Preisvorteile auf dem Auslandsmarkt, auf dem das Produkt noch ein „Baby“ oder „Star“ ist, umzusetzen und damit dem zeitlichen Gleichgewicht in der BCG-Portfolio-Matrix näherzukommen. Als Produkte im Sinne der BCG-Portfolio-Analyse werden in der Praxis mitunter auch ganze Bereiche von Unternehmen in verschiedenen Ländern betrachtet. So klassifizierte z.B. die Mannesmann AG (Weisweiler, F.J., 1982) ihre Gesamtaktivitäten in Brasilien (z.B. Röhrenproduktion, Demag, Rexroth) in ihrer Portfolio-Analyse als ein „Baby- Produkt“. Der Aufkauf von Konkurrenten im Ausland verlängert gegebenenfalls die zeitliche Dauer der „Cash Cow“-Situation. Einen Ansatz zur Wiedergewinnung des zeitlichen Gleichgewichtes stellt auch der Kauf eines Unternehmens im Ausland dar, das über genügend „Babies“ verfügt. Damit steigert das Unternehmen seinen „Baby“-Anteil in der BCG- Portfolio-Matrix durch eine Direktinvestition im Ausland. Auch die Technologieübernahme von einem ausländischen Unternehmen eröffnet die Möglichkeit, „Babies“ oder „Stars“ für das Unternehmen zu generieren. Das Eingehen internationaler Kooperationen oder strategischer Allianzen kann demselben Zweck dienen. Die dargestellten Ansatzpunkte zeigen, dass die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten für die Herstellung eines zeitlichen Gleichgewichtes wesentlich sein kann. <?page no="244"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 221 Abbildung 103: Portfolio-Matrix der Mannesmann AG Kritisch an der Portfolio-Analyse nach BCG ist anzumerken, dass sie sich nur auf die beiden Variablen Marktwachstum und relativer Marktanteil des Unternehmens bezieht. Danach muss das Unternehmen eine führende Position auf der Erfahrungskurve anstreben. Obgleich die Auswirkungen einer Volumenerhöhung durch die Aufnahme internationaler Geschäftstätigkeit eindeutig zu einem Effekt bezüglich des relativen Marktanteils führen, wird diese Thematik im Rahmen des Originalkonzepts nur sehr beschränkt angesprochen. Die Defizite im Konzept der BCG-Matrix haben zur Entwicklung komplexerer Portfoliokonzepte geführt. Die weiteste Verbreitung hat hierbei die McKinsey- oder General Electric (GE)-Matrix gefunden (Kerth, K./ Asum, H./ Stich, V., 2011). Deren Anwendbarkeit im Internationalen Management wird im Folgenden diskutiert. 5.2 McKinsey/ GE-Matrix Im Gegensatz zur Portfolio-Analyse nach BCG basiert die GE-Matrix auf einem Scoring- Modell bzw. einem Nutzwertverfahren (Schrank, R./ Giesa, T., 2012). Anstatt der Festlegung auf bestimmte, klar quantifizierbare Variablen wird also der Ansatz gewählt, das zu messende Konstrukt auf Teilbestandteile herunterzubrechen und diese über ein Bewertungssystem messbar zu machen. Dies bietet den Vorteil, dass mehrere Dimensionen abgebildet <?page no="245"?> 222 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld werden können und dadurch eine breitere Erfassung des Sachverhaltes möglich ist. Implizit wird dadurch natürlich der Nachteil einer teilweise subjektiven Bewertung in Kauf genommen. In Anbetracht der äußerst komplexen Aufgabe der Bewertung der strategischen Position internationaler Geschäftseinheiten erscheint dieser methodische Kompromiss jedoch als durchaus sinnvoll. In der Basisversion beinhaltet das Konzept der GE-Matrix die Dimensionen Marktattraktivität und Wettbewerbsstärke. Diese reflektieren die Ergebnisse der internen und externen Analyse und sind insofern vergleichbar mit den Dimensionen des BCG-Portfolios. Anders als im BCG- Konzept können jedoch verschiedene Subkategorien für die einzelnen Dimensionen gewählt werden, welche in der Folge zu einem aggregierten „Score“ zusammengefasst werden. Zunächst ist festzulegen, aus welchen Kriterien sich die Marktattraktivität und Wettbewerbsstärke zusammensetzen und wie diese gewichtet werden. Marktattraktivität kann zum Beispiel aus den Unterkriterien Marktvolumen, Marktwachstum, Branchenrendite, Markteintrittskosten etc. bestehen. Für die Ermittlung der Wettbewerbsstärke sind denkbare Größen relativer Marktanteil, relative Produktqualität und Preisvorteile, relative Vertriebsstärke sowie das relative Forschungs- und Entwicklungspotenzial. Anschließend werden die Kriterien für jedes strategische Geschäftsfeld oder jede gewünschte Geschäftseinheit bewertet (Grüning, R./ Kühn, R., 2009; Hill, C.W.L./ Jones, G.R., 2009; Welge, M.K./ Al-Laham, A., 2012; Schrank, R./ Giea, T., 2012). Daraus ergibt sich die Lage der einzelnen Geschäftsfelder in einer Neun-Felder-Matrix. Die Geschäftseinheiten werden als Blasen dargestellt, wobei deren Größe sich meist nach dem Umsatz, den die Geschäftseinheit zum Unternehmen beiträgt, richtet (Grüning, R./ Kühn, R., 2011; Welge, M.K./ Al-Laham, A., 2012). Verschiedentlich finden sich aber auch Darstellungen, welche den Gewinnbeitrag oder den erzielten Deckungsbeitrag mit einbeziehen. Abbildung 104 zeigt das Herunterbrechen der Dimension Markattraktivität auf Punktwerte und die dazugehörige Zuweisung konkreter Datenausprägung am Beispiel eines Komponentenherstellers. <?page no="246"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 223 * = Compound Anual Growth Rate Abbildung 104: Beispielhafte Kriterien für die Abbildung der Marktattraktivität im Rahmen der GE-Matrix Quelle: Schrank, R./ Giesa, T., 2012 Wie gezeigt wird, ist es nur teilweise möglich, die jeweiligen Punktwerte mit konkreten Daten zu unterlegen. Auch wenn für die Bewertung eines Kriteriums wie beispielsweise der „Wettbewerbsintensität“ zahlreiche Daten zur Verfügung stehen, fällt die Festlegung auf eine konkrete Ausprägung oft schwer. Weder die Anzahl noch die durchschnittliche Größe der Wettbewerber korreliert notwendigerweise mit der Wettbewerbsintensität. Daher muss an dieser Stelle mit Einschätzungen des Managements gearbeitet werden. Dies ist bei der Bewertung der zweiten Hauptdimension, der Wettbewerbsstärke, oft in noch höherem Maße notwendig, wie Abbildung 105 zeigt. Abbildung 105: Herunterbrechen der Scores zur Wettbewerbsstärke in Daten oder qualitative Scores Quelle: Schrank, R./ Giesa, T., 2011 <?page no="247"?> 224 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Die Wettbewerbsstärke kann gemeinhin besser über qualitative Skalen abgebildet werden, da sich die Quantifizierung der entsprechenden Kriterien meist schwieriger gestaltet. Dies hängt aber letztlich von der Datenlage in der entsprechenden Branche ab. So ist im Falle des vorliegenden Komponentenherstellers der Marktanteil nur sehr schwer zu quantifizieren, da die entsprechenden Daten nicht vorliegen. Eine Einschätzung entlang der unten genannten Kategorien zwischen „Keine Bedeutung“ und „Nr. 1 oder Nr. 2“ wird den Vertriebsmitarbeitern jedoch relativ leicht fallen. Auch bei den anderen Kriterien herrschen qualitative Scores vor, wobei natürlich quantifizierbare Daten wünschenswerter wären. Durch die weitgehend freie Wahl der Kriterien ist auch eine Anpassung an das spezifische Umfeld einer bestimmten Branche oder ein bestimmtes nationales Umfeld erzielbar. Abbildung 106: Bestimmung der Position in der GE-Matrix aufgrund der Punktwerte und der Gewichtung Quelle: Schrank, R./ Giesa, T., 2012 Die GE-Matrix wird in neun Felder aufgeteilt, was im Vergleich zur BCG-Matrix mit nur vier Feldern mehr Spielraum für die Ableitung differenzierter Normstrategien bietet. Die Definition und Bewertung der Variablen kann bei der GE-Matrix subjektiv ausfallen (Kerth, K./ Asum, H./ Stich, V., 2011). Allerdings geht sie wesentlich detaillierter auf die individuellen Bedürfnisse einzelner Unternehmen und Branchen ein und stellt die Komplexität des Unternehmensumfeldes treffender dar als das BCG-Portfolio (Grüning, R./ Kühn, R., 2011). Als Normstrategien im Rahmen der GE-Matrix wird ein selektives Vorgehen entlang der Diagonalen der Neun-Felder-Einteilung vorgeschlagen, wobei die Investitionsschwerpunkte im oberen rechten, also im optimalen Bereich liegen sollten (Grüning, R./ Kühn, R., 2011; Welge, M.K./ Al-Laham, A., 2012; Macharzina, K./ Wolf, J., 2005). In Abbildung 107 ist dieser Investitionsbereich durch die drei blauen Felder gekennzeichnet, in denen SGF 1 positio- <?page no="248"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 225 niert ist. Die hellblau gefärbten Felder am linken unteren Rand repräsentieren hingegen die Bereiche, in denen die Normstrategie eine Desinvestition bzw. ein Ausstieg ist. Abbildung 107: Grundaufbau der GE-Matrix Die GE-Matrix ist ein klassisches Instrument der Konzernstrategie und wird oft zur Bewertung der strategischen Geschäftseinheiten auf globaler Basis verwendet. Im internationalen Management kann der Ansatz jedoch auch durch die geografische Dimension erweitert oder auf Länder als Analyseobjekte übertragen werden. Hierzu wird die geografische Dimension, welche bei der Einteilung der strategischen Geschäftseinheiten in Schritt I.a bereits diskutiert wurde, hinzugezogen. Um die GE-Matrix international anwenden zu können, bieten sich drei grundsätzliche Vorgehensweisen an: (1) Die Analyse einzelner Länder oder Ländergruppen in einer Matrix. (2) Die Erstellung regionalspezifischer Matrizen, welche jeweils die strategischen Geschäftseinheiten spezifisch abbilden. (3) Die Aggregation der ermittelten Matrizen zu einer Konzernmatrix. Während Möglichkeit (1) und Möglichkeit (2) die Analyse eine Stufe unter der Konzernebene ansiedeln, bietet Möglichkeit (3) eine Alternative zur direkten Erstellung eines globalen Konzernportfolios an, da sie auf einzelnen regionalspezifischen Analysen basiert. Im Folgenden werden die genannten drei Möglichkeiten kurz vorgestellt. <?page no="249"?> 226 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Ländermatrizen Zur Erstellung einer Ländermatrix wird das Portfolio der Aktivitäten eines Landes in einem bewertet. Die Attraktivität eines Ländermarktes wie zum Beispiel der Türkei erfolgt also über die einzelnen strategischen Geschäftseinheiten hinweg in einem Score. Dies stellt zwar eine Vereinfachung dar, führt jedoch in vielen Fällen zu einer besseren Übersicht über die regional unterschiedlichen strategischen Positionen. Zudem muss erwähnt werden, dass es bei der Erstellung einer solchen Matrix oft auch um die Bewertung der jeweiligen Tochtergesellschaft geht, so dass die Wettbewerbsstärke über verschiedene Geschäftseinheiten häufig sehr stark miteinander korreliert. Außerdem ist die Attraktivität eines nationalen Marktes in vielen Fällen über verschiedene Geschäftseinheiten hinweg zumindest vergleichbar. Insofern ist die genannte Vereinfachung hinnehmbar. Abbildung 108 zeigt eine Geschäftsfeldmatrix, welche für den Bereich Mittlerer Osten/ Afrika eines deutschen Pharma-Unternehmens erstellt wurde. Abbildung 108: Regionale Geschäftsfeldmatrix eines Unternehmens der pharmazeutischen Industrie für den Bereich Mittlerer Osten/ Afrika Die Position der einzelnen Blasen basiert auf der Gesamteinschätzung des jeweiligen Ländermarktes. Die Unterscheidung zwischen potenziellen und bereits existierenden Märkten stellt eine Vorgehensweise dar, welche bei der Anwendung der GE-Matrix stets verfolgt werden sollte. Auch hier kann die Einteilung, welche in der Geschäftsfelddefinition in <?page no="250"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 227 Schritt I.a erfolgt ist, herangezogen werden. Im vorliegenden Fall kann das Portfolio durchaus im Sinne der Normstrategien interpretiert werden. Die starken Ländergesellschaften in Saudi-Arabien, Katar und Ägypten stellen den Fokus einer Stabilisierungsstrategie dar. Durch die Ausweitung der regionalen Präsenz in Richtung Osteuropa und der Türkei können jedoch attraktive neue Märkte für die regionale Organisation hinzugewonnen werden. Während die kleineren Märkte in Nordafrika und dem mittleren Osten aufgrund ihrer begrenzten Attraktivität abgeschöpft werden, ist eine Erweiterung in die Länder der vormaligen Sowjetunion eher wenig aussichtsreich. Das hier angedachte Engagement in Usbekistan ist insofern auf den Prüfstand zu stellen. Wie häufig bei der Interpretation einer solchen Matrix ist eine wesentliche Entscheidung bezüglich der in der Mitte platzierten Ländermärkte zu fällen. Ob in diesem Falle Ägypten oder Libanon in den Fokus einer Wachstumsstrategie rücken können oder ob Südafrika als möglicher neuer Markt erschlossen werden kann, muss eine tiefergehende Analyse ergeben. Ländermatrizen sind von zentraler Bedeutung für die Regionalstrategie, sollten jedoch durch eine Aufgliederung in die einzelnen Geschäftsfelder ergänzt werden. Regionale Geschäftsfeldmatrizen Es ist für einzelne Regionalstrategien unumgänglich, eine Analyse pro Geschäftsfeld durchzuführen, also ein Geschäftsfeldportfolio spezifisch für ein Land oder eine Region abzubilden. Das Ergebnis ist im Prinzip mit der Geschäftsfeldmatrix auf Konzernebene vergleichbar, wird aber gemeinhin andere Ausprägungen der einzelnen Kriterien enthalten. Ein Markt, welcher in einem Land als groß zu betrachten ist, erfüllt nicht notwendigerweise die Voraussetzungen eines Umsatzträgers in einer größeren Region oder dem Konzern. Durch den Scoring-Ansatz der GE-Matrix werden diese Werte jedoch wiederum vergleichbar gemacht. So ergibt sich in Ergänzung der eben geschilderten Ländermatrix ein Bild der Geschäftsfeldsituation in jedem einzelnen der analysierten Länder. Entscheidend für den Nutzen einer solchen Analyse ist natürlich, inwiefern die einzelnen Länder oder regionalen Märkte strategische Unterschiede aufweisen. Je höher die Diversität der einzelnen Ländergesellschaften bzw. Ländermärkte ist, desto notwendiger ist eine tiefergehende Einzelanalyse und der Abgleich mit der Konzernmatrix. So wird ein Unternehmen mit einer polyzentrischen Strategie eher dazu tendieren, eine Konzernmatrix aus einzelnen Länderbestandteilen zu aggregieren, als ein Unternehmen, welches eher global ausgerichtet ist. Für das Beispiel, welches in Abbildung 107 dargestellt ist, würde sich also eine Matrix für den türkischen Markt beispielsweise, wie in Abbildung 109 gezeigt, ergeben. <?page no="251"?> 228 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Abbildung 109: Geschäftsfeldmatrix eines Pharma-Unternehmens am Beispiel der Türkei Beide Ausprägungen der GE-Matrix - die Länderbetrachtung und die Geschäftsfeldbetrachtung pro Land - haben ihre Berechtigung und stellen unterschiedliche Perspektiven der Strategiebetrachtung dar. Um von einer der beiden Perspektiven zu einer Gesamtdarstellung der Konzernsituation auf internationaler Ebene zu kommen, ist eine Integration der Einzelergebnisse notwendig. Diese wird im folgenden Schritt dargestellt. Konzernmatrix auf Basis einzelner Länder- oder Regionalmatrizen Eine Konzernmatrix lässt sich, wie bereits angesprochen, auch direkt durch eine Evaluierung der globalen Geschäftseinheiten ermitteln. Die Alternative der Aggregation einzelner Ländermatrizen, die hier dargestellt werden soll, bietet jedoch den Vorteil, dass sie nationale Gegebenheiten berücksichtigt und zu einer Überprüfung des Urteils auf globaler Ebene beitragen kann. Geht man von regionalen Geschäftsfeldmatrizen aus, kann die Aggregation zu einer Konzernmatrix anhand des folgenden Vorgehens erfolgen: Schritt 1: Gewichtung der einzelnen Ländergesellschaften Das methodische Kernproblem bei der Ermittlung der Konzernmatrix stellt sicherlich die Gewichtung der einzelnen Gesellschaften dar. Die Gewichtung der Ländergesellschaft sollte über die Kennzahl erfolgen, welche die Bedeutung des Landes am besten wiedergibt. Oft wird dies der Umsatz sein, es könnten jedoch auch Gewinnanteile sowie wiederum Scores verwendet werden. Aus Gründen der höheren Objektivierung liegt jedoch die Verwendung von Umsätzen nahe. Somit ergibt sich für das Gewicht eines Landes <?page no="252"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 229 mit bei bis Ländern U = Konzernumsatz = Umsatz des Landes Schritt 2: Ermittlung der gewichteten durchschnittlichen Wettbewerbsstärke mit = Wettbewerbsstärke des Landes im Konzernverbund = Wettbewerbsstärke der Landesgesellschaft = Score des Kriteriums bei bis Subkriterien = Gewicht des Kriteriums im Land bei Subkriterium bei bis Subkriterien Hierbei beziehen sich die einzelnen Scores und Gewichte auf die jeweils ermittelnden Werte für die Wettbewerbsstärke des Landes Schritt 3: Ermittlung der gewichteten durchschnittlichen Marktattraktivität mit = Marktattraktivität des Landes im Konzernverbund = Wettbewerbsstärke der Landesgesellschaft = Score des Kriteriums bei bis Subkriterien = Gewicht des Kriteriums im Land bei Subkriterium c bei bis Subkriterien Hierbei beziehen sich die einzelnen Scores und Gewichte auf die jeweils ermittelten Werte für die Marktattraktivität des Landes Die resultierende Konzernmatrix ergibt rein konzeptionell ein vergleichbares Bild wie die vorher dargestellte länderspezifische Geschäftsfeldmatrix. Im Gegensatz zu dieser enthält die Konzernmatrix jedoch die aufgrund der oben angegebenen Algorithmen verdichteten Daten und ergibt so ein Gesamtbild der Konzernsituation. Eine mögliche Ausprägung dieser Matrix für das oben genannte Beispiel wird in Abbildung 110 dargestellt. <?page no="253"?> 230 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Abbildung 110: Konzernweite GE-Matrix auf Basis länderspezifischer GE-Matrizen Die Positionen der hier beispielhaft dargestellten strategischen Geschäftsfelder Vitamine, Diabetes, Schmerz, Gastro und Hormone enthalten die vorher definierten gewichteten Mittelwerte der Länder. Hierdurch werden die Unterschiede in der Positionierung der strategischen Geschäftsfelder relativiert. Durch die Mittelwertbildung können Unterschiede in der Positionierung in einzelnen Ländern und Regionen gegeneinander ausgeglichen werden. Dies beinhaltet den Nachteil, dass die einzelnen Werte aus der direkten Aggregation nicht mehr ablesbar sind. Andererseits ergibt sich ein Gesamtwert, welcher durch Einzelländerdaten fundiert ist und bei Bedarf auch in seine Bestandteile heruntergebrochen werden kann. Insofern enthält die Konzernmatrix wertvolle Einzeldaten, welche durch die direkte Erstellung einer Konzernanalyse nicht ermittelt werden können. Ein erheblicher Nutzen der aggregierten GE-Matrix ergibt sich durch einen Vergleich mit der direkt erstellten Konzernmatrix. Sind beide Matrizen deckungsgleich, so resultiert daraus ein konsistentes Bild, welches für gute Kommunikation und zweckmäßige Unternehmensstrukturen spricht. Ergeben sich allerdings größere Abweichungen zwischen den beiden Matrizen, so sind die Abweichungen zu analysieren. Dem Problem der Unterschiedlichkeit der Position eines Geschäftsfeldes zwischen verschiedenen Einzelpositionierungen in den Ländern kann durch eine grafische Darstellung begegnet werden, welche in Abbildung 111 beispielhaft dargestellt wird. Obgleich der aggregierte Wert eines Landes durchaus seine Berechtigung hat, wird in dieser Darstel- <?page no="254"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 231 lungsform die Abweichung im internationalen Umfeld durch die Darstellung von Pfeilen, welche die Länderposition wiedergeben, und eine entsprechende Fläche gekennzeichnet. So zeigt sich im dargestellten Beispiel, dass das Geschäftsfeld Vitamine im internationalen Vergleich eine deutlich unterschiedliche Positionierung einnimmt, wohingegen das Geschäftsfeld Diabetes weitgehend einheitlich positioniert ist. Abbildung 111: Kombinierte Länder- und Konzernmatrix Die Schlussfolgerung aus dieser kombinierten Matrix ist im gegebenen Beispiel, dass für das Geschäftsfeld Diabetes eher ein globaler Strategieansatz notwendig ist, wohingegen das Geschäftsfeld Vitamine einen dezentralen Ansatz erfordert, weil die Rolle des Produktes sich zu sehr bezüglich verschiedener Ländermärkte unterscheidet. Im Falle des Beispielunternehmens aus der pharmazeutischen Industrie ist diese Unterscheidung durchaus sinnvoll, da Vitamine je nach Entwicklung des nationalen Gesundheitssystems eine völlig unterschiedliche Rolle spielen, wohingegen ein international patentgeschütztes Produkt in einem therapeutischen Feld wie Diabetes gemeinhin global vermarktet werden sollte. Von der Schlussfolgerung lassen sich aus der Konzernmatrix und ihren Varianten ableiten: (1) Die Normstrategien der Position eines strategischen Geschäftsfeldes gleichen dem Grundkonzept der GE-Matrix: Investition, Selektion und Desinvestition. (2) Die Positionen der Geschäftsfelder sind auf ihre Abweichungen in einzelnen Regionen oder Ländern zu überprüfen. (3) Je stärker die Abweichung ist, desto dezentraler und somit heterogener muss die internationale Strategie eines Geschäftsfeldes aussehen. <?page no="255"?> 232 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld (4) Je einheitlicher die Positionierung des Geschäftsfeldes über Länder hinweg ist, desto globaler und somit homogener muss die Strategie des Geschäftsfeldes aussehen. Die GE-Matrix bietet gegenüber dem BCG-Portfolio ein wesentlich breiteres Spektrum an Sachverhalten und Daten, welche in die Analyse mit eingebunden werden können. Hierdurch eignet sie sich besonders für den Einsatz im komplexen Umfeld der internationalen Strategieentwicklung. Die Vielzahl an Informationen wird so komprimiert dargestellt, dass sich eine fokussierte Diskussion über die internationale strategische Ausrichtung führen lässt, ohne dass dabei in hohem Maße auf Details eingegangen werden muss. Dennoch ist die Methode natürlich auch mit Schwächen verbunden. Durch den Scoring- Ansatz ergibt sich fast zwangsläufig eine gewisse Subjektivität, welche dem Konzept oftmals unterstellt wird. Andererseits bietet die GE-Matrix die Möglichkeit, diese Subjektivität durch entsprechende Datenfundierung auf ein Minimum zu reduzieren. Der Hauptvorteil gegenüber weniger mehrdimensionalen Ansätzen ist jedoch darin zu sehen, dass die GE-Matrix nur auf wenigen Annahmen und Prämissen aufbaut und die Ausgestaltung der Position weitgehend dem Bewerter überlässt. Hierdurch wird sie zu einem wertvollen Instrument zur Konsensbildung im komplexen internationalen Umfeld. Eine Variation dieses mehrdimensionalen Ansatzes stellt die Directional Policy Matrix von Shell dar, welche im Folgenden kurz vorgestellt wird. 5.3 Directional Policy Matrix von Shell Abbildung 112 gibt als ein weiteres Beispiel einer mehrdimensionalen Portfolio-Analyse die Directional Policy Matrix von Shell wieder (Wack, P., 1983). <?page no="256"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 233 Abbildung 112: Directional Policy Matrix von Shell In diesem Konzept wird beispielsweise die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens durch die Faktoren Marktstellung, Marketing-, Produktions-, Forschungs- und Entwicklungsfähigkeiten bestimmt. Die Marktattraktivität wird durch die Faktoren Marktwachstum, Markteintrittsbarrieren, Beschaffungsmarktverhältnisse und staatliche Regulierungen erfasst. Anhand dieser Matrix werden unterschiedliche „Strategieempfehlungen“ gegeben. Jedes Unternehmen muss bei einer solchen Analyse jedoch selbst bestimmen, welche Faktoren in seinem Marktsegment für die Bestimmung der Wettbewerbsfähigkeit besonders wichtig sind. Das Gleiche gilt für die Faktoren zur Bestimmung der Marktattraktivität. Wenn auch die Directional Policy Matrix von Shell somit nur ein Beispiel für eine Neun- Felder-Matrix ist, soll doch im Folgenden untersucht werden, welchen Beitrag die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten zu den einzelnen in Abbildung 112 enthaltenen Strategieempfehlungen leistet. Für die „Desinvestition“ und den „phasenweisen Ausstieg“ ist zu überprüfen, ob in den betreffenden Bereichen Know-how vorhanden ist, das weiterhin in einem Land genutzt werden kann, in dem die Marktattraktivität noch hoch genug ist. Dann wäre die Vergabe von Technologieverträgen ins Ausland eine Gewinn bringende Alternative. Eventuell ist das vorhandene Know-how noch dafür zu verwenden, um mit einem ausländischen Unternehmen eine Kooperation einzugehen. Des Weiteren ist zu überprüfen, inwieweit durch eine Internationalisierung der Beschaffung und durch verstärkte Exportanstrengungen Erfahrungskurvenvorteile erzielbar sind, die eine größere Kosteneffizienz ermöglichen, um damit den Ausstieg zeitlich zu verzögern. <?page no="257"?> 234 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Bei den Strategien „Verdoppelung oder Ausstieg“, „vorsichtige Weiterentwicklung“ bzw. „verstärkte Anstrengungen“ muss das Unternehmen untersuchen, ob es ihm möglich ist, langfristig Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Das Erreichen der Wettbewerbsfähigkeit hängt in der Shell-Matrix von den Faktoren Marktstellung, Marketing-, Produktionssowie Forschungs- und Entwicklungsfähigkeiten ab. Zwar gelten diese Faktoren nicht allgemein für alle Unternehmen zur Bestimmung der Wettbewerbsfähigkeit, jedoch soll auch an diesen Variablen exemplarisch gezeigt werden, wie sich die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten positiv auf sie auswirkt. Die Marktstellung von Unternehmen wird auf mehrfache Weise durch die Internationalisierung positiv beeinflusst. So ist z.B. durch eine Internationalisierung der Beschaffung, durch Exportsteigerungen über Erfahrungskurveneffekte und durch internationale Kooperationen eine Verbesserung der Marktstellung eines Unternehmens möglich. Auch eine Verbesserung des Images wird durch eine erfolgreiche Auslandstätigkeit erreichbar. Die Produktionsfähigkeiten können durch eine verstärkte Exporttätigkeit aufgrund von Erfahrungskurveneffekten, internationalen Kooperationen bzw. Produktionsverlagerungen ins Ausland erhöht werden. Auch die internationale Beschaffung kann zum gleichen Effekt führen. Eine Internationalisierung des Forschungs- und Entwicklungsbereiches hat ebenso positive Einflüsse auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens wie Kooperationen oder strategische Allianzen auf diesem Gebiet. Die Strategien der „Führerschaft“, des „Wachstums“ und der „reinen Cash-Generierung“ gehen von der Annahme aus, dass das Unternehmen eine überlegene Wettbewerbsfähigkeit besitzt. Hier dient die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten mitunter dazu, diese Position zu verbessern oder zumindest zu halten. Das Unternehmen kann gezielt nach Auslandsmärkten suchen, auf denen es seine Vorteile ausnutzt. Dies ist durch Exporte, eine Direktinvestition oder eine Technologievergabe ins Ausland erreichbar. Durch verstärkte oder erstmalige Exporte erzielt das Unternehmen stärker als bisher Erfahrungskurveneffekte und baut damit seine führende Stellung aus. Direktinvestitionen können einmal zum Erwerb von Konkurrenten im Ausland durchgeführt werden und zum anderen, um auch dort eine führende Position zu erreichen. Technologieverträge ermöglichen es dem Unternehmen, zusätzliche Gewinne zu erzielen, die die Finanzkraft im Inland und damit die Wettbewerbsposition stärken. Darüber hinaus werden internationale Technologieverträge oft abgeschlossen, um internationale Kooperationen zu beginnen, die den Markteintritt für neue Wettbewerber erschweren. 5.4 SWOT-Analyse Die SWOT-Analyse dient der Zusammenfassung der Analyseergebnisse in einem qualitativen Format, welches auf formale, quantitative Strukturen verzichtet. Hier werden die Stärken und Schwächen, welche in der internen Analyse identifiziert wurden, und die Chancen <?page no="258"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 235 und Risiken, welche sich aus der externen Analyse ergeben, gemeinsam erfasst (Lynch, R., 2011). Die SWOT-Analyse kann auf verschiedenen Perspektiven beruhend eingesetzt werden. Es ist möglich, sie auf strategische Geschäftsfelder, Funktionalbereiche, aber auch geografische Einheiten anzuwenden. Letzteres ist für die vorliegende Themenstellung von besonderem Interesse, da jedes Land eigene Chancen und Risiken, aber auch zukünftige und gegenwärtige Stärken und Schwächen aufweisen kann (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011). Abbildung 113: Internationalisierte SWOT-Analyse Quelle: Kutschker, M./ Schmid, S., 2011 Im Gegensatz zu einer einheitlichen und kaum gegliederten Auflistung der Faktoren wird hier jeder der Faktoren in eine konzernweite und eine länderspezifische Sicht geteilt. Dadurch werden alle in vorherigen Analysen ermittelten Daten verwertet und die Konzentration auf länderspezifische Informationen wird berücksichtigt. Um daraus im nächsten Schritt Normstrategien ableiten zu können, werden die internen und externen Faktoren einander tabellarisch gegenübergestellt. Es ist zu beachten, dass die SWOT-Normstrategien nur Stoßrichtungen vorgeben. Hierbei werden verschiedene Handlungsoptionen präsentiert, welche anschließend auf den bestimmten Fall hin konkretisiert und in mögliche Strategien transferiert werden müssen (Kerth, K./ Asum, H./ Stich, V., 2011). Allerdings werden die SWOT-Normstrategien in der Regel nur auf Konzernebene ausgeführt. Deshalb soll auch hier eine Lösung gefunden werden, die zusätzlichen Daten der einzelnen Länder zu integrieren. In Abbildung 114 werden konzernweite sowie länderspezifische Komponenten bei der Ermittlung von Strategieoptionen gleichermaßen berücksichtigt. <?page no="259"?> 236 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Abbildung 114: SWOT-Normstrategien für verschiedene hierarchische Ebenen Quelle: In Anlehnung an: Kerth, K./ Asum, H./ Stich, V., 2011 Um die Normstrategien richtig ableiten zu können, werden die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken sowohl auf Konzernebene als auch für jedes einzelne Land in einer separaten Tabelle aufgelistet und nach Wichtigkeit geordnet. Diese werden dann innerhalb einer Matrix so kombiniert, dass sich daraus Strategien ableiten lassen. SO-Strategien dienen dem Einsatz von Stärken zur Nutzung von Chancen, ST-Strategien nutzen eigene Stärken, um Risiken abzuwehren, WO-Strategien überwinden eigene Schwächen durch das Nutzen von Gelegenheiten und WT-Strategien versuchen Risiken durch den Abbau von Schwächen aus dem Weg zu gehen (Macharzina, K./ Wolf, J., 2012). Es ergeben sich Strategien für jede geografische Einheit sowie für den Gesamtkonzern, welche nach Wichtigkeit priorisiert sind. Allerdings befinden sich diese nun in mehreren Tabellen, so dass man nicht von einer übersichtlichen Darstellung der Ergebnisse sprechen kann. Um die Masse an entstandenen Strategievorschlägen bewältigen und umsetzen zu können, müssen diese in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht werden, wobei es keine Rolle spielt, ob es sich um konzernweite oder länderspezifische Strategien handelt. Einen konkurrenzarmen Ländermarkt mit bestehenden Produkten zu penetrieren, kann genauso lukrativ oder wichtig sein wie die Entwicklung einer neuen Produktreihe auf Konzernebene. Hierzu wird ein Maßnahmenplan erstellt, wobei entschieden werden muss, welche Strategien von besonderem Interesse sind (A-Strategien), welche zwar relevant, aber zunächst nicht allzu wichtig sind (B-Strategien) und welche eine untergeordnete Rolle spielen (C-Strategien). Für die folgende Strategieformulierung ist somit schon ein Fokus auf das Wesentliche gerichtet. Durch die Aufnahme der länderspezifischen Informationen in die SWOT-Analyse und -Normstrategien kann auch die zukünftige Rolle einzelner Länder definiert werden. Ist die <?page no="260"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 237 Positionierung von strategischen Geschäftseinheiten in einem bestimmten Ländermarkt von zentraler Bedeutung, um konkurrenzfähig bleiben zu können, so kann dies nur durch die Analyse geografischer Besonderheiten und deren Berücksichtigung in der nun folgenden Strategieformulierung erreicht werden. 6 Strategieformulierung Die Formulierung einer internationalen Strategie erfordert eine Vielzahl von Entscheidungen, welche sich entlang verschiedener Dimensionen anordnen lassen. Eine abschließende Aufzählung dieser Dimensionen ist aufgrund der Komplexität einer Strategie kaum möglich, es lassen sich jedoch gewisse Basisentscheidungen identifizieren, welche im Folgenden aufgeführt werden. 6.1 Dimensionen der internationalen Strategieformulierung Abbildung 115 zeigt die Dimensionen der Strategieentscheidung eines internationalen Unternehmens beispielhaft auf. Neben der eigentlichen Dimension, welche auf der linken Seite der Grafik dargestellt wird, finden sich in den rechten Feldern die jeweils relevanten Basisstrategien der entsprechenden Dimension. Abbildung 115: Dimensionen der internationalen Strategieentwicklung So wird im Rahmen der Entwicklungsrichtung oder des Mitteleinsatzes darüber entschieden, ob ein Geschäftsfeld oder ein international abgegrenzter Bereich Gegenstand einer Investitionsstrategie sein soll, ob ein Wachstum angestrebt wird oder ob ein Zurückziehen auf bestehende Positionen bis hin zu einer Desinvestition sinnvoll ist. Eine generische Entscheidung im Rahmen des internationalen Managements stellt die zweite Dimension dar, in welcher über die Art des angestrebten Wachstums und damit über die Produkt-Marktkombination entschieden wird. An dieser Stelle ist das Instrument der Ansoff-Matrix von zentraler Bedeutung, welche in diesem Abschnitt näher erläutert wird. <?page no="261"?> 238 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Bei Entscheidungen über das Wertschöpfungsmodell steht die Ausgestaltung der Wertschöpfung des Unternehmens im Mittelpunkt. An dieser Stelle muss über Themen wie Mergers & Acquisitions (M&A), Vorwärts- oder Rückwärtsintegration sowie Diversifikation entschieden werden. Die Dimensionen Marktabdeckung und Wettbewerbsstrategie beziehen sich auf die entsprechenden Ansätze von Porter und erfordern eine Entscheidung über die Positionierung gegenüber Wettbewerbern (Kostenführerschaft, Qualitätsführerschaft, hybride Strategien) und die Breite der Abdeckung des Marktes im Hinblick auf beispielsweise eine Nischenstrategie oder eine Gesamtmarktabdeckung. Eine gerade im internationalen Rahmen immer zentraler werdende Kategorie ist die Dimension der Innovationsstrategie. Da die Differenzierung gegenüber internationalen Wettbewerbern aus Ländern mit anderen Kostenstrukturen oftmals nur über eine technologische oder anderweitige Innovationsführerschaft denkbar ist, kommt der Entscheidung über eine „First-Mover“- oder aber „Follower“-Strategie eine wesentliche Bedeutung zu. Letztlich müssen die strategischen Basisentscheidungen in Handlungsempfehlungen und strategische Richtlinien für die einzelnen Funktionsbereiche umgesetzt werden, was im Rahmen der Funktionalstrategien erfolgt. Die genannte Aufzählung ist keinesfalls erschöpfend, bietet aber einen Bezugsrahmen zur Festlegung zentraler strategischer Richtlinien. Für eine detailliertere Darstellung der einzelnen Dimensionen sei auf die Literatur zum nationalen strategischen Management verwiesen (Hungenberg, H./ Wulf, T., 2011; Lombriser, R./ Abplanalp, P., 2010; Müller-Stewens, G./ Lechner, C., 2002). In der praktischen Anwendung wird die Darstellung aus Abbildung 115 im Sinne eines „Strategietableaus“ erweitert. Hierzu werden die Ausprägungen der einzelnen Dimensionen als Entscheidungspunkte grafisch abgebildet und durch eine Kurve verbunden, welche das strategische Profil des Unternehmens darstellt. Im Folgenden werden beispielhaft Instrumente der Ansoff-Matrix und der Porter-Matrix dargestellt, welche sich auf die Strategiedimensionen „Produkt-Marktkombination“ sowie „Wettbewerbsstrategie“ beziehen. Hierbei wird insbesondere auf die Erweiterung eingegangen, welche das jeweilige Instrument im internationalen Umfeld erfährt. 6.2 Wachstumsstrategien: Ansoff-Matrix Ansoff (Ansoff, I.H., 1965) geht bei der Entwicklung seines strategischen Konzeptes von der Frage aus, ob das Unternehmen auf Basis der bisherigen Strategie über genügend Potenziale für die Sicherung eines zukünftigen Unternehmenswachstums verfügt (Meffert, H./ Burmann, C./ Kirchgeorg, M., 2011). Dies untersucht er mit Hilfe des Modells der strategischen Lücke (Ansoff, I.H., 1957). Dabei versteht er unter einer strategischen Lücke die Differenz zwischen der strategischen Zielvorstellung des Unternehmens und dem aktuellen Erfolgspotenzial. <?page no="262"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 239 Die Schließung einer vorhandenen strategischen Lücke kann nach Ansoff durch vier Grundbzw. Wachstumsstrategien erreicht werden: durch eine Marktdurchdringungs-, Markterweiterungs-, Produktdifferenzierungs- oder Diversifikationsstrategie. Dabei soll unter der Produktdifferenzierung sowohl die Produktentwicklung als auch -erweiterung verstanden werden, also auch Innovationen erfasst werden. Diese unterschiedlichen Strategien entwickelt er aus einem Produkt-Markt-Mix, wobei er jeweils zwischen der Beibehaltung bestehender oder neuer Produkte oder Märkte unterscheidet. Aus den Dimensionen Produkt und Markt entwickelt Ansoff eine Matrix, die strategische Felder nach dem Neuigkeitsgrad der Märkte und der Produkte klassifiziert (Abbildung 116). Die Abgrenzung in alte und neue Märkte bzw. Produkte erfolgt nach sachlichen Kriterien. Abbildung 116: Ansoff-Matrix Inwieweit die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten zur Schließung der strategischen Lücke beitragen kann, wird zwar von Ansoff nicht explizit analysiert, jedoch lassen sich bei allen von ihm vorgeschlagenen Grundstrategien Ansatzpunkte finden, die implizit für die Aufnahme oder Ausdehnung von Auslandsaktivitäten von Unternehmen sprechen. Diese Ansatzpunkte sollen im Folgenden herausgearbeitet werden. Dazu soll die ursprüngliche Ansoff-Matrix dahingehend erweitert werden, dass die Märkte nicht nur in alt oder neu, sondern auch in In- und Ausland unterschieden werden. Neben der sachlichen wird somit eine räumliche Abgrenzung (national/ international) vorgenommen. Abbildung 117 gibt diese modifizierte Ansoff-Matrix wieder. Abbildung 117: Modifizierte Ansoff-Matrix Abbildung 117 zeigt dabei, dass sich für jede Fundamentalstrategie zwei unterschiedliche Ausprägungen ergeben. Eine Analyse des Beitrags der Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten für die allgemeine Unternehmensstrategie muss demnach für jeweils zwei Ausprägungen einer Fundamentalstrategie erfolgen. Auf die Darstellung von Maßnahmen, die zu einer Erreichung der Unternehmensstrategien führen und keinen internationalen Aspekt beinhalten, wird in diesem Zusammenhang verzichtet, da dies nicht primärer Gegenstand des Internationalen Managements ist. <?page no="263"?> 240 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Marktdurchdringung Die Marktdurchdringungsstrategie basiert auf der Zielsetzung des Unternehmens, in alten Märkten mit alten Produkten ein Unternehmenswachstum zu erzielen. Das Wachstum kann dabei durch folgende Maßnahmen erreicht werden (Aaker, D., 2001): Erhöhung des Marktanteils oder Steigerung der Produktverwendung durch Steigerung der Nutzungsfrequenz und/ oder der Nutzungsmenge sowie durch neue Anwendungen bei bestehenden Nutzern. Eine Marktanteilssteigerung bei einer Marktdurchdringungsstrategie wird durch Leistungsbzw. Kostenvorteile gegenüber der Konkurrenz erreicht. Alte Märkte können im modifizierten Ansoff-Konzept Inund/ oder Auslandsmärkte sein. Die Marktdurchdringungsstrategie beinhaltet die Stärkung einer vorhandenen Wettbewerbsposition im Inund/ oder Ausland. Damit lassen sich, wie aus Abbildung 117 deutlich wird, zwei Ausprägungen einer Marktdurchdringungsstrategie unterscheiden, die mit Marktdurchdringungsstrategie 1 (MD 1 ) und Marktdurchdringungsstrategie 2 (MD 2 ) bezeichnet werden sollen. Im Folgenden wird untersucht, welchen Beitrag die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten zu einer erfolgreichen Umsetzung dieser Strategien leistet. Bei der Marktdurchdringungsstrategie 1 (MD 1 ), die sich nur auf das Inland bezieht, kann die Internationalisierung der Unternehmensaktivitäten zu Leistungs- und Kostenvorteilen führen. Ist das Unternehmen bereits im Ausland tätig, so kann es anhand verstärkter Exporte Erfahrungskurvenvorteile durch eine bessere Ausnutzung der inländischen Kapazitäten erzielen. Der Ruf, im Ausland erfolgreich zu sein, kann eine Imagesteigerung im Inland zur Folge haben. Ansoff konzentriert sich bei seiner Betrachtung nur auf die Absatzseite des Unternehmens und vernachlässigt damit die Beschaffungsseite. Kostenvorteile, die sich im Inland in Preisvorteile umwandeln lassen, sind aber z.B. auch durch die Internationalisierung der Beschaffung zu erreichen. Gerade die Anstrengungen, die heute in vielen Unternehmen im Hinblick auf das Global Sourcing gemacht werden, zeigen, dass sich Unternehmen von der Internationalisierung des Beschaffungsbereiches erhebliche Kostenvorteile versprechen, die ihre Wettbewerbsposition stärken sollen. Des Weiteren kann die Verlagerung der Produktion in das kostengünstigere Ausland im Inland zu einer Kostensenkung führen, die einen Wettbewerbsvorteil begründet. Die Lizenznahme von einem ausländischen Unternehmen (z.B. für eine Prozesstechnologie) ist eine weitere Möglichkeit, im Inland kostengünstiger zu produzieren. Bei der Marktdurchdringungsstrategie 2 (MD 2 ) will das Unternehmen seine Marktdurchdringung im Ausland erhöhen. Damit wird vorausgesetzt, dass das Unternehmen bereits Aktivitäten auf dem Auslandsmarkt ausübt. Die Intensivierung dieser Auslandsaktivitäten ermöglicht dem Unternehmen wie bereits bei der Marktdurchdringungsstrategie 1 (MD 1 ), Kostenvorteile z.B. durch verstärkte Exportanstrengungen aus dem Inland zu <?page no="264"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 241 erzielen. Diese Kostenvorteile lassen sich aus Erfahrungskurveneffekten ableiten. Auch in diesem Fall verbessert sich die Kostensituation des Unternehmens im In- und Ausland. Durch das Auslandsgeschäft wird darüber hinaus eine Verbesserung von Prozesstechnologien ermöglicht. Abbildung 118: Exporttätigkeit und Erfahrungskurve Abbildung 118 verdeutlicht anhand der Erfahrungskurve beide Effekte mit ihren Auswirkungen auf die Stückkosten von exportierenden im Vergleich zu nicht exportierenden Unternehmen in Abhängigkeit von der Ausbringungsmenge . Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung der Wettbewerbsposition im In- und Ausland ist die Übernahme eines Konkurrenten. Die verbesserte Ausnutzung von bestehenden Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen im Ausland sowie die Verlagerung von Produktionen alter Erzeugnisse aus Kostengründen ins Ausland können ebenfalls Elemente einer erfolgreichen Marktdurchdringungsstrategie sein. Eine günstigere Beschaffung von Ressourcen im Ausland fördert eine erfolgreiche Marktdurchdringungsstrategie im In- und Ausland. Aus dieser kurzen Darstellung wird deutlich, dass der potenzielle Beitrag der Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten für eine Marktdurchdringungsstrategie beträchtlich ist. Markterweiterung Als zweite strategische Grundkonzeption betrachtet Ansoff die Markterweiterung. Bei ihr sucht das Unternehmen nach neuen Märkten für bestehende Produkte, wobei der Markt in In- und Ausland unterschieden werden kann. Dementsprechend soll im Folgenden zwischen der Markterweiterungsstrategie 1 (ME 1 ), die sich auf das Inland bezieht, und der Markterweiterungsstrategie 2 (ME 2 ), die sich auf das Ausland erstreckt, differenziert werden. Auch hier ist zu untersuchen, wie die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten die beiden Markterweiterungsstrategien unterstützt. Handelt es sich um ein für das Unternehmen altes Produkt, das auf einem neuen Inlandsmarkt abgesetzt werden soll (Markterweiterungsstrategie 1; ME 1 ), dann bezieht sich die Markterweiterungsstrategie nur auf eine neue Verwendungsart des Produktes oder auf die Erschließung neuer Käufergruppen für das Erzeugnis, z.B. durch eine zielgruppenspezifi- <?page no="265"?> 242 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld sche Preispolitik. Für die Entwicklung der Markterweiterungsstrategie 1 (ME 1 ) ist die Internationalisierung dann relevant, wenn bei der Bildung des neuen Marktsegments Kostengesichtspunkte bedeutsam werden. Auch hier leistet die Internationalisierung der Beschaffung einen Beitrag zur Kostensenkung. Imagegesichtspunkte, z.B. im Ausland erfolgreich zu sein, können ebenfalls bei der Marktpositionierung für bestimmte Zielgruppen förderlich sein. Es ist auch denkbar, dass ein Konkurrenzunternehmen im Ausland aufgekauft wird. So kann das Unternehmen ein neues Marktsegment mit einem alten Produkt im Inlandsmarkt bedienen, das bisher von dem erworbenen Unternehmen beliefert wurde. Die Markterweiterungsstrategie 2 (ME 2 ) geht davon aus, dass ein altes Produkt auf einem Auslandsmarkt neu eingeführt wird. Der Eintritt in einen neuen Auslandsmarkt ist insbesondere dann Erfolg versprechend, wenn das Unternehmen über produkt- oder prozesstechnologische Vorteile verfügt. Die Markterweiterungsstrategie ins Ausland kann in der Form des Exportes, der Direktinvestition oder des Abschlusses eines Technologievertrages erfolgen. Basiert die Markterweiterung auf Exporten, dann wird es dem Unternehmen möglich, Erfahrungskurveneffekte zu erzielen. Eine Direktinvestition im Ausland kann durch den Aufbau einer eigenen Tochtergesellschaft, die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens oder durch den Erwerb eines ausländischen Unternehmens erfolgen. Auch bei dieser Strategie kommt es oft zu Erfahrungskurveneffekten. Darüber hinaus können sich Vorteile aus dem Forschungs- und Entwicklungs-, dem Personal- und dem Beschaffungsbereich ergeben. Die Vergabe von vorhandenen Technologien ins Ausland in Form von Technologieverträgen ermöglicht es dem Unternehmen, sich einen Marktzugang zu verschaffen. Damit kann das Unternehmen Informationen über den Auslandsmarkt gewinnen und Gewinnvorteile aus den Gebühren der Technologievergabe erzielen. Die Markterweiterungsstrategie 2 (ME 2 ) ist damit weitgehend eine „klassische“ Internationalisierungsstrategie, die zur Schließung der strategischen Lücke beiträgt. Produktdifferenzierung Bei der Produktdifferenzierungsstrategie betrachtet Ansoff ein für das Unternehmen neues Produkt, das auf den alten Märkten des Unternehmens angeboten wird. Auch bei der Produktdifferenzierungsstrategie sollen die bestehenden Märkte in In- und Ausland unterteilt werden. Daraus ergeben sich die Produktdifferenzierungsstrategie 1 (PD 1 ), bei der das neue Produkt auf dem alten Inlandsmarkt verkauft wird, und die Produktdifferenzierungsstrategie 2 (PD 2 ), bei der das neue Produkt auf dem bereits von dem Unternehmen bedienten Auslandsmarkt abgesetzt wird. Für die Produktdifferenzierungsstrategie 1 (PD 1 ) kann die Internationalisierung der Unternehmensaktivitäten zunächst im Hinblick auf die Ideenfindung für neue Produkte interessant sein. So können Produkte im Ausland existieren, die im Inland noch nicht oder noch nicht in dieser Verwendungsform bekannt sind. Dazu sind Marktforschungsaktivitä- <?page no="266"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 243 ten im Ausland erforderlich. Das Image, beispielsweise auch im Ausland als Technologieführer anerkannt zu werden, kann die Stellung des Unternehmens im Inland als Marktführer fördern. Von Seiten der internationalen Beschaffung sind Impulse für eine Produktdifferenzierung möglich, wenn z.B. neue Materialien im Ausland eingesetzt werden müssen, weil der Einsatz der bisher verwendeten Materialien verboten wurde. Neue Produktanforderungen im Ausland, z.B. der in den USA maximal zulässige Benzinflottenverbrauch von Automobilherstellern, wirken sich ebenfalls auf die Produktdifferenzierungsstrategie im Inland aus. Technologische Durchbrüche im Ausland führen möglicherweise dazu, dass Produkte im Inland neu konzipiert werden müssen, wenn das Unternehmen national und international wettbewerbsfähig bleiben will. Durch den Kauf eines Unternehmens im Ausland wird es dem Unternehmen möglich, einen Zugriff auf neue Technologien zu erlangen. Auch die Lizenznahme von einem ausländischen Unternehmen (z.B. für eine neue Produkttechnologie) eröffnet dem Unternehmen die Möglichkeit, eine Produktdifferenzierungsstrategie zu betreiben. Die Produktdifferenzierungsstrategie 2 (PD 2 ) betrachtet ein Produkt, das im bisher von dem Unternehmen bearbeiteten Ausland neu ist. Die Verwertung des neuen Produktes wird durch Export, eine Direktinvestition oder eine Technologievergabe möglich. Verfügt das Unternehmen bereits über eine eigene Tochtergesellschaft im Ausland, so kann diese die Produktion der neuen Erzeugnisse übernehmen. Exportiert das Unternehmen das Produkt ins Ausland, so sind im Inland Erfahrungskurveneffekte erzielbar, die die Wettbewerbsposition des Unternehmens nicht nur im Ausland, sondern auch im Inland verbessern. Der Kauf eines Unternehmens im Ausland versetzt das Unternehmen in die Lage, einen Zugang zu neuen Produkten zu erhalten. Eine Internationalisierung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten wirkt sich u.U. ebenfalls positiv auf die Produktdifferenzierungsstrategie 2 (PD 2 ) aus. Durch eine Lizenzvergabe an ein ausländisches Unternehmen wird diesem eine Produktdifferenzierungsstrategie ermöglicht. Die dabei erzielbaren Gebühren können zur Deckung des Forschungs- und Entwicklungsaufwandes im Inland verwendet werden. Darüber hinaus führt dies i.d.R. zu einer Risikominderung im Zusammenhang mit hohen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen. Diversifikation Bei der Diversifikationsstrategie geht ein Unternehmen mit neuen Produkten in neue Märkte. Auch bei der Diversifikationsstrategie lassen sich für die vorliegende Analyse zwei Arten unterscheiden, je nachdem, ob der neue Markt im Inland (Diversifikationsstrategie 1; DI 1 ) oder im Ausland liegt (Diversifikationsstrategie 2; DI 2 ). Die Gründe für eine Diversifikation sind sehr vielschichtig. Im Kern lassen sich die Ziele von Diversifikationsstrategien in zwei Kategorien einteilen: die Steigerung der Rendite und die Reduktion von Risiken. <?page no="267"?> 244 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Das Renditeziel kann durch den Eintritt in neue Märkte und/ oder durch Synergie-Effekte erreicht werden. Dem Ziel der Risikoreduktion versuchen Unternehmen durch eine Risikoausgleichsfunktion sowie durch eine Stabilisierungsfunktion der Diversifikation und durch eine Erhöhung des Flexibilitätsgrades nachzukommen. Die Diversifikationsstrategie 1 (DI 1 ) fördert durch eine Ausweitung des ökonomischen Horizontes auf das Ausland oft die Ideenfindung. So ist mitunter das Produkt zwar im Ausland bekannt, aber im Inland noch unbekannt, so dass bei einer Produktionsaufnahme durch das inländische Unternehmen in seinem Heimatmarkt ein neues Marktsegment entsteht. Ansonsten sind wie bei der Produktdifferenzierungsstrategie 1 (PD 1 ) positive Imageeffekte möglich. Auch die dort besprochenen neuen Produkt- oder Materialanforderungen im Ausland können zu der Diversifikationsstrategie 1 (DI 1 ) führen. Welche Bedeutung eine Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten für die Entwicklung einer Diversifikationsstrategie 2 (DI 2 ) hat, soll im Folgenden näher betrachtet werden. Wie bereits dargestellt, hat die Diversifikationsstrategie zum Ziel, eine Steigerung der Rendite und/ oder eine Reduktion der Risiken zu erreichen. Der Zusammenhang zwischen Auslandsaktivitäten, der Renditeerwartung und dem Risiko wird aus Abbildung 119 deutlich. Abbildung 119: Mean-Variance-Analyse Die oben angeführte Abbildung basiert auf dem Grundgedanken einer Mean-Variance- Analyse. Unterstellt man, dass in dem Heimatland des Unternehmens eine Kurve I 1 zwischen der erwarteten Rendite und der Varianz dieser Rendite besteht und geht man davon aus, dass ein Unternehmen sein Risiko, gemessen an der Varianz, in Höhe von V 1 beschränken will, dann kann es in dem Heimatland von einer maximalen Renditeerwartung in Höhe von R 1 ausgehen. Trägt man in die gleiche Grafik die Kurve anderer Länder ein, wie z.B. durch I 2 und I 3 angedeutet wird, dann wird es für das Unternehmen durch eine Aufnahme von Exporten, Direktinvestitionen oder Technologievergaben möglich, in diesen Ländern bei gleichem Risiko eine höhere maximale Renditeerwartung (R 2 bzw. R 3 ) zu <?page no="268"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 245 erreichen oder die gleiche Renditeerwartung bei einem niedrigeren Risiko zu erzielen. Das Land, das durch die Kurve I 3 charakterisiert wird, ist für eine Auslandsaktivität vorteilhafter als das Land mit der Kurve I 2 . Theoretisch ließe sich mit der Mean-Variance-Analyse auch ein optimaler Pfad für die Länder, in die das Unternehmen gehen sollte, sowie ein optimales Portfolio der Auslandsaktivitäten ableiten. Zusammenfassung Die Analyse von Ansoff beschränkt sich auf die Betrachtung absatzorientierter Wachstumsstrategien. Ansoff lässt in seiner Matrix offen, wie neue Absatzmärkte im In- und Ausland ausgewählt und mit welchen Markteintrittsstrategien gearbeitet werden soll. Einige Ansatzpunkte allgemeiner Art lassen sich aus seinem Modell für die Marktbearbeitungsstrategie (z.B. Penetrations- oder Produktdifferenzierungsstrategie) im In- und Ausland ableiten. Auch auf der Produktseite lässt Ansoff offen, wie neue Produkte entwickelt werden sollen und welche Probleme insbesondere bei der Einführung neuer Produkte in neue Märkte entstehen. Untergliedert man jedoch die Marktseite nicht nur in alt und neu, sondern auch in In- und Ausland, dann wird deutlich, dass Unternehmen, die der allgemeinen Unternehmensstrategie von Ansoff folgen, eine Internationalisierung ihrer Unternehmensaktivitäten als sinnvoll erachten. Der Ansatz von Ansoff mit den Strategien MD 2 , ME 2 , PD 2 und DI 2 führt bei einer solchen Überlegung zu unterschiedlichen absatzorientierten Internationalisierungsaktivitäten. Die Reduktion der Erklärungsvariablen auf den Neuigkeitsgrad der Märkte und der Produkte führt jedoch zu einer starken Vereinfachung der komplexen Zusammenhänge, die mit der Internationalisierung von Unternehmen einhergehen. Hinter den Variablen alte/ neue Produkte und/ oder Märkte steht ein ganzes Theoriegebäude von Erklärungsansätzen, wie im Ausland Bestehendes besser ausgenutzt oder Neues besser entwickelt bzw. ökonomisch besser verwertet werden kann. Auch Erklärungsansätze im Sinne von Rückkoppelungen von Auslandsaktivitäten auf Inlandsaktivitäten werden von Ansoff nicht explizit berücksichtigt. 6.3 Internationale Wettbewerbsstrategie: Porter-Matrix Prinzip der Porter-Matrix In den 1980er Jahren untersuchte Porter (Porter, M.E., 1985), welche Wettbewerbsvorteile für eine erfolgreiche Unternehmensstrategie relevant sind und in welchen Märkten sie ausgenutzt werden können. In einer späteren Veröffentlichung hat Porter ein Globalisierungskonzept vorgelegt (Porter, M.E., 1989b). Dieses wird im Zusammenhang mit den Konzepten zur Formulierung von Internationalisierungsstrategien näher betrachtet (Kapitel V). Im Folgenden wird nur auf die Porter-Matrix zur Formulierung einer allgemeinen Unternehmensstrategie eingegangen. <?page no="269"?> 246 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Als strategische Wettbewerbsvorteile unterscheidet er Wettbewerbsvorteile aus der Leistung und aus der Kostensituation. Diese Wettbewerbsvorteile kann ein Unternehmen in Gesamt- oder Teilmärkten ausnutzen. Damit kommt Porter zu den vier in Abbildung 120 genannten Unternehmensstrategien. Bei der Differenzierung auf dem Gesamtmarkt nutzt das Unternehmen Leistungsvorteile aus. Beispiele hierfür bieten Unternehmen wie IBM, BMW, aber auch japanische Unternehmen wie Sony, Nikon oder Seiko. Bei einer Kostenführerschaftsstrategie nutzt ein Unternehmen seine Kostenvorteile im Gesamtmarkt aus. Als Beispiele für eine Kostenführerschaftsstrategie sind insbesondere viele japanische Unternehmen zu nennen, die ihre Kostenvorteile weltweit als strategischen Wettbewerbsvorteil einsetzen (z.B. japanische Chiphersteller oder Automobilproduzenten). Verfügt ein Unternehmen über Leistungsvorteile auf bestimmten Teilmärkten, spricht Porter von einer „focused differentiation“. Diese Strategie wird beispielsweise von Unternehmen wie Rolex oder Cartier verfolgt. Konzentriert sich ein Unternehmen auf einzelne Teilmärkte, auf denen es Kostenvorteile hat, bezeichnet dies Porter mit „cost focus“. Als Beispiele sind hier Skoda und südkoreanische sowie taiwanesische Unternehmen zu nennen. Abbildung 120: Porter-Matrix Die Glockenkurve in Abbildung 121 verdeutlicht, dass es in der Regel keine überlegene oder unterlegene Strategie innerhalb der vier genannten Basisstrategien gibt. Unternehmen können die gleiche Rendite erwirtschaften, unabhängig davon, ob sie eine Teilmarkt- oder eine Gesamtmarktstrategie verfolgen. Wichtig erscheint nur, dass sie eine klare strategische Grundkonzeption verfolgen. Empirisch ist die Glockenkurve jedoch sehr umstritten, so dass der dort formulierte Zusammenhang noch einer weiteren wissenschaftlichen Durchdringung bedarf (Barzen, D./ Wahle, P., 1990; Buzzel, R./ Gale, P., 1989; Weise, A.D., 2013). <?page no="270"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 247 Abbildung 121: Rentabilität und Marktanteil Bedeutung der Internationalisierung für die Strategieentwicklung im Rahmen der Porter-Matrix Porter hat die Bedeutung der Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten für die Formulierung seiner vier Unternehmensstrategien nicht explizit untersucht. Um diese Analyse durchzuführen, soll im Folgenden der Gesamtmarkt in der Porter-Matrix in Inlands- und Auslandsmarkt unterteilt werden. Dabei soll für die Analyse noch nicht unterschieden werden, wie viele Märkte das Unternehmen im Ausland bedient. Abbildung 122 gibt die so modifizierte Porter-Matrix wieder. Abbildung 122: Modifizierte Porter-Matrix Aus Abbildung 122 ergibt sich, dass die vier Unternehmensstrategien von Porter in jeweils zwei Ausprägungen unterschieden werden müssen. Im Folgenden wird untersucht, welchen Beitrag die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten zu den einzelnen Unternehmensstrategien leistet. Die Differenzierungsstrategie 1 (DS 1 ) betrachtet nur den inländischen Markt als Gesamtmarkt. Produktvorteile, die durch eine Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten erzielbar sind, resultieren für das Unternehmen z.B. daraus, dass es auf bestimmten Gebieten (z.B. Technologieführerschaft, Anzahl weltweiter Patente, Lizenzvergaben ins Ausland) weltweit erfolgreich ist und als Rückkopplungseffekt ein gutes Image für die Produkte im Inland entsteht. So ermöglichen z.B. Erfolge auf bestimmten Gebieten im Inland (u.a. als anerkannter Technologieführer) in den USA oder in Japan eine entsprechende Werbung, um eine produkttechnologische Führerschaft zu unterstreichen. In diesem Zusammenhang ist es auch bedeutsam, mit welcher Markteintritts- oder -bearbei- <?page no="271"?> 248 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld tungsstrategie das Unternehmen im Ausland tätig wird. Oft sind spektakuläre Exporterfolge (z.B. die Bezeichnung als Exportweltmeister) in diesem Zusammenhang werbewirksamer als Direktinvestitionen oder die Vergabe von Technologieverträgen ins Ausland. Bei der Internationalisierung der Beschaffung ist bei der Differenzierungsstrategie, wenn sie sich auf Qualitätsvorteile bezieht, zu beachten, dass keine negativen Wirkungen aus dieser Tatsache auf das Qualitätsimage des Unternehmens ausgehen. Die Gefahr besteht vor allem dann, wenn Materialien oder Teile aus Ländern bezogen werden, deren Qualitätsimage im Inland in Frage gestellt wird. Die Differenzierungsstrategie 2 (DS 2 ) geht davon aus, dass das Unternehmen im In- und Ausland über produkttechnologische Wettbewerbsvorteile verfügt. Produkttechnologische Wettbewerbsvorteile, die das Unternehmen aus der Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten gewinnt, können z.B. aus einer Globalisierung der Forschung und Entwicklung stammen. Erfahrungskurveneffekte, die aus dem größeren Absatzmarkt resultieren, ermöglichen eine Verbesserung der Produktqualität. Die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten im Rahmen der Differenzierungsstrategie 2 wird durch Exporte, Direktinvestitionen im Ausland oder durch Technologievergaben ins Ausland möglich. Die Erhöhung der Absatzmenge durch eine Bedienung der Auslandsmärkte über Exporte führt zu einer Senkung der Qualitätskosten pro Stück. Durch den Kauf von Konkurrenzunternehmen im Ausland, die über ein bestimmtes Qualitäts-Know-how verfügen, kann die Differenzierungsstrategie unterstützt werden. Daneben ist es dem Unternehmen möglich, durch eine Direktinvestition im Ausland eine größere Marktnähe zu erreichen, was u.U. die Entwicklung adäquaterer Produkte für das betreffende Land fördert. Mit Hilfe von Technologievergaben ins Ausland besteht die Möglichkeit, dass das Unternehmen zusätzliche Gewinne generiert, die zur Deckung der eigenen Forschungs- und Entwicklungskosten beitragen. Auch bei der Differenzierungsstrategie 2 sind Imageeffekte zu beachten. Misserfolge im Ausland können als Negativbeispiele eine inländische Differenzierungsstrategie gefährden. Bei der Kostenführerschaftsstrategie 1 (KS 1 ) nutzt das Unternehmen Kostenvorteile auf dem Inlandsmarkt aus. Exporte ermöglichen ihm, über Erfahrungskurveneffekte Kostenvorteile im Inland zu erzielen oder zu steigern. Aus einer Internationalisierung der Beschaffung können weitere Kostenvorteile resultieren. Der Erwerb von Technologien aus dem Ausland (z.B. von Prozesstechnologien) verhilft ihm, Kostenvorteile im Inland besser auszunutzen. Direktinvestitionen im Ausland führen zu kostengünstigen Produktionsstandorten für die Herstellung von Erzeugnissen, die im Inland verkauft werden. Die Kostenführerschaftsstrategie 2 (KS 2 ) geht davon aus, dass das Unternehmen auf in- und ausländischen Märkten über Kostenvorteile verfügt. Diese Kostenvorteile kann das Unternehmen durch Exporte verbessern oder erhalten. Durch Exporte nutzt das Unternehmen schneller als bei einer rein nationalen Marktausrichtung die Erfahrungskurveneffekte aus. Direktinvestitionen im Ausland ermöglichen es dem Unternehmen, eine Stand- <?page no="272"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 249 ortverlagerung verschiedener Aktivitäten dergestalt vorzunehmen, dass diese jeweils am kostengünstigsten Ort lokalisiert werden. Auch eine Internationalisierung der Beschaffung trägt oft zu globalen Kostenvorteilen bei. Durch eine Vergabe von überlegenen, d.h. kostengünstigeren Prozesstechnologien ins Ausland können Gewinne erzielt werden, die den eigenen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten gutzuschreiben sind. Bei der Differenzierungsstrategie 3 (DS 3 ) werden produkttechnologische Wettbewerbsvorteile auf einem inländischen Teilmarkt ausgenutzt. Die Differenzierungsstrategie 3 profitiert oft davon, dass Imageeffekte aus sonstigen Auslandsaktivitäten des Unternehmens auf den Inlandsmarkt übertragen werden. Auch eine Globalisierung der Forschung und Entwicklung ermöglicht es dem Unternehmen, die Nische im Inland zu verteidigen. Die Einschränkungen, die bereits für die Differenzierungsstrategie 1 in Bezug auf die internationale Beschaffung vorgenommen wurden, gelten auch für die Differenzierungsstrategie 3. Die Differenzierungsstrategie 4 (DS 4 ) geht davon aus, dass das Unternehmen im In- und Ausland solche Teilmärkte bedient, auf denen es produkttechnologische Vorteile hat. Exporte, Direktinvestitionen und Technologievergaben ins Ausland können die Differenzierungsstrategie 4 unterstützen. Durch Exporte kumuliert das Unternehmen auch für kleine Nischen in den verschiedenen Ländern größere Produktionsmengen im Inland, so dass Erfahrungskurveneffekte entstehen. Daneben gestatten Exporte dem Unternehmen, die Qualitätskosten pro Stück zu senken. Durch Direktinvestitionen im Ausland wird es möglich, entweder Konkurrenten aufzukaufen (z.B. um Zugang zu besseren Produkttechnologien zu erlangen) oder eine größere Marktnähe zu erreichen (z.B. zur Entwicklung adäquater Produkte für das betreffende Land). Durch eine Technologievergabe ins Ausland erzielt das Unternehmen wiederum zusätzliche Gewinne, die zur Deckung der eigenen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten beitragen. Das Image einer weltweiten Marktführerschaft auf einem bestimmten Teilgebiet wirkt sich u.U. positiv auf die Differenzierungsstrategie 4 aus. Eine Globalisierung der Forschung und Entwicklung kann für eine weltweite Verteidigung der Nische förderlich sein. Bei der Kostenführerschaftsstrategie 3 (KS 3 ) wird unterstellt, dass ein Unternehmen auf einem inländischen Teilmarkt Kostenvorteile ausnutzt. Die Kostenführerschaftsstrategie 3 wird oft durch eine internationale Beschaffungspolitik gefördert. Darüber hinaus unterstützt eine Produktionsverlagerung auf kostengünstige Standorte im Ausland diese Strategie im Inland. Durch den Kauf von Technologien aus dem Ausland werden mitunter Kostenvorteile durch die Einsparung eigener Forschungs- und Entwicklungskosten erreicht. Die Kostenführerschaftsstrategie 4 (KS 4 ) basiert auf der Annahme, dass ein Unternehmen auf dem in- und ausländischen Teilmarkt Kostenvorteile besitzt. Diese Strategie kann durch Exporte, Direktinvestitionen oder Technologievergaben ins Ausland unterstützt werden. Exporte ermöglichen es dem Unternehmen, Erfahrungskurveneffekte zu erzielen, die sich aus der weltweiten Akkumulation der Nachfrage in den verschiedenen Teilmärkten <?page no="273"?> 250 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld ergeben. Unter Umständen führt eine Internationalisierung der Beschaffung zu einer Verbesserung der Kostensituation des Unternehmens. Durch Direktinvestitionen im Ausland können kostengünstige Produktionsstandorte ausgenutzt werden. Kostenvorteile erlauben es dem Unternehmen, Konkurrenten im Ausland aufzukaufen, die kostenungünstiger arbeiten. Durch den Kauf von Technologien aus dem Ausland können eigene F&E- Ausgaben eingespart werden. Basieren die Kostenvorteile auf einer überlegenen Prozesstechnologie, dann ist es dem Unternehmen möglich, diese auch anderweitig zu verwerten, um damit zusätzliche Gewinne zu erzielen. Aus der dargestellten Analyse wird deutlich, dass die strategischen Grundkonzepte DS 2 , KS 2 , DS 4 und KS 4 aus der modifizierten Porter-Matrix Unternehmen dazu führen, Internationalisierungsaktivitäten zu entwickeln. Da diese oft erst punktuell beginnen, sehen sich Unternehmen i.d.R. noch nicht gezwungen, für diese Aktivitäten im Rahmen ihrer allgemeinen Unternehmensstrategie eine eigene Internationalisierungsstrategie zu entwickeln. Erst wenn diese Aktivitäten eine gewisse Bedeutung für den gesamten Unternehmenserfolg erlangen, wird die Formulierung einer eigenständigen Internationalisierungsstrategie relevant. Die dynamischen Aspekte der Betrachtung von Strategien, die auf Produkt- oder Kostenbzw. Prozesstechnologien aufbauen, wurden von Gilbert/ Strebel (Gilbert, X./ Strebel, P., 1987) dargestellt. Zwar beziehen sich Gilbert und Strebel nicht direkt auf die Porter-Matrix, jedoch sind ihre Ausführungen als eine Ergänzung der Porter-Analyse aufzufassen und sollen deshalb an dieser Stelle näher betrachtet werden. Abbildung 123: Technologiepfade westlicher und asiatischer Unternehmen Abbildung 123 verdeutlicht die typischen Unterschiede in der Strategieentwicklung westlicher und asiatischer Unternehmen. Nach Gilbert und Strebel bevorzugen die Unternehmen der westlichen Industrieländer meist die Entwicklung von produkttechnologischen Wettbewerbsvorteilen und konzentrieren sich erst dann auf Maßnahmen zur Kostensenkung (Prozesstechnologien), wenn produkttechnologische Verbesserungen nur noch sehr be- <?page no="274"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 251 grenzt oder gar nicht mehr erreicht werden können. Japanische Unternehmen verfolgen nach Gilbert und Strebel i.d.R. den umgekehrten Weg. Sie nutzen zunächst die Kostenvorteile aus einer überlegenen Prozesstechnologie, ehe sie dann, wenn auch diese nicht mehr beträchtlich verbessert werden kann, eine überlegene Produkttechnologie anstreben. Dabei gibt es jedoch auch Ausnahmen, wie der französische Kugelschreiber-Hersteller BIC verdeutlicht. BIC produzierte zunächst nur billigste Kugelschreiber, bevor auf neuere Produkte umgestiegen wurde. Insofern ist die Darstellung von Gilbert und Strebel zwar eine Vereinfachung der Wirklichkeit, gibt aber einen allgemeinen Trend wieder. Interessant erscheint in jüngster Zeit, dass sich die Unternehmen der westlichen Welt und Japans in ihren Strategien immer stärker annähern und sich damit auch die internationalen Wettbewerbsvorteile zwischen den beiden Wirtschaftsblöcken zunehmend angleichen. Unternehmen westlicher Industrieländer streben heute vielfach nach einer Kostenführerschaft, während sich die Japaner immer mehr in die Richtung einer Differenzierungsstrategie, insbesondere in Form einer Qualitätsführerschaft, bewegen. Die Matrix in Abbildung 123 zeigt die Annäherungspfade auf. Die Präferenzen in der Technologieentwicklung westlicher und japanischer Unternehmen spiegeln auch die Unterschiede in der Managementauffassung der beiden Kulturkreise wider. Heute versucht man, durch die Methoden des „simultaneous (concurrent) engineering“ und des „Kaizen“ (permanente Verbesserungen) in Japan und zunehmend auch in westlichen Industrieländern eine gleichzeitige Verbesserung von Produkt- und Prozesstechnologien zu erreichen. Ziel ist es dabei, dass sowohl westliche als auch japanische Unternehmen versuchen, eine „Outpacing-Strategie“ zu verfolgen, die sowohl eine Kostenals auch eine Produkttechnologieführerschaft beinhaltet. Die Erarbeitung einer internationalen Strategie ist ein multidimensionaler Vorgang, welcher auch nur begrenzt durch Instrumente und Vorgehensweisen unterstützt werden kann, sondern die Kreativität und das unternehmerische Denken der Entscheider herausfordert. Umso mehr kommt es häufig zu der durchaus erwünschten Situation, dass verschiedene Alternativen als strategische Stoßrichtung konkurrieren. Deren Bewertung und Auswahl ist Gegenstand des folgenden Schrittes des Sanduhr-Prozesses. 7 Strategiebewertung Basierend auf der Strategieformulierung gilt es, die Auswahl derjenigen Strategieoptionen sicherzustellen, welche den Unternehmenswert maximieren oder aber die strategischen Ziele des Unternehmens bestmöglich erreichen. Insofern beinhaltet die Wahl der Methodik der Strategiebewertung ein implizites Werturteil über die Bedeutung verschiedener Ziele und die Berücksichtigung verschiedener Anspruchsgruppen: die Perspektive der Shareholder oder weiter gefasst der Stakeholder. <?page no="275"?> 252 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Im Folgenden wird die finanzielle Bewertung von der qualitativ-strategischen Bewertung getrennt behandelt, wobei ein Schwerpunkt auf der finanziellen Bewertung liegt, weil diese methodisch durch weitaus mehr Instrumente unterstützt werden kann. 7.1 Finanzielle Bewertung 7.1.1 Wertmanagement als Bezugsrahmen Um eine Strategie finanziell zu bewerten, müssen deren finanzielle Auswirkungen abgeschätzt und im Hinblick auf die Schaffung eines optimalen Unternehmenswertes evaluiert werden. Hierzu bietet das Wertmanagement einen Bezugsrahmen, welcher wiederum auf den Shareholder-Value-Ansatz zurückgeht. Der Shareholder-Value-Ansatz (Copeland, T.E./ Koller, T./ Goedhart, M./ Wessel, D., 2010; Rappaport, A., 1999), einerseits als eigenständiger Ansatz, aber oftmals auch als ein Teilbereich der Stakeholderorientierung betrachtet, entstand aus der Kritik an traditionellen Zielgrößen wie dem Gewinn oder der Umsatzrendite. Insbesondere die Einflüsse von buchhalterischen Vorgängen wie Abschreibungen oder Rückstellungsbildung lassen diese Größen als alleinigen Maßstab zur Kontrolle der Unternehmensführung als unzulänglich erscheinen (Bea, F.X./ Haas, J., 2012). So werden gegenwartsnahe Strategien (z.B. Abschöpfung), die weitgehend auf grundlegende Forschung und Entwicklung oder langfristige Marketingaktivitäten verzichten, mit einem hohen „Return on Investment“ belohnt. Langfristige Strategien wie beispielsweise der Ausbau der internationalen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, die mit hohen Investitionen in den Anfangsjahren verbunden sind, wirken hingegen unvorteilhaft. Indem Manager bevorzugt den Gewinn der Periode maximieren, handeln sie zu ihrem eigenen Vorteil und auf Kosten der Anteilseigner. Zwischen einem vom Rechnungswesen ermittelten Gewinn und dem Vermögen der Anteilseigner besteht aber nahezu kein Zusammenhang. Die Kritik am buchhalterischen Gewinn beruht auf den vielfältigen Abschreibungs- und Bewertungsmöglichkeiten, der Nichtberücksichtigung des Risikos, der Nichtbeachtung zukünftiger Finanzierungszwänge und der Nichtberücksichtigung des Zeitwertes des Geldes. Für die Investoren am Kapitalmarkt ist ein Unternehmen jedoch nur dann erfolgreich und besitzt einen hohen Wert, wenn der Barwert des freien Cashflows die im Aktienkurs implizit enthaltenen Renditeerwartungen übersteigt (Hasler, P.T., 2011; Copeland, T.E./ Koller, T./ Goedhart, M./ Wessel, D., 2010; Unzeitig, E./ Köthner, D., 2000). Der Shareholder Value als zukunftsbezogene ökonomische Nutzgröße errechnet sich durch die Diskontierung zukünftiger, wahrscheinlicher Geldflüsse an die Anteilseigner. Diese Geldflüsse kommen den Anteilseignern in Form von Dividenden, Kapitalrückzahlungen oder als Steigerung des Wertes ihrer Anteile zu (Rappaport, A., 1998). <?page no="276"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 253 Zur Berechnung des Shareholder Value kann das Modell des Discounted-Cash-Flow (DCF)-Ansatzes herangezogen werden (Bea, F.X./ Haas, J., 2012). Der Vorteile dieser Methode sind die: (1) Verwendung des freien Cashflows als ungeglättete, um betriebsfremde, aperiodische und außerordentliche Ergebnisse bereinigte Größe; (2) Einbeziehung der Kapitalstruktur, der Finanzierungskosten und des Risikos; (3) Bereitstellung einer Zielgröße für das Unternehmen, durch deren Verwendung eine Übereinstimmung mit den Informationsbedürfnissen und Entscheidungsregeln der Kapitalgeber geschaffen wird; (4) systematische Abbildung der Dynamik von Entwicklungen durch Zuordnung der finanziellen Ergebnisse zu einzelnen Perioden und Berücksichtigung des Restwertes zur Einbeziehung der langfristigen Auswirkung der Strategie. Der Shareholder-Value-Ansatz macht den Zusammenhang strategischer und finanzieller Leistungsstärke einerseits und dem Marktwert der Aktien bzw. Anteile andererseits transparent und beeinflussbar. Vor allem dann, wenn zur langfristigen Sicherung des Unternehmens oder von Konzernteilen die strategische Ausrichtung hinterfragt wird, zeigt sich der Nutzen des Shareholder-Value-Ansatzes. Die traditionellen Erfolgsmaßstäbe des Rechnungswesens können dies nicht leisten. Die Berechnung des Discounted Cash-Flow folgt derselben Logik wie die Kapitalwertmethode bzw. der Net-Present-Value-Ansatz. Abbildung 124: Berechnung des Shareholder Value <?page no="277"?> 254 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Nicht zu vergessen ist, dass auch weiterhin die kreative Leistung des Managements für die Höhe des Shareholder Value ausschlaggebend ist und nicht die Art und Weise seiner Messung (Welge, M.K./ Al-Laham, A., 2012; Kilroy, D.B./ McKinley, M.T., 1997). Weitere Anwendungsfelder dieses Ansatzes sind die Unternehmensbewertung, Bewertung von Investitionsvorhaben, die Steuerung und Beurteilung von dezentralen Einheiten im globalen Netzwerk, Entscheidungshilfe bei der Portfoliooptimierung auf Konzernebene, Beurteilungshilfe und Vergütungsmaßstab von Mitarbeitern und das Investor Relations Management (Michel, U., 1996). Die gesellschaftliche Akzeptanz des Shareholder-Value-Ansatzes als zentrales Controlling- Instrument ist jedoch abhängig von dem spezifischen Umfeld, in dem das Unternehmen arbeitet. Nicht zuletzt aufgrund der traditionell höheren Bedeutung der aktienbasierten Eigenkapitalfinanzierung findet der Ansatz in angelsächsischen Ländern weit höhere Akzeptanz als z.B. in kontinentaleuropäischen Ländern und stellt dort schon seit langem den Standard der Unternehmens- und Strategiebewertung dar. Obgleich diese Entwicklung in Ländern mit weniger ausgebildeter Kapitalmarktkultur wie zum Beispiel Deutschland mit deutlichem Zeitverzug einsetzte, kommen auch Unternehmen aus diesen Regionen durch den Druck des internationalen Kapitalmarkts nicht um eine vergleichbare Bewertung umhin. 7.1.2 Erstellung eines Bewertungsmodells Die Bewertung einer internationalen Strategieoption erfordert entsprechend der eben geschilderten Logik zunächst die Ermittlung des Cashflows der entsprechenden Strategiealternativen. Die Strategiealternativen werden aufgrund des vorhergehenden Schrittes IV des Strategieprozesses ermittelt und stellen die Grundlage für die Strategiebewertung dar. Die Modellierung eines Bewertungsmodells enthält eine Vielzahl zu berücksichtigender Variablen und stellt insofern eine erhebliche Herausforderung für die strategische Planung dar. Dennoch ist ein solches Modell eine wichtige Grundlage für die Entscheidung über internationale Strategien, auch wenn die Modellierung jeglicher Strategieoption mit nicht unerheblichen Unsicherheiten verbunden ist. Das Bewertungsmodell enthält die Prognose der wichtigsten Zahlungsströme in der strategischen Planungsperiode. Diese kann je nach Branche von sehr unterschiedlicher Länge sein, wird jedoch gemeinhin einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren abdecken. In Branchen, in denen dieses aufgrund der Langfristigkeit der Investitionen notwendig ist, kann der Planungszeitraum weit über zehn Jahre hinausgehen. So erfordert die Entwicklung eines neuen pharmazeutischen Wirkstoffs beispielsweise ca. acht Jahre. Ähnliches gilt für die langfristige Planung von Energiequellen oder Investitionen in Großprojekte wie Kraftwerke etc. Für diesen Zeitraum enthält das Modell die wesentlichen Umsatzströme sowie die zu erwartenden Investitionen und die Kosten des laufenden Geschäftes. Aufgrund der Länge des Planungszeitraums müssen die Kostenkategorien (wie bspw. Logistik, Vertrieb, <?page no="278"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 255 Herstellkosten) oft als Prozentsatz oder Näherungswert geplant werden. Hierbei bildet häufig eine Plan-Gewinn-und-Verlustrechnung (GuV) den Ausgangspunkt, welche dann um Cash-relevante Elemente wie Investitionen und Abschreibungen erweitert wird. Output ist ein Verlauf des Cashflows über den Planungszeitraum hinweg: Dieser lässt sich letztlich in einer einzigen Zahlungsreihe abbilden. Abbildung 125 zeigt beispielhaft den Verlauf der Cashflow-Prognose dreier Strategiealternativen im Vergleich zur Status-quo- Planung. Abbildung 125: Cashflow-Verläufe verschiedener internationaler Strategiealternativen Die hier als Option 2, 3 oder 1 dargestellten Alternativen für die zukünftige Gestaltung der Strategie stellen Variationen des Status quo dar, welche finanziell und strategisch zu bewerten sind. Abbildung 125 zeigt beispielhaft das Ergebnis der finanziellen Bewertung, welches auf Cashflow-Daten basiert. Im vorliegenden Falle kann die Strategieoption 1 schnell ausgeschlossen werden, da sie schon von der Status-quo-Planung dominiert wird. Auch der Status quo stellt keine wertmaximierende Alternative dar, da Option 2 und Option 3 in jeder Planungsperiode mindestens den gleichen Cashflow erreichen. Die zu klärende Frage ist jedoch, inwiefern Option 2 oder Option 3 relativ vorteilhafter sind. Um diese Entscheidung zu fällen, muss aus den vorliegenden Cashflow-Kurven eine zentrale Bewertungsgröße gebildet werden. Hierzu bietet der DCF-Ansatz die Konzentration auf eine zu bewertende Zahl als Lösung. Der DCF liefert eine absolute Größe, welche in Geldeinheiten dargestellt wird. Die Strategiealternative mit dem höchsten DCF ist aus rein finanzieller Sicht auszuwählen. Meistens wird diese Spitzenkennzahl aber durch weitere Kennzahlen ergänzt, welche die Profitabilität und das Risiko der Strategie abbilden. Hierfür können zum Beispiel die „Internal Rate of Return“, das Kapitalverhältnis oder die Amortisationsdauer hinzugezogen werden (Kruschwitz, L., 2011; Horngren, C.T./ Harrison, W.T./ Oliver, M.S., 2012). Auf der anderen Seite ist die Analyse natürlich um die erheblichen Risiken zu ergänzen, welche im internationalen Umfeld eine Rolle spielen. <?page no="279"?> 256 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld 7.1.3 Internationale Strategiebewertung unter Risiko Das internationale Umfeld impliziert erhöhte Risiken, welche sich in der Schwankungsbreite finanzieller Variablen niederschlagen. Umsätze, Preise, Absatzvolumina und Kosten werden durch das heterogene Umfeld beeinflusst und sollten insofern einer besonderen Risikobetrachtung unterzogen werden. Zur Abbildung dieser Risiken muss die Unsicherheit bezüglich einzelner Variablen in ihrer Auswirkung auf den Cashflow modellhaft abgebildet werden. „In fact, all risk in an investment ultimately can be expressed by one method: the ranges of uncertainty on the cost and benefits“ (Hubbard, D.W., 2010). Mit dieser Aussage stellt Hubbard klar, dass die letztlich interessierende Unsicherheit diejenige ist, welche sich in den Finanzströmen niederschlägt. Außerökonomische Betrachtungen dienen hierbei nur als beeinflussende Rahmenvariablen. Um diese risikoabhängige Variation von Kosten und Nutzen abzubilden, bieten sich verschiedene Ansätze an: Sensitivitätsanalysen zur Quantifizierung einzelner Teilrisiken Tornado-Charts zur Visualisierung der Auswirkungen von Teilrisiken auf die Gesamtstrategie Monte-Carlo-Simulationen zur simultanen Betrachtung der gesamten Risikostruktur einer Strategie Realoptionsmodelle zur gleichzeitigen Berücksichtigung von Risiko und Flexibilität bei der Strategieumsetzung Diese werden im Folgenden kurz dargestellt. Sensitivitätsanalysen und Tornado-Charts Das Prinzip der Sensitivitätsanalyse ist es, die DCF-Berechnung, welche einer internationalen Strategiebewertung zugrunde liegt, in einzelnen Punkten bzw. Einflussfaktoren zu variieren (Schierenbeck, H./ Lister, M., 2002). Hierdurch wird es ermöglicht, den Hebel, den Einzelvariablen auf das Gesamtergebnis haben, visuell und quantitativ darzustellen. Im einfachsten Fall einer Sensitivitätsanalyse werden einzelne Variablen des Bewertungsmodells vom Basisfall ausgehend modifiziert, um so die Auswirkungen auf die Gesamtbewertung, also den DCF, aufzuzeigen. Natürlich ist es hierbei naheliegend, diejenigen Variablen zu modifizieren, welche einen erheblichen Einfluss auf das Modell haben. Dies erfordert jedoch wiederum eine quantitative Analyse dieses Einflusses. Oft konzentriert man sich bei finanziellen Bewertungsmodellen auf diejenigen Variablen, deren Annahmen strittig oder deren Werte schwer zu quantifizieren sind. Die Gefahr ist hierbei, diejenigen Variablen zu vernachlässigen, die zwar einigermaßen gut abschätzbar sind, deren Einfluss aber deutlich höher ist, als jener der strittigen oder sehr unsicheren Variablen. So kann es beispielsweise bei der Bewertung einer Innovationsstrategie zu intensiven Diskussionen über die Höhe des Forschungs- und Entwicklungsbudgets kommen, weil dessen optimale Höhe sehr unsicher ist und eine wichtige Entscheidungsvariable <?page no="280"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 257 darstellt. Es könnte jedoch sein, dass eine nur marginale Veränderung der erzielbaren Preisposition im Markt den Effekt einer möglichen Veränderung des Forschungs- und Entwicklungsbudgets bei weitem überwiegt. Insofern kann eine geringe Verbesserung der letztgenannten Einflussgröße einen viel höheren Effekt haben. Um eine solche auf subjektiven Einschätzungen basierende Fehlallokation der Aufmerksamkeit („Management Attention“) zu vermeiden, bietet sich die parallele Modifikation mehrerer oder aller Variablen des Modells in einer Darstellung an. Diese kann in Form eines Tornado-Charts visualisiert werden. Abbildung 126: Tornado-Chart zur Strategieanalyse Diese in Abbildung 126 dargestellte Auswertung stellt das Ergebnis einer multiplen Sensitivitätsanalyse komprimiert dar und bildet somit ein Risikoprofil der Gesamtstrategie ab. Die beidseitigen Balken auf der Mittelachse geben den Einfluss der jeweiligen Variable auf den DCF der Strategie wieder, wenn diese um einen fixen Prozentsatz von zum Beispiel 10% variiert wird. Auf der rechten Seite wird dabei der positive Einfluss auf den DCF, auf der linken Seite hingegen der negative Einfluss gezeigt. Die Farben stehen für die Art der Auswirkung der Variablen: Eine Variable, welche sich bei einer Steigerung negativ auf den DCF auswirkt (z.B. Entwicklungskosten), zeigt einen dunkelblauen Balken auf der rechten Seite, wohingegen eine sich positiv auswirkende Variable diesen auf der linken Seite abbildet. Die Höhe der Balken entspricht der relativen Veränderung des DCF einer prozentualen Veränderung der Variable. Wahlweise kann der resultierende absolute DCF neben den beiden Balken gezeigt werden. Das Tornado-Chart sieht insofern einfach aus, enthält aber eine Vielzahl komprimierter Informationen. Im vorliegenden Falle würde sich eine Verkürzung der Entwicklungsdauer um 10% in der Höhe von 20 Mio. € positiv auf den DCF der jeweiligen Strategie auswirken. Eine entspre- <?page no="281"?> 258 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld chend längere Entwicklungsdauer hingegen hat einen negativen Effekt von in diesem Falle 60 Mio. €. Die Dominanz der Entwicklungsdauer als Einflussvariable lässt darauf schließen, dass diese Variable den entscheidenden Erfolgsfaktor für die Umsetzung der Strategie darstellt. Das Risikoprofil dieser Variable wäre in diesem Falle unausgeglichen. D.h., dass eine Variation nach oben betragsmäßig deutlich andere Auswirkungen hat als eine entsprechende Variation nach unten. Dies liegt an nichtlinearen Zusammenhängen im zugrundeliegenden Planungsmodell. So könnte es im vorliegenden Falle sein, dass der Erfolg der Strategie entscheidend von der rechtzeitigen Markteinführung einer Innovation abhängt. Eine deutlich frühere Einführung würde entsprechend höhere Abschöpfungsgewinne implizieren, eine Verspätung aber den Wert der Innovation erheblich schmälern. Eine solche Situation besteht zum Beispiel bei der Einführung eines neuen Wirkstoffs im Pharmabereich. Solange dieser „First in Class“ ist, also der erste verfügbare Wirkstoff dieser Art, kann der Innovationsvorteil finanziell ausgenutzt werden. Bei einer erheblichen Verspätung sinkt jedoch nicht nur die Vermarktungsdauer, sondern durch den Eintritt anderer Wettbewerber wird ein wesentlicher Vorteil eingebüßt. Der nicht-lineare Effekt kommt zum Tragen und der DCF bricht eventuell bis in das negative Spektrum ein. Im Ergebnis zeigt das Tornado-Chart also nicht nur die Auswirkungen der einzelnen Variablen, sondern liefert eine - wenn auch grobe - Abschätzung bezüglich eines „Worst Case“ und eines „Best Case“. Während das dargestellte Tornado-Chart sich auf eine Gesamtstrategie bezieht, können bei der internationalen Strategieentwicklung auch Darstellungen hilfreich sein, welche die Rolle einzelner Länder und das damit verbundene Risiko wiedergeben. Oftmals können einzelne Investitionen in Ländergesellschaften entscheidend für den Gesamtwert einer Strategie und damit die Zukunft des Konzerns sein. Dies zeigt sich am Beispiel der Firma ThyssenKrupp, deren strategischer Erfolg durch zwei fehlgeschlagene Investitionen in Ländergesellschaften im Jahre 2012 so stark beeinflusst wurde, dass der finanzielle Erfolg des Gesamtkonzerns stark gefährdet wurde. Durch die oben aufgeführten Darstellungen können die Auswirkungen einzelner Länderengagements auf die Gesamtstrategie visualisiert und erfasst werden, um so das Auswirkungsprofil einzelner Investitionen besser abschätzen zu können. Ein noch weitergehender Schritt ist die Durchführung einer Monte-Carlo-Simulation. Monte-Carlo-Simulation Im Gegensatz zur Sensitivitätsanalyse, welche die Variation einzelner Variablen in den Mittelpunkt stellt, erlaubt die Monte-Carlo-Simulation sowohl die Variation aller als auch einzelner Variablen, um so zu einem Gesamtmodell zu kommen. Erstmals erwähnt wurde der Begriff der Monte-Carlo-Simulation in einem Beitrag aus dem Jahre 1949, in dem mathematische Probleme statistisch unter Verwendung von Zufallszahlen gelöst wurden (Charnes, J.M., 2012). Zuvor nutzte jedoch schon der Kernphysiker Enrico Fermi im Jahre 1930 diese Form der Simulation, um das Verhalten von Neutronen zu berechnen (Hubbard, D.W., 2010). Benannt wurde die Simulation nach dem Spielcasino in <?page no="282"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 259 Monte-Carlo, da eine Ähnlichkeit mit einem Roulettetisch besteht, der im Grunde einem Zufallsgenerator entspricht (Klein, M., 2011a). Auch der Ausgangspunkt der Monte-Carlo- Simulation basiert auf dem Gedanken eines Zufallsgenerators. Um das Risiko abzubilden, werden die Variablen des Bewertungsmodells mit einer Wahrscheinlichkeitsverteilung belegt, die deren Risikostruktur widerspiegelt. Anstatt eine Annahme zu treffen, wie hoch beispielsweise der Wechselkurs, die Wachstumsrate oder der Marktanteil im Rahmen einer Strategieoption ist, wird pro Variable eine gewisse Schwankungsbreite unterstellt. Diese wird im Rahmen einer Wahrscheinlichkeitsverteilung abgebildet. Es können hierbei auch Abhängigkeiten in Form von Korrelationen zwischen den einzelnen Variablen definiert werden, z.B., dass der Ölpreis positiv mit dem Dollarkurs korreliert ist. Als Ergebnis kann man deren Wirkung auf die entsprechende Zielgröße wie DCF, Unternehmenswert, Marktanteil etc.) beobachten (Klein, M., 2011a). Folgende Schritte werden im Rahmen einer Monte-Carlo-Simulation zur Bewertung einer Interzahlstrategie durchlaufen: Erstellung des Planungsmodells zur Strategiebewertung (Base Case) Das Planungsmodell besteht in der Regel aus einer Cashflow-Betrachtung, in der die zukünftigen Zahlungsüberschüsse der Strategieoptionen im internationalen Rahmen prognostiziert werden. Zusätzlich werden Risikovariablen identifiziert und deren Einfluss auf die Zahlungsströme wird in das Modell übernommen. Im internationalen Umfeld sind dies oft Wechselkurse, Preise, regionalspezifische Marktanteile oder Einzeldaten wie der Zeitpunkt des Eintritts in einen bestimmten Markt oder das Volumen einer strategischen Investition. Je nach Art der Modellierung wird hierbei eine Trennung in drei Kategorien vorgenommen: Annahmen (Assumption parameters) Entscheidungsvariablen (Decision parameters) Abhängige Variablen (Forecast results) Annahmen sind diejenigen Risikofaktoren, über deren Höhe sich das Unternehmen unsicher ist, bspw. Inflation, Wechselkursschwankungen. Die Entscheidungsvariablen stellen keine Schätzung oder Annahme dar, sondern beinhalten die unternehmerische Entscheidung im Rahmen der jeweiligen Strategieoption. Die eigentliche Prognose des Wertes der Strategie muss schließlich als abhängige Variable definiert werden, um sie als Ergebniswert zu kennzeichnen. Dieser kombiniert die Werte der Annahme- und der Entscheidungsvariablen und berechnet das DCF-Ergebnis einer Strategieoption. Definition von Verteilungen und Abhängigkeiten Um die passende Verteilung der jeweils zu betrachtenden Variable zu bestimmen, sollten sämtliche Faktoren aufgelistet werden, die den Zustand dieser Variable beeinflussen könnten. Schließlich wird die Verteilung gewählt, durch die die Variable am besten beschrieben <?page no="283"?> 260 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld wird (Klein, M., 2011a). Die Anwendung der Monte-Carlo-Simulation erfordert gemeinhin eine Software-Unterstützung, da die Vielzahl der Berechnungen äußerst komplex ist. Die verfügbaren Softwarelösungen bieten die Möglichkeit, unterschiedliche Verteilungen der Variablen auch ohne eine spezifisch mathematische Modellierung auszuwählen. Abbildung 127 zeigt einige typische Verteilungen, welche bei der Strategiemodellierung Einsatz finden. Die Modellsammlungen der meisten Softwarelösungen enthalten jedoch meist weitaus mehr Optionen, die hier dargestellten sind lediglich als beispielhaft zu verstehen. Abbildung 127: Beispiele von Verteilungsannahmen Falls historische Daten verfügbar sind, kann auch diejenige Verteilung ausgewählt werden, welche den historischen Werten entspricht. Hierbei muss allerdings validiert werden, ob die vergangenheitsbezogenen Werte tatsächlich eine geeignete Zukunftsprognose im Sinne einer Extrapolation zulassen. Da die einzelnen Risikovariablen selten eine völlige Unabhängigkeit aufweisen, müssen zudem die Einflüsse untereinander dargestellt werden. Hierfür bedient man sich einer Korrelationsmatrix. Hierbei wird ausgedrückt, ob sich die identifizierten Werttreiber und Risiken kompensieren, gar nicht beeinflussen oder sich gegenseitig verstärken. Bei einer Korrelation von 1 (-1) sind beide Inputvariablen perfekt positiv (perfekt negativ) linear abhängig. Bei einer Korrelation von null besteht kein linearer Zusammenhang (Klein, M., 2011a). Durchführung der Simulation Die eigentliche Simulation generiert Zufallsvariablen, unterstellt also Ergebnisse aufgrund der Simulation, und zeigt anschließend die Ergebnisse auf. Dieser Vorgang wird im Rahmen der Simulation vielfach, z.B. bis zu 10.000 Mal, wiederholt, wobei die Anzahl der Iterationen festzulegen ist, welche die Qualität der Simulation natürlich beeinflusst. Der Vorgang gleicht dem Entscheidungsmodell des „Ziehens mit Zurücklegen“. <?page no="284"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 261 Abbildung 128: Vorgehensweise der Monte-Carlo-Simulation Nachdem die Ergebnisverteilung durch multiple Berechnung der interessierenden Zielgröße bestimmt wurde, können statistische Werte wie Erwartungswert, Standardabweichung als zweiseitiges Risikomaß, Schiefe, Wölbung etc. zur Interpretation abgelesen werden (Klein, M., 2011c). Hieraus kann somit ein Chancen-/ Risikoprofil der jeweiligen Strategieoption erstellt werden. Abbildung 128 zeigt diese Vorgehensweise im Überblick. Auswertung & Analyse Die verschiedenen Simulationsprogramme bieten umfangreiche Darstellungsmöglichkeiten wie beispielsweise Histogramme oder kumulative Verteilungsfunktionen (Klein, M., 2011b). Mithilfe der gewonnenen Informationen über die risikobedingte Schwankungsbreite des DCF können auf dieser Basis auch statistisch fundierte Entscheidungen gefällt werden. Voraussetzung ist natürlich, dass die Annahmen entsprechend realistisch getroffen wurden. Das Problem der Unsicherheit kann durch die Monte-Carlo-Simulation nicht gelöst werden, die Alternative zu einer risikoattestierten Bewertung ist jedoch immer eine „naive“ direkte Abschätzung. Dieser ist die Verwendung von Methoden der Risikobewertung gemeinhin überlegen. Im Vordergrund steht immer das Abwägen zwischen Risiko und finanziellem Ergebnis (Risk/ Return), nicht die Ableitung eines absolut „richtigen“ Modells. <?page no="285"?> 262 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Der große Vorteil der Monte-Carlo-Simulation liegt somit darin, Aussagen zu treffen, welche das Risiko der Variante mit einschließen. Hierzu gehören zum Beispiel Aussagen wie „mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent liegt der DCF bei mindestens 60 Mio. Euro“. Wahrscheinlichkeit und Ziel-DCF können dabei modifiziert werden, um so in der Diskussion über die Strategiebewertung verschiedene Risikoeinstellungen bzw. -annahmen zu simulieren und die Robustheit der Ergebnisse besser zu verstehen. Selbst bei Divergenz der Annahmen ergibt sich zumindest ein Spektrum, welches die möglichen Ergebnisse fassbar macht. Insofern ist diese Methode gerade für die komplexe internationale Strategiebewertung sehr hilfreich und erlaubt zudem vielfache zusätzliche Auswertungsmöglichkeiten (Charnes, J.M., 2012), welche hier nicht alle im Detail besprochen werden sollen. Software-Unterstützung Auf dem Markt werden verschiedene Lösungen zur Unterstützung der Monte-Carlo- Simulation angeboten, welche gemeinhin auch andere Instrumente umfassen, wie zum Beispiel Sensitivitätsanalyse, Entscheidungsbäume, Tornado-Charts. Die wohl bekanntesten Lösungen basieren auf der Software Microsoft ® Excel und sind als Add-on verfügbar. Hier sind insbesondere die beiden Lösungen Crystal Ball von der Firma Oracle ® und @Risk von der Firma Palisade ® zu erwähnen. Beide Softwarepakete sind Beispiellösungen und vorgefertigte Anwendungen für verschiedenste Bereiche der Risikosimulation. Es existieren jedoch auch integrierte Pakete, welche nicht auf einer Standardsoftware basieren, sondern eigenständige Datenbanken mit einer integrierten Strategielösung anbieten, wie zum Beispiel die Software Pipeline Planner. Beispielhaft wird in Abbildung 129 ein Screenshot aus dieser integrierten Lösung dargestellt, welcher Ergebnisse verschiedener Instrumente zeigt. <?page no="286"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 263 Abbildung 129: Softwaregestützte Strategieanalyse am Beispiel der Software „Pipeline Planner“ Quelle: Schrank, R./ Schug, K., 2013 Der Vorteil einer Monte-Carlo-Simulation ist es, innerhalb des Modells nicht nur die Risiken adäquat und breit zu bewerten, sondern auch mögliche positive Einflussfaktoren („Upsides“) zu berücksichtigen. Viele Organisationen beurteilen ihre Risiken mithilfe von Ampelfarben oder anhand einer qualitativen Skala („niedrig“; „mittel“; „hoch“). Allein die Frage, wie hoch ein „mittleres Risiko“ tatsächlich ist, kann diese Vorgehensweise teilweise entkräften (Hubbard, D.W., 2010). Anwendung in der Internationalisierungsplanung Wie der Einfluss des Risikos auf die Internationalisierung durch die Monte-Carlo- Simulation dargestellt werden kann, lässt sich anhand einer Simulation aufzeigen (Schrank, R./ Schumacher, M., 2012). Im hier dargestellten Modell wurde die Internationalisierungsentscheidung bezüglich einer Anzahl von zwölf Ländermärkten durch einfache Annahmen über Korrelationen zwischen Umsatzbzw. Cashflow-Entwicklung und dem Wachstum des Bruttosozialproduktes modelliert, wobei zentralen Risikotreibern mit dem Wechselkurs, der Inflation, dem Wachstum der Volkswirtschaft etc. entsprechende Wahrscheinlichkeitsverteilungen zugewiesen wurden. Diese basieren größtenteils auf Zeitreihen historischer Werte bzw. Prognosen des IMF und anderer Organisationen. Ohne an dieser Stelle auf die spezifischen Details des Modells einzugehen, lässt sich anhand von Abbildung 130 aufzeigen, welche Risikotreiber den größten Einfluss auf den DCF eines Markteintritts, in diesem Falle Deutschland bzw. Brasilien, haben. <?page no="287"?> 264 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Es handelt sich bei dem Modell in allen Ländern um die gleiche Investitionssumme sowie um das gleiche Wachstum der Cashflows, das lediglich mit dem Wachstum des BIP korreliert (Koeffizient +0,8). Einfluss auf das Ergebnis nehmen exemplarisch im Fall von Brasilien insbesondere die Wechselkursschwankungen und die Inflation. Dies wird auch durch die Betrachtung der Sensitivität (Beitrag zur Varianz) deutlich. Es ist nahe liegend, dass die Schwankungsbreite und die absolute Höhe von Inflation und Wechselkurs deren Sensitivität im Falle von Brasilien deutlich erhöhen. Abbildung 130: MC-Simulation - Sensitivität Deutschland vs. Brasilien (Ausschnitt) Quelle: Schrank, R./ Schumacher, M. (2012) In Bezug auf die Form der Internationalisierung (Markteintritt) können nun verschiedene Handlungsoptionen aufgezeigt werden, wofür eine Darstellung in Form einer Risk/ Return- Matrix sinnvoll ist. Auf der vertikalen Achse ist hier der Mittelwert des DCF aus der Simulation abgetragen, die Standardabweichung des DCF (hier Risiko) ist auf der horizontalen Achse eingezeichnet. Die Größe der Blasen repräsentiert das Marktvolumen, hier exemplarisch durch die Bevölkerungszahl approximiert. Die gestrichelte Linie in der Mitte zeigt eine beispielhafte Risikotoleranzgrenze des Unternehmens auf, welche eine maximal akzeptable Standardabweichung im DCF angibt. <?page no="288"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 265 Abbildung 131: MC-Simulation - Risk/ Return-Matrix pro Land Quelle: Schrank, R./ Schumacher, M. (2012) Im vorliegenden Fall lassen sich aufgrund der Risikoprofile und Wertpotenziale der einzelnen Länder Risikogruppen bilden, welche durch die gestrichelten Blasen angedeutet werden. Neben risikoarmen Investitionen, hier in den westeuropäischen Ländern, ergeben sich Möglichkeiten, um den Pfad der Internationalisierung in stärker risikobehafteten Länder fortzuführen. Dies ist im oben angegebenen Fall allerdings auch mit einer Steigerung des Wertpotenzials verbunden. Das hier dargestellte Modell basiert auf Annahmen, welche sich aus allgemeinen Schätzungen für Wechselkurs, Wachstum der Volkswirtschaft, Inflation etc. ergeben. Das Ergebnis ist jedoch nicht weit entfernt von dem Entscheidungsproblem, welchem viele Firmen gegenüberstehen: die Investition in risikoreiche Märkte, welche mit einer Steigerung des Wertpotenzials einhergeht. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass sich die Internationalisierungsstrategie gemeinhin nicht auf einen einzelnen Markt, sondern auf die Kombination von Märkten beziehen wird. Daher werden in einem zweiten Schritt die einzelnen Strategieoptionen als Kombination von Investitionen gemeinsam betrachtet. Die Ergebnisse der einzelnen Simulationen können wiederum in eine Risk/ Return-Matrix, analog wie oben beschrieben, abgetragen werden. <?page no="289"?> 266 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Abbildung 132: MC-Simulation - Risk/ Return-Matrix Internationalisierungspfade Quelle: Schrank, R./ Schumacher, M. (2012) In Bezug auf die Risk/ Return-Charakteristik sollte ein Hauptaugenmerk auf die Betrachtung der Alternativen „Gruppe 1 (Risiko)“ und im Vergleich dazu „Gruppe 2 (Alle)“ fallen. Bei Gruppe 1 handelt es sich um diejenigen Staaten mit einem „höheren Risiko“ bezogen auf die Standardabweichung des DCF, d.h. eine mögliche Internationalisierung aus Deutschland heraus in Richtung der BRIC-Staaten plus USA und Mexiko. Nimmt man nun „risikoärmere“ Staaten wie Frankreich, Italien, Finnland und Spanien hinzu, stellt man fest, dass das Gesamtrisiko im Sinne der Standardabweichung dennoch steigt - wenn auch nur leicht. Gleichwohl stabilisiert sich insbesondere der DCF in Verbindung mit einer geringen Risikozunahme. Betrachtet man nur die Investition und die angenommenen Risikofaktoren und Werttreiber, so lässt sich festhalten, dass eine Internationalisierung grundsätzlich mit einer Risikozunahme und einer entsprechenden Auswirkung auf das finanzielle Ergebnis (DCF) verbunden ist. Durch die Kombination verschiedener Länder lässt sich diese Auswirkung allerdings abfedern. Zudem bietet sich die Möglichkeit, Wechselkursschwankungen, Inflation und Repatriierungsproblemen mit entsprechenden Instrumenten des internationalen Finanzmanagements zu begegnen. Zusätzlich zur Portfoliodarstellung bieten sich natürlich verschiedene zusätzliche Auswertungen an. So können zum Beispiel verschiedene Handlungsoptionen überlagert betrachtet werden, wie dies in Abbildung 133 dargestellt wird. <?page no="290"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 267 Abbildung 133: MC-Simulation - Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Investitionsalternativen in verschiedenen Ländern Quelle: Schrank, R./ Schumacher, M. (2012) Hierbei wird ebenfalls die Streuung des DCF bei den Alternativen sichtbar. Es kommt nun auf die Lage des Unternehmens und die Risikoaversion des Managements in Verbindung mit den qualitativen Faktoren an, wie die Entscheidung ausfällt (Mankiw, N.G./ Taylor, M.P., 2010). Die Simulation kann lediglich eine unterstützende Entscheidungsgrundlage liefern. Risikoaverse Manager würden unter ausschließlicher Betrachtung obiger Abbildung (bei Vernachlässigung des Marktvolumens) den Markteintritt die USA wählen. Brasilien hat einen ungefähr gleich hohen DCF bei größerer Streuung. Russland wiederum bietet einen hohen DCF bei entsprechend hohem Risiko. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass der DCF geringer ausfällt als bei den anderen beiden Optionen, ebenfalls niedrig. Diese Art der statistischen Fundierung kann die Monte-Carlo-Simulation als eine von wenigen Methoden leisten. Realoptionsmodelle Im Gegensatz zur Monte-Carlo-Simulation, welche auf einer Simulation basiert, bietet der Realoptionsansatz geschlossene Lösungen des Bewertungsproblems unter Risiko. Diese Möglichkeit ist an das Konzept und die Annahmen der Optionspreistheorie im Kapitalmarkt angelehnt und wird im Folgenden kurz charakterisiert. Reale Optionen basieren auf dem Ansatz, Flexibilität in die Strategiebewertung mit einfließen zu lassen. Gerade bei langfristigen und komplexen Strategien ist davon auszugehen, dass diese nicht in vollem Umfang so implementiert werden, wie sie in der Strategiebewertung geplant wurden. Im Rahmen der Umsetzung der Strategie existiert eine Flexibilität, <?page no="291"?> 268 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld welche es erlaubt, negative Ergebnisse zu vermeiden, von positiven Entwicklungen aber in vollem Umfang zu profitieren. Dieses Risikoprofil entspricht dem einer Option am Kapitalmarkt, welche man ausüben kann, aber nicht muss. Erhebliche Verluste werden also teilweise vermieden, wohingegen von positiven Entwicklungen profitiert werden kann. Abbildung 134 stellt diesen Effekt grafisch dar. Abbildung 134: Grundprinzip des Realoptionsmodells Im blau gekennzeichneten Bereich wird die negative Ausprägung der Risikoverteilung der jeweiligen Strategieoption vermieden, wohingegen ein solcher Bereich bei positiven Werten nicht existiert. Hierdurch entsteht eine schiefe Verteilung, welche implizit die Flexibilität bei der Auflösung von Unsicherheit aufzeigt sowie entsprechend mögliche Reaktionen darauf abbildet. Hiermit sind Entscheidungen gemeint, welche bei der Änderung der Rahmenbedingungen eine Anpassung der Strategie erlauben. Diese werden im Rahmen der Realoptionstheorie als „Optionen“ bezeichnet. Hierzu gehören beispielsweise: Option, zusätzlich zu investieren (erweitern, hochskalieren, ausbauen etc.) Option, zu warten (Investitionen verschieben, nicht weiter investieren etc.) Option, zu desinvestieren (Verkauf, Abbau zur Vermeidung von Folgekosten etc.) Flexibilität kann somit darin bestehen, eine Investition zu verschieben, Projekte bei günstigen Marktbedingungen auszuweiten, bei gegenteiliger Entwicklung zurückzufahren etc. (Loderer, C./ Jörg, P./ Pichler, K./ Roth, L./ Wälchli, U., 2010). Neben diesen grundlegenden Möglichkeiten lassen sich viele weitere Variationen der Ausprägungen identifizieren (Copeland, T.E./ Koller, T./ Goedhart, M./ Wessel, D., 2010¸Perlitz, M./ Peske, T./ Schrank, R., 1999). Von vielen Vertretern des Realoptionsansatzes wird die klassische DCF-Berechnung insofern als „naiver Ansatz“ dargestellt, da hier keine Handlungsoptionen direkt berücksichtigt werden. Strategien oder Investitionen können weder ausgeweitet noch zurückgefahren oder gar abgebrochen werden (Copeland, T.E./ Keenan, P.T., 1998). Diese Kritik ist jedoch nur teilweise richtig, da auch in klassischen DCF-Analysen durch entsprechende Methoden eine Berücksichtigung der Handlungsoptionen eingebaut werden kann. Hier ist insbeson- <?page no="292"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 269 dere das Entscheidungsbaumverfahren (Loderer, C./ Jörg, P./ Pichler, K./ Roth, L./ Wälchli, U., 2010) zu nennen, welches oftmals bei der Bewertung von komplexen Projekten Anwendung findet und den klassischen DCF um eine situationsabhängige Entscheidungskomponente erweitert. Im Gegensatz zum Entscheidungsbaumverfahren enthält die Bewertung mit realen Optionen aber schon implizit die Flexibilitätskomponente, da eine entsprechende kapitalmarktorientierte Berechnungsformel Verwendung findet. Der Theorie der realen Optionen basiert im Wesentlichen auf der kapitalmarktorientierten Optionspreistheorie und damit auch auf der Formel zur Optionspreisbestimmung von Black und Scholes (Black, F./ Scholes, M., 1973). Dieses Modell, das zur Optionspreisbestimmung von gehandelten Unternehmensverbindlichkeiten (Aktien, Anleihen, Garantien) entwickelt wurde, liegt somit auch vielen Realoptionsmodellen zugrunde und ist in manchen Softwarelösungen enthalten. Der Bewertung mittels realer Optionen liegt die Annahme zugrunde, dass der Wert des zugrundeliegenden Basisinstruments durch strategische Handlungen beeinflussbar ist (Miller, K.D./ Waller, H.G., 2003; Peppmeier, A., 2006). Durch die am Kapitalmarkt orientierte Modellstruktur steigt der Wert der Option jedoch auch mit steigendem Wert der strategischen Option im Erfolgsfalle (Underlying). der Höhe der Unsicherheit. der Dauer bis zur möglichen Ausübung der Option. Ein Problem bei der praktischen Anwendung von Realoptionsmodellen resultiert aus den vielen Annahmen, welche aus der Kapitalmarkttheorie entlehnt sind und deren Gültigkeit in realwirtschaftlichen strategischen Entscheidungssituationen äußerst fraglich ist. Die wenigen Inputgrößen, die für die Anwendung der komplexen Black&Scholes-Formel notwendig sind, deuten bereits darauf hin, dass die Vielzahl der weiteren Informationen durch Annahmen ersetzt wird. Dies führt teilweise zu einer Scheingenauigkeit. Bei komplexen und schwer zu bewertenden Investitionen kann jedoch ein Realoptionsmodell dabei helfen, die Unsicherheit und Flexibilität wenigstens näherungsweise zu berücksichtigen. Theoretisch könnten Realoptionen für die Entwicklung einer Timing-Strategie in Bezug auf einen Markteintritt Verwendung finden, da die Zeit der Ausübung auch ein Parameter darstellt. Hierbei können die Optionen Abwarten, Eintritt, Rückzug, Wiedereintritt etc. einzeln bewertet werden. In der praktischen Anwendung hat sich die Methode jedoch für solche Fragestellungen bislang nicht durchsetzen können. Unternehmen haben bisher kaum Erfahrung mit einer solchen Bewertung, somit fehlen auch Rückhalt und Akzeptanz (Prexl, S./ Bloss, M./ Ernst, D./ Haas, C./ Häcker, J./ Röck, B., 2010). Zudem sollte Beachtung finden, dass eine Realoption immer isoliert betrachtet wird. Es ist keine Korrelation und keine Verbindung zur Umwelt im Konzept enthalten (Miller, K.D./ Waller, H.G., 2003), so dass das Modell zur Bewertung im komplexen Umfeld der Strategiebewertung weniger geeignet ist. <?page no="293"?> 270 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Andere Methoden der Risikoberücksichtigung Natürlich bietet das Instrumentarium der finanziellen Bewertung weitere Vorgehensweisen an, um Risiken, welche im internationalen Umfeld auftreten, abzubilden. Diese werden hier nicht im Detail dargestellt, sollen jedoch kurz Erwähnung finden. Szenarioanalysen (Variation mehrerer oder aller Variablen des Bewertungsmodells in Hinsicht auf eine bestimmte definierte Zukunftssituation) Entscheidungsbaummodelle (Aufgliederung der Bewertung zukünftiger Entscheidungspunkte und deren getrennte Bewertung, gegebenenfalls mit integrierter Wahrscheinlichkeitsschätzung) Spieltheoretische Ansätze (Modellierung der Strategieoption unter Berücksichtigung der Reaktion von Wettbewerbern und anderen Marktteilnehmern) Value at Risk (VaR), Cash-Flow at Risk (CFaR) (Berücksichtigung und Quantifizierung des maximal akzeptablen Verlustes einer Strategieoption) Auch die genannten Ansätze sind keine vollständige Auflistung des Instrumentariums zur Strategiebewertung, stellen jedoch eine anwendungsorientierte Auswahl dar. Abschließend lässt sich festhalten, dass die Bewertung internationaler Strategieoptionen auf den grundlegenden finanziellen Bewertungsmodellen aufbaut, jedoch in besonderem Maße die Berücksichtigung von Risiko erfordert. Eine vergleichende Bewertung der genannten Modelle und Ansätze wird nicht vorgenommen, da diese je nach Aufgabenstellung und Branche in unterschiedlicher Weise und in unterschiedlicher Kombination Verwendung finden können und sollten. Vielfach wird die Berücksichtigung von Risiko und die damit verbundene Notwendigkeit von Annahmen kritisiert. So stellte der Risikoexperte Reinhold Hafner in einem Handelsblatt-Interview fest: „Wenn man die Normalverteilung als Modell zu Grunde legt, dürfte ein Einbruch amerikanischer Aktien wie im Herbst 2008 nur alle 598.000 Jahre vorkommen“ (Hagen, J., 2011). Es existiert demnach ein entscheidender Unterschied zwischen „höchst unwahrscheinlich“ und „unmöglich“ (Maisch, M., 2011). Auch wenn diese Feststellung sicher richtig ist, stellt sich in Unsicherheitssituationen die Frage nach der Alternative oder, wie Sercu es ausdrückt: „One never knows whether one made the right assumptions; in fact, the cure might be worse than the disease“ (Sercu, P., 2009). Insofern ist ein völliger Verzicht auf die Berücksichtigung des Risikos kein Ausweg. Eine Problematik jedes Modells im Allgemeinen ist, dass die Berechnung für Außenstehende eine Art „Blackbox“ darstellt und nur schwer nachvollzogen werden kann. Die Ergebnisse, aber auch die Zusammenhänge lassen sich nur bedingt überprüfen (Hinners-Tobrägel, L., 1998). Hubbard schlägt daher vor, einen Chief Probability Officer (CPO) nahe der Geschäftsführung zu installieren, der für bestimmte Risikostrukturen zertifiziert wird. Drei Grundvoraussetzungen sind dafür maßgeblich (Hubbard, D.W., 2010): Zertifizierung, Dokumentation und ein entsprechendes Programm zur Durchführung (Klein, M., 2011a). <?page no="294"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 271 Vor der letzten Strategieentscheidung ist jedoch in jedem Falle auch eine qualitative Bewertung der Strategieoption notwendig. Diese wird im Folgenden dargestellt. 7.2 Qualitative Bewertung Im Rahmen der strategischen Bewertung finden Scoring-Modelle Anwendung, welche Strategien über die bislang rein finanziell erfolgte Betrachtung hinaus anhand strategischer Kriterien bewerten. Das Grundschema folgt dem Prinzip der Nutzwertanalyse bzw. des Scoring, welches in seinen Grundzügen bereits bei der Vorstellung der GE-Matrix dargestellt wurde. Auch hier müssen Kriterien und gegebenenfalls Gewichte und Skalen festgelegt werden. Mögliche Kriterien einer internationalen Strategiebewertung können folgende Punkte umfassen (Wüthrich, H.A., 2005): Differenzierung gegenüber der Konkurrenz: Führt die Strategieoption zu einer Verbesserung des Kundennutzens oder hat sie eine positive Wirkung auf die eigene Wettbewerbsstärke? Profitabilität: Leistet die Strategieoption einen Beitrag zur Verbesserung der relativen Unternehmensrentabilität? Timing: Sind Beschaffungs- und Absatzmärkte „bereit“ für die Strategieoption und wird das Engagement honoriert? Stärken/ Schwächen: Baut die Strategieoption auf Stärken des Unternehmens auf oder verbessert sie Schwächen des Unternehmens? Chancen/ Gefahren: Erlaubt die Strategieoption die Ausnutzung von Chancen aus der zuvor ausgeführten Umwelt-, Branchen- und Marktanalyse oder vermeidet sie die festgestellten Hauptgefahren? Kräftekonzentration: Eignet sich die Strategieoption zur Konzentration der Leistungen, Märkte, Absatzkanäle, Technologien, Materialien und internen Projekte? Konkurrenzsituation: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit einer unbemerkten Realisierung und mit welchen Reaktionen muss bei Bekanntwerden gerechnet werden? Kultur/ Motivation: Ist die Strategieoption mit der heutigen Unternehmenskultur vereinbar? Steht sie in Konkurrenz zu Wertvorstellungen der Geschäftsleitung? Kann die Strategieoption Motivation und Identifikation bei Mitarbeitern auslösen? Realisierungschancen/ -risiken: Sind die notwendigen Ressourcen verfügbar, um die Strategieoption zu implementieren, und wie sind die Möglichkeiten zur Erhaltung der Rentabilität? Strategische Schlüsselfrage: Liefert die Strategieoption schlüssige Antworten auf die erkannten strategischen Schlüsselfragen? <?page no="295"?> 272 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Diese Kategorien lassen sich beliebig erweitern und stellen deshalb nur eine Auswahl dar. Im internationalen Umfeld sind sicher die Kriterien „Risiko“ und „Ressourcen“ von entscheidender Bedeutung, da das internationale Engagement stets mit hohen Risiken und einem erhöhten Ressourceneinsatz verbunden ist. Im Gegensatz zur exakt-quantitativen Vorgehensweise im Rahmen der finanziellen Bewertung ist es unabdingbar und gewollt, dass bei der qualitativ strategischen Bewertung Unschärfen in der Bewertung in Kauf genommen werden und verschiedene Ansichten diskutiert werden können. Die endgültige Bewertung und Auswahl einer Strategieoption wird stets beide Bewertungen beinhalten. Insbesondere in dem Falle, in dem die finanzielle Bewertung verschiedener Optionen zu nicht klar unterschiedlichen Ergebnissen führt, gewinnt die strategische Bewertung an Bedeutung und gibt letztlich den Ausschlag für die Strategieentscheidung. Auch hier stehen verschiedene Techniken zur Zusammenführung beider Bewertungen zur Auswahl, welche hier aber nicht im Detail besprochen werden. Im Ergebnis wird eine Strategieoption für das internationale Unternehmen ausgewählt, deren Umsetzung Gegenstand des letzten Schrittes im Strategieprozess ist. 8 Strategieumsetzung Die Strategieumsetzung oder Implementierung bildet einen wesentlichen Erfolgsfaktor des strategischen Managements. So ist es empirisch nachgewiesen, dass die überwiegende Zahl der Strategien nicht an ihrer Konzeption, sondern an den Schwächen bei der Umsetzung scheitert (Kaplan, R.S./ Norton, D.P., 2010). Andererseits ist das Vorliegen einer solide abgeleiteten Strategie natürlich die Voraussetzung für die Erstellung eines Implementierungsplans. Nur das Zusammenspiel beider Komponenten kann zu einer optimalen Lösung bezüglich der strategischen Ausrichtung des Unternehmens führen. So kann eine effizient und stringent durchgeführte Implementierung durchaus auch Schwächen in der strategischen Konzeption ausgleichen. Das Scheitern einer an sich validen strategischen Konzeption sollte jedoch unbedingt vermieden werden. Kolks zeigt dieses Dilemma anhand des in Abbildung 135 dargestellten Schemas auf (Kolks, U., 1990). Abbildung 135: Strategie und Strategieimplementierung im Überblick Quelle: Kolks, U., 1990 Hierbei sollte insbesondere der Sektor der „verhinderten Gefahr“ Beachtung finden. Da die Festlegung der strategischen Ausrichtung des Unternehmens gerade im internationalen Umfeld stets mit Unsicherheiten behaftet ist, steigt die Bedeutung einer guten Umsetzung, <?page no="296"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 273 auch wenn diese niemals ein Ersatz für die Findung der richtigen Strategie sein kann. Zudem befinden sich viele internationale Unternehmen in einem „Red Ocean“ (Kim, C./ Mauborgne, R., 2005), also einer Industrie, in der die meisten oder alle Wettbewerber ähnliche Strategien verfolgen: Gerade hier wird die Implementierung zum zentralen Erfolgsfaktor. Die drei Schritte, die bei der Strategieumsetzung im Vordergrund stehen, betreffen den Implementierungsplan, das Steuerungskonzept und das Change Management. Während der Implementierungsplan die zeitliche Struktur und den Ablauf der Umsetzung vorgibt, werden im Rahmen des Steuerungskonzeptes Kennzahlen ermittelt, welche eine effiziente Umsetzung erst möglich machen. Ein nur begrenzt durch Instrumente strukturierbarer Faktor ist jedoch das Change Management, welches neben den messbaren Ergebnissen auch auf die Verhaltensänderung der Mitarbeiter und die Weiterentwicklung der Organisation abzielt. 8.1 Implementierungsplanung Der Begriff Implementierung leitet sich vom lateinischen „implementum“ ab und bedeutet „Erfüllung“ oder „Anfüllung“ (Hilker, J., 1993; Welge, M.K./ Al-Laham, A., 2012; Kranz, M., 2007). Im Kontext des strategischen Managements determiniert der Implementierungsplan also, wie die Transformation vom Status quo zur zukünftigen Positionierung des Unternehmenserfolgen soll (Raps, A., 2008). Bei der Strategieimplementierung im internationalen Konzern stellen sich besondere Herausforderungen, welche sich aus der Komplexität und Mehrdimensionalität der internationalen Strukturen ergeben. Im Einzelnen sind hier folgende für die Implementierung relevanten Ebenen hervorzuheben: (1) Konzernebene („Corporate Level“, „Global Level“): Die Konzernperspektive der Strategieentwicklung (2) „Strategische Geschäftsfeldebene“ („Business Unit-/ Business Area Level“): Die internationale strategische Geschäftseinheit ist die frei gewählte Einteilung des Konzerns in eigenständig agierende strategische Felder (3) „Funktionsbereichsebene“ (Functional Area, Competence Center): Der international integrierte Funktionsbereich, wie z.B. Produktion oder Human Resources (4) „Standortebene“ („Site“, „Plant“, „Sales Affilitae“): Zentrale Niederlassungen wie zum Beispiel eine Vertriebseinheit oder ein zentraler Standort für Aktivitäten wie zum Beispiel Produktion oder Forschung & Entwicklung (5) Länderebene („Country“, „Region“): Rechtliche Einheiten („Legal Entities“) im Konzern, also nationale oder internationale Gesellschaften (6) Rechtliche Gesellschaften („Legal Entity Level“) <?page no="297"?> 274 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Die genannten organisatorischen und inhaltlichen Ebenen spielen natürlich auch im Rahmen des Upstream-Strategieprozesses eine Rolle. Dieser konzentriert sich jedoch naturgemäß auf die Konzernebene sowie die eigens für die Strategieentwicklung gebildeten strategischen Geschäftsfelder, also auf die hier mit (1) und (2) bezeichneten Ebenen. Für die Strategieimplementierung und deren Planung hingegen gewinnen die Ebenen (3) bis (6) eine besondere Bedeutung, da die organisatorische Weisungsbefugnis oft an ihnen festgemacht ist. Wenn beispielsweise eine neue Produktstrategie im Rahmen der Geschäftsfeldplanung ermittelt wurde, muss diese im Anschluss z.B. an die Forschung und Entwicklung als globalen Funktionsbereich kommuniziert und dort implementiert werden, welche für die Entwicklung des neuen Produktes verantwortlich ist. Gleichzeitig muss deren Rolle aber mit den Leitern der Länderorganisationen und den Leitern großer Standorte wie zum Beispiel Produktionsstandorten abgestimmt werden. Sowohl Länder als auch Standortorganisationen verfügen häufig über eine erhebliche interne Machtposition, da sie bezüglich der Ausstattung mit Mitarbeitern, Budget und auch durch die rechtliche Ausgestaltung mit mehr Ressourcen versehen sind. Somit entsteht für die auf die Strategieentwicklung spezialisierten Einheiten die Problematik, sich auch dann mit neuen strategischen Konzepten durchzusetzen, wenn diese in manchen Fällen den Interessen der Linienorganisation widersprechen. Hier kommt es zu dem jedem Praktiker eines internationalen Konzerns bekannten Phänomen des Konfliktes zwischen dem „Wasserkopf“ auf der einen und den „Länderfürsten“ oder „Standortfürsten“ auf der anderen Seite. Dieser Effekt sollte natürlich im Idealfall durch eine intelligente Kommunikation und Verzahnung der Strategieimplementierung vermieden werden. Um Probleme bei der Umsetzung der Strategie zu vermeiden, empfiehlt es sich daher, die verschiedenen Ebenen schon im Prozess der Strategieentwicklung frühzeitig mit einzubinden. Abbildung 136 zeigt einen Überblick über den Strategieprozess eines deutschen Automobilzulieferers im jährlichen Zeitablauf. <?page no="298"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 275 Abbildung 136: Strategieentwicklungsprozess eines deutschen Automobilzulieferers Die hier als Division, Region und Kompetenzzentren („COC“, Centers of Competence) bezeichneten Ebenen entsprechen den weiter oben genannten Ebenen (2), (3) und (5). Dem übergeordnet ist die Konzernebene, von der der Anstoß zur Strategieentwicklung ausgeht und welche die Strategien der einzelnen Ebenen konsolidiert. Während die hierarchische Beziehung zwischen der Konzernebene und den darunter liegenden Ebenen eindeutig ist, positioniert sich die Geschäftsfeldstrategie oft zwischen der Konzernstrategie und der Strategie der operativen Einheiten und stellt somit die notwendige Verbindung zwischen beiden her. Nicht zuletzt aufgrund dieser Komplexität sehen viele Autoren die Implementierung als anspruchsvollste Phase im strategischen Managementprozess (Lombriser, R./ Abplanalp, P.A., 2010). Dies zeigt sich auch an der Erfolgsrate einer erfolgreichen Umsetzung, welche je nach Autor zwischen nur 10% und 30% liegt (Judson, A., 1991; Kiechel, R, 1984; Kaplan, R.S./ Norton, D.P., 2001). Es hat sich bislang kein dominantes Ablaufschema für die Implementierung einer Strategie eines internationalen Konzerns herausgebildet. Im Folgenden werden jedoch die wichtigsten zu durchlaufenden Schritte kurz dargestellt und nicht in jedem Falle auf die hier im Einzelnen verwendeten Instrumente eingegangen. Konkretisierung der Strategiekonzeption In diesem Schritt muss die auf Konzernebene definierte Strategie bezüglich der operativen Einheiten konkretisiert und in ihre Kernstoßrichtungen heruntergebrochen werden. An dieser Stelle geht es darum, das komplexe Gebilde der internationalen Strategie in kommunizierbare „Pakete“ herunterzubrechen, welche als Richtlinie für die Maßnahmenplanung dienen können. Oft wird diese Aufgabe von spezialisierten strategischen Planungseinheiten <?page no="299"?> 276 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld oder dem zentralen Controlling übernommen. Die Rolle des Controllings besteht dabei insbesondere darin, die Budgets bezüglich neuer Investitionen und laufende Kosten auf die jeweilige operative Einheit anzupassen bzw. die Entscheidung über einzelne Maßnahmen herbeizuführen. Maßnahmenplanung der operativen Einheiten Auf Basis der Strategiekonzeption schlagen die operativen Einheiten einzelne Maßnahmen vor, welche zur Implementierung der Strategie notwendig oder von der Einheit gewünscht sind. Hierbei ist natürlich darauf zu achten, dass nur solche Maßnahmen in den globalen Implementierungsplan aufgenommen werden, welche entweder einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtstrategie des Konzernes haben oder aber erhebliche finanzielle Mittel erfordern, so dass eine zentrale Budgetierung unabdingbar ist. Die Mittelverteilung im Rahmen der globalen Strategie erfordert eine zentrale Koordination. Nur so kann eine zielgerichtete Verwendung sichergestellt werden, welche die internationale Konzernstrategie und nicht die finanzielle Ausstattung der operativen Einheit in den Vordergrund stellt. Priorisierung und Auswahl der Maßnahmen Liegen die Maßnahmenpläne zur Strategieumsetzung vor, muss eine Bewertung und Auswahl erfolgen. Gemeinhin können nicht alle vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt werden, sondern es muss eine Priorisierung bezüglich der finanziellen Auswirkungen des strategischen Nutzens stattfinden. Abbildung 137 zeigt ein solches Auswahlschema. Abbildung 137: Maßnahmenbewertung und -auswahl im Rahmen der Strategieumsetzung Das hier dargestellte Schema wird in dieser oder ähnlicher Form in vielen internationalen Firmen verwendet und ist im Grunde vergleichbar mit der Bewertung von Strategieoptionen. Im Gegensatz zur umfangreichen Modellierung eine Strategiebewertung findet hier <?page no="300"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 277 aufgrund der Vielzahl der Maßnahmen eine Konzentration auf wenige pragmatische Größen statt. Aufgrund der global definierten strategischen Stoßrichtungen (Spalte 1) werden Maßnahmen (Spalte 2) vorgeschlagen, welche meist auch Investitionen bzw. eine Budgetzuteilung implizieren, welche in Spalte 3 aufgeführt wird. Durch die Summierung von Spalte 3 entsteht bereits ein erster Eindruck über die Umsetzbarkeit des gesamten Maßnahmenpaketes. Die Spalten 4 bis 6 enthalten geschätzte finanzielle Parameter zur Bewertung der Investitionen. Die hier beispielhaft genannten Kennzahlen finden in der Praxis Anwendung, andere Kriterien wie vormals genannte DCF oder die „Internal Rate of Return“ können aber auch Anwendung finden. Spalte 7 schließlich enthält eine verkürzte strategische Bewertung, welche zusammen mit den finanziellen Kriterien letztlich zu einer Entscheidung in Spalte 8 führt. Das genannte Vorgehen basiert auf einer komprimierten und in gewisser Weise vereinfachten Bewertung einzelner Maßnahmen. Es kann bei besonders investitionsintensiven oder strategisch zentralen Maßnahmen verfeinert und erweitert werden. Für die Durchführung einer Maßnahmenbewertung im Rahmen der globalen Strategieentwicklung ist eine solche Vereinfachung jedoch unabdingbar, zumal die Entscheidung typischerweise im Rahmen eines größeren Strategietreffens erfolgt. Herunterbrechen der Maßnahmenplanung Sind strategische Stoßrichtungen und Kernmaßnahmen konzernweit und pro Einheit definiert, folgt eine Umsetzungsplanung, bei welcher klassische Instrumente der Projektplanung Anwendung finden. Hierbei handelt es sich um GANT-Diagramme, Netzpläne, Meilensteinpläne etc., welche gemittelte Maßnahmen in eine zeitliche und inhaltliche Struktur bringen. Strategiekommunikation Eine oft vernachlässigte Aufgabe stellt schließlich die Kommunikation der letztlich entschiedenen Strategie inklusive ihrer Einzelmaßnahmen an die internationalen Einheiten dar. Hier können Instrumente des internen Marketings Verwendung finden, um das Verständnis der umfassenden Strategiekonzeption in den internationalen operativen Einheiten zu fördern. Oftmals lässt sich beobachten, dass die Kenntnis der Strategie sich in einzelnen Ländereinheiten auf die jeweilige Geschäftsleitung beschränkt. Bei internen Umfragen ergibt sich gerade bei internationalen Konzernen regelmäßig, dass die Strategie in verschiedenen Ländereinheiten eine völlig unterschiedliche Wahrnehmung erfährt als beispielsweise bei der zentralen Planung. Diesen Widerspruch zu überwinden, stellt eine wesentliche Herausforderung für die internationale Strategieimplementierung dar. Neben diesen Schritten ist es von zentraler Bedeutung, den Prozess der Strategieentwicklung („Upstream“) mit dem Prozess der Strategieumsetzung („Downstream“) zu verzahnen. Hierdurch werden Implementierungsprobleme bereits im Vorfeld angegangen oder idealerweise vermieden. <?page no="301"?> 278 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Abbildung 138 zeigt den Strategieprozess der Firma Novelis im Überblick. Hierbei wird zwischen der Strategieentwicklung und der Strategieumsetzung unterschieden. Abbildung 138: Strategieprozess der Firma Novelis (Upstream) Der Strategiezyklus von Novelis umfasst einen Zeitraum von Mai bis Februar, welche von dem Kick-off-Treffen auf Konzernebene bis zur Kommunikation der Strategie an internationale Einheiten reicht. Ohne an dieser Stelle näher auf die einzelnen Teilschritte einzugehen, zeigt sich die mehrdimensionale Struktur, anhand welcher die jeweiligen Einheiten in den Prozess eingebunden werden. Eine entscheidende Phase für die Implementierung liegt hierbei zwischen September und Dezember. In diesem Zeitraum werden die Geschäftspläne für die Maßnahmen entwickelt, welche nach einer Vorauswahl für die Strategieimplementierung in Frage kommen. Nach der Freigabe im Dezember folgen im ersten Quartal des Folgejahres der eigentliche Implementierungsplan und das Herunterbrechen auf die einzelnen Konzerneinheiten. Dies führt zur fertiggestellten Strategie, welche ab Februar als rotierender Fünfjahresplan an die Teileinheiten kommuniziert wird. Aus dieser Übersicht wird auch ersichtlich, dass es sich beim internationalen Strategieprozess keinesfalls um eine einmalige Festlegung handelt, sondern um einen sich wiederholenden Planungszyklus, welcher weite Teile des Jahres abdeckt, aber nicht in jeder Phase die operati- <?page no="302"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 279 ven Einheiten einbindet, um diese in der Implementierung nicht mit sich ändernden Plänen zu konfrontieren. Abbildung 139: Strategieprozess der Firma Novelis (Downstream) Abschließend lässt sich festhalten, dass die Strategieimplementierung einen zentralen Erfolgsfaktor darstellt, sich aber nur wenige konkrete Lösungsansätze in der Theorie finden lassen. Die hohe Misserfolgsrate in diesem Schritt des Strategieprozesses lässt sich auf verschiedene Probleme zurückführen, welche im Folgenden kurz aufgeführt werden (Raps, A., 2008; Alexander, L.D., 1985): <?page no="303"?> 280 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Unterschätzung der Implementierungsdauer Mangelhafte Definition der Kernaufgaben und nicht ausreichende Vorbereitung der Mitarbeiter Beeinträchtigung durch konkurrierende Umsetzungsaktivitäten Suboptimal koordinierte und ineffektive Umsetzungsaktivitäten Inadäquates Informationssystem zur Überwachung der Implementierung Auftreten unerwarteter Probleme Negative externe Einflüsse nicht kontrollierbarer Faktoren, die den Umsetzungsvorgang stören oder von diesem ablenken Unzureichende Leistung der involvierten Mitarbeiter und unzureichende Führung vom Management Ein Konzept zur Verhinderung dieser Probleme stellt die Etablierung eines effizienten Steuerungssystems dar, was Gegenstand des nächsten Schrittes des Strategieprozesses ist. 8.2 Steuerungskonzept 8.2.1 Performance Measurement als Steuerungskonzept Der Entwicklung eines kennzahlenbasierten Steuerungssystems kommt im internationalen Rahmen eine besondere Bedeutung zu. Schon das Controlling der Umsetzung einer nationalen Strategie stellt das Management vor erhebliche Herausforderungen. Auf der anderen Seite eignet sich gerade die kennzahlenbasierte Steuerung als Ansatzpunkt für die internationale Strategieimplementierung, da die Zielerreichung quantifiziert und in konkreten Daten abgebildet wird. Dies reduziert das Problem der interkulturellen Kommunikation in gewissem Umfang, wenn durch klare Definitionen der Kennzahlen faktenbasiert argumentiert werden kann. Als zentrale Gruppe von Instrumenten hat sich hier der Performance-Measurement-Ansatz etabliert. Der Begriff „Performance Measurement“ bezeichnet den Aufbau und Einsatz meist mehrerer quantifizierbarer Kennzahlen verschiedenster Dimensionen (z.B. Kosten, Zeit, Qualität, Innovationsfähigkeit, Kundenzufriedenheit). Diese werden zur Beurteilung der Effektivität und Effizienz der Leistung unterschiedlichster Einheiten im Unternehmen herangezogen (Gleich, R., 2011). Ziel eines Steuerungssystems ist neben der Quantifizierung der Zielerreichung auch die Verdeutlichung des Zusammenhangs zwischen der Unternehmensstrategie und den Steuerungsgrößen des Unternehmens. „What gets measured gets done“ steht hierbei also sowohl für das Nachhalten quantifizierter Ergebnisse als auch für die klare Kommunikation der Ziele und deren Zusammenhang mit der Strategie. <?page no="304"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 281 Besondere Bedeutung hat hier das Konzept der Balanced Scorecard erlangt. Das Konzept bildet einen Rahmen, innerhalb dessen Strategien systematisch konkretisiert und durch ein integriertes System von Steuerungsgrößen gemessen werden (Horvath, P., 2013; Kaplan, R.S./ Norton, D.P., 2010; Kaplan, R.S./ Norton, D.P., 2012; Niven, P.R., 2009). Der Ansatz geht über klassische finanzielle Kennzahlensysteme als Instrumente der Verhaltenskontrolle und Bewertung hinaus und ermöglicht es, die langfristigen Visionen und Strategien mit kurzfristigen Zielen und Aktionen zu verbinden sowie strategisches Lernen zu fördern (Friedag, H.R./ Schmidt, W., 2007; Fink, C.A./ Gundeler, C., 1998). Die Autoren Kaplan und Norton schlagen vor, die Strategie unter vier Perspektiven zu betrachten: Finanzwirtschaftliche Perspektive Kundenperspektive Interne Prozessperspektive Innovations- und Lernperspektive Den einzelnen Perspektiven werden Ziele zugeordnet, die durch finanzielle und nichtfinanzielle Messgrößen abgebildet werden. Diese 10 bis 25 Kernkennzahlen sollten über die unterstellten Ursache-Wirkungszusammenhänge ein kohärentes System bilden (Kaplan, R.S./ Norton, D.P., 2001). Die finanzwirtschaftliche Perspektive definiert die langfristigen Erfolgsziele der Geschäftseinheit. Daneben treten noch andere Ziele in Erscheinung, wie z.B. das Umsatzwachstum in der Wachstumsphase oder Cashflow-Ziele in der Reifephase einer Geschäftseinheit. Die Kundenperspektive der Balanced Scorecard benennt die Leistungsmaßstäbe für die Markt- und Kundensegmente, in denen sich die Geschäftseinheit dem Wettbewerb stellen möchte. Die Ergebnisse werden i.d.R. durch mehrere generische Messgrößen abgebildet, wie z.B. Kundenzufriedenheit, Kundenbindung oder Neuakquisition von Kunden. In der internen Prozessperspektive werden die erfolgskritischen Prozesse identifiziert. Im Gegensatz zu traditionellen Ansätzen konzentriert sich der Balanced-Scorecard-Ansatz weniger auf bereits existierende Prozesse, sondern versucht, neue, erfolgskritische Prozesse herauszuarbeiten. Deshalb werden sowohl Messgrößen des langfristigen Innovationszyklus als auch des kurzfristigen operativen Geschäftszyklus aufgenommen. Die Innovations- und Lernperspektive identifiziert die Infrastruktur für langfristiges Wachstum und Verbesserung. Die strategischen Potenziale des Informationssystems und der Mitarbeiter sowie deren Motivation, Fähigkeit und Zielausrichtung stellen Steuerungsgrößen für diese Perspektive dar. <?page no="305"?> 282 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Abbildung 140 stellt beispielhaft Kernziele und Kennzahlen der Firma Rockwater dar, einem der klassischen von Kaplan und Norton aufgeführten Beispiele. Abbildung 140: Die Balanced Scorecard von Rockwater Quelle: Kaplan, R.S./ Norton, D.P., 2001 Kritisch ist bei dem Konzept vor allem anzumerken, dass die vorgeschlagenen Kennzahlen eine Detailanalyse auf operativer Ebene nur in begrenztem Umfang zulassen. Weiterhin wird die Prozessorientierung nicht genügend berücksichtigt und eine Verbindung der unterschiedlichen Perspektiven ist im Rahmen der Balanced Scorecard nur bedingt möglich (Schrank, R., 2002; Perlitz, M., 1999). Bezüglich des Einsatzes und der Umsetzung von Performance-Measurement-Systemen zeigt eine empirische Studie deutliche Unterschiede zwischen den USA und Deutschland. Abbildung 141 verdeutlich, dass sich Vorstände in Deutschland schwerpunktmäßig an Finanz- und Leistungskennzahlen orientieren. In Amerika spielen zusätzlich vor allem die Kundenzufriedenheit und Mitarbeiterbelange eine große Rolle (Perlitz, M., 1998). Abbildung 141 gibt Hinweise darauf, dass sich die Kennzahlen der Balanced Scorecard weitaus weniger gut auf verschiedene regionale und nationale Teileinheiten übertragen lassen, als dies bei rein finanziellen Steuerungssystemen der Fall ist. Dies liegt nicht nur in kulturellen Unterschieden begründet, sondern ergibt sich bereits aus den unterschiedlichen historischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten. Obgleich einige multinationale Konzerne wie bspw. Daimler konzernweite Scorecards im Einsatz haben, stellt das Problem der Steuerung großer Konzerne mit der Balanced Scorecard eine der großen <?page no="306"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 283 Herausforderungen für die internationale Managementforschung dar. Es finden sich bislang kaum Beiträge, welche diese Herausforderung direkt untersuchen. Abbildung 141: Einsatz von Messgrößen für das Performance Measurement in Deutschland und den USA Quelle: Perlitz, M., 1998 Folgende beispielhaft genannten Probleme treten bei der Steuerung internationaler Konzerne mit der Balanced Scorecard auf: (1) Die Messbarkeit der gewählten Kennzahlen ist nicht konzernweit sichergestellt. So kommt es in der Praxis häufig vor, dass etwa Kennzahlen zur Kundenperspektive wie z.B. Kundenzufriedenheitsindizes oder Kundenrentabilität zwar im Stammhaus erhoben werden, nicht jedoch in allen Tochterunternehmen in gleicher Form vorliegen. In der Folge muss auf andere Kennzahlen zurückgegriffen werden, was wiederum die Vergleichbarkeit der Performance einschränkt. (2) Es bestehen Unterschiede in der nationalen strategischen Ausrichtung. Auch wenn ein multinationales Unternehmen eine einheitliche strategische Ausrichtung anstrebt, existieren in der Realität häufig nationale Gesellschaften, die von der Konzernstrategie abweichen. Gründe hierfür können z.B. in der Historie liegen, wenn es sich um ein zugekauftes Unternehmen handelt. Häufig machen auch nationale Gegebenheiten eine Strategieanpassung notwendig. In der Folge ist nicht nur die Übertragbarkeit der Kennzahlen fraglich, sondern das ganze Kausalmodell der Balanced Scorecard muss in Frage gestellt werden. (3) Aufwand der Erhebung. Abgesehen von der Problematik der internationalen Standardisierung von Kennzahlen kommt ein Aufwandsproblem hinzu. Auch wenn die Erhebung der gleichen Kennzahlen sinnvoll erscheint, kann nicht in jedem Markt davon ausgegangen werden, dass deren Erhebung auch aus wirtschaftlicher <?page no="307"?> 284 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Sicht als sinnvoll erscheint. Hierbei spielen sowohl die Datenverfügbarkeit als auch die Marktgröße eine wichtige Rolle. (4) Kulturelle Akzeptanz von Kennzahlen. Es wurde hier bereits auf die durchaus bedeutenden kulturellen Unterschiede bei der Akzeptanz von Controllingsystemen und Daten hingewiesen. Bei internationalen Balanced Scorecards tritt diese Problematik insofern in verschärfter Form auf, als weitaus mehr Bereiche der jeweiligen Niederlassung mit der Zielerreichungsproblematik konfrontiert werden. (5) Konsolidierbarkeit der Kennzahlen. Viele Kennzahlen können zwar dezentral erhoben, nicht jedoch global konsolidiert dargestellt werden. Dies ergibt sich durch die unterschiedlichen Dimensionen finanzieller und nicht-finanzieller Kennzahlen. Hierdurch erhöht sich der Komplexitätsgrad bei der Auswertung und Analyse der Kennzahlen erheblich. (6) Global zentralisierte vs. nationale Einheiten: die Matrix-Problematik. Im internationalen Kontext erhält die Koordination zwischen Funktionsbereichen, Produktionsstandorten und Vertriebsniederlassungen eine neue Qualität. So muss sich das relevante Set an Kennzahlen je nach Art der zu messenden Einheit (Funktion, Produktionsstandort, Vertriebsniederlassung) wesentlich unterscheiden. Darüber hinaus ist zu beachten, dass sich je nach Struktur des internationalen Unternehmens verschiedene „Legal Entities“, also rechtlich selbstständige Einheiten, finden, welche den Spielraum der Messung gegebenenfalls erweitern oder einengen. Die genannten Erhebungsprobleme machen das Management multinationaler Scorecards zu einer komplexen Problematik. So muss im internationalen Konzern die „Top Level- Scorecard“, also die auf der höchsten Ebene angesiedelte Gruppe von Kennzahlen, die Performance der unteren Ebenen möglichst vollständig abbilden. Eine solche Konzern- Scorecard ist aufgrund der heterogenen Inputs nicht immer leicht interpretierbar. Abbildung 142 stellt die komplexe Struktur verschiedener Scorecard-Ebenen beispielhaft im Überblick dar. Die Konzern-Scorecard stellt häufig finanzielle Ziele in den Mittelpunkt, da hier eine integrierte Darstellung machbar und sinnvoll ist. Schon bei einigen Kerngrößen der Kundenperspektive muss jedoch häufig auf Einzel-Scorecards der nachgelagerten Ebenen verwiesen werden. Eine mögliche Alternative stellt die Indexierung von Kennzahlen im Rahmen eines Zielerreichungsgrades dar (Schrank, R., 2002). <?page no="308"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 285 Abbildung 142: Unterschiedliche Ebenen von Balanced Scorecards im internationalen Konzern Auf nachgelagerten Ebenen finden sich üblicherweise die Scorecards von Vertriebsgesellschaften sowie Standorten, an denen produziert oder geforscht wird. Das hierfür relevante Set an Kennzahlen unterscheidet sich aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenstellungen und internationalen Standorte oft erheblich. Grundsätzlich gilt, dass ein optimales Gleichgewicht zwischen weltweit standardisierten Kennzahlen zur vereinheitlichten Steuerung und spezifischen Kennzahlen zur Berücksichtigung der Untereinheit anzustreben ist. Innerhalb einer Scorecardgruppe (z.B. Produktionsstandorte) ist hingegen eine weitgehende Standardisierung von Vorteil. Hierdurch wird die Bildung von Funktions- Scorecards erleichtert, wie sie beispielsweise der amerikanische Konzern Johnson & Johnson für die globale Forschung und Entwicklung ermittelt. Der komplexe Prozess der Ableitung einer internationalen Struktur von unterschiedlichen Balanced Scorecards wird in Abbildung 143 beispielhaft dargestellt. Auch hier ergibt sich die Problematik der Abgleichung und Koordination zwischen einzelnen Ebenen der Strategie. <?page no="309"?> 286 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Abbildung 143: Prozess der Ableitung einer internationalen Scorecard am Beispiel eines mittelständischen Mischkonzerns Aufgrund diverser Gegensätze zwischen den regionalen und nationalen Geschäftseinheiten, die unter anderem auf die kulturellen, rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten sowie die verschiedenen Tätigkeitsbereiche zurückzuführen sind, lässt sich erkennen, dass sich die verschiedenen Kennzahlen der Balanced Scorecard im Gegensatz zu Steuerungssystemen, welche auf rein finanziellen Kennzahlen beruhen, wesentlich schwieriger auf das gesamte Unternehmen übertragen lassen. 8.2.2 Integration und Konsolidierung internationaler Scorecards Eines der Hauptprobleme bei der Umsetzung einer Balanced Scorecard in multinationalen Unternehmen ist die konzernweite Konsolidierung und Interpretation der meist sehr heterogenen Kennzahlen. Vertriebsgesellschaften, Produktionsstandorte oder regionale Zentraleinheiten erfordern völlig unterschiedliche Kennzahlen. Die Anpassung der Kennzahlen ermöglicht zwar die Analyse der einzelnen operativen Einheit, führt aber zu einer erheblichen Zunahme des Komplexitätsgrades bei der Auswertung und Analyse der Kennzahlen auf Konzernebene. Kaplan und Norton stellen dieses Problem anhand der in Abbildung 144 dargestellten Grafik dar. Zum einen sind verschiedene Funktionsbereiche in verschiedenen Ländern angesiedelt, zum anderen werden nicht alle Kennzahlen in jeder operativen Einheit gemessen. Hinzu kommt, wie bereits erwähnt, dass sich auch die verwendeten Kennzahlen notwendigerweise oft länderspezifisch unterscheiden müssen, auch wenn die Aktivitäten in beiden Ländern ähnlich sind. <?page no="310"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 287 Abbildung 144: Balanced Scorecard im internationalen Verbund Quelle: Kaplan, R.S./ Norton, D.P., 2009 Das Problem der Konsolidierung wird im Folgenden anhand eines modellhaft vereinfachten Beispiels eines international agierenden Konzerns mit zwei Ländergesellschaften, Land A und Land B, betrachtet. Zudem wird vereinfachend von nur einer Kennzahl pro Perspektive der Balanced Scorecard ausgegangen. Von einer unterschiedlichen Definition der einzelnen Kennzahlen wurde hier abgesehen. Ein Konsolidierungsmechanismus lässt sich auch so aufzeigen und ist grundsätzlich auf weitaus komplexere Strukturen übertragbar. Selbst ohne unterschiedliche Kennzahlen ist die Gesamtperformance einer Ländergesellschaft aufgrund der Heterogenität der Kennzahlen nicht ermittelbar. Dies resultiert notwendigerweise aus der mehrdimensionalen Betrachtung des Balanced-Scorecard-Ansatzes. Bei einer rein finanziellen Betrachtung stellt sich das Problem nicht in derselben Schärfe. Einen Ausweg kann hier ein auf Indexierung basierender Ansatz (Schrank, R. 2001) schaffen, welcher durch moderne Business-Intelligence-Software auch einfach zu implementieren ist. Die Basis eines solchen Ansatzes stellt die Normalisierung der einzelnen Kennzahlen auf eine abstrakte und in Prozent ausgedrückte „Zielerreichung“ dar. Durch die Vereinheitlichung der Dimension wird allerdings, ähnlich wie bei der bereits dargestellten Lösung für die GE-Matrix, eine Gewichtung einzelner Kennzahlen und letztlich eine Gewichtung einzelner Gesellschaften notwendig. Abbildung 145 enthält die hierfür notwendigen Basisdaten: Definition der Kennzahlen Zu erreichende Zielvorgaben Gewichtung der entsprechenden Ziele bzw. Perspektiven <?page no="311"?> 288 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Abbildung 145: Basisdaten zur Ermittlung einer Gesamtperformance In einem nächsten Schritt müssen die erzielten Ergebnisse der Landesgesellschaft mit den Zielvorgaben verglichen werden, um so einen Zielerreichungsgrad (Ergebnis/ Zielvorgabe in %) zu ermitteln. Dies stellt meist einen einfachen Soll-Ist-Vergleich dar, kann jedoch, je nach Definition der Kennzahlen, zu Messproblemen führen, welche aber lösbar sind (Schrank, R., 2001). Multipliziert mit der Gewichtung der jeweiligen Ziele ergibt sich eine gewichtete Zielerreichung, welche dann zu einer Gesamtzielerreichung der Ländergesellschaft aufsummiert werden kann. Abbildung 146: Errechnung der Gesamtperformance zweier Tochtergesellschaften Im vorliegenden Modellfall zeigt sich, das Land A die gesteckten Ziele übertroffen hat, wohingegen Land B deutlich hinter der Zielerreichung zurückbleibt. Auch wenn diese Größen die teilweise subjektive Bewertung der Bedeutung einzelner Ziele beinhalten, können sie doch mehr Aufschluss über den Zielerreichungsgrad einer Landesgesellschaft geben, als dies finanzielle Daten vermögen, welche völlig von der Bedeutung einzelner Ziele losgelöst sind. In einem weiteren Schritt kann schließlich eine Konzernperformance ermittelt werden, welche allerdings eine Gewichtung der Ländergesellschaften erfordert. Abbildung 147: Ermittlung der Konzernperformance Dieser Schritt ist nicht unproblematisch, ergibt sich jedoch bei der Steuerung internationaler Landesgesellschaften immer wieder. Unterschiedliche Gesellschaften haben eine unter- <?page no="312"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 289 schiedliche Bedeutung für die Zielerreichung des Konzerns. Dies kann auf deren finanzieller Bedeutung beruhen, auf Umsatzanteilen oder Gewinnbeiträgen, aber auch deren strategischer Bedeutung für den künftigen Geschäftserfolg. Hier lässt sich keine eindeutige Regel festlegen. In Anlehnung an die im Rahmen der GE-Matrix erfolgte Gewichtung könnten zum Beispiel Umsatzanteile herangezogen werden. Im gegebenen Beispiel führt die höhere Bedeutung der Landesgesellschaft B, welche ihre Ziele nicht erreicht, zu einer Beeinflussung der Erreichung der Gesamtziele des Konzerns, welche in diesem Falle 86% beträgt. Natürlich kann diese aggregierte Zahl nur als grobe Richtlinie dienen. Durch ein Herunterbrechen in die einzelnen Zielerreichungswerte der Ländergesellschaften kann jedoch eine gezielte Steuerung erfolgen. So lassen sich zum Beispiel Hinweise auf mangelnde Zielerreichung in die Ermittlung der Spitzenkennzahl (im Sinne eines „management by exception“) einbauen. Natürlich besteht bei diesem Vorgehen die Gefahr der Kompensation negativer Ergebnisse durch eine sehr hohe Zielerreichung in anderen Bereichen. Diese Gefahr ist aber letztlich auch bei der klassischen finanziellen Kennzahlenermittlung gegeben. Um hier eine klare Datenlage herzustellen, sind schon bei der Ableitung der Kennzahlen einzelne Kernpunkte zu beachten. Ein erster Punkt ist die Problematik der Erhebung bzw. der Sinnhaftigkeit der einzelnen Kennzahlen in den verschiedenen Landesgesellschaften. In diesem Punkt muss sich das Management fragen, ob es sinnvoll und somit auch wirtschaftlich ist, die ermittelten Kennzahlen in allen Landesgesellschaften zu erheben oder ob in Einzelfällen auf andere Messgrößen ausgewichen werden muss. Ebenso muss bedacht werden, ob die Kennzahlen überhaupt verfügbar sind, da die Datenlage in unterschiedlichen Märkten kaum eine einheitliche Erhebung zulässt. Des Weiteren hat die Unternehmensleitung dafür Sorge zu tragen, dass die Begrifflichkeiten der Balanced Scorecard einheitlich sind. Eine klare Definition von Kennzahlen und Zielen ist unabdingbar, um der Entmutigung der in die Implementierung involvierten Einheiten entgegenzuwirken (Niven, P.R., 2003). Letztlich ist auch eine enge Verbindung zur Strategie zentral, da nur so der Bezug zum täglichen Geschäft hergestellt werden kann (Niven, P.R., 2003). Ein Performance-Measurement-System hilft dabei, auch international unterschiedliche Ziele zu konkretisieren und dezentral messbar zu machen. Nicht zu vernachlässigen sind jedoch in jedem Falle qualitative und kulturelle Faktoren, welche im Rahmen des Change Management eine zentrale Rolle spielen. 8.3 Change Management Die Steuerung des Wandels der Organisation und die gezielte Ermöglichung von Veränderungsprozessen wird als Change Management bezeichnet. Hierzu hat sich eine eigene, stark von der Psychologie und der Organisationsforschung beeinflusste Forschungsrich- <?page no="313"?> 290 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld tung entwickelt. Trotz verschiedenster Steuerungsinstrumente gelten Change-Management- Prozesse allerdings angesichts hoher Misserfolgsraten noch immer als eine der größten Herausforderungen für Manager (Balogun, J., 2006; Krüger, W./ Petry, T., 2005; Picot, A./ Fiedler, M., 2003). Mithilfe eines systematischen Change Managements sollen die im Bereich der Strategieformulierung abgeleiteten Anpassungen intern optimal umgesetzt werden. Change Management ist demnach zu definieren als die „Strategie des geplanten und systematischen Wandels, der durch die Beeinflussung der Organisationsstruktur, Unternehmenskultur und individuellem Verhalten zu Stande kommt, und zwar unter größtmöglicher Beteiligung der betroffenen Mitarbeiter“ (Kraus, G./ Becker-Kolle, C./ Fischer, T., 2006). Grundsätzlich lassen sich zwei Typen der organisatorischen Veränderung mit unterschiedlicher Ausprägung bezüglich der Breite, Tiefe und Geschwindigkeit des Wandels unterscheiden: Der inkrementale Wandel stellt die am häufigsten anzutreffende Form in Unternehmen dar. Er beschränkt sich auf nur geringe Veränderungen des bestehenden Systems bei sehr kleinen Änderungsgeschwindigkeiten. Zudem ist er logisch und rational planbar und stellt eine Weiterführung des gültigen strategischen Paradigmas dar. Ziel ist die Veränderung von organisatorischen Verhaltensweisen, jedoch sollen die tieferliegenden Unternehmenswerte beibehalten werden. Beispiele für einen inkrementalen Wandel sind operative Veränderungen wie die Steigerung der Produktion oder die Verbesserung innerbetrieblicher Abläufe. Obgleich er in kleinen Schritten verläuft, zielt auch dieser auf eine langfristige Änderung der Organisation ab. Die transformatorische Veränderung beschränkt sich im Gegensatz zur inkrementellen nicht nur auf einzelne Dimensionen, sondern umfasst alle Ebenen und Bereiche der Unternehmung. Auslöser für den radikalen Wandel sind oftmals unvorhergesehene Ereignisse innerhalb oder außerhalb des Unternehmens, was auch eine grundlegende Veränderung des strategischen Paradigmas mit sich bringt. Die transformatorische Veränderung erfolgt oft mit einer hohen Geschwindigkeit (Welge, M.K./ Al-Laham, A., 2012). Auch die verschiedenen Phasen einer geplanten Veränderung sind für das Verständnis des Wandels sozialer Gruppen relevant. In der Literatur lassen sich unterschiedliche Auffassungen und Einteilungen finden, wie beispielsweise die Phasenmodelle von Kotter, Krüger oder Mintzberg/ Wesley (Kotter, J.P., 1995; Krüger, W., 2009; Mintzberg, H./ Wesley, F., 1992). Aufgrund seiner klaren Abgrenzung und der Fokussierung auf den eigentlichen Wandel wird hier dem Modell des Drei-Phasen-Ansatzes von Lewin gefolgt, welches in Abbildung 148 schematisch dargestellt wird (Lewin, K., 1947). <?page no="314"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 291 Abbildung 148: Implementierungsphasen nach Lewin Quelle: Lewin, K., 1947 Folgende Phasen unterscheidet Lewin: Auftauen (Unfreezing): Vor dem Wandel wird das Verhalten der Mitarbeiter durch ein quasi-stationäres Gleichgewicht bestimmt, welches auf einem Zusammenspiel treibender und hemmender Kräfte beruht. In der ersten Phase des Veränderungsprozesses muss daher das bestehende Gleichgewicht aufgelockert bzw. aufgetaut werden. Dies kann unter anderem durch Hinterfragen des „Status quo“, Vermittlung des Sinns der Veränderung sowie durch Betonung attraktiver Aspekte des Zielzustandes geschehen. Um die hemmenden Kräfte innerhalb der Organisation zu reduzieren, müssen die Ängste und Unsicherheiten der Betroffenen gezielt abgebaut werden (Schein, E.H., 2004; Pescher, J., 2010). Verändern (Moving): Im zweiten Schritt wird das Ausgangsniveau verlassen und die Veränderung durch ein Hinübergleiten auf ein neues Niveau angestrebt. In der „Moving“- Phase muss ein Lernprozess stattfinden. Dazu müssen gezielte Veränderungsmaßnahmen initiiert werden, z.B. Schulungen in neuen Systemen, Definition kompetenter Ansprechpartner oder regelmäßige Informationsveranstaltungen. Je größer der Unterschied zwischen dem neuen und dem alten Niveau ist, d.h. je tiefgreifender die Veränderungen sind, desto schwieriger ist die Mobilisierung und Transformation der Betroffenen (Schein, E.H., 2004; Pescher, J., 2010). Einfrieren (Refreezing): Da Veränderungen oft nur kurzfristig sind und Gruppen dazu tendieren, schnell wieder auf das Ausgangsniveau zurückzukehren, bedarf es in der dritten Phase einer Stabilisierung und dauerhaften Integration der durchgeführten Veränderungen. Zielführende Maßnahmen sind unter anderem die Rückmeldung von (Zwischen-)Erfolgen oder das Angebot assistierender Hilfeleistungen. Um mögliche Rückfälle auf das Ausgangsniveau zu verhindern, ist auf Abweichungen getroffener Vereinbarungen unmittelbar zu reagieren (Schein, E.H., 2004; Pescher, J., 2010). Mitarbeiter des Unternehmens, gleich welcher Ebene, stehen Veränderungen meist skeptisch gegenüber. Für gewöhnlich geht man eher gewohnten Routinen nach, als Verände- <?page no="315"?> 292 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld rungen zu begrüßen, denn die Veränderung wird oftmals als Risiko und Bedrohung wahrgenommen. Der Mensch durchläuft dabei sieben emotionale Phasen, die in Abbildung 149 dargestellt sind. Abbildung 149: Sieben Phasen der Veränderung in Change-Management-Projekten Quelle: Böning, U./ Fritschle, B., 1997 Durch die Internationalisierung sind Unternehmen kulturell mit immer heterogeneren Belegschaften konfrontiert. Dies führt auch zu einer komplexeren Umsetzung von Veränderungsprozessen (Miroshnik, V., 2002). Empirischen Studien zufolge nehmen Menschen in Abhängigkeit ihres kulturellen Hintergrundes Veränderungen unterschiedlich wahr (Sackmann, S.A., 1997). Eine internationale Betrachtung des Change Managements ist in der Wissenschaft dennoch derzeit noch unterrepräsentiert. Werner und Brouthers zufolge berücksichtigen lediglich 6% der Beiträge in führenden Management-Zeitschriften interkulturelle Faktoren. Eine lokale Anpassung steht im Spannungsfeld zur globalen Standardisierung, auch im Rahmen des Change Managements (Werner, S./ Brouthers, L.E., 2002). Doch sollten länderübergreifende Veränderungsprozesse zur größeren Akzeptanz bei den Betroffenen kulturell angepasst und nicht standardisiert in den Tochtergesellschaften implementiert werden (Yüksek, S./ Schinnenburg, H., 2012; Hemple, P.S./ Martinsons, M.G., 2009). <?page no="316"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 293 Zur Beschreibung und Erklärung kultureller Unterschiede dienen die von Geert Hofstede definierten Kulturdimensionen Machtdistanz, Individualismus, Maskulinität, Unsicherheitsvermeidung und Langzeitorientierung sowie Genuss/ Zurückhaltung (Hofstede, G./ Hofstede, G.J./ Minkov, M., 2010) (vgl. Kapitel III). Anhand dieser Dimensionen soll das abstrakte Phänomen der Kultur besser greifbar und vergleichbar gemacht werden. In Abbildung 150 werden die Implikationen der einzelnen Kulturdimensionen auf den Veränderungsprozess tabellarisch dargestellt. Es wird deutlich, wie komplex Veränderungsprozesse aufgrund der vielschichtigen Beeinflussung der Kulturdimensionen werden können. Abbildung 150: Auswirkungen der Kulturdimensionen auf den Veränderungsprozess Quelle: Yüksek, S./ Schinnenburg, H., 2012 <?page no="317"?> 294 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Wie aus den angeführten Implikationen deutlich wird, hat die Ausprägung der Kulturdimensionen einen Einfluss auf den Prozessverlauf (Heracleous, L., 2001; Johnson, G., 1990). Der kulturelle Hintergrund von Mitarbeitern kann sich positiv in Form von Partizipation und Unterstützung oder aber auch negativ in Form von Ablehnung auswirken. Durch Partizipation der Mitarbeiter am Veränderungsprozess soll einerseits die Mitarbeiterakzeptanz und andererseits die Qualität der umgesetzten Lösungen gesteigert werden. Es gilt dabei, im Wesentlichen drei Personengruppen, die in einem Veränderungsprozess involviert sind, zu berücksichtigen (Davenport, T.H., 1993) : (1) Topmanagement (Lenkungsausschuss): Die Unterstützung des Topmanagements ist für eine erfolgreiche Umsetzung der Veränderung ausschlaggebend. Die größte Erwartung an Topmanager ist es, die angestrebten Veränderungen im eigenen Verhalten zu zeigen. Außerdem müssen sie die Ziele und Vision der angestrebten Veränderung kontinuierlich an die Mitarbeiter kommunizieren. Der Reaktionsablauf der Veränderung setzt bei ihnen früher ein als auf der Ebene der Manager und der Betroffenen, da sie normalerweise als Erste in den Veränderungsprozess involviert sind bzw. diesen initiieren und legitimieren. (2) Manager (Change Agents): Die Ebene zwischen dem Topmanagement und den Betroffenen hat aufgrund ihrer Schnittstellenfunktion eine große Bedeutung. Die Manager müssen die Entscheidungen des Topmanagements gegenüber den Betroffenen erklären und überzeugend vertreten. Oftmals werden für diese Aufgaben auch externe Berater eingesetzt, da diese eine größere Distanz zu den Betroffenen und deren Befindlichkeiten haben und direkte Konflikte mit den Vorgesetzten vermieden werden. In großen multinationalen Unternehmungen wird die Funktion oftmals von Auslandsentsendeten (Expatriates), d.h. Mitarbeitern aus der Zentrale, übernommen. Da die Manager die Zweiten sind, die in den Veränderungsprozess eingebunden werden, setzt bei ihnen der Reaktionsablauf auch als Nächstes ein. (3) Mitarbeiter (Betroffene): Wenn schließlich auch alle übrigen Mitarbeiter einbezogen wurden, ist die Reaktionskurve der Manager bereits fortgeschritten. Aus diesem Grund reagieren sie oft ungeduldig auf die Fragen und Bedenken der Mitarbeiter. Die Kommunikation zwischen Managern und Mitarbeitern ist ohne Zweifel einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren im Rahmen des Change Management. Dies kommt schon allein daher, dass Führung im Wesentlichen auf Kommunikation beruht (Lauer, T., 2010). Kommunikationsmittel müssen dabei zielgruppengerecht eigesetzt werden. Es ist auf einen ausgewogenen Einsatz unternehmensinterner Medien (z.B. Intranet, Newsletter, Aushänge) und die Initiierung von Dialogen zwischen den involvierten Personen (z.B. Gruppenkonferenzen, Fokusgruppen, Blogs) zu achten. Welches Medium Anwendung findet, muss dabei immer im Kontext der spezifischen Umstände betrachtet werden, denn abhängig <?page no="318"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 295 von der Veränderungstiefe ändert sich auch die Bereitschaft der Mitarbeiter zur Kommunikation (Mellahi, K. et al., 2005). Für das Management bleibt die direkte Kommunikation (Vieraugengespräch) wichtig, um Wahrnehmungen und Meinungen der Betroffenen ungefiltert mitzubekommen. Außerdem trägt es zur Motivation der Mitarbeiter bei und hilft, Unsicherheit durch die Veränderung zu reduzieren (Young, M./ Post, J.E., 1993). Bei Veränderungsprozessen in einem internationalen Kontext darf die Rolle der Sprache nicht unterschätzt werden. Die vorab schon beschriebenen Schwierigkeiten für Mitarbeiter, über tiefgreifende Veränderungen zu sprechen, wird durch die Verwendung einer anderen Sprache (i.d.R. Englisch) als der Muttersprache noch verstärkt. Missverständnisse in Gruppendiskussionen führen in vielen Kulturkreisen zum Gesichtsverlust, was eine Minderung der Macht und Autorität nach sich ziehen kann (Feely, A., 2003). Neal interviewte 174 ausländische Manager, die in Großbritannien arbeiteten. Die ausländischen Kollegen empfanden die Zusammenarbeit mit ihren britischen Kollegen als frustrierend und durch die Sprachbarriere fühlten sie sich als Außenseiter. Sprachtrainings und eine einheitliche Unternehmenssprache sind Maßnahmen, um die Kommunikationsbarrieren zu reduzieren und die Erfolgswahrscheinlichkeit der Veränderung zu erhöhen (Neal, M., 1998). All die zuvor aufgeführten Einflussfaktoren machen deutlich, dass sowohl der Partizipationsgrad als auch der zeitliche Prozessverlauf immer vor dem kulturellen Hintergrund der Betroffenen zu sehen sind. Abbildung 151 zeigt die Unterschiede des internationalen Change Managements am Beispiel Deutschland und Südkorea zusammenfassend auf (vgl. dazu die Studie von Yüksek, S./ Schinnenburg, H., 2012). Bei genauerer Analyse des schematisch dargestellten Verlaufes wird ersichtlich, wie die zuvor beschriebenen Kulturdimensionen Einfluss auf die Prozessgeschwindigkeit und Partizipation nehmen, was in der darauf folgenden Abbildung genauer erläutert wird. Abbildung 151: Beispielhafter Verlauf eines internationalen Change-Prozesses am Beispiel Deutschland versus Südkorea <?page no="319"?> 296 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Es ist beispielsweise erkennbar, dass eine hohe Machtdistanz in Südkorea zu einer geringeren Partizipation und einem schnelleren Übergang vom Topmanagement auf die Ebene der Change-Agents führt. In Kulturen mit einer hohen Machtdistanz sind tendenziell weniger Entscheidungsträger involviert, was eine Verringerung der typischen Partizipationsrituale (z.B. Jour Fixe) nach sich zieht und damit den Prozessverlauf zu Beginn beschleunigt. Auf den nachgelagerten Ebenen machen die Dimensionen des Kollektivismus und Feminismus jedoch eine breitere Einbindung der Mitarbeiter erforderlich. Gerade in asiatischen Kulturen wie Südkorea müssen kritische Situationen im Einzelgespräch besprochen werden, um den Status und das Ansehen der Betroffenen nicht zu gefährden (Gesicht wahren). In femininen Kulturen sind längere Abstimmungsprozesse einzuplanen, da die unterschiedlichen Meinungen berücksichtigt werden müssen, wohingegen maskuline Kulturen (Deutschland) eine zielgerichtete und effizientere Besprechungskultur aufweisen. Abbildung 152: Kulturdimensionen und deren Auswirkung auf den Veränderungsprozess am Beispiel Deutschland versus Südkorea Auch die sechste Kulturdimension, Selbstverwirklichung vs. Selbstbeschränkung, hat einen maßgeblichen Einfluss auf den Prozessverlauf. In Kulturen mit einer stärkeren Ausprägung <?page no="320"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 297 zur Selbstbeschränkung, wie im Beispiel Südkorea, kann eine höhere Arbeitsbereitschaft und Leidensfähigkeit während des Change-Prozesses vorausgesetzt werden. Im Gegensatz dazu ist in Kulturen, die durch eine stärkere Selbstverwirklichung charakterisiert sind (z.B. Deutschland), ein höherer Freizeitbedarf zu beachten. Generell lässt sich festhalten, dass ein grundlegendes Bedürfnis nach Partizipation in beiden Nationen vorzufinden ist. Allerdings variieren der Partizipationsgrad und die Prozessgeschwindigkeit je nach Mitarbeiterebene, was letztendlich zu einer Angleichung der Dauer des Veränderungsprozesses führt. Die vorangegangenen Ausführungen machen deutlich, von welcher Komplexität länderübergreifende Veränderungsprozesse gekennzeichnet sind. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit Menschen abhängig von ihrem kulturellen Kontext Veränderungen unterschiedlich wahrnehmen. Deshalb muss der Partizipationsgrad wie auch der zeitliche Prozessverlauf immer vor dem kulturellen Hintergrund der Betroffenen betrachtet werden. Infolgedessen ist der Standardisierungsgrad bei internationalen Veränderungsprozessen immer unter Berücksichtigung der kulturellen Kontextfaktoren festzulegen. Gelingt es, Strategien des internationalen Unternehmens auch kulturell an die Mitarbeiter zu vermitteln und einen hohen Partizipationsgrad zu erzielen, sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Strategieumsetzung optimal. Hierzu bedarf es jedoch einer expliziten Berücksichtigung „weicher“ Faktoren. 9 Notwendigkeit eines international orientierten Strategieprozesses Das internationale Management ist nach Spulber das Bindeglied zwischen Strategie und globaler Geografie (Spulber, 2007). Die bisher dargestellten strategischen Konzepte sind nicht speziell für Fragen der Internationalisierung von Unternehmen entwickelt worden. Jedoch zeigt sich, dass die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten einen wesentlichen Beitrag für die Implementierung der strategischen Konzepte von Ansoff und Porter leistet. Die BCG-Portfolio-Analyse macht deutlich, dass die Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten wesentlich zum Erreichen eines finanziellen und/ oder zeitlichen Gleichgewichtes im Unternehmen beitragen kann. Die Analyse zeigt aber auch, dass die verwendeten Modelle von sehr undifferenzierten Erklärungsfaktoren zur Bestimmung von Wettbewerbsvorteilen ausgehen. Hinter den Wettbewerbsfaktoren wie Kosten- oder Produktvorteile, alte oder neue Produkte und relativer Marktanteil sowie der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen verbirgt sich eine Vielzahl von Erklärungsparametern, die eine differenziertere Betrachtung bei der Formulierung einer Unternehmensstrategie notwendig machen. Bei den vorgestellten Strategiekonzepten dominiert der Absatzmarktaspekt, was sie für die Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie zu eng erscheinen lässt. Die allgemeinen Strategiekonzepte müssen deshalb durch eine detailliertere Analyse der Aspekte der Internationalisierung ergänzt <?page no="321"?> 298 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld werden, die auch die Gewinnung von Wettbewerbsvorteilen durch eine Internationalisierung der Beschaffung, der Produktion, der Forschung und Entwicklung, des Personals und der Organisation umfasst. Die dargestellte Analyse macht die Vielzahl von Gründen deutlich, die zu einer Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten führen können. Diese internationalen Aktivitäten können, wie gezeigt wurde, einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der allgemeinen Unternehmensstrategie leisten. Wird der Beitrag der internationalen Aktivitäten für die Gesamtzielsetzung des Unternehmens so bedeutend, dass diese nicht mehr „ungeplant“ bleiben dürfen, dann stellt sich für das Unternehmen im Rahmen der strategischen Planung die Frage nach der Formulierung einer Internationalisierungsstrategie, welche im folgenden Kapitel behandelt wird. <?page no="322"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 299 Fallstudie: BMW Group: Der globale Launch des „MINI E“ BMW Group: Der globale Launch des „MINI E“ Dr. Detlef Pietsch, Leiter Projekt Alternative Antriebe, BMW Group Maciej Malinowski, Vermarktung Projekt Alternative Antriebe, BMW Group Die Endlichkeit fossiler Rohstoffe und die kontinuierlich steigende Nachfrage nach denselben sorgen auf den Weltmärkten für eine stetige und besorgniserregende Preissteigerung. Die nachhaltige Reduzierung von CO 2 -Emissionen stellt sowohl für die Industrie als auch für die Politik eine Herausforderung dar. In Zeiten eines gleichzeitig steigenden Umweltbewusstseins in der Gesellschaft steht die Automobilindustrie einmal mehr im Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung. Insbesondere Premiumhersteller, die im Vergleich zu Volumenherstellern tendenziell größere Fahrzeugmodelle mit überwiegend leistungsstärkeren Motoren verkaufen, geraten bei CO 2 -Debatten, Flottendurchschnittsverbräuchen und dergleichen schnell ins Rampenlicht. Daher gibt es seit einigen Jahren nennenswerte Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auf dem Gebiet der alternativen Antriebe. So soll in naher Zukunft eine vernünftige, marktreife Antwort auf die Frage nach der nachhaltigen Mobilität von Morgen gegeben werden können. Seit geraumer Zeit greift auch die Gesetzgebung diesen gesellschaftlichen Wandel auf, indem sie für die Zulassungsfähigkeit neuer Fahrzeugmodelle anspruchsvolle gesetzliche Rahmenbedingungen formuliert, die die Branche vor große Herausforderungen hinsichtlich ihres Produktportfolios stellen. So verpflichtet die Behörde CARB (California Air Ressource Board) mittlere und große Automobilhersteller in Kalifornien dazu, Nullemissionsfahrzeugen zum Verkauf anzubieten, sodass jene mit einem Mindestanteil in den Zulassungsstatistiken erscheinen (Zero-Emission-Vehicle (ZEV) Mandat in Kalifornien). Zahlreiche US-Bundesstaaten schließen sich dieser im weltweiten Vergleich strengsten Emissionsgesetzgebung Kaliforniens an. Die Politik beabsichtigt auf diese Weise die Entwicklungsaktivitäten der Hersteller deutlich zu beschleunigen und sie zum Angebot kurzfristig verfügbarer, alltagstauglicher Lösungen zu bewegen. Die BMW Group hat sich Ende 2007 in einer Situation wiedergefunden, in der sich die zulassungsrechtlichen Gegebenheiten auf den weltweiten Märkten schneller veränderten, als man in einem gewöhnlichen Produktentwicklungsprozess überhaupt darauf hätte reagieren können. Da es sich dabei insbesondere um die strategisch bedeutendsten Absatzmärkte (z.B. USA, GB) handelte, identifizierte man einen dringenden Handlungsbedarf, <?page no="323"?> 300 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld um auf den Wandel in der Gesetzgebung reagieren zu können. So sollten drastische Strafmaßnahmen bei Nichteinhaltung vermieden werden. Im Rahmen der Strategie „Number ONE“ (Opportunities, New, Efficiency) wurde unter anderem die Initiative „project i“ ins Leben gerufen - ein „think tank“ im Unternehmen bestehend aus Experten, die sich in ihrem jeweiligen Spezialgebiet mit Fragen zur Mobilität der Zukunft beschäftigten. Ein zentraler Faktor dabei war die vollständige Unabhängigkeit dieser Einheit von jeglichen Standardprozessen, -strukturen und Linienfunktionen in der BMW Group. Erst jene Eigenständigkeit konnte zu vollkommen neuen Denkanstößen und konkreten Projekten in den Bereichen Entwicklung, Produktion und Vertrieb führen. Gleichzeitig wurde der sogenannte Elektromobilitätspfad definiert, der eine Reaktion auf die sich verändernden Marktbedingungen für individuelle Mobilität beschreibt und das konkrete Engagement der BMW Group in den wichtigsten Absatzmärkten formuliert. Hauptaugenmerk dabei ist zunächst die Markteinführung des sogenannten MegaCityVehicles, des BMW i3, anhand dessen die BMW Group eine neuartige Lösung für Mobilität im urbanen Umfeld anbieten wird, und im breiteren Kontext der Launch der Submarke BMW i, unter welcher die Ergebnisse des project i und der Ansatz für die Mobilität der Zukunft vermarktet werden. Der Erfolg dieser Vorhaben hängt allerdings von einer frühzeitigen Etablierung nachhaltiger Kooperationen in den strategisch relevanten Märkten mit Partnern in Politik und Energiewirtschaft ab. Ohne jene Partnerschaften, die an diversen Schnittstellen rund um ein Elektrofahrzeug greifen müssen, wird Elektromobilität nicht marktfähig sein können. So ist eine enge Kooperation mit einem Energieversorger, der öffentlichen Hand und/ oder dem Gesetzgeber unerlässlich, um notwendige Voraussetzungen für einen kundenwertigen Elektrofahrzeugeinsatz im Alltag zu schaffen, wie z.B. die Ladeinfrastruktur im privaten/ öffentlichen Raum und die elektrofahrzeugspezifischen Gegebenheiten einer KFZ-Zulassung und -Besteuerung. Als erstes Ergebnis entstand in diesem Umfeld binnen kürzester Zeit die Innovation MINI E - ein rein elektrisch angetriebener MINI. Das Ziel von project i war es, den MINI E in Kundenhand zu übergeben, um so schnell wie möglich repräsentative und allgemeingültige Kundenerkenntnisse aus dem Alltagsgebrauch eines Elektrofahrzeuges zu gewinnen. Im zweiten Schritt entstand die nächste Innovation in Form des BMW ActiveE - einem rein elektrisch angetriebenem BMW 1er Coupé -, in welcher die Hochvoltkomponenten der nächsten Generation während eines realitätsgetreuen Alltagseinsatzes gezielt in technischer Hinsicht untersucht werden. Die Ergebnisse beider Großversuche werden dann wiederum eine maßgebliche Rolle für die Entwicklung künftiger Mobilitätsprodukte (wie z.B. das Mega City Vehicle BMW i3) und -dienstleistungen spielen. Die Entscheidung über die Auswahl der Pilotierungsmärkte für den MINI E wurde anhand weniger entscheidender Kriterien herbeigeführt. <?page no="324"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 301 Abbildung 153: MINI E Projekte weltweit Mit der schärfsten Emissionsgesetzgebung im Individualverkehr positioniert sich der US- Bundesstaat Kalifornien an der Westküste bereits seit Jahrzehnten weltweit an vorderster Stelle hinsichtlich der Förderung der Zulassung alternativ angetriebener Fahrzeuge und im Besonderen der Zero-Emission-Vehicles (ZEV). Trotz der Größe der Entfernung zur US- Ostküste ist ein nennenswerter Einfluss auf die Gesetzgebung am US-amerikanischen Regierungssitz zu verzeichnen. Zudem handelt es sich bei den USA um die größte Volkswirtschaft der Welt. Auf dem europäischen Kontinent hingegen nahm die deutsche Regierung die Vorreiterrolle ein und beabsichtigt, Deutschland als weltweiten Leitmarkt für Elektromobilität zu entwickeln. Anhand von bundesweiten Forschungs- und Förderprojekten, die im Rahmen des Konjunkturpaketes II unterstützt werden, erging an die in der Verantwortung stehenden Hauptakteure der Elektromobilität (Automobilindustrie, Energiewirtschaft, Infrastrukturpartner) die Aufforderung, einen maßgeblichen Beitrag hierzu zu leisten und Erkenntnisse für die Erschließung dieses noch jungen Industriefeldes zu gewinnen. Für die BMW Group ist der Heimatmarkt Deutschland zudem der größte Absatzmarkt. Großbritannien ist das Ursprungsland der Marke MINI und hat aus diesem Grund eine essenzielle Bedeutung für die BMW Group, die bei der Vermarktung seiner Produkte und bei der Schaffung der einzigartigen MINI Markenwelt sehr stark auf authentische, britische Emotionen angewiesen ist. Als einer der größten Absatzmärkte generiert das Vereinigte Königreich zudem enorme Abstrahleffekte in seine ehemaligen Kolonien und die heutigen Mitgliedstaaten des Commonwealth of Nations. <?page no="325"?> 302 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Auf Basis der genannten Argumente wurde die selektive Markteinführung der ersten ZEV Kleinserie der BMW Group an den Standorten Los Angeles, New York / New Jersey, Berlin, München und London durchgeführt. Mit der Auslieferung des MINI E Anfang 2009 als erstes Premium-Elektrofahrzeug in Kleinserie beanspruchte die BMW Group die Führungsrolle in der individuellen Elektromobilität für sich allein, und das zum damaligen Zeitpunkt ohne jeden Wettbewerb. Mit einem gewöhnlichen Produktlaunch in diesen Märkten würde man jedoch allenfalls Marketingeffekte generieren, aber keine fundierten Erkenntnisse darüber gewinnen, wie eine umfassende Markteinführung eines Elektrofahrzeuges in Serie auszusehen hat. Der MINI E-Großversuch stellte ein bisher einzigartiges, weltweites Lernprojekt dar, dessen Ziel es war, ausgewählte potenzielle Elektrofahrzeugmärkte umfassend zu pilotieren. So sollten der Alltagseinsatz der Fahrzeuge und die damit verbundenen Anforderungen weitreichend erforscht werden. Dazu wurde zum einen die Hochvolttechnologie einer realitätsnahen Prüfung unterzogen, zum anderen wurde insbesondere das Kundenverhalten untersucht. Um fundierte, aussagekräftige Studienergebnisse auf Basis des Kunden-Feedbacks zu erhalten, wurde die MINI E Feldstudie unter wissenschaftlicher Begleitung und in Kooperation mit universitären Partnern durchgeführt. Die Gewährleistung der Validität der Forschungsresultate war dabei ebenso essentiell wie die Sicherstellung der weltweiten Vergleichbarkeit. Nur auf diese Weise ließ sich das erworbene Wissen auf Folgeaktivitäten des „project i“ übertragen und der Erfahrungsgewinn in vollem Umfang nutzen. Die aufgrund des wissenschaftlichen Anspruchs des MINI E-Projektes entstandene deutliche Differenzierung der BMW Group zum Wettbewerb war dabei lediglich ein positiver kommunikativer Nebeneffekt. Die weltweit durchgeführte wissenschaftliche Begleitung aller MINI E Projekte und die daraus gewonnenen Erkenntnisse verschafften der BMW Group ihr Alleinstellungsmerkmal in der Elektrofahrzeugbranche, da im Wettbewerb bis dato keine derart fundierten Ergebnisse erarbeitet wurden. Abgesehen von Fahrzeugtechnologie und Kundenverhalten gab es allerdings noch zahlreiche andere Aufgabenfelder, die es ebenso zu untersuchen und zu lösen galt. Für Schnittstellen zwischen dem Elektrofahrzeug und dem Umfeld, in dem es betrieben wurde, gab es oftmals keine verfügbare kundenfreundliche Lösung. Um diese den Kunden anbieten zu können, mussten Partner aus Energiewirtschaft, Infrastruktur und Politik einbezogen werden. Diesbezüglich galt es von Beginn an „Elektromobilitäts-Know-how“ aufzubauen und dieses spezielle Know-how ebenfalls mit den Handelsorganisationen für die künftige Interaktion mit dem Kunden zu erarbeiten. Durch die systematische Datenerfassung mittels Datenloggern im MINI E bei Fahrten sowie Ladevorgängen generierte man eine weltweit einzigartige Datenbasis, die tatsächliches Kundenverhalten in diversen reellen Einsatzszenarien abbildet. Ergänzt um regelmäßige Interviews mit allen MINI E Nutzern, die ihre subjektive Sicht rund um die Fahr- <?page no="326"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 303 zeugnutzung schilderten, reicherte man die objektiven Datensätze um wertvolle subjektive und qualitative Komponenten in diesem Feldversuch an. Diese umfassende Datenbasis nutzte die BMW Group nicht nur für die Weiterentwicklung neuer Mobilitätslösungen, sondern stellte jene ebenfalls der Politik zur Verfügung, damit reale Erkenntnisse in den Prozess der Setzung von Rahmenbedingungen einfließen können. Wenn der Gesetzgeber in die Lage versetzt wird, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Marktentwicklung begünstigen bzw. diese zumindest nicht verhindern, profitiert das gesamte Industriefeld von dieser engen Kooperation mit Regierungsstellen und Normierungsinstituten. Während die für die BMW Group strategisch wichtigsten Märkte für die Vermarktung von Elektrofahrzeugen qualifiziert und mittels Sondersystemen und -prozessen befähigt wurden, wurde zusehends die Notwendigkeit deutlich, noch weitere Schlüsselmärkte befähigen zu müssen. Einerseits wurden die Stimmen aus den Vertriebsregionen laut, dass man die Innovation MINI E dringend benötige, um den Nachhaltigkeitsanspruch der BMW Group glaubhaft vermitteln zu können. Andererseits war es unerlässlich, weitere ausgewählte Pilotmärkte vorzubereiten, um sie für die avisierten Aktivitäten der BMW Group unter der Marke BMW i gezielt zu qualifizieren. Auf dem europäischen Kontinent wird Frankreich das Potenzial zugestanden, sich zum weltweit zweitgrößten Elektrofahrzeugmarkt entwickeln zu können. Auf dem asiatischen Kontinent wiederum war man bis dato überhaupt nicht vertreten. Gemessen am Industrialisierungsgrad der asiatischen Volkswirtschaften ist Japan das technologisch am höchsten entwickelte Land, insbesondere wenn der Fokus auf der Automobilindustrie liegt. Gemessen am Entwicklungspozential der einzelnen Länder ist China zweifelsohne das größte Gewicht im asiatischen Raum. Dies betrifft nicht nur die individuelle Mobilität der Bevölkerung von 1,3 Mrd. Chinesen, sondern ebenfalls die Energiewirtschaft und die Infrastrukturpartner bzw. die Behörden zur Bewirtschaftung öffentlichen Raumes. In diesen genannten Ländern erfolgte Ende 2010 der Rollout des MINI E Projektes in seiner zweiten Phase. Um die Unternehmensressourcen bezogen auf Budget sowie Personal zu schonen, wurde ein Teil der MINI E Flotte aus den USA für diesen Einsatz abgezogen und in diese Länder verlagert. Die zuvor erwähnte notwendige Vergleichbarkeit der Forschungsergebnisse aller Projekte führte zu einer relativ genauen Spiegelung der Projektorganisation der ersten Pilotmärkte in die neuen Schlüsselmärkte hinein. Dies beinhaltete die BMW interne Projektorganisation zentral in München sowie dezentral bei der Tochtergesellschaft. Ergänzend musste aber auch das Set-up des Konsortiums bestehend aus Energieversorgern, Universitäten, Regierungsstellen und Behörden definiert werden. Die Erfahrungswerte aus der ersten Projektphase begünstigten zwar den Aufbau der Projektorganisationen, jedoch stieß man bei jedem Projekt auf nationale Gegebenheiten, die in anderen Ländern zuvor oftmals keine Relevanz hatten. <?page no="327"?> 304 • Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld Mit dem MINI E Großversuch hat die BMW Group binnen kürzester Zeit in allen Schlüsselmärkten eine einzigartige Datensowie Erfahrungsbasis aus der Alltagsnutzung der Fahrzeuge geschaffen. Ergänzt um die künftigen Erfahrungen mit dem Folgeprojekt BMW ActiveE und die daraus gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich des Kundenverhaltens und der Komponentenzuverlässigkeit, nimmt die BMW Group mit diesem speziellen Knowhow eine strategisch günstige Marktposition gegenüber dem Wettbewerb ein. Wesentlich für die Vermarktung zukünftiger Aktivitäten unter der Marke BMW i ist ebenfalls, dass die angesprochene Zielgruppe um die Kompetenz der BMW Group in diesem noch sehr jungen Markt für Elektromobilität weiß und vorab Vertrauen in die Zuverlässigkeit der BMW Produkte entwickelt. Die hierfür notwendige Vorarbeit leistet die BMW Group mittels der Forschungsprojekte MINI E und BMW ActiveE, um den künftigen Produkten der Marke BMW i eine günstige Markteintrittslage zu verschaffen. Fragen zur Fallstudie (1) Welche Motivation steckt hinter der Gründung von „project i“? (2) Welche Ziele verfolgt die BMW Group mit dem MINI E Projekt? Skizzieren und bewerten Sie die Vorgehensweise bei der Umsetzung. (3) Nennen Sie Gründe/ Kriterien für die Auswahl der Pilotmärkte. (4) Wie könnte der MINI E auf Basis der Erkenntnisse aus den Pilotmärkten international ausgerollt werden? Auf welche nationalen Besonderheiten in Frankreich, China und Japan ist dabei jeweils zu achten? (5) Weitere Strategieempfehlung für die BMW Group, inwieweit es mit project i weitergehen sollte? (6) Wovon hängt der zukünftige Erfolg von BMW i ab? Begründen Sie Ihre Argumente. Mit welchen Folgen ist zu rechnen, wenn die Voraussetzungen für die Erfolgskriterien nicht erfüllt werden (können)? Informationen www.mini-e.de www.bmw-i.de www.project-i.com Literaturempfehlungen Basisliteratur Copeland, T.E./ Koller, T./ Murrin, J., 2002: Unternehmenswert, 3. Aufl., Frankfurt a.M./ New York. Lasserre, P., 2007: Global Strategic Management, 2. Aufl., Houndmills, [Kapitel 2: „Designing a Global Strategy“, S. 33-66]. <?page no="328"?> Kapitel IV: Strategieentwicklung im internationalen Umfeld • 305 Lombriser, R./ Abplanalp, P.A, 2010: Strategisches Management, 5. Aufl., Zürich. Rothaermel, F.T., 2012: Strategic Management, McGraw-Hill, New York, [Kapitel 2: „The Strategic Management Process“, S. 30-53, sowie die Kapitel 3, 4 und 6] Vertiefungsliteratur Hasler, P.T., 2011: Aktien richtig bewerten, Heidelberg. Koller, T./ Dobbs, R./ Huyett, B., 2011: Value. The four cornerstones of corporate finance, Hoboken, N.J: John Wiley & Sons. Kuhner, C./ Maltry, H., 2006: Unternehmensbewertung, Heidelberg. <?page no="330"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien <?page no="331"?> 308 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien Standpunkt: Grünenthal Gruppe Grünenthal Gruppe Die Grünenthal Gruppe ist ein unabhängiges, international tätiges, forschendes Pharmaunternehmen im Familienbesitz. Die Grünenthal Gruppe ist in 26 Ländern weltweit mit Gesellschaften vertreten und erwirtschaftete mit circa 4.200 Mitarbeiter in 2011 einen Umsatz von 947 Mio. €. www.gruenenthal.com Dr. Harald F. Stock, Chief Executive Officer der Grünenthal Gruppe Dr. Harald F. Stock ist seit Januar 2009 Chief Executive Officer der Grünenthal Gruppe. Er agiert zudem in den Aufsichtsgremien der Unternehmen immaticsbiotechnologies GmbH sowie PAION AG. 1. Ist die Breite der internationalen Marktpräsenz einer Firma im Pharma-Bereich ein zentraler Erfolgsfaktor? Diese Frage ist nicht mit ja oder nein zu beantworten. Strategisch ist eine Präsenz sowohl in den aufstrebenden Wachstumsmärkten als auch eine Präsenz in den großen, etablierten Märkten zur Erreichung einer kritischen Masse strategischer Ressourcen sowie nachhaltigem Wachstums notwendig. Dagegen ist der Aufbau einer direkten breiten internationalen Präsenz, also durch Tochterunternehmen, mit hohen Investitionskosten und -risiken verbunden. Unter dem Strich zahlt sich eine selektierte - und damit fokussierte - Breite der Internationalisierung für die Grünenthal Gruppe als mittelgroßen Marktteilnehmer aus. So partizipieren wir basierend auf unserer über Jahrzehnte aufgebauten starken Marktposition sowohl am überdurchschnittlichen Marktwachstum der Märkte in Lateinamerika als auch durch - zugegebenermaßen mit hohen Entwicklungskosten und -risiken behaftet - Innovationen aus „eigener Küche“ am Marktpotenzial der größten globalen Märkte für starke Schmerzmittel in Europa und USA (dort in einer Allianz mit Johnson & Johnson bzw. mit Forest Laboratories, die unsere Produkte mitentwickeln und -vertreiben). Neben dem Wachstumspotenzial, das sich für uns nur durch Internationalisierung erschließen lässt, sind wir durch unsere direkte Präsenz in mehr als 20 Märkten in Europa und Lateinamerika weitaus weniger exponiert gegenüber staatlich verordneten Preisabschlägen und Wechselkursrisiken. Wir arbeiten darauf hin, in den kommenden drei Jahren eine Balance in unserem Geschäftsmodell zwischen den Kostenträger-dominierten und damit durch Innovation geprägten Märkten Europas und Nordamerikas und den Endkunden-dominierten und damit durch Marken geprägten Märkten Lateinamerikas zu schaffen. Beide Systeme bewegen sich jedoch aufeinander zu: die Entwicklungsmärkte bauen Sozialsysteme auf, die <?page no="332"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 309 entwickelten Märkte nehmen den Patienten als Endverbraucher mehr und mehr in die Pflicht. 2. Welche Rolle spielen Internationalisierungsformen wie Technologieverträge in Form von Ein- oder Auslizenzierungen für Grünenthal? Als mittelgroßer Marktteilnehmer fehlt uns in vielen Teilen der Wertschöpfungskette die finanzielle ‚Muskelkraft‘ oder die kritische Masse an Fähigkeiten. Insofern haben wir sowohl sehr eng definiert, was unsere strategischen Kernkompetenzen sind, als auch darauf aufbauend eine Virtualisierung unserer Wertschöpfungskette vorangetrieben. In Summe findet unsere Wertschöpfung zu 50% in Allianzen statt: von der Einlizenzierung von Molekülen über die Entwicklung von Produkten, die Produktion bis hin zur Vermarktung. Speziell in der ressourcenaufwendigen späten Entwicklung eines Projektes setzt unsere Allianzstrategie an. Wir streben an, nur ca. 40% der Entwicklungskosten selber zu tragen und bringen dafür regionale Vermarktungsrechte für den Entwicklungspartner ein. So entsteht ein Partneringmodell für die Vermarktung, in dem wir hinsichtlich der reifen, großen Märkte in Europa stets der ‚Seniorpartner‘ und in den USA stets der ‚Juniorpartner‘ sind. In diesem Modell werden die Entwicklungsmärkte Lateinamerika durch uns, Märkte in Afrika und vor allem in Asien aber durch Partner bearbeitet. Neben den Lizenzeinnahmen aus den auslizenzierten Territorien erwirtschaften wir einen nicht unbeträchtlichen Teil unserer Erträge aus Basistechnologien wie beispielsweise unserer Narkotikamissbrauch reduzierenden INTAC (TM) Technologie. 3. Welche Kriterien zieht Grünenthal bei der Auswahl von Absatzmärkten heran? Die oben beschriebene regionale Fokussierung beruht auf der Priorisierung der Absatzmärkte bezüglich der Marktposition, die wir innehaben, und dem Marktpotenzial für unsere aktuellen Produkte und unsere R&D-Pipeline. So haben wir eine vielversprechende Pipeline und Marktposition im Segment der mittleren bis starken Schmerzmittel in den europäischen Kernmärkten und ein großes Marktpotenzial in diesem Segment in den USA. Darüber hinaus besitzen wir eine überdurchschnittlich gute Marktposition in Lateinamerika, die es uns erlaubt, das dortige starke Marktwachstum auszuschöpfen. Dies definiert unsere dreiteilige Regionalstrategie: 1. direkte Präsenz in den europäischen Kernmärkten und in Lateinamerika. 2. Lizenzbeziehungsweise Juniorpartnerrolle in den USA. 3. Auslizenzierung der restlichen Regionen. 4. Ist es für ein mittelgroßes Unternehmen im Pharma-Bereich notwendig, sich eng zu fokussieren, um eine internationale Präsenz aufzubauen? Aus meiner Sicht ist es absolut überlebensnotwendig, sich eng zu fokussieren. Das gilt insbesondere, um die extrem hohen Vermarktungskosten im Griff zu behalten. Das bedeutet zweierlei: Erstens bedienen wir eine enge Zielgruppe und fokussieren uns im Vertrieb auf Spezialisten vs. Allgemeinärzte. Und zweitens müssen wir die extrem hohen Entwicklungskosten (bis zu EUR 500 Mill. pro Jahr und pro Molekül in der Phase III) effizient einsetzen. <?page no="333"?> 310 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien 5. Welche Rolle spielen Länder wie China oder Indien im Markt für pharmazeutische Produkte - sei es als Kunde oder Wettbewerber? Mehr als zwei Drittel des Weltmarktwachstums der kommenden Jahre wird aus den sogenannten BRIC-Staaten (Brazil, Russia, India, China) generiert werden, so projiziert es IMS. Je nach etablierten medizinischen Schulen sind es die einen oder anderen Märkte, die aus diesen vieren herausragen. Um am Weltmarktwachstum partizipieren zu können, muss eine Pharmafirma direkt oder indirekt in diesen Märkten präsent sein. Auf Basis einer bereits seit 1968 in Lateinamerika (Peru) auf- und ausgebauten Marktposition sind wir beispielsweise 2011 den ersten Schritt der Expansion nach Brasilien gegangen. Dies ist ein Markt, in dem wir bisher noch nicht direkt vertrieben hatten. Aber auch auf Wettbewerbsseite sind sowohl indische als auch chinesische Firmen immer ernster zu nehmen. 6. Welche Rolle spielen finanzielle Kriterien wie der Kapitalwert einer Auslandsinvestition bei der Internationalisierung im Vergleich zu „Soft Factors“? Jede Investition, die Grünenthal tätigt, muss sich rechnen. Im Gegensatz zu Publikumsgesellschaften können wir jedoch als Konzern in Familienbesitz längeren Atem beweisen, bis sich die Investition auszahlt. Nicht jedes Quartal Ertragswachstum berichten zu müssen, erlaubt es, langfristiger und vor allem nachhaltiger zu wirtschaften. 7. Welche Themen stellen die größten Herausforderungen für die Internationalisierung in der Pharma-Branche dar? Gesundheit, also Pharma, Medizintechnik, Gesundheitsdienstleistungen und -infrastruktur, ist einer der global auch in der Zukunft am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige. Daraus ergibt sich aus meiner Sicht ein klares Bild: Diese Entwicklung stellt - unabhängig von der Staatsverschuldungskrise - die weltweiten Gesundheitssysteme vor die Herausforderung der Finanzierbarkeit. Arzneimittelpreise werden genauso weiter unter Druck sein, wie die Zulassungshürden höher werden. Generika werden den Großteil der Marktvolumina darstellen. Daraus folgt für mich für die Zukunft, dass die Industrielandschaft von Generikagiganten geprägt sein wird, die Skaleneffekte nutzend zu Tiefstpreisen das Gros der Medikamente liefern und dabei geringe Margen erwirtschaften werden. Es gibt aber keinen Grund, ein allzu düsteres Bild zu zeichnen: Wissenschaftlich exzellente Nischenspieler werden auch weiterhin den medizinischen Fortschritt vorantreiben und mit weiter massiv steigenden Forschungs- und Entwicklungsbudgets und -risiken umgehen können - und dabei auch ausreichende Margen erwirtschaften. Allerdings wird sich die Kostenstruktur dieser Spezialisten (oder auch eines „Flottenverbandes“ mehrerer lose koordinierter Spezialisten unter dem „Kommando“ einer mit langer Leine dezentral regierender Konzernzentrale) deutlich verändern: Statt rund ein Drittel der Umsatzerlöse in die Vermarktung zu investieren und nur rund ein Sechstel in die Forschung und Entwicklung, wird es notwendig sein, ausgehend von einem etwas niedrigeren Preisniveau mehr in F&E als in M&V zu investieren. Die Herausforderung für eine Industrie, die Jahrzehnte mit „more of the same“ trotz mangelnder echter Innovationen einträglich lebte (aber dabei ihr Image <?page no="334"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 311 aufs Spiel setzt(e)), wird es sein, diesen radikalen Wandel intern und extern (insbesondere gegenüber den Kapitalmärkten) zu bewerkstelligen. Für uns bei Grünenthal fängt Innovation beim Patienten an. Wir wollen das patientenzentrierteste Unternehmen werden - wir werden Innovationspotenziale dadurch erschließen, dass wir besser als der Wettbewerb verstehen, welche Probleme unsere Patienten haben und wie wir diese adressieren können. Schon heute investieren wir daher mehr als 25% unseres Umsatzes in F&E und in absehbarer Zeit wird unser F&E-Budget unser M&V-Budget überholt haben. Internationalisierungsstrategien Abbildung 154 stellt ein mögliches Ablaufdiagramm zur Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie dar. Es handelt sich dabei um ein mehrstufiges Modell, das in viele Einzelschritte untergliedert ist. Diese Einzelschritte sollen im Folgenden dargestellt und mit den bereits vorhandenen Theorien und Konzepten der Internationalisierung von Unternehmen in Zusammenhang gebracht werden. Da diese Abbildung einen sehr komplexen Sachverhalt wiedergibt, werden alle Zweige (Z) nummeriert, so dass im Text auf die entsprechenden Nummern verwiesen werden kann. 1 Strategische Lücken-Analyse Ausgangspunkt der Betrachtung ist die Frage, ob eine strategische Lücke im Rahmen der bisherigen strategischen Planung des Unternehmens vorhanden ist, d.h. ob das bisherige Potenzial zur Erfüllung der Zielvorstellung nicht ausreicht. Für die Analyse der strategischen Lücke ist es notwendig, das gesamte Regelkreissystem der Unternehmensführung im Hinblick auf die Zielerreichungspotenziale zu überprüfen. 1.1 Entscheidungssituation ohne strategische Lücke Wie bereits an anderer Stelle festgestellt wurde, kann das Unternehmen durch die Internationalisierung der Aktivitäten zu einem erhöhten Anspruchsniveau bezüglich seiner Zielvariablen kommen. Das ist dann der Fall, wenn das Unternehmen im Inland über Wettbewerbsvorteile verfügt, die es auch im Ausland zur Erhöhung der Zielvorgaben benutzen könnte. In diesem Zusammenhang wurde der Begriff der aktiven Internationalisierung verwendet. <?page no="335"?> 312 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien <?page no="336"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 313 <?page no="337"?> 314 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien Abbildung 154: Konzept zur Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie <?page no="338"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 315 Geht man davon aus, dass das Zielerreichungspotenzial ausreicht, d.h. keine strategische Lücke für das Unternehmen besteht (Z1), ist zu überprüfen, ob es bereits Auslandsaktivitäten durchführt. Bestehen solche Auslandsaktivitäten nicht (Z2), dann muss darüber entschieden werden, ob eine Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit aufgenommen werden soll. Z3 gibt den Fall wieder, in dem das Unternehmen eine Internationalisierung seiner Aktivitäten ausschließt. Damit beschränkt die Unternehmensleitung ihren ökonomischen Horizont auf Inlandsaktivitäten. Bestehen bereits Auslandsaktivitäten (Z4), dann muss das Management darüber entscheiden, ob es eine Verstärkung der bisherigen oder eine Aufnahme neuer Auslandstätigkeiten anstreben will, um damit eine Steigerung der Zielvorgaben zu erreichen. Ist dies nicht der Fall (Z5), dann stellt sich die Frage, ob das Unternehmen bereits über eine Internationalisierungsstrategie verfügt. Ist dies nicht gegeben (Z6), muss die Unternehmensführung überlegen, ob sie ihre bisherigen Auslandsaktivitäten weiter ausüben will. Wird diese Frage verneint, dann beendet das Unternehmen seine Auslandsaktivitäten (Z7). Andernfalls führt es seine bisherigen Auslandsaktivitäten weiter (Z8). Aus dem Entscheidungspfad Z5/ Z6/ Z8, der davon ausgeht, dass keine aktive Internationalisierung angestrebt wird und keine Internationalisierungsstrategie besteht, kann man schließen, dass die bisherigen Auslandsaktivitäten von dem Unternehmen für den Unternehmenserfolg als strategisch unbedeutend angesehen werden. Unterstellt man, dass eine Unternehmung bereits über eine Internationalisierungsstrategie verfügt (Z9), dann steht sie vor der Alternative, diese fortzuführen oder nicht. Kommt es zu keiner Fortführung (Z10), dann kann zwar das Unternehmen weiterhin Auslandsaktivitäten betreiben, jedoch sind diese strategisch unbedeutend. Z11 gibt den Fall wieder, in dem das Unternehmen eine Fortführung der bisherigen Internationalisierungsstrategie geplant hat, jedoch keine neuen Auslandsaktivitäten beginnen möchte. Der Pfad Z13 stellt die Situation dar, in der das Unternehmen seine bisherigen Auslandsaktivitäten weiter verstärken will, um damit eine Erhöhung des Anspruchsniveaus seiner Zielvariablen zu erreichen. Wie aus Abbildung hervorgeht, kann eine aktive Internationalisierung über die Pfade Z1/ Z2/ Z12 und Z1/ Z4/ Z13 erreicht werden. Beim ersten Pfad bedeutet die aktive Internationalisierung die erstmalige Aufnahme von Auslandsaktivitäten (aktive Internationalisierung 1), im Pfad Z1/ Z4/ Z13 aktive Internationalisierung, dass das Unternehmen seine bisherigen Auslandsaktivitäten intensivieren oder neue aufnehmen will (aktive Internationalisierung 2). <?page no="339"?> 316 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien 1.2 Entscheidungssituation mit strategischer Lücke Stellt das Unternehmen fest, dass die Zielerreichungspotenziale nicht ausreichen, um die Zielvorstellung der Unternehmensleitung zu realisieren, besteht eine strategische Lücke. Zur Schließung dieser strategischen Lücke kann die Unternehmensführung überlegen, ob der ökonomische Aktionsradius um Auslandsaktivitäten erweitert werden soll. Eine so initiierte Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten wird als passive Internationalisierung bezeichnet. Im Folgenden wird untersucht, wie es zu einer passiven Internationalisierung kommen kann. Ist eine strategische Lücke vorhanden (Z14), dann ergeben sich bezüglich der Frage der Internationalisierung zwei Möglichkeiten: Das Unternehmen ist bereits im Ausland tätig (Z18) oder nicht (Z15). Im zweiten Fall (Z15) ergibt sich die Möglichkeit der Aufnahme von Auslandsaktivitäten für das Unternehmen. Bei Z16 verzichtet die Unternehmensleitung auf eine Internationalisierung seiner Aktivitäten. Damit beschränkt sich der ökonomische Horizont des Unternehmens auf Inlandsaktivitäten, eine Internationalisierung findet nicht statt. Z17 spiegelt die Entscheidung des Managements wider, Auslandsaktivitäten erstmalig aufzunehmen. Der Pfad Z14/ Z15/ Z17 wird als passive Internationalisierung 1 bezeichnet. Führt das Unternehmen bereits Auslandsaktivitäten durch (Z18), dann stellt sich die Frage, ob es eine Schließung der strategischen Lücke durch eine Verstärkung der bisherigen Aktivitäten bzw. durch die Aufnahme neuer Aktivitäten herbeiführen möchte. Will es dies nicht (Z19), dann ist zu untersuchen, ob bereits eine Internationalisierungsstrategie vorhanden ist. Ist dies der Fall (Z20), dann stellt sich das Problem, ob das Unternehmen diese fortführen will. Andernfalls (Z21) bedeutet das die Beendigung der Internationalisierungsstrategie und/ oder es werden nur noch solche Auslandsaktivitäten durchgeführt, die keine strategische Bedeutung haben. Z22 gibt den Pfad wieder, der angibt, dass das Unternehmen seine bisherige Internationalisierungsstrategie fortführen will. Neue Auslandsaktivitäten werden jedoch nicht aufgenommen. Hat das Unternehmen keine Internationalisierungsstrategie (Z23), dann besteht entweder die Alternative, die Auslandsaktivitäten weiter wie bisher durchzuführen (Z24), was zu Auslandsaktivitäten ohne strategische Bedeutung führt, oder diese zu beenden (Z25). Sollen die bisherigen Auslandsaktivitäten zur Schließung der strategischen Lücke erweitert werden, dann führt dies zu einer Verstärkung oder Neuaufnahme von Auslandstätigkeiten. Diese Form der Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten soll als passive Internationalisierung 2 bezeichnet werden (Z26). <?page no="340"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 317 1.3 Entwicklung der Internationalisierung aus der strategischen Lücke Die Pfade Z1/ Z2/ Z12 (= aktive Internationalisierung 1), Z1/ Z4/ Z13 (= aktive Internationalisierung 2), Z14/ Z15/ Z17 (= passive Internationalisierung 1) und Z14/ Z18/ Z26 (= passive Internationalisierung 2) geben die Initiierung einer Internationalisierungsstrategie für Unternehmen wieder. Bei diesen Pfaden ist eine Reihe von unternehmerischen Entscheidungen zu treffen, die sich insbesondere darauf beziehen, ob das Unternehmen eine aktive oder passive Internationalisierung und damit eine Erweiterung seines ökonomischen Horizonts um neue Auslandsaktivitäten vornehmen will. Diese Grundsatzentscheidung hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Die Initialkräfte von Aharoni (Aharoni, Y., 1966) wie z.B. Vorschläge, die von außen an das Unternehmen herangetragen werden, oder die Angst, den Markt zu verlieren, bzw. Mitläufer-Effekte oder die starke Konkurrenz von ausländischen Unternehmen im Inland beeinflussen die Einstellung der Unternehmensleitung gegenüber Auslandsaktivitäten positiv. Genauso führen in Anlehnung an Aharoni Prestigedenken, Reiselust sowie das Bestreben, etwas für die Entwicklung anderer Länder zu tun, zu einer positiven Einstellung der Unternehmensleitung zur Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten. Auch die aus der Theorie des oligopolistischen Parallelverhaltens abgeleiteten Follow-the-Leader- oder Kreuzinvestitions-Strategien ermöglichen eine Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten. Ebenso kann das Aufkommen von ausländischen Wettbewerbern auf dem Heimatmarkt des Unternehmens eine Initialwirkung für die Formulierung einer Internationalisierungsstrategie haben. In der Nachfragestruktur- und der internationalen Produktlebenszyklus-Theorie wird auf die Bedeutung der Wachstumsgrenze auf dem Inlandsmarkt für das Entstehen von Auslandsaktivitäten hingewiesen. In diesen Konzepten würde die Wachstumsgrenze im Inland das Entstehen einer strategischen Lücke erklären. Ein weiteres Motiv, eine Internationalisierung zu beginnen, ist das aus der Monopoltheorie abgeleitete Kontrollmotiv. Dieses Kontrollmotiv, den Wettbewerb im Ausland auszuschalten oder einen monopolistischen Vorteil im Ausland auszunutzen, führt zu einer aktiven Internationalisierung. Neben diesen mehr auf den Entscheidungsträger bezogenen Verhaltensvariablen hängt die Einstellung der Unternehmensleitung gegenüber Auslandsaktivitäten auch von dem Ausmaß der strategischen Lücke ab. So kann das Unternehmen feststellen, dass der Inlandsmarkt für ein Schließen der strategischen Lücke nicht mehr ausreicht. Dann entsteht zwangsweise die Notwendigkeit, auch ausländische Märkte zu bearbeiten, wenn das Unternehmen seine Zielvorstellungen nicht nach unten korrigieren will. Veränderungen bei bestimmten Elementen des Regelkreissystems der Unternehmensführung können eine Neuorientierung der Unternehmenspolitik im Hinblick auf Auslandsaktivitäten erforderlich machen. So können sich z.B. die Umweltfaktoren im Inland so verschlechtern, dass die Unternehmensleitung bezweifelt, dass in Zukunft das Heimatland der günstigste Standort ist. Auch aus der betrieblichen Stärken- und Schwächenanalyse lässt <?page no="341"?> 318 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien sich eine Reihe von Gründen ableiten, die ein Unternehmen veranlassen, ins Ausland zu gehen. In diesem Zusammenhang werden die Theorien der Internationalisierung relevant, da sie mit ihren Erklärungsvariablen Bestimmungsgründe liefern, warum und wann Unternehmen Auslandsaktivitäten aufnehmen sollen. Besteht die Bereitschaft, eine aktive oder passive Internationalisierung der Unternehmenstätigkeiten vorzunehmen, dann muss im nächsten Schritt untersucht werden, ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind. 2 Überprüfung der Voraussetzungen für eine Internationalisierung 2.1 Allgemeine Voraussetzungen Unabhängig davon, ob eine aktive Internationalisierung 1 (Z12) oder 2 (Z13) bzw. eine passive Internationalisierung 1 (Z17) oder 2 (Z26) vorgenommen werden soll, muss die Unternehmensleitung untersuchen, inwieweit die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Zur Bestimmung des Internationalisierungspotenzials muss das Management überprüfen, inwieweit die allgemeinen Voraussetzungen für erfolgreiche Auslandsaktivitäten vorliegen. Dazu ist das gesamte Regelkreissystem der Unternehmensführung dahingehend zu analysieren, über welche Bestimmungsfaktoren positive Effekte für eine Internationalisierung gewonnen werden können. Kommt das Unternehmen bei dieser Analyse zu dem Ergebnis, dass die allgemeinen Voraussetzungen für eine Internationalisierungsstrategie nicht gegeben sind (Z27), dann sind nur strategisch unbedeutende Auslandsaktivitäten möglich. Um dieses Problem zu analysieren, muss zunächst untersucht werden, ob sich mit der bisherigen Führungskonzeption eine Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten vereinbaren lässt. Ist das Denken des Managements fast ausschließlich auf den Inlandsmarkt konzentriert, wird sogar eine ethnozentrische Führungskonzeption fraglich. Bei der Internationalisierung muss ein Unternehmen über genügend Wettbewerbsvorteile auf den bisher bearbeiteten Märkten verfügen, die potenziell auch auf andere Länder übertragbar sind. Für diese Analyse leisten die Erklärungsvariablen der Theorien der Internationalisierung wertvolle Hilfestellungen, da sie Bestimmungsfaktoren liefern, die für die betriebliche Stärken- und Schwächensowie die Umweltanalyse bedeutsam sind. Aus den dargestellten Theorien im Kapitel „Grundlagen des internationalen Wettbewerbs“ lassen sich z.B. folgende internationale Wettbewerbsvorteile ableiten: (1) Vorteile in der Produkttechnologie, (2) Vorteile in der Verfahrenstechnologie, (3) Vorteile in der Managementtechnologie, <?page no="342"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 319 (4) Vorteile in der Rohstoffversorgung, (5) Vorteile in der Beschaffung sonstiger Ressourcen (z.B. Humankapital, Finanzen), (6) Vorteile, die sich aus dem Inlandsmarkt ergeben, (7) Vorteile des Standortes des Inlandsunternehmens und (8) Vorteile aus der Kapazitätsauslastung. Die dargestellte Auswahl von möglichen Wettbewerbsvorteilen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das würde letztlich dem Versuch gleichkommen, eine „Übertheorie“ der Internationalisierung entwickeln zu wollen. Jeder Versuch dieser Art ist aber zum Scheitern verurteilt. Für ein Unternehmen stellt sich an dieser Stelle die Frage, welche Wettbewerbsvorteile für seinen speziellen Bereich relevant sind. Dabei ist die Liste von möglichen Wettbewerbsvorteilen nahezu unendlich groß. Das Auffinden möglicher Wettbewerbsvorteile, die für eine erfolgreiche Internationalisierungsstrategie verwendet werden können, stellt einen sehr kreativen Akt dar. Ziel der folgenden Darstellung ist es, beispielhaft die Bestimmung des Internationalisierungspotenzials zu verdeutlichen. Dies kann mithilfe eines Scoring-Modells (Strebel, H., 2007; Brockhoff, K., 1976) erfolgen. Abbildung 155 gibt ein Beispiel für ein Scoring-Modell, in dem wesentliche, aus den Theorien der Internationalisierung abgeleitete Wettbewerbsvorteile enthalten sind. An dieser Stelle wird noch einmal deutlich, wie wichtig die Theorien der Internationalisierung für betriebswirtschaftliche Analysen sind. Sie ermöglichen eine Identifikation von Erklärungsvariablen für mögliche Wettbewerbsvorteile und damit das Erstellen von Checklisten für Scoring-Modelle. Kommt die Unternehmensführung über die aktive oder passive Internationalisierung 1 (Z12 oder Z17) zu der Überlegung, Auslandsaktivitäten zu beginnen, dann kann sie mögliche Wettbewerbsvorteile aus der Wettbewerbssituation im Inland ableiten. Dazu muss sie eine Analyse der Stellung des Unternehmens in Bezug auf diese Wettbewerbsvorteile gegenüber den Hauptwettbewerbern im Inland durchführen. Erst in einem zweiten Schritt kann sie dann überprüfen, ob diese Vorteile auch auf ausländische Märkte übertragbar sind. Andererseits muss das Unternehmen analysieren, ob es im Ausland Wettbewerbsvorteile besitzt, die im Inland nicht bestehen. Führt das Unternehmen schon Auslandsaktivitäten durch und kommt über die aktive oder passive Internationalisierung 2 (Z13 oder Z26) zu der Überlegung, diese weiter auszubauen, dann kann es eine Untersuchung seiner Wettbewerbssituation sowohl für den Inlandsmarkt als auch für die bisherigen Auslandsmärkte durchführen. Für neue Auslandsmärkte muss die Übertragbarkeit von Wettbewerbsvorteilen vom Heimatmarkt oder den bisherigen Auslandsmärkten auf die neuen Märkte überprüft werden. <?page no="343"?> 320 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien Ausgangspunkt bei Verwendung des Scoring-Modells ist die Frage, wie sich die Wettbewerbssituation des Unternehmens darstellt. Im jeweils betrachteten Land ist es sinnvoll, den stärksten Konkurrenten als Maßstab der eigenen Wettbewerbsvorteile zu wählen. Um den stärksten Wettbewerber zu identifizieren, kann das Management auf übliche Erfolgskennzahlen wie z.B. Marktanteile zurückgreifen oder auch detailliertere Analysen durchführen. Dabei können ebenfalls Scoring-Modelle verwendet werden. Denkbar wäre auch, dass sich das Unternehmen gegenüber allen Wettbewerbern misst, da unterschiedliche Konkurrenten über verschiedene Wettbewerbsvorteile verfügen können. Ein solches Benchmarking würde zu einer Analyse führen, die einen Vergleich bei allen möglichen Wettbewerbsvorteilen zu einem theoretischen Konstrukt eines „Best-practice“-Unternehmens zulassen würde. Gegenüber dem besten Konkurrenten bestehen: +3 sehr große Vorteile/ +2 große Vorteile/ +1 geringe Vorteile/ 0 keine Vorbzw. Nachteile -1 geringe Nachteile/ -2 große Nachteile/ -3 sehr große Nachteile Abbildung 155: Scoring-Modell zur Bestimmung des Internationalisierungspotenzials eines Unternehmens Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass der stärkste Wettbewerber bereits bestimmt wurde und dass andere Konkurrenten über keine größeren Wettbewerbsvorteile gegenüber dem betrachteten Unternehmen verfügen. Alle weiteren Analysen beziehen sich auf das wettbewerbsfähigste Konkurrenzunternehmen. Beispielhaft soll eine solche Analyse in Bezug auf diesen Konkurrenten durchgeführt werden. Gleiche Analysen könnte man jedoch auch für andere Wettbewerber mit unterschiedlichen Wettbewerbsvorteilen anstellen. Zunächst ist es notwendig, alle in Abbildung 155 wiedergegebenen Faktoren zu überprüfen. Die Beurteilung der Wettbewerbssituation des betreffenden Unternehmens in einem <?page no="344"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 321 bestimmten Land kann in Bezug auf den jeweils stärksten Wettbewerber mittels einer Skala erfolgen, die von -3 bis +3 reicht. Abbildung 155 zeigt dabei zwei Extremfälle. Profil 1 zeigt ein Unternehmen, das in einem bestimmten Land bzgl. aller Faktoren sehr große Wettbewerbsnachteile hat. Mit einem solchen Profil wäre die erfolgreiche Aufnahme einer Internationalisierungsstrategie in dem betreffenden Land äußerst unwahrscheinlich. Es ist aber denkbar, dass für ein anderes Land das Profil anders aussieht. Als Beispiele können hier Unternehmen aus dem ehemaligen Ostblock genannt werden, die in dem ehemaligen Comecon-Gebiet Wettbewerbsvorteile hatten, da häufig westliche Konkurrenten fehlten, die aber in den westlichen Industrieländern nicht konkurrenzfähig waren. Das Profil 2 in Abbildung 155 stellt die Situation eines Unternehmens dar, das auf allen Gebieten Wettbewerbsvorteile in einem bestimmten Land hat. Eine solche Situation stellt i.d.R. eine Ausnahme dar. Das Unternehmen hat für das betreffende Land ein überragendes Internationalisierungspotenzial. Dies wird in der Regel in der Realität nicht existieren (z.B. ein Unternehmen in der Automobilbranche, das Autos mit dem größten Sitzkomfort, mit dem größten Kofferraum, mit der größten Beschleunigung, mit der größten Sicherheit, mit dem sparsamsten Motor, der höchsten Geschwindigkeit, dem kleinsten Wendekreis usw. baut). Interessant wird eine solche Analyse dann, wenn Wettbewerber existieren, die über große Wettbewerbsvorteile auf unterschiedlichen Gebieten verfügen. Dann gilt es, Wettbewerbsvorteile zu finden, die sich von denen der übrigen Konkurrenten unterscheiden. Realistischer ist ein Profil, wie es in Abbildung 156 dargestellt ist. Hier besitzt das betrachtete Unternehmen einige Vorteile, denen aber Nachteile in der Produkttechnologie und in der Rohstoffversorgung gegenüberstehen. Die Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie für ein betrachtetes Erzeugnis bzw. eine Erzeugnisgruppe in dem betreffenden Land stellt das Unternehmen vor die Frage, welche Alternativen ihm zur Verfügung stehen. Dabei kann das Unternehmen zwischen zwei unterschiedlichen gedanklichen Konzeptionen entscheiden. Erstens kann das Unternehmen strategische Überlegungen darüber anstellen, wie die Nachteile in der Produkttechnologie und in der Beschaffung von Rohstoffen zu beseitigen sind. Die Gefahr bei einem solchen Vorgehen besteht darin, dass dann der Wettbewerber, der definitionsgemäß Vorteile auf diesen Gebieten besitzt, zum Vorbild genommen wird. Eine solche Imitationsstrategie kann eine erfolgreiche Gesamtstrategie gefährden, da viele Ressourcen in die Verbesserung der bestehenden Nachteile investiert werden müssen. Da es heute in der Unternehmensstrategie i.d.R. nicht ausreicht, gleich gut wie die Wettbewerber zu sein, kann diese Imitationsstrategie langfristig zu einer falschen Prioritätenbildung im Unternehmen führen und damit die gesamte Internationalisierungsstrategie in Frage stellen. Hierbei wird auch die große Gefahr des Benchmarkings deutlich. So kann ein falsch verstandenes Benchmarking sehr leicht zu einer Imitationsstrategie führen. <?page no="345"?> 322 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien Gegenüber dem besten Konkurrenten bestehen: +3 sehr große Vorteile/ +2 große Vorteile/ +1 geringe Vorteile/ 0 keine Vorbzw. Nachteile -1 geringe Nachteile/ -2 große Nachteile/ -3 sehr große Nachteile Abbildung 156: Scoring-Modell für die Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens Aus Abbildung 156 kann auch ein zweites gedankliches Vorgehen abgeleitet werden. Danach befasst sich das Unternehmen zunächst damit, vorhandene Vorteile zu einem strategischen Konzept zu verbinden. Ist eine solche Strategiekonzeption möglich, muss das Unternehmen in einem zweiten Schritt überprüfen, ob die bestehenden Nachteile die Implementierung einer so gefundenen Strategie verhindern. Ist dies nicht der Fall, dann ließe sich mit dieser Konzeption eine Strategieinnovation in dem betreffenden Land entwickeln. Damit ist es möglich, dass das eigene Unternehmen und der stärkste Wettbewerber mit unterschiedlichen Strategien, die auf verschiedenen Wettbewerbsvorteilen basieren, in bestimmten Produktsegmenten erfolgreich sind. Analog ist dies auch für eine größere Zahl von Unternehmen denkbar. Es stellt sich bei einer Analyse der Internationalisierungspotenziale auch die Frage, wie viele internationale Wettbewerbsvorteile ein Unternehmen besitzen muss, um erfolgreich zu sein. In der Unternehmenspraxis, insbesondere in den fernöstlichen Schwellenländern, gibt es genügend Beispiele dafür, dass ein einziger Vorteil schon ausreicht, um erfolgreich zu internationalisieren, solange die Wettbewerbsnachteile nicht die Implementierung dieser Strategie verhindern. Porter hat jedoch gezeigt, dass beispielsweise ein Kostenvorteil allein nicht ausreicht (Porter, M.E., 1999), um langfristig erfolgreich zu sein. Ein Beispiel soll die dargestellte Analyse verdeutlichen. Gewählt wird das Unternehmen Benetton in den 1980er Jahren. Trägt man die Wettbewerbsvor- und -nachteile von Benetton in das Scoring-Modell ein, erhält man für Westeuropa (den Hauptmärkten, in denen das Unternehmen tätig war) das Bild, das in Abbildung 157 wiedergegeben ist (Harvard Business School, Case Nr. 9-685-020, Rev. 4/ 86). <?page no="346"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 323 Gegenüber dem besten Konkurrenten bestehen: +3 sehr große Vorteile/ +2 große Vorteile/ +1 geringe Vorteile/ 0 keine Vorbzw. Nachteile -1 geringe Nachteile/ -2 große Nachteile/ -3 sehr große Nachteile Abbildung 157: Scoring-Modell für die Wettbewerbsvorteile von Benetton Auf dem Gebiet der Produkt- und Prozesstechnologie war Benetton 1982 in seinem Marktsegment führend. Mit der Erfindung des nachträglichen Einfärbens grauer Pullover hatte Benetton eine überlegene Produkttechnologie entwickelt, weil es hierdurch möglich wurde, auf Nachfrageverschiebungen kurzfristig zu reagieren. Auch in der Optimierung der gesamten Prozesssteuerung galt das Unternehmen als führend. Das Management von Benetton wurde in diesem Markt im Vergleich zu den Wettbewerbern ebenfalls als besser angesehen. Durch ein geschicktes Subkontraktorsystem konnte das Unternehmen in Italien fast ein ähnliches Modell wie das japanische Just-in-Time-System aufbauen, so dass bei der Rohstoffbeschaffung eine eindeutige Überlegenheit gegenüber anderen Wettbewerbern bestand. Die Beschaffung sonstiger Ressourcen umfasst das Vorhandensein von gut ausgebildeten Arbeitskräften und/ oder die Verfügbarkeit von finanziellen Mitteln. Auch in diesen Bereichen war Benetton seinen Wettbewerbern überlegen, z.B. durch ein geschicktes Franchising- und Zahlungssystem für die Vorlieferanten bzw. Händler. Der Heimatmarkt Italien, der durch ein großes Modebewusstsein geprägt ist, war für Benetton im Vergleich zu anderen nicht-italienischen Unternehmen ebenfalls von Vorteil. Der Standort Norditalien bedeutete für das Unternehmen einen leichteren Zugang zu nördlichen europäischen Ländern und verfügt über eine relativ gute Verkehrsinfrastruktur. Diese Tatbestände waren für das Unternehmen gegenüber anderen Wettbewerbern zumindest nicht als negativ zu bewerten. Die Kapazitätsauslastung hat das Unternehmen Benetton durch eine Just-in-Time-Produktion optimiert und sich durch eigene Softwareentwicklungen auf diesem Gebiet zu einer weltweit führenden Firma entwickelt. Dies geschah durch eine geschickte Ausnutzung der Informationstechnologie. <?page no="347"?> 324 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien Damit besaß Benetton in Westeuropa auf allen Gebieten Wettbewerbsvorteile und hatte ein beträchtliches Internationalisierungspotenzial für außereuropäische Länder. Bisher wurde in der Analyse der Wettbewerbsvorteile davon ausgegangen, dass das Unternehmen diese von den bisher bearbeiteten Märkten auf neue Auslandsmärkte überträgt, d.h. eine Strategie entwickelt, die zunächst auf seinen Stärken aufbaut. Eine Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten kann jedoch auch als Konsequenz aus den Schwächen eines Unternehmens auf seinen bisherigen Märkten erfolgen. Stellt ein Unternehmen z.B. fest, dass es erhebliche Kosten- oder Technologieprobleme auf seinen bisher bearbeiteten Märkten hat, dann kann es versuchen, durch Importe von Vorund/ oder Endprodukten, durch eine Internationalisierung der Forschung und Entwicklung, durch eine Verlagerung der Produktion ins Ausland in Form einer Direktinvestition oder durch die Lizenznahme von einem ausländischen Unternehmen diesen Problemen entgegenzuwirken. Dann wird die Internationalisierung der Unternehmensaktivitäten dazu benutzt, inländische Wettbewerbsnachteile in Vorteile zu verwandeln. Verfügt ein Unternehmen über genügend Internationalisierungspotenzial (Z28), dann stellt sich die Frage, ob sich diese Wettbewerbsvorteile auch „internationalisieren“, d.h. auf andere Länder übertragen lassen (Fall A). Auch für die Frage, inwieweit Auslandsaktivitäten Wettbewerbsnachteile im Inland beseitigen können, muss das Unternehmen überprüfen, welche Länder dazu geeignet sind, eine Problemlösung zu ermöglichen (Fall B). Für beide Fragen ist eine länderspezifische Vorteilsanalyse notwendig, auf die in dem folgenden Abschnitt eingegangen werden soll. 2.2 Analyse der länderspezifischen Voraussetzungen Will ein Unternehmen Wettbewerbsvorteile in bisherigen Märkten auf neuen Auslandsmärkten nutzen (Fall A), muss es überprüfen, ob diese auf das Land übertragbar sind, für das es sich interessiert. Ist dies nicht der Fall, dann fällt das betreffende Land für eine Internationalisierungsstrategie aus (Z29). Das Gleiche gilt, wenn das Unternehmen zu dem Ergebnis kommt, dass ein bestimmtes Land nicht dazu geeignet ist, eine Problemlösung zur Beseitigung von Schwächen in den bisher bearbeiteten Märkten zu bieten (Fall B). Um die Frage nach der Übertragbarkeit bzw. der Schaffung von Wettbewerbsvorteilen zu untersuchen und eine Analyse der relevanten Umweltfaktoren durchzuführen, ist ein zweistufiges Vorgehen notwendig. Zunächst muss überprüft werden, inwieweit ein Unternehmen seine Wettbewerbsvorteile aus dem Scoring-Modell auf ein bestimmtes Land übertragen kann bzw. ob das betreffende Land Beiträge zu Problemlösungen auf den bisher bearbeiteten Märkten bietet. Anschließend müssen die allgemeinen Rahmenbedingungen dieses Landes mithilfe einer Umweltanalyse daraufhin untersucht werden, ob das Risiko, in diesem Land tätig zu werden, ver- <?page no="348"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 325 tretbar ist. Kommen beide Analysen zu einem positiven Abschluss (Z30), dann kann die Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie fortgeführt werden. 2.2.1 Informationsgewinnungsprozesse Im Rahmen der vorgenannten Problemstellungen ist zunächst die Frage zu beantworten, wie Unternehmen dazu kommen, bestimmte Länder in ihre Analyse mit einzubeziehen. Dies kann auf zwei Arten erfolgen: auf der Basis eines passiven oder aktiven Informationsgewinnungsprozesses. Bei der passiven Informationsgewinnung über Auslandsmärkte geht man davon aus, dass die Informationen von außen an das inländische Unternehmen herangetragen werden. Dies entspricht dem Konzept der Initialkräfte der Theorie von Aharoni (Ramamurti, R./ Hashai, N., 2011; Aharoni, Y., 1966). Der passive Informationsgewinnungsprozess wird in Abbildung 158 wiedergegeben. Abbildung 158: Passives Modell der Informationsgewinnung In der ersten Stufe gibt das inländische Unternehmen erzeugnisbezogene Daten an Institutionen im Ausland. Dabei können folgende Informationsübermittler im Ausland für das Inlandsunternehmen von besonderer Bedeutung sein: Kunden, Auslandsgesellschaften des inländischen Unternehmens, staatliche Stellen, Konkurrenzunternehmen, Broker, Handelskammern, Banken und Messen. Als Reaktion auf die erzeugnisbezogenen Daten erhält das inländische Unternehmen in der zweiten Stufe des Informationsgewinnungsprozesses Absatzmarktinformationen über das Ausland von lokalen Stellen. <?page no="349"?> 326 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien Beim aktiven Modell der Informationsgewinnung, das in Abbildung 159 wiedergeben ist, legt das inländische Unternehmen den Bedarf für die Informationsgewinnung fest und initiiert sie im Ausland. Dies kann z.B. durch folgende Situationen bedingt sein: (1) Unternehmen, die eine Globalstrategie verfolgen, bemühen sich gezielt um weltweite Informationen über aktuelle oder potenzielle Absatzund/ oder Beschaffungsmärkte. (2) Unternehmen, die bisher nur eine passive Informationsgewinnung betrieben haben, erreichen eine kritische Schwelle des Anteils des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz, so dass eine umfassende strategische Analyse der Auslandsaktivitäten notwendig wird. (3) Die Gefährdung eines für das Unternehmen nicht unbedeutenden Auslandsmarktes erfordert eine gezielte Analyse dieses Marktes. (4) Technologische Zwänge erfordern den Aufbau von Mindestkapazitäten. Wenn die Inlandsnachfrage für das Ausnutzen dieser Mindestkapazität zu gering ist, müssen sich Unternehmen gezielt um zusätzliche Absatzchancen im Ausland bemühen. (5) Eine Unterbeschäftigungssituation im Inland zwingt das Unternehmen, freie Kapazitäten durch Auslandsaktivitäten zu nutzen. (6) Mitläufer-Effekte machen ein Land für ein Unternehmen interessant und es beginnt, sich gezielt darüber zu erkundigen. Abbildung 159: Aktives Informationsgewinnungsmodell <?page no="350"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 327 Als Resultat des Informationsgewinnungsprozesses ergeben sich Länder, die für das Unternehmen interessant sein könnten. Die Bedeutung von Informationen für eine erfolgreiche Internationalisierungsstrategie wurde bereits erläutert. Das besonders im englischsprachigen Raum populäre Konzept der Competitive Intelligence beschreibt einerseits den in Abbildung 160 visualisierten Prozess (Pfaff, D., 2005; Michaeli, R., 2005; Bernhardt, D., 1993) der Informationsgewinnung und -analyse über Wettbewerber und das Umfeld. Der Prozess besteht aus den Schritten Informationsbedarfsanalyse und Projektplanung (Planning & Direction), Informationssammlung (Collection), Verarbeitung (Processing), Auswertung und Analyse (Analysis and Production) und der Präsentation der Ergebnisse (Dissemination). Andererseits wird unter Competitive Intelligence das Produkt des Durchlaufs des Intelligence Cycles verstanden, also das aggregierte Wissen über Wettbewerber und Umfeld (Lux, C./ Peske, T., 2002). Als Geburtsstunde der modernen Competitive Intelligence gilt die Veröffentlichung: „Techniques for analyzing industries and competitors“ von Michael Porter (Porter, M.E., 1980). Abbildung 160: Intelligence Cycle Die Informationsgewinnung bei der Competitive Intelligence sollte nur mit legalen Mitteln durchgeführt werden. Die „Society of Competitive Intelligence Professionals“ (SCIP), die weltweit größte Vereinigung auf diesem Gebiet, fordert darüber hinaus von ihren Mitgliedern ein sowohl legales als auch ethisch einwandfreies Vorgehen. Somit stehen dem seriösen Competitive-Intelligence-Spezialisten nur offene Quellen zur Verfügung, womit der Vorwurf der Wirtschaftsspionage entkräftet wird. Unter Wirtschaftsspionage wird jede illegale Tätigkeit verstanden, deren Ziel die Beschaffung und Verwertung von Informationen über ein Unternehmen oder von Informationen ist, die in einem Unternehmen genutzt <?page no="351"?> 328 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien oder gewonnen werden (Kochmann, K., 2009; Lux, C./ Peske, T., 2002; Maier, E., 1992). Der Übergang von legaler zu illegaler Informationsbeschaffung ist allerdings nicht eindeutig (KPMG, 1997). Vor allem die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen die illegale Beschaffung von Informationen. Welche Schäden durch Wirtschaftsspionage entstehen, ist schwer abschätzbar. Die dafür angeführten Zahlen gehen weit auseinander. Jede Schätzung oder Untersuchung weist aufgrund der hohen Dunkelziffer einen hohen Grad an Spekulation und Vermutung auf (Lux, C./ Peske, T., 2002). Der durch Wirtschaftsspionage jährlich verursachte Schaden in der Bundesrepublik wird beispielsweise auf ca. 10 Mrd. € geschätzt (Deiß, M., 2003). Man unterscheidet bei der Wirtschaftsspionage zwischen Konkurrenzspionage, d.h. Wirtschaftsspionage zwischen Unternehmen, und nachrichtendienstlich geführter Wirtschaftsspionage durch Staaten. Ziel ist die Erlangung eines wirtschaftlichen Vorteils für ein Unternehmen bzw. eine Volkswirtschaft (von der Wirtschaftsspionage sind die Begriffe sensitive Exporte, Proliferation, Sabotage und gemeine Betriebskriminalität abzugrenzen). Abbildung 161 soll einen kurzen Überblick über die Akteure der Wirtschaftsspionage geben. Nach Ende des Kalten Krieges, dem Fall der Mauer sowie dem Zerfall der Sowjetunion wurde von einer Verringerung nachrichtendienstlicher Aktivitäten ausgegangen. Jedoch war die Folge nur eine Verlagerung von militärischen auf wirtschaftliche und wissenschaftliche Ziele. Sichtbar aktiv sind in Deutschland die Nachrichtendienste der Russischen Föderation, der Ukraine, Weißrusslands und Kasachstans. Eine beliebte Methode von ihnen ist die Anwerbung deutschstämmiger Aussiedler (Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, 2002). Auch China baut bei seinem wirtschaftlichen Expansionsstreben auf die Unterstützung seiner Geheimdienste, zudem wird an den Patriotismus ehemaliger Austauschstudenten appelliert, „interessante“ Informationen aus Industrie und Technik dem Heimatland zukommen zu lassen (Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, 2002). Im Bereich der Konkurrenzspionage ist von einem gleich bleibend hohen Niveau von Aktivitäten auszugehen. Dies ist auf einen verstärkten Wettbewerbsdruck, Globalisierungsbestrebungen sowie auf die „Freisetzung“ von nachrichtendienstlich geschultem Personal durch den Zerfall des Ostblocks zurückzuführen. In der Wirtschaftsspionage nimmt neben den klassischen Methoden der Auswertung offener Quellen, Teilnahme am Wirtschaftsleben durch Gründung von Unternehmen und dem Agenten im Zielobjekt (Innentäter) die Bedeutung moderner Informationstechnik weiter zu. So besitzen insbesondere westliche Nachrichtendienste modernste Fernmeldeaufklärung, die die Überwachung nahezu aller Fernmeldesatelliten sowie des regulären Funkverkehrs und der Internetkommunikation ermöglicht. Das Ausmaß der Abhörtätigkeit, insbesondere die Menge an Informationen, die gleichzeitig abgefangen und ausgewertet werden kann, ist jedoch strittig (Lux, C./ Peske, T., 2002). <?page no="352"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 329 Alle hier genannten Methoden finden auch in der Konkurrenzspionage im kleineren Rahmen ihre Anwendung. Jedoch gilt zu beachten, dass trotz neuer Möglichkeiten der Informationstechnologie immer noch die größte Gefahr von Innentätern ausgeht (Lux, C./ Peske, T., 2002). Abbildung 161: Akteure der Wirtschaftsspionage Quelle: In Anlehnung an: Lux, C./ Peske, T., 2002 Für die mangelnde Anzahl an öffentlich bekannten Wirtschaftsspionagefällen gibt es verschiedene Gründe. Einerseits schweigen die Opfer aus Angst vor Prestigeverlust in der Öffentlichkeit. Andererseits hinterlässt die moderne Fernmeldeaufklärung keine Spuren, so dass nur Vermutungen geäußert werden können (Landesamt für Verfassungsschutz Baden- Württemberg, 2002). Der gesetzliche Rahmen für die Abwehr, Aufklärung und Verfolgung von Wirtschaftsspionage ist international sehr unterschiedlich. Während einige Staaten keine gesetzlichen Regelungen diesbezüglich getroffen haben, erließen z.B. die USA im Jahre 1996 mit dem „Economic Espionage Act“ ein eigenes Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftsspionage mit hohen Strafen (Lux, C./ Peske, T., 2002). Nach diesen Ausführungen ist es unverständlich, weshalb der Prävention von Wirtschaftsspionage eine so geringe Bedeutung zukommt. Erst nach einem entsprechenden Angriff, der häufig existenzbedrohend ist, wird der Prävention die notwendige Aufmerksamkeit beigemessen. Daher unterhalten nur wenige Unternehmen neben der klassischen Abteilung Werkschutz mit ihrem vielfältigen Aufgabengebiet eine Abteilung Informationsschutz und <?page no="353"?> 330 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien statten die Abteilungen mit entsprechenden Mitteln und Kompetenzen aus. Voraussetzung für die Beseitigung dieses Problems ist die Erkenntnis, dass Informationsschutz eine wichtige Managementaufgabe ist (Deutscher Industrie- und Handelstag, 1997). Der erste Schritt ist eine Bedrohungs-/ Schwachstellenanalyse, gefolgt von einer Risikobewertung. Darauf aufbauend ist ein angepasstes Informationsschutzkonzept im Gesamtunternehmen zu verankern (Dreger, W., 1998). Gegenwärtig ist vor allem bei Konzernen zu beobachten, dass Informationsschutzkonzepte immer mehr an Bedeutung gewinnen und umgesetzt werden, während bei mittelständischen Unternehmen das Sicherheitsbewusstsein oft nur unzureichend ausgeprägt ist (Deiß, M., 2003). 2.2.2 Überprüfung des Internationalisierungspotenzials für den Auslandsmarkt Besteht für ein bestimmtes Land Interesse, dann muss überprüft werden, ob die vorhandenen Wettbewerbsvorteile auf dieses Land übertragbar sind (Fall A). Dazu muss das Unternehmen das dargestellte Scoring-Modell zur Bestimmung von Internationalisierungspotenzialen für das betreffende Land überprüfen. Dabei kann es zu einem im Vergleich zum Heimatmarkt völlig neuen Profil kommen. Auch diesen Zusammenhang soll das Benetton-Beispiel verdeutlichen. 1982 stand das Unternehmen vor der Frage, ob es in den US-amerikanischen Markt eintreten sollte. Abbildung 162 stellt das Profil für Benetton in den USA dar. Es weicht beträchtlich von dem in Westeuropa ab. Die Produkttechnologie konnte in den USA zunächst nicht als überlegen angenommen werden, da dort Pullover aus reiner Wolle unüblich waren und Synthetikgemische präferiert wurden. In der Prozesstechnologie hatte Benetton gegenüber anderen Anbietern in den USA ebenfalls keine Vorteile, da diese zunächst nur auf europäische Verhältnisse abgestellt war. Das italienische Management war auf dem US-Markt unerfahren, so dass hier Nachteile gegenüber anderen Konkurrenten bestanden. Die Rohstoffversorgung, die in Italien und Westeuropa sehr vorteilhaft war, brachte gegenüber anderen Konkurrenten in den USA keine Vorteile. Die Kapitalknappheit und die Amerika-unerfahrenen Mitarbeiter waren eher negativ für den US-Markt zu bewerten. Lediglich das Mode-Image Italiens („Country of origin-Effekt“) war in den USA ein ausgeprägter Vorteil, der sich entsprechend im Vergleich zu den Konkurrenten in den USA im Scoring-Modell niedergeschlagen hat. Aus dem Standort Norditalien entstanden Benetton gegenüber anderen Wettbewerbern auf dem US-Markt Nachteile. Die Vorteile in der Kapazitätsauslastung in Italien ließen sich zunächst nicht auf den US-Markt übertragen. So entstand für Benetton die Frage, ob es eine Internationalisierung auf der Basis von nur einem Wettbewerbsvorteil in Richtung USA wagen sollte. Auch hier standen Benetton zwei grundsätzliche Möglichkeiten offen. Zum einen hätte Benetton versuchen können, die Nachteile zu beseitigen, was außerordentliche Anstrengungen und finanzielle Mittel erfordert hätte. Zum anderen bestand die Möglichkeit, das gute italienische Image zu nutzen, um eine „Prestigestrategie“ mit höheren Preisen als die der Konkurrenz in den USA zu entwickeln. Durch den höhe- <?page no="354"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 331 ren Preis ließ sich eine Reihe von Kostennachteilen kompensieren, vor allem im Bereich der Produktionskosten sowie der Zoll- und Frachtkosten. Mit einer neuen Segmentstrategie, die zunächst nur auf die italienische Mode in den USA gerichtet war, ist es Benetton dann gelungen, erfolgreich in den Markt einzutreten und später die anfangs bestehenden Nachteile in Vorteile umzuwandeln. Sind Wettbewerbsvorteile aus dem Inins Ausland übertragbar (Fall A) oder lassen sich Schwächen auf den bisher bearbeiteten Märkten durch eine Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten abbauen (Fall B), dann stellt sich die Frage, ob aus der Umwelt in dem betreffenden Land Risiken entstehen, die eine Internationalisierung der Aktivitäten in dieses Land gefährden. Gegenüber dem besten Konkurrenten bestehen: +3 sehr große Vorteile/ +2 große Vorteile/ +1 geringe Vorteile/ 0 keine Vorbzw. Nachteile -1 geringe Nachteile/ -2 große Nachteile/ -3 sehr große Nachteile Abbildung 162: Scoring-Modell für Benetton in den USA Die Theorien der Internationalisierung analysieren eine Reihe von externen Rahmenbedingungen, die den Außenhandel, die Direktinvestition im Ausland und die Vergabe von Technologieverträgen ins Ausland hemmen oder fördern. Diese externen Rahmenbedingungen können sozioökonomische, politisch-rechtliche, kulturelle, natürlich-technische und gesellschaftliche Faktoren umfassen. Die Analyse, die die Einflüsse dieser Faktoren auf unternehmerische Entscheidungen untersucht, wird als Umweltanalyse bezeichnet. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage, wie man die Vor- und Nachteile der Umwelt eines bestimmten Landes für unternehmerische Entscheidungen messbar machen kann (Tümpen, M., 1987). <?page no="355"?> 332 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien 2.2.3 Modelle zur Bestimmung der Vorteilhaftigkeit der Umweltsituation im Ausland In der Literatur wurde eine Reihe von Instrumenten zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von Umweltsituationen in Auslandsmärkten entwickelt. Die bekanntesten dieser Verfahren sind: (1) Checklistenverfahren (Homburg, Ch./ Krohmer, H., 2003; Stahr, G./ Backes, S., 1992; Stahr, G., 1980; Stuart, R.D., 1965), (2) Verfahren der aspektweisen Eliminierung (Backhaus, K./ Büschken, J./ Voeth, M., 2003; Aschenbrenner, K.M., 1977; Tversky, A./ Sharif, E., 2004), (3) Scoring-Modelle (Homburg, Ch./ Krohmer, H., 2003; Stahr, G., 1980; Kortüm, B., 1972; Stobaugh, R.B., 1969), (4) Nutzwertanalyse-Modelle (Welge, M.K./ Al-Laham, A., 2012; Eisenführ, F./ Weber, M., 2003; Seidel, H., 1977; Douglas, S.P./ Lemaire, P./ Wind, Y., 1972; Zangemeister, Ch., 1971) und (5) Faktorenbzw. Diskriminanzanalysen in Verbindung mit Clusteranalysen (Backhaus, K./ Büschken, J./ Voeth, M., 2003; Backhaus, K./ Erichson, B./ Plinke, W./ Weiber, R., 2003; Bernkopf, G., 1980; Backhaus, K., 1977; Sethi, P.S., 1971; Liander, B./ Terpstra, V./ Yoshiao, M.Y./ Sherbini, A.A., 1967). Vielfach versucht man auch, mithilfe der Portfolio-Analyse (Backhaus, K./ Büschken, J./ Voeth, M., 2003; Harrell, G.D./ Keifer, R.O., 1997; Perlitz, M., 1985a; Wind, Y./ Douglas, S., 1981) Länderrisiken zu beurteilen. Einige dieser Verfahren weisen eine Reihe von methodischen Problemen auf, die stellvertretend am Beispiel des Business-Environment-Risk-Indexes (einem Scoring-Modell) untersucht werden sollen (Tümpen, M., 1987). Der Business-Environment Risk Index setzt sich aus mehreren Teilindizes zusammen. Im Einzelnen besteht er aus dem Operations Risk Index (ORI), dem Political Risk Index (PRI), dem Remittance and Repatriation Factor (RF) und der Profit Opportunity Recommendation (POR). Der Operations Risk Index beispielsweise umfasst folgende Faktoren: (1) politische Stabilität, (2) Einstellung gegenüber ausländischen Investoren und Gewinnen, (3) Verstaatlichung, (4) Geldentwertung, (5) Zahlungsbilanz, (6) Bürokratie, (7) Wirtschaftswachstum, <?page no="356"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 333 (8) Währungskonvertibilität, (9) Durchsetzbarkeit von Verträgen, (10) Lohnkosten und Produktivität, (11) Verfügbarkeit von Experten, (12) Nachrichtenwesen und Transport, (13) örtliches Management und Partner, (14) kurzfristige Kredite und (15) langfristige Kredite und Eigenkapital. Abbildung 163 gibt die Vorgehensweise beim Operations Risk Index anhand des Beispiels der Türkei (Stand: August 2003) wieder. Zunächst erfolgt eine Gewichtung der Kriterien (g i , i=1, 2, ... ,15), wobei die Skala für g von 0,5 bis 3 reicht. Im Anschluss daran werden die Ausprägungen der einzelnen Kriterien (a ik , für das Kriterium i und das Land k) in den verschiedenen Ländern in einer von 0 bis 4 (0 = unerträglich, 1 = schlecht, 2 = befriedigend, 3 = gut, 4 = sehr günstig) reichenden Skala festgelegt. Schließlich werden die Gewichtungen der Kriterien (g i ) mit deren Bewertungen (a ik ) multipliziert. Der Gesamtindex für die einzelnen Länder k ergibt sich dann aus: ORI k = g a i ik i 1 15 , für k=1, 2, ... , N, wobei N die Anzahl der Länder ist. Die maximal erreichbare Punktzahl für ein Land ist 100. Nach dem OR-Index werden die folgenden Klassen gebildet: 1. Klasse: Mehr als 71 Punkte (stabiles Land), 2. Klasse: 56 bis 70 Punkte (mäßiges Risiko, einige Erschwernisse im täglichen Betrieb), 3. Klasse: 41 bis 55 Punkte (hohes Risiko, schlechtes Geschäftsklima für ausländische Unternehmen) und 4. Klasse: 40 und weniger Punkte (die geschäftliche Situation ist für ausländische Investoren nicht akzeptabel). Der OR-Index wurde hauptsächlich als Entscheidungshilfe für westliche Industrienationen entwickelt. Darauf deuten auch die Kriterien politische Stabilität, Rechtssicherheit (Verstaatlichung, Bürokratie, Durchsetzbarkeit von Verträgen) und Einstellung gegenüber ausländischen Investoren und Gewinnen (Marktwirtschaft) hin. Viele Kriterien des OR-Indexes basieren auf Erklärungsvariablen, die auch in den Theorien der Internationalisierung als bedeutsam erkannt wurden. <?page no="357"?> 334 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien Abbildung 163: Operations Risk Index am Beispiel der Türkei Mit der Auswahl dieser Kriterien wird deutlich, dass die Unternehmen, die eine Auslandsaktivität durchführen oder in Erwägung ziehen, nach ähnlichen Marktstrukturen wie im Inland suchen. Diese Forderung nach Ähnlichkeit der Strukturen wie im Inland steht im Einklang mit der Nachfragestrukturtheorie. Gewinnrepatriierungs- und Devisenbeschränkungen werden in den Theorien der Internationalisierung als Investitionshemmnisse dargestellt. Die Kriterien Lohnkosten und Produktivität stellen auch Erklärungsvariablen der Theorie der komparativen Kosten dar. Die Verfügbarkeit von Experten und Dienstleistungen und von einem qualifizierten Management im Ausland wird in der Faktorausstattungstheorie angesprochen. Dies gilt insbesondere für das Humankapital als Erklärungsvariable der Faktorausstattungstheorie. Die Relevanz von Kommunikations- und Transportsystemen für Auslandsentscheidungen wurde nicht nur im Rahmen der Nachfragestrukturtheorie, sondern auch im Zusammenhang mit der Standorttheorie erörtert. Die Kriterien kurzfristige und langfristige Kredite sowie das Eigenkapital können mit der klassischen Kapitaltheorie in Verbindung gebracht werden. Aus dieser Analyse wird deutlich, dass die einzelnen Kriterien des OR-Indexes durchaus sinnvoll sind. Trotzdem tritt eine Reihe von Problemen auf, die zu einer falschen Beurteilung eines Landes mithilfe des OR-Indexes führen können (Meyer, M., 1987; Bechmann, A., 1978). Erstens sind die Kriterien nicht unabhängig voneinander, so dass es bei einzelnen Phänomenen zu Mehrfachgewichtungen kommt. Viele Kriterien hängen unmittelbar mit der politischen Stabilität eines Landes zusammen (z.B. die Einstellung gegenüber ausländischen Investoren und Gewinnen, die Verstaatlichung, die Bürokratie, die Durchsetzbarkeit von Verträgen). Mit der fehlenden Unabhängigkeit der Variablen wird gegen eine wichtige <?page no="358"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 335 Voraussetzung für den Einsatz von Scoring-Modellen verstoßen. Zweitens ist die Gewichtung der Kriterien g i ohne einen Bezug zu einer konkreten Entscheidungssituation nicht sinnvoll. Die Bedeutung der einzelnen Kriterien verändert sich entscheidungssituationsabhängig. Drittens kann es bei den 15 Kriterien zu einer Kompensation von äußerst schlechten durch besonders gute Ausprägungen kommen. Die Durchschnittsbildung verwischt Extremwerte und damit wichtige Erkenntnisse über einzelne Länder. Nutzwertanalyse-Modelle weisen meist die gleichen Probleme auf und führen damit zu den gleichen Schwierigkeiten für die Analyse der Umwelt im Ausland. Trotz dieser erheblichen Mängel zählen Scoring-Modelle und Nutzwertanalysen zu den in der Praxis am weitesten verbreiteten Verfahren zur Beurteilung der Umwelt im Ausland. Aber auch multivariate Verfahren wie die Clusteranalyse weisen erhebliche Probleme bei der Länderanalyse auf. In den bisher vorgeschlagenen Modellen werden meist makroökonomische Variablen für die Clusterbildung herangezogen. Damit entfällt häufig der unternehmens- und produktbezogene Aspekt bei der Analyse (Backhaus, K./ Büschken, J./ Voeth, M., 2003; Köhler, R./ Hüttemann, H., 1989). Mit dem Verfahren der aspektweisen Eliminierung von Kriterien lassen sich viele der vorgenannten Nachteile vermeiden. Hier wird für eine spezielle unternehmerische Fragestellung zunächst festgestellt, welche die wichtigsten Kriterien sind, die die Entscheidungssituation beeinflussen. Damit sind für dieses Verfahren nur ordinale Maßgrößen notwendig, die Unabhängigkeit der Kriterien ist gewährleistet und es kommt nicht zu kompensatorischen Effekten durch die Bildung eines Mittelwertes. Jedoch ist auch bei diesem Verfahren eine Reihung der Kriterien nach ihrer Wichtigkeit notwendig. Kommt das Unternehmen zu dem Ergebnis, dass es nicht über länderspezifische Wettbewerbsvorteile verfügt (Fall A) bzw. eine Beseitigung von Schwächen oder eine Schaffung von Wettbewerbsvorteilen auf den bisher bearbeiteten Märkten durch eine Internationalisierung der Unternehmensaktivitäten nicht erreicht wird (Fall B) und/ oder die Umweltanalyse ein Engagement in einem bestimmten Land als unattraktiv einstuft, dann fällt das betreffende Land aus der Analyse heraus (Z29). Sind länderspezifische Wettbewerbsvorteile vorhanden oder können Schwächen auf den bisherigen Märkten des Unternehmens beseitigt oder dort Wettbewerbsvorteile durch eine Internationalisierung von Unternehmensaktivitäten erzielt werden (Z30), dann steht die Unternehmensleitung vor der Entscheidung, in wie vielen Ländern sie sich engagieren soll. Hier sind folgende Möglichkeiten zu unterscheiden: erstens, das Unternehmen geht auf einen Auslandsmarkt (Z31), zweitens, es bedient nur wenige Auslandsmärkte (Z32) und drittens, es globalisiert sich durch die Aufnahme von Aktivitäten auf vielen Auslandsmärkten (Z33). Die Anzahl der Auslandsmärkte, die ein Unternehmen bedienen kann, hängt u.a. von folgenden Faktoren ab: <?page no="359"?> 336 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien (1) dem verfügbaren Kapital, (2) dem verfügbaren Personal, (3) der Auslandserfahrung des Managements und (4) der Forschungsintensität, falls Produkte für den Auslandsmarkt angepasst werden müssen. Sind die in Frage kommenden Auslandsmärkte ausgewählt, dann müssen Unternehmen entscheiden, mit welcher Markteintrittsund/ oder -bearbeitungsstrategie dort agiert werden soll. 3 Gestaltungsformen von Markteintrittsstrategien Im Allgemeinen kann man drei Markteintrittsbzw. -bearbeitungsstrategien unterscheiden: (1) Exporte/ Importe, (2) Direktinvestitionen im Ausland und (3) internationale Technologieverträge. Die Ex-/ Importalternative (Z40) kann in der Form eines direkten (Z41) oder indirekten Ex-/ Imports (Z42) vorkommen. Im Folgenden sollen beide Formen für den Export dargestellt werden. Für die Importe des Unternehmens gelten die Ausführungen entsprechend. Von direkten Exporten (Z41) spricht man dann, wenn alle Erzeugnisse über eine eigene Verkaufsorganisation direkt zum Abnehmer geliefert werden (Fischer, A.J., 1973). Dabei kann man sechs Organisationsalternativen unterscheiden, die in Abbildung 164 wiedergegeben sind (Fischer, A.J., 1973): Gebietsdelegierte, Importeure, Tochtergesellschaften im Ausland, Generalagenten, Gemeinschaftsvertretungen sowie Generalagenten und Untervertreter. <?page no="360"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 337 Abbildung 164: Direkte Exporte <?page no="361"?> 338 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien Bei indirekten Exporten (Z42) tritt zwischen dem inländischen Hersteller und dem Abnehmer im Ausland ein Mittlerunternehmen auf, das sich auf die Ausfuhr der Erzeugnisse spezialisiert hat, wie z.B. Überseehäuser, Exportagenten, Conforming Houses, Purchasing Agents, Exportfirmen u.Ä.m. Abbildung 165 gibt zwei mögliche Formen der Organisation von indirekten Exporten wieder (Fischer, A.J., 1973). Der Unterschied zwischen den beiden Formen besteht in der Anzahl an inländischen Produzenten, die die Mittlerunternehmen mit Erzeugnissen bedienen. Welche Form des Ex- oder Importes das Unternehmen wählen soll, kann nur im Zusammenhang mit den anderen Alternativen überprüft werden. Dazu ist es notwendig, eine Wirtschaftlichkeitsanalyse für beide Alternativen (Z43 und Z44) durchzuführen und diese mit den Wirtschaftlichkeitsanalysen alternativer Formen von Auslandsaktivitäten zu vergleichen. Wie diese Wirtschaftlichkeitsanalysen durchgeführt werden, wird nach der Darstellung der unterschiedlichen Gestaltungsformen von Auslandsaktivitäten untersucht. Abbildung 165: Indirekte Exporte Als zweite Gestaltungsform von Auslandsaktivitäten kommen Direktinvestitionen im Ausland in Betracht (Z45), die in unterschiedlicher Weise durchgeführt werden können: (1) Aufbau einer eigenen Auslandsgesellschaft (Z46), (2) Erweiterung der eigenen Auslandsgesellschaft (Z47), (3) Erwerb eines ausländischen Unternehmens als 100%ige Tochtergesellschaft (Z48), (4) Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an einem ausländischen Unternehmen (Z49), <?page no="362"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 339 (5) Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an einem ausländischen Unternehmen (Z50), (6) Fusion mit einem ausländischen Unternehmen (Z51) und (7) Kooperation mit einem in- oder ausländischen Unternehmen (Z52) in Form eines Joint Ventures (Z53) oder einer strategischen Allianz (Z54). Welche Alternative gewählt wird, hängt von der Wirtschaftlichkeitsanalyse (Z55-62) ab, die später dargestellt wird. Internationale Technologieverträge (Z63) können Lizenz- (Z64), Know-how- (Z65) oder technische Kooperationsverträge (Z66) umfassen. Die Wirtschaftlichkeit der Alternativen muss ebenfalls durch eine gesonderte Analyse überprüft werden (Z67-69). Die Gestaltung der Auslandsaktivitäten kann auch durch eine Kombination der genannten Alternativen erfolgen (Z70). So kann es z.B. zu einer Einbringung der Technologie gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an einem ausländischen Unternehmen kommen, eventuell mit einer zusätzlichen Kapitaleinlage des inländischen Unternehmens. Die Technologie des Unternehmens kann in ein Joint Venture oder eine Patentgemeinschaft mit einem in- oder ausländischen Unternehmen eingebracht werden. Außerdem können Direktinvestitionen im Ausland dazu dienen, die Exund/ oder Importe des Unternehmens zu steigern. Auch für diese Alternativen sind getrennte Wirtschaftlichkeitsanalysen (Z71) vorzunehmen. Abbildung 166: Markteintrittsformen Quelle: In Anlehnung an: Müller-Stewens, G./ Lechner, C., 2002 Abbildung 166 zeigt das Kontinuum möglicher Markteintrittsformen. Gliedert man diese anhand der zwei Aspekte „Kontroll- und Steuerungsfähigkeit“ sowie „Höhe der Ressourcenbeanspruchung“, so ergibt sich eine alternative Einteilung der Markteintrittsformen in <?page no="363"?> 340 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien die drei Typen „Vertretung durch Dritte“, „Kooperationen“ und „Tochtergesellschaft“ (Müller-Stewens, G./ Lechner, C., 2002). Keine der Markteintrittsformen kann als generell vorteilhaft bzw. nachteilig gesehen werden. Deshalb sind für alle Alternativen gesonderte Wirtschaftlichkeitsanalysen durchzuführen, die im Folgenden dargestellt werden. 4 Wirtschaftlichkeitsanalysen Die Wirtschaftlichkeit der Gestaltungsformen für unterschiedliche Auslandsaktivitäten lässt sich in zwei Schritten untersuchen. Im ersten Schritt wird geprüft, inwieweit unterschiedliche Gestaltungsformen für Auslandsaktivitäten mit den Umweltfaktoren eines bestimmten Landes harmonisieren. Das Ergebnis dieser Grobanalyse kann zu einem Ausschluss bestimmter Gestaltungsformen für Auslandsaktivitäten führen, da diese zu einem „Misfit“ mit der Umwelt dieses Landes führen (Misfit-Analyse). Im zweiten Schritt werden für die verbleibenden Alternativen detaillierte Wirtschaftlichkeitsanalysen auf der Basis quantitativer und qualitativer Bestimmungsfaktoren durchgeführt. Im Folgenden werden diese beiden Schritte dargestellt. 4.1 Misfit-Analyse Die Misfit-Analyse überprüft, ob eine der unterschiedlichen Gestaltungsformen für Auslandsaktivitäten mit der Umwelt in Einklang zu bringen ist. Dabei wird zunächst untersucht, welche die wichtigsten Einflussgrößen aus der Umwelt des Unternehmens sind, die die unternehmerische Entscheidung im Hinblick auf die unterschiedlichen Gestaltungsformen für Auslandsaktivitäten beeinflussen. Diese Einflussgrößen seien mit E 1 , E 2 , ..., E n bezeichnet. Die Bedeutung dieser Einflüsse für die spezielle Entscheidung des Unternehmens kann als „hoch“ oder „niedrig“ klassifiziert werden. Die Einflussgrößen werden dann zu Szenarien zusammengefasst. Dazu werden alle möglichen Ausprägungen der Einflussgrößen miteinander kombiniert. Anschließend wird überprüft, ob die konkreten Gestaltungsformen A 1 , A 2 , ..., A m für die unterschiedlichen Szenarien vorteilhaft, zweifelhaft oder unvorteilhaft sind. Dieses Verfahren wurde unter dem Namen Tree-Matrix bei Shell für konkrete Entscheidungsfindungen eingesetzt. Abbildung 167 gibt ein Beispiel von Shell wieder (Wack, P., 1983). Das Shell-Beispiel geht von bestimmten Basisannahmen im Ausland aus, die für alle Szenarien konstant sind. So wird in dem Beispiel als Szenariokonstante angenommen, dass in dem betreffenden Land die Energie hauptsächlich importiert werden muss und Öl die Hauptenergiequelle bleibt. Als Haupteinflussfaktoren der Umwelt werden solche betrachtet, die die möglichen Gestaltungsalternativen in dem betreffenden Land besonders positiv oder negativ beeinflussen können. <?page no="364"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 341 Abbildung 167: Tree-Matrix In dem gewählten Beispiel sind die Haupteinflussfaktoren Wachstum in der Energienachfrage des Landes (E1), das Interesse der Regierung des betreffenden Landes an einer Diversifikation nach der Herkunft der Energie und nach den Energiearten (E2) sowie der Trend zu staatlichen Regulierungen unter Einschluss von Umweltschutzmaßnahmen (E3). Die Ausprägung der Haupteinflussfaktoren für die konkrete Entscheidung wird in hoch oder niedrig unterschieden. Daraus lassen sich, wie Abbildung 167 zeigt, bei drei Haupteinflussfaktoren und zwei Ausprägungen acht unterschiedliche Szenarien gewinnen. Im nächsten Schritt werden die unterschiedlichen Auslandsaktivitäten (A i ) (i = 1, 2, ..., m) im Hinblick auf ihren Fit mit den verschiedenen Szenarien überprüft. Als mögliche Internationalisierungsstrategien werden in dem Beispiel angenommen: (1) Erweiterung der lokalen Raffineriekapazität (A 1 ), (2) Erweiterung aller lokalen Aktivitäten (A 2 ), (3) Erhöhung der Marketinganstrengungen (A 3 ) und (4) Bau einer neuen Fabrik (A 4 ). <?page no="365"?> 342 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien Jede Internationalisierungsstrategie wird nun dahingehend überprüft, ob ein bestimmtes Szenario für sie vorteilhaft, zweifelhaft oder unvorteilhaft ist. So ist z.B. für die Szenarien 2, 3 und 4 die Alternative „Erweiterung der lokalen Raffineriekapazität“ vorteilhaft, bei den Szenarien 5 und 7 zweifelhaft sowie unvorteilhaft bei den Szenarien 1, 6 und 8. Mit dieser Vorgehensweise wird sichergestellt, dass alle Szenarien mit allen Internationalisierungsstrategien auf ihren Fit überprüft werden. Unterstellt man nun, dass die Szenarien 5 und 7 die wahrscheinlichsten sind, führt nur die Alternative „Erweiterung aller lokalen Aktivitäten“ zu einem Fit. Da nur für diese Alternative ein Fit mit der Umwelt zustande kommt, wird nur diese Form des Markteintritts im Hinblick auf ihre Wirtschaftlichkeit näher untersucht. Die anderen Alternativen, die nicht zu einem Fit führen, werden aus der weiteren Analyse ausgeschlossen. Probleme bei dieser Vorgehensweise ergeben sich dann, wenn die Anzahl der besonders wichtigen Haupteinflussfaktoren groß ist, da in diesem Falle die Zahl möglicher Szenarien sehr groß wird. Die Misfit-Analyse kann einmal verwendet werden, um alternative Internationalisierungsstrategien im Hinblick auf bestimmte Umweltszenarien zu vergleichen, aber auch im Rahmen einer einzelnen Markteintrittsund/ oder -bearbeitungsstrategie, z.B. einer Direktinvestition im Ausland, wenn diese im Hinblick auf mehrere Gestaltungsformen in einem Land untersucht wird. Die Misfit-Analyse wird jedoch nur für eine grobe Vorauswahl der bestehenden Alternativen eingesetzt. Für die endgültige Entscheidung, welche Gestaltungsform für Auslandsaktivitäten in einem bestimmten Land gewählt werden soll, ist eine detaillierte Wirtschaftlichkeitsanalyse notwendig, die im Folgenden dargestellt wird. 4.2 Wirtschaftlichkeitsanalyse zur Auswahl von Internationalisierungsformen Die Wirtschaftlichkeitsanalyse zur Überprüfung verschiedener Gestaltungsformen für Auslandsaktivitäten hängt von quantitativen und qualitativen Bestimmungsfaktoren ab. Die quantitativen Faktoren lassen sich mithilfe des Kapitalwertes daraufhin analysieren, inwieweit sich eine bestimmte Gestaltungsform für Auslandsaktivitäten „rechnet“. Die nicht rechenbaren qualitativen Faktoren, die die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Gestaltungsform für Auslandsaktivitäten beeinflussen, lassen sich anhand einer Pattern- Analyse beurteilen (Jantsch, E., 1967). Nachfolgend werden die Probleme der quantitativen und qualitativen Analyse für die Entscheidung über unterschiedliche Gestaltungsformen für Auslandsaktivitäten dargestellt. <?page no="366"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 343 4.2.1 Quantitative Analyse Mithilfe der Kapitalwertmethode kann ein Unternehmen analysieren, ob eine bestimmte Gestaltungsform für Auslandsaktivitäten rechnerisch wirtschaftlich ist: Dabei bedeuten: C: Kapitalwert der Gestaltungsform s I s,t : Notwendige Investition für die Gestaltungsform s zum Zeitpunkt t E s,t : Einzahlungsüberschuss im Jahre t für die Gestaltungsform s T: Planungshorizont L s : Liquidationserlös am Ende des Planungshorizontes T i: Kalkulationszinsfuß Für den Fall, dass verschiedene Gestaltungsformen in Betracht kommen, aber nur eine Alternative realisiert werden soll, ist die mit dem höchsten Kapitalwert rechnerisch am vorteilhaftesten (Max C s für s=1, 2, ... , S). Probleme ergeben sich bei der Bestimmung des Kalkulationszinsfußes insbesondere dann, wenn (1) Währungsumrechnungen getätigt werden müssen, (2) Zurechnungsprobleme der Finanzquellen zu Investitionsprojekten bestehen, (3) die Menge der zu berücksichtigenden Einflussfaktoren wie Zins- und Steuersätze, die wie die Wechselkursentwicklung ungewiss sind, durch unterschiedliche Auslands- und Inlandsdaten ausgedehnt werden, (4) eine Vielzahl unterschiedlicher Finanzierungsarten und -möglichkeiten in die Berechnung einbezogen wird, wie z.B. Subventionen oder zinsbegünstigte Darlehen, (5) die steuerliche Behandlung der Finanzierungsquellen im In- und Ausland sehr unterschiedlich ist, (6) sich die Kapitalstruktur der Unternehmung nach Durchführung der Investition ändert, sofern das Management einen positiven Kapitalwert nicht bereits bei der Finanzierung des Projektes mit einkalkuliert, (7) das Investitionsprojekt einer anderen Risikoklasse als der der Gesamtunternehmung angehört, so dass sich die Eigenkapitalrentabilität als risikoadjustierte Mindestrenditeanforderung der Eigenkapitalgeber nicht aus der Eigenkapitalrendite des Gesamtunternehmens ableiten lässt. T 0 t T 1 t T s t t s, t t s, s i) (1 L i) (1 E i) (1 I C <?page no="367"?> 344 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien Aufgrund der genannten Probleme schlägt Mrotzek deshalb den „adjusted present value“- Ansatz anstelle des gewichteten Kapitalkostenansatzes vor. Dabei werden die Einzahlungsüberschüsse mit denjenigen Zinssätzen diskontiert, die das jeweilige Risiko am besten widerspiegeln. So werden projektspezifische Risiken und sich ändernde Kapitalstrukturen berücksichtigt. Außerdem macht der „adjusted present value“-Ansatz das Bewertungskalkül transparenter (Mrotzek, R., 1989). Da quantitative Wirtschaftlichkeitsanalysen im Allgemeinen auf vielen Annahmen basieren, die eine hohe Unsicherheit aufweisen können, ist es sinnvoll, für verschiedene Gestaltungsformen s von unterschiedlichen Szenarien auszugehen. Um die Unsicherheit zu berücksichtigen, können in diesem Zusammenhang Monte-Carlo-Simulationen für die Kapitalwerte unterschiedlicher Gestaltungsformen s durchgeführt werden (Klein, M., 2011c). Die Monte-Carlo-Simulation ermöglicht es einem Entscheidungsträger zu bestimmen, mit welcher Wahrscheinlichkeit bei einer Gestaltungsalternative mit einem negativen Kapitalwert gerechnet werden kann. Damit kann er zumindest das Risiko seiner Entscheidung rechenbar machen. Um zu einer abschließenden Entscheidung für eine bestimmte Gestaltungsform der Auslandsaktivitäten zu gelangen, ist neben der Analyse der quantitativen auch eine Analyse der qualitativen Faktoren erforderlich. 4.2.2 Qualitative Analyse Die endgültige Entscheidung für eine bestimmte Gestaltungsform erfordert eine Analyse der qualitativen Faktoren. Diese Faktoren lassen sich in drei Kategorien gliedern: (1) Länderspezifische qualitative Faktoren, (2) produktspezifische qualitative Faktoren und (3) strategiespezifische qualitative Faktoren. Entscheidungsrelevant sind nur die qualitativen Faktoren, die für die betrachteten Gestaltungsformen von Auslandsaktivitäten eine unterschiedliche Ausprägung haben; so sind z.B. länderspezifische qualitative Faktoren, die alle betrachteten Markteintrittsstrategien gleich betreffen, aus der Analyse auszuschließen, da sie in dem Entscheidungsprozess über das Land bereits untersucht wurden. Außerdem dürfen für die Analyse der qualitativen Faktoren nur solche erfasst werden, die nicht bereits bei der Ermittlung der quantitativen Wirtschaftlichkeit berücksichtigt wurden. Die in der Unternehmenspraxis relevanten qualitativen Gesichtspunkte sind so vielschichtig, dass auf eine Beschreibung einzelner länder-, produkt- oder strategiespezifischer qualitativer Faktoren in diesem Zusammenhang verzichtet werden muss. Dies wurde bereits bei der Analyse der Erklärungsvariablen aus den Theorien der Internationalisierung deutlich. <?page no="368"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 345 Die länderspezifischen qualitativen Faktoren, die die Auswahl zwischen unterschiedlichen Markteintrittsstrategien beeinflussen, lassen sich i.d.R. aus Länderberichten ableiten und konzentrieren sich hauptsächlich auf politische, ökonomische, rechtliche und soziale Risikofaktoren. Sie können aus den Modellen zur Länderanalyse abgeleitet werden. Produktspezifische qualitative Faktoren wurden bereits bei der Auswahl der Auslandsmärkte erfasst. Hier sind z.B. produktspezifische Risikofaktoren von Bedeutung (z.B. die Geheimhaltung von Produkttechnologien). Strategiespezifische qualitative Faktoren lassen sich aus der Unternehmenspolitik ableiten. Solche qualitativen Faktoren sind z.B. die Einstellung der Unternehmensleitung gegenüber gesellschaftlichen Gruppen (z.B. Gewerkschaften), die momentane Unternehmenssituation (z.B. Finanzknappheit, freie Kapazitäten, Unsicherheit in der Rohstoffversorgung) oder die Festlegung von Schwerpunktmärkten. Eine Analyse der qualitativen Faktoren lässt sich mithilfe einer Pattern-Analyse (Planning Assistance Through Technical Evaluation of Relevance Numbers) (Jantsch, E., 1967) durchführen. Methodisch geht die Pattern-Analyse in fünf Schritten vor: (1) Die qualitativen Faktoren werden in qualitative Ziele (Z u =1, 2, ..., U) umformuliert. (2) Die qualitativen Ziele werden im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Entscheidungsfindung so gewichtet, dass die Summe der Gewichtungsfaktoren g u eins ergibt, d.h., es gilt: (3) Jede Gestaltungsform der Auslandsaktivitäten Ai (i=1, 2, ..., m) wird dahingehend überprüft, wie hoch ihr Einfluss auf jedes qualitative Ziel ist. Die Zielbeiträge in jeder Gestaltungsform werden in Bezug auf jedes Ziel angegeben, wobei die Summe der Zielbeiträge aller Gestaltungsformen Ai (für i=1, 2, ..., m) für ein bestimmtes Ziel u gleich eins ist, d.h. es gilt: 1 (für u = 1, 2, ..., U) (4) Der Gesamtbeitrag der einzelnen Gestaltungsformen Ai (für i=1, 2, ..., m) für die Erreichung aller qualitativen Ziele wird mit einer Relevanzzahl Ri ermittelt, die wie folgt bestimmt wird: 1, 2, ..., m) Würde nur eine einzige Gestaltungsform A i (für i=1, 2, ..., m) für die Auslandsaktivitäten zu der Zielerreichung aller qualitativen Ziele beitragen, dann wäre die Relevanzzahl für diese eins. U 1 u u 1 g h m 1 i iu U 1 u i iu u g h R <?page no="369"?> 346 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien (5) Das Ergebnis der Pattern-Analyse ist eine Prioritätenbildung der einzelnen Gestaltungsformen der Auslandsaktivitäten auf der Basis von Relevanzzahlen. Abbildung 168 gibt die Pattern-Analyse in allgemeiner Form wieder. Abbildung 168: Pattern-Analyse 4.2.3 Modell für die Zusammenführung von quantitativer und qualitativer Analyse Die Analyse der Wirtschaftlichkeit unterschiedlicher Gestaltungsformen basiert auf der Trennung des Entscheidungsprozesses in eine Wirtschaftlichkeitsrechnung und eine Analyse der qualitativen Faktoren mithilfe der Pattern-Analyse. Die Struktur eines Entscheidungsmodells, mit dem die Wirtschaftlichkeitsrechnung und die Pattern-Analyse zusammengeführt werden, um daraus eine Entscheidung abzuleiten, ist in Abbildung 169 wiedergegeben. Nach der Zusammenstellung von alternativen Gestaltungsformen A i (für i = 1, 2, ..., m) unterschiedlicher Auslandsaktivitäten werden für diese quantitative Wirtschaftlichkeitskriterien (z.B. Kapitalwerte) ermittelt und eine Analyse der qualitativen Faktoren in Form einer Pattern-Analyse (Sabel, H., 1976; Jantsch, E., 1967) durchgeführt. Damit gelangt man für jede Gestaltungsform zu jeweils einem Wert für die quantitative Wirtschaftlichkeit, gemessen am Kapitalwert C {C 1 , C 2 , ..., C m }, und der Bedeutung der qualitativen Faktoren, gemessen an der Relevanzzahl R {R 1 , R 2 , ..., R m }. Anschließend trägt man die alternativen Gestaltungsformen in ein Diagramm (C-R-Diagramm) ein, dessen Ordinate die Wirtschaftlichkeit und dessen Abszisse die Relevanzzahl angibt. Jede mögliche Gestaltungsform ist durch einen Punkt in dem C-R-Diagramm gekennzeichnet alle Gestaltungsformen von Auslandsaktivitäten, die im Vergleich zu einer anderen sowohl einen niedrigeren Cals auch R-Wert aufweisen, werden dominiert und scheiden aus. <?page no="370"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 347 Abbildung 169: Struktur des Entscheidungsmodells 4.2.4 Fallbeispiel Das vorgenannte Entscheidungsmodell soll anhand eines Fallbeispiels veranschaulicht werden (Perlitz, M., 1978). Ein US-amerikanischer Kunde eines mittelgroßen deutschen Chemieunternehmens informiert im Verlaufe von Vertragsverhandlungen über die Lieferungen von 10.000 Jahrestonnen Polymerisationserzeugnissen, dass er für ein bestimmtes Arzneimittel des deutschen Unternehmens auf dem US-Markt gute Absatzchancen sieht. Das deutsche Unternehmen war bisher nur in geringem Umfang auf dem US-Markt tätig. Da das Arzneimittel für den betreffenden US-amerikanischen Kunden selbst uninteressant ist (völlig andere Branche), sondiert das Unternehmen alternative Gestaltungsformen für die Aufnahme von Marktaktivitäten in den USA. Nach Voruntersuchungen bieten sich dem Unternehmen drei Gestaltungsformen für den Markteintritt in die USA für dieses Arzneimittel an: (1) Der direkte Export des Arzneimittels in die USA. Dazu sind jedoch im Inland Kapazitätserweiterungen notwendig. <?page no="371"?> 348 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien (2) Eine Direktinvestition in den USA durch den Kauf eines amerikanischen Unternehmens, das ähnliche Erzeugnisse produziert. (3) Die Vergabe einer Lizenz an ein interessiertes US-amerikanisches Unternehmen bei einem gleichzeitigen Erwerb einer Kapitalbeteiligung. Bei der Entscheidungsfindung werden folgende qualitative Faktoren relevant: Das deutsche Unternehmen möchte sich langfristig auf dem US-Markt etablieren. Das deutsche Unternehmen hat aus historischen Gründen eine Reihe von Aktivitäten in politisch unsicheren Ländern. Wegen des zunehmenden politischen Risikos in diesen Ländern möchte es sich in Zukunft nur noch in politisch sicheren Ländern engagieren. Die Erzeugung des Arzneimittels ist sehr rohstoffintensiv. Die USA sind ein Hauptproduzent dieses Rohstoffes. Die finanzielle Lage des Unternehmens ist momentan angespannt. Das Unternehmen ist zurzeit bis auf seinen Pharmabereich unterbeschäftigt. Es erwartet deshalb, dass der gewerkschaftliche Druck gegen den „Export von Arbeitsplätzen“ in der Zukunft zunimmt. Als Wirtschaftlichkeitskriterium verwendet das Unternehmen die Kapitalwertmethode. Abbildung 170 gibt das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsrechnung für die drei Gestaltungsformen der Aktivitäten in den USA wieder. Abbildung 170: Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsrechnung der alternativen Aktivitäten in den USA Die Untersuchung des Einflusses der qualitativen Faktoren auf die Entscheidung über die unterschiedlichen Gestaltungsformen der Aktivitäten in den USA erfolgt mithilfe der Pattern-Analyse. Dazu ist eine Umformulierung der qualitativen Faktoren in qualitative Ziele notwendig. Die Umformulierung der qualitativen Faktoren in Ziele lässt sich wie folgt darstellen: Ziel 1: Markteintritt in die USA (Z 1 ) Ziel 2: Engagement in politisch sicheren Märkten (Z 2 ) Ziel 3: Rohstoffsicherung (Z 3 ) <?page no="372"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 349 Ziel 4: Geringe finanzielle Belastung (Z 4 ) Ziel 5: Vermeidung von gewerkschaftlichen Konflikten (Z 5 ) Im nächsten Schritt muss bei der Pattern-Analyse eine Zielgewichtung vorgenommen werden (siehe Abbildung 171). Dafür legt der Bewertende oder eine Gruppe von Entscheidungsträgern in einer Bewertungsskala, die von 0 (völlig unbedeutend) bis 10 (außerordentlich wichtig) reicht, die Bedeutung fest, die den einzelnen Zielen beigemessen werden soll (Brockhoff, K., 1976). Eine Bewertung mit null würde bedeuten, dass das Ziel völlig unerheblich für die Analyse der qualitativen Faktoren wäre und man deshalb im Zusammenhang mit dieser Fragestellung ganz auf dieses Ziel verzichten könnte. Abbildung 171: Zielgewichtung im Rahmen der Pattern-Analyse Aus diesem Befragungsergebnis lässt sich eine Zielgewichtung ermitteln. Die Summe der Einzelbewertungen beträgt 20. Dividiert man nun 100: 20, dann entspricht jeder Punkt in diesem Teil der Pattern-Analyse 5 Bewertungspunkten. Damit gelangt man zu der nachstehenden Zielgewichtung: Im nächsten Schritt muss das Unternehmen die Zielerreichungsgrade für jede einzelne Gestaltungsform in Bezug auf jedes qualitative Ziel schätzen. Auch diese Schätzung kann mithilfe einer Bewertungsskala, die von 0 (völlig unbedeutend) bis 10 (außerordentlich wichtig) reicht, durchgeführt werden. 0,25 100 5 5 g 0,30 100 6 5 g 0,15 100 3 5 g 0,10 100 2 5 g 0,20 100 4 5 g 5 4 3 2 1 <?page no="373"?> 350 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien Bezeichnet man die Handlungsalternative Export mit A 1 , Direktinvestition mit A 2 und Lizenzvergabe mit A 3 , dann soll die Bewertung aus Abbildung 172 gelten. Abbildung 172: Bewertung der Zielerreichungsgrade der verschiedenen Gestaltungsformen In Abbildung 173 lässt sich für jede Gestaltungsform die entsprechende Relevanzzahl wie folgt ermitteln: R 1 (A 1 ) = 0,2 · 0,2 + 0,3 · 0,1 + 0,15 · 0,3 + 0,8 · 0,25 = 0,3150 R 2 (A 2 ) = 0,7 · 0,2 + 0,6 · 0,1 + 1,0 · 0,15 + 0,05 · 0,3 + 0,05 · 0,25 = 0,3775 R 3 (A 3 ) = 0,1 · 0,2 + 0,1 · 0,1 + 0,8 · 0,3 + 0,15 · 0,25 = 0,3075 Abbildung 173: Pattern-Analyse für die verschiedenen Gestaltungsformen für Aktivitäten in den USA Drückt man die Relevanzzahlen R i in Prozent aus, dann ergibt sich: 3 1 i i 3 2 1 100% R __ __________ 30,75% R 37,75% R 31,50% R <?page no="374"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 351 Abbildung 173 fasst das Ergebnis der Pattern-Analyse zusammen und stellt die Relevanzzahlen für die unterschiedlichen Gestaltungsformen der Aktivitäten in den USA dar. Als Ergebnis der Analyse der qualitativen Ziele ergibt sich, dass diese am besten mit einer Direktinvestition in den USA zu realisieren sind. Nachdem die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsrechnung und der Pattern-Analyse vorliegen, werden im nächsten Schritt beide Gesichtspunkte in dem Modell zusammengeführt. Dies geschieht durch die Übertragung der Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsrechnung und der Pattern-Analyse in ein C-R- Diagramm, auf dessen Ordinate die Kapitalwerte und auf dessen Abszisse die Relevanzzahlen für die unterschiedlichen Gestaltungsformen eingetragen werden. Abbildung 174 gibt das C-R-Diagramm für die drei zur Diskussion stehenden Markteintrittsstrategien wieder. In ihr sind die einzelnen Alternativen wie folgt eingezeichnet: A 1 = {R 1 = 31,50%; C 1 = 400 Mio. €} A 2 = {R 2 = 37,75%; C 2 = 300 Mio. €} A 3 = {R 3 = 30,75%; C 3 = 150 Mio. €} Abbildung 174: C-R-Diagramm Jede Gestaltungsform der Aktivität in den USA ist in dem C-R-Diagramm durch einen Punkt gekennzeichnet. Aus dem C-R-Diagramm lässt sich eine Gestaltungsform dann eliminieren, wenn sie von einer anderen dominiert wird. Das ist dann gegeben, wenn sie sowohl einen niedrigeren Kapitalwert als auch eine niedrigere Relevanzzahl im Vergleich zu einer anderen Alternative besitzt. Dies trifft im vorliegenden Beispiel für die Lizenzalternative zu, denn sie ist dem Export und der Direktinvestition im Hinblick auf die beiden betrachteten Kriterien unterlegen. Man kann in dem C-R-Diagramm feststellen, dass es <?page no="375"?> 352 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien vier mögliche Vergleichsräume zur Exportalternative gibt. Im Lösungsraum 1 sind alle Alternativen dem Export unterlegen. Im Lösungsraum 2 sind alle Alternativen dem Export überlegen. Probleme im Vergleich zur Exportalternative ergeben sich für Gestaltungsformen, die in den Lösungsräumen 3 oder 4 liegen. So hat zwar die Direktinvestition im Ausland einen um 100 Mio. € geringeren Kapitalwert, aber in der Pattern-Analyse eine um 6,25 Prozentpunkte höhere Relevanzzahl. Der Ausschluss der Lizenzalternative als dominierte Markteintrittsstrategie lässt sich auch aus der C ij - und R ij -Matrix (für i j und i = 1, 2, ..., m bzw. j = 1, 2, ..., m) ableiten. Abbildung 175 und Abbildung 176 geben die C ij -Matrix und die R ij -Matrix wieder. Abbildung 175: Matrix für die Differenzen in der Wirtschaftlichkeit zwischen den betrachteten Markteintrittsstrategien Abbildung 176: Matrix für die Differenzen in den Relevanzzahlen zwischen den betrachteten Markteintrittsstrategien Eine Analyse der C ij - und R ij -Matrizen zeigt, dass in beiden Matrizen in der Zeile für die Lizenzvergabe ins Ausland nur negative Elemente vorhanden sind. Damit scheidet die Lizenzvergabe als dominierte Gestaltungsform für Aktivitäten in den USA aus. Für die verbleibenden Gestaltungsformen Direktinvestition und Export in die USA sind in den entsprechenden Zeilen in der C ij bzw. R ij -Matrix positive und negative Elemente, so dass keine der beiden Alternativen dominant ist. Im nächsten Schritt wird mithilfe der -Gewichtung versucht, eine Entscheidung zwischen Export und Direktinvestition zu ermöglichen. Dazu muss man zuerst den Unterschied in den Kapitalwerten zwischen dem Export und einer Direktinvestition im Ausland mithilfe einer Bewertungsskala beurteilen. Die Bewertungsskala reicht von +3 (der Kapitalwert des Exports ist viel größer als der Wert der Direktinvestition im Ausland) bis -3 (der Kapitalwert des Exportes ist viel geringer als der Wert der Direktinvestition) (vgl. Abbildung 177). Abbildung 177: Bewertungsskala für die Unterschiede in den Kapitalwerten <?page no="376"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 353 Das Gleiche erfolgt für die Beurteilung des Unterschiedes in den Relevanzzahlen zwischen dem Export und der Direktinvestition in die USA. Die Bewertungsskala reicht von +3 (die Relevanzzahl des Exports ist sehr viel höher als die der Direktinvestition) bis -3 (die Relevanzzahl des Exportes ist sehr viel geringer als die der Direktinvestition) (vgl. Abbildung 178). Abbildung 178: Bewertungsskala für die Unterschiede in den Kapitalwerten Bei der Bewertung der Differenzen kann man außer der Höhe der Unterschiede auch andere Gesichtspunkte berücksichtigen. Die Bewertung der Differenzen in den Kapitalwerten kann die verschiedenen Unsicherheiten der Rechnung widerspiegeln. So könnten sich z.B. durch Alternativrechnungen folgende unterschiedliche Kapitalwerte des Exportes C 1 und der Direktinvestition in den USA C 2 ergeben: C 1 = 400 Mio. € ± 20 Mio. €, C 2 = 300 Mio. € ± 70 Mio. €. Das heißt, im günstigsten Fall kann die Differenz der Kapitalwerte 190 Mio. € ( C = 420 Mio. € - 230 Mio. €) zugunsten des Exportes betragen. Im ungünstigsten Fall ist für den Export C 1 um 10 Mio. € größer als C 2 ( C = 380 Mio. € - 370 Mio. €). Im Fallbeispiel bewertete der Entscheidungsträger im Hinblick auf die Unsicherheit der Daten und unter der Berücksichtigung, dass die Inlandsinvestition beträchtlich „sicherer“ ist als eine Auslandsinvestition, den Unterschied in den Kapitalwerten mit 12 = +2 zugunsten des Exportes (der Kapitalwert des Exportes ist höher als der Wert der Direktinvestition). Den Unterschied in den Relevanzzahlen bewertet der Entscheidungsträger mit 12 = -1 (Relevanzzahl des Exportes ist geringfügig kleiner als die der Direktinvestition). Auch die Bewertung der Differenzen in den Relevanzzahlen wird u.a. durch die Berücksichtigung der Unsicherheit beeinflusst. Mithilfe dieser Bewertung lassen sich kritische Verhältniszahlen für eine Gewichtung der Bedeutung der Differenzen in der Wirtschaftlichkeitsrechnung im Verhältnis zu denen der Pattern-Analyse angeben. Würde der Entscheidungsträger nur nach den Kapitalwerten urteilen, erhielte er als Vergleichsbewertung für die Entscheidung über den Export oder die Direktinvestition in den USA: 1,0 · (+2) + 0,0 · (-1) = +2. <?page no="377"?> 354 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien Der Export wäre demnach günstiger als die Direktinvestition. Ginge er von einer Gleichgewichtigkeit der Kapitalwerte und der Relevanzzahlen im Rahmen der Gesamtentscheidung aus, dann erhielte er: 0,5 · (+2) + 0,5 · (-1) = 0,5. Der Export würde immer noch günstiger bewertet als die Direktinvestition. Erst wenn den Differenzen aus der Pattern-Analyse mehr als doppelt so viel Gewicht beigemessen würde wie denen der Kapitalwerte, hätte die Direktinvestition eine höhere Vergleichsbewertung als der Export. Als kritischen Wert der -Gewichtung erhält man: = 1 3 ; es gilt dann 1 3 · (+2) + 2 3 · (-1) = 0. Abbildung 179 gibt die verschiedenen Gewichtungsverhältnisse der Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsrechnung in Relation zu den Relevanzzahlen, der Vergleichsbewertung und den jeweils höher bewerteten Markteintrittsstrategien wieder. Abbildung 179: Bewertung der Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsrechnung in Relation zu den qualitativen Faktoren Die Entscheidung über eine bestimmte Gestaltungsform für den Markteintritt in die USA kann aber auch auf der Basis von ij - und ij bzw. V ij -Matrizen getroffen werden. Abbildung 180 und Abbildung 181 geben die ij sowie die ij -Matrix wieder. Abbildung 180: ij -Matrix <?page no="378"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 355 Abbildung 181: ij -Matrix Für unterschiedliche -Gewichtungen können nun V ij -Matrizen erstellt werden. Abbildung 182 und Abbildung 183 zeigen die V ij -Matrix für = 0,7 bzw. für = 0,2. Aus Abbildung 182 wird deutlich, dass V 12 mit +1,1 positiv ist und somit die Exportgegenüber der Direktinvestitionsalternative präferiert wird. Letztere b einhaltet den gegenteiligen Fall, da V 12 mit -0,4 negativ ist. Abbildung 182: V ij -Matrix für = 0,7 Abbildung 183: V ij -Matrix für = 0,2 4.2.5 Zusammenfassende Beurteilung des Entscheidungsmodells Das vorgestellte Modell geht implizit von einer Maximierung des Nutzens des Entscheidungsträgers aus. Für die Bestimmungsgleichung V ij = ij + (1- ) ij gilt, dass ij und ij die subjektiv bewerteten Differenzen in den Kapitalwerten und in den Relevanzzahlen zwischen verschiedenen Gestaltungsformen der Auslandsaktivitäten wiedergeben. ij und ij wurden aus einer Bewertungsskala, die ein subjektives Zielwertkontinuum darstellt (Zangemeister, Ch., 1971), abgeleitet. Die Bewertungsskala wurde benutzt, um eine Präferenzordnung für die unterschiedlichen Alternativen zu erhalten. Diese Präferenzordnung basiert auf der Nutzenschätzung des Entscheidungsträgers. ij gibt somit den Nutzenvorteil wieder, den der Entscheidungsträger den Differenzen in der Wirtschaftlichkeitsrechnung zwischen den Gestaltungsformen A i und A j (i, j = 1, 2, ..., m) zuordnet, und ij stellt den Nutzenvorteil dar, der die Differenzen in den Relevanzzahlen bei den betrachteten Alternativen widerspiegelt. stellt ebenfalls eine Nutzwertgewichtung dar, weil der Entscheidungsträger die Nutzenvorteile aus den Differenzen in der Wirtschaftlichkeit in Relation zu denen aus den Relevanzzahlen setzen muss. V ij gibt die Gesamtnutzendifferenz für die Alternative A i im Vergleich zu A j wieder. Das dargestellte Modell ist somit ein <?page no="379"?> 356 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien Spezialfall der Nutzwertanalyse und basiert auf dem ökonomischen Prinzip der Nutzenmaximierung. Zur Nutzwertanalyse, wie sie von Zangemeister vorgeschlagen wurde (Zangemeister, Ch., 1971), ergeben sich allerdings einige Unterschiede: (1) Die Nutzwertanalyse nach Zangemeister bezieht die quantifizierbaren Bestimmungsfaktoren der Rechnung in die Zielertragsmatrix ein, während sich die Pattern- Analyse, wie sie hier vorgeschlagen wird, nur auf die Analyse der qualitativen Faktoren beschränkt. (2) Die Nutzwertanalyse kommt zu einer Rangordnung der einzelnen Projekte, die durch die Höhe eines Nutzwertes bestimmt wird. Bei der Ermittlung dieses Nutzwertes wird jedoch das Abwägen der Differenzen in den Kapitalwerten im Vergleich zu den qualitativen Gesichtspunkten vernachlässigt. (3) Dathe (Dathe, H.M., 1971) und Seidel (Seidel, H., 1977) betrachten die Nutzwertanalyse als Instrument zur Reduzierung der Anzahl von Alternativen und untersuchen anschließend den Gewinn bzw. den Kapitalwert als dominierendes Entscheidungskriterium. Dieses zweistufige Verfahren vernachlässigt den wichtigen Aspekt, dass die Wirtschaftlichkeitsrechnung und die Analyse der qualitativen Faktoren bei der Entscheidungsfindung im Widerspruch stehen können und damit gegeneinander abgewogen werden müssen. Für die konkrete Anwendung dieses Entscheidungsmodells sind jedoch einige Punkte zu beachten: (1) Eine Nutzwertmaximierung auf der Basis von Nutzwertanalyse-Modellen oder wie im Fall der Pattern-Analyse kann entscheidungstheoretisch wie Gäfgen (Gäfgen, G., 1961/ 1960), Fishburn (Fishburn, P.C., 1967) und Zangemeister (Zangemeister, Ch., 1971) gezeigt haben, nur dann erreicht werden, wenn gewährleistet ist, dass ij für sich und nicht in Verbindung mit anderen ij oder ij einen Beitrag zum Nutzwert einer Alternative liefert. Aus diesem Grunde dürfen nur solche Faktoren als qualitative Ziele in die Pattern-Analyse eingehen, die nicht in der Wirtschaftlichkeitsrechnung erfasst wurden. (2) Inwieweit qualitative Gesichtspunkte in die Wirtschaftlichkeitsrechnung einfließen, hängt auch vom Planungshorizont ab. So kann sich z.B. das Bestreben nach einer Vermeidung von Konflikten mit den Gewerkschaften langfristig in der Höhe der Lohnkosten niederschlagen und damit in die Rechnung eingehen. Deshalb muss sorgfältig analysiert werden, welche Faktoren mit der Rechnung erfasst werden können und welche nicht rechenbar bleiben. Wird eine solche Trennung nicht vorgenommen, führt die -Gewichtung zu einer Verzerrung der Gesamtnutzendifferenzen und verhindert somit die angestrebte Nutzenmaximierung. <?page no="380"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 357 (3) In dem gewählten Beispiel wurde die Bedeutung der Ziele und der Beiträge, die einzelne Gestaltungsformen für diese Ziele haben, anhand einer Bewertungsskala durchgeführt, die von 0 bis 10 reicht. Die Bestimmung der Zielgewichtungen und der Gewichtung der Beiträge einzelner Gestaltungsformen kann auch in Form einer Prioritätenbildung vorgenommen werden. Bei dieser Vorgehensweise für die Analyse der qualitativen Faktoren ergibt sich das Problem, dass die Prioritätenbildung zu gleich großen Differenzen bei der Bewertung führt. Geht man z.B. davon aus, dass eine Prioritätenbildung bei den qualitativen Zielen wie folgt vorgenommen wurde: Priorität: Ziel 4 (geringe finanzielle Belastung), Priorität: Ziel 5 (Vermeidung von gewerkschaftlichen Konflikten), Priorität: Ziel 1 (Markteintrittsziel), Priorität: Ziel 3 (Rohstoffsicherung) und Priorität: Ziel 2 (Engagement in politisch sicheren Märkten), dann ergibt sich als Annäherung nachstehende Zielgewichtung: Ziel 4 : 100 15 · 5 : 33% Ziel 5 : 100 15 · 4 : 27% Ziel 1 : 100 15 · 3 : 20% Ziel 3 : 100 15 · 2 : 13% Ziel 2 : 100 15 · 1 : 7% Wie das Beispiel zeigt, sind bei der Überführung der Prioritätenbildung in eine Pattern- Analyse die Zielgewichtungsunterschiede konstant. Dies führt in Einzelfällen zu Fehlbewertungen. Auch hierzu ein Beispiel. Für das qualitative Ziel 3 (Rohstoffsicherung) soll die folgende Rangordnung in fallender Reihenfolge der Gewichtung gelten: (1) Direktinvestition, (2) Lizenzabkommen und (3) Export. Damit werden folgende Zielerreichungsgrade bestimmt: (1) Direktinvestition : 6 100 · 3 : 50% <?page no="381"?> 358 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien (2) Lizenzabkommen : 6 100 · 2 : 33% (3) Export : 6 100 · 1 : 17% In der Ausgangssituation wurde unterstellt, dass weder die Lizenznoch die Exportalternative einen Beitrag zum Ziel der Rohstoffsicherung leisten. Die Durchführung der Pattern- Analyse auf der Basis einer Prioritätenbildung führt im Beispiel zu einer unterschiedlichen Rangfolge der Relevanzzahlen (vgl. Abbildung 184). Abbildung 184: Pattern-Analyse auf der Basis einer Prioritätenbildung Die Exportalternative hat nun mit 35,51% die höchste Relevanzzahl. Da auch der Kapitalwert dieser Alternative am höchsten ist, wäre der Export in die USA eine dominante Markteintrittsstrategie. Dieses Ergebnis kommt dadurch zustande, dass bei der Prioritätenbildung die Lizenz- und Exportalternative „zwangsweise“ zum Ziel der Rohstoffsicherung beitragen. Würde man bei der Prioritätenbildung berücksichtigen, dass nur die Direktinvestition in den USA einen Zielbeitrag zur Rohstoffsicherung leistet, dann käme man wieder zu der gleichen Rangfolge wie im Ausgangsbeispiel (vgl. Abbildung 185). Abbildung 185: Pattern-Analyse auf der Basis einer selektiven Prioritätenbildung Ein weiteres Problem der praktischen Anwendung des dargestellten Entscheidungsmodells ist die Subjektivität der Bewertung im Rahmen der Pattern-Analyse und der Differenzen in den Ergebnissen der Wirtschaftlichkeitsrechnung und der Relevanzzahlen. Das Element <?page no="382"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 359 der Subjektivität der Bewertung lässt sich aus einem Entscheidungsprozess, wie er dargestellt wurde, nicht eliminieren. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, lautet: Wie sensitiv reagiert die Pattern-Analyse auf Bewertungsänderungen, d.h. wie groß sind die „Manipulationsspielräume“? Nimmt man das Ergebnis der Pattern-Analyse unseres Fallbeispiels, dann lässt sich für jede Zielgröße ermitteln, um wie viel sich die Zielerreichungsbewertungen der Alternativen Export und Direktinvestition ändern müssen, damit der Export eine höhere Relevanzzahl erreicht als die Direktinvestition. Abbildung 186 gilt unter der Annahme, dass zunächst nur die Zielerreichungsgrade der Alternativen Export und Direktinvestition geändert werden. Abbildung 186: Sensitivitätsanalyse der Pattern-Analyse Diese Abbildung verdeutlicht, dass im Rahmen dieser einparametrischen Sensitivitätsanalyse erhebliche Änderungen einzelner Zielerreichungsbewertungen vorgenommen werden müssen, um eine Umkehrung der Ergebnisse der Pattern-Analyse zu erreichen. Neben der Frage der Sensitivität der Ergebnisse bei einer Veränderung der Bewertungen ist bei einer Beurteilung der Subjektivität der Bewertung zu beachten, dass der Meinungsbildungsprozess in Gruppen den Bewertungsspielräumen oft enge Grenzen setzt. Die Pattern-Analyse erweist sich hier aus folgenden Gründen als nützlich: Erstens wird durch die logische Struktur der Pattern-Analyse die systematische Diskussion der Gruppe unterstützt, zweitens wird durch die Kombinatorik sichergestellt, dass innerhalb einer Ziel- Alternativen-Matrix alle denkbaren Möglichkeiten gedanklich überprüft werden müssen und drittens dient die Bewertungsmatrix als Instrument der Selbstkontrolle und einer nachträglichen Überprüfbarkeit der Diskussion. Auch wenn man den Einwand der Subjektivität der Bewertung gelten lässt und damit eine gewisse „Manipulationsfähigkeit“ verbindet, können zumindest die Entscheidungsprozesse durch das vorgestellte Bewertungsverfahren transparenter dargestellt werden. Sie führen zu einer Offenlegung der Entscheidungsabläufe und machen dabei Begründungen nachvollziehbar und damit überprüfbar. Durch die Ermittlung der Relevanzzahlen wird bei einer unkritischen Haltung der Entscheidungsträger eine Scheingenauigkeit vorgespiegelt. Das kann dazu führen, dass insbesondere Naturwissenschaftler und Techniker aufgrund ihres Zahlenverständnisses diese Zahlen falsch interpretieren. Bei der Pattern-Analyse kommt es jedoch weniger darauf an, <?page no="383"?> 360 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien wie hoch die Relevanzzahl ist, sondern mehr auf die Rangfolge der unterschiedlichen Alternativen und ob sich bestimmte dominierende Optionen herausbilden. Auch die Anzahl der betrachteten Gestaltungsformen der Auslandsaktivitäten und der qualitativen Faktoren können Probleme aufwerfen, die sich aus einem „Nivellierungseffekt“ ergeben. Wird die Anzahl der Alternativen zu groß, dann ist eine mehrstufige Entscheidungsfindung dergestalt möglich, dass mithilfe des Entscheidungsmodells zunächst sukzessive die günstigste Exportalternative (z.B. indirekter oder direkter Export), dann die günstigste Direktinvestitionsalternative (z.B. Erwerb eines ausländischen Unternehmens, Bau auf der grünen Wiese oder Joint Venture) und anschließend die günstigste Alternative für den Abschluss eines internationalen Technologievertrages (z.B. Lizenzvergabe, technische Kooperation) ermittelt werden. In der nächsten Stufe des Entscheidungsprozesses werden dann nur noch die günstigsten der drei alternativen Grundformen der Markteintrittsstrategien im Ausland betrachtet und miteinander verglichen. Neben der Anzahl der zu betrachtenden Gestaltungsformen kann eine große Zahl von qualitativen Zielen zu einem „Nivellierungseffekt“ führen. Fasst man die Vorteile des vorgeschlagenen Ablaufkonzeptes zusammen, dann ergibt sich, dass das Entscheidungsmodell: (1) die Entscheidungsträger zwingt, ihre Analyse in logischen Schritten durchzuführen, (2) die Entscheidungsfindung für alle Beteiligten transparent und überprüfbar macht, (3) den Entscheidenden zwingt, die jeweilige Bewertung zu begründen, (4) durch seine Kombinatorik eine strukturierte Diskussion fördert und gleichzeitig der Selbstkontrolle und der Bestimmung der Standpunkte einzelner Mitglieder im Meinungsbildungsprozess der Gruppe dient und (5) die Entscheidungsträger zu einer permanenten Reflexion der Ziele des Unternehmens auffordert. Nach der Anwendung des vorgeschlagenen Prozessmodells hat das Unternehmen über alle wesentlichen Fragen, die bei der Entwicklung eines strategischen Konzeptes für eine Internationalisierung der Unternehmensaktivitäten notwendig sind, entschieden. Eine Internationalisierungsstrategie bedeutet, dass das Unternehmen einen Pfad von der strategischen Lücke bis zu einer konkreten Gestaltungsform seiner Auslandsaktivitäten festgelegt hat. <?page no="384"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 361 Fallstudie: Merck: Internationalisierung durch M&A Internationalisierung durch M&A Karl-Ludwig Kley, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Merck 1. Ausgangslage Gegründet 1668, ist Merck das älteste pharmazeutisch-chemische Unternehmen der Welt. Die operativen Tätigkeiten sind unter dem Dach der Merck KGaA mit Sitz in Darmstadt gebündelt, an der die Familie Merck mit 70% und freie Aktionäre mit 30% beteiligt sind. Die einstige US-Tochtergesellschaft Merck & Co. wurde 1917 enteignet und ist seitdem ein von Merck unabhängiges Unternehmen. Im Geschäftsjahr 2006 erwirtschaftete Merck Gesamterlöse in Höhe von rund 6,3 Milliarden Euro, davon 4,1 Milliarden Euro im Unternehmensbereich Pharma und 2,1 Milliarden Euro im Unternehmensbereich Chemie. Merck beschäftigte 2006 in 56 Ländern rund 30.000 Mitarbeiter, 33% davon in Deutschland. Der Schwerpunkt der Geschäfte lag zu diesem Zeitpunkt in Europa, wo 46% des Konzernumsatzes generiert wurden. Insbesondere Nordamerika war mit einem Umsatzanteil von 14% deutlich unterrepräsentiert. Abbildung 187: Umsatz Merck-Gruppe nach Regionen 2006 in Mio. €. <?page no="385"?> 362 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien 2. Neuausrichtung des Unternehmensbereichs Pharma: Akquisition von Serono und Veräußerung des Generika-Geschäfts 2006 erwirtschaftete der Unternehmensbereich Pharma 44% seines Umsatzes mit Generika - Arzneimittel mit Wirkstoffen, die nicht mehr dem Patentschutz unterliegen. Die zweite Pharmasparte „Ethicals“, die die Erforschung, Herstellung und den Vertrieb von rezeptpflichtigen Medikamenten umfasst, trug 46% zum Umsatz dieses Unternehmensbereichs bei. Arzneimittel zur Selbstmedikation, gebündelt in der Sparte „Consumer Health Care“, generierten 10% des Pharmaumsatzes. Strategisches Ziel von Merck war es, sich auch im Pharmageschäft dauerhaft als innovatives Unternehmen mit wachstumsstarken Spezialitätengeschäften und dem Schwerpunkt im Bereich Biotechnologie zu positionieren. Im September 2006 gab Merck daher die Übernahme des Schweizer Biotechnologieunternehmens Serono bekannt. Es war die bis dato größte Akquisition in der 338-jährigen Firmengeschichte von Merck. Serono hatte im Geschäftsjahr 2005 mit rund 4.800 Mitarbeitern einen Gesamtumsatz von 1,9 Milliarden Euro erzielt, davon 565 Millionen Euro in den USA. „Merck Ethicals“ und Serono wurden zur neuen Sparte „Merck Serono“ verschmolzen. Abbildung 188: Vergleich Merck Ethicals und Serono 2005 Die transformierende Übernahme folgte einer konsistenten strategischen Logik: Durch die Transaktion wurde Merck zu einem weltweit führenden Hersteller biotechnologisch hergestellter Arzneimittel. Das Produktportfolio verschreibungspflichtiger Arzneimittel konnte deutlich verbreitert werden - beispielsweise durch Rebif®, ein weltweit führendes Medikament zur Behandlung der Multiplen Sklerose, einer Erkrankung des zentralen Nervensystems. Die gute Marktpräsenz von Serono in den USA verbesserte die Aufstellung von Merck im weltweit wichtigsten Pharmamarkt signifikant. Vor der Übernahme war Merck dort nur mit Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten präsent; mit Serono kam eine breit aufgestellte kommerzielle Infrastruktur hinzu. <?page no="386"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 363 Der durch die Akquisition deutlich gestärkte Cashflow ermöglichte Merck ein Forschungs- und Entwicklungsbudget, mit dem die kritische Masse für nachhaltige Investitionen in innovative Produkte erreicht wurde. Kurz nach der Übernahme von Serono veräußerte Merck im Mai 2007 sein Generikageschäft an das US-Unternehmen Mylan. „Merck Generics“ hatte 2006 mit rund 5.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,8 Milliarden Euro erwirtschaftet. Da das Generikageschäft nicht durch Forschung und Entwicklung, sondern durch Menge und Preis determiniert ist, trug die Desinvestition der Generikasparte dazu bei, Merck auf innovationsgetriebene Aktivitäten zu fokussieren und die Profitabilität nachhaltig zu erhöhen. Der Veräußerungserlös von 4,9 Milliarden Euro diente - neben einer Kapitalerhöhung der Merck KGaA - zur Refinanzierung der Serono-Übernahme. 3. Strategische Weiterentwicklung im Bereich Chemie: Akquisition von Millipore Ebenfalls 2006 erwirtschaftete der Unternehmensbereich Chemie rund 63% seines Umsatzes mit Materialgeschäften und rund 37% mit Angeboten für die Life-Science-Industrie, also die Pharma- und Nahrungsmittelindustrie. Dieses Geschäft wurde als Wachstumsmarkt für innovative Produkte eingestuft. Im Februar 2010 gab Merck daher die Übernahme des US-amerikanischen Life-Science-Unternehmens Millipore bekannt. Das Angebotsportfolio von Millipore umfasste Produkte, Technologien und Serviceleistungen für Kunden der Pharma- und biopharmazeutischen Industrie sowie für Forschungseinrichtungen. 2009 erwirtschaftete Millipore mit rund 6.000 Mitarbeitern in über 30 Ländern einen Umsatz von 1,7 Milliarden US-Dollar. Jeweils rund 40% des Umsatzes erzielte das Unternehmen in Nord- und Lateinamerika sowie in Europa, etwa 20% in Asien. Zusammen mit den bestehenden Life-Science-Geschäften von Merck entstand die neue Sparte „Merck Millipore“. Die Millipore-Akquisition folgte folgenden strategischen Eckpunkten: Schaffung eines weltweit führenden Partners für die Life-Science-Industrie mit einem Umsatzvolumen von über 2 Milliarden Euro. Ausbau der globalen Präsenz von Merck auch im Chemiebereich und insbesondere Stärkung der Marktposition in den USA. Weitere Fokussierung auf hochprofitable Spezialprodukte mit attraktiven Wachstumspotenzialen. Dauerhafte Erhöhung der operativen Marge durch größeren Marktanteil im Life- Science-Markt. <?page no="387"?> 364 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien Abbildung 189: Umsatz nach Regionen 2009 4. Akquisitionen im Rahmen der Unternehmensstrategie Die beiden Akquisitionen folgten der strategischen Grundmaxime von Merck, einerseits das unternehmerische Risiko durch mehrere Geschäftsfelder mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen zu diversifizieren. Andererseits wiesen beide Unternehmen wichtige Kernkompetenzen auf, die auch für das Gesamtunternehmen Merck charakteristisch sind: Innovationskraft, Spezialitätengeschäft statt Massenproduktion, hohe Qualität und ausgefeiltes Supply Chain Management. Darüber hinaus bieten beide Geschäfte Synergiepotenzial. 5. Integrationsprozesse Sowohl bei „Merck Serono“ als auch bei „Merck Millipore“ lag dem Integrationsprozess das Prinzip „best of both worlds“ zugrunde: Statt einer einseitigen Integration in die bestehenden Merck-Strukturen sollten die Stärken von Merck und dem neu hinzugekommenen Unternehmensteil kombiniert werden. Um negative Auswirkungen des Integrationsprozesses auf das Tagesgeschäft zu vermeiden, spielte der Faktor Geschwindigkeit bei der Umsetzung des Integrationsplanes eine zentrale Rolle. Gleichzeitig galt es, die weltweit verteilten Mitarbeiter kommunikativ in den Integrationsprozess einzubinden und die Unternehmenskultur von Merck zu vermitteln. 6. Fazit Mit der Akquisition von Serono entwickelte Merck das Geschäft mit innovativen Arzneimitteln zu einer international signifikanten Größe und etablierte sich als führendes Unternehmen im Biotechnologiesektor. Die Übernahme von Millipore positionierte Merck als weltweit führenden Anbieter von Produkten und Lösungen für die Pharma- und Biotechindustrie sowie für Forschungseinrichtungen und etablierte eine weitere Innovationsplattform im Unternehmen. Beide Transaktionen haben die internationale Aufstellung von <?page no="388"?> Kapitel V: Internationalisierungsstrategien • 365 Merck deutlich verbreitert - insbesondere in der Wachstumsregion Nordamerika, deren Umsatz 2011 sich gegenüber 2006 mehr als verdoppelt hat. Die Gesamterlöse der Merck- Gruppe stiegen von 2006 bis 2011 um 63% auf 10,3 Milliarden Euro. Der Anteil der Mitarbeiter in Deutschland sank im gleichen Zeitraum um 6 Prozentpunkte auf 27%. Die Vereinigung von Merck Serono und Merck Millipore unter einem Dach eröffnet darüber hinaus künftig vielversprechende Synergiepotenziale in der biotechnologischen Wertschöpfungskette. Fragen zur Fallstudie (1) Das „Handelsblatt“ kommentierte im April 2011: „Die Merck KGaA ist unter den Industriekonzernen im Dax-30 ein heimlicher Meister im M&A-Geschäft […].“ Warum wählte Merck Übernahmen als Weg zur Internationalisierung? (2) Welche Gründe sprachen für Serono beziehungsweise Millipore als Akquisitionsziel? (3) Warum konzentrierte sich Merck nach der Serono-Akquisition nicht mit weiteren Übernahmen auf den Pharmabereich, sondern kaufte mit Millipore im Chemiebereich zu? Quellen: Handelsblatt, 07.04.2011, S. 24. Literaturempfehlungen Basisliteratur Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012: International Business: The New Realities, 2. Aufl., Boston, [Abschnitt 3: „Strategy and Opportunity Assessment“, S. 342-399]. Hill, C., 2010: International Business: Competing in the Global Marketplace, 8., internationale Aufl., New York, [Kapitel 12: „The Strategy of International Business“, S. 418- 447]. Kutschker, M./ Schmid, S., 2011: Internationales Management, 7. Aufl., München, [Kapitel 6: „Strategien der internationalen Unternehmung“, S. 823-1068]. Lasserre, P., 2007: Global Strategic Management, 2. Aufl., Houndmills, [Kapitel 7: „Entry Strategies“, S. 191-217]. Vertiefungsliteratur Clemens, B., 2010: Internationale Unternehmensführung: Entscheidungsorientierte Einführung, Oldenbourg: München. <?page no="389"?> 366 • Kapitel V: Internationalisierungsstrategien Daniels, J.D./ Radebaugh, L.H./ Sullivan, D.P., 2007: International Business, 11. Aufl., Pearson: New Jersey. Holtbrügge, D./ Welge, M.K., 2010: Internationales Management: Theorien, Funktionen, Fallstudien, 5. Aufl., Poeschel: Stuttgart. Meckl, R., 2010: Internationales Management, 2. Aufl., Vahlen: München. Neumair, S.M./ Haas, H.D., 2006: Internationale Wirtschaft: Rahmenbedingungen, Akteure, räumliche Prozesse, Oldenbourg: München. <?page no="390"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement <?page no="391"?> 368 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Standpunkt: Novelis Inc. Novelis Inc. Novelis, mit Hauptsitz in Atlanta, USA, ist weltweit führend in der Herstellung von gewalzten Aluminiumprodukten sowie im Recycling von Aluminium-Getränkedosen. Novelis ist weltweit tätig mit Werken in 11 Ländern, rund 11.600 Mitarbeitern und einem ausgewiesenen Umsatz von 10,6 Milliarden US-Dollar im Geschäftsjahr 2011. www.novelis.com Dr. Philip Martens, CEO Novelis Inc. Dr. Philip Martens ist CEO der Novelis Inc. und Vorstandsmitglied der Plexus Corporation sowie der Handelskammer von Atlanta. 1. In how far is the organizational set up crucial to succeed in international competition? How an organization runs, all things considered, is one of the most critical factors senior executives have to manage. I see 3 key factors for the effectiveness of an organization: (1) Talent management process (2) Decision making process (3) Capital allocation process The management of these processes and how well these are understood requires global implementation and uniformity of those processes within the organizational design structure. How an organization runs is a function of organization structure and design. In this case, form follows the function of the governance process. 2. Is a global standardization of international organizational processes necessary for a multinational enterprise? Yes, it clearly is. If you have non-standard operating practices you cannot have clearly defined decision making, capital allocation, and talent management processes throughout the organization. This results in a high variability of processes which then leads to inefficiency, reversal, reevaluation, and delays to respond. This can furthermore be inconsistent with strategic corporate decisions. <?page no="392"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 369 3. Should there be a focus on regional or national structures in decision making? Or does a global harmonization make sense? An overarching strategy like Novelis has with both global commercial organizations and regional organizations can be challenging. This is the art of balance. Any global company needs a very careful and measured balance between centralization and decentralization. Neither one extreme really exists with truly successful international companies. In order to be successful, companies need to hit the sweet spot in between the two. The balance allows a company to take advantage of global resources and optimized processes and operating practices while considering local or regional requirements in decision making, such as cultural or legal standards, for example. 4. Are cooperations with third parties a strategic key for international competition or is there a danger to lose knowledge or competitive advantage? Companies should undergo a careful thought process when considering associations with third parties. If you can very clearly define control, governance and roles within the partnership, and there is a clear gap in the knowledge of the core company, it makes sense to consider a cooperation, typically a Joint Venture or a technology partnership. For example, Novelis has successful Joint Ventures with third parties at two of our plants at Logan (USA) and Norf (Germany). Both are large scale rolling mill operations and fill a critical need for the partners. Technical associations are more difficult as they are based on the perspective of a common desire but often characterized by competing business needs of the companies partnering. In the optimal case, a Joint-Venture can be based on aligned interests of the partners, such as a cooperation of a manufacturing company with a financial investor. Those different types of cooperation range from moderate/ controlled risk to reasonably uncontrolled risk, and tied to a legal framework. As such, a company needs to make a decision on the amount of risk to take. 5. What are the pros and cons of staffing managers from the headquarter/ home country in international and overseas assignments? There are clearly many pros and a few cons: The pros include career development, transfer of knowledge (technical, business process/ practices), filling a critical skill mix in a short period of time, allowing the business to expand faster while ensuring consistency with corporate goals and strategies. The cons are: transfers are expensive and you face a risk that the individual involved cannot make the transition to the new culture. Generally, the pros clearly outweigh the cons. There are differences by region to be considered, too, and the success of an overseas staffing depends on the development cycle of a company. As an example, there are more <?page no="393"?> 370 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Chinese nationals today who understand Western business practices, very different from 10 years ago when the cultural gap was even larger and more difficult to overcome. 6. Do cross cultural teams work and what are the success factors for making them work? In the right environment, they can work very well. Generally, there is a need for cross-cultural teams in multinational companies as they create a positive learning environment, and promote an understanding of cultural differences with team members becoming sensitive to those. At Novelis, I manage a cross-cultural leadership team and it is important that I understand how to handle the team to be effective. Most of the team members have lived and worked abroad themselves and come from a wide variety of backgrounds. 7. What is the role of social media and the web in general in international collaboration? Due to the global availability of the Internet, face-to-face communication cost is lower than ever. Expensive video conference rooms and special equipment have become absolute, high quality and low cost video solutions are available to everyone today. This is a dramatic shift and allows for face-to-face discussions across the globe at any time. Social media such as Facebook and Twitter is today mostly a means for communication, branding, recruiting and potentially advertising. However, there is some risk associated to utilizing social media in that it can be very subjective and driven by opinions of individuals, rather than representing an objective view of facts. 8. What are the major challenges in international organization and cooperation in the future? The major challenges are driven by the level of information flow today vs. 10 years ago. The speed of decision making increases to almost real-time today, with all information at hand, supported by flattening organizational structures. Executives are challenged to appropriately prioritize input requests and manage what they respond to, in an environment where faster responses and decision making are expected. Ziele und Rahmenbedingungen des internationalen Organisationsmanagements Der Begriff Organisationsmanagement umfasst „die bewusste und proaktive Gestaltung von organisatorischen Lösungen, die sowohl aufbauals auch ablauforganisatorische Aspekte berücksichtigen, um effiziente Organisationsstrukturen im internationalen Umfeld zu schaffen“ (Kreikebaum, H./ Gilbert, D.U./ Reinhardt, G.O., 2002). Die Frage der organisatorischen Effektivität bezieht sich darauf, ob in einer Organisation die richtigen Ziele verfolgt werden. Organisatorische Effizi- <?page no="394"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 371 enz betrachtet die Erfüllung organisatorischer Ziele (Schulte-Zurhausen, M., 2010). Das Organisationsmanagement beinhaltet nicht nur das Ergebnis des Organisierens (Organisationsstruktur), sondern auch den Organisationsprozess. Neben dem instrumentellen ist der institutionelle Begriffsinhalt des Organisationsmanagements zu nennen. Internationale Organisationen werden hierbei als soziale Gebilde betrachtet, die sowohl geplante Ordnung als auch ungeplante Resultate hervorbringen (Bleicher, K., 2011). Sie weisen mehr oder weniger klar definierte Grenzen auf. Diese sind Planungsgegenstand des internationalen Organisationsmanagements. Beispiele hierfür sind Make-or-buy-Entscheidungen oder Fragen des Kooperationsmanagements. Vor dem Hintergrund der Globalisierung der Märkte reflektieren die großen multinationalen Unternehmen ihre Koordination und Konfiguration. Diese organisatorischen Aspekte fließen wiederum maßgeblich in gesellschafts- und wirtschaftspolitische Standortdebatten ein (Perlitz, M., 1994a). Multinationale Unternehmen stellen heute globale Netzwerkstrukturen dar, in denen viele Knotenpunkte durch Tochtergesellschaften, horizontale und/ oder vertikale Kooperationen bzw. einem oder mehreren Headquartern miteinander verbunden sind. Jeder Knotenpunkt in diesem Netzwerk ist permanent zu hinterfragen. Nur wenn der Knotenpunkt einen Beitrag zum Gesamtnetzwerk leistet, der nicht durch effizientere Lösungen zu ersetzen ist, bleibt dieser als wertvoller Bestandteil des Netzwerkes erhalten. Damit werden die Strukturen multinationaler Unternehmen extrem dynamisch und ändern sich oft. Jedoch sind nicht nur die „Global Players“, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen oft in sehr hohem Maße international aktiv (Simon, H., 2007). Gerade diesen Unternehmen erlauben die dramatischen Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie, die mit innovativen Organisationskonzepten einhergehen, über die traditionell bedeutenden Handelsbeziehungen hinaus verstärkt international tätig zu werden. Das grundlegende Ziel des internationalen Organisationsmanagements ist die langfristige Sicherung bzw. Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit im Rahmen einer sich global entwickelnden Wirtschaft. Somit haben organisatorische Ziele per se instrumentellen Charakter, d.h., sie tragen zu den Unternehmenszielen bei. Hierbei entspricht der Internationalisierungsgrad von Organisationen vielfach nicht den strategischen Optionen, die sich im internationalen Geschäft bieten. Ein zielgerichtetes Organisationsmanagement ist deshalb erforderlich (Kreikebaum, H./ Gilbert, D.U./ Reinhardt, G.O., 2002). Aus dem Ziel der internationalen Wettbewerbsfähigkeit leiten sich konkrete organisatorische Subziele ab, so z.B.: Marktorientierung, Flexibilität, Motivation, Anreiz-, Ressourcen- und Informationskompatibilität, <?page no="395"?> 372 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement organisatorisches Lernen und grenzüberschreitender Wissenstransfer, Konzentration auf Kernkompetenzen oder Fähigkeit zur Selbststeuerung im Unternehmensverbund. Die Internationalisierung von Unternehmen führt zu erhöhten Anforderungen an die Organisation der Unternehmung im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit, die Verwaltung und insbesondere die Flexibilität (zur Nedden, C., 1994). Der Flexibilität kommt deswegen eine Sonderstellung zu, weil sich die Umweltbedingungen, die strategischen Anforderungen und auch die internen Strukturen von Organisationen permanent wandeln. Auch die historische Entwicklung von Unternehmensorganisationen zeigt, dass die Organisationsgestaltung kein einmaliger Vorgang ist. Deshalb darf internationales Organisationsmanagement keinesfalls statisch verstanden werden. Vielmehr sind Organisationsstrukturen und -prozesse permanent zu hinterfragen. Hierbei gilt es, einen organisatorischen Fit zwischen den Dimensionen Struktur, Strategie, Kultur und Personal anzustreben. Folgende Einflussfaktoren spielen dabei eine tragende Rolle: Soziokulturelle Einflussfaktoren wie z.B. der Führungsstil, die Unternehmensphilosophie, die Unternehmenskultur der Muttergesellschaft, die demografische Struktur, der Ausbildungsstand, die Mentalität, die Kreativität, die Motivation, die Eigenverantwortlichkeit und die Religionszugehörigkeit des Personals sowie der historische Hintergrund des Unternehmens beeinflussen die Organisationsstruktur des internationalen Unternehmens. Im Zusammenhang mit den kulturellen Faktoren, die auf die Organisationsstruktur Einfluss nehmen, wurden zwei gegensätzliche Thesen entwickelt. Die „Culture-free-These“ geht davon aus, dass die meisten Umweltfaktoren langfristig für verschiedene Kulturen eher ähnlicher werden und damit zu gleichen Unternehmensstrukturen führen. Die „Culture-bound-These“ beschreibt eine enge Abhängigkeit der Organisationsstruktur von der sie umgebenden Kultur (Perlitz, M., 2000). Je stärker sich die lokale Kultur von der des Stammlandes unterscheidet, umso mehr nehmen tendenziell der Entscheidungsspielraum der Führungszentrale und die Dominanz des Führungsstils der Muttergesellschaft ab. Es kommt zu einer Steigerung der Entscheidungs- und Aufgabendominanz sowie zu einer inhaltlichen Gestaltungsfreiheit für Verträge bei den ausländischen Tochtergesellschaften. Von technisch-ökonomischen Faktoren wie z.B. verwendete Technologie, Unternehmensgröße, Grad der Internationalisierung, Transferpreisgestaltung und Entwicklungsstand des Marktes gehen ebenfalls Einflüsse auf die Organisationsstruktur im internationalen Unternehmen aus. Sehr große Bedeutung für das internationale Organisationsmanagement hat die Informations- und Kommunikationstechnologie: Datenbanken und -netze erleichtern transnationale Strategien, internationale Modularisierung sowie die weltweite Integration von <?page no="396"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 373 Prozessabläufen und Organisationsstrukturen. Einfach zu bedienende und individualisierte Informations- und Kommunikationstechnologien erleichtern die Selbstabstimmung und fördern somit den Trend zu einer stärkeren lokalen Entscheidungsautonomie. So kommt es auch zu neuen Kooperationsformen innerhalb von Unternehmen. Mit Videokonferenzen, E-Mails, Handys etc. und sozialen Medien können heute Unternehmen schneller, effizienter, flexibler und dynamischer geführt werden. Insbesondere können heute durch Cloud basierte IT-Lösungen erheblich zur Flexibilität und zur weltweiten Verfügbarkeit von Mitarbeitern beitragen. So kommt es in vielen Unternehmen fast zu einer „24 Stunden pro Tag“-Verfügbarkeit von Mitarbeitern. Ob das wünschenswert ist, ist eine andere Frage. Die neuen IT-Lösungen ermöglichen aber auch eine schnellere Integration von übernommenen Unternehmen. Politisch-rechtliche Bestimmungsfaktoren üben ebenso einen Einfluss auf die Organisationsstruktur eines internationalen Unternehmens aus. Hier spielen z.B. mögliche Rechtsformen, lokale Kontrollanforderungen, lokale Einflussnahmen auf die Zusammensetzung der Leitungsgremien und der Anteil öffentlicher Unternehmen an der Gesamtzahl der Unternehmen in den verschiedenen Ländern eine wichtige Rolle. Die Berücksichtigung der lokalen Bestimmungen führt oft dazu, dass Synergiepotenziale in der Organisation nicht realisiert werden. Auch Fragen der Corporate Governance werden in vielen Ländern unterschiedlich gesehen, so dass adäquate Organisationsformen in der Aufbau- und der Ablauforganisation gefunden werden müssen, die nationale und internationale Konfliktpotenziale vermeiden. 1 Organisationsstrukturen 1.1 Klassische internationale Organisationsstrukturen In einem frühen Stadium der Internationalisierung wird die bestehende inländische Organisation meist lediglich um eine Exportabteilung ergänzt. Zunehmende Auslandsaktivitäten führen zu einer stärkeren Bedeutung der Exportabteilung und es können selbstständig operierende Niederlassungen im Ausland gebildet werden. Eine Ausweitung des internationalen Engagements bedeutet zudem, dass andere Formen neben den Export treten. Beispielsweise kommt es zu internationalen Lizenzvereinbarungen oder zu einer Auslandsproduktion. Die Exportabteilung erweist sich nun als ungenügend, d.h., die fortgeschrittene Internationalisierung löst eine Reorganisation aus. Je nach Integrationsgrad des Auslandsgeschäfts in die nationale Organisationsstruktur ergeben sich hierbei zwei grundsätzliche Gestaltungsoptionen (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010): (1) Differenzierte Strukturen, bei denen Inlands- und Auslandsaktivitäten getrennt sind, und <?page no="397"?> 374 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement (2) integrierte Strukturen, bei denen Inlands- und Auslandsgeschäft gemeinsam gemäß einem übergeordneten Gestaltungsprinzip organisiert sind. Differenzierte Strukturen spielen insbesondere bei noch eher geringer Komplexität des Auslandsgeschäfts eine Rolle. Oft wird aus der Exportabteilung eine internationale Division gebildet, die für den größten Teil oder die Gesamtheit des Auslandsgeschäfts zuständig ist. Sie steht neben den sonstigen Sparten bzw. Funktionen des Unternehmens (Söllner, A., 2008). Abbildung 190: Internationale Division Hinsichtlich der Verantwortlichkeit und Autonomie der internationalen Division gibt es unterschiedliche Ausgestaltungsformen. Am weitesten verbreitet ist die Auslandsholding, in der die rechtlich selbstständigen Auslandsgesellschaften zusammengefasst sind und die als Profit Center geführt wird. Der Erfolgsausweis für das Auslandsgeschäft kann so separat erfolgen. Bei vielen Unternehmen zeichnet sich eine Regionalisierung der internationalen Division ab, d.h., es werden „regional headquarters“ etabliert (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010). Vorteile der internationalen Division ergeben sich insbesondere bei international weitgehend standardisierten Produkten und homogenen Kundenbedürfnissen. Durch die Bündelung der Erfahrungen im Auslandsgeschäft sind die Kommunikations- und Entscheidungswege kurz, wenige Spezialisten können das Auslandsgeschäft straff ordnen. Zwar ergeben sich Vorteile aus der Erleichterung operationaler Entscheidungen im Auslandsgeschäft, aber es kann zu Konflikten zwischen In- und Auslandsdivisionen und zu Kommunikationsproblemen sowie Abstimmungsproblemen kommen. Nachteile sind ferner die mangelnde Austauschbarkeit von nationalen und internationalen Managern sowie die Gefahr der Verselbstständigung des Auslandsgeschäfts. Zudem kann es zu redundanten Stabstätigkeiten und zu Problemen bei der Übertragung von Innovationen vom Heimatmarkt auf Auslandsmärkte kommen, weil die Inlandssparten wenig Interesse an der Anpassung an ausländische Bedürfnisse haben (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010; Kreikebaum, H./ Gilbert, D.U./ Reinhardt, G.O., 2002). Internationale Divisionen sind dann als Organisationsstruktur sinnvoll, wenn die Auslandsaktivitäten noch nicht sehr stark ausgeprägt sind und der Diversifikationsgrad des Auslandsgeschäftes eher gering ist bzw. dem Unternehmen nur wenige Führungskräfte mit internationaler Erfahrung zur Verfügung stehen. <?page no="398"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 375 Bei weiter steigendem Internationalisierungsgrad nimmt das Auslandsgeschäft einen Komplexitätsgrad an, durch den auch eine internationale Division überlastet wird. Dies ist ein Anlass, integrierte Strukturen zu bilden. Hierbei lassen sich folgende Grundmuster unterscheiden: die integrierte Funktionalstruktur, die integrierte Produktstruktur, die integrierte Regionalstruktur sowie mehrdimensionale Strukturen. Bei der integrierten Funktionalstruktur sind In- und Auslandsgeschäft unter die betrieblichen Funktionsbereiche gegliedert. Die integrierte Funktionalstruktur bietet sich dann an, wenn die weltweite Abstimmung der Funktionsbereiche die vorrangige strategische Herausforderung im Unternehmen ist. Vorteile der funktionalen Struktur liegen im wirtschaftlichen Einsatz von Spezialisten, in der Vermeidung von Doppelarbeit sowie der Implementierung einer weltweiten Unternehmenspolitik und eines relativ geringen Bedarfs an Managementpersonal. Der funktionalen Organisationsstruktur sind dann Grenzen gesetzt, wenn durch Wachstum und Diversifikation eine klare Zuordnung von Tochtergesellschaften zu den betrieblichen Funktionsbereichen nicht mehr möglich ist. Zudem können die Koordinationserfordernisse die Unternehmensleitung überlasten (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010). Abbildung 191: Integrierte Funktionalstruktur Die integrierte Produktstruktur ist dadurch gekennzeichnet, dass jede Produktdivision die weltweite Verantwortung für ihr Produkt bzw. ihre Produktgruppe hat. Das nötige Produkt- und Verfahrens-Know-how wird in den einzelnen Produktsparten gebündelt. Die regionalen und funktionalen Aktivitäten werden ggf. durch Stäbe koordiniert. Die produktbezogene Organisationsstruktur eignet sich insbesondere dann, wenn ein internationales Unternehmen stark diversifiziert ist, verschiedene Technologien weltweit einsetzt und in stark unterschiedlichen Marktstrukturen arbeitet (Eversheim, W./ Schuh, G., 2005). Die Vorteile der globalen Produktstruktur liegen vor allem in der guten weltweiten <?page no="399"?> 376 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Produktkoordination und der Vermeidung einer Programmzersplitterung. Nachteilig können sich die Vernachlässigung geografischer Besonderheiten, die Koordination zwischen den Produktgruppen, die Gefahr einer Überbewertung des Schwerpunktes „Produkt“ und eine mögliche Aushöhlung der Rolle der zentralen Geschäftsleitung auswirken (Kutschker, M./ Schmidt, S., 2011). Abbildung 192: Integrierte Produktstruktur Bei der integrierten Regionalstruktur folgt die Organisation des internationalen Unternehmens dem Gliederungsmerkmal „Raum“. Sie basiert auf dem Prinzip, dass die oberste Unternehmensebene in regionale Divisionen untergliedert wird, deren Führungskräfte jeweils für einen geografischen Raum verantwortlich sind. bbildung 193: Integrierte Regionalstruktur Die Regionalstruktur ist insbesondere dann geeignet, wenn ein Unternehmen ein relativ homogenes und standardisiertes Leistungsprogramm bzw. ausgereifte Produkte vermarktet. Die Regionalstruktur ermöglicht eine bessere Integration von nationalen und internationalen Märkten und die Förderung einer globalen Perspektive bei der Leistungsbeurteilung. Eine bessere Ressourcenallokation, eine globale Strategieentwicklung, eine bessere Planung und Logistik sowie die Nutzung eines marktbedingten Know-hows sind weitere Vorteile der Regionalstruktur. Probleme ergeben sich bei der Übertragung von Ideen von Markt zu Markt gemäß dem „Not invented here-Syndrom“: „It‘s a great idea, but it won‘t work in my market“ (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010). Die lokale Holding- oder „Umbrella“-Struktur stellt eine Zwischenstufe von produktbezogener und regionaler Struktur dar. Bei der lokalen Holding-Struktur kommt es zu <?page no="400"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 377 einer Nachahmung der Organisationsstruktur der Muttergesellschaft auf regionaler Ebene. Bei dieser Struktur besteht die Gefahr, dass die globale Kompetenz des weltweit tätigen Unternehmens nicht voll ausgenutzt wird (Dudley, J.W., 1989). Die bisher erörterten eindimensionalen Strukturen haben jeweils spezifische Schwächen. Dadurch, dass jeweils ein organisatorisches Gliederungskriterium an erster Stelle steht, werden andere Aspekte tendenziell vernachlässigt. Deshalb wurden in der Praxis bei vielen internationalen Unternehmen mehrdimensionale Strukturen eingeführt. Das Grundmodell ist die zweidimensionale Matrixstruktur, meist mit den Dimensionen Region und Funktion. Abbildung 194: Zweidimensionale Matrixstruktur Stopford und Wells haben 1972 eine Studie vorgelegt, die die Entwicklung der Organisationsstruktur internationaler Unternehmen in Abhängigkeit von der Art des Auslandsgeschäfts thematisiert. Basis war die empirische Analyse der Organisationsentwicklung von 187 US-Unternehmen im Zeitraum von 1900 bis 1963. Ihre Resultate fassen die Autoren in ihrem Struktur-Stadien-Modell zusammen (Stopford, J.M./ Wells, L.T., 1972). <?page no="401"?> 378 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Abbildung 195: Struktur-Stadien-Modell Quelle: Stopford, J.M./ Wells, L.T., 1972 Die zweidimensionale Matrix ist für internationale Unternehmen mit heterogenen Auslandsaktivitäten und verschiedenen lokalen Schwerpunkten relevant (Usunier, J.-C., 1988). Bei den Dimensionen „Raum“ und „Produkt“ gibt es auf der ersten Ebene unter der Unternehmensleitung sowohl Produktals auch Gebietsmanager, so dass eine Produkt-Markt- Strategie in gemeinsamer Verantwortung entwickelt werden muss. Mit der Matrixorganisation ist eine Reihe von Problemen verbunden: schwierige Kompetenzabgrenzung, hohe Koordinationskosten, Konflikte zwischen den Dimensionen und Machtkämpfe zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft. Viele Unternehmen haben internationale Matrixstrukturen etabliert. Angesichts der genannten Probleme überrascht es jedoch nicht, dass diese in vielen Fällen nach wenigen Jahren wieder aufgegeben wurden (Kreikebaum, H./ Gilbert, D.U./ Reinhardt, G.O., 2002). Bei einer Grid-Struktur (auch „Tensor-Organisation“) erfolgt i.d.R. eine Gliederung des internationalen Unternehmens nach den Dimensionen „Funktion“, „Raum“ und „Produkt“. Hierbei besteht eine Regionalverantwortung von Gebietsmanagern und faktisch weisungsbefugten, funktional gegliederten Zentralstäben, die versuchen, eine Koordination des Gesamtsystems der internationalen Unternehmung zu erreichen. Welche Kompetenzlinie dominiert, hängt von der spezifischen Unternehmenssituation ab und kann nicht allgemeingültig formuliert werden. Die Grid-Struktur im internationalen Unternehmen kann bis zu vier Dimensionen umfassen, bei denen als mögliche vierte Dimension neben „Funktion“, „Raum“ und „Produkt“ die „Zeit“ oder ein „Projekt“ betrachtet wird (Welge, M.K., 1989a). Die für die zweidimensionale Matrix angesprochenen Probleme stellen sich verstärkt bei höherdimensionalen <?page no="402"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 379 Grid-Strukturen dar. Hier besteht die Gefahr, dass sich zwar theoretisch mit dieser Struktur eine größere Anpassungsfähigkeit für das internationale Unternehmen ergibt, dass aber in der Praxis die Schwerfälligkeit der Organisation dieser entgegenläuft. Als Mischform der genannten Organisationsstrukturen können Hybridstrukturen adäquat sein. Beispielsweise können unter dem Dach der Konzernführung sowohl Bereiche mit integrierter Regionalals auch Produktstruktur simultan bestehen (Macharzina, K./ Wolf, J., 2010). 1.2 Neuere Organisationsstrukturen internationaler Unternehmen 1.2.1 Management-Holding Die Management-Holding knüpft in organisatorischer Hinsicht an die Spartenorganisation an, da auf der zweiten Ebene eine Gliederung nach Produkten oder Produktgruppen bzw. nach Regionen vorgesehen ist (Macharzina, K./ Wolf, J., 2010). Hauptzweck einer Holdinggesellschaft ist eine auf Dauer angelegte Beteiligung an rechtlich selbstständigen Unternehmen. Hierbei hat die Management-Holding - anders als eine nur auf die Beteiligungsverwaltung beschränkte reine Finanzholding - die Verantwortung für unternehmensstrategische Aufgaben. Die Struktur der Management-Holding umfasst drei Elemente (Zeiss, H., 2006): (1) eine vergleichsweise kleine Holdingleitung, (2) eher wenige Zentralbereiche und (3) Geschäftsbereiche mit rechtlicher Selbstständigkeit. Typisch sind flache Hierarchien mit einer daraus resultierenden hohen Leitungsspanne. Die Geschäftsbereiche sind i.d.R. Profitcenter. Man verspricht sich von der Management- Holding die Beseitigung der Nachteile zentraler Geschäftsbereichsorganisationen wie hohe Verwaltungsgemeinkosten durch Zentralbereiche, hohe Komplexitätskosten wegen großer Produktvielfalt sowie Trägheit von Unternehmen mit der Konsequenz geringer Innovationskraft und Flexibilität. Die Vorbzw. Nachteile kleiner bzw. großer Einheiten sollen verknüpft bzw. vermieden werden (Kreikebaum, H./ Gilbert, D.U./ Reinhardt, G.O., 2002). <?page no="403"?> 380 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Abbildung 196: Schnittstellen und Reaktionsfähigkeit Quelle: May, P., 1997 Die Koordination zwischen Holdingspitze und Tochtergesellschaften erfolgt durch (Kreikebaum, H./ Gilbert, D.U./ Reinhardt, G.O., 2002): Finanzhoheit: Kapitalbeschaffung, Zuweisung von Kapital an die Töchter, Budgetierung, Verrechnungspreise, Kennzahlen; Personalunion: Mitglieder des Leitungsorgans der Obergesellschaft sind auch in den Leitungsorganen der Tochtergesellschaft vertreten und/ oder Mitglieder des Leitungsorgans der Obergesellschaft sind zugleich in den Aufsichtsbzw. Beiräten der Tochtergesellschaft vertreten; Kommunikation: Gesprächskreise, Strategiegruppen, Planungsrunden, Ausschüsse; Verträge: Beherrschungsbzw. Gewinnabführungsverträge sowie die Unternehmenskultur. Je nach Aufteilung der Kompetenzen zwischen Holdingleitung und Tochtergesellschaften lassen sich folgende Formen unterscheiden: die Finanzholding, die strategische Management-Holding oder die operative Management-Holding. Abbildung 197 zeigt, welche Führungsaufgaben die Holdingmutter bei den drei genannten Formen übernimmt. <?page no="404"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 381 Legende: „F“: Finanzholding; „S“: Strategische Management-Holding; „O“: Operative Management-Holding „ “ Eingriff der Holdingmutter; „-“ Kein Eingriff der Holdingmutter Abbildung 197: Führungsaufgaben in verschiedenen Formen der Management-Holding Quelle: In Anlehnung an: Kreikebaum, H./ Gilbert, D.U./ Reinhardt, G.O., 2002 Im internationalen Kontext bieten sich zwei Gestaltungsoptionen der Management- Holding an: (1) zum einen kann eine Überordnung der Führung über das nationale Stammhaus und die Auslandsgesellschaften bestehen, (2) zum anderen erfolgt eine Unterordnung einer Auslands-Holding unter die Geschäftsführung des Stammhauses. Die Holdingorganisation bietet, verglichen mit herkömmlichen Organisationsstrukturen, verschiedene Vorteile im Hinblick auf die strategische Neuausrichtung des Geschäftsportfolios von internationalen Konzernen (Keller, T., 2010): höhere Transparenz (auch für die Aktionäre durch Vorlage von Jahresabschlüssen und ggf. Börsennotierung der Töchter), bessere Messbarkeit des Leistungsbeitrages einzelner Geschäftsfelder, erhöhte Flexibilität, um Portfolio-Bereinigungen durchzuführen, Vereinfachung der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, beschleunigte Integration neuer Unternehmen, Nutzung von Steuervorteilen, Erleichterung der Umsetzung von Strategien, da die Verantwortung personifiziert und klar definiert ist, und gezieltes Management von Kernkompetenzen. <?page no="405"?> 382 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Abbildung 198: Formen internationaler Verbundführung durch Holdinggesellschaften Quelle: Keller, T., 2010 Bei der Einführung einer Konzern-Holding sind Rollenverständnisse bei Holdingspitze und Geschäftsbereichsleitern, der Führungsstil und die Unternehmenskultur von entscheidender Bedeutung. Durch die Eigenständigkeit der Geschäftsbereiche besteht die Gefahr der Verselbstständigung. Die starke Zersplitterung des Gesamtkonzerns kann die Unternehmenskultur und -identität bedrohen, Bereichsegoismen werden gefördert und die Nutzung von Synergien wird tendenziell eingeschränkt (Bernhardt, W./ Witt, P., 1995). Die Führungsdistanz zwischen Holdingleitung und ausländischen Tochtergesellschaften ist relativ hoch. Somit wächst die Gefahr von Fehlentscheidungen und es kann zu Reibungsverlusten kommen, beispielsweise weil die Bewilligung ausländischer Investitionen durch inländische Interessen der Holdingmutter beeinflusst wird (Keller, T., 2010). 1.2.2 Internationale Netzwerkstrukturen Die Globalisierung von Unternehmensaktivitäten ist geprägt durch einen Trend zum Wirtschaften in Netzwerken. Ein Indikator hierfür ist, dass etwa ein Drittel des Welthandels innerhalb der Unternehmensbereiche internationaler Konzerne und ein weiteres Drittel zwischen internationalen Konzernen abgewickelt werden. Netzwerkgebilde sind das Ergebnis zweier Restrukturierungsvorgänge: der Auflösung (Erosion, Segmentierung, Modularisierung) von Großunternehmen einerseits und der Vernetzung der entstehenden Segmente andererseits (Reiß, M., 1996). International tätige Konzerne besitzen eine Vielzahl <?page no="406"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 383 von Tochtergesellschaften und Beteiligungen (oftmals mehrere Hundert), die untereinander Material, Informationen und Geld austauschen. Mit dem Phänomen internationaler Netzwerke hat sich in den letzten Jahren eine Vielzahl von Autoren beschäftigt. Hierbei lassen sich intraorganisatorische und interorganisatorische Netzwerke unterscheiden (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011; Weber, B., 1996; Böttcher, R., 1996; Schoppe, S.G., 1995; Sydow, J., 1992). Erstere interpretieren das Unternehmen als Netzwerk und untersuchen die internen Beziehungen zwischen den verschiedenen Einheiten der Organisation. Letztere gehen über die Organisationsgrenzen hinaus. Interorganisationale Netzwerke Interorganisationale Netzwerke bezeichnen Verflechtungen zwischen rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Unternehmen. Eine unternehmensübergreifende Aufgabenerstellung wird hierbei durch vertragliche Verbindungen zwischen einer Mehrzahl rechtlich selbstständiger Unternehmen abgewickelt (Picot, A./ Reichwald, R./ Wigand, R.T., 2010). Diese langfristigen Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Unternehmen werden z.B. mit Begriffen wie „dynamic networks“, „Strategische Netzwerke“, „Wertschöpfungsnetzwerke“, „Joint Ventures“, „Strategische Allianzen“ oder „kooperative Netzwerke“ bezeichnet (Schoppe, S.G., 1995; Jarillo, J.C., 1993; Thorelli, H.B., 1986). Sydow fasst diese Organisationsformen unter dem Überbegriff des Unternehmensnetzwerks zusammen. Ein solches besteht „aus einer endlichen Zahl von rechtlich und - in einem eingeschränkteren Sinne als die Unternehmung - wirtschaftlich selbständigen Einheiten“ (Sydow, J., 1992), sogenannten Netzwerkunternehmungen. Je nachdem, wie weit dieser Begriff gefasst wird, können diese als intra- oder interorganisationale Netzwerke interpretiert werden. Je stärker die rechtliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit der Netzwerkunternehmungen wird, desto eher sind sie Komponenten eines interorganisationalen Netzwerks. Interorganisationale Unternehmensnetzwerke können auf finanziellen, personellen und vertraglichen Austauschbeziehungen beruhen (Wastl, U./ Wagner, F., 1997; Papenheim-Tockhorn, H., 1995; Adams, M., 1994; Pfannschmidt, A., 1993). <?page no="407"?> 384 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Abbildung 199: Grundformen der Unternehmensverflechtung Quelle: Windolf, P./ Beyer, J., 1995 Im Bereich der interorganisationalen Netzwerkforschung liefert Sydow eine ausführliche Aufarbeitung und Analyse (Sydow, J., 1992). Er beschäftigt sich mit strategischen Netzwerken von Unternehmen und definiert diese als „eine auf die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen zielende, polyzentrische, gleichwohl von einer oder mehreren Unternehmungen strategisch geführte Organisationsform ökonomischer Aktivitäten zwischen Markt und Hierarchie, die sich durch komplex-reziproke, eher kooperative denn kompetitive und relativ stabile Beziehungen zwischen rechtlich selbständigen, wirtschaftlich jedoch zumeist abhängigen (Netzwerk-)Unternehmungen auszeichnet“ (Sydow, J., 1992). Abbildung 200: Organisationsformen ökonomischer Aktivitäten Quelle: Sydow, J., 1991 <?page no="408"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 385 Abbildung 200 zeigt die Stellung eines Unternehmensnetzwerks auf dem Kontinuum Markt und Hierarchie (Sydow, J., 1991). Somit finden sich auch die Ausgestaltungsformen des internationalen Kooperationsmanagements auf diesem Kontinuum wieder. Die Steuerung weltweiter Netzwerke wird heute von sogenannten Entreprise-Resource- Planning-Systemen (ERP) unterstützt. Solche Systeme werden beispielsweise von SAP, Microsoft oder Oracle angeboten. 1.2.3 Intraorganisatorische Netzwerke Bartlett und Ghoshal kommen auf Basis einer internationalen Studie zu dem Schluss, dass bisherige Organisationsformen den Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs nicht mehr gerecht werden (Bartlett, C.A./ Ghoshal, S./ Birkinshaw, J., 2003). In multinationalen Unternehmen agieren dezentrale Landesgesellschaften als unabhängige Portfolio-Einheiten, um damit lokale Präsenz und die Berücksichtigung nationaler Unterschiede zu erreichen (lokale Anpassungsfähigkeit). Diese Unabhängigkeit verhindert jedoch die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen durch Globalisierungsstrategien. Globale Organisationen schöpfen aufgrund ihrer Weltmarktorientierung Größenvorteile aus (globale Effizienz), sind aber infolge zentralisierter, einseitiger Entscheidungsflüsse nur begrenzt innovationsfähig. Internationale Unternehmungen bündeln schließlich Kernkompetenzen in der Zentrale und transferieren dieses Wissen zur Anwendung an die jeweiligen Einheiten in den Auslandsmärkten (weltweite Sicherung von Innovationsprozessen). Jedoch sind die Auslandsfilialen auf den einseitigen Transfer von Wissen und Informationen aus der Zentrale angewiesen, daher ist auch diese Organisation beschränkt innovativ. Das sogenannte transnationale Unternehmen kann die multidimensionalen Ziele der anderen Organisationsformen (Marktnähe, Effizienz und Innovation) gleichzeitig verfolgen. Es überwindet somit das Dilemma zwischen Globalisierung versus Lokalisierung bzw. Integration versus Differenzierung. <?page no="409"?> 386 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Abbildung 201: Einfluss neuer Einflussfaktoren auf Integration/ Differenzierung Quelle: Bartlett, C.A./ Ghoshal, S./ Birkinshaw, J., 2003 Erreicht wird die mehrdimensionale Zielerfüllung durch ein integriertes Netzwerk von mehreren Partialzentren mit verteilten, aber interdependenten und spezialisierten Ressourcen und Kernkompetenzen (Prahalad, C.K./ Hamel, G., 1991). Die Stärke dieser Struktur beruht insbesondere auf folgenden Charakteristika (Bartlett, C.A./ Ghoshal, S./ Birkinshaw, J., 2003): differenzierte Beiträge der nationalen Einheiten zu integrierten weltweiten Aktivitäten, weltweit verstreute, interdependente und spezialisierte Werte und Fähigkeiten sowie gemeinsam entwickeltes Wissen zur weltweiten Nutzung durch alle Unternehmenseinheiten. Die einzelnen Netzwerkelemente werden durch eine Vielzahl reziproker Interdependenzen zusammengehalten in Form eines „ständigen Austausches von Komponenten, Produkten, Ressourcen, Menschen und Informationen im transnationalen Unternehmen“ (Bartlett, C.A./ Ghoshal, S./ Birkinshaw, J., 2003). Im Vergleich zu den bisherigen Organisationsmodellen hat die transnationale Unternehmung zusätzliche Verbindungen zwischen den einzelnen Netzwerkmitgliedern, die sie nutzt. Dadurch können die Partialzentren ihre Aktivitäten auch direkt untereinander (lateral) koordinieren und Aufgaben jeweils an die Einheiten verlagern, die die besten Kompetenzen dafür besitzen. <?page no="410"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 387 Abbildung 202: Das integrierte Netzwerk Quelle: Bartlett, C.A./ Ghoshal, S., 2003 Durch das Zusammenspiel von Muttergesellschaft und Filialen entsteht eine polyzentrische Struktur, in der die Netzwerkmitglieder in Abhängigkeit von den Kriterien „strategische Bedeutung der lokalen Einheiten“ und „Niveau der lokalen Ressourcen und Kompetenzen“ unterschiedliche Rollen einnehmen können. Die wichtigsten Funktionen haben die Einheiten in der Rolle des „strategischen Führers“. Sie übernehmen für ein bestimmtes Teilgebiet die strategische Gesamtverantwortung im Sinne eines lokalen Akteurs. Dies wird auch als „Lead-Country-Konzept“ bezeichnet (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011). Die Unternehmenszentrale hat schließlich als Netzwerkoperator das optimale Zusammenspiel der verschiedenen funktionalen und regionalen Netzwerkelemente sicherzustellen (Wimmer, O., 1994). Der Vorteil der Vielfalt in der transnationalen Organisation ist gleichzeitig deren große Schwäche, denn „sie ist beständig von Spaltung und Zersplitterung bedroht“ (Bartlett, C.A./ Ghoshal, S., 2003). Dies verlangt ständige Koordinationsprozesse für die Organisationseinheiten. Zwei Bereiche sind dabei von zentraler Bedeutung: erstens die Koordinationsprozesse für die strategischen Rollen und Aufgaben der Einheiten, zweitens die Koordination der „Flüsse“ zwischen den Einheiten der Organisation. Drei Ströme bestimmen die Beziehungen zwischen den Netzwerkelementen: der Warenfluss (Rohstoffe, Komponenten, Baugruppen und Fertigwaren), der Ressourcenfluss (Kapital, Technologie und Personal) und der Informationsfluss (Rohdaten, Analysen und Wissen). Die transnationale Unternehmung muss ständig die Verteilung von Ressourcen steuern, internationale Aktivitäten integrieren, lokale Einheiten koordinieren und weltweit verstreute Kenntnisse und Informationen verknüpfen. <?page no="411"?> 388 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Der Verdienst von Bartlett und Ghoshal besteht in der Legitimation der Vielfalt. Ihr Organisationsmodell unterscheidet sich von den traditionellen Organisationsformen insbesondere durch die Verteilung von Aufgaben der Zentrale auf mehrere Zentren im Sinne einer polyzentrischen Führungsstruktur. Allerdings werden die Koordinationsinstrumente nur sehr vage beschrieben und gehen nicht über konzeptionelle Vorstellungen hinaus (Hungenberg, H., 2010; zur Nedden, C., 1994). Das intraorganisatorische Netzwerk kann als eine hybride Organisationsform zwischen Markt und Hierarchie bezeichnet werden, die marktliche und hierarchische Elemente vereint, um die Vorteile beider Koordinationsformen zu kombinieren (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011). Sowohl Kooperation als auch Konkurrenz sind wichtige Merkmale intraorganisationaler Netzwerke. Durch ihre Struktur kann die Netzwerkorganisation im Vergleich zu traditionellen Organisationsformen eine Reihe von Dichotomien überwinden (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011). Sie ist als Ausweg aus dem Dilemma von Differenzierung bzw. Lokalisierung versus Integration oder Globalisierung und Dezentralisierung versus Zentralisierung anzusehen, weil sie gleichzeitig die Vorteile der Kleinheit und der Größe realisieren kann. Netzwerke können somit als eine Weiterentwicklung klassischer Organisationsformen angesehen werden. Problematisch ist im Rahmen der empirischen Netzwerkforschung, dass bislang keine Studien vorliegen, die das Rollenspiel in Konzernen analysieren. Die Globalisierung und die damit verbundene Bildung weltweiter Unternehmensnetzwerke führen zudem zu wachsender asymmetrischer Ressourcenverteilung innerhalb von Konzernen. Die Folge sind mehrere Machtzentren, welche auf die strategische Führung des Unternehmensnetzwerks Einfluss nehmen. Um eine solche Führung aufrechterhalten und verschiedene Interessen berücksichtigen zu können, scheinen Verhandlungen in diesem Zusammenhang eine große Rolle zu spielen. Macht und Verhandlungen besitzen im Bereich der Politologie eine lange Forschungstradition. Zahlreiche Forschungsergebnisse aus diesem Bereich eignen sich, um die Führung von Unternehmensnetzwerken zu verstehen und Gestaltungsempfehlungen geben zu können (Perlitz, M./ Peske, T., 2000). In jüngster Zeit bilden sich Netzwerke, die das Unternehmen mit der Außenwelt für bestimmte Aufgaben verbindet als Beispiel hierfür kann das Konzept der Open Innovation genannt werden. Hier kommt es auf freiwilliger Basis zu einer Kooperation zwischen Unternehmen und interessierten Mitgliedern von „Netzwerkern“, die sich das Ziel einer Lösung für eine bestimmte Innovationsaufgabe gesetzt haben. Dieser Form der Zusammenarbeit steht fast unabhängig neben den klassischen Organisationsformen. Ähnliches gilt auch für sogenannte Sozialnetzwerke, die sich auch meist auf freiwilliger Basis bilden und oft ebenfalls versuchen, spezielle Unternehmensaufgaben zu lösen. <?page no="412"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 389 2 Prozessorganisation Klassifikation der Instrumente Die oben dargestellten strukturellen Gestaltungselemente beruhen in starkem Maße auf Hierarchien. Kommunikationsprozesse außerhalb der Hierarchie werden vernachlässigt. Dies ist jedoch nicht hinreichend, um die Prozesse innerhalb internationaler Unternehmen abzubilden. Vielmehr müssen auch nichthierarchische Gestaltungselemente, z.B. Kommunikationsprozesse zwischen Abteilungen, berücksichtigt werden. Prozessuale Gestaltungselemente sind flexibler einsetzbar als strukturelle Gestaltungselemente. Somit eignen sie sich eher zur Feinsteuerung im international tätigen Unternehmen. Abbildung 203 zeigt eine in der Literatur übliche Klassifikation prozessualer Gestaltungselemente innerhalb von Organisationen (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010). Dabei lassen sich technokratische und personenorientierte Instrumente unterscheiden. Abbildung 203: Prozessuale Gestaltungselemente internationaler Unternehmen Quelle: modifiziert nach Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010 2.1 Technokratische Instrumente Planung Das Instrument Planung ist durch periodisch wiederkehrende Vorgaben der Muttergesellschaft an die ausländischen Tochtergesellschaften gekennzeichnet. Pläne begrenzen und strukturieren zukünftige Entscheidungs- und Handlungsspielräume. Angesichts der Komplexität betrieblicher Abläufe und Strukturen im internationalen Unternehmen, gibt es eine Vielzahl von aufeinander abgestimmten Plänen, die als betriebliches Planungssystem zu bezeichnen sind (Bufka, J., 1997). Die Koordinationswirkung der Planung zwischen Mutter und Tochter ergibt sich daraus, dass die Zentrale ihren Auslandsgesellschaften mehr oder weniger präzise Planvorgaben macht. Diese sind Basis von Detailplänen und haben somit den Charakter von Zielvorgaben. Entscheidend für die koordinative Wirkung ist, dass die Planziele den einzelnen ausländischen Subeinheiten verbindlich vorgegeben werden. An- <?page no="413"?> 390 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement sonsten besteht die Gefahr, dass sie nur zur nachträglichen Begründung und Rechtfertigung dienen (Kieser, A./ Walgenbach, P., 2010). Bei der Planung kann je nach Inhalt zwischen Ziel-, Maßnahmen- und Ressourcenplanung unterschieden werden. Die Zielplanung umfasst die Ermittlung und Festlegung erwünschter Sollzustände und soll die Ausrichtung von Tochtergesellschaften an den Zielen des Gesamtunternehmens gewährleisten. Die Maßnahmenplanung basiert auf der Unternehmensstrategie und enthält die Aktivitäten, die auf der Tochterebene durchgeführt werden sollen. Die Ressourcenplanung beinhaltet schließlich die Ermittlung, Entwicklung und Bereitstellung von finanziellen, sachlichen und personellen Mitteln zur Umsetzung der geplanten Maßnahmen. Hierbei kommt der Budgetierung für einzelne Funktionen, Bereiche bzw. Projekte der Töchter eine zentrale Bedeutung zu (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010). Abbildung 204: Bestimmungsfaktoren der Planungskomplexität im internationalen Unternehmen Quelle: In Anlehnung an: Welge, M.K., 1981 Aus inhaltlicher Sicht erscheint vor allem die Zielplanung koordinationsrelevant zu sein (Welge, M.K., 1989b). Auch von der Maßnahmen- und Ressourcenplanung geht eine koordinierende Wirkung aus, weil anhand der planerischen Vorgabe von Maßnahmen bzw. Ressourcen konkrete Handlungen für die Zukunft festgelegt werden. Im Gegensatz zu Programmen und Richtlinien beinhaltet die Maßnahmenplanung immer einen zeitlichen Bezug. Deshalb wird der Planung eine vergleichsweise hohe Flexibilität zugebilligt, da im Rahmen des Planungsprozesses Bedingungsveränderungen berücksichtigt und entsprechende Plananpassungen vorgenommen werden können. Hinsichtlich der Vorteilhaftigkeit der Planung muss einschränkend angemerkt werden, dass die Koordinationswirkung der Planung entscheidend davon abhängt, inwieweit zukünftige Entwicklungen prognostizierbar sind (Staehle, W.H., 2009). <?page no="414"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 391 Formalisierung Zu den formalen Koordinationsinstrumenten zählen die Programmierung, die Standardisierung und die Festlegung von Verrechnungspreisen. Unter Programmierung versteht man die A-priori-Festlegung relevanter Aktivitäten und Eigenschaften (Kieser, A./ Walgenbach, P., 2010; Hill, W./ Fehlbaum, R./ Ulrich, P., 1989). Wie bei der Planung ergibt sich die Koordinationswirkung aus einer Beschränkung von Handlungsalternativen. Programme bestimmen Handlungsabläufe durch festgelegte Verfahren und Lösungswege. Dies erfolgt im Allgemeinen schriftlich, wobei als Adressaten sowohl einzelne Organisationsmitglieder als auch organisatorische Teileinheiten, wie z.B. ausländische Tochtergesellschaften in Frage kommen. Beziehen sich Programme nicht nur auf spezifische Sachverhalte im Sinne einer Einzelanweisung, so spricht man von Richtlinien (Bufka, J., 1997). Der wesentliche Unterschied zwischen Programmen und Planung ist der fehlende zeitliche Bezug des ersteren Koordinationsinstruments. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Programme eine unbegrenzte Geltungsdauer haben. Auch sie unterliegen dem Zwang der Anpassung, allerdings ist die Änderungsrate nicht so hoch wie bei der Planung (Kenter, M.E., 1985). Darüber hinaus spezifizieren Programme lediglich die zur Zielerreichung notwendigen Handlungsaktivitäten, nicht jedoch die Ziele selbst (Staehle, W.H., 2009). In der Literatur (Kieser, A./ Walgenbach, P., 2010; Wolf, J., 1994; Krüger, W., 1984) werden als Vorteile von Programmen angeführt, dass: durch eine verbindliche und allgemein zugängliche Vorgabe optimierter Handlungsabläufe relativ schnell Effizienzsteigerungen möglich sind, einheitliche Leistungsergebnisse sichergestellt werden, die Entscheidungsqualität verbessert wird, da sich subjektive Einflüsse auf Entscheidungen und Handlungsabläufe reduzieren, die Führungskräfte entlastet werden, da zahlreiche Entscheidungsaufgaben erst delegierbar sind, wenn klare Vorgehensweisen zur Problemlösung spezifiziert werden, die Bereitschaft zur Verantwortung zunimmt, da die individuelle Angst vor den Konsequenzen fehlerhaften Verhaltens durch die Vorgabe von Handlungsalternativen verringert wird, sich die Überprüfung und Kontrolle von Einzelpersonen und organisatorischen Einheiten vereinfacht, da durch die Richtlinien einheitliche Kriterien zur Verhaltensbewertung vorgegeben werden und eine gerechtere Leistungsbewertung vereinfacht wird, da gleiche Aufgaben in gleicher oder zumindest ähnlicher Weise erledigt werden. Den positiven Effekten stehen folgende Nachteile gegenüber (Kieser, A./ Walgenbach, P., 2010; Staehle, W.H., 2009): <?page no="415"?> 392 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Monotonieerlebnisse führen bei den Mitarbeitern zu Desinteresse und mangelnder Eigeninitiative; Behinderung innovativen Verhaltens; Tendenz zur Schwerfälligkeit; hoher Erstellungs- und Änderungsaufwand und die Gefahr, dass formale Verhaltensvorschriften zum Selbstzweck werden. Angesichts der genannten Nachteile ist es unmittelbar einsichtig, dass Programme nur dann wirksam und effektiv eingesetzt werden können, wenn die zu bewältigenden Aufgaben klar definiert sind und ein gewisses Maß an Stabilität gegeben ist. Außer einer mehr oder weniger umfassenden Vorgabe von Handlungsabläufen können sich Richtlinien aber auch auf die zu erzielenden Leistungsergebnisse beziehen. In diesem Falle spricht man von Standardisierung. Werden Komponenten standardisiert, wird dies als Normung bezeichnet. Eine Standardisierung von Endprodukten fällt unter den Begriff der Typung. Durch Standardisierung wird ein über Ländergrenzen hinweg einheitliches Leistungsprogramm ermöglicht. Der Anwendungsbereich ergebnisbezogener Programme und Richtlinien ist jedoch nicht nur auf den Produktionsbereich beschränkt. Auch in anderen Funktionsbereichen wie z.B. bei der Kapital- oder Personalbeschaffung ergeben sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten dieser speziellen Richtlinienart (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010). Durch die Festlegung von Verrechnungspreisen soll schließlich die Ressourcenallokation im internationalen Unternehmen gesteuert werden. Darüber hinaus haben Verrechnungspreise auch eine Wertbemessungs- und Gewinnverlagerungsfunktion. 2.2 Personenorientierte Instrumente Persönliche Anweisung Gibt eine übergeordnete Stelle Entscheidungen und Handlungen durch vertikale Kommunikation verbindlich vor, so spricht man von einer Koordination durch persönliche Anweisung. Voraussetzung ist dabei die Existenz einer hierarchischen Beziehung. Ist die Muttergesellschaft die oberste Hierarchieebene im Unternehmen, so kann die Koordination ausländischer Tochtergesellschaften auch mithilfe der persönlichen Anweisung erfolgen: Der Verantwortliche in der Zentrale trifft Entscheidungen und gibt diese als verbindliche Handlungsanweisung an die jeweiligen Führungskräfte auf der Ebene der ausländischen Tochtergesellschaften weiter (Bufka, J., 1997; Kenter, M.E., 1985). Aufgrund der engen Anlehnung an organisationsstrukturelle Gegebenheiten ist die persönliche Anweisung relativ einfach zu gestalten. Es sind lediglich die Entscheidungskompetenzen der einzelnen Stellen vorzugeben, während die Inhalte ad hoc bestimmt werden können. Somit besteht ein hohes Maß an Flexibilität. Hinzu kommt, dass es sich bei der per- <?page no="416"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 393 sönlichen Anweisung um ein vergleichsweise rigides Koordinationsinstrument handelt, da sehr schnell präzise Vorgaben gemacht werden können. Ein Problem der persönlichen Anweisungen ist, dass komplexe Koordinationserfordernisse zu einer Überlastung der vertikalen Kommunikationskanäle und der zuständigen Instanzen führen (Kieser, A./ Walgenbach, P., 2010). Die Folge ist eine mangelhafte Koordination. Gerade im internationalen Unternehmen, das durch komplexe Abläufe und durch große räumliche Distanz zwischen Zentrale und Tochtergesellschaft gekennzeichnet ist, erscheint dieses Problem besonders relevant. Hinzu kommt, dass Entscheidungen der Zentrale, die ohne Berücksichtigung der konkreten Auswirkungen vor Ort getroffen werden, Rückfragen mit sich bringen, welche die Koordinationskanäle zusätzlich belasten (Bufka, J., 1997). Selbstabstimmung Die Selbstabstimmung ist ein weiteres personenorientiertes Koordinationsinstrument, das dadurch gekennzeichnet ist, dass Entscheidungen von den beteiligten Stellen in einer Gruppenentscheidung getroffen werden (Holtbrügge, D., 2010). Besonders bedeutsam für die Selbstabstimmung sind strukturelle Regelungen, die den Abstimmungsprozess in formaler Hinsicht unterstützen. Unter Berücksichtigung solcher Regelungen lassen sich folgende drei Arten der Selbstkoordination unterscheiden (Kieser, A./ Walgenbach, P., 2010): (1) die fallweise Interaktion nach eigenem Ermessen, die auf Basis spontaner und freiwilliger Zusammenarbeit erfolgt, (2) die themenspezifische Interaktion, wobei Problemstellung und betroffene Organisationseinheiten von übergeordneten Instanzen festgelegt werden und (3) die institutionalisierte Interaktion, bei der üblicherweise Koordinationsorgane (Komitees, Ausschüsse, Arbeitskreise) gebildet werden, die zur Lösung spezieller Abstimmungsfragen zum Teil mit Entscheidungskompetenzen ausgestattet sind. Bezüglich der Koordination ausländischer Tochtergesellschaften deuten Studien auf eine zunehmende Bedeutung der Selbstabstimmung hin (Wolf, J., 1994; Kim, W.C./ Mauborgne, R.A., 1993; Macharzina, K., 1993). Martinez und Jarillo führen dies auf die sich ändernden Koordinationserfordernisse komplexer Internationalisierungsstrategien zurück: „Simple strategies need little coordination and therefore are implemented by using structural and formal mechanisms. Complex strategies (those resulting from interrelated, multiplant, multimarket policies) need enormous coordinating effort, and so are implemented through both types of mechanisms: structural and formal, plus informal and subtile“ (Martinez, J.I./ Jarillo, J.C., 1989). Vorteile der Selbstabstimmung sind hohe Flexibilität, die Entlastung der Kommunikation entlang der Dienstwege und die Möglichkeit, durch die Gruppenzusammensetzung eine Gleichberechtigung zwischen den Interessen der Mutter und den ausländischen Unternehmensteilen herzustellen. Jedoch sind mit der Selbstabstimmung auch erhebliche Aufwendungen verbunden. Mit zunehmender Größe und räumlicher Ausdehnung der interna- <?page no="417"?> 394 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement tionalen Unternehmung dürften daher schnell Effizienzgrenzen erreicht werden. Hinzu kommt, dass Gruppenentscheidungen häufig durch Machtpolitik und Rivalitäten innerhalb der Gruppe, eine Tendenz zu unbefriedigenden Kompromissen, eine Verringerung des Verantwortungsgefühls des einzelnen Gruppenmitglieds und bei einer internationalen Besetzung durch interkulturelle Verhaltens- und Verständigungsprobleme gekennzeichnet sind (Bufka, J., 1997). Sozialisation In der Managementlehre wird der Unternehmenskultur, die als ein System von Wertvorstellungen, Verhaltensnormen und Denkhaltungen verstanden wird, welche das Verhalten der Mitarbeiter auf allen Stufen einer Unternehmung prägt, besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Generell lässt sich der Zusammenhang zwischen Koordination und Unternehmenskultur wie folgt beschreiben: Die von den Organisationsmitgliedern verinnerlichten „shared values“ werden als komplexitätsreduzierender Orientierungsrahmen benutzt, so dass bestimmte Interpretationen sowie Handlungs- und Verhaltensweisen a priori ausgeklammert werden. Diese koordinative Wirkung der Unternehmenskultur wird umso stärker sein, je mehr Unternehmensmitglieder in ihren Überzeugungen übereinstimmen und je intensiver diese Übereinstimmung ist (Kieser, A./ Walgenbach, P., 2010). Da die Verinnerlichung der Unternehmenskultur nicht zwangsläufig erfolgt, müssen gezielte Mechanismen eingesetzt werden, die eine entsprechende Kulturvermittlung bewirken. Dieser Vorgang bewusster Kulturvermittlung wird auch als Sozialisation im Sinne eines „cultural learning process“ bezeichnet (Schreyögg, G./ Koch, J., 2010) Ein wesentlicher Vorteil der Sozialisation ist deren implizite Steuerungsfunktion. Gerade bei Aufgaben mit hohem Innovationsgrad und großer Komplexität und Unsicherheit lässt sich die Berücksichtigung der Ziele der Muttergesellschaft eher durch gemeinsame Werte und Normen als durch andere Koordinationsinstrumente sicherstellen. Zudem kann durch die Sozialisation formaler Aufwand vermindert werden (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010). Zu erwähnen sind jedoch auch Faktoren, die die Anwendungsmöglichkeiten der Sozialisation einschränken. Als erstes ist hierbei an die Akkulturationsproblematik zu denken, worunter der Einfluss der Landeskultur auf die Unternehmenskultur zu verstehen ist (Reineke, R.-D., 1989). Dies führt dazu, dass der Sozialisationsprozess in Ländern, die eine hohe kulturelle Distanz zum Heimatland der Zentrale aufweisen, mit erheblichen Akzeptanz- und Umsetzungsproblemen verbunden ist. Des Weiteren ist zu bedenken, dass der eigentliche Vorteil der Unternehmenskultur, nämlich die Selektion von Verhaltensweisen, dazu führen kann, dass erfolgversprechende Verhaltensmuster bzw. lokal erforderliche Einstellungen aufgrund mangelnder kultureller Legitimität entweder nicht wahrgenommen oder <?page no="418"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 395 aber nicht durchgesetzt werden können. Zudem kann eine ausgeprägte Unternehmenskultur vor allem in Krisensituationen, in denen überkommene Verhaltensweisen nicht mehr weiterhelfen, zu einem Anpassungshemmnis werden (Kieser, A./ Walgenbach, P., 2010). Nicht zu vergessen sind im Hinblick auf die Nachteile dieser Koordinationsform die hohen Implementierungsaufwendungen. Diese hängen damit zusammen, dass eine tief greifende Verinnerlichung der angestrebten Werte, Normen und Einstellungen nicht kurzfristig herbeigeführt werden kann, sondern einen über viele Jahre ablaufenden Diffusionsprozess erfordert (Welge, M.K./ Holtbrügge, D., 2010; Bufka, J., 1997). 3 Internationales Kooperationsmanagement 3.1 Eigenschaften internationaler Kooperationen Picot et al. definieren Kooperationen als „eine mittelbis langfristig angelegte, vertraglich geregelte Zusammenarbeit rechtlich selbständiger Unternehmen zur gemeinschaftlichen Erfüllung von Aufgaben“ (Picot, A./ Reichwald, R./ Wigand, R.T., 2010). Wichtig ist dabei, dass die Unternehmen ihre rechtliche Selbstständigkeit behalten und die wirtschaftliche Selbstständigkeit nur für den die Kooperation betreffenden Bereich, und dies auch nur für die Dauer des Bestehens der Kooperation, aufgeben (Bea, F.X./ Haas, J., 2012). Somit unterscheiden sich Kooperationen von Fusionen, Akquisitionen, Gründungen von Tochtergesellschaften oder Mehrheitsbeteiligungen zum Zwecke der Beherrschung des erworbenen Unternehmens (Perlitz, M., 2002). Nach Tröndle sind die konstitutiven Merkmale des Kooperationsbegriffes die simultane Existenz von Autonomie (Selbstständigkeit) und Interdependenz (gegenseitige Abhängigkeit) (Tröndle, D., 1987). Als weiterer Aspekt der Kooperation wird die Freiwilligkeit der Teilnahme angeführt. Hierbei ist jedoch gerade im internationalen Kontext der Fall möglicher staatlicher Eingriffe zu berücksichtigen, die dazu führen, dass diese Eigenschaft nicht gegeben ist (Schwerk, A., 2000). Internationale Kooperationen zeichnen sich dadurch aus, dass es sich zumindest für einen der Partner um eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit handelt. Dabei können sich inländische Unternehmen gemeinsam auf einem ausländischen Markt betätigen oder inländische Unternehmen kooperieren mit einem oder mehreren ausländischen Unternehmen auf Märkten im Inbzw. Ausland. Kooperative Internationalisierungsformen lassen sich anhand verschiedener Eigenschaften beschreiben (Perlitz, M., 2002; Schwerk, A., 2000). Kooperationsform, Kapitalbeteiligung und Managementkontrolle: Es gibt Kooperationen, für die keine Kapitalbeteiligung notwendig ist. Demgegenüber stehen Gemeinschaftsunternehmen, die auf einer Kapitalbeteiligung basieren. Hierbei sind Majoritäts-, Paritäts- oder Minoritätsbeteiligungen möglich. <?page no="419"?> 396 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Anzahl der Kooperationspartner: Eine hohe Zahl steigert einerseits den Koordinationsaufwand, kann aber andererseits die Wettbewerbsposition verbessern. Kooperationsrichtung: Je nach Gestaltung der Geschäftsprozesse wird zwischen horizontalen, vertikalen oder konglomeraten Kooperationen unterschieden. Kooperationserfahrung und -häufigkeit: Positive Erfahrungen und die Vertrautheit mit Abläufen und Problemen von Kooperation können weitere Kooperationen erleichtern. Kooperieren Unternehmen wiederholt, so schafft dies eine Vertrauensbasis, die die Partner vor opportunistischem Verhalten schützt. Fristigkeit: Manche Kooperationen sind nur kurzfristiger Natur, andere sind auf eine eher längerfristige Zusammenarbeit ausgelegt. Kultureller „Fit“: Auf Länder- und Partnerebene: Spannungen, die hier entstehen, können Kooperationen grundsätzlich in Frage stellen. Ausgestaltung der Aktivitäten: Manche internationale Kooperationen beziehen alle unternehmerischen Aktivitäten mit ein, andere umfassen nur Teilbereiche betrieblicher Tätigkeiten. Formalisierungsgrad und Bindungsintensität. Risiko, Unsicherheit und Erfolg. 3.2 Internationaler Kooperationsprozess Unter dem Kooperationsprozess wird eine inhaltlich abgeschlossene, zeitliche und sachlogische Abfolge von Phasen zur Durchführung einer interorganisationalen Zusammenarbeit verstanden. Bei einer internationalen Kooperation werden sich typischerweise zum einen die Rahmenbedingungen im Zeitverlauf ändern. Zum anderen beeinflussen Aktionen und Reaktionen der Kooperationspartner den Verlauf der Partnerschaft. Wichtig ist also, die dynamische Entwicklung der Beziehungen zwischen den Kooperationspartnern zu beachten (Schertler, W., 1995). Im internationalen Kontext sind interkulturelle Aspekte für Kooperationen von großer Bedeutung. Hierbei sind die jeweiligen Landeskulturen, die Unternehmenskulturen der Kooperationspartner und die jeweiligen Corporate Governance-Systeme relevant. Die resultierenden interkulturellen Differenzen können einerseits im Sinne eines geozentrischen Ansatzes produktiv genutzt werden. Andererseits können interkulturelle Differenzen auch negative Folgen haben, die den Kooperationserfolg in Frage stellen. Diese Aspekte sollten in einer interkulturellen Misfit-Analyse bedacht werden (Abbildung 205). Der Kooperationsprozess kann in vier Phasen eingeteilt werden, wobei die wesentlichen Problemfelder hier nur stichwortartig genannt werden (Picot, A./ Reichwald, R./ Wigand, R.T., 2010; Börsig, C./ Baumgarten, C., 2002; Perlitz, M., 2002; Löser, B., 2000; Schwerk, A., 2000; Quack, H., 2000; Balling, R., 1998; Baumgarten, C., 1998; Klanke, B., 1995; Rumer, K., 1994): <?page no="420"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 397 (1) Planung und Initiierung der internationalen Kooperation Analyse der technischen, institutionellen und personellen Voraussetzungen einer Kooperation. Die Existenz stabiler, entwicklungsfähiger und kostengünstig nutzbarer „Infrastrukturen“ ist eine wichtige Ausgangsbedingung internationaler Kooperationen. Abbildung 205: Interkulturelle Misfit-Analyse Festlegung des Kooperationsgegenstandes, also die Bestimmung von Produkten, Geschäftsfeldern oder Funktionsbereichen, die Objekt der Kooperation sein sollen. Informationen über die Zielregion bzw. den -markt der Kooperation, also beispielsweise über Marktpotenzial, vorhandene Wettbewerber oder rechtliche und steuerliche Gegebenheiten im internationalen Umfeld. Planung der Kooperationsziele und -beiträge und Suche nach Kooperationspartnern. Hierbei kann ein zukünftiger Kooperationspartner mithilfe eines Anforderungsprofils gefunden werden, das Stärken bzw. Schwächen eines potenziellen Partners in Beziehung zu unternehmenseigenen Stärken bzw. Schwächen setzt. Dabei sind sowohl „harte Kriterien“, also beispielsweise finanzielle Ressourcen, als auch „weiche Kriterien“, also beispielsweise der Führungsstil, zu berücksichtigen. Um das gegenseitige Interesse an einer erfolgreichen Zusammenarbeit zu verdeutlichen, wird in der Praxis meist ein „Letter of Intent“ unterzeichnet. (2) Gestaltung der internationalen Kooperation Festlegung der Inhalte, der Rechtsform und der Organisation der Kooperation. <?page no="421"?> 398 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Machbarkeitsstudie („Feasibility Study“), die die Übereinstimmung der Partner hinsichtlich folgender Punkte untersucht: Produkt-/ Marktbereich, Ressourcenausstattung, Standortanalyse, Investitionsbzw. Projektrechnung und umfassende Bewertung der geplanten Kooperation. Kooperationsvertrag, der die Inhalte des Letter of Intent und der Feasibility Study aufgreift und rechtsverbindlich regelt. Ferner sollten Aspekte der Ertragsverteilung, Verhaltens- und Konfliktregelungen sowie die Vorgehensweise bei Beendigung der Kooperation berücksichtigt werden. (3) Management der internationalen Kooperation im Geschäftsbetrieb Gestaltung, Lenkung und Entwicklung der Austauschbeziehungen auf normativer, strategischer und operativer Ebene. Dies muss sowohl interorganisational, also zwischen den Partnern, als auch intraorganisational, also innerhalb der Partnerunternehmen, geschehen. Management der Koordinationsinstrumente. Controlling und Risikomanagement der internationalen Kooperation. (4) Beendigung bzw. Rekonfiguration Abweichungsanalyse bzgl. der normativen, strategischen und operativen Ziele. Ursachenanalyse hinsichtlich der beteiligten Unternehmen (bspw. Wechsel der kooperativen Strategie), der Unternehmensumwelt (bspw. hinsichtlich des Zielmarkts) und der Kooperation selbst (bspw. Erreichen der Kooperationsziele). Generierung und Bewertung von Alternativen: Beendigung, Rekonfiguration oder Weiterführung durch einzelne (ehemalige) Partner. Motive für internationale Kooperationen Hinsichtlich der Ziele internationaler Kooperationen gibt es zahlreiche Auffassungen. Die Gewinnung von Wettbewerbsvorteilen ist ohne Zweifel eine wichtige generelle Zielsetzung. Dabei können durch die Partnerschaft Vorteile erzielt werden, die die einzelnen Unternehmen in dieser Form allein nicht realisieren könnten. Kooperationsziele lassen sich aus unternehmensexternen oder -internen Einflussfaktoren herleiten. Unternehmensexterne Einflussfaktoren sind die Wettbewerbsintensität der Branche, die Angebots- und Nachfragestruktur, die Bedrohung durch neue Konkurrenten, die Bedeutung technologischen Wissens oder staatliche Einflüsse. Hieraus lassen sich folgende Kooperationsziele herleiten: Verteilung von Kosten und Risiken zwischen den Partnern, Beschleunigung von Innovations- und Produktlebenszyklen, schnellerer Zugang zu neuen Märkten, Produkten oder Technologien, <?page no="422"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 399 Umgehung von Handelsbeschränkungen, Subventions- oder Kartellbestimmungen, Erzielung von Skalen-, Verbund- und Lernkurveneffekten, Vergrößerung von Marktmacht und -präsenz, Abschreckung potenzieller Konkurrenten durch Schaffung oder Veränderung von Marktbarrieren sowie verbesserter Zugang zu relevanten Marktinformationen. Zu den unternehmensinternen Einflussfaktoren zählen die Strategie, der Erfolg und die Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens. Auch die Unternehmenskultur und -reputation sind hierunter zu subsumieren. In diesem Zusammenhang sind als mögliche Ziele internationaler Kooperationen zu nennen: Stärkung des Unternehmens durch Transfer nicht (ausreichend) vorhandener Ressourcen finanzieller, materieller, personeller und technischer Art, Erzielung von Wettbewerbsvorteilen durch Kompensation eigener Schwächen, (schnelleres) Erreichen geplanter Gewinn-/ Rentabilitätsziele, Ermöglichung oder Förderung einer veränderten strategischen Ausrichtung, Internalisierung von Lerneffekten aus der Kooperation, höhere Reputation gegenüber Lieferanten, Kunden oder Wettbewerbern, Unterstützung bei einer Veränderung der Unternehmenskultur, beispielsweise hin zu einer ausgeprägteren Shareholder Value-Orientierung (Schwerk, A., 2000). Die Stabilität einer internationalen Kooperation ist von der langfristigen Komplementarität der Interessen abhängig: Für alle Partner muss die Kooperation zu einer „win-win“- Situation führen. Internationale Kooperationsformen Systematisierung internationaler Kooperationen Eine Systematisierung kooperativer Internationalisierungsformen lässt sich anhand der Bindungsintensität und der entsprechenden rechtlichen Grundlage vornehmen (Balling, R., 1998; Schubert, W./ Küting, K., 1981). Zum einen kann eine internationale Kooperation ausschließlich auf vertraglichen Vereinbarungen beruhen. In diesem Fall entsteht weder ein neues Unternehmen, noch kommt es zu einer Unternehmensbeteiligung. Zum anderen kann die internationale Kooperation dazu führen, dass selbstständige Gemeinschaftsunternehmen entstehen oder Beteiligungen eingegangen werden. Darüber hinaus gibt es weitere internationale Kooperationsformen, die sich nicht eindeutig zuordnen lassen. Dies gilt für strategische Allianzen, virtuelle Unternehmen und Kooperationen mittels E-Technologien: Sie können sowohl auf rein vertraglichen Vereinbarungen beruhen als auch zur Gründung von Gemeinschaftsunternehmen führen. In der betriebswirtschaftlichen Praxis <?page no="423"?> 400 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement existiert zudem eine Vielzahl von Mischformen internationaler Kooperationsarten. So wird häufig ein Lizenzvertrag mit einer Beteiligung gekoppelt, um so die Kontrollmöglichkeiten des Lizenzgebers zu verbessern. 3.2.1 Internationale Kooperationen auf rein vertraglicher Basis (1) Indirekter Export und Exportkooperationen Beim indirekten Export bedienen sich Unternehmen der Hilfe Dritter, die über spezifische Marktkenntnisse im Ausland verfügen, um Produkte abzusetzen (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011). Vorteile des indirekten Exports sind die Übernahme der Exportrisiken, die Schonung finanzieller und personeller Ressourcen und die Kenntnisse über Auslandsmärkte auf Seiten der Absatzmittler (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011). Dies begünstigt eine schnelle internationale Expansion (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011). Allerdings hat der indirekte Export auch Nachteile: Ein Teil der Erträge bleibt beim Exportmittler, oft entsteht eine Abhängigkeit vom Absatzmittler und es gibt keinen unmittelbaren Kontakt zu den ausländischen Nachfragern (Belew, D., 2000). Dies behindert eine später möglicherweise angebrachte direkte Marktbearbeitung. Weil der inländische Anbieter seine Geschäftspolitik nicht direkt im Ausland umsetzen kann, ist er auf den guten Willen und das Engagement des Exportmittlers angewiesen. Handelt es sich hierbei beispielsweise um einen Vertreter mehrerer Anbieter, kann es zur Vernachlässigung der eigenen Produkte kommen (Waning, T., 1994). Auch die Gestaltung der marketingpolitischen Instrumente ist nur eingeschränkt möglich (Kutschker, M./ Schmid, S., 2011). Unter Exportkooperationen fallen Zusammenschlüsse von Anbietern mit gleichem oder ähnlichem Leistungsprogramm, die unter der Bezeichnung Exportgemeinschaften, -kartelle, -konsortien oder -syndikate am Markt agieren. Dabei reicht der Umfang der Leistungen von einzelnen bis hin zu allen Exportaktivitäten für die Mitgliedsunternehmen; sie können in eigenem Namen oder in dem des jeweiligen Mitglieds stattfinden (Albaum, G./ Duerr, E./ Strandkov, G., 2008). Unternehmen gehen diese Kooperationen ein, um die mit Exporten verbundenen Kosten und Risiken zu reduzieren und Markteintrittsbarrieren im Ausland zu überwinden (Belew, D., 2000). Im Gegensatz zu den indirekten Importen haben die einzelnen Mitgliedsunternehmen hier mehr Einflussmöglichkeiten (Macharzina, K., 2010). Der Vorteil von Exportkooperationen liegt in der Kostenersparnis durch gemeinsame Nutzung von Export- und Distributionskanälen. Gründe, die gegen Exportkooperationen sprechen, sind die Abhängigkeit von den Kooperationspartnern und eine nicht optimale Markterschließung für eigene Produkte (Schanz, K.-U., 1995). (2) Internationale Kompensationsverträge Bei internationalen Kompensationsverträgen handelt es sich um Kooperationsabkommen, die aufgrund anhaltender Zahlungsbilanz- und Devisenprobleme besonders bei Transaktionen mit Entwicklungsländern verbreitet sind. Zentrales Motiv internationaler Kompensationsverträge ist die Erschließung bzw. Sicherung von Auslandsmärkten, die sonst <?page no="424"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 401 nicht erreichbar wären. Als Nachteile werden der große Zeitaufwand, hohe Transaktionskosten, Unerfahrenheit und Inkompetenz der Handelspartner sowie Imageprobleme angeführt. Zudem sind Countertrade-Strategien sehr komplex und stellen hohe Anforderungen an Verhandlungsgeschick und Vertragsgestaltung (Belew, D., 2000). (3) Internationale Leasingverträge Internationale Leasingverträge regeln die zeitlich begrenzte Nutzungsüberlassung eines Investitionsobjektes gegen Entgeltzahlung (Leasingraten) durch einen außenstehenden Finanzier und Eigentümer (Leasinggeber) mit der Wirkung, dass der Leasingnehmer die Anschaffungskosten des Investitionsobjektes nicht aus eigenen Mitteln aufbringen muss (Tacke, H.R., 1999). Dabei kann zwischen Mobilienleasing (Maschinen, Transportmittel und andere bewegliche Objekte) und Immobilienleasing (Geschäftshäuser, Lagerhallen und andere unbewegliche Objekte) sowie zwischen direktem und indirektem Leasing unterschieden werden (Hastedt, U.-P./ Mellwig, W., 2007). Beim direkten Leasing sind Hersteller und Leasinggeber identisch, beim indirekten Leasing dagegen existiert neben dem Hersteller ein Leasinggeber, beispielsweise in Form einer Leasinggesellschaft (Kroll, M., 2008). Im internationalen Kontext ist die Dauerhaftigkeit des Vertragsverhältnisses ein bedeutsames Unterscheidungskriterium: Das Operating Leasing ist gemessen an der Nutzungsdauer des Objektes eine kurzfristige Überlassung des Leasinggegenstandes an wechselnde Nutzer, die den Vertrag jederzeit kündigen können. Daher hat diese Leasingform den Charakter eines Mietverhältnisses, bei dem der Leasinggeber das alleinige Risiko des Leasingobjektes innehat und i.d.R. nur über mehrere Leasingnehmer eine Amortisation erreichen kann. Deshalb muss das Leasingobjekt hierfür drittverwendungsfähig, also wertbeständig und universell einsetzbar, sein. Beim Financial Leasing handelt es sich um langfristige Verträge, die für eine Grundmietzeit unkündbar sind und danach individuell gestaltete Kündigungsvorschriften enthalten. Hier geht das Investitionsrisiko auf den Leasingnehmer über, der bei Beschädigung, Verlust o.Ä. gegenüber dem Leasinggeber haftet (Büschgen, H.E., 1998). Ein Markteintritt mittels internationalen Leasings bietet sich an, wenn die potenziellen ausländischen Nachfrager nicht die finanziellen Mittel für einen Direktkauf besitzen oder diesen aufgrund von Wechselkursrisiken nicht tätigen wollen. Hohe Einfuhrzölle können ebenfalls von einem Kauf abschrecken (Meffert, H./ Burmann, C., 2010). Weitere Vorteile können steuerlicher oder strategischer Natur sein, etwa wenn eine langfristige Kapitalbindung vermieden werden soll, um sich beispielsweise Rückzugsoptionen offenzuhalten (Dülfer, E./ Jöstingmeier, B., 2008). Nachteile können in Kapitaltransferbzw. Währungsrisiken bestehen, besonders wenn die Leasingnehmer in Entwicklungsländern ansässig sind. Auch Gewährleistungs- und Wartungsrisiken betreffen besonders internationale Leasingverträge mit Partnern dieser Regionen (Perlitz, M., 2002). Weitere Nachteile können in steuerrechtlichen Problemen (Hartmann, P., 2000), länderspezifischen Zulassungsverord- <?page no="425"?> 402 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement nungen oder einer komplizierten Bonitätsprüfung des potenziellen Leasingnehmers bestehen (Meffert, H./ Burmann, C., 2010). (4) Internationale Franchising-Verträge Beim Franchising wird eine auf Dauer angelegte vertragliche Zusammenarbeit zwischen rechtlich selbstständigen Unternehmen vereinbart. Der Franchisenehmer kann gegen die Zahlung von Franchisegebühren und unter genau festgelegten Bedingungen Rechte des Franchisegebers nutzen. Hierunter fallen typischerweise die Benutzung von Marken und Firmennamen, die Erzeugung bzw. der Vertrieb einer Leistung sowie die Nutzung eines bestimmten Absatzprogramms. Zudem unterstützt der Franchisegeber den Franchisenehmer beim Aufbau und bei der laufenden Betriebsführung (Morschett, D., 2005). Der Franchisegeber hat Vorteile aufgrund der geringen Inanspruchnahme finanzieller und personeller Ressourcen, des standortspezifischen Know-hows des Franchisenehmers, eines raschen Marktzuganges und der rentablen Bearbeitung auch kleinerer Märkte, der Umgehung von Handelshemmnissen sowie eines vergleichsweise sicheren Ertrags bei gleichzeitiger teilweiser Abwälzung des unternehmerischen Risikos (Berndt, R./ Sander, M., 2002). Wichtige Marketingziele wie Produktpositionierung oder Distributionsgrad sind für den Franchisegeber genauso gut zu erreichen wie die Kontrolle über den Einsatz von Marketinginstrumenten durch den Franchisenehmer (Meffert, H., 2008). Nachteile können durch die Kosten der Entwicklung des Franchisesystems oder durch schlecht motivierte Franchisenehmer entstehen, wodurch der erwirtschaftete Ertrag geringer als bei eigener Marktbearbeitung ausfallen oder es zu Imageverlusten kommen kann. Ein weiteres Problem kann der Know-how-Abfluss in Verbindung mit einem „Moral Hazard“-Verhalten darstellen, wenn der ehemalige Franchisenehmer zum Wettbewerber wird, den der Franchisegeber selbst aufgebaut hat (Morin, K.P., 2001). Zu den Vorteilen für den Franchisenehmer zählen vergleichsweise geringe Kosten und Risiken durch Adaption eines eingeführten Unternehmenskonzeptes, oftmals Gebietsschutz, ein verbessertes Unternehmens- und Produktimage und höhere Verbraucherakzeptanz. Zudem kann er von Marketingmaßnahmen des Franchisegebers profitieren und von diesem auch betriebswirtschaftliches, kaufmännisches und technisches Wissen nutzen. Nachteilig ist für den Franchisenehmer jedoch die Betroffenheit von möglichen Fehlentscheidungen des Franchisegebers. Zudem muss er unternehmerisches Risiko übernehmen trotz eines geringen Einflusses auf die Geschäfts- und Produktpolitik und trotz der latenten Gefahr der Kündigung des Franchisevertrages, wenn der Franchisegeber das erfolgreich angelaufene Geschäft selbst betreiben will (Belew, D., 2000). (5) Internationale Lizenzverträge Eine Lizenz ist das Nutzungsrecht an einer rechtlich geschützten oder ungeschützten Erfindung bzw. Technologie, das einem Unternehmen vertraglich eingeräumt wird (Morschett, D., 2005). Im Lizenzvertrag werden zwischen den rechtlich und wirtschaftlich selbststän- <?page no="426"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 403 digen Vertragspartnern der Gegenstand, das Lizenzgebiet, die Lizenzform und die Art und Höhe der vom Lizenznehmer zu entrichtenden Lizenzgebühr festgelegt (Sjurts, I., 2000). Letztere kann vielerlei Formen annehmen, beispielsweise neben einer pauschalen Zahlung („Lump sum fee“) verschiedene variable Komponenten („Royalties“). Zudem gibt es folgende weitere Möglichkeiten der Abgeltung: Lieferungen und Leistungen aus der Lizenzproduktion, Abnahme von Lieferungen und Leistungen des Lizenzgebers, Nutzungsrechte an Patenten bzw. ungeschütztem Know-how („Cross licensing“) oder Kapitalanteile am Unternehmen des Lizenznehmers (Scherm, E./ Süß, S., 2007). Die genannten Komponenten können miteinander kombiniert werden. So findet man in der Praxis häufig eine Kombination von Umsatz- und Pauschalgebühr. Zu den Vorteilen einer Lizenzvergabe zählen die Einsparung von Management- und Kapitalressourcen, die Erschließung neuer oder blockierter Auslandsmärkte, z.B. durch Umgehen tarifärer und nichttarifärer Handelshemmnisse, und die Vertrautheit des Lizenznehmers mit den lokalen Gegebenheiten. Auch eine Begünstigung durch ausländische Regierungen, geringere politische Risiken von Enteignungen bzw. Transferbeschränkungen oder die bessere Nutzung und schnellere Amortisation von F&E-Investitionen sprechen für die Lizenzvergabe (Schanz, K.-U., 1995). Ein wesentlicher Nachteil von Lizenzverträgen besteht in der Gefahr, dass der Lizenznehmer nach Beendigung des Vertrages zu einem Wettbewerber wird und das erhaltene Know-how gegen den ehemaligen Lizenzgeber einsetzt, gegebenenfalls sogar auf dessen Heimatmarkt (Porter, M.E., 2010; Söllner, A., 2008). Ein weiterer Nachteil ist die mangelnde Kontrollierbarkeit des Lizenznehmers betreffend Produktqualität und Vertragstreue. Damit einher geht die Gefahr von Missbrauch und unautorisierter Wissensdiffusion. Des Weiteren stellen ein möglicher Image- und Goodwill-Verlust des Lizenzgebers, ein möglicher Verlust der Lizenzgebühren durch eine Währungsabwertung im Gastland und ein erschwerter späterer Markteintritt im betreffenden Gastland weitere Nachteile dar (Belew, D., 2000). (6) Internationale Subcontracting-Abkommen Bei internationalen Subcontracting-Abkommen (auch „Auftragsfertigung“, „Contract Manufacturing“, „Lohnveredelung“, „Offshore-Produktionsabkommen“) erstellt ein ausländisches Unternehmen - meist aus Billiglohnländern - Produkte im Auftrag eines inländischen Unternehmens. Hierbei kann es sich um die Vorproduktion von Komponenten oder die Endmontage bzw. die Veredelung angelieferter Vorprodukte handeln (Schwerk, A., 2000). Dabei werden die Produktionseinrichtungen grundsätzlich vom Auftragnehmer gestellt (Belew, D., 2000). Allerdings ist es häufig erforderlich, dass der Auftraggeber das Produkt- und Fertigungs-Know-how sowie Teile der Produktionseinrichtungen bereitstellt, um die Einhaltung von Qualitätsstandards zu gewährleisten (Rumer, K., 1994). Im Gegensatz zu Lizenz- oder Franchiseverträgen bleibt der Vertrieb beim Subcontracting in der Hand des Auftraggebers. <?page no="427"?> 404 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Vorteile des Subcontracting sind günstigere Materialbzw. Lohnkosten im Ausland, die Vermeidung von Kosten des Exports und von ausgeschöpften Produktionskapazitäten im Inland. Vorteilhaft sind zudem die Vermeidung hoher Investitionskosten und -risiken und ein schneller Marktzugang, da keine eigenen Produktionsaktivitäten im Ausland nötig sind. Ein Nachteil ist - wie bei internationalen Lizenzverträgen - der mögliche Abfluss spezifischen Know-hows verbunden mit der Gefahr, einen potenziellen Konkurrenten heranzuziehen. Ein weiterer möglicher Nachteil besteht darin, die Gewinne mit dem Auftragnehmer teilen zu müssen (Belew, D., 2000). (7) Internationale Management-, Consulting- und technische Hilfsverträge Internationale Managementverträge bezeichnen Kooperationsabkommen, bei denen ein ausländisches Unternehmen („Contracting Firm“) einem Unternehmen im Ausland („Managed Firm“) zeitlich befristet Management-Know-how zur Verfügung stellt, während Letzteres oder ein anderer Kapitalgeber die nötigen Direktinvestitionen tätigt (Belew, D., 2000). Somit sind Management und Eigentum getrennt. Während bei Lizenzverträgen das transferierte Wissen vom Empfänger angewendet wird, setzt hier ein Manager der „Contracting Firm“ seine Fähigkeiten im ausländischen Unternehmen um (Rath, H., 1990). Für die Managementleistungen erhält die „Contracting Firm“ typischerweise einen Ersatz für Personal- und Sachaufwendungen und zusätzlich eine Beteiligung am Erfolg der „Managed Firm“ (Rath, H., 1990). Auch die Option auf eine Beteiligung am lokalen Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt kann vereinbart werden (Scherm, E./ Süß, S., 2007). Managementverträge findet man oft bei Geschäftsbeziehungen mit Entwicklungsländern, wo zwar Kapital und Personal zur Ausführung vorhanden sind, das Management-Know-how aber fehlt (Belew, D., 2000). Wesentlicher Vorteil internationaler Managementverträge ist ein besserer Zugang zu Auslandsmärkten. Ohne die Risiken von Direktinvestitionen können relativ schnell Erträge generiert werden (Kotler, P./ Bliemel, F., 2006). Zudem kann die Auslandspräsenz „secondary benefits“ wie z.B. eine bessere Reputation mit sich bringen, weil die eigene Leistungsfähigkeit auch unter schwierigen Bedingungen unter Beweis gestellt wird (Straatmann, U., 2001). Jedoch können auch hier neue Wettbewerber herangebildet werden, die nach Vertragsende die eigene Stellung im Markt schwächen können (Belew, D., 2000). Eng verwandt mit internationalen Management-Verträgen sind internationale technische Hilfsverträge, die insbesondere bei Geschäftsbeziehungen mit Entwicklungsländern Bedeutung haben. Sie umfassen in der Regel die technische Beratung bei der Entwicklungsplanung von industriellen Projekten, die Ausarbeitung technischer Gutachten, die Projektierung und Errichtung von Anlagen, technische Schulungen und Investitionsgüterlieferungen. Oft besitzt der ausländische Partner keine eigenen Fachkenntnisse, so dass es sich bei technischen Hilfsverträgen um eine fachliche Beratung handelt, die nicht unbedingt ein gewerbliches Spezialwissen erfordert. <?page no="428"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 405 Der Übergang von internationalen Managementzu Consultingverträgen verläuft fließend. Jedoch verweist Schlüter darauf, dass Letztere in erster Linie „die Inanspruchnahme einer Beratungsleistung durch Dritte“ bedeuten (Schlüter, A., 1987). Zwar kann dies auch zu einer dauerhaften und weitreichenden internationalen Zusammenarbeit führen, aber im Gegensatz zum Managementvertrag verbleibt die letztendliche Entscheidungskompetenz bei der Geschäftsführung des beratenen Unternehmens. (8) Kooperation im Rahmen des internationalen Projektmanagements Das internationale Projektmanagement betrifft zumeist Infrastrukturmaßnahmen, den Bau von Flugzeugen, von Industrieanlagen, die Bereiche Raumfahrt und Wehrtechnik, die Institutionengründung oder die Erbringung von Dienstleistungen (Grün, O., 1998). Die Ausführung des Projektes kann mit einer Generalunternehmer- oder einer Konsortialstruktur erfolgen. Ein Generalunternehmer bestimmt alle unternehmerischen Aktivitäten, auch bzgl. der Zusammenarbeit der Partner untereinander, und haftet eigenverantwortlich gegenüber dem Auftraggeber. Im Bereich des Anlagenbaus handelt es sich hierbei oft um die bereits erwähnten „Turnkey“-Projekte, bei denen der Generalunternehmer die Anlage in schlüsselfertigem Zustand übergibt. Bei einer Konsortialstruktur arbeiten alle Partner eigenverantwortlich unter der Federführung eines Konsortialführers zusammen. Dieser hat zwar einen höheren Koordinierungsaufwand als der Generalunternehmer, haftet aber nur für die selbst erbrachte Leistung (Perlitz, M., 2002). Typische Vorteile des internationalen Projektmanagements sind die Umgehung von „local-content“-Vorschriften und die Erschließung zusätzlicher Betätigungsfelder (Straatmann, U., 2001). Beim internationalen Projektmanagement sind insbesondere folgende möglichen Problemfelder zu beachten: geologische Gegebenheiten, verfahrenstechnische Fragen, Risiken hinsichtlich höherer Gewalt, der Fertigstellung, des Betriebs, des Preises, des Absatzes und des Wechselkurses sowie Probleme aus dem politischen Umfeld. Deshalb hat ein umfassendes Risikomanagement beim internationalen Projektmanagement große Bedeutung (Backhaus, K., 1989). 3.2.2 Internationale Gemeinschaftsunternehmen Beim internationalen Gemeinschaftsunternehmen sind die Kooperationspartner Gesellschafter des Unternehmens und sie legen den gemeinsamen Unternehmenszweck und die allgemeine Geschäftspolitik fest. Gemeinschaftsunternehmen können auf Dauer angelegt sein oder von vornherein einer zeitlichen Begrenzung unterliegen. Wesentliches Merkmal von Gemeinschaftsunternehmen ist somit eine vertraglich vereinbarte gemeinsame Führung einer rechtlich selbstständigen Unternehmung durch zwei oder mehrere rechtlich und wirtschaftlich voneinander getrennte Unternehmen. <?page no="429"?> 406 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Für die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen ist es wichtig, dass die Partner ein gemeinsames Unternehmenskonzept entwickeln. Dessen wesentliche Punkte sind (Perlitz, M., 2002): Wirtschaftlichkeitsanalyse, Zielsetzung und strategische Grundausrichtung, Controllingsystem, finanzielle Ausstattung, Sachmittelausstattung, Ausstattung mit immateriellen Gütern und Personalausstattung. Die Kapitalbeteiligung der einzelnen Partner kann unterschiedlich hoch sein. Einzelne Gesellschaften können eine Minder- oder Mehrheitsbeteiligung halten. Auch Minderheitsbeteiligungen sind hierbei in jedem Falle eine Direkt- und keine Portfolioinvestition. Ebenfalls möglich ist eine paritätische Aufteilung der Gesellschaftsanteile (sog. „klassisches Joint Venture“). Im internationalen Kontext bestimmen oft Ländergesetzgebungen über die Höhe möglicher Beteiligungen. Beim „klassischen Joint Venture“ besitzen die Partner paritätische Kapital- und Stimmrechtsanteile am gemeinsamen Unternehmen. Dies impliziert einerseits eine Gleichstellung der Partner bzgl. des Risikos und der Geschäftsführung. Andererseits treten oftmals Entscheidungskonflikte auf, etwa wenn sich die Partner über die strategische Ausrichtung des Joint Ventures uneinig sind (Backhaus, K./ Voeth, M., 2010). Deshalb müssen die Organe des Joint Ventures (Geschäftsführung, Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat), deren Geschäftsbefugnisse sowie deren personelle Besetzung genau geregelt werden. Joint- Venture-Verträge werden häufig durch Kapazitätsbindungen und Marktabsprachen, soweit diese rechtlich zulässig sind, ergänzt. Hinzu kommen in der Praxis regelmäßig Abmachungen über Darlehensvergaben, Lizenzgewährungen und Lieferverpflichtungen. Zentrale Voraussetzung für den Erfolg von Joint Ventures ist, dass beide Partner Synergieeffekte generieren können. Aufgrund der Komplexität von Joint Ventures und der Gefahr eines Vertrauensverlustes sollten bereits im Joint-Venture-Vertrag Mechanismen für mögliche Konflikte vereinbart werden (Perlitz, M., 2002). Folgende Vorteile internationaler Joint Ventures lassen sich aufzählen: geringerer Kapitalaufwand und geringeres Risiko als beim Alleingang, Umgehung von „local-content“-Vorschriften und anderen Handelshemmnissen, Zugang zu regionalen Ressourcen, <?page no="430"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 407 Umgehung von Regelungen, die im Gastland die Gründung von Tochtergesellschaften oder den Kauf inländischer Unternehmen untersagen, Schaffung oder Veränderung von Marktbarrieren, Imagevorteile und Inanspruchnahme von Förderprogrammen oder Subventionen im Gastland. Dem stehen folgende Nachteile entgegen: hohe Kontroll- und Steuerungsaufwendungen, potenzielle Zielkonflikte, Konflikte bei der Marketingstrategie oder der Gewinnverwendung, soziokulturelle Differenzen, Verlust von Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten und langsame Anpassung des Joint Ventures an marktliche, politische oder rechtliche Veränderungen (Scherm, E./ Süß, S., 2007; Belew, D., 2000). Die Integration unterschiedlicher Unternehmenskulturen stellt bei internationalen Gemeinschaftsunternehmen eine zentrale Herausforderung dar. Deshalb ist hier sehr viel Sensibilität im Umgang miteinander gefordert. Letztlich muss überdacht werden, was im Falle einer Auflösung oder des Ausscheidens von Partnern aus dem Gemeinschaftsunternehmen im Einzelnen geschehen soll. Auftretende Bewertungsprobleme oder mögliche Werte der frei werdenden Anteile sollten bereits in der Gründungsphase geregelt werden (Perlitz, M., 2002). 3.2.3 Weitere Ausprägungsformen internationaler Kooperationen (1) Internationale strategische Allianzen Unter einer strategischen Allianz versteht man eine zwischenbetriebliche Kooperation, die durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist (Müller-Stewens, G., 1993): die Partnerunternehmen bleiben rechtlich selbstständig, sie stellt eine Zwischenform zwischen einer Konzern- und einer Marktkoordination der betrieblichen Aktivitäten dar, Teile der Entscheidungsautonomie der beteiligten Partnerorganisationen werden an die Kooperationsinstanz abgegeben, sie ist von vornherein auf die Erreichung eines bestimmten Zieles und nicht auf Dauer angelegt und oft sind nur Teile der beteiligten Organisationen in die Umsetzung des gemeinsamen Vorhabens direkt einbezogen. <?page no="431"?> 408 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Internationale Strategische Allianzen ermöglichen den beteiligten Unternehmen die Nutzung dauerhafter Größenvorteile durch das Generieren von Skalen- und Verbundeffekten sowie Erfahrungskurvenvorteile bei der gemeinsamen Leistungserstellung. Zeitliche Vorteile beim Markteintritt, die häufig über Erfolg oder Misserfolg entscheiden, ergeben sich durch verkürzte F&E-Zeiten und eine schnelle (globale) Produkteinführung (Belew, D., 2000). Auch lassen sich Vorteile durch die gemeinsame Nutzung von knappen finanziellen und personellen Ressourcen erzielen, über die das einzelne Unternehmen so nicht verfügen könnte und die, besonders bei den immer höheren Aufwendungen im F&E-Bereich, für die Unternehmen eine große Rolle spielen (Welge, M.K./ Al-Laham, A., 2012). Durch die Aufteilung des Ressourceneinsatzes können sich die Partner ihre Beweglichkeit bzw. Flexibilität erhalten. Dasselbe gilt auch für die Verteilung der vorhandenen Risiken des Markteintritts und der -bearbeitung auf die Mitglieder der Allianz (Bühner, R., 2004). Nachteile internationaler Strategischer Allianzen können im Verlust der eigenen Handlungsfreiheit bestehen. Die hohen Koordinationsanforderungen, die internationale Strategische Allianzen bei der Planung, Organisation und Kontrolle an das Unternehmen stellen, müssen Berücksichtigung finden (Waning, T., 1994). Dies trifft besonders auf große Unternehmen zu, die oftmals in zahlreichen Allianzen unterschiedlicher Geschäftsbereiche (Dyer, J.H./ Kale, P./ Singh, H., 2001) eingebunden sind und ohne ein wirksames Allianzmanagement weder Überblick noch Kontrolle über die jeweiligen Aktivitäten haben (Bamford, J./ Ernst, D., 2002). Zudem können Interessenbzw. Zielkonflikte das Anreiz-/ Beitrags- Gleichgewicht stören (Lutz, V., 1993). Selbst bei einer anfänglich gegebenen Zielharmonie können später Zieldivergenzen auftreten (Gahl, A., 1991). Diese entstehen bspw. durch unterschiedlich schnelle Lernprozesse. So kann es zwischen den Partnern zu einer Nivellierung der Stärken-/ Schwächenprofile oder einer Verschiebung der relativen Machtpositionen kommen, weil der schneller Lernende seine Angewiesenheit auf den Partner senken und somit seine Position innerhalb der Kooperation ausbauen kann (Lutz, V., 1993). Hieraus resultiert die Gefahr der Dominanz der Allianz durch einen der Partner. Solche Konstellationen enden oft mit einem Misserfolg oder der Übernahme bzw. der Verdrängung des schwächeren Partners (Perlitz, M., 2002; Gahl, A., 1991). Ist die Gleichberechtigung der Partner erst einmal gestört, kann es ferner zur Ausnutzung eines Partners durch den anderen kommen (Bronder, C./ Pritzel, R., 1991). In diesem Zusammenhang ist die Gefahr der ungewollten Know-how-Diffusion besonders groß. Dies kann im Falle einer Allianzauflösung tief greifende Auswirkungen auf das zukünftige Wettbewerbsverhältnis der ehemaligen Partner haben (Gahl, A., 1991). (2) Internationale virtuelle Unternehmen Ein virtuelles Unternehmen ist eine Kooperation von Unternehmen, die sich auf Basis eines gemeinsamen Geschäftsverständnisses zusammenschließen, um zeitlich begrenzte Wettbewerbschancen zu nutzen (Engelhard, J., 1999). Dies geschieht durch das Einbringen der jeweiligen Kernkompetenzen. Die beteiligten Unternehmen treten gegenüber Dritten <?page no="432"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 409 wie ein einheitliches Unternehmen auf, obwohl sie räumlich und rechtlich voneinander getrennt sind (Fink, D.H., 1998). Mithilfe geeigneter Informations- und Kommunikationstechnologie („IKT“) wird auf die Einrichtung eigenständiger zentraler Managementfunktionen verzichtet. Ein sog. „Makler“ wählt Partnerunternehmen aus und übernimmt wichtige Marketing- und Koordinationsfunktionen. Letztere setzen auf moderne IKT und das Vertrauen unter den Beteiligten. Um dem Problem einer möglichen Vertrauensunsicherheit zu begegnen, sind die Ziele der Zusammenarbeit, die Regelung finanzieller und rechtlicher Fragen, die Kontroll- und Sanktionsmechanismen und die Vorgehensweise bei Auflösung des virtuellen Unternehmens zu regeln (Eigeldinger, A., 2001; Markus, M.L./ Manville, B./ Agres, C., 2000). Ein weiteres Merkmal virtueller Unternehmen ist die Prozessorientierung: Im Gegensatz zu anderen Organisationsformen existieren im virtuellen Unternehmen keine starren Funktionsbereiche. Die virtuelle Unternehmung stellt eine Dominanz der Ablaufüber die Aufbauorganisation dar (Müller, T., 1997). Zu den Vorteilen virtueller Unternehmen zählen die Anpassung des Geschäftsprozesses an die Marktbedingungen, eine hohe Flexibilität sowie beschleunigte Innovationen und Produktentwicklungen, die Bündelung von Kernkompetenzen und die Aufteilung der notwendigen Ressourcen. Es kommt somit zu Senkungen der Kosten und Risiken bei den einzelnen Unternehmen (Bea, F.X./ Jägle, E., 2002; Brütsch, D., 1999). Virtuelle Unternehmen bieten aufgrund ihrer Flexibilität die Möglichkeit, in bestehenden Märkten Leistungspotenziale besser auszunutzen. Dies gilt insbesondere auch für kleinere und mittlere Unternehmen, denn die Größe der virtuellen Unternehmung bestimmt sich nicht über herkömmliche Kriterien wie Mitarbeiteranzahl oder Anzahl der Niederlassungen (Scholz, C., 1994b). Nachteile bestehen hingegen auch hier in der Gefahr eines unkontrollierbaren Knowhow-Abflusses. Zudem besteht eine Abhängigkeit von der eingesetzten IKT. Diese kann beim Ausfall zentraler Systemkomponenten, beispielsweise durch Software-Viren, gravierende Folgen haben. Bei mangelnder Absicherung kann es ferner zu unberechtigten Zugriffen Dritter auf wettbewerbsrelevante Informationen kommen. Hohe finanzielle Schäden können insgesamt die Folge sein. Weitere Probleme beziehen sich auf rechtliche Fragen wie z.B. Haftung oder Gewinnverwendung (Bea, F.X./ Jägle, E., 2002). (3) Internationale E-Business-Kooperationen Die Definitionen von E-Commerce (vgl. auch Kapitel Internationales Marketingmanagement) reichen vom Online-Verkauf von Gütern und Dienstleistungen (Kotler, P./ Bliemel, F., 2006) bis hin zu „der Unterstützung von Geschäftstransaktionen, Geschäftsprozessen sowie der Beziehungen zu sämtlichen internen und externen Partnern eines Unternehmens durch IKT“ (Haertsch, P., 2000). Letztere, weitere Begriffsfassung ist für das internationale Kooperationsmanagement eher angebracht. In diesem Sinne ist dann auch von „E-Business“ die Rede (Willcocks, L.P./ Plant, R., 2001). Eine gängige Unterscheidung ist je nach Verbindungsart „Business- <?page no="433"?> 410 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement to-Business“, „Business-to-Consumer“, „Business-to-Administration“ und „Consumer-to- Administration“ (Haertsch, P., 2000; Reppegather, S., 2002). Für Unternehmen bestehen folgende Möglichkeiten zur internationalen E-Business- Kooperation: Elektronische Marktplätze, auf denen Unternehmen oder Endkunden weltweit Produkte und Dienstleistungen handeln können. Diese bieten sich besonders für standardisierte Produkte und Dienstleistungen mit geringen Transportkosten an, wie z.B. bei Halbleitern (Reppegather, S., 2002). Rohmaterialien oder Vorprodukte können mittels „E-Procurement“ kooperativ beschafft werden. Hierbei werden die nötigen Schritte wie z.B. regelmäßige Bestellvorgänge gemeinsam online und automatisiert ausgeführt (Dörflein, M./ Thome, R., 2005). Die unternehmensübergreifende Optimierung von Wertschöpfungsketten mittels Supply Chain Management (Wildemann, H., 2001). E-Learning, z.B. bei gemeinsam durchgeführten Schulungen (Neumann, R., 2001). E-Marketing, z.B. durch gemeinsame After-Sales-Services via Internet. Als Vorteile von E-Business-Kooperationen werden Effizienz- und Effektivitätsgewinne, geringere Durchlaufzeiten und Qualitätsverbesserungen aufgrund prozessualer Veränderungen angeführt (Dörflein, M./ Thome, R., 2005; Reppegather, S., 2002). Auch der flexible, schnelle und weltweite Zugang zu mitunter sehr entlegenen Märkten bei gleichzeitig geringem Risiko wird als Vorteil genannt (Bielfeld, M./ Slink, T., 1999). Zudem kann die Gewinnung kundenorientierter Daten beschleunigt und qualitativ verbessert werden. Ein Nachteil von E-Business-Kooperationen ist die schon bei virtuellen Unternehmen thematisierte hohe Technologie-Abhängigkeit. Auch Fragen der rechtlichen Sicherheit werden oft als mögliche Problemfelder angeführt (Knoblauch, J.-P., 2001). 3.3 Internationales Kooperationsmagement mit Hilfe sozialer Netzwerke Die Steuerung globaler Netzwerkstrukturen von Unternehmen kann heute auch durch soziale Medien unterstützt werden. „Unter Social Media werden soziale Netzwerke verstanden, die als Plattformen zum gegenseitigen Austausch von Meinungen, Eindrücken und Erfahrungen dienen. Es handelt sich um soziale Netzwerke, Blogs, Online- und Video-Zusammenarbeit (Hilker, C., 2010). Diese neue Form der Zusammenarbeit über das Internet wird auch als Web 2.0 bezeichnet (Hilker, C., 2010, S. 11). Soziale Netzwerke können z.B. mit folgenden Anbietern aufgebaut und genutzt werden: Facebook Xing <?page no="434"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 411 LinkedIn Twitter Wikipedia Youtube Myspace Flickr Facebook konzentriert sich dabei auf private Kontakte, während Xing und LinkedIn ihren Fokus auf das Anbahnen und die Pflege von beruflichen Kontakten richten. Twitter ist ein Mikroblog, bei dem die Benutzer Beiträge verfassen können, die meist nicht länger als 200 Zeichen sind und in chronologischer Reihenfolge veröffentlicht werden. Mit Hilfe von Wikipedia können Unternehmen über sich selbst berichten oder sich über Konkurrenzunternehmen informieren. Ähnliches gilt für Youtube, wobei hier Videobeiträge im Vordergrund stehen. Myspace ist eine Plattform, auf der sich Nutzer über Videos oder Fotos bzw. über Musik informieren können, aber auch die Möglichkeit besteht, sich mit anderen Nutzern in Verbindung zu setzen. Bei Flickr steht der Austausch von Fotos, die mit Kommentaren versehen werden können, im Vordergrund. Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl von weiteren sozialen Netzwerken, deren Bedeutung zum heutigen Zeitpunkt jedoch noch gering ist. Unternehmen können soziale Netzwerke in vielfacher Art und Weise für eine internationale Kooperation und Kommunikation nutzen. Abbildung 206 fasst die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten für Unternehmen zusammen. Abbildung 206: Einsatzmöglichkeiten sozialer Medien für Unternehmen Quelle: In Anlehnung an Hilker, C., 2010 <?page no="435"?> 412 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Hierbei werden sechs Bereiche unterschieden, bei denen soziale Netzwerke geeignet sind, Unternehmen in deren Aufgaben zu unterstützen. Für international tätige Unternehmen eignen sich soziale Netzwerke besonders gut, da soziale Netzwerke weltweit ausgenutzt werden können und somit wenig länderspezifische Kosten der Kommunikation auftreten. Darüber hinaus können Unternehmen mit sozialen Medien eine Zielgruppenorientierung weltweit so steuern, dass die Kundenmentalität besser berücksichtigt werden kann. Andererseits lassen sich soziale Netzwerke von Unternehmen nur sehr schwer kontrollieren. Positive, aber auch negative Nachrichten oder Meinungen können in sozialen Netzwerken sehr schnell ausgetauscht werden und wenn eine Diskussion erst einmal gestartet ist, kann sie nur begrenzt von Unternehmen gesteuert werden. Der erste Bereich in Abbildung 206, der durch soziale Netzwerke unterstützt werden kann, ist die Geschäftsführung. Hier können soziale Medien die Meinungsbildung über Unternehmen beeinflussen bzw. Aufmerksamkeit generieren. Als Medien sind hier insbesondere Blogs, Twitter, Facebook oder Fanseiten zu nennen. Fanseiten stellen dabei Portale dar, auf denen Nutzer ihre Ansichten über ein Unternehmen, ein Produkt oder eine Dienstleistung niederschreiben können. Eine besondere Bedeutung spielen die sozialen Medien im Marketingbereich. Da die sozialen Netzwerke in englischer Sprache aufgebaut werden können, ist es möglich, sie weltweit einzusetzen, ohne große Anpassungsmaßnahmen vornehmen zu müssen. Verschiedene Zielgruppen können dabei in unterschiedlicher Form angesprochen werden. Daneben sind auch Einzelansprachen möglich. So kann z.B. ein weltweit tätiges Unternehmen bei Facebook eine Fanseite einrichten und damit weltweit eine Marketingkampagne starten. Das ist in der Regel billiger als über andere Medien wie z.B. Fernsehen, Presse oder Radio Marketing für ein Unternehmen zu betreiben. Darüber hinaus steht dieses Medium 24 Stunden pro Tag zur Verfügung. Auch über Youtube können Videos über Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens eingestellt werden, um damit Marketingkampagnen zu unterstützen. Über Blogs oder Twitter können interessierte Nutzer direkt angesprochen und damit ganz aktuelle Informationen gezielt verbreitet werden. Des Weiteren dienen soziale Netzwerke auch dazu, dass neue Vertriebskanäle aufgebaut werden können und durch die unmittelbare Ansprache eine stärkere Nutzung dieser Kanäle ermöglicht wird. Rich Media und eine interaktive Werbung ermöglichen es Unternehmen, gezielt auf Kundenbedürfnisse einzugehen. Auch der Vertrieb kann durch soziale Netzwerke weltweit unterstützt werden. Durch Plattformen bei Facebook können neue Kunden gewonnen werden. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem „gefällt mir“-Button zu. Auch eine Direktansprache durch Twitter oder Xing ermöglicht den Aufbau neuer Vertriebskanäle. Online-PR oder die Einrichtung von Newsrooms mit Rich Media kann die Public Relationsarbeit von international tätigen Unternehmen weltweit unterstützen. Rich Media versetzen Unternehmen in die Lage, interaktiv mit den Nutzern zu kommunizieren. <?page no="436"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 413 Auch die Marktforschung kann durch soziale Netzwerke unterstützt werden. Durch Kommentarfunktionen wie z.B. bei Blogs, Youtube oder Amazon können sich Unternehmen darüber informieren, wie ihre Leistungen am Markt angenommen und bewertet werden. Diese Kommentarfunktionen sind wichtige Hilfsmittel, um das Leistungsspektrum des Unternehmens zu verbessern oder auch neue Ideen zu gewinnen. Interessant sind auch Berichte von Nutzern, die in Videoclips die Benutzung von Produkten beschreiben oder über Schwierigkeiten informieren, die sie mit der Anwendung des Produktes hatten. Auch in der Forschung und Entwicklung bieten soziale Netzwerke wertvolle Hilfsmöglichkeiten. Einerseits können soziale Medien im firmeneigenen Intranet eingesetzt werden, um neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Auf diese Weise entstehen weltweite Kooperationsformen innerhalb eines Unternehmens, z.B. durch sogenannte Firmenwikis. Diese können sowohl als soziale Medien als auch für eine weltweite Kollaboration eingesetzt werden. Diese ermöglichen es, dass Beiträge gemeinsam gestaltet und verändert werden können. Mitarbeiter der verschiedenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen können so weltweit, ohne dass Zeitunterschiede eine Rolle spielen, an bestimmten Projekten zusammenarbeiten. Ein Beispiel für ein Intranetsystem, das um wesentliche soziale Medien angereichert wurde, gibt es bei IBM. Dort kann jeder Mitarbeiter ein eigenes Profil erstellen. Damit können Gruppen gebildet werden, die an bestimmten Projekten arbeiten und deren Kommunikation auf diese Weise verbessert werden kann. „Durch etwa 20.000 Webkonferenzen mit durchschnittlich 8,3 Millionen Verbindungsminuten im Monat sparen wir außerdem eine erbliche Summe an Reisekosten und reduzieren dadurch gleichzeitig unsere Emissionen“, so ein IBM-Sprecher. Diese Einsparungen vor allem an Reisekosten können einen Wettbewerbsvorteil darstellen und somit von erheblicher Bedeutung sein (Hilker, C., 2010). Andererseits können auch soziale Netzwerke außerhalb eines Unternehmens in die Forchung und Entwicklung eingebunden werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von Crowdsourcing, interaktiver Wertschöpfung oder Open Innovation (Reichwald, R./ Piller, F., 2006). Open Innovation kann mit verschiedenen sozialen Medien durchgeführt werden. So kann z.B. auf Facebook ein Ideenwettbewerb erfolgen, in dem Nutzern die Problemstellung beschrieben und um Lösungsvorschläge gebeten wird. Ein Beispiel für Open Innovation ist die Platform „Innovatewithkraft.com“ des amerikanischen Unternehmens Kraft. Hier werden externe Innovatoren einerseits aufgefordert, Ideen für neue Produkte oder Prozesse einzureichen und andererseits sucht das Unternehmen für bestimme Produkte Verbesserungsvorschläge wie z.B. neue Geschmacksrichtungen bei Keksen. Diese Seiten richten sich an Nutzer in aller Welt und zahlreiche Beispiele, die auf der Webseite beschrieben werden, machen den Erfolg dieser Open-Innovation-Strategie deutlich. Mit Open Innovation haben Unternehmen somit die Möglichkeit, die Kreativität von externen Nutzern der sozialen Netzwerke für ihre Forschung und Entwicklung auszunutzen, um neue Leistungen zu generieren. Es muss aber auch berücksichtigt werden, dass Open Innovation eine nach außen offene Unrternehmenskultur voraussetzt, damit kein „notinvented-here-Effekt“ auftritt. <?page no="437"?> 414 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Bereits im größeren Stile haben sich soziale Netzwerke beim Personalmanagement und hier vor allem beim Personalrecruiting durchgesetzt. Plattformen wie Xing oder LinkedIn haben sich auf diesen Bereich konzentriert und werden auch von Unternehmen zunehmend zum Personalrecruiting genutzt. Sie beinhalten u.a. die Funktion einer Jobbörse. Auch Twitter wird vermehrt in diesen Prozess miteinbezogen. Abbildung 207 zeigt die sozialen Medien, die am stärksten beim Personalrecruiting eingesetzt werden. Problematisch ist dabei, dass Facebook sehr stark in der Praxis nach dieser Untersuchung genutzt wurde. In der heutigen Diskussion wird es jedoch als rechtlich bedenklich angesehen, private Einträge bei Facebook für Personalentscheidungen zu benutzen. Eine entsprechende rechtliche Regelung ist in der EU vorgesehen. Abbildung 207: Einsatz von sozialen Medien für die Personalbeschaffung Quelle: Jobvite (Hrsg.), 2010, S. 2 Schließlich kann auch das Innovationsmanagement von sozialen Medien profitieren. Durch ein zeitnahes Feedback bei Neueinführungen und durch Kundenkommentierungen können Produkt- oder Leistungsanpassungen schneller initiiert und damit Fehlschläge oder Produktfehler schneller beseitigt werden. Auch das Identifizieren der unterschiedlichen Nutzergruppen gemäß der Diffusionstheorie von Rogers (Innovatoren, frühe Übernehmer, frühe Mehrheit, späte Mehrheit, Nachzügler) (Rogers, E.M., 2003) kann mit Hilfe sozialer Medien unterstützt werden. Neben den vielen positiven Möglichkeiten der Nutzung sozialer Netzwerke ist jedoch eine Reihe von Gefahren zu berücksichtigen. Soziale Netzwerke sind von Unternehmen nur begrenzt steuerbar, d.h., schlechte Nachrichten über ein Unternehmen und seine Dienstleistungen verbreiten sich fast zeitgleich über den ganzen Globus und sind dann auch meist nicht mehr zurückzunehmen. Am Beispiel des Unternehmens Nestlé und seines Schokoriegels KitKat soll dies verdeutlicht werden. Greenpeace startete gegen Nestlé eine soziale Medienkampagne bei Youtube und zeigte ein Video, das einem KitKat-Werbespot nachempfunden war. Bei der Herstellung des Schokoriegels verwendete Nestlé Palmöl, für dessen Gewinnung Teile des Regenwaldes abgeholzt werden mussten. Dadurch wurden Lebensräume des Orang-Utan-Affens erheblich beeinträchtigt und gefährdet. Aufgrund der negativen Reaktionen vieler Verbraucher auf diese Information wollte Nestlé eine offizielle Stellungnahme zu dem Thema <?page no="438"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 415 abgeben. Nestlé leitete als Antwort auf das Video, das einem KitKat-Werbespot nachempfunden ist, eine Urheberrechtsklage gegen Greenpeace ein und verlangte, die Verbreitung des Videos zu stoppen. Auch auf der Facebook-Seite von Nestlé und KitKat wurden die kritischen Stimmen immer lauter. Die zuständigen Mitarbeiter schienen mit der Situation überfordert und fingen an, kritische Beiträge zu löschen, und schließlich wurde die KitKat- Facebookseite für einige Zeit stillgelegt. Als Fazit dieser sozialen Medienkampagne von Greenpeace erlitt Nestlé einen erheblichen Imageschaden, die Umsatzzahlen des Schokoriegels sanken enorm und über 200 Artikel zu dem Thema wurden im Internet und in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht (Hutter, T., 2010). Jüngstes Beispiel über die Bedeutung von Twitter und Youtube ist der Fall von Amazon. Durch den angeblichen Missbrauch von Leiharbeitern wurde auch hier eine negative Imagekampagne gegen Amazon geführt, die zur Entlassung der Leiharbeitsfirma und der Sicherheitsfirma geführt hat. Eine solche Kampagne, insbesondere über Twitter, wird auch „Shitstorm“ genannt und hat Amazon erhebliche Reputationsverluste beschert. Ein weiteres Problem ist die Überschneidung der Privat- und Berufssphäre. Dies ist besonders beim Personalrecruiting relevant und rechtliche Regelungen zum Schutz der Privatsphäre stehen hier noch aus. Auch die Messbarkeit des Erfolgs der Wirksamkeit des Einsatzes von sozialen Medien bleibt weitgehend unerforscht. Darüber hinaus muss das Unternehmen die sozialen Netzwerke pflegen und die Aktivitäten auch durch einen entsprechenden Personaleinsatz unterstützen. Hierfür sind mitunter beträchtliche Ressourcen erforderlich, die bereitgestellt werden müssen. Hilker weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass fehlende oder mangelhafte Ergebnisse beim Einsatz von sozialen Netzwerken oft auf eine zu geringe Ressourcenausstattung bei Unternehmen zurückzuführen sind (Hilker, C., 2010, S. 66). Als letzter Punkt gilt es zu berücksichtigen, dass durch die Offenlegung von bestimmten Unternehmensinformationen in den sozialen Medien und durch Diskussionsforen auch Wettbewerber wichtige Informationen erhalten können, z.B. über Schwachpunkte des Leistungsspektrums eines Unternehmens. Auch im Bereich der Open Innovation können Wettbewerber durch die Ausschreibung der Problemstellung wichtige Produkt- und sonstige Leistungsinformationen gewinnen. Trotzdem stehen Unternehmen hier oft noch am Anfang einer Entwicklung, deren Reichweite bisher noch nicht vollständig absehbar ist und es besteht noch ein erheblicher Forschungsbedarf. Durch die weltweite Verknüpfung der sozialen Netzwerke über das Internet oder das Intranet bieten soziale Medien die Möglichkeit, räumliche und zeitliche, aber auch kulturelle Distanzen zu überwinden. Soziale Netzwerkstrukturen helfen damit Unternehmen, durch <?page no="439"?> 416 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement eine verbesserte Kommunikation und Kooperation ihre komplexen Strukturen optimaler an unterschiedliche interne und externe Bedürfnisse anzupassen. Es bleibt aber festzuhalten, dass manche soziale Medien einen kurzen Produktlebenszyklus aufweisen: So war vor einigen Jahren „Second Life“ eine Plattform, mit der viele Menschen ein Wunschleben führen konnten. Heute ist es sehr ruhig um „Second Life“ geworden. Darüber hinaus kommt es zunehmend zu einer Verbindung zwischen sozialen Medien und Kollaborationsprodukten, die von Softwareunternehmen wie z.B. SAP angeboten werden. Bei den Kollaborationsprodukten werden alle Bereiche erfasst, also auch die Kommunikation über soziale Medien. Heute rückt das Teilen und gemeinsame Nutzen von Wissen, Ressourcen und Erfahrungen als neue Formen der Zusammenarbeit in den Mittelpunkt. Man bezeichnet diese Entwicklung auch als „Shareconomy“. So stand die Cebit 2013 unter dem Generalthema „Shareconomy“. Abbildung 208 stellt diese Entwicklung noch einmal grafisch dar. Abbildung 208: Integration von Kooperationssoftware Aus Abbildung 208 wird ersichtlich, dass ERP-Systeme und soziale Medien immer mehr durch Kollaborationsprodukte verbunden werden und es damit zu einer Integration der Systeme kommt. Letztlich wird diese Entwicklung mit dem Ausdruck „Shareconomy“ beschrieben. In diesem Zusammenhang entsteht ein hohes Innovationspotenzial, das für die Überlebensfähigkeit von Unternehmen notwendig ist. Dies wird einerseits durch eine höhere Flexibilität durch die neuen IT-Lösungen und zum anderen durch eine optimale Unternehmensressourcenplanung (ERP) ermöglicht. <?page no="440"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 417 Fallstudie: Organisation für eine globale Wachstumsstrategie Organisation für eine globale Wachstumsstrategie Michael Demmer, Director Strategy, Global Can, Novelis Inc. Novelis, mit Hauptsitz in Atlanta, Georgia, USA, ist der weltweite Marktführer in der Herstellung von gewalzten Aluminiumprodukten sowie im Recycling von Aluminium- Getränkedosen. Ca. 40 Milliarden Getränkedosen werden von Novelis jährlich wiederverwertet und zur Herstellung neuer Dosenbleche verwendet. Dieser Recycling-Kreislauf kann unendlich weitergeführt werden, da die Qualität von Aluminium im Gegensatz zu anderen Materialien während des Recycling-Verfahrens nicht abnimmt. Novelis ist weltweit tätig mit Werken in zwölf Ländern, rund 11.000 Mitarbeitern und einem ausgewiesenen Umsatz von 10,6 Milliarden US-Dollar im Geschäftsjahr 2011. Novelis fokussiert sein Produktportfolio auf die höherwertigen Segmente der Aluminiumwalzprodukte-Industrie („FRP - Flat Rolled Products“). In diesen Segmenten nimmt Novelis nicht nur nach Umsatz und Produktqualität eine führende Position ein, sondern ist derzeit auch (noch) der einzige Hersteller mit Werken in allen großen Märkten der Welt. Novelis‘ Produktportfolio umfasst im Wesentlichen Aluminium-Walzprodukte für Automotive-Anwendungen, Getränke- und Nahrungsmitteldosen sowie Spezialprodukte für Märkte wie Verpackungen, Transport, Elektronik, Druck und Architektur (bspw. anodisiertes oder lackiertes Aluminium für Gebäudefassaden). Novelis’ Kunden sind insbesondere große und weltweit tätige sowie bekannte Unternehmen wie z.B. Audi, BMW, Daimler, Ford, Jaguar-LandRover, Coca-Cola, Anheuser-Busch- InBev, Ball, Crown, Rexam, Agfa, Fujifilm, Kodak, Samsung, LG, TetraPak. Novelis’ langjährige Kundenbeziehungen sind ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor und erstrecken sich von Entwicklungspartnerschaften, beispielsweise im Automotive-Bereich, bis hin zur Unterstützung geografischer Wachstumspläne von Kunden und damit verbundener Investitionen seitens Novelis in neue bzw. zusätzliche Kapazitäten. <?page no="441"?> 418 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Abbildung 209: Novelis’ Produktportfolio Im Jahr 2011 hat Novelis drei große Investitionsprojekte in derzeitigen Stammregionen von insgesamt ca. $ 900 Mio. angekündigt, welche primär auf Wachstumsplänen von Kunden basieren - $ 300 Mio. in Brasilien, $ 400 Mio. in Korea sowie $ 200 Mio. in Nordamerika. Novelis hat außerdem im April 2012 den Bau des ersten Werks in China speziell für den Automobilbereich angekündigt. Zu der Investition von $ 100 Mio. in diese hundertprozentige Tochtergesellschaft hat Novelis sich auch Landnutzungsrechte gesichert, die den Bau eines möglichen zukünftigen großen Walzwerks erlauben. Darüber hinaus wird Novelis in den nächsten Jahren weltweit zusätzliche Recycling-Kapazitäten schaffen und entsprechende Investitionen tätigen. Abbildung 210: In 2011 beschlossene Investitionen in Kapazitätserweiterungen Novelis sieht Nachhaltigkeit („Sustainability“) als Grundsatzprinzip und hat sich als Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 die derzeitige Materialeinsatzquote von wiederverwertetem Aluminium von 33% auf 80% zu erhöhen. Um dies zu erreichen, bedarf es Investitionen in Recycling-Kapazitäten und -Technologie sowie gleichzeitig intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Bereich der Prozess- und Produktentwicklung, um die Erhöhung des Anteils an wiederverwertetem Aluminium zu ermöglichen. Um die Verfügbarkeit einer ausreichenden Menge von Aluminium für die Wiederverwertung sicherzustellen, bedarf es einer massiven Erhöhung der Recycling-Raten in vielen <?page no="442"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 419 Ländern der Welt und dies in verschiedensten Anwendungsbereichen von Aluminium- Walzprodukten. Während der Recycling-Zyklus einer Aluminium-Getränkedose von der Herstellung über den Verkauf, Konsum und Recycling wieder zurück zur Herstellung 60 Tage benötigt, sind die Produktlebenszyklen in anderen Marktsegmenten wie beispielsweise Automobilen wesentlich länger, was die Verfügbarkeit von Aluminium zum Recycling einschränkt. Ein Schlüssel zur erfolgreichen Steigerung von Recycling-Raten sieht Novelis in der Aufklärung von Konsumenten, was die prinzipiellen ökologischen Eigenschaften von Metallen und insbesondere Aluminium angeht. Beispielsweise werden bei der Herstellung von Aluminium-Blechen aus recycliertem Aluminium nur 5% der Energie benötigt, welche bei der Herstellung desselben Produktes aus Primär-Aluminium (aus Bauxit gewonnenem Aluminium) notwendig ist. Gleichermaßen erzeugt die Wiederverwertung von Aluminium 95% weniger Treibhausgase als die Produktion von Primär-Aluminium. Wettbewerb & Marktentwicklung Die kapitalintensive Aluminium-Walzprodukte-Industrie ist geprägt von wenigen überregional bis global agierenden Unternehmen und einigen kleineren Wettbewerbern im derzeit noch fragmentierten asiatischen Markt, welcher auch das größte weltweite Wachstum in verschiedenen Segmenten aufweist. Abbildung 211: Der globale Aluminium-Walzprodukte-Markt nach Wettbewerbern Quelle: CRU Industry Research Group, Novelis Schätzungen 2011 <?page no="443"?> 420 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Abbildung 212: Aluminium FRP Industrie Wachstum nach Region; CAGR = Compound Annual Growth Rate; durchschnittliche Wachstumsrate pro Jahr über einen längeren Zeitraum Quelle: CRU, Novelis Schätzungen 2011 Strategie & Unternehmensentwicklung Novelis entstand 2005 als abgespaltenes Unternehmen von Alcan, welche einen Teil ihrer weltweiten Werke nach der Übernahme von Pechiney in 2004, deren damals größten Wettbewerber, aus wettbewerbsrechtlichen Gründen abgeben musste. Alcan als integrierter Aluminium-Konzern, dessen Portfolio sich von Bauxitminen und der Herstellung von Primär-Aluminium bis hin zur Downstream-Verarbeitung wie Aluminium-Walzprodukte, Strangpressprodukte etc. erstreckte, etablierte Novelis als weltweit aufgestelltes Unternehmen in der Aluminium-Walzprodukte-Industrie mit einem IPO im Januar 2005. Zunächst waren die Netto-Finanzergebnisse von Novelis, auch getrieben von einer hohen Schuldenquote sowie unprofitablen Verträgen, negativ und unterhalb der Erwartungen von Analysten. Jedoch war Novelis fundamental bereits ein Unternehmen mit großem Potenzial aufgrund der bestehenden Anlagen, Technologie, Qualität, Kundenbeziehungen und erfahrenen Mitarbeitern. So wurde Novelis 2007 vom indischen Metallunternehmen Hindalco für $ 6 Mrd. übernommen und ist seitdem in privater Hand. Hindalco ist zwar sowohl im Kupferals auch im Aluminium-Bereich tätig, lässt dem Management von Novelis aber weitgehende Entscheidungsfreiheit und beteiligt sich an der Führung des Unternehmens lediglich durch einen Sitz im Aufsichtsrat. <?page no="444"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 421 Abbildung 213: Ergebnisentwicklung (absolut sowie relativ zum Verkaufsvolumen, gemessen in Tonnen) seit der Etablierung von Novelis in 2005 und Darstellung des Turnarounds seit dem Fiskaljahr 2010 Phil Martens, President & CEO, übernahm 2009 die Führung von Novelis und leitete den vollständigen Turn-around des Unternehmens ein. Er etablierte ein Topmanagementteam und schaffte die neue Rolle des Chief Strategy Officers, welche Erwin Mayr seither innehat. Mayr und Martens entwickelten erstmals eine klare und weitläufig kommunizierte Unternehmensstrategie, welche drei Phasen umfasst und seitdem konsistent vorangetrieben wird. EV = „Economic Value“, EBITDA abzüglich Abschreibungen und Kapitalkosten $ B = „Billion“, Milliarden US-Dollar IRR = „Internal Rate of Return“, Interner Zinsfuß Abbildung 214: Novelis‘ 3-Phasen-Strategie Die drei Phasen der Novelis-Strategie gliedern sich in: (1) „Transform the Business“: Im Anschluss an ein Projekt zur Definition wesentlicher Verbesserungspotenziale von Mitte 2009 bis Anfang 2010 wurde Ende 2010 ein zweijähriges Programm auf- <?page no="445"?> 422 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement gelegt, um das bestehende Potenzial des Unternehmens auszuschöpfen (unter dem Slogan „achieving our full potential“). Diese Programm, genannt „Project Leader“, umfasst alle Unternehmensbereiche, vom Verkauf, über Produktion, Finanzen, Logistik, Personalwesen, bis hin zur Informationstechnologie. Jeder Bereich unterliegt der Verantwortung von zwei Mitgliedern der Unternehmensleitung und es wurden weitläufig kommunizierte Ziele definiert und Programmleiter für einzelne Bereiche festgelegt. (2) „Business Development“: Wachstum durch Business Development umfasst insbesondere organische Wachstumsprojekte und Investitionen zur Kapazitätserweiterung sowie inkrementelle Akquisitionen zum bestehenden Portfolio. Die Projekte sind im Wesentlichen ein Ergebnis des strategischen Planungsprozesses, welcher auf dem Prinzip des wertbasierten Managements („Value Based Management“, auch „VBM-Prozess“ genannt) basiert. (3) „Growth Opportunities“: Die dritte Phase der Novelis-Strategie umfasst mögliche größere Akquisitionen wie solche, welche einen Markteintritt in neue, strategisch erwünschte Geschäftsfelder oder geografische Märkte ermöglichen. Die Phasen der Novelis-Strategie bauen aufeinander auf und neben „Project Leader“ unterstützen weitere neue Initiativen die Strategieimplementierung. Aus „Project Leader“ resultiert beispielsweise das Projekt „Novelis 2.0“, welches die Einführung eines globalen ERP-Systems sowie die Optimierung aller Geschäftsprozesse umfasst. „One Novelis“ - Globale Organisation Entscheidungen wurden bei Novelis historisch primär auf regionaler Ebene getroffen. Die Zentrale delegierte operative Entscheidungen weitgehend an die Regionen und selbst die strategische Planung war ein vorrangig regionaler Prozess. Novelis‘ Unternehmensleitung führte 2009 das Leitmotiv „One Novelis“ ein, was zunächst bedeutete, dass die Unternehmensteile enger zusammenarbeiten und besser abgestimmt werden. Dies war der erste Schritt zu einer stärker zentralisierten Organisation, wobei nicht das Extrem einer vollständigen Zentralisierung verfolgt wurde, sondern eine Balance zwischen Zentralisierung und Regionalisierung, um global koordiniert handeln zu können, ohne zu viel Bürokratie aufzubauen und Entscheidungsprozesse zu verlangsamen. Um die erfolgreiche Umsetzung der Globalisierungsstrategie zu „One Novelis“ zu unterstützen, werden seit April 2011 globale Organisationsbereiche implementiert, zusätzlich zu der bestehenden regionalen Organisation (Nordamerika, Südamerika, Europa und Asien). Die regionalen Managementteams sind unterschiedlich organisiert, teilweise in Business Units oder Value Streams (Die Verantwortlichkeiten von Value Streams orientieren sich am Wertschöpfungsprozess eines Endprodukts; so kann ein einzelnes Werk mehreren <?page no="446"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 423 Value Streams unterstehen, wenn dieses Werk mehrere Produkte produziert) oder auch funktional auf regionaler Ebene. Auf globaler Ebene werden insbesondere eine globale Recycling-Organisation sowie globale kommerzielle bzw. Verkaufsorganisationen für Automotive, Can (Getränke- und Nahrungsmitteldosen) sowie Specialties (Aluminiumbleche für Spezialanwendungen) implementiert. Diese arbeiten in einer Art Matrixorganisation mit und über Regionen hinweg zusammen, um die gesetzte Wachstumsstrategie voranzutreiben. Die globalen kommerziellen Organisationen haben insbesondere die Aufgabe, global einheitliche Standards zu setzen und Entscheidungen zu koordinieren, konsistent mit (globalen) Kunden zusammenzuarbeiten, ein globales Marktverständnis zu entwickeln sowie eine global abgestimmte Produktbereichsstrategie zu entwickeln und umzusetzen. Abbildung 215: Globale Organisation für den Bereich Getränkedose („Global Can“) Die neue Organisationsstruktur mit globalen und regionalen Organisationselementen stellt neue Herausforderungen an Mitarbeiter, insbesondere diejenigen, die nun in einer „Matrix“ arbeiten und sowohl regionalen als auch globalen Berichtslinien unterliegen. Um eine optimale Zusammenarbeit der globalen und regionalen Manager zu ermöglichen, müssen Prioritäten und (Entscheidungs-)Verantwortlichkeiten klar definiert und zwischen regionalen und globalen Entscheidern verteilt werden. <?page no="447"?> 424 • Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement Abbildung 216: Marktwachstumsaussichten der strategischen Marktsegmente von Novelis Fragen zur Fallstudie (1) Nennen Sie wesentliche Bereiche möglicher Konflikte zwischen regionalen und globalen Entscheidern. Beziehen Sie sich dabei auf interne Unternehmensprozesse sowie externe Prozesse, insbesondere in der Interaktion mit Kunden. (2) Welche Optionen sehen Sie, was die Aufteilung von Entscheidungsverantwortlichkeiten zwischen regionalen und globalen Managern angeht? Fokussieren Sie dabei auf die kommerzielle Organisation. (3) Welche Rolle sollten globale und regionale Entscheider spielen, um die Novelis- Wachstumsstrategie weiter voranzutreiben? Betrachten Sie dies sowohl aus der Perspektive des Wachstums in neuen geografischen Märkten (bspw. China) als auch dem Eintritt in ein neues Produkt-Marktsegment. * Hindalco Novelis ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Hindalco Industries Limited, einem der größten integrierten Produzenten von Aluminium in Asien und führendem Kupferhersteller. Das Unternehmen mit Sitz im indischen Mumbai ist einer der kosteneffizientesten Aluminium-Produzenten weltweit. Die Aktie von Hindalco wird an der Bombay Stock Exchange, der National Stock Exchange of India Limited und der Luxemburger Börse öffentlich gehandelt. Hindalco ist das Flaggschiff der Aditya Birla Group, einem multinationalen Mischkonzern in privater Hand mit Aktivitäten in 27 Ländern. <?page no="448"?> Kapitel VI: Internationales Organisations- und Kooperationsmanagement • 425 Literaturempfehlungen Basisliteratur Hill, C., 2010: International Business: Competing in the Global Marketplace, 8., internationale Aufl., New York, [Kapitel 13: „The Organization of International Business“, S. 352-411]. Lasserre, P., 2007: Global Strategic Management, 2. Aufl., Houndmills, [Kapitel 3: „Designing a Global Organization“, S. 69-96]. Kutschker, M./ Schmid, S., 2011: Internationales Management, 7. Aufl., München, [Kapitel 4: „Strategien der internationalen Unternehmung“, S. 491-657]. Vertiefungsliteratur Kieser, A./ Walgenbach, P., 2010: Organisation, 6. Aufl., Schäfer-Poeschel: Stuttgart. Kreikebaum, H./ Gilbert, D.U./ Reinhardt, G.O., 2003: Organisationsmanagement Internationaler Unternehmen, 2. Aufl., Wiesbaden. <?page no="450"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement <?page no="451"?> 428 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement Standpunkt: Schott AG SCHOTT AG SCHOTT ist als internationaler Technologiekonzern in den Bereichen Spezialglas, Spezialwerkstoffe und Spitzentechnologien tätig. Rund 17.000 Mitarbeiter in 40 Ländern erwirtschafteten im Geschäftsjahr 2010/ 2011 einen Weltumsatz von rund 2,9 Milliarden Euro. Die SCHOTT AG ist ein Unternehmen der Carl-Zeiss-Stiftung. www.schott.com Prof. Dr.-Ing. Udo Ungeheuer, Vorsitzender des Vorstandes der SCHOTT AG Prof. Dr.-Ing. Udo Ungeheuer ist promovierter Maschinenbauer (RWTH Aachen). Neben seiner Vorstandstätigkeit ist er Präsident des Bundesverbandes Glasindustrie e.V. (BV Glas) und Mitglied bzw. Vorsitzender mehrerer Beiräte und Aufsichtsräte. 2006 wurde er zum Honorarprofessor der Fachhochschule Mainz bestellt. 1. Welchen Stellenwert hat das Thema „Innovation“ im internationalen Wettbewerb, in welchem SCHOTT sich behaupten muss? Technologische Kompetenz und Innovationskraft haben seit jeher einen hohen Stellenwert für SCHOTT, sie sind wichtige Erfolgsfaktoren und sichern die Zukunft des Unternehmens. Nur durch sie gehören wir mit vielen unserer Produkte zur Weltspitze. Wenn man im globalen Wettbewerb steht und hier dauerhaft erfolgreich sein möchte, muss man ständig Innovationen generieren, um sich von seinen Wettbewerbern abzusetzen und seinen Kunden einen überlegenen Nutzen stiften zu können. Wir streben jeden Tag aufs Neue nach technologischen Spitzenleistungen und neuen Lösungen, um SCHOTT zu einem wichtigen Bestandteil im Leben jedes Menschen zu machen. Dieser Anspruch treibt uns an, seit mehr als 125 Jahren. 2. Sollte die Forschung & Entwicklung eher zentral oder dezentral angesiedelt werden und inwiefern sind die beiden Bereiche hier getrennt zu behandeln? Forschung und Technologieentwicklung muss in einem internationalen Technologiekonzern sowohl zentral als auch dezentral organisiert sein. Zentral für das Know-how, das alle Geschäftsbereiche gemeinsam nutzen, und dezentral für spezifische Applikationsentwicklungen der einzelnen Produktgruppen und in den teilweise sehr unterschiedlichen Märkten. Bei SCHOTT schlägt das Herz der Forschung in Mainz. Das Otto-Schott-Forschungszentrum ist eine der weltweit führenden Einrichtungen für die Glasforschung. Hier arbeiten über 180 Wissenschaftler, Ingenieure und Anwendungsexperten an zentralen For- <?page no="452"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 429 schungsthemen, übergreifenden Fragestellungen und an der Weiterentwicklung des Kern- Know-hows. Daneben betreiben wir an der Schnittstelle zwischen Forschung und Anwendung Kompetenzzentren der einzelnen Geschäftsbereiche und dezentral angesiedelte technische Supportzentren. Sie führen Entwicklungsprojekte vor Ort durch und geben den lokalen Einheiten anwendungstechnische Unterstützung. Dabei agieren sie als Problemlöser sehr nah am Kunden und knüpfen darüber hinaus Netzwerke und Kontakte zu Hochschulen und Forschungseinrichtungen in den betreffenden Regionen. Anwendungsorientierung, zielgerichtete Zusammenarbeit, grenzüberschreitende Netzwerk- und Projektarbeit lauten die Konstanten im Alltag der weltweit über 600 Mitarbeiter, die auf dem Gebiet Forschung und Technologieentwicklung tätig sind - egal ob zentral oder dezentral. 3. Welche Kriterien zieht SCHOTT bei der Auswahl der Länderstandorte von F&E-Einheiten heran? Welchen Stellenwert hat bei der Ansiedlung der F&E die Attraktivität des Landes als Absatzmarkt? Wichtige Entscheidungskriterien sind hierbei natürlich die Bedeutung des Landes als aktueller Absatzmarkt und das zu erwartende Marktpotenzial in der Zukunft. Deshalb haben wir regionale Supportzentren in den Fokusmärkten Europa, Nordamerika und Asien, wobei in Asien vor allem Japan, China und Indien zunehmend an Bedeutung gewinnen. Bei der Standortentscheidung spielt natürlich auch die Qualifikation der lokalen Mitarbeiter eine wichtige Rolle. 4. Werden Nationen wie China oder Indien bezüglich Ihrer F&E-Kompetenz in absehbarer Zeit auf „Augenhöhe“ mit den westlichen Industrienationen sein? China hat sich äußerst dynamisch zu einem Schwellenland mit großen Ambitionen entwickelt, Indien liegt im direkten Vergleich hingegen noch ein Stück zurück. Beide gehören mit ihrem Wirtschaftswachstum zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Und wenn man sich die Bevölkerungen vor Augen führt, dann gibt es in beiden Ländern ein riesiges Potenzial an Talenten, die zunehmend auf dem Niveau der Industrieländer studieren. Vor allem China befindet sich in einer zielstrebigen Aufholjagd. Für uns geht es darum, unseren Vorsprung durch die Stärkung unserer Kernkompetenzen und systematische Innovationsarbeit zu sichern. 5. Wie organisiert SCHOTT Technologieparadigmenwechsel im Konzern, wie werden die internationalen Einheiten eingebunden? Forschung und Technologieentwicklung zielt bei SCHOTT zuallererst auf Anwendung. Deshalb hinterfragen wir unser Produktportfolio ständig. Grundlage hierfür sind die Technologieroadmaps und Strategien unserer Geschäftseinheiten. Diese gleichen wir ab mit unseren Kernkompetenzen, neuen technologischen Entwicklungen, Markttrends, den Wünschen und Anforderungen unserer Kunden und schließlich der Marktfähigkeit und Wirtschaftlichkeit. Haben wir ein Innovationsthema identifiziert, gehen wir mit einem straffen Innovationsmanagement und einem klar strukturierten Innovationsprozess an die Arbeit. Dazu gehören ein Phasenplan mit klaren Zielen und Meilensteinen sowie eine konsequent <?page no="453"?> 430 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement priorisierte Zuweisung von finanziellen und personalen Ressourcen sowie die Bündelung von Kompetenzen. Internationale dezentrale Einheiten werden dann eingebunden, wenn dort vorhandenes Know-how gefragt ist oder wenn es um spezifische Anforderungen der regionalen Kunden und Märkte geht. 6. Welche Themen stellen die größten Herausforderungen für die internationale F&E in der nächsten Dekade dar? Als global agierender Technologiekonzern befinden wir uns in einem permanenten Wettlauf um die führenden Positionen bei Innovationen, Technologien und Marktanteilen. Die Innovationszyklen werden immer kürzer. Deshalb ist es wichtig, marktfähige Innovationen in unseren Kerngeschäften schneller zu entwickeln als der Wettbewerb, aussichtsreiche Zukunftsgeschäfte frühzeitig zu identifizieren und die sich bietenden Chancen wahrzunehmen. Wir haben hier einen sehr hohen Anspruch, denn wir wollen 30 Prozent des Umsatzes mit Produkten erzielen, die weniger als fünf Jahre auf dem Markt sind. Neben der Schnelligkeit gehören die Produktqualität und die Kundenorientierung zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren für unsere Innovationsarbeit. Als Business-to-Business-Unternehmen wollen wir darüber hinaus insbesondere unseren Kunden in endverbrauchernahen Branchen wie zum Beispiel der Hausgeräteindustrie hochwertige Produkte und Lösungen bieten, die ihnen wichtige Differenzierungsmerkmale im Wettbewerb an die Hand geben. Und schließlich gewinnt ein Thema für die Forschung und Technologieentwicklung im Speziellen und für die Unternehmen im Allgemeinen zunehmend an Bedeutung: das Thema Nachhaltigkeit. Es geht darum, neue Technologien und Produkte zu entwickeln, die umweltschonender sind. Doch die Ökologie ist nur ein Aspekt. In allem, was wir als Wirtschaftsunternehmen tun, müssen wir zugleich ökonomisch erfolgreich, ökologisch und sozial verantwortlich handeln. Nur dann agieren wir nachhaltig. Wir sehen dieses Thema als größte Herausforderung für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in der nächsten Dekade. Es geht darum, Globalisierung und Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Ich bin davon überzeugt: Auf Dauer werden nur die Unternehmen erfolgreich sein, die sich an den Prinzipien der Nachhaltigkeit orientieren. <?page no="454"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 431 Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement Das Management der Forschung und Entwicklung (F&E) ist speziell in westlichen Industrieländern in vielen Branchen ein zentraler Bestandteil der Wettbewerbsfähigkeit und findet auch in der Literatur eine große Beachtung (Belderbos, R./ Lykogianni, E., 2008). Zwar verändern sich oft die jährlichen F&E-Aufwendungen aufgrund von Konjunkturzyklen, langfristig zeigt sich jedoch ein stabiler Trend zur kontinuierlichen Investition. Über 30% der Unternehmen planen, 2012 ihre Forschungsausgaben in Prozent vom Umsatz zu erhöhen (Antcliff, R., 2012). Der Erfolg der internationalen Unternehmung hängt heute weitgehend von der Fähigkeit ab, Produkt-, Verfahrens- und Strategieinnovationen effizienter, flexibler und schneller als die Wettbewerber im globalen Umfeld durchzuführen (Perlitz, M., 1993). Damit kommt dem Innovationsmanagement des internationalen Unternehmens - und in diesem Rahmen auch insbesondere dem F&E-Management - eine entscheidende Bedeutung für das Überleben im länderübergreifenden Konkurrenzkampf zu. Dies wird nicht zuletzt durch die Logik der „Internationalen Jagdlinie“ dargestellt: Basierend auf der Dynamik des internationalen Wettbewerbs bleibt den klassischen Industrienationen im Kern nur die Innovation von Prozessen und Produkten als Zukunftsorientierung. 1 Ziele des internationalen F&E-Managements Die Zielsetzung und Ausrichtung des internationalen F&E-Managements muss sich an der allgemeinen Unternehmenspolitik orientieren. Die Ziele der Unternehmenspolitik lassen sich in Sicherheitsziele (langfristiger Bestand des Unternehmens) und in Gewinnbzw. Renditeziele unterscheiden. Die für den F&E-Bereich relevanten Subziele leiten sich aus den allgemeinen Unternehmenszielen ab und konkretisieren sich in den Zielen Effektivität („Tun wir das Richtige? “) und Effizienz („Tun wir es richtig? “). Die Internationalisierung der F&E hilft den Unternehmen, diese Ziele zu erreichen. Folgende Vorteile, die sowohl dem Effektivitätsals auch dem Effizienzziel dienen, können mit einer Internationalisierung der F&E erzielt werden: (1) Zugang zu knappen Ressourcen (infrastrukturelle Vorteile) (a) Verfügbarkeit von Know-how bzw. Forschungspersonal. Durch eine Internationalisierung der F&E kommt es zu einer Agglomeration der Forschungsaktivitäten an gewissen Orten. Ein Beispiel dafür ist das Silicon Valley oder der Forschungscluster der Pharmaindustrie in der Umgebung von Boston. Unternehmen können sich kaum von solchen internationalen Konzentrationstendenzen abkoppeln, wenn sie nicht den Anschluss an die „scientific community“ verlieren wollen. <?page no="455"?> 432 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement (b) Verfügbarkeit von Kapital. Durch die Internationalisierung der F&E wird es dem Unternehmen ermöglicht, lokale Fördermittel oder den Zugang zu dem Venture-Capital-Markt des Gastlandes zu erlangen. Die Förderung durch öffentliche Stellen spielt nach wie vor eine wichtige Rolle bei der Finanzierung von Forschungsaktivitäten (Antcliff, R., 2012). (2) Erhöhung der Marktnähe (a) Nähe zum Kunden. Die Nähe zum Kunden ist insbesondere in dynamischen Branchen und bei einer Strategie der Differenzierung wichtig. Sogenannte „Lead User“ bringen eine höhere Treffsicherheit im lokalen Produktdesign. Die Anpassung der Produkte an die lokalen Erfordernisse erhöht die Marktnähe des Unternehmens. Mitunter bedeutet die Verlagerung der F&E ins Ausland eine Senkung der Produktionskosten durch „low-cost-design“-Entwicklungen. (b) Sicherung des Marktzugangs. Die Notwendigkeit, Local-Content-Vorschriften einzuhalten, erfordert oft die Verlagerung von Entwicklung und Produktion in das betreffende Gastland. Auch das Bestreben, ein „guter Bürger“ des Gastlandes zu sein, kann die Aufnahme einer lokalen F&E erforderlich machen. Ebenso kann das Bestreben, als „Insider“ im Sinne von Ohmae zu gelten, zu einer Verlagerung der F&E in das Gastland führen, da hierdurch das Unternehmensprestige wächst (Ohmae, K., 2006). (3) Kosten- und Risikosenkung (a) Senkung der F&E-Kosten. Durch eine Verlagerung der F&E in Länder mit niedrigen Arbeitskosten ist eine Senkung der F&E-Kosten zu erreichen. So erfolgt z.B. eine Vergabe von Programmieraufträgen in die ehemaligen Ostblockländer oder nach Indien, da dort einerseits Programmier-Know-how vorhanden ist und andererseits die Arbeitskosten niedrig sind. Auch die Ausgliederung von F&E-Aktivitäten nach Großbritannien dient oftmals diesem Zweck. (b) Kosten- und Risikoreduktion durch Forschungsallianzen. Mithilfe von Forschungsallianzen mit ausländischen Unternehmen oder anderen ausländischen Institutionen wie z.B. Großforschungsanlagen oder Universitäten versuchen inländische Unternehmen einerseits ihre F&E-Kosten zu senken und andererseits eine Risikoreduktion zu erreichen. Das Bearbeiten von Forschungsfeldern, die für das einzelne Unternehmen zu teuer wären, wird durch internationale Forschungsallianzen ermöglicht. (4) Umgehung von rechtlichen Restriktionen im Inland Rechtliche Beschränkungen im Inland verhindern oftmals den Zugang zu bestimmten Technologien (z.B. Gentechnologie in Deutschland). Die Internationalisierung der F&E ermöglicht es dem Unternehmen, solche Forschungsfelder zu bearbeiten. <?page no="456"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 433 Das Zielsystem des internationalen F&E-Managements konkretisiert sich letztlich auch in der Grundausrichtung der F&E-Aktivitäten, welche sich in unterschiedlich starkem Maße an den Markterfordernissen der einzelnen Ländermärkte orientieren. Dies gilt insbesondere für die Entwicklung. In einem internationalen Unternehmen kann es sich um eine reine bzw. eine modifizierte Anpassungsentwicklung handeln oder es kann eine zielgerichtete Ausrichtung auf den Weltmarkt erfolgen (Pearce, R.D./ Singh, S., 1992; Krubasik, E./ Schrader, J., 1989; Pearce, R.D., 1989). Abbildung 217 fasst die Vorgehensweisen und die Charakteristika dieser unterschiedlichen Konzepte zusammen. Bei der reinen Anpassungsentwicklung erfolgt eine Ausrichtung der Produktspezifikationen im Wesentlichen auf den Heimatmarkt und es findet keine oder eine nur geringe Berücksichtigung multinationaler Marktanforderungen statt. Die modifizierte Anpassungsentwicklung ist durch eine weitgehende Berücksichtigung internationaler Marktanforderungen bei den Produktspezifikationen gekennzeichnet. Abbildung 217: Anpassungskonzepte der Entwicklung Bei der zielgerichteten Ausrichtung auf den Weltmarkt findet eine Verlagerung von Produktion bzw. Entwicklung unter ständiger Mitwirkung ausländischer Gesellschaften statt. Es wird eine weitgehende Einbeziehung lokaler Anforderungen in das Produktdesign vorgenommen und es erfolgt eine parallele Produktanpassung in der Muttergesellschaft, wenn dies erforderlich ist. Die Ausrichtung des internationalen F&E-Managements leitet sich aus der grundlegenden Länderorientierung der Unternehmung ab. So wird i.d.R. erst eine global orientierte Unter- <?page no="457"?> 434 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement nehmung in der Lage sein, internationale F&E-Zentren effizient zu betreiben. Die Ausrichtung des internationalen F&E-Managements spiegelt sich in seinen Entscheidungsfeldern und Aufgaben wider, nämlich der Planung, Organisation und Führung. Diese Aspekte werden im Folgenden dargestellt. 2 Planung der internationalen Forschung und Entwicklung Die Planung der F&E-Aktivitäten lässt sich hierarchisch in verschiedene Ebenen gliedern. So nimmt z.B. Brockhoff eine Unterteilung in Grundsatz-, strategische, operative und taktische Planung vor (Brockhoff, K., 1999). Es ist unmittelbar einsichtig, dass nicht alle dieser Ebenen von gleichem Interesse für internationale Fragestellungen im F&E-Management sind. Instrumente der operativen und taktischen Planung, wie z.B. Netzplantechniken oder die Projektkostenrechnung, sind mithin von so detailliertem Charakter, dass sie hier keine Beachtung finden sollen. Der Schwerpunkt soll vielmehr auf den Fragestellungen liegen, die für das internationale F&E-Management von herausragendem Interesse oder von originärer Bedeutung sind. Dies sind insbesondere die Standortentscheidung, Make-or-Buy Entscheidung, Festlegung der zukünftigen Forschungsrichtung und internationale Allokation personeller und finanzieller Ressourcen. Das Unternehmen muss im Rahmen seiner strategischen F&E-Entwicklungsplanung auch das zukünftige „Standing“, das die F&E im internationalen Unternehmen einnehmen soll, festlegen. Dies kann nur aus der allgemeinen Unternehmenspolitik abgeleitet werden. Dabei muss das Unternehmen darüber entscheiden, ob es eine Innovations- oder eine Imitationsstrategie verfolgen bzw. seine Schwerpunkte auf die Entwicklung von Produkt- oder Prozessinnovationen legen will. Dabei handelt es sich um Fragen der allgemeinen Unternehmenspolitik, so dass sich hier der internationale Aspekt wiederum über die Standortwahl und die daraus abgeleiteten F&E-Aktivitäten ergibt. 2.1 Strategische Planung Mit der strategischen Planung werden projektunabhängige Rahmenbedingungen festgelegt, die die langfristigen Ziele und Aufgaben des internationalen F&E-Managements beeinflussen. Die gesamten Planungs- und Koordinationsaktivitäten des internationalen F&E- Managements müssen an den allgemeinen Unternehmenszielen und an der globalen Unternehmensstrategie ausgerichtet werden. <?page no="458"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 435 Die Standortwahl in der internationalen Forschung und Entwicklung Einflussgrößen Ähnlich wie beim Produktionsmanagement ist die Standortentscheidung im Rahmen der internationalen F&E von zentraler Bedeutung, da die Leistungserstellung in geringerem Maße mobil ist als bei anderen Funktionsbereichen. Forschungsprojekte sind dort anzusiedeln, wo Spezialisierungs- und Standortvorteile am besten ausgenutzt werden. Durch eine unterschiedliche Professionalisierung der Mitarbeiter der F&E können sich an verschiedenen Standorten des internationalen Unternehmens differenzierte Spezialisierungsschwerpunkte herausbilden. Dies muss bei der internationalen Vergabe von F&E-Projekten im Hinblick auf eine schnelle und gute Aufgabenbewältigung berücksichtigt werden. Bei der Standortwahl der internationalen F&E ist eine Reihe von Kriterien zu beachten. Zunächst muss überprüft werden, ob eine Nähe zu anderen Funktionsbereichen (z.B. Beschaffung, Produktion, Absatz) erforderlich ist. Daneben muss die technologische (z.B. Infrastruktur), rechtliche (z.B. lokales Patentrecht) und wirtschaftliche Situation (z.B. Forschungsförderung) des Standortes berücksichtigt werden. Weiterhin ist zu überprüfen, ob die geografische Nähe zu Kunden notwendig ist (z.B. die Benutzung eines Landes als Testmarkt). Auch die Verfügbarkeit von Ressourcen (Forschungspersonal, Kapital) beeinflusst die Standortwahl für die internationale F&E. Im Hinblick auf ein effizientes internationales F&E-Management ist oft eine Mindestgröße der F&E-Abteilungen notwendig. Die Fixkostendegressionseffekte, die sich im F&E-Bereich ergeben, sind zu berücksichtigen. Letztlich entscheidet auch das Kostenniveau eines Standortes über die internationale Ansiedlung der F&E. 2.1.1 Methoden zur Analyse des Status quo Im Rahmen einer Status-quo-Analyse der internationalen F&E ist i.d.R. eine Trennung in Grundlagenforschung, angewandte F&E erforderlich. Mithilfe des Instrumentes der Technologie-S-Kurve, die in Abbildung 218 wiedergegeben wird, lässt sich diese Problemstellung verdeutlichen (Foster, R. N., 2006; Brockhoff, K., 1999; Perlitz, M., 1988). Abbildung 218 bildet die empirisch nachgewiesene Tatsache ab (Albers, S./ Gassmann, O., 2011; Brockhoff, K., 1999), dass sich die Leistung von Produktund/ oder Prozesstechnologien in Abhängigkeit von dem kumulierten F&E-Aufwand in Form einer Technologie-S- Kurve verändert. <?page no="459"?> 436 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement Abbildung 218: Technologie-S-Kurve Befindet sich eine bestimmte Technologie des Unternehmens im Punkt A auf der Technologie-S-Kurve, dann ist eine überproportionale Steigerung der Leistung durch einen zusätzlichen Einsatz von F&E-Mitteln möglich. In einer solchen Situation kommt es für das Unternehmen darauf an, die Effektivität und Wirtschaftlichkeit der F&E zu gewährleisten, da für die betreffende Technologie noch genügend „Reserven“ für eine Weiterentwicklung vorhanden sind. Das international tätige Unternehmen muss nach Standorten suchen, die diese Kriterien am besten erfüllen. Geht man davon aus, dass sich eine Technologie des Unternehmens im Punkt B der Technologie-S-Kurve (vgl. Abbildung 218) befindet, dann gibt es drei Alternativen: Das Unternehmen investiert weiter in die bestehende Technologie. Dann wird die F&E immer kostenintensiver, die Verbesserungen werden immer geringer und es fällt dem Unternehmen immer schwerer, die eingesetzten F&E-Aufwendungen am Markt zurückzugewinnen. Das Unternehmen verlegt seine Schwerpunktaktivitäten auf andere Funktionsbereiche wie z.B. Marketing. Hier strebt das Management keine Weiterentwicklungen einer bereits „ausgereizten“ Technologie an, sondern versucht, bestehende Produkte auf Basis der bestehenden Technologie beim Kunden neu zu positionieren. Diese Vorgehensweise birgt die Gefahr in sich, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens durch innovative Konkurrenten verloren geht. Das Unternehmen geht von der alten auf eine völlig neue Schrittmachertechnologie über. Hierunter versteht man eine Technologie, die sich noch in einem frühen Entwick- <?page no="460"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 437 lungsstadium befindet, die aber schon erkennen lässt, dass sie gravierende Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen einer Industrie haben könnte (Albers, S./ Gassmann, O., 2011; Arthur D. Little International, 1986). I.d.R. liegt das Effizienzniveau der neuen Technologie niedriger als das der bisher verwandten. Den Übergang zu einer Schrittmachertechnologie bezeichnet man als einen Technologieparadigma-Wechsel. In Abbildung 218 ist der Technologieparadigma-Wechsel durch den Übergang vom Punkt B der alten auf den Punkt C der neuen Technologie-S-Kurve dargestellt. Für die Standortwahl im Rahmen des internationalen F&E-Managements stellen sich die Fragen, ob durch eine Verlagerung der F&E ins Ausland Veränderungen in den Technologie-S-Kurven möglich sind und ob in bestimmten Ländern ein Technologieparadigma- Wechsel wahrscheinlicher ist. Durch eine Verlagerung der F&E ins Ausland ist es denkbar, dass dort zunächst das Ausgangskostenniveau niedriger ist als im Inland. Dann beginnt die Technologie-S-Kurve bei gleichem F&E-Aufwand wie im Inland auf einem höheren Leistungsniveau. In dieser Abbildung ist dies durch den Punkt D wiedergegeben. Darüber hinaus ist es möglich, dass im Ausland die F&E-Aktivitäten effizienter als im Inland durchgeführt werden. Dann hat die Technologie-S-Kurve im Ausland einen steileren Anstieg und die Technologiegrenze ist eher erreicht als im Inland. Es ist denkbar, dass im Ausland die Grenze der Technologie sogar nach oben verschoben wird, da dort Technologien durch andere Unternehmenskulturen bzw. Rahmenbedingungen insgesamt leistungsfähiger gestaltet werden können (z.B. Rahmenbedingungen, die in Deutschland die Technologiegrenzen in der Bio- und Gentechnologie eingrenzen). In der Praxis fällt es insbesondere großen Unternehmen zunehmend schwer, einen Technologieparadigma-Wechsel vorzunehmen. Dies lässt sich aus der Zielsetzung großer Unternehmen ableiten. Sie streben nach optimaler Effizienz, Zero-Defects, optimaler Qualität und optimalen Strukturen. Diese Ziele lassen sich am besten erreichen, wenn auf einer bestehenden Technologie-S-Kurve eine weitere Verbesserung angestrebt wird, da diese Technologie immer besser beherrscht wird. Ein Technologieparadigma-Wechsel, also der Übergang von Punkt B auf C in Abbildung 218, bedeutet für das Unternehmen, dass es von den bisher optimierten auf neue Systeme wechseln muss. Das heißt, es muss akzeptieren, dass i.d.R. erstens die Qualität am Anfang nicht so gut ist wie bisher, zweitens Ineffizienzen auftreten, drittens eine „Zero-Defect“-Strategie anfänglich schwierig wird und viertens ein Übergang von optimalen auf zumindest am Anfang suboptimale Organisationssysteme erfolgt. Diese Folgen eines Technologieparadigma-Wechsels stehen oft im Widerspruch mit der Zielsetzung großer Unternehmen und machen damit den Übergang besonders schwierig. Nur in dem bereits erwähnten Ausnahmefall, dass die neue Technologie von vornherein auf einem höheren Ausgangsleistungsniveau beginnt als die alte, entfällt diese Problematik (Weiss, E., 1989). <?page no="461"?> 438 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement Im Rahmen der Standortwahl des internationalen F&E-Managements muss überprüft werden, ob es Länder gibt, in denen ein Technologieparadigma-Wechsel wahrscheinlicher ist als in anderen. Das hängt einerseits von den technologischen Fähigkeiten im jeweiligen Land und andererseits von der dortigen Unternehmenskultur, wie z.B. mit einer „Andersartigkeit im Denken“ umgegangen wird, ab. Das Unternehmen kann seine internationalen F&E-Aktivitäten so steuern, dass ein Technologieparadigma-Wechsel im Ausland vollzogen wird und dann der dortige Markt als Testmarkt dient. Erst wenn dort die neue Technologie das Leistungsniveau der alten erreicht hat (Punkt E in Abbildung 218), setzt das Unternehmen die neue Technologie auch im Inland ein. Hierdurch werden die oben diskutierten Probleme eines Technologieparadigma-Wechsels im Inland vermieden. Alle Überlegungen setzen jedoch voraus, dass das Unternehmen weiß, wo es sich auf der Technologie-S-Kurve befindet. Dazu ist es insbesondere notwendig, ein Frühwarnsystem für das Erreichen von Technologiegrenzen zu entwickeln, das eine solche Abschätzung ermöglicht (Romeike, F./ Hager, P., 2009; Perlitz, M., 1988). Neben der Technologie-S-Kurve können auch Technologie-Portfolios für die Standortwahl der internationalen F&E relevant sein. Abbildung 219 stellt eine Technologie-Portfolio-Matrix mit den entsprechenden Strategieempfehlungen dar. Sie ist ein Hilfsmittel für die Bestimmung der lokalen und internationalen Technologieplanung und kann der Konsensbildung dienen (Bea, F.X./ Haas, J., 2009; Pfeiffer, W./ Metze, G./ Schneider, W./ Amler, R., 1991). Abbildung 219: Technologie-Portfolio-Matrix Im Rahmen des internationalen F&E-Managements ist es notwendig, die Technologieattraktivität und die Ressourcenstärke jeweils global und national zu untersuchen. Dabei bietet es sich an, die globale Technologieattraktivität zentral und die lokale dezentral zu überprüfen. Das Gleiche gilt für die Analyse der Ressourcenstärke. Aus dieser Analyse ist dann abzuleiten, an welchen Standorten im F&E-Bereich investiert, selektiert oder desin- <?page no="462"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 439 vestiert werden soll. Insbesondere bei einem Know-how-Erwerb oder -Verkauf stellt sich die Frage, inwieweit durch eine Lokalisierung von F&E-Aktivitäten im Ausland solche Strategien gefördert werden. Auch im Rahmen der anderen Strategieempfehlungen spielt der Standort der F&E eine Rolle. So kann z.B. im Rahmen der Rationalisierung das Kostenniveau für die Standortwahl der F&E-Aktivitäten im Ausland wichtig werden. 2.1.2 Modelle zur internationalen Standortwahl in der F&E Im Zusammenhang mit der zunehmenden Aufmerksamkeit, die gerade die Internationalisierung der F&E in den letzten Jahren erfahren hat, wurden von einigen Autoren Instrumente entwickelt, um die Standortwahl in der internationalen F&E zu strukturieren (Gerpott, T.J., 2005; Pearson, A./ Brockhoff, K./ v. Boehmer, A., 1993). Die Notwendigkeit einer gesonderten Behandlung der Standortwahl dieses Funktionsbereichs ergibt sich aus den Anforderungen an einen F&E-Standort, die grundsätzlich nicht mit denen an einen Produktionsstandort zu vergleichen sind. Zwar befindet sich die Entwicklung diesbezüglicher Instrumente noch in der Anfangsphase, es sollen hier jedoch beispielhaft zwei Modelle der internationalen Standortwahl, nämlich das von Gerpott und das von Pearson, Brockhoff und von Boehmer, vorgestellt werden. Die erwähnten Ansätze eignen sich insofern, als sie sich bezüglich Zielsetzung und Methodik wesentlich unterscheiden. Gerpott-Ansatz Der Ansatz von Gerpott konzentriert sich weniger explizit auf die Auswahl einzelner F&E- Standorte, sondern hat vielmehr die Ausgestaltung und Organisation eines globalen Standortsystems zum Ziel. Hierzu wird ein zweistufiger Analyseprozess vorgeschlagen, der auf einer ersten Stufe aus der Untersuchung der internen Technologieposition geeignete Organisationsformen der F&E-Leistungserstellung (z.B. Joint Venture, Neugründung) ableitet. In einem zweiten Schritt werden schließlich Standortalternativen generiert, an denen die zuvor identifizierten Organisationsformen implementiert werden sollen. Im ersten Schritt wird zunächst die Technologieposition des eigenen Unternehmens evaluiert, wozu ein Analyseraster vorgeschlagen wird, welches der bereits vorgestellten Technologie-Portfolio-Matrix von Pfeiffer (Pfeiffer, W., 1986) ähnelt und die Dimensionen „Technologieattraktivität“ und „Technologieposition“ umfasst. Die abgeleiteten Normstrategien beziehen sich jedoch konkret auf die internationale F&E und fügen den Grundsatzaussagen über die Organisationsform Tendenzaussagen darüber hinzu, ob eine Internationalisierung der F&E überhaupt sinnvoll ist oder nicht. Die Verwandtschaft zum Pfeifferschen Ansatz wird klar, wenn man die untere Achse mit der von Pfeiffer verwendeten Konkretisierung seiner Dimension „Ressourcenstärke“ vergleicht, in welcher diese teilweise deckungsgleich mit der Technologieposition bei Gerpott ist. Abbildung 220 verdeutlicht aber auch, dass sich ein grundsätzlicher Unterschied aus dem fehlenden Portefeuille-Charakter ergibt. Die Verteilung der Position unterschiedlicher <?page no="463"?> 440 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement Projekte bzw. Technologien in der oben dargestellten Matrix ist weit weniger wichtig als die normative Strategieempfehlung, welche aus jeder einzelnen Position abgeleitet werden kann. Die Optimierung eines „Gesamtprogrammes“, wie sie gedanklich den Portfolioansätzen zugrunde liegt (Hahn, D., 1999), entspricht nicht der Hauptintention dieses Instrumentes. Abbildung 220: Matrix zur Bestimmung der Technologieposition bei Gerpott Quelle: Gerpott, T.J., 1991 Die in den einzelnen Feldern abgeleiteten Empfehlungen zur organisatorischen Gestaltung internationaler F&E-Aktivitäten sind hierbei allerdings lediglich als idealtypisch zu verstehende Beispiele anzusehen. In der Realität wird Mischformen und anderen Gestaltungsalternativen ein wesentlich größeres Gewicht einzuräumen sein. Dennoch können die dargestellten Alternativen Hinweise auf die generelle Tendenz bei einer Auswahl von Gestaltungsformen der F&E im internationalen Kontext geben und gleichzeitig Vorschläge für die praktische Umsetzung liefern. Systematisiert man die Empfehlungen der Entscheidungsmatrix auf einer Metaebene, zeigt sich, dass die Quadranten Ausdruck der stärkeren Ausprägung der zugrunde liegenden Determinanten „Investitionsintensität“ und „Grad der Internalisierung“ sind. Bei zunehmender Bedeutung einer Technologie nimmt analog deren potenzieller Wert für die Unternehmung zu, so dass die Investitionsbereitschaft in dieselbe steigt. Entsprechend implizieren die Gestaltungsalternativen in den beiden oberen Quadranten hohe Investitionen. Die in den rechts gelegenen Quadranten dargestellten Möglichkeiten zeichnen sich hingegen durch einen hohen Internalisierungsgrad der Wertschöpfung aus. In einer Generalisierung des Gerpott-Ansatzes kann somit von einem Kontinuum von Kombinationen verschiedenster Ausprägungen dieser Dimensionen ausgegangen werden, innerhalb welchem eine individuelle Wahl getroffen werden muss. Diese Zurückführung auf grundsätzliche Bestimmungsgrößen scheint insofern notwendig, als dass die Akzeptanz der pauschalen Handlungsanweisungen der Entscheidungsmatrix zu einer strategischen Gleichförmigkeit führen könnte, welche Strategieinnovationen (Perlitz, M., 1993) zu verhindern droht. Die sich nun anschließende Miteinbeziehung externer Bedingungen führt zu einer Herleitung von Handlungsempfehlungen auf drei verschiedenen Ebenen. Die Schematisierung der externen Bedingungen erfolgt dabei anhand der Dimensionen „Technologiereife“ und <?page no="464"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 441 „Schnittstelle zum Anwender bzw. Kunden“. Zwar mögen diese gewählten Begriffe auf den ersten Blick nicht unbedingt überschneidungsfrei sein, Gerpott belegt das Vorhandensein unterschiedlichster Ausprägungen jedoch anhand überzeugender Beispiele (Gerpott, T.J., 1991). Zudem wird ein Operationalisierungsschema zumindest angedacht (Gerpott, T.J./ Meier, H., 1990). Die Analyse externer Gegebenheiten erlaubt die Ableitung grundsätzlicher normativer Handlungsempfehlungen bezüglich der Schwerpunkte künftiger F&E-Aktivitäten, der Relevanz zusätzlichen Informationsinputs und letztlich der internationalen Wahl von F&E-Standorten. Es ist dabei allerdings zu beachten, dass sich die Ergebnisse dieser einzelnen Schritte in hierarchischer Weise gegenseitig beeinflussen. Die Entscheidung bezüglich einer Schwerpunktsetzung im Rahmen der F&E-Strategie, wie sie in Abbildung 221 (Schritt 1) dargestellt wird, hat zwingend gewisse Informationserfordernisse zur Folge, welche sich in Schritt 2 finden lassen. Abbildung 221: Der Analyseprozess bei der F&E-Standortwahl bei Gerpott Quelle: Gerpott, T.J., 1991 Aufgrund der vorangegangenen beiden Schritte können letztlich Aussagen bezüglich der regionalen Konfiguration und Koordination der F&E-Aktivitäten getroffen werden, welche sich wiederum zwingend aus den Triebkräften ergeben, die in den vorgelagerten Schritten identifiziert wurden. Während der erste Analyseschritt Gestaltungsalternativen internationaler F&E-Aktivitäten generiert, findet im zweiten Schritt eine Festlegung hinsichtlich der geografischen Konfiguration statt. <?page no="465"?> 442 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement Dem von Gerpott vorgestellten Ansatz liegt eine pragmatisch-normative Denkhaltung zugrunde, wie sie auch vielen Ansätzen namhafter Unternehmensberatungen zu eigen ist. Zu kritisieren ist jedoch die mechanistisch anmutende Zuteilung konkreter Handlungsempfehlungen zu den jeweiligen Quadranten, ohne hierbei weitere Einflüsse zu berücksichtigen. Diese Problematik wird auch vom Autor erkannt, wenn nach Vorstellung der Analyseinstrumente auf das Vorhandensein wichtiger Einflussgrößen wie z.B. der bisherigen Standortkonfiguration oder externer Globalisierungsbeschränkungen hingewiesen wird (Gerpott, T.J., 1991). Ansatz von Pearson, Brockhoff und von Böhmer Einen theoretisch fundierten Ansatz zur Strukturierung der Standortentscheidung für die F&E legen Pearson, Brockhoff und von Böhmer vor. Hierbei lehnen sie sich grundsätzlich an das Diamanten-Modell zur Erklärung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Nationen an (Porter, M.E., 1992), um dieses als Analyserahmen zur Evaluierung F&E-spezifischer Standortfaktoren nutzbar zu machen. Die Übertragung des Porterschen Modells erfolgt dabei über eine F&E-spezifische Modifikation der einzelnen Bestandteile des Diamanten, welche bereits im Kapitel „Grundlagen des internationalen Wettbewerbs“ dieses Buches ausführlich erläutert wurden. Hierbei ergeben sich folgende spezifische F&E- Pendants zu den vier Originalfaktoren des Diamanten (Pearson, A./ Brockhoff, K./ v. Boehmer, A., 1993): Bezüglich der Faktorausstattung sticht in der F&E insbesondere der Bereich der Humanressourcen hervor, da die Qualifikation des verfügbaren Personals in höherem Maße als in der Produktion entscheidend für eine erfolgreiche Gestaltung der F&E-Aktivitäten ist. Aus Porters unterstützenden Branchen werden unterstützende Technologien, da sich die Bedeutung technologischer Infrastrukturen neben der Unternehmensebene auch wesentlich auf vorhandenes Know-how von Forschungsinstituten, Universitäten und sonstigen Institutionen stützt. Dieses Vorhandensein technologischer Ressourcen wird hier als „unterstützende Technologien“ bezeichnet. Die Nachfragebedingungen sind insofern von Bedeutung für die F&E, als sie die wichtige Schnittstelle zwischen Markt- und Produktentwicklung beeinflussen. Sind für eine Industrie „demand pull“-Innovationen im Gegensatz zu „technology push“-Innovationen (Hauschildt, J./ Salomo, S., 2011) von hoher Wichtigkeit, spielt die Marktnähe der F&E und der Kontakt zu potenziellen Abnehmern eine bedeutende Rolle. Die Wettbewerbsintensität schließlich erweist sich als wesentlich weniger relevant für die F&E als die übrigen Faktoren. Zwar wirkt sie sich durch eine höhere Ressourcenallokation bei intensiverem Wettbewerb indirekt auch auf die F&E aus, bietet jedoch für die F&E- Standortentscheidung kaum spezifische Faktoren. <?page no="466"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 443 Wie aus diesen Erläuterungen klar wird, übernehmen die Autoren Porters Faktoren, konzentrieren sich jedoch teilweise auf für die F&E besonders relevante Teilbereiche. Diesem modifizierten Diamanten werden nun in Erweiterung des Ursprungskonzeptes die anderen Funktionsbereiche der Unternehmung als interne Faktoren gegenübergestellt, wodurch sich das in Abbildung 222 dargestellte Modell ergibt. Der Marketingbereich wurde hierbei als besonders wichtig für die Marktorientierung des F&E-Outputs eingestuft, weshalb ihm eine exponierte Rolle zukommt. Abbildung 222: Der modifizierte Porter-Diamant nach Pearson, Brockhoff und von Boehmer Quelle: Pearson, S./ Brockhoff, K./ v. Boehmer, A., 1993 Wird diese Konfiguration nun durch die internationale Verteilung von Standorten regional gestreut, ergeben sich völlig andere Probleme der Schnittstellenabstimmung innerhalb der Unternehmung. Diese Probleme werden von den Autoren durch die Identifikation von abstimmungsrelevanten Kosten berücksichtigt, deren Natur stark an das Gedankengut des bereits erwähnten Transaktionskostenansatzes (Coase, R., 1937) erinnert. Werden einzelne Funktionsbereiche oder Teile davon ins Ausland verlegt, ergibt sich zunächst einmal ein erhöhter Koordinationsaufwand innerhalb der Organisation („organizational costs“), welcher durch die schwieriger gewordene Abstimmung (Informationsfluss, Verhandlungen etc.) verursacht wird. Diese fallen sowohl durch die Abstimmung der heimischen mit der ausländischen F&E als auch durch die Abstimmung mit den anderen Funktionsbereichen an. Andererseits ergeben sich Kostenvorteile auf der Marktseite. Der Kontakt zu Kunden, insbesondere zu sogenannten „Lead-Usern“, ist für die Kundenorientierung der F&E wichtig und wird durch die Präsenz vor Ort wesentlich erleichtert. Diesem Umstand wird im vorliegenden Modell durch die Verringerung externer Koordinationskosten (welche hier <?page no="467"?> 444 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement als „transactional costs“ bezeichnet werden) Rechnung getragen. Abbildung 223 stellt die drei Arten der sich durch eine Verlegung von F&E-Aktivitäten ins Ausland verändernden Koordinationskosten dar. Abbildung 223: Interaktionskosten im Modell von Pearson, Brockhoff, von Boehmer Quelle: Pearson, A./ Brockhoff, K./ v. Boehmer, A., 1993 Das vorgestellte Konzept stützt sich mit der Diamantentheorie und dem Transaktionskostenansatz, wenn auch Porters Konzept umstritten ist (Perlitz, M., 1992), auf theoretisch und empirisch fundierte Grundlagen. Demgegenüber zeigen sich jedoch Defizite in der praktischen Anwendbarkeit. Wie Porter versuchen Pearson, Brockhoff und von Boehmer die Auswirkungen auf das Management separat zu erläutern, die vorgeschlagenen Empfehlungen sind jedoch vager als beispielsweise im Modell von Gerpott. Der vorgestellte Ansatz hat mithin eher den Charakter einer Theorie der internationalen F&E-Konfiguration als den eines Entscheidungsmodells zur Ableitung der Standortentscheidung. Die beiden hier vorgestellten Modelle sind Bestandteil der noch sehr jungen Diskussion zum internationalen F&E-Management und zeigen exemplarisch die Heterogenität der Ansätze. Je nach Autor werden verschiedene Aspekte stärker betont. So stellt beispielsweise das hier nicht besprochene Modell von Howells (Howells, J., 1990) die Differenzierung in Grundlagenforschung, angewandte F&E in den Vordergrund, ein Aspekt der in den vorgestellten Konzepten kaum Berücksichtigung findet. Ein umfassendes, integratives und allgemein anerkanntes Konzept liegt jedoch bisher nicht vor. 2.1.3 Make-or-Buy-Entscheidungen Entscheidungen über Eigenerstellung („Make“) oder Fremdbezug („Buy“) von Produkten oder Dienstleistungen treten in fast allen Betriebsbereichen auf. In der Vergangenheit wurde die Entscheidung Make oder Buy jedoch nahezu ausschließlich als Angelegenheit des Fertigungs- und Beschaffungsbereiches angesehen. Die Frage, ob benötigte Halb- oder <?page no="468"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 445 Fertigprodukte zugekauft werden sollten, wurde jeweils situativ aufgrund von Kapazitätsengpässen, Kostenaspekten sowie Wirtschaftlichkeitsanalysen entschieden (Bechter, C., 2009) und hatte somit eher operativen Charakter. Bedingt durch die permanenten dynamischen Veränderungen im Bereich der F&E (Verkürzung der Produktlebenszyklen, Verlängerung der Produktentwicklungszeit, Anstieg der F&E-Budgets etc.) spielt zukünftig auch im Bereich der F&E die Make-or-Buy-Entscheidung eine immer größere Rolle. Bei der Frage der institutionellen Ansiedlung der F&E kann das Unternehmen entscheiden, ob es Eigenforschung bzw. -entwicklung betreiben oder Fremdforschung bzw. -entwicklung nutzen will. Eine Buy-Strategie ermöglicht, dass das Unternehmen mit ausländischen Instituten, Unternehmen oder Universitäten zusammenarbeitet, um so einen Technologietransfer vom Ausins Inland zu erreichen. Die Frage, ob ein Unternehmen sich für die Make- oder die Buy-Strategie entscheidet, hängt unter anderem von den Kosten, den verfügbaren finanziellen Ressourcen im In- und Ausland sowie von dem bei den Fremdinstituten vorhandenen Know-how ab (Bechter, C., 2009). Weiterhin sind die Zuverlässigkeit der Vertragspartner sowie die politischen Rahmenbedingungen im Land der F&E-Leistung einzuschätzen und zu bewerten. Während die klassische Make-or-Buy-Entscheidung lediglich zwischen den beiden Extremformen Eigenfertigung oder Fremdbezug unterscheidet, versteht man darunter in einer weiteren Interpretation eine Vielzahl verschiedener Bereitstellungswege von F&E-Leistungen. Die beiden klassischen Fälle stellen in dieser Interpretation lediglich die Extrempunkte eines Kontinuums dar. Eine Darstellung der verschiedenen Organisationsformen zeigt Abbildung 224. Als mögliche Ausprägungen der internen F&E (Make-Strategie) unterscheidet man prinzipiell zwei Erscheinungsformen. In der Praxis kommt der internen F&E immer noch mit Abstand die größte Bedeutung zu, wenn auch ihr Anteil in den letzten Jahren leicht gesunken ist. Eine Untersuchung des BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) kommt zu dem Ergebnis, dass der Anteil der internen F&E an den Gesamtaufwendungen für F&E rund 85% beträgt (BMBF, 2002), während in der Studie des früheren BMFT von 1990 gar ein Anteil von rund 91% ermittelt wurde (BMFT, 1990). Die externe F&E (Buy-Strategie) ist dadurch gekennzeichnet, dass die Finanzierung von F&E-Aktivitäten durch Unternehmen erfolgt, die die F&E nicht selbst durchführen. Klassische Ausprägungen dieser Form der F&E-Organisation sind die Lizenznahme sowie die Vertragsbzw. Auftrags-F&E. Trotz externer F&E ist es denkbar, dass ein Unternehmen zugleich interne F&E betreibt. Dies ist z.B. sinnvoll, um zu vermeiden, dass das firmeneigene Kreativitätspotenzial gehemmt wird. Eine reine Form der externen F&E bietet sich besonders für kleine und mittelständische Unternehmen an, die aus Kostengründen keine eigene F&E-Abteilung institutionalisiert haben. Die kooperative F&E als Zwischenform der beiden idealtypischen Ausprägungen unterschiedlicher Vertrags- und Koordinationsmuster gewinnt gerade unter dem Aspekt der <?page no="469"?> 446 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement steigenden marktlichen Anforderungen bei erhöhtem Wettbewerbsdruck immer mehr an Bedeutung. Kooperationen können in diesem Zusammenhang deshalb auch als Versuch interpretiert werden, den Schwierigkeiten der individuellen Behauptung am Markt durch Gruppenbildung zu begegnen (Ullrich, H., 1988). Unter einer Kooperation wird allgemein eine auf stillschweigender oder vertraglicher Vereinbarung beruhende Zusammenarbeit zwischen sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich selbstständigen Unternehmen verstanden. Abbildung 224: F&E-Organisation zwischen Markt und Hierarchie Quelle: Schneider, D./ Zieringer, C., 1991 Als ein wichtiger Punkt der gegenwärtigen Standortdebatte wird der Mangel an Innovationstätigkeit in den Unternehmen eingestuft. Als Ergebnis dieses Prozesses kann es zu einer quantitativen Abnahme neuer Produkte und Verfahren kommen. Eine mögliche Lösung des hieraus resultierenden Problems bieten F&E-Kooperationen. Länderübergreifende Strategische Allianzen im F&E-Bereich gewinnen in diesem Zusammenhang zunehmend an Bedeutung (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Saad, K./ Roussel, P.A./ Tiby, C./ Little, A.D., 1993). Durch sie lassen sich beispielsweise länderspezifische Kenntnisse erwerben, die im eigenen Land nicht oder nur sehr schwer zugänglich sind. Die Notwendigkeit hierzu erlangt besonders vor dem Hintergrund Relevanz, dass das weltweit richtungsweisende Know-how für einzelne zukunftsträchtige Technologien häufig in geografisch begrenzten Zentren, sog. „pockets of innovation“, entwickelt wird (Ernst, H./ Dubiel, A.T./ Fischer, M., 2009; Gerpott, T.J., 1991). Beispiele hierfür sind europäische Unternehmen, die im Bereich von CAX-Technologien (CAD, CAM etc.) eine herausragende Position innehaben oder US-amerikanische Unternehmen, die im Bereich der Biobzw. Gentechnologie führend sind. Abschließend sei angemerkt, dass F&E-Kooperationen aus innovationsschwachen noch lange keine innovationsstarken Unternehmen machen. Gleichwohl darf auch nicht verkannt werden, dass sich durch F&E-Kooperationen sowohl Möglichkeiten zur Kosteneinsparung bieten als auch neue Kompetenzbereiche hinzugewinnen lassen. <?page no="470"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 447 Ein nicht zu übersehendes Problem, das sowohl im Falle der externen als auch der kooperativen F&E zu beachten ist, ist der eigentlichen F&E zeitlich vorgelagert. Die Unternehmen, die sich entscheiden, F&E nicht selbstständig durchzuführen, müssen sich darüber im Klaren werden, auf welchen Gebieten Kooperationsbedarf besteht. Hierzu müssen die F&E-Gebiete identifiziert und genau definiert werden, bevor dann die späteren F&E-Partner ausgesucht werden können (siehe Abbildung 225). Abbildung 225: Prozess der Strategieentwicklung zur Make-or-Buy-Entscheidung Als ein Faktor, der bei der Make-or-Buy-Frage im Vordergrund steht, soll hier kurz auf die Kosten für Transaktionen (Tauschprozesse) eingegangen werden. Transaktionskosten sind Aufwendungen, die notwendig sind, damit ein Kontakt zwischen zwei Wirtschaftssubjekten zustande kommt, eine Vereinbarung abgeschlossen wird und die Überwachung und ggf. notwendig werdende Änderungen bzw. Anpassungen vollzogen werden können. Die Transaktionskosten lassen sich - in Anlehnung an den zeitlichen Verlauf eines Vertragsverhältnisses - in die vier in Abbildung 226 dargestellten Kostenarten einteilen. Abbildung 226: Transaktionskostenarten Quelle: Schneider, D., 2004; Williamson, O.E., 1990 Kosten entstehen jedoch auch durch die Integration von F&E-Aktivitäten in die Unternehmung, insbesondere für die Verwaltung, Koordination und Kontrolle der einzelnen Unternehmensteile. Betrachtet man vor diesem Hintergrund das Problem des „optimalen“ Integrationsgrades, so ergibt sich folgende Regel: Aktivitäten und Prozesse werden in die eigene Unternehmung integriert, bis sich die internen und die externen Grenzkosten der Organisation ausgleichen (Benkenstein, M./ Henke, N., 1993). <?page no="471"?> 448 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement Eine Gegenüberstellung der Vorbzw. Nachteile der genannten Ausprägungsformen zeigt Abbildung 227. Abbildung 227: Vor- und Nachteile von Make-, Kooperations- und Buy-Strategien Bei allen genannten Vor- und Nachteilen der Make-or-Buy-Entscheidung sollten folgende Leitgedanken Berücksichtigung finden: Je bedeutender die zur Diskussion stehende Technologie für das Kerngeschäft einer Unternehmung ist, desto eher ist die Make-Strategie zu bevorzugen, da die technische Eigenständigkeit in diesen Bereichen gewahrt werden sollte. Besonders bei zukunftsträchtigen, technisch noch nicht voll ausgereiften Produkten, die deshalb oft eine reibungslose, informelle Zusammenarbeit zwischen Fertigung und Entwicklung erfordern, sind eigene F&E- Anstrengungen sinnvoll. Buy-Strategien sollten dagegen dann Berücksichtigung finden, wenn die neu zu entwickelnden Produkte nicht auf den Kernkompetenzen der Unternehmung aufbauen. 2.1.4 Festlegung der zukünftigen Forschungsrichtung Die Festlegung der zukünftigen Forschungsrichtung leitet sich aus der grundsätzlichen Orientierung des internationalen Unternehmens ab. Für das internationale F&E-Management bedeutet dies, dass Forschungsfelder festgelegt werden, die in den verschiedenen Ländern bearbeitet werden. Die Wahl der Forschungsfelder richtet sich einerseits nach der allgemeinen Unternehmenspolitik und andererseits nach notwendigen länderspezifischen Produkterfordernissen. Dabei muss standortspezifisch untersucht werden, welche Aufgaben der Grundlagenforschung, der angewandten F&E in den einzelnen Ländern über- <?page no="472"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 449 nommen werden sollen. In diesem Zusammenhang werden wiederum die Kriterien, die bei der Frage der Standortwahl der internationalen F&E erörtert wurden, relevant. Die Festlegung der zukünftigen Forschungsrichtung und die Auswahl geeigneter Projekte sind eng mit der Bewertung von F&E-Projekten verbunden. F&E-Projekte haben die Eigenschaft, hohe Wachstumspotenziale ermöglichen zu können, indem aus einem Projekt zahlreiche Produkte hervorgehen. Somit schafft eine F&E-Investition Optionen für zukünftige Produkte und Geschäftsfelder. Gerade diese Optionen sind es, die den Wert eines F&E-Projektes ausmachen. Vielfach sind die zukünftigen Projekte und Geschäftsfelder, die durch F&E ermöglicht werden, zum Zeitpunkt der Investition noch nicht absehbar. Abbildung 228 stellt das Optionsbündel eines F&E-Projektes beispielhaft dar. Bei der Bewertung und Auswahl einzelner Projekte muss daher dieses zukünftige Potenzial berücksichtigt und den Kosten der Investition gegenübergestellt werden. Traditionelle Discounted-Cashflow-Methoden sind hierfür nicht geeignet. Vielmehr müssen optionspreisbasierte Bewertungsmethoden herangezogen werden (Perlitz, M./ Peske, T./ Schrank, R., 1999). Zudem ist es gerade für internationale Unternehmen wichtig, sich durch F&E- Kooperationen mit kleinen innovativen Firmen zukünftiges Know-how zu sichern (Peske, T./ Schrank, R., 1999). Für die Festlegung der zukünftigen Forschungsrichtung kann zudem das bereits dargestellte Technologie-Portfolio verwendet werden. Abbildung 228: Optionsbündel eines F&E-Projektes 2.1.5 Internationale Allokation personeller und finanzieller Ressourcen Die internationale Allokation personeller und finanzieller Ressourcen spiegelt sich in der Planung des F&E-Budgets wider. Die Budgetplanung stellt ein Bindeglied zwischen strategischer und operativer Planung dar. Beim internationalen F&E-Management kann man <?page no="473"?> 450 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement eine projektunabhängige oder -abhängige Vorgehensweise bei der Budgetplanung unterscheiden (Strebel, H., 2007). Ziel einer projektunabhängigen Vorgehensweise ist die Bestimmung eines globalen F&E-Budgets. Die Bestimmung eines „optimalen“ F&E-Budgets ist ein bisher betriebswirtschaftlich ungelöstes Problem. So versucht man in der Praxis, alle Anforderungen nach einem lokalen F&E-Budget mittels eines „Gegenstrom“-Verfahrens in einem projektunabhängigen Budget zusammenzufassen, um damit zu einem Gesamtbudget zu kommen. Um den Abstimmungsprozess zu beschleunigen, gibt die Muttergesellschaft ein vorläufiges Budget vor, an dem sich die lokalen F&E-Einheiten orientieren können. Das endgültige lokale F&E-Budget wird dann von einem Gremium, das sich aus Vertretern des zentralen und dezentralen Managements zusammensetzt, festgelegt. So kann die Zentrale ihren Einfluss durch eine gezielte Steuerung der F&E-Mittel geltend machen. Bei der projektabhängigen Vorgehensweise zur Bestimmung des F&E-Budgets orientiert sich die Zuteilung von finanziellen Mitteln an den bereits vorliegenden F&E-Projekten. Das sich so ergebende F&E-Budget wird dem lokalen Management nach der Genehmigung zur Verfügung gestellt, damit es gegebenenfalls schnell auf Veränderungen reagieren kann. In der Praxis tritt meist eine Kombination einer projektunabhängigen und -abhängigen Vorgehensweise auf. So steuert und kontrolliert die Muttergesellschaft einerseits die langfristige strategische Ausrichtung der weltweiten F&E durch die Festlegung eines projektunabhängigen Budgets und fördert andererseits die Flexibilität der lokalen Gesellschaften durch ein projektabhängiges Budget. Daneben kann zur Erhöhung der Flexibilität ein „Not-Finanzfonds“ zentral vorgehalten werden, um projektbezogene, kurzfristige Budgetierungsaufgaben wahrnehmen zu können. 2.2 Operative Planung Die operative Planung des internationalen F&E-Managements betrifft die Projektauswahl, das Projektgenehmigungsverfahren, die Projektdurchführung und den Projektabbruch. Sie bezieht sich auf einzelne F&E-Projekte und wird im Allgemeinen von den lokalen F&E- Führungskräften durchgeführt. Die Initiierung der Projekte erfolgt i.d.R. aufgrund eines informalen Auswahlprozesses bei den lokalen Einheiten. Bei der Projektgenehmigung unterscheidet man zwischen kleineren Projekten mit rein lokalem und größeren mit einem transnationalen oder globalen Bezug. Kleinere Projekte benötigen meist keine Genehmigung der Muttergesellschaft. Handelt es sich um größere Projekte, werden meist im Rahmen des Genehmigungsverfahrens regelmäßig tagende Arbeitskreise gebildet. In diesen Arbeitskreisen sitzen neben dem lokalen Management auch Führungskräfte der Muttergesellschaft. <?page no="474"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 451 Bei der Durchführungsplanung werden Projekte, die nur einzelne lokale F&E-Einheiten betreffen, von solchen unterschieden, die im internationalen Netzwerk der Standorte durchgeführt werden. Bei den erstgenannten Projekten wird die operative Detailplanung meist ausschließlich von dem lokalen Management durchgeführt. Bei den anderen Projekten kommt es zu dem Problem der zeitlichen und sachlichen Koordination im internationalen Unternehmen. Im Allgemeinen wird in der Praxis die Rolle eines internationalen Koordinators von der lokalen F&E-Einheit übernommen, die die Initiative ergriffen hat, die am größten ist oder die über freie Kapazitäten verfügt. Als Planungsinstrumente der operativen internationalen F&E-Planung werden zeitlich in regelmäßigen Abständen stattfindende Koordinationsgespräche sowie Netzplantechniken eingesetzt. Die Koordinationsgespräche werden i.d.R. von spezialisierten Stabsmitarbeitern der Muttergesellschaft oder durch spezielle Projektmanager organisiert. Die Projektfortschrittskontrolle wird im Wesentlichen mithilfe eines „management by exception“ dezentralisiert durchgeführt. <?page no="475"?> 452 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement 3 Organisation der internationalen Forschung und Entwicklung 3.1 Aufbauorganisation Im Rahmen der Aufbauorganisation des internationalen F&E-Managements kommt es zur Bildung von internationalen Kollegien, von einem internationalen Projektmanagement, von internationalen Liniensystemen und von Stabsstellen. 3.1.1 Internationale Kollegien Internationale F&E-Kollegien setzen sich aus Mitgliedern des zentralen und dezentralen F&E-Managements zusammen. Internationale Kollegien sind multipersonale Einrichtungen, die die Linienorganisation nicht verändern, die projektgebunden sowie befristet gebildet werden und die damit außerhalb der formalen Organisationsstrukturen stehen. Diesen Kollegien werden die folgenden Aufgaben übertragen: (1) Kontrolle des aktuellen Projektportfolios im Zusammenhang mit der aktuellen Forschungs- und Entwicklungspolitik, (2) Durchführung strategischer Koordinationsaufgaben, insbesondere bei Großprojekten, (3) Koordination und Kontrolle der laufenden Projekte und (4) Beratungsfunktion für Leitungsorgane. Insbesondere bei der Lösung länderübergreifender Probleme werden diese speziellen Kollegien („Task Forces“) eingesetzt. Dabei werden diese Kollegien im Allgemeinen sehr kurzfristig, flexibel und auf das spezielle Problem ausgerichtet gebildet. Internationale Kollegien haben den Vorteil, dass die Kommunikation und die Kooperationsbereitschaft durch die persönlichen Kontakte der F&E-Manager aus dem In- und Ausland gefördert werden. Dem steht der Nachteil gegenüber, dass die Kosten solcher Gremien hoch sind. Auch die Probleme von Gruppenentscheidungen müssen in diesem Zusammenhang beachtet werden. Jedoch werden diese Nachteile in der Praxis durch die integrierende Wirkung für das gesamte F&E-System weitgehend kompensiert. Da internationale Kollegien außerhalb der formalen Linienorganisation stehen, benötigen sie i.d.R. einen Machtpromotor (Mansfeld, M., 2011; Witte, E., 1973), um ihre Empfehlungen im Unternehmen durchzusetzen. 3.1.2 Internationales Projektmanagement Die Organisationsform eines internationalen Projektmanagements, das außerhalb des formalen Liniensystems steht, wird insbesondere bei länderübergreifenden, komplexen und <?page no="476"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 453 zeitlich begrenzten F&E-Projekten gewählt. Die Aufgabenstellung des internationalen Projektleiters ist unterschiedlich, je nachdem, welche Kompetenzen oder Weisungsbefugnisse ihm eingeräumt werden. Grundsätzlich lassen sich drei unterschiedliche Projektmanagementformen unterscheiden: das Einflussprojektmanagement, die Matrix-Projektorganisation und das reine Projektmanagement (Hölzle, P., 2007; Kern, W./ Schröder, H.H., 1977). Bei dem Einflussprojektmanagement besitzt der Projektmanager keine Entscheidungs- oder Weisungsbefugnis gegenüber den Stellen des Liniensystems. Er nimmt nur eine Informations- und Beratungsfunktion wahr. Bei der Matrix-Projektorganisation werden dem Projektmanager fachliche Weisungskompetenzen zugewiesen, jedoch bleiben die disziplinarischen Leitungsbefugnisse bei den Linienvorgesetzten. Der Projektmanager kann z.B. darüber entscheiden, wo und wann bestimmte Aktivitäten im F&E-System zu erfolgen haben (Kern, W./ Schröder, H.-H., 1977). Bei der internationalen Matrix-Projektorganisation kommt es für den betroffenen Mitarbeiter im F&E-Bereich zu Konfliktsituationen, wenn die Kompetenz des internationalen Projektleiters durch den lokalen Linienmanager untergraben wird. Bei dem reinen Projektmanagement werden dem Projektmanager das fachliche und disziplinarische Weisungsrecht eingeräumt. Für die Dauer des F&E-Projektes werden die an dem Projekt beteiligten Mitarbeiter aus ihrer bisherigen Stellung in der Hierarchie herausgenommen und dem Projektleiter unterstellt. Ein Problem des Projektmanagements, das nicht nur im F&E-Bereich entsteht, ist die Eingliederung in die Hierarchie der Muttergesellschaft. In diesem Zusammenhang muss entschieden werden, an wen der Projektleiter in der Muttergesellschaft zu berichten hat. Hinsichtlich der Qualifikation stellt das internationale Projektmanagement hohe Anforderungen an den Projektmanager, da er i.d.R. nur begrenzte Möglichkeiten der Einflussnahme auf dezentrale Einheiten hat. Ist ein hohes Durchsetzungsvermögen in der Muttergesellschaft und in den Tochtergesellschaften im Ausland für Projekte erforderlich, dann ist das internationale Projektmanagement nur begrenzt tauglich. Deshalb wird in der Praxis das internationale Projektmanagement meist für Entwicklungsprojekte eingesetzt, für die eine Anzahl von Teilaktivitäten anfallen, bei denen der Projektmanager mehr die Rolle eines Koordinators als die eines Promotors übernimmt und für die er kurze Projektlaufzeiten erreichen soll (Kern, W./ Schröder, H.-H., 1977). 3.1.3 Internationale Liniensysteme Die Gestaltung der Linienorganisation der internationalen F&E hängt von der Gesamtorganisation des Unternehmens ab. Um eine einheitliche F&E-Politik im internationalen Unternehmen zu erreichen, ist eine enge Beziehung zwischen dem Topmanagement <?page no="477"?> 454 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement der Muttergesellschaft und der Leitung der dezentralen F&E-Stellen bei den ausländischen Tochtergesellschaften wichtig. Bei einer internationalen Divisionalisierung oder einer nach regionalen Kriterien gegliederten Organisation besitzt i.d.R. der Leiter der zentralen F&E keine Weisungsbefugnis über die lokalen F&E-Manager. Dann führt der Weg der globalen Steuerung der F&E über den Leiter der lokalen Niederlassung. Unternehmen mit umfangreichen F&E-Aktivitäten im Ausland sind oft zur Erreichung einer weltweit einheitlichen F&E-Politik dazu übergegangen, eine Matrixorganisation einzuführen. Dabei werden direkte Linienbeziehungen zwischen den zentralen und dezentralen F&E-Einheiten so aufgebaut, dass die lokalen F&E-Leiter fachlich dem Leiter der F&E der Zentrale unterstellt werden, während sie disziplinarisch der Leitung der Tochtergesellschaft im Ausland untergeordnet bleiben. Durch diese Maßnahme werden formale Weisungs- und Kommunikationskanäle geschaffen, die jedoch häufig von persönlichen Beziehungen zwischen den lokalen F&E-Managern und der Spitze der Tochtergesellschaft überlagert werden. Diese Beziehungen können in ihrer faktischen Bedeutung in Bezug auf die Koordination und Kommunikation wichtiger sein als formale Regelungen. Deshalb ist es notwendig, dass die formalen Strukturen von informalen Komponenten, wie z.B. überlegener Fachkompetenz, unterstützt werden. Ein weltweites Berichtswesen über die zentralen und lokalen F&E-Projekte dient in vielen Unternehmen der Abstimmung zwischen der Muttergesellschaft und den ausländischen Tochtergesellschaften. Nur mit einem solchen Berichtswesen ist es möglich, synergistische Effekte im Rahmen einer weltweit orientierten F&E-Politik zu verwirklichen. Der Aufbau und die Verwaltung eines solchen Systems ist eine Führungsaufgabe der zentralen F&E. Das Informations- und Kommunikationssystem ist so zu organisieren, dass die vorhandenen, aber verteilten Technologie-Potenziale im Konzern weltweit verfügbar gemacht werden. Mithilfe von Datenbanken mit direktem Zugriff auf dezentrale F&E-Einheiten kann ein effizienter und schneller Rückgriff auf vorhandene Daten erreicht werden (Kock, N.F., 2005; Möhrle, M.G., 1991). 3.1.4 Stabsstellen Die Hauptaufgabe von Stabsstellen, die im Gegensatz zu internationalen Kollegien fest in der Organisation verankert sind, aber über keine Weisungsbefugnisse verfügen, besteht in der Entlastung der F&E-Manager durch die Übernahme beratender und administrativer Funktionen. In der Muttergesellschaft haben die Stäbe meist bereichsübergreifende Aufgaben zu lösen. Linienmanagern ausländischer Tochtergesellschaften stehen sie für Anfragen zur Verfügung. Die Stabsstellen dienen der Integration der internationalen F&E-Aktivitäten. <?page no="478"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 455 In manchen Unternehmen befassen sich spezielle Stäbe, sogenannte „area coordinators“, ausschließlich mit der Koordination von internationalen F&E-Aktivitäten. Der Stab- Linien-Konflikt wird durch die Internationalität und die damit verbundenen Kooperationsbarrieren verstärkt. Auch die personelle Besetzung der Stäbe ist problematisch. Einerseits sind hierzu qualifizierte Wissenschaftler notwendig, um die Akzeptanz der Stabsvorschläge bei den Betroffenen zu erreichen, andererseits liegt es oft nicht im Interesse eines Unternehmens, gute Wissenschaftler von ihrer forscherischen Tätigkeit fernzuhalten. Eine mögliche Lösung dieses Problems bietet das Rotationsprinzip bei der Besetzung des Stabes. Für eine begrenzte Dauer werden qualifizierte Mitarbeiter für die Mitarbeit im Stab gewonnen und kehren dann wieder in die Linie zurück. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass im F&E-Bereich eine internationale Abstimmung nicht durch Hierarchie, sondern durch Expertenmacht legitimiert werden muss. Die dezentralen Führungskräfte sind hierbei von der Notwendigkeit des Abstimmungsprozesses zu überzeugen, unabhängig davon, ob ein Stabs- oder Linienmanager diese Funktion übernimmt (Freudenberg, T., 1988). Für internationale Unternehmen wird es im Rahmen des internationalen Innovationswettbewerbs immer wichtiger, das F&E-Management zu verbessern. Dabei sind ausländische F&E-Einheiten nicht nur als isolierte Unterstützungsabteilungen der lokalen Tochtergesellschaft zu betrachten, sondern sie müssen als ein Bestandteil eines weltweiten Netzwerkes mit dem Ziel angesehen werden, Technologien für den Weltmarkt zu generieren. Die Bereitstellung eines hierfür geeigneten Managementsystems ist dabei ebenso wichtig wie die standortgerechte Konfiguration internationaler F&E-Aktivitäten (Ohmae, K., 2006). 3.2 Ablauforganisation Die Interdependenzen zwischen den F&E-Prozessen, die an unterschiedlichen Orten durchgeführt werden, machen eine Abstimmung hinsichtlich der zeitlichen Durchführung, des Inhaltes und des Umfanges von F&E-Projekten notwendig. Diese Abstimmung soll möglichst reibungslos vonstattengehen. Eine effiziente Informationspolitik, die alle Projekte berücksichtigt, führt zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit der F&E. In diesem Zusammenhang kann bei komplexen internationalen F&E-Projekten die Netzplantechnik verwendet werden. Ziel der Verbesserung der Informationsgewinnung und -verarbeitung im Rahmen der F&E ist es, Forschungszeiten, Ressourceneinsätze und somit die Kosten zu senken. Angesichts der beträchtlichen Aufwendungen für F&E ist einerseits die Doppelgenerierung von Know-how innerhalb eines F&E-Systems weitgehend zu vermeiden. Dazu ist es notwendig, wenn immer möglich, vorhandene Technologien zu nutzen. Jedoch kann aus Synergiegründen andererseits eine Doppelarbeit angestrebt werden, um mit einer Parallelforschung in mehreren Ländern zu einer höheren Ergebniswahrscheinlichkeit zu kommen. Dann sind von Beginn an die Forschungsziele und die notwendigen Abstimmungsprozesse <?page no="479"?> 456 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement festzulegen, um mögliche Synergien so früh wie möglich ausnutzen zu können. Hier spielen wiederum F&E-Datenbanken eine wichtige Rolle (Möhrle, M.G., 1991). Der Erfolg der F&E drückt sich auch in der Flexibilität aus, mit der sich das Unternehmen an die Veränderungen im internationalen Umfeld anpassen kann. Aufgrund des sich schnell verändernden globalen Umfeldes des internationalen Unternehmens werden an die Flexibilität der F&E erhöhte Ansprüche gestellt. Es kommt darauf an, zukunftsträchtige Projekte zu forcieren, erfolglose rechtzeitig abzubrechen und den Einsatz von Ressourcen flexibel zu gestalten. Begrenzte Kommunikationsmöglichkeiten, unklare Kompetenzen und Verantwortungsbereiche sowie bürokratische Verhaltensweisen sind typische Ursachen für die mangelnde Flexibilität innerhalb des F&E-Systems. Vor allem in der anwendungsbezogenen Forschung ist eine ständige Rückkopplung zwischen der F&E, der Beschaffung, dem Absatz und der Produktion notwendig. Die effiziente Gestaltung dieser Rückkopplungsprozesse erfordert ein Zeitmanagement bei der Produktentwicklung, um sich schneller an kürzere Produktlebenszyklen anzupassen und damit den Kapitalrückfluss der Investitionen in die F&E zu gewährleisten (Simon, H., 1989). Um den Produktentwicklungsprozess zu verkürzen, wird das „Simultaneous Engineering“ eingesetzt (Bullinger, H.J., et al., 2009). Im internationalen Unternehmen mit mehreren F&E-Standorten stellt der Einsatz des „Simultaneous Engineering“ besondere Anforderungen an Ablauforganisation und Informationspolitik. Wenn diese Strategie auch noch mit einer Global-Sourcing-Politik verbunden wird, dann sind enge Entwicklungskooperationen mit Produktionsmittelherstellern und Teilezulieferern in Form einer unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit aller Beteiligten erforderlich (Nonaka, I., 1990; Brockhoff, K., 1989). Die Bedeutung der Zusammenarbeit der F&E mit anderen betrieblichen Teilfunktionen wird durch die sogenannte „Rule of Ten“ verdeutlicht (Bertsche, B., et al., 2009; Taguchi, G./ Clausing, D., 1990). Sie besagt: Je später ein Fehler beim Durchlaufen der unterschiedlichen betrieblichen Teilfunktionen erkannt wird, desto höher sind die Kosten der Fehlerbeseitigung. Dabei wird von einer ungefähren Verzehnfachung der Kosten der Fehlerbeseitigung zwischen jeder betrieblichen Schnittstelle ausgegangen. Abbildung 229 stellt die „Rule of Ten“ dar. <?page no="480"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 457 Abbildung 229: „Rule of Ten“ Wird ein Fehler erst beim Kunden entdeckt und beseitigt, dann wird in Abbildung 229 unterstellt, dass die Kosten der Fehlerbeseitigung 100 € betragen. Wäre es dem Unternehmen aber möglich, den Fehler bereits in der Phase der Beschaffung und/ oder der Produktion zu erkennen und abzustellen, dann wären die Kosten der Fehlerbeseitigung nur 10 € gewesen. Würde das Unternehmen in der Designund/ oder Planungsphase den sonst erst später erkannten Fehler entdecken und vermeiden, hätten die Kosten der Fehlervermeidung nur 1 € betragen. Abbildung 230 gibt die „Rule of Ten“ für ein spezielles Elektronik- Erzeugnis wieder. Aus ihr wird ersichtlich, dass die Kosten der Fehlerbeseitigung zwischen 1000 $ und 10 Mio. $ liegen können. Abbildung 230: „Rule of Ten“ für ein spezifisches elektronisches Erzeugnis Abbildung 231 zeigt, dass die gesamten Planungskosten bis zum Testen des Erzeugnisses nur 10% der Gesamtkosten ausmachen. Nach der Testphase sind aber bereits 80% bis 90% der späteren Gesamtkosten festgelegt, so dass Fehler, die erst dann gefunden werden, zu hohen Belastungen für das Unternehmen führen. Um die Kosten der Fehlerbeseitigung zu senken, reicht es im Sinne der „Rule of Ten“ nicht aus, zusätzliche Forscher und Entwickler zu beschäftigen, wenn diese die potenziellen Fehler nicht erkennen. Deshalb ist es notwendig, dass die F&E enge Kontakte zu anderen betrieblichen Teilfunktionen unterhält und ein permanenter Informationsaustausch <?page no="481"?> 458 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement über betriebliche Schnittstellen hinweg erfolgt. Im Rahmen des internationalen F&E- Managements komplizieren sich diese Zusammenhänge durch die unterschiedlichen Umwelten, in denen das Unternehmen arbeitet. Abbildung 231: Beziehung zwischen den „Kosten des Planens“ und den Gesamtkosten eines Projektes Die Bedeutung der „Rule of Ten“ verstärkt sich im internationalen Unternehmen zusätzlich dadurch, dass zwischen der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaften im Ausland bzw. zwischen den ausländischen Tochtergesellschaften ebenfalls Schnittstellenprobleme auftreten können. Dazu sind gerade im internationalen F&E-Bereich erhebliche Informations- und Koordinationsprobleme zu lösen. Bei der „Rule of Ten“ sind aber auch die unterschiedlichen Mentalitäten für eine inner- und außerbetriebliche Zusammenarbeit zu berücksichtigen. So wird japanischen Unternehmen nachgesagt, dass sie durch das Ringi-System (Schneidewind, D., 1991; Albach, H., 1990) ein besseres Schnittstellenmanagement als westliche Industrieunternehmen haben. Insofern beeinflusst der Standort der F&E auch deren Effizienz bezüglich der Realisierung der „Rule of Ten“. Der Informations- und Koordinationsprozess in Japan ist durch partizipative Entscheidungen gekennzeichnet, die sich durch einen wechselseitigen Austausch von Planungsvorgaben, -resultaten und -revisionen zwischen dem zentralen und dem dezentralen F&E- Management auszeichnen. Dazu ist eine internationale Konsensbildung erforderlich. Der Prozess, diese zu erreichen, ist oft wichtiger als formale Ergebnisse. Es erscheint aus diesem Grunde sinnvoll, dass ein Mitglied der Unternehmensleitung die Abstimmung zwischen den einzelnen F&E-Bereichen übernimmt. Gleichzeitig ist es für die Initiierung und Kontrolle der internationalen F&E-Planung zuständig. Der Plan wird in der Praxis im Allgemeinen von einem international besetzten Entscheidungsgremium der F&E-Leiter partizipativ verabschiedet. Damit wird eine höhere Identifikation der internationalen Forschungs- und Entwicklungsleiter mit dem vereinbarten Plan erreicht. Im Hinblick auf die Ablauforganisation des internationalen F&E-Managements unterscheidet man die zentrale Steuerung, die lokale Autonomie und die flexible Integration (Bartlett, C.A., 1986). <?page no="482"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 459 3.2.1 Zentrale Steuerung Bei der zentralen Steuerung sind die lokalen Gesellschaften weitgehend „Befehlsempfänger“, die nur über geringe Einflussmöglichkeiten und Befugnisse verfügen. Alle wichtigen Entscheidungen im Rahmen der F&E werden bei der Muttergesellschaft getroffen. Die lokalen F&E-Aktivitäten werden durch das Management der Muttergesellschaft gesteuert und kontrolliert. Auf diese Weise können die F&E-Projekte besser koordiniert und ungewollte Doppelarbeit kann vermieden werden. Als ein Problem erweist es sich häufig, dass die zentralen Entscheidungsträger über zu wenige Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten verfügen. Damit kommt es oft zu Fehleinschätzungen und falschen Entscheidungen. Da die lokalen F&E-Einheiten nur als ausführende Organe angesehen werden und die Einstellung der Muttergesellschaft von dem lokalen Management oft als zu bürokratisch eingeschätzt wird, kommt es zur Demotivation lokaler F&E-Mitarbeiter. Dies wirkt sich kontraproduktiv auf die Kreativität der lokalen Forscher und Entwickler aus. Mitunter ist das zentrale Management durch die zentrale Steuerung der gesamten internationalen F&E-Aktivitäten überlastet, so dass Verantwortung auf Stäbe übertragen werden muss. Das führt bisweilen zu einer unflexiblen, bürokratischen Verhaltensweise der Zentrale. In Zeiten schneller Umweltveränderungen und dynamischer Technologiesprünge sind jedoch kurze Reaktionszeiten notwendig. Die zentrale Steuerung kann sich im Sinne der „Rule of Ten“ negativ auswirken, da Kommunikation und Koordination ausschließlich von der Muttergesellschaft zu den ausländischen Tochtergesellschaften ausgerichtet sind. Damit sind Rückkopplungen erschwert und es kommt zu erheblichen Ineffizienzen im F&E-Bereich. Die zentrale Steuerung ist im Allgemeinen für regelmäßige Entwicklungstätigkeiten sinnvoll, da hier das Effizienzziel im Vordergrund steht. Im Bereich des Zeitmanagements eines international aufgeteilten F&E- Projektes bietet sich eine zentrale Steuerung ebenfalls an. Werden jedoch Flexibilitäts- und Kreativitätsziele angestrebt, so ist dieses Führungskonzept nur begrenzt tauglich. 3.2.2 Lokale Autonomie Die lokale Autonomie im F&E-Bereich ist durch eine ausgeprägte Dezentralisierung der Entscheidungskompetenzen gekennzeichnet. Die Muttergesellschaft legt i.d.R. die finanziellen Rahmenbedingungen und die grundlegenden F&E-Ziele fest. Die Planung und Durchführung erfolgt weitgehend autonom durch die Tochtergesellschaften. Bei der lokalen Autonomie besteht die Gefahr, dass es zu Zielkonflikten zwischen der Mutter- und den Tochtergesellschaften kommt. So muss sichergestellt werden, dass nicht die ökonomischen von rein wissenschaftlichen Zielen dominiert werden. Des Weiteren sind Synergieeffekte im Gesamtkonzern durch eine lokale Autonomie gefährdet. Das Unabhängigkeitsstreben der einzelnen F&E-Abteilungen erschwert die Durchsetzung allge- <?page no="483"?> 460 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement meiner F&E-Strategien und baut meist psychologische Barrieren für eine konzernweite technologische Zusammenarbeit auf. Im Sinne der „Rule of Ten“ ist eine lokale Autonomie dann problematisch, wenn Kommunikation und Koordination zwischen den ausländischen Tochtergesellschaften und der Muttergesellschaft nicht ausreichend sichergestellt sind. Der Vorteil der lokalen Autonomie im F&E-Bereich besteht in der schnellen Reaktionsfähigkeit der dezentralisierten Einheiten auf lokale Veränderungen, da zeitraubende Abstimmungsprozesse entfallen. Auch positive Motivationseffekte für das lokale F&E-Management resultieren aus der lokalen Autonomie. Die Stärken der Mitarbeiter und Umfeldvorteile können in Bezug auf Inventionen bzw. Innovationen in den unterschiedlichen Ländern besser ausgenutzt werden. Damit besteht die Möglichkeit, unkonventionelle Lösungen zu finden, die an anderen Standorten nicht zu erwarten wären. Eine lokale Autonomie ist dann sinnvoll, wenn die F&E-Standorte nur geringe Interdependenzen ausweisen und die Forschungsgegenstände klar voneinander abgrenzbar sind. Auch bei funktional unabhängigen Forschungseinheiten wie z.B. der Grundlagenforschung und bei einer geringen Internationalität der Projekte bietet sich eine lokale Autonomie an. Bisweilen kommt es de facto zu einer von der Muttergesellschaft ungeplanten lokalen Autonomie, wenn ein ungenügender Informationsfluss zwischen den Unternehmen in Bezug auf die einzelnen F&E-Projekte besteht. Große, lokale F&E-Labors verfügen bisweilen über informale Mechanismen, die formale, zentrale Regelungen außer Kraft setzen. Darüber hinaus entsteht z.B. durch die Eigenfinanzierung der F&E der lokalen Gesellschaft eine Eigenständigkeit bei den Tochtergesellschaften, die einer lokalen Autonomie gleichkommt. In einem solchen Fall ist die lokale Autonomie kein gezieltes Führungsinstrument, sondern das Ergebnis fehlender Machtstrukturen. Die zentrale Steuerung und die lokale Autonomie sind Extremformen möglicher Führungsmodelle im F&E-Bereich internationaler Unternehmen. In der Praxis hat sich eine Reihe von Zwischenformen herausgebildet. Eine Zwischenlösung stellt die flexible Integration dar (Saad, K./ Roussel, P.A./ Tiby, C./ Little, A.D., 1993). 3.2.3 Flexible Integration Die flexible Integration basiert auf dem Prinzip, dass die Muttergesellschaft die Rahmenbedingungen für die F&E so festlegt, dass eine Abstimmung und eine Kooperation der einzelnen F&E-Einheiten im internationalen Unternehmen ermöglicht wird und im Sinne eines „management by exception“ die Muttergesellschaft direkt in den Abstimmungsprozess eingreifen kann. Ein Eingreifen der Muttergesellschaft ist dann erforderlich, wenn lokale F&E-Einheiten Aktivitäten initiieren, die mit den Unternehmenszielen nicht vereinbar sind, oder wenn die Abstimmungsmechanismen nicht ausreichen, um bestimmte Koordinationsprobleme zu lösen. Das lokale F&E-Management übernimmt bei der flexiblen Integration die Aufgabe, partizipativ F&E-Programme festzulegen und internationale Pro- <?page no="484"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 461 jekte zu koordinieren und durchzuführen. Dies kommt nach empirischen Untersuchungen auch der Bedürfnisstruktur der F&E-Manager entgegen, die partizipative Führungsprinzipien bevorzugen (Behrmann, J.N./ Fischer, W.A., 1980). Eine flexible Integration wirkt sich positiv gemäß der „Rule of Ten“ aus, da sie die Kommunikation und Koordination zwischen allen beteiligten Gruppen zum Ziel hat. Des Weiteren versucht man mit ihr, die Demotivierung des lokalen F&E-Managements durch eine zu starke Zentralisierung zu vermeiden. Auch die Gefahr einer zu großen Entfernung von den Zielen der Muttergesellschaft, die bei einer lokalen Autonomie besteht, wird auf diese Weise verhindert. Bei der flexiblen Integration besteht die Tendenz, bei leicht planbaren Entwicklungsarbeiten und bei starker funktionaler Abhängigkeit der F&E-Einheiten eine Zentralisierung zu bevorzugen. Eine Dezentralisierung bietet sich dort an, wo eine Konzentration auf eine lokale Grundlagenforschung notwendig ist, eine geringe internationale funktionale Interdependenz besteht oder spezielle Vorteile einzelner F&E-Bereiche bei verschiedenen Tochtergesellschaften vorliegen. <?page no="485"?> 462 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement Fallstudie: Internationales Innovationsmanagement SCHOTT AG: „Open Innovation“ als Ideenwettbewerb für Produktanwendungen Dr. Nikolaos Katsikis, Leiter Business Development, SCHOTT AG, Standort Mitterteich Produktanwendungen SCHOTT ist als internationaler Technologiekonzern auf den Gebieten Spezialglas, Spezialwerkstoffe und Spitzentechnologien tätig. Hauptmärkte sind die Branchen Hausgeräteindustrie, Solarenergie, Pharmazie, Elektronik, Optik, Transportation und Architektur. Rund 17.000 Mitarbeiter erwirtschafteten im Geschäftsjahr 2010/ 2011 einen Weltumsatz von rund 2,9 Milliarden Euro. Dieser Erfolg wurde möglich, weil das Unternehmen kontinuierlich in seine Innovationskraft investiert. Welche nachhaltige Wirkung daraus entstehen kann, wird am Beispiel der Entwicklung und Vermarktung von Glaskeramik-Kochflächen deutlich: Die Marke SCHOTT CERAN ® wurde Anfang der 1970er Jahre etabliert und mit Weiterentwicklungen stets erneuert, so dass das Unternehmen im Jahr 2010 dafür den Deutschen Innovationspreis erhielt. Zum anhaltenden Innovationserfolg gehört jedoch auch das Offensein für neue kreative Quellen. Im Innovationsmanagement werden heute Ansätze wie Open Innovation, Crowdsourcing und Ideation genutzt. Dahinter verbirgt sich die Öffnung für das Kreativpotenzial, das in der gesamten Bevölkerung schlummert. Dabei liefern Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturen und mit verschiedenen Lebenshorizonten Unternehmen neue Ideen und Denkansätze. Gepaart mit dem bereits vorhandenen Wissen und Know-how der Firmenexperten können hieraus innovative Produkte und Anwendungen entstehen - sowohl für bestehende als auch für neue Märkte. Das Ziel: Neue Einsatzideen für ein eckiges Glasrohr Dieses Potenzial wollte sich der Bereich für Röhrenglas der SCHOTT AG für sein Anfang 2010 vorgestelltes eckiges Glasrohr Conturax ® Pro erschließen. Dessen Profil kann nahezu beliebig definiert werden: quadratisch, rechteckig, fünfeckig - selbst Kombinationen aus runden und eckigen Profilen sind möglich. Zudem erübrigen sich bei Conturax ® Pro aufwendige und kostenintensive Umformungsprozesse, um das Profil zu erhalten. Die eckigen Rohre aus hochwertigem Borosilicatglas haben eine Länge von bis zu vier Metern und lassen sich vielfältig einsetzen, etwa im Produktdesign oder Anlagenbau, in der Leuchtmittelherstellung oder Architektur. <?page no="486"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 463 Diese Vielseitigkeit wollte SCHOTT verstärkt nutzen. Das Ziel: Das vorhandene Anwendungsspektrum erweitern sowie neue Produkte und Einsatzmöglichkeiten identifizieren. Nach der Beschäftigung mit verschiedenen Innovationsmanagement-Ansätzen erwies sich Open Innovation als bestmöglicher Ansatz für die erfolgreiche Generierung neuer Ideen rund um Conturax ® Pro. Damit wurde bewusst eine Öffnung des Innovationsprozesses nach außen angestrebt. Das Projekt: Ideenwettbewerb auf einer Online-Plattform Um möglichst vielfältige Produktideen zu erhalten, schlug das Projektteam der Rohrglasspezialisten von SCHOTT einen Ideenwettbewerb vor, der sich an die breite Öffentlichkeit, aber auch an spezielle Zielgruppen richten sollte. Diese reichten von Studenten und Professoren bis zu Erfinderklubs, Unternehmen und persönlichen Kontakten. Zudem wurden die Zielgruppen über eine Online-Plattform angesprochen. Dazu bestanden bereits Kontakte zu Netzwerkpartnern der „Innovation Excellence Days“ mit Vertretern aus namhaften Firmen und Wissenschaft, zu einem Beratungsunternehmen sowie zu „Deutschland - Land der Ideen“, einer gemeinsamen Standortinitiative von Bundesregierung und Deutscher Wirtschaft unter Federführung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Die Umsetzung: Breite Kommunikation und Teilnahmeanreize Der Aufbau der Online-Plattform www.innovationskraftwerk.de sowie die Konzeption, detaillierte Planung und Bekanntmachung des Wettbewerbs erfolgten innerhalb weniger Monate. Der Startschuss für den Wettbewerb fiel Ende März 2011, begleitet von einer breit angelegten Kommunikation über verschiedene Medien und Kanäle: Studierende und Professoren an Universitäten wurden über bestehende Kontakte angesprochen und mit Postern und Flyern für den Aushang und die Verteilung an den jeweiligen Instituten ausgestattet. Für Fachschaften wurde ein zusätzlicher Anreiz geschaffen, indem man der Fachschaft mit der höchsten Anzahl von Einreichungen ein Preisgeld in Aussicht stellte. Ergänzt wurden diese Maßnahmen um begleitende Online-Aktivitäten auf Plattformen wie Facebook, YouTube, Twitter, Xing, das Online-Firmenverzeichnis GlobalSpec, Beiträgen in Blogs, die Schaltung von Online-Werbebannern sowie den Einsatz von Online-Newslettern und GoogleAdWords. Für die Teilnahme am Wettbewerb war eine Registrierung auf der Online-Plattform erforderlich. Über diese reichten die Teilnehmer auch ihre Vorschläge ein, die anschließend für alle registrierten Mitglieder sichtbar waren. So war es einerseits möglich, über die eingereichten Projekte zu diskutieren und diese weiterzuentwickeln. Andererseits ließ sich vor einer Einreichung überprüfen, ob die jeweilige Idee unter Umständen bereits existierte. Darüber hinaus wurde über die Plattform ein Paket mit Informationen rund um das eckige Glasrohr zur Verfügung gestellt, das die externen Ideengeber beim Finden neuer, kreativer Ansätze unterstützen sollte. Abbildung 232 zeigt einen Produktvorschlag aus diesem Ideenwettbewerb. <?page no="487"?> 464 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement Abbildung 232: Platz 3: Lichtinstallation „Light Fixture“ Als Teilnahmeanreize wurden Preisgelder von 15.000 Euro ausgelobt. Um das Interesse auch während des Wettbewerbs wachzuhalten, durfte die teilnehmende Community für die besten Ideen Wochensieger küren, die jeweils ein Preisgeld erhielten. Das Ergebnis: 500 Ideen von 800 Teilnehmern aus 68 Ländern Das Ergebnis dieses Maßnahmenbündels: Innerhalb von acht Wochen verzeichnete die Wettbewerbsseite www.innovationskraftwerk.de knapp 70.000 Besucher - ein guter Wert angesichts der kurzen Anlaufzeit dieses Pilotprojekts. Das ursprüngliche Ziel, ungefähr 100 Ideen über diesen Wettbewerb zu erhalten, war bereits nach drei Wochen erreicht - für das Geschäftssegment Rohrglas von SCHOTT eine Bestätigung, dass man mit diesem neuen Ansatz und dem Einsatz einer Online-Plattform den richtigen Weg gewählt hatte. Bestärkt ging man einen Schritt weiter und führte den Wettbewerb auf internationales Parkett. Eine gute Entscheidung: Über 500 Ideen von knapp 800 Teilnehmern aus 68 Ländern wurden während des achtwöchigen Wettbewerbs eingereicht. Anschließend bewertete die Jury, ein Expertenteam, die eingereichten Ideen und Konzepte anhand der Kriterien Neuartigkeit, Marktpotenzial, Umsetzbarkeit, Nutzen, Verständlichkeit und Ausführlichkeit. Für die Anfang September 2011 angesetzte Preisverleihung wurden sieben Ideen ausgewählt, die im Rahmen der Veranstaltung anhand anschaulicher Skizzen präsentiert wurden. Die Ideen der Plätze 1 bis 3 realisierte man zudem in Form von Prototypen. Darüber hinaus konnte SCHOTT innerhalb von sechs Wochen drei Partnerfirmen akquirieren, mit denen die Ideen der drei Bestplatzierten nun in konkrete Produkte umgesetzt werden sollen. Abbildung 233 zeigt einen weiteren Produktvorschlag dieses Projekts. <?page no="488"?> Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement • 465 Abbildung 233: Platz 1: Glasröhrenfenster „Sommer Schlechtwetter“ Das Fazit: Starkes Innovationswerkzeug Im Rahmen dieses für SCHOTT bisher beispiellosen Projektes ließen sich viele wertvolle Erkenntnisse und Erfahrungen sammeln. So war es für das Geschäftssegment Rohrglas als klassischer B2B-Bereich beeindruckend, zu sehen, wie sich Tag für Tag ein wachsender Kreis von Menschen für die Fragestellungen rund um das eckige Glasrohr interessierte, kreativ wurde, aber auch kritisch über bereits abgegebene Ideen diskutierte. Im Bereich der Kommunikation zeichnete sich schnell ab, dass Online-Aktivierung der effektivste Weg ist, um Teilnehmer zu gewinnen. Eine Befragung unter den sieben Preisträgern etwa ergab, dass diese allesamt durch Online-Aktivitäten auf den Wettbewerb aufmerksam wurden. Sehr erfreulich war, dass selbst nach Wettbewerbsende noch Ideen eingereicht wurden. Dieser offene Contest zeigte sich somit als starkes Innovationswerkzeug für SCHOTT, zumal es das Image fördert und Know-how durch den Austausch im Network bringt. Es ergab sich eine Vielzahl sowie eine erhebliche inhaltliche Breite der Ideen - ein Kreativpotenzial, auf das SCHOTT auch in Zukunft bauen will. Links www.schott.com; www.innovationskraftwerk.de; www.land-der-ideen.de; www.innofocus.de Fragen (1) Welche Vor- und Nachteile sind mit Open Innovation grundsätzlich verbunden? (2) Inwiefern bildet Open Innovation gerade im internationalen Umfeld eine Plattform für das F&E Management? (3) In welchem Maße stellt Open Innovation eine Alternative zur Etablierung internationaler F&E Standorte dar? Was spricht jeweils für eine der beiden Alternativen? <?page no="489"?> 466 • Kapitel VII: Internationales Forschungs- und Entwicklungsmanagement Literaturempfehlungen Basisliteratur Hill, C., 2010: International Business: Competing in the Global Marketplace, 8., internationale Aufl., New York, [Kapitel 17: „Global Marketing and R&D”, S. 590- 623]. Lasserre, P., 2007: Global Strategic Management, 2. Aufl., Houndmills, [Kapitel 10: „Global Innovation”, S. 277-299]. Rothaermel, F.T., 2012: Strategic Management, McGraw Hill: New York, [S. 170-199]. Vertiefungsliteratur Belderbos, R./ Lykogianni, E./ Veugelers, R., 2008: Strategic R&D Location by Multinational firms: Spillovers, Technology Sourcing and Competition, in: Journal of Economics & Management Strategy, Volume 17, Number 3, Fall 2008, S. 759 ff. Chesbrough, H., 2011: Open services innovation: rethinking your business to grow and compete in a new era, Jossey-Bass, San Francisco. Faber, M.J., 2008: Open Innovation: Strategien, Ansätze und Geschäftsmodelle, Wiesbaden. Herzog, P., 2011: Open and Closed Innovation - Different Cultures for Different Strategies, Wiesbaden. <?page no="490"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain nagement <?page no="491"?> 468 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management Standpunkt: Deutsche Bahn AG Deutsche Bahn AG Die Deutsche Bahn AG ist einer der führenden Anbieter von Mobilitäts- und Logistikdienstleistungen und agiert weltweit in über 130 Ländern. Im Geschäftsjahr 2011 erwirtschaftete der DB-Konzern einen Umsatz von circa 37,9 Milliarden Euro und beschäftigte rund 295.000 Mitarbeiter. Strategische Stoßrichtungen sind neben der Internationalisierung die effiziente Vernetzung aller Verkehrsträger sowie der Aufbau durchgängiger verkehrsträgerübergreifender und umweltverträglicher Reise- und Logistikketten. www.deutschebahn.com Dr. Rüdiger Grube, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bahn AG und der DB ML AG Dr. Rüdiger Grube ist seit 2009 bei der Deutschen Bahn. In den Jahren 2001 bis 2009 war er im Vorstand der Daimler AG. 1. Welche Bedeutung haben Mobilität und Logistik für die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen wie der Deutschen Bahn AG? Mobilität und Logistik verstehe ich als zentrale Voraussetzungen für die Arbeitsteilung zwischen Menschen, Unternehmen und Volkswirtschaften und damit als Basis unseres Wohlstands. Leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur sowie qualitativ hochwertige Mobilitäts- und Logistikdienstleistungen tragen maßgeblich zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen bei. Hierin liegt auch ein wesentlicher Standortvorteil der deutschen Wirtschaft. Ohne die Möglichkeit, Mitarbeiter und Produkte über die Grenzen von Staaten und Kontinenten hinweg global einzusetzen und somit einen Wissens- und Knowhow-Transfer sicherzustellen, gäbe es ferner keinen internationalen Wettbewerb. Das gilt für jeden Bereich in der Wertschöpfungskette von Unternehmen. Produktionsstandorte im In- und Ausland, die ein Treiber für internationale Logistik sind, könnten ohne ein Mobilitätsangebot nicht aufgebaut und eingerichtet werden. Ein erfolgreicher Vertrieb, der beispielsweise für ein exportorientiertes Land wie unseres von elementarer Bedeutung ist, wäre ohne die Möglichkeit, mit Geschäftspartnern persönlich zu interagieren, kaum vorstellbar. Auch die Zusammenarbeit in international tätigen Unternehmen wäre deutlich schwieriger, wenn die Mitarbeiter nicht auch privat die Möglichkeit haben, über Grenzen und ehemalige „Eiserne Vorhänge“ hinweg mobil zu sein. <?page no="492"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 469 Als Konsequenz der internationalen Mobilität und Auslandsaktivitäten von Mitarbeitern wachsen die internationalen Warenströme seit Jahrzehnten an. Die Möglichkeit, zu reduzierten Kosten auf internationalen Märkten sowohl einzukaufen als auch Halb- und Fertigprodukte anzubieten, ist eines der wesentlichen Fundamente für die Wettbewerbsfähigkeit von international agierenden Unternehmen. Wir als Deutsche Bahn AG haben einen wesentlichen Anteil an der Bereitstellung von Mobilität und Logistik für internationale Unternehmen. Als führender Mobilitätsanbieter in Europa stellen wir sicher, dass Menschen effizient und sicher über Ländergrenzen hinweg reisen können. Als eines der größten Logistikunternehmen der Welt sind wir Bestandteil der Supply Chain von international höchst erfolgreichen Unternehmen und Konzernen. 2. Spielt das Global Sourcing in Ihrem bzw. Ihren Kundenunternehmen eine Rolle? Ja, für uns und für viele unserer Kunden. Global Sourcing verstehen wir bei der Deutschen Bahn AG als Global Value Sourcing, denn durch einen weltweiten Einkauf von Waren und Dienstleistungen, bei dem wir sorgfältig abwägen zwischen erzielbaren Kostenvorteilen einerseits und Qualität bezogen auf Sicherheit und Komfort für die Kunden andererseits, schaffen wir Werte für die Deutsche Bahn AG. Das Ziel ist, aus der zunehmend globalen Arbeitsteilung Vorteile für die Deutsche Bahn AG zu ziehen. Auf der Seite unserer Geschäftskunden haben viele ihre Wertschöpfungstiefe verringert und agieren in globalen Fertigungsnetzwerken, für die eine verlässliche Versorgung mit weltweit eingekauften Ressourcen ein zentraler Erfolgsfaktor ist. Die Gewährleistung des Warenflusses übernehmen dabei unsere Geschäftsfelder DB Schenker Rail und DB Schenker Logistics. Ein Wachstum dieser Fertigungsnetzwerke ist somit ein relevanter Treiber unseres Umsatzes. Neben der Einsparungsmöglichkeit durch günstigere Fertigungskosten im Ausland verfolgen wir mit Global Value Sourcing zwei weitere zentrale Ziele. Zum einen soll der Zugang zu technologischen Innovationen und knappen Ressourcen gewährleistet werden - dies trägt zur Sicherung und zum langfristigen Ausbau von Wettbewerbsvorteilen bei. Zum anderen soll unter den bestehenden Lieferanten der Wettbewerb gefördert werden. Das Global Value Sourcing kommt im Bereich des Schienenverkehrs beispielsweise bei der Beschaffung von Ersatzteilen für unsere Züge und technischen Anlagen zum Einsatz. Der Anteil der Beschaffung außerhalb des deutschsprachigen Raumes ist bei uns derzeit allerdings noch relativ gering - hier ist unser Ziel, diesen Anteil bis 2016 zu vervierfachen. Neben dem Augenmerk auf den etablierten Auslandsmärkten liegt unser besonderer Fokus dabei auf Emerging Procurement Markets, auf denen wir uns im Sinne des Global Value Sourcing positionieren wollen. <?page no="493"?> 470 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management 3. Welche Rolle spielt die IT bei der Optimierung des internationalen Supply Chain Managements? Die Rolle der IT leitet sich aus den Anforderungen des internationalen Supply Chain Managements ab. Es bieten sich zahlreiche Optimierungsmöglichkeiten für das internationale Supply Chain Management, die die aktuellen und zukünftigen Gestaltungsfelder der IT- Entwicklung bestimmen. Die Zusammenarbeit in globalen Netzwerken und die damit einhergehende zunehmende Mobilität erwachsen zu zukünftigen kritischen Erfolgsfaktoren in internationalen Supply Chains. Um diese reibungslos und konsistent über Unternehmensgrenzen hinweg zu ermöglichen, ist es Aufgabe der IT, die Koordination von Transport- und Lageraktivitäten über die im Unternehmen eingesetzte Software ortsunabhängig und mittels verschiedener mobiler Endgeräte (z.B. Smartphones, iPads) zu ermöglichen. Hierbei stellen die Standardisierung und Konsolidierung von Applikationen kooperativ arbeitender Funktionsbereiche eine wichtige Komponente dar. Diese Veränderung bedeutet einen Wandel von einer Funktionsorientierung hin zu einer Serviceorientierung der IT. Optimierungspotenzial sehe ich auch in dem Bereich der systemischen Kunden- und Lieferantenintegration. Ob bei Bestellungen, Transportaufträgen oder der Abfrage von Statusinformationen - ein unmittelbarer und ungebrochener Datentransfer zwischen Partnersystemen führt zu effizienteren Prozessen und Geschwindigkeitsvorteilen. Hier gilt es, die Anbindung von konsekutiven Unternehmenssystemen über notwendige Schnittstellen zu erreichen. Im Funktionsbereich des Transports lässt sich IT-bezogenes Verbesserungspotenzial beispielsweise bei Themen wie der Minimierung von Transportwegen, einer an die Verkehrssituation angepassten Routennavigation oder dem Management von Ruhezeiten feststellen. Es lässt sich die veränderte Stellung der IT erkennen - sie spielt nicht mehr vorwiegend eine unterstützende Rolle für das Business, sondern wird als mitgestaltendes Werkzeug angesehen, mit dem Wettbewerbsvorteile erzielt werden können. 4. Welche Bedeutung haben internationale Supply-Chain-Allianzen für die Deutsche Bahn AG? Welche Probleme müssen bei ihrem Aufbau beachtet werden? Der Wettbewerb stellt immer höhere Anforderungen an Unternehmen hinsichtlich Kundenmanagement, Kostenmanagement und Flexibilität. Da für den Erfolg im Wettbewerb nicht immer alle erforderlichen Stärken entlang der Liefer- und Leistungskette im Unternehmen selbst verfügbar sind, ist die Schaffung erfolgreicher Allianzen mit den richtigen Partnern eine wesentliche Antwort, wettbewerbsfähig zu bleiben und die eigene Marktposition weiter auszubauen. Durch die Allianz mit einem geeigneten Partner kann ein Mangel an Strukturen zur Entwicklung von neuen Produkten oder Prozessen auf partnerschaftliche Weise ausgeglichen werden. Ob eine solche Allianz durch vertragliche Kooperation, Joint Venture oder strategische Allianz mit gegenseitiger Kapitalbeteiligung erfolgt, hängt vor allem von den mit dem Partner langfristig verfolgten Zielen ab. <?page no="494"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 471 Wir bei der Deutschen Bahn AG nutzen internationale Allianzen beispielsweise als Strategie, um mit der Logistiksparte DB Schenker in Emerging Markets Fuß zu fassen. Dabei wird zunächst versucht, sich über die vertragliche Einbindung eines lokalen Partners Know-how und lokale Leistungen zu sichern. Unser Partner profitiert dabei durch zusätzliche Fracht aus dem internationalen DB Schenker-Netz zur Weiterbehandlung mit eigener Wertschöpfung. Wird bei Erfolg eine Intensivierung der Aktivitäten beschlossen, kann die Partnerschaft bei entsprechend wirtschaftlichem Vorteil in ein Joint Venture umgewandelt werden. Den allgemein bei der Zusammenarbeit mit Partnern auftretenden Problemen, die aufgrund der oftmals unterschiedlichen Sichtweisen in Bereichen wie Leistungsfähigkeit, Compliance und Unternehmenskultur entstehen, lässt sich bei strategischen Allianzen durch vertragliche Fixierung der Anforderungen der Partner entgegenwirken. Nichtsdestotrotz verbleibt gerade bei Themen wie der gemeinsamen Entwicklung und Nutzung von Produkten oder der Bewertung und Bezahlung für plötzlich gewonnenen Zusatzumsatz ein Konfliktpotenzial, dem durch eine klare Systematik mit dem Ziel eines Interessenausgleichs zwischen den Allianzpartnern begegnet werden kann. Zusätzlich sollten diese Themen bereits bei der Auswahl von möglichen Partnern Berücksichtigung finden. 5. Welche Themen werden die Zukunft der Mobilität und der internationalen Logistik bestimmen? Wie werden sich die Transportwege (Straße, Schiene, Wasser, Luft) in ihrer Bedeutung weiterentwickeln? Die Mobilitäts- und Logistikunternehmen und damit auch die Deutsche Bahn AG stehen vor einer Reihe von Herausforderungen. Zum einen ist die Verkehrsbranche besonders gefordert, Anstrengungen im Bereich Nachhaltigkeit und Umweltschutz weiter voranzutreiben. Wir als Deutsche Bahn sind hier beispielsweise als größter europäischer Anbieter von Schienengüterverkehr bereits gut positioniert. Nichtsdestotrotz sind die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit ein wesentlicher Bestandteil in unserem Ziel- und Wertesystem. Zentrale und wachsende Herausforderungen liegen ferner in der Gewinnung von qualifizierten Mitarbeitern und in der Wahrung einer hohen Mitarbeiterzufriedenheit. Letzteres verdient vor dem Hintergrund des anhaltenden Effizienz- und Veränderungsdrucks sowie der Internationalität und Heterogenität großer Mobilitäts- und Logistikunternehmen besondere Aufmerksamkeit. Weitere wesentliche Themen sind steigende Primärenergiepreise, die Weiterentwicklung von Technik und Informationstechnologie sowie zukünftige Infrastrukturengpässe, die bei allen Verkehrsträgern entstehen werden. Wir erleben in vielen Bereichen, dass die Wettbewerbsfähigkeit von Regionen oder ganzen Ländern durch schlecht ausgebaute oder vernachlässigte Transportinfrastruktur leidet. Stete Herausforderung ist es, gerade solche Zusammenhänge der Öffentlichkeit zu vermitteln und die notwendige Akzeptanz für die Transportinfrastruktur zu schaffen. Die Mobilität in Europa wird momentan ganz wesentlich von Liberalisierungsinitiativen der Europäischen Union geprägt. Hierbei eröffnen sich für Mobilitätsanbieter wie die <?page no="495"?> 472 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management Deutsche Bahn AG Wachstumsmöglichkeiten über den Heimatmarkt hinaus, wenn auch gerade im Eisenbahnverkehr das Tempo der Marktöffnung oft in einzelnen Staaten unterschiedlich ist. Dies bedeutet auch für den Kunden ein breiteres Angebot und eine durch Wettbewerb getriebene Verbesserung der Dienstleistungen. Allerdings geht die Liberalisierung mit Standardisierungsvorgaben einher. Einerseits sind gemeinsame Standards Voraussetzung für einen funktionierenden Binnenmarkt, andererseits muss sichergestellt werden, dass der Spielraum für unternehmerisches Handeln nicht signifikant beschnitten wird. Ich denke, dass mit Maß und Ziel ausgestaltete Spielregeln für den europäischen Mobilitäts- und Logistikmarkt den Anbietern und Kunden gleichermaßen nutzen. Die Transportwege sind das Rückgrat für Mobilitäts- und Logistikangebote. Es bedarf daher in Europa nicht nur einer Verstetigung der Mittel für den Aus- und Neubau der Transportwege, auch für mehr Planungssicherheit zu sorgen. Es bedarf auch einer stärker korridor- und engpassbezogenen Infrastrukturplanung, die dabei die Öffentlichkeit früher und umfassender als bisher beteiligt und die Vorhaben dann zeitnäher genehmigt und umsetzt. Da sich dennoch die Infrastruktur aufgrund der global kontinuierlich wachsenden Nachfrage nicht beliebig erweitern lässt, befinden wir uns in einigen Regionen bereits in einer Transformationsphase vom Wettbewerb zwischen Verkehrsträgern hin zu einem kooperativen Ansatz, in dem jeder Verkehrsträger die Aufgaben wahrnimmt, für die er am besten geeignet ist. Wir leben inzwischen in einem Jahrhundert der vernetzten Mobilität. Nichtsdestotrotz wird sowohl interals auch intramodaler Wettbewerb weiter zunehmen - eine Herausforderung, vor der die gesamte Transportbranche steht. Die Entwicklung des Modal Split - also der Beitrag jedes einzelnen Transportweges zum Gesamttransportvolumen - wird sowohl global und regional als auch personen- und güterverkehrsbezogen sehr unterschiedlich ausfallen. Zum Beispiel sehe ich bei den derzeitigen wettbewerblichen Rahmenbedingungen innerhalb Europas im Anteil und der Wichtigkeit der einzelnen Transportwege im Güterverkehr keine großen Verschiebungen - im Personenverkehr hingegen kann neben verbesserten Rahmenbedingungen auch der Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes ein wesentlicher Treiber zu mehr Personentransport auf der Schiene sein. <?page no="496"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 473 Dimensionen des internationalen Supply Chain Managements Bislang hat sich kein einheitliches Verständnis über Supply Chain Management etabliert. Der Ansatz verfolgt jedoch in allen internen und unternehmensübergreifenden Prozessen das Ziel, den Wünschen der Kunden nach großer Auswahl, geringen Kosten, guter Qualität und leichter Verfügbarkeit gerecht zu werden. Supply Chain Management integriert alle Aktivitäten entlang der Wertkette: Beschaffung, Fertigung/ Produktion, Verkauf und Entsorgung/ Recycling (Werner, H., 2010). So verlagerte sich der Wettbewerb der einzelnen Unternehmen seit den ersten Ansätzen in den 1990ern zunehmend zu einem Wettbewerb gesamter, unternehmensübergreifender Supply Chains (Wertketten) (Corsten, D./ Gabriel C., 2002). Im Folgenden werden die Dimensionen der Wertkette: Beschaffung - Produktion - Logistik einzeln im internationalen Kontext betrachtet. 1 Internationales Beschaffungsmanagement Das Beschaffungsmanagement (Supply Management) ist die unternehmensübergreifende, gemeinsame Planung, Gestaltung, Abwicklung und Kontrolle sämtlicher Prozesse, die zur effizienten und effektiven Versorgung des abnehmenden Unternehmens mit ausgewählten und für die Leistungsfähigkeit benötigten Einsatzgütern notwendig ist (Harrison, A./ van Hoek, R., 2011; Kleer, M., 1991). Es bezieht sich dabei auf eine enge internationale Zusammenarbeit mit Lieferanten und stellt einen wichtigen strategischen Erfolgsbereich des Unternehmens dar. Beschaffung dient der Aufrechterhaltung der Versorgung mit den für die Betriebsprozesse benötigten Inputfaktoren, die im Unternehmen selbst nicht verfügbar sind. Die internationale Beschaffung muss die Bereitstellung von Arbeitskräften, Informationen, Kapital, Rechten, Sachgütern und Dienstleistungen an mehreren Produktionsstätten und in mehreren Ländern sicherstellen. Die Beschaffung von Arbeitskräften ist dem internationalen Personalmanagement zuzuordnen. Die Beschaffung von Informationen ist allumfassend und findet Eingang in alle Funktionsbereiche der internationalen Unternehmung. Die Beschaffung von Kapital ist eine Aufgabe des internationalen Finanzmanagements. Die Beschaffung von Rechten, soweit sie sich auf einen Technologieerwerb beziehen, ist im internationalen Forschungs- und Entwicklungsmanagement zu behandeln. <?page no="497"?> 474 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management Im Folgenden wird deshalb nur die Beschaffung von Sachgütern und von Dienstleistungen geschildert. In den meisten Bereichen wie z.B. bei Fragen der optimalen Bestellpolitik, der Terminplanung, der Make-or-Buy-Entscheidung oder im Rahmen der Methoden der Beschaffungsmarktanalyse bzw. der Lagerhaltung unterscheiden sich die Probleme der internationalen nicht wesentlich von denen der nationalen Beschaffung. Dennoch sind einige Besonderheiten beim internationalen Beschaffungsmanagement zu berücksichtigen. Im folgenden Abschnitt werden deshalb zunächst die Probleme der Auswahl internationaler Beschaffungsquellen analysiert. Anschließend werden die Bestimmungsfaktoren für die Auswahlentscheidung abgeleitet. Zum Abschluss wird auf die organisatorische Gestaltung des internationalen Beschaffungsmanagements eingegangen. 1.1 Auswahl internationaler Beschaffungsquellen Hinsichtlich der Entscheidung über Bezugsquellen können drei Alternativen unterschieden werden: der Bezug aus den jeweils lokalen Märkten, der Bezug aus Drittländern, in denen das Unternehmen keine Produktionsstätten besitzt, und der Bezug aus dem Konzernverbund. Bei der Beschaffung aus dem lokalen Markt der Muttergesellschaft wird das Vormaterial zu den ausländischen Tochtergesellschaften exportiert. Bei dieser Strategie kann es zu Konflikten zwischen den Interessen der Muttergesellschaft und denen der Tochtergesellschaft im Ausland oder sogar denen des ausländischen Staates, z.B. bei Entwicklungsländern, kommen. Komplizierte Importformalitäten und Währungsrisiken sprechen für lokale Beschaffungsquellen. Eine Beschaffung aus Drittländern liegt dann vor, wenn die Unternehmung Materialien aus Ländern beschafft, in denen sie keine eigenen Produktionsstätten besitzt. Damit kommt es zu konzernfremden Lieferungen. Die Vor- und Nachteile dieser Strategie lassen sich im Zusammenhang mit der dritten Möglichkeit der Beschaffung darstellen. Diese stellt die Beschaffung aus dem Konzernverbund dar. Bei der Beschaffung aus dem Konzernverbund ergibt sich zunächst der Vorteil, dass eine bessere Kapazitätsauslastung an einem bestimmten Produktionsstandort erreicht wird. Das Unternehmen kann auf bekanntes Know-how aus dem technischen und unternehmerischen Bereich zurückgreifen. Auch Transaktionskosten, die für die Suche nach geeigneten Lieferanten anfallen, werden eingespart. Der Vorteil der konzernfremden Beschaffung liegt darin, dass in Märkten mit vielen Vorlieferanten ein hoher Wettbewerb herrscht, der diese permanent zu neuen technologischen Entwicklungen drängt. Dieser Innovations- und Preisdruck kann bei konzerneigenen Unternehmen, die eine Lieferung „sicher“ haben, geringer sein. <?page no="498"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 475 Durch die dynamische Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien entstehen neue Gestaltungsformen der Beschaffung, die unter dem Begriff E-Procurement (elektronische Beschaffung) zusammengefasst werden. Hierbei sind offene Systeme (meist Branchenmarktplätze) von proprietären Systemen, die von einem Unternehmen alleine oder in Kooperation betrieben werden, zu unterscheiden (Zentes, J./ Swoboda, B., 2002). E-Procurement ermöglicht sowohl Kosteneinsparungen als auch eine Erhöhung der Beschaffungsqualität. Kosteneinsparungen entstehen zum einen aus Preisvorteilen durch unternehmensweite sowie unternehmensübergreifende Bündelung von Bedarfen. Zum anderen sind erhebliche Senkungen der Prozesskosten durch eine beschleunigte Bestellabwicklung (z.B. Erstellung von Bestellanforderungen) erreichbar. Eine Erhöhung der Beschaffungsqualität ist bspw. durch eine verbesserte Termingenauigkeit, eine Verringerung von Erfassungsfehlern sowie durch eine verbesserte Informationserfassung, -qualität und -auswertung möglich (Kückels, C., 2009). 1.2 Bestimmungsfaktoren der Auswahl der internationalen Beschaffungsstrategie Die internationale Beschaffungsstrategie „Global Sourcing“ hängt von einer Reihe von Faktoren ab, die im Folgenden dargestellt werden. Neben den Kosten sind auch Qualitätsaspekte der beschafften Güter zu berücksichtigen (Werner, H., 2010; Samli, A.C./ Browning, J.M./ Busbia, C., 1998). So muss sichergestellt werden, dass niedrigere Kosten nicht mit Qualitätsnachteilen verbunden sind, die das Image der Produkte mindern und damit die gesamte Produktstrategie gefährden. Die neuen Gestaltungsformen der Beschaffung durch E-Procurement erleichtern jedoch eine effiziente und effektive Durchführung von Global Sourcing. Auch die Frage, ob eine Single- oder Multiple-Sourcing-Strategie sinnvoller ist, muss in einem internationalen Unternehmen einer eingehenden Prüfung unterzogen werden. Zwar kann das international tätige Unternehmen bei der Konzentration auf einen oder nur wenige Lieferanten eines Gutes seine Nachfragemacht dazu benutzen, beim Lieferanten als Großkunde Preiszugeständnisse zu erreichen und Sonderwünsche besser durchzusetzen, jedoch kann diese Abhängigkeit dazu führen, dass die eigene Produktions- und Liefersicherheit bei einem Ausfall des Vorlieferanten (z.B. durch einen Streik) gefährdet wird. Im internationalen Umfeld ist die Gefahr solcher „ unvorhersehbarer “ Ereignisse i.d.R. größer als im Inland, mit dem das Unternehmen besser vertraut ist. Deshalb sind bei der Auswahl der Lieferanten im Ausland die Kriterien Zuverlässigkeit, Lieferbereitschaft, die Qualität der Waren und die Zahlungsbedingungen ebenso wichtig wie der Preis (Zentes, J./ Swoboda, B./ Morschett, D., 2004). <?page no="499"?> 476 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management Bei der Frage nach der Anzahl der Lieferanten und deren Zusammenwirken ist eine zunehmende Bedeutung des Modular Sourcing/ System Sourcing festzustellen, bei dem die Lieferanten in funktionalen Stufen als Zulieferpyramide (Hierarchisierung der Zulieferstruktur) organisiert werden und der Abnehmer nur noch mit dem sogenannten System- oder Modullieferanten zusammenarbeitet. Es werden Komponenten und komplette Baugruppen von einem Lieferanten bezogen. Der Modullieferant erbringt dabei im Wesentlichen eine Montageleistung, indem er Komponenten verschiedener Lieferanten zu einem einbaufertigen Modul oft im Zusammenhang mit einer Just-in-Time-Zulieferung zusammenfügt. Vorteile sind Kosteneinsparungen mittels Branchen-, Standort- und Regulierungsarbitrage sowie Effizienzsteigerungen durch die Senkung von Transaktions- und Logistikkosten (Werner, H., 2010). Ein weiterer Aspekt für die Wahl nur eines Vorlieferanten liegt in der Möglichkeit einer engeren Zusammenarbeit, insbesondere auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung. Oft sind die Lieferanten hierarchisch strukturiert (Subcontracting). Die Forcierung des Wettbewerbs auf mehrere Lieferanten kann dazu genutzt werden, die Stärken- und Schwächenprofile der Zulieferer genauer kennenzulernen, um bessere Anforderungsprofile für die Lieferanten zu erstellen. In vielen Branchen hat die Strategie der Konzentration auf Kernkompetenzen durch Outsourcing hohe Popularität erlangt und zu einer Bildung von internationalen Netzwerkstrukturen geführt. Outsourcing bezieht sich auf den Fremdbezug von Produkten und Dienstleistungen und ist ein Kürzel für „Outside Resource Using“ (Köhler-Frost, W., 2000). In einer Befragung von 200 Führungskräften durch das Institut für Management und Consulting wurden als wichtigste Vorteile von Outsourcing genannt: eine Erhöhung der Flexibilität, der Zugang zu spezialisierten Ressourcen sowie eine Leistungssteigerung durch Konzentration auf das Kerngeschäft. Als wichtigste Risiken wurden angeführt: die hohe Abhängigkeit von Dienstleistern, die komplexe Integration der Prozesse sowie das Risiko eines Know-how-Verlusts (o.V., 2002). Zudem können Probleme durch die interkulturelle Zusammenarbeit entstehen. Der Trend zum Outsourcing hat in großen Konzernen inzwischen auch den Beschaffungsbereich selbst erreicht; so werden Teile der Beschaffungsprozesskette z.B. über Purchasing-Card-Anbieter (Purchasing Card - elektronische Einkaufskartensysteme) fremdbezogen (Werner, H., 2010). <?page no="500"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 477 Bei der Entscheidung über die Art und die globale Streuung der Beschaffungsquellen sind im internationalen Beschaffungsmanagement folgende Faktoren zu berücksichtigen: Beschaffungskosten, Zuverlässigkeit, Versorgungssicherheit, Local-Content-Vorschriften, technische, logistische und/ oder finanzielle Probleme des Lieferanten (vgl. Abbildung 234). Abbildung 234: Bestimmungsgrößen der internationalen Beschaffung Weitere Faktoren, die die Auswahl der Beschaffungsquellen im Ausland beeinflussen, sind der technische Entwicklungsstand, die Handelsusancen und die Infrastruktur des jeweiligen Gastlandes. 1.3 Entscheidungen über die Fertigungstiefe Fertigungstiefe (Wertschöpfungstiefe) bezeichnet in der Wertschöpfungskette den Anteil der Eigenfertigung bei der Gütererstellung. Insbesondere vor dem Hintergrund eines steigenden technologischen Konkurrenzdruckes, einer zunehmenden Dynamik, Komplexität und Instabilität bzw. Diskontinuität der Rahmenbedingungen sehen sich die Unternehmen neuen Herausforderungen an die Gestaltung ihrer Leistungstiefe im Produktionsbereich gegenüber, um so ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Ausgangspunkt der Entscheidungen über die Fertigungstiefe ist die Frage, ob ein Zulieferer bzw. ein Dritter bei gleicher oder besserer Qualität günstiger produzieren kann, als dies bei interner Erstellung möglich ist. Eingang in die Betriebswirtschaftslehre hat diese Frage mit all ihren Auswirkungen, Problemen bzw. Vor- und Nachteilen unter den Begriffen <?page no="501"?> 478 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management Haus-/ Kaufteilentscheidung, Bezugsartenentscheidung, Eigenfertigung/ Fremdbezug bzw. Make-or-Buy-Entscheidung und Outsourcing gefunden (Köhler-Frost, W., 2000). Mit der Verringerung der Fertigungstiefe können verschiedene Vorteile verbunden sein. Die Reduktion von hohen Fixkosten ist ein wesentlicher Grund. Durch Fremderstellung werden diese Kosten zumindest teilweise proportionalisiert und in variable Materialkosten umgewandelt. Dies gelingt durch den Kauf einzelner oder auch ganzer Teile der Produktionsleistung. Inwieweit die Verringerung der Fertigungstiefe die Fixkosten jedoch tatsächlich reduziert, hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob es gelingt, freigesetzte Mitarbeiter anderweitig zu beschäftigen oder zu entlassen, überflüssige Maschinen zu verkaufen, Produktionsstätten zu veräußern oder zu vermieten. Außerdem können neue Fixkostenblöcke entstehen. So müssen z.B. für die Abwicklung der Koordination mit dem Zulieferer eventuell zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden. Es ergeben sich auch Kostenvorteile, wenn der Lieferant an einem Standort mit niedrigem Lohnniveau produziert oder die Herstellkosten für den Lieferanten - bedingt durch eine Massenfertigung - geringer sind und sich die eigenen Kosten für Räumlichkeiten, die z.B. für die Produktion und die Lagerhaltung notwendig sind, reduzieren lassen. Qualitätsvorteile können sich ergeben, weil der Lieferant über Spezialmaschinen verfügt, die für das Unternehmen selbst zu teuer wären oder weil der Lieferant langjährige Erfahrungen auf seinem Spezialgebiet besitzt. Finanzwirtschaftliche Vorteile können sich einstellen, weil durch die Fremdvergabe Kapital für eigene Investitionen z.B. in Produktionseinrichtungen freigesetzt wird. Ein Problem der Verringerung der Fertigungstiefe ist die Preisgestaltung. Selbst wenn die Einstiegspreise sehr günstig sind, besteht die Gefahr der Abhängigkeit vom Lieferanten. Eine potenzielle Preissteigerung durch diesen ist rechtzeitig zu antizipieren und mit vertraglichen Regelungen zu verhindern. Hier ist zum Beispiel an eine Kopplung der Preisentwicklung an branchenspezifische oder gesamtwirtschaftliche Preisindizes zu denken. Wurde die Bezahlung der zu liefernden Teile in der Währung des produzierenden Landes gewählt, ergeben sich Währungsrisiken, deren Tragweite im Voraus nur schwer abzuschätzen ist. Um dieses Problem zu umgehen, kann der Liefervertrag eine Bezahlung in inländischer Währung vorsehen. Die sorgfältige Auswahl von Drittwährungen als Zahlungsmittel, die durch große Stabilität gekennzeichnet sind, kann ebenfalls eine Lösung sein. Sollte dies bedingt durch die Macht des Lieferanten nicht möglich sein, bietet es sich an, das Währungsrisiko durch Finanzinstrumente wie etwa Kurssicherungsmaßnahmen abzusichern. Die Segmentierung der technischen Kompetenz im Rahmen des Produktionsprozesses kann zu Abstimmungsproblemen, insbesondere in der Neuentwicklung oder Modifikation von Produkten und Prozessen, führen. Die hierdurch notwendig werdende enge Zusammenarbeit im Entwicklungsprozess ergibt eine Abhängigkeit von den Zulieferern, die gerade bei der Auslandsvergabe von Nachteil sein kann. Gründe hierfür können unter- <?page no="502"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 479 schiedliche Sprachen und zu große räumliche Distanzen sein, die die Kosten einer Kooperation nach oben treiben. Der Aspekt der Entfernung spielt insbesondere bei der Just-intime-Produktion eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Sollte es zu einer plötzlichen Belebung der Nachfrage kommen, ist es durchaus denkbar, dass diese nicht befriedigt werden kann, da entsprechende Teile des Zulieferers wegen des zu langen Lieferweges nicht schnell genug bereitgestellt werden können. Für Produkte mit einer ständig wechselnden Nachfrage ist es deshalb durchaus ratsam, die teurere Eigenfertigung oder eine Fertigung in der Nähe des eigenen Produktionsstandortes zu wählen, um so auf Nachfrageänderungen flexibel reagieren zu können. Dieser Aspekt verliert jedoch im heutigen Informationszeitalter nach und nach an Bedeutung. So ist es heute bereits bei vielen Unternehmen so, dass bei einem Lieferanten bzw. Zulieferer schon durch den Auftragseingang bei ihren Kunden ein entsprechender Auftrag generiert wird. Ein weiteres Risiko im Zusammenhang mit der Fremdvergabe von Produktionsleistungen ist in der Gefahr eines Krieges, eines Streiks oder auch politischer Unruhen zu sehen. Sollte es etwa zum Ausbruch eines Krieges im Land des Zulieferers kommen, ist über kurz oder lang damit zu rechnen, dass keine Teile oder Produkte mehr geliefert werden können. Zu Ausfällen in der eigenen Produktion wird es in einer solchen Situation dann kommen, wenn nicht kurzfristig auf einen anderen Lieferanten umgestiegen werden kann. Auch Lieferanten, die aus Ländern stammen, in denen häufiger Naturkatastrophen befürchtet werden müssen, stellen in der Fremdvergabe ein hohes Risiko dar. Ein nicht zu vernachlässigendes Problem bei internationaler Unternehmenstätigkeit tritt im Falle von Rechtsstreitigkeiten zwischen den Vertragspartnern auf. Im internationalen Handelsgeschäft hat sich deshalb die sog. Schiedsgerichtsbarkeit durchgesetzt. Diese bedeutet, dass ein etwaiger Rechtsstreit nicht von einem an sich hierfür zuständigen staatlichen Gericht entschieden wird, sondern kraft eines sogenannten Schiedsvertrages, d.h. aufgrund einer Vereinbarung der beteiligten Parteien, von einem „ privaten “ Schiedsgericht. Die Vorteile dieses Vorgehens sind die Nichtöffentlichkeit des Verfahrens, die besondere Sachkenntnis der Schiedsrichter sowie das schnelle Verfahren und die geringeren Kosten im Vergleich zu ordentlichen Gerichten (Sandrock, O., 1992). Zu weiteren Kosten kann es in diesem Zusammenhang dann kommen, wenn ein Unternehmen keine eigene Rechtsabteilung besitzt und für Rechtsstreitigkeiten Anwälte, insbesondere im Ausland, mit dem Fall beauftragen muss. Ein Vorgehen zur Frage, welche Bauteile bzw. Produkte ein Unternehmen selbst produziert und welche hinzugekauft werden, zeigt Abbildung 235. Die Einstufung von Produkten nach ihrer strategischen Bedeutung definiert die erste Stufe des Prozesses und gibt dem gesamten Beschaffungsverhalten eines Unternehmens die Richtung vor. Als mögliche Kategorie bieten sich so die als strategisch unwichtig einzustufenden Produkte an, die vor allem aus technisch ausgereiften Erzeugnissen bestehen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass für sie schon eine Reihe qualifizierter Lieferanten existieren. Sie <?page no="503"?> 480 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management werden deshalb in der Regel extern beschafft. Das Gleiche gilt für Gebiete, auf denen ein Unternehmen seine technische Kompetenz bereits unwiederbringlich verloren hat. Strategisch wichtige Teilsysteme zeichnen sich beispielsweise dadurch aus, dass es nur wenige Lieferanten gibt und dadurch auch hohe Preise üblich sind. Ob für einzelne Produkte bzw. Teile letztlich die externe oder die interne Erstellung in Frage kommt, ergibt sich im Einzelfall aus zwei bzw. vier weiteren Ja/ Nein-Entscheidungen (siehe Abbildung 235). Abbildung 235: Vorgehensweise bei strategisch durchdachter Beschaffung Quelle: In Anlehnung an: Venkatesan, R., 1993 <?page no="504"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 481 Der in dieser Abbildung beschriebene Prozess muss ständig wiederholt werden, denn nur wenn Manager regelmäßig überprüfen, wie sie ihre Beschaffungsentscheidung treffen, werden sie es vermeiden können, immer und immer wieder zu viel in Massenbauteile zu investieren, die von Dritten billiger erstellt werden können (Venkatesan, R., 1993). Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Verringerung der Fertigungstiefe für jedes Unternehmen eine Entscheidung von sehr großer Tragweite darstellt, wodurch ihr strategische Bedeutung zukommt. Für jedes Produkt bzw. für jedes Teilprodukt ist eine individuelle Entscheidung zu treffen. Eine Verringerung der Fertigungstiefe ist in der Regel schwer rückgängig zu machen und bedeutet für das Unternehmen einen Know-how-Verlust. Der Entschluss zum Fremdbezug eines wichtigen Bauteiles ist genau zu überdenken. Dennoch ist gerade diese Bereitschaft, „eine Schlacht verloren zu geben“, notwendig, um letztlich den Krieg zu gewinnen. Diese Bereitschaft unterscheidet Branchenführer von Mitläufern (Venkatesan, R., 1993). 1.4 Organisation der internationalen Beschaffung In der internationalen Unternehmung ist der Aufbau einer mehrstufigen Beschaffungsorganisation erforderlich, da es zu einer Arbeitsteilung und zu Koordinationserfordernissen zwischen der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaften kommt. Bei der Organisation der Beschaffung in einem internationalen Unternehmen lassen sich drei Varianten unterscheiden (Grochla, E./ Fieten, R., 1989): eine ethnozentrische, polyzentrische oder geozentrische Lösung. Beim ethnozentrisch organisierten Beschaffungsmanagement übernimmt die Beschaffungsabteilung der Muttergesellschaft zentral alle generellen Verhandlungen mit den Lieferanten über die gesamte Beschaffungsmenge, die Konditionen, die Vorratspolitik und sonstige Aspekte der Beschaffung. Die Tochtergesellschaften übernehmen die operativen und primär taktisch orientierten Aufgaben der Beschaffung. Diese Organisationsform hat den Vorteil, dass das international tätige Unternehmen seine ganze Nachfragemacht gegenüber den Lieferanten geltend machen kann. Es wird damit eine einheitliche Beschaffungspolitik und -strategie im Konzern gewährleistet. Darüber hinaus wird damit die Entwicklung eines umfassenden Know-how in der Materialwirtschaft erreicht. Standardisierte Qualität und die Einheitlichkeit der Funktionalität der beschafften Güter werden durch eine zentrale Beschaffungspolitik besser ermöglicht als bei einer dezentralen Organisation der Beschaffung. Nachteile sind die Verlängerung der Informationswege, die größere Entscheidungsträgheit, die Verrechnungspreisproblematik und die Abstimmungsprobleme zwischen der Muttergesellschaft und den Tochterunternehmen. Ein geringes Autonomieniveau der Tochtergesellschaften führt dazu, dass die Anpassungsfähigkeit an die Bedingungen des Gastlandes eingeschränkt wird, was sich konfliktfördernd auf das Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft auswirkt. <?page no="505"?> 482 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management Beim polyzentrisch organisierten Beschaffungsmanagement wird die Beschaffungspolitik weitgehend durch die Tochtergesellschaften im Ausland bestimmt. Nur Koordinations- und Beratungsaufgaben werden von der Muttergesellschaft übernommen. Solche Koordinations- und Beratungsaufgaben sind z.B. die Entwicklung allgemeiner Grundsätze für die Beschaffungspolitik, Abstimmungsmaßnahmen zwischen den einzelnen Tochtergesellschaften oder personalpolitische Entscheidungen im Beschaffungsbereich. Bei dieser Organisationsform ist darauf zu achten, dass die Nachfragemacht und die Klammer einer allgemeinen Beschaffungspolitik nicht verloren gehen. Es besteht aber der Vorteil, sich schneller und flexibler an veränderte Bedingungen im Beschaffungsbereich anpassen zu können. Das geozentrisch organisierte Beschaffungsmanagement ist dadurch gekennzeichnet, dass die Beschaffung nach Hauptbedarfsträgern im Konzern gegliedert wird. Tochtergesellschaften, die einen besonders hohen Bedarf an bestimmten fremdbezogenen Materialgruppen aufweisen, sind für deren Beschaffung verantwortlich. Sie schließen stellvertretend für den Konzern alle Verträge mit den Lieferanten ab und verhandeln über die entsprechenden Konditionen. Der Vorteil dieser Lösung liegt darin, dass die „Nachfragemacht“ des Konzerns nicht verloren geht und die Abstimmungsprobleme zwischen der Muttergesellschaft und den Tochterunternehmen verringert werden. Als nachteilig kann sich bei den grenzüberschreitenden Verflechtungen die Diskussion über die Höhe der Verrechnungspreise zwischen den Tochtergesellschaften erweisen. 2 Internationales Produktionsmanagement 2.1 Bedeutung und Charakter des internationalen Produktionsmanagements 2.1.1 Das Produktionsmanagement im Rahmen der Funktionsbereiche Im Rahmen der Funktionsbereiche der internationalen Unternehmung nimmt das Produktionsmanagement aus verschiedenen Gründen eine besondere Stellung ein. So ist festzustellen, dass die Standortdiskussion in der volkswirtschaftlichen Theorie meist eine Analyse von Produktionsstandorten ist. Auch die klassische betriebswirtschaftliche Erörterung des Standortproblems (Weber, A., 1922) geht zumindest von einem Primat des Produktionsstandortes aus, um darauf aufbauend die Platzierung anderer Funktionsbereiche abzuleiten. Insofern wurde im Rahmen der Kapitel „Globales Unternehmensumfeld“ und „Grundlagen des internationalen Wettbewerbs“ bereits einiges zu diesem Kernproblem des Produktionsmanagements gesagt. Die im theoretischen Grundlagenteil eingenommene theoretisch-erklärende Betrachtungsweise soll jedoch im Rahmen dieses Kapitels durch einige stärker betriebswirtschaftlich geprägte Entscheidungsvariablen mit produktionswirtschaft- <?page no="506"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 483 lichem Bezug erweitert werden. Eine weitere Begründung für die große Bedeutung des internationalen Produktionsmanagements ist, dass eine Internationalisierung der Produktion im industriellen Sektor, meist in höherem Maße als dies bei anderen Funktionsbereichen der Fall ist, mit erheblichen Ressourceneinsätzen verbunden ist. Zudem wirkt sich eine Entscheidung über den internationalen Produktionsstandort auf Entscheidungen anderer Funktionsbereiche in erheblichem Maße aus. Qualität der Produkte, Logistikkosten, Beschaffungspreise, Arbeitszeiten und -löhne oder Mitbestimmung sind nur einige Beispiele für unternehmenspolitische Entscheidungsvariablen, die die Wahl des Produktionsstandortes entscheidend beeinflussen. Außerdem unterliegen Produktionsstandortentscheidungen durch das Ausmaß der damit verbundenen Beschäftigungswirkungen oft erheblichen politischen Einflüssen. Trotz all dieser Gegebenheiten finden die Probleme des internationalen Produktionsmanagements wenig explizite Berücksichtigung in der Managementliteratur. Auf einige Besonderheiten im internationalen Kontext soll im folgenden Abschnitt näher eingegangen werden. 2.1.2 Politische Einflüsse im Produktionsmanagement Der Begriff der „nationalen Wettbewerbsfähigkeit“ ist aus Sicht des internationalen Produktionsmanagements aus zwei Gründen von Bedeutung. Einerseits wird die Verlagerung von Produktionsstandorten ins Ausland in der Öffentlichkeit unter dem Schlagwort der „nationalen Wettbewerbsfähigkeit“ diskutiert und unterliegt nicht zuletzt deshalb zahlreichen politischen Einflüssen. Der Grund hierfür liegt in der einseitigen produktionsorientierten Sichtweise, die sehr stark auf die Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitsplätze abstellt. Daten wie Marketingkompetenz oder Infrastruktur finden außerhalb der wissenschaftlichen Diskussion kaum Beachtung, stattdessen stehen Fundamentaldaten wie Fertigungslöhne, Arbeitszeiten und Fertigungskosten im Vordergrund. Maßgebend hierfür ist deren Wirkung auf die Wohlstands- und Beschäftigungsziele, die für den Wirtschaftspolitiker im Vordergrund stehen. Produktionsorientierte Kennzahlen stehen deshalb im Zentrum der Debatte über die Wettbewerbsfähigkeit. Werden nun Standorte ins Ausland verlegt bzw. betrachtet man ausländische Direktinvestitionen im Inland, so geht es aus politischer Sicht um Schlüsselvariablen für den politischen Erfolg, d.h. im Allgemeinen um die Wiederwahl der amtierenden Regierung. Die Folge sind interventionistische Maßnahmen, die das Ziel haben, den nationalen Wohlstand langfristig zu sichern oder - folgt man den Erkenntnissen der „neuen politischen Ökonomie“ - vor den nächsten Wahlen Beschäftigungs- oder Konjunkturprobleme um jeden Preis zu verhindern. Insbesondere im Falle von großen multinationalen Industrieunternehmen hat das dazu geführt, dass Regierungen Produktionsverlagerungen ins Ausland durch Subventionen, Steuererleichterungen, günstige Abschreibungsmöglichkeiten usw. zu beeinflussen <?page no="507"?> 484 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management versuchen. Die Bedeutung politischer Faktoren kann dabei so groß werden, dass das ökonomisch-strategische Kalkül völlig außer Kraft gesetzt wird (Hansen, H., 2008). Neben der industriepolitisch motivierten Intervention spielt auch die Erzwingung nationaler Produktionsaktivitäten durch eine restriktive Gesetzgebung eine große Rolle bei der Bestimmung des Ausmaßes internationaler Produktionsaktivitäten. In diesem Zusammenhang sind neben den klassischen Zöllen insbesondere nichttarifäre Handelshemmnisse und Local-Content-Vorschriften relevant. Unter nichttarifären Handelshemmnissen sind hierbei solche Ein- oder Ausfuhrbeschränkungen zu verstehen, die nicht auf Zöllen beruhen, sondern durch nicht direkt protektionistische Maßnahmen wie Verbraucherschutzvorschriften, technische Normen oder Ein- und Ausfuhrformalitäten eine faktische Handelsbeschränkung schaffen. Die Auswirkungen einer Local-Content-Vorschrift auf das Produktionsmanagement sollen im Folgenden anhand des Beispiels Südafrika beschrieben werden (vgl. Abbildung 236). Abbildung 236: Der optimale Eigenproduktionsanteil bei Local-Content-Vorschriften Quelle: In Anlehnung an: Hang, W./ Pfunder, M., 1992 In dieser Abbildung werden auf der Ordinate die durch Local-Content-Bestimmungen verursachten Mehrkosten pro Fahrzeug in Form von überteuertem Bezug von Teilen im Gastland (Kurve G) oder in Form von Strafzöllen (Kurve T) abgetragen. Beide Kurven stellen die Handlungsalternativen für eine ausländische Produktionsgesellschaft dar: Entweder werden die Strafzölle bewusst hingenommen, weil eine Beschaffung im Inland zu teuer käme, oder sie werden durch Einkauf bei nationalen Anbietern umgangen. Die optimale Bezugsmenge von im Inland gefertigten Teilen ergibt sich dann, wenn die Grenzkosten der Beschaffung im Gastland gleich denen der Inkaufnahme von Strafzöllen sind, wenn sich also die Kurven G und T schneiden. Kurve T' repräsentiert die in Südafrika zu dieser Zeit bestehende Möglichkeit, den Strafzoll durch Aufnahme von Exporten aus dem Gastland zu vermindern. In diesem Fall findet eine Substitution des lokalen Bezugs durch <?page no="508"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 485 die Aufnahme von Exportaktivitäten statt. Ob diese Maßnahme von Vorteil ist, hängt von den zusätzlichen Kosten der Exporttätigkeit und den Marktchancen ab. Die in Abbildung 236 dargestellte Local-Content-Vorschrift bezieht sich auf den wertmäßigen Anteil der Inlandproduktion. Es sind jedoch auch andere Ausprägungen denkbar, wie bspw. die Orientierung am gewichtsmäßigen Anteil der Inlandsproduktion, wie sie in Südafrika bis 1989 vorgeschrieben war (Hang, W./ Pfunder, M., 1992). Es wird somit deutlich, dass neben der reinen Standortentscheidung auch die Bestimmung der Fertigungstiefe und der konzerninternen Lieferbeziehungen (inklusive Transferpreissystem) von politischen Einflüssen über Local-Content-Bestimmungen betroffen sind. Nachdem in diesem Abschnitt politische Einflüsse auf die Entscheidungssituation im internationalen Produktionsmanagement kurz dargestellt wurden, soll nun auf die originär ökonomischen Aktionsparameter eingegangen werden, bei denen sich im internationalen Kontext verschiedene Besonderheiten ergeben. 2.2 Aktionsparameter des internationalen Produktionsmanagements 2.2.1 Ansätze der Produktionsorganisation Im Rahmen des Produktionsmanagements existieren verschiedene, stark von nationalen Einflüssen geprägte Grundansätze der Produktionsorganisation, welche sich vor dem Hintergrund unterschiedlicher kultureller, geschichtlicher und rechtlicher Rahmenbedingungen im Zeitablauf entwickelt haben. Nachdem der amerikanisch geprägte „Fordismus“ in den Produktionsstätten der westlichen Industrienationen lange vorherrschend war, brachte der wirtschaftliche Erfolg Japans in den achtziger Jahren das Konzept der „Lean Production“ in die Diskussion, welches oft als Antithese zur westlich geprägten Massenproduktion gesehen wird (Brunner, F.J., 2008). Zudem existieren neben diesen Grundkonzepten verschiedene länderspezifische Eigenheiten und Teilkonzepte wie z.B. die japanischen Qualitätszirkel oder die Gruppenarbeit nach schwedischem Muster. Im Folgenden sollen die bekanntesten der angesprochenen Grundkonzepte und Organisationsformen kurz dargestellt und diskutiert werden. Die handwerkliche Einzelproduktion ist auf die Arbeitskraft des einzelnen Arbeiters ausgerichtet, an dessen Qualifikation hohe Ansprüche gestellt werden. Typisch für die Einzelproduktion ist die Fertigung einer geringen Stückzahl unter Einsatz von einfachen und flexiblen Werkzeugen. Der wesentliche Vorteil dieses Produktionstyps liegt in der Möglichkeit, auf Kundenwünsche individuell eingehen zu können. Nachteile sind die hohen Kosten, das begrenzte Produktionsvolumen, ein geringes Kostendegressionspotenzial sowie die Möglichkeit großer Qualitätsschwankungen. Diese können daraus resultieren, dass die Arbeitskräfte die hohen Anforderungen, die für diese Organisationsform typisch sind, nicht erfüllen können. <?page no="509"?> 486 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management Die Massenproduktion stellt dagegen geringe Ansprüche an die Qualifikation der Arbeiter in der Produktion, wohingegen die zahlreich eingesetzten Spezialisten (z.B. Fertigungsingenieure) hoch qualifiziert sind. In der Fertigung werden teure Spezialmaschinen genutzt, die standardisierte und passgenaue Teile verarbeiten können. Um einen hohen Auslastungsgrad dieser Maschinen zu erreichen, werden entsprechende Pufferlager für Zwischenprodukte eingerichtet. Da die Produktion nur im Notfall unterbrochen wird, werden Produktmängel, falls sie überhaupt erkannt werden, oft erst am Ende des Produktionsvorgangs bearbeitet. Als Vorteile der Massenproduktion lassen sich eine hohe Produktionskapazität, niedrige Stückkosten sowie ein großes Kostendegressionspotenzial nennen. Die Nachteile dieses Produktionstyps liegen in seiner Inflexibilität bezüglich Produktionsprogrammänderungen, im hohen Anteil fixer Kosten und in dem bei einem Nachfragerückgang auftretenden Verlustrisiko. Ausgangspunkt des heute als Fordismus bekannten Produktionssystems sind die Erfahrungen, die Henry Ford zu Beginn des 20. Jahrhunderts in seinen Produktionsstätten machte und in seinem Werk „My life and work“ veröffentlichte (Ford, H., 1922). Diese nutzte er, um in seinen Fabriken zwei methodische Ziele zu verfolgen: zum einen eine exakt geplante Teilung der Arbeit und zum anderen die Ausrichtung der Arbeitsfolge nach dem Fließprinzip. Aufgrund des damals allgemein niedrigen Bildungsstandes war Ford gezwungen, die ausführenden Tätigkeiten so einfach wie möglich zu gestalten, was durch einen hohen Grad an Arbeitsteilung erreicht werden konnte. Ford revolutionierte mit seinem Konzept der fließenden Anordnung der Betriebsmittel (Fließarbeit) die damals bekannte Methode zur Leistungserstellung. Anfangs gingen die einzelnen Arbeiter von einem Montagestand zum nächsten, um dort ihre Aufgabe zu erledigen. Das bewegliche Montageband transportierte später die Arbeit zum Arbeiter. Die Anwendung dieses neuartigen Prinzips war jedoch nur durch die vollständige und passgenaue Austauschbarkeit einzelner Bauteile und eine einfache Zusammenbaubarkeit gegeben. Um Ersteres zu gewährleisten, wurde für jedes Teil im gesamten Produktionsprozess das gleiche Maßprinzip verwendet. Charakteristisch für das Ford-Konzept sind die hohe Fertigungstiefe und das damit verbundene Self-Sourcing. Um mit diesem Vorgehen in den Break-even-Bereich zu gelangen, muss bei der Massenproduktion fordistischer Prägung ein hohes Produktionsvolumen erreicht werden. Nur so kann mit einhergehender Kostendegression und steigender Rentabilität ein niedriger Preis erzielt werden. Die Produkte von Ford haben zusätzlich sehr lange Marktzyklen, was zu hohen Degressionseffekten und damit zu steigender Rentabilität führt. Während europäische und amerikanische Unternehmen hauptsächlich nach dem Prinzip der Massenfertigung bzw. -produktion organisiert waren, bedienten sich die Japaner traditionell eines Produktionssystems, welches heute als „schlanke Produktion“ oder auch <?page no="510"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 487 „Lean Production“ bezeichnet wird. In der schlanken Produktion werden die Vorzüge der handwerklichen mit denen der Massenproduktion verknüpft, wobei versucht wird, die hohen Kosten der Ersteren und die Starrheit der Letzteren zu vermeiden. Hierzu arbeiten auf der einen Seite, wie bei der handwerklichen Produktion, vielseitig ausgebildete Arbeitskräfte in Gruppen zusammen, auf der anderen Seite werden ähnlich der Massenproduktion große Produktmengen aus standardisierten Teilen mithilfe von hoch flexiblen, zunehmend automatisierten Maschinen hergestellt. Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Massenproduktion und schlanker Produktion besteht in der jeweiligen Zielsetzung der einzelnen Konzepte. Das Ziel der Massenproduktion ist es, „gut genug“ zu sein, d.h. akzeptable Fehlerzahlen, einen minimalen Lagerbestand oder auch ein kleines Sortiment an standardisierten Produkten zu haben. Die Intention schlanker Unternehmen dagegen liegt explizit in der Perfektion, die sich durch Schlagworte wie „kontinuierlich sinkende Preise“, „null Fehler“, „keine Lagerbestände“ oder auch „beliebige Produktvielfalt“ charakterisieren lässt (Brunner, F.J., 2008). 2.2.2 Internationales Standortmanagement Der Begriff „Standortmanagement“ geht über die reine Standortwahl, wie sie in früheren Passagen dieses Buches bereits thematisiert wurde, hinaus. In den Bereich des Standortmanagements fallen insbesondere auch Aufgaben der mittelfristigen Planung der Verteilung der erforderlichen Produktionsmenge auf die Standorte, die oftmals mit technologie- und produktpolitischen Grundsatzentscheidungen in anderen Bereichen verknüpft ist. In der deutschsprachigen Literatur zum internationalen Produktionsmanagement finden sich verschiedene Ansätze und Arten, die die Produktionsstandortverteilung multinationaler Unternehmungen systematisieren. Hierbei spielen meist die Kriterien der internationalen Verteilung der Fertigungsstufen und der Anzahl der in den Produktionsprozess einbezogenen internationalen Standorte eine Rolle. Nimmt man diese Grundgegebenheiten als Dimensionen einer Matrix zur Systematisierung internationaler Standortkonfigurationen, lassen sich fünf grundlegende Formen unterscheiden, die in Abbildung 237 dargestellt werden. Abbildung 237: Formen der internationalen Konfiguration von Produktionsstandorten Quellen: In Anlehnung an: Klein, H.J., 1993 Solange man sich in der Dimension „ein Land“ bewegt, kann nicht von international dezentralisierter Produktion gesprochen werden. Dennoch kann auch hier - sofern über- <?page no="511"?> 488 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management haupt eine internationale Unternehmensaktivität vorliegt - von einer Grundsatzentscheidung im Rahmen des internationalen Produktionsmanagements gesprochen werden. Während bei der „Weltmarktfabrik“ (Klein, H.J., 1993) alle Produktionskapazitäten an einem Ort konzentriert werden, finden sich bei der „nationalen Verbundproduktion“ mehrere durch Lieferbeziehungen verflochtene Standorte im selben Land - meist dem Stammland des Unternehmens. Bei der nationalen Parallelproduktion befinden sich mehrere integrierte Produktionsstätten im selben Land. Folgt man der Argumentation des Globalisierungsmodells von Porter, stellt die möglichst weitgehende Zentralisierung der Produktion sogar eine nahe liegende Lösung des Produktionsstandortproblems dar, da die Produktion - als in der Wertkette vorgelagerter Bereich - nicht der Marktnähe bedarf und durch regionale Konzentration stark an Effizienz hinzugewinnen kann. Diese Vorgehensweise impliziert einige Vorteile: So können Erfahrungskurvenvorteile in höherem Maße ausgenutzt werden, als dies bei international dezentralisierter Produktion der Fall wäre. Dies kann man neben der Weltmarktfabrik in wesentlich geringerem Maße auch für die Formen der internationalen Parallelproduktion und der nationalen Verbundproduktion gelten lassen, da sich Know-how- Effekte national wesentlich leichter transferieren lassen als über Ländergrenzen hinweg. Zusätzlich können je nach betroffener Branche positive Verbundeffekte der Fertigung an einem Standort vorliegen. So zeigt sich in der chemischen Industrie, dass Produktionsprozesse über Kuppelprodukte und Weiterverarbeitungsbeziehungen in vielfältiger Weise verbunden sind, was gegen die Auslagerung einzelner Produktionsstätten spricht. Neben diesen auf den reinen Produktionsprozess abhebenden Argumenten ist auch die Schnittstelle zum Markt von Bedeutung. So kann die Herkunft eines bestimmten Gutes eine positive Auswirkung auf die Einschätzung der Qualität seitens der Käufer haben („Country of origin“-Effekt). Dieser Effekt spricht in vielen Fällen gegen die Auslandsproduktion, da hierdurch das angestammte Image in Gefahr kommen könnte. Im Falle einer internationalen Verteilung der Produktionsstandorte ist die Unterscheidung zwischen ein- und mehrstufiger Produktion von erheblicher Bedeutung. Die internationale Fertigung einzelner Komponenten kann je nach verlangter und verfügbarer Qualität betrieben werden, wobei sich hier auch die Alternative der externen Beschaffung anbietet. Je arbeitsintensiver und einfacher die Herstellung einer Komponente ist und je niedriger die Qualitätsansprüche sind, desto eher bietet sich aus Sicht eines in einem Industrieland beheimateten Unternehmens die Herstellung in Schwellenländern bzw. der Bezug aus Schwellenländern an. Ein klassisches Argument für die Streuung von Produktionsstandorten stellt die Risikostreuung dar, welche sich auf die Verminderung verschiedenster Risiken, insbesondere auch des Wechselkursrisikos, auswirkt. <?page no="512"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 489 Bei vielen Produkten ergibt sich aus der mangelnden Transportierbarkeit bzw. aus den hohen Kosten des Transports ein Anreiz zur marktnahen Konfiguration der Produktionskapazitäten. Des Weiteren ergibt sich bezüglich der Marktschnittstelle ein Effekt, welcher dem bereits angeführten „Country of origin“-Effekt eher entgegenwirkt. So weist Dichtl darauf hin, dass ein positiver Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Produktionsstätten und dem Marktanteil im entsprechenden Land besteht (Corsten, H., 2007; Dichtl, E., 1991). Bei einer Entscheidung über die Aufnahme eines neuen Produktes in das Produktionsprogramm muss über die Ansiedlung der Produktion bzw. über die internationale Dispersion der Produktionsstätten für die entsprechenden Komponenten entschieden werden. Hier sind neben den Transport- und Produktionskosten auch die Auswirkungen auf die Qualität der erstellten Produkte zu berücksichtigen. Qualität soll dabei aus einer produktionswirtschaftlichen Sicht als möglichst exakte und fehlerfreie Ausführung der Herstellung eines geplanten Produktdesigns verstanden werden. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass ein anspruchsvolleres Produktdesign den verlangten Qualitätsstandard erhöht. Die exakte Umsetzung eines Qualitätsstandards ist mit Sicherheit nicht an jedem Standort in gleichem Maße durchführbar, insbesondere dann nicht, wenn sich die Standorte bezüglich des generellen Entwicklungsstandes wesentlich unterscheiden. Abbildung 238 gibt die Qualitäts- Kosten-Kurven zweier Produktionsstandorte im internationalen Vergleich wieder, wobei sich Standort I in einem Industrieland und Standort A in einem Entwicklungs- oder Schwellenland befinden soll. Abbildung 238: Qualitäts-Kosten-Kurven in einem Industrie- und in einem Schwellenland Bis zu einem bestimmten Qualitätsstandard ist die Produktion im Schwellenland z.B. aufgrund niedrigerer Arbeitskosten (kosten)günstiger. Wird diese kritische Schwelle jedoch überschritten, sollen z.B. technisch anspruchsvollere Produkte gefertigt werden, steigen die im Ausland zusätzlich zu tätigenden Investitionen in Ausbildung, technische Ausrüstungen, Infrastruktur etc. meist überproportional an. Ab einer kritischen Qualität Q krit schließlich übersteigen die zusätzlich zu tätigenden Investitionen die durch Kostenvorteile erzielbaren Einsparungen. Ab einer gewissen Prohibitivqualität Q I* ist die Produktion im Aus- <?page no="513"?> 490 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management land gänzlich unmöglich, weil hierzu nicht die Voraussetzungen gegeben sind. Dies könnte insbesondere bei hoch speziellen Pilotprojekten der Fall sein, bei denen die Verbindung zur Forschung und Entwicklung und eventuell zu externen Instituten unabdingbar ist. Ein besonderes Problem im Rahmen des internationalen Qualitätsmanagements stellt die Produkt- oder Produzentenhaftung dar. Diese ist in den USA außerordentlich streng und führt dazu, dass Unternehmen mit erheblichen zusätzlichen Kosten kalkulieren müssen, um mit für europäische Verhältnisse extrem hohen Schadenersatzansprüchen fertig zu werden. Auch die ISO 9000 für die EU setzt Qualitätsstandards, denen sich alle Unternehmen stellen müssen, die auf dem gemeinsamen europäischen Markt Produkte verkaufen wollen. Im Rahmen ihres internationalen Qualitätsmanagements müssen sich deshalb Unternehmen auf die länderspezifischen Gegebenheiten des Produkt- und des Produzentenhaftungsrechts einstellen. Erfahrungskurveneffekte Das bereits angesprochene Phänomen der Erfahrungskurve ist im Rahmen des Produktionsmanagements von erheblichem Interesse. Das Erfahrungskurvenkonzept, oder besser gesagt die Erfahrungskurventheorie, ist eine Weiterentwicklung des erstmals 1925 bei der Wright-Patterson Air Base beobachteten Lernkurvenkonzeptes. Die Lernkurve beschreibt das empirisch belegte Phänomen aus der Fertigungswirtschaft, wonach die benötigte Arbeitszeit für bestimmte Arbeitsprozesse mit zunehmender Übung sinkt. Bei einer Wiederholung wiederkehrender Arbeitsverrichtungen reduzieren sich somit die Fertigungskosten (Bea, F.X./ Haas, J., 2012). Vier Jahrzehnte später fand das Konzept erneut Beachtung. Das Beratungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG) stellte im Rahmen von Beratungsprojekten eine Abhängigkeit zwischen den Stückkosten und dem kumulierten Produktionsvolumen fest (Staehle, W.H., 2009). Es ließ sich zeigen, dass bei steigender kumulierter Gesamtproduktion die Stückkosten um eine konstante Quote (i.d.R. 20-30%) fallen. Es besteht somit eine negative Korrelation zwischen den beiden Größen. Der hier verwendete Kostenbegriff stimmt jedoch nicht mit dem der Kostenrechnung überein. Die hier angesprochenen Degressionseffekte beziehen sich nur auf die Wertschöpfung („cost of added value“). Der Wertschöpfungsanteil umfasst damit die Kosten aller an der betrieblichen Wertschöpfung beteiligten Produktionsfaktoren. Es ist wichtig, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass sich der Erfahrungskurveneffekt nicht automatisch einstellt. Er beruht vielmehr auf einem Kostensenkungspotenzial, das nur dann ausgenutzt werden kann, wenn permanent bewusste Anstrengungen unternommen werden, um die Parameter, die die Erfahrungskurve beeinflussen, zu verbessern. Die Entscheidung, ob ein Produktionsstandort verlegt bzw. beibehalten werden soll, hängt nicht zuletzt von der Realisierbarkeit von Erfahrungskurveneffekten ab. Hierbei spielen verschiedene Effekte eine Rolle: So kann das Ausgangskostenniveau an verschiedenen Standorten aufgrund von Lohn- und sonstigen Kosten differieren. Diesem Effekt dürfte <?page no="514"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 491 jedoch in vielen Fällen die momentane Position auf der Erfahrungskurve entgegenstehen. Folgt man generell den Annahmen der Produktlebenszyklustheorie von Vernon, beginnt die Generierung von Erfahrungskurveneffekten im Innovationsland. Somit ist bezüglich späterer Produktionsverlagerungen neben den zu beachtenden Fundamentaldaten wie z.B. Fertigungslöhnen und -zeiten auch der aktuelle Fortschritt auf der Erfahrungskurve zu beachten. Dieser dürfte am Innovationsstandort oft größer sein als an einem eventuell anzustrebenden internationalen Standort. Kann jedoch ein Unternehmen, z.B. in einem Schwellenland, eine Neuoptimierung seiner Produkte betreiben, d.h. die neueste auf dem Weltmarkt verfügbare Produktionstechnologie einsetzen, so kann dies dazu führen, dass die Erfahrungskurve aufgrund einer größeren Lernrate steiler wird als die eines inländischen Unternehmens, das „nur“ in bestehenden Systemen optimieren kann. Diese Problematik wird heute mit der Forderung nach einem Business Process Reengineering verbunden (Krüger, W., 2009). Die Standortentscheidung hat in diesem Zusammenhang insofern zwei Aspekte zu beachten: den Standorteffekt, welcher sich in günstigeren Ausgangsdaten wie z.B. Lohnniveau oder Fertigungszeiten ausdrückt, sowie den Erfahrungseffekt, welcher sich aus der bereits produzierten Menge ergibt. Mögliche Auswirkungen des Erfahrungskurveneffektes auf das internationale Standortmanagement seien anhand eines Beispiels aufgezeigt: Ein Unternehmen ist in der Endphase der Entwicklung eines neuen Produktes. Es plant deshalb die Errichtung einer neuen Produktionsstätte. Es kommen Standorte in drei Ländern in Frage. Die einzelnen Standorte zeichnen sich durch unterschiedliche Kosten der ersten Produktionseinheit und unterschiedliche Lernraten aus. Im Einzelnen konnten aus vergangenen Projekten die folgenden Parameter abgeleitet werden (vgl. Abbildung 239). Abbildung 239: Länderspezifische Lernrate und Kosten der ersten Einheit (Kumulierte Menge in 1.000) Wie aus Abbildung 240 ersichtlich wird, wirken sich die Lernraten erst bei steigender kumulierter Produktionsmenge aus. Während bei niedrigen Mengen noch die niedrigeren Stückkosten der ersten Einheit die Stückkosten determinieren, fallen diese bei niedrigeren Lernraten mit zunehmender Menge. Die Stückkosten der ersten Einheit fallen immer weniger ins Gewicht. <?page no="515"?> 492 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management Abbildung 240: Länderspezifische Erfahrungskurven (Kumulierte Menge in 1.000) Um die Frage zu klären, in welchem der drei Länder produziert werden soll, sind jedoch nicht die Stückkosten als Entscheidungskriterium heranzuziehen, sondern die Gesamtkosten. Diese nehmen den in Abbildung 241 dargestellten Verlauf an. Wählt man als Kriterium der Standortwahl den Verlauf der Gesamtkosten der kumulierten Produktion, so kommen entsprechend Abbildung 241 je nach Menge zwei Standorte in Frage. Geht man davon aus, dass von dem Produkt im Laufe seines Produktlebenszyklus nur eine geringe Menge abgesetzt wird, so scheint der Standort im Land C vorteilhaft. Abbildung 241: Länderspezifische Gesamtkostenverläufe (Kumulierte Menge in 1.000) Übersteigt die kumulierte Produktion jedoch einen bestimmten Wert, so ist der Standort in Land A zu bevorzugen. Land B bietet nach der hier angewandten Entscheidungsmethode für keine kumulierte Produktionsmenge einen Kostenvorteil. Um den Schnittpunkt zu bestimmen, soll hier ein graphisches Verfahren benutzt werden. Gesucht ist der Schnittpunkt der Gesamtkostenkurven von Land A und Land C. Hierzu wird der Wert gesucht, für den die Differenz der beiden Gesamtkostenkurven gleich null ist (vgl. Abbildung 242). <?page no="516"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 493 Abbildung 242: Gesamtkostendifferenz (Kumulierte Menge in 1.000) Wie man aus dieser Abbildung entnehmen kann, ergibt sich der Schnittpunkt der Gesamtkostenkurven für 6.200 Mengeneinheiten. Aufgabe der Absatzplanung ist es nun, zu schätzen, welche kumulierte Produktionsmenge abgesetzt werden kann. Je nachdem, ob diese größer oder kleiner ist als die kritische Menge von 6.200 Mengeneinheiten, stehen die Standorte in den Ländern A oder C zur Disposition. Eine Entscheidung über einen möglichen Standort einer Produktionsstätte nur von dem Verlauf der Gesamtkosten abhängig zu machen, ist jedoch eine zu enge Betrachtungsweise. Da lediglich zwei Parameter (die Lernrate und die Kosten der ersten Einheit) den Verlauf der Gesamtkosten determinieren, ist das Konzept anfällig bei Parameteränderungen. Zum anderen erscheint die Tatsache, dass lediglich zwei Faktoren über die Wahl eines Standortes entscheiden sollen, als besonders kritisch. 2.2.3 Internationales Kapazitätsmanagement Unter Kapazität kann man gemeinhin die durch eine Kombination bestimmter Produktionsfaktoren erzielbare Leistungsmenge in einer Zeiteinheit verstehen. Je nach Definition der Zeiteinheit kann hierbei wiederum in Periodenkapazität und Lebensdauerkapazität unterschieden werden. Zur Problematisierung von Fragen des internationalen Produktionsmanagements soll hier insbesondere die Periodenkapazität im Vordergrund stehen, da diese im Rahmen der strategischen Produktionsplanung die eigentliche Kernproblematik darstellt. Lebensdauerkapazitäten sind in der Regel nicht planbar, sondern technisch determiniert. Im Rahmen der Periodenkapazitätsplanung hingegen sind vielfältige strategische Gegebenheiten zu berücksichtigen, da die Absatzmenge prognostiziert werden muss, um zu einer optimalen Kapazitätsauslastung bei gleichzeitiger Minimierung der Leerkosten zu kommen. Hier bieten sich branchenspezifisch verschiedene Kapazitätsstrategien an. Je nachdem, welche Bedeutung Absatzschwankungen im Zeitablauf beizumessen ist und <?page no="517"?> 494 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management inwieweit sich eine kontinuierliche Gestaltung des Produktionsprozesses auf die Wirtschaftlichkeit der Produktion auswirkt, kann eine Kapazitätsstrategie nach dem (1) Synchronisationsprinzip (d.h. weitgehende Anpassung der Periodenkapazität an Absatzveränderungen (Werner, H., 2010)), (2) Emanzipationsprinzip (d.h. konstante Gestaltung der Periodenproduktionsmenge und damit auch der Periodenkapazität) oder dem (3) partiellen Emanzipationsprinzip (d.h. stufenweise Anpassung an die Absatzentwicklung) sinnvoll sein (Chopra, S./ Meindl, P., 2010; Hoitsch, H.-J., 1993). Die Wahl einer der drei Alternativen kann dabei durchaus im internationalen Vergleich der Produktionsstandorte verschieden ausfallen. Dies liegt an den unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten im technologischen, rechtlichen und ökonomischen Bereich. So versuchen industrialisierte Länder eher in Richtung einer Synchronisationslösung zu gehen, da durch fortgeschrittene kapitalintensive Produktionstechnologien wie „Computer Integrated Manufacturing“ die Flexibilisierung der Produktion begünstigt wird, wohingegen in weniger entwickelten Ländern die Gesetze der tayloristischen Massenproduktion noch in stärkerem Maße gelten, da sich durch die größere Bedeutung menschlicher Arbeit höhere Effizienzgewinne durch Spezialisierung erzielen lassen. Lediglich bei der Extremform des reinen Emanzipationsprinzips ergibt sich keinerlei Anpassungsbedarf an Absatzschwankungen. Abbildung 243 gibt einen Überblick über Möglichkeiten, Produktionskapazitäten an veränderte Nachfragesituationen anzupassen, wobei teilweise internationale Spezifika zu beachten sind. Abbildung 243: Instrumente der Kapazitätsanpassung Quelle: In Anlehnung an: Zäpfel, H., 1989 Im internationalen Kontext ergeben sich hinsichtlich der Kapazitätsanpassung insbesondere dann Besonderheiten, wenn es sich um personalbezogene Maßnahmen wie z.B. Stellenabbau oder Überstunden handelt. Diese resultieren zum einen aus unterschiedlichen arbeitsrechtlichen Gegebenheiten in verschiedenen Ländern, zum anderen sind jedoch die nicht unerheblichen Auswirkungen traditioneller bzw. kultureller Faktoren zu berücksichtigen. Visualisiert werden die durch die mangelnde Flexibilität der Kapazität anfallenden Effizienzverluste am Beispiel Japan vs. Deutschland. <?page no="518"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 495 Abbildung 244: Anpassung an den Konjunkturzyklus im Maschinenbau Deutschlands und Japans Abbildung 244 zeigt beispielhaft die Anpassung der Produktionskapazität an die sich verändernde Nachfrage (Nachfragemengenkurve in Blau). Die Veränderung der Kapazität erfolgt hierbei in einzelnen Schritten wie zum Beispiel dem Auf- oder Abbau von Leiharbeit oder der Einführung von Überstunden (blaue Fläche über der Nachfragemengenkurve). Es zeigt sich, dass es im internationalen Vergleich nationalspezifische Unterschiede gibt, die sich erheblich auf die Möglichkeiten einer Kapazitätsanpassung auswirken. In Zeiten steigender Gemeinkostenblöcke durch kapitalintensive Produktionsweisen kommt somit der Flexibilisierung der Arbeitszeiten in den Industrieländern eine erhebliche Bedeutung zu. Neben den hier angesprochenen flexiblen Möglichkeiten, die Kapazitätsauslastung durch den Einsatz von Überstunden und/ oder den Abbau von Personal zu optimieren, ist auch die Alternative der Schichtarbeit zu berücksichtigen. Von dieser Methode soll jedoch in diesem Abschnitt Abstand genommen werden. 3 Internationales Logistik- und Exportmanagement 3.1 Internationale Logistik als Basis von Wettbewerbsvorteilen Internationale Logistik liegt dann vor, wenn Güterbewegungen und die daraus resultierenden Informationsströme über nationale Grenzen hinweg stattfinden. Die im vorangegangenen Kapitel erörterten Fragen der internationalen Beschaffung sind eng mit der internationalen Logistik verknüpft. Über die Beschaffungslogistik hinaus sind im internationalen Unternehmen jedoch auch die Produktions- und Absatzlogistik relevant. Internationale Logistik hat somit eine Querschnittfunktion. Abbildung 245 zeigt die logistischen Systeme eines internationalen Unternehmens. <?page no="519"?> 496 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management Die Internationalisierung der Logistik gewinnt an Bedeutung, da die Globalisierung der Wirtschaft mit zunehmender internationaler Arbeitsteilung, abnehmenden Fertigungstiefen, beschleunigten wirtschaftlichen Abläufen, erhöhten Terminanforderungen, differenzierteren Zeitmustern und einer Intensivierung des Wettbewerbs zwischen den verschiedenen Standorten einhergeht (Werner, H., 2010). Abbildung 245: Logistische Subsysteme eines internationalen Unternehmens Zunehmend leistungsfähigere und kostengünstigere Verkehrs- und Informationsdienste ermöglichen mehr und mehr die Streuung der Fertigungsstufen eines Unternehmens. Somit ergeben sich zunehmend komplexere Verbundsysteme. Mit dem Aufbau internationaler Produktionsstätten findet der internationale Handel immer weniger zwischen unabhängigen Marktpartnern und immer mehr innerhalb internationaler Konzernunternehmungen statt. Zudem gehören Kooperationen verstärkt zur internationalen Unternehmenstätigkeit (Perlitz, M., 2002). Auch kleinere Unternehmen werden so in den Internationalisierungsprozess mit einbezogen. Hierbei sind auch virtuelle Unternehmen zu nennen, die durch intensive Informations- und Güterströme gekennzeichnet sind. Beschaffung und Logistik sind zentrale Elemente virtueller Unternehmen. Logistikziele sind Unterziele der Unternehmensziele. In Käufermärkten sind die Bedürfnisse der Kunden maßgeblich: Wertschöpfungsaktivitäten liegen nur dann vor, wenn sie aus Sicht der Kunden wahrnehmbar und bedeutend sind. Für die internationale Logistik stellt die Orientierung am Markt eine besondere Herausforderung dar, weil unterschiedliche Käuferpräferenzen und kulturelle Gegebenheiten sowie erhöhter Informationsbedarf die Markteinschätzung erschweren. Basis der Wettbewerbsfähigkeit können Differenzierungsund/ oder Kostenvorteile sein, zu denen die internationale Logistik beitragen kann (vgl. Abbildung 246). <?page no="520"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 497 Differenzierungsvorteile ergeben sich aus der Logistikleistung. Diese ist die Fähigkeit des Unternehmens, die Kunden schnell, zuverlässig und mit qualitativ einwandfreien Gütern entsprechend den Marktanforderungen zu bedienen. Zudem werden Zusatzdienstleistungen, etwa die Zollabfertigung, wichtiger. Als dominierendes Leistungsziel der internationalen Logistik gilt die Versorgungssicherheit, d.h. das richtige Gut in richtiger Menge und im richtigen Zustand zur richtigen Zeit am richtigen Ort bereitzustellen. Abbildung 246: Logistik als Wettbewerbsfaktor Quelle: Piontek, J., 1994 Die internationale Logistik leistet hierzu einen Beitrag, wenn der nationale Markt die benötigten Güter nicht in ausreichendem Maße anbietet. Die internationale Logistik kann des Weiteren die Flexibilität erhöhen, indem die Abhängigkeit von inländischen Lieferanten vermindert und das Anpassungsvermögen an veränderte Marktbedingungen erhöht wird. Marktschwankungen erfordern flexible Marktpartner, die oft nur international zu finden sind. Durch eine Parallelität von Absatz- und Beschaffungsströmen ergibt sich eine Senkung des Wechselkursrisikos (Piontek, J., 1994). Ein langfristiger Erfolgsbeitrag kann daraus resultieren, dass ein ausgebautes logistisches System eine Markteintrittsbarriere darstellt. Angesichts der zunehmenden geografischen Streuung von Unternehmensaktivitäten und der Verringerung der Lagerhaltung bis hin zur Just-in-Time-Zulieferung muss der Störanfälligkeit der logistischen Prozesse wachsende Beachtung geschenkt werden. Niedrige Logistikkosten sind ebenfalls eine Basis der Wettbewerbsfähigkeit. Das Controlling dient dem Feststellen der Logistikkosten. Logistische Entscheidungen benötigen differenzierte Kosteninformationen über die gesamten logistischen Prozesse hinweg (Piontek, J., 1994). <?page no="521"?> 498 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management 3.2 Kontextfaktoren der internationalen Logistik Verglichen mit der nationalen Logistik ist im internationalen Umfeld eine Reihe von besonderen Kontextfaktoren relevant: Geografie und Klima: Rohstoffe werden häufig aus Ländern beschafft, die schwer zugänglich sind. Ballungszentren der Besiedlung und der Industrien liegen in jedem Kontinent in spezifischer Verteilung vor. Politisch-rechtliche Einflussnahme: Die nationalen Verkehrsmärkte sind z.B. durch Kontingentierung, weitgehend reguliert. In Europa kamen Anstöße für die Liberalisierung im Rahmen des europäischen Binnenmarktes. Verkehrsinfrastruktur: Diese beinhaltet den Ausbau der Straßen- und Schienennetze, der Verkehrsknoten (z.B. Seehäfen, Flughäfen, Güterverkehrszentren) und der Verkehrsbetriebe. Deren jeweilige Leistungsfähigkeit muss berücksichtigt werden. In den letzten Jahren zeichnet sich vielerorts eine Verknappung der Verkehrsinfrastruktur ab. Die Kommunikations- und Informationsinfrastruktur bestimmt die Möglichkeiten für einen Informations- und Güterfluss und die Schnittstellenprobleme bei Grenzübergängen. In Entwicklungsländern ist mit schlechteren Kommunikationsnetzen zu rechnen. Moderne, vernetzte Kommunikationstechnik erlaubt eine Neugestaltung der Marktbeziehungen und eine raumübergreifende Steuerung arbeitsteiliger Prozesse. Beim internationalen Handel ist zudem das Wechselkursrisiko zu berücksichtigen. Zur Handhabung stehen die Kurssicherungsinstrumente und die Gestaltung der Geschäftsverträge zur Verfügung. Zudem können Standorte bevorzugt in die Länder gelegt werden, deren Währungen stabil sind. Tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse sind weitere Einflussfaktoren auf die internationale Logistik. Die internationalen Verkehrsträger sind ebenfalls zu analysieren. Die Wahl eines Verkehrsträgers wird durch dessen Schnelligkeit, Sicherheit, Fähigkeit zur Netzbildung, Flexibilität und Massengutleistungsfähigkeit bestimmt. Zur Verfügung stehen der internationale Straßengüter-, See-, Flug- und Schienenverkehr sowie deren Kombination mit jeweils spezifischen Vor- und Nachteilen. Bei den Zahlungs- und Lieferungsbedingungen kann insbesondere auf die Incoterms zurückgegriffen werden, die Rechte und Pflichten von Käufer und Verkäufer im internationalen Handel regeln. Die Zahlungsbedingungen beinhalten Zeitpunkt und Bedingungen der Gegenleistung für gelieferte Produkte. Üblicherweise erfolgt die Zahlung gegen Dokumente. Gebräuchliche Formen sind das Dokumenten-Inkasso und das Dokumenten-Akkreditiv (Pfohl, H., 2000). Die Incoterms be- <?page no="522"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 499 stimmen u.a. die Kostenverteilung und den Zeitpunkt der Waren- und damit auch der Gefahrenübernahme. Abbildung 247 sowie Abbildung 248 geben die Incoterms wieder (Meffert, H./ Althans, J., 1982). Zahlungsbedingungen, vor allem in devisenschwachen Ländern, sind oft ein wesentlicher Bestandteil der Preisfestlegung im Ausland. Auch funktionale Nachlässe oder Mengenrabatte sind bei der Preisfestlegung im Ausland zu beachten. Dies gilt insbesondere beim indirekten Export, um die Zwischenhändler entsprechend zu motivieren, ihre Verkaufsanstrengungen zu verstärken. Die Gestaltung der Finanzierungs- und Kapitalkosten für den ausländischen Abnehmer spielt insbesondere im Investitionsgüterbereich eine wichtige Rolle bei der Preisfestlegung. Daneben kann der ausländische Partner auf ein Kompensationsgeschäft drängen, was wiederum bei der Preisfestlegung im Ausland berücksichtigt werden muss. Mitunter kommt es auch zu Leasingverträgen mit ausländischen Geschäftspartnern. Diese Form der Zusammenarbeit mit einem ausländischen Partner bedingt meist eine für dieses Geschäft adäquate Preisfestlegung. Abbildung 247: Incoterms <?page no="523"?> 500 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management Abbildung 248: Incoterms Quelle: IHK, 2012, online Die Kundenanforderungen, mehr Varianten in kleineren Stückzahlen schneller als bisher zu liefern, fordern die internationale Logistik zunehmend. Das Logistik-Outsourcing ist ein Weg, sich diesen Herausforderungen zu stellen, wobei davon insbesondere administrative und dispositive Aufgaben betroffen sein werden. Vorteile des Logistik-Outsourcings sind verringerte Ressourcenbindung, innerbetriebliche Komplexitätsreduzierung, Flexibilitätserhöhung, Qualitätsverbesserungspotenziale und die Variabilisierung fixer Kosten. Kooperationen mit logistischen Dienstleistern erleichtern dem Hersteller die Konzentration auf Kernkompetenzen. Die Dienstleister übernehmen neben Transport und Lagerung von Gütern auch die Verwaltung, das Bestellwesen, die Fakturierung und die Schadensregulierung, ebenso wie die produktgerechte Verpackung und das Kommissionieren und Zustellen als Elemente ihres Dienstleistungsangebotes. <?page no="524"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 501 Eine weiter verstärkte DV- und Internetunterstützung der internationalen Logistik und eine intensivere unternehmensübergreifende Zusammenarbeit zeichnen sich derzeit ab. Neue Angebotskomponenten wie Dienstleistungen im Lager oder das Angebot von Zeitgarantien beleben den Markt für internationale Logistik. Sendungsverfolgungs- und Überwachungssysteme, die Fähigkeit zum Management verschiedener Datenformate und die zu eigenen Systemen kompatible Anwendungssoftware des Logistikdienstleisters gewinnen ebenfalls an Bedeutung. Standpunkt: Frank Walz- und Schmiedetechnik GmbH Frank Walz- und Schmiedetechnik GmbH D stellt hochwertige Verschleißteile für die Landwirtschaft und andere Industrien her. Die Frank-Gruppe umfasst neben dem zentralen Produktionsstandort in Reddighausen bei Marburg einen weiteren Produktionsstandort in Ungarn sowie eine Vertriebsgesellschaft in der Ukraine. www.frank-wst.de Andreas Mosler, Frank Walz- und Schmiedetechnik GmbH Andreas Mosler ist Geschäftsführer der Frank Walz- und Schmiedetechnik GmbH. Zuvor war er 5 Jahre Geschäftsführer der VELUX Deutschland GmbH. Internationalisierung im Mittelstand 1. Was sind die wichtigsten organisatorischen Probleme im Rahmen der Internationalisierung mittelständischer Unternehmen? Diese bestehen u.a. darin, in sich ständig und mit zunehmender Dynamik entwickelnden Märkten ein Höchstmaß an Flexibilität und Zuverlässigkeit sicherzustellen. Dabei ist es für Mittelständler durchaus nicht immer einfach, die entsprechenden Voraussetzungen wie bspw. die Beherrschung verschiedener Fremdsprachen, die Berücksichtigung internationaler Steuergesetze und Transfer-Pricing-Guidelines sowie die kulturelle Integration verschiedener Produktions-, Vertriebs- und Kooperationsgesellschaften zu erfüllen. Natürlich müssen die Prozesse und Strukturen den jeweiligen Unternehmens- und Funktionsstrategien folgen. Dies bspw. im Hinblick auf Leistungs-, Verkaufs-, Distributions- und Kommunikationspolitik in einem internationalen Firmenverbund sicherzustellen, ist und bleibt für mittelständische Unternehmen eine große Herausforderung. <?page no="525"?> 502 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management 2. Welche Rolle spielen Kooperationen bei der Internationalisierung mittelständischer Unternehmen? Bei Frank werden die Auslandsmärkte fast ausschließlich im Rahmen von Vertriebskooperationen bearbeitet. Dabei bieten Kooperationen die Chance, zu relativ überschaubaren Investitionskosten und mit relativ wenig Vorlaufzeit schnell in neue Märkte vorzudringen. Allerdings gestalten sich die Suche und die Bewertung von geeigneten Partnern nicht immer ganz einfach. Die Umsetzung der jeweiligen Marketing- und Vertriebsstrategien durch die Partner kann nicht immer sichergestellt werden, da die Partnerunternehmen häufig in mehreren Marktsegmenten tätig sind. 3. Wie werden in mittelständischen Unternehmen die internationalen Aktivitäten organisatorisch verankert (z.B. eigene Sparte, eigene Abteilung)? Da in der Frank-Gruppe eine Produktions- und Vertriebsgesellschaft in Ungarn sowie eine reine Vertriebsgesellschaft in der Ukraine neben einer Vielzahl von internationalen Vertriebskooperationen bestehen, macht eine Zusammenfassung der internationalen Aktivitäten bspw. in einer Abteilung oder Sparte wenig Sinn. Vielmehr sind die Aktivitäten nach den vorherrschenden Gliederungsmerkmalen der Aufbauorganisation entsprechend verankert. Die Aufgaben der Fertigungsplanung und -steuerung, Logistik und Materialbedarfsplanung sind bspw. dem Produktionsbereich zugeordnet. Die Koordination des operativen Geschäftes mit den internationalen Vertriebspartnern erfolgt im Rahmen einer entsprechenden Abteilung innerhalb der Funktion Vertriebsinnendienst. Diese Abteilung ist auch für sämtliche Aktivitäten innerhalb der Prozesskette für Kundenaufträge in Zusammenarbeit mit der ukrainischen Vertriebsgesellschaft zuständig. 4. Wie stark wird die Internationalisierung von mittelständischen Zulieferern wie Frank durch die Auslandsaktivitäten ihrer Kunden beeinflusst? Die direkte Exportquote der Frank GmbH liegt bei ca. 35% vom Umsatz. Die tatsächliche Exportquote wird allerdings bedeutend höher sein, da die im Rahmen der Erstausstattung belieferten OEM-Kunden die landwirtschaftlichen Maschinen weltweit exportieren. Für das Ersatz- und Verschleißteilgeschäft folgt daraus natürlich, dass Frank dort sein muss, wo seine größten Kunden im Erstausrüstungsgeschäft tätig sind. Vor diesem Hintergrund ist natürlich eine entsprechende Beeinflussung der eigenen Internationalisierungsaktivitäten durch die Auslandsaktivitäten unserer Kunden gegeben. Hierbei ist es von großer Wichtigkeit, dass ein ständiger Austausch mit den jeweiligen OEM-Kunden stattfindet. Dabei ist Frank in die Produkt- und Marktentwicklungsprozesse der großen Maschinenhersteller sehr eng eingebunden und integriert. Dies ist auch ganz im Sinne des Unternehmens, da der hohe Integrationsgrad mit den jeweiligen OEM-Kunden letztlich auch eine entsprechende Markteintrittsbarriere für bestehende und potenzielle Wettbewerber darstellt. Internationales Produktionsmanagement <?page no="526"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 503 1. Welche Kriterien stehen bei der Auswahl internationaler Produktionsstandorte im Vordergrund? Wichtig ist vor allem, dass im Hinblick auf Qualität, Kosten und Zeit (Lieferzuverlässigkeit) die aus Kundensicht definierten Mindeststandards erfüllt werden können. Die jeweiligen kulturellen Besonderheiten müssen ebenso berücksichtigt werden, da tragfähige Strategien nur durch die Berücksichtigung von Struktur und Kultur entwickelt und umgesetzt werden können. Ferner sind die Nähe zu internationalen Absatzmärkten sowie steuerliche Besonderheiten insbesondere im Hinblick auf die Gestaltung von Transferpreissystemen von großer Wichtigkeit. 2. Welche Probleme oder Herausforderungen ergeben sich beim Technologietransfer vom Heimatstandort an internationale Standorte der Gruppe? Technologietransfer basiert letztlich auf einem umfangreichen Wissenstransfer. In mittelständischen Unternehmungen ist der Wissenstransfer im Rahmen von Internationalisierungsstrategien von großer Bedeutung, da dieser Transfer eine der wesentlichen Voraussetzungen für den erfolgreichen Betrieb internationaler Produktionsstandorte darstellt. Vor allem bei KMU ist das technologische Know-how, welches in der Regel auch wesentliche Differenzierungspotenziale im Wettbewerb bildet, häufig auf wenige Schlüsselpersonen im Unternehmen verteilt. Hierdurch entstehen naturgemäß bestimmte Gefahren, Probleme und Engpässe, die die wesentlichen Herausforderungen im Hinblick auf den permanent notwendigen Technologietransfer bilden. 3. Welche Rolle spielten bei Ihrer Entscheidung für einen internationalen Produktionsstandort die Flexibilität der Arbeitskräfte und die Lohnkosten? Die Lohnkosten bzw. Lohnstückkosten spielen natürlich bei der Entscheidung für einen internationalen Produktionsstandort eine wichtige Rolle. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass sich die Lohnkosten im Zuge der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in den einzelnen Ländern immer mehr angleichen werden. Hinzu kommt eine kontinuierliche Zunahme von Automatisierung und Mechanisierung im Rahmen der Ausschöpfung von Produktivitätsentwicklungspotenzialen, so dass der Lohnkostenanteil in der Industrie auch in Zukunft aller Voraussicht nach weiter sinken wird. In der Zulieferindustrie der Landtechnik ist der Lohnkostenanteil gemessen an den gesamten Herstellkosten inzwischen auf deutlich unter 15% gesunken. Diese Entwicklung wird mit Sicherheit weiter anhalten. Viel größer als die Bedeutung der Lohnkosten ist jedoch die Flexibilität der Arbeitskräfte in den jeweiligen Standorten, da nur diese Flexibilität die Voraussetzung für erfolgreiche Anpassungsmaßnahmen an sich ständig und dynamisch ändernde Marktbedingungen ist. 4. Was spricht für die Gewährung einer weitgehenden Autonomie internationaler Produktionsstandorte und was für eine straffe zentrale Führung? Erfolgversprechend ist m.E. ein Kompromiss zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung im Rahmen von internationalen Produktionsmanagementsystemen. Durch den heute relativ weit entwickelten Standard im Hinblick auf die Planungs- und Steuerungssys- <?page no="527"?> 504 • Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management teme (PPS, APS, MES) im Rahmen der Gesamt-ERP-Systemlösungen ist eine weitgehend zentrale Steuerung der Kapazitäten, Materialbedarfe, Auftragsplanung, Terminplanung etc. möglich. Durch die zentrale Koordination dieser wichtigen Planungs- und Steuerungsentscheidungen wird ein erhebliches Kostensenkungspotenzial innerhalb einer internationalen Supply Chain realisiert. In der Ausführung innerhalb der zentral festgelegten Rahmenbedingungen sollte jedoch ein möglichst hoher Grad an Eigenverantwortlichkeit und Freiheit in den jeweiligen Produktionsstandorten vorherrschen, da sich die Mitarbeiter vor Ort nur hierdurch entsprechend motiviert und eigenverantwortlich handelnd verhalten können. Letztlich muss immer der Mensch im Mittelpunkt stehen, da kein Unternehmen durch eine Zentrale geplant und gesteuert werden kann. Unternehmen sind komplexe sozio-technische Systeme, die nur über entsprechende Steuerung und Regelung innerhalb des Systems und mit entsprechenden Mechanismen zur Komplexitätsbewältigung beherrscht und entwickelt werden können. Dies bedingt eine weitestgehend autonome, auf die Gesamtsystemziele abgestimmte Arbeitsweise aller Systembeteiligten. 5. Welches sind Ihrer Meinung nach die zentralen Herausforderungen an das internationale Produktionsmanagement in der Zukunft? In der Vergangenheit stand sicherlich eher kurz- und mittelfristiges und nach rein ökonomischen Kriterien ausgerichtetes Handeln im Vordergrund. Dies wird in der Zukunft m.E. durch eine langfristige und an Nachhaltigkeit ausgerichtete Handlungsweise ersetzt werden müssen, die sowohl soziale, ökologische und ökonomische Aspekte berücksichtigt. Ferner werden die bisher vorherrschenden ERP-Insellösungen, die sich problemspezifisch an Einzelunternehmen ausgerichtet haben, mehr und mehr zu einem durchgängigen Produktions- und Supply Chain Management entwickeln müssen, wobei die auch heute im Mittelstand noch vorherrschende Funktionsoptimierung durch eine zunehmende Prozessoptimierung und -orientierung abgelöst werden wird. Die unternehmensinternen Wertschöpfungsketten, die auf die Optimierung einzelner Produktionsbetriebe ausgerichtet sind, müssen sich zu wandlungsfähigen und unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsnetzwerken entwickeln, die die vom Markt geforderte und zunehmende Flexibilität sicherstellen können. <?page no="528"?> Kapitel VIII: Internationales Supply Chain Management • 505 Literaturempfehlungen Basisliteratur Branch, A., 2009: Global Supply Chain Management and international Logistics, New York. Hill, C., 2010: International Business: Competing in the Global Marketplace, 8., internationale Aufl., New York, [Kapitel 15: „Exporting, Importing and Countertrade“, S. 538- 561; Kapitel 16: „Global Production, Outsourcing, and Logistics“, S. 562-589]. Lasserre, P., 2007: Global Strategic Management, 2. Aufl., Houndmills, [Kapitel 9: „Global Operations“, S. 243-271]. Kummer, S./ Schramm, H.-J./ Sudy, I., 2010: Internationales Transport- und Logistikmanagement, 2. Aufl., Wien. Vertiefungsliteratur Göpfert, I./ Braun, D., 2008: Internationale Logistik, Wiesbaden. Long, D.C., 2003: International Logistics: Global Supply Chain Management, Norwell, Mass. Schieck, A., 2008: Internationale Logistik, Oldenbourg: München. <?page no="530"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement <?page no="531"?> 508 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement Standpunkt: SAATCHI & SAATCHI GmbH SAATCHI & SAATCHI GMBH Saatchi & Saatchi ist eine der weltweit führenden Werbeagenturen mit 6.000 Mitarbeitern an 140 Standorten in 76 Ländern und arbeitet für 6 der 10 größten Werbungstreibenden. www.saatchi.com Michael Samak, Regional CEO Deutschland & Schweiz Michael Samak ist seit Mai 2010 Regional CEO Deutschland & Schweiz und verantwortlich für die Standorte Frankfurt, Düsseldorf, Berlin, Genf und Zürich. Zusammen mit Prof. Hans H. Bauer und Dr. Daniel Heinrich ist er Herausgeber des Sammelbandes „Erlebniskommunikation - Erfolgsfaktoren für das Marketing“. 1. Wie bewerten Sie die seit Jahren anhaltende Diskussion zwischen einer Standardisierung und Differenzierung im internationalen Marketingmanagement? In Zeiten, in denen Volatilität zum Normalzustand wird, haben die „Entweder-oder“- Ansätze der Standardisierung versus der Differenzierung im internationalen Marketingmanagement ein natürliches Ende. Es kommt immer mehr zu Mischstrategien. Dies gilt für die internationale Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Vertriebspolitik. Auch wird das Marketingmanagement permanent auf Zielkonformität und Funktionalität überprüft. Erfolge und Misserfolge lassen sich viel weniger prognostizieren. Eine „Fail fast, learn fast und fix fast“-Lernkultur erlaubt, dass viel mehr Ideen ausprobiert werden. Neue Initiativen basieren auf der grundsätzlichen Überlegung von Globalisierungsvorteilen; die Ausgestaltung, also das individuelle Leistungsangebot, die Preispolitik und die Vermarktung erfolgen in den Märkten jedoch länderspezifisch und werden regelmäßig überprüft. 2. Ist die zunehmende Bedeutung von China auch für Saatchi & Saatchi spürbar? Mit Agenturen in Peking, Hongkong, Schanghai, Guangzhou und Taipeh hat China für uns schon seit 22 Jahren eine hohe Bedeutung. Wir waren die erste Agentur der 4A’s (American Association of Advertising Agencies) in China. Die Fachzeitschrift „Campaign Asia“ hat uns 2011 als von Kunden am meisten präferierte Agentur ausgezeichnet. Während in den Anfangsjahren die Begleitung internationaler Marken in China im Fokus stand, dürfen wir seit einigen Jahren chinesische Marken wie bspw. Lenovo bei der Internationalisierung unterstützen. Dabei wurden in den vergangenen Jahren in vielen Fällen eher internationale Kunstmarkennamen von chinesischen Unternehmen gewählt, deren <?page no="532"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 509 Herkunft man nicht mit China verbindet. Auch weil chinesische Marken in der Vergangenheit mit geringerer Qualität, einer Imitatskultur und einem Billigimage assoziiert wurden. Aktuell bemerken wir ein neues chinesisches Selbstbewusstsein bei der Internationalisierung. Speziell im Solarmarkt mit Marken wie Yingli, doch auch die Suchmaschine baidu.com und der Elektronikhersteller Changhong haben sich bei der Wahl ihres Markennamens für einen chinesischen Namen entschieden. 3. Inwieweit verändern sich die Wirkungsweisen der internationalen Marken- und Produktkommunikation durch die sozialen Medien? Die zunehmende Digitalisierung unserer Kommunikation und die Etablierung neuer Medien ermöglichen eine bis dahin nicht gekannte aktive Beteiligung der Konsumenten. Co- Creation und User-Generated-Content lassen die Komplexität der internationalen Marken- und Produktkommunikation steigen. 1,2 Milliarden Menschen nutzen weltweit soziale Medien. Speziell die Anforderungen an das internationale Kampagnenmanagement und an die Kampagnenkreation steigen. Durch die sozialen Medien sind die einzelnen Kampagnenphasen viel feingliedriger und arbeitsintensiver. Oftmals fangen Kampagnen in den sozialen Medien an und bieten unterschiedliche Partizipationsmöglichkeiten. Dabei gilt es, die Konsumenten so zu begeistern, dass sie sich die Kampagne noch einmal anschauen wollen, dass sie einzelne Kampagnenbestandteile wie bspw. den TV-Spot auf Facebook an den Freundeskreis weiterleiten und im besten Fall sogar Teil der Kampagne werden. 4. Gibt es einen aktuellen Königsweg bei der Entwicklung internationaler Kommunikationsstrategien? Analog zur Entwicklung des internationalen Marketingmanagements erleben wir eine zunehmende Bedeutung von Mischformen bei der Entwicklung internationaler Kommunikationsstrategien. Oftmals werden zentrale Kommunikationselemente festgelegt, die eigentliche Ausgestaltung, bspw. die zu kommunizierenden Produkte oder auch die Mediaplanung, erfolgt länderspezifisch. Die von uns mitentwickelte internationale Kampagne der Deutschen Telekom „Life is for sharing“ oder „Erleben, was verbindet“ ist hierfür ein gutes Beispiel. Das Kampagnen- Framework basiert auf dem Gedanken, dass es im Leben unvergessliche Momente gibt, die Menschen miteinander teilen möchten. Bspw. die Geburt eines Kindes, ein schönes Konzert oder ein interessantes Erlebnis. In der Kommunikation kreiert oder greift die Deutsche Telekom kontinuierlich große und kleine reale Momente auf und zeigt daran den Nutzen der Telekommunikationslösungen der Deutschen Telekom. Dieser markenkonsistente Bezugsrahmen ist fest. Innerhalb dieses Rahmens gibt es modulare Bausteine, die gewährleisten, dass je Kampagne, Land und Zielgruppe unterschiedliche Produkte und Angebote sinnvoll integriert werden können. <?page no="533"?> 510 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement 5. Wie wirken sich digitale Medien auf den Media-Mix internationaler Kampagnen aus? Während vor einigen Jahren internationale Kampagnen im Wesentlichen aus einem Mix aus TV, Radio, Print, Plakat, Point of Sale und digitalen Medien bestanden, ist der Media- Mix internationaler Kampagnen viel feingliedriger geworden. Suchmaschinen, die Einbindung von internationalen Plattformen, Communities, Videoportale und soziale Netzwerke gehören zum Standard des Media-Mixes internationaler Kampagnen. Durch das sich verändernde Nutzungsverhalten verschiebt sich der Anteil sukzessive zugunsten digitaler Medien. Unsere Schätzungen gehen davon aus, dass 2020 über 40% der Netto-Werbeinvestitionen in Deutschland auf digitale Aktivitäten entfallen werden. Die fortschreitende Digitalisierung und die Etablierung neuer Medien in der breiten Gesellschaft ermöglichen eine viel aktivere Beteiligung der Konsumenten. Aus Konsumenten wurden Prosumenten, die aktiv bei der Entwicklung und Optimierung von Kampagnen mitwirken. 6. Was empfehlen Sie globalen Kunden beim Einsatz englischer Werbeclaims? Mit der aktuellen Lufthansa-Kampagne und dem Claim „Nonstop you“ erleben wir eine Renaissance englischer Claims auch in der deutschen Kommunikation. An Claims wie „Just do it“ und „Think different“ haben sich viele Verbraucher schon gewöhnt. Diese werden immer wieder als erfolgreiche Beispiele angeführt. Wir empfehlen dagegen nur in Einzelfällen den internationalen Einsatz englischer Werbeclaims. Nicht nur, dass ohnehin viel zu viele Markenclaims zu oft ausgetauscht werden, auch den Einsatz von englischen Claims in den jeweiligen Ländern gilt es von Fall zu Fall zu bewerten. Bei den meisten Fällen transkreieren wir einen internationalen Claim in die jeweilige Landessprache. Damit wird gewährleistet, dass der Claim - im Gegensatz zu vielen englischen Claims - verstanden wird. Auch hier dominiert eine Mischform zwischen kommunikationspolitischer Standardisierung und Differenzierung. Das Claimterritorium ist weltweit einheitlich, doch die Ausgestaltung erfolgt länderspezifisch. 7. Welche Trends werden das internationale Marketingmanagement in den nächsten Jahren beeinflussen? Die Bedeutung der BRIC- (Brasilien, Russland, Indien und China) und der MIST-Staaten (Mexico, Indonesien, Südafrika und Türkei) wird zunehmen. Das wird sich auch im verstärkten Aufbau der internationalen Marketingabteilungen in diesen Ländern zeigen. Während internationale Unternehmen in den achtziger und neunziger Jahren Teile ihrer Produktion nach Asien verlagert haben, beobachten wir erstmals die Verschiebung der internationalen Marketingzentralen von Westeuropa und den Vereinigten Staaten in die asiatischen Wachstumsmärkte und speziell nach China. Die Rolle des internationalen Marketings wird sich verändern. In volatilen Zeiten suchen Menschen verstärkt nach Unternehmen, deren Ansätze und Ideen ihren Bedürfnissen nach <?page no="534"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 511 sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Gerechtigkeit entsprechen und die ihre eigene Welt besser machen. Das internationale Marketing erlebt eine Werteorientierung und leistet einen wesentlichen Beitrag, das Leben der Menschen zu verbessern. Das zeigt sich auch verstärkt an der Professionalisierung des Corporate-Social-Responsibility-Engagements internationaler Unternehmen. Der Schwerpunkt wird sich noch stärker von der Etablierung einzelner CSR-Ziele und CSR-Maßnahmen bis hin zur Entwicklung und Umsetzung ganzheitlicher CSR-Strategien verschieben. Internationales Marketingmanagement Im Zuge der Entwicklung einer Internationalisierungsstrategie ist die Berücksichtigung des Marketings als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden von zentraler Bedeutung. Die Analyse der Wirtschaftlichkeit unterschiedlicher absatzorientierter Gestaltungsformen der Auslandsaktivitäten kann nur durchgeführt werden, wenn das Unternehmen für jede Alternative eine Marketingkonzeption festgelegt hat. Das Marketingkonzept beeinflusst in der Wirtschaftlichkeitsanalyse sowohl quantitative als auch qualitative Faktoren. Die Marketingkonzeption für die Gestaltung von Auslandsaktivitäten umfasst die internationale Produkt-, Preis-, Vertriebs- und Kommunikationspolitik. Die Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit beeinflusst das Marketing nachhaltig. Das nationale Marketing kann sich auf die Bearbeitung eines Ländermarktes fokussieren. Im internationalen Kontext stellt die gesteigerte Komplexität hinsichtlich Planung, Organisation und Kontrolle der Marketingaktivitäten bei der Bearbeitung mehrerer internationaler Ländermärkte bzw. des Weltmarktes hohe Anforderungen an den Marketing-Manager. Im Zentrum steht die Sicherung von Effektivität und Effizienz aller marketingrelevanten Entscheidungen. Das Management muss bei der Entwicklung einer Marketingkonzeption der Frage nach dem Standardisierungsbzw. Differenzierungsgrad der Marketingteilpolitiken, also der internationalen Produkt-, Preis-, Vertriebs- und Kommunikationspolitik, besondere Aufmerksamkeit widmen. Die konkrete Ausgestaltung dieser marketingorientierten Teilpolitiken hängt von der strategischen Ausrichtung des internationalen Marketings ab. Man unterscheidet im Rahmen der strategischen Konzeption zwischen einem internationalen, multinationalen und globalen Marketing. Eine Abgrenzung erfolgt durch die beiden Kriterien: Globalisierungsvorteile und Lokalisierungsvorteile bzw. -erfordernisse (Meffert, H./ Burmann, C./ Becker, C., 2010; Jobber, D., 2001; Hünerberg, R., 1994; Meffert, H., 1989a; Perlmutter, H.V., 1973). Abbildung 249 gibt die sich aus dieser Abgrenzung ergebenden strategischen Orientierungen wieder. Bestehen sehr geringe Lokalisierungserfordernisse und sehr niedrige Globalisierungsvorteile, dann befindet sich das Unternehmen in einem frühen Stadium der Internationalisierung. Mit wachsenden Globalisierungs- und Lokalisierungsvorteilen spricht man von inter- <?page no="535"?> 512 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement nationalem Marketing. Die Marketingaktivitäten sind schwerpunktartig auf den Heimatmarkt konzentriert und es besteht i.d.R. nur eine begrenzte Notwendigkeit des Unternehmens, sich auf länderspezifische Besonderheiten einzustellen (ethnozentrische Orientierung). Mit wachsenden Globalisierungs- und Lokalisierungsvorteilen spricht man von multinationalem oder globalem Marketing. Sind die Lokalisierungsvorteile bzw. -erfordernisse hoch, die Globalisierungsvorteile jedoch niedrig, dann spricht man von einem multinationalen Marketing. Hier erhalten die Tochtergesellschaften des Unternehmens einen großen Entscheidungsspielraum, weshalb sie autonome lokale Marketingstrategien entwickeln können (polyzentrische Orientierung). Abbildung 249: Strategische Konzeptionen für das internationale Marketing Bei hohen Globalisierungsvorteilen für das Unternehmen und geringen Lokalisierungsvorteilen bzw. -erfordernissen spricht man von einem globalen Marketing. Hier orientiert sich das gesamte Marketingkonzept an einer zentralen Strategie, die eine weltweite Ausnutzung von Kostenvorteilen durch standardisierte Massenprodukte anstrebt (geozentrische Orientierung). Sind die Globalisierungs- und die Lokalisierungsvorteile bzw. -erfordernisse hoch, handelt es sich entweder um blockierte Märkte oder es kommt zu Mischstrategien, die für den jeweiligen Einzelfall entwickelt werden müssen. Perlmutter (Zentes, J./ Swoboda, B./ Schramm-Klein, H., 2010; Perlmutter, H.V., 1973) unterscheidet zusätzlich noch ein an homogenen Ländergruppen ausgerichtetes Marketingkonzept (regiozentrische Orientierung), den <?page no="536"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 513 die Tochtergesellschaften anhand der lokalen Gegebenheiten adaptieren (z.B. ein EURO- PA-Konzept). Im Fokus dieses Kapitels stehen aber weniger marketingstrategische Überlegungen, sondern vielmehr die einzelnen Aktionsparameter des internationalen Marketings. 1 Internationale Produktpolitik Die internationale Produktpolitik setzt sich mit allen Entscheidungen auseinander, die die Gestaltung des Leistungsangebotes auf internationalen Märkten betreffen. Dies umfasst Entscheidungen über die Einführung neuer Produkte (Produktinnovation), die Veränderung bestehender Produkte (Produktvariation und -differenzierung) und die Entfernung der Produkte vom Markt (Produktelimination). Bei der Produktinnovation sind insbesondere Entscheidungen über die Produktauswahl, die Produktbeschaffenheit bzw. -verpackung, das Produktimage, die Notwendigkeit für einen speziellen Produktservice und eine eventuell zu verfolgende Markenpolitik zu treffen. Im Zusammenhang mit der Produktinnovation ist die Frage zu diskutieren, inwieweit das Produkt aus Sicht des Unternehmens bzw. der Kunden in den jeweiligen Ländermärkten eine Neuigkeit darstellt. Abbildung 250 stellt die unterschiedlichen Neuigkeitsausprägungen von Produktinnovationen aus Anbieter- und Nachfragersicht dar. Abbildung 250: Neuigkeitsgrade von Produktinnovationen Quelle: In Anlehnung an: Zentes, J./ Swoboda, B./ Schramm-Klein, H., 2010 Bei der Produktauswahl ist zunächst die Bestimmung des Internationalisierungspotenzials eines Produktes für einen bestimmten Markt erforderlich. Wie dieses Internationalisierungspotenzial bestimmt werden kann, wurde bereits im Kapitel zu den Internationalisie- <?page no="537"?> 514 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement rungsstrategien dargestellt. Darüber hinaus hat die internationale Marktforschung folgende Fragen zu beantworten (Zentes, J./ Swoboda, B./ Schramm-Klein, H., 2010; Root, F.R., 1994; Hünerberg, R., 1994): (1) Wer soll die Produkte im Ausland kaufen? (2) Wer soll die Produkte im Ausland benutzen? (3) Wie soll das Erzeugnis im Ausland benutzt werden? (4) Wo soll das Erzeugnis im Ausland gekauft werden? (5) Wie soll das Erzeugnis im Ausland gekauft werden? (6) Warum soll das Erzeugnis im Ausland gekauft werden? (7) Wann soll das Erzeugnis im Ausland gekauft werden? Die Antworten auf diese Fragen liefern dem Unternehmen Informationen hinsichtlich des Standardisierungs- und Differenzierungspotenzials in der internationalen Produktpolitik. Sind Produktanpassungen an den Auslandsmarkt nicht zwingend notwendig, kann das Unternehmen eine Standardisierung der Erzeugnisse im Ausland anstreben. Durch die Produktstandardisierung versuchen Unternehmen, Kostendegressions- und Erfahrungseffekte bei der Leistungserstellung auszunutzen. Durch Massenproduktion, eine Verringerung der Lagerhaltung, Transportkostenerleichterungen und Vorteile in der Ersatzteilversorgung kann eine weltweite Cost-Leadership-Strategie angestrebt werden. Grundsätzlich setzt die Produktstandardisierung ein gewisses Maß an homogenen Kundenbedürfnissen in den unterschiedlichen Ländermärkten voraus. Konsumgüter weisen im Vergleich zu Industriegütern ein geringeres Standardisierungspotenzial auf (Homburg, C./ Krohmer, H., 2009). Dem Spannungsfeld von Standardisierungsmöglichkeiten und Differenzierungserfordernissen kann im Rahmen der internationalen Produktpolitik in verschiedener Weise begegnet werden. So ermöglicht bspw. eine regionale Standardisierung mithilfe eines Modular- Designs eine länderspezifische Produktgestaltung zu wettbewerbsfähigen Kosten. Ein Beispiel für eine solche Produktgestaltung sind Automobile, bei denen die länderspezifische Differenzierung nur bei einzelnen Komponenten erfolgt (z.B. US-Kat), oder die Modulbauweise, die es ermöglicht, modulübergreifend auf gemeinsame Ausstattungs- oder Baugruppen zurückzugreifen. Die Anpassung an verschiedene Anforderungen wird auch durch eine built-in-flexibility (z.B. Druckformate und Schriftsätze bei Computern, Schwankungstoleranzen bei Autokraftstoffen) erreicht. Trotz eines hohen Standardisierungsgrades bedient das Produkt dabei unterschiedliche länderspezifische Standards (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010). Eine Standardisierung wird häufig auch im Bereich der Markenpolitik angestrebt. Durch ein „Global Branding“ sollen vor allem die Chance eines weltweiten Imagetransfers sowie <?page no="538"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 515 Kostensenkungspotenziale aus einer standardisierten Unternehmenspolitik (z.B. durch Media-Overspill) genutzt werden. Die Risiken einer standardisierten Markenpolitik liegen vorrangig in negativen Assoziationen mit dem Markennamen und dem Markenlogo sowie einem Anreiz zur Markenpiraterie. Daraus ergeben sich verschiedene Anforderungen an eine internationale Markenpolitik (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Backhaus, K./ Voeth, M., 2010; Homburg, C./ Krohmer, H., 2009; Kreutzer, R., 1989a; Meffert, H./ Althans, J., 1982): (1) Der Name muss in allen relevanten Sprachen aussprechbar sein, (2) der Name muss akustisch und visuell wiedererkennbar und einprägsam sein, (3) der Name muss die beabsichtigte Assoziation mit dem Produkt erwecken und (4) es muss ein gesetzlicher Markenschutz auf allen Märkten möglich sein. Die Markenpolitik hat großen Einfluss auf das Produktimage, das im Ausland auch oft von dem Image des Landes abhängt, aus dem das Erzeugnis stammt (z.B. „Made in Germany“ als country-of-origin-Effekt). Eine differenzierte Produktpolitik ist auf länderspezifische Erfordernisse abgestimmt. Diese Abstimmung kann für den Markterfolg aufgrund der Unterschiede in den Bedürfnisstrukturen, den Wertvorstellungen, den Kaufkraftverhältnissen, dem Gebrauchs- und Verbrauchsverhalten, aber auch aufgrund gesetzlicher Anforderungen (z.B. bei pharmazeutischen Produkten oder Automobilen) entscheidend sein. Ansatzpunkte für eine differenzierte Produktpolitik sind meist physikalische Merkmale des Produktes (z.B. Größe, Material, Gewicht), funktionale Eigenschaften (z.B. Qualität, Funktionserfüllung), ästhetische Merkmale (z.B. Design, Farbe, Duft), Verpackungen (z.B. Schutzfunktion, Farbe, Design, Verkaufsförderungsfunktion, Markennamenaufdruck) und Dienstleistungen (z.B. Bedienungsanleitungen, Installationserfordernisse, Garantievorschriften, Reparatur- und Wartungsbzw. Ersatzteilerfordernisse) (Backhaus, K./ Voeth, M., 2010; Root, F.R., 1994; Sommer, C., 1994). Abbildung 251 zeigt Ansatzpunkte für die Produktanpassung im Ausland (Cundiff, E.W./ Hilger, M.T., 1988). Im Zusammenhang mit Produktinnovationen und -variationen ist auch die Frage nach den Produkterneuerungszyklen relevant (Schikarski, H./ Schikarski, F., 1998; Raffée, H./ Segler, K., 1984). Lange Produkterneuerungszyklen stellen geringere Anforderungen an die Flexibilität der Produktionstechnologie und führen i.d.R. zu einer potenziell hohen Kostendegression. Gleichzeitig erschweren sie aber die Integration neuer Technologiebausteine, geben nur schwache Innovationsimpulse und führen leicht zu einem schlechten Innovati- <?page no="539"?> 516 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement onsimage. Bei kurzen Produkterneuerungszyklen besteht dagegen die Gefahr, dass ein „Imageanker“ fehlt. Marginale Produktverbesserungen und ein Mangel an Kontinuität können als negativ empfunden werden. Wichtig ist dabei, die Einstellung der Konsumenten in verschiedenen Ländern zu berücksichtigen. So sind japanische Konsumenten i.d.R. sehr viel empfänglicher für schnelle Neuerungen im Design als deutsche Abnehmer. Abbildung 251: Produktanpassung im Ausland Quelle: Cundiff, E.W./ Hilger, M.T., 1988 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass durch die Vermarktung im Ausland der Produktlebenszyklus eines Produktes verlängert werden kann. Ein Produkt kann sich im Ausland in einer frühen Phase des Produktlebenszyklus befinden, wohingegen im Extremfall das gleiche Produkt im Inland am Markt nicht mehr erhältlich ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn die in- und ausländischen Volkswirtschaften unterschiedlich entwickelt sind. Grundlage für die Entscheidung über eine Produktelimination, d.h. ein Produkt aus dem Sortiment zu nehmen, ist die Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsanalyse und eine Untersuchung der Altersstruktur des Sortiments. Dazu können z.B. Portfolio-Analysen auf der Basis des Produktlebenszyklusmodells verwendet werden. In jedem Fall müssen zudem Verbundeffekte zu anderen Produkten bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Weitere Gründe für eine Produktelimination sind neue gesetzliche und kundenspezifische Anforderungen, die eine rentable Marktbearbeitung nicht mehr erlauben (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010). 2 Internationale Preispolitik Gegenstand der internationalen Preispolitik sind die Entscheidungen über das Entgelt für das Leistungsangebot, über die Liefer- und Zahlungsbedingungen, über mögliche Rabatte sowie über die internationale Preisdurchsetzung in den einzelnen Ländermärkten. <?page no="540"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 517 Die Preisbildung im Ausland wird von einer Vielzahl von unternehmensinternen und unternehmensexternen Faktoren beeinflusst, die sich z.T. wechselseitig beeinflussen. Zu diesen Faktoren gehören vor allem: (1) Preisstrategien, (2) Zahlungs- und Lieferbedingungen, (3) Kosten, (4) Konkurrenzsituation, (5) Nachfragesituation, (6) Staatliche Regulierungen, (7) Wechselkurs- und Inflationsentwicklung (8) Verrechnungspreise zwischen inländischer Mutter- und ausländischer Tochtergesellschaft. 2.1 Preisstrategien Grundsätzlich kann zwischen der internationalen Preisstandardisierung, der internationalen Preisdifferenzierung und der sog. Preiskorridorstrategie unterschieden werden. Eine internationale Preisstandardisierung sieht in den verschiedenen Märkten einheitliche Preise vor. Zielsetzung ist es, ein einheitliches Preisimage zu erreichen, Preisunsicherheit bei den Marktteilnehmern zu vermeiden und die Entstehung sog. Grauer Märkte zu verhindern. Eine vollständige internationale Preisstandardisierung ist für ein Unternehmen jedoch kaum durchsetzbar und meist auch nicht sinnvoll. Die länderspezifischen Kosten und Gegebenheiten und auch die Nachfrage- und Wettbewerbsstrukturen im Ausland sind oft zu verschieden (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Backhaus, K./ Büschken, J./ Voeth, M., 2003; Simon, H./ Wiese, C., 1995; Segler, K., 1986). Eine gewisse Ausnahme bietet der Euro-Raum im Rahmen der EU, der aufgrund von geringen Kosten bzw. gleicher Währung in einigen Branchen eine Preisharmonisierung ermöglicht. Bei einer internationalen Preisdifferenzierungsstrategie passt sich das Unternehmen im Rahmen der Preisbildung an die jeweiligen Marktverhältnisse an und nutzt die unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften der Konsumenten. Die Preisdifferenzierung kann nach kundenbezogenen, zeitlichen und räumlichen Kriterien vorgenommen werden. Im internationalen Marketing ist insbesondere die räumliche Preisdifferenzierung relevant. Häufig wird die Produktdifferenzierung durch eine unterschiedliche Gesetzgebung in einzelnen Märkten induziert. Mitunter wird die räumliche Preisdifferenzierung auch mit einer Produktdifferenzierung verknüpft. Die mit einer internationalen Preisdifferenzierung verbundene Zielsetzung divergiert zwischen den Unternehmen. <?page no="541"?> 518 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement Einmal kann sich die internationale Preisdifferenzierung ausschließlich an den Preiselastizitäten und Preis-Absatz-Funktionen in den verschiedenen Ländern orientieren. Daneben führen möglicherweise steuerliche Aspekte zu einer internationalen Preisdifferenzierung. So kann das Unternehmen versuchen, den unterschiedlichen Steuerbelastungen in den verschiedenen Ländern durch differenzierte Abgabepreise zu begegnen, um eine Steueroptimierung zu erreichen. Ein weiteres mögliches Ziel der internationalen Preisdifferenzierung ist die schnelle Markterschließung bzw. die gezielte Bekämpfung von Wettbewerbern im Ausland. Dies gilt insbesondere für sogenannte Schlüsselmärkte, bei denen es darauf ankommt, so schnell wie möglich eine Marktführerschaft zu erzielen. Auch bei der internationalen Preisdifferenzierungsstrategie existiert eine Reihe von Problemen, die das Unternehmen beachten muss. Solche Problemfelder sind (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Diller, H., 1989; Berekoven, L., 1985a; Meffert, H./ Althans, J., 1982): (1) eine weltweit zunehmende Marktbzw. Preistransparenz, (2) die steigende Gefahr von Reimporten bzw. „Graumarktströmen“ aufgrund eines international besser organisierten Handels (z.B. durch Arbitrage), (3) ein steigender wirtschaftspolitischer Widerstand und (4) eine zunehmende Konkurrenz von Tochtergesellschaften und Lizenznehmern untereinander. Ein Kompromiss zwischen einer internationalen Preisstandardisierungs- und Preisdifferenzierungsstrategie ist die Preiskorridorstrategie (Keegan, W.J./ Schlegelmilch, B.B./ Stöttinger, B., 2002). Um ein Minimum an Standardisierung bei der internationalen Preisfestsetzung zu erreichen, werden generelle Preisrichtlinien für Auslandsmärkte festgelegt. Ziel ist es dabei, möglichst ein einheitliches Preis-Leistungs-Image auf allen Märkten zu schaffen, um Reimporte zu verhindern (Meffert, H./ Burmann, C./ Becker, C., 2010). Dabei erfolgt eine zentrale Preisvorgabe durch das Stammhaus in Form von Bandbreiten um einen Referenzpreis und eine dezentrale Festlegung der Endpreise durch das nationale Management (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Meffert, H./ Althans, J., 1982). Neben der Bestimmung der Bandbreite ist das Problem bei der Festsetzung solcher Preiskorridore die Durchsetzbarkeit der Preise auf den Handelsstufen, da in vielen Ländern eine Preisbindung der zweiten Stufe (vertikale Preisbindung) nicht zulässig ist (Kreutzer, R., 1989a). Die Höhe der Bandbreite richtet sich bei der Preiskorridorstrategie auch nach den Arbitragekosten. Die Arbitragekosten sind maßgeblich dafür, ob Reimporte aus dem Ausland sinnvoll sind. Sind die Arbitragekosten größer als die Bandbreite, dann lohnen sich entsprechende Reimporte nicht. Mitunter wird diese Preispolitik auch zu einem internationalen kalkulatorischen Gewinnausgleich verwendet. <?page no="542"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 519 Ferner muss ein Unternehmen entscheiden, ob es für den Markteintritt in einem ausländischen Markt eine Hochpreis- oder eine Niedrigpreisstrategie wählt . Im Fall der sog. Skimmingpreisstrategie tritt das Unternehmen mit hohen Preisen in den Markt ein, um Zahlungsbereitschaften der ausländischen Konsumenten abzuschöpfen. Tritt das Unternehmen mit niedrigen Preisen im Markt an, spricht man von einer sog. Penetrationsstrategie. Die Zielsetzung besteht hier in der schnellen Generierung von Marktanteil und dem Aufbau von Markteintrittsbarrieren für Konkurrenten im Auslandsmarkt. 2.2 Zahlungs- und Lieferbedingungen Die Festlegung der Zahlungs- und Lieferbedingungen hat insbesondere im internationalen Anlagengeschäft große Bedeutung. Die Lieferbedingungen (z.B. Incoterms) bestimmen u.a. die Kostenverteilung und den Zeitpunkt der Waren- und damit auch der Gefahrenübernahme (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Meffert, H./ Bolz, J., 1998; Meffert, H./ Althans, J., 1982). Zahlungsbedingungen regeln die Zahlungspflichten des Käufers. Sie sind vor allem in devisenschwachen Ländern oft ein wesentlicher Bestandteil der Preisfestlegung im Ausland. Als wesentliche Zahlungsformen gelten (Zentes, J./ Swoboda, B./ Schramm-Klein, H., 2010): (1) Vorauszahlungen, (2) Anzahlungen, (3) Abschlagszahlungen/ Pro-Rata-Zahlung, (4) Zahlung bei Lieferung/ Zahlung durch Nachnahme und (5) Zahlung gegen die einfache Rechnung. Auch funktionale Nachlässe oder Mengenrabatte sind bei der Preisfestlegung im Ausland zu beachten. Dies gilt verstärkt beim indirekten Export, um die Zwischenhändler entsprechend zu motivieren, ihre Verkaufsanstrengungen zu verstärken. Die Gestaltung der Finanzierungs- und Kapitalkosten für den ausländischen Abnehmer spielt vornehmlich im Investitionsgüterbereich bei der Preisfestlegung eine wichtige Rolle. Daneben kann der ausländische Partner auf ein Kompensationsgeschäft drängen, was wiederum bei der Preisfestlegung im Ausland berücksichtigt werden muss. Mitunter kommt es auch zu Leasingverträgen mit ausländischen Geschäftspartnern. Diese Form der Zusammenarbeit mit einem ausländischen Partner bedingt meist eine für dieses Geschäft adäquate Preisfestlegung. <?page no="543"?> 520 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement 2.3 Kostenorientierte Preisfestlegung im Ausland Die Preisfestlegung im Ausland stellt für Unternehmen insbesondere dann eine extrem schwierige Aufgabe dar, wenn sie über keine großen Auslandserfahrungen verfügen. Deshalb versuchen sie, Preise aus Kostengesichtspunkten abzuleiten und beziehen dabei die durch die Auslandstätigkeiten entstehenden zusätzlichen Kosten in ihre Überlegungen mit ein (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Backhaus, K./ Büschken, J./ Voeth, M., 2003; Meffert, H./ Bolz, J., 1998). Auch wenn dies nicht immer zu einer optimalen Preispolitik im Ausland führt, bedient sich eine Vielzahl von Unternehmen insbesondere in der Exportwirtschaft der kostenorientierten Preisfestlegung. Die kostenorientierte Preisfestlegung wird häufig zur Ermittlung der Preisuntergrenze genutzt (Zentes, J./ Swoboda, B./ Schramm-Klein, H., 2010). Die durch eine Auslandsaktivität zusätzlich anfallenden Kosten führen im Ausland oft zu einem höheren Preis als im Inland (Preiseskalationseffekt). Solche zusätzlichen Kosten, die im Ausland auftreten, entstehen: (1) durch die eigentliche Geschäftstätigkeit im Ausland. Hierunter fallen Exportkosten für den ausländischen Markt (z.B. Transport-, Versicherungs-, spezielle Verpackungskosten, Vertriebsprovisionen, Versanddokumente), Verwaltungsgemeinkosten für den Exportvertrieb sowie länderspezifische Kosten der Exportmarktbearbeitung (z.B. sonstige Distributions- und Handelskosten, Werbung, Marktforschung). Auch auslandsspezifische Herstellkosten, z.B. für spezielle Produktanforderungen, beeinflussen die Preisfestlegung. (2) durch unterschiedliche Kostenstrukturen im In- und Ausland. So ist es z.B. bedeutsam, ob eine eigene Produktion bzw. eine Lizenzproduktion im Ausland stattfindet oder ob im Inland produziert und ins Ausland exportiert wird. Je nachdem, welcher Produktionsstandort gewählt wird, kommt es zu unterschiedlichen Arbeits-, Material- oder Kapitalkosten. Durch unterschiedliche Kostenstrukturen im In- und Ausland können gegebenenfalls die tendenziell höheren Kosten der Auslandsmarktbearbeitung kompensiert werden. (3) durch spezielle Risiken im Auslandsgeschäft. Zu nennen sind hier z.B. Kostenaufschläge für Währungs- und Ausfallrisiken, aber auch für einen Inflationsausgleich. (4) durch staatliche Maßnahmen. Dazu gehören Zölle, ausländische Steuern, Abgaben etc. Aber auch Kosten durch andere staatliche Regulierungen wie z.B. der Produzentenhaftung fallen in diese Kategorie. Allerdings muss eindeutig festgestellt werden, dass der Preis auf den Auslandsmärkten im Wesentlichen durch die dort herrschende Nachfragesituation de- <?page no="544"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 521 terminiert wird. Höhere Kosten der Auslandsaktivität können daher nicht immer auf den Kunden „übergewälzt“ werden. Für eine kostenorientierte Preisfindung lassen sich im Wesentlichen folgende drei Ansätze unterscheiden (Hünerberg, R., 1994): (1) Full-Cost Pricing (2) Incremental-Cost Pricing (3) Profit-Contribution Pricing. Beim Full-Cost Pricing ergibt sich der Preis aus den Vollkosten. Der Vorteil dieser Methode liegt in der scheinbaren Einfachheit der Berechnung und der Sicherstellung eines Gewinns im Auslandsgeschäft. Die Methode steht aber im Widerspruch zum Ziel der Gewinnmaximierung, da sie die Nachfrage- und Konkurrenzsituation nicht entsprechend berücksichtigt (Root, F.R., 1994). Diesem Problem versucht man dadurch zu begegnen, indem auf den Inlandspreis ein Exportaufschlag kalkuliert wird. Root gibt hier zu bedenken, dass diese Art der Preisermittlung zu einer Preissteigerung führt, die den erwünschten Erfolg im Ausland gefährden kann. Ferner verweist er auf das ungelöste Problem der Trennung zwischen variablen und fixen Kosten für Exportaktivitäten. Die Problematik der Trennung der fixen und variablen Kosten berücksichtigt die Preisfestsetzung auf der Grundlage von Grenzkosten (Incremental-Cost Pricing). Die Grenzkosten umfassen dabei die Kosten, die durch den Markteintritt ins Ausland zusätzlich entstehen. Der Preis wird durch die Grenzkosten bestimmt, die aus der Auslandsaktivität resultieren, zuzüglich eines Deckungsbeitrages. Auch hier gilt die Kritik, die an der Kalkulation der Preise auf Vollkostenbasis geübt wurde. Die Nachfrage- und Konkurrenzsituation werden auch hier nicht adäquat berücksichtigt. Ein anderer Weg zur Bestimmung des Preises kann mithilfe von Gewinnbeiträgen (Profit- Contribution Pricing) vorgenommen werden. Hier wird die Nachfragefunktion bei der Preisfestlegung berücksichtigt. Es wird zuerst ermittelt, wie hoch die Nachfrage nach bestimmten Erzeugnissen bei unterschiedlichen Preisen ist (Bestimmung der Preis-Absatz- Funktion) und anschließend nach dem Preis gesucht, der den Gewinn maximiert. Abbildung 252 gibt eine solche Preisbestimmung wieder. Danach wird das Unternehmen, das ein Gewinnmaximum anstrebt, einen Preis von $ 4 im Ausland verlangen, wenn unterstellt wird, dass nur volle Dollarbeträge als Preis in Betracht kommen (Root, F.R., 1994). <?page no="545"?> 522 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement Abbildung 252: Profit-Contribution Pricing Problematisch ist bei diesem Verfahren der Preisfindung die Schätzung der Preis-Absatz- Funktion, insbesondere bei fehlender Markterfahrung wie z.B. bei Markteintritt oder Produktinnovationen im Ausland (Simon, H., 1992). Darüber hinaus lässt sich in vielen Ländern feststellen, dass aus psychologischen Gründen mit gebrochenen Preisen gearbeitet wird, die knapp unter vollen Geldbeträgen liegen (z.B. 2,99 €). 2.4 Konkurrenzorientierte Preisfestlegung im Ausland Die Anzahl der im Ausland vorhandenen Konkurrenten ist für die Preisfestlegung mitentscheidend. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob das inländische Unternehmen in dem betreffenden Land eine monopolartige Stellung einnehmen kann oder als ein Konkurrent unter vielen auftritt. Konkurriert das Unternehmen mit vielen Wettbewerbern, dann ist der Preis für das Unternehmen ein Datum und es kann sich nur als Mengenanpasser verhalten. Diese Situation liegt besonders dann vor, wenn es sich um Commodity-Märkte handelt und es somit in den Augen der Kunden kaum Produktdifferenzierungen zwischen den Erzeugnissen unterschiedlicher Anbieter gibt. Für die Abnehmer wird dann der Preis die kritische Entscheidungsgröße (Meffert, H./ Burmann, C./ Becker, C., 2010; Backhaus, K./ Büschken, J./ Voeth, M., 2003; Meffert, H./ Bolz, J., 1998). Eine konkurrenzorientierte Preisbildung kann sich auch an den Preis-Leistungs-Relationen einzelner Produkte auf den jeweiligen Auslandsmärkten orientieren. Hierzu werden die wahrgenommene Produktqualität unterschiedlicher Anbieter im Markt und deren jeweilige Preise gegenübergestellt. Anhand einer Preis-Leistungskurve, die die für verschiedene Qualitätsniveaus erzielbaren Durchschnittspreise angibt, wird deutlich, ob Qualitätsmit marktverträglichen Preissteigerungen einhergehen. Hat die Kurve einen degressiven Verlauf, so fallen Preissteigerungen bei Qualitätssteigerungen unterproportional aus (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010). Die prinzipielle Vorgehensweise verdeutlicht Abbildung 253. Es ist zu überprüfen, ob der Preis von Produkt P1 mindestens auf das Niveau der Preis-Leistungs-Kurve oder sogar auf das Niveau von Produkt P3 zu senken ist, um eine Abwanderung von P1 zu verhindern. <?page no="546"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 523 Abbildung 253: Preis-Leistungs-Relationen im Auslandsmarkt Quelle: In Anlehnung an: Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010 Die Marktstellung des Unternehmens im Ausland beeinflusst in erheblichem Umfang die Möglichkeit einer differenzierenden Preispolitik (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Bea, F.X./ Bentel, R., 1992). Eine solche Politik dient dazu, wettbewerbsstrategische Ziele der Unternehmung wie z.B. Marktanteilssteigerungen oder Gewinnmaximierung zu erreichen. Während die Strategie der Kosten- (oder richtiger: der Preis-)Führerschaft die konsequente Unterbietung der Konkurrenzpreise verlangt, erlaubt eine Differenzierungsstrategie durch einen monopolähnlichen Konkurrenzvorteil eine Hochpreispolitik. Ausdruck finden diese Wettbewerbsziele in den bereits erwähnten zwei preispolitischen Strategien: der Abschöpfungsbzw. Skimming- und der Penetrationsstrategie. Der Einsatz dieser Strategien wird u.a. durch die Stellung des Produktes im Produktlebenszyklus beeinflusst. Die internationale Abschöpfungspreisstrategie versucht, durch relativ hohe Preise im Ausland hohe Deckungsbeiträge pro Mengeneinheit zu erzielen (Hollensen, S., 2011; Meffert, H./ Althans, J., 1982). Diese Preisstrategie wird insbesondere dann relevant, wenn das Erzeugnis im Ausland am Beginn des Produktlebenszyklus steht und die Konkurrenz schwach ist. Im Anschluss an diese Hochpreisphase senkt das Unternehmen im Ausland schrittweise den Preis mit dem Ziel, potenzielle Wettbewerber von einem Markteintritt abzuhalten. Der Vorteil dieser Strategie liegt darin, dass das Unternehmen schnell seine Kosten und Investitionen für die Auslandsaktivität amortisiert. Dem Unternehmen ist es dadurch möglich, Pioniergewinne zu erzielen und eventuell das Image eines Hochpreis-/ Qualitätsführerschafts-Unternehmens zu erreichen. Solche Hoch- oder Premiumpreisstrategien finden sich vor allem bei exklusiven Produkten wie z.B. Parfüm, Kleidung oder Automobilen (Beispiele hierfür sind Sports Utility Vehicles oder neue Crossover-Segmente wie etwa der „Sportstourer“ 5 er GT). Der Nachteil besteht darin, dass durch den hohen Preis im Aus- <?page no="547"?> 524 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement land Wettbewerber, mitunter schneller als geplant, angezogen werden und sich damit die Gewinnsituation schnell verschlechtert. Durch eine penetrationsorientierte Preispolitik im Ausland besteht die Möglichkeit, dass ein Unternehmen mithilfe eines niedrigen Preises in sehr kurzer Zeit einen hohen Marktanteil in einem bestimmten Land erreicht, wodurch Kostendegressions- und Erfahrungseffekte erzielt werden. Diese können als Markteintrittsbarrieren dienen und es Konkurrenten erschweren, auf diesem Markt Fuß zu fassen (Hollensen, S., 2011; Zentes, J./ Swoboda, B./ Schramm-Klein, H., 2010). Diese Preisstrategie wirkt sich jedoch nachteilig auf die anfängliche Gewinnsituation des Unternehmens aus. Es muss zunächst Verluste oder niedrige Gewinnmargen akzeptieren und die entgangenen Gewinne als Investition in die Zukunft des Auslandsmarktes betrachten. Als langfristige Strategie kann die penetrationsorientierte Preispolitik sinnvoll sein, wenn das Marktpotenzial entsprechend groß ist (Economies-of-Scale-, Erfahrungseffekte), die Entwicklungskosten nicht zu hoch sind und das Unternehmen die Marketing- und Produktionskapazitäten hat, um die Nachfragemenge im Ausland zu bedienen. Oft bringt diese Strategie einen Innovationseffekt mit sich. Durch die hohen Nachfragemengen im Ausland sind mitunter neue Fertigungsanlagen notwendig, die die modernsten Fertigungstechnologien repräsentieren. Damit kommt es zu einer Rationalisierungs- und Modernisierungswelle im Fertigungsbereich von Unternehmen. 2.5 Kundenorientierte Preisfestlegung im Ausland Bei in- und ausländischen Kunden bestehen möglicherweise unterschiedliche Produktnutzenvorstellungen und damit verschiedene Preisvorstellungen für ein Produkt. In diesem Zusammenhang ist das Kaufkraftniveau im Ausland ebenso wichtig wie die Frage, ob es sich bei einem Produkt in dem betreffenden Land um ein Luxus- oder um ein Massenerzeugnis handelt. Auch der Prestigenutzen kann im Ausland erheblich höher sein als im Inland. Dies gilt z.B. für viele westliche Produkte in Entwicklungsländern. Wesentlicher Bestandteil der abnehmerorientierten Preisfindung ist dabei die Ermittlung der Preisbereitschaft der Abnehmer bzw. die Schätzung der Preis-Absatz-Funktion. Daraus ergibt sich die Möglichkeit einer zielgruppenspezifischen Preisgestaltung (Meffert, H./ Burmann, C./ Becker, C., 2010; Backhaus, K./ Büschken, J./ Voeth, M., 2003; Meffert, H./ Bolz, J., 1998). Neben der landesspezifischen Preisfixierung spielt die unterschiedliche Preisgestaltung nach Abnehmergruppen eine entscheidende Rolle. So erwarten und erhalten Großabnehmer zumeist einen durchschnittlich höheren Rabatt (z.B. Firmenwageneinkäufe) (Pietsch, D., 2005). <?page no="548"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 525 2.6 Einfluss staatlicher Regulierungen auf die Preisfestlegung im Ausland Nichttarifäre Handelshemmnisse und kartellrechtliche Bestimmungen beeinflussen oft die Preisfestlegung im Ausland. Daneben sind Preiskontrollen im Ausland möglich, die Minimal- oder Maximalpreise, Preisstopps, Preisbindungs- oder Rabattvorschriften umfassen. Solche staatlichen Restriktionen finden sich insbesondere in regulierten Märkten wie z.B. im Pharma- oder Versicherungsbereich. Diskriminierende Steuervorschriften, Dumpingstrafen und Exportbzw. Importbestimmungen wirken sich unter Umständen ebenfalls auf die Preisfestlegung im Ausland aus. Der Endverbraucherpreis wird auch durch Steuervorschriften beeinflusst. Hierzu zählt insbesondere die Mehrwertsteuer. Die Mehrwertsteuersätze schwanken international stark. Innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten bewegen sich die Sätze zwischen 15% in Luxemburg und Zypern bis zu 25% in Dänemark, Schweden und Ungarn (Europäische Kommission - Steuern und Zollunion, 2011, online). Dieser Sachverhalt muss bei der internationalen Preisbildung berücksichtigt werden. Neben unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen divergieren auch die Steuern und Abgaben auf Logistikdienstleistungen und damit die Preise (Backhaus, K./ Voeth, M., 2010). Höhere Transportkosten können wiederum an den Kunden über den Endverbraucherpreis weitergegeben werden. 2.7 Einfluss von Wechselkurs- und Inflationsentwicklungen auf die Preisfestlegung im Ausland Die Preispolitik im Ausland wird von der Entwicklung der Wechselkurse und der Inflation der jeweiligen Länder stark beeinflusst (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Homburg, C./ Krohmer, H., 2009; Simon, H., 1992). Um sich gegen solche Entwicklungen finanziell abzusichern, sind unterschiedliche Instrumente entwickelt worden, die im Kapitel zur internationalen Finanzierung vorgestellt werden. 2.8 Verrechnungspreise zwischen inländischer Muttergesellschaft und ausländischer Tochtergesellschaft Ein weiteres Problem der internationalen Preispolitik ist die Festlegung von Verrechnungspreisen bei einem Leistungsaustausch zwischen verbundenen in- und ausländischen Unternehmen (Homburg, C./ Krohmer, H., 2009; Czinkota, M.R./ Ronkainen, I.A., 2004). Liefert z.B. das Motorenwerk eines internationalen Automobilkonzerns in Land A Motoren an ein Fertigungswerk in Land B, so werden dem Fertigungswerk Transferpreise berechnet, die vom Marktpreis abweichen. Die Bedeutung von Verrechnungspreisen liegt nicht nur in der Beeinflussung intraorganisationaler Gewinn- und Kostenstrukturen, sondern beeinflusst über die Kostensituation <?page no="549"?> 526 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement der einzelnen Unternehmenseinheiten auch die Preisbildung in den jeweiligen Ländermärkten. Zur Bestimmung von Verrechnungspreisen werden drei allgemeine Ansätze unterschieden (Meffert, H./ Bolz, J., 1998; Drumm, H.J., 1989): (1) Das Unternehmen greift auf das Transferpreissystem für seine Inlandsgeschäfte zurück, soweit es den Anforderungen in- und ausländischer Finanzverwaltungen entspricht. (2) Das Unternehmen entwickelt für seine Auslandsbeziehungen ein eigenes Verrechnungspreissystem. (3) Das Unternehmen bildet Verrechnungspreise nach dem Prinzip der verlustfreien Bewertung bzw. der Resale Price Method. Verrechnungspreise können im Hinblick auf das Ziel der optimalen Allokation der Ressourcen und/ oder der Gewinnverlagerung mit dem Subziel der Steuerminimierung formuliert werden (Cavusgil, S.T./ Knight, G./ Riesenberger, J.R., 2011; Pausenberger, E., 1992). Durch ihre Motivations- und Kontrollfunktion werden Verrechnungspreise auch zur Steuerung von Tochtergesellschaften im Ausland eingesetzt. Im internationalen Unternehmen kann es zu Konflikten zwischen diesen Zielsetzungen kommen. Zum einen kann dieser Konflikt zwischen der inländischen Mutter- und der ausländischen Tochtergesellschaft und zum anderen zwischen einzelnen Konzernunternehmen und der inbzw. ausländischen Finanzverwaltung auftreten. Die in der Literatur vorgeschlagenen Methoden zur Bestimmung von Verrechnungspreissystemen, die eine optimale Steuerung des Unternehmens und einen größtmöglichen Motivationseffekt erbringen sollen, lassen sich zwar theoretisch auch auf internationale Unternehmen übertragen, sind in der Praxis aber nur bedingt anwendbar (Homburg, C./ Krohmer, H., 2009; Macharzina, K., 1976). Vielfach ist die Implementierung derartiger Transferpreissysteme mit einer Reihe technischer, organisatorischer und personeller Widerstände verbunden. In der Praxis beziehen sich internationale Unternehmen auf die folgenden Bestimmungsgrößen für die Ermittlung von Verrechnungspreisen (Homburg, C./ Krohmer, H., 2009; Albaum, G./ Strandskov, J./ Duerr, E., 2008; Czinkota, M.R./ Ronkainen, I.A., 2004; Kotabe, M./ Helsen, K., 2000; Meffert, H./ Bolz, J., 1998; Drumm, H.J., 1989): (1) Verrechnungspreise auf der Basis marktpreisorientierter Listenpreise, (2) Verrechnungspreise auf der Basis von Vollkosten, (3) Verrechnungspreise auf der Basis von Vollkosten zuzüglich eines bestimmten Gewinnaufschlags und (4) Verrechnungspreise auf der Basis ausgehandelter Preise. <?page no="550"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 527 Auch die in der Praxis angewandten Verrechnungspreissysteme genügen nur selten dem Anspruch einer optimalen Allokation und einer maximalen Motivationswirkung. Bei der Bestimmung der Verrechnungspreise zwischen Konzerngesellschaften eines international tätigen Unternehmens muss eine Reihe von engen gesetzlichen Regelungen berücksichtigt werden. Die OECD Empfehlung des Committee on Fiscal Affairs bestimmt genauso eine „at arm‘s length clause“ wie das Außensteuergesetz der Bundesrepublik Deutschland (Sothmann, T., 2010; Wöhrle, W./ Schelle, D./ Groß, E., 1985; OECD, 1979). So schreibt § 1 AStG vor, dass in allen Fällen, in denen die internationale Unternehmung Geschäftsbeziehungen mit ausländischen Konzerngesellschaften unterhält, für die erbrachten Leistungen Verrechnungspreise in angemessener Höhe abgerechnet werden müssen. Für die Frage der Angemessenheit ist der sogenannte Fremdvergleich unter grundsätzlicher Orientierung am Markt- oder Börsenpreis vorzunehmen. Mit dieser Vorschrift soll eine Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerländer verhindert werden. Da für Zwischenprodukte Markt- oder Börsenpreise vielfach nicht existieren und damit ein Preisvergleich nicht möglich ist, erfolgt in solchen Fällen eine Orientierung am Liquidationserlös oder an den Kosten, gegebenenfalls mit einem Gewinnaufschlag. Auch retrograde Verrechnungspreissysteme werden zur Bestimmung der Angemessenheit von Verrechnungspreisen herangezogen. Dabei werden von den „Marktpreisen“ die jeweils „üblichen“ Gewinnaufschläge abgezogen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass durch die Vorschriften des Außensteuergesetzes Gewinnverlagerungen höchstens eingeschränkt, nicht jedoch vollständig verhindert werden können (Drumm, H.J., 1989). 3 Internationale Kommunikationspolitik Die Kommunikationspolitik des internationalen Unternehmens hat das Ziel, die Meinungen, Einstellungen und das Verhalten der Nachfrager im Ausland im Sinne der Unternehmensziele zu beeinflussen. Dabei kommt es zu einer Kommunikation zwischen dem Sender (das Unternehmen) und den Empfängern (z.B. aktuelle oder potenzielle Nachfrager im Ausland), die in unterschiedlichen Umwelten beheimatet sind. Auch im Hinblick auf die internationale Kommunikationsstrategie ist die Frage nach der Standardisierung und Differenzierung zu diskutieren. Der internationale Kommunikationsmix schließt Werbung, Verkaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit, Messen, Sponsoring sowie Direkt-Marketing ein (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Nieschlag, R./ Dichtl, E./ Hörschgen, H., 2002; Meffert, H./ Bolz, J., 1998). Das Rahmenkonzept für den internationalen Kommunikationsmix bildet die internationale Corporate-Identity-Politik (CI) des Unternehmens (Homburg, C./ Kuester, S./ Krohmer, H., 2009). Deren wesentliche Elemente bilden das Corporate Design, die Corporate Communication und das Corporate Behavior. Corporate Design umfasst die Vorgaben für die visuellen Elemente der Kommunikation. Corporate Communication gewährleistet die CI-Umsetzung im Hinblick auf die Kommunikationsin- <?page no="551"?> 528 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement strumente. Corporate Behavior zielt auf das einheitliche Auftreten der Mitarbeiter eines Unternehmens insbesondere im Kundenkontakt ab. Die Ausgestaltung der einzelnen Instrumente des Kommunikationsmix muss sich an den CI-Vorgaben orientieren, um ein konsistentes Erscheinungsbild des Unternehmens zu gewährleisten. So soll z.B. markenschädigende Kommunikation unterbunden und weltweite Identifikation gefördert werden. Die Besonderheiten der internationalen Kommunikationspolitik ergeben sich durch die folgenden Kommunikationsbarrieren, die zugleich eine internationale Standardisierung erschweren (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Homburg, C./ Krohmer, H., 2009; Cundiff, E.W./ Hilger, M.T., 1988): (1) kulturelle, insbesondere sprachliche Unterschiede, (2) rechtliche Unterschiede, (3) ökonomische Unterschiede, (4) Unterschiede in den lokalen Handelsstrukturen, (5) Unterschiede im Geschmack und in den Verhaltensweisen der Kunden, (6) Unterschiede bzgl. der Medieninfrastruktur und dem -nutzungsverhalten und (7) Unterschiede in der Verfügbarkeit von Werbeagenturen. 3.1 Kommunikationspolitische Strategien Die Kommunikationsstrategie umfasst Richtlinien hinsichtlich des Einsatzes der Kommunikationsinstrumente im In- und Ausland (Zentes, J./ Swoboda, B./ Schramm-Klein, H., 2010; Meffert, H./ Althans, J., 1982). Die Diskussion, ob es für ein international operierendes Unternehmen besser ist, die Kommunikationspolitik weltweit einheitlich zu konzipieren (Standardisierung) oder eine an die Erfordernisse des jeweiligen Landes angepasste Strategie (Differenzierung) zu verfolgen, wurde bereits in den 1960er Jahren kontrovers geführt (für die Zusammenfassung der Diskussion (Lorimor, E.S., 1979). Das Wiederaufgreifen dieses Themas zu Beginn der 1980er Jahre erfolgte im Rahmen der Diskussion über die Probleme der Globalisierung der Märkte, der Existenz von Weltmarken und der globalen Werbung. Auslöser dieser aktuellen Kontroverse waren u.a. die Ausführungen von Levitt (Levitt, T., 1983), der wegen des zunehmenden Wettbewerbsdrucks in Globalisierungsstrategien die wichtigste Überlebenschance internationaler Unternehmen sah. Dabei wird auf die Konvergenzthese der Internationalisierung verwiesen, die von einer relativen Annäherung der demografischen Merkmale und Lebensstile der Konsumenten in verschiedenen Ländern ausgeht. Diese These erscheint jedoch fragwürdig oder nur für spezielle Weltmarktsegmente relevant. Die Globalisierungsskeptiker weisen auf die zunehmende Fragmentierung und Regionalisierung der Nachfragestrukturen hin, die der Konzeption einer einheitlichen Kom- <?page no="552"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 529 munikationsstrategie entgegenstehen. Sie plädieren deshalb für ein differenziertes Vorgehen (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Fisher, A.B., 1984). Neben der Standardisierung und der Differenzierung der internationalen Kommunikationsstrategie haben sich in der Praxis auch Mischformen herausgebildet, die als Dachkampagnen bezeichnet werden. Eine weitere Möglichkeit liefert eine von den fünf bis zehn wichtigsten Märkten getragene „Rahmenkampagne“, die dann für die kleineren Märkte zur Verfügung gestellt und lokal adaptiert wird. 3.1.1 Standardisierung der internationalen Kommunikationsstrategie Standardisierte internationale Kommunikationsstrategien zeichnen sich dadurch aus, dass ohne besondere Berücksichtigung nationaler Wünsche oder Bedürfnisse und unter bewusster Inkaufnahme national suboptimaler Strategien eine weltweit einheitliche Strategie zu realisieren versucht wird. Die Standardisierung der internationalen Kommunikation resultiert aus einer Globalisierungsstrategie und basiert auf der Annahme, dass die Märkte weltweit immer ähnlicher werden. Diese Konvergenzthese stützt sich auf eine Reihe von Annahmen und Beobachtungen. So wird angenommen, dass Kostenvorteile bei einer Globalisierung wichtiger seien als Vorteile der Differenzierung. Die verbesserten und immer enger verflochtenen Verkehrs- und Kommunikationstechnologien fördern eine Konvergenz auf den wichtigsten Märkten ebenso wie das Vorhandensein von Weltmarken, die zu einer entsprechenden Sozialisation der Abnehmer führen. Aus den genannten Gründen wird die Notwendigkeit einer globalen Unternehmensstrategie und einer daraus abgeleiteten weltweit standardisierten Kommunikationsstrategie gesehen. Des Weiteren wird prognostiziert, dass Weltmarken in Zukunft immer bedeutender werden und sich damit die Globalisierungstendenzen verstärken. Dies wird dadurch unterstützt, dass insbesondere in den hoch entwickelten Ländern die Verbraucherstrukturen immer ähnlicher werden. Im Zentrum der standardisierten Kommunikationsstrategie stehen die beobachtbaren Ähnlichkeiten in den Ländern. Die Märkte in den verschiedenen Ländern werden als Gesamtmarkt gesehen. Sämtliche Kommunikationsaktivitäten werden durch die Unternehmensbzw. Agenturzentrale gesteuert. Die Tochtergesellschaften im Ausland bzw. die Agenturfilialen wickeln lediglich die laufenden Geschäfte ab. Als Beispiel ist hier die Kommunikationsstrategie von Coca-Cola zu nennen. Die Möglichkeit des Einsatzes standardisierter kommunikationspolitischer Maßnahmen hängt von zahlreichen kulturellen, psychologischen und verbrauchsbedingten Faktoren ab, von denen im Folgenden einige erwähnt seien (Jain, S.C., 1993; Cundiff, E.W./ Hilger, M.T., 1988; Berekoven, L., 1985a): <?page no="553"?> 530 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement Es muss ein relativ einheitliches Verwendungs- und Verbrauchsverhalten in den unterschiedlichen Ländern gegeben sein. Die Nutzenerwartungen hinsichtlich des Produktes oder der Dienstleistung müssen somit weitgehend identisch sein. Es muss sich um culture-free-products handeln. Das Stadium des Produktlebenszyklus, in dem sich die abgesetzten Erzeugnisse befinden, muss gleich oder wenigstens ähnlich sein, da sonst die Erklärungsbedürftigkeit in den verschiedenen Ländern unterschiedlich ist, d.h., das Produkt oder die Dienstleistung muss in allen Märkten gleich neu oder gleich etabliert und damit gleich bekannt sein. Das Produkt nimmt in der ganzen Welt eine Sonderstellung ein. In den aktuellen bzw. potenziellen Absatzmärkten muss eine homogene Zielgruppe existieren. Das führt zur Suche nach sogenannten cross-cultural-target-groups, d.h. Zielgruppen, die nachfragerelevante Ähnlichkeiten auch in unterschiedlichen Ländern bzw. Kulturkreisen aufweisen. Die Kommunikationsinhalte sollen sich leicht in alle Sprachen übersetzen lassen. Schwierig ist das insbesondere dann, wenn die Kommunikation auf visuellen Aspekten aufbaut und eine nonverbale Kommunikation im Vordergrund steht. Rechtliche Bestimmungen führen zu einer Einschränkung kommunikationspolitischer Maßnahmen (z.B. Einschränkungen bzw. Verbote hinsichtlich der Alkohol- und Tabakwerbung in der EU). Verfügbarkeit, Reichweite und Nutzung von Medien. Als Vorteile der Standardisierung der internationalen Kommunikationsstrategie werden genannt (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Cundiff, E.W./ Hilger, M.T., 1988): (1) Kostenersparnis durch geringere Konzeptions-, Gestaltungs-, Produktions- und Streukosten. (2) Die Möglichkeit, die gewonnenen gemeinsamen Erfahrungen besser auszunutzen. Verbesserung der gesamten Leistungseffizienz durch einen Know-how-Transfer und die Ausschöpfung von Synergiepotenzialen. Eine weltweite Nutzung erfolgreicher Werbeideen. (3) Effizientere Ausnutzung des gesamten Werbebudgets und eine bessere Allokation des Budgets in den verschiedenen Ländern. (4) Die Entwicklung eines einheitlichen Produkt- und Unternehmensimages. Die zunehmende Internationalisierung der Medien (z.B. Satellitenfernsehen) führt zu einem Media-Overspill (beispielsweise wird die deutsche Werbung auch in anderen europäischen Ländern empfangen). Dieser Effekt kann für einen länderübergreifenden Image- und Goodwill-Transfer genutzt werden. <?page no="554"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 531 Die Standardisierung der internationalen Kommunikationsstrategie hat aber auch Nachteile (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010): (1) Bei der Suche nach einer gemeinsamen Botschaft, die auf alle Angehörigen einer großen internationalen Zielgruppe in gleicher Stärke wirken soll, kann diese zu banal und oberflächlich ausfallen, so dass keine der Länderzielgruppen besonders angesprochen wird. (2) Bei der Berücksichtigung von Ähnlichkeiten zwischen Märkten bzw. Zielgruppen werden relevante, tatsächlich existierende Unterschiede oft unterschlagen. (3) Es kann aufgrund einer von der Zentrale fertig konzipierten Werbekampagne, die dem lokalen Management lediglich zur Durchführung überlassen wird, zu Kompetenzkonflikten und Akzeptanzproblemen kommen. Nach Ansicht der Vertreter der Globalisierung besteht wegen der zunehmenden Schwierigkeit einer Produktdifferenzierung gegenüber dem Konkurrenten die Notwendigkeit, das eigentliche Produktleistungsversprechen durch Schaffung eines Preisvorteils zu kompensieren. Dies setzt niedrige Produktionskosten voraus (Tostmann, T., 1984). Deshalb kommt es zu einer wachsenden Anzahl kosteneffizienter Weltmarken. Die Kosteneffizienz soll dabei durch Erfahrungs- und Economies-of-Scale-Effekte erreicht werden. Die Existenz von Weltmarken ermöglicht bzw. erfordert wiederum eine globale Kommunikationsstrategie (Meffert, H./ Burmann, C./ Becker, C., 2010). Voraussetzung für den Erfolg einer Weltmarke ist, dass das Produkt den Wünschen, Bedürfnissen und Qualitätsanforderungen der Konsumenten in allen bearbeiteten Märkten gerecht wird (Pitcher, A.E., 1985). Weltmarken im wahrsten Sinne des Wortes gibt es jedoch in der Realität nur wenige. Die meisten erfolgreichen Weltmarken, die heute existieren, sind nicht als Weltmarken konzipiert worden, sondern historisch gewachsene Marken, deren weltweite Ausnahmestellung z.T. aus der enormen Stärke der Produktinnovation resultiert, wie z.B. Coca-Cola oder Nescafé. So stellt sich die Frage, ob es richtig ist, auf der Basis von 80 bis 100 Weltmarken die Notwendigkeit von Weltkampagnen für alle internationalen Unternehmen abzuleiten (Tostmann, T., 1984). 3.1.2 Differenzierung der internationalen Kommunikationsstrategie Es gibt kaum einen Auslandsmarkt in irgendeiner Konsumgüterbranche oder Warengruppe, der eine annähernde Gleichheit bezüglich Preis-, Kaufkraft-, Bedarfs- und Geschmacksverhältnissen, Verwendungsumfeldern, gesetzlichen Vorschriften, Konkurrenz- und Distributionsverhältnissen sowie Marktvolumen aufweist (Cavusgil, S.T./ Knight, G./ Riesenberger, J.R., 2011; Hoyer, W.D./ MacInnes, D.J., 2001; Berekoven, L., 1985b). Zusätzlich lässt sich weltweit bis auf wenige Ausnahmen eine zunehmende Differenzierung und Individualisierung aufgrund eines Wertewandels im Konsum beobachten, die Naisbitt mit einer <?page no="555"?> 532 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement „Multiple Option Society“ beschreibt. Es vollzieht sich ein Trend zur Angebots- und Entscheidungsvielfalt (Vossen, K./ Reinhardt, F.A., 2003; Kotler, P./ Armstrong, G./ Saunders, J./ Wong, V., 2003; Peter, J.P./ Olson, J.C., 2002; Naisbitt, J., 1984). Um dieser Tendenz gerecht zu werden, erscheint eine Differenzierung der internationalen Kommunikationspolitik sinnvoll. Sie bietet die Möglichkeit, auf den Wettbewerb und die Kundenstrukturen weltweit flexibel und schnell zu reagieren. Darüber hinaus ermöglicht diese Strategie die Verfolgung unterschiedlicher Zielsetzungen, die Ansprache differenzierter Zielgruppen und die Berücksichtigung länderbzw. segmentspezifischer Gegebenheiten. Die internationale Kommunikationsstrategie kann länderspezifisch unterschiedlichen Zielsetzungen dienen. Hierbei ist die Stellung des Produktes im Produktlebenszyklus von Bedeutung. Die Kommunikationsstrategie hat in der Einführungsphase die Aufgabe, über das Produkt bzw. das Unternehmen zu informieren, um es beim Konsumenten bekannt zu machen, während ihr in der Wachstums- und Reifephase eine eher profilierende Funktion zukommt, die eine Stabilisierung von Bekanntheit und Markentreue gegenüber Konkurrenzprodukten zum Ziel hat (Gilligan, C./ Hird, M., 1986). Befindet sich das Produkt in verschiedenen Ländern in unterschiedlichen Phasen des Produktlebenszyklusses, ist eine Differenzierung der Kommunikationspolitik erforderlich. Mit der Bestimmung der anzusprechenden Zielgruppe ist sowohl die Produktpositionierung als auch die Medienauswahl und -belegung verbunden. Die Möglichkeit, in mehreren Ländern - oder sogar weltweit - eine homogene Zielgruppe zu finden, ist nur für bestimmte Produkte - insbesondere für Investitionsgüter und Prestigeprodukte, in Ausnahmefällen auch für Konsumgüter (z.B. Coca-Cola) - gegeben. Für die Mehrzahl der Erzeugnisse müssen länderspezifische Zielgruppen bestimmt werden. So erfordern beispielsweise die länderbzw. kulturkreisspezifischen Rollenverteilungen von Mann und Frau bei der Kaufentscheidung eine differenzierte Zielgruppenbestimmung. Auch die unterschiedlichen soziodemografischen Strukturen bedingen oft eine länderspezifische Zielgruppenabgrenzung (Perlitz, M., 1985a). Es ist zu erkennen, dass sich die Welt in einen Bereich teilt, der eine immer reichere, zahlenmäßig geringere und ältere Bevölkerung hat, sowie einen stark wachsenden anderen Teil, der immer ärmer und jünger wird. Die dadurch bedingten unterschiedlichen Kaufkraftverhältnisse bedürfen ebenfalls einer differenzierten Festlegung von Zielgruppen. Unterschiedliche Konsumgewohnheiten erfordern eine länderspezifische Bestimmung der Zielgruppen. So unterscheidet man z.B. allein in Europa drei Konsumkulturen: die nordische, die kontinental-mitteleuropäische und die mediterran-südeuropäische Kultur (Tietz, B./ Zentes, J., 1980). Daneben können verschiedene Nutzenerwartungen differenzierte internationale Kommunikationsstrategien erforderlich machen. Während z.B. Fahrräder in westlichen Industrie- <?page no="556"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 533 nationen weitgehend zu einem Freizeitartikel geworden sind, gelten diese in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern oft noch als Basistransportmittel. Eine differenzierte Kommunikationsstrategie ermöglicht es, länderbzw. segmentspezifische Gegebenheiten zu berücksichtigen. Abgesehen von national unterschiedlichen Einstellungen zur Kommunikation als solcher sind z.B. folgende Faktoren bei der Formulierung der internationalen Kommunikationsstrategie zu berücksichtigen: nationale Traditionen, Sitten, Werte und Konventionen, unterschiedliche kulturelle, rechtliche und ökonomische Strukturen und Entwicklungsstände, etablierte Gewohnheiten und Geschmacksvorstellungen, Vorurteile, Einstellungen und Präferenzen gegenüber ausländischen Unternehmen und deren Leistungsangeboten, Sprache, Bilder, Symbole und Farben als Kulturfaktoren. Ein Vorteil der länderspezifischen Kommunikationsstrategie ist in dem geringeren Risiko bei Fehlschlägen zu sehen. Versagt eine Kampagne in einem Land, weil bei deren Gestaltung oder bei deren Einsatz Fehler unterlaufen sind, so beschränken sich die daraus resultierenden Konsequenzen wie z.B. Umsatz-, Marktanteilsverluste oder Imageeinbußen lediglich auf diesen Markt. Demgegenüber muss bei einer weltweit standardisierten Kampagne ein „globaler Irrtum“ teuer bezahlt werden, da hiervon viele oder sogar alle Märkte betroffen sind. 3.1.3 Internationale Dachkampagnenstrategie Eine Mischform zwischen einer standardisierten und einer differenzierten internationalen Kommunikationsstrategie ist eine Dachkampagnenstrategie. Dabei wird ein Zentralthema oder werden zentrale Kommunikationselemente festgelegt, die in den unterschiedlichen Ländern mit verschiedenen anderen Elementen kombiniert bzw. mit verschiedenen Werbemitteln eingesetzt werden. Die Kommunikationsstrategie erfolgt demzufolge nach einem zentralen Grundschema, das abhängig von den jeweiligen Länderspezifika weiter ausgestaltet wird. Dadurch lässt sich der lokale Widerstand gegen ein zentral vorgegebenes Standardisierungskonzept verringern, da lokale Anregungen seitens des Ländermanagements berücksichtigt werden können (Czinkota, M.R./ Ronkainen, I.A., 2004; Kotler, P./ Armstrong, G./ Saunders, J./ Wong, V., 2003; Segler, K., 1986). Empirische Studien zeigen, dass die internationale Dachkampagnenstrategie immer stärker eingesetzt wird (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Backhaus, K./ Büschken, J./ Voeth, M., 2003; Kreutzer, R., 1989b; Steffens, S., 1982). Die Formulierung der Werbebotschaft, die Bestimmung der Zielgruppe und die Werbebudgetierung werden weitgehend standardisiert, während die Mediaselektion aufgrund der heterogenen Struktur der Werbe- <?page no="557"?> 534 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement träger länderspezifisch vorgenommen wird. Es besteht auch die Möglichkeit, dass die Werbung in inhaltlicher Hinsicht identisch bleibt, jedoch eine sprachliche Anpassung vorgenommen wird. Dieses Vorgehen bezeichnet man als „Prototype-Standardization“ (Peebles, D.M./ Ryans, J.K./ Vernon, I.R., 1977). Die meisten der an die jeweilige Entscheidungssituation angepassten Kommunikationsstrategien enthalten sowohl länderspezifische als auch globale Elemente. Im Hinblick auf die im internationalen Rahmen bedeutsame Einheitlichkeit des Produkt- und Firmenbildes (Corporate Identity und Visibility) gilt dabei die Devise: so viel Standardisierung wie möglich, so viel Differenzierung wie nötig. 3.2 Instrumente der internationalen Kommunikationspolitik 3.2.1 Werbung Werbung versucht, unter Verwendung von Kommunikationsmedien durch Übermittlung spezifischer Botschaften die Einstellung und das Verhalten der Adressaten im Sinne der Unternehmenszielsetzungen zu beeinflussen. Von hoher Relevanz für das internationale Marketing sind im Hinblick auf die Ausgestaltung der Werbung als Instrument der Kommunikationspolitik vor allem die Auswahl der Werbeagentur, die internationale Mediaselektionsplanung und die Auswahl der Werbemittel. Ferner müssen bei der Gestaltung der Werbebotschaft und der Wahl der Werbemittel Besonderheiten des internationalen Umfeldes berücksichtigt werden. Aufgrund der zunehmend globaler werdenden Werbung werden zunehmend international bzw. global agierende Werbeagenturen eingeschaltet, die den globalen Rollout der Werbemaßnahmen für die Kundenunternehmen durchführen. Eine Reihe von inhaltlichen und formalen Aspekten muss sowohl für standardisierte als auch für länderspezifisch differenzierte Werbebotschaften berücksichtigt werden. Oft versuchen Unternehmen, national erfolgreiche Werbethemen zu internationalisieren. Wenn Werbebotschaften auf Wortspielen beruhen, um die Aufmerksamkeit der aktuellen oder potenziellen Abnehmer zu erlangen, besteht die Gefahr, dass sie im Ausland nicht adäquat übersetzt werden können (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Keegan, W.J./ Schlegelmilch, B.B./ Stöttinger, B., 2002). Die Endmark Claim Studie 2009 zeigt, dass Werbebotschaften in englischer Sprache häufig von deutschen Konsumenten nicht korrekt verstanden und falsch interpretiert werden. So wurde z.B. der Werbeslogan von NISSAN „Shift the way you move“ u.a. übersetzt mit „Schiebe den Weg und du kommst voran“ statt der beabsichtigten Botschaft „Ändere die Art dich fortzubewegen“ (Endmark Claim Studie, 2009, online). <?page no="558"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 535 Neben der sprachlichen Ausgestaltung der Werbebotschaft muss berücksichtigt werden, dass in den verschiedenen Ländern die Motivationsstruktur, ein bestimmtes Erzeugnis zu kaufen, völlig unterschiedlich sein kann. Mitunter muss die Werbebotschaft auch auf den unterschiedlichen Lebensstil Rücksicht nehmen. Als Coca-Cola in Indien in den 1950er Jahren eingeführt wurde, war es dort unüblich, aus Flaschen zu trinken. So musste die Werbebotschaft einerseits einen „erzieherischen“ Aspekt und zum anderen eine Werbefunktion für die Marke Coca-Cola umfassen (Cundiff, E.W./ Hilger, M.T., 1988). Die inhaltliche Gestaltung von Werbebotschaften wird im Wesentlichen von den Traditionen, Religionen, Einstellungen, Werten, Sitten und der Vorbildung in den Abnehmerländern beeinflusst. Auch psychologische Aspekte wie z.B. die „silent language“ (nonverbale Kommunikationsbotschaften) sind in der Werbebotschaft zu berücksichtigen. Bei standardisierten Werbebotschaften muss eine für alle Abnehmerländer akzeptable „Tonality“ (Tonfall in der Werbung) erreicht werden. Diese „Tonality“ kann z.B. emotional, rational, ernst oder humorvoll sein (Kreutzer, R., 1989b). Als Beispiel wäre hier die Bacardi-Werbung zu nennen, die mit einer emotionalen „Tonality“, die „sun, sand and sea“ symbolisiert, arbeitet. Ferner nehmen rechtliche Bestimmungen Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung der Werbung. So muss z.B. in Frankreich fremdsprachige Werbung eine gleichzeitige Übersetzung beinhalten. Ebenso gibt es bei der vergleichenden Werbung weltweit unterschiedliche rechtliche Bestimmungen. In formaler Hinsicht ist besonders auf die unterschiedliche Interpretation von Farben und Symbolen zu achten, um eine negative Assoziation mit der Werbebotschaft zu vermeiden. Des Weiteren ist bei der Übersetzung einer Werbebotschaft in Printmedien zu beachten, dass das Layout unter Umständen verändert werden muss, da die Übersetzung mehr oder weniger Raum einnimmt als das Original. Diesem Problem wird oft dadurch begegnet, dass unter Inkaufnahme einer möglichen Fehlinterpretation durch den Konsumenten international in Englisch geworben wird. Darüber hinaus ist bei der Werbebotschaft Rücksicht auf den nationalen geschichtlichen Hintergrund und das historische Bewusstsein eines Landes zu nehmen. Dies gilt z.B. für viele Entwicklungsländer, die Kolonien waren. Im internationalen Umfeld unterscheiden sich die Einstellungen zu wesentlichen Elementen der Marketingpolitik wie z.B. die Einstellung zu Preis und Qualität. Werbebotschaften, die auf das Preis- oder Qualitätsbewusstsein abstellen, müssen deshalb an das jeweilige Land adaptiert werden. Schließlich ist die Werbung auf die Art des beworbenen Produktes abzustimmen. Generell kann davon ausgegangen werden, dass der Werbung im Rahmen der Investitionsgüterindustrie wesentlich engere Grenzen gesetzt sind als in der Konsumgüterindustrie, was seine Ursache primär in der Erklärungsbedürftigkeit der meisten Investitionsgüter hat. Dementsprechend liegt der Fokus der Marketingkommunikation in diesem Bereich weniger auf der Werbung als vielmehr auf dem persönlichen Verkauf (Schnauffer, R., 1999). <?page no="559"?> 536 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement Im Bereich der Werbung ist das „Awareness Advertising“ im internationalen Umfeld bedeutsam. Die beworbenen Produkte sind meist in dem jeweiligen Auslandsmarkt noch nicht oder nur begrenzt verfügbar. Awareness Advertising ist insbesondere dann geeignet, wenn Produkte in einem Land einen hohen Innovationsgrad haben oder ein Markenartikel in einem Auslandsmarkt eingeführt werden soll. Durch eine frühzeitige Werbung kann das Image einer First-Position aufgebaut werden. Beispielsweise begannen viele japanische Unternehmen mit der Werbung für ihre Produkte in China zu einer Zeit, in der die Erzeugnisse dort noch nicht erhältlich waren. Die Bedeutung des Awareness Advertising als Element des Kommunikationsmix zeigt sich vor allem im Zuge der Erschließung neuer Märkte. Die Hauptprobleme des internationalen Awareness Advertising liegen in der gleichzeitigen Frühwarnung der Konkurrenten und der Legislative der Abnehmerländer. Durch Letztere kann eventuell ein Werbeverbot oder eine Importbeschränkung initiiert werden (Kreutzer, R./ Segler, K., 1989). Auswahl der Werbeagentur Die Auswahl der richtigen Werbeagentur für ausländische Aktivitäten ist ein wichtiger Bestandteil der internationalen Kommunikationspolitik. Sie hängt von den Kommunikationszielen des Unternehmens, dem zur Verfügung stehenden Etat sowie den benötigten und am Markt angebotenen Agenturleistungen ab. Diese können von Teilleistungen (z.B. Marktforschung) bis zu einem allumfassenden Service reichen. Eine Werbeagentur sollte Erfahrung mit staatlichen Regulierungen im Ausland haben. Außerdem sollte sie fähig sein, im Ausland auftretende Probleme zu lösen. Solche sind u.a. technischer Art wie z.B. schlechte Papier-, Druck- und Bildqualitäten, mangelhafte elektronische Übertragungsqualität oder personalpolitischer Art wie z.B. Probleme der Knappheit von kreativen Mitarbeitern in einem Land. Zu den zentralen Aufgaben einer Werbeagentur gehören der Entwurf und die Produktion von Werbemitteln, die Medienauswahl und die Einhaltung der jeweiligen landesspezifischen gesetzlichen Bestimmungen. Ein Unternehmen kann bei der Auswahl einer Werbeagentur drei unterschiedliche Strategien verfolgen (Terpstra, V./ Sarathy, R., 2000): (1) Einschaltung einer inländischen Agentur, (2) Einschaltung einer großen internationalen Agentur und (3) Einschaltung von unterschiedlichen ausländischen Agenturen. Die bequemste Alternative für ein international tätiges Unternehmen ist die Einschaltung einer inländischen Agentur, um die Werbebotschaft zu formulieren und den Kontakt zu den Medien in den neuen Märkten herzustellen. Im Allgemeinen kennt eine inländische Agentur bereits das Produkt, das Image und die Vorzüge des Unternehmens und kann darauf eine Kommunikationsstrategie in den neuen Märkten aufbauen. Der Nachteil dieser Alternative ist, dass eine inländische Agentur oft über wenig Erfahrung mit dem Aus- <?page no="560"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 537 landsmarkt sowie mit der dortigen Kultur verfügt und somit der Erfolg im Ausland gefährdet wird. Als zweite Alternative bietet sich an, eine große internationale Agentur bzw. ein Agenturnetzwerk mit Niederlassungen in vielen Ländern einzusetzen. Im Zusammenhang mit der Diskussion über eine Globalisierung der Märkte entstand in den 1970er Jahren eine Vielzahl international tätiger Agenturen. Abbildung 254 gibt einen Überblick über die größten Werbeagenturen der Welt. Abbildung 254: Die zehn größten Werbeagenturen der Welt 2010 Quelle: EconomyDesk.com, 2010, online Der Vorteil der Zusammenarbeit mit einer internationalen Agentur bzw. Agenturgruppe liegt in der Kontinuität und Konsistenz von Werbestrategien für viele Märkte. Darüber hinaus ermöglicht es dem international tätigen Unternehmen, ein einheitliches Image in allen Märkten zu erreichen. Auch werden die Koordinationskosten internationaler Werbekampagnen reduziert. Diese Agenturen verfügen meist über Experten in den verschiedenen Ländern und haben lokale Partner, die vor Ort ihre Expertise im Hinblick auf die ausländische Medienlandschaft einbringen. Kritiker großer internationaler Agenturen wenden ein, dass sie trotz allem die Mentalität und die Werbephilosophie ihres Stammhauses nicht verleugnen können und damit die Adaption an die lokalen Verhältnisse nicht optimal sei. Dem versuchen große Agenturen zu begegnen, indem sie ausländische Agenturen aufkaufen, um sich damit mehr lokales Know-how zu erschließen. Bei der dritten Alternative arbeiten die Unternehmen in den verschiedenen Ländern jeweils mit lokalen Agenturen zusammen. Insbesondere bei einer länderspezifisch differenzierten Kommunikationsstrategie bietet sich die Einschaltung lokaler Agenturen an. Eine inländische Agentur wird dabei als Koordinator für die unterschiedlichen Aktivitäten tätig. Der Vorteil ist dabei, dass eine ausländische Agentur den Auslandsmarkt in seiner Mentalität und mit seinen Gepflogenheiten sehr gut kennt und die Medienpolitik auf die lokalen Bedürfnisse abstellen kann. Der Nachteil besteht in den höheren Koordinationskosten, die <?page no="561"?> 538 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement bei der Abstimmung der Kommunikationskonzepte in den verschiedenen Ländern anfallen. Welche Alternative ein Unternehmen auch wählt, die letzte Verantwortung liegt beim inländischen Management. Nur dort kann eine Abschätzung erfolgen, wie unterschiedliche Kommunikationskonzepte in die allgemeine Marketingpolitik des Unternehmens integriert werden können. Deshalb ist es eine Aufgabe der Marketingverantwortlichen im Inland, genügend Kenntnisse über jeden Auslandsmarkt zu gewinnen, um eine völlige Fehleinschätzung eines Marktes im Ausland zu vermeiden. (1) Internationale Mediaselektionsplanung Als Werbeträger im Rahmen der internationalen Mediaselektionsplanung kommen u.a. Zeitungen, Fach- und Publikumszeitschriften, Fernsehen, Kino, Radio, Direktwerbeunternehmen, Außenwerbung, Postsendungen und Adressbücher in Frage. Insbesondere vor dem Hintergrund einer internationalen Ausrichtung der Mediaselektionsplanung kommt in der heutigen Zeit dem Internet als Werbeträger eine zunehmende Bedeutung zu (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Nieschlag, R./ Dichtl, E./ Hörschgen, H., 2002; Schnauffer, R., 1999). In Zeiten von Facebook, Twitter und weiteren Elementen der „Social Media“ ist die federführende Präsenz von Unternehmen in diesen Medien absolut zwingend. Die internationale Medienlandschaft ist außerordentlich heterogen. Da die Zielgruppen möglichst kostengünstig und ohne Streuverluste erreicht werden sollen, müssen geeignete Werbeträger gesucht werden. Dabei müssen eine Intermediaselektion (Wahl zwischen Werbeträgergruppen), eine Intramediaselektion (Auswahl eines bestimmten Werbeträgers), eine Gewichtung der Medien im Mediamix und eine zeitliche Verteilungskonzeption vorgenommen werden. Die folgenden Fragen sind dabei zu beantworten: (a) Welche Medien sind in einem Land verfügbar? Beispielsweise sind in einigen Entwicklungsländern moderne Medien nicht vorhanden. In Europa haben im Jahr 2010 83% der Haushalte in Schweden einen Internetzugang über Breitband, in Rumänien jedoch nur 23%. (b) Wie sind die Nutzungsgewohnheiten der Abnehmer? So nutzen z.B. Briten das Internet durchschnittlich ca. 30 Stunden pro Monat, Österreicher hingegen verbringen monatlich nur ca. 13 Stunden im Internet. Auch die Analphabetenquote eines Landes ist bei der Medienplanung zu berücksichtigen. (c) Wie hoch sind die Kosten der Nutzung unterschiedlicher Medien? Die Medienkosten einschließlich möglicher Steuerbelastungen können sich von Land zu Land beträchtlich unterscheiden. (d) Gibt es rechtliche Beschränkungen der Nutzung einzelner Medien für das beworbene Produkt? So bestand z.B. in Schweden ein Verbot kommerzieller Werbung in Rundfunk und Fernsehen. In anderen Ländern kann die Werbung für Produkte in <?page no="562"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 539 bestimmten Medien untersagt sein, wie z.B. die Fernsehwerbung für Zigaretten in Deutschland und in Frankreich. (e) Wie gut ist die Qualität einzelner Medien? Hier ist die Qualität des Zeitungspapiers genauso zu berücksichtigen wie die des Rundfunk- oder Fernsehempfangs. Ferner ist die Reichweite und die Kontaktqualität eines Mediums zu beachten. Bei der Auswahl nationaler Medien in den einzelnen Ländern ist es zweckmäßig, Media- Overspill-Effekte zu nutzen. Man versteht darunter die Möglichkeit der länderübergreifenden Erreichung von Abnehmern mittels nationaler Medien. Als Beispiel für Medien mit Overspill-Effekten wären im Printsektor die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Financial Times, Le Monde oder das Wall Street Journal zu nennen. International ausstrahlende Medien wie die Zeitschrift „DER SPIEGEL“ bieten schon seit Längerem internationale Ausgaben auf Englisch an. Neben diesen Tageszeitungen haben vor allem wissenschaftliche, managementorientierte und wirtschaftspolitische Zeitschriften und Zeitungen (Time- Magazine, Fortune, Business Week, The Economist usw.) den Charakter globaler Werbeträger. Dabei ist jedoch zu beachten, dass diese Zeitschriften und Zeitungen meist nur von einer bestimmten Zielgruppe, die meist der Mittel- und Oberschicht angehört, gelesen wird. Im Bereich elektronischer Medien weist vor allem das Satellitenfernsehen und das Internet diesen länderübergreifenden Effekt auf. (2) Auswahl der Werbemittel Werbemittel umschreiben die „Ausgestaltung bzw. Kombination von Kommunikationsmitteln (z.B. Wort, Bild, Ton, Symbol), mit denen eine Werbebotschaft dargestellt wird“ (Nieschlag, R./ Dichtl, E./ Hörschgen, H., 2002). Die Auswahl der Werbemittel hängt eng mit den eingesetzten Werbeträgern zusammen. Werbemittel sind z.B. Anzeigen (Inserate), Fernseh- oder Rundfunkspots, Prospekte, Kataloge, Plakate, Leuchtanzeigen, Werbebriefe, Werbefilme, Werbegeschenke, Referenzlisten, Kundenzeitschriften oder Werbegespräche. Die Bedeutung der einzelnen Werbemittel unterscheidet sich international. Abbildung 255 zeigt die wöchentliche Mediennutzung europäischer Konsumenten. Abbildung 255: Wöchentliche Mediennutzung durch Konsumenten in Europa Quelle: EIAA, European Media Landscape Report, 2010, online <?page no="563"?> 540 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement 3.2.2 Personal Selling Personal Selling ist dadurch gekennzeichnet, dass Käufer und Verkäufer im Verkaufsprozess unmittelbar kommunizieren. In vielen Bereichen unterscheiden sich die Probleme des Personal Selling im Inland nicht von denen im Ausland (Backhaus, K., 1995). Jedoch sind im internationalen Marketing einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Die Bedeutung des Personal Selling ist im internationalen Marketing besonders hoch, wenn damit Werberestriktionen umgangen werden können und die Nichtverfügbarkeit einzelner Medien einen Zwang zu einem Ausweichen auf andere Instrumente der Kommunikationspolitik ausübt. Auch erklärungsbedürftige Produkte im Ausland sind besser durch ein Personal Selling zu verkaufen. Das im Ausland eingesetzte lokale Verkaufspersonal kennt die kulturellen Normen, die Wertsysteme sowie die Sitten und Gebräuche des jeweiligen Landes besser. Während in den USA ein gewisses Maß an Beharrlichkeit bzw. Nachdrücklichkeit im Verkaufsgespräch Erfolg versprechend ist, sollten diese in Dänemark nur mit Bedacht eingesetzt werden (Albaum, G./ Strandskov, J./ Duerr, E., 2008). Da Personal Selling gemessen an den Kontaktkosten eine relativ kostspielige Form der Kommunikation ist, lohnt sich der Einsatz fast nur bei teuren Produkten (z.B. Anlagen) oder großen Kunden (Key-Accounts). So wird beispielsweise in der Automobilindustrie häufig mit Key-Account-Managern im Großkundenvertrieb gearbeitet (Pietsch, D., 2005). Ein Hauptproblem des Personal Selling im Rahmen der internationalen Kommunikationspolitik besteht darin, das entsprechende Verkaufspersonal im Ausland zu rekrutieren. Auch eventuell notwendige Verkaufsschulungen und Weiterbildungsmaßnahmen müssen von der inländischen Muttergesellschaft organisiert werden. Insbesondere die folgenden Kriterien sind für die Auswahl des passenden Verkaufspersonals im Ausland relevant (Cundiff, E.W./ Hilger, M.T., 1988): (1) Motivation, (2) Gesundheit, (3) Sprachfähigkeiten, (4) Familienhintergrund, (5) Bildung und Initiativkraft, (6) Anpassungsfähigkeit, (7) Karriereplanung und (8) finanzielle Gesichtspunkte. <?page no="564"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 541 3.2.3 Messen Messen sind zeitlich genau bestimmte, meist in regelmäßigen Abständen wiederkehrende Veranstaltungen, auf denen Anbieter ihre Produkte und Dienstleistungen spezifischen Zielgruppen vorstellen (Homburg, C./ Krohmer, H., 2009). Messen unterscheiden sich in Anlehnung an Homburg/ Krohmer nach der Angebotsbreite und -tiefe (Universal-, Spezial-, Fachmesse), dem Angebotsschwerpunkt (Konsumgüter-, Industriegütermesse), der Reichweite (regionale, nationale, internationale Messe), der Zielgruppe (Konsumenten, Fachpublikum) und der Absatzrichtung (Export, Import). Aufgrund der zunehmenden Angebotsvielfalt haben Messen im Ausland sowohl für multinationale, aber auch zunehmend für kleinere und mittlere Unternehmen eine wachsende Bedeutung. Ihre zentralen Funktionen sind (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010; Meffert, H./ Bolz, J., 1998; Meffert, H./ Althans, J., 1982): Anbahnung, Pflege und Ausbau von Firmenbzw. Kundenkontakten im Ausland inklusive Verkauf und Bestellung, Präsentation neuer Produkte und Problemlösungen im Ausland, Gewinnung von Erkenntnissen über die lokalen Produkt- und Problemlösungsbedürfnisse, Informationen über Trends auf Auslandsmärkten und Ort des Austauschs von Politikern und Lobbyisten. Im Rahmen der Planung der internationalen Messeplatzauswahl sind folgende Bewertungskriterien zu beachten (Backhaus, K., 1995): (1) aktuelle wirtschaftliche Situation des Ausrichtungslandes, (2) aktuelle politische Situation des Ausrichtungslandes, (3) Infrastruktur des Messegeländes, (4) Kosten der Messeplatzbeschickung, (5) Qualität und Quantität des Besucherkreises, (6) Qualität und Quantität des Ausstellerkreises und (7) Messetyp. 3.2.4 Öffentlichkeitsarbeit im internationalen Unternehmen In Ergänzung zu den anderen Elementen der Kommunikationspolitik, die in erster Linie der Absatzförderung dienen, ist es das Ziel der Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen, durch Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Unternehmen und seinen relevanten Interessengruppen, den sogenannten Stakeholdern (Lieferanten, Mitarbeiter, Kirchen, Verbände, Gewerkschaften, Staat, Gesellschaft, Aktionäre, Medien usw.), Interesse, Sym- <?page no="565"?> 542 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement pathie und Vertrauen für das Unternehmen und seine Produkte herzustellen und zu sichern (Homburg, C./ Kuester, S./ Krohmer, H., 2009; Meffert, H., 2008). Public Relations (kurz PR) als Funktion der Marketingkommunikation setzt diese Zielsetzung systematisch, d.h. geplant und organisiert, um. Die wesentlichen vier Instrumente sind das Medien-, Event-, Beziehungs- und Krisenmanagement (Homburg, C./ Krohmer, H., 2009). Unternehmen bedienen sich häufig professioneller PR-Agenturen zur operativen Umsetzung der PR- Inhalte. Abbildung 256: Die gemessen an ihrem Honorarertrag weltweit größten PR-Agenturen Quelle: Holmes Report, 2011, online Die internationale Unternehmung muss ihre Legitimität jeweils auf der Basis der Legalität im Gastland beweisen. Die Legitimität wird dabei nicht nur durch die Einhaltung der Gesetze im Gastland bestimmt, sondern auch durch die Befolgung von Verhaltenskodizes wie z.B. die der OECD und die der ILO (International Labour Organization). Probleme zwischen dem internationalen Unternehmen und einem Gastland treten insbesondere bei folgenden Situationen auf (Steger, U./ Riedl, C., 2002; Wallace, C.D., 1990; Raffée, H./ Wiedmann, K.-P., 1989; Dornis, P., 1981): (1) bei der Präferenz des Gastlandes für eine bestimmte Form der Internationalisierungsstrategie, z.B. Export, Lizenzvergabe oder Direktinvestition im Ausland, (2) bei der Gewinnverwendung, z.B. Kapitalrückfluss oder Gewinnthesaurierung im Ausland, (3) bei der Eigentumsverteilung, z.B. nationale oder lokale Eigentumsstruktur, (4) bei der Managementstruktur, z.B. Expatriates (vom Stammhaus ins Ausland entsandte Mitarbeiter) oder lokales Management, (5) bei dem Leistungsprogramm, z.B. Export von Überproduktionen oder Entwicklung einer lokalen Produktpolitik und <?page no="566"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 543 (6) bei der Corporate Identity, z.B. Repräsentant des Heimatlandes oder Go-Native- Konzept (Bestreben des Unternehmens, sich wie ein lokales Unternehmen zu verhalten). Ein wichtiges Ziel der internationalen Öffentlichkeitsarbeit besteht darin, Konfliktpotenziale zwischen der inländischen Unternehmung und einem Gastland zu minimieren. Die Problemfelder der Öffentlichkeitsarbeit im internationalen Unternehmen lassen sich dementsprechend wie folgt konkretisieren (Meffert, H./ Bolz, J., 1998; Dornis, P., 1971): (1) Identifikation mit den Interessen des Gastlandes, (2) Herstellung guter Kontakte zu den Regierungsstellen, (3) Identifikation und Respektierung kultureller, sozialer, politischer und wirtschaftlicher Gepflogenheiten, (4) Beitrag zur Entwicklung des Gastlandes, (5) Selbstdarstellung der Unternehmung und (6) Unterstreichen der Unabhängigkeit von der Zentrale. Zur Überprüfung des Konfliktpotenzials, das sich zwischen einem Unternehmen und seinem Umfeld ergeben kann, dient z.B. die Societal Response Assessment Matrix, wie sie von Shell verwendet wird (Wack, P., 1983), gibt diese Matrix wieder. Ziel ist es, diejenigen Interessengruppen, die in Konflikt mit dem Unternehmen stehen können, und deren Interessen zu identifizieren. Im Anschluss daran sollte das Management Maßnahmen definieren und umsetzen, um das Konfliktpotenzial abzubauen. Abbildung 257: Societal Response Assessment Matrix von Shell <?page no="567"?> 544 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement 3.2.5 Sponsoring und Product-Placement im internationalen Unternehmen Unter Sponsoring versteht man die systematische und zielgerichtete Förderung von Personen oder Organisationen mittels Geld-, Sachmitteln oder Dienstleistungen zur Erreichung bestimmter Kommunikationsbzw. Marketingziele. Das Sponsoring erstreckt sich zumeist auf den sportlichen, kulturellen, sozio-politischen oder wissenschaftlichen Bereich. Im internationalen Kontext wird die Ausgestaltung des Sponsorings vor allem durch die geografische Verbreitung der Zielgruppe und das konkrete Produkt beeinflusst (Zentes, J./ Swoboda, B./ Schramm-Klein, H., 2010). So können durch die Förderung internationaler Veranstaltungen, wie sie z.B. die Olympiade oder die Welttournee eines bekannten Musikers darstellen, weltweit bestimmte Zielgruppen angesprochen und Aufmerksamkeit auf das Unternehmen bzw. das Produkt gelenkt werden. Entscheidend für die operative Ausgestaltung des Sponsorings ist, dass der Sponsor und das Sponsoring-Objekt im öffentlichen Erscheinungsbild glaubwürdig zusammenpassen. Des Weiteren sind Unterschiede in den gesetzlichen Regelungen und der Wahrnehmung des Sponsorings zwischen den jeweiligen Ländermärkten zu beachten. Werden Produkte eines Unternehmens gezielt in bestimmten Medien wie z.B. Fernsehserien oder Kinofilmen platziert, spricht man von Product-Placement. Die Produkte erscheinen zufällig, aber deutlich sichtbzw. hörbar und sind meist aktiv in die Handlung bzw. die Szenerie integriert. Als Beispiel lassen sich die Integration von Auto- und Alkoholmarken in den James Bond-Filmen anführen. Mittels Product-Placement lassen sich hohe Reichweiten erzielen (Zentes, J./ Swoboda, B./ Schramm-Klein, H., 2010). Hinsichtlich des Einsatzes von Product-Placement sind insbesondere die international unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Die Übergänge zwischen legalem Product-Placement und verbotener Schleichwerbung sind fließend. 3.2.6 Direkt-Marketing im internationalen Unternehmen Unter Direkt-Marketing werden alle Maßnahmen subsumiert, die sich durch eine unmittelbare Kommunikation zwischen Unternehmen und Adressaten auszeichnen. Diesbezüglich lassen sich passive (z.B. Werbepostkarten), reaktive (z.B. Werbebriefe mit Antwortmöglichkeit) und interaktive Formen (z.B. Social Media) des Kundenkontakts unterscheiden (Zentes, J./ Swoboda, B./ Schramm-Klein, H., 2010). Zentrale Zielsetzungen sind neben der Übermittlung von Informationen und der Generierung von Aufmerksamkeit insbesondere die Gewinnung von Neukunden sowie die Bindung von Bestandskunden (Meffert, H./ Burmann, C./ Kirchgeorg, M., 2011). Als Medien werden z.B. Werbebriefe, Werbepostkarten, Postwurfsendungen, Geschenkmailings und E-Mails eingesetzt. International unterscheiden sich die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Direkt-Marketing z.T. erheblich. Dies betrifft nicht nur die technische Seite wie z.B. Adressdaten, Medienverfügbarkeit und -nut- <?page no="568"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 545 zung, sondern auch kulturelle Aspekte der Akzeptanz und Wahrnehmung von Direkt-Marketingaktionen (Zentes, J./ Swoboda, B./ Schramm-Klein, H., 2010). 3.2.7 Die unterschiedliche Bedeutung der einzelnen Instrumente Die Bedeutung, die einzelnen Kommunikationsinstrumenten zukommt, kann erheblich variieren. Determinanten der Bedeutung sind dabei unter anderem der bearbeitete Markt verbunden mit der jeweiligen Landeskultur, die Branche, die Art des beworbenen Produkts sowie die Unternehmensgröße. Abbildung 258 verdeutlicht, welche Kommunikationsmittel deutsche Konsumenten besonders beachten. Abbildung 258: Beachtung von Kommunikationsmitteln durch deutsche Konsumenten Quelle: Innofact AG, 2011, online 4 Internationale Vertriebspolitik Die Vertriebspolitik eines Unternehmens beinhaltet „zum einen marktgerichtete akquisitorische Aktivitäten und zum anderen vertriebslogistische Aktivitäten“ (Homburg, C./ Krohmer, H., 2009). Dies umfasst somit alle Entscheidungen und Maßnahmen im Hinblick auf das Erzielen von Kaufabschlüssen und die physische Bereitstellung der Unternehmensleistung bei den Abnehmern. In diesem Kontext müssen die einzuschlagenden Vertriebswege und -organe, die Vertriebslogistik, das Beziehungsmanagement zu den Vertriebspartnern und die operative Ausgestaltung des Verkaufs vor Ort thematisiert werden (Homburg, C./ Kuester, S./ Krohmer, H., 2009; Czinkota, M.R./ Ronkainen, I.A., 2004). Zentrale vertriebspolitische Entscheidungen im Rahmen des internationalen Marketings sind vor allem die Wahl der Vertriebswege in den Abnehmerländern. Diese Auswahl wird von Entscheidungen über die Art des Markteintritts und der Vertriebslogistik beeinflusst. Die Markteintrittsstrategie kann, wie an anderer Stelle bereits dargestellt, folgende Formen annehmen: <?page no="569"?> 546 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement Direkte oder indirekte Exporte, Direktinvestitionen im Ausland, die in Form einer 100%igen Tochtergesellschaft, einer Mehrheitsbzw. Minderheitsbeteiligung oder einer Gemeinschaftsgesellschaft (Joint Venture) durchgeführt werden können, Kombinationen (z.B. Franchising). Während das Franchising, wie es beispielsweise von McDonald‘s, Vapiano, Backwerk, Reno oder Tchibo betrieben wird, i.d.R. eine standardisierte Vertriebsform darstellt, ist grundsätzlich eine Standardisierung der internationalen Vertriebspolitik nur schwer möglich, da sich die Vertriebsstrukturen weltweit sehr stark unterscheiden. 4.1 Wahl der Vertriebswege im Ausland Das Unternehmen kann sich an die in dem Auslandsmarkt vorgefundenen Vertriebswege anpassen (Adaption), vorhandene Vertriebswege umformen (Modifikation) oder eigene Vertriebswege schaffen (Innovation) (Meffert, H./ Bolz, J., 1998; Meffert, H./ Althans, J., 1982). Im Falle der Bearbeitung mehrerer Ländermärkte nimmt die Vielfalt sowohl an Vertriebsorganen als auch im Hinblick auf die Breite und Tiefe der Vertriebswege zu. Dieser Tatsache steht eine Standardisierung der Vertriebspolitik über die Ländermärkte hinweg entgegen. Welcher Vertriebsweg in einem bestimmten Land zu wählen ist, hängt von einer Reihe von Faktoren ab, die im Folgenden dargestellt werden. Wichtig ist häufig auch, auf welche Weise das Produkt am schnellsten zum Kunden zu bringen ist (Pietsch, D., 2003/ 2002). Die unterschiedlichen Vertriebswege lassen sich durch die Art der Direktheit der Beziehungen zwischen dem inländischen Unternehmen und dem ausländischen Endabnehmer charakterisieren. Direkte Vertriebswege sind z.B. eigene Tochtergesellschaften im Ausland, eigene lokale Filialen und das Franchising. Indirekte Vertriebswege umfassen beispielsweise die Lieferung an selbstständige Handelsunternehmen oder an Importeure. Die Art der Direktheit der Beziehungen wird aber auch durch die Form des Markteintritts bestimmt. Dabei kann man zwischen einer regionalen Aufteilung der Unternehmensprozesse (Export oder Leistungserstellung im Ausland), Beteiligungsverhältnissen (ausländische Niederlassungen, Joint Ventures), vertraglich gebundenen Distributionsorganen (Vertretungen, Kommissionäre, Makler, Vertragshandelssysteme und Franchising) und anderen Kooperationsformen (mit inund/ oder ausländischen Partnern) unterscheiden (Backhaus, K./ Voeth, M., 2010; Schneider, D.J.G., 1992; Scheuch, F., 1989). Grundsätzlich ist zwischen direktem und indirektem Export und direktem und indirektem Vertrieb zu differenzieren. Steht beim Export die Frage nach den Eigentumsverhältnissen bei der Grenzüberschreitung im Vordergrund, so ist aus Sicht des Vertriebs die Frage nach Eigenbzw. Fremdvertrieb zu klären (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010). Abbildung 259 veranschaulicht diese Unterscheidung. <?page no="570"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 547 Abbildung 259: Direkter und indirekter Export bzw. Vertrieb Quelle: Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010 Die Absatzwegeentscheidung erfolgt zweistufig und besteht aus einer Inter-Channel- und einer Intra-Channel-Entscheidung. Bei der Inter-Channel-Entscheidung wird eine Entscheidung über die grundsätzliche Vertriebsform vorgenommen, während die Intra- Channel-Entscheidung eine Auswahl zwischen den verbleibenden Alternativen umfasst (Hörschgen, H., 1989). Im Rahmen der Ausgestaltung des internationalen Vertriebssystems wird häufig ein Multi-Channel-Vertrieb aufgebaut, um den unterschiedlichen landesspezifischen Gegebenheiten Rechnung zu tragen (Zentes, J./ Swoboda, B./ Schramm-Klein, H., 2010). Die Vertriebswegeentscheidung hängt von der Zielsetzung der internationalen Marketingpolitik des Unternehmens ab, wobei neben monetären Zielen in der internationalen Vertriebspolitik vor allem auch nicht-monetäre Zielsetzungen eine Rolle spielen. Nicht-monetäre Zielsetzungen sind u.a. die mögliche Einflussnahme auf das Marktgeschehen, auf die Kundenkontakte, auf das Unternehmensimage, auf die Informationsgewinnung, auf die Integrationsfähigkeit in das allgemeine Marketingkonzept und auf die Unabhängigkeit in dem betreffenden Land. Die konkrete Wahlentscheidung über die Vertriebswege hängt u.a. von den betreffenden Erzeugnissen oder Dienstleistungen ab. So ist z.B. zu überprüfen, wie hoch der Service- und Wartungsaufwand für das betreffende Erzeugnis im Ausland ist. Auch die Erklärungsbedürftigkeit und die Transportfähigkeit spielen im Rahmen der Absatzwegeentscheidung eine Rolle. <?page no="571"?> 548 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement Daneben ist bedeutsam, ob das Unternehmen bereits in dem betreffenden Land engagiert ist oder ob es sich um einen erstmaligen Markteintritt handelt. Kundenspezifika wie z.B. das Bildungsniveau oder die Zusammensetzung des Buying Center im Ausland sind ebenfalls zu berücksichtigen. Die Vertriebswege im Ausland werden außerdem durch deren Verfügbarkeit, die Kooperationsbereitschaft der Absatzmittler, die Kosten des Vertriebsweges und die allgemeinen Rahmenbedingungen im Ausland beeinflusst. So sind u.a. die klimatischen Verhältnisse, die Transportmedien, die rechtlichen Besonderheiten (z.B. Local-Content-Vorschriften, Export- oder Reexportbestimmungen), die Infrastruktur und das Kostenniveau im Ausland für die Vertriebswegeentscheidung relevant. In der Automobilindustrie wird beispielsweise mit einer Kombination der Absatzwege gearbeitet. So existieren im Ausland häufig Vertriebstochtergesellschaften (Wholesale) mit angeschlossenen Händlern oder eigenen Niederlassungen bzw. Importeuren als Wholesaler. Teilweise wird aufgrund rechtlicher Gegebenheiten auch auf Joint-Venture-Strukturen zurückgegriffen (z.B. China). 4.2 Auswahl der Vertriebsorgane im Ausland Vertriebsorgane können sowohl betriebsgebunden als auch betriebsungebunden sein. Unter betriebsgebundenen Vertriebsorganen subsumiert man Reisende, inländische Vertriebs- und Exportabteilungen sowie ausländische Verkaufsniederlassungen und Logistikzentren. Hinsichtlich der betriebsungebundenen Vertriebsorgane unterscheidet man zwischen Absatzhelfern und Absatzmittlern. Beide sind rechtlich selbstständig. Absatzmittler erwerben anders als der Absatzhelfer Eigentum an der Ware. Zu den Absatzhelfern werden Handelsvertreter, Makler, Kommissionäre und Vertriebsagenturen gezählt. Als Absatzmittler können Export- oder Importgroßhändler, Zwischenhändler und Einzelhändler eingesetzt werden. Die Entscheidung über die zu wählenden Vertriebsorgane hängt von der Art des Produktes ab. Für leicht verderbliche Erzeugnisse ist die Anzahl der Vertriebsorgane gering zu halten. Für erklärungsbedürftige Produkte ist eine große direkte Kundennähe notwendig, so dass viele zwischengeschaltete Vertriebsorgane vermieden werden sollten. Bei Produkten, die häufig und routinemäßig gekauft werden, spielt die Verfügbarkeit auf allen Handelsstufen eine große Rolle. Die Auswahl von Handelsbetriebsformen kann anhand der 5 „C“ erfolgen (Meffert, H./ Althans, J., 1982): (1) Character (Sortiment, Zielgruppen, Image), (2) Coverage (Distributionsgrad), (3) Cost (Rabatte, Provisionen), (4) Control (Preiskontrollen, Information über Absatzmengen usw.) und <?page no="572"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 549 (5) Continuity (dauerhafte Leistungsfähigkeit). Die endgültige Entscheidung über die Wahl der Vertriebsorgane muss unter Berücksichtigung von Kostengesichtspunkten sowie der Flexibilität und der Anpassungsfähigkeit der alternativen Vertriebsorgane erfolgen. Auch spielen kulturelle Faktoren im Vertriebsprozess eine bedeutende Rolle. Kulturelle Unterschiede können im persönlichen Verkauf zu Missverständnissen und schließlich auch zum Scheitern von Verkaufsgesprächen führen. So zeigt die kulturvergleichende Managementforschung, dass z.B. individualistische Kulturen im Verhandlungsprozess weniger auf persönliche Beziehungen abstellen und in Low- Context-Kulturen zentrale Inhalte direkt kommuniziert werden (Homburg, C./ Krohmer, H., 2009). 4.3 Besonderheiten der internationalen Vertriebslogistik Die internationale Vertriebslogistik setzt sich mit dem inter- und intranationalen Warentransport auseinander (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010). Zielsetzung ist die effiziente Bereitstellung einer bestimmten Menge bestimmter Güter zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort. Als zentrale Effizienzkriterien im Rahmen der internationalen Vertriebslogistik gelten die Kosten und die Lieferqualität i.S.v. Zeit, Zuverlässigkeit und Flexibilität. Im internationalen Kontext ist die Vertriebslogistik z.T. sehr komplex ausgestaltet. Je nach Güterart sind die Anforderungen an Verpackung, Auftragsmanagement, Transport und Lagerung unterschiedlich hoch. Bei der Ausgestaltung der intranationalen Vertriebslogistik, d.h. der Logistik im ausländischen Markt, muss die jeweilige landesspezifische Situation im Hinblick auf politischrechtliche Faktoren, natürliche Gegebenheiten (Geografie, Klima) sowie Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur berücksichtigt werden. Die internationale Vertriebslogistik wiederum zielt auf grenzüberschreitende Güterbewegungen ab. In diesem Zusammenhang sind vor allem Währungsdifferenzen sowie tarifäre (Zölle, Subventionen) und nichttarifäre Handelshemmnisse (z.B. Exportbeschränkungen, Einfuhrverbote, Umwelt- und Verpackungsstandards) zu beachten. Abbildung 260 zeigt die wesentlichen Einflussgrößen auf die Handelslogistik in Deutschland. Hier wird deutlich, dass insbesondere die zunehmenden Transportkosten von großer Bedeutung sind. <?page no="573"?> 550 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement Abbildung 260: Einflussgrößen auf die Handelslogistik in Deutschland Quelle: EHI Retail Institute, Fraunhofer IML, 2011 5 Einfluss des Internets auf den Marketing-Mix in internationalen Unternehmen 5.1 Bedeutung des Internets für die internationale Unternehmung Abbildung 261: Internetnutzer in unterschiedlichen Weltregionen Quelle: Internet World Stats, 2011, online Die weltweite Vernetzung durch Kommunikations- und Informationstechnologien hat die Entstehung einer globalen Wissens- und Informationsgesellschaft ermöglicht. Hierbei spielt das Internet die zentrale Rolle. Weltweit steigt die Anzahl der Internetnutzer stetig, wobei die Verfügbarkeit und die Nutzungsintensität zwischen den einzelnen Ländern stark divergieren. Insbesondere zwischen den Industriestaaten ist die Dichte der Kommunikati- <?page no="574"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 551 onsströme besonders intensiv. Abbildung 261 gibt einen Überblick über die Nutzung des Internets in unterschiedlichen Regionen. Der Einfluss des Internets und weiterer digitaler Technologien auf das klassische Marketing ist vielseitig. Versucht man sich diesem Themenkreis definitorisch zu nähern, stößt man schnell auf eine Vielzahl von Begrifflichkeiten. Abbildung 262 umfasst zentrale marketingrelevante Begriffe und deren Definitionen. Abbildung 262: Marketingrelevante Begriffe des Internetzeitalters Quelle: Chaffey, D., et al., 2009 Das Internet hat nicht nur Auswirkungen auf die Marketingfunktion, sondern auf das gesamte Unternehmen und dessen Beziehung zu externen Stakeholdern. Es beeinflusst die Kommunikations- und Transaktionsprozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens. Es dient der Schaffung neuer und der Entwicklung bestehender nationaler und internationaler Märkte. Grundsätzlich muss sich ein Unternehmen im Rahmen der Strategieentwicklung über das jeweilige digitale Geschäftsmodell bewusst werden. Abbildung 263 zeigt die Vielfalt an möglichen Geschäftsmodellen, die sich aus der Anbieter-Nachfrager-Beziehung ergeben können. Obgleich das Internet auf sämtliche Funktionsbereiche eines internationalen Unternehmens einwirkt, ist aus Sicht der marktorientierten Unternehmensführung der Einfluss auf das Marketing als Schnittstelle zum Kunden von besonderer Relevanz. So findet sich heute kaum noch ein Unternehmen, das nicht über eine eigene Homepage verfügt und dessen Informationen somit nicht weitgehend unabhängig von Ort und Zeit überall dort abgerufen werden können, wo ein Internetzugang vorhanden ist. Mittels neuer Technologien treten Konkurrenten in den Markt ein, die bislang rein national tätig waren. Sie sorgen damit aus Sicht internationaler Unternehmen für einen zunehmenden Wettbewerbsdruck. <?page no="575"?> 552 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement Das Internet ermöglicht somit zwar auf der einen Seite das Voranschreiten der Globalisierung, auf der anderen Seite müssen Unternehmen heute in vielleicht stärkerem Maße als früher die kulturellen Hintergründe ihrer Kunden beachten. Abbildung 263: Alternative digitale Geschäftsmodelle Quelle: In Anlehnung an: Chaffey, D., et al., 2009 Aber auch regulatorischen Aspekten muss Aufmerksamkeit geschenkt werden, wenn Unternehmen die Internettechnologie weltweit erfolgreich einsetzen möchten. An dieser Stelle sei die straffe Regulierung der Internetnutzung in China angeführt. Alle Funktionen des Marketing-Mix werden durch das Internet durchdrungen. Es beeinflusst die Interaktion mit den marketingrelevanten Stakeholdern wie z.B. Kunden, Zulieferern und Vertriebsorganen. Ohne die aktive Berücksichtigung des Internets als Einflussfaktor und Instrument der internationalen Produkt-, der internationalen Preis-, der internationalen Kommunikations- und der internationalen Vertriebspolitik verlieren Unternehmen langfristig an Wettbewerbsfähigkeit. 5.2 Einfluss des Internets auf die internationale Produktpolitik Die internationale Produktpolitik muss in vielen Bereichen durch das Aufkommen des Internet-Marketings neu überdacht werden. Wesentliche Zielsetzungen aus Sicht des Unternehmens sind dabei die Neuproduktentwicklung (z.B. Senkung der Flopraten), die Variation und Erweiterung des Kernproduktes (neue Anwendungsfelder und Dienstleistungen) sowie die Bereitstellung von produktbezogenen Informationen und die Erschließung neuer Märkte. <?page no="576"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 553 Zunächst ergibt sich für das internationale Unternehmen die Möglichkeit, Produktinnovationsprozesse effizienter zu gestalten. Mithilfe des Internets gelingt es beispielsweise, dass sich Produktentwicklungsgruppen, die geografisch weit voneinander entfernt sind, virtuell koordinieren können. Somit können große räumliche und zeitliche Distanzen überwunden werden, wodurch eine simultane und permanente Produktentwicklung auch global ermöglicht wird (Fritz, W., 2006). Auch differenzierte Markterfordernisse unterschiedlicher Länder können somit besser berücksichtigt werden. Insgesamt können drei Typen internetbasierter Innovationsprozesse unterschieden werden (Gassmann, O., 2001). Beim Rapid Prototype Launching werden teilweise noch unfertige Produkte als Neuprodukte eingeführt und anhand der Kundenreaktionen weiterentwickelt, was den Produktinnovationsprozess wesentlich beschleunigt. Die partizipative Produktentwicklung hingegen ist durch die Integration des Nachfragers in den Produktinnovationsprozess gekennzeichnet. Dies führt auch zu individuell auf die Nachfrager abgestimmte Produkte und senkt die Flopraten. Der Konsument wird zum Prosument, indem er nicht nur konsumiert, sondern als Teil des Produktionsbzw. Entwicklungsprozesses mit-produziert. Hier können Instrumente des Web 2.0 wie z.B. Social-Media-Plattformen zum Einsatz kommen. Netzwerkinnovationen sind Produkte, die im Internet allen Interessenten kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Entwicklung des Linux-Betriebssystems, bei dem sich die Anwender dazu verpflichten mussten, sämtliche neuen Module der Architektur ebenso offenzulegen und frei zugänglich zu machen. Dieses Konzept führte schließlich dazu, dass Linux ein ernsthafter Konkurrent von Microsoft wurde. Im Rahmen der Markenpolitik geht es um die zentrale Fragestellung einer Standardisierung oder Differenzierung. Oft werden global bekannte Markennamen auch im Rahmen der Online-Markenführung beibehalten. Dies gilt insbesondere, wenn sie Firmen- oder Dachmarken darstellen. Globale Marken erleichtern den Aufbau und die Nutzung von sog. Brand-Communities. Eine Differenzierungsstrategie wird hingegen meist dadurch verfolgt, indem Produktmarken modifiziert werden. So bietet das Versicherungsunternehmen HUK-Coburg Online-Versicherungen unter dem Namen HUK24 an. Beachtet werden sollte, dass Assoziationen, die ein Kunde im Hinblick auf ein bestimmtes Unternehmen hat, auf das Internet-Marketing übertragen werden können. Im Rahmen des differenzierten internationalen Online-Markenmanagements können länderspezifische Markenwebsites eingerichtet werden. Die konkrete Ausgestaltung ist abhängig von der Markenarchitektur sowie der Markenbekanntheit, dem Markenimage und der Markenloyalität in den ausländischen Märkten. Unerlässlich ist sowohl für die standardisierte als auch die differenzierte Markenpolitik ein kontinuierliches Marken-Monitoring im Internet. Mithilfe des Internet-Marketings kann es weiterhin gelingen, weltweit neue Zielgruppen anzusprechen und somit die Kundenbasis bereits existierender Produkte zu erhöhen. Hierdurch gelingt u.U. eine schnellere Repositionierung bereits bestehender Produkte. Auch kann das Konzept der Mass Customization genutzt werden, indem den Produktnutzern sowohl kostenfreie als auch kostenpflichtige webbasierte Dienstleistungen angeboten wer- <?page no="577"?> 554 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement den, die das Kernprodukt ergänzen (Soft Customization). Ferner besteht die Möglichkeit, Produkte bereits im Fertigungsprozess auf Basis von Kundenangaben individuell zu gestalten (Hard Customization). 5.3 Einfluss des Internets auf die internationale Preispolitik Der Einfluss des Internets auf das Preismanagement eines Unternehmens kommt in der weltweit zunehmenden Preistransparenz, dem zunehmenden Preisreduktionsdruck, den neuen Ansätzen zur Preisbildung, den alternativen Preisstrukturen sowie der Gewinnung von Preisinformationen wie z.B. Zahlungsbereitschaften zum Ausdruck (Chaffey, D., et al., 2009; Spann, M., 2007). Grundsätzlich ist zu beachten, dass Unternehmen durch ihr Internetengagement erhebliche Kosten z.B. für die Einrichtung und permanente Pflege geeigneter Websites und Online-Plattformen entstehen, die einer Preisreduzierung entgegenwirken (Strauss, J./ Frost, R., 2001). Bestehen Homepages in verschiedenen Sprachen, erhöht dies den Aufwand für Pflege und Wartung zusätzlich. Auf der anderen Seite ermöglicht ein exklusiver Vertrieb der Waren- und Dienstleistungen über das Internet, die Logistikkosten zu senken und somit diese Kostensenkung über eine Preissenkung an die Endkunden weiterzugeben. Preisreduktionstendenzen ergeben sich u.a. auch dadurch, dass Nachfrager über fast vollkommene Informationen hinsichtlich der Preise verfügen und insbesondere mithilfe diverser Suchmaschinen direkte Preisvergleiche durchführen können. Weiterhin wird durch die Existenz von Preisvergleichsdiensten die Informationsbeschaffung aus Nachfragersicht zusätzlich vereinfacht und somit der Preisdruck auf die Unternehmen erhöht, was sich z.T. in intensiven Preiswettbewerben äußert. Somit wird auch die Preisdifferenzierung zwischen einzelnen Ländermärkten erschwert. Im Hinblick auf die Preisfestlegung erweisen sich insbesondere kostenorientierte Ansätze als problematisch, was vor allem dann gilt, wenn es sich um digitale Produkte handelt. Begründet werden kann dies mit den hohen Fix- und sehr geringen Grenzbzw. variablen Kosten bei digitalen Produkten. So entstehen durch die Internetpräsenz zusätzliche fixe Bereitstellungskosten (z.B. Hard- und Software, zusätzliches Personal sowie Organisationskosten aufgrund der Anpassung der Organisationsstruktur an den Internetvertrieb). Daneben fallen zusätzliche Transaktionskosten an (z.B. Leitungskosten sowie Opportunitätskosten wie etwa durch unterbrochene Verbindungen) sowie weitere Kosten, die beispielsweise durch die Etablierung der Internetmarke entstehen (Fritz, W., 2006). Mit zunehmender Absatzmenge können somit ganz erhebliche Durchschnittsbzw. Stückkostendegressionseffekte entstehen, die dazu führen, dass marktorientierte Ansätze der Preisfestlegung geeigneter erscheinen. Dabei kann aufgrund der hohen Preistransparenz eine konkurrenzorientierte Preisfestlegung erfolgen, wobei sich häufig das Problem ergeben wird, dass in unterschiedlichen Ländern auch weiterhin unterschiedliche Preise vorherrschen und Transportkosten berücksichtigt werden müssen. Eine kundenorientierte Preis- <?page no="578"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 555 festlegung kann z.B. über die Teilnahme an Online-Auktionen erfolgen, wodurch die Zahlungsbereitschaft der Kunden getestet werden kann (Skiera, B./ Schäfers, B., 2001). Neben Auktionen, bei denen der Käufer durch seine Gebote den Endpreis bestimmt, kommen des Weiteren als Online-Preismechanismen das Reverse-Pricing, bei dem die Käufer gegen einen nicht bekannten Minimalpreis bieten, sowie das Co-Shopping, bei dem Käufer virtuelle Einkaufsgemeinschaften bilden, um Mengenrabatte zu erzielen, zum Einsatz (Spann, M., 2007). Das Internet ermöglicht es, neue Preisstrukturen zu nutzen. So sind insbesondere für digitale Güter die Bezahlung pro Nutzung bzw. pro Volumen oder die feste monatliche Mietzahlung gängig (Chaffey, D., et al., 2009). Zahlungs- und Lieferungsbedingungen kommen im Internet eine extrem hohe Bedeutung zu. Hierbei sind wiederum die unterschiedlichen Zahlungsgewohnheiten in den einzelnen Ländern zu beachten. So existieren auch heute noch in Deutschland z.T. sicherheitstechnische Vorbehalte gegenüber dem Online-Shopping, während in den USA derartige Bedenken weitgehend abgebaut sind. Von hoher Bedeutung ist demnach aus Unternehmenssicht beispielsweise die Gewährleistung einer hohen Transaktionssicherheit, die ausschließt, dass Dritte die Transaktion verfolgen können. Verschiedene Zahlungsverfahren im Internethandel können sein (Schinzer, H., 2001; Heinemann, C./ Priess, S., 2000): Offline-Zahlungen, die außerhalb des Internet stattfinden, wobei die Begleichung der Rechnung zumeist per Banküberweisung geschieht, Zahlung per Kreditkarte, Debit-Zahlungen in Form eines elektronischen Lastschriftverfahrens, Internet-Cash, das digitales Münzgeld darstellt und auf der Festplatte des Nutzers verwahrt wird, Geldkarten, bei denen die Werteinheiten in einem Chip gespeichert sind, z.B. Chip- oder Prepaid-Karten, und Mobile Payments in Form neuer mobilfunkgestützter Bezahlverfahren per Mobiltelefon. Zunehmend wichtiger sind Leasingangebote, die leicht auf Basis eines Verkaufspreises im Internet berechnet werden können. 5.4 Einfluss des Internets auf die internationale Kommunikationspolitik Auch die internationale Kommunikationspolitik muss durch den Einfluss des Internets in vielen Unternehmen neu überdacht werden. Dabei stellt sich in diesem Zusammenhang zunächst die Frage einer Standardisierung oder Differenzierung. Einerseits kann die internationale Kommunikationspolitik durch eine Standardisierung erhebliche Kostenvorteile bringen, andererseits kann sie Nachteile bei der Ansprache spezifischer Kundengruppen <?page no="579"?> 556 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement bedeuten. Eine Differenzierung mag zwar einige Kostennachteile zur Folge haben, mit den neuen Kommunikations- und Informationstechnologien ist jedoch weltweit ein individueller Zugang zu bestehenden und neuen Zielgruppen möglich, der vorher nicht gegeben war. Für viele Unternehmen stellt die Nutzung des Internets im Rahmen der Online-Kommunikationspolitik eine große Herausforderung dar (Backhaus, K./ Büschken, J./ Voeth, M., 2003). Die Kommunikationspolitik ist eines der wichtigsten Einsatzfelder des Internets im Marketing. Das Internet muss stringent in die Gesamtkommunikationsstrategie eingebettet werden. Dies hat zur Folge, dass nahezu alle Instrumente des Kommunikationsmix durch das Internet beeinflusst sind. Die Online-Kommunikationspolitik formt eine kommunikative Klammer um die übrigen Marketing-Teilpolitiken. Ziel ist die Implementierung einer Schnittstellenfunktion zum Konsumenten. Dieser soll das Unternehmen und seine Produkte wahrnehmen, als solcher gewonnen und zum loyalen Kunden weiterentwickelt werden. Kennzeichnend für die Online-Kommunikation ist deren Hypermedialität, deren globale Verfügbarkeit und die Echtzeitkommunikation von z.T. individualisierten Inhalten. Der Konsument wird aktiv in den Kommunikationsprozess integriert und es findet eine Interaktion zwischen den Kunden untereinander und den Kunden und dem Unternehmen statt. Für ein internationales Unternehmen ergibt sich somit eine Reihe zusätzlicher Chancen. Grundsätzlich lassen sich alle Elemente des Kommunikationsmix online nutzen. Als zentrale Instrumente gelten die Unternehmenshomepage, die Bannerwerbung, das E-Mail- Marketing sowie das Suchmaschinenmarketing und das Virale Marketing bzw. Instrumente des Web 2.0 wie z.B. soziale Netzwerke, Video- oder Brand-Communities, Blogs und Podcasts. Entscheidend für den Erfolg in der Anwendung dieser Instrumente ist die permanente Kontaktpflege, die Sicherstellung einer konsequenten Maßnahmenkontrolle und die Zusammenführung der generierten Daten in einem elektronischen Kundenbeziehungsmanagement (eCRM), zu dem immer auch ein Beschwerdemanagementsystem gehört. In diesem Zusammenhang sind die z.T. unterschiedlichen rechtlichen Aspekte (bspw. Datenschutz) in den einzelnen Ländern zu beachten. So ist z.B. in Deutschland das Versenden unerwünschter Werbenachrichten verboten. In Österreich untersagt das Telekommunikationsgesetz (§101 TKG) diese Form der Werbung (Geis, I., 2001). Die Möglichkeiten der Strafverfolgung sind diesbezüglich derzeit als eher begrenzt anzusehen. Von besonderer Bedeutung ist die Darstellung der Websites, auf denen das Unternehmen und dessen Produkte vorgestellt und zunehmend die Möglichkeiten zur Interaktion zwischen Kunden und Unternehmen geschaffen werden. Gab es zu Beginn des Internetzeitalters lediglich eine Homepage für das Gesamtunternehmen, gehen immer mehr Unternehmen dazu über, gezielt landeseigene Homepages zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse und kulturellen Wertvorstellungen der jeweiligen Gastländer ausgerichtet sind. Insbesondere bei der formalen Gestaltung der Websites sind Faktoren wie z.B. Sprache, Farben oder die Verwendung von Bildern und musikalischen Elementen zu beachten (Meffert, H./ Bolz, J., 1998). So sind beispielsweise japanische Websites häufig bunter und differenzieren sich <?page no="580"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 557 durch die Verwendung von grellen Farben oder Hintergrundmusik von deutschen Websites. Grundsätzlich sollten Websites vor dem Go-Live auf landesbzw. zielgruppenspezifische Besonderheiten marktforschungsseitig getestet werden. Internationale Unternehmen setzen Websites zunehmend auch als PR-Instrument ein, wobei die Bereiche, die sich speziell an die Presse richten, entweder als öffentlich zugängliches Forum oder als geschlossener Benutzerbereich implementiert werden. Dabei führen Registrierungsoptionen für Journalisten dazu, dass diese die Presseinformationen direkt per E-Mail erhalten. Dies führt nicht nur zu einer direkten Kommunikation, sondern gestattet insbesondere eine schnellere Information internationaler Medien (Stolpmann, M., 2002). Auf Websites kommt auch die Bannerwerbung zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um eine Art Online-Anzeigen. Durch Anklicken gelangt man über einen Hyperlink zu einer Internetseite des werbenden Unternehmens. Sich selbst auf einer Website in einem neuen Fenster öffnende Banner werden als Pop-ups bezeichnet. Wird die Navigation auf einer Website durch ein Banner unterbrochen, so bezeichnet man dies als Unterbrecherwerbung bzw. Interstitial (Homburg, C./ Krohmer, H., 2009; Meffert, H./ Burmann, C./ Kirchgeorg, M., 2011). Zielsetzung der E-Mail-Werbung ist es, dem Kunden unternehmensbzw. produktbezogene Informationen zukommen zu lassen und ihn auf die Unternehmensbzw. Produktwebsite zu leiten. Inhalte dieser E-Mail können Kataloge oder Newsletter sein, die den Kunden z.B. auf aktuelle Sonderaktionen des Unternehmens hinweisen. Um die rechtlichen Anforderungen an diese Art der Kommunikation zu erfüllen, versuchen die Unternehmen, eine Einverständniserklärung des Beworbenen zu erhalten. In diesem Fall spricht man vom sogenannten Permission-Marketing (Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010). Im internationalen Kontext sind vor allem die rechtlichen Rahmenbedingungen genau zu prüfen. Im Rahmen des Suchmaschinenmarketings, kurz SEM (Search Engine Marketing), erwirbt ein Unternehmen für aus seiner Sicht relevante Stichworte die Top-Platzierung einer Suchmaschine wie z.B. Google oder Yahoo. Nach Eingabe der bestimmten Schlagwörter erscheinen die Einträge des Unternehmens im oberen Bereich der Ergebnisliste oder in einem Werbekasten gesondert dargestellt. Kritisch anzumerken ist der z.T. manipulative Charakter der Suchmaschinenoptimierung. In den letzten Jahren nutzen die Unternehmen zunehmend virales Marketing. Virales Marketing nutzt Instrumente des Web 2.0 wie z.B. soziale Netzwerke und versucht mit ungewöhnlichen Botschaften, die auf ein Unternehmen, ein Produkt oder eine Marke abstellen, zu kommunizieren. Ziel ist es dabei, Aufmerksamkeit zu erzeugen und über netzbasierte Mund-zu-Mund-Propaganda die Botschaften exponentiell zu verbreiten. Anstelle der klassischen Messen und Ausstellungen können mithilfe des Internets derartige Veranstaltungen auch virtuell gestaltet werden. Im Internet treten derartige Messen in unterschiedlicher Form auf, so z.B. als temporäre oder permanente virtuelle Messen, als <?page no="581"?> 558 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement Begleitmessen oder als traditionelle Messen ersetzende Substitutionsmessen (Fritz, W., 2006). Ein wirkungsvolles Instrument stellen auch sogenannte „Locator“ beispielsweise für Gebrauchtwagen dar. Dort können international verfügbare Gebrauchtwagen nach Modellen und Verfügbarkeit beim Händler identifiziert und gekauft bzw. reserviert werden. Die Vorteile gegenüber traditionellen Messen bestehen hierbei vor allem in ihrer Orts- und Zeitungebundenheit, so dass sie ohne geografische und zeitliche Restriktionen ein größeres Publikum ansprechen können. Darüber hinaus ergeben sich erhebliche Kostenvorteile sowie geringere logistische Probleme. Es muss jedoch beachtet werden, dass virtuelle Messen einen Großteil ihres Erlebnisbzw. Event-Charakters verlieren und die Anbahnung, Pflege sowie der Ausbau von Firmenkontakten im Ausland bedeutend schwieriger wird. Insbesondere in Ländern, in denen einem persönlichen Kontakt ein großer Einfluss zugesprochen wird, fällt dies negativ ins Gewicht. 5.5 Der Einfluss des Internets auf die internationale Vertriebspolitik Das Internet kann als neuer Absatzkanal zur Erschließung von Auslandsmärkten fungieren. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen sind so in der Lage, schnell und flexibel ausländische Märkte zu bearbeiten. Es kommt zum einen als Direktvertrieb, z.B. bei Verkauf von Software, in Betracht und andererseits kann es im Rahmen eines indirekten Vertriebs genutzt werden. Dies geschieht beispielsweise, wenn Online-Händler im Ausland den Absatz von Herstellern an den Endkunden übernehmen. Darüber hinaus kann das Internet als zusätzliche Bestellmöglichkeit fungieren. Insbesondere im Bank- und Versicherungssektor hat das Internet als Vertriebsmedium inzwischen sehr weite Verbreitung gefunden. So werden vor allem einfache Standardprodukte - beispielsweise eine Kfz-Versicherung oder Reiserücktrittskostenversicherungen - online vertrieben. Im Bankensektor wurde insbesondere zum Ende der 1990er Jahre eine Reihe sog. Online-Broker gegründet. Inzwischen wird eine Vielzahl der täglichen Bankgeschäfte online getätigt, was zu einer Senkung der Transaktionskosten auf Seiten der Banken geführt hat. Vielfach wird behauptet, dass das Internet zu einer erheblichen Umgestaltung bestehender Absatzkanäle führt und langfristig den traditionellen Handel ersetzen wird (Disintermediation). Übersehen wird dabei jedoch, dass der Hersteller bei der Umgehung der traditionellen Absatzmittler selbst in erheblichem Maße Handelsfunktionen ausüben muss, worauf er jedoch nicht spezialisiert ist. In zahlreichen Branchen hat dies inzwischen zur Bildung neuer Intermediäre geführt. So wird der traditionelle Buchhandel beispielsweise nicht von den Verlegern direkt, sondern durch den Online-Buchhandel herausgefordert. Der Online-Buchhandel übernimmt hierbei gleichzeitig Groß- und Einzelhändlerfunktionen (Fritz, W., 2006). Ein wichtiger Wettbewerbsfaktor im Vertriebsbereich wird bei einer Vielzahl von Produkten in der physischen Distribution im Ausland gesehen. Während digitale Güter bis zum <?page no="582"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 559 Endkunden online vertrieben werden können, sofern der Nachfrager über ein entsprechendes Ausgabemedium verfügt, sind nichtdigitale Güter auch weiterhin offline zu distribuieren (Albers, S./ Clement, M./ Skiera, B., 2001). Dafür stehen Unternehmen drei Möglichkeiten zur Verfügung: die Lieferung in Eigenregie, die Lieferung der Produkte über Versender sowie die Lieferung an Service-Points. Mittels sog. „Tracking and Tracing“- Funktionen (Pietsch, D., 2003) kann die physische Distribution hierbei durch Informationen im Internet jederzeit verfolgt werden, was beim Versender zu hohen Kosteneinsparungen führen kann. So muss UPS beispielsweise die Kundenanfragen nach dem Status der Lieferung nicht mehr telefonisch beantworten. Auch im Falle des Online-Buchhändlers Amazon ist die physische Distribution als ein entscheidender Erfolgsfaktor zu sehen. Er verspricht beispielsweise, stets die neuesten Auflagen der „Harry Potter“-Reihe am ersten Verkaufstag bei den Kunden auszuliefern, was nicht nur einen enormen logistischen Aufwand erfordert, sondern bei Nichterfüllung zu nachhaltigen Umsatzeinbußen führen kann. Das Internet kann des Weiteren in verschiedener Hinsicht zur Verkaufsunterstützung eingesetzt werden. So können beispielsweise Verkäufer mithilfe internetfähiger Laptops im Rahmen von Beratungs- und Verkaufsgesprächen die verschiedenen Produkte multimedial präsentieren und individuell konfigurieren und kalkulieren. Das Internet ermöglicht auch eine intensivere Kundenkontaktpflege. So besteht für den Verkäufer die Möglichkeit, jederzeit und an jedem Ort mit seinem Kunden über E-Mail Verbindung aufzunehmen. Weiterhin erlaubt das Internet dem Verkäufer, aktuelle Informationen der Wettbewerber abzurufen und sich hierdurch besser auf sein nächstes Kundengespräch vorzubereiten. Dies führt allerdings gleichzeitig dazu, dass sich die Anforderungen an den Verkäufer ebenfalls erhöhen, da sein Aufgaben- und Anforderungsspektrum durch den Einsatz interaktiver Medien steigt. Backhaus und Voeth weisen auf Einflussfaktoren hin, die bei der Nutzung des Internets im Rahmen der internationalen Vertriebspolitik zu beachten sind: (1) Internetzugang in den jeweiligen Auslandsmärkten, (2) Akzeptanz des Mediums Internet auf Nachfrageseite, (3) Reaktanz auf Seiten ausländischer Vertriebspartner aufgrund von Substitutionsängsten, (4) Begrenzung von nationalen bzw. regionalen Differenzierungsmöglichkeiten durch gestiegene Markttransparenz und (5) Kosten der konkreten Internetpräsenz sowie positive und negative Folgen der Nutzung des Vertriebskanals Internet für die Umsatzentwicklung. Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung von E-Commerce-Strategien sind die Prozesse im Hintergrund, die dafür sorgen sollen, dass die online durchgeführten Bestellungen und Informationsanfragen offline schnell, kundengerecht und mit hoher Qualität abgearbeitet werden (Pietsch, D., 2003). <?page no="583"?> 560 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement Fallstudie: Weltweite Markenführung am Beispiel der Heidelberger Druckmaschinen AG Weltweite Markenführung am Beispiel der Heidelberger Druckmaschinen AG Nuneva, Crisand, Woywode 1. Die Heidelberger Druckmaschinen AG - Geschichte einer Marke Die Heidelberger Druckmaschinen AG ist der international führende Lösungsanbieter und Dienstleister in der Printmedien-Industrie. Das Unternehmen bietet umfassende Lösungen in den Bereichen Bogenoffsetdruck, Digitaldruck sowie in der Fertigung anspruchsvoller Teile und Baugruppen im Präzisionsmaschinenbau. Im Geschäftsjahr 2011/ 2012 erzielte die Heidelberger Druckmaschinen AG mit weltweit ca. 16.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 2,62 Mrd. Euro bei rund 200.000 Kunden und hat einen Marktanteil von über 45%. Als global agierendes Unternehmen erwirtschaftet die Heidelberger Druckmaschinen AG über 85% des Umsatzes außerhalb Deutschlands in mehr als 170 Ländern; 85% des Umsatzes kommen aus eigenen Vertriebsgesellschaften, ca. 45% aus „Emerging Markets“. Die Marke Heidelberg trägt wesentlich zum weltweiten Erfolg bei - ein Beispiel erfolgreicher Markenführung im Industriegütersektor. Gegründet 1850 als Glockengießerei und Maschinenfabrik, präsentierte die Heidelberger Druckmaschinen AG vor 90 Jahren mit dem „Heidelberger Tiegel“ die erste Druckmaschine, die in Großserie hergestellt wurde. Auf dessen Basis werden bis heute technologisch innovative Nachfolgemodelle entwickelt. 2. Vom Druckmaschinenbauer zum Lösungsanbieter mit umfassender Service- und Managementkompetenz Eine konsequente Kundenausrichtung und das Anbieten von qualitativ hochwertigen Produkten waren von Beginn an die Garanten für den großen Markterfolg der Heidelberger Druckmaschinen AG. Auf Basis ihrer technologischen Kompetenz konnte sich die Heidelberger Druckmaschinen AG über die Jahre als „Partner der Drucker“ etablieren. Gegen Ende der 1990er Jahre setzte sich die Heidelberger Druckmaschinen AG zum Ziel, den wachsenden Ansprüchen der Kunden, eine umfassende Betreuung über sämtliche Stufen des Druckprozesses [Prepress (Druckvorstufe) Press Postpress (Weiterverarbeitung) als integrierte Lösung zur Gewährleistung eines reibungslosen Produktionsprozesses (Workflow)] anzubieten, gerecht zu werden. Des Weiteren war die Gewährleistung eines hohen Servicelevels über den gesamten Workflow hinweg sicherzustellen. Konsequent ihrer Ausrichtung an Kundenbedürfnissen folgend, traf die Heidelberger Druckmaschinen AG die Entscheidung, den Schritt vom Produktanbieter zum Lösungsanbieter zu vollziehen. Diesem entsprechend sollte jedem Kunden eine individuelle Lösung angebo- <?page no="584"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 561 ten werden. Zur Verwirklichung dieser Ziele musste die Heidelberger Druckmaschinen AG nicht nur Hardware, sondern auch Software und Brainware anbieten. Um individuelle Bedürfnisse des jeweiligen Kunden zu bedienen, entwickelte die Heidelberger Druckmaschinen AG im Rahmen einer Brainware-Initiative eine eigene Akademie, deren Angebot sich von heidelbergspezifischen Produkt-Trainings über Managementprogramme bis hin zu umfassenden Qualifizierungsmaßnahmen erstreckt. Außerdem wurde eine Plattform für den gemeinsamen branchenweiten Erfahrungsaustausch erstellt, die mitunter viele aktuelle Themen der Druck- und Medienindustrie abdeckt. Schon der erste große strategische Schritt zur Jahrtausendwende, die Neuausrichtung des Unternehmens als Lösungsanbieter, hat eine Neupositionierung der Marke Heidelberg sowie eine Überprüfung der Markenidentität erfordert. Aber auch der zweite strategische Schritt, die Ergänzung eines weitreichenden Serviceangebotes und umfassender Managementkompetenz, war im Rahmen einer Weiterentwicklung der Markenidentität durchzuführen. In konsequenter Weiterentwicklung der Strategie seit 2008 wurde das Dienstleistungsangebot um die Kompetenz Beratung erweitert. Zugleich wurden Dienstleistungen wie etwa Prozessberatung, Fremdfertigung und Forschung und Entwicklung auch Unternehmen außerhalb der Printmedien- Industrie zugänglich gemacht. Für Unternehmen aus dem klassischen Zielmarkt hat die Heidelberger Druckmaschinen AG das Produkt- und Dienstleistungsangebot neu strukturiert und zu Maßnahmenbündel zusammengefasst, deren Lösungsangebot sich an den wichtigsten Marktentwicklungen in der Printmedienindustrie orientiert: Ökologisches Drucken, Schlanke Produktion, Differenzierung durch Veredelung, Kleinauflagen, Verpackungstrends und Web-to-Print (Mit diesem Schritt hat die Heidelberger Druckmaschinen AG ihre Positionierung von Produktkompetenz zur Businesskompetenz vollzogen). Ab 2012 wird ein besonderer Fokus auf Märkte und Trends gesetzt (siehe Abbildung 264). Abbildung 264: Konsequente Weiterentwicklung des Angebotsportfolios: Von der Produktüber die Lösungs- und Managementzur umfassenden Businesskompetenz <?page no="585"?> 562 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement 3. Entwicklung einer Markenidentität Im Zuge der strategischen Neuausrichtung musste grundsätzlich der Paradigmenwechsel vom Produktzum Lösungsanbieter auch im Rahmen des Markenauftritts vollzogen werden. Ziel der neuen Markenstrategie ist es, traditionelle Markenwerte (z.B. die Fähigkeit zur technologischen Innovation) mit „neuen“ Markenwerten zu verbinden, wie bspw. Kompetenz in druckbezogenen IT-Lösungen oder weiteren Kompetenzfeldern wie umfassende Service- und Beratungsangebote. Um die Position der Marke Heidelberg bestimmen zu können, wurden ab 1999 mehrere Studien durchgeführt. Obwohl sich die Marke Heidelberg durch Attribute und Produkteigenschaften wie hohe Qualität, Kompetenz im Offsetdruck, Marktführer, erfolgreich, international, zuverlässig auszeichnet, liegt ein Kernelement der Differenzierung im starken Image der Marke Heidelberg - sekundär in einzelnen Produkten. Verbesserungspotenziale weisen die Bereiche Serviceorientierung, Beschwerdemanagement oder Beratungskompetenz auf. Durch die Studienergebnisse wurde die Markenidentität anhand des „Eisberg“-Modells neu definiert. Die Markenidentität wurde mithilfe des Markensteuerrads, eines der zentralen Instrumente zur Ableitung einer Markenidentität aus externer und interner Markenwahrnehmung entwickelt. In einem weiteren Schritt galt es die Markenidentität in Produktdesign, Corporate Design und Corporate Behavior zu „übersetzen“. Zur „drupa“ 2012 (Internationale Fachmesse für Druck) war die Transformation der Heidelberger Druckmaschinen AG von Produktkompetenz zum Anbieter von Businesskompetenz vollzogen und zeigte sich auch im Auftritt auf der Messe und den nachfolgenden Maßnahmen zur Stärkung der Markenidentität. Eine entsprechende Feinjustierung der Unternehmens- und Markenpositionierung wurde damit unabdingbar (siehe Abbildung 265). Abbildung 265: Entwicklung der Markenidentität <?page no="586"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 563 4. Transfer der Markenidentität 4.1 Markenarchitektur und Dachmarkenstrategie Als Folge des schnellen Wachstums kam es zu einem heterogenen Markenauftritt durch die Eingliederung neuer Geschäftsbereiche und dem Anwachsen des Produktportfolios. So wurden ganz unterschiedliche Arten von Botschaften direkt mit dem Heidelberg-Logo verknüpft. Zur Behebung dieser Heterogenität wurde zunächst eine Dachmarke plus Submarken mit eigenem Logo aufgebaut; und später durch ein geschlossenes Logo einer reinen Dachmarke ersetzt. Sämtliche Produkte waren unterhalb der Dachmarke zu positionieren; für spezifische Leistungsgruppen wurden Subidentitäten entwickelt (siehe Abbildung 266): Abbildung 266: Die Umsetzung der Dachmarkenstrategie Transfer der zentralen Markenwerte auf alle Produkte und Dienstleistungen Fokus auf ein einheitliches Corporate Design und ein Logo mit Schutzzone Positionierung der einzelnen Produkte unterhalb der Dachmarke Subidentitäten für spezielle Leistungsgruppen Das Heidelberg Logo soll als Absender und Leistungsversprechen zugleich der universelle Bezugspunkt für Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten sein. Die neue Dachmarkenarchitektur basiert auf den drei Gruppen Company, Products und Services, die sich konstant in allen Kommunikationsmitteln wiederfinden: Company: Corporate/ Financial Publications Products: Hardware Services: Systemservice, Servicemarke „Saphira“, Print Media Academy, Financial Services, Software (Prinect) und Gebrauchtmaschinen (Remarketed Equipment) <?page no="587"?> 564 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement 4.2 Corporate Design und Produktdesign Der inkonsistente Unternehmensauftritt vor 2000 äußerte sich ebenfalls in einem uneinheitlichen Corporate Design und Produktdesign, welche es ebenfalls grundlegend zu überarbeiten galt (siehe Abbildung 267). Silber: Image- und unternehmensbezogene Publikationen und Financial Publications Blau: Hardware Rot: Systemservice, Servicemarke „Saphira“, Print Media Academy, Financial Services, Software („Prinect“) und Gebrauchtmaschinen („Remarketed Equipment“) Abbildung 267: Einführung und Überarbeitung eines einheitlichen CD und Produktdesigns Auch im Produktdesign, das nach 2000 entwickelt wurde, drückten sich die abstrakten Versprechen „Höchste Qualität, Innovation, Faszination und Zuverlässigkeit“ aus. Die aktuelle Überarbeitung des Erscheinungsbilds 2008 baut auf dem auf, was Kunden, Mitarbeitern und Lieferanten seit Jahren vertraut ist. Grundsätzlich soll das neue Corporate Design die Prägnanz des Markenauftritts erhöhen und zu einer schnelleren Wiedererkennung führen. Hierbei stehen die verschiedenen Farbtöne für jeweils ein Geschäftsfeld: Silber: Image- und unternehmensbezogene Publikationen sowie Financial Publications, Print Media Academy und Financial Services Blau: Hardware Rot: Service- Software- und Verbrauchsmaterialangebote (Systemservice, „Saphira“) 5. Markenmanagement und Kommunikationsstrategie 5.1 Einführung und Erweiterung des Zielgruppenverständnisses Um Kundenansprache spezifischer und individueller zu bedienen, bedurfte es einer ganzheitlichen Marktsegmentierung zur effizienteren Marktbearbeitung. Demnach lassen sich die Heidelberg-Nachfrager in sechs Kundensegmente untergliedern, wobei zunächst zwischen indirekten Zielgruppen (u.a. Printmedien-Entscheider, Investoren, Öffentlichkeit, Fachpresse etc.) und der direkten Zielgruppe differenziert wurde (siehe Abbildung 268). <?page no="588"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 565 Abbildung 268: Einführung einer Marktsegmentierung und erweitertes Zielgruppenverständnis 5.2 Zielgruppenspezifische „Push + Pull“-Kommunikation Push-Aktivitäten sprechen die direkten Kunden, bspw. Drucker, an: Der inhaltliche Fokus liegt auf Produkten (bspw. Technische Informationen zu Maschinen) und Lösungen/ Anwendungen (Kundenmagazine und Kataloge). Darüber hinaus adressiert die Heidelberger Druckmaschinen AG ebenfalls die Kunden der Kunden: Printmedien-Entscheider als indirekte Kunden. Durch Pull-Aktivitäten wird der Fokus auf die Marke gelegt. Mehr als bei den direkten Kunden, spielen hier vor allem Marken-Kampagnen und der Internetauftritt eine entscheidende Rolle. Aber auch Veranstaltungen, bei denen nicht nur die Marke, sondern auch der (erweiterte) Lösungsansatz weiterverbreitet wird, sind Teil der Pull-Aktivitäten. 5.3 Integrierter Medienmix Auch der Einsatz und das Zusammenspiel verschiedener Medien und Kommunikationskanäle haben sich mit der strategischen Neuausrichtung des Unternehmens nach 2000 entscheidend verändert und weiterentwickelt: Waren es vor 2000 vor allem punktuelle (Einzel-) Kommunikationsmaßnahmen, die in keinerlei Beziehung zueinander standen, so wurden diese in der ersten Ausbaustufe weltweit im Hinblick auf off- und online aufeinander abgestimmt: Einen wirklichen Durchbruch jedoch brachte der neue Ansatz der integrierten Kommunikation. Aufbauend auf dem abgewandelten AIDA-Konzept basiert dieser Ansatz auf 5 ineinander greifenden Stufen: Awareness, Interest, Desire, Fulfillment und After Sales. Während auf den ersten Stufen vor allem „Instruments of Communication“ wie PR, Advertising, Direct Mail oder Collateral dominieren, so sind dies im zweiten Teil des integrierten Kommunikationsprozesses die „Intruments of Customer Treatment“ wie Trade Show and Events, Kundendemonstrationen in den Showrooms, Customer Consultancy, Training Material oder auch Trainings der Print Media Academy. <?page no="589"?> 566 • Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement Durch die erfolgreich implementierte Markenstrategie ist die Marke „Heidelberg“ sowohl in Brand iconography als auch in Brand value gestiegen. 5.4 Globale Markenführung Auch die weltweite Markenführung stellt einen wesentlichen Baustein des Erfolgs der Marke Heidelberg dar. Über 80% des Umsatzes wird außerhalb Deutschlands erzielt. Darüber hinaus spielt auch der Gedanke „create once, use many times“ zur Erzielung von mehr Effizienz eine große Rolle. Im Rahmen der globalen Markenausrichtung sind lokale Besonderheiten zu berücksichtigen. Hierbei gilt es einen gesunden Mix zu finden, in dem zum einen internationale Teams agieren und zum anderen bestimmte Kommunikationsmaßnahmen auf lokaler Ebene entwickelt und implementiert werden. Bei Letzterem werden die lokal ausgestalteten Designs auf Konformität zu den global gültigen Design-Richtlinien geprüft und somit die Einhaltung des Corporate Designs sichergestellt. Fragen zur Fallstudie (1) Worin liegt der Unterschied nach der Neuausrichtung des Unternehmens als „Lösungsanbieter“? (2) Welche Faktoren des „Eisberg“-Modells liegen oberhalb der Oberfläche, welche unterhalb? (3) Nennen und bewerten Sie verschiedene Instrumente der Markenkommunikation! (4) Welche konkreten Punkte tragen zur Kostensenkung im Marketing bei? Literaturempfehlungen Basisliteratur Backhaus, K./ Voeth, M., 2010: Internationales Marketing, 6. Aufl., Stuttgart. Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012: International Business: The New Realities, 2. Aufl., Boston, [Kapitel 18: „Marketing in the Global Firm“, S. 514-543]. Hill, C., 2010: International Business: Competing in the Global Marketplace, 8., internatinale Aufl., New York, [Kapitel 17: „Global Marketing and R&D“, S. 590-623]. Lasserre, P., 2007: Global Strategic Management, 2. Aufl., Houndmills, [Kapitel 8: „Global Marketing“, S. 221-240]. Zentes, J./ Swoboda, B./ Schramm-Klein, H., 2010: Internationales Marketing, 2. Aufl., München. Vertiefungsliteratur Backhaus, K./ Voeth, M., 2010: Internationales Marketing, 6. Aufl., Stuttgart. <?page no="590"?> Kapitel IX: Internationales Marketingmanagement • 567 Berndt, R./ Fantapié Altobelli, C./ Sander, M., 2010: Internationales Marketing-Management, Heidelberg. Busch, R./ Fuchs, W./ Unger, F., 2008: Integriertes Marketing: Strategie - Organisation - Instrumente, 4. Aufl., Wiesbaden. Cateora, P.R./ Gilly, M.C./ Graham, J.L., 2009: International Marketing, 14. Aufl., New York. Hollensen, S., 2011: Global Marketing - a decision-oriented approach, 5. Aufl., Harlow. Meffert, H./ Burmann, C./ Becker, C., 2010: Internationales Marketing-Management - Ein markenorientierter Ansatz, 4. Aufl. Stuttgart. Mooij, M., 2010: Global Marketing and Advertising - Understanding Cultural Paradoxes, 3. Aufl., London. Mooij, M., 2011: Consumer Behavior and Culture - Consequences for Global Marketing and Advertising, 2. Aufl., London. Müller, S./ Gelbrich, K., 2012: Interkulturelles Marketing, 2. Aufl., München. Simon, H./ Fassnacht, M., 2009: Preismanagement: Strategie - Analyse - Entscheidung - Umsetzung, 3. Aufl., Wiesbaden. <?page no="592"?> Kapitel X: Internationales Controlling und nanzmanagement <?page no="593"?> 570 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Standpunkt: Bilfinger SE Bilfinger Bilfinger ist ein international tätiges Engineering- und Dienstleistungsunternehmen mit den Geschäftsfeldern Industrial Services, Power Services, Building and Facility Services sowie Construction und Concessions. www.bilfinger.com Joachim Müller, Finanzvorstand Bilfinger SE Joachim Müller wurde 2008 in den Vorstand von Bilfinger berufen, seit 2009 ist er als Finanzvorstand für Bilanzen, Finanzen, Controlling, Revision, Steuern, Investor Relations, Einkauf und IT verantwortlich. 1. Wie weit ist die Harmonisierung der internationalen Rechnungslegungsstandards heute schon gediehen? Wird es einen globalen, einheitlichen Standard geben? Eine Harmonisierung der internationalen Rechnungslegungsstandards ist bisher vor allem für kapitalmarktorientierte Unternehmen erfolgt. International dominieren hier IFRS und US-GAAP. Im internationalen Vergleich spielt IFRS im Hinblick auf die Anzahl der involvierten Länder und Unternehmen sicherlich die stärkere Rolle. Zudem verbessern sich auch die Rahmenbedingungen und Verbreitung von IFRS ständig: Nachdem dieser Rechnungslegungsstandard in der EU und in Australien 2005 verpflichtend eingeführt wurde, haben auch Brasilien seit 2008 sowie Kanada und Argentinien seit 2011 eine graduelle Einführung vorgenommen. Ebenso passt China seine nationalen Standards nach und nach in wesentlichen Punkten an IFRS an. International ist somit eine deutliche Annäherung an IFRS zu beobachten. Zwischen den beiden führenden Rechnungslegungsstandards ist jedoch auch eine zunehmende Konvergenz festzustellen. Das International Accounting Standards Board (IASB, für IFRS) arbeitet eng mit seinem amerikanischen Pendant, dem Financial Accounting Standards Board (FASB, für US-GAAP), zusammen. So gibt es mittlerweile gemeinsam abgestimmte Richtlinien, beispielsweise für die Segmentberichterstattung und bei Unternehmenszusammenschlüssen - auch für den Leasingbereich liegt ein erster Entwurf eines gemeinsamen Standards vor. In der Zielsetzung beider Standards bestehen jedoch grundsätzliche Unterschiede: Während US-GAAP sehr detailliert ist und auf klare Regeln und Richtlinien abstellt, ist IFRS eher prinzipienorientiert. <?page no="594"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 571 Welcher Standard sich am Ende durchsetzen wird, ist momentan noch nicht absehbar: IFRS dominiert allein aufgrund seiner weltweiten Anwendung und Verbreitung. Der amerikanische Standard hingegen bezieht seine Bedeutung schon allein aus der Größe und Bedeutung Amerikas als international führender Kapitalmarkt. Lokale Rechnungslegungsstandards bleiben zunächst sicherlich bestehen. Das deutsche Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), das 2009 in Kraft getreten ist, unterstreicht beispielsweise nach wie vor den Anspruch des deutschen HGB als lokalen Rechnungslegungsstandard. Jedoch versucht der IASB, die „IFRS for SMEs“ als Standard für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen verstärkt zu etablieren. In Südafrika findet bspw. bereits „IFRS for SMEs“ Anwendung, während in Australien sogar ein „Australianequivalent to IFRS“ für alle Unternehmen einheitlich gilt. 2. Sind die Bilanzen von Bilfinger mit denen wichtiger internationaler Konkurrenten wirklich vergleichbar? Ein Großteil der relevanten internationalen Konkurrenz reportet natürlich - sofern sie börsennotiert sind - wie Bilfinger nach IFRS, aber eine wirkliche Vergleichbarkeit der Bilanzen hängt grundsätzlich auch vom Reportingfokus der Mitbewerber ab. IFRS ist nicht immer gleich IFRS, da die Regeln nicht zu 100% einheitlich angewendet werden. So entstehen Unterschiede bspw. durch Wahlrechte, Interpretationsspielräume (bspw. Management View) und lokale Besonderheiten wie z.B. IFRS in der EU, was stellenweise von den „full IFRS“ abweichen kann. Viele Spielräume zeigen sich dabei erst in der Praxis, weshalb die jeweiligen Richtlinien erst im Nachhinein angepasst werden können, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Das IFRS Interpretations Committee hat hier die Aufgabe, diese Unklarheiten aufzudecken und einzugrenzen. Darüber hinaus gibt es nationale Institutionen wie z.B. die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), die die Konformität der Rechnungslegungsstandards auf Bundesebene gewährleisten soll. Allerdings sind diese nationalen Prüfstellen wiederum unterschiedlich streng. 3. Hatten Gesetzesinitiativen wie der Sarbanes-Oxley-Act (SOX) Auswirkungen auf das interne Kontrollsystem internationaler Konzerne - auch wenn sie nicht in den USA börsennotiert waren - und sind hier weitere Entwicklungen in Europa und Asien notwendig? Der Sarbanes-Oxley-Act hat vor allem für Unternehmen große Bedeutung, die in den USA gelistet sind, aber auch für deutsche Tochterfirmen amerikanischer Unternehmen. Zudem wird SOX mittlerweile von einer Reihe großer deutscher Unternehmen angewendet, die nicht in den USA gelistet sind. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist jedoch kritisch: Die Umsetzung von SOX ist sehr aufwendig und generell stark strafbewährt, was u.a. auch dazu geführt hat, dass sich einige ausländische Unternehmen in den USA von der Börse zurückgezogen haben. Mit dem deutschen Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) ist ein vergleichbares Gesetz in Deutschland eingeführt wurden. Es enthält Vorschriften zur Umsetzung europa- <?page no="595"?> 572 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement rechtlicher Vorgaben wie z.B. der Abschlussprüfungsrichtlinie und regelt rechnungslegungsbezogene Angaben zu internen Kontroll- und Risikomanagementsystemen, zum Prüfungsausschuss sowie zur Abschlussprüfung. Auch wir haben in diesem Zuge den Risikobericht bei Bilfinger entsprechend angepasst und erweitert. Im Vergleich mit dem SOX ist beim BilMoG der Formalismus jedoch weniger stark ausgeprägt und die individuelle Unternehmenslage wird - besonders im Hinblick auf die Ausgestaltung der Kontrollsysteme - stärker berücksichtigt. Aus Kapitalmarktperspektive ist ein Trend zur stärkeren Standardisierung und verbesserten Transparenz wünschenswert, gerade im Hinblick auf amerikanische Investoren. Aber auch für Aufsichtsräte und Vorstände sind diese Aspekte von Interesse. Reiner Formalismus sollte jedoch nicht vorangetrieben werden, denn er erweist sich bei hoher Kostenintensität als wenig wirkungsvoll. Dass SOX sich als internationaler Standard durchsetzen wird, ist aktuell noch nicht erkennbar. Sollte dies allerdings der Fall sein, wird das dazu führen, dass wir auch in Europa noch weitere Regeln und Richtlinien erlassen werden müssen, um den schärferen Regeln des SOX gerecht zu werden. 4. Gibt es in der internationalen Finanzierung noch das Konzept der „Hausbank“, d.h. einer Bank, über die ein Großteil des internationalen Finanzierungsgeschäfts abgewickelt wird? Wie gestaltet sich heute das Verhältnis zwischen Banken und Unternehmen? Die Bindung an eine einzelne Hausbank ist ein eher mittelständisches Konzept. Bilfinger als MDax-Unternehmen benötigt hohe Volumina flexibler Cash- und Avallinien, durch die wir einen Großteil der Finanzierungsmittel im Bankenmarkt mit mehreren Partnern realisieren. Wir verfolgen daher eher ein Kernbankkonzept, d.h. eine intensive Zusammenarbeit mit einer ausgewählten Gruppe von Banken. Hierbei stellen die Kernbanken dem Unternehmen die erforderlichen Finanzierungsmittel zu attraktiven Konditionen zur Verfügung, während das Unternehmen sonstige Bankdienstleistungen im Gegenzug bevorzugt bei den Kernbanken in Anspruch nimmt. Durch die Kombination von Kreditgeschäft und sonstigem Finanzdienstleistungsgeschäft entsteht für die Kernbanken die Perspektive zur Generierung zusätzlicher Erträge und damit die Bereitschaft zu einem wettbewerbsorientierten Pricing des Finanzierungsgeschäfts. Insofern sehen wir im Kernbankenansatz Vorteile zu einem reinen „best-of-breed“-Ansatz, d.h. einer breitangelegten, ausschließlich preisorientierten Ausschreibung sonstiger Bankdienstleistungen. Diese findet aus Gründen der Wettbewerbsintensivierung ebenfalls statt, bleibt jedoch auf die Kernbankengruppe beschränkt. Um den Banken ein adäquates Ertrags-Risiko-Profil zu ermöglichen, erfolgt vonseiten Bilfinger eine aktive Steuerung der Geschäftsbeziehungen. Hierbei schätzen wir auf Basis der risikogewichteten Aktiva der Bank sowie deren Gesamterträgen aus Finanzierungs- und Dienstleistungsgeschäft die Gesamtrentabilität der Geschäftsbeziehung und berücksichtigen dies bei der Vergabe von Zusatzgeschäften. Zusätzlich erfolgt eine aktive Bin- <?page no="596"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 573 dung der Banken an Bilfinger über eine offene Informationspolitik - es wird beispielsweise halbjährlich ein Factbook mit Unternehmensinformationen zur Verfügung gestellt sowie zweimal pro Jahr ein Informationstag mit Teilnahme der Kernbanken veranstaltet. Darüber hinaus ist den Banken innerhalb des Kernbankkonzepts eine bestimmte Rolle zugewiesen, wodurch auf ihre Expertise entsprechend zurückgegriffen werden kann: Große, global aufgestellte Banken beispielsweise haben die nötige Erfahrung und Kapazität, um Kapitalmarkt- und M&A-Transaktionen zu begleiten, während andere Häuser über ein essenzielles Netzwerk in bestimmten Regionen verfügen. 5. Welche Vorteile sehen Sie bei der Finanzierung von internationalen Großprojekten mit lokalen Banken vor Ort zusammenzuarbeiten? Gibt es hier Unterschiede zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern bzw. zwischen privatwirtschaftlichen und staatlichen Projekten? Es bestehen klare Vorteile darin, bei der Finanzierung von internationalen Großprojekten auch mit lokalen Banken vor Ort zusammenzuarbeiten. Es ist nicht zu unterschätzen, wie wertvoll die lokale Erfahrung und das vorhandene lokale Netzwerk der Banken bei Großprojekten fern vom Heimatmarkt für die erfolgreiche Realisierung des Vorhabens sind. Daher sind wir grundsätzlich bestrebt, dieses Netzwerk der Banken auf den unterschiedlichen Ebenen insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern zu nutzen. In Indien beispielsweise werden wir im Rahmen der Übernahme und Integration des Industriedienstleisters NeoStructo aus diesen Gründen auch mit lokalen Banken zusammenarbeiten. Diese Aspekte spielen jedoch genauso im Inland eine Rolle. So binden wir in Deutschland beispielsweise bei der Finanzierung von kleineren ÖPPs (Öffentlich-private Partnerschaften) häufig lokale Sparkassen ein, da diese ebenfalls über ein ausgeprägtes lokales Netzwerk verfügen. 6. Welche Bedeutung hat das internationale finanzwirtschaftliche Risikomanagement in Ihrer Branche? Das internationale finanzwirtschaftliche Risikomanagement hat einen hohen Stellenwert für alle global aufgestellten Unternehmen. Bei Bilfinger als internationaler Dienstleister wird ein großer Teil unserer Wertschöpfung in anderen Währungen erbracht. In volatilen Währungsmärkten spielt das Währungsrisiko daher eine besondere Rolle. Ebenso ist das internationale Cash-Management zur Optimierung von Finanzströmen und Finanzpositionen von großer Bedeutung. Sofern außerhalb des zentralen Cash-Managements Liquidität von dezentralen Einheiten vorgehalten wird, werden diese Finanzpositionen wöchentlich erfasst und in das konzernweite Reporting integriert. Last but not least ist auch das Kontrahentenrisiko - in Bezug auf Finanzkontrahenten wie Banken, Wertpapieremittenten etc. - ein wichtiges Thema. Es ist vor allem mit der Finanzkrise noch stärker in den Fokus gerückt und wird bei Bilfinger zentral überwacht und aktiv gemanagt. Wesentliches Kriterium ist hier das Rating der Finanzierungspartner, welches <?page no="597"?> 574 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement grundsätzlich mindestens „A-“ betragen muss. Sollten Mindestanforderungen jedoch im Einzelfall nicht eingehalten werden können, sind eng limitierte Ausnahmen im Rahmen differenzierter Limits für Finanzkontrahenten möglich. So finden wir beispielsweise gerade in Emerging Markets nicht immer solche Banken, die unseren Ansprüchen vollumfänglich genügen. Sollte das Rating eines Finanzkontrahenten unter das erforderliche Niveau fallen, kommt es automatisch zur „Eskalation“, z.B. durch Abzug von Anlagegeldern oder Verkauf von Schuldtiteln. Insgesamt wird das finanzwirtschaftliche Risikomanagement durch ein umfassendes vierteljährliches Berichtswesen auf Vorstandsebene sowie monatliche Forecasts abgerundet. 7. Was sind die zentralen Herausforderungen des internationalen Finanzmanagements in der Zukunft? Wir stellen fest, dass sich die globale Bankenlandschaft in einem erheblichen Wandlungsprozess befindet. Die zunehmend strengere Regulierung der Banken führt dort zu einem restriktiveren Umgang mit den risikogewichteten Aktiva und einem konsequenten Management des regulatorischen Eigenkapitals. Teilweise hinterfragen die Institute sogar ihre bisherigen Geschäftsmodelle im Hinblick auf Produktportfolio oder regionale Präsenz. Der hieraus entstehende Veränderungsprozess stellt eine besondere Herausforderung für das internationale Finanzmanagement dar. Insofern wird die weitere Diversifikation der Finanzierungsquellen für uns auch künftig eine hohe Bedeutung haben. Außerdem erwarten wir, dass das finanzielle Risikomanagement z.B. mittels OTC („over-the-counter“) Derivaten infolge der strengeren Bankenregulierung teilweise deutlich teurer werden wird. Infolgedessen werden wir als Unternehmen in diesem Bereich vermehrt administrative Ressourcen zur Erfüllung der regulatorischen Vorgaben bereitstellen müssen, obwohl wir ausschließlich eine Absicherung unseres Grundgeschäfts vornehmen. <?page no="598"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 575 1 Controlling im internationalen Unternehmen 1.1 Grundkonzept des Controllings und Besonderheiten im internationalen Umfeld Controlling umfasst die Koordination der Planung und der Kontrolle sowie die Informationsversorgung des Führungssystems des Unternehmens (Horváth, P., 2012). Durch diese umfassende Funktion kommen dem Controlling gerade im internationalen Umfeld zentrale Aufgaben zu. Während in Länderniederlassungen in vielen Fällen historisch gewachsene und national geprägte Controlling- und Reportingstrukturen vorherrschen, ist das internationale Unternehmen auf einen gewissen Grad an länderübergreifender Vereinheitlichung angewiesen. Gerade diese Notwendigkeit macht jedoch ein einheitliches Verständnis von Controlling unabdingbar. Der Begriff des Controllings ist dabei durch eine große Vielfalt geprägt. In der deutschen Literatur liegt ähnlich wie in der amerikanischen eine große Anzahl von verschiedenen Definitionen des Controllings vor. Diese Definitionsvielfalt ist hauptsächlich durch die relativ späte Beschäftigung der Betriebswirtschaftslehre mit dem Controlling und der schwierigen etymologischen Interpretation des Wortstamms „control“ entstanden (Stoffel, K., 2002). Man kann grundsätzlich zwischen einem strategischen und operativen Controlling unterscheiden. Das strategische Controlling beinhaltet eine ergänzende und unterstützende Funktion für die strategische Führung. Es verfolgt dabei das mittelbare Ziel, den Aufbau eines ausreichenden Erfolgspotenzials zu initiieren und dann für dessen Sicherung Sorge zu tragen (Baum, H.G./ Coenenberg, A.G./ Günther, T., 2007). Zudem zielt das strategische Controlling darauf ab, eine langfristige Existenzsicherung des Unternehmens zu gewährleisten. Dazu setzt es Führungsleistungen und Führungsdienstleistungen ein (Baum, H.G./ Coenenberg, A.G./ Günther, T., 2007). Davon kann das operative Controlling abgegrenzt werden, dessen wesentliche Unterschiede zum strategischen Controlling in Abbildung 269 zusammengefasst sind. Abbildung 269: Unterschiede zwischen strategischem und operativem Controlling Quelle: Horváth, P., 2012 <?page no="599"?> 576 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Das Controlling bei internationaler Tätigkeit wird, verglichen mit einem rein nationalen Controlling, durch eine Vielzahl von Faktoren erschwert (Pohle, K., 2002). Lokale Gesetze, landesspezifische Besonderheiten der Mitarbeiter oder der Kunden, unterschiedliche Währungen oder andersartige Rechnungslegungsvorschriften sind unter anderem Herausforderungen, denen sich eine international tätige Unternehmung stellen muss. Diese unterschiedlichen und differenzierenden Einflüsse, sei es in soziokultureller, politischer, wirtschaftlicher, rechtlicher oder ökonomisch-technischer Hinsicht, müssen bei einer international ausgerichteten Gesamtunternehmenspolitik berücksichtigt werden. Diese soll ein Mindestmaß an Einheitlichkeit sicherstellen, um Globalisierungsvorteile und Synergieeffekte zu realisieren. Die Forschung im Bereich des Controllings bietet weltweit kein einheitliches Bild. In Deutschland beispielsweise wurde von der ausländischen Controllingforschung und -praxis kaum Notiz genommen und es wurden weitgehend unabhängig Controllingkonzepte entwickelt (Stoffel, K., 2002). In Japan wird eine Controllingforschung fast gänzlich vernachlässigt oder nur in Teilbereichen des Controllings, z.B. dem Target Costing, angesprochen (Horváth, P., 2012; Takeyuki, T., 1997). Die USA werden zwar als Mutterland des Controllings zitiert, der davon ausgehende Einfluss auf die deutsche Sichtweise ist allerdings nur begrenzt. Selbst zu Frankreich bestehen kaum Austauschbeziehungen neuer Forschungsergebnisse (Stoffel, K., 2002). Ein Vergleich der Systeme aus dem angelsächsischen Raum, den nordischen, deutschsprachigen, romanischen und asiatischen Ländern zeigt, dass das angelsächsische und das deutsche System in der Welt bestimmend sind (Radebaugh, L.H./ Gray, S.J., 2006). Die Hauptunterschiede zwischen der Einordnung und Ausgestaltung des Controllings in Deutschland und den USA lassen sich einer Untersuchung von Stoffel zufolge folgendermaßen zusammenfassen (Stoffel, K., 2002): Es ist festzustellen, dass in deutschen Unternehmen der Controller weitaus höher in der Unternehmenshierarchie angesiedelt ist. Eine Trennung der Bereiche Controlling und Finanzen ist in deutschen Unternehmen häufiger zu finden. Der Aufgabenschwerpunkt des Controllings liegt in Deutschland bei der Budgetierung, der operativen Planung, dem internen Berichtswesen, der Investitionsrechnung, dem internen Rechnungswesen und der strategischen Planung. In den USA hingegen bietet sich ein deutlich anderes Bild. Hier liegen die Schwerpunkte beim externen Rechnungswesen, dem internen Rechnungswesen, gefolgt vom internen Berichtswesen und der Budgetierung. Daneben fallen dem Controlling weitere Aufgaben zu, die dem von deutschen Unternehmen nur selten zugeordnet werden. Anzuführen sind hier die Debitorenbuchhaltung, die Steuerplanung und -verwaltung, Versicherungen und der EDV-Bereich. Im Bereich des strategischen Planungs- und Kontrollprozesses zeigt sich eine starke Beteiligung des Controllings in deutschen Unternehmen, wohingegen in den USA eine geringere Beteiligung festzustellen ist. Vergleicht man die Beurteilungsmaßstäbe, die US- und deutsche Konzerne im internationalen Con- <?page no="600"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 577 trolling zur Beurteilung ausländischer Töchter anlegen, dann zeigt sich eine grundsätzliche Komplementarität (Pausenberger, E., 1996). Japan ist in seinem Controllingverständnis stark durch die Kostenrechnung geprägt. Besonders ausgeprägt ist die starke Ausrichtung aller Aktivitäten japanischer Unternehmen am Markt, welche sich nicht zuletzt im Konzept des Target Costing verdeutlicht. Ebenso beobachtbar sind eine Verbindung der Kostenrechnung mit strategischen Elementen und die Zuwendung zu zukunftsorientierten Daten. Soll-Ist-Vergleiche spielen nur eine untergeordnete Rolle. In Japan werden Mitarbeiter vermehrt zum Selbstcontrolling angehalten. Informationen werden möglichst allen Mitarbeitern zugänglich gemacht. Das japanische Kostenrechnungssystem ist einfacher als die westlichen Systeme und es steht eine effiziente Kosten(vor)-steuerung und Kostensenkung im Mittelpunkt. Das japanische Rechnungswesen ist durch ein hohes Maß an Pragmatismus und Einfachheit geprägt. Somit lässt sich sagen, dass das Controlling der Unterstützung von Führungsaufgaben durch Planung, Kontrolle, Analyse und Entwicklung von Handlungsalternativen zur Steuerung des Betriebsgeschehens dient. Das Controlling im internationalen Unternehmen soll die einheitliche Steuerung der Gesamtunternehmung durch Koordination, Überwachung und Unterstützung der ausländischen Tochtergesellschaften ermöglichen. Damit ist das Controlling auch zuständig für die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsanalysen für die verschiedenen Gestaltungsformen der Auslandsaktivitäten (vgl. Kapitel „Internationalisierungsstrategien“). Das Controlling im internationalen Unternehmen erfüllt im Einzelnen folgende Funktionen (Blödorn, N., 1998; Schmidt, A., 1987): (1) Abstimmung der Ergebnis-, Finanzsowie Leistungsziele und -pläne der Tochtergesellschaften mit den Zielen und Plänen des Gesamtkonzerns, (2) Kontrolle der Zielerfüllung der Tochtergesellschaften und gegebenenfalls Einleitung von Steuerungsmaßnahmen bei Abweichungen von den Konzernzielvorstellungen, (3) Entlastung des kaufmännischen Managements der Tochtergesellschaften und der Konzernzentrale in Bezug auf Steuerungsaufgaben, (4) frühzeitiges Aufdecken von Stärken und Schwächen der Tochtergesellschaften, (5) Unterstützung der Tochtergesellschaften mit Führungsinformationen und betriebswirtschaftlicher Beratung und (6) Sicherstellung eines konzerneinheitlichen Entscheidungsverhaltens. Diese Funktionen fallen bei einem Vergleich des internationalen mit dem nationalen Controlling in einem größeren Umfang an. Bei der Ausgestaltung dieser Funktionen ergibt sich für das internationale Controlling eine Reihe von Besonderheiten (Kenter, M.E., 2003; Funk, W./ Rossmanith, J., 2011): <?page no="601"?> 578 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement (1) Unterschiede zwischen den Inflationsraten, den Zinssätzen und den Wechselkursen führen, wie bereits gezeigt wurde, zu Umrechnungs-, Interpretations- und Konsolidierungsproblemen. Diese werden oft dadurch erschwert, dass die benutzten Indizes durch wirtschaftspolitische Maßnahmen des Gastlandes (z.B. Preisregulierungen) verzerrt werden. Diese Probleme entstehen vorwiegend in Entwicklungs- und dabei insbesondere in Hochinflationsländern. (2) Bestehende Berichtssysteme sind oft inkompatibel. Dies gilt insbesondere dann, wenn im Ausland Unternehmen neu erworben wurden. (3) Es besteht ein Abgleichungsbedarf mit den jeweiligen nationalen, internen und externen Rechnungslegungspraktiken. (4) Kulturelle Unterschiede führen zu verschiedenen Planungsmentalitäten. Sprachliche Unterschiede verstärken ebenfalls Probleme und Missverständnisse. (5) Durch den Umfang und die Besonderheiten des internationalen Controllings entstehen hohe personelle und technische Anforderungen, damit eine Entscheidungsorientiertheit sowie eine Strategie- und Organisationskonformität erreicht werden. 1.2 Ausrichtung des internationalen Controllings 1.2.1 Organisation des Controllings im internationalen Unternehmen Die organisatorische Gestaltung des Controllings im internationalen Unternehmen hängt u.a. von der Unternehmensgröße, der Organisationsform des Unternehmens, dem Entwicklungsstadium des Controllingkonzeptes sowie sonstigen Einflussfaktoren wie Führungsstil, Unternehmenswachstum, Rechtsform, Umweltbedingungen oder Fertigungs- und Absatzprogramm ab. Die spezifische Organisationsstruktur der Unternehmung beeinflusst die organisatorische Einordnung des Controllings. Da der Komplexitätsgrad der Probleme im internationalen Unternehmen sehr groß ist, spricht vieles dafür, den Controller in der Unternehmenshierarchie hoch anzusiedeln. Bei der Einordnung des Controllings in die Organisation muss vor allem der Konflikt zwischen Führungsaufgabe („involvement“) und Unabhängigkeit von derselben („independence“) berücksichtigt werden. Werden dem Controlling auf der einen Seite keine Führungskompetenzen gewährt, verkommt es zu einem reinen Informationsdienst. Dann wird das Potenzial, welches ein Controlling dem Unternehmen bieten kann, nur unzureichend genutzt. Wird jedoch auf der anderen Seite dem Controlling eine zu weit reichende Führungskompetenz übertragen, ohne dabei auf die Unabhängigkeit des Controllings zu achten, besteht die Gefahr, dass das Controlling zum eigentlichen Machtzentrum im Unternehmen wird. Damit würde ein Interessenkonflikt bezüglich der Kontroll- und Überwa- <?page no="602"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 579 chungsfunktion des Controllings entstehen (Weber, J./ Schäffer, U., 2011). Dies kann durch einen klar abgegrenzten Aufgabenbereich und eine gleichberechtigte Einordnung des Controllings neben die anderen Funktionsbereiche vermieden werden (Hans, L./ Warschburger, V., 1996). In einem internationalen Unternehmen kann man zwischen verschiedenen Controllerarten unterscheiden. Der Zentralcontroller ist bei der Konzernmuttergesellschaft angesiedelt, der Divisionscontroller unterstützt das Divisionsmanagement, der Funktionscontroller bearbeitet funktionale Aufgaben wie Einkauf, Vertrieb oder Produktion und der Projektcontroller ist für die Planungs- und Steuerungsaufgaben bei Projekten verantwortlich (Weber, J./ Schäffer, U., 2011). Die einzelnen Stellen der Organisation können generell in Stabs- und Linienstellen (Instanzen) und Sonderformen wie z.B. Managementteams oder Ausschüsse unterschieden werden. Einige Controllingstellen sind als Querschnittsbereich organisiert. Dies wird auch als Dotted-Line-Prinzip bezeichnet. Charakteristisch hierfür ist eine Teilung der fachlichen und disziplinarischen Weisungsbefugnisse. Die Querschnittsstellen haben dadurch gleichzeitig Stabs- und Liniencharakter, worin sich die Aufgabenstruktur des Controllers widerspiegelt. In deutschen Unternehmungen sind knapp 47% der Controllingstellen als Linie eingerichtet, 40% als Stab, während lediglich 8% der Unternehmen diese Stelle als Querschnittsbereich aufgebaut haben. Der Trend geht weg von der Stabsfunktion hin zur Einordnung des Controllers in die Linie. Die Vor- und Nachteile unterschiedlicher organisatorischer Einbindungen des Controllings sind in Abbildung 270. Beim Controlling im internationalen Unternehmen kann zwischen den beiden Extremen einer zentralen und dezentralen Organisationsform unterschieden werden. Bei einer zentralen Organisation des Controllings erfolgt i.d.R. eine disziplinarische und fachliche Zuordnung unter den Bereich Rechnungswesen/ Controlling mit teilweisen fachlichen Befugnissen im Bereich Finanzwirtschaft/ Beteiligungen. Zwar besteht die Gefahr, dass es dabei zu Kompetenzüberschneidungen kommt, jedoch kann der Controller das Rechnungs- und Finanzwesen für Planungs- und Kontrollzwecke benutzen und diese mit den Konzernzielen in Übereinstimmung bringen. Beim dezentralen Controlling im internationalen Unternehmen wird i.d.R. der Controller der Tochtergesellschaft fachlich dem Controller der Muttergesellschaft und disziplinarisch dem Auslandsmanagement unterstellt. Auf diese Weise ist der ausländische Controller eng in die Entscheidungen des Auslandsmanagements eingebunden, jedoch sind in diesem Falle klare Regelungen zur Kompetenzabgrenzung erforderlich (Büter, C., 2010). Im Hinblick auf die Unternehmensgröße und die Organisationsstruktur von international tätigen Unternehmen wird in der Literatur vorgeschlagen, dass bei kleinen, verrichtungsorientierten Unternehmen die Einrichtung eines Funktionsbereiches Controlling sinnvoll <?page no="603"?> 580 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement ist. Bei großen, divisional organisierten Unternehmen, wie es international agierende Unternehmen in der Regel sind, wird die Einrichtung einer zentralen Controllingabteilung auf der obersten hierarchischen Ebene empfohlen, wobei von dort aus Sparten- und Bereichs- Controller eingesetzt werden (Gleich, R./ Michel, U., 2007). Abbildung 270: Vor- und Nachteile unterschiedlicher organisatorischer Einbindungen des Controllings Neben der Frage der Zentralisation oder Dezentralisation ist zu überprüfen, ob eine Stabs- oder Linieninstanz für das Controlling im internationalen Unternehmen gewählt werden soll. So kann das Controlling einerseits dem Vorstand als Stabsstelle zugeordnet werden. Diese Stabsstelle ist dann funktionsbzw. objektneutral und kann daher eine ressortübergreifende Koordinationsaufgabe wahrnehmen. Da das Controlling bei dieser organisatorischen Einordnung nicht unmittelbar am Zielbildungsprozess beteiligt ist, kann es die Unternehmensführung am besten kontrollieren. Andererseits kann der Controller Mitglied der Geschäftsführung sein. Als eine Möglichkeit für die institutionelle Gestaltung des Controllings im internationalen Unternehmen, die die Anforderungskriterien Aufgabenorientierung, Unabhängigkeit, Autorität und Weisungsbefugnis berücksichtigt und trotzdem ein einheitliches Organisationskonzept für internationale Unternehmen ermöglicht, ergibt sich (Ziener, M., 1985): das Controlling wird in Form einer Zentralabteilung geführt, die Führung erfolgt durch einen Controller, der im obersten Führungsorgan der jeweiligen Managementebene vertreten ist, <?page no="604"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 581 der Controller ist mit beschränkten funktionalen Weisungsbefugnissen gegenüber Linieninstanzen ausgestattet und es erfolgt eine disziplinarisch und funktional getrennte Doppelunterstellung für das Divisions- und Tochtergesellschaftscontrolling. Abbildung 271 gibt beispielhaft eine solche Ein-Linien-Organisationsstruktur mit integrierter Produktstruktur wieder. Abbildung 271: Ein-Linien-Organisationsstruktur Quelle: Ziener, M., 1985 Für eine Ein-Linien-Organisationsstruktur des Controllings im internationalen Unternehmen spricht, dass die Aufgabenorientierung mithilfe einer räumlichen und funktionalen Dezentralisierung erfolgt, jedoch gleichzeitig eine Zentralisierung zur Gewährleistung einer Vereinheitlichung der Planungs-, Kontroll- und Informationssysteme sowie zur Herbeiführung einer gesamtunternehmensbezogenen Orientierung aller Funktionsebenen vorgenommen wird. Das Controlling leistet einerseits fachliche Beratungsdienste für die Linie, ohne selbst in die Steuerung einzugreifen, und löst andererseits Koordinationsaufgaben, die ein direktes steuerndes Eingreifen gegenüber den Linieninstanzen notwendig machen. Es gibt in der Praxis je nach Organisationsstruktur verschiedene Controller: den Controller in der Zentrale, den Funktionalcontroller (z.B. für Marketing), den Divisionscontroller (z.B. für Produktionssparte A) und den Regionalcontroller (z.B. in den ausländischen Tochtergesellschaften). In der Zentrale hat der Controller die Aufgabe, die Konzernführung bei ihren Entscheidungen zu unterstützen. Dies bedingt starke Vereinheitlichungs- und Integrationstendenzen hinsichtlich der Planung, Kontrolle und Informationsversorgung. Dabei bereiten vor allem die Auswahl und Verdichtung von laufenden operativen Informationen zu strate- <?page no="605"?> 582 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement gisch relevanten Informationen und die zeitliche und inhaltliche Koordinierung von Planung und Kontrolle Probleme. Im Einzelnen umfassen die Richtlinienkompetenzen des Zentralcontrollers die folgenden Bereiche (Gerberich, C.W., 1987): (1) Aufbau einheitlicher Begriffe, Definitionen (einheitliche Terminologie) und die Einführung einer einheitlichen Planungssprache, um ein „Wir-Gefühl“ zu schaffen, (2) die Festlegung von Controllingrichtlinien, (3) die Einführung von Planungs- und Berichtssystemen und (4) die Aufgaben der Koordination. Die Divisionscontroller haben zwei unterschiedliche Aufgaben. Sie müssen gegenüber den Tochtergesellschaften eine koordinierende Funktion wahrnehmen und die Muttergesellschaft informieren und beraten. Dabei kann es zu dem Dilemma kommen, dass der Divisionscontroller zur Verbesserung der Koordinationsfähigkeit des Divisionsmanagements beitragen und gleichzeitig Aufgaben übernehmen muss, die er von der Zentrale bekommt. Falls Zentrale und Divisionsmanagement unterschiedliche Zielvorstellungen verfolgen, muss der Divisionscontroller für einen Konsens zwischen beiden Parteien sorgen. 1.2.2 Standardisierung oder Differenzierung des Controllings Die Unterstützung des lokalen Managements durch das internationale Controlling findet auf strategischer und operativer Ebene statt. Das Hauptaugenmerk des strategischen Controllings ist die langfristige Existenzsicherung des Unternehmens durch die Nutzung von Erfolgspotenzialen (Baum, H.G./ Coenenberg, A.G./ Günther, T., 2007). Die Hauptausrichtung des operativen Controllings ist die Gewinnerzielung (Horváth, P., 2012). Im internationalen Unternehmen besteht die Gefahr, dass die Tochtergesellschaften eigenständige Geschäftspolitiken verfolgen und damit ein konzerneinheitliches Führungskonzept erschwert wird. Vor diesem Hintergrund muss das internationale Unternehmen entscheiden, ob eher eine Standardisierung oder eine Differenzierung des internationalen Controllings angestrebt werden soll. Eine Differenzierung des Controllings im internationalen Unternehmen ist durch folgende Merkmale charakterisiert: (1) Inhalte und Schwerpunkte des Controlling der Muttergesellschaft und der ausländischen Tochtergesellschaften sind sehr unterschiedlich, (2) es kommen unterschiedliche Instrumente des Controllings zum Einsatz, (3) das Controlling ist räumlich bzw. zeitlich differenziert, (4) das Controlling ist den einzelnen Linienmanagern im Ausland unterstellt und (5) der Controller ist meist ein Einheimischer. Bei einer Standardisierung des Controllings im internationalen Unternehmen ergeben sich die folgenden Merkmale (Ziener, M., 1985): <?page no="606"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 583 (1) das Controlling hat bereichsübergreifende Aufgaben, die das gesamte Unternehmen betreffen, (2) die Leistungen des Controllings sind unternehmensweit sehr ähnlich, (3) die Organisation des Controllings ist weitgehend zentralisiert, die lokalen Controllingeinheiten unterstehen der Zentrale und (4) die regionalen Controller kommen meist von der Muttergesellschaft. Die Standardisierung und die Differenzierung stellen Extreme möglicher Gestaltungsformen des internationalen Controllings dar. Im folgenden Abschnitt wird der Einfluss der Kultur auf das internationale Controlling diskutiert. 1.2.3 Controlling und Kultur Da das Controlling Bestandteil des Führungssystems ist, ist auch die Controllingkultur in die jeweils übergeordnete Unternehmenskultur eingebettet, was zu einer hohen Korrelation zwischen den beiden Kulturen führt (Hoffmann, W./ Niedermar, R./ Risak, J., 1996). Der Zusammenhang zwischen verschiedenen Controllingkultur-Typen und Unternehmenskultur-Typen ist in der folgenden Abbildung 272. Das vierte Feld in Spalte zwei zeigt beispielsweise auf, dass ein Controlling mit einem hohen strategischen Anteil oft in „Bet your company“-Unternehmen anzutreffen ist, d.h. in Unternehmen, die sich durch Neigung zu Expertentum, Technologie und genaue Analysen auszeichnen (Witt, F.J., 1997). Die Beziehung zwischen dem Controlling und der Unternehmenskultur geht jedoch in beide Richtungen. Erfordern z.B. sich ändernde Umweltbedingungen eine Änderung der Unternehmenskultur, muss diese vom Controller eingeleitet und begleitet werden. Abbildung 272: Zusammenhang zwischen Controllingkultur- und Unternehmenskultur-Typen Quelle: Witt, F.J., 1997 <?page no="607"?> 584 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Neben der Unternehmenskultur hat auch die Persönlichkeit eines Controllers Einfluss darauf, wie das Controlling in einem Unternehmen wirkt. Zünd unterscheidet dazu drei Controllertypen. Der Controller als „Registrator“ handelt mit hohem Vergangenheitsbezug in einer relativ stabilen Umwelt. Ein anderer Controllertyp, der „Navigator“, tritt in einer begrenzten dynamischen Umwelt auf. Schließlich grenzt Zünd noch einen Controllertyp „Innovator“ ab, der in einer extrem dynamischen Umwelt aktiv an Problemlösungsprozessen teilnimmt und einen stark in die Zukunft gerichteten Fokus aufweist (Ruthekolck, T., 1997; Zünd, A., 1985; Barth, T./ Barth, D., 2008; Horváth, P., 2012). Die Dynamisierung der Umwelt führt zu einem zunehmenden Bedarf an Innovator-Controllertypen, die sich an zukünftigen Abläufen und Ereignissen orientieren und versuchen, im Rahmen der Steuerungsfunktion diese Zukunftsfaktoren in den Griff zu bekommen. Die Vergangenheit, die vom Finanz- und Rechnungswesen systematisch aufgezeigt wird, interessiert diesen Controller nur insoweit, als sie Steuerungsimpulse für die Zukunft liefert. Vergangene Ereignisse bilden insofern als Kontrollinformation den Einstieg für die Erarbeitung zukünftiger Steuerungsmaßnahmen (Schröder, E.F., 2003). Aus der informalen Controllingkultur und den Anforderungen an die Person des Controllers sollte ein Controllingleitbild entwickelt und schriftlich festgehalten werden (Witt, F.J., 1997). Die „weichen“ Faktoren werden dadurch greifbar und vermittelbar. Zusammen mit dem Controllingsystem als „hartem“ Einflussfaktor sind das Haupteinflussgrößen, die darüber entscheiden, wie das Controlling in einem Unternehmen „gelebt“ wird. Eine Führungsphilosophie in internationalen Unternehmen ist immer geprägt von den jeweiligen Menschenbildern. Hinter jeder Managementphilosophie steckt ein bestimmtes Menschenbild. Hierbei stellt sich die Frage, ob sich ein bestimmtes Führungskonzept in andere Kulturkreise übertragen lässt. So unterscheidet beispielsweise Huntington westliche, lateinamerikanische, orthodoxe, islamische, afrikanische, hinduistische, konfuzianische, buddhistische und japanische Zivilisationskreise (Huntington, S.P., 2002). Stellt man sich nun ein komplexes globales Unternehmensnetzwerk, welches in mehreren Zivilisationskreisen tätig ist, vor, so erscheint ein länderübergreifendes einheitliches Führungskonzept schwer realisierbar. Ein „Management-by-objectives“ oder eine Ausrichtung an kurzfristigen Erfolgsgrößen wird dann beispielsweise vor diesen diversen kulturellen Hintergründen zu einem komplexen Problem. Globale Controllingsysteme als Teil eines Führungssystems stehen vor der gleichen Problematik. Vor allem die Frage der Zielsteuerung globaler Unternehmen wird dabei aufgeworfen. Welches Zielsystem soll verwendet werden: das amerikanische Shareholder-Value- Prinzip, das mehr europäisch geprägte Stakeholder-Value-Konzept, das japanische bzw. südostasiatische Modell einer gemanagten Wirtschaft oder das einer sozialistischen Marktwirtschaft, wie sie bspw. in China vorherrscht? Eine japanisch geprägte Sichtweise, dass die Mitarbeiter Eigentümer des Unternehmens sind, macht die Einführung eines Shareholder- <?page no="608"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 585 Value-Konzeptes beispielsweise schwer möglich. Kulturelle Unterschiede erschweren somit die Ausgestaltung eines globalen Controllings (Perlitz, M., 1997). Wie schon bei Hofstede gezeigt, lässt sich der Kulturbegriff anhand verschiedener Dimensionen veranschaulichen. Im Zusammenhang mit dem internationalen Controlling stellt sich nun die Frage, ob kulturelle Aspekte einen Einfluss auf die Gestaltung des Controllings ausüben. Diese Fragestellung wird besonders bei internationalen Unternehmensakquisitionen, -kooperationen und -zusammenschlüssen relevant (Cartwright, S./ Cooper, C.L., 2000; Stüdlein, Y., 1997), da in diesen Fällen unterschiedliche Controllingsysteme aufeinanderstoßen. Gerade bei einer Standardisierung des internationalen Controllings ist daher die Möglichkeit eines weltweit einheitlichen Controllingsystems zu untersuchen. Die Auflistung und Gegenüberstellung der einzelnen Kulturdimensionen von Hofstede für einige ausgewählte Länder veranschaulicht die Problematik einer Standardisierung des Controllings nochmals (vgl. Abbildung 273). Es wird deutlich, dass kein Land in allen vier Dimensionen einem anderen entspricht. Auf der einen Seite wird der Kultur ein Einfluss auf die Ausgestaltung von Managementsystemen abgesprochen. Auf der anderen Seite wird Kultur immer wieder als wesentliche Einflussvariable für die Ausprägung organisatorischer Systeme angesehen (Pablo, A.L., 1994). Verfolgt man die letztgenannte Meinung, so wird die durch die kulturellen Unterschiede hervorgerufene Komplexität einer Gestaltung eines globalen Controllingsystems deutlich. Die Entwicklung eines Controllingsystems für internationale und stark vernetzte Unternehmen ist somit eine der komplexesten Aufgaben des internationalen Managements. 1-35: niedrig; 36-70: mittel; > 70: hoch Abbildung 273: Kulturindizes nach Hofstede <?page no="609"?> 586 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement 1.3 Ausgewählte Einzelprobleme 1.3.1 Ausgestaltung von Technologieverträgen Eine weitere Aufgabe kann dem Controlling aus dem Abschluss eines internationalen Technologievertrages zukommen, wenn die Gebühr an eine erfolgsabhängige Bemessungsgrundlage gebunden ist. Dann muss das inländische Unternehmen diese Bemessungsgrundlage beim ausländischen Partnerunternehmen überprüfen. Da die Technologiegebühren an die Absatzmenge, den Umsatz, den Deckungsbeitrag oder den Gewinn vor bzw. nach Steuern gebunden sein können, muss der ausländische Partner diese Daten offenlegen. Damit entsteht für den ausländischen Partner ein Informationsrisiko, da er seine Marktund/ oder Kostengrößen offenlegen muss. Neben dem Informationsrisiko müssen sich die beiden Partner auch über die Aufteilung des wirtschaftlichen Risikos einigen. Abbildung 274: Wirtschaftliches und Informationsrisiko bei internationalen Technologieverträgen Abbildung 274 gibt die Verteilung des wirtschaftlichen und des Informationsrisikos zwischen dem Technologiegeber und -nehmer wieder (Perlitz, M., 1981a). Aus ihr wird ersichtlich, dass das wirtschaftliche Risiko des Technologiegebers mit dem Informationsrisiko des Technologienehmers gleichgerichtet ist. Das wirtschaftliche Risiko des Technologienehmers verläuft jedoch umgekehrt zu seinem Informationsrisiko. In der Unternehmenspraxis wird gemeinhin die Umsatzgebühr präferiert. Bei dieser Einigung trägt der Technologiegeber das wirtschaftliche Risiko des Markterfolges, d.h., er bürgt dafür, dass seine Technologie erfolgreich vermarktet werden kann, während der Technologienehmer das Risiko übernimmt, kostengünstig zu arbeiten und Marktdaten offenzulegen. Insbesondere das Offenlegen von Marktdaten birgt für den Technologienehmer das Risiko, dass der Technologiegeber diese Informationen dazu verwendet, um über einen eigenen Markteintritt zu entscheiden. In wohl kaum einer Branche haben Technologieverträge eine ähnliche Bedeutung erlangt wie in der pharmazeutischen Industrie. Die Vergabe von Technologiebzw. Wirkstofflizenzen stellt für viele Unternehmen, welche nicht die „kritische Masse“ für eine globale <?page no="610"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 587 Vermarktung erreichen, das einzige Mittel für eine erfolgreiche Internationalisierung dar. So setzen sich beispielsweise die Erträge der deutschen Pharmafirmen Merck KGaA und Altana über lange Zeit im Wesentlichen aus den Lizenzgebühren ihrer Wirkstoffe Metformin bzw. Pantoprazol zusammen. Beide Produkte werden in den wichtigsten Märkten der Welt von strategischen Partnern wie Bristol Myers Squibb bzw. Pfizer vertrieben, welche über das notwendige globale Vertriebsnetz verfügen. 1.3.2 Verrechnungspreisbildung Die Idee der Koordination des betrieblichen Geschehens über Verrechnungspreise besitzt in der Betriebswirtschaftslehre eine lange Tradition. Schmalenbach befasst sich schon zu Beginn dieses Jahrhunderts mit dem Problem der pretialen Lenkung und seitdem hat die Thematik keineswegs an Aktualität verloren (Ewert, R./ Wagenhofer, A., 2008; Göx, R.F., 1998; Schmalenbach, E., 1908/ 09). Verrechnungspreise und Transferpreise sind Wertansätze für innerbetrieblich erstellte Leistungen (Produkte, Vorprodukte, Dienstleistungen), die an andere, rechnerisch abgegrenzte Organisationseinheiten geliefert oder von diesen bezogen werden (Hoitsch, H.J., 2007). Sie dienen der internen Erfassung des Transfers von Gütern und Dienstleistungen bzw. der Nutzung gemeinsamer Ressourcen und Märkte zwischen wirtschaftlich autonomen Einheiten (Coenenberg, A.G./ Fischer, T.M./ Günther, T., 2009). In den letzten 30 Jahren sind zahlreiche empirische Untersuchungen durchgeführt worden mit dem Ziel, die von den Unternehmen bevorzugten Verrechnungspreismethoden zu erfassen. Aufgrund der daraus gewonnenen Ergebnisse wird deutlich, dass in der Praxis vier Methoden dominieren: Marktpreise, Preise auf Vollkostenbasis, Kosten-Plus-Ansätze sowie verhandlungsorientierte Verrechnungspreise (Perlitz, M./ Krohmer, C./ Peske, T., 1999). Die in der Literatur beschriebenen Zwecke für die Bildung von Verrechnungspreisen können zu vier Gruppen zusammengefasst werden (Hoitsch, H.J., 2007; Coenenberg, A.G./ Fischer, T.M./ Günther, T., 2009; Hahn, D./ Laßmann, G., 1993): (1) Erfolgsermittlung und Motivation: Durch Verrechnungspreise werden interdependente Zentren rechentechnisch entkoppelt und das Gesamtunternehmensergebnis auf einzelne aussagefähige Bereichserfolge aufgespalten. Mit der so geschaffenen Autonomie geht eine intrinsische Motivation einher, die durch eine an das Bereichsergebnis gekoppelte Leistungsentlohnung verstärkt wird. (2) Im Zusammenhang mit einer gesamtzielorientierten Koordination dezentraler Unternehmensbereiche werden Verrechnungspreise auch als Lenkpreise bezeichnet. Über den Preismechanismus sollen autonom getroffene Entscheidungen der gewinnmaximierenden Teilbereiche zugleich zu einer Optimierung des Erfolgs des Gesamtunternehmens führen. <?page no="611"?> 588 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement (3) Im Rahmen der allgemeinen Kostenrechnungsfunktionen soll durch Verrechnungspreise der Leistungsaustausch möglichst objektiv und zweckneutral wertmäßig wiedergegeben werden. (4) Verrechnungspreise haben Bilanzierungsbzw. unternehmensexterne Funktionen wie beispielsweise Steuer- oder Ausschüttungsoptimierung. Das Hauptproblem der Verrechnungspreise liegt in ihrer Mehrfachzielsetzung. Ein Zielkonflikt besteht vor allem zwischen den ersten beiden Funktionen (Küpper, H.U., 2008). Aus diesem Grund haben viele Autoren alternative Verrechnungspreismethoden im Hinblick auf die Erfüllung unterschiedlicher Ziele untersucht (Perlitz, M./ Krohmer, C./ Peske, T., 1999). Dabei zeigt sich, dass jedes Konzept gewisse Vor- und Nachteile aufweist. Je nach Höhe der angesetzten Verrechnungspreise ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen auf die Erfolgsermittlung, Motivation und Autonomie der Bereiche sowie auf die Koordination und den wirtschaftlichen Einsatz von Ressourcen. Bei einer praktischen Anwendung sind zusätzlich noch Kriterien wie Operationalität und Akzeptanz zu berücksichtigen (Ewert, R./ Wagenhofer, A., 2008). Ein Verrechnungspreissystem muss praktikabel und für die Betroffenen einfach zu handhaben sein. Für die Akzeptanz von Verrechnungspreisen ist ausschlaggebend, dass deren Festlegung als objektiv und die daraus resultierenden Ergebnisse als fair empfunden werden. Die hier zusammengetragenen Erkenntnisse machen deutlich, dass der optimale Verrechnungspreis nicht existiert. Vielmehr müssen die Verrechnungspreisalternativen je nach Situation bezüglich ihrer Merkmale untereinander abgewogen und ausgehandelt werden: „... the transfer pricing problem is situation-specific and thus requires situation-specific solutions“ (Emmanuel, C.R./ Mehafdi, M., 1994). Die Koordination ist eine zentrale Funktion des Controllings (Horváth, P., 2012). Dafür bedarf es geeigneter Controllinginstrumente bzw. -systeme. Neben isolierten Controllinginstrumenten innerhalb der Führungsteilsysteme betrachtet Küpper die übergreifenden Instrumente des Controllings als dessen eigentliche Instrumente. Hierzu zählt er zentralistische Führungssysteme, Budgetierungssysteme, Kennzahlen- und Zielsysteme, Bereichserfolgssysteme sowie Verrechnungspreissysteme (Küpper, H.U., 2008). Abbildung 275 zeigt die Zusammenhänge zwischen den Controllinginstrumenten anhand ihrer Ausprägungen in den fünf Führungsteilsystemen. Die einzelnen Instrumente sind keine sich ausschließenden Alternativen, sondern bewegen sich auf einem Kontinuum zwischen zentralistischer und marktähnlicher Abstimmung. Meist werden in der Praxis mehrere Koordinationsinstrumente gleichzeitig eingesetzt. Verrechnungspreise sind dabei umso bedeutender, je mehr materielle oder immaterielle Güterflüsse zwischen den Bereichen bestehen. Von ihnen geht somit eine große Wirkung auf die Koordination der Gesamtorganisation aus, weil sie dadurch die Höhe der Bereichserfolge stärker beeinflussen. Verrechnungspreise können demnach als übergreifende Controllinginstrumente bezeichnet werden, die durch laterale Kooperation und marktliche Abstimmung gekennzeichnet sind. <?page no="612"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 589 Abbildung 275: Controllinginstrumente und Führungssysteme Traditionell gehen Verrechnungspreismodelle zur Lösung des Koordinationsproblems von einer symmetrischen Informationsverteilung zwischen der Zentrale und den dezentralen Einheiten aus (Emmanuel, C.R./ Mehafdi, M., 1994). Ökonomische Modelle der neoklassischen Theorie ermitteln die optimalen Verrechnungspreise durch die Maximierungsbedingung: Grenzerlös = Grenzkosten. Die Optimierung des Gesamtsystems geschieht auf Kosten der Autonomie der Bereiche. Die Folgen sind Motivationsverluste und Anreize zur Manipulation von Kosteninformationen. Modelle bei symmetrischer Informationsverteilung lösen ein Problem, welches gar nicht existiert, weil in diesem Fall die Zentrale sämtliche Informationen für eine Koordination der Bereiche kennen würde. Die realistischere Annahme asymmetrisch verteilter Informationen hingegen macht eine Delegation von Entscheidungen vorteilhaft und erfordert eine Steuerung des Verhaltens der Bereiche im Interesse der Gesamtorganisation (Ossadnik, W., 2009). Durch Delegation soll das Wissen der Bereiche für lokale Unternehmensentscheidungen genutzt werden. Allerdings birgt dieser Informationsvorsprung der Einheiten potenzielle Verhaltensunsicherheiten, die der Gesamtorganisation schaden können. Verfolgen alle Einheiten dieselben Ziele, spielt asymmetrische Information keine Rolle, weil jeder Bereich automatisch im Sinne der Gesamtorganisation handelt. Daher ist zusätzlich das Vorliegen von Interessenkonflikten die zweite entscheidende Bedingung für die Notwendigkeit einer Verhaltenssteuerung (Ewert, R./ Wagenhofer, A., 2008). Verrechnungspreise können zur Verhaltenssteuerung eingesetzt werden (Wagenhofer, A., 2006). Durch die Festlegung von Verrechnungspreisen für eine interne Leistung wird das Preisgefüge der Faktoreinsätze des abnehmenden Bereichs bzw. der Produkte des Lieferbereichs beeinflusst. Die Entscheidungsgrundlage der Einheiten wird dadurch derart manipuliert, dass infolge der Anpassung an die neue Situation ihre autonom getroffenen Ent- <?page no="613"?> 590 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement scheidungen eher den Zielen der Gesamtorganisation entsprechen. Soll beispielsweise aus Gründen der Unternehmensstrategie die Einführung neuer Produkte gefördert werden, so besteht u.U. das Problem, dass die Bereiche bereits existierende profitable Produkte bevorzugen. Für die Koordination der Bereiche müssen deshalb Verrechnungspreise derart gebildet werden, dass Vorleistungen für neue Produkte kostengünstiger erscheinen. Das Neue an dieser Form der Verhaltenssteuerung ist, dass im Vergleich zu den traditionellen Koordinationsmodellen nicht versucht wird, ein analytisch exaktes Gesamtoptimum für die Organisation zu bestimmen. Die Steuerungsinstrumente wirken weit subtiler, indem sie durch eine Veränderung der Entscheidungsgrundlagen das Engagement der Bereiche in eine Richtung lenken, die den übergeordneten Zielen der Gesamtorganisation möglichst nahekommt. Solche steuernden Verrechnungspreise werden nicht unbedingt verursachungsgerecht gebildet. Deshalb ist stets der „trade-off“ zwischen der Erfolgsermittlungs- und der Verhaltenssteuerungsfunktion zu berücksichtigen. Ein Kompromiss erfordert einen Verrechnungspreis, der in der Summe günstig ist, auch wenn er die beiden Funktionen nur partiell erfüllt. Wichtig für eine erfolgreiche Steuerung ist die Akzeptanz durch die zu steuernden Einheiten, denn die Entscheidungsträger besitzen zahlreiche Möglichkeiten, um sich der Koordination zu entziehen (Pfaff, D., 1996). Daher sollten Verrechnungspreise leicht nachvollziehbar und einfach zu ermitteln sein. In der Praxis ist neuerdings ein verstärktes Interesse an der Errichtung interner Märkte festzustellen. Unternehmen versprechen sich davon die Schaffung von mehr Unternehmertum und marktorientiertem Verhalten mit der Konsequenz einer effizienteren Leistungserstellung sowie einer Erhöhung der Transparenz des Leistungsaustauschs (Perlitz, M./ Krohmer, C./ Peske, T., 1999). Anhaltende Veränderungen in den Unternehmen, Strukturwandel und verstärkt auftretende Diskontinuitäten im Umfeld der Unternehmen führen dazu, dass sich das Controlling auch weiterhin „stürmisch“ entwickeln wird. Vor allem Veränderungen der Wettbewerbsposition, Innovationspotenziale der Informations- und Kommunikationstechnik und der Wertewandel in der Arbeitswelt und Gesellschaft werden hierbei eine bedeutende Rolle spielen. <?page no="614"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 591 2 Rechnungslegung im internationalen Unternehmen Der Erfolg einer Internationalisierungsstrategie drückt sich letztlich in den Jahresabschlüssen eines Unternehmens aus. Die Ausdehnung der wirtschaftlichen Aktivitäten über die Grenzen des Heimatlandes hinweg führt jedoch dazu, dass sich Unternehmen in zunehmendem Maße mit unterschiedlichen sozioökonomischen Rahmenbedingungen und der aus der Wirtschaftsordnung des jeweiligen Gastlandes abgeleiteten Unternehmensverfassung auseinandersetzen müssen (vgl. Abbildung 276). Abbildung 276: Beeinflussende Faktoren des Rechnungslegungssystems Quelle: Pellens, B., 2001 In vielen Ländern besteht eine Pflicht zur Unternehmenspublizität in Form einer allgemeinen Bekanntmachung von Informationen zur wirtschaftlichen Lage von Unternehmen. Diese Pflicht bezieht sich insbesondere auf die Erstellung und Veröffentlichung von periodischen und aperiodischen quantitativen und qualitativen Unternehmensnachrichten. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Veröffentlichung von Rechnungslegungsdaten, die das vergangene, gegenwärtige und/ oder zukünftig erwartete Periodengeschehen wertmäßig abbilden. Die Gesamtheit aller Regelungen, deren Auslegung sowie die ihnen zugrunde liegenden Theorien, die die Ermittlung und Veröffentlichung von Rechnungslegungsdaten steuern, werden als Rechnungslegungssystem bezeichnet. Dabei ist zu beachten, dass sich die einzelnen nationalen Rechnungslegungssysteme trotz der genannten Gemeinsamkeiten in einer Reihe von Punkten teilweise erheblich voneinander unterscheiden: Adressaten: Berücksichtigung der Interessen verschiedener Vertragspartner von Unternehmen (Eigen- und Fremdkapitalgeber, Arbeitnehmer, Staat, Öffentlichkeit) versus Dominanz Einzelner (Eigen- und Fremdkapitalgeber). <?page no="615"?> 592 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Aufgabenstellung: Ableitung von Rechtsfolgen (z.B. Einkommensbemessungsfunktion zur Ermittlung von Gewinnausschüttungen, Ertragssteuern und Managementtantiemen) versus informierenden Charakter (z.B. Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen für die Anlageentscheidungen von Kapitalgebern). Entstehung, Detaillierung und Auslegung von Rechnungslegungsnormen und der hierfür zuständigen Institutionen (Gesetzgeber und hermeneutische Auslegung durch Gerichte versus private Institutionen). Rechnungslegende Einheit: z.B. Rechnungslegungsdifferenzierung nach Rechtsform, Einzelunternehmen und Konzern, Größe, Branche und Kapitalmarktzugang. Inhalt, Umfang und äußere Form der Rechnungslegungsdaten (vergangenheitsund/ oder zukunftsorientierte Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anhang, Lagebericht, Cashflow-Statement und Segmentberichterstattung). Vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung der Märkte gewinnt die Harmonisierung der (mitunter sehr) unterschiedlichen nationalen Rechnungslegungsvorschriften jedoch zunehmend an Bedeutung. So treiben der Zugang global ausgerichteter Unternehmungen zu den internationalen Kapitalmärkten und die angestrebte Vergleichbarkeit internationaler Unternehmen untereinander die internationale Harmonisierung der Rechnungslegung voran. Abbildung 277 stellt eine Auswahl deutscher Unternehmen dar, die nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften bilanzieren. Abbildung 277: Anwendung internationaler Rechnungslegungsnormen bei deutschen Unternehmen Quelle: In Anlehnung an: Pellens, B., et al., 2011; Deutsches Rechnungslegungsstandards Committee (DRSC), 2012, online Die International Financial Reporting Standards (IFRS) sowie die bisherigen International Accounting Standards (IAS) sind ein wesentliches Instrument der weltweiten Harmonisierung der Rechnungslegung geworden. Das International Accounting Standards Board (IASB), das 2001 aus dem ehemaligen International Accounting Standards Committee (IASC) hervorging, spielt heute eine entscheidende Rolle bei der Förderung und Gestaltung des internationalen Harmonisierungsprozesses sowie bei der Entwicklung weltweit anerkannter Rechnungslegungsnormen (Ditges, J./ Arendt, U., 2006). Die nachfolgenden Abschnitte geben einen Überblick über die Entstehung sowie die wesentlichen Grundzüge der Rechnungslegung und des Jahresabschlusses nach IAS/ IFRS. <?page no="616"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 593 2.1 Historie des IASB Die Vorgängerorganisation des heutigen IASB, das IASC, wurde 1973 aus dem Bestreben einer Entwicklung weltweit anerkannter Rechnungslegungsregeln heraus als privatrechtliche Organisation in London gegründet. Gründungsmitglieder waren Berufsverbände der Accountancy Profession aus neun Ländern: Australien, USA, Großbritannien gemeinsam mit Irland, Deutschland, Frankreich, Japan, Niederlande, Kanada und Mexiko (Pellens, B., et al., 2011, 2008). Hierbei befanden sich die Länder mit einem kontinental-europäisch geprägten Rechnungslegungssystem (Code Law) in der Minderheit (3 Mitglieder) gegenüber den Ländern, deren Rechnungslegung nach dem angelsächsischen System erfolgt (Case Law) (6 Mitglieder). Aufgrund dieser ursprünglichen Zusammensetzung und Stimmverteilung im IASC (heute IASB) folgen die internationalen Rechnungslegungsstandards verstärkt der Tradition des Case-Law-Systems (Buchholz, R., 2012, 2008). Die Entwicklung der Rechnungslegungsnormen des IASB lässt sich grob in drei Phasen untergliedern. In einer ersten Phase, die von 1973 bis 1988 dauerte, entstanden nahezu alle der heute bestehenden IAS in ihrer ursprünglichen Fassung. Diese Standards waren relativ offen gehalten und mit vielen Wahlrechten versehen, was mit der Tatsache zusammenhing, dass im IASC Organisationen aus verschiedenen Staaten mit unterschiedlichen Rechnungslegungssystemen aufeinandertrafen. So waren Kompromisse zwischen den differierenden nationalen Auffassungen zur Konsensfindung notwendig (Pellens, B., et al., 2011, 2008; Achleitner, A.-K./ Behr, G., 2003). Einen Wendepunkt in der Normsetzungstätigkeit des IASC/ IASB stellte der Beginn der Zusammenarbeit mit der International Organization of Securities Commissions (IOSCO), der internationalen Dachorganisation der nationalen Börsenaufsichtsbehörden, dar. In dieser zweiten, von 1989 bis 1993 dauernden Phase wurde das Framework (Rahmenkonzept) geschaffen. Dieses steht seit seiner Verabschiedung 1989 allen IAS/ IFRS voran. In ihm werden die konzeptionellen Grundlagen der IASC/ IASB-Normsetzung erörtert. Zwar kommt dem Framework nicht die Verbindlichkeit eines Rechnungslegungsstandards zu, jedoch stellt es ein wichtiges Instrument bei der Auslegung bestehender und der Entwicklung neuer Standards dar. An die Entwicklung des Frameworks schloss sich das „Comparability-Project“ mit dem Ziel einer Erhöhung der Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen an. So wurden insgesamt 10 bestehende IAS überarbeitet und im Zuge dessen eine Vielzahl von Wahlrechten gestrichen. Dabei handelte es sich insbesondere um die kontinental-europäischen Regelungsalternativen. Ferner sollten bestehende Inkonsistenzen von Standards mit dem Framework reduziert werden (Pellens, B., et al., 2011, 2008; Achleitner, A.-K./ Behr, G., 2003). Die dritte Phase dauerte von 1994 bis 2000 und war durch das Streben nach Anerkennung sämtlicher IAS durch die IOSCO gekennzeichnet. Mit Abschluss des Comparability-Project erhoffte sich das IASC, dass die IOSCO sämtliche IAS anerkennen und ihren <?page no="617"?> 594 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Mitgliedern als Börsenzulassungsstandards hinsichtlich der Rechnungslegung empfehlen würde. Die Hoffnung nach Anerkennung einzelner Standards durch die IOSCO erfüllte sich jedoch nur äußerst bedingt. Allerdings einigten sich das IASC und die IOSCO auf ein gemeinsames Arbeitsprogramm zur Vervollständigung und Überarbeitung der IAS durch das IASC. Es wurde das sogenannte „Core Set of Standards“ definiert, das einen Mindestkanon der Rechnungslegungsstandards darstellte und den Anforderungen der IOSCO standhalten sollte. Hierdurch sollte eine vollständige Anerkennung der IAS erreicht werden. Im Dezember 1998 wurde dieses Projekt weitgehend vollendet und damit die dritte Phase zum Abschluss gebracht. Die im Mai 2000 erfolgte Akzeptanz von 30 IAS Core Standards durch die IOSCO honorierte die Arbeit des IASC (Pellens, B., et al., 2011, 2008; Achleitner, A.-K./ Behr, G., 2003). Die zunehmende Verbreitung der IAS stellte höhere Anforderungen an das IASC. Daher unterzog sich dieses mit Abschluss der Arbeit an den Core Standards einer umfassenden Reorganisation, um eine verstärkte internationale Akzeptanz zu erlangen und seine eigene Professionalität sowie seine Unabhängigkeit und Fachkompetenz zu steigern. Unter anderem sollte der große Einfluss von Wirtschaftsprüfern verringert werden. Die Reorganisation orientierte sich stark an der Struktur des US-amerikanischen Standardsetters, dem Financial Accounting Standards Board (FASB). Im Rahmen der Umstrukturierung des IASC wurde am 06.02.2001 die International Accounting Standards Committee Foundation (IASCF) als neue Organisation gegründet. In Anlehnung an die Ziele des IASC verfolgt die IASCF insbesondere folgende Punkte (Pellens, B., et al., 2011, 2008): Entwicklung eines globalen, hochwertigen, verständlichen und durchsetzbaren Sets an Rechnungslegungsvorschriften, um die Teilnehmer an den weltweiten Kapitalmärkten und andere Nutzer beim Treffen von wirtschaftlichen Entscheidungen zu unterstützen, Nutzung und strikte Anwendung dieser Standards, Berücksichtigung der Bedürfnisse kleinerer und mittlerer Unternehmen sowie aufstrebender Volkswirtschaften bei der Umsetzung sowie Herbeiführung konvergierender Lösungen der nationalen Standards mit den IFRS (Satzung der IASCF, Par. 2.) Mit der operativen Umsetzung dieser Aufgaben beauftragte das IASCF das im April 2001 gegründete und als Nachfolgeorganisation des IASC zu sehende International Accounting Standards Board (IASB). Das IASCF übernimmt hierbei die Überwachung und Finanzierung der Arbeit des IASB. Mit der Neuausrichtung entschied das IASB, die zukünftigen internationalen Rechnungslegungsstandards nicht mehr IAS, sondern International Financial Reporting Standards zu benennen (IFRS) und numerisch neu zu beginnen. Die bisherigen IAS bleiben weiterhin gültig. Der Bewegung zur Konvergenz unterschiedlicher Rechnungslegungssysteme wurde durch das „Improvements Project“ im Mai <?page no="618"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 595 2002 neue Stärke verliehen. Ziele waren vor allem eine Beseitigung noch existierender Wahlrechte sowie eine Verbesserung der allgemeinen Qualität der Standards. Aufgrund der langen Vorlaufzeit bei der Entwicklung neuer IFRS wurden im Rahmen des Improvements Project eine große Anzahl der bisherigen IAS überarbeitet und im Hinblick auf die bessere Vergleichbarkeit der Abschlüsse die weitere Reduzierung von Wahlrechten vorangetrieben (Pellens, B., et al., 2011, 2008). Daneben beschäftigt sich das IASB auch mit der Entwicklung neuer Standards, die sich mit bislang ungeregelten Fragen der Rechnungslegung befassen. Im Juni 2003 veröffentlichte das IASB mit IFRS 1 den ersten International Financial Reporting Standard, dem bis heute sieben weitere gefolgt sind. Weitere fünf treten ab 2013 bzw. 2015 in Kraft (Buchholz, R., 2012, 2008; Pellens, B., et al., 2011, 2008). Durch die Ausweitung der internationalen Zusammenarbeit des IASB mit den nationalen Standardsettern sollte die einheitliche Anwendung der IAS/ IFRS forciert werden. In diesem Sinne sollten u.a. bewährte Regelungen einzelner Länder in die Überarbeitung der Standards einfließen. So vereinbarten das IASB und das FASB im September 2002 eine enge Zusammenarbeit mit der Zielsetzung, noch bestehende Unterschiede zwischen IAS/ IFRS und US-GAAP bis zum Jahr 2005 abzuschaffen („Norwalk Agreement“). Unterschiede, die über diesen Zeitpunkt hinaus bestehen, sollen durch koordinierte Arbeitsprogramme der beiden Trendsetter eliminiert werden. Hierbei steht weniger die Beseitigung jeglicher Unterschiede, sondern vielmehr die gegenseitige Anerkennung einer gleichrangigen Qualität der Bilanzierung im Vordergrund. In diesem Sinne hat die Securities and Exchange Commission (SEC; US-Börsenaufsichtsbehörde) im November 2007 verlautbaren lassen, dass die IFRS-Abschlüsse ausländischer und an einer US-Börse gelisteter Unternehmen ab dem Jahr 2009 anerkannt werden. Durch diese Neuregelung entfallen die bisher erforderlichen Überleitungsrechnungen (Reconciliations) vom Jahresabschluss und Eigenkapital von IFRS auf US-GAAP für gelistete ausländische Unternehmen (Foreign Private Issuers). In einer Verlautbarung vom 07.08.2007 stellte die SEC darüber hinaus die Option in Aussicht, sogar für US-Unternehmen eine befreiende Einreichung von IFRS-Abschlüssen zu akzeptieren. In dem im Februar 2006 von IASB und FASB verabschiedeten „Memorandum of Understanding“ (MoU) wurde der beiderseitige Konvergenzwille der Standardsetter (erneut) bekräftigt. Vor diesem Hintergrund haben IASB und FASB im September 2008 einen Bericht zum Fortschritt der laufenden Konvergenzprojekte sowie einen überarbeiteten Zeitplan veröffentlicht und damit den Konvergenzabsichten erneut Nachdruck verliehen. Am 14.11.2008 veröffentlichte die SEC diesbezüglich erneut eine Vereinbarung, in der sie einen Fahrplan vorschlägt, der zur verpflichtenden Anwendung der IFRS auch für US-Unternehmen ab dem Jahr 2014 führen könnte (Pellens, B., et al., 2011, 2008; Coenenberg, A./ Haller, A./ Schulze, W., 2009). <?page no="619"?> 596 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement 2.2 Rechnungslegung nach IAS/ IFRS Ziel der Rechnungslegung des IASB ist die Vermittlung von Informationen über die Vermögens- und Finanzlage, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die zukünftigen Zahlungsströme („fair presentation“). Grundlegende Annahmen bei der Abschlusserstellung sind das Konzept der Unternehmensfortführung („going concern principle“) und das Konzept der Periodenabgrenzung („accrual principle“). Auch wenn der Jahresabschluss nach IAS/ IFRS einen weiten Adressatenkreis ansprechen soll, so sind die Standards doch primär an den Bedürfnissen der Investoren ausgerichtet, denen entscheidungsrelevante Informationen („relevance“) zur Verfügung gestellt werden sollen. Gegenwärtige und potenzielle zukünftige Kapitalgeber sollen darüber informiert werden, ob das Unternehmen langfristig ausreichende Mengen an Zahlungsmitteln und damit eine ansprechende Verzinsung des eingesetzten Kapitals erwirtschaften kann. Diese entscheidungsrelevanten Informationen sind so aufzubereiten, dass sachkundige Leser des Jahresabschlusses keine bedeutenden Verständnisprobleme haben („understandability“). Darüber hinaus sollten die Informationen vergleichbar sein („comparability“), wodurch Vergleiche sowohl über verschiedene Unternehmungen als auch über die Zeit hinweg möglich sind. Schließlich ist der Grundsatz der Verlässlichkeit von Informationen zu beachten („reliability“) (Pellens, B., et al., 2011, 2008). Abbildung 278: Rechnungslegungsgrundsätze des IASB Quelle: Pellens, B., et al., 2008 Die angeführten qualitativen Anforderungen der Rechnungslegung (mit ihren Konkretisierungen, Nebenbedingungen und Basisannahmen (vgl. hierzu Abbildung 278) werden im Rahmenkonzept (Framework) postuliert. Das Rahmenkonzept beinhaltet die Leitlinien, die der Aufstellung und Darstellung externer Abschlüsse zugrunde liegen. Es behandelt neben der Zielsetzung von Abschlüssen und den qualitativen Anforderungen an die im <?page no="620"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 597 Abschluss vermittelten Informationen auch Definitionen, Ansatz und Bewertung der Abschlussposten sowie Kapital- und Kapitalerhaltungskonzepte. Des Weiteren dient das Framework als Orientierungsmaßstab für die Ausarbeitung künftiger bzw. Überprüfung aktueller Standards. Das Rahmenkonzept selbst stellt keinen Standard dar. Dementsprechend hat keine Regelung des Frameworks Vorrang vor den spezifischen Regelungen der einzelnen Standards (Pellens, B., et al., 2011, 2008; Ditges, J./ Arendt, U., 2006). Neben dem Rahmenkonzept beinhaltet das Regelwerk des IASB ein Vorwort (preface) sowie die einzelnen Rechnungslegungsstandards (IAS/ IFRS). Das Vorwort enthält hierbei grundsätzliche Fragestellungen und erläutert den Aufgabenbereich des IASB sowie den Anwendungsbereich und die Bindungswirkung der IAS/ IFRS. Um unterschiedliche Auslegungen der Standards zu vermeiden, wurde bereits 1997 vom damaligen IASC (Vorgängerorganisation des IASB) das Standing Interpretations Committee (SIC) gegründet. Dieses gibt mit seinen Interpretationen allgemein verpflichtende Leitlinien zur Sicherstellung einer einheitlichen Auslegung heraus (sog. SIC interpretations, seit 2001 IFRIC interpretations). In diesem Sinne interpretiert das IFRIC die Anwendung der IFRS und leistet unter Berücksichtigung der Vorschriften des Rahmenkonzepts Hilfestellung in Fragen der Rechnungslegung, die nicht explizit in den IAS/ IFRS behandelt werden. Darüber hinaus regelt das Vorwort die Verfahrensregelungen zur Gewinnung der Standards (Due-Prozess) sowie den zeitlichen Anwendungsbereich und die Arbeitssprache (Ditges, J./ Arendt, U., 2006). Die Standards bilden kein in sich abgestimmtes, hierarchisches System von Normen. Es handelt sich vielmehr um eine chronologische Entwicklung von Standards für einzelne Bilanzierungsprobleme. Abbildung 279 gibt eine Übersicht über die bis 2012 entwickelten IAS/ IFRS. <?page no="621"?> 598 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Abbildung 279: Übersicht der International Accounting Standards und der International Financial Reporting Standards Quelle: Buchholz, R., 2012; Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009 Die einzelnen Standards folgen jeweils einem einheitlichen Aufbau, der sich im Laufe der Normsetzungstätigkeit des IASB herausgebildet hat. Im Zuge der letzten umfassenden Reform 1994 wurden alle Standards terminologisch und strukturell an die in der Zwischenzeit erlassenen oder revidierten Standards angepasst. Hierbei war IAS 41 der letzte vom IASC in Kraft gesetzte Standard. Weitere Regelwerke werden vom IASB unter dem Titel „International Financial Reporting Standards“ („IFRS“) entwickelt. Die Namensänderung erfolgte im Rahmen der Neuausrichtung des IASB. Der Aufbau der Standards zeichnet sich durch die im Folgenden genannten Elemente aus. Dabei können, je nach Wesen der behandelten Materie, einzelne dieser Punkte entfallen (Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009; Ditges, J./ Arendt, U., 2006; Achleitner, A.-K./ Behr, G., 2003). Zielsetzung des Standards (objective), Geltungsbereich (scope), <?page no="622"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 599 Begriffsdefinitionen (definitions), Standardtext (bestehend aus Pflicht- und Erklärungsteil), Angabepflichten (disclosures), Übergangsbestimmungen (transitional provisions), Tag des Inkrafttretens (effective date) und Anhang (appendix). Die Standards stehen grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander. Im Falle eines Widerspruchs soll jedoch im Zweifel der später erlassene Standard oder der speziellere Standard Vorrang besitzen. Die Entwicklung von Standards folgt einem formalen Prozess (Due Process). Wichtige Zwischenstufen auf dem Weg zu einem neuen Standard (IFRS) sind das Discussion Document (erstes Diskussionspapier mit den möglichen Lösungen für ein Problem mit Aufruf der Öffentlichkeit zur Kommentierung) sowie das Exposure Draft (Entwurf eines Standards mit dem vom IASB nach Auswertung der Ergebnisse zum Discussion Document bevorzugten Lösungsansatz, welcher erneut öffentlich zur Diskussion gestellt wird). Die gültigen Standards gehen hierbei so lange den neuen Regelungen der Exposure Drafts vor, wie nicht seitens des IASB in einem verabschiedeten, aber noch nicht in Kraft getretenen Standard die vorzeitige Anwendung der neuen Vorschriften empfohlen wird. Ferner regelt der „neue“ IAS 1 das Vorgehen bei Regelungslücken. So muss die Geschäftsführung, wenn keine speziellen Vorschriften existieren, nach eigenem Urteil Bilanzierungs- und Bewertungsrichtlinien entwickeln, die zu relevanten und verlässlichen Informationen führen. Hierbei ist zu beachten, welche Anforderungen und Anwendungsrichtlinien die Standards für ähnliche und verwandte Sachverhalte aufstellen und welche Definitionen das Rahmenkonzept erhält. Dabei kann sie auch Erklärungen anderer Standardsetter und anerkannte Branchenpraktiken berücksichtigen - dies allerdings nur insoweit, als diese den genannten Überlegungen ihrerseits entsprechen (Achleitner, A.-K./ Behr, G., 2003). Da das IASB kein Gesetzgebungsorgan ist, geht von den Standards keine unmittelbare Rechtswirkung aus. Damit die internationalen Standards (IAS bzw. IFRS) in den einzelnen Ländern zur Anwendung kommen, bedarf es einer Anerkennung durch die zuständigen Behörden bzw. Institutionen der einzelnen Staaten (Endorsement) (Pellens, B., et al., 2011, 2008). 2.3 Jahresabschluss nach IAS/ IFRS Ein Grundgedanke der Rechnungslegung nach IAS/ IFRS ist die Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen. Die Adressaten des Jahresabschlusses sollen über die Vermögens- und Finanzlage, deren Veränderungen sowie über die Leistungsfähigkeit des Unternehmens informiert werden, um ihre ökonomischen Entscheidungen treffen zu <?page no="623"?> 600 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement können. Ziel ist es, gegenwärtige und potenzielle Kapitalgeber darüber zu informieren, ob das Unternehmen langfristig über ausreichende Mengen an Zahlungsmitteln verfügt und somit eine attraktive Verzinsung des eingesetzten Kapitals erwirtschaften kann (Pellens, B., et al., 2011, 2008). Die Rechnungslegung nach IAS/ IFRS sieht daher folgende Mindestbestandteile eines Jahresabschlusses (complete set of financial statements) vor: Bilanz zum Ende der Periode (statement of financial position as at the end of the period), Gesamtergebnisrechnung (statement of comprehensive income for the period), Eigenkapitalveränderungsrechnung (statement of changes in equity for the period), Kapitalflussrechnung (statement of cash flows for the period), Anhang (notes, comprising a summary of significant accounting policies and other explanatory information) sowie Eröffnungsbilanz (statement of financial position as at the beginning of the earliest comparative period when an entity applies an accounting policy retrospectively or makes a retrospective restatement of items in its financial statement, or when it reclassifies items in its financial statement). Für Unternehmen, deren Wertpapiere öffentlich gehandelt werden, besteht zudem die Pflicht zur Erstellung einer Segmentberichterstattung (Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009). Die oben aufgeführten Bestandteile werden nachfolgend erläutert. Die Bilanz muss sämtliche Assets, Liabilities und das Eigenkapital (als Saldo) enthalten. Dabei sind Assets nicht mit dem HGB-Begriff des Vermögensgegenstands gleichzusetzen. Unter dem Begriff Assets werden Ressourcen verstanden, über die ein Unternehmen aufgrund eines vergangenen Ereignisses die wirtschaftliche Verfügungsmacht hat und aus deren Nutzung ihm voraussichtlich ein wirtschaftlicher Nutzen zufließt. Dieser wirtschaftliche Nutzen ist zu verstehen als Beitrag zum Cashflow. Unter Liabilities hingegen werden gegenwärtige Verpflichtungen aus Ereignissen der Vergangenheit verstanden, durch deren Erfüllung voraussichtlich ein Ressourcenabfluss (Verringerung der wirtschaftlichen Substanz) zu erwarten ist. Die Standards schreiben für die Aufstellung der Bilanz kein detailliertes Gliederungsschema vor, sondern enthalten lediglich eine Auflistung von Bilanzpositionen als Mindestinhalt einer Bilanz. Hierbei soll beachtet werden, dass alle wesentlichen Bilanzposten ausgewiesen werden; unwesentliche Posten sind mit ähnlichen Posten zusammenzufassen. Eine Saldierung von Vermögenspositionen und Schulden ist grundsätzlich nicht zulässig (Ausnahme: die Saldierung wird von einem Standard explizit gefordert oder gestattet). Die Anordnung der Positionen sowie das Bilanzformat (z.B. Konto- oder Staffelform) bleiben dem Bilanzersteller freigestellt. Abbildung 280 gibt einen Überblick über die Mindestgliederungstiefe <?page no="624"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 601 der Bilanz nach IAS/ IFRS (Buchholz, R., 2012, 2008; Pellens, B., et al., 2011, 2008; Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009). Abbildung 280: Gliederungsvorschriften für die Bilanz nach IAS/ IFRS Quelle: Pellens, B., et al., 2008 Die Gesamtergebnisrechnung kann entweder in einer einzigen Gesamtergebnisrechnung (single-statement approach) oder durch zwei separate Berichtsformate (two-statement approach) dargestellt werden. Bei Anwendung des two-statement approach erfolgt ein getrennter Ausweis des Periodenergebnisses und des Gesamtergebnisses. Die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) dient der Ermittlung des Periodenergebnisses. Daneben wird eine zweite Rechnung erstellt, die vom GuV-Ergebnis ausgehend und unter Hinzuziehung sämtlicher direkt im Eigenkapital erfasster Erträge und Aufwendungen das Gesamtergebnis (total comprehensive income) ermittelt. Durch diese getrennte Auflistung wird die Zusammensetzung des Gesamtergebnisses zum einen aus GuV-wirksamen Bestandteilen und zum anderen aus den GuV-neutralen Erfassungen im Eigenkapital ersichtlich, sodass die Abschlussadressaten einen Überblick über das Gesamtergebnis erhalten, aber dennoch auf einen Blick das Periodenergebnis in der GuV ersichtlich bleibt. Der single-statement approach stellt einen kombinierten Ausweis der GuV-wirksamen und GuV-neutralen Erträge und Aufwendungen in einer Rechnung dar, wobei das GuV- Ergebnis als Zwischensumme und das Gesamtergebnis als Saldogröße angegeben wird. Ein Vorteil dieser Darstellungsweise liegt darin, dass den Abschlussadressaten die gesamte Erfolgslage eines Unternehmens auf einen Blick als Endsumme (bottom line) präsentiert <?page no="625"?> 602 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement wird. Dagegen muss abgewogen werden, dass gleichzeitig das als Zwischensumme ausgewiesene Periodenergebnis seine Rolle als zentraler Performance-Indikator verlieren könnte. Hierbei wird die Darstellung der Gesamtergebnisrechnung als statement of profit or loss and other comprehensive income (single-statement approach) vom IASB präferiert (Pellens, B., et al. 2011, 2008; Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009). Die formalen Anforderungen an die GuV sind vergleichsweise gering, wobei die Staffelform bevorzugt wird. Gleichsam besteht die Wahl zwischen dem Gesamt- und dem Umsatzkostenverfahren. Die Entscheidung für eines der beiden Verfahren soll in Abhängigkeit von historischen und branchenbezogenen Faktoren sowie der jeweiligen Unternehmensorganisation getroffen werden. Dabei ist die Darstellungsform zu wählen, die am besten zur Vermittlung von relevanten und zuverlässigen Informationen geeignet ist. Eine vorgegebene Gliederung enthalten die Standards nicht. Es werden lediglich Mindestangaben gefordert, die gegebenenfalls um weitere separate Angabepflichten übriger Standards bzw. zur Gewährung der fair presentation zu erweitern sind (Pellens, B., et al., 2011, 2008; Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009; ). Abbildung 281 greift die Gestaltungshinweise zum Gesamt- und Umsatzkostenverfahren nach Maßgabe der Standards auf. Abbildung 281: GuV-Inhalte nach IAS/ IFRS Quelle: In Anlehnung an: Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009 <?page no="626"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 603 Das Eigenkapital wird im Rahmenkonzept des IASB als Residualgröße der Vermögens- und Schuldenwerte definiert. Wird der bloße Zugang bzw. Abgang dieser Werte außer Acht gelassen, so korrespondieren die Buchwertänderungen im Zeitverlauf stets mit den Aufwendungen und Erträgen und damit auch mit der Veränderung des Eigenkapitals. Allerdings wird die Höhe des Eigenkapitals auch durch Transaktionen zwischen Eigentümern und Unternehmen (z.B. Kapitalerhöhungen, -herabsetzungen, oder Dividendenzahlungen) beeinflusst. Im Rahmen der Eigenkapitalveränderungsrechnung soll daher aufgezeigt werden, welche Veränderungen sich aufgrund der GuV ergeben und welche auf Kapitalmarkttransaktionen zurückzuführen sind. Die Eigenkapitalveränderungsrechnung nach internationalen Rechnungslegungsstandards muss mindestens die Angaben folgender Punkte beinhalten (Pellens, B., et al., 2011, 2008): Periodengesamterfolg untergliedert für auf Anteilseigner des Mutterunternehmens und Minderheitsgesellschafter entfallende Teile, Effekte aus retrospektiven Anwendungen oder Anpassungen in Übereinstimmung mit IAS 8 auf sämtliche Eigenkapitalkomponenten, Beträge aus Transaktionen mit Anteilseignern in ihrer Eigenschaft als Eigentümer, untergliedert in Ein- und Auszahlungen, eine Überleitung sämtlicher Eigenkapitalkomponenten vom Periodenbeginn zum Periodenende. Durch die Erstellung einer Kapitalflussrechnung sollen die Unternehmensbeteiligten darüber informiert werden, auf welche Weise im Unternehmen liquide Mittel erwirtschaftet und verwendet werden. In Verbindung mit den übrigen Bestandteilen des Jahresabschlusses soll die Kapitalflussrechnung helfen, die Liquidität und Solvenz des Unternehmens bewerten zu können. Hierbei soll die Kapitalflussrechnung nicht nur Informationen zur Beurteilung der Vergangenheit liefern, sondern auch zur Abschätzung des zukünftigen Liquiditätsbedarfs dienen. Als integraler Bestandteil des Jahresabschlusses gelten auch für die Aufstellung der Kapitalflussrechnung die übergeordneten Rechnungslegungsgrundsätze des Rahmenkonzepts, wobei im Wesentlichen die Grundsätze der Verständlichkeit, der Vergleichbarkeit und der Verlässlichkeit zu nennen sind. Abbildung 282 stellt den Grobaufbau einer Kapitalflussrechnung in Staffelform schematisch dar (Pellens, B., et al., 2011, 2008). Bei der Aufstellung der Kapitalflussrechnung ist ferner zu beachten, dass die Regelungen der Standards für die Berechnung der Cashflows aus Investitions- und Finanzierungstätigkeit zwingend die direkte Ermittlung vorschreiben. Die Ermittlung des Cashflows aus betrieblicher Tätigkeit kann hingegen nach der direkten oder indirekten Methode erfolgen (Pellens, B., et al., 2011, 2008; Ditges, J./ Arendt, U., 2006). <?page no="627"?> 604 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Abbildung 282: Grobaufbau der Kapitalflussrechnung in Staffelform Quelle: Pellens, B., et al., 2011 Der Anhang hat die Aufgabe, Informationen zu den Erstellungsgrundlagen des Jahresabschlusses sowie Angaben der spezifischen und für das Verständnis des Abschlusses relevanten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden offenzulegen. Ferner sind sämtliche Informationen, die von den einzelnen Standards verlangt werden, aber nicht bereits an anderer Stelle im Jahresabschluss publiziert werden, im Anhang aufzunehmen. Gleiches gilt für Informationen, die nicht explizit gefordert, aber für das Verständnis der anderen Bestandteile relevant sind. Die Angaben im Anhang sollen systematisch strukturiert dargestellt werden. Jede Position in der Bilanz, der GuV, der Eigenkapitalveränderungsrechnung und der Kapitalflussrechnung ist mit einem entsprechenden Querverweis zu versehen, wenn weitere Informationen im Anhang gegeben werden. Aus Gründen der intertemporären und zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit sind die Anhangangaben in folgender Reihenfolge zu präsentieren (Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009): (1) Erklärung über die Übereinstimmung des Jahresabschlusses mit den IAS/ IFRS (statement of compliance), (2) Zusammenfassung der wesentlichen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (summary of significant accounting policies), (3) ergänzende Informationen zu den Angaben in Bilanz, GuV, Eigenkapitalveränderungsrechnung und Kapitalflussrechnung in entsprechender Reihenfolge (supporting information), (4) sonstige Informationen finanzieller und nicht-finanzieller Art (other financial and non-financial disclosures). Durch die fortschreitende Anerkennung der internationalen Rechnungslegungsgrundsätze kann mit einer zunehmenden Verbreitung und Anwendung derselben gerechnet werden. <?page no="628"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 605 2.4 Wichtige nationale Rechnungslegungssysteme Die wichtigsten nationalen Rechnungslegungssysteme sind einerseits das kontinentaleuropäische Bilanzierungssystem mit Deutschland als maßgeblichem Vertreter und andererseits die angloamerikanische Rechnungslegung, in der die Generally Accepted Accounting Principles der USA (US-GAAP) eine maßgebliche Rolle spielen (Pellens, B., et al., 2011, 2008). Im Folgenden sollen die Grundzüge dieser beiden Rechnungslegungssysteme näher erläutert werden. Deutsche Rechnungslegung nach HGB und BilMoG Jedes Unternehmen in Deutschland hat bei der Rechnungslegung die Normen von Handels- und Steuerrecht zu beachten. Der Jahresabschluss wird dabei auf der Basis der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) aufgestellt. Diese dienen der Ausfüllung von Gesetzeslücken sowie der Auslegung von Gesetzesvorschriften. Hinter dem unbestimmten Rechtsbegriff der GoB verstehen sich allgemein anerkannte Regeln über die Führung der Handelsbücher sowie über die Erstellung des Jahresabschlusses. Ein Teil der GoB wurde im Lauf der historischen Entwicklung des Handelsrechts in eben dieses übernommen. Ferner verweisen auch andere Gesetzesnormen wie beispielsweise das Steuerrecht auf die GoBs. Das Handelsgesetzbuch (HGB) gibt nicht nur Auskunft, wer den Rechnungslegungsvorschriften unterliegt, sondern auch, in welchem Umfang. Für Kapitalgesellschaften gelten z.B. die für alle Kaufleute verbindlichen Regeln der §§ 238-263 HGB auf der einen Seite, auf der anderen Seite haben sie jedoch ebenso die speziell für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften der §§ 264-289 HGB zu beachten. Für Konzerne gelten darüber hinaus die §§ 290-315 HGB (Pellens, B., et al., 2011, 2008; Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009). Bei den GoBs kann zwischen formellen und materiellen GoBs differenziert werden. Erstgenannte befassen sich hauptsächlich mit Aufstellungs- und Gliederungsgrundsätzen, Zweitgenannte beschäftigen sich mit Bilanzansatz- und Bewertungsgrundsätzen. Darüber hinaus gibt es Rahmengrundsätze, die eine adäquate Abbildung der wirtschaftlichen Sachverhalte gewährleisten sollen, vergleichbar mit den im IAS/ IFRS-Rahmenkonzept enthaltenen qualitativen Anforderungen an Jahresabschlüsse. Zu den GoBs gehören der Grundsatz der Richtigkeit, der Grundsatz der Klarheit sowie der Grundsatz der Vollständigkeit. Ergänzende Grundsätze sind der Grundsatz der Stetigkeit und Vorsicht. Die Systemgrundsätze der GoB (Prinzip der Unternehmensfortführung, Grundsatz der Pagatorik bzw. Einzelbewertung), welche die grundlegenden Annahmen für die Erstellung eines HGB-Abschlusses sind, lassen sich mit den Basisannahmen des IFRS-Rahmenkonzepts vergleichen (Pellens, B., et al., 2011, 2008; Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009). Bei den Ansatzgrundsätzen weicht das HGB von den Regelungen des IFRS-Abschlusses ab. So folgt der Bilanzausweis einerseits nach dem Prinzip der selbstständigen Verwertbar- <?page no="629"?> 606 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement keit (Aktivierungsgrundsatz) und andererseits nach dem Prinzip der Verpflichtung, der wirtschaftlichen Belastung und der Quantifizierbarkeit (Passivierungsgrundsatz) (Pellens, B., et al., 2011, 2008). Innerhalb des deutschen Rechnungslegungssystems wird den Gläubigerinteressen neben den Interessen der Eigenkapitalgeber in Relation zu anderen Rechnungslegungssystemen (z.B. den IFRS) vielfach ein höherer Stellenwert beigemessen. Daraus wird häufig eine Dominanz des Gläubigerschutzes und damit verbunden ein Vorrang des Vorsichtsprinzips abgeleitet. Dies hat seine Ursache in der dem deutschen Rechnungslegungssystem zugrunde liegenden Absicht des Gesetzgebers, ergebnisabhängige Finanzmittelabflüsse wie z.B. überhöhte Dividendenzahlungen zu unterbinden, die letztlich zulasten der Gläubiger und damit zulasten der Realisierung ihrer Ansprüche gingen. Weil der Jahresabschluss darüber hinaus als Basis für die Ermittlung des zu versteuernden Gewinns dient, geht es nicht zuletzt auch um die Sicherung der gesetzlich legitimierten Ansprüche der Finanzverwaltung. Als Konsequenz der deutschen Betrachtungsweise ist im Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln (vgl. § 264 Abs. 2 HGB), wobei die Interessen des Fiskus und der Gläubiger besonders berücksichtigt werden müssen. Hauptziel der handelsrechtlichen Rechnungslegung nach HGB ist die Ermittlung des Periodenergebnisses, wobei das Vorsichtsprinzip insofern als übergeordneter Grundsatz angesehen werden kann, als es sowohl die bilanzielle Erfassung (Bilanzierung) als auch die Bewertung betrifft. Als Resultat des Vorsichtsprinzips ergeben sich insbesondere das Realisations- und das Imparitätsprinzip (Buchholz, R., 2012, 2008; Pellens, B., et al., 2011, 2008; Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009). Gem. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB besteht der Jahresabschluss in Deutschland aus einer Bilanz, einer Gewinn- und Verlustrechnung sowie einem Anhang. Im Unterschied zur internationalen Rechnungslegung wird die Erfolgsrechnung nach HGB weiterhin als GuV bezeichnet und bildet vergleichbar mit dem ersten Teilrechenwerk bei zweigeteilter Periodenerfolgsrechnung (two-statement approach) alle ergebniswirksamen Aufwendungen und Erträge einer Periode ab. § 266 bzw. § 275 beinhalten darüber hinaus für Kapitalgesellschaften eine detaillierte Gliederung sowohl für die Bilanz als auch die Gewinn- und Verlustrechnung. Ferner müssen Kapitalgesellschaften nach den Vorschriften des HGB (§ 264 i.V.m. § 289 HGB) einen sogenannten Lagebericht aufstellen, der den Geschäftsverlauf, die Lage des Unternehmens sowie seine voraussichtliche zukünftige Entwicklung darstellen soll. Der Anhang enthält nach §§ 284-285 HGB insbesondere Erläuterungen zu den Einzelposten der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung und zu den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden. Darüber hinaus umfasst er eine Vielzahl von Einzelangaben wie beispielsweise den Gesamtbetrag der sonstigen finanziellen Verpflichtungen oder den Gesamtbetrag der Bezüge von Mitgliedern der Leitungsorgane. <?page no="630"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 607 Eine (allgemeine) Pflicht zur Veröffentlichung einer Kapitalflussrechnung besteht nach deutschem Recht bislang nicht. Eine Ausnahme davon bilden in Deutschland Kapitalgesellschaften, die die Notierung ihrer Aktien im amtlichen Handel beantragen (Kapitalmarktorientierung). Sie müssen ihren Jahresabschluss um eine Kapitalflussrechnung sowie einen Eigenkapitalspiegel erweitern. Gleiches gilt für Unternehmen, die aufgrund ihrer Struktur zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind. Letztere dürfen seit dem 01.01.2005 optional einen befreienden Konzernabschluss nach IAS/ IFRS aufstellen. Die Vorgehensweise bei der Aufstellung ist in weiten Teilen mit denen der internationalen Rechnungslegung vergleichbar (Pellens, B., et al., 2011, 2008; Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009; § 264 Abs. 1 und § 297 Abs. 1 HGB). Durch das Inkrafttreten des Bilanzmodernisierungsgesetzes (BilMoG) im Mai 2009 hat das deutsche Bilanzrecht die erste große Reform seit rund zwei Jahrzehnten erfahren. Die Kernanliegen dieser Reform der deutschen Bilanzierung sind insbesondere die Schaffung einer gleichwertigen und kostengünstigeren Alternative zu den IAS/ IFRS (Internationalisierung), die Bewahrung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses als Grundlage für Gewinnausschüttung und Besteuerung (Konservierung), die Entlastung der Unternehmen bei der Rechnungslegung (Deregulierung) sowie die Umsetzung der Abänderungsrichtlinie und Abschlussprüferrichtlinie (Harmonisierung) (Kessler, H./ Leinen, M./ Strickmann, M., 2010). Durch das BilMoG ergeben sich zahlreiche Veränderungen im Bereich Ansatz, Bewertung und Ausweis. Gleichsam sind wesentliche GoBs wie z.B. das Imparitäts-, Realisations- und Vorsichtsprinzip durchbrochen worden. Des Weiteren wird das Prinzip der umgekehrten Maßgeblichkeit aufgehoben. Die Aufstellung der Steuerbilanz soll nach Maßgabe der Handelsbilanz erfolgen. Jedoch war in der Vergangenheit zunehmend der umgekehrte Fall zu beobachten. Das heißt, die Unternehmen leiten ihre Handelsbilanz aus der Steuerbilanz ab (vgl. hierzu auch Ditges J./ Arendt, U., 2006). Im Rahmen der Reform des HGB durch das BilMoG sind folgende wesentlichen Änderungen zu nennen: (1) Einführung eines Ansatzwahlrechts für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (u.a. Patente, Know-how), sofern sich die Herstellungskosten auf die Entwicklungsphase beziehen (§ 248 HGB und § 255 HGB), (2) veränderte Bewertung von Rückstellungen (insbesondere Pensionsrückstellungen), (3) Verbot für Bildung von bestimmten Aufwandsrückstellungen, (4) Aktivierungspflicht eines entgeltlich erworbenen Goodwills im Einzelabschluss, (5) Anpassung der Herstellungskosten an die international üblichen produktionsbezogenen Vollkosten, (6) veränderte Vorschriften zur Währungsumrechnung, (7) Neukonzeption der Abgrenzung latenter Steuern, <?page no="631"?> 608 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement (8) Einbeziehungspflicht für Zweckgesellschaften in den Konzernabschluss und damit mehr Transparenz, (9) verpflichtende Anwendung der Neubewertungsmethode. Daneben ergeben sich neue (Größen-)Klassifizierungen hinsichtlich der Buchführungspflichten (Pellens, B., et al., 2011, 2008; Kessler, H./ Leinen, M./ Strickmann, M., 2010). Die durch das BilMoG geänderten Rechnungslegungsvorschriften auf Jahres- und Konzernabschlüsse sind verpflichtend für ab dem 01.01.2010 beginnende Geschäftsjahre anzuwenden. Analog sind die wegfallenden Vorschriften des bisherigen Bilanzrechts letztmals auf Jahres- und Konzernabschlüsse für Geschäftsjahre anzuwenden, welche vor dem 01.01.2010 beginnen. Bei Unternehmen, deren Geschäftsjahr vom Kalenderjahr abweicht, verschiebt sich die erstmalige Anwendung der neuen Bilanzierungsvorschriften entsprechend. Abbildung 283 illustriert noch einmal den Anwendungszeitpunkt (Kessler, H./ Leinen, M./ Strickmann, M., 2010). Abbildung 283: Umstellungszeitpunkt bei kalendergleichem und -abweichendem Geschäftsjahr Quelle: In Anlehnung an: Kessler, H./ Leinen, M./ Strickmann, M., 2010 Exkurs: Rechnungslegung innerhalb der EU Durch die sogenannte IAS-Verordnung der Europäischen Union wurde ein wichtiger Meilenstein zur Schaffung eines integrierten Finanzbinnenmarktes in Europa gelegt. Durch diese Verordnung sind die IFRS seit 2005 unmittelbarer Bestandteil der Rechtsnormen innerhalb der EU und durch die Einführung des § 315a HGB im Rahmen des BilReG (Bilanzrechtsreformgesetz) vom 04.12.2004 Teil des deutschen Regelungssystems der (Konzern-)Rechnungslegung. Danach sind kapitalmarktorientierte Gesellschaften, die dem Recht eines Mitgliedstaates unterliegen, dazu verpflichtet, ihre konsolidierten Abschlüsse für ab dem 01.01.2005 beginnende Geschäftsjahre nach den IFRS sowie den damit verbundenen Auslegungen des International Financial Reporting Interpretations Com- <?page no="632"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 609 mittee (IFRIC; Nachfolgeorganisation des SIC) aufzustellen (Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009). Hinsichtlich der Einzelabschlüsse der dem Konzern zugehörigen Unternehmen besitzen die angesprochenen Gesellschaften die Wahlmöglichkeit, ob sie diesen nach nationaler (HGB) oder internationaler Rechnungslegung (IFRS) aufstellen. Eine derartige Wahlmöglichkeit haben auch solche Gesellschaften, denen eine Kapitalmarktorientierung gänzlich fehlt (Ditges, J./ Arendt, U., 2006). Abbildung 284 fasst die Vorgaben und Wahlmöglichkeiten bzgl. der Jahresabschlussaufstellung der EU-Mitgliedstaaten noch einmal graphisch zusammen: Abbildung 284: Bedeutung der EU-Verordnung vom 19.07.2002 zur Anwendung der IFRS innerhalb der Mitgliedstaaten Quelle: Ditges, J./ Arendt, U., 2006 Rechnungslegung nach US-GAAP Unter den US-amerikanischen Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) werden die in den USA allgemein anerkannten Rechnungslegungsnormen verstanden. Während sie bis in die 1980er Jahre noch aus induktiv aus der Rechnungslegungspraxis abgeleiteten Vorgehensweisen und Grundsätzen (vgl. GoB) bestanden (non-promulgated GAAP), umfassen sie heute aufgrund der hohen Produktivität der standardsetzenden Institutionen während der letzten Jahre fast ausschließlich nur noch in entsprechenden Verlautbarungen formell erlassene Normen (promulgated GAAP). Im Gegensatz zur deutschen Rechnungslegung besteht in den USA lediglich für Kapitalgesellschaften („Corporations“) die Pflicht zur verbindlichen Anwendung der US-GAAP. So ergeben sich aus den Vorschriften der amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) besondere Publizitätspflichten für solche Unternehmen, die zum Handel an amerikanischen Börsen zugelassen sind. Die Hauptaufgabe der SEC ist, zu <?page no="633"?> 610 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement gewährleisten, dass den Investoren alle für ihre Entscheidung notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt werden. Hierbei hatte die Vereinigung amerikanischer Wirtschaftsprüfer, das American Institute of Certified Public Accountants (AICPA) bzw. deren Vorgängerorganisation, von Anfang an großen Einfluss auf den Normsetzungsprozess und wurde schließlich 1938 von der SEC mit der Formulierung von Rechnungslegungsstandards beauftragt. Seit 1973 wird diese Aufgabe vom Financial Accounting Standards Board (FASB) wahrgenommen, welches ein Jahr zuvor vom AICPA als unabhängige Organisation gegründet wurde. Es umfasst sieben hauptberufliche Mitarbeiter, die während ihrer Amtszeit alle sonstigen beruflichen Tätigkeiten aufzugeben haben, um Neutralität zu gewährleisten. Das FASB als Standardisierungsgremium ist in eine Stiftung eingebettet, die von diversen Interessengruppen finanziert und kontrolliert wird. Hierdurch soll die Unabhängigkeit dieses Gremiums gesichert werden. Die Hauptaufgabe des FASB besteht in der Ausarbeitung und Verbesserung von Standards zur Rechnungslegung und Publizität von Unternehmen. Abbildung 285: Zusammenspiel von SEC und FASB Quelle: In Anlehnung an: Pellens, B., et al., 2008 Im Laufe der Zeit entwickelte sich aus der Integration von Theorie und Praxis ein Gerüst für die Rechnungslegung, das zur Anwendung weit verbreiteter Rechnungslegungsstandards und -verfahren (US-GAAP) geführt hat. Analog dem IASB veröffentlicht auch das FASB Interpretations (FIN) zu den einzelnen Standards (Pellens, B., et al., 2011, 2008; Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009; Alves, W., 2007). Die Kompetenzverteilung zwischen der SEC und dem FASB ist in Abbildung 285 dargestellt. Vergleichbar mit dem Rahmenkonzept der internationalen Rechnungslegung besitzen auch die US-GAAP in Form des „Conceptual Framework“ einen theoretisch fundierten Bezugsrahmen, der als Grundlage für die Entwicklung neuer Standards dienen soll. Sinn des Rahmenkonzepts ist es, dem Bilanzersteller allgemeine Leitlinien an die Hand zu geben, die ihn in die Lage versetzen, Sachverhalte, die nicht in einem Standard oder einer Interpretation geregelt sind, entsprechend allgemeiner Grundprinzipien der Finanzberichterstattung darzustellen. Analog des Frameworks des IASB beinhaltet es jedoch keine Lösung konkreter Rechnungslegungsfragen. Bislang hat das FASB sieben sogenannte „Statements of Financial Accounting Concepts“ (SFAC) veröffentlicht (Pellens, B., et al., 2011, 2008; <?page no="634"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 611 Alves, W., 2007). Zurzeit erfolgt eine Überarbeitung des Conceptual Framework durch das FASB in Zusammenarbeit mit dem IASB (vgl. hierzu ausführlicher Pellens, B., et al., 2011, 2008). Der Jahresabschluss eines nach US-GAAP bilanzierenden Unternehmens muss mindestens aus einer Bilanz (statement of financial position), Gewinn- und Verlustrechnung (statement of comprehensive income), Kapitalflussrechnung (statement of cash flows), Eigenkapitalveränderungsrechnung (statement of changes in equity) sowie den „notes“ bestehen. Diese Bestandteile werden als „basic financial statements“ bezeichnet (Frankenberg, P., 1993). In der nach US-GAAP aufgestellten Bilanz sind analog der internationalen Rechnungslegung alle assets, liabilities und als Residualgröße das equity (Eigenkapital) auszuweisen. Im Gegensatz zur Bilanz nach HGB ist die Aktivseite in der US-amerikanischen Rechnungslegung nach abnehmender Liquidität gegliedert, die Gliederung der Passiva erfolgt nach zunehmender Fristigkeit. Als Darstellungsformen sind grundsätzlich die Staffel- und Kontoform möglich. Ferner bestehen für die Aufstellung der Bilanz keine so strikten formellen Vorgaben wie beispielsweise im deutschen Recht. So gibt die SEC nur für börsennotierte Unternehmen ein Mindestgliederungsschema vor, welches wiederum aber kein festes Schema ist, sondern die genannten Positionen nur dann aufzuführen sind, wenn sie erforderlich und angebracht sind (Pellens, B., et al., 2011, 2008; Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009; Alves, W., 2007). Die GuV hat in der US-amerikanischen Rechnungslegung eine größere Bedeutung als in Deutschland. Aufgrund der Tatsache, dass die GuV durch die Darstellung der Erträge und Aufwendungen die Entwicklung des Unternehmens in der jeweiligen Berichtsperiode widerspiegelt, wird damit dem Grundgedanken der amerikanischen Rechnungslegung, der Informationsvermittlung, in besonderer Weise Rechnung getragen. Mithilfe der GuV lassen sich zukünftige Zahlungsströme - insbesondere unter zusätzlicher Zuhilfenahme der Kapitalflussrechnung - besser abschätzen als mithilfe der Bilanz, welche den Vermögensstand ausschließlich zu einem bestimmten Stichtag darstellt. Für die Darstellung des „comprehensive income“ gibt es nach Maßgabe der US-GAAP (noch) drei alternative Ausweisformate (vgl. hierzu auch die Ausführungen zur Gesamtergebnisrechnung nach internationalen Rechnungslegungsstandards). Als Pflichtangabe wird lediglich jeweils verlangt, dass das Ergebnis der Periode (net income) innerhalb der Rechenwerke als gesonderte Komponente auszuweisen ist. Folgende Darstellungsalternativen sind möglich: ein statement of income and comprehensive income, in dem sowohl die Bestandteile des net income als auch des other comprehensive income (OCI) gezeigt werden (one- oder single-statement approach), ein separates zweites statement of comprehensive income, das mit der im normalen statement of income (GuV) ermittelten net income beginnt und daran anschließend die OCI-Veränderungen aufführt (two-statement approach), <?page no="635"?> 612 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement ein statement of changes in equity, in dem jeder einzelne Eigenkapitalposten, ausgehend vom Stand zu Beginn, auf den Stand am Ende der Periode übergeleitet wird (statement-of-changes-in-equity approach). Die Anforderungen an den Aufbau einer GuV sind nur im geringen Umfang formalisiert. Auch hier gibt die SEC für börsennotierte Unternehmen lediglich ein Mindestgliederungsschema vor, wobei die einzelnen Unterpunkte wiederum nur bei deren Anwendbarkeit (if applicable) aufzuführen sind (Pellens, B., et al., 2011, 2008; Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009; Alves, W., 2007). Die Kapitalflussrechnung sowie die Darstellung der Eigenkapitalentwicklung sind weitgehend mit den IAS/ IFRS-Regelungen vergleichbar (Pellens, B., et al., 2011, 2008; Alves, W., 2007) (vgl. die entsprechenden Ausführungen im Kapitel zur internationalen Rechnungslegung). Die „notes“, die in den USA als integraler Bestandteil des Jahresabschlusses betrachtet werden, haben die Funktion, all diejenigen entscheidungsrelevanten Informationen für Investoren darzulegen, die für die zukünftige Unternehmensentwicklung von Bedeutung sind, die jedoch nicht aus den anderen „basic financial statements“ hervorgehen. Inhalte sind Erläuterungen der angewendeten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (summary of significant accounting policies), Erläuterungen zu den Einzelposten (explanatory notes) sowie sonstige geforderte Informationen oder freiwillige Angaben (supplementary information notes). Zu Letzterem gehören beispielsweise eine Segmentberichterstattung oder wertbeeinflussende Informationen nach dem Ende des Bilanzstichtages (vergleichbar mit dem deutschen Lagebericht) (Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009; Alves, W., 2007). Weil das US-amerikanische Rechnungslegungssystem zur Aufsicht über das Geschäftsgebaren von Unternehmen, die an den Wertpapierbörsen notiert werden, konzipiert wurde, liegt das Hauptziel der nach US-GAAP aufgestellten Jahresabschlüsse in einer externen Informationsfunktion, also in einer Bereitstellung von Informationen für wirtschaftliche Entscheidungen von Eigen- und Fremdkapitalgebern und weiteren Adressaten, die ihre Informationsinteressen nicht selbst wahrnehmen können. Zielsetzung und Funktion der Rechnungslegung nach US-GAAP entsprechen daher jenen der IAS/ IFRS. Eine Ausschüttungs- oder Besteuerungsfunktion (vgl. HGB) ist beim US-Abschluss formal nicht vorgesehen. Ferner werden im Gegensatz zum deutschen Jahresabschluss Jahresabschlüsse in den USA überwiegend in konsolidierter Form aufgestellt und veröffentlicht. Einzelabschlüsse werden dagegen meist nur für interne Zwecke sowie als Ausgangspunkt für die Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns aufgestellt (Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009; Küting, K./ Weber, C.-P., 2008; Alves, W., 2007). Bis zur Zulassung der IAS/ IFRS als Rechnungslegungsstandards für sog. „Foreign Private Issuers“ waren die US-GAAP auch für ausländische Unternehmen relevant, sofern sie eine US-amerikanische Börsenzulassung erreichen wollten. Mit der 2007 durch die SEC erteilten Zulassung der IFRS als Rechnungslegungsstandard für Emittenten mit Sitz außer- <?page no="636"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 613 halb der USA, ist es somit auch für deutsche Konzerne nicht mehr erforderlich, einen zusätzlichen Abschluss nach den amerikanischen Rechnungslegungsvorschriften zu erstellen. Allerdings bedarf es u.U. einer Überleitungsrechnung, sofern die vom IASB veröffentlichten - und durch die SEC zugelassenen - Originalversionen der Standards von denen der EU im Rahmen des Komitologieverfahrens anerkannten abweichen. Die US-GAAP besitzen jedoch auch weiterhin Relevanz im Hinblick auf die Zusammenarbeit des IASB mit dem US-amerikanischen Standardsetter (Buchholz, R., 2012, 2008; Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009). 2.5 Konzernrechnungslegung internationaler Unternehmen Gemäß Küting und Weber kann eine Unternehmung aus einem einzigen Betrieb oder mehreren Teilbetrieben bestehen. Sofern diese Teilbetriebe rechtlich unselbstständig sind, wird die Unternehmung als Einheitsunternehmen (Einheitsgesellschaft) bezeichnet. Wenn die Unternehmung jedoch aus mindestens zwei rechtlich selbstständigen Unternehmen besteht, liegt ein Konzern vor (Küting, K./ Weber, C.-P., 2008). Ein Konzern zeichnet sich dadurch aus, dass die in ihm zusammengefassten Einzelunternehmen in der Regel durch eine Obergesellschaft (Mutterunternehmen) geleitet werden. Um zu einem wirtschaftlichen Gesamtbild eines international tätigen Unternehmens zu kommen, muss eine Weltbilanz erstellt werden, in der die Jahresabschlüsse der ausländischen und inländischen Tochtergesellschaften zusammengefasst werden. Nach Art. 23 II EGHGB (Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch) i.V.m. § 294 Abs. 1 HGB müssen Unternehmen auch ausländische Tochtergesellschaften in ihren Konzernabschluss miteinbeziehen. Nach Maßgabe der Einheitstheorie soll der Konzern im Konzernabschluss so dargestellt werden, als ob er auch wirtschaftlich eine Einheit bilden würde (Einheitstheorie) (§ 297 Abs. 3 Satz 1 HGB; Schildbach, T., 2008). Wichtige Voraussetzungen bei der Zusammenführung der Einzelabschlüsse sind hierbei nach dem Bilanzierungsstandard des Mutterunternehmens vereinheitlichte Ansatz- und Bewertungsmethoden. Dies erfordert eine entsprechend einheitliche Buchhaltung oder eine Ergänzungsrechnung (Handelsbilanz II) zu den Einzelabschlüssen (Handelsbilanz I) der in den Konzernabschluss einzubeziehenden Unternehmen. Ferner besteht mitunter das Problem abweichender Geschäftsperioden, womit es in diesem Fall der Aufstellung von Zwischenabschlüssen bedarf (Stichtagsanpassung) (Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009; Schildbach, T., 2008). Aufgrund der erforderlichen Anpassung der Einzelabschlüsse in Form einer Handelsbilanz II an die konzerneinheitlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften wird bei den meisten Konzernunternehmen - wie bereits eingangs dargestellt - parallel zur offiziellen Buchführung eine Buchführung II geführt, im Rahmen derer die Bilanzierungs- und Bewertungsvorgänge nach Maßgabe des Konzernmutterunternehmens erfolgen. Weniger zu empfehlen ist die (prinzipielle) Möglichkeit, am Ende des Jahres nachträglich eine Beurteilung und gegebenenfalls Neubewertung der im Berichtsjahr anfallenden Geschäftsvorfälle bzw. eine abweichende Ausübung von Ansatzwahlrechten vorzunehmen. Diese <?page no="637"?> 614 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Methode sollte nur zur Anwendung kommen, wenn die Abweichungen relativ gering sind. Der Prozess zur Aufstellung eines Konzernabschlusses ist in Abbildung 286 schematisch dargestellt: Abbildung 286: Prozess der Konzernabschlusserstellung Quelle: Küting, K./ Weber, C.-P., 2008 In jedem Fall kommen auf die Konzerne erhebliche Schwierigkeiten und Konsolidierungsmehraufwendungen zu. So müssen u.a. im Konzernunternehmen Bilanzierungs- und Konsolidierungsfachleute gefunden werden, die die Bilanzierungs- und Bewertungsfragen in unterschiedlichen Rechtskreisen beantworten können. Des Weiteren muss jedes Jahr eine Brücke zwischen dem offiziellen Einzelabschluss und dem angepassten Abschluss geschlagen werden, obgleich beide Rechenwerke mitunter über mehrere Jahre hinweg völlig auseinanderlaufen können. Gleichsam ergibt sich ein erhöhter Prüfungsumfang. Ferner ist bei der geforderten Anpassung der Einzelabschlüsse und der hiermit verbundenen Informationsgewinnung für den Konzernabschluss das Prinzip der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Darüber hinaus ergeben sich aufgrund der fehlenden Maßgeblichkeit der Einzelabschlüsse für die Konzernbilanz mitunter auch bilanzpolitische Spielräume (Küting, K./ Weber, C.-P., 2008). <?page no="638"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 615 Neben dem Problem der Erfassung der einzelnen Jahresabschlusspositionen nach einheitlichen Richtlinien und nach einer einheitlichen Bewertung ist vor allem die Währungsumrechnung ein zentrales Problem der Erstellung eines Weltabschlusses. In § 244 i.V.m. § 298 I HGB ist beispielsweise vorgeschrieben, dass der Jahresabschluss in deutscher Sprache und in Euro aufzustellen ist. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass alle Abschlüsse von Tochtergesellschaften aus einem Fremdwährungsland in Euro umgerechnet werden. Nach § 313 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HGB sind im Konzernanhang die Grundlagen für die Umrechnung von Fremdwährungspositionen in Euro und damit die Umrechnungsmethoden für die Abschlüsse ausländischer Konzernunternehmen anzugeben. Die Frage nach der Auswahl eines geeigneten Umrechnungskurses erstreckt sich zum einen auf die Art des Umrechnungskurses und zum anderen auf den Zeitbezug. Hinsichtlich der Art kann eine Umrechnung von Währungspositionen prinzipiell anhand des Geld- oder Briefkurses erfolgen. Oftmals kommt ein Mittelkurs aus beiden zur Anwendung. Dieses Verfahren wird weitgehend als akzeptable Lösung angesehen. Hinsichtlich der Frage nach dem Zeitbezug sind insbesondere folgende Umrechnungskurse zu nennen (Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009): Historischer Kurs: Entspricht dem Wechselkurs zum Zeitpunkt der Anschaffung/ Herstellung bzw. Entstehung eines Wertes oder der Abwicklung eines Geschäfts, längstens aber zum Zeitpunkt der Entstehung des Mutter-Tochter-Verhältnisses, (modifizierter) Stichtagskurs: Wechselkurs am Stichtag des Konzernabschlusses, Durchschnittskurs: Gewichteter oder ungewichteter Monats- oder Jahresdurchschnittskurs. Nach deutschem Recht und gemäß dem neu eingefügten § 308a HGB hat die Währungsumrechnung der Bilanzpositionen im Rahmen der Erstellung eines Konzernabschlusses - mit Ausnahme des Eigenkapitals (historischer Kurs) - beispielsweise nach dem Devisenkassamittelkurs am Abschlussstichtag (Stichtagskurs) zu erfolgen. Währungsumrechnungen innerhalb der GuV sind nach der Durchschnittsmethode durchzuführen. Die Rechnungslegung nach IFRS/ US-GAAP sieht bei der Währungsumrechnung mitunter abweichende Umrechnungsmethoden vor (Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009). Je nach angewandter Methode kann es bei der Währungsumrechnung der einzelnen konzernrelevanten Unternehmensabschlüsse zu Umrechnungsdifferenzen kommen. Das besondere Problem der Währungsumrechnung besteht hierbei darin, dass die Verrechnung dieser Differenzen GuV-wirksam oder GuV-neutral erfolgen kann. In der Literatur finden sich sowohl für die GuV-neutrale als auch die GuV-wirksame Verrechnung Vorbzw. Nachteile (vgl. hierzu Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009; Schildbach, T., 2008). Nach erfolgter Anpassung der einzelnen Jahresabschlusspositionen an die einheitlichen (Konzern-)Richtlinien und der Währungsumrechnung werden die Einzelabschlüsse (HB II) aller zum Konzern gehörenden Unternehmen zu einem (gemeinsamen) Konzernab- <?page no="639"?> 616 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement schluss zusammengefasst. Dieser Vorgang stellt die sogenannte (Konzern-) „Konsolidierung“ dar. Hierbei sind eine Kapital- und Schuldenkonsolidierung sowie eine Eliminierung von Zwischenerfolgen bzw. Aufwands- und Ertragseliminierung erforderlich. Kapitalkonsolidierung bedeutet die Aufrechnung der Beteiligungen an Tochterunternehmen aus dem Einzelabschluss des Mutterunternehmens oder anderer Konzernunternehmen (Gemeinschaftsunternehmen/ assoziierte Unternehmen) mit den hierauf entfallenen anteiligen Eigenkapitalposten in den Bilanzen der einbezogenen Unternehmen. Beide Bestandteile der jeweiligen Einzelbilanzen tauchen in der Konzernbilanz nicht mehr auf (Ausnahme: Equity-Bewertung). Je nach Intensität der (Beteiligungs-)Beziehung werden verschiedene (Kapital-)Konsolidierungsmethoden angewandt. Ferner unterscheiden sich die verschiedenen Rechnungslegungssysteme (HGB, IFRS, US-GAAP) hinsichtlich Konsolidierungskreis und -art (Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009; für weiterführende Informationen vgl. auch Schildbach, T., 2008). Im Rahmen der Schuldenkonsolidierung werden die zwischen den einbezogenen Unternehmen bestehenden Forderungen und Verbindlichkeiten gegeneinander aufgerechnet, da ein einheitliches Unternehmen gegen sich selbst keine Forderungen und Verbindlichkeiten haben und bilanzieren kann (Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009). Da zwischen Unternehmen eines Konzerns des Öfteren intensive Lieferungs- und Leistungsbeziehungen bestehen, müssen bei einem Konzernabschluss neben der Kapital- und Schuldenkonsolidierung auch mögliche Zwischenerfolge bzw. Aufwands- und Ertragspositionen eliminiert werden. Auf der Grundlage der Einheitstheorie gelten Gewinne erst dann als realisiert, wenn der Abnehmer ein konzernfremder Dritter ist und die Lieferung den Konzernbereich verlässt. Die Zwischenerfolgseliminierung stellt hierbei das Bindeglied zwischen den Konsolidierungsvorgängen in der Bilanz und der GuV dar. Zwischenerfolge, die sich in den Bilanzposten der Einzelbilanzen niedergeschlagen haben, müssen daher eliminiert werden. Sofern die Bilanzen der Konzernunternehmen Vermögensgegenstände beinhalten, die unter Entstehung eines Gewinns (bzw. Verlustes) von einem Konzernunternehmen an ein anderes geliefert wurden, ist aus Konzernsicht sowohl der Wertansatz dieser Vermögensgegenstände als auch das Konzernergebnis um den entstandenen Zwischengewinn zu hoch (bzw. um den Zwischenverlust zu niedrig) ausgewiesen. Diese Korrektur der Bilanzwerte stellt die Zwischenerfolgseliminierung dar. Schließlich sind noch innerkonzernliche Aufwendungen und Erträge sowie Umsätze in der GuV zu bereinigen (Coenenberg, A./ Haller, A./ Schultze, W., 2009). Zur Darstellung eines Konsolidierungsvorgangs wird im nachstehenden Beispiel (vgl. Abbildung 287) exemplarisch die Vorgehensweise bei einer Eliminierung von Innenumsatzerlösen (Aufwands- und Ertragskonsolidierung) dargestellt: Die Mutter M-AG produziert (u.a.) aus dem Rohstoff RA (Wert 300) Halbfertigfabrikate HBF (Wert 550) und liefert diese an die Tochter T-AG, welche den Einkauf der HBFs <?page no="640"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 617 (zunächst) als Materialeinkauf (auf dem entsprechenden Bestandskonto) verbucht. Im nächsten Schritt werden von der Tochter T-AG aus den eingekauften HBFs Fertigprodukte hergestellt. Hierdurch entsteht der T-AG (u.a.) ein Materialaufwand (Wert 550). Anschließend werden die Fertigprodukte an Dritte weiterverkauft (Wert 820). Abbildung 287: Beispiel für eine Aufwands- und Ertragskonsolidierung Quelle: In Anlehnung an: Küting, K./ Weber, C.-P., 2008 Wie das oben dargestellte Beispiel zeigt, werden die Innenumsatzerlöse (550 HBF in der GuV der M-AG) gegen den Materialaufwand HFP (Wert 550 in der GUV der T-AG) aufgerechnet. Dieser Aufrechnungsvorgang ist i.d.R. der wichtigste Konsolidierungsschritt bei der Aufwands- und Ertragskonsolidierung. Hierdurch wird gewährleistet, dass der Konzernabschluss nur Außenumsatzerlöse erfasst (Küting, K./ Weber, C.-P., 2008). Für weitergehende und detailliertere Informationen zu den Konsolidierungsvorgängen vgl. exemplarisch Coenenberg, Haller, Schultze (2009) bzw. Schildbach (2008). <?page no="641"?> 618 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Fallstudie: Internationale Rechnungslegung Internationale Rechnungslegung Thilo Sekol, CFO Advisory, SAP AG Daniela Wärner, Lehrkraft für besondere Aufgaben Rechnungswesen, Controlling und Finanzen, FH Mainz SAP mit Sitz im baden-württembergischen Walldorf wurde 1972 gegründet und ist - gemessen am Umsatz mit Software und softwarebezogenen Services - weltweit führend bei Anwendungssoftware für Unternehmen. Gemessen an der Marktkapitalisierung ist SAP weltweit der drittgrößte unabhängige Softwarehersteller und einziger Europäer unter den TOP 10 der Softwarebranche. Seit 1988 ist SAP an der Frankfurter Börse gelistet. Motive waren damals u.a. die Erhöhung des Bekanntheitsgrades sowie die Gewinnung neuer Kapitalgeber, um den globalen Geschäftsausbau weiter vorantreiben zu können. Banken hielten Software damals noch als zu „weiche“ Ware. Heute ist die SAP, gemessen an der Marktkapitalisierung, das drittgrößte Unternehmen im Deutschen Aktien Index (DAX). Das Kerngeschäft von SAP ist der Vertrieb von Nutzungsrechten an selbsterstellten Softwarelösungen sowie den damit verbundenen Services. Die SAP-Lösungen reichen von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware und -technologien bis hin zu branchenspezifischen Anwendungen. Ziel von SAP ist es, seine Kunden in die Lage zu versetzen, Geschäftsprozesse effizient und flexibel zu gestalten, Entscheidungen zeitnah zu treffen und die betriebliche Wertschöpfung nachhaltig zu verbessern. Basis des Produktportfolios bilden Lösungen, die fest beim Kunden installiert sind (On Premise), bei Bedarf über das Internet abgerufen werden können (On Demand) oder über mobile Endgeräte zugänglich sind (On Device). Mit seinen Produkten und Services möchte SAP jeden Kunden auf dem Weg zum Best-run Business unterstützen. Zurzeit werden mehr als 109.000 Kunden (über 75% davon sind mittelgroße und kleine Unternehmen) in über 120 Ländern von SAP betreut. Vermarktung und Vertrieb der SAP- Produkte und Dienstleistungen in den einzelnen Ländern erfolgen überwiegend über ein weltweites Netz von Tochterunternehmen, wodurch die unmittelbare Nähe zum Kunden sichergestellt werden soll. Der Umsatz des SAP-Konzerns betrug im Jahr 2010 ca. 12,5 Milliarden Euro. Dabei wird ein Großteil des Umsatzes in den USA generiert (vgl. Abbildung 288). <?page no="642"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 619 Abbildung 288: Umsatzerlöse nach Regionen (nach dem Sitz des Kunden) Quelle: SAP-Geschäftsbericht 2010 Die USA gelten gleichzeitig auch weltweit als wichtigster und größter Absatzmarkt für die IT-Branche. Daher befinden sich die Hauptkonkurrenten von SAP seit jeher auch in den Vereinigten Staaten. Zu ihnen gehören vornehmlich IBM, Microsoft und Oracle. Während die Hauptmitbewerber ihre Stärken insbesondere im Bereich Datenbankmanagement (Oracle), Betriebssysteme und Desktop-Anwendungen (Microsoft) sowie IT-Dienstleistungen (IBM) haben, versucht sich SAP primär auf das Segment Unternehmenssoftware zu konzentrieren. Um die Präsenz von SAP in den USA zu erhöhen, beantragte das Unternehmen im Jahr 1998 die Listung der SAP-Aktie an der New York Stock Exchange (NYSE). Da die Securities and Exchange Commission (SEC) von allen ausländischen und an der NYSE gelisteten Unternehmen entweder eine Erweiterung des lokalen Abschlusses um Überleitungsrechnungen des Gewinns und des Eigenkapitals auf US-GAAP oder einen „full-US-GAAP“- Abschluss verlangt, entschied sich SAP, den Konzernabschluss zum Geschäftsjahr 1999 auf US-GAAP umzustellen. Mit der Anpassung des (Konzern-)Abschlusses an die USamerikanischen Rechnungslegungsstandards wurde für die Investoren gleichsam der Vergleich des SAP-Konzerns mit lokalen (US-amerikanischen) IT-Firmen hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit objektiver. Mit der Anerkennung der IFRS durch die Europäische Union wurden alle kapitalmarktorientierten Unternehmen (Zulassung von Wertpapieren in einem geregelten Markt) der Mitgliedsstaaten und somit auch SAP ab dem Jahr 2005 sowohl nach europäischem als auch deutschem Recht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses gemäß den International Financial Reporting Standards (IFRS) verpflichtet. Ein Konzernabschluss nach HGB war somit nicht mehr erforderlich. Aufgrund der Listung an der NYSE bedurfte es für SAP allerdings weiterhin der Erstellung eines US-GAAP-konformen Abschlusses. Dank der beharrlichen und konstruktiven Zusammenarbeit des IASB mit den US-amerikanischen Trendsettern und der Anerkennung der IFRS-Abschlüsse durch die SEC war es <?page no="643"?> 620 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement SAP möglich, beginnend zum Jahresende 2009 eine vollständige Umstellung auf die IFRS- Rechnungslegung vollziehen zu können. Eine Verpflichtung zur (weiteren) Aufstellung eines Konzernabschlusses nach den Vorschriften der US-GAAP besteht seitdem für SAP nicht mehr. Folglich gab SAP mit Ende des Geschäftsjahres 2009 die Bilanzierung nach den US-GAAP auf. Ab dem Geschäftsjahr 2010 erfolgt die Rechnungslegung bei SAP nunmehr ausschließlich nach den internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS). Für alle Konzernunternehmen gilt hierbei die Anwendung konzerneinheitlicher Bewertungs- und Bilanzierungsmethoden in Übereinstimmung mit den IFRS. Für die Aufstellung etwaiger Einzelabschlüsse erfolgt eine Überleitungsrechnung. Fragen zur Fallstudie (1) Was waren/ sind wesentliche Gründe für eine Harmonisierung der Rechnungslegung und wo liegen die Schwierigkeiten bei der Angleichung der unterschiedlichen Rechnungslegungsstandards? (2) Was ist das IASB und welche Rolle spielt es im internationalen Harmonisierungsprozess? (3) Welchen rechnungslegungstechnischen Herausforderungen steht ein international agierendes Unternehmen wie SAP gegenüber? (4) Welche Gründe hatte SAP, 1999 auf US-GAAP umzusteigen? Welche Vorteile ergeben sich für SAP durch die Anerkennung der IFRS durch die SEC? Quellen / Links: SAP-Geschäftsberichte 1999 und 2010 SAP AG, 2003: Internationale Rechnungslegung aus Sicht der SAP AG, 2003, online. www.ifrs.org www.sap.com <?page no="644"?> Internationales Finanzmanagement <?page no="645"?> 622 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement 3 Internationales Finanzmanagement Die zentrale Zielsetzung des internationalen Finanzmanagements besteht in der Liquiditätssicherung - und damit der Sicherung der Unternehmensexistenz - unter der sehr bedeutsamen Nebenbedingung der Rentabilität. Konkret bedeutet dies, dass sich Finanzmanager in internationalen Unternehmen darüber Gedanken machen, wie in einem globalisierten Unternehmensumfeld Kapital- und Zahlungsströme vor dem Hintergrund einer rendite- oder wertorientierten Unternehmenszielsetzung zu optimieren sind. Abbildung 289 zeigt vereinfacht die Stellung des Finanzmanagements zwischen den Investoren und dem operativen Geschäft des Unternehmens sowie den typischen Entscheidungsrahmen des Finanzmanagements. Die Pfeile in Abbildung 289 stehen dabei für typische Aufgaben und Entscheidungsfelder des Finanzmanagements: (1) Das Unternehmen generiert einen Zufluss an liquiden Mittel (Cash), z.B. durch den Verkauf von Aktien oder Anleihen, (2) das Unternehmen investiert in sein operatives Geschäft, z.B. durch den Aufbau neuer Produktionsanlagen im Ausland, (3) das Unternehmen generiert liquide Mittel aus seinem operativen Geschäft (operativer Cashflow), insbesondere durch den Verkauf seiner Produkte oder Leistungen, (4) das Unternehmen reinvestiert den operativen Cashflow in sein operatives Geschäft, (5) das Unternehmen schüttet liquide Mittel an die Investoren aus, z.B. über Dividenden, Zinszahlungen, Tilgungen, Kapitalherabsetzungen oder auch Aktienrückkäufe. Abbildung 289: Entscheidungen des Finanzmanagements Quelle: Brealey, R.A./ Myers, S.C./ Marcus, A.J., 2009 Auf einer übergeordneten Ebene stehen daher folgende Aufgabenbereiche im Fokus des Finanzmanagements (Brealey, R.A./ Myers, S.C./ Marcus, A.J., 2009; Bieg, H./ Kußmaul, H., 2009): Kapitalbeschaffung (= Finanzierung im engeren Sinn), Kapitalverwendung (= Investition) und Kapitalverwaltung (= Zahlungsverkehr). <?page no="646"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 623 Ergänzt werden die drei Kernaufgaben, über die sich die Literatur im Wesentlichen einig ist, noch um folgende weitere Aufgabenbereiche (Rehkugler, H., 2007): Management finanzieller Risiken, Gestaltung der Finanzmarktbeziehungen (bzw. Investor Relation) sowie organisatorische Gestaltung des Finanzbereiches. Im Hinblick auf die besonderen Fragestellungen des internationalen Finanzmanagements werden im Schwerpunkt die Herausforderungen der Kapitalbeschaffung im globalisierten Umfeld betrachtet. Die Kapitalverwendung, das Management finanzieller Risiken und das Finanzmarketing sind hingegen nicht Schwerpunkt des vorliegenden Abschnittes. Für eine vertiefte Beschäftigung mit diesen Fragestellungen sei auf die Literatur zum Finanzmanagement verwiesen (Kruschwitz, L./ Husmann, S., 2012; Zantow, R., 2007; Rehkugler, H., 2007; Perridon, L./ Steiner, M., 2004). Die Hauptunterschiede zwischen einem nationalen und einem internationalen Finanzmanagement liegen in dem Erfordernis, die Anforderungen internationaler, heterogener Unternehmensstrukturen mit vielfältig divergenten politischen, ökonomischen, sozialen und technologischen lokalen Rahmenbedingungen im Finanzmanagement zu berücksichtigen. Wenn man die Aufgabenstellung von Finanzmanagern in nationalen Unternehmen mit denen von internationalen oder globalen Unternehmen vergleicht, wird man feststellen, dass in internationalen Unternehmen eine Vielzahl von Fragestellungen hinzukommt, die es so in national agierenden Unternehmen nicht gibt. Dies sind insbesondere die folgenden Punkte: die Berücksichtigung von Fremdwährung, Wechselkursen und währungsbezogenen Ausfallrisiken, die Berücksichtigung von divergierenden Inflationsrisiken, die Berücksichtigung von lokalen Gesetzgebungen, insbesondere im Bereich der Steuergesetzgebung, sowie von lokalen Subventionen und anderen Förderungsmöglichkeiten, die Berücksichtigung von heterogenen Marktgegebenheiten im Bereich der Geld- und Kapitalmärkte (Eun, C.E./ Resnick, B.G, 2007). Dabei bergen diese Faktoren nicht nur Risiken, sondern auch vielfältige Chancen wie die erweiterten Möglichkeiten durch den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten, die nationalen Unternehmen nicht offenstehen. Einige Beispiele können dies transparenter machen. Im Vergleich zum nationalen muss das internationale Finanzmanagement bei seiner Tätigkeit also ein wesentlich heterogeneres Umfeld berücksichtigen. Daraus ergeben sich zusätzliche Chancen bzw. Risiken und damit verbunden die Notwendigkeit, die angestrebte internationale Finanzpolitik an die länder- <?page no="647"?> 624 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement spezifischen Gegebenheiten anzupassen. Insbesondere die wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen in den verschiedenen Ländern üben einen beträchtlichen Einfluss auf das Finanzmanagement von Unternehmen aus. Ausländische Tochtergesellschaften eines internationalen Unternehmens unterliegen der besonderen Rechts- und Wirtschaftsordnung ihres lokalen Standortes. Das jeweilige Gesellschaftsrecht beeinflusst z.B. die Eigenkapitalausstattung, die Rechnungslegung, die Gewinnausschüttung und die Rechte der Aktionäre. Durch die Steuergesetzgebung und Kapitalverkehrsbeschränkungen einzelner Länder werden Gewinnverwendung und Kapitaltransfer des internationalen Unternehmens beeinflusst. Daneben muss das internationale Finanzmanagement die unterschiedlichen lokalen Finanzierungsvorschriften und die Leistungsfähigkeit der lokalen Kapitalmärkte bei der Kapitalbeschaffung berücksichtigen. Dabei ist zum Beispiel festzustellen, dass die Bedeutung der verschiedenen Finanzierungsarten historisch sehr unterschiedlich ist und erst in den letzten Jahren im Rahmen der Globalisierung angenähert hat. Abbildung 290 zeigt, dass in den USA traditionell die Finanzierung auf Kapitalmärkten, insbesondere durch Aktien, aber auch durch Anleihen eine große Rolle spielt, während die Unternehmen in Japan und Deutschland eher kreditfinanziert waren. Dies hat sich aber in beiden Ländern in den letzten zehn bzw. 20 Jahren maßgeblich geändert. Abbildung 290: Finanzstruktur (Finanzierungsarten in Prozent der Gesamtfinanzierung, 1970 bis 2008) des Unternehmenssektors in den USA, Deutschland und Japan Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung, online, 2012 Internationale Unternehmen können Probleme, die durch fehlende oder nur unzureichend ausgestattete Kapitalmärkte im Ausland entstehen, gegebenenfalls durch ein internationales Finanzmanagement ausgleichen. Zudem bietet die Internationalität des Finanzmanagements in einem globalen Umfeld die Chance, Risiken zu streuen, Währungs- und Zinsgefälle zu nutzen sowie Steuervorteile und Subventionen wahrzunehmen. <?page no="648"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 625 3.1 Ziele, Rahmenbedingungen und Akteure des internationalen Finanzmanagements 3.1.1 Ziele des internationalen Finanzmanagements Wie bereits eingangs dargestellt, gelten für nationale Unternehmungen ebenso wie für international tätige Unternehmen als oberste finanzwirtschaftliche Ziele die Erreichung einer möglichst hohen Rentabilität, die Sicherung der Liquidität und der Unabhängigkeit sowie die Begrenzung spezifischer Risiken (Bieg, H./ Kußmaul, H., 2009; Rehkugler, H., 2007; Perriodon, L./ Steiner, M., 2004). Das internationale Finanzmanagement muss seine Struktur und seine Aktivitäten nach diesen Zielen ausrichten. Dazu sind Entscheidungen darüber notwendig, in welchem Umfang für die derzeitige und zukünftige Geschäftstätigkeit finanzielle Mittel benötigt werden. Des Weiteren muss beschlossen werden, wie eventuell entstehende Lücken durch eine möglichst günstige Beschaffung von Kapital geschlossen und wie nicht benötigte Mittel möglichst effizient eingesetzt werden können. Im Hinblick auf das Rentabilitätsziel muss das internationale Finanzmanagement die in den jeweiligen Tochtergesellschaften benötigten Mittel zu möglichst geringen Kapitalkosten beschaffen und die unternehmensinternen Finanzströme so lenken, dass die Rendite des Gesamtunternehmens optimiert wird. Dabei kann ein Konzern anders agieren als ein national alleinstehendes Unternehmen, da nationale Unterschiede ausgenutzt werden können. Andererseits hat das Rentabilitätsziel durch die Entwicklung des wertorientierten Managements deutlich an Bedeutung gewonnen. War das Rentabilitätsziel früher eine Nebenbedingung des internationalen Finanzmanagements, steht es heute häufig im Mittelpunkt. Internationale Unternehmen stehen im globalen Wettbewerb um Investoren und müssen daher mindestens ihre marktadäquaten Kapitalkosten verdienen. So verlangte beispielsweise der VW-Konzern im Jahr 2003 insgesamt eine Rendite von 9%, geschäfts- und länderspezifisch wurden aber erhebliche Zuschläge verlangt (VW, 2009, online). Abbildung 291 zeigt schematisch die Berechnung der Kapitalkosten für eine fiktive internationale Landesgesellschaft des VW-Konzerns. Das Liquiditätsziel wurde historisch als wichtigstes Ziel des Finanzmanagements angesehen. Es ist dann erreicht, wenn das Unternehmen in der Muttergesellschaft und allen Tochtergesellschaften die laufenden Ein- und Auszahlungen so steuert, dass die Zahlungsfähigkeit jederzeit erhalten bleibt. Es ist tatsächlich auch so, dass in den meisten Ländern die Zahlungsunfähigkeit das Ende jedes Unternehmens bedeutet allerdings wird die Illiquidität heute eher als Symptom gesehen, die mangelnde Rentabilität als die dahinterliegende Ursache. <?page no="649"?> 626 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Abbildung 291: Beispielhafte Berechnung der Kapitalkosten einer Landesgesellschaft Quelle: VW, 2009, online Das Ziel der Erhaltung der Unabhängigkeit besagt, dass die Muttergesellschaft nicht von zu starken Einflüssen externer Kapitalgeber in einem Land abhängig werden darf. Das wird insbesondere durch eine internationale Streuung der Eigen- und Fremdkapitalquellen erreicht. Damit wird die Abhängigkeit des Unternehmens von den Kapitalmarktverhältnissen eines einzigen Landes verhindert. Daneben wird eine Unabhängigkeit von diesen Verhältnissen in den einzelnen Tochtergesellschaften angestrebt. Das zentrale Finanzmanagement muss sich deshalb einen genügend großen Einfluss auf finanzielle Vorgänge in den ausländischen Tochtergesellschaften vorbehalten, d.h., diese treffen finanzielle Entscheidungen nur im Rahmen eines globalen Finanzkonzeptes (Rudolph, B., 1989). Maßnahmen zur Erreichung obiger Ziele müssen grundsätzlich auch unter Risikogesichtspunkten beurteilt werden. Dazu sind die einzelnen finanzwirtschaftlichen Risiken und ihre Eintrittswahrscheinlichkeiten zu analysieren, um ein akzeptables Sicherheitsniveau für das Gesamtunternehmen zu erreichen. Die im Folgenden dargestellten Aufgaben des internationalen Finanzmanagements lassen sich aus den genannten Zielsetzungen ableiten. 3.1.2 Rahmenbedingungen des internationalen Finanzmanagements Wechselkurse und Wechselkurssysteme Die Zunahme des globalen Handels und die daraus entstandene Globalisierung der Wirtschaft haben dazu geführt, dass die Volkswirtschaften der Welt noch stärker miteinander verknüpft sind. Die Finanzkrise von 2007 bis 2009 hat dabei eindrucksvoll bewiesen, dass dies nicht nur positive Konsequenzen hat: Aus einer lokalen Immobilienkrise in den USA ist in wenigen Monaten eine globale Wirtschaftskrise entstanden (Deimel, K./ Heupel, T./ Wiltinger, K., 2012). Wechselkurse zwischen Währungen reflektieren die Verknüpfungen zwischen den Volkswirtschaften. Technisch formuliert ist ein Wechselkurs der Preis einer Währung ausge- <?page no="650"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 627 drückt in den Einheiten einer anderen Währung. Als Dollarkurs bezeichnet man in Europa den Euro/ US-Dollar-Kurs (EUR/ USD), d.h. die Anzahl von US-Dollars, die man benötigt, um einen Euro zu kaufen (Shapiro, A.C./ Sarin, A., 2009). Wechselkurse bilden sich letztlich durch Angebot und Nachfrage nach einer Währung. Wie ein Wechselkurs entsteht bzw. beeinflusst wird, kann man an einem einfachen Beispiel erläutern: Exportiert ein Land zum Beispiel deutlich mehr Güter in ein anderes Land, als es aus diesem bezieht, hat es einen positiven Saldo der sogenannten Leistungsbilanz. Dies wird dazu führen, dass die Unternehmen der exportierenden Nation die Fremdwährung, die sie durch ihre Güter oder Dienstleistungen erlösen, in die eigene Währung zurücktauschen wollen. Die Nachfrage nach der eigenen Währung steigt. Dies sollte - ceteris paribus - dann dazu führen, dass der Wechselkurs der eigenen Währung steigt, nämlich der Preis der eigenen Währung ausgedrückt in Einheiten der Fremdwährung. Nun sollte der steigende Wechselkurs der eigenen Währung eigentlich dazu führen, dass sich die Güter und Dienstleistungen der exportierenden Nation in dem anderen Land verteuern, die Nachfrage sich abschwächt und sich so ein stabiles Gleichgewicht einstellt. Historisch lässt sich die Wirkung der starken Exportorientierung einer Volkswirtschaft auf die Wechselkurse anhand historischer Wechselkursentwicklungen zeigen. Die Wechselkurse von DM und Dollar (USD/ DM-Kurs) zwischen 1950 und 1980 zeigen das ungebrochene Wirtschaftswunder in Deutschland. Damals gab es jedoch noch keine flexiblen Wechselkurse, sondern diese wurden durch staatliche Stellen bestimmt (System starrer Wechselkurse). Erst ab 1980 bis zum Ende der DM im Jahr 1998 kommt es zu echten Schwankungen, wobei immer noch eine Aufwertungstendenz der DM festzustellen war (vgl. Abbildung 292). Der relativ „einfach“ strukturierte exportbezogene Erklärungsansatz galt in den letzten Jahren in Bezug auf die chinesische Währung Renminbi, die einer ständigen Aufwertungstendenz unterlag. Jedoch wird auch der Renminbi anhand starrer Wechselkurse von staatlicher Seite festgelegt. Abbildung 292: Historische Entwicklung des Dollarkurses zur DM bis zur Einführung des Euro Quelle: Deutsche Bundesbank, 2012, online Auf dieser sehr abstrakten Ebene lassen sich Wechselkurse und Wechselkursschwankungen also relativ einfach nachvollziehen und erklären. In der Praxis werden die Nachfrage 0 1 2 3 4 5 Jahr Wechselkurs in Dollar/ DM <?page no="651"?> 628 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement nach einer Währung und die Wechselkurse dieser Währung nicht nur durch den Export von Waren oder Dienstleistungen beeinflusst. Die Höhe des Wechselkurses hängt auch von grenzüberschreitenden Erwerbs- und Vermögenseinkommen, von Übertragungen ohne Gegenleistung (wie Rentenzahlungen ins Ausland), von Investitionen im Ausland und von den Devisenkäufen der Zentralbanken ab. Daneben beeinflusst eine ganze Reihe von weiteren politischen und volkswirtschaftlichen Faktoren die Wechselkurse, von denen nur einige hervorgehoben werden sollen (Shapiro, A.C./ Sarin, A., 2009): die relativen Inflationsraten, die relativen Zinsniveaus, das relative Wirtschaftswachstum und damit das wirtschaftliche Risiko einer Volkswirtschaft sowie das politische Risiko einer Volkswirtschaft. Letztendlich führt die Vielzahl von Einflussfaktoren und die enorme Komplexität und Dynamik dazu, dass es zwar möglich ist, ex post langfristige Wechselkursschwankungen zu erklären, aber selbst eine kurzfristige Prognose von Wechselkursen ist mit erheblichen Risiken behaftet. Dies war historisch gesehen nicht immer so. Betrachtet man die Entwicklung der Wechselkurssysteme seit Beginn der Industriellen Revolution Anfang des 19. Jahrhunderts, haben sogenannte Festkurssysteme (starre Wechselkurse) dominiert. Bei einem Festkurssystem garantieren eine oder mehrere staatliche Stellen, meist die Zentralbanken der beiden Länder, einen festen Wechselkurs. Droht sich ein Wechselkurs aus den oben genannten Gründen zu verändern, muss die garantierende Zentralbank den Wechselkurs stützen. Dies geschieht, indem sie selbst am Devisenmarkt tätig wird: Droht eine Aufwertung der eigenen Währung, wird diese verkauft; droht dagegen eine Abwertung, wird diese gekauft. Das wohl bekannteste Festkurssystem war das zwischen 1945 und 1972 existierende Bretton- Woods-System, in dem zunächst 44 Länder ihre Währung gegenüber dem US-Dollar fixiert haben (Eun, C.E./ Resnick, B.G., 2007). Letztlich ist aber auch die Einführung des Euro als gemeinsame Währung etlicher europäischer Länder der Versuch, einen internationalen Handel ohne Wechselkursschwankungen zu etablieren. Festkurssystemen stehen Systeme mit flexiblen Wechselkursen gegenüber, in denen die Wechselkurse frei schwanken. Die Vorteile eines Festkurssystems liegen letztlich auf der Hand. Die sichere Kalkulierbarkeit der Wechselkurse senkt das Risiko für die Unternehmen und verringert die Transaktionskosten. Auf der anderen Seite hat die Historie gezeigt - und zeigt letztlich auch die Eurokrise der Jahre 2011 und 2012 -, dass langfristig keine staatliche Institution in der Lage ist, Wechselkurse gegen die Marktkräfte, die auf den oben aufgeführten volkswirtschaftlichen Faktoren basieren, zu verteidigen. <?page no="652"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 629 Internationale Kapitalmärkte Voraussetzung für die reibungslose Kapitalbeschaffung sind funktionierende Kapitalmärkte. Kapitalmärkte gehören zu den Finanzmärkten. Klassischerweise unterscheidet man bei den Finanzmärkten zwischen Geldmärkten und Kapitalmärkten (siehe Abbildung 293). Während der Geldmarkt die kurzfristige Geldanlage und -aufnahme charakterisiert und insbesondere durch das Interbankengeschäft geprägt ist, versteht man unter den Kapitalmärkten den Markt für die längerfristige Kapitalanlage und -aufnahme. Innerhalb der Kapitalmärkte spielen die Wertpapierbörsen, an denen Eigenkapital (meist in Form von Aktien) und Fremdkapital (weitgehend in Form von Anleihen) gehandelt werden, eine besondere Rolle. Abbildung 293: Unterteilung der Finanzmärkte Quelle: Perridon, L./ Steiner, M./ Rathgeber, A., 2009 Während man vor einigen Jahren noch davon ausging, dass nur einige wenige Unternehmen auf internationalen Kapitalmärkten aktiv sind, und auch nur dann, wenn der nationale Kapitalmarkt ausgeschöpft ist, ist eine internationale Kapitalbeschaffung heute kein Sonderfall mehr, wie Abbildung 294 zeigt. Abbildung 294: Anteil ausländischer Investoren am Grundkapital von ausgesuchten Dax- Unternehmen Quelle: Handelsblatt, 28.12.2008 <?page no="653"?> 630 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Die internationalen Kapitalmärkte kann man letztlich in Märkte für Eigen- und Fremdkapital unterteilen. Unter den Märkten für Eigenkapital spielen die internationalen Aktienbörsen eine dominierende Rolle. Die globale Marktkapitalisierung der an den wesentlichen Börsen gehandelten Unternehmen betrug Ende 2011 47.401 Mrd. USD (WFE, 2011, online). Abbildung 295 zeigt die Bedeutung der wichtigsten Börsen auf Basis des Börsenumsatzes. Abbildung 295: Die größten Aktienbörsen Quelle: World Federation of Exchange, online; Bundeszentrale für politische Bildung, 2010, online Neben den Märkten für Eigenkapital spielen die Märkte für börsengehandeltes Fremdkapital, also Anleihen, eine wichtige Rolle. Der weltweite Umsatz mit Anleihen ist allerdings deutlich geringer als der Aktienhandelsumsatz und lag bei 32.556 Mrd. USD (WFE, 2011, online). Abbildung 296: Nationale, internationale und Offshore-Finanzmärkte <?page no="654"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 631 Wie Abbildung 296 zeigt, bezeichnet man eine Anleihe dann als international, wenn Gläubiger und Schuldner aus verschiedenen Ländern stammen. Ursprünglich war das charakteristisch für die klassischen Schweizer Auslandsanleihen, dass in der Regel der Gläubiger seinen Sitz in der Schweiz und der Schuldner in einem anderen Land hatte und darüber hinaus die Emission in Schweizer Franken erfolgte. Seit Anfang der 1960er Jahre wurde das Kapitalmarktszenario ergänzt durch die sog. Offshore-Märkte, die sich außerhalb des hoheitlichen Geltungsbereichs von Nationalstaaten befinden und sich von den anderen Märkten durch ein wesentlich geringeres Regelwerk an Vorschriften unterscheiden. Sie führen im Bereich der Nationalstaaten entsprechend ihrer Bezeichnung eine Art Inseldasein und sind die internationalsten Märkte überhaupt, weil in der Regel Gläubiger und Schuldner aus verschiedenen Ländern stammen, die Emissionswährung eine andere als die des Gläubigers oder Schuldners sein kann und der Finanzplatz als Ort von Emission und Handel ebenfalls unterschiedlich ist. Unter den internationalen Finanzmärkten hat der Euromarkt eine besondere Bedeutung (siehe Abbildung 297). Auf dem Euromarkt agieren in der Regel nur die größten Kapitalnachfrager und die institutionellen Kapitalgeber wie Versicherungen, Investmentfonds, Pensionsfonds. Der Name „Euromarkt“ liegt in der Tatsache begründet, dass Emissionen vorwiegend in Europa stattfinden. Er gliedert sich zum einen in den Eurogeldmarkt, der die Refinanzierungsquelle der Banken für den Eurokreditmarkt darstellt und dessen Gegenstand die Emission und der Handel von Geldmarkttiteln mit einer Laufzeit von maximal 18 Monaten ist. Zum anderen gibt es den Eurokreditmarkt, auf dem die Eurobanken den Nichtbanken mittel- und langfristige Kredite zur Verfügung stellen. Des Weiteren existiert der Eurokapitalmarkt, dessen Gegenstand die Emission und der Handel von mittel- und langfristigen Anleihen ist. Dies lässt sich mit dem freien Marktzutritt, dem Nichtvorhandensein von Reglementierungen, steuerlichen Vorteilen für die Anleger (keine Quellensteuer) und der schnellen und problemlosen Abwicklung begründen. Abbildung 297: Teilmärkte des Euromarktes Quelle: Perridon, L./ Steiner, M./ Rathgeber, A., 2009 <?page no="655"?> 632 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement 3.1.3 Interne Rahmenbedingungen des internationalen Finanzmanagements Die internen Rahmenbedingungen des internationalen Finanzmanagements sind maßgeblich durch die Fragestellung der Kapitalstruktur geprägt. Im weiteren Sinne kann man unter Kapitalstruktur die Zusammensetzung der Passivseite der Bilanz eines Unternehmens verstehen. Im engeren Sinne versteht man unter der Kapitalstruktur das Verhältnis von Fremdzu Eigenkapital. Dies ist insbesondere deshalb von übergeordneter Bedeutung, da sich Fremd- und Eigenkapital hinsichtlich vielfältiger Kriterien unterscheiden und somit die Extrempositionen der Finanzierungsmöglichkeiten darstellen. Im Rahmen des internationalen Finanzmanagements müssen im Hinblick auf die Kapitalstruktur folgende Entscheidungen getroffen werden: (1) Entscheidungen über die Kapitalstruktur des Gesamtkonzerns sowie (2) Entscheidungen über die Kapitalstruktur der Tochtergesellschaften. Hauptkriterien für die Entscheidung über die Kapitalstruktur sind die allgemeinen, oben genannten Zielsetzungen des internationalen Finanzmanagements: Rentabilitätsziel und Kapitalkosten Fremdkapital ist grundsätzlich günstiger als Eigenkapital. Daher spricht das finanzwirtschaftliche Ziel der Rentabilität zunächst für eine stärkere Fremdfinanzierung. Liquiditätsziel Eine zu hohe Verschuldung eines Unternehmens begrenzt die Möglichkeit zur Aufnahme weiterer Kredite. Daher spricht das Ziel der Liquidität grundsätzlich für eine höhere Eigenfinanzierung. Sicherung der Unabhängigkeit Weil die Mitbestimmungsrechte der Eigenkapitalgeber meist größer sind als die der Fremdkapitalgeber, spricht das Ziel der Sicherung der Unabhängigkeit maßgeblich für eine Fremdfinanzierung. Risikogesichtspunkte Weil eine Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit die wesentlichen Insolvenzgründe sind, ist eine hohe Ausstattung mit Eigenkapital die Krisenfestigkeit eines Unternehmens. Im Rahmen des internationalen Finanzmanagements kommen noch weitere Kriterien hinzu: Lokale Gesetzgebungen, insbesondere im Bereich Steuergesetzgebung Eine Entscheidung über die Kapitalstruktur von Tochtergesellschaften hängt gegebenenfalls von konkreten Gesetzgebungen in den jeweiligen Ländern ab. So verbie- <?page no="656"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 633 ten die Steuergesetzgebungen vieler Länder die vollständige Fremdfinanzierung von Tochtergesellschaften, da hierdurch Gewinne verlagert werden. Lokale Kapitalmärkte Die Versorgung an lokalen Kapitalmärkten oder auch die Inanspruchnahme von öffentlichen Förderungen, die wiederum an eine lokale Finanzierung gebunden sein können, beeinflussen die Entscheidung über die Kapitalstruktur. Lokale Risikogesichtspunkte Unterschiedliche Risikostrukturen in den lokalen Gesellschaften sowie unterschiedliche Länderrisiken beeinflussen die lokalen Finanzierungsanforderungen. Hinzu kommt auch, dass lokale Geschäftspartner (Kunden und Lieferanten) möglicherweise Mindestanforderungen an die Kapitalausstattung der Landesgesellschaften haben. Risikostreuung im Konzern Unter Risikostreuung wird der Grad verstanden, inwieweit die Muttergesellschaft für die finanziellen Verpflichtungen der Tochtergesellschaften bürgt. Dies kann auch bei Kapitalgesellschaften - mit beschränkter Haftung - durch lokale Gesetzgebungen (Gesetze oder Rechtsprechung zur Konzerndurchgriffshaftung) oder bilaterale Verträge (Patronatserklärungen) beeinflusst werden. Das Finanzmanagement des internationalen Unternehmens muss anhand der genannten Kriterien entscheiden, wie eine geeignete Kapitalstruktur sowohl im Konzern als auch bei den einzelnen Tochtergesellschaften erreicht werden kann. Dabei gibt es drei grundsätzliche Vorgehensweisen (Eun, C.E./ Resnick, B.G., 2007): (1) Grundsätzliche Zentralisierung mit Durchsetzung einheitlicher Kapitalstrukturregeln im Konzern, (2) eigenständige Finanzierungsentscheidungen auf Landesebene mit dem Ziel, die jeweils vorherrschenden Kapitalstrukturregeln zu befolgen, (3) opportunistisches Verhalten, je nachdem, wie lokale Märkte, lokale Steuern, lokale Förderungen oder auch Kosten und Risiken dies erlauben. Die Entscheidung über die Ausstattung von ausländischen Tochtergesellschaften mit Eigenkapital wird meist zentral vom Finanzmanagement der Muttergesellschaft getroffen. Damit soll erreicht werden, dass eine einheitliche Unternehmens- und Bilanzpolitik im Konzern möglich wird. Im Folgenden sollen einige wenige spezielle Aspekte zur Kapitalstruktur im Konzern hervorgehoben werden. <?page no="657"?> 634 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Eigenkapitalquote und Auslandsrisiken Eine niedrige Eigenkapitalquote wird insbesondere bei ausländischen Tochtergesellschaften relevant, die in Ländern mit hoher politischer Instabilität und mit hohem Währungsrisiko operieren. Besteht die Gefahr der Enteignung und ist der Kapitaltransfer und/ oder die Gewinnrepatriierung eingeschränkt, dann bietet sich eine niedrige Eigenkapitalquote an, um die Risiken in dem betreffenden Ausland zu senken. Da sich Kapitalgeber i.d.R. an der Weltbilanz orientieren und die Banken häufig zusätzliche Sicherheiten verlangen, wird die Bonität der Tochtergesellschaften trotz einer niedrigen Eigenkapitalausstattung nicht zwingend negativ beeinflusst (Büschgen, H.E., 1997). Jedoch führt eine niedrige Eigenkapitalausstattung der Tochtergesellschaften zu einer Verschlechterung der Kapitalstruktur in der Weltbilanz. Bei der Bestimmung der Eigenkapitalquote sind die Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten im Gastland zu beachten, damit keine Finanzierungslücken auftreten. Eigenkapitalquote und länderspezifische Gegebenheiten Eine Anpassung der Kapitalstruktur an die länderspezifischen Gegebenheiten wird oft damit begründet, dass eine eigenständige Kreditwürdigkeit der Tochtergesellschaft im Ausland sichergestellt werden soll. Es ist jedoch fraglich, ob sich dadurch die Bonität der Tochtergesellschaft im Gastland wirklich verbessert, da die Kreditwürdigkeit von Tochtergesellschaften zunehmend am Gesamtkonzern gemessen wird. Will die Muttergesellschaft die Kreditwürdigkeit des Gesamtkonzerns nicht gefährden, dann muss sie durch das Financial backing ihrer ausländischen Tochtergesellschaften für deren Zahlungsverpflichtungen einstehen. Steuerliche und risikopolitische Überlegungen sind weitere Gründe dafür, dass internationale Unternehmen ihre ausländischen Tochtergesellschaften mit unterschiedlichen Eigenkapitalquoten ausstatten. Eine Erhöhung der Eigenkapitalquote ergibt sich zwangsläufig durch Kapitalverkehrsbeschränkungen, wenn z.B. Gewinne nicht an die Muttergesellschaft überführt werden dürfen. Dann führt die Thesaurierung von Gewinnen zwangsläufig zu einer Eigenkapitalerhöhung. Eigenkapitalquote und Kapitalstruktur im Konzern Das internationale Finanzmanagement ist im Allgemeinen bestrebt, eine Vereinheitlichung der Kapitalstruktur im Konzern zu erreichen. Dazu ist die Anpassung der Kapitalstruktur der ausländischen Tochtergesellschaften an die der Muttergesellschaft notwendig. Damit soll erreicht werden, dass die Kreditwürdigkeit des Gesamtkonzerns nicht gefährdet wird. Die Risikoposition der Muttergesellschaft und deren internationales Rating werden u.a. durch die Kapitalstruktur in der Weltbilanz beeinflusst. Die Gestaltung der Kapitalstruktur der ausländischen Tochtergesellschaften ist somit ein strategisches Entscheidungsproblem der Muttergesellschaft. Diese Gestaltung hängt von der Finanzierungsphilosophie der Obergesellschaft ab: Entweder sie stattet alle ausländischen Tochtergesellschaften so mit <?page no="658"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 635 Kapital aus, dass sie selbstständig und unabhängig wie eine dritte Gesellschaft agieren können, oder sie lässt sich von der beschriebenen Philosophie des Risiko-Ressourcen- Verbunds leiten. 3.1.4 Akteure des internationalen Finanzmanagements Träger der Kapitalbeschaffung Zu den Akteuren auf den internationalen Finanzmärkten zählen aus Sicht eines Unternehmens die Träger der Kapitalbeschaffung. „Die Aufgabe der Kapitalbeschaffung kann“, wie Pausenberger festgestellt hat, „prinzipiell von jeder Konzerngesellschaft wahrgenommen werden: von der kapitalbedürftigen Tochtergesellschaft, der Muttergesellschaft oder anderen (operativen) Konzerngesellschaften“ (Pausenberger, E., 1995). Wie empirische Untersuchungen ergeben haben, wird grundsätzlich die lokale Fremdfinanzierung präferiert, wobei das politische Risiko, die Vermeidung des Währungsrisikos und die Kosten eine bedeutende Rolle spielen. Außerdem kommt es darauf an, ob es sich um Länder mit freiem Kapitalverkehr und ausreichenden Finanzierungsquellen handelt oder mit eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten, in denen allenfalls kurzfristige Geschäftskredite verfügbar sind. In letzteren Fällen ist damit zu rechnen, dass vonseiten der Muttergesellschaft Sicherheiten verlangt werden, die bei Patronatserklärungen beginnen und bis zu den verschärften Formen der Bürgschaft, die akzessorisch ist, oder einer Garantie reichen können. Soll der internationale Kapitalmarkt in Anspruch genommen werden, hängt es in erster Linie von dem Marktzugang der Konzern-Tochtergesellschaften ab, denen es an Größe mangelt oder deren Bekanntheitsgrad international gering ist. In diesen Fällen wird von der Muttergesellschaft eine zuvor gegründete Finanzierungsgesellschaft zwischengeschaltet, deren Zweck es ist, als Kapitaldrehscheibe zu dienen. Sie nimmt dann für die Tochtergesellschaften die zur Deckung des gebündelten Finanzbedarfs erforderlichen Mittel auf und reicht sie anschließend an die Tochtergesellschaften weiter. Da sie selbst keine Vermögen besitzen, aber an die Stelle der Muttergesellschaft treten, werden sie diese Mittel nur aufnehmen können, wenn die Muttergesellschaft die unbedingte und unwiderrufliche Garantie übernimmt. Banken und Finanzdienstleister Eine zweite Gruppe von Akteuren sind Finanzintermediäre. Das sind Banken oder Finanzdienstleister. Dabei sind Banken keine homogene Branche, sondern in ihrem Leistungsspektrum relativ inhomogen. Welche Geschäftsbereiche eine Bank haben kann, lässt sich am Beispiel einer typisierten Universalbank zeigen (siehe Abbildung 298). <?page no="659"?> 636 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Abbildung 298: Typische Geschäftsfelder einer Universalbank Quelle: Börner, C., 2000 Wie sich unschwer erkennen lässt, sind im Rahmen des internationalen Finanzmanagements insbesondere die Leistungen im Bereich des Firmenkundengeschäftes von Interesse. Dies sind: (1) Leistungen des Commercial Banking (a) Zahlungsverkehr/ Cash-Management (b) Investitionskredite (c) Konsortialkredite (2) Leistungen des Investment Banking (a) Emissionsgeschäft (b) Transaktionsstrukturierung (c) M&A-Geschäft (d) Derivate Auch wenn man eine typische nationale Bank nicht anhand einiger weniger eng definierter Kriterien von der typischen internationalen Bank unterscheiden kann, gibt es doch einige Aspekte, die internationale Banken kennzeichnen. Internationale Banken nehmen am Eurogeldmarkt teil, indem sie sich dort zum Beispiel refinanzieren. Internationale Banken sind Teilnehmer in Syndikaten, die Kredite mit großen Volumina an globale Konzerne oder Gebietskörperschaften vergeben. Internationale Banken haben häufig ein ausgeprägtes Investment Banking und beraten ihre Kunden weltweit im Rahmen der oben genannten Leistungen. Eun und Resnick (Eun, C.E./ Resnick, B.G., 2007) nennen Gründe, warum Banken ein internationales Geschäft aufbauen: Grenzkosteneffekte Internationale Banken können ihr nationales Geschäftsmodell international zu geringeren Grenzkosten anbieten als rein lokale Konkurrenten. <?page no="660"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 637 Know-how-Vorteile Die Niederlassungen von internationalen Banken profitieren von dem Know-how der Muttergesellschaften in Bezug auf den Heimmarkt der Bank. Prestige Große internationale Banken gelten grundsätzlich als professioneller, sicherer und zahlungskräftiger als nationale Banken. Geringere Regulierung Internationale Banken können Nachteile durch eine stärkere Regulierung in einem lokalen Markt häufig durch die Einbeziehung von Niederlassungen in anderen Märkten kompensieren. Kundennähe Die Globalisierung der eigenen Kunden macht es auch für Banken erforderlich, zu internationalisieren. Transaktionskosten Durch eine Globalisierung können internationale Banken unterschiedliche lokale Marktbedingungen, Gesetzgebung oder sonstige Umfeldbedingungen ausnutzen. Wachstum Eine Internationalisierung ist für eine nationale Bank in vielen Fällen eine der wenigen Möglichkeiten, zu wachsen. Risikostreuung Eine Internationalisierung bietet die Chance der Risikostreuung. Durch eine Internationalisierung ist die Bank nicht mehr von dem wirtschaftlichen Umfeld eines einzigen Landes abhängig. Während früher die Banken aus den klassischen Industrienationen im globalen Banking führend waren, hat sich dies innerhalb der letzten Jahre maßgeblich verändert. Abbildung 299: Top-Ten Geschäftsbanken Quelle: Statista, 2012, online <?page no="661"?> 638 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Abbildung 299 zeigt, dass sich unter den fünf nach dem Börsenwert größten Banken drei chinesische Banken befinden. Schließlich sind noch die supranationalen Finanzintermediäre zu berücksichtigen, denen zumeist eine der folgenden Aufgaben zukommt: Förderung der internationalen Zusammenarbeit im Bereich der staatlichen und privatwirtschaftlichen Finanzwirtschaft sowie Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in bestimmten Regionen. Beispiele für Finanzintermediäre sind globale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds (IWF), die Weltbankgruppe oder die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung oder regionale Organisationen wie die Interamerikanische Entwicklungsbank, die Afrikanische Entwicklungsbank, die Asiatische Entwicklungsbank oder auch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Die Aktivitäten ausländischer Geschäftsbanken auf internationaler Ebene können in organisatorischen Gestaltungsformen gekleidet sein als: Selbstständige Tochtergesellschaft eines internationalen Bankkonzerns Hier handelt die Tochtergesellschaft als rechtlich eigenständige Bank im nationalen Bankensystem des Gastlandes. Allerdings haftet die Konzernmutter meist für die Risiken durch eine Patronatserklärung und organisiert die Refinanzierung. Zweigniederlassung Eine Zweigniederlassung ist meist rechtlich unabhängig, aber bezüglich der Haftung voll in die Hauptniederlassung eingebunden. Repräsentanz in Form eines Büros Repräsentanzen erledigen keine eigenen Bankgeschäfte, sondern vermitteln oder beraten im Hinblick auf die Leistungen der Muttergesellschaft. Zusammenarbeit mit einer anderen Bank (Korrespondenzbank). Die Wahl der jeweiligen Organisationsform hängt von verschiedenen Faktoren ab: Gesetzliche Bestimmungen Es gibt Länder, die aufgrund von Gesetzen und Verordnungen den freien Zugang ausländischer Banken im Sinne einer Full Service Bank verhindern oder beschränken. Es sind die Regierungen, die keine Zweigniederlassungen zulassen oder die Errichtung von 100%igen Tochtergesellschaften ausländischer Banken verbieten. Während die Vereinigten Staaten und die Mehrzahl der Industrieländer ausländischen Banken nur geringe Beschränkungen auferlegen, sind andere Länder zurückhaltender und nicht so großzügig. Lokale Ressourcen Lokale Ressourcen sind finanzielle Mittel und geeignetes, qualifiziertes Personal bereitzustellen. Die Gründung einer Tochtergesellschaft erfordert einen höheren Kapi- <?page no="662"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 639 taleinsatz als eine Zweigniederlassung, während für eine Repräsentanz der geringste Kapitaleinsatz benötigt wird. Da für eine internationale Bank das Personal die wichtigste Ressource ist, sind hoch qualifizierte und für den Auslandseinsatz gut ausgebildete Führungskräfte eine conditio sine qua non. Sie sind das größte Aktivum, das für die Bank auch die Gefahr mit sich bringt, dass sie von Wettbewerbern umworben bzw. abgeworben werden. Sie müssen nicht nur über analytische Fähigkeiten verfügen, sondern vor allem unternehmerisch denken können, kreativ sein und Führungsqualitäten aufweisen. Darauf müssen sich Banken vor einem Auslandseinsatz gut vorbereiten. Steuerliche Überlegungen Sie sind bei allen unternehmerischen Entscheidungen zu berücksichtigen, ohne freilich alleinige Priorität zu genießen. Dabei kommt es auf die gewählte Organisationsform der Bank, ihre Ertragssituation und die der Obergesellschaft, das Verhalten bezüglich der Gewinnverwendung, die Steuergesetze des eigenen und des Gastlandes sowie mögliche Außensteuergesetze und Doppelbesteuerungsabkommen an. Empirische Untersuchungen haben laut Hughes und Mac Donald ergeben, dass die Banken es empfehlenswerter finden, in armen Ländern Repräsentanzen zu gründen, während sie in reichen Ländern dazu neigen, Zweigniederlassungen zu errichten. Die Gründung von selbstständigen Tochtergesellschaften wird nur in Ländern vorgezogen, die sich durch liberale Bestimmungen und ein hohes Pro-Kopf-Einkommen auszeichnen. Immerhin hat sich die Zahl ausländischer Banken in den verschiedenen Gastländern seit den 1960er Jahren explosionsartig erhöht (Hughes, J.E./ MacDonald, S.B., 2002). Für viele Banken aus unterschiedlichen Ländern ist London zum Zentrum ihrer internationalen Aktivitäten geworden. Daneben haben sich viele ausländische Banken in den USA niedergelassen. Hier können ausländische Banken unter den gleichen Bedingungen wie amerikanische Banken mit diesen konkurrieren. Anfang der 1990er Jahre zählten die japanischen Banken, später die holländischen, kanadischen, britischen, französischen Banken sowie die Hongkong Shanghai-Bank zu den sogenannten „big playern“. Die protektionistische Politik in vielen Ländern Asiens hat ausländische Banken daran gehindert, einen höheren Marktanteil zu erwerben. Derzeit engagieren sich ausländische Banken in Zentraleuropa, vorzugsweise in Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei, weniger auf dem Balkan und in Russland. Viele Auslandsbanken, insbesondere Banken aus Spanien, Deutschland und Italien, sehen wiederum Chancen in Südamerika, und zwar vornehmlich dort, wo sich die gesamtwirtschaftliche Situation stabilisiert hat (Hughes, J.E./ MacDonald, S.B., 2002). Organisation des internationalen Finanzmanagements im Unternehmen Bei Kapitalmarkttransaktionen kann ein zentrales Finanzmanagement internationale Unterschiede ausnutzen, zunehmende Skalenerträge erzielen, Synergieeffekte realisieren und einen internationalen Risiko- und Liquiditätsausgleich vornehmen. Andererseits sind regionale Anpassungen notwendig, um z.B. die Komplexität der Entscheidungsgrundlagen <?page no="663"?> 640 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement zu verringern. Insbesondere Kapitalverkehrsbeschränkungen, mangelnde Konvertierbarkeit der Währungen, Restriktionen auf lokalen Geld- und Kapitalmärkten, steuerliche Gesichtspunkte sowie Beschränkungen in den Eigentumsverhältnissen sind Gründe dafür, dass internationale Unternehmen organisatorische Strukturen wählen, die ein adäquates Verhältnis zwischen Zentralisation und Dezentralisation im Finanzbereich ermöglichen. Es kommt so zur Bildung von Konzernbanken, Finanzierungsgesellschaften, Projektfinanzierungsgesellschaften und Holdinggesellschaften. Einzelne internationale Unternehmen haben Konzernbanken gegründet, die vom zentralen Finanzmanagement das gesamte Cash-Management einschließlich des Währungsmanagements und die Außenhandelsfinanzierung übernehmen. Sie dienen als Servicegesellschaft der Konzernleitung, können aber auch Finanzdienstleistungen an außenstehende Dritte verkaufen. Als finanzwirtschaftliche Servicegesellschaften helfen sie einzelnen Konzerngesellschaften oder Unternehmensteilen bei der Kapitalbeschaffung und der Platzierung von Wertpapieremissionen oder gewähren ihnen direkt aus eigenen Mitteln Kredite. Der Vorteil der Konzernbanken gegenüber dem herkömmlichen Finanzmanagement kann in dem bankenspezifischen Privileg liegen, über die Eigenkapitalbasis hinaus Kredite zu vergeben (Macharzina, K., 1985). Da die Aktivitäten einer Konzernbank vom zentralen Finanzmanagement ebenfalls effizient geleistet werden können und ein leistungsfähiges Kreditgewerbe zur Verfügung steht, gründeten nur wenige deutsche Konzerne eigene Banken. Diese müssen dann das Kreditwesengesetz berücksichtigen. Die wenigen in Deutschland bestehenden Konzernbanken sind meist durch Fusionen oder Akquisitionen dem Unternehmen bzw. dem Konzern angegliedert worden. In Japan hingegen ist eine Reihe von großen Konglomeraten („Keiretsu“) aus Banken hervorgegangen. Häufiger findet man in der Praxis die Gründung von Finanzierungsgesellschaften. Diese übernehmen die Aufgabe, insbesondere das Cash-Management, das Währungsmanagement und die Kapitalbeschaffung für den Gesamtkonzern durchzuführen. Sie sind oft rechtlich selbstständige Gesellschaften, die meist in einem Land mit günstigen devisen-, privat- und steuerrechtlichen Bestimmungen angesiedelt werden (z.B. Cayman Islands, Jersey, Curaçao). Darüber hinaus verfügen diese Länder über eine hohe politische Stabilität, ein qualifiziertes Dienstleistungsangebot, einen leistungsfähigen Kapitalmarkt sowie eine gut entwickelte Infrastruktur im Kommunikations- und Verkehrsbereich. Wichtig ist, dass ein freier Kapitalverkehr möglich ist, die staatliche Reglementierung des Kapitalmarktes auf ein Mindestmaß beschränkt ist und ein günstiger Zugang zu den internationalen Finanzmärkten besteht. Mit der Gründung von Finanzierungsgesellschaften versuchen Unternehmen, ihre finanzwirtschaftliche Flexibilität zu erhöhen, die Kreditkonditionen weltweit zu verbessern sowie internationale Kapitalmarktunvollkommenheiten und steuerliche Vorteile global auszunutzen. <?page no="664"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 641 Einen Sonderfall stellen Projektfinanzierungsgesellschaften dar. Sie werden für ein einzelnes Großprojekt gegründet. Durch entsprechende Finanzierungs- und Vertragsgestaltungstechniken wird versucht, die mit dem Projekt verbundenen Risiken für das Unternehmen möglichst gering zu halten. Zu diesem Zweck werden die laufenden Zins- und Tilgungszahlungen aus dem Cashflow des Projektes geleistet und den Kapitalgebern wird als Sicherheit das Projekt selbst angeboten. Projektfinanzierungsgesellschaften findet man meist im Energie- und Rohstoffversorgungsbereich, wo i.d.R. langfristige Absatzverträge bestehen. Auch Projektfinanzierungsgesellschaften werden oft in sogenannten Steueroasen bzw. Off-Shore-Finanzzentren gegründet, um bestimmte rechtliche und steuerliche Vorteile auszunutzen. Die Bildung von Holdinggesellschaften wird mit finanzwirtschaftlichen Risikogesichtspunkten, mit der Vereinfachung der Kapitalbeschaffung, mit der Erzielung günstiger Konditionen bei der Finanzierung und durch steuerliche Vorteile begründet (Bühner, R., 1991). Hierbei ist das Außensteuergesetz zu berücksichtigen. Insbesondere eine geringe Besteuerung der Kapitalerträge, des Vermögens und des Kapitalverkehrs spielen bei der Standortwahl für die Holdinggesellschaft eine große Rolle. Eine Optimierung der steuerlichen Belastung kann, begrenzt durch rechtliche Bestimmungen, durch einen Gewinntransfer in die Holdinggesellschaft, eine entsprechende Gestaltung der konzerninternen Verrechnungspreise, eine optimale Gestaltung der Kreditvergabe sowie der Kapitalanlage und des damit verbundenen Währungs- und Zinsmanagements erreicht werden. So können sich Gewinnanteile in den Holdinggesellschaften ansammeln, die einer niedrigeren Besteuerung unterliegen und von dort aus direkt in unterschiedlichen Tochtergesellschaften investiert werden. 3.1.5 Prozess der Kapitalbeschaffung Grundlage der Finanzierung eines international tätigen Unternehmens ist, wie sonst auch, der durch den Finanzplan ermittelte Kapitalbedarf, der sich aus den verschiedenen Teilplänen aller Tochtergesellschaften ergibt. Im Unterschied zu einem nationalen Unternehmen sind hierbei neben der Höhe, den Entstehungsursachen und dem Anfallszeitpunkt auch die regionalen Besonderheiten wie unterschiedliche Währungsräume und unterschiedliche Währungen zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass die Tochtergesellschaften nicht nur in Ländern mit freiem, sondern auch mit eingeschränktem Kapitalverkehr tätig sind. Bei der Finanzierung geht man normalerweise in folgenden fünf Schritten vor: (1) Ermittlung des Kapitalbedarfs, (2) Innenfinanzierung, (3) Abbau flüssiger Mittel (Finanzausgleich im Konzern), (4) Konzerninterne Außenfinanzierung, (5) Konzernexterne Außenfinanzierung. <?page no="665"?> 642 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Finanzplan als Grundlage der Kapitalbedarfsermittlung Im ersten Schritt erfolgt die Prognose des Kapitalbedarfs mithilfe des Finanzplans (vgl. Abbildung 300). Abbildung 300: Ermittlung des Kapitalbedarfs und der Innenfinanzierung laut Finanzplan Der Finanzplan ist die Resultante der vielen Teilpläne, aus denen sowohl Ergebnisals auch Bestandsgrößen abgeleitet werden können und die Prognose des Finanzbedarfs ermöglicht wird und aus den Investitions-, Produktions- und Dienstleistungsprozessen sowie aus Tilgungs- und Umstrukturierungserfordernissen. Innenfinanzierung Die Innenfinanzierung des Unternehmens umfasst im Wesentlichen den durch das Unternehmen generierten Cashflow. Allgemein herrscht Einigkeit darüber, dass man unter dem Cashflow die Differenz aus Einzahlungen und Auszahlungen versteht. Ohne auf diese im Detail einzugehen und sich für eine Definition zu entscheiden, ist für die Innenfinanzierung der operative Cashflow von Bedeutung. Darunter wird ganz allgemein die Fähigkeit eines Unternehmens verstanden, aus dem operativen Geschäft Einzahlungsüberschüsse zu generieren, die für Investitionen einerseits und andererseits für Zahlungen an die folgenden Stakeholder verwendet werden können: an den Staat in Form von Ertragssteuern, an die Gläubiger in Form von Zinsen oder Tilgungsraten sowie an die Eigentümer in Form von Dividenden. Die Innenfinanzierung nimmt bei der Kapitalbeschaffung internationaler Unternehmen einen hohen Stellenwert ein (Büschgen, H.E., 1997). Als Gründe dafür lassen sich insbesondere geringe Leistungsfähigkeit lokaler Kapitalmärkte (z.B. in Entwicklungsländern), Kapitalverkehrsbeschränkungen, Zinsniveau- und Steuerbelastungsunterschiede, Inflations- <?page no="666"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 643 erwartungen und Währungsrisiken (z.B. in Hochinflationsländern), die mit einer grenzüberschreitenden Finanzierung verbunden sind, nennen. Außerdem sind im Rahmen der Innenfinanzierung noch mögliche freigesetzte Mittel aus Desinvestitionen durch den Verkauf von Unternehmensteilen und Anlagen sowie mögliche freigesetzte Mittel aus Vorräten und Forderungen durch einen erhöhten Vermögensumschlag zu berücksichtigen. Konzerninterner Finanzausgleich Abbildung 301: Finanzausgleich im Konzern Sofern es sich um Länder mit konvertierbaren Währungen handelt, kann auch von den Möglichkeiten des internen Finanzausgleichs Gebrauch gemacht werden, wenn Finanzüberschüsse von Tochtergesellschaften aus einem Land über einen Cash Pool zur Deckung von Finanzdefiziten von Tochtergesellschaften im gleichen oder einem anderen Land zur Verfügung gestellt werden (vgl. Abbildung 301). Konzerninterne Außenfinanzierung Durch die konzerninterne Außenfinanzierung wird der konzernexterne Kapitalbedarf verringert. Darüber hinaus kann durch Beschleunigung (Leading) oder Verzögern (Lagging) von konzerninternen Zahlungen sowie durch eine entsprechende Gestaltung der Transferpreise Einfluss auf die konzerninternen Finanzströme ausgeübt werden. Jedoch ist bei der Bestimmung der konzerninternen Verrechnungspreise das „at-arm‘s-length- Prinzip“ zu beachten (Büschgen, H.E., 1997). Vereinfachend besagt dieses Prinzip, dass bei der Bildung von Verrechnungspreisen lokale Marktpreise als Maßstab zu wählen sind. Neben dem eigentlichen Kapitalbeschaffungsziel ermöglichen diese Maßnahmen auch eine Reduktion des Wechselkursrisikos (z.B. durch Fakturierung der Verrechnungspreise in Inlandswährung) oder den Abbau von Steuerverbindlichkeiten (z.B. durch die Festlegung „steueroptimaler“ Verrechnungspreise). Die konzerninterne Außenfinanzierung wird im Allgemeinen durch die Muttergesellschaft oder durch speziell gegründete Finanzierungsgesellschaften gesteuert. Die Möglichkeiten einer für das Unternehmen optimalen Steuerung der konzerninternen Außenfinanzierung können durch außenwirtschaftliche Bestimmungen und durch Kapitaltransferrestriktionen einzelner Länder beschränkt sein. <?page no="667"?> 644 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Im Wesentlichen handelt es sich bei der konzerninternen Außenfinanzierung um Eigenkapital, das vonseiten der Muttergesellschaft oder einer zwischengeschalteten Holdinggesellschaft zur Verfügung gestellt wird, sowie um Fremdkapital, das aus verschiedenen Quellen beschafft werden kann, und zwar von der Muttergesellschaft beispielsweise in Form von Gesellschafterdarlehen, die im Verhältnis Mutterzu Tochtergesellschaft zwar eigenkapitalähnlich sind, aber verzinst und zurückgezahlt werden müssen oder von einer als „Kapitaldrehscheibe“ gegründeten Finanzierungsgesellschaft, bei der der Bedarf von Tochtergesellschaften, die keinen Zugang zu den internationalen Finanzmärkten haben, gebündelt wird und die Muttergesellschaft als Garant für die Rückzahlung fungiert. Diesen Vorgang bezeichnet man Größentransformation. Möglichkeiten interner Außenfinanzierung ergeben sich außerdem durch die Parallelfinanzierung, die Depotfinanzierung und Kreditswaps. Ein wesentlicher Vorteil der konzerninternen Außenfinanzierung ist ein geringerer externer Kapitalbedarf und die damit verbundene Unabhängigkeit von externen Finanzinstitutionen. Außerdem muss nicht mit einem unerwarteten Kapitalabzug bzw. einem Auslaufen der Prolongation gerechnet werden. Daraus resultiert eine höhere Dispositionssicherheit. Ferner wird eine Bilanzverlängerung der Konzernbilanz vermieden. Das gilt freilich nicht bei der Einschaltung von Kapitaldrehscheiben, wenn sie in den Weltabschluss einbezogen werden. Als nachteilig kann sich u.U. die geringere Integration in den Kapitalmarkt des jeweiligen Gastlandes erweisen. Konzernexterne Außenfinanzierung Die konzernexterne Außenfinanzierung kann in Form einer Eigen- oder Fremdkapitalzuführung vorgenommen werden, und zwar als (1) Beteiligungsfinanzierung (a) über lokales Eigenkapital im Falle einer Börseneinführung der Aktien im Lande der Tochtergesellschaft oder (b) durch Beteiligung Dritter, beispielsweise im Falle von Joint Ventures, in denen ein lokaler Partner die Eigenkapitaldecke der Tochtergesellschaft stärkt. (2) Fremdfinanzierung (a) über lokales Fremdkapital durch Kreditaufnahmen bei einheimischen Banken oder (b) durch Kreditaufnahmen oder Anleihen auf den internationalen Finanzmärkten durch Einschaltung von internationalen Bankenkonsortien, vorzugsweise auf dem Euromarkt oder <?page no="668"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 645 (c) durch strukturierte Finanzierungen, wozu im Wesentlichen Projektfinanzierungen, Exportfinanzierungen und die Securitisation, d.h. die Verbriefung von Forderungen in Finanzmarkttitel, wie z.B. Asset Backed Securities zählen, oder (d) schließlich durch langfristige Finanzierungsprogramme mit kurzfristigen Instrumenten, wie Euronotes, Commercial Papers und Medium Term Notes. Welche Möglichkeiten in Anspruch genommen werden können, hängt von der jeweiligen Situation einer Tochtergesellschaft im Gastland ab sowie - soweit die Kapitalmärkte in Anspruch genommen werden sollen - von der Ergiebigkeit der Kapitalmärkte, von Zins- und Steuerbelastungsunterschieden, von der Inflationserwartung, von den Währungsrisiken, von dem Unabhängigkeitsstreben und von möglichen Kapitaltransferbeschränkungen. Durch die lokale Kapitalbeschaffung lassen sich Transferkosten und Transferrisiken sowie Währungsrisiken verringern und die Integration der Tochtergesellschaft in das Gastland lässt sich verbessern. Daneben kann die lokale Kapitalbeschaffung die Flexibilität und Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft in dem betreffenden Gastland stärken, da die lokalen Gläubiger oder Eigenkapitalgeber ein Interesse an einer guten Ertragslage bzw. am Fortbestand der Unternehmung haben. Jedoch muss bei einer Eigenfinanzierung im Ausland durch die Ausgabe von Aktien oder bei einem Joint Venture berücksichtigt werden, dass dies zu einer unerwünschten Einflussnahme von Externen führen und damit eine einheitliche Unternehmenspolitik gefährden kann. Zur Wahrung der Unabhängigkeit kann deshalb eine lokale Eigenkapitalaufnahme über die Mutter- oder eine Finanzierungsgesellschaft erfolgen, die auf ihren Namen Aktien, Options- oder Wandelanleihen emittiert und das Kapital der Tochtergesellschaft zur Verfügung stellt. Tochtergesellschaften in Entwicklungsländern müssen häufig auf andere lokale oder internationale Kapitalmärkte ausweichen, da der Kapitalmarkt in dem Gastland über eine zu geringe Leistungsfähigkeit verfügt. Hoch verschuldete Länder leiden oft unter einer Kapitalknappheit. Durch Kreditvergaberestriktionen ist dann eine lokale Geldaufnahme durch eine Tochtergesellschaft eines internationalen Unternehmens unmöglich. In diesen Fällen ist eine konzernexterne Außenfinanzierung auf internationalen Finanzmärkten notwendig. 3.2 Besondere Aspekte der internationalen Finanzierung von Tochtergesellschaften Internationale Unternehmen können i.d.R. mehr Finanzierungsmöglichkeiten ausnutzen als nationale. Durch die Tochtergesellschaften in den verschiedenen Ländern haben sie meist einen leichteren Zugang zu nationalen und internationalen Finanzmärkten. Das ermöglicht ihnen ein schnelles Reagieren auf Veränderungen der Marktsituation und sich bietende Finanzierungschancen. Zusätzlich können sie in einzelnen Ländern staatliche und/ oder zinsverbilligte Kredite sowie Förderungen und Subventionen erhalten, die nur ortsansässi- <?page no="669"?> 646 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement gen Unternehmungen gewährt werden. Dies ermöglicht es ihnen, aus einem vielseitigen Finanzierungsangebot die günstigste Alternative auszuwählen. Gegenstand der internationalen Finanzierung sind die Muttergesellschaft und insbesondere die Tochtergesellschaften eines international tätigen Konzerns. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Vertriebs- und Produktionsgesellschaften, die ihr Tätigkeitsfeld im Ausland haben. 3.2.1 Finanzierung von Vertriebsgesellschaften Vertriebsgesellschaften sind in der Regel die Konsequenz der Unterlegenheit des ausschließlich auf Exporte gerichteten Geschäftes gegenüber der im Ausland ansässigen Konkurrenz. Sie hat durch die Nähe zum Kunden einen natürlichen Vorteil, weil sie - mit einem Lager ausgestattet - ständig lieferbereit ist und den Kunden „vor Ort“ beraten und seine Probleme lösen kann, was für den Kunden das Wichtigste ist. Mit der Gründung einer Vertriebsgesellschaft zur Unterstützung des Exports verschafft sich das zuvor nur exportierende Unternehmen „Waffengleichheit“ mit den ausländischen Wettbewerbern, weil die Vertriebsgesellschaft normalerweise auch Lager vor Ort unterhält und dadurch dem Kunden nahe sein und auf seine Bedarfswünsche unmittelbar reagieren kann. Die Finanzierung einer Vertriebsgesellschaft erfolgt - abgesehen von einer Kapitaleinlage der Muttergesellschaft zur Finanzierung eines Lagergebäudes - entweder durch das der Tochtergesellschaft für die Bezahlung der gelieferten Ware eingeräumte Zahlungsziel, das sich an dem von der Tochtergesellschaft ihren Kunden gewährten Zahlungsziel orientiert, oder durch einheimische Banken, an die sich die Tochtergesellschaft auch dann wenden müsste, wenn das Zahlungsziel verkürzt würde. Für die Zahlungszielgewährung gibt es grundsätzlich zwei Alternativen: entweder Zahlungszielgewährung in der Landeswährung der Tochtergesellschaft und Ausgleich der Lieferantenrechnung der Muttergesellschaft in Landeswährung oder Zahlungszielgewährung und Ausgleich der Lieferantenrechnung der Muttergesellschaft in der Landeswährung der Muttergesellschaft, d.h. in Deutschland in Euro. Im ersten Fall trägt die Muttergesellschaft das Währungsrisiko, das sie durch ein Devisentermingeschäft oder durch den Kauf von Optionen absichern kann. Im Falle einer drohenden Abwertung der im Vergleich zum Lande der Muttergesellschaft ausländischen Währung empfiehlt es sich, in jedem Falle die Tochtergesellschaft unverzüglich Vorauszahlungen leisten zu lassen, was auch als „leading“ bezeichnet wird. Im umgekehrten Fall wird angesichts einer drohenden Aufwertung, beispielsweise des Schweizer Franken oder des US$, die Tochtergesellschaft gebeten, die Zahlungen bis zum Eintritt der Aufwertung zu verzögern, was „lagging“ genannt wird. Im zweiten Fall trägt die Tochtergesellschaft das Währungsrisiko. Sie kann sich zwar auch durch ein Kurssicherungsgeschäft vor Währungsverlusten schützen, braucht dafür aber <?page no="670"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 647 einen oder mehrere Spezialisten, der oder die die notwendige Expertise in der Kurssicherung haben. Das Argument für eine solche Fakturierungspolitik ist die von der Tochtergesellschaft praktizierte Preispolitik. Sie würde durch die Abwertung der Landeswährung gegenüber der Währung der Muttergesellschaft gezwungen sein, ihre Preise zu erhöhen, andernfalls reichten ihre Erlöse nicht aus, die Rechnungen der Muttergesellschaft zu begleichen. Es ist deshalb zwischen den beiden beschriebenen Fällen abzuwägen, ob es nicht vorteilhafter wäre, das Risiko von der Muttergesellschaft tragen zu lassen, die auch über die größere Währungssicherungs-Expertise verfügt, um der Tochtergesellschaft die damit verbundenen Probleme zu ersparen. 3.2.2 Finanzierung von Produktionsgesellschaften Hinsichtlich der Finanzierung von Produktionsgesellschaften spielt sowohl die Finanzierungsphilosophie als auch die Organisation der Entscheidungsprozesse eine ausschlaggebende Rolle. Finanzierungsphilosophie Bei der Finanzierungsphilosophie kommt es auf die Abhängigkeit der Tochtergesellschaften von der Muttergesellschaft an: ob die Muttergesellschaft jede einzelne Tochtergesellschaft auf sich selbst gestellt sehen will oder als Teil eines Verbundes, den man als Risiko- Ressourcen-Verbund bezeichnet. (1) Selbstständigkeit der Tochtergesellschaften Selbstständigkeit der Tochtergesellschaft im finanzwirtschaftlichen Sinne hat zur Voraussetzung, dass die Muttergesellschaft ihre Tochtergesellschaften jeweils mit so viel Eigenkapital ausstattet, dass sie - auf sich selbst gestellt - alle Risiken abfangen können, ohne auf die Muttergesellschaft zurückgreifen zu müssen. Bei der Eigenkapitalausstattung kann sich die Muttergesellschaft entweder an ihrer eigenen Kapitalstruktur orientieren oder am Durchschnitt aller Konzerngesellschaften, abgebildet in der konsolidierten Bilanz, wobei neben den Branchenverhältnissen auch die landesrechtlichen Vorschriften zu berücksichtigen sind. (2) Risiko-Ressourcen-Verbund Da Eigenkapital die teuerste Kapitalschicht ist, weil die Ausschüttung und Thesaurierung aus dem versteuerten Ergebnis bestritten werden müssen. Deshalb gilt es, erstens sparsam mit dem Eigenkapital umzugehen und zweitens für jede Kapitalzuführung eine angemessene Verzinsung zu verlangen. In den meisten Konzernen hat allein die Konzern-Muttergesellschaft Zugang zur Börse, wo sie sich durch Kapitalerhöhungen mit Eigenkapital versorgen kann. Auf die dadurch ausstehenden Aktien fordert der Anleger eine Rendite, die bei börsennotierten Unternehmen nach der Formel des Capital Asset Pricing Model ermittelt und mit alternativen Kapitalanlagen verglichen werden kann. Das legt es nahe, die Tochtergesellschaften zwar als <?page no="671"?> 648 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement rechtlich selbstständige Einheiten gegenüber Dritten zu behandeln, aber intern ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von der Haftungs- und Garantiefunktion der Muttergesellschaft und großen Schwestergesellschaften zu betonen, was eine restriktive Eigenkapitalzuführung zur Folge hat. Nach diesem Leitbild sollte jede Tochtergesellschaft nur mit so viel Eigenkapital ausgestattet werden, dass sie lokal einen geschäftsbedingten Kredit zur Deckung des Kapitalbedarfs aus dem normalen Geschäftsbetrieb aufnehmen und Ertragsschwankungen im normalen Geschäftsverlauf ausgleichen kann. Dabei sind im konkreten Einzelfall folgende Faktoren zu berücksichtigen: die Art der Geschäftstätigkeit, der Vermögensaufbau, die Produktstruktur, differenziert nach alten und neuen Produkten, das Marktwachstum und die Wettbewerbsbedingungen. Darüber hinaus sind die landesrechtlichen Vorschriften und „landesübliche Eigenkapitalquoten“ zu berücksichtigen. Eine Ausnahme hinsichtlich der Kapitalzuführung bilden große Investitionen mit einer langfristigen Vermögensbindung, wenn die Mittel der Innenfinanzierung nicht ausreichen, diese Investitionen zu finanzieren. Voraussetzung ist jedoch, dass die zukünftigen Erträge aus den Investitionen mindestens die Kapitalkosten decken. Organisation der Finanzierungsentscheidung Die Frage, wer im internationalen Konzern die Finanzierungsentscheidung trifft, hängt sowohl von der Finanzierungsphilosophie als auch von der Konzernorganisation ab. Unabhängig davon, ob der gesamte Konzern funktional oder Profitcenter-orientiert mit dezentralen Divisionen organisiert ist, hat das Finanzressort in der Regel die funktionale Aufgabe, allen Gliedern der Gruppe finanzwirtschaftlichen Service zu leisten. Die finanzwirtschaftlichen Entscheidungen indessen können dem Finanzressort als zentraler Instanz mit zentraler Verantwortung übertragen oder dezentralisiert werden. In letzterem Fall wird die Verantwortung für die Finanzen dem Finanzvorstand der Tochtergesellschaft übertragen, der dann unabhängig von der Muttergesellschaft entscheiden kann. Dabei hat aufgrund der vorhergehenden Finanzplanung als Resultante aller Einzelpläne und ihrer Verabschiedung im zentralen Vorstand des Konzerns eine Abstimmung hinsichtlich der einzuschlagenden Marschroute bereits stattgefunden und man deshalb eher von einer eingeschränkten Autonomie der Tochtergesellschaft sprechen kann. Nach der Ausstattung mit dem für die Unabhängigkeit von der Muttergesellschaft erforderlichen Eigenkapital hat die Tochtergesellschaft eine eigenständige Kreditwürdigkeit aufzubauen und das Risiko ihres Handelns selbst zu verantworten und kann nicht etwa Rückgriff auf andere Konzerngesell- <?page no="672"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 649 schaften nehmen. Gleichwohl ist zu empfehlen, im Konzerninteresse bei Entscheidungen, die langfristig ausgerichtet sind oder eine Abweichung von der bisherigen Marschroute bedeuten, sich mit der Zentrale abzustimmen, zumal ihr Gewicht bei den Banken auch Einfluss auf die Konditionengestaltung hat. Handelt es sich dagegen um einen Risiko-Ressourcen-Verbund aller Tochtergesellschaften mit der Muttergesellschaft, hat die Zentralisierung der Finanzierungsentscheidungen den Vorrang, da die Muttergesellschaft nach diesem Modell die finanzielle Verantwortung für die gesamte finanzielle Ausstattung der Tochtergesellschaften trägt. Damit jedoch das Tagesgeschäft nicht beeinträchtigt wird, erhält die Tochtergesellschaft die Verantwortung, in Begleitung des operativen Tagesgeschäfts die lokale Finanzierung zu übernehmen, wofür ihr durch das Minimum an Eigenkapital in ihren Beziehungen zu den lokalen Banken Handlungsspielraum gewährt wird. Alles, was darüber hinausgeht, ist an die Adresse der Muttergesellschaft zu richten. Kriterien der Finanzierungsentscheidung Welche Art der Finanzierung zu wählen ist, hängt von der Zielsetzung des internationalen Unternehmens ab. Für die Entscheidung selbst kommt es auf folgende Faktoren an, die zu prüfen bzw. zu berücksichtigen sind: (1) der Marktzugang, insbesondere zu den internationalen Märkten, (2) die Ergiebigkeit der jeweils in Frage kommenden Märkte, (3) die zu leistenden Sicherheiten, (4) die grenzüberschreitend bedingten Länder- und Währungsrisiken, (5) die Finanzierungskosten, die abhängen von: den Zinskosten, den Fremdleistungskosten (Provisionen der Finanzierungsinstitute), den Steuern, den Kosten des Kapitalverkehrs und den Kosten des Währungsrisikos. Die Zinskosten werden auf dem Kapitalmarkt unter Berücksichtigung der Bonität des Schuldners bestimmt. Unternehmen versuchen, sich aus Rentabilitätsgesichtspunkten in den Ländern zu finanzieren, in denen die Zinskosten und die steuerlichen Belastungen (Quellensteuer und Ertragssteuer) geringe Finanzierungskosten verursachen. <?page no="673"?> 650 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement 3.3 Instrumente der internationalen Finanzierung 3.3.1 Instrumente der internationalen Eigenfinanzierung Im Falle der konzernexternen Außenfinanzierung geht es um die zu wählenden internationalen Kapitalbeschaffungsmärkte und deren Ergiebigkeit, um die in Frage kommenden Finanzierungsinstrumente, die sowohl langals auch kurzfristig sein können, und um die Akteure, von denen die einen die erforderlichen Mittel nachfragen, die anderen sie zur Verfügung stellen, sowie die Intermediäre, die dabei eine Vermittlungsfunktion übernehmen. Sofern keine landesspezifischen Einflussfaktoren eine Rolle spielen, hat das zu einer internationalen Gruppe gehörende Unternehmen grundsätzlich eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich von außen zu finanzieren. 3.3.2 Instrumente der internationalen Fremdfinanzierung Für die internationale Fremdfinanzierung steht eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, die im Folgenden dargestellt werden. Kreditfinanzierungen Soweit mit der Aufnahme von Krediten eine längerfristige Bindung, d.h. mit einer Fälligkeit von über einem Jahr, gewählt wird, kann zwischen Festzinskrediten und Roll-over- Krediten unterschieden werden (Jährig, A./ Schuck, H., 1990): Festzinskredite Festzinskredite haben einen für die gesamte Laufzeit fest vereinbarten Zinssatz. Die Laufzeiten betragen in der Regel ein bis zehn Jahre. Die Konditionen sind insbesondere von der Laufzeit, der Refinanzierungsmöglichkeit der Banken, der allgemeinen Marktlage und natürlich von der Bonität des Kreditnehmers abhängig. Roll-over-Kredite In diesem Fall wird ein kurzfristiger Kredit mit einer Fälligkeit von drei Monaten oder einem halben Jahr durch die von vornherein vereinbarte turnusmäßige Erneuerung nach diesen Laufzeiten zu einem langfristigen Kredit mit variabler Verzinsung gewährt, weil beim Roll-over der dann jeweils geltende Referenzzinssatz zugrunde gelegt wird. Der Referenzzinssatz bezieht sich in aller Regel auf die Refinanzierungsmöglichkeit der Kreditgeber. Dem Vorteil der Flexibilität steht hier allerdings der Nachteil gegenüber, dass sich die Märkte „versteifen“ können und dadurch der Roll-over misslingt, weil die Banken dazu nicht mehr bereit sind. Deshalb ist bei der Finanzierung immer auf die Fristenkongruenz zwischen Kapitalbindung und Kapitalüberlassung zu achten. <?page no="674"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 651 Kapitalmarktfinanzierungen Anleihe Im Falle eines langfristig zu deckenden Kapitalbedarfs dominiert die Anleihe, die der Finanzierung eines größeren Kapitalbedarfs dient und in Abhängigkeit von der Größe des aufzunehmenden Finanzierungsvolumens normalerweise nicht von einer Bank abgewickelt wird, sondern von einem internationalen Konsortium, das als Vereinigung selbstständiger Institutionen zur Durchführung der Kapitalbeschaffung auf gemeinsame Rechnung neben der Beratungs- und Risikoübernahmefunktion die Platzierungsfunktion übernimmt. Daraus erklärt sich die Zusammensetzung des Konsortiums aus internationalen Banken aus verschiedenen Ländern, da jede dieser Banken ihre eigene Anlegerstruktur hat, innerhalb der sie die Schuldverschreibungen platzieren kann. Da es darauf primär ankommt, wird auf die Platzierungskraft der größte Wert gelegt, zumal das Ziel jeder Finanzierung eine problem- und reibungslose Abwicklung darstellt (Bieg, H./ Kußmaul, H., 2009). Typische Emittenten von Anleihen sind (Jahrmann, F.-U., 2009): Unternehmen mit einwandfreier Bonität wie Industrieunternehmen oder Handelsunternehmen, Kreditinstitute, Spezialinstitute (z.B. Landwirtschaftliche Rentenbank), Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie deren internationale Pendants, Sondervermögen und Körperschaften (z.B. Kreditanstalt für Wiederaufbau). Gestaltungsmöglichkeiten bei Anleihen umfassen die Währung, den Betrag und die Stückelung der Anleihe, die Verzinsung, Kündigungsrechte, Ausgabe- und Rückzahlungsmodalitäten sowie Besicherung. Soweit auf die Zins- und Tilgungsmodalitäten der Anleihe abgehoben wird, lassen sich folgende Grundformen unterscheiden: (1) festverzinsliche Instrumente, wie sie ursprünglich konzipiert waren (engl. straight bond), (2) variabel verzinsliche Instrumente, bei denen der Zins in festgelegten Zeitabständen an einen Referenzzinssatz (z.B. EURIBOR, Euro Interbank Offered Rate) angepasst wird (vgl. Abbildung 302). Sie sind bekannt als Floating Rate Notes, die verschiedene Ausprägungen haben können und bei denen verschiedene Formen der Absicherung eingebaut sein können. Ein Cap beschränkt den maximal zu zahlenden Zins aus Sorge vor zu stark steigenden Zinsen, ein Floor bedeutet eine Mindestverzinsung und ein Collar ist eine Bandbreite, innerhalb der sich der Zins bewegen kann. <?page no="675"?> 652 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Abbildung 302: Beispiel eines EURIBOR-basierten Kredites mit Collar (3) „unverzinsliche“ Instrumente, bei denen sich die Verzinsung aus der Differenz von Börsenbzw. Ausgabekurs und Rückzahlungskurs ergibt, wobei die Ausgabe meist zu einem abgezinsten Betrag und die Rückzahlung zu 100 erfolgt. Zu unterscheiden sind dabei der Deep Discount, bei dem die Verzinsung teils über Zinsen, teils über die Abzinsung erfolgt, und der Zero Coupon Bond, bei dem während der Laufzeit keine Zinsen gezahlt werden. (4) Bei Amortisationsinstrumenten handelt es sich um Tilgungsanleihen, bei denen die Tilgung nach einem im Voraus festgelegten Tilgungsplan erfolgt. Heute dominieren gesamtfällige Anleihen (sog. bullet loans), die jedoch einen punktuell hohen Refinanzierungsbedarf in der Zukunft hervorrufen, der zu einer dann unerwünschten Liquiditätsbelastung führen kann. Soweit die finanzielle Absicherung durch Innovationen im Vordergrund der Finanzierungsüberlegungen steht, können folgende Ausprägungen in Anspruch genommen werden (Bieg, H./ Kußmaul, H., 2009): Wandel- und Optionsanleihen, denen die Überlegung zugrunde liegt, im ihnen ein flexibleres Instrument als eine gewöhnliche Anleihe zu wählen, um auf der einen Seite einer später erforderlichen Eigenkapitalfinanzierung Rechnung zu tragen und sich auf der anderen Seite den Vorzug der Wandlung in Aktien oder der Option auf den Bezug von Aktien durch einen Minderzins in der Gegenwart honorieren zu lassen. Dazu gibt ein besonders hohes Zinsniveau in der Gegenwart oft den Anlass. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass bei einem hohen Zinsniveau die Aktienkurse normalerweise niedrig sind. Wenn diese Kurse für die Wandlung oder Option zugrunde gelegt werden, kann angesichts der Länge der Wandlungsbzw. Optionsdauer eine später durchgeführte ordentliche Kapitalerhöhung zu dem dann an der Börse notierten Aktienkurs wesentlich vorteilhafter sein als der Zwang zu einer bedingten Kapitalerhöhung zu einem wesentlich niedrigeren Kurs trotz des über die gesamte Laufzeit geltenden Minderzinses. Deshalb sollte das Finanzressort vor der <?page no="676"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 653 Entscheidung für die Begebung von Wandelbzw. Optionsanleihen achtsam sein. Man spricht bei diesen Mischformen von Eigen- und Fremdkapital auch von sog. hybriden Finanzierungsinstrumenten; Doppelwährungsanleihen, bei denen Kapitalaufnahme sowie Zins- und Tilgung in verschiedenen Währungen erfolgen; Währungsoptionsanleihen mit dem Recht des Gläubigers, sich Zins und Tilgung zu einem vereinbarten Wechselkurs wahlweise in einer anderen Währung auszahlen zu lassen. Langfristige Finanzierungsprogramme mit kurzfristigen Instrumenten Bei diesen Programmen werden zwar kurzfristige Finanzierungsinstrumente eingesetzt, diese jedoch zum Gegenstand eines längerfristigen Finanzierungsprogramms gemacht (Shapiro, A.C./ Sarin, A., 2009; Schäfer, H., 2002). Dazu zählen: (1) Euronote-Facilities In diesem Fall wird zwischen einer oder mehreren Banken und dem Kapitalnehmer mittel- oder langfristig (5-7 Jahre) vereinbart, dass sich der Kapitalnehmer durch die revolvierende Finanzierung von Geldmarktpapieren, sog. Euronotes, die Möglichkeit einräumen lässt, bis zu einem Höchstvolumen die erforderlichen Mittel am Euromarkt zu beschaffen. Die Euronotes selbst sind Schuldtitel mit kurzen Laufzeiten (in der Regel 1, 3 oder 6 Monate), die an der Börse normalerweise nicht notiert werden. Falls die Unterbringung dieser Papiere am Markt nicht gelingt, verpflichten sich die als „underwriter“ fungierenden Banken, die Euronotes zu einem vertraglich vereinbarten Zinssatz zu übernehmen. Aus der Sicht des Kreditnehmers lassen sich folgende Vorteile erkennen (Shapiro, A.C., 2006): (a) die Finanzierung über die Euronotes ist vielfach kostengünstiger als die Aufnahme traditioneller Kredite oder Kapitalmarktinstrumente (z.B. Floating Rate Notes), (b) Euronotes bieten dem Emittenten die Möglichkeit, seinen langfristigen Kapitalbedarf zu geldmarktnahen Konditionen zu decken, (c) der Schuldner hat mit diesem Instrument die Chance, die Finanzierung seinem individuellen Liquiditätsbedarf und seinen Zinserwartungen flexibel anzupassen, (d) die Nutzung von Euronote-Fazilitäten erlaubt dem Kreditnehmer, seine Kreditgeberbasis zu diversifizieren. <?page no="677"?> 654 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement (2) Commercial Papers Hierbei handelt es sich um kurzfristige, abgezinste Inhaberschuldverschreibungen, bei denen die Banken im Unterschied zu den Euronote-Fazilitäten keine Verpflichtung eingehen, diese Papiere im Falle der Nichtplatzierung zu übernehmen. Dieses Risiko geht vom Underwriter auf den Emittenten über. Die Laufzeiten variieren zwischen 7 und 365 Tagen, wobei die durchschnittliche Laufzeit 30-40 Tage beträgt. Da die Papiere den Namen des Schuldners tragen, den der potenzielle Käufer möglicherweise nicht kennt und der infolgedessen auch keine Kenntnis von der Bonität des Emittenten hat, müssen Commercial Papers von einer bzw. zwei namhaften Ratingagenturen geratet werden, wobei das A-1+ von Standard & Poors und das P-1 von Moody’s Investors Service das höchste Bonitätsprädikat und das A-3 bzw. P-3 die schlechteste Benotung darstellen. Sie sind die Grundlage für die Konditionen. Commercial Papers eignen sich besonders zur Finanzierung eines saisonalen Geschäftes, an das sie in ihrer Laufzeit genau angepasst werden können. (3) Medium Term Notes (MTN) Für den amerikanischen Kapitalmarkt entwickelt, wurden sie erstmals 1972 von der General Motors Acceptance Corporation im Wege der Direktplatzierung begeben. Ihre Attraktivität besteht in dem Schließen der Finanzierungslücke zwischen Commercial Papers und dem Anleihemarkt mit Laufzeiten von gewöhnlich fünf Jahren und mehr. Durch die Einführung der sog. Shelf Registration durch die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde (SEC: Securities & Exchange Commission) im Jahre 1982 wurde den Emittenten der Zugang zu diesem Markt mit einem einmaligen Genehmigungsverfahren eröffnet. Mitte der 1980er Jahre erfolgte auch die Übernahme durch den Euromarkt (EMTN) und seit dem 1. Juli 1989 können sie auch in Deutschland begeben werden. Die Medium Term Notes zeichnen sich durch folgende Charakteristika aus: Ein MTN-Programm bezeichnet eine Rahmenvereinbarung zwischen dem Emittenten und den zum Platzieren benannten Banken, wonach der Emittent zwar das Recht, aber nicht die Pflicht hat, jederzeit handelbare Schuldverschreibungen (Notes) zu begeben. Dabei kann es sich um festverzinsliche, variabel verzinsliche und Null-Coupon- Titel mit oder ohne Kündigungsrecht handeln. Aufgrund dieses Programms ergibt sich die Möglichkeit einer Daueremission in mehreren Tranchen über einen längeren Zeitraum von zwei bis 30 Jahren, wobei eine Laufzeit von 30 Jahren nur für die USA gilt, die dort nicht unüblich ist. Die Summe aller ausstehenden Notes darf das Gesamtvolumen des Rahmenprogramms nicht übersteigen. <?page no="678"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 655 3.3.3 Instrumente der internationalen Finanzdisposition Die Aufgaben der internationalen Unternehmung im Bereich des kurzfristigen Finanzmanagements werden durch die drei Bereiche Cash-, Währungs- und Zinsmanagement wahrgenommen. Die besondere Problematik im internationalen Finanzmanagement liegt darin, dass gegenüber dem nationalen Finanzmanagement nicht nur die situative Liquidität aller Unternehmensteile durch die Abstimmung der Ein- und Auszahlungen sichergestellt werden muss, sondern darüber hinaus auch das Währungs- und das Zinsrisiko dieser Zahlungen begrenzt werden müssen. Internationales Cash-Management Das Cash-Management umfasst die laufende Kassendisposition auf zentraler Unternehmensebene. Ziel ist die Sicherung der Zahlungsbereitschaft zu jedem Zeitpunkt eines vorgegebenen Planungszeitraumes. Hierzu benötigt das Finanzmanagement einen Überblick über sämtliche Kassenbestände aller Unternehmenseinheiten in den verschiedenen Währungen, über die täglichen Buchungen und deren Wertstellungen sowie über zukunftsbezogene Informationen (z.B. über fällige Termingelder, Zins- und Tilgungsraten) und zusätzliche Marktdaten wie z.B. Wertpapier- und Währungskurse. Um die Erreichung des Rentabilitätszieles durch das Cash-Management zu unterstützen, sind die Zeiträume zwischen den Ein- und Auszahlungen so zu überbrücken, dass eine unnötig hohe Kassenhaltung vermieden wird. Kassenüberschüsse sind möglichst schnell zinsbringend anzulegen oder zur Tilgung von Verbindlichkeiten zu verwenden. Im Falle einer Unterdeckung muss eine Kapitalaufnahme kostengünstig erfolgen. Zur Unterstützung des Finanzmanagements werden von Kreditinstituten Cash-Management-Systeme angeboten. Diese umfassen üblicherweise das informierende Balance Reporting, die Kontenbewegungen, den Dispositionen ermöglichenden Money Transfer, das unternehmensinterne, Verrechnungen erleichternde Devisen-Netting und das Planungsrechnungen miteinbeziehende Treasury Management. Die allgemeinen Grundlagen der Cash-Management-Systeme sind für nationale und internationale Unternehmen gleich (Perridon, L./ Steiner, M./ Rathgeber, A., 2009). Für internationale Unternehmen ergeben sich im Rahmen des Cash-Managements einige spezielle Probleme. Internationale Unternehmen müssen berücksichtigen, dass sich die Kassenbestände aus unterschiedlichen Währungen zusammensetzen und Ein- und Auszahlungen sowie Buchungen in verschiedenen Währungen erfolgen. Um ein optimales internationales Cash-Management zu erreichen, zentralisieren internationale Unternehmen die Kassenbestände (Cash-Pooling) und es erfolgt eine konzerninterne, grenzüberschreitende Verrechnung der Forderungen und Verbindlichkeiten (Clearing). Die derzeit verfügbaren internationalen Cash-Management-Systeme lassen ein umfassendes internationales Cash-Management nur zu, wenn alle Konten bei einer Bank unterhalten werden, die beteiligten Banken die notwendigen Daten zur Verfügung stellen oder aber das <?page no="679"?> 656 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Unternehmen mehrere Cash-Management-Systeme parallel betreibt (Perridon, L./ Steiner, M./ Rathgeber, A., 2009). Abbildung 303: Beispiel einer Cash-Pooling-Lösung der UniCredit Bank Quelle: UniCredit Group, 2008, online Cash-Pooling Mit dem Cash-Pooling wird ein unternehmensinterner Liquiditätsausgleich vorgenommen, indem das zentrale Finanzmanagement Unternehmensteilen Kredite zur Deckung von Liquiditätslücken anbietet. Die Mittel stammen von anderen Unternehmensteilen, die Liquiditätsüberschüsse erwirtschaftet haben. Erst wenn dieser unternehmensinterne Liquiditätsausgleich zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit nicht ausreicht, greift das Unternehmen auf externe Geld- und Kapitalmärkte zurück. Durch den unternehmensinternen Liquiditätsausgleich werden günstigere Kreditbedingungen und eine geringere zentrale Kassenhaltung aus dem Vorsichtsmotiv erreicht (Eiteman, D.K./ Stonehill, A.I./ Moffett, M.H., 1998). Abbildung 303 zeigt ein Beispiel für eine Cash-Pooling-Lösung der UniCredit Bank. Beim internationalen Cash-Pooling ist zu berücksichtigen, dass die Konzerngesellschaften ihren Zahlungs- und Kreditverkehr in unterschiedlichen Währungen abwickeln, deren jeweilige Kursentwicklungen nicht genau vorhergesagt werden können. Außerdem kann das Auflösen von Kassenbeständen zugunsten einer Zentralstelle durch Kapitalverkehrsbeschränkungen, steuerrechtliche Belastungen, hohe Transfergebühren und durch gesetzlich vorgeschriebene Liquiditätsreserven beeinträchtigt werden. Damit werden mögliche Skalenerträge im Rahmen des internationalen Cash-Pooling verhindert. Aus diesem Grunde wird mitunter ein Multicurrency-Pool eingerichtet oder nur die Vorsichtskassenhaltung zentralisiert, während die Transaktionskasse von den ausländischen Tochtergesellschaften eigenständig verwaltet wird. Damit wird der Bestand der zentralen Vorsichtskasse geringer gehalten als die Summe aller dezentralen lokalen Vorsichtskassen. Um ein Cash-Pooling bei lokalen Einschränkungen zu erreichen, können Unternehmen Finanz-Servicegesellschaften oder Banken einschalten. <?page no="680"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 657 Clearing Unter Clearing versteht man die gegenseitige buchmäßige Verrechnung von grenzüberschreitenden Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Unternehmenseinheiten. Die zu saldierenden offenen Positionen entstehen nicht nur aus Lieferungen, sondern auch aus unternehmensinternen Zins- und Tilgungsleistungen, Gebühren sowie Dividendenansprüchen. Es kommt nicht mehr zur Regulierung jeder einzelnen Position, lediglich die Salden werden in bestimmten Zeitabständen ausgeglichen. Das Clearing kann bilateral zwischen zwei Unternehmensteilen und multilateral durch das zentrale Finanzmanagement auf Konzernebene durchgeführt werden (Eiteman, D.K./ Stonehill, A.I./ Moffett, M.H., 1998). Die Anzahl der grenzüberschreitenden Zahlungsströme und die damit verbundenen Devisenkäufe und -verkäufe lassen sich durch das Clearing erheblich reduzieren. Neben den Einsparungen bei Bankgebühren durch ein geringeres Transfer- und Konvertierungsvolumen und beim Devisenumtausch wegen unterschiedlicher An- und Verkaufskurse kommt es zu Zinseinsparungen durch eine Verringerung der Transferzeiten (Zeitraum zwischen Belastung und Gutschrift der transferierten Beträge). Im internationalen Unternehmen kann das Clearing durch die Saldierung von Positionen verschiedener Währungen erfolgen (Devisen-Netting). Bei einem Devisen-Netting erhält die Tochtergesellschaft eines Landes alle Guthaben, über die die anderen Unternehmenseinheiten in der Landeswährung dieser Tochtergesellschaft verfügen. Gleichzeitig übernimmt diese Niederlassung alle Verbindlichkeiten in der betreffenden Währung. Jede Unternehmenseinheit nimmt also nur noch Kapitaltransaktionen in ihrer „Standortwährung“ vor. Mithilfe einer Basiswährung werden vom zentralen Cash-Management die Ansprüche der Teileinheiten untereinander verrechnet und die einzelnen Unternehmenseinheiten angewiesen, die Salden auszugleichen. Das Verfahren erleichtert durch die Vereinbarung fester Abrechnungstermine die Gesamtliquiditätsplanung des internationalen Unternehmens und reduziert die Transfer- und Konvertierungshäufigkeit und die damit verbundenen Kosten. Auch das Clearing ist in vielen Ländern nicht oder nur eingeschränkt erlaubt bzw. es bedarf der Erlaubnis der lokalen Zentralbank. Einzelne internationale Unternehmen haben zu einseitige, auf die Muttergesellschaft bezogene Liefer- und Leistungsbeziehungen, wodurch i.d.R. kein multilaterales Clearing notwendig ist. Kapitalverkehrsbeschränkungen und die Devisenbewirtschaftung einiger Länder reduzieren die Möglichkeit der Verrechnung und Zentralisierung der Zahlungsströme auf wenige Länder. Bisweilen regen sich auch Widerstände im eigenen Konzern gegen das Cash-Management, da manche ausländischen Tochtergesellschaften um ihre Selbstständigkeit fürchten. Internationales Zinsmanagement Internationalen Unternehmen bietet sich die Chance, Zinsunterschiede auf einzelnen Kapital- und Kreditmärkten auszunutzen. Dabei muss das Währungsrisiko berücksichtigt werden. Relative Zinsvorteile einer Anlage in Auslandswährung ergeben sich nach der <?page no="681"?> 658 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Ermittlung der Währungsrisiken und der erforderlichen Kurssicherungskosten. Das Zinsänderungsrisiko in den einzelnen Ländern beeinflusst die Entscheidung über die Fristigkeit einer Finanzierung oder Kapitalanlage. Ist das Zinsänderungsrisiko hoch und rechnet das Finanzmanagement mit fallenden Zinsen, so ist eine kurzfristige Finanzierung sinnvoll. In Zeiten stärker schwankender Zinsen besteht das Bedürfnis nach Absicherung der Forderungen und Verbindlichkeiten gegen Zinssteigerungen. Die Zinskosten bei variabel verzinslichen Verbindlichkeiten kann der Finanzmanager mittels Zinscaps wie bei einer Festsatzfinanzierung begrenzen. Der Zinssicherung dienen auch Forward Rate Agreements, die sich aus dem Forward Market entwickelt haben und dabei weder die Liquidität des Unternehmens noch die Bilanz belasten. Ein Forward Rate Agreement ist eine zweiseitige Vereinbarung über eine Zinsfestschreibung zum gegenwärtigen Zeitpunkt für eine in der Zukunft liegende Zinsperiode. Es wird die zu Beginn der Zinsperiode gegenüber dem Referenzzinssatz festgestellte Abweichung ermittelt und diese als abgezinste Differenzzahlung sofort beglichen. Als Käufer kann sich der Finanzmanager so gegen einen Zinsniveauanstieg absichern. Im Gegensatz zu den börsenmäßig abgewickelten Financial Futures sind Forward Rate Agreements nicht standardisiert, so dass sie in ihrer Ausstattung wesentlich flexibler handhabbar sind (Brealey, R.A./ Myers, S.C./ Marcus, A.J., 2009). Alle bisher dargestellten Zinsabsicherungsinstrumente knüpfen an einer bestehenden, variabel verzinslichen Verbindlichkeit an. Dies ist beim Swap nicht unbedingt der Fall. Bei einem Swap handelt es sich um eine Technik, Zahlungsströme in eine andere Währung oder Zinsbasis zu tauschen. Dabei entstehen durch die Nutzung von Standing-Vorteilen der Emittenten an unterschiedlichen Märkten relative Kostenvorteile, die entweder bei Liability Swaps die Kapitalbeschaffungskosten senken oder bei Asset Swaps die Rendite der Aktiva erhöhen (Brealey, R.A./ Myers, S.C./ Marcus, A.J., 2009). Man unterscheidet zwischen Interest Rate Swaps, Currency Swaps und einer Kombination aus beiden (Betsch, O./ Groh, A./ Lohmann, L., 2000). Beim Interest Rate Swap (Zinsswap) tauschen die Vertragspartner feste gegen variable Zinssätze, aber auch variable Zinssätze mit unterschiedlichen Referenzzinssätzen untereinander aus, ohne dass es zum Austausch des zugrunde liegenden Kapitalbetrages kommt. Beim Currency Swap (Währungsswap) werden Verbindlichkeiten in verschiedenen Währungen zu einem fest fixierten identischen Devisenkurs per Kasse (Initial Exchange Rate) und mit umgekehrten Vorzeichen per Termin (Final Exchange Rate) ausgetauscht, wobei während der Laufzeit der Swaps gegenseitig Zinszahlungen geleistet werden. Zur Vermeidung von Risiken ist es notwendig, dass identische Währungsbeträge über identische Laufzeiten verfügen. Beim kombinierten Cross Currency Interest Rate Swap werden feste Zinsen in der einen gegen variable Zinsen in einer anderen Währung getauscht. <?page no="682"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 659 Empfängt ein Unternehmen beispielsweise im Rahmen eines Swaps Zinsen auf variabler Basis und zahlt einen Festzins, so hat es mit diesem Zinsswap wirtschaftlich eine laufzeitkongruente Festzinsfinanzierung erreicht, die keinem Zinsänderungsrisiko unterliegt. Bilanziell sind Swaps neutral, jedoch erhöht ein Swap die Flexibilität des Finanzmanagers beim Zinsmanagement, wobei sogar eine Prämienzahlung wie z.B. bei einem Cap entfällt. Zudem kann die eingegangene Swap-Position jederzeit durch den Abschluss eines Gegenswaps, durch die Abtretung des Swaps (Assignment) oder durch eine Glattstellung wieder aufgehoben werden. Die Möglichkeit zum Hedging des Zinsänderungsrisikos mittels Swap wird durch die Swap Options, dem Recht auf spätere Ausübung eines Swaps, und die Forward Swaps, der Verschiebung des Laufzeitbeginns auf einen späteren Zeitpunkt, erweitert. Auch dabei bleibt das grundlegende Risiko der Vertragserfüllung. Internationales Währungsmanagement Das Währungsmanagement hat die Aufgabe, drohende Verlustgefahren und Chancen aus Wechselkursänderungen zu erkennen und entsprechende Vorkehrungen zur Risikoabwehr oder -verminderung und Chancenausnutzung zu treffen. Gegenstand des Währungsmanagements eines internationalen Unternehmens ist das sog. „Exposure“, das anzeigt, inwieweit das Unternehmen einem Währungsrisiko ausgesetzt ist (Eun, C.E./ Resnick, B.G., 2007). Dabei wird grundsätzlich unterschieden in Translation (auch Accounting Exposure genannt), Transaction und Economic Exposure. Das Translation Exposure betrifft die Notwendigkeit der Umrechnung der Bilanzen ausländischer Tochtergesellschaften in die Währung der Muttergesellschaft. Dabei wird im Rahmen der Konsolidierung von Mutter- und Tochtergesellschaften eine Art „Weltwährung“ für die gesamte Unternehmensgruppe festgelegt. Man spricht in diesem Zusammenhang von dem Translationsrisiko, weil durch die Umrechnung, die nach unterschiedlichen Methoden erfolgen kann, in der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung Differenzen entstehen, die sich auf den umgerechneten Abschluss positiv oder negativ auswirken können. Im Bereich des Transaction Exposure geht es um das Wechselkursrisiko, das sich aus dem laufenden Geschäft oder Zahlungsvorgängen ergibt, wenn die Rechnungen oder die Zahlungen in einer anderen als der eigenen Währung zu begleichen sind. Das Economic Exposure hat seine Ursachen in Wechselkursveränderungen, die sich in der Zukunft vollziehen und negative Auswirkungen haben können. Ein Beispiel dafür ist eine Investition durch eine deutsche Muttergesellschaft im Ausland, auf die sie eine vorgegebene Rendite erwartet, die in Euro festgelegt wurde. Verschlechtert sich der Wechselkurs der ausländischen Währung, so muss die Tochtergesellschaft im Ausland in Landeswährung ein höheres Ergebnis erwirtschaften, um der Renditeforderung der Muttergesellschaft - ausgedrückt in einem Euro-Betrag - nachkommen zu können. <?page no="683"?> 660 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Im Mittelpunkt des Wechselkursrisikomanagements steht das Transaction Exposure, das sich aus dem Exportgeschäft eines Unternehmens ergibt, wenn das Unternehmen aus Wettbewerbsgründen seine Rechnungen nicht in Euro ausstellen kann, sondern diese in der Landeswährung seiner Kunden aufsetzen muss und sich damit eine Risikoposition schafft, über deren Absicherung täglich entschieden werden muss. Dabei liegt es nahe, diese Risikoposition so gering wie möglich zu halten. Grundsätzlich kann man Transaction Exposures mit finanziellen Sicherungsgeschäften (auf Basis von Finanzderivaten) und mit operativen Maßnahmen begegnen (Eun, C.E./ Resnick, B.G., 2007). Dabei sind finanzielle Sicherungsgeschäfte und operative Sicherungsmaßnahmen zu unterscheiden. (1) Finanzielle Sicherungsgeschäfte: (a) Währungssicherung mit Devisentermingeschäften, (b) Währungssicherung mit Fremdwährungskrediten, (c) Währungssicherung mit Futures, (d) Währungssicherung mit Optionen, (e) Währungssicherung mit Swaps. (2) Operative Sicherungsmaßnahmen (a) Wahl der Rechnungswährung, (b) Beeinflussung des Zahlungszeitpunktes (Leading oder Lagging), (c) Abschluss von operativen Gegengeschäften. In Bezug auf die Absicherungsentscheidung spannt sich der Bogen von der Vollabsicherung bis zur selektiven Absicherung. Zur Absicherung gegen Verluste aus Wechselkursänderungen lassen sich drei Strategien unterscheiden (Büschgen, H.E., 1997). Ein ähnliches Vorgehen gilt für das Importgeschäft, wenn der heimische Importeur Rechnungen zu begleichen hat, die nicht auf Euro lauten. Strategie der vollständigen Absicherung: Sie geht davon aus, dass die Summe der zukünftigen Kursverluste größer ist als die Kosten der Kurssicherung. Absicherungsverzicht: Das Finanzmanagement rechnet damit, dass die Kurssicherungskosten die Kursverluste übersteigen oder sich die Kurse beim Exportgeschäft erhöhen oder beim Importgeschäft sinken und damit Kursgewinne entstehen. Flexible Strategie: Hier wird fallweise selektiv über den Umfang der Absicherungsmaßnahmen entschieden, um ein günstiges Verhältnis zwischen Kurssicherungskosten, Risiko und Ertrag zu erzielen. Welche Strategie ausgewählt wird, ist eine Frage der Zielsetzung, die das Unternehmen verfolgt (Shapiro, A.C./ Sarin, A., 2009). <?page no="684"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 661 Der Vollabsicherung liegt die Argumentation zugrunde, dass das Unternehmen den kalkulierten Gegenwert des auf der Währung lautenden Betrags, z.B. in Euro, anstrebt und darüber hinaus nicht auf eine Veränderung des Wechselkurses zu seinen Gunsten „spekuliert“, zumal auch die gegenteilige Entwicklung eintreten kann. Bei der selektiven Kurssicherung ist ein Unternehmen bestrebt, an möglichen Vorteilen aufgrund der erwarteten Wechselkursentwicklung zu partizipieren. Bei der Übertragung der Verantwortung für die Kurssicherungsentscheidungen hat ein internationales Unternehmen die Wahl zwischen einer Zentralisierung aller Entscheidungen bei der Muttergesellschaft oder einer Dezentralisierung „vor Ort“. Es leuchtet ein, dass die zentrale Lösung zugleich auch die wirtschaftlichste ist, da man im anderen Falle bei allen Tochtergesellschaften Kurssicherung betreiben müsste, was zu einer unangemessenen Aufblähung des Personals führen müsste. Es empfiehlt sich deshalb, den Tochtergesellschaften das Währungsrisiko „abzunehmen“ und alle Risiken in der Zentrale abzusichern. Der Absicherung des Wechselkursrisikos dient primär das Devisen-Termingeschäft, in dessen Rahmen entsprechend den Kurserwartungen die zu erwartenden Fremdwährungsbeträge, z.B. im Falle von Exporten, auf Termin verkauft und die zu zahlenden Fremdwährungsbeträge, z.B. im Falle von Importen, auf Termin gekauft werden. Als Preis wird dabei der Devisen-Terminkurs zugrunde gelegt, der sich aus dem Kassakurs plus Auf- oder Abschlag ergibt. Letztere hängen von der Zinsdifferenz beider Länder ab. Das Devisentermingeschäft wird dann bevorzugt, wenn die Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Kursentwicklung im Falle des Exports eine deutliche Tendenz nach unten und im Falle des Imports nach oben zeigen. Ist dagegen mit einer eher volatilen, d.h. einer stark schwankenden Kursentwicklung zu rechnen, empfiehlt sich als Kurssicherungsinstrument die Devisen-Option, die dem Käufer das Recht, nicht aber die Pflicht einräumt, die Option auszuüben oder auf sie zu verzichten. Die Entscheidung hierüber hängt von dem sogenannten Basispreis im Vergleich zum dann festzustellenden Kurs ab. Da die Option einer Versicherung gleichkommt, muss für sie eine Prämie gezahlt werden, die sie im Vergleich zum Devisen-Termingeschäft teurer erscheinen lässt, dafür aber eine Chance gewährt. Während der Käufer einer Option nur das Recht, nicht aber die Pflicht hat, die Option auszuüben, hat der Verkäufer stets die Pflicht, zu kaufen oder zu verkaufen. Deshalb wird er auch Stillhalter genannt. Eine Kaufoption (Call) beinhaltet das Recht, einen zugrunde liegenden Gegenstand oder Basiswert, einen Devisenbetrag etwa, zu einem im Voraus bestimmten fixen Preis, dem Ausübungspreis, während (amerikanische Option) oder nur am Ende der Laufzeit (europäische Option) der Option zu kaufen. <?page no="685"?> 662 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Eine Verkaufsoption (Put) beinhaltet das Recht, einen zugrunde liegenden Gegenstand oder Basiswert, einen Devisenbetrag etwa, zu einem im Voraus bestimmten fixen Preis, dem Ausübungspreis, während (amerikanische Option) oder am Ende der Laufzeit (europäische Option) der Option zu verkaufen (Uszczapowski, I., 1991, S. 45). Beispiel einer kurzfristigen Kursabsicherung Die Anwendung dieser Sicherungsinstrumente wird anhand einer Aufgabe im nachfolgenden Beispiel demonstriert. Ein Unternehmen steht vor folgender Ausgangssituation: Es erhält in 3 Monaten 10 Mio. US-$ Der Kassakurs beträgt heute 0,9282 €/ US-$ Der 3-Monats-US-LIBOR ist 1,34% p.a. (Aufnahmesatz) Der 3-Monats-EURIBOR beläuft sich auf 2,5% p.a. (Anlagesatz) Das Unternehmen erwartet in 3 Monaten einen Kurs von 0,8818 €/ US-$ und verfolgt die Strategie, sich gegen einen fallenden Kurs abzusichern. Das Unternehmen steht vor folgenden Fragen: (1) Wie kann durch eine Darlehensaufnahme in Fremdwährung eine Kurssicherung durchgeführt werden? (2) Wie hoch sind die Absicherungskosten bzw. der Terminkurs auf 3 Monate im Falle eines Devisentermingeschäftes? Zur Beantwortung der ersten Frage kann man folgende Überlegungen anstellen: Das Unternehmen nimmt einen Dollarkredit mit einer Laufzeit von 3 Monaten auf. Die Zinsen betragen 1,34% p.a. Das Darlehen soll zusammen mit den zu zahlenden Zinsen 10 Mio. US-$ betragen, d.h. die reine Darlehenssumme beträgt 9.966.611 US-Dollar. Dabei kann man die reine Darlehenssumme wie folgt ermitteln: US$ Mio. 10 x 4 0,0134 x US$ Mio. 10 4 0,0134 1 x US$ 611 . 966 . 9 00335 , 1 US$ Mio. 10 4 0134 , 0 1 US$ Mio. 10 x Diesen Dollar-Betrag tauscht das Unternehmen auf dem Kassamarkt gegen € zu einem Kurs von 0,9282 €/ US$. Es erhält 9.251.008 € und legt diese € für 3 Monate zu 2,5% p.a. <?page no="686"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 663 an. Nach 3 Monaten erhält das Unternehmen insgesamt 9.308.827 € zurück (9.251.008 + 57.819 Zinsen). Gleichzeitig erhält es von seinem amerikanischen Kunden 10 Mio. US-Dollar, die dazu verwendet werden, das US-Dollar-Darlehen zurückzuzahlen. Zusammengefasst hat das Unternehmen für die 10 Mio. US$ 9.308.827 € erhalten. Dies entspricht einem Terminkurs von 0,9309 €/ US$ (9.308.827/ 10.000.000). Bezüglich der zweiten Frage kommt es zu einer Absicherung durch ein Termingeschäft, d.h. Verkauf von 10 Mio. US-$ in 3 Monaten. Die Berechnung des dabei zugrunde liegenden Terminkurses ergibt sich dann wie folgt: 360 100 Tagen in Zeit ) Ausland Zins Inland Zins ( enz Zinsdiffer Kassakurs Swapsatz ) Aufschlag bzw. Report d.h. ( 00269 , 0 360 100 90 ) 34 , 1 5 , 2 ( 9282 , 0 Swapsatz Daraus lässt sich der folgende Terminkurs ermitteln: Terminkurs = 0,9282 + 0,00269 = 0,93089 €/ US-$. Dieser Terminkurs weicht von dem vorher errechneten marginal ab, da in dieser Formel unterstellt wird, dass der Zinsertrag zu dem in der Formel eingesetzten Kassakurs konvertiert wird. Dies ist eine Voraussetzung, von der jedoch nicht immer ausgegangen werden kann. Aus diesem Grunde werden heute im Allgemeinen kompliziertere Berechnungsmethoden angewandt. Nach einem Monat ergibt sich folgende Entwicklung: Der Kassakurs steigt bei unveränderten Zinsen auf 0,9561 €/ US-$ und das veranlasst das Unternehmen, seine Kurseinschätzung für die nächsten 2 Monate zu revidieren. Es rechnet mit einem Anstieg auf 0,9839 €/ US-$ und schließt deshalb ein Gegengeschäft zum bisherigen Termingeschäft ab. Es stellen sich jetzt die folgenden Fragen: (1) Wie hoch sind jetzt die Kosten bzw. der Terminkurs auf 2 Monate? (2) Welches Ergebnis ergibt sich (a) aus dem Gegengeschäft, wenn der Kurs auf 0,9839 €/ US-$ hochgeht und (b) per Saldo aus beiden Geschäften? (3) War es richtig, ein Gegengeschäft abzuschließen? Durch das Gegengeschäft für 2 Monate wird die Position wieder geöffnet. Das Unternehmen kauft 10 Mio. US-$ in 2 Monaten. Die Berechnung des Terminkurses ergibt sich dann wie folgt: <?page no="687"?> 664 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement ) Report d.h. ( 001848 , 0 360 100 60 ) 34 , 1 5 , 2 ( 9561 , 0 Swapsatz Daraus ergibt sich als Terminkurs: Terminkurs = 0,9561 + 0,001848 = 0,9579 €/ US-$. Durch das Gegengeschäft hat das Unternehmen die Kurssicherung wieder aufgehoben, d.h. die Position geöffnet, um von einem steigenden Kurs profitieren zu können. Allerdings werden jetzt Verluste realisiert, da 10 Mio. US-$ zu 0,9309 €/ US-$ verkauft und durch das Gegengeschäft 10 Mio. US-$ zu 0,9579 €/ US-$ gekauft wurden. Der realisierte Verlust berechnet sich wie folgt: Verlust = 10 Mio. US-$ • (0,9309 - 0,9579) €/ US-$ = 10 Mio. US-$ • (-0,0270) €/ US-$ = - 270.000 €. Als möglicher Vorteil durch das Öffnen der Position ergibt sich: Wenn das Gegengeschäft nicht gemacht worden wäre und in 2 Monaten der Kassakurs dem erwarteten Kurs von 0,9839 €/ US-$ entsprechen würde, hätte das Unternehmen einen Verlust in Höhe von - 530.000 € erzielt. Der Verlust ohne Gegengeschäft berechnet sich folgendermaßen: Verlust = (0,9309 - 0,9839) €/ US-$ • 10 Mio. US-$ = - 0,0530 €/ US-$ • 10 Mio. US-$ = - 530.000 €. Durch das Öffnen der Position hat das Unternehmen in diesem Fall 260.000 € gewonnen. Abbildung 304 gibt die Alternativen noch einmal schematisch wieder. Unterstellt man, dass das Verhältnis der Zinsen umgekehrt ist, d.h. der 3-Monats-US- LIBOR 2,5% p.a. und der 3-Monats-EURIBOR 1,34% p.a. betragen würde, so stellt sich für das Unternehmen die Frage, wie hoch der Terminkurs auf 3 Monate im Falle eines Devisentermingeschäftes ist, wenn die sonstigen Voraussetzungen für das Unternehmen gleich sind. Der neue Terminkurs beträgt dann: 360 100 Tagen in Zeit Ausland) Zins Inland Zins ( renz Zinsdiffe Kassakurs Swapsatz Abschlag) bzw. Deport (d.h. 0,00269 360 100 90 2,5) (1,34 0,9282 Swapsatz Terminkurs = 0,9282 - 0,00269 = 0,9255 €/ US-$. <?page no="688"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 665 Abbildung 304: Kursabsicherung mit Gegengeschäft Die langfristige Kursabsicherung durch Währungsswaps Richtungsweisend für die langfristige Kursabsicherung durch Währungsswaps war der 1981 zwischen der IBM und der Weltbank abgeschlossene Währungsswap, wobei US-$ gegenüber DM bzw. sfr getauscht wurden. Arrangiert wurde diese Transaktion von Salomon Brothers. Ein solcher Währungsswap lässt sich in drei Schritte aufgliedern (vgl. Abbildung 305): (1) Bei Geschäftsabschluss werden Kapitalbeträge in den zugrunde liegenden Währungen getauscht, wobei üblicherweise der Tausch zum aktuellen Kassakurs erfolgt. (2) Während der Laufzeit werden Zinsen auf die im Tausch erhaltenen Kapitalbeträge an die Parteien gezahlt. (3) Am Ende der Laufzeit werden die Kapitalbeträge unter Zugrundelegung des ursprünglichen Wechselkurses (Pari-Termin-Basis) zurückgetauscht. Abbildung 305: Der Austausch der Kapitalbeträge und der Zinsen auf diese Kapitalbeträge <?page no="689"?> 666 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Ein Beispiel aus der Konzernfinanzierung im Falle einer Akquisition eines US-amerikanischen Unternehmens soll diesen Sachverhalt verdeutlichen. Erwirbt die deutsche Muttergesellschaft das Unternehmen, so könnte sie im Falle einer hohen „Kriegs“-Kasse ihre liquiden Mittel in Euro zum Kassakurs in US-$ tauschen und damit den Kaufpreis bezahlen. Damit hätte sie sich jedoch zum gegenwärtigen Kurs festgelegt, obwohl sie nicht ausschließt, dass der US-$ sich abwerten wird. Sie könnte aber auch ihre amerikanische Tochtergesellschaft die Akquisition durchführen lassen, die sich in US-$ verschulden und mit dem aufgenommenen Betrag den Kaufpreis bezahlen würde. Das hätte jedoch zur Folge, dass sich nach der Konsolidierung der Tochtergesellschaft die konsolidierte Gruppen-Bilanz verlängern würde, was die Muttergesellschaft angesichts ihrer hohen Liquiditätsbestände vermeiden möchte. Ein Ausweg aus diesem Dilemma zeigt sich in der Vergabe eines Darlehens der Muttergesellschaft aus der Auflösung eines auf Euro lautenden Wertpapierportfolios unter gleichzeitiger Einschaltung einer Swap-Bank, die den auf Euro lautenden Darlehensbetrag in US- $ für einen Zeitraum von beispielsweise 9 Jahren tauscht und der amerikanischen Tochtergesellschaft zur Verfügung stellt. Auf diese Weise ist die Tochtergesellschaft in der Lage, den Kaufpreis für die Akquisition mit den erhaltenen US-$ zu begleichen. In der am Ende des Jahres umgerechneten EURO-Bilanz dieser Tochtergesellschaft erscheint dann auf der linken Seite unter dem Beteiligungsbuchwert aufgrund der Akquisition der gleiche EURO- Betrag wie der von der Muttergesellschaft erhaltene Darlehensbetrag auf der rechten Seite der Bilanz. In dem beschriebenen Fall handelt es sich um einen Currency Asset Swap. Wird dieser Swap z.B. nach Ablauf von 9 Jahren fällig, gibt die Swap-Bank die erhaltenen Euro im Austausch gegen US-$ an die Tochtergesellschaft zurück, die damit ihre Darlehensschuld gegenüber der Mutter-gesellschaft zurückzahlt. Da der Rücktausch zum Pari- Terminkurs wie vor 9 Jahren erfolgt, bleiben mögliche Wechselkursveränderungen während der Laufzeit von Swap und Darlehen ohne Einfluss. Abbildung 306 veranschaulicht die beschriebene Transaktion. Abbildung 306: Der Einsatz eines Currency Asset Swaps zur Absicherung von Gruppendarlehen <?page no="690"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 667 3.4 Herausforderungen der internationalen Finanzierung 3.4.1 Finanzierung im Rahmen von internationalen M&A- Transaktionen Cross Border Transactions M&A ist die Abkürzung von Mergers & Acquisitions und bezeichnet Unternehmenstransaktionen, bei denen es zum Kauf bzw. Verkauf oder einer Zusammenführung von Unternehmen oder Teilbetrieben primär zwischen operativen Unternehmen (im Gegensatz zu reinen Beteiligungsunternehmen) kommt. Einerseits sind M&A-Transaktionen keine wirkliche Innovation des strategischen Managements der letzten Jahre - so wurde beispielsweise Opel bereits in den Jahren 1929-1931 von General Motors übernommen -, andererseits haben sie in ihrer Intensität und Alltäglichkeit dennoch sehr an Bedeutung gewonnen. Internationale M&A-Aktivitäten, die häufig auch unter dem Begriff des Cross Border-M&A betrachtet werden, sind nicht das Betätigungsfeld weniger Großkonzerne, sondern der Alltag unter anderem auch im Bereich mittelständischer Unternehmen. Die gesamten weltweiten M&A-Transaktionen unterliegen zwar grundsätzlich starken Schwankungen. Im Jahr 2011 lag das Volumen aller weltweiten M&A-Transaktionen bei 2,6 Billionen USD (Thomson Reuters, 2011, online). Abbildung 307 zeigt das Volumen und den Anteil der Cross-Border-Transaktionen. Auch hier liegen in Bezug auf das Volumen starke Schwankungen vor - so konnte der Wert des Jahres 2007 nicht gehalten werden -, der Anteil der Cross-Border-Transaktionen am oben genannten Gesamtvolumen liegt aber in den letzten fünf Jahren bei gut einem Drittel und ist seit dem Jahr 2000 weiter gestiegen. Abbildung 307: Weltweite Cross-Border-Transaktionen Quelle Thomson Reuters, 2011, online <?page no="691"?> 668 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Dabei ist davon auszugehen, dass die Zahlen der Cross-Border-Transaktionen in Abbildung 307 den tatsächlichen Anteil des internationalen M&A tatsächlich sogar deutlich zu niedrig darstellen. Dies liegt darin begründet, dass Transaktionen wie der Erwerb von Porsche durch VW oder von Continental durch Schaeffler als rein deutsche Transaktionen gewertet werden, wobei es sich bei allen beteiligten Unternehmen um internationale Unternehmen handelt. Allerdings ist es offensichtlich, dass eine Integration von Porsche in den VW-Konzern nicht nur im deutschen Markt stattfinden wird, sondern beispielsweise auch in Nordamerika, wo beide Unternehmen sowohl Vertriebsals auch Produktionsstätten haben. Letztlich ist die internationale Dimension einer solchen als „national“ bezeichneten Transaktion eher sogar noch höher als beispielsweise bei der damals als „international“ gewerteten Übernahme von Rover durch BMW in den neunziger Jahren. Die Übernahme von Rover durch BMW ist aber auch ein gutes Beispiel, dass M&A- Transaktionen mit hohen Risiken behaftet sind. Langjährige Untersuchungen zeigen, dass M&A Transaktionen nicht selten den Wert des übernehmenden Unternehmens belasten, also keinen Wert schaffen. Bruner (Bruner, R.F., 2004) hat in einer Metaanalyse von insgesamt 44 Studien zur Wertschaffung von M&A-Transaktionen gezeigt, dass 20 Studien eine Wertvernichtung durch M&A belegen, 24 Studien eine Wertschaffung. Diese ambivalente Bewertung von M&A wird noch dadurch verstärkt, dass neuere Studien eher ein negatives Bild zeichnen. Letztlich müssen M&A-Transaktionen vor dem Hintergrund der Motive betrachtet werden. Die allgemeinen Motive für M&A-Transaktionen sind vielfältig (Ernst, D./ Häcker, J., 2007) und können folgende Hintergründe haben: Markteintritt in neue Märkte, Überwindung von Markteintrittsbarrieren, Erweiterung der geografischen Präsenz, Marktanteilszuwachs (Marktdurchdringung) in bestehenden Märkten, Erweiterung oder Vervollständigung des Produktportfolios, Zugang zu neuen Technologien, Erhöhung der Marktmacht gegenüber Lieferanten, Erhöhung der Marktmacht gegenüber Kunden, bessere Nutzung vorhandener Kapazitäten, die Ausnutzung weiterer Größeneffekte. Es wird an dieser Stelle offensichtlich, weshalb der Anteil von Cross-Border-Transaktionen so hoch ist: Ein Großteil der Motive von M&A-Transaktionen erhält eine besondere Bedeutung vor einem internationalen Unternehmenshintergrund. Dies betrifft insbesondere die Motive des Marktanteilgewinns, des Eintritts in neue Märkte, des Überwindens von Markteintrittsbarrieren etc. <?page no="692"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 669 Nun führen aber nicht alle Motivationen auch zu einem Erfolg in dem Sinne, dass die Transaktion auch wertsteigernd für das übernehmende Unternehmen ist. Hierzu gibt es eine umfassende Diskussion (Koller, T./ Goedhart, M./ Wessel, D., 2010; Ernst, D./ Häcker, J., 2007). Bruner (Bruner, R.F., 2004) leitet aus der oben erwähnten Metaanalyse folgende „Erfolgsfaktoren“ ab, deren Beachtung es wahrscheinlicher macht, dass eine M&A-Transaktion Wert für das übernehmende Unternehmen schafft: Diversifikation als Ziel einer M&A-Aktivität vernichtet Wert, der Fokus in Bezug auf die Geschäftssegmente ist erfolgreicher. Das Vorliegen von konkreten, benennbaren Markt- und Kostensynergien ist essenziell im Hinblick auf die Wertschaffung. Die Einhaltung klarer Maximalpreisvorstellungen, insbesondere in Bieterwettbewerben, bzw. die Konzentration auf tendenziell unterbewertete Akquisitionsziele ist von Vorteil. Die Motivation eines reinen Marktanteilsgewinns - auch im Hinblick auf die oben erwähnte Steigerung der Verhandlungsmacht gegenüber Lieferanten oder Kunden bzw. die Beseitigung eines Konkurrenten - zahlt sich eher nicht aus. Transaktionen, bei denen das neue Unternehmen mit eigenen Aktien bezahlt wird, sind weniger erfolgreich, als Transaktionen, die mit „Cash“ bezahlt werden. Allerdings neigen Firmen, die überschüssiges Cash haben dazu, dieses weniger erfolgreich einzusetzen. Die finanzielle Beteiligung des Managements ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. M&A-Transaktionen, die das Ergebnis strukturierter M&A-Prozesse im Unternehmen sind, sind erfolgreicher als „Nacht-und-Nebel“-Transaktionen. Gerade der letzte Erfolgsfaktor erfordert, den Prozess von M&A-Transaktionen genauer zu betrachten. Prozess internationaler M&A-Transaktionen Abbildung 308 zeigt den M&A-Prozess mit seinen drei Phasen (Deimel, K./ Heupel, T./ Wiltinger, K., 2012): (1) die strategische Analyse- und Konzeptionsphase (Pre-Akquisitionsphase), (2) die Transaktionsphase sowie (3) die Integrationsphase (Post-Merger-Integrationsphase). Die strategische Analyse- und Konzeptionsphase wird auch als Pre-Akquisitionsphase bezeichnet. Hier erfolgt zunächst die strategische Zielbildung des übernehmenden Unternehmens mithilfe einer strategischen Unternehmensanalyse. Auf Basis einer Umweltanalyse werden die unternehmensexternen Rahmenbedingungen analysiert und strategisch bewertet. Anschließend muss aus der Unternehmensperspektive die Frage beantwortet wer- <?page no="693"?> 670 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement den, über welche Stärken und Schwächen das erwerbende Unternehmen verfügt und wie eine gegebenenfalls vorhandene strategische Lücke des Unternehmens geschlossen werden soll. Hier kommen insbesondere die oben genannten Motive der internationalen M&A- Transaktionen zum Tragen. Abbildung 308: Phasen einer Akquisition Quelle: Deimel, K./ Heupel, T./ Wiltinger, K., 2012 Die Akquisitionsplanung soll Transparenz über die treibenden Motive und die Zielsetzung der Handlung aller Prozessbeteiligten an der Akquisition verschaffen. Auf Basis dieser Planung lässt sich der Unternehmenskauf zu einem rationalen Prozess gestalten, in dem die Teilprozesse systematisch abgearbeitet, analysiert und für alle Beteiligten dokumentiert werden. Die unterschiedlichen Informationsstände in Bezug auf das Kaufobjekt zwischen Käufer und Verkäufer, sogenannte Informationsasymmetrien, werden hierdurch abgebaut, wodurch sich der Abschluss einer erfolgreichen Akquisition mit höherer Wahrscheinlichkeit umsetzen lässt. Eine Aufgabe im Rahmen der Pre-Akquisitionsphase ist sicherlich die Auswahl von Beratern, die das Unternehmen durch den Akquisitionsprozess begleiten. Typische Berater, die in den meisten Transaktionen eingeschaltet werden, sind Investmentbanken, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder Rechtsanwaltskanzleien. Darüber hinaus können im Rahmen der Due Diligence weitere Berater eingeschaltet werden. Den Investmentbanken kommt als Berater meistens das zentrale Projektmanagement im Rahmen des M&A-Prozesses zu. Daneben gehören die Bewertung, d.h. die Ermittlung eines „fairen“ Kaufpreises, die Vorbereitung von Informationsmemoranden, in denen das Verkaufsobjekt beschrieben wird, sowie weiterer Dokumente im Prozessverlauf und die Leitung der Verhandlungen zu den zentralen Aufgaben. Unterschiedliche Investmentbanken beraten dabei grundsätzlich sowohl die Käuferals auch die Verkäuferseite. Eine regionale Aufgliederung zeigt, dass das Investmentbanking eine wirklich globale Branche ist. Alle fünf in Europa führenden Investmentbanken Goldman Sachs, Morgan Stanley, JP Morgan, Deutsche Bank und Credit Suisse gehören auch weltweit führenden Instituten und auch die Top Fünf in Asien Goldman Sachs, Citi, Morgan Stanley, UBS, Bank of <?page no="694"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 671 America Merrill Lynch kommen aus den globalen Top Ten. Dies liegt insbesondere darin begründet, dass die meisten M&A-Transaktionen internationale Aspekte umfassen und sich die Käufer sowie Verkäufer daher von international führenden Investmentbanken beraten lassen. Abbildung 309 zeigt die Top Ten der globalen Investmentbanken im Jahr 2011. Abbildung 309: Top Ten der Investmentbanken 2011 Quelle: Thomson Reuters, 2011, online Die Transaktionsphase beinhaltet die Selektion möglicher Akquisitionskandidaten sowie den tatsächlichen Akquisitionsvorgang, der sich von der ersten Kontaktaufnahme über die Unternehmensbewertung bis zum Vertragsabschluss und die Übertragung aller Rechte und Pflichten an den Erwerber erstreckt. Im Einzelnen unterteilt man folgende Meilensteine, auf die nur zum Teil detaillierter eingegangen wird: (1) Screening und Selektion zur Ableitung einer Short List von möglichen Übernahmeobjekten, (2) Kontakt- und Verhandlungsaufnahme abgeschlossen durch den Letter of Intent (LoI), (3) Due Diligence mit verschiedenen Detailprüfungen, (4) Bestimmung eines Kaufpreises im Rahmen der Bewertung des Übernahmeobjektes, (5) Vertragsverhandlungen und im Erfolgsfalle Signing und Closing. Basierend auf einem grundsätzlichen Anforderungsprofil an mögliche Akquisitionsobjekte werden in der Screening- und Selektionsphase systematisch allgemein zugängliche Informationen über mögliche Akquisitionsobjekte gesammelt, ausgewertet und aufbereitet. Hierdurch entsteht zunächst eine sogenannte „Long List“, d.h. eine Liste von bis zu 20 <?page no="695"?> 672 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement möglichen Akquisitionsobjekten und nach einem weiteren Screening die sog. „Short-List“, die in der Regel nur noch bis zu fünf Übernahmeobjekte umfasst. Im Allgemeinen basiert das Screening auf nachvollziehbaren Kriterien, die in Abbildung 310 dargestellt sind. Abbildung 310: Screening-Kriterien Nach Abschluss der internen Vorbereitungen wird versucht, mit den Eigentümern bzw. dem Management des Akquisitionskandidaten Kontakt aufzunehmen. Der erste, Kontakt kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Bei Cross-Border-Transaktionen ist es jedoch häufig so, dass der Kontakt zum Übernahmeobjekt von einer Investmentbank oder einem auf Transaktionen spezialisierten Berater hergestellt wird. Gerade eine global agierende Investmentbank hat möglicherweise bereits in einem anderen Umfeld Kontakt zu dem Transaktionsobjekt aufgebaut. Sollte das Management bzw. die Eigentümer des Transaktionsobjektes prinzipiell an einem Verkauf interessiert sein, werden erste Gespräche geführt. Diese konzentrieren sich im Allgemeinen auf eventuelle Rahmenbedingungen eines Verkaufs und fast immer auf eine erste Kaufpreisindikation. Kann hier eine grundlegende Übereinstimmung erzielt werden, dient der Letter of Intent dazu, die bisher erzielten Verhandlungsergebnisse zusammenzufassen. In einem LOI erfolgt die meist unverbindliche Erklärung der Verhandlungsparteien, dass man auf Basis der bereits erzielten vorvertraglichen Verhandlungsergebnisse zum Vertragsabschluss kommen will. Ein LoI dient zur Absicherung des Managements des Zielunternehmens, sofern beim Käufer noch Punkte bis zur endgültigen Einigung geklärt werden müssen oder noch eine dritte Partei, wie z.B. ein Finanzinvestor, ihre Zustimmung geben muss. Im Wesentlichen legt der LoI nicht nur eine möglichen Kaufpreis fest, son- <?page no="696"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 673 dern auch die weitere Vorgehensweise sowie den Zeitplan bis zur Übertragung der Unternehmensanteile bzw. des vollständigen Unternehmens (Betsch, O./ Groh, A./ Lohmann, L, 2000). Die nächste Phase im Transaktionsprozess ist die detaillierte Prüfung des Zielobjekts, die sogenannte Due Diligence. Unter Due Diligence (übersetzt: gebührende Sorgfalt) versteht man eine weitgehende Überprüfung einer Gesellschaft, die durch einen Erwerber oder eine sonstige Vertragspartei im Rahmen eines Unternehmenskaufs oder einer anderen Transaktion erfolgt (Bruner, R.F., 2004). Ziel einer Due-Diligence-Prüfung aus Sicht des Käufers ist im Wesentlichen, Informationen über alle bewertungsrelevanten Tatsachen zu erlangen sowie mögliche mit einem Kaufobjekt verbundene Chancen und Risiken zu identifizieren. Aus Sicht des Verkäufers ist eine umfangreiche und detaillierte Due Diligence sinnvoll, da dies das Risiko für spätere Klagen und Rückforderungen des Käufers aufgrund „verschwiegener Mängel“ reduziert. Daher empfehlen inzwischen etliche Investmentbanken den Verkäufern vor Start eines Verkaufsprozesses, eine sogenannte „Seller Side Due Diligence“ durch einen vom Verkäufer beauftragten Wirtschaftsprüfer durchführen zu lassen. Das Ergebnis dieser Prüfung wird den potenziellen Käufern zur Verfügung gestellt. Die Due Diligence ist nicht eine einzige Prüfung, sondern besteht aus einer ganzen Reihe von Prüfungen: Financial Due Diligence auf Basis der kurz- und mittelfristigen Unternehmensplanung, Commercial Due Diligence in Bezug auf die Produkte und Märkte, Operational Due Diligence im Hinblick auf Produktion und Logistik, R&D Due Diligence im Hinblick auf die Produkt-Pipeline, Legal Due Diligence im Hinblick auf alle wesentlichen Verträge und auch Vertragsbzw. Prozessrisiken, Tax Due Diligence im Hinblick auf die steuerlichen Auswirkungen der Transaktion, Human Resources im Hinblick auf das Führungsteam sowie die Führungs- und Mitarbeiterstrukturen. Fallweise werden die Due-Diligence-Prüfungen noch um folgende weitere Prüfungen ergänzt, wie z.B. IT Due Diligence, Real Property Due Diligence, Environmental Due Diligence und/ oder Insurance & Risk Due Diligence. Die resultierenden Ergebnisse aus diesen Teilbereichen der Due Diligence fließen in die folgenden Verhandlungen, die Unternehmensbewertung wie auch die später zu erfolgende Vertragsgestaltung ein. Idealtypisch verläuft die Phase der Due Diligence parallel zur eigentlichen Kaufbzw. Verkaufsverhandlung. <?page no="697"?> 674 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Schon die Anzahl der durchzuführenden Detailprüfungen im Rahmen der Due Diligence verdeutlicht, dass ein Übernahmeprozess eines internationalen Unternehmens hohe Anforderungen an den Erwerber stellt. Zwar versuchen die Verkäufer in aller Regel, den Due- Diligence-Prozess durch vorbereitete Informationen wie das Information Memorandum, gegebenenfalls eine „Seller Side Due Diligence“ und im Rahmen der eigentlichen Due Diligence durch einen „Data Room“ zu unterstützen, in dem alle wesentlichen Unterlagen zur Verfügung stehen. Trotzdem umfasst das Due-Diligence-Team des Käufers bei internationalen Transaktionen nicht selten fünfzig oder mehr Personen. Hinzu kommt, dass gerade im Rahmen der Operational Due Diligence, der Real Property Due Diligence und der Environmental Due Diligence Besuche der Niederlassungen unumgänglich sind. Diese werden im Rahmen internationaler Transaktionen dann häufig nicht von der Holding durchgeführt, sondern durch entsprechende Mitarbeiter aus den Landesgesellschaften. Auf Basis der bisher bereits vorliegenden Verhandlungsergebnisse wie auch der durchgeführten Due Diligence entwickeln die Vertragsparteien ihre jeweiligen konkreten Kaufpreisvorstellungen, die dann in die Phase der Verhandlungen und der konkreten Vertragsgestaltung einbezogen werden. Die wesentlichen bisher erzielten Ergebnisse der Verhandlungen werden zur Dokumentation des Verhandlungsstandes häufig in einem sog. Memorandum of Understanding konkretisiert und festgehalten. Bei diesem Dokument wird zumeist zwischen Ergebnissen, bei denen bereits Einigung erzielt wurde, und noch offenen, klärungsbedürftigen Punkten unterschieden. Darüber hinaus werden auch die weiteren Schritte im Transaktionsprozess fixiert. Gegenstand der Vertragsverhandlungen sind im Wesentlichen formale Aspekte wie z.B. die Eigentumsverhältnisse, der Übergabezeitpunkt, der Kaufpreis, mögliche vom Käufer oder Verkäufer abzugebende Garantien wie auch gegebenenfalls weitere Nebenabreden, z.B. Weiterbeschäftigung des Managements bzw. Beraterverträge. Den Abschluss des Verhandlungsprozesses stellt das sogenannte Signing dar. Hierunter versteht man die abschließende Unterzeichnung des Kaufvertrags durch beide Parteien. Je nach Vertragskonstellation ist hierzu auch eine notarielle Beurkundung notwendig. Häufig geht die Verfügungsgewalt des Verkäufers allerdings nicht sofort mit Unterzeichnung des Kaufvertrags auf den Käufer über. Bevor das Kaufobjekt tatsächlich den Eigentümer wechselt, müssen häufig noch eine oder mehrere der folgenden Bedingungen (sog. aufschiebende Bedingungen) erfüllt werden. Mit dem Closing übernimmt der Käufer gegen Entrichtung des Kaufpreises alle Rechte und Pflichten an der zu übernehmenden Gesellschaft zu einem festgelegten Zeitpunkt. Die letzte Rechtshandlung des übernommenen Unternehmens beim Closing ist die Eigentumsübertragung auf den Käufer. Daneben werden weitere Rechtshandlungen innerhalb des Closing abgewickelt, wie z.B. die Feststellung von Bilanzen und Ergebnissen von Zwischenprüfungen sowie die Abwicklung der Kaufpreiszahlungen. Zum Übergangsstichtag <?page no="698"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 675 müssen die im Kaufvertrag vereinbarten, aufschiebenden Bedingungen sowohl quantitativ als auch qualitativ erfüllt sein. Zwischen Signing und Closing steht die Einholung von behördlichen Genehmigungen, die Umsetzung der Finanzierung durch den Käufer, aber auch die Gründung von Akquisitionsgesellschaften, sofern diese notwendig sind. Im Rahmen internationaler Transaktionen liegt hier ein besonderes Augenmerk auf den kartellrechtlichen Genehmigungen, deren Einholung sehr umfangreicher Dokumentationen bedarf und die auch sehr lange dauern können. Häufig wird hier vergessen, dass bei internationalen Transaktionen in jedem betroffenen Land eine Genehmigung eingeholt werden muss. Die Zusammenführung in Europa im Rahmen der EU-Fusionskontrollverordnung stellt dabei eher die Ausnahme dar. Werden im Rahmen eines Asset-Deals die einzelnen Vermögensgegenstände des Akquisitionsobjektes einzeln übertragen und nicht die Anteile am Eigenkapital der Muttergesellschaft des Akquisitionsobjektes (Share-Deal), z.B. in Form von Aktien, kommt eine weitere Komplexität hinzu. In jedem Land, in dem das Akquisitionsobjekt tätig ist und Assets vorhanden sind, muss die übernehmende Muttergesellschaft selbst über eine übernehmende Tochter verfügen oder eine solche gründen, die die Assets erwerben kann. Da dies manchmal wiederum behördlicher Genehmigungen bedarf, ist es bei internationalen Asset- Deals nicht unüblich, dass im Rahmen des eigentlichen Closing nur ein Teil des Unternehmens übergeht und einzelne Landesaktivitäten im Rahmen eines „Subsequent Closing“ nachfolgen. Die Integrationsphase, auch als Post-Merger-Phase bezeichnet, beinhaltet die Gestaltung der neuen Beziehung zwischen dem erwerbenden Unternehmen und dem erworbenen Unternehmen sowie die Umsetzung der durch den Erwerb formulierten Ziele. Hierbei müssen die Unternehmen operativ, organisatorisch und strategisch zusammengeführt werden. Dabei geht es häufig auch um die Realisierung von Synergien. Diese steht aber nicht im Mittelpunkt der finanziellen Aspekte des M&A. 3.4.2 Private-Equity-Finanzierung als Sonderform der internationalen Finanzierung Durch den „Heuschrecken“-Begriff des ehemaligen SPD-Ministers Franz Müntefering haben Private-Equity-Finanzierungen in der deutschen Öffentlichkeit eine erhebliche Aufmerksamkeit gewonnen. Dabei wird unter einer Heuschrecke ein Investor verstanden, der ein Unternehmen erwirbt, kurzfristig alle finanziellen Ressourcen aus dem Unternehmen heraussaugt und das Unternehmen dann wieder möglichst mit Gewinn abstößt. Betrachtet man Private Equity, bezeichnet es Eigenkapitalfinanzierungsformen, die im Gegensatz zu Public Equity stehen. Public Equity ist Eigenkapital, das über organisierte Kapitalmärkte vermittelt wird. <?page no="699"?> 676 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Unter Private Equity wird daher die Finanzierung von Unternehmen mit Eigenkapital, das nicht über organisierte Kapitalmärkte wie Börsen erfolgt, verstanden. Die Private-Equity- Finanzierung umfasst dabei umfangreiche Informations- und Mitbestimmungsrechte für den Eigentümer (Ernst, D./ Häcker, J., 2007). Ein weiteres konstituierendes Merkmal von Private Equity ist, dass dieses nur für einen begrenzten Zeitraum, in aller Regel vier bis sieben Jahre, zur Verfügung gestellt wird. Private Equity wird in aller Regel nach den Phasen im Unternehmenslebenszyklus unterteilt. So unterscheidet der Bundesverband Deutscher Kapitalgesellschaften: (1) Venture Capital mit den Unterbereichen (a) Seed Capital, (b) Start-Up Capital sowie (c) Later Stage Venture Capital, (2) Growth Capital, (3) Rescue/ Turnaround Capital, (4) Replacement Capital sowie (5) Buyout Capital. Venture Capital dient dabei der Finanzierung von jungen Unternehmen in ihren frühen Entwicklungsphasen. Während die Seed-Finanzierung letztlich der Entwicklung einer Geschäftsidee oder eines Geschäftsmodells dient, bedienen Start-Up Capital und Later Stage Venture Capital die Gründung bzw. das frühe Wachstum von Unternehmen. Growth Capital dient der Wachstumsfinanzierung von Unternehmen, deren Geschäftsmodell sich letztlich schon in den Märkten bewiesen hat. Rescue oder Turnaround Capital dient der Finanzierung von Unternehmenssanierungen - meist durch ein neues Management, Replacement Capital bezeichnet den Kauf von Unternehmensanteilen aus der Hand von Eignern, die das Unternehmen verlassen wollen. Der Buyout-Markt, umfasst wie Abbildung 311 zeigt, den größten Teil (ca. 70%) des gesamten Private-Equity-Marktes. Danach folgen das gesamte Growth Capital mit ca. 15% der Private-Equity-Investitionen und schließlich der gesamte Venture-Capital-Bereich. Durch das geringe Volumen der einzelnen Venture-Capital-Investition ist die Anzahl der Investitionen im Bereich Venture Capital viermal so hoch wie im Bereich Buyout. Im Folgenden wird der Fokus auf den Buyout-Markt gerichtet. Die wichtigsten Formen von Buyout-Transaktionen sind der Management Buyout (MBO), der Management Buy-In (MBI) und der Leveraged Buyout (LBO). <?page no="700"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 677 Abbildung 311: Der europäische Markt für Private Equity (Volumen in 1000 €) Quelle: European Private Equity and Venture Capital Association, 2012, online Der Management Buyout ist die klassische Form des Buyouts. Hierbei übernimmt das zuvor angestellte Management das eigene Unternehmen. Dazu behilft es sich einer Beteiligungsfirma, welche den Großteil des verwendeten Kapitals bereitstellt. Bei einem MBO werden demnach Eigentum und Geschäftsführung vereint. Bei einem Management Buy- In erfolgt die Übernahme des Zielunternehmens durch ein externes Management, welches von Finanzinvestoren unterstützt wird. Hierbei übernimmt das externe Management Geschäftsanteile und die Führung des Unternehmens. Demgegenüber steht bei einem Leveraged Buyout die Finanzierungsstruktur im Mittelpunkt der Transaktion. Ein LBO wird mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Fremdkapital finanziert. Mit dem geringen Eigenkapitaleinsatz kann der Private-Equity- Investor aufgrund des Leverage-Effektes eine attraktive Eigenkapitalrentabilität erzielen. Die Tilgung der Schulden erfolgt aus dem freien Cashflow des erworbenen Unternehmens selbst. Das ideale Zielunternehmen weist daher stabile, positive und vorhersehbare Cashflows auf. Abbildung 312 zeigt die typische Struktur eines Private-Equity-Fonds. Der Fonds selbst ist meist als eine in einem steuerbegünstigten Land - in Europa häufig Luxemburg - angesiedelte Gesellschaft organisiert. Obwohl er im Zentrum von Abbildung 312 steht, da in ihm das anzulegende Kapital und die Beteiligungen gesammelt sind, ist die zentrale Instanz die Private-Equity-Gesellschaft. Große Private-Equity-Gesellschaften sind TPG Capital, Goldman Sachs Principal Investment Area, The Carlyle Group, Kohlberg Kravis Roberts (KKR), The Blackstone Group, Apollo Global Management, Bain Capital, CVC Capital Partners. Betrachtet man beispielsweise die Beteiligungen von KKR in Deutschland, so sind und waren hier Unternehmen wie Wincor Nixdorf, Tenovis, Demag, Duales System Deutschland (Grüner Punkt), ATU, Kion oder ProSiebenSat1 Media unter den Investments. <?page no="701"?> 678 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Abbildung 312: Typische Struktur eines Private-Equity-Fonds Quelle: In Anlehnung an: Hehn, M., 2011 Die Private-Equity Gesellschaft übernimmt die folgenden Funktionen: Fundraising, Auswahl der Beteiligung und Durchführung des Investments, aktive Führung der Beteiligungen, De-Investment (als Exit bezeichnet). Im Rahmen des Fundraisings sammeln die PE-Gesellschaften Kapital von Investoren ein. Das typische Fundraising für einen Fond dauert 12 bis 24 Monate. Investoren in Private Equity sind überwiegend institutionelle Anleger wie Banken, Versicherungen und Rentenfonds. Aber auch reiche Privatanleger oder beispielsweise die Stiftungen der USamerikanischen Top-Universitäten Harvard und Stanford legen ihr Geld in PE-Fonds an. Insgesamt konnten in Europa im Jahr 2011 neue Mittel in Höhe von 20 Mrd. € eingesammelt werden. Großbritannien hatte dabei mit knapp 6 Mrd. € den größten Anteil. Im Vergleich dazu wird davon ausgegangen, dass das Fundraising-Volumen in den USA im Jahr 2011 die Marke von 100 Mrd. USD überschreitet (DowJones, online, 2011). Während sich die Auswahl der Beteiligungen und der M&A-Prozess nicht grundsätzlich von dem normalen M&A-Prozess unterscheidet, ist das aktive Beteiligungsmanagement, d. h. die aktive Führung der Beteiligung, eine Besonderheit der LBO-Fonds. Brettel (Brettel, M., et al., 2008) untergliedert die Funktionen Monitoring, Mentoring und Intervening. Unter Monitoring subsumiert er die Organisation eines Kontrollsystems, das laufende Beteiligungscontrolling und das Mitwirken in Aufsichtsgremien, unter Mentoring die <?page no="702"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 679 Managementberatung und -unterstützung sowie das Einschalten von externen Ressourcen, d.h. insbesondere Unternehmensberatungsgesellschaften. Im Bereich des Intervening erfolgen die Ablösung des Managements sowie die Übernahme des aktiven Tagesgeschäfts im Krisenfall. Auch wenn ein Intervening häufig sogar an objektiv nachvollziehbare Kriterien gebunden ist, haben insbesondere die mit dem Intervening verbundenen häufigen Wechsel im Topmanagement von Beteiligungsunternehmen zum negativen Image vieler PE-Gesellschaften geführt. Ein weiterer Faktor für das schlechte Image der PE-Investoren im Rahmen des Beteiligungsmanagements ist die extreme Cashfloworientierung der PE-Fonds. Diese rührt aus der typischen Deal-Strukturierung von PE-basierten M&A-Transaktionen. Der Erwerb der Beteiligungsunternehmen erfolgt meist mit einem relativ geringen Anteil an Eigenkapital aus dem PE-Fonds, um einen hohen Leverage-Effekt für die PE-Investoren zu erzielen. Die restlichen Mittel werden in aller Regel über Bankkredite im Rahmen einer strukturierten Finanzierung beschafft. Diese hohe Fremdkapitalfinanzierung wird dann der akquirierten Beteiligungsgesellschaft aufgebürdet, so dass diese nach dem Erwerb durch den PE- Fonds eine hohe Zinslast zu tragen hat. Nach einer Laufzeit von vier bis sieben Jahren erfolgt in aller Regel der Exit des Fonds. Klassische Exit-Strategien sind: Börsengang (Initial Public Offering), Veräußerung der Beteiligung an einen strategischen Investor (Trade Sale), Verkauf der Anteile an eine andere PE-Gesellschaft (Secondary Buyout), Rückkauf der Anteile durch Altgesellschafter (Buyback). Natürlich gibt es auch den Fall, dass die Gesellschaft in Konkurs geht und die Beteiligung somit aus Sicht des PE-Investors vollständig abgeschrieben werden muss. Dies ist allerdings seltener der Fall, da sich die Fremdkapitalgeber im Rahmen der strukturierten Finanzierung des Erwerbs erhebliche Mitspracherechte bzw. Übernahmeansprüche für den Fall sichern, dass die Kredite nicht mehr bedient werden bzw. bestimmte Kennzahlen hier auf ein entsprechendes Risiko hindeuten. <?page no="703"?> 680 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Fallstudie: Internationales Controlling bei EnBW Herausforderungen der Beteiligungssteuerung - Ansätze der Electricité de France (EDF) im internationalen Umfeld Dipl.-Kfm. Michael Dominique Gross, MBA Risikomanagement und Controlling, Energie Baden-Württemberg AG Die Liberalisierung der europäischen Strom- und Gasmärkte schreitet seit Anfang der 1990er Jahre unvermindert voran. Bisher meist nur national agierende Energieversorger entdecken die mit der zunehmenden Öffnung der Märkte verbundenen Wachstumschancen. Zur Stärkung seiner internationalen Marktstellung startete ab Mitte der 1990er Jahre einer der führenden Energiekonzerne, die Electricité de France (EDF), eine weltweit ausgedehnte Übernahmeoffensive. In diese Strategie reihte sich auch der Anteilserwerb in Deutschland an der Energie Baden-Württemberg (EnBW) und die Bildung der 100%- Tochtergesellschaft EDF Energy in Großbritannien ein. Aufgrund verschiedener Beteiligungsanteile ergeben sich für die EDF Unterschiede in der Einbindung und in der Steuerung beider Unternehmen innerhalb der Gruppe. Umfeld/ Unternehmen Die Energiemärkte der großen europäischen Industrienationen erleben seit Mitte/ Ende der 1990er Jahre grundlegende strukturelle Veränderungen. Die Liberalisierung monopolistischer bzw. oligopolistischer Marktstrukturen, die wachsenden Privatisierungen von Staatsbetrieben, die zunehmende Entflechtung von Erzeugung, Übertragungsnetz und Vertrieb sowie europaweit harmonisierte Regulierungsvorschriften erfordern von Energiekonzernen sowohl strategische als auch operative Neuorientierungen. In Frankreich wird der französische Strommarkt heute mit über 90% Marktanteil von der EDF dominiert. Seit der Verstaatlichung des Unternehmens im Jahr 1946 ist der französische Staat mit über 80% (2009) Hauptanteilseigner am Stammkapital. Ist die Liberalisierung in Deutschland und Großbritannien bereits weit fortgeschritten, wird nun auch Frankreich auf Basis der Übertragung europäischer Vereinheitlichungsregelungen insbesondere seit 2007 verstärkt damit konfrontiert, seinen Energiemarkt zu öffnen und mehr Wettbewerb zuzulassen. In Deutschland trug bereits 1998 das Energiewirtschaftsgesetz, das die Auflösung der Gebietsmonopole zur Folge hatte, sowie die zweite Novellierung von 2005 auf Basis der entsprechenden EU-Richtlinie wesentlich zur Marktliberalisierung bei. Die dominierenden Marktakteure sind heute die sog. „großen“ Vier: E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall. Bereits Ende der 1980er Jahre wurde die Liberalisierung des britischen Stromsektors durch den sog. „Electricity Act“ umgesetzt. Wesentliche Akteure im Markt sind heute u.a.: EDF <?page no="704"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 681 Energy, Centrica, E.ON UK sowie der britische Ableger der RWE. Abbildung 313 gibt die klassischen Wertschöpfungsstufen in der Stromwirtschaft wieder. Abbildung 313: Klassische Wertschöpfungsstufen in der Stromwirtschaft Herausforderung Mit einem Umsatz von 66,3 Mrd. € (2009) ist die EDF einer der umsatzstärksten Energiekonzerne Europas, was auch auf die massiven Beteiligungs- und Akquisitionsstrategien seit Ende der 1990er Jahre zurückzuführen ist. Die EnBW ist ein vertikal integrierter Energieversorger mit knapp 21.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 15,6 Mrd. € (2009). Die EnBW entstand 1997 durch Zusammenschluss der beiden regionalen Energieversorgungsunternehmen Badenwerk AG und Energie-Versorgung Schwaben AG, die sich bis dahin die Gebietsmonopole in Baden-Württemberg aufteilten. Im Jahr 2000 verkaufte das Land Baden-Württemberg seinen EnBW-Anteil von 25,1% an die EDF-Gruppe. Durch weitere Zukäufe konnte die EDF ihre Anteile an der EnBW ausdehnen. Zum Jahresende 2009 sind die EDF sowie der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) die größten Anteilseigner mit jeweils 45,01% am Stammkapital (vgl. Abbildung 314). Abbildung 314: Aktionärsstruktur der EnBW zum 31.12.2009 Quelle: EnBW, 2009, online Zwischen den beiden Anteilseignern wurde ein bis Ende 2011 wirksamer Konsortialvertrag geschlossen, der die Eigentümerstruktur und die jeweilige Repräsentanz im Aufsichtsrat der EnBW regelt. Der Aufsichtsrat der EnBW besteht zum Stichtag 31.12.2009 aus 20 ständigen Mitgliedern. Die EDF stellt dabei 5 Mitglieder, der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) 3 Mitglieder und das Land Baden-Württemberg einen Vertreter. Die weiteren Mitglieder sind der Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretung zu- <?page no="705"?> 682 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement zurechnen inkl. des Aufsichtsratsvorsitzenden und dessen Vertreter. Ferner sieht der Vertrag vor, dass der EDF ein Sonderrecht in Bezug auf die mittelfristige Unternehmensentwicklung der EnBW zusteht („Document de référence 2009“ der EDF, S. 91). Bisher stammten auch zwei Vorstände der EnBW von der EDF-Gruppe. Die wichtigsten Kennzahlen der EnBW sind in Abbildung 315 zusammengefasst. Anmerkung: Wertbeitrag = (ROCE - Kapitalkostensatz) x Capital Employed ROCE = (Adjusted EBIT inklusive Beteiligungsergebnis) / Capital Employed Abbildung 315: Kennzahlen EnBW Quelle: EnBW, 2009, online Auch EDF Energy ist ein vertikal integriertes Energieversorgungsunternehmen mit knapp 20.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 11 Mrd. € (2009) (vgl. Abbildung 316). Das Unternehmen entstand 2002, als die EDF die zusammengeschlossenen Energieversorger SEEBOARD, London Energy und SWEB Energy übernahm. 2009 folgte die Übernahme des Kernkraftwerksbetreibers Britisch Energy. Seit 2009 ist die 100%-Tochtergesellschaft der EDF führender Stromerzeuger Großbritanniens. Besonders im Hinblick auf die Erweiterungsmöglichkeiten der Erzeugungskapazitäten im Kernkraft- und Windkraftanlagenbereich offenbart der britische Energiemarkt Wachstumsmöglichkeiten und reiht sich somit in die Expansionsstrategie der EDF ein. Abbildung 316: Kennzahlen der EDF Energy Quelle: EDF, 2009, online; EDF Energy, 2009, online Zum 31.12.2009 stammen alle Mitglieder des Aufsichtsrates (Board of Non-Executive Directors) der EDF-Energy und deren Vorstandsvorsitzender (Chief Executive Officer) von der Muttergesellschaft. Die massiven Beteiligungs- und Akquisitionsstrategien der EDF wurden von Pierre Gadonneix, CEO der EDF-Gruppe bis 2009, wie folgt beschrieben: „Die Öffnung der Energiemärkte in Europa hat die grundlegende Restrukturierung des Sektors so- <?page no="706"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 683 wie die Bildung von führenden Unternehmen auf europäischer Ebene zur Konsequenz. In einer derartigen Entwicklung fällt derjenige zurück, der es nicht versteht, voranzuschreiten. EDF muss daher seinen Teil am europäischen Wachstum wahrnehmen, um sich unter den Führenden zu behaupten“ (Gadonneix, 2005). Besonders die massiven Expansionsstrategien von Konkurrenten wie der deutschen E.ON oder der italienischen Enel-Gruppe setzten die EDF verstärkt unter Zugzwang. Die Zukäufe der EDF in Deutschland und Großbritannien, aber auch in Italien können daher als unmittelbare Reaktionen gesehen werden. Zudem ermöglicht der Zugang zum deutschsprachigen Energieversorgermarkt mit 90 Mio. potenziellen Kunden (Deutschland, Österreich und Schweiz) weitere Wachstumsoptionen, beispielsweise als zentrale „Energiedrehscheibe“ zu Osteuropa. Ferner ergeben sich technische Kooperationsmöglichkeiten im Bereich Kraftwerkstechnologie durch die geografische Nähe zwischen EDF und EnBW. Zum Erreichen, der mit der Akquisition ursprünglich beabsichtigten strategischen Zielsetzungen ist die langfristige Einbindung, Koordination und Steuerung einer Tochterbzw. Beteiligungsgesellschaft wesentlicher Erfolgsfaktor. Aus unterschiedlichen Beteiligungsstrukturen resultieren verschiedene Konzepte bzw. Möglichkeiten der Integration in die Konzerngruppe (Sollen nicht nur finanzielle Synergien erzielt werden, sind sowohl der Grad an Interdependenz, d.h. eine Verringerung der Grenzen, sowie der Grad an gewährter Autonomie zwischen Mutter- und Tochter-/ Beteiligungsgesellschaft von Bedeutung (Haspeslagh, P./ Jemison, D., 1991). Im weiteren Verlauf dieses Abschnitts werden diese Faktoren praxisbezogen im Hinblick auf die Beteiligungssteuerung erörtert und präzisiert [Kategorien (1) bis (5)]). Die einfachste Form der Beteiligungssteuerung stellt dabei die Vorgabe von Finanzkennzahlen dar. Gewöhnlich wird dies bei strategischen Beteiligungen angewandt, bei denen die Muttergesellschaft über keine Anteilsmehrheit verfügt. Die in Praxis vorzufindenden Ansätze berühren üblicherweise die folgenden Kategorien: (1) Wahrnehmung von Aufsichts- und Führungsfunktionen der Tochterbzw. Beteiligungsgesellschaft durch Vertreter der Muttergesellschaft. (2) Vereinbarung einvernehmlicher vertraglicher Bestimmungen zur Berücksichtigung der jeweiligen Zielsetzungen, Beteiligungsmotive und der langfristigen Beteiligungsstrukturen bei einer Mehreigentümerstruktur. (3) Bestimmung der auf die Tochterbzw. Beteiligungsgesellschaft zutreffenden Organisationsform zur Steuerung und Koordination durch die Muttergesellschaft: Dezentrale, weitestgehend eigenständige Controllingorganisation im Gegensatz zu einer zentralen Ausgestaltung. (4) Operative Ausgestaltung der Steuerungs- und Berichtssysteme (Frequenz und inhaltliche Tiefe des Berichtswesens, gruppenweite Vereinheitlichung der IT-Unterstützungssysteme zur Berichtserstellung, Einsichtsregelungen und automatisierte <?page no="707"?> 684 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Zugriffsrechte der Muttergesellschaft in das Berichtswesen) sowie daraus abgeleitete Eingriffsrechte in die operative Geschäftstätigkeit der Tochterbzw. Beteiligungsgesellschaft. (5) Das Beteiligungsmodell als Führungs- und Steuerungssystem zielt ferner auf die Steigerung des Wertbeitrags einer Beteiligung bzw. auf eine entsprechende Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Fragen zur Fallstudie (1) Ordnen Sie die exemplarisch genannten Länder (Frankreich, Deutschland und Großbritannien) jeweils dem Grad der Marktliberalisierung und Privatisierung der Energiebranche zu. Leiten Sie das sich daraus ergebende Verhältnis zwischen Markteintrittsbarrieren und internationalen Expansionsbestrebungen von Energieversorgern ab. (2) Welche zwei Anteilseigner dominieren die EnBW zum Stichtag 31.12.2009? Welche konträren Zielsetzungen können diese beiden Anteilseigner verfolgen? Warum kann solch eine Beteiligungsstruktur gerade bei Energieversorgern in Deutschland üblich sein? (3) Diskutieren Sie, inwiefern im Rahmen einer Mehranteilseignerstruktur, Einfluss auf die Beteiligungssteuerung ausgeübt werden kann. Beziehen Sie hierzu die vorgestellten Kategorien der Integrationsansätze (I) bis (IV) auf die vorgestellten Unternehmen. Verwenden Sie zur Beantwortung dieser Frage folgende tabellarische Gegenüberstellung und ermitteln Sie den potenziellen Einfluss der EDF bei der EnBW und bei der EDF Energy: Abbildung 317: Potenzieller Einfluss der EDF (a) Diskutieren Sie, welche Synergien ein durchgängiges, gruppenweites Steuerungsmodell bei Energieversorgern aus Sicht der Muttergesellschaft bewirken würde. Gehen Sie zur Beantwortung dieser Frage beispielhaft auf folgende zwei Elemente der Wertschöpfungskette eines Stromkonzerns ein: Energieerzeugung durch Windkraftanlagen und Stromvertrieb an einen Automobilkonzern mit <?page no="708"?> Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement • 685 Produktionsstätten in Frankreich und England. Erörtern Sie diese im Hinblick auf Kosten- und Erlöseffekte im Verbund EDF und EDF Energy: (b) Ausgehend von Ihrer Analyse aus a), welches der beiden Unternehmen wird stärker in die Steuerungsorganisation der EDF eingebunden? Welches Unternehmen genießt dagegen eine relativ hohe Autonomie und würde eher primär über ein Finanzkennzahlen-Reporting gesteuert? Welchen Einfluss können derartige Synergieeffekte auf den Wertbeitrag ausüben? Legen Sie zur Beantwortung dieser Frage folgende vereinfachte Definition des Wertbeitrages zugrunde und analysieren Sie die Kosten- und Erlöseffekte aus der vorherigen Fragestellung: Wertbeitrag = EBIT - Kosten des eingesetzten Kapitals Abbildung 318: Kosten- und Erlöseffekte der EDF Quellen: Electricité de France SA (Hrsg.): Geschäftsberichte, Paris 2001 bis 2009, www.edf.com. Electricité de France SA (Hrsg.): Finanzpräsentationen, 2001 bis 2009, www.edf.com. EDF Energy plc. (Hrsg.): Jahresabschlüsse 2008 bis 2009, www.edfenergy.com. Energie Baden-Württemberg AG (Hrsg.): Geschäftsberichte, Karlsruhe 2003 bis 2009, www.enbw.com. Gadonneix, P., 2005: Discours du Président d’EDF devant le Premier Ministre, Rede vor französischen Regierungsvertretern, Paris, Oktober 2005. Haspeslagh, P./ Jemison, D., 1991: Managing Acquisitions: Creating value through corporate renewal, 1. ed., Free Press, New York, 1991. <?page no="709"?> 686 • Kapitel X: Internationales Controlling und Finanzmanagement Literaturempfehlungen Basisliteratur Aschfalk-Evertz, A., 2011: Internationale Rechnungslegung, UTB: Stuttgart. Bieg, H./ Kußmaul, H., 2009: Finanzierung, 2. Aufl., München. Bitz, M./ Schneeloch, D./ Wittstock, W., 2011: Der Jahresabschluss, 5. Aufl., Vahlen: München. Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2011: International Business: The New Realities, 2. Aufl., Boston, [Kapitel 20: „Financial Management and Accounting in the Global Firm“, S. 570-600]. Hill, C., 2010: International Business: Competing in the Global Marketplace, 8., internationale Aufl., New York, [Kapitel 19: „Accounting in the International Business“, S. 625- 673; Kapitel 20: „Financial Management in the International Business“, S. 674-697]. Kruschwitz, L./ Husmann, S., 2012: Finanzierung und Investition, 7. Aufl., München. Lasserre, P., 2007: Global Strategic Management, 2. Aufl., Houndmills, [Kapitel 13: „Global Financial Management“, S. 351-381]. Pellens, B./ Fülbier, R.U./ Gassen, J./ Sellhorn, T., 2011: Internationale Rechnungslegung, Schäffer/ Poeschel: Stuttgart. Perridon, L./ Steiner, M./ Rathgeber, A., 2009: Finanzwirtschaft der Unternehmung, 15. Aufl., München. Shapiro, A.C., 2006: Multinational Financial Management, 8. Aufl., Hoboken. Vertiefungsliteratur Betsch, O./ Groh, A./ Lohmann, L, 2000: Corporate Finance, 2. Aufl., München. Born, K., 2007: Rechnungslegung international, 5. Aufl., Schäffer-Poeschel: Stuttgart. Brealey, R.A./ Myers, S.C./ Marcus, A.J., 2011: Fundamentals of Corporate Finance, 7. Aufl., Boston. Bruner, R.F., 2004: Applied Mergers and Acquisitions, Hoboken. Busse von Colbe, W./ Ordelheide, M./ Gebhardt, G./ Pellens, B., 2010: Konzernabschlüsse, 9. Aufl., Gabler: Wiesbaden. Ernst, D./ Häcker, J., 2011: Applied International Corporate Finance, 2. Aufl., München. Eun, C.E./ Resnick, B.G., 2011: International Financial Management, 6. Aufl., Boston. Koller, T./ Goedhart, M./ Wessel, D., 2010: Valuation: Measuring and Managing the Value of Companies, 5. Aufl., Hoboken. Shapiro, A.C./ Sarin, A., 2009: Foundations of Multinational Financial Management, 6. Aufl., Hoboken. <?page no="710"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement <?page no="711"?> 688 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement Standpunkt: Coface Deutschland Coface Deutschland Coface Deutschland ist einer der weltweit führenden Kreditversicherer und Anbieter im Forderungsmanagement von Unternehmen. Coface Deutschland beschäftigt 1000 Mitarbeiter. www.coface.de Franz J. Michel, Vorstandsvorsitzender Coface Deutschland Franz J. Michel ist seit Mai 2010 Vorstandsvorsitzender von Coface Deutschland. Bevor er 2008 in den Vorstand berufen wurde, war er Geschäftsführer der Coface Finanz GmbH. 1. Welche Rolle wird das internationale Personalmanagement zukünftig bei Coface Deutschland spielen? Internationalität ist bei Coface Deutschland selbstverständlich: Menschen aus über 20 Nationen arbeiten in Mainz. Firmensprache ist Englisch und deshalb sind gute Englischkenntnisse eine Pflichtvoraussetzung bei der Einstellung. Der internationale Austausch der Gruppe erfordert internationales Denken bei jedem Mitarbeiter. Wir als Unternehmen leben in einer Zeit schneller Prozesse von Changemanagement, Krisenanfälligkeit und Komplexität. Wir sind mit einer nie dagewesenen Veränderungsdynamik konfrontiert, die mit einem Paradigmenwechsel in der Gesellschaft einhergeht. Die äußeren Rahmenbedingungen für Unternehmen wie auch für die einzelnen Menschen ändern sich. Immer wieder gibt es neue Anforderungen, auf die wir reagieren müssen. Dafür brauchen wir flexible und passende Mitarbeiter aus der ganzen Welt. Hinzu kommen der sich abzeichnende Fachkräftemangel und der demografische Wandel. Der Markt für internationale Arbeitsplätze muss deshalb offener werden, künftig auch durch hochqualifizierte Arbeitnehmer zum Beispiel aus Spanien und Italien. Hier bieten sich Möglichkeiten, qualifizierte Mitarbeiter leichter zu gewinnen. 2. Welche Qualifikation müssen Mitarbeiter mitbringen, wenn sie erfolgreich im Ausland eingesetzt werden sollen? Es gibt zwei Möglichkeiten, mit Coface Deutschland ins Ausland zu gehen. Zum einen haben wir im Intranet einen Pool an Stellenangeboten aller 66 Coface-Einheiten weltweit. Dieser enthält alle Stellen, vom Kreditprüfer bis zum Country Manager. Zusätzlich trifft sich jährlich das International Career Committee, an dem alle verantwortlichen Führungskräfte im Human-Resources-Bereich weltweit teilnehmen. Im Vorfeld fragen die Human- Resources-Manager in ihren Einheiten nach, welche Mitarbeiter Interesse an einem Auslandsaufenthalt hätten. Die Mitarbeiter können dabei ihren Wunscheinsatzort angeben, ebenso wie ihre Sprach- und Fachkenntnisse. Eine Voraussetzung, die unsere Mitarbeiter <?page no="712"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 689 mit Auslandswunsch erfüllen müssen: Sie sollten mindestens drei Jahre ihre aktuelle Stelle im Unternehmen ausüben. Der Auslandsaufenthalt beträgt ebenfalls mindestens drei Jahre. Ansonsten sind die Mitarbeiter im Bewerbungsverfahren den anderen Bewerbern gleichgestellt. Zudem gibt es das German Desk von Coface Deutschland in China: Für eine befristete Zeit Coface Deutschland in China zu vertreten, ist etwas ganz Besonderes. Drei junge Mitarbeiter aus Deutschland haben diese Chance mittlerweile genutzt. Als es danach für sie wieder zurück nach Deutschland ging, haben sie sich interkulturell und auch in ihrer Persönlichkeit deutlich weiterentwickeln können - das hat man ihnen spürbar angemerkt. 3. Wie kann der Wissenstransfer zwischen dem Stammhaus und den internationalen Einheiten sichergestellt werden? Welche Rolle spielt hierbei die Entsendung von Mitarbeitern in das Stammhaus bzw. aus dem Stammhaus? Große, erfahrene Einheiten wie Coface Deutschland helfen regelmäßig kleineren Einheiten beim Aufbau. Wir schicken unsere gut ausgebildeten Mitarbeiter in die noch aufzubauenden Einheiten, die über weniger Erfahrung verfügen. Dabei profitieren die Einheiten von unserem Wissen und wir wiederum von der Erfahrung unseres Mitarbeiters, wenn er wieder zurück nach Mainz kommt. Dennoch ist dies nur ein kleiner Teil des Wissenstransfers. Meistens passiert dieser durch Events, internationale Trainings oder internationale Meetings der einzelnen Fachabteilungen im Konzern. 4. Welche Betreuungsmaßnahmen für Ihre entsandten Mitarbeiter aus dem Stammhaus führt Coface Deutschland durch? Für die Coface-Gruppe gibt es eine „Mobility Charter“, die festlegt, wie ein Auslandsaufenthalt auszusehen hat. Dazu gehört, dass es in allen Plattformen einen „Mobility Correspondent“ im Personalbereich gibt. Das heißt, ein Mitarbeiter ist ausschließlich für die internationalen Kontakte zuständig. Der „Mobility Correspondent“ steht regelmäßig mit dem Expatriate in Kontakt und informiert ihn über Änderungen im Stammhaus oder unterstützt ihn bei Problemen vor Ort. Der „Mobility Correspondent“ tritt zum ersten Mal in Erscheinung, wenn sich ein Mitarbeiter auf eine internationale Stellenausschreibung bewerben möchte und stellt den Kontakt zu seinem Pendant im Ausland her. Doch dies ist nur ein Aspekt der Unterstützung. Solche Entsendungen sind zudem sehr kostenintensiv. Coface zahlt dem Expatriate sein Gehalt plus Zulagen. Denn in Städten wie New York oder Tokio reicht das deutsche Gehalt oft nicht aus. Zudem helfen wir unseren Mitarbeitern, Fragen zur Krankenversicherung, Sozialversicherung oder zu Rentenansprüchen zu klären. Oft ist die Familie mit im Ausland, Kinder werden krank oder eingeschult. Deshalb übernehmen wir als Unternehmen auch ein Stück Verantwortung für die Familie des Mitarbeiters. <?page no="713"?> 690 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement 5. Was unternimmt Coface, um den Reintegrationsprozess bei der Rückkehr von Mitarbeitern aus dem Ausland reibungslos zu vollziehen? Die Reintegration an sich ist unproblematisch. Schwieriger wird es, im Vorfeld den richtigen Job für den Mitarbeiter zu finden. Je höher qualifiziert der Mitarbeiter ist, desto schwieriger wird es, ihn zu vermitteln. Wir wollen auf jeden Fall unsere Expatriates im Unternehmen halten. Dennoch ist Flexibilität gefragt - auf beiden Seiten. Unsere HR- Manager haben die Kandidaten im Ausland auf ihrer Agenda und schauen, ob entsprechende Positionen frei sind. Er kann seinen Aufenthalt aber auch für weitere zwei Jahre verlängern, falls er keine adäquate Position im Stammhaus findet. Internationales Personalmanagement Der Begriff „Personalmanagement“ beinhaltet in Anlehnung an den Begriff „Personalpolitik“ sämtliche mit der Beschaffung, dem Einsatz, der Aus- und Weiterbildung, Entlohnung, Beförderung und Beurteilung von Mitarbeitern verbundenen Aktivitäten im Unternehmen. Das internationale Personalmanagement umfasst die Besonderheiten, die sich durch die Internationalisierung von Unternehmen im Personalbereich ergeben. Dazu gehören vor allem: Besonderheiten im Bereich der Personalbeschaffung, des Personaleinsatzes und der Personalförderung. Diese Besonderheiten sind einerseits durch die Verschiedenartigkeit in den wirtschaftlichen, rechtlichen, politischen, soziologischen und kulturellen Umweltfaktoren in den betreffenden Ländern und andererseits durch die unterschiedliche nationale Zugehörigkeit der Mitarbeiter mit divergierenden Wertvorstellungen, Erfahrungen und Verhaltensweisen bedingt. Das internationale Personalmanagement hat die Aufgabe, mit einem aus zahlreichen Nationalitäten rekrutierten Personal aus unterschiedlichen Kulturkreisen und Wertesystemen eine einheitliche Unternehmenspolitik zu verwirklichen (Festing, M., et al., 2011; Scherm, E., 1999). Es bezieht sich auf Mitarbeiter, die im Betätigungsland der Tochtergesellschaften beheimatet sind oder aus Drittländern kommen sowie auf sogenannte Stammhausangestellte, die in der Zentrale arbeiten bzw. von ihr in ausländische Tochtergesellschaften und Niederlassungen entsandt werden. Im Folgenden sollen die Probleme des internationalen Personalmanagements dargestellt werden, die der Austausch von Mitarbeitern über Landesgrenzen mit sich bringt. Personalpolitische Probleme, die sich in den ausländischen Tochtergesellschaften mit den lokalen Mitarbeitern ergeben, sollen hier nur dann behandelt werden, wenn sie durch diesen Austauschprozess beeinflusst oder initiiert werden. <?page no="714"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 691 1 Besonderheiten der Personalbedarfsplanung im internationalen Unternehmen Mitarbeiter, die von der Internationalisierung der Unternehmung unmittelbar tangiert werden, können in Linienfunktionen des Stammhauses (z.B. in Auslandsabteilungen oder Regionalabteilungen in den unterschiedlichen Sparten), in internationalen Stabsabteilungen des Stammhauses (z.B. im Controlling, im Finanzbereich oder in der Forschung und Entwicklung) und in den Auslandsniederlassungen arbeiten. Im Folgenden soll hauptsächlich auf die Personalbedarfsplanung für Stammhausangestellte und deren Auslandseinsatz eingegangen werden, da hier die meisten Besonderheiten des internationalen Personalmanagements zu berücksichtigen sind. Der Bedarf an Mitarbeitern aus der Muttergesellschaft im Ausland leitet sich aus der generellen Zielsetzung der Unternehmung ab, die diese mit einer Entsendungspolitik verfolgt. Im Einzelnen werden mit einer Personalentsendung ins Ausland folgende Ziele verfolgt (Oechsler, W.A., 2006): (1) Transfer von Technologie- und Management-Know-how, (2) Entwicklung der internationalen und interkulturellen Managementfähigkeit, (3) Kompensation eines Mangels an qualifizierten einheimischen Arbeitskräften, (4) Sicherung der Unternehmensinteressen „vor Ort“, (5) Verbesserung der Zusammenarbeit von Mitarbeitern unterschiedlicher Nationalität und (6) Entwicklung eines globalen Bewusstseins bei den Führungskräften. Die Höhe des Bedarfs an Stammhausdelegierten im Ausland wird durch den Grad der Internationalisierung des Unternehmens, die Aufbaustufe des Unternehmens, den Ausbildungsstand der Arbeitskräfte, die Größe der Niederlassung, das Aufgabenfeld des Unternehmens, die Organisationsstruktur, den erforderlichen Know-how-Transfer sowie durch die rechtlichen Rahmenbedingungen im Ausland beeinflusst. Die Bedarfsplanung im internationalen Personalmanagement ist ein iterativer Prozess zwischen der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaften bzw. Zweigniederlassungen oder Werken im Ausland. Bei der Ermittlung des Personalbedarfs ist zu beachten, dass die Fluktuationsrate bei den Führungskräften für Auslandsaktivitäten oft sehr hoch ist (Festing, M., et al., 2011). Abbildung 319 zeigt anhand empirischer Daten auf, welche Abbruchsraten 2009 im internationalen Vergleich zu verzeichnen waren. <?page no="715"?> 692 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement Abbildung 319: Anteil der Unternehmen mit Abbruchraten der Auslandstätigkeit von Mitarbeitern von >20% (2009) Quelle: Tungli, Z./ Peiperl, M., 2009 In diesem Zusammenhang sind auch die vergleichsweise hohen Kosten zu berücksichtigen, die der Abbruch eines Auslandseinsatzes nach sich zieht. Schätzungen gehen davon aus, dass die durchschnittlichen Kosten für die Muttergesellschaft pro Abbruch zweibis dreimal so hoch sein können wie das Jahresgehalt im Heimatland (Festing, M., et al., 2011; Eicker, A., 1997; Harvey, M.G., 1983). Für die Bedarfsermittlung von Führungskräften ist die Leitungsspanne zu berücksichtigen, die sich im In- und Ausland unterscheiden kann. Insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern sind teilweise erhebliche Reduzierungen der Leitungsspanne vorzunehmen, was den hohen Bedarf an Führungskräften begründet. Arbeitsrechtliche Bestimmungen im Ausland können die Anzahl von ausländischen Mitarbeitern (Expatriates) begrenzen, so dass der benötigte Bedarf oft nur lokal zu decken ist. 2 Besonderheiten in den Besetzungsstrategien im internationalen Unternehmen In internationalen Unternehmen kommt es durch das Prinzip der Job-Rotation zu einem fortlaufenden Problem der Beschaffung von Mitarbeitern für Auslandsaufgaben. Der Bedarf an Personal für die Entsendung ins Ausland kann durch interne oder externe Personalbeschaffung gedeckt werden. Die interne Personalbeschaffung umfasst alle Maßnahmen zur Befriedigung der Personalnachfrage innerhalb des Unternehmens mit oder ohne Änderung bestehender Arbeitsverhältnisse. Die Vorteile einer internen Beschaffung liegen vor allem darin, dass unternehmensspezifische Erfahrungen und Kenntnisse vorliegen, die Beurteilungsmöglichkeit besser ist und damit das Risiko einer Fehlbesetzung verringert wird. Die individuelle Vorbereitung kann wegen der besseren Kenntnis des Mitarbeiters speziell auf dessen Bedarf abgestimmt werden und die Versetzung ins Ausland wird vielfach als Mittel der Beförderungspolitik eingesetzt. Bei einer Knappheit an Führungskräften im Konzern wurde in der <?page no="716"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 693 Vergangenheit oft eine Präferenz bei den inländischen Ressortchefs entwickelt, qualifizierte Mitarbeiter an das Stammhaus zu binden und leistungsschwächere Kandidaten für Auslandsaufenthalte zu mobilisieren. Um das zu verhindern, gehen viele Unternehmen heute dazu über, einen Führungskräftepool zu bilden, dessen Mitglieder gezielt auf eine Entsendung ins Ausland vorbereitet werden, um damit einem egoistischen Divisionsdenken vorzubeugen. Daneben scheint sich in der Praxis der internationalen Unternehmen die Idee zu verbreiten, dass eine Führungskraft, die Karriere im Stammhaus machen will, auch über Auslandserfahrung verfügen sollte (Bergemann, B./ Bergemann, N., 2005). Die externe Beschaffung von Mitarbeitern wird in der Unternehmenspraxis meist als subsidiär betrachtet (Festing, M., et al., 2011). Sie kommt hauptsächlich bei einem Mangel an internen Mitarbeitern in Betracht, die dem Anforderungsprofil, das im Ausland verlangt wird, entsprechen. Dies gilt vor allem für Führungsnachwuchskräfte, deren hohe Ausbildungskosten u.a. durch ein „on campus recruiting” auf die Hochschulinstitutionen abgewälzt werden können. Mitunter ist die Entsendung externer Mitarbeiter auch dann vorteilhaft, wenn neue Ideen und Erfahrungen in einem bestimmten Land genutzt werden sollen. Allerdings ist mit der unternehmensexternen Beschaffung von Mitarbeitern auch eine Reihe von Problemen verbunden (Scherm, E., 1999): (1) Gleiche oder ähnliche formale Qualifikationen sind nicht zwangsläufig vergleichbar, (2) die erforderlichen Qualifikationen fehlen häufig im Ausland, (3) Arbeitsmarktbedingungen sind unterschiedlich (hinsichtlich sozialer, rechtlicher, zeitlicher Aspekte sowie z.B. der Konkurrenz), (4) Erwartungen der Arbeitskräfte differieren mit dem unterschiedlichen nationalen bzw. soziokulturellen Hintergrund und (5) Beschaffungspraktiken unterscheiden sich von Land zu Land. In der Praxis wird häufig die internationale Immobilität der Mitarbeiter beklagt. Diese kann durch die psychische Distanz des Mitarbeiters zu fremden Ländern und Kulturen aufgrund mangelnder Auslandsorientierung begründet sein (Müller, S., 1991). Oft liegen die Gründe für diese Immobilität im familiären Bereich. Neben der Sorge um die gute Ausbildung der Kinder führen meist die Berufstätigkeit des Ehepartners, der Verlust der Freunde in der Heimat und die Angst vor einer möglichen Isolation am Einsatzort zu einer ablehnenden Haltung der Mitarbeiter, ins Ausland zu gehen. In einer empirischen Untersuchung wurden als Motive für die Zurückhaltung gegenüber einer Auslandsentsendung am häufigsten familiäre Gründe (49%), die Scheu vor fremden Lebensverhältnissen (31%), Furcht vor Karrierenachteilen (18%) sowie finanzielle Nachteile genannt (Weber, W./ Festing, M., 1991; v. Landsberg, G., 1982). Ähnliche Ergebnisse liefert eine zweite empirische Untersuchung von Wirth. Auch das Problem der späteren Reintegration der Entsandten ins Stammhaus ist, wie noch dargestellt wird, nicht unerheblich. <?page no="717"?> 694 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement Abbildung 320: Gründe für die Ablehnung einer Auslandstätigkeit Quelle: Wirth, E., 1992 Wie die Ergebnisse von Wirth zeigen, stellt sich das Thema Auslandstätigkeit bei familiär ungebundenen Mitarbeitern weniger problematisch dar. Bei familiär gebundenen Mitarbeitern hingegen sind die frühzeitige Einbeziehung der Familie in den Entscheidungsprozess, eine familiengerechte Ausgestaltung der Auslandsstellen sowie vorbereitende Schulungs- und Förderungsmaßnahmen hilfreich, um den Mitarbeiter und seine Familie mit dem fremden Kulturkreis vertraut zu machen. Manchmal befürchten Mitarbeiter, durch einen Auslandsaufenthalt ihre Karriereaussichten im Inland zu verschlechtern, anstatt zu verbessern. Sie sehen die Gefahr, fernab des Stammhauses bei Beförderungsaktionen übergangen und von der zentralen Personalabteilung vergessen zu werden. Oft wird vermutet, dass nützliche Beziehungen und Kontakte im Inland während des Auslandseinsatzes verloren gehen. Die Abgabe einer Re-Entry- Garantie in der angestammten oder sogar einer höheren Hierarchiestufe kann die Bereitschaft von Mitarbeitern fördern, einen Auslandsaufenthalt anzunehmen. Anreize für eine Auslandstätigkeit sind Verbesserungen der Karriereaussichten, die Übernahme größerer Verantwortung, ein höheres Einkommen und ein höherer, vom Unternehmen finanzierter Lebensstandard im Ausland (z.B. Dienstwagen, Dienstwohnung, Personal). Bei finanziellen Zugeständnissen ist jedoch zu berücksichtigen, dass damit das Betriebsklima beeinträchtigt werden kann. Insbesondere lokale Mitarbeiter in den Tochtergesellschaften fühlen sich dadurch diskriminiert. Bei der Besetzungspolitik lassen sich drei Strategien im internationalen Personalmanagement unterscheiden, mit denen verschiedene Vor- und Nachteile assoziiert werden: die ethno-, poly- und die geozentrische Besetzungsstrategie. Einzelne Autoren unterscheiden darüber hinaus, analog dem EPRG-Modell nach Perlmutter, welches ausführlich in Abschnitt 2.1 dargestellt ist, vier strategische Grundorientierungen im internationalen Personalmanagement (z.B. regiozentrische Orientierung) (Festing, M., et al., 2011; Scherm, E., 1999). <?page no="718"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 695 2.1 Ethnozentrische Besetzungsstrategie Die ethnozentrische Besetzungsstrategie geht von der Annahme aus, dass eine überlegene Unternehmenskultur des Stammlandes ins Ausland transferiert wird. Es wird ein relativ hoher Anteil an Stammhausmitarbeitern in den ausländischen Niederlassungen eingesetzt. Bei der ethnozentrischen Besetzungsstrategie ist die inländische Unternehmensleitung bestrebt, die Führungs- und die Schlüsselpositionen im In- und Ausland mit Mitarbeitern aus dem Heimatland zu besetzen (Festing, M., et al., 2011). Diese Strategie erleichtert vor allem die Verwirklichung einer einheitlichen Unternehmenspolitik, eine problemlosere Kommunikation und Koordination mit dem Stammhaus, einen besseren Know-how- Transfer von technischem und Managementwissen und die Gewinnung von Erfahrungen bei den Stammhausangestellten. Auch die bessere Kenntnis der Organisationsabläufe im Stammhaus und die vielleicht höhere Loyalität der inländischen Entsandten stellen Vorteile dar (Scherm, E., 1999). Die ethnozentrische Besetzungsstrategie ist oft notwendig, wenn im Gastland das Potenzial an geeigneten Mitarbeitern nicht ausreicht, um die entsprechenden Führungspositionen zu besetzen. Eine solche Besetzungsstrategie ist meist auch erforderlich, wenn sich die Auslandsniederlassung in der Aufbauphase befindet. Bei der Stellenbesetzung in der Zentrale wird die ethnozentrische Ausrichtung noch deutlicher. Die ethnozentrische Besetzungsstrategie ist mit einer Reihe von Nachteilen verbunden (Scherm, E., 1999). Die Bevorzugung von Stammhausangestellten bei der Besetzung von Führungspositionen im Ausland führt oft zu einer Demotivierung der Führungskräfte aus dem Gastland. Ihre Karriere bleibt i.d.R. auf die Niederlassung und auf die zweite Ebene im Unternehmen beschränkt. Es besteht die Gefahr, dass ein Großteil der leistungsfähigen lokalen Mitarbeiter nach Erreichen der ihnen offen stehenden Spitzenpositionen ausscheidet, um aus Karrieregesichtspunkten eine Stelle in einem einheimischen Unternehmen anzunehmen. Die Demotivierung der lokalen Mitarbeiter kann noch verstärkt werden, wenn die aus dem Stammhaus Entsandten nicht fähig oder willens sind, ihren Führungsstil an die lokalen Gegebenheiten anzupassen. Nachteilige Auswirkungen auf das Betriebsklima und auf die Kontinuität der Unternehmenspolitik können aus häufigen Wechseln in der Führung der Auslandsniederlassungen entstehen. Durch die i.d.R. zeitlich befristete Entsendung besteht die Gefahr, dass den kurzfristigen Aspekten einer Erfolgsoptimierung eine Priorität gegenüber langfristigen Zielen der Niederlassung eingeräumt wird. Ein weiteres Problem der ethnozentrischen Besetzungsstrategie liegt im hohen Bedarf an auslandsfähigen und -willigen Mitarbeitern. In vielen Ländern wird versucht, die Anzahl der Mitarbeiter aus dem Stammhaus durch sogenannte „Expatriate Quotas” gesetzlich zu begrenzen. Gesetzliche Bestimmungen können eine Lokalisierung des Topmanagements erfordern. Diese Bestimmungen verlangen, dass ein bestimmter Anteil des obersten Managements durch Einheimische besetzt werden muss. <?page no="719"?> 696 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement 2.2 Polyzentrische Besetzungsstrategie In einem polyzentrisch orientierten Unternehmen werden die unterschiedlichen Verhältnisse zwischen den Ländern als so bedeutend angesehen, dass es in jedem Land einer individuellen, an die entsprechenden Landesgegebenheiten angepassten Führung bedarf. Ein Transfer von Managementstilen wird von vielen Unternehmen als unmöglich angesehen, da jede Kultur ein individuelles Wertesystem entwickelt und damit eine erfolgreiche Führungstechnik im Stammland in anderen Ländern oft nutzlos werden lässt (von Keller, E., 1989). Die Konsequenz ist der weitgehende Verzicht auf die Entsendung von Stammhausmitarbeitern in ausländische Tochtergesellschaften. Die Führungs- und Leitungspositionen im Ausland werden bei der polyzentrischen Besetzungspolitik fast ausschließlich von lokalen Mitarbeitern wahrgenommen. Als Vorteile der polyzentrischen Besetzungspolitik werden vor allem genannt: (1) Der Personalbedarf der ausländischen Niederlassungen kann leichter gedeckt werden. Zum Teil übersteigt dieser die Anzahl der für einen Auslandseinsatz geeigneten und verfügbaren Stammhausmitarbeiter. (2) Die Stellenbesetzungen durch lokale Mitarbeiter verursachen i.d.R. geringere Kosten. (3) Die Integration der Tochtergesellschaft in das Gastland wird erleichtert. Die lokalen Mitarbeiter beherrschen die Sprache des Gastlandes und verfügen nicht nur über bessere Kenntnisse der Geschäfts- oder Branchenusancen, sondern besitzen meist auch einen direkten Kontakt zu Marktpartnern und Regierungsstellen. (4) Durch die vergleichsweise günstigen Aussichten der lokalen Mitarbeiter, auch Spitzenpositionen in der ausländischen Niederlassung zu erreichen, kommt es zu einer Motivationssteigerung bei jüngeren Führungskräften und zu einer größeren Identifikation mit dem Stammhaus. (5) Die Führungskontinuität in der ausländischen Niederlassung wird i.d.R. bei der polyzentrischen Besetzungsstrategie besser erreicht. (6) Es wird eine wirkungsvollere Wahrnehmung der Repräsentation der Tochtergesellschaft im jeweiligen Umfeld ermöglicht. Die lokale Besetzung von Leitungsfunktionen im Ausland kann eine positive Haltung der Unternehmung gegenüber den übrigen Arbeitnehmern und der Öffentlichkeit symbolisieren. Allerdings darf die polyzentrische Besetzungsstrategie nicht als ein „Window-Dressing“ für das Ausland betrachtet werden. Ein Problem der polyzentrischen Besetzungsstrategie ist die Abstimmung zwischen dem lokalen Management und dem des Stammhauses. Auch Loyalitätsprobleme, mangelnde Subordinationsbereitschaft, höhere Kommunikationskosten, mangelnder Know-how- Transfer sowie Zielkonflikte zwischen Stammhaus und ausländischen Niederlassungen <?page no="720"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 697 sind Problemfelder einer polyzentrischen Besetzungsstrategie. Lokale Führungskräfte haben die wichtige Funktion, Bindeglied und Mittler zwischen zwei Kulturen zu sein. Lokalen Führungskräften fällt es leichter, die länderspezifischen Belange der Mitarbeiter zu verstehen, jedoch müssen sie auch die Fähigkeit besitzen, Handlungsmotive der Muttergesellschaft zu verstehen und die vorgegebenen Ziele, notfalls auch gegenüber Widerständen der eigenen Mitarbeiter und Landsleute, durchzusetzen. Insbesondere bei Konflikten zwischen den Gastlandinteressen und den Unternehmenszielen besteht die Gefahr, dass aufgrund mangelnder Unternehmensloyalität den Gastlandinteressen zum Schaden der Gesamtunternehmung der Vorrang eingeräumt wird. Darüber hinaus muss bei einer polyzentrischen Besetzungsstrategie der lokale Arbeitsmarkt über genügend geeignete Mitarbeiter verfügen. Gerade in Entwicklungsländern ist oft ein Mangel an qualifiziertem, einheimischem Führungspersonal festzustellen (Schulte, C., 1988). Insbesondere in Ländern, in denen es nicht genügend gut ausgebildete Arbeitskräfte gibt, lässt oft die Loyalität der lokalen Mitarbeiter gegenüber einem ausländischen Unternehmen zu wünschen übrig. In vielen Fällen werden erhebliche Investitionen in das lokale Humankapital getätigt. Durch Abwerbung kommt dieses Humankapital oft einem lokalen oder einem anderen ausländischen Wettbewerber zugute. Aus den genannten Vor- und Nachteilen der ethno- und polyzentrischen Besetzungsstrategien ergibt sich, dass viele internationale Unternehmen für eine dezentrale Personalpolitik plädieren und sich im Kern zum Polyzentrismus bekennen (Bittner, A./ Reisch, B., 1993). Jedoch versuchen die meisten Unternehmen, zumindest einen Stammhausentsandten in der ausländischen Niederlassung zu platzieren, um eine effiziente Kommunikation, Koordination und Steuerung zwischen der Muttergesellschaft und den Tochtergesellschaften im Ausland zu erreichen und im Grundsatz eine einheitliche Unternehmenspolitik zu gewährleisten. 2.3 Geozentrische Besetzungsstrategie Die geozentrische Besetzungsstrategie stellt eine Synthese zwischen einer ethno- und polyzentrischen Besetzungsstrategie dar. Ziel der geozentrischen Besetzungsstrategie ist es, eine einheitliche, globale Unternehmensidentität zu schaffen, die nicht nur von Werten und Grundeinstellungen der Muttergesellschaft geprägt ist, sondern kulturelle Elemente aus allen Niederlassungen enthält (Scholz, C./ Messmer, T./ Schröter, M., 1991). Jede Niederlassung soll einen Beitrag zur Gesamtkultur des Unternehmens leisten, um sich in ihr als Teil wiederzufinden und sich mit ihr identifizieren zu können. Die geozentrische Besetzungsstrategie ist dadurch gekennzeichnet, dass weder eine Dominanz der Muttergesellschaft noch eine zu starke Anpassung an die Verhältnisse des Gastlandes angestrebt wird. Vielmehr wird versucht, eine Optimierung der vorhandenen Unternehmensressourcen nach weltweiten Gesichtspunkten zu erreichen (Festing, M., et al., 2011; Fritz, J., 1982). Die geozentrisch ausgerichtete Unternehmung versteht sich als trans- <?page no="721"?> 698 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement nationales Unternehmen mit globalen Interessen und Zielsetzungen. Sie wird von Managern geführt, die vornehmlich aufgrund ihrer Qualifikation ausgewählt werden. Ihre Nationalität spielt bei der Stellenbesetzung nur eine untergeordnete Rolle. Eine vakante Position in den ausländischen Tochtergesellschaften kann von Einheimischen, Mitarbeitern des Stammhauses oder von Personen aus Drittländern besetzt werden. In einer geozentrisch orientierten Unternehmung stehen nicht nur die Stellen der Tochtergesellschaften für alle Mitarbeiter zur Disposition, sondern auch die in der Zentrale. Damit hat diese Besetzungsstrategie eine relativ hohe Entsendungsquote. Durch die geozentrische Besetzungsstrategie wird versucht, die Schwächen einer ethnozentrisch ausgerichteten Politik, die die jeweils länderspezifischen Besonderheiten nur unzureichend berücksichtigt und die jeweiligen Entscheidungen nur aus dem Blickwinkel der Muttergesellschaft sieht, zu vermeiden. Durch eine zentrale Steuerung der Konzernaktivitäten wird eine einheitliche Unternehmenspolitik effizienter realisiert als durch eine polyzentrische Struktur. Als Vorteile der geozentrischen Besetzungsstrategie ergeben sich: (1) Der Unternehmung steht ein größeres Reservoir an Kandidaten für eine vakante Stelle zur Verfügung. (2) Die Flexibilität der Personalbeschaffung erhöht sich, da auf einengende, nationale Vorgaben keine Rücksicht mehr genommen werden muss. (3) Für die Internationalisierung vieler Unternehmen entpuppt sich das Fehlen von qualifiziertem Personal zunehmend als Engpassfaktor. Eine Möglichkeit, der weltweiten Knappheit an begabtem Managementpersonal entgegenzuwirken, ist der Einsatz von Angehörigen aus Drittländern. (4) Der relativ hohe Entsendungsanteil bietet die Möglichkeit zu einem gegenseitig befruchtenden Austausch von Informationen und Erfahrungen, wovon auch die Muttergesellschaft stärker als bei der ethno- und polyzentrischen Besetzungsstrategie profitieren kann. Problemfelder ergeben sich bei der geozentrischen Besetzungsstrategie insofern, als die Kosten der Entsendung sehr hoch und die Widerstände die gleichen sein können wie bei Delegierten aus der Muttergesellschaft. Oft fehlt die Vertrautheit mit der Umwelt des Gastlandes und der Unternehmensphilosophie; das Produktprogramm und die Kommunikationsbeziehungen zwischen der Muttergesellschaft und den ausländischen Tochtergesellschaften sind weniger bekannt als bei Stammhausentsandten. Grundsätzlich sind die Anforderungen an den „internationalen Manager“ sehr hoch, da neben der fachlichen und beruflichen Qualifikation eine hohe Anpassungs- und Kommunikationsfähigkeit sowie Motivation erwartet werden. Er soll als Mittler zwischen verschiedenen Kulturen auftreten, wobei mitunter keine von diesen seine eigene ist. <?page no="722"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 699 Bei der geozentrischen Besetzungsstrategie stellt sich die Frage, ob ein Unternehmen, das seine Identität langfristig durch eine eigene, unverwechselbare Geschichte und Verwurzelung mit der Muttergesellschaft aufgebaut hat, nicht seine eigene Identität verliert, wenn es versucht, eine weltweite, von dem Stammhaus unabhängige Unternehmensidentität aufzubauen. Besonders für den inneren Zusammenhalt der weltweit verstreuten Konzernteile ist ein gemeinsamer Bezugspunkt (Corporate Identity), welcher mit den Tugenden der Muttergesellschaft assoziiert wird, erforderlich (Kolesky, K., 2006). Bei interkulturell zusammengesetzten Führungsgremien besteht die Gefahr, dass aufgrund unterschiedlicher Arbeitseinstellungen, verschiedener Führungsstile sowie differierender Lebensgewohnheiten und Denkstrukturen spezifische Kommunikationsprobleme entstehen. Wurde die frühere Dominanz der Kultur der Muttergesellschaft abgeschafft und gelingt die Implementierung einer neuen, einheitlichen, geozentrisch orientierten Unternehmenspolitik nicht, so fehlt der für ein sehr heterogen zusammengesetztes Führungsgremium wichtige gemeinsame Bezugsrahmen. Würde die Führungsmannschaft nur mit Personen aus einem Land besetzt, wie das bei der polyzentrischen Besetzungsstrategie der Fall ist, so ergäbe sich zumindest ein gemeinsamer kultureller Hintergrund als verbindendes Element (Dülfer, E., 2011; Scherm, E., 1999). Trotz der Probleme, die sich aus einer sehr heterogenen Zusammensetzung der Führungskräfte ergeben, wird heute in den meisten multinationalen Unternehmen ein Diversity Management angestrebt, d.h. die kulturelle Vielfalt als eine Basis zur Gewinnung von Wettbewerbsvorteilen zu nutzen. Abbildung 321: Dax-Vorstände Quelle: Wirtschaftswoche, 30-01-2012, S. 78 <?page no="723"?> 700 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement In der Praxis ist festzustellen, dass im Topmanagement der Muttergesellschaft zunehmend ausländische Manager eingesetzt werden. Abbildung 321 zeigt, dass jedoch auch heute nur wenige Ausländer in den deutschen Dax-Unternehmen im Vorstand vertreten sind. Als Hauptgründe, ausländische Führungskräfte in den Vorstand zu entsenden, gelten: eine Verbreiterung des globalen Wissens, unterschiedliche Kulturerfahrungen, unterschiedliche Denkansätze, bessere Kontakte zu Landeseliten und vertiefte Marktkenntnisse. Auch bei der geozentrischen Besetzungsstrategie kann es zu Konflikten zwischen dem internationalen Unternehmen und den lokalen Regierungen kommen. Vor allem Länder mit einer hohen Arbeitslosigkeit und einem starken Nationalbewusstsein erteilen nur ungern Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen (Scherm, E., 1999; Robock, S.H./ Simmonds, K., 1989). Eine geozentrische Besetzungsstrategie wird nur bei internationalen Unternehmen sinnvoll sein, die in vielen Teilen der Welt operieren. Sie wird meist als Endpunkt der Evolution einer internationalen Unternehmung gesehen. In der Praxis spielt die geozentrische Besetzungsstrategie bisher nur eine untergeordnete Rolle. Eine empirische Untersuchung in 276 Unternehmen ergab, dass über 70% aller ausländischen Trainees im Anschluss an das Trainee-Programm in ihrem Heimatland eingesetzt werden sollten. Ebenso sollten rund 65% aller deutschen Trainees im Anschluss an ihre Ausbildung auf jeden Fall in Deutschland eingesetzt werden (Domsch, M./ Harms, M./ Strasse, C., 1997). 2.4 Zusammenfassende Beurteilung der Besetzungsstrategien Eine Analyse der beschriebenen Vor- und Nachteile der drei genannten Besetzungsstrategien ergibt, dass keine als uneingeschränkt überlegen betrachtet werden kann. Die endgültige Entscheidung hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Die Wahlfreiheit des Managements bei der Stellenbesetzung kann, wie bereits an mehreren Stellen dargestellt wurde, durch gesetzliche oder vertragliche Restriktionen eingeschränkt sein. So wird i.d.R. bei Joint Ventures die Besetzung von Schlüsselpositionen von den Partnern vertraglich geregelt. Darüber hinaus ist das Ausländerrecht im Hinblick auf die Beschäftigung von Ausländern insbesondere in den Entwicklungs- und Schwellenländern oft besonders restriktiv. Die Zahl der Aufenthaltsgenehmigungen für ein Unternehmen wird z.B. in einigen Ländern an die Höhe der Investitionen oder die Gesamtzahl der Beschäftigten gekoppelt. In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern stellt die Besetzung von Spitzenpositionen ein Politikum dar. Die Besetzung kann die generelle Akzeptanz des Unternehmens in dem betreffenden Land fördern oder gefährden. Ebenso kann die jeweilige Entwicklungsphase (z.B. Aufbauphase), in der sich die ausländische Tochtergesellschaft befindet, die Wahl der Besetzungsstrategie beeinflussen. In der Aufbauphase ist die Übertragung technischen Wissens oder der Management-Know-how- <?page no="724"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 701 Transfer von entscheidender Bedeutung. Daher wird in dieser Zeit eine ethnozentrische Besetzungsstrategie besonderes Gewicht haben. Mit der Festigung der Position im Ausland wird eventuell der Know-how-Transfer weniger bedeutend, so dass an eine poly- oder geozentrische Besetzungsstrategie gedacht werden kann. Auch tätigkeits-, branchen-, umwelt- und persönlichkeitsbezogene Eignungsgesichtspunkte können Einfluss auf die Besetzungsstrategie nehmen. Je nach Qualifikation der lokalen Beschäftigten, der Mobilität der Stammhausmitarbeiter und den allgemeinen Umweltbedingungen im Gastland kann es zu unterschiedlichen Besetzungsstrategien kommen. Letztlich sind bei der Wahl der Besetzungsstrategie auch die Kosten der Entsendung zu berücksichtigen, die oft ein Vielfaches der Kosten einer polyzentrischen Strategie betragen können. 3 Probleme der Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland Beim Entscheidungsprozess für die Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland unterscheidet man die Auswahl-, die Vorbereitungs-, die Einsatz- und die Reintegrationsphase (Rothlauf, J., 2009; Oechsler, W.A., 2006; Hentze, J./ Kammel, A., 2001). Im Folgenden werden die Probleme der einzelnen Phasen dargestellt. 3.1 Auswahlphase Bei der Auswahlphase für die Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland müssen besondere Anforderungsprofile berücksichtigt werden. 3.1.1 Auswahlkriterien Neben der fachlichen und beruflichen Qualifikation ist für Auslandsdelegierte auch eine persönliche und charakterliche Eignung erforderlich (Dülfer, E./ Jöstingmeier, B., 2008). Bei der fachlichen und beruflichen Qualifikation kommt es hauptsächlich auf technische Fähigkeiten, auf ein Führungs- und Organisationsverständnis sowie auf Kenntnisse der Produkte und der Politik der entsendenden Unternehmen an. In der Aufbauphase befindliche Auslandsniederlassungen benötigen vor allem die Bereitstellung von Spezialistenstäben zur Unterstützung der dortigen Führungskräfte. Aufgrund der räumlichen Distanz zur Muttergesellschaft ist die Zugriffsmöglichkeit auf deren Stabsabteilungen zur Beratung oft eingeschränkt, so dass ein höheres fachliches Qualifikationsniveau für Auslandsdelegierte erforderlich wird. Von einem Delegierten der Muttergesellschaft wird insbesondere eine hohe Anpassungsfähigkeit verlangt (Krystek, U./ Zur, E., 2002). Er muss seine eigenen Erwartungen, Verhaltensweisen und Normen relativieren können, um anderen Arbeitsweisen und Lebensfor- <?page no="725"?> 702 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement men ohne Ressentiments entgegenzutreten. Ebenso muss der Stammhausdelegierte bereit sein, die Relativität seines Wissens zu akzeptieren und über ein gewisses Maß an Souveränität im Umgang mit Unklarheiten und Unvollkommenheiten (Ambiguitätstoleranz) verfügen. Diese Anpassungsfähigkeit wird im lokalen Umfeld als ein Maßstab für die Flexibilität und die Toleranz des Managers verstanden. Ein psychisches Abwehrverhalten gegenüber einer fremden Kultur erschwert die Identifikation des Managers mit dem Aufgabenfeld im Gastland und mindert die Leistungsbereitschaft. Ohne diese Anpassungsfähigkeit kommt es zu einem sogenannten „Kulturschock“, der sich negativ auf den Manager, aber auch auf sein Umfeld auswirkt (Dülfer, E./ Jöstingmeier, B., 2008). Ein wichtiges Element des Anforderungsprofils an einen zu entsendenden Mitarbeiter stellt die Kommunikationsfähigkeit dar. Wenn auch die Landessprache bei Antritt des Auslandseinsatzes nicht unbedingt beherrscht werden muss, so ist dies auf Dauer unentbehrlich. Neben Kenntnissen der verbalen Kommunikation sind auch solche der nonverbalen Kommunikation im Gastland bedeutsam (z.B. Verhaltensformen, Gestik und Mimik). Gesundheit und psychische Belastbarkeit sind weitere geforderte Eigenschaften. Der Gesundheitszustand ist umso bedeutender, je ungünstiger die Lebensverhältnisse, vor allem die klimatischen Bedingungen, im Ausland sind. Die psychische Belastbarkeit ist erforderlich, um die auftretenden Probleme und Veränderungen in der fremden Arbeits- und Lebenswelt zu verkraften und den Verlust der vertrauten Umgebung zu kompensieren bzw. den „Kulturschock” zu überwinden. Große Bedeutung für die Entsendung hat die Erwartungshaltung des Kandidaten. Die Erwartungshaltung muss im Hinblick auf die übertragene Verantwortung, das selbstständige Arbeiten, das Einkommen und die mögliche Beförderung realistisch sein, damit vor Ort keine Frustrationen aufkommen, die die Effizienz des Auslandsaufenthaltes gefährden. Aus Kosten- und Flexibilitätsgründen kann es zu einer Bevorzugung von unverheirateten Mitarbeitern kommen. Sofern der Entsandte auch Repräsentationspflichten übernehmen muss, werden Verheiratete bevorzugt. Ein Zusammenhang zwischen der Leistungsfähigkeit und dem Familienstand besteht in der Regel allerdings nicht (Oechsler, W.A., 2006). In einer empirischen Studie untersucht Horsch die Anforderungen, die 20 Unternehmen der Metall-, Elektro- und Chemischen Industrie sowie aus dem Dienstleistungssektor an ihre international tätigen Mitarbeiter stellen. Im Einzelnen ergeben sich folgende Ergebnisse (Horsch, J., 1995): (1) Hervorragende Fachkenntnisse (90%) (2) Sprachkenntnisse (85%) (3) Kulturelle Anpassungsfähigkeit (65%) (4) Führungsfähigkeit (45%) <?page no="726"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 703 (5) Motivation (25%) (6) Kommunikationsfähigkeit (15%) (7) Unternehmensspezifika (15%) (8) Flexibilität (10%) (9) Guter Gesundheitszustand (10%) Auch die Anforderungen an international tätige Mitarbeiter aus Sicht der Mitarbeiter selbst werden in dieser Untersuchung analysiert. Dabei ergeben sich folgende Ergebnisse (Horsch, J., 1995): (1) Fachwissen (4,37) (2) Anpassungsfähigkeit (4,22) (3) Kenntnisse der Unternehmensspezifika (4,03) (4) Psychische Belastbarkeit (4,00) (5) Konfliktfähigkeit (3,87) (6) Fremdsprachenkenntnisse (3,96) (7) Fähigkeit zur Mitarbeiterführung (3,66) (8) Gesundheit/ Physische Belastbarkeit (3,55) (9) Alter (2,57) (10)Familiensituation (2,56) Die Zahl in Klammern gibt an, welche Bedeutung den einzelnen Kriterien in einer Skala von 1 (= geringe Bedeutung) bis 5 (= hohe Bedeutung) beigemessen wird. 3.1.2 Auswahltechniken Zu den gängigen Techniken der Selektion von Entsendungskandidaten zählen die Potenzialbeurteilung, persönliche Empfehlungen und Interessenbekundungen seitens des Mitarbeiters. Außerdem werden psychologische Tests, Assessment-Center, biografische Fragebögen und Interviews eingesetzt, die zur Feststellung der Motivation und der Anpassungsfähigkeit dienen sollen (Festing, M., et al., 2011; Oechsler, W.A., 2006). Die oft verwendeten Testverfahren zur Messung von affektiven Daten wie Flexibilität, Dogmatismus und Motivation scheitern jedoch meist am geeigneten Instrumentarium, die Resultate in eine metrische Anordnung zu bringen, um eine weitere Entscheidungshilfe in Form einer Rating- oder Rankingskala verfügbar zu haben. Deshalb basiert die Bewertung der Kandidaten bei einer internationalen Rekrutierung meist auf einer längerfristigen, kontinuierlichen Personalbeobachtung. <?page no="727"?> 704 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement 3.2 Vorbereitungsphase 3.2.1 Schulung und Training Die Notwendigkeit einer guten Vorbereitung auf einen Auslandseinsatz ergibt sich dadurch, dass im Ausland zumeist eine Aufgabe übernommen wird, die selbstständiges Arbeiten bei gleichzeitiger großer Verantwortung unter veränderten Umweltbedingungen erfordert. Ferner muss berücksichtigt werden, dass mit der Auslandsentsendung auch ein Know-how-Transfer einhergehen soll. Der Delegierte der Muttergesellschaft muss auf seine Rolle als Kommunikator und adaptiver Innovator vorbereitet werden, um Reibungsverluste im Prozess der interkulturellen Kommunikation, der Innovation und der Adaption zu verringern. Eine Studie von Domsch und Lichtenberger ergibt allerdings, dass sich die Vorbereitungsmaßnahmen hauptsächlich auf die Vermittlung von Fach- und Fremdsprachenkenntnissen beschränken (Domsch, M./ Lichtenberger, B., 1990). Nach Möglichkeit sollte eine dreibis sechsmonatige Vorbereitungsphase der Entsendung ins Ausland vorangehen. Sie dient dazu, die Mitarbeiter und gegebenenfalls auch ihre Familien mit den standortspezifischen Besonderheiten, z.B. Kultur, Lebensgewohnheiten, Sprache, Aufgabe, vertraut zu machen (Lindner-Lohmann, D./ Lohmann, F./ Schirmer, U., 2008). Dabei muss das Vorbereitungsprogramm dem Eignungsprofil des Delegierten aus der Muttergesellschaft angepasst werden. Lanier schlägt einen Sieben-Stufen-Plan zur Vorbereitung auf einen Auslandseinsatz vor (Lanier, A.P., 1979): (1) Kurzbesuch des Landes, (2) Sprachausbildung, (3) Landeskundeunterricht, (4) Selbststudium landesspezifischer Literatur, (5) Vermittlung spezieller Literatur, die für das Unternehmen im Ausland relevant ist, (6) Erfahrungsaustausch mit rückkehrenden Mitarbeitern und deren Familien und (7) während der Einarbeitungszeit betriebliche Unterstützung vor Ort. Die Vorbereitungsphase dient dazu, den Auslandsmanager in die Lage zu versetzen, den Landesangestellten neue technische und administrative Kenntnisse zu vermitteln und dem Stammhausdelegierten die Unternehmenskultur so näherzubringen, dass er sie auf die Tochtergesellschaft übertragen kann. Er wird damit Auszubildender und Ausbilder in einer Person. Dabei muss der Stammhausdelegierte auf Schwierigkeiten bei der Vermittlung der Führungsgrundsätze und der Managementphilosophie im Ausland vorbereitet werden, wenn diese nicht mit den Normen und den Verhaltensweisen des Gastlandes zu vereinbaren sind. <?page no="728"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 705 Darüber hinaus ist eine aufgabenbezogene Vorbereitung des Mitarbeiters und eine ärztliche Eignungs- und Vorsorgeuntersuchung, auch der übrigen Familienmitglieder, notwendig. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Entsendung in ein tropisches Land erfolgen soll und/ oder eine ärztliche Betreuung vor Ort nicht gewährleistet ist. Verschiedene empirische Untersuchungen zeigen, dass trotz der Bedeutung einer guten Vorbereitung auf den Auslandseinsatz in der Praxis eine große Anzahl international tätiger Unternehmen in Deutschland der Vorbereitungsphase eine eher untergeordnete Rolle beimisst (Bittner, A./ Reisch, B., 1991; Pausenberger, E./ Noelle, G.F., 1977). Ausschlaggebend für diesen unbefriedigenden Zustand könnten eine zu geringe Zahl an Auslandsentsendungen, verschiedene Entsendungstermine sowie unterschiedliche Einsatzgebiete sein, die die Durchführung eines gastlandspezifischen Trainings auf betrieblicher Ebene unmöglich machen. In solchen Fällen kann auf das Seminarangebot von externen Instituten zurückgegriffen werden. Für das Topmanagement der Unternehmung können unternehmensexterne Ausbildungsinstitutionen (Managementschulen, Consulting-Gesellschaften) für die Vorbereitung eingesetzt werden, bei denen aufgrund ihrer Kooperation mit anderen Unternehmen meist eine bessere Kenntnis der Vorbereitungs- und Weiterbildungsziele unterstellt werden kann. Für Entsendungskandidaten können Fallstudien konzipiert werden, die bestimmte Situationen beinhalten, denen sich der Manager im Ausland gegenübersieht. Auch Rollenspiele können helfen, eine bessere Vorbereitung auf die länderspezifischen Verhaltensweisen und die ausländischen Wertsysteme zu gewährleisten. Eine weitere Möglichkeit, von der insbesondere große internationale Unternehmen Gebrauch machen, ist, den praxisorientierten Teil der Ausbildung von entsendungsfähigen Mitarbeitern vor Ort zu absolvieren. 3.2.2 Fixierung des Entsendungsvertrages Bei der Entsendung bleibt i.d.R. das Arbeitsverhältnis zwischen dem Stammhaus und dem entsandten Mitarbeiter bestehen. Besonderheiten des Auslandseinsatzes werden zumeist in einem den Arbeitsvertrag ergänzenden Entsendungsvertrag geregelt. Hierunter fallen Regelungen hinsichtlich des Einkommens, der Sozialversicherungen, der Steuern, des Umzuges, der Wohnung, der Familienheimfahrten u.Ä.m. Das Auslandsgehalt setzt sich aus einem Grundgehalt und verschiedenen Zulagen zusammen. Darunter fallen Auslands-, Lebenshaltungskosten-, Steuerausgleichs-, Wohnungskostenausgleichs- und Ausbildungsbeihilfezulagen. Das Grundgehalt wird durch die Anforderung der Position bestimmt und dient als Basis für die zu gewährenden Zulagen. Es gilt zudem als Anhaltspunkt zukünftiger Gehaltsvorstellungen, um bei der Reintegration in die Muttergesellschaft disputive Lohnverhandlungen zu verhindern. <?page no="729"?> 706 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement Die Gewährung der Auslandszulage bemisst sich nach der Fixierung des Grundgehaltes. Sie stellt eine Entschädigung für die durch die Versetzung verursachten Unannehmlichkeiten dar. Bei der Festsetzung der Auslandszulage ist zu beachten, dass sie zu einem Missverhältnis in Relation zu den Einkommen von lokalen Managern führen kann. Dieses Missverhältnis kann die effiziente Zusammenarbeit zwischen dem Stammhausdelegierten und den lokalen Managern stören. Um solche potenziellen Konflikte zu vermeiden, werden ortsabhängige Zulagen, die gesellschaftliche und infrastrukturelle Gegebenheiten des jeweiligen Landes berücksichtigen, gewährt. Darüber hinaus kann man nur einen Teil des Arbeitsentgeltes im Ausland auszahlen und den restlichen Betrag im Stammland des Unternehmens überweisen. Lebenshaltungskostenzulagen dienen dazu, den gewohnten Lebensstandard vom Heimatland aufrechtzuerhalten (Krystek, U./ Zur, E., 2002). Die Berechnung orientiert sich i.d.R. an der Zusammensetzung der Warenkörbe der jeweiligen Länder und wird als Index von der Unternehmung selbst oder von externen Organisationen erarbeitet. Auch die Unterschiede in der Höhe der Einkommenssteuer zwischen dem Heimat- und dem Gastland werden i.d.R. durch Zulagen ausgeglichen. Meist gehen Unternehmen so vor, dass sie von dem Grundgehalt, das der Stammhausdelegierte im Inland erhalten würde, ein den Steuersätzen im Land der Muttergesellschaft entsprechenden Steuerbetrag abziehen. Sämtliche Zulagen werden netto vergütet. Die tatsächlich anfallende Steuerschuld übernimmt das Unternehmen. Diese Verfahrensweise ist in jedem Fall die gleiche, unabhängig davon, ob der ausländische Steuersatz höher oder niedriger liegt als der inländische. Dieses Verfahren soll die steuerliche Gleichbehandlung von in- und ausländischen Angestellten des Stammhauses gewährleisten. Beiträge für die Sozialversicherung im Heimatland werden meist während der Entsendung von den Unternehmen weitergezahlt, so dass sich für den Mitarbeiter bei der Rückkehr keine Probleme ergeben. Bestehen im Gastland gesetzliche Abgabepflichten (Sozialversicherungen u.Ä.m.), so werden diese i.d.R. vom Unternehmen vollständig übernommen. Der Wohnungskostenausgleich muss in vielen Ländern gewährt werden, um adäquate Wohnverhältnisse sicherzustellen. Oft wird im Ausland erwartet, dass Führungskräfte, die meist auch eine Repräsentationsverpflichtung haben, ein überdurchschnittliches, statusbedingtes Wohnniveau vorweisen können. Der Wohnungskostenausgleich richtet sich nach der Differenz zwischen den Wohnungskosten im Heimatland und denen im Ausland. Dabei wird im Ausland meist ein bestimmter Richtsatz für eine adäquate Wohnung festgelegt. Die dadurch entstehenden Mehrkosten werden fast immer vom Unternehmen übernommen. Die schulpflichtigen Kinder der Entsandten werden aufgrund von Sprachschwierigkeiten und unterschiedlichen Bildungsstandards selten öffentliche Schulen des Gastlandes besuchen. Schulgebühren für eine muttersprachliche oder internationale Schule werden i.d.R. vom Unternehmen in Form einer Ausbildungsbeihilfe oder -zulage übernommen. Darüber <?page no="730"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 707 hinaus übernimmt das Unternehmen fast ausnahmslos die Umzugskosten und eventuelle Verluste, die beim Verkauf des Eigenheims entstehen. Stehen dem Mitarbeiter im Einsatzland weniger Urlaubstage zur Verfügung, so ist dies entweder bei der Gehaltsberechnung oder durch Gewährung zusätzlicher Urlaubstage zu berücksichtigen. Viele Unternehmen übernehmen die Kosten für eine bestimmte Anzahl von Heimflügen des Mitarbeiters und seiner Familie. Die Auszahlung des Gehaltes und der Zulagen erfolgt entweder: (1) in der Währung des Sitzes der Muttergesellschaft, (2) in der Gastlandswährung, (3) zum Teil in Gastlands- und in Heimatwährung oder (4) in einer Drittwährung. Die alleinige Auszahlung in der Gastlandswährung birgt für den Stammhausdelegierten die Gefahr des Währungsrisikos. Hohe Inflationsraten und niedrigere Reallöhne können dazu führen, dass der Lebensstandard für den Stammhausdelegierten sinkt. Unternehmen versuchen, das Währungsrisiko für den Entsandten dadurch zu verringern, dass die Leistungsvergütung anteilig in Gast- und Stammlandswährung ausgezahlt wird. Der Teil des Einkommens, der Konsumzwecken dient, wird in Gastlands-, der übrige in Stammlandswährung abgegolten. Mit den verschiedenen Auszahlungsmodalitäten und Gehaltssystemen versuchen internationale Unternehmen, eine möglichst gerechte Gehaltsverteilung zu erreichen und somit Spannungen zwischen Delegierten und lokalen Mitarbeitern zu vermeiden. Im Allgemeinen wird im Entsendungsvertrag festgelegt, dass nach dem Ablauf der Entsendung das Arbeitsverhältnis mit der Muttergesellschaft wieder auflebt. Meist wird dem Mitarbeiter ein Arbeitsplatz in der Muttergesellschaft garantiert. Zusagen für bestimmte Stellen werden von den Unternehmen im Voraus nur selten gegeben. Es besteht die Gefahr, dass in den Rückgliederungsgarantien konkrete Gehalts- und Positionsbekundungen gegeben werden, die zur Schaffung von „Pseudo-Stellen“ führen. 3.3 Einsatzphase In der Einsatzphase spielen die Einsatzdauer und die Betreuung eine wichtige Rolle. 3.3.1 Einsatzdauer Die Einsatzdauer der entsandten Mitarbeiter beträgt gewöhnlich drei bis fünf Jahre (Scherm, E./ Süß, S., 2010). Diese Entsendungsdauer erscheint ausreichend lang, um den Auslandseinsatz hinsichtlich der Kosten und der Einarbeitungszeit wirtschaftlich zu rechtfertigen. Zwar führen längere Auslandstätigkeiten zu verbesserten Umweltkenntnissen, gleichzeitig nehmen aber die unternehmensspezifischen Kenntnisse über die Muttergesellschaft ab, so <?page no="731"?> 708 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement dass die Wiedereingliederung erschwert wird. Ferner besteht bei Auslandseinsätzen mit einer Dauer von mehr als fünf Jahren die Gefahr, dass durch eine zu starke Assimilation an die Gastlandsverhältnisse seitens des Entsandten und seiner Familie eine Repatriierung abgelehnt wird. Oftmals stellen diese Mitarbeiter ihre Erfahrungen und Kenntnisse einem im Entsendungsland ansässigen Konkurrenzunternehmen zur Verfügung. Neben der langfristigen Entsendung spielt auch der kurzfristige Auslandseinsatz, z.B. in Form einer Dienstreise oder einer Abordnung, in der Praxis eine wichtige Rolle. Hierbei bleibt der bestehende Arbeitsvertrag in Kraft und wird ggf. lediglich um einen Abordnungsvertrag ergänzt (Krystek, U./ Zur, E., 2002). Eine weitere Form der Auslandsentsendung sind Auslandskarrieren („Aspacial Careers”), bei denen eine Rückkehr in das Heimatland nicht mehr vorgesehen ist. Der Mitarbeiter wird also entweder dauerhaft an einer Stelle im Ausland eingesetzt oder er erfährt wiederholte Versetzungen innerhalb der ausländischen Unternehmenseinheiten (Iten, P.A., 2000). 3.3.2 Betreuung während des Einsatzes Während des Einsatzes im Ausland sollten die Stammhausdelegierten nicht das Gefühl haben, „vergessen“ zu sein. Regelmäßige Zusendungen von Werks- und Kundenzeitschriften, persönliche Gespräche bei Besuchen in der jeweiligen Tochtergesellschaft, der Verbleib in bestimmten Verteilern sowie ein fester Ansprechpartner für persönliche und berufliche Probleme in der Muttergesellschaft dienen dazu, den Kontakt zwischen dem Stammhausdelegierten und der Zentrale nicht zu unterbrechen. In diesem Zusammenhang bieten die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien erhebliche Hilfe. Um die Betreuungsqualität während der Entsendung zu verbessern, teilen viele Unternehmen entsandten Mitarbeitern einen Mentor in der Muttergesellschaft zu. Dieser soll die Interessen des Delegierten in der Zentrale vertreten. Der Mentor soll vor allem dafür Sorge tragen, dass der Auslandsmanager bei Beförderungsmaßnahmen und personalpolitischen Planungen berücksichtigt wird. Außerdem ist es seine Aufgabe, den entsandten Mitarbeiter über Änderungen und Neuheiten in der Muttergesellschaft auf dem Laufenden zu halten. Auf diese Weise kann die Isolation des Stammhausdelegierten von der Heimatorganisation gemildert werden. Auch die Möglichkeit, den Heimaturlaub auf Kosten des Unternehmens zu verbringen und dabei die Muttergesellschaft zu besuchen, vermindert das Gefühl, im Ausland „allein gelassen zu werden”. Daneben bietet die Einladung zu Weiterbildungsveranstaltungen in der Muttergesellschaft eine günstige Gelegenheit, die Zusammenarbeit zwischen der Zentrale und dem Stammhausdelegierten während seines Auslandseinsatzes zu fördern. Kleine Aufmerksamkeiten zu Jubiläen, Geburtstagen, Weihnachten und Ostern sind Gesten, die dem Entsandten das Gefühl geben, in der Muttergesellschaft nicht vergessen worden zu sein. <?page no="732"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 709 Im Hinblick auf die später notwendig werdende Reintegration können Antizipationsprobleme durch eine vorbereitende Abstimmung über das zukünftige Anforderungsprofil in der Muttergesellschaft minimiert werden. Ziel dieser Aktivitäten ist es, die Identifikation des Entsandten mit dem Heimatunternehmen zu festigen, um dadurch die Reintegration zu erleichtern. 3.4 Reintegrationsphase Die Reintegrationsphase bildet den Abschluss des Entsendungsprozesses. Die Diskrepanzen zwischen Stamm- und Gastland sowie die während des Auslandsaufenthaltes vorgenommene Anpassung im sozialen Bereich stellen den rückkehrenden Mitarbeiter vor beträchtliche Probleme bei seiner Wiedereingliederung. Dabei muss das Unternehmen dem heimkehrenden Stammhausdelegierten und gegebenenfalls seiner Familie die Integration in das private und berufliche Umfeld im Heimatland erleichtern. Die gesellschaftliche und betriebliche Wiedereingliederung des Entsandten lässt sich in drei Phasen einteilen (Dülfer, E./ Bernd, J., 2008; Fritz, J., 1982): die Antizipations-, die Akkomodations- und die Adaptionsphase. (1) Die Antizipationsphase beginnt bereits vor der eigentlichen Repatriierung. Sie spiegelt die Erwartungen des Rückkehrenden wider, wie sich der Reintegrationsprozess vollziehen sollte. Hierbei stützen sich die rückkehrenden Manager auf Informationen, die sie im Ausland über die Muttergesellschaft erhalten, und sie versuchen, den Wechsel in die Heimat bezüglich beruflicher und privater Konsequenzen zu antizipieren. Ob sich diese Vorstellung als realistisch erweist, zeigt sich in der Akkommodationsphase. (2) In der Akkommodationsphase werden die Unterschiede wahrgenommen, die zwischen dem im Ausland erfolgreichen und dem in der Heimat notwendigen Verhalten bestehen. Dabei können sich beim Reintegrationsprozess vier Reaktionsweisen ergeben: eine Anpassung, eine Abhängigkeitsreaktion, ein ablehnendes Verhalten oder eine Loslösung. (a) Bei der Anpassung werden die realisierten Unterschiede vom rückkehrenden Mitarbeiter akzeptiert und die Bereitschaft für die Annahme situationsangepasster Verhaltensweisen bekundet, jedoch werden die im Ausland gewonnenen Erfahrungen nicht verdrängt. (b) Die Abhängigkeitsreaktion äußert sich durch opportunes Verhalten gegenüber der Muttergesellschaft. Die von der Muttergesellschaft gewünschten Normen und Regelungen werden von dem rückkehrenden Mitarbeiter übernommen. Die vom rückkehrenden Mitarbeiter als sinnvoll erachteten Sozialisierungsformen und Werthaltungen des Gastlandes behalten für ihn weiterhin ihre Gültigkeit. <?page no="733"?> 710 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement (c) Beim ablehnenden Verhalten entwickelt der rückkehrende Mitarbeiter eine psychische Distanz zum Land der Muttergesellschaft. Er lehnt die im Land der Muttergesellschaft vorhandenen Normen ab und präferiert bei persönlichen Kontakten die Verbindung zu anderen repatriierten Mitarbeitern, die eine ähnliche Haltung einnehmen. Versuche, eine positive Einstellung zu der „neuen“ Umwelt zu gewinnen, unterbleiben. (d) Die Ablehnung des heimischen Tätigkeitsfeldes kann mit einer Loslösung von der Muttergesellschaft enden, indem sich der Betroffene um eine nochmalige Entsendung ins Ausland bemüht. Er erscheint für eine Stelle im Ausland besser geeignet als für eine weitere Position in der Muttergesellschaft. (3) Der Adaptionsprozess ist durch eine gegenseitige Akzeptanz der unterschiedlichen Haltungen des Rückkehrers und der Zentrale gekennzeichnet. Die Reidentifikation mit dem Heimatland begünstigt den Aufbau neuer sozialer Bindungen und bewirkt im Endstadium eine Integration des Rückkehrenden in die Unternehmung (Fritz, J., 1982). Als großes Problem erweist sich in der Praxis, eine entsprechende Re-Entry-Position für den aus dem Ausland zurückkehrenden Mitarbeiter zu finden. Der Entsandte empfindet es nicht selten als faktischen Abstieg, wenn seinem sozialen Status und Einkommen im Ausland und den dort erworbenen Kenntnissen nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen wird. Das Problem wird vor allem bei einer ethnozentrischen Besetzungsstrategie relevant, da hier der Rückfluss an Mitarbeitern aus dem Ausland besonders hoch ist und damit ein großer Bedarf an Führungspositionen für zurückkehrende Mitarbeiter entsteht. Das Problem der Reintegration von Mitarbeitern aus dem Ausland verschärft sich zusätzlich, wenn die Unternehmensentwicklung im Inland stagniert (Oechsler, W.A., 2006; Fritz, J./ Gaugler, E., 1983). Den Schwierigkeiten einer fehlenden adäquaten Re-Entry-Position wird häufig durch Verlängerung des Auslandsaufenthaltes, Schaffung von Auffangstellen und ähnlichen Maßnahmen begegnet. Solche Maßnahmen ziehen jedoch häufig überhöhte Personalkosten, Reibungsverluste durch unzufriedene Mitarbeiter und eine unzulängliche Nutzung der Auslandserfahrungen des Rückkehrers sowie des im Unternehmen vorhandenen Humankapitals nach sich. Das eigentliche Problem wird durch sie nicht gelöst. Im privaten Bereich treten beim Mitarbeiter und seiner Familie bei der Rückkehr häufig ähnliche Anpassungsschwierigkeiten wie beim Umzug ins Gastland auf. Analog zum „Kulturschock” spricht man in diesem Zusammenhang vom „Kontra-Kulturschock“ (Seidenbiel, G., 2008). Die Reintegrationsprobleme lassen sich durch eine polyzentrische Besetzungsstrategie oder durch die Bildung sogenannter „internationaler Kader“ mildern. Die Führungskräfte eines solchen Kaders verbringen den größten Teil ihres Berufslebens im Ausland und wechseln <?page no="734"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 711 bei Bedarf zwischen den Tochtergesellschaften in den verschiedenen Ländern. Internationale Kader entsprechen weitgehend dem Konzept einer geozentrischen Besetzungsstrategie. Eine weitere Möglichkeit, das Ausmaß des Reintegrationsproblems zu verringern, ist die Entsendung von älteren Mitarbeitern, die bis zu ihrer Pensionierung im Ausland verbleiben. Allerdings wird gerade bei den älteren Mitarbeitern eine geringere Auslandsorientierung konstatiert, da sie i.d.R. nicht für einen Auslandseinsatz prädestiniert sind (Köglmayr, H.G., 1990). Der Erfolg der Wiedereingliederung hängt auch von der Dauer und der Häufigkeit des Auslandseinsatzes, den kulturellen Unterschieden zwischen dem Einsatzland und dem Land der Muttergesellschaft sowie der Betreuung im Ausland und der Planung der Reintegration ab. Viele Probleme der Integration lassen sich dadurch vermindern, dass eine frühzeitige Planung des Rückkehrtermins und der Re-Entry-Position erfolgt. Darüber hinaus kann auch die Festlegung der ungefähren Dauer des Auslandsaufenthaltes im Entsendungsvertrag helfen, das Ausmaß des Reintegrationsproblems zu verringern. Das gilt vor allem dann, wenn der Delegierte in dieser Zeit in die allgemeine Führungskräfteplanung einbezogen wird. Auch sollten etwa ein Jahr vor der Rückkehr die in Frage kommenden Re-Entry-Positionen überprüft und mit dem Entsandten besprochen werden. Wird eine Einigung erzielt, können erforderliche Maßnahmen rechtzeitig veranlasst werden, die eine Eingliederung des Delegierten in die Muttergesellschaft vereinfachen. Für die Wiedereingliederung im beruflichen Umfeld können z.B. Teilnahmen an Schulungen oder Seminaren organisiert und im privaten Bereich z.B. die Planung des Umzuges und die Wohnungssuche von der Muttergesellschaft übernommen werden. Ein letzter Punkt, die Reintegrationsproblematik eines Unternehmens zu verbessern, ist die Politik, einen Auslandseinsatz zu einem festen Bestandteil der Laufbahn von Führungskräften zu machen. Durch eine hohe Fluktuation zwischen dem In- und Ausland wird nicht nur die Wiedereingliederung vereinfacht, sondern auch die Bereitschaft zum Auslandsaufenthalt gefördert. 4 Unternehmensexterne Einflussfaktoren auf das internationale Personalmanagement 4.1 Arbeits- und sozialrechtliche Einflüsse Im internationalen Personalmanagement müssen die unterschiedlichen arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen in den verschiedenen Ländern genauso berücksichtigt werden wie die Verschiedenartigkeit in der Zusammenarbeit zwischen dem Management und den Mitarbeitern bzw. deren Vertretern. Die unterschiedlichen Leitungsstrukturen in den ver- <?page no="735"?> 712 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement schiedenen Ländern bedingen ferner eine an die lokalen Gegebenheiten angepasste Personalpolitik. Dabei ist sicherzustellen, dass einerseits eine einheitliche Grundstruktur in der Personalpolitik vorhanden ist und andererseits den lokalen Gegebenheiten entsprochen wird. Die Errungenschaften nationaler Gewerkschaften hinsichtlich Arbeitszeit, -rhythmus, -sicherheit und sozialer Leistungen müssen auf ihre Transferierbarkeit in andere Länder überprüft werden. Die unterschiedlich strukturierten und ideologisch verschiedenen Gewerkschaften stellen hohe Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit des Managements. Zwar versuchen die Gewerkschaften, eine Harmonisierung der Gewerkschaftsprogrammatik zu erzielen, jedoch sind diese Versuche bisher nur begrenzt erfolgreich. Drei bedeutsame Institutionen versuchen in erster Linie die Durchsetzung gemeinsamer Arbeitnehmerinteressen: die Welträte und Weltkonzernausschüsse, die internationalen Berufssekretariate und die internationalen Gewerkschaftsbünde. Bei den Welträten und Weltkonzernausschüssen arbeiten die Arbeitnehmerrepräsentanten der einzelnen Konzernteile unter organisatorischer und finanzieller Betreuung der Fachgewerkschaften zusammen. Komplikationen resultieren aus den Unterschieden im ideologisch-politischen Bereich, im gewerkschaftlichen Selbstverständnis und vor allem bei der Vorbereitung und Durchführung gemeinsamer Sanktionen in einem Konzern. Internationale Berufssekretariate bilden regionale Subsysteme wie z.B. der Europäische Metallarbeiterbund, der die Weltkonzernausschüsse betreut und die Aktivitäten der Industrie- und Forschungspolitik gemäß dem Montanvertrag koordiniert. Sie betreuen den Aufbau und die Arbeitsweise von Weltkonzernausschüssen. Die Interessenvertretung und die Koordinierung der gewerkschaftlichen Politik in internationalen Gremien werden von internationalen Gewerkschaftsverbänden wahrgenommen. Als ein wichtiges Beispiel sei hier der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) genannt, der 175 Millionen Arbeitnehmer aus 308 Mitgliedsorganisationen und 153 Ländern vertritt (IGB, 2012). Letztlich beeinflussen zahlreiche andere Faktoren die Personalpolitik. Von großer Bedeutung ist, wie eingangs in diesem Hauptteil erwähnt, der kulturelle Einfluss. Im Weiteren soll daher auf diesen gesondert eingegangen werden. 4.2 Einfluss der kulturellen Dimensionen auf das Personalmanagement Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt (Kapitel Kultur und Unternehmensethik), hat die Kultur einen großen Einfluss auf die interpersonellen Interaktionen. Aufgrund dessen soll der Einfluss der Kultur auf das Personalmanagement untersucht werden, insbesondere auf die Führung von Mitarbeitern. Diese wird vor allem in kulturellen Überschneidungssituationen zum Problem, wenn Expatriates Mitarbeiter eines anderen Landes zu führen und zu <?page no="736"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 713 motivieren haben. Allerdings lässt sich der Einfluss der Kultur auf die Personalpolitik nicht pauschal darstellen. Insofern wird nunmehr auf einzelne bereits beschriebene Kulturdimensionen Rückgriff genommen, die als Basis für die Gliederung der weiteren Ausführungen dienen. 4.2.1 Machtdistanz Personalführung impliziert die zielgerichtete Verhaltensbeeinflussung der Mitarbeiter durch den Vorgesetzten. Führung hängt auch von der Bereitschaft der Unterstellten ab, diese Beeinflussung zu akzeptieren. Eine ins Ausland entsandte Führungskraft hat also zu beachten, dass die Effektivität des angewandten Führungsstils von den kulturell bedingten Partizipationserwartungen der Untergebenen bestimmt wird, d.h. von einem Basiskonsens über das, was unter „richtiger“ Führung zu verstehen ist. Schwierigkeiten treten dann auf, wenn die Erwartungen beider Seiten voneinander abweichen und die Führungsstilerwartungen der Mitarbeiter nicht mit dem tatsächlichen Führungsstilangebot seitens des Führenden übereinstimmen. Bei unüberbrückbarer Diskrepanz entsteht dann beiderseits eine demotivierende Führungsunzufriedenheit. Der bloße Transfer von Führungsmodellen, der die Werte der Mitarbeiter nicht berücksichtigt, hat somit wenig Aussicht auf Erfolg (Thomas, A./ Stumpf, S., 2003; von Keller., E., 1995; Scholz, C., 1994a). Konflikte, die durch unterschiedliche Partizipationserwartungen in verschiedenen Kulturen entstehen, können durch die Betrachtung des von Hofstede entwickelten Machtdistanzindex (MDI) erkannt und antizipiert werden. Die Partizipationserwartungen sind in Ländern mit hohen MDI-Werten geringer ausgeprägt. So sind bspw. indische, türkische und peruanische Mitarbeiter (MDI: 77, 66 und 64) mit einem autoritären Führungsstil meist zufriedener als mit einem partizipativen Führungsstil, dessen Angebot an eigenverantwortlichen Handlungs-, Entwicklungs- und Entscheidungsmöglichkeiten nicht entsprechend ausgenutzt wird (Lieber, B., 2007; Bergemann, N./ Sourisseaux, A., 2003). Der Führungsstil in Ländern mit geringem Machtabstand ist im Allgemeinen eher partizipativ-demokratisch ausgerichtet. In Kulturen mit sehr hohen MDI-Werten dagegen ist der geeignete Führungsstil derjenige eines wohlwollenden Autokraten („good father”) (Hofstede, G./ Bond, M.H., 1988). Die Berücksichtigung der Machtdistanz bei der Führung von Mitarbeitern setzt die Kenntnis über deren Entstehung voraus. In Kulturen mit großer Machtdistanz ergeben sich Machtstellung und Status im Unternehmen häufig aus leistungsunabhängigen Kriterien wie Alter, soziale Herkunft, Geschlecht, Titel oder ethnische Zugehörigkeit. Es handelt sich hierbei um erhöhte Einflussmöglichkeiten qua „legitimer Macht”. Man kann unterscheiden zwischen Statuserwerb durch entsprechende Leistung im Betrieb („achieved status”) und zuerkanntem Status aufgrund allgemein anerkannter Normen und Werte („ascribed status”) (Trompenaars, F., 1993). Für das Personalmanagement in einer „ascribing culture“ ist daher zu beachten, dass die Besetzung von Führungspositionen nach rein leistungsmäßigen <?page no="737"?> 714 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement Kriterien, wie sie in Europa und den USA vorherrschen, oft nicht möglich ist. Bei der Zubzw. Unterordnung von Personen müssen Restriktionen, z.T. auch Tabus, hinsichtlich Alter, Geschlecht, außerbetrieblichem sozialen Status und ethnischer Zugehörigkeit berücksichtigt werden (Dülfer, E., 1992a; Dülfer, E., 1992b). Ein weiteres Beispiel für den Einfluss der Machtdistanz ist die Übertragbarkeit der amerikanischen Führungskonzeption „Management by Objectives“ (MbO) auf andere Kulturen. Schwierigkeiten treten in Ländern mit hohen MDI-Werten auf, weil MbO die Partizipation der Mitarbeiter bei der Zielbildung bzw. Zielvereinbarung voraussetzt. MbO impliziert eine Art Verhandlungsprozess zwischen Vorgesetzten und Unterstellten auf gleicher Ebene, bei dem sich in Kulturen mit hoher Machtabstandstoleranz beide Seiten oft unwohl fühlen. Auch die periodische Abgleichung der erzielten Ergebnisse mit den gesetzten Zielen in gemeinsamen Leistungsbeurteilungsgesprächen kann Probleme aufwerfen. Aufschlussreich sind die unterschiedlichen Zustimmungsraten in einer KVM-Studie zu folgender Aussage: „Most managers seem to be motivated more by obtaining power than by achieving objectives.“ 56% der befragten französischen Manager stimmten dem zu (MDI-Frankreich: 68), wohingegen nur 36% der amerikanischen (MDI-USA: 40), 26% der niederländischen (MDI-Niederlande: 38) und nur 25% der dänischen Manager (MDI-Dänemark: 18) dieser Ansicht waren (Laurent, A., 1983; Hill, R., 1980). In Frankreich gilt die Führungskonzeption des MbO als nicht anwendbar. Die Gründe, die in einer Analyse (Bamberger, I./ Riot, P., 1987) für das Scheitern angegeben werden, spiegeln ebenfalls den Einfluss der Kulturdimension Machtdistanz auf die Übertragbarkeit von Führungskonzeptionen wider. Die Auffassung von Autorität ist in Frankreich oft sehr absolut bei gleichzeitiger starker Zentralisierung der Entscheidungsbefugnisse auf der obersten Unternehmensebene. Man beachte die weitgehende unbeschränkte Macht eines „PDG“ („Président Directeur Général“). Stark sachbezogene Führungskonzepte haben bei einer so personalbezogenen Sicht von Management wenig Aussicht auf Erfolg (Bamberger, I./ Riot, P., 1987; Crozier, M., 1964). Der Misserfolg von MbO in Frankreich wird entsprechend vor allem zurückgeführt auf: die starke Zentralisierung der Macht, die mangelnde Bereitschaft der Führung, Entscheidungsbefugnisse zu delegieren, das direkte Eingreifen der Vorgesetzten in operative Abläufe, die Skepsis der Geführten, die im Vorgehen des MbO nur ein Aufbürden von Verantwortung ohne Erweiterung der eigenen Entscheidungsbefugnisse sehen, und die Gefahr, dass die im Rahmen vom MbO zu führenden Diskussions-, Kritik- und Verhandlungsprozesse zu Konflikten in den Vorgesetzten-Unterstellten-Beziehungen führen. <?page no="738"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 715 Ähnliche Befunde gelten auch für Spanien. Spanische Führungskräfte präferieren ein „Management by Personality“. Personenunabhängige, funktionale Strukturen, Systeme und Verfahren erleben sie als Einschränkung ihrer Entscheidungsfreude, ihrer Kompetenzen und Fähigkeiten, als unflexibel und oft auch als Ausdruck von Misstrauen (Reisch, B., 1993a; García Echevarría, S., 1987; Brahm, H., 1983). 4.2.2 Individualismus Die Kulturdimension Individualismus hat Einfluss auf die Personalrekrutierung und auf die Art und Weise, wie Mitarbeitern Feedback gegeben wird. In kollektivistischen Ländern werden die Mitarbeiter bevorzugt intern rekrutiert, unterstützt durch Personalentwicklungs- und Weiterbildungsmaßnahmen. „Intern” heißt hier oft auch die Einstellung von Freunden und Verwandten bereits im Unternehmen beschäftigter Mitarbeiter. Dagegen wird in individualistischen Ländern dieses Vorgehen oft als unerwünscht angesehen, da Interessenkonflikte vermieden werden sollen (Hofstede, G., 1997). Das heißt allerdings nicht, dass - wie in westlichen Ländern oft behauptet - in kollektivistischen Ländern die objektive Qualifikation des Bewerbers keine Rolle spielt. Als wichtige Auswahlkriterien gelten dabei aber Vertrauenswürdigkeit, Loyalität und Verträglichkeit mit den Kollegen der Gruppe (Festing, M., et al. 2011; Adler, N.J., 2002; Wright, P., 1981). In Japan, als Beispiel für ein kollektivistisch geprägtes Land, herrschen starke Bindungen zwischen dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern. Oft bestehen lebenslange Beschäftigungsverhältnisse. Beförderungen erfolgen z.T. nach dem Senioritätsprinzip. Die Mitarbeiter erwarten, dass das Unternehmen ihre Interessen vertritt und umfangreiche Verantwortlichkeiten wahrnimmt (Einrichtung von Betriebskindergärten, Freizeitangebote, Hilfe bei der Wohnungssuche usw.). Im Gegensatz dazu werden Arbeitskräfte in individualistischen Ländern wie Kanada, Niederlande oder Neuseeland primär als Produktionsfaktor angesehen. Die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem wird als kalkulierbarer Transaktionsvorgang betrachtet, den jede Seite beenden kann, wenn sich vorteilhaftere Lösungen anbieten (Hofstede, G., 1997; Hofstede, G., 1982). Westliche multinationale Unternehmen mit Tochtergesellschaften in kollektivistischen Ländern sollten daher bei ihrer Personalplanung und -beschaffung eine „hire and fire”-Personalpolitik vermeiden, weil dies schroff gegen die Norm der gegenseitigen Loyalität verstoßen würde. Es entstünde darüber hinaus in der Öffentlichkeit ein Verlust an Ansehen und Goodwill (Hofstede, G., 2000). Personalführung impliziert auch, einzelnen Mitarbeitern „Feedback” zu geben, um sie entsprechend der Zielsetzung des Unternehmens zu motivieren. Ein Problembereich, der bezüglich der kulturellen Unterschiede in diesem Zusammenhang beachtet werden muss, ist die „Wahrung des Gesichts”. Das „Gesicht verlieren“ („losing face“) ist eine sprachliche Wendung, die im Chinesischen die Bedeutung des Erleidens einer Demütigung durch andere darstellt. Man verliert das Gesicht („lien“ und „mien-tzu“), „when the individual either through his action or that of people closely related to him fails to meet essential requirements placed upon <?page no="739"?> 716 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement him by virtue of the social position he occupies” (Ho, D.Y.-F., 1976). Im Gegensatz dazu stehen die individualistischen Auffassungen westlicher Gesellschaften. In völliger Umkehrung des kollektivistischen Leitbildes vertritt z.B. Adam Smith (1723-1790) die bekannte These, dass gerade der Eigennutz der einzelnen Individuen - auf Basis eines sich selbst regulierenden Systems („unsichtbare Hand”) - letzten Endes zum maximalen Wohlergehen der Gruppe und zum Wohlstand des Staates führt (Hofstede, G., 1993). In Führungssituationen in kollektivistischen Ländern ist zu beachten, Unterstellte in der Öffentlichkeit nicht hart und direkt zu kritisieren, Konfrontation zu vermeiden und das Gesicht aller beteiligten Personen zu wahren. Konflikte sollten nicht in Sieg oder Niederlage der einen oder der anderen Partei enden. Gefragt sind Gutwilligkeit und Kooperation. Analoges muss in Leistungsbeurteilungsgesprächen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter berücksichtigt werden (Kopper, E., 2003; Tse, D.K., et al., 1988). 4.2.3 Maskulinität In maskulinen Kulturen in Verbindung mit gleichzeitig hohen Individualismus-Index- Werten (Kapitel Kultur und Unternehmensethik) herrscht ein allgemeines Gefühl vor, dass Konflikte durch Kampf ausgefochten werden sollen („let the best man win”). Sichtbar wird diese Art der Verhandlungsführung auch bei der Handhabung des grundlegenden industriellen Konflikts zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmerorganisationen. In Großbritannien und Irland (Maskulinitäts-Index-Werte (MAS): 66 und 68) wird dabei auf Streik und Arbeitskampf gesetzt, während in Dänemark und Schweden (MAS: 16 und 5) eine Präferenz für Dialoglösungen besteht (Hofstede, G., 2000; Hofstede, G., 1997; Graham, J.L./ Herberger, R.A., 1983). Führungskonflikte in femininen Kulturen werden eher durch Kompromiss und Verhandlung gelöst. Zu welchen Missverständnissen derartige kulturelle Unterschiede führen können, zeigt folgendes Beispiel: Ein amerikanisches (d.h. maskuline Kultur) Consulting-Unternehmen, das die Führungs- und Ablaufprozesse eines großen skandinavischen Betriebes (d.h. feminine Kultur) zu untersuchen hatte, kritisierte in seinem Ergebnisbericht die Art des intuitiven, informellen und konsensorientierten Führungs- und Entscheidungsstils. Stattdessen schlugen sie ein an Fakten orientiertes, auf klaren Verantwortlichkeiten und Entscheidungswegen basierendes Führungs- und Leitungsverhalten vor. Die Unterscheidung des „fact based“ versus „intuitive“ Management spiegelt aber nur die maskulinen und femininen kulturellen Wertvorstellungen der jeweiligen Organisationsmitglieder wider (Hofstede, G., 2000). Auch bei der Rekrutierung und Selektion neuen Personals muss eine ins Ausland entsandte Führungskraft die in maskulinen bzw. femininen Kulturen jeweils unterschiedlichen Konzepte der Selbstdarstellung beachten. Bewerber aus maskulinen Kulturen pflegen sich gewöhnlich über Wert zu verkaufen. Beeindruckende Lebensläufe und ein z.T. übertriebenes Anpreisen der vorhandenen oder angeblich in kürzester Zeit erlernbaren Fähigkeiten sind bei Vorstellungsgesprächen oft zu beobachten. Bewerber aus femininen Kulturen <?page no="740"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 717 neigen dazu, sich zunächst eher unter Wert zu verkaufen. Man entwirft bescheidenere Lebensläufe und zählt auf die Fähigkeiten des Interviewers, die wirklichen Qualifikationen herauszufinden. Interviewer aus maskulinen Ländern wissen gewöhnlich amerikanische Lebensläufe richtig zu deuten und können die im Gespräch erhaltene Information „diskontieren”. In femininen Ländern dagegen werden diese entsprechend aufgewertet. Die Missverständnisse, die sich hieraus in kulturellen Überschneidungssituationen ergeben, liegen auf der Hand. Hofstede berichtet von Beispielen, nach denen niederländische Bewerber (MAS-Niederlande: 14) bei amerikanischen Firmen (MAS-USA: 62) in den Beneluxstaaten aus den beschriebenen Gründen („assertiveness versus modesty”) regelmäßig abblitzten. Umgekehrt hatten niederländische Interviewer Probleme mit den als „Aufschneider” titulierten amerikanischen Bewerbern. Personalmanager sollten daher sensibel dafür sein, wie sie Angaben von Bewerbern aus verschiedenen Kulturkreisen zu bewerten haben (Hofstede, G., 1997; Dreher, R., 1989; Hofstede, G., 1982). 4.2.4 Unsicherheitsvermeidung In Führungssituationen in Kulturen mit hohen Unsicherheitsvermeidungs- (UVI) Werten (Kapitel Kultur und Unternehmensethik) hat der interkulturelle Manager verschiedene unsicherheitsvermeidende soziale „Rituale“ und „Zeremonien“ der Mitarbeiter zu beachten (Hofstede, G., 2000). Sie nehmen etwas von dem Druck der Ungewissheit, indem sie eine Pseudosicherheit suggerieren, die es den Unternehmensangehörigen erlaubt, weiter ihre Funktion auszufüllen. Folgende Rituale dienen der Reduktion von Führungsunsicherheit: Memos, Protokolle u.Ä. scheinen die ansonsten hoch dynamische Umwelt für kurze Zeit „einfrieren“ zu können. Ausgeklügelte Planungssysteme sollen die unsichere Umwelt kalkulierbarer machen. Eine Effizienzgarantie solcher Systeme besteht allerdings nicht (Hofstede, G., 2000). Auch Teile des Buchführungs-, Statistik- und Controllingsystems dienen dazu, angesichts der unsicheren Umwelt nicht die „Moral“ zu verlieren. Oft werden irrational getroffene Entscheidungen später ex-post durch entsprechend aufbereitete Zahlen „abgesichert“. Der Einsatz von internen und externen Experten, die Unsicherheit in (Pseudo-) Sicherheit transformieren, ist eine wichtige Methode zur Verringerung von Unsicherheit im Unternehmen. Auch Führungserwartungen bezüglich der Kompetenz, die von einem Manager verlangt wird, variieren entlang der Unsicherheitsvermeidungsdimension in den verschiedenen Kulturen. Laurent hat dazu in 10 Ländern eine KVM-Studie durchgeführt (siehe Abbildung 322). <?page no="741"?> 718 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement Abbildung 322: Führungskräfte als Experten Quelle: In Anlehnung an: Laurent, A., 1983 Man erkennt, dass die nationalen Unterschiede weitgehend mit den jeweiligen UVI-Werten korrelieren. Die Rolle amerikanischer oder kanadischer Führungskräfte wird eher als die von Problemlösern betrachtet. Sie sollen ihren Mitarbeitern Wege eröffnen, damit diese eigenständige Lösungen erarbeiten können. Ein bloßes Beantworten von Fragen ist nicht die wichtigste Manageraufgabe. Französische und italienische Mitarbeiter dagegen betrachten ihre Vorgesetzten auch als Fachleute, die Fragen ihrer Mitarbeiter präzise beantworten sollten. Damit soll ein Gefühl der Sicherheit vermittelt werden. In interkulturellen Überschneidungssituationen besteht daher Konfliktpotenzial, indem beispielsweise französische Mitarbeiter ihrem amerikanischen Chef Inkompetenz attribuieren, weil er sie wegen einer Detailfrage an einen Kollegen einer Spezialabteilung verwiesen hat (Adler, N.J., 2002; Inzerilli, G./ Laurent, A., 1983). Aus ähnlichen Gründen scheitert das MbO-Führungssystem in Frankreich, da hierbei die persönliche Autorität einer Führungskraft durch ein unpersönliches System formaler Regelungen ersetzt wird (von Keller., E., 1995). In Kulturen mit hoher Unsicherheitsvermeidung wird die Angst vor uneindeutigen Situationen und das Bedürfnis nach präziser Einteilung und Komplexitätsreduktion deutlich. Diese Aussagen gelten für Führungskräfte und Mitarbeiter (analog dem Gegenseitigkeitsverhältnis bei der Machtabstandstoleranz). Niedrige Ambiguitätstoleranz beeinflusst u.a. die Fähigkeit von Managern, Entscheidungen auch ohne vollständige Informationen treffen zu können. Französische und deutsche Führungskräfte wollen bspw. stärker über Details informiert werden als ihre britischen Kollegen, ein deutliches Zeichen stark ausgeprägter Unsicherheitsvermeidung (Hofstede, G., 2000; Ralston, D.A., et al., 1993). In Ländern mit niedriger Unsicherheitsvermeidung erfolgt die Sozialisierung bis hin zu einem Anzweifeln von Wahrheiten und Antworten. So hat sich z.B. in Großbritannien ein günstiges Klima für Menschen entwickelt, die etwas „anders denken als andere”. Das dor- <?page no="742"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 719 tige, sehr niedrige Unsicherheitsvermeidungs-Niveau (UVI: 35) mit seiner großen Toleranz gegenüber abweichenden Ideen und Originalität bietet den idealen Nährboden zur Generierung von Innovationen. Aber oft gelingt erst Japanern (UVI: 92) mit ihrer Prozessgenauigkeit die Umsetzung und erfolgreiche Vermarktung daraus entwickelter Produkte. 4.2.5 Zeitvorstellungen In interkulturellen Führungssituationen gibt es häufig Konflikte aufgrund monochroner vs. polychroner Zeitvorstellungen. Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen. Ein bei einer niederländischen Firma angestellter südkoreanischer Manager beschreibt darin - soeben von einer Geschäftsreise zurückgekehrt - seine Enttäuschung über die Reaktion seines Chefs bei ihrem Wiedersehen (Südkorea: polychrone vs. Niederlande: monochrone Zeitauffassung): „He was on the phone when I entered his office and as I came in he raised his left hand slightly at me. Then he rudely continued his conversation as if I were not even in the room with him. Only after he had finished his conversation five minutes later did he get up and greet me with an enthusiastic, but insincere, ‹Kim, happy to see you›. I just could not believe it.“ (Trompenaars, F., 1993). Für Personen aus polychronen (synchronen) Kulturen stellt es eine Missachtung dar, nicht sofort und spontan begrüßt zu werden. Ein simultanes Sprechen mit Mitarbeitern, Kollegen und Chefs oder zusätzlich paralleles Arbeiten am Computer sowie Telefonieren usw. ist in synchronen Kulturen durchaus üblich. Das Einhalten von Abläufen und Reihenfolgen ist ein typisches Zeichen monochroner Kulturen. Wichtig in polychronen Kulturen ist das Pflegen von Beziehungen, da diese quasi Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft über eine gemeinsame Geschichte affektiv miteinander verbinden. Der Terminkalender ist keine Entschuldigung, jemandem - auch wenn unerwartet erschienen - keine „Zeit zu gewähren“. In monochronen Kulturen dagegen sind Beziehungen oft eher instrumentell. Nach sequenziellem Prinzip arbeitende Personen pflegen Abläufe genau und eng zu terminieren. Schon durch kurze Verspätungen kann der ganze Fahrplan durcheinander geraten. Daher wird in monochronen Kulturen auch viel Wert auf Pünktlichkeit gelegt. Zeit gilt als ein Gut. Verspätungen rauben daher „wertvolle“ Minuten (Trompenaars, F., 1993; Schein, E.H., 1992). Eine weitere Determinante ist der unterschiedliche Vergangenheitsbezug in verschiedenen Kulturen. Beispielsweise hat in Venezuela, Malaysia oder Frankreich die Vergangenheit eine große Bedeutung und die Zeithorizonte überlappen sich stark (Kapitel Kultur und Unternehmensethik). In diesen Regionen erfolgt der Erwerb von Autorität und Status oft aufgrund legitimer Macht bzw. „ascription”. In der Vergangenheit erreichte Qualifikationen, bspw. auf den grandes écoles, erklären den jetzigen Status und versprechen eine aussichtsreiche Karriere in der Zukunft (Trompenaars, F., 1993). Ganz anders verhält es sich in Nordamerika. Hier startet man oft bei null. Was zählt, sind ausschließlich die gegenwärtige Leistung und die Pläne zur Meisterung der Zukunft (Trompenaars, F., 1993). <?page no="743"?> 720 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement Allgemein bleibt festzuhalten, dass monochrone Führungsqualitäten besonders gefragt sind, wenn es gilt, stark zu koordinierende Aktivitäten durchzuführen, z.B. in großen Systemen. Dagegen ist polychrone Führung geeignet, Beziehungsstränge aufzubauen und bietet somit Vorteile bei der Lösung komplexer Probleme, wo das Informationspotenzial weit gestreut ist und wo es gilt, interaktiv, gleichzeitig und jederzeit alle „Kanäle” offenzuhalten (Schein, E.H., 1992). Eine Besser-Schlechter-Wertung beider Zeitkonzeptionen verbietet sich also. Vielmehr ergeben sich Synergiepotenziale interkultureller Zusammenarbeit. 4.2.6 Kontextualität Der Grad der präferierten „Unverblümtheit” der Kommunikation unterscheidet sich je nach Kulturkreis. Dies impliziert auch für einen Vorgesetzten, dieses Phänomen bei seinem Führungsverhalten zu berücksichtigen. So ist in einer „low-context“-Kultur wie z.B. in den USA direkte, explizite Kritik des Vorgesetzten an seinen Mitarbeitern möglich. Sie kann objektiv und authentisch sein und erforderlichenfalls auch schriftlich, d.h. kontextfrei, dargelegt werden (Harris, P.R./ Moran, R.T., 1991). Anderes gilt beispielsweise in Japan oder Saudi-Arabien. Hier muss „high-context“-Kommunikation verwendet werden. Kritik sollte eher subtil und implizit vorgetragen werden und keinesfalls in schriftlicher Form erfolgen. Wichtiger sind hier „face to face“-Kontakte (Harris, P.R./ Moran, R.T., 1991; Tulenko, P., 1987). Die Führungsautorität ist in manchen Ländern stark vom Kontext abhängig. In westlichen Ländern ist sie vor allem durch die Vorgesetztenrolle und Positionsmacht begründet. In afrikanischen und arabischen „high-context“-Kulturen dagegen gewinnt der kontextuelle Rahmen an Bedeutung, d.h., die Führungsinformation ergibt sich oft aus den sozialen Beziehungen oder ist in der Person internalisiert (z.B. durch Alter, Nationalität, Familien- und Stammeszugehörigkeit, Titel) (Harris, J.A./ Moran, R.T., 1987). 4.2.7 Kognitive Prozesse Wie im Kapitel Kultur und Unternehmensethik dargestellt, unterscheiden sich die Mitglieder der verschiedenen Kulturen bezüglich ihrer Denk- und Lernstile. Insbesondere bei Personaltrainings- und Personalentwicklungsaktivitäten von Mitarbeitern zeigen sich hier interkulturelle Problemfelder. Westliche Ausbildungsprinzipien verfolgen oftmals das Ziel, durch Fehler lernen zu lassen. Trainingsteilnehmer werden auf eine falsche Spur gelockt. Anschließend werden ihnen Fehler nachgewiesen, die im Widerspruch zur ursprünglichen Voraussetzung stehen. Nach Einsicht von Fehlern wird man nun gezwungen, zu lernen (Schwarz, G., 1991; Hayes, J./ Allinson, C.W., 1988). „Widerspruch ist insofern lernkonstitutiv, als er jeden Europäer dazu zwingt, ihn zu eliminieren. Dagegen haben Asiaten ein völlig anderes Verhältnis zum Widerspruch. Für sie ist es so, dass dieser Widerspruch nicht eliminiert werden muss, sondern geradezu die Bestätigung ihres Verhaltens darstellt“ (Schwarz, G., 1991). Werden sie durch solche Lernmethoden überrumpelt, haben sie in ihrem Denkprozess einen grundsätzlichen <?page no="744"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 721 Fehler begangen und hierdurch das Gesicht verloren. Es versteht sich von selbst, dass hier der Lernvorgang und -erfolg empfindlich gestört werden. 4.2.8 Religiöse Vorstellungen Führungseinstellungen werden in hohem Grade von den religiösen Vorstellungen einer Kultur geprägt. In Religionen, in denen der Glaube an die Eigenbestimmtheit menschlichen Handelns vorherrscht, z.B. in protestantischen Gesellschaften der westlichen Welt, werden sowohl von Führenden als auch von den Geführten höhere Partizipationsmöglichkeiten erwartet. Religiöse Vorstellungen, die von einer fatalistischen Schicksalsbedingtheit der persönlichen Entwicklung ausgehen (externe Kontrolle), fördern dagegen eher paternalistische und autoritäre Führungsstilpräferenzen (v. Keller, E., 1995). Es erhebt sich die Frage, inwiefern der Einzelne seine Verantwortlichkeit in kritischen Managementsituationen als Gebot zum Handeln auffasst oder sich unter Berufung auf die Unabwendbarkeit bestimmter Geschehnisse eher passiv verhält (Dülfer, E., 2001). So ist zum Beispiel in Führungssituationen in islamischen Ländern zu beachten, dass vom Führer seitens der Geführten bei Bearbeitung bestimmter Aufgaben oftmals die Vorgabe des Lösungsweges, d.h. der richtigen Verfahrensweise, erwartet wird. Diese prozessbegleitende Weisungserwartung kann die Eigeninitiative hemmen. Eine MbO-Führung erscheint nicht angebracht. Hieraus ergibt sich auch die Bevorzugung hierarchisch-autoritärer Organisationsstrukturen mit entsprechender Ausprägung der Führungsstilpräferenzen (Dülfer, E., 2001; Chaabouni, J., 1980). Der Einfluss kultureller Determinanten auf das Personalmanagement wurde im Vorhergehenden deutlich herausgestellt. Interpersonelle Interaktionen werden von der Kultur stark geprägt und daher weist insbesondere das Personalmanagement Kulturspezifika auf. Es wurde anhand zahlreicher Beispiele gezeigt, welche Problemfelder für kulturelle Missverständnisse im Bereich Personalmanagement bestehen. Mit diesem Wissen sollten Manager in fremden Kulturen im Sinne der Unternehmensziele auf solche Spezifika eingehen. <?page no="745"?> 722 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement Fallstudie: Personalarbeit am Beispiel eines weltweit tätigen Beratungsunternehmens Personalarbeit am Beispiel eines weltweit tätigen Beratungsunternehmens Ildiko Kreisz, Personalleiterin Accenture für Deutschland, Österreich und Schweiz Nele Herweg, Personalmanagerin Accenture Setting Das betrachtete Unternehmen ist ein weltweit agierender Managementberatungs-, Technologie- und Outsourcing-Dienstleister mit rund 220.000 Mitarbeitern, die für Kunden in über 120 Ländern tätig sind. Das Unternehmen bringt umfassende Projekterfahrung, fundierte Fähigkeiten über alle Branchen und Unternehmensbereiche hinweg und Wissen aus qualifizierten Analysen der weltweit erfolgreichsten Unternehmen in eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit seinen Kunden ein. Es erwirtschaftete im vergangenen Geschäftsjahr einen Nettoumsatz von 25 Mrd. US-Dollar. Herausforderung Das börsennotierte Unternehmen hat im vergangenen Jahr seine Mitarbeiterzahl weltweit um ca. 20% erhöht. Hierbei lag der Schwerpunkt auf dem asiatischen Markt, die Wachstumsraten in Europa und Amerika waren ebenfalls zweistellig. Abbildung 323: Offshore-Wettbewerber: Entwicklung der „Operating Margin“ <?page no="746"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 723 Ein wichtiges Kriterium für den Erfolg eines börsennotierten Unternehmens ist die Umsatzrendite. Während die Wettbewerber diese für das Jahr 2009 größtenteils stark erhöhen konnten, blieb die Umsatzrendite bei der betrachteten Beratung weitgehend konstant. Es liegt damit im Mittelfeld. In den letzten Jahren drängen jedoch vermehrt Offshore-Anbieter von Beratungsdienstleistungen auf den Markt. Diese erbringen die Beratungsdienstleistung zum Teil vor Ort mit Mitarbeitern, die in der Landessprache agieren können, zum großen Teil aber auch durch sogenannte Offshore-Service-Center aus Indien und China. Diese Offshore-Anbieter haben im Vergleich eine signifikant höhere Marge. Abbildung 324: Direkte Wettbewerber: Entwicklung der „Operating Margin“ Die Wettbewerber sind im Personalmarkt sehr aktiv und ringen um die besten Talente. Jedes Jahr verlässt im Schnitt ein Fünftel der Mitarbeiter das Unternehmen. Diese Zahlen sind für den Beratungsmarkt durchaus üblich. Trotz des Abflusses gut ausgebildeter Mitarbeiter muss das Unternehmen es aber schaffen, das Können und Wissen den Kunden durchgängig zur Verfügung zu stellen. Dies gelingt unter anderem auch durch internationalen Personaleinsatz. Bei der Arbeit in internationalen Teams ist das interkulturelle Verständnis unter den Mitarbeitern eines Teams unbedingt zu fördern. Die konstruktive Zusammenarbeit sowie der Respekt vor Mitarbeitern mit sehr verschiedenem Hintergrund sind besonders wichtig. Auch sind die verschiedenen rechtlichen Gegebenheiten (Richtlinien, lokale Gesetze, Arbeitserlaubnis, Verträge etc.) zu beachten, was den Aufwand für die interne Personalarbeit in die Höhe treibt. Um das Unternehmen für die hohen Wachstumsziele auch intern adäquat aufzustellen, vollzieht man eine Umstrukturierung der Personalarbeit. Das Unternehmen nutzt bereits teilweise globale Personalprozesse sowie einheitliche Systeme und Informationen. Viele andere interne Funktionen (z.B. Finanzbereich, Einkauf, Sekretariatsunterstützung) werden bereits von Shared-Service-Centern unterstützt. Diese sollen in Zukunft auch vermehrt im HR-Bereich implementiert werden. <?page no="747"?> 724 • Kapitel XI: Internationales Personalmanagement Man denkt vor allem darüber nach, operative Prozesse in die Shared-Service-Center (SSC) zu verlagern, üblicherweise verbleibt dabei eine Gruppe von Personalmitarbeitern für spezielle Aufgaben vor Ort. Im vorliegenden Fall können sich die lokal verbliebenen Mitarbeiter nun vermehrt um strategische Personalarbeit kümmern und erreichen dadurch eine bessere Unterstützung der Mitarbeiter und Führungskräfte. Wird das Modell voll umgesetzt, beinhaltet es auch stärkeren Self-Service sowie einen Service Desk, an den sich alle Mitarbeiter mit ihren Anfragen wenden. Die Leistung des SSC werden über Service Level Agreements gesteuert und regelmäßig gemessen. Im vorliegenden Fall eignet sich die Einführung von Shared-Services insbesondere, weil es viele geografisch verteilte Standorte gibt und hohes Potenzial für eine Standardisierung vorhanden ist. Die Unternehmensleitung möchte den Personalbereich firmenweit transformieren, um die folgenden übergeordneten Ziele zu erreichen: Kostenreduzierung, Wissensaufbau zu Kernthemen in Kompetenzzentren, Reduzierung der Komplexität, Profitables Wachstum (Personalkosten steigen unterproportional im Vergleich zu den Mitarbeiterzahlen). Würde man es zum Beispiel schaffen, durch geeignete Maßnahmen die Mitarbeiter länger beim Unternehmen zu halten, würde dies große Einsparungen in Recruiting und Training nach sich ziehen. Die Einsparungen bei den Personalkosten resultieren zum einen durch Verlagerung der Personalkosten aus teuren Ländern in Länder mit niedrigeren Löhnen in Lateinamerika, Indien oder China sowie durch die Skalierbarkeit der Arbeitsinhalte. Für die lokale Personalunterstützung plant man eine weltweite Reduktion von knapp 900 Personen, wodurch knapp 600 durch eine Aufstockung in den Offshore-HR-Support- Zentren aufgefangen werden sollen sowie eine noch unbekannte Zahl an Mitarbeitern in den weltweiten Kompetenzzentren eingesetzt wird. Bei den Mitarbeitern entsteht große Verunsicherung durch die anstehenden Veränderungen. Einige Mitarbeiter sehen dies als Chance, sich in Zukunft vermehrt auf strategische Aufgaben zu konzentrieren, andere fürchten um ihren Arbeitsplatz. Es ist daher wichtig, die Mitarbeiter der Personalabteilung durch den Veränderungsprozess mithilfe adäquater Kommunikationsmaßnahmen, z.B. wöchentlichen Newslettern, Informationssessions, Gespräche mit Vorgesetzten/ Mentoren, zu begleiten. In Bereichen, wo es zu Aufgabenverlagerungen kommt, sind klare Arbeitsanweisungen und Übergabeprotokolle sehr wichtig. Viele Mitarbeiter sind auch verunsichert durch die Tatsache, dass sie in Zukunft nicht mehr direkt mit Kollegen vor Ort sprechen, sondern Personalarbeiten teilweise oder ganz von ungekannten Kollegen in Service-Centern erledigt werden. Persönliche Gespräche werden ersetzt durch E-Mail, Telefongespräche, Messengerkommunikation und Unter- <?page no="748"?> Kapitel XI: Internationales Personalmanagement • 725 nehmensportale. Die einzelnen Kommunikationswege erlauben es, jeweils parallel zu kommunizieren mit allen Vor- und Nachteilen. Teilweise befinden sich die Service-Center in anderen Zeitzonen, was unmittelbare Nachfragen problematisch gestaltet. Fragen zur Fallstudie (1) Welche generellen Herausforderungen in der Personalarbeit erwarten Sie für das beschriebene Unternehmen? (2) Wie verändern sich die Anforderungen an die HR-Mitarbeiter durch die Transformation? Wie unterstützen Sie diese? (3) Welche Herausforderungen stellen sich in der Zusammenarbeit zwischen lokalen Personalabteilungen und den Shared-Service-Centern? Literaturempfehlungen Basisliteratur Cavusgil, T./ Knight, G./ Riesenberger, J., 2012: International Business: The New Realities, 2. Aufl., Boston, [Kapitel 19: „Human Resource Management in the Global Firm“, S. 544-569]. Festing, M./ Dowling, P./ Weber, W./ Engle, A.D., 2011: Internationales Personalmanagement, 3. Aufl., Gabler Verlag: Wiesbaden. Hill, C., 2010: International Business: Competing in the Global Marketplace, 8., internationale Aufl., New York, [Kapitel 18: „Global Human Resource Management“, S. 624- 651]. Lasserre, P., 2007: Global Strategic Management, 2. Aufl., Houndmills, [Kapitel 12: „Global Human Resource Management“, S. 325-348]. Vertiefungsliteratur Bergmann, N.,/ Sourisseaux, A., 2003: Interkulturelles Management, 3. Aufl., Springer: Heidelberg. 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Business-Environment-Risk-Indexes 332 C Case Law 593 Cash Cows 218 Cash-Management 655 Cash-Pooling 656 Checklistenverfahren 332 Clearing 657 Clusteranalyse 332 Code Law 593 Commercial Banking 636 Commercial Papers 654 Commodity-Märkte 522 Comparability-Project 593 Competitive Intelligence 327 Comprehensive Income 611 Conceptual Framework 610 Consultingverträge 405 Controllinginstrumente und Führungssysteme 589 Core Set of Standards 594 Corporate Governance-Systeme 396 Corporate-Identity-Politik 527 Co-Shopping 555 Cost-Leadership-Strategie 514 Country of origin-Effekt 330, 488 C-R-Diagramm 351 Cross Border Transactions 667 Crystal Ball 262 Culture-bound-These 372 Culture-free-These 372 D Dachkampagnenstrategie 533 Deep Discount 652 Diamanten-Theorie 95 Differenzierungsstrategie 247 digitale Geschäftsmodelle 552 Direktinvestitionen 36 -, Ausland 338 Direkt-Marketing 527, 544 Disintermediation 558 Diversifikation 243 Division 374 Dogs 218 Due Diligence 673 Dynamik des „Diamanten“ 100 E E-Business-Kooperationen 409 E-Commerce 409, 559, 753 Economies-of-Scale 524, 531 Eigenkapitalquote 634 <?page no="809"?> 786 • Stichwortverzeichnis Eigenkapitalspiegel 607 Eigenkapitalveränderungsrechnung 603, 611 Ein-Linien-Organisationsstruktur 581 Einzelproduktion 485 Eklektische Theorie 79 Eliminierung von Zwischenerfolgen 616 Endmark Claim Studie 534 Endverbraucherpreis 525 Entscheidungsbaumverfahren 269 Entscheidungsmodell 347 Entwicklungskonzept zur Internationalisierungsstrategie 314 Entwicklungsmanagement 431 EPRG-Modell 81 EPRG-Modell von Perlmutter 83 E-Procurement 410, 475 Equity 611 Erfahrungskurveneffekte 490 Erfahrungskurvenvorteile 488 Ertragseliminierung 616 ethnozentrische Besetzungsstrategie 695 ethnozentrisches Führungskonzept 81 EU-Ministerrat 21 EU-Rat 21 Exportabteilung 373 Exporte -, direkte 336 -, indirekte 338 Exportkooperationen 400 F Fair Presentation 602 Faktorausstattung 57 Faktoren des Rechnungslegungssystems 591 Feasibility Study 398 Fertigungstiefe 477 Financial Accounting Standards Board 610 Financial Leasing 401 Finanzmanagement 622 Flexibilität 372 Flexible Integration 460 Follow-the-Leader-Strategie 317 Fordismus 486 Foreign Private Issuers 595 Formen der Internationalisierung 32 Forschung und Entwicklung -, Einflussgrößen 435 -, Operative Planung 450 -, Optionsbündel 449 -, Organisation 446 -, Standortwahl 439 -, Strategische Planung 434 Fragezeichen 218 Framework 593, 596 Franchising 402, 546 Franchising-Verträge 402 Freihandelszonen 17 Führungsverhalten 720 Full-Cost Pricing 521 Funktionalstruktur 375 G Gemeinschaftsunternehmen 405 Generally Accepted Accounting Principles 605, 609 General-Management-Lehre 14 geozentrische Besetzungsstrategie 697 geozentrisches Führungskonzept 82 Gerpott-Ansatz 439 Gesamtergebnisrechnung 601 Gewinn- und Verlustrechnung 606, 611 Gliederungsvorschriften IAS/ IFRS 601 Global Branding 514 Global Players 371 Globale Integration 15 Globalisierung von Grundkonzepten 8 Globalisierungskonzept von Porter 90 Globalisierungsvorteile 511, 512, 576 Grid-Struktur 378 Grundformen der Unternehmensverflechtung 384 Grundkonzept des Controllings 575 Grundlagen des internationalen Wettbewerbs 55 Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung 605 Grundstruktur des internationalen Wettbewerbs 11 GuV-Inhalte IAS/ IFRS 602 H Handelsabkommen 26 Handelsbetriebsformen 548 Hard Customization 554 Holdinggesellschaften 382 hybride Organisationsform 388 Hybridstrukturen 379 <?page no="810"?> Stichwortverzeichnis • 787 I Imparitätsprinzip 606 Improvements Project 594 Incremental-Cost Pricing 521 indirekter Export 400 Individualismus 715 Informationsbedarfsanalyse 327 Informationsgewinnung -, aktive 326 -, passive 325 Initialkräfte nach Aharoni 317 Innenfinanzierung 642 Innovationen 6 -, demand pull 442 -, technology push 442 Instrumente der Kapazitätsanpassung 494 Instrumente der Kommunikationspolitik 534 Intelligence Cycle 327 Interaktionskosten-Modell 444 Inter-Channel-Entscheidung 547 Interdependenz 395 interkulturelle Misfit-Analyse 397 International Accounting Standards 592 International Accounting Standards Committee 592 International Financial Reporting Interpretations Commitee 609 International Financial Reporting Standards 592 International Organisation of Securities Commissions 593 Internationale Informationsrecherche 182 Internationale Jagdlinie 6 Internationale Kapitalmärkte 629 Internationale Kollegien 452 Internationale Liniensysteme 453 Internationale Mediaselektionsplanung 538 Internationale Rechnungslegung 591 Internationale Unternehmensziele 192 Internationale Wettbewerbsvorteile 318 Internationales Beschaffungsmanagement 474 Internationales Kapazitätsmanagement 493 Internationales Projektmanagement 452 Internationalisierung 10 -, aktive 311 -, aassive 316 Internationalisierungsgrad 375 Internationalisierungspotenzial 330 Internationalisierungsstrategien 307, 311, 341 Interorganisationale Netzwerke 383 Intraorganisatorische Netzwerke 385 Investment Banking 636 J Jahresabschluss 604 Jahresabschluss nach IAS/ IFRS 599 Joint Ventures 406 K Kapitalflussrechnung 603, 607 Kapitalkonsolidierung 616 Kapitalwertmethode 343 Key-Accounts 540 klassische Organisationsstrukturen 373 Kommunikations- -, barrieren 528 -, politik 511, 527, 532, 555 -, prozesse 389 -, strategie 527, 528, 529, 530, 531, 533 komparative Kostenvorteile 56 Kompensationsverträge 400 Konfiguration von Produktionsstandorten 487 Konkurrenzspionage 328 Konsortialstruktur 405 Kontextfaktoren internationaler Logistik 498 Konvergenzthese 528, 529 Konzernabschlusserstellung 614 konzernexterne Außenfinanzierung 644 konzerninterne Außenfinanzierung 643 Kooperationen 395 Kooperationsmanagement 395 Kooperationsprozess 387, 396 Kostenführerschaftsstrategie 248 Kreuzinvestitions-Strategien 317 Kreuzlizenzabkommen 75 L Lagebericht 606 Lead-Country-Konzept 387 Leasingverträge 401 Leasingverträgen 499, 519 Leontief-Paradoxon 57 Lernkurven-Theorie des internationalen Handels 64 Letter of Intent 672 Liabilities 600, 611 <?page no="811"?> 788 • Stichwortverzeichnis Lieferbedingungen 517, 519 Lizenzen 37 Lizenzvertrag 74, 402 Local-Content-Vorschriften 484 Logistikmanagement 495 Logistik-Outsourcing 500 Logistikziele 496 lokale Autonomie 459 Lokalisierungsvorteile 511, 512 M M&A-Transaktionen 669 Make-, Kooperations- und Buy-Strategien 448 Make-or-Buy-Prozess 447 Make-or-Buy-Entscheidung 478 Make-or-Buy-Entscheidungen 444 Makro-Umfeld 202 Management by Exception 460 Management by Objectives 714 Management-Holding 379, 381 Managementverträge 404 Marketing- -, konzept 511 -, teilpolitiken 511 Markt- -, eintrittsbarriere 497 -, eintrittsformen 339 -, eintrittstrategie 336 Marktdurchdringung 240 Markteintrittsstrategie 545 Markterweiterung 241 Marktstellung 523, 680 Maskulinität 716 Massenproduktion 486 Matrix-Projektorganisation 453 Media-Overspill-Effekte 539 Memorandum of Understanding 595 Mercado Comun del Sur 24 Mikro-Umfeld 202 Misfit-Analyse 340, 342 Mission 188 Mitläufer-Effekt 73 Modifizierung Porter-Diamant-Ansatz 443 Modular Sourcing 476 Monte-Carlo-Simulation 258, 344 Motive für internationale Kooperationen 398 Multiple Option Society 532 Multiple-Sourcing-Strategie 475 N Nachfragestruktur-Theorie 67, 69 Neoprotektionismus 85 Netzwerkstrukturen 382 Neuigkeitsgrade von Produktinnovationen 513 North American Free Trade Agreement 21 Norwalk Agreement 595 Not invented here-Syndrom 376 Nutzwertanalyse-Modelle 332 O Öffentlichkeitsarbeit 527, 541, 543 Operating Leasing 401 Operations Risk Index 334 optimale Allokation 526, 527 Organisation des Controllings 578 Organisationsformen ökonomischer Aktivitäten 384 Organisationsmanagement 370 Organisationsstruktur 371 Organisatorische Subziele 371 organisiertes Beschaffungsmanagement -, ethnozentrisch 481 -, geozentrisch 482 -, polyzentrisch 482 Orientierung -, ethnozentrische 512 -, geozentrische 512 -, polyzentrische 512 -, regiozentrische 512 Outpacing-Strategie 251 Outsourcing -, Risiken 476 -, Vorteile 476 P paritätische Aufteilung 406 Partialzentren 386 partielles Emanzipationsprinzip 494 partizipative Produktentwicklung 553 Passivierungsgrundsatz 606 Pattern-Analyse 345, 349, 350, 358 penetrationsorientierte Preispolitik 524 Performance Measurement 280 Permission-Marketing 557 Personal Selling 540 Personalbedarfsplanung 691 Personalentwicklungsaktivitäten 720 <?page no="812"?> Stichwortverzeichnis • 789 personenorientierte Instrumente 392 persönliche Anweisung 392 Planungsmodell zur Strategiebewertung 259 Pockets of Innovation 446 politische Union 19 polyzentrische Besetzungsstrategie 696 polyzentrische Führungskonzept 81 polyzentrische Struktur 387 Porter-Matrix 245 Portfolioinvestition 70 Präferenzzonen 17 Preis- -, bildung 525 -, differenzierungsstrategie 517 -, eskalationseffekt 520 -, korridorstrategie 517 -, standardisierung 517 Preis-Leistungskurve 522 Private-Equity-Finanzierung 675 Private-Equity-Fonds 678 Product-Placement 544 Produkt- -, auswahl 513 -, differenzierung 513 -, elimination 513 -, erneuerungszyklen 515 -, innovation 513 -, standardisierung 514 -, variation 513 Produktdifferenzierung 242 Produktionsmanagement 482 Produktionsorganisation 485 Produktlebenszyklus-Theorie 61, 71 Produktstruktur 375 Profit Center 374 Profit-Contribution Pricing 521, 522 Projektmanagement 405 Projektplanung 327 Prozess der Kapitalbeschaffung 641 Prozessorganisation 389 prozessuale Gestaltungselemente internationaler Unternehmen 389 Q qualitative Analyse 344 qualitative Faktoren -, länderspezifische 345 -, produktspezifische 345 -, strategiespezifische 345 qualitative Orientierung 12 quantitative Analyse 343 R Rapid Prototype Launching 553 Realisationsprinzip 606 Rechnungslegung -, EU 608 -, US-GAAP 609 Rechnungslegung BilMoG 605 Rechnungslegung HGB 605 Rechnungslegungsgrundsätze des IASB 596 Rechnungslegungssystem 591 Reconciliations 595 Re-Entry-Position 710 Regionalhierarchie 179 Regionalisierung 16, 374 Regionalstruktur 376 regiozentrisches Führungskonzept 82 Resale Price Method 526 Reverse-Pricing 555 Richtlinien 391 Risikoberücksichtigung 270 Rolle des Staates 100 Rolle des Zufalls 100 Roll-over-Kredite 650 Rule of Ten 456, 457 S Sanduhrmodell der Strategieentwicklung 175 Schnittstellen und Reaktionsfähigkeit 380 Schrittmachertechnologie 436 Schuldenkonsolidierung 616 Schwellenländer 206 Scoring-Modell 319, 320 -, Wettbewerbsvorteile 322 -, Wettbewerbsvorteile nach Benetton 323 Screening-Kriterien 672 Search Engine Marketing 557 Securities and Exchange Commission 609 Selbstabstimmung 393 Sensitivitätsanalysen 256 Sieben-Stufen-Plan 704 Silent language 535 simultane Existenz von Autonomie 395 Simultaneous Engineering 456 Single-Sourcing-Strategie 475 Single-statement approach 601 <?page no="813"?> 790 • Stichwortverzeichnis Single-Statement Approach 611 Societal Response Assessment Matrix 543 Soft Customization 554 Sozialisation 394 Sponsoring 527, 544 Sprinkler-Modell 86 Stabsstellen 454 Standardisierung des Controllings 582 Standing Interpretations Commitee 597 Standortmanagement 487 Statement-of-Changes-in-Equity Approach 612 Stern-Analyse 207 Steuerminimierung 526 Strategiekommunikation 277 Strategieumsetzung 272 Strategische Allianzen 407 Strategische Beschaffung 480 Strategische Geschäftsfelder 177 Strategische Lücken-Analyse 311 Struktur-Stadien-Modell 377 Subcontracting 476 Subcontracting-Abkommen 403 Supply Chain Management 473 Supply Chains 473 Supply Management 473 Synchronisationsprinzip 494 System Sourcing 476 Systematisierung internationaler Kooperationen 399 T technische Hilfsverträge 404 technokratische Instrumente 389 Technologiegewinnung und -sicherung 75 Technologieparadigma-Wechsel 437 Technologie-Portfolio-Matrix 438 Technologieposition Gerpott 440 Technologie-S-Kurve 435 Technologieverträge 586 Teilmärkte des Euromarktes 631 Theorie der Internalisierung 77 Theorie der technologischen Lücke 57 Theorie des oligopolistischen Parallelverhaltens 71 Theorien der Direktinvestition 70 Theorien zu internationalen Technologieverträgen 74 Tornado-Charts 256 Tracking and Tracing 559 Träger der Kapitalbeschaffung 635 Transaktionskostenarten 447 Transaktionsprozesse 551 transnationale Unternehmen 385 Tree-Matrix 340 Triade-Denken 5 Triademodell 83 Two-statement approach 601, 611 typische Geschäftsfelder einer Universalbank 636 U Überschusstechnologie 74 Übersicht der IAS/ IFRS 598 Umrechnungskurs 615 Uno-Modell 86 unternehmensexterne Restriktionen 76 unternehmensinterne Einflussfaktoren 399 unternehmensinterne Restriktionen 76 Unternehmenskonzept 406 Unternehmenspublizität 591 V Varianten von Internationalisierungsstrategien 92 Verrechnungspreisbildung 587 Verrechnungspreisen 525, 526 Vertriebswege -, direkte 546, 547 -, indirekte 546 virtuelle Unternehmen 408 Vision 190 Vorsichtsprinzips 606 W Wachstumsstrategien 239 Währungsmanagement 13, 659 Währungsumrechnung 615 Wasserfall-Modell 86 Wechselkurse 525 Wechselkurssysteme 626 Welthandelsvolumen 34 Werbeagentur 537 Wertkette von Porter 91 Wertschöpfungstiefe 477 Wettbewerbsvorteile von Nationen 94 <?page no="814"?> Stichwortverzeichnis • 791 Wirtschaftlichkeitsanalysen 340 Wirtschaftsunion 18 Z Zahlungsbedingungen 498, 516, 519 Zahlungsverfahren Internethandel 555 Zentrale Steuerung 459 Zero Coupon Bond 652 Ziele des internationalen Finanzmanagements 625 Zinsmanagement 657 Zollunion 18 zweidimensionale Matrixstruktur 377