Außenwirtschaft
0101
2014
978-3-8385-8493-5
978-3-8252-8493-0
UTB
Oliver Lorz
Horst Siebert
Güterströme fließen täglich rund um den Erdball und die internationale Arbeitsteilung in der Produktion nimmt auch heute noch weiter zu. Das Wissen um die Außenwirtschaft ist deswegen für angehende Volks- und Betriebswirte außerordentlich wichtig. Dieses Lehrbuch vermittelt Studierenden das Grundlagenwissen der modernen Außenwirtschaftstheorie und diskutiert die Prinzipien der internationalen Arbeitsteilung, die zentralen Hypothesen zur Erklärung von Güterbewegungen und Faktorwanderungen, das Konzept des Handelsgleichgewichts, die Gewinne aus Handel und die Zollpolitik. Es befasst sich darüber hinaus mit den monetären und makroökonomischen Problemen offener Volkswirtschaften wie Zahlungsbilanz und Ausgleichsmechanismen, Wechselkurs und Devisenmarkt, Geldmarkt und Finanzmarkt, der Stabilisierungspolitik in offenen Volkswirtschaften, und der Grundstruktur der Welthandels- und Weltwährungsordnung und lässt auch das Phänomen spekulativer Währungsblasen nicht außer Acht.
<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich <?page no="3"?> Oliver Lorz, Horst Siebert Außenwirtschaft 9., vollständig überarbeitete Auflage UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München <?page no="4"?> Prof. Dr. Oliver Lorz lehrt Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der RWTH Aachen. Prof. Dr. Horst Siebert † war von 1989 bis 2003 Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft und Hayek-Preisträger. Lob und Kritik Wir freuen uns darüber, dass Sie sich für ein UTB-Lehrbuch entschieden haben. Wir hoffen, dass Sie dieses Buch bei Ihrer Prüfungsvorbereitung sinnvoll unterstützt. Für Lob und Kritik haben wir stets ein offenes Ohr: Schreiben Sie uns einfach eine E-Mail an das Lektorat (wirtschaft@uvk.de). Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2014 Lektorat: Rainer Berger Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: © Scanrail - Fotolia.com Druck und Bindung: fgb freiburger graphische betriebe, Freiburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstraße 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 8081 ISBN 978-3-8252-8493-0 <?page no="5"?> Vorwort zur 9. Auflage Als Horst Siebert mir anbot, an der 8. Auflage der Außenwirtschaft mitzuwirken, sind wir beide davon ausgegangen, noch einige weitere Neuauflagen gemeinsam vorbereiten und veröffentlichen zu können. Leider kam es anders; sein für uns alle unerwarteter und viel zu früher Tod im Juni 2009 hat eine schmerzliche Lücke gerissen. Diese Auflage ist seinem Andenken gewidmet. Das vorliegende Lehrbuch ist aus der Vorlesung „Außenwirtschaft“ hervorgegangen, die Horst Siebert wiederholt in Kiel, in Konstanz und in Mannheim gehalten hat. Im Jahr 1973 wurde die erste Auflage des Buchs unter dem Titel „Außenhandelstheorie“ veröffentlicht. Somit ist es nun bereits seit 40 Jahren auf dem Markt. Es wurde fortlaufend erweitert und aktualisiert, um dem Leser eine verständliche Darstellung der modernen Außenwirtschaftstheorie zu liefern. Dabei befasst es sich mit den Prinzipien der internationalen Arbeitsteilung, ihren Auswirkungen auf die beteiligten Länder, den Hypothesen zur Erklärung von Güterhandel und Faktorwanderungen, dem Konzept des Handelsgleichgewichts, den Wirkungen von Handelspolitik sowie mit den Einflussgrößen auf Zahlungsbilanz, Devisenmarkt und Wechselkurs. Bei der Aktualisierung der Schaubilder, Tabellen und Daten für die 9. Auflage waren Morten Endrikat, Johannes Bachstädter und Meike Kneip überaus behilflich. Hanna Goffart und Ramin Dadasov haben das Manuskript kritisch gelesen und an zahlreichen Stellen wertvolle Korrekturen und Anregungen eingefügt. Susanne Mohammad Zadeh hat viele Formatierungsarbeiten übernommen. Meine Frau Elke Lorz hat den gesamten Text sprachlich überarbeitet und viel zur besseren Verständlichkeit beigetragen. Das Projektmanagement schließlich lag bei Philip Müller in besten Händen. Allen Beteiligten an dieser und an früheren Auflagen sei herzlich gedankt. Verbleibende Fehler und Unvollkommenheiten dieser Auflage sind jedoch ausschließlich mir anzukreiden. Aachen, im August 2013 Oliver Lorz Hinweise für den Leser Zentrale Ergebnisse sind als Aussagen explizit kenntlich gemacht und kapitelweise durchgehend nummeriert. Schaubilder und die relevanten Gleichungen sind ebenfalls kapitelweise durchgehend nummeriert. Am Ende der Kapitel finden sich einige weiterführende Fragen, deren Antworten aus der Literatur entnommen werden können. Diese weiterführenden Fragen weisen in der Regel auf Aspekte hin, die in den Kapiteln nicht oder nur ansatzweise behandelt werden. Zudem werden einige wichtige weiterführende Literaturhinweise gegeben. <?page no="6"?> VI Inhalt Inhalt Vorwort zur 9. Auflage.................................................................................................. V Hinweise für den Leser.................................................................................................. V 1. Problemstellung der Außenwirtschaft .............................................................. 1 2. Das empirische Bild der internationalen Arbeitsteilung ............................... 5 2.1 Struktur des Welthandels ........................................................................ 5 2.2 Außenhandelsabhängigkeit Deutschlands............................................ 9 2.3 Internationale Faktorwanderungen ..................................................... 11 3. Absolute Preisvorteile, Wechselkurs und relative Preisvorteile................. 15 3.1 Absolute Preisvorteile ............................................................................ 15 3.2 Bedingung für Handel und Wechselkurs ............................................ 18 3.3 Relative Preisvorteile.............................................................................. 22 4. Ricardos Theorem der komparativen Kosten ................................................. 27 4.1 Handel bei unterschiedlichen Arbeitsproduktivitäten ...................... 27 4.2 Anpassungsprozesse nach Aufnahme von Handel ........................... 32 5. Ursachen relativer Preisvorteile: Präferenzen, Technologie und Faktorausstattung ......................................... 41 5.1 Handelsmodell mit zwei Faktoren ....................................................... 41 5.2 Unterschiedliche Nachfrageverhältnisse ............................................. 49 5.3 Unterschiedliche Produktivitäten......................................................... 50 5.4 Unterschiedliche Faktorausstattung..................................................... 52 5.5 Anpassungsprozesse nach Aufnahme von Handel ........................... 59 5.6 Exkurs: Rybczynski-Theorem ............................................................... 65 6. Modifikationen und Erweiterungen ................................................................ 71 6.1 Sektorgebundene Faktoren.................................................................... 71 6.2 Nicht-handelbare Güter ......................................................................... 75 6.3 Zwischengüter......................................................................................... 77 6.4 Dienstleistungen ..................................................................................... 78 6.5 Dynamische Ansätze .............................................................................. 80 6.6 Mehrere Güter, Faktoren und Länder.................................................. 82 <?page no="7"?> Inhalt VII 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb ........................................ 87 7.1 Abnehmende Stückkosten und Handel ............................................... 87 7.2 Monopolistische Marktpositionen ........................................................ 92 7.3 Produktdifferenzierung und intrasektoraler Handel......................... 94 7.4 Heterogene Unternehmen.................................................................... 105 7.5 Preisdumping bei segmentierten Märkten ........................................ 109 7.6 Internationale Oligopole und strategische Handelspolitik ............. 112 8. Empirische Ansätze zum Außenhandel......................................................... 123 8.1 Wettbewerbsfähigkeit von Sektoren................................................... 123 8.2 Empirische Tests zum Heckscher-Ohlin-Modell .............................. 128 8.3 Gravitationsansatz ................................................................................ 133 9. Faktorwanderungen und multinationale Unternehmen............................. 135 9.1 Wanderung der Arbeit ......................................................................... 135 9.2 Kapitalbewegungen und intertemporaler Handel ........................... 138 9.3 Güterbewegungen und Faktorwanderung........................................ 141 9.4 Direktinvestitionen und multinationale Unternehmen ................... 143 9.5 Offshoring .............................................................................................. 150 10. Tauschverhältnis und Handelsgleichgewicht .............................................. 159 10.1 Konsistenz der Tauschpläne und Gleichgewicht.............................. 159 10.2 Marshall-MiII-Tauschkurven............................................................... 161 10.3 Wohlfahrtsgewinne aus Handel.......................................................... 165 10.4 Entwicklung des Tauschverhältnisses................................................ 170 11. Zölle, Handelshemmnisse und Welthandelsordnung ................................ 177 11.1 Instrumente der Handelspolitik.......................................................... 177 11.2 Wirkungen einer protektionistischen Handelspolitik...................... 180 11.3 Optimalzoll und Gefangenendilemma............................................... 185 11.4 Erklärungen für Protektionismus ....................................................... 191 11.5 Welthandelsordnung ............................................................................ 194 11.6 Zollunion und andere regionale Integrationsformen....................... 197 12. Die Zahlungsbilanz ........................................................................................... 201 12.1 Zahlungsbilanz und ihre Teilbilanzen ............................................... 201 12.2 Budgetrestriktion und Finanzierungsrestriktion .............................. 204 12.3 Zahlungsbilanzausgleich...................................................................... 210 <?page no="8"?> VIII Inhalt 13. Bestimmungsfaktoren des Leistungsbilanzsaldos ...................................... 217 13.1 Geldmarkt und Leistungsbilanzsaldo................................................ 217 13.2 Investition, Ersparnisse und Leistungsbilanzsaldo.......................... 222 13.3 Gesamtwirtschaftliche Nachfrage und Leistungsbilanzsaldo ........ 225 14. Wechselkurs, Güterhandel und Devisenmarkt............................................ 229 14.1 Hypothese der Kaufkraftparität ......................................................... 229 14.2 Realer und effektiver Wechselkurs..................................................... 234 14.3 Einfluss nicht-handelbarer Güter ....................................................... 237 14.4 Wechselkurs, Güterhandel und Leistungsbilanz ............................. 242 14.5 Wechselkurs und Devisenmarktgleichgewicht ................................ 249 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs.................................................. 259 15.1 Monetäres Gleichgewicht bei flexiblem Wechselkurs ..................... 259 15.2 Zinsparität.............................................................................................. 261 15.3 Überschießen des Wechselkurses ....................................................... 264 15.4 Spekulative Blasen ................................................................................ 268 15.5 Makroökonomisches Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung ........ 276 15.6 Devisenterminmarkt............................................................................. 282 15.7 Wechselkurssysteme ............................................................................ 285 Literatur ........................................................................................................................ 295 Register ......................................................................................................................... 309 <?page no="9"?> 1. Problemstellung der Außenwirtschaft „Between whatever places foreign trade is carried on, they all of them derive two distinct benefits from it. It carries out that surplus part of the produce of their land and labour for which there is no demand among them, and brings back in return for it something else for which there is a demand. It gives a value to their superfluities by exchanging them for something else, which may satisfy a part of their wants, and increase their enjoyments.“ Adam Smith * Dieses einleitende Kapitel liefert einen Überblick über die zentralen Fragen der Außenwirtschaft. Warum wird Außenhandel betrieben? Nach welchen Prinzipien vollzieht sich die internationale Arbeitsteilung? Wie wirkt sich die Außenhandelsverflechtung auf die Wohlfahrt der Länder aus und wie wirkt Handelspolitik? Welche Faktoren beeinflussen die Zahlungsbilanzsituation und den Wechselkurs? 1. Gegenstand. Ziel der Außenwirtschaftstheorie ist die Analyse von ökonomischen Beziehungen zwischen Volkswirtschaften. Volkswirtschaften sind in der Regel keine geschlossenen Systeme, sondern durch den internationalen Güteraustausch, durch die Wanderung von Produktionsfaktoren und durch monetäre Transaktionen miteinander verflochten (Schaubild 1.1). Für ein Land wie Deutschland sind diese internationalen Verflechtungen von zentralem Interesse: Die Exportquote, d.h. der Anteil der Exporte von Gütern und Dienstleistungen am Bruttoinlandsprodukt, lag im Jahr 2010 bei ca. 47 Prozent (Schaubild 2.3). Viele Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt von den Exporten ab. Zugleich ist Deutschland auch in hohem Maße auf Energie- und Rohstoffimporte angewiesen; es importiert außerdem Vorleistungen und fertige Produkte. Nicht nur über den Außenhandel, auch über internationale Tätigkeiten von Unternehmen und über Migration von Arbeitskräften ist die Wirtschaft eines Landes mit dem Ausland verbunden. Im Jahr 2010 waren in Deutschland beispielsweise ca. 2,6 Mio. Erwerbstätige in Tochtergesellschaften ausländischer Investoren beschäftigt (Deutsche Bundesbank 2012). Für Importe werden Devisen benötigt, daher spielt auch die Entwicklung des Wechselkurses eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt befasst sich die Außenwirtschaftstheorie mit der Leistungsbilanzsituation eines Landes und deren Bestimmungsgrößen. * An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 1776, zitiert nach The Modern Library, 1937, New York, S. 416. <?page no="10"?> 2 1. Problemstellung der Außenwirtschaft 2. Fragestellungen. Die Außenwirtschaftstheorie beschäftigt sich mit folgenden Fragen: (1) Warum wird Außenhandel betrieben? Diese Frage zielt darauf ab, welche Vorteile die Haushalte und Unternehmen daraus ziehen, dass sie Güter aus dem Ausland kaufen bzw. dorthin exportieren. Gleichzeitig wird die Frage gestellt, welche Vorteile ein ganzes Land oder die Welt insgesamt aus Außenhandel haben (Kapitel 3 bis 10). (2) Wie lässt sich die internationale Arbeitsteilung erklären? Im Zusammenhang mit dieser Frage ist zu diskutieren, welches Land einen Produktionsvorteil für welches Gut hat, welche Aussagen über Richtung und Volumen des Handels möglich sind und welche Anpassungsprozesse in den Ländern nach Aufnahme von Handel ablaufen. Internationale Arbeitsteilung bezieht sich jedoch nicht allein auf Warenströme, sondern auch auf die Mobilität von Produktionsfaktoren und die Standortentscheidungen von mobilen Unternehmen (Kapitel 3 bis 9). (3) Welche Faktoren bestimmen das Tauschverhältnis? Hier interessiert, welche Faktoren das Tauschverhältnis (die „Terms of Trade“) im Handelsgleichgewicht beeinflussen, wie sich das Tauschverhältnis in der Zeit verändert und welche Rückwirkungen eine Veränderung des Tauschverhältnisses auf die interne Situation eines Landes hat. Ferner wird gefragt, welche Aussagen sich über die Entwicklung der Terms of Trade zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern machen lassen und wie sich das Handelsgleichgewicht charakterisieren lässt (Kapitel 10). Inland Ausland Güter Monetäre Transaktionen Produktionsfaktoren Schaubild 1.1: Interdependenzen zwischen Ländern <?page no="11"?> 1. Problemstellung der Außenwirtschaft 3 (4) Wie wirkt Handelspolitik? Länder greifen durch zahlreiche protektionistische Maßnahmen in die internationale Arbeitsteilung ein. Dabei stellt sich die Frage, wie solche Maßnahmen auf die Handelsströme, die Preise und die Wohlfahrt der betroffenen Länder wirken. Daneben ist es auch wichtig, erklären zu können, welche Einflüsse die Außenhandelspolitik eines Landes bestimmen (Kapitel 11). (5) Welche Mechanismen beeinflussen die Zahlungsbilanzsituation eines Landes? Die Zahlungsbilanz ist die Budgetrestriktion einer Volkswirtschaft. Sie kann auch als Finanzierungsrestriktion bezeichnet werden. Die Außenwirtschaftstheorie erklärt, welche Faktoren die Zahlungsbilanzsituation eines Landes bestimmen und wie sich diese im Zeitablauf verändert (Kapitel 12 und 13). (6) Welche Faktoren bestimmen Leistungsbilanzsaldo und Wechselkurs? Der Wechselkurs spielt eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, außenwirtschaftliche Ungleichgewichte abzubauen. Zudem bestimmt der Wechselkurs (zusammen mit den nominalen Güterpreisen) die Preisvorteile eines Landes im internationalen Handel. Wie sich der Wechselkurs bildet und wie sich Wechselkursänderungen auf den Märkten auswirken, sind daher ebenfalls zentrale Fragestellungen der Außenwirtschaftstheorie. Hierbei spielen auch die Mobilität von Finanzkapital und Spekulationen auf den Finanzmärkten wichtige Rollen (Kapitel 14 und 15). 3. Grundaussage. Angesichts der Fülle von Tabellen, Schaubildern und analytischen Überlegungen besteht die Gefahr, dass zentrale Aussagen in einem Lehrbuch untergehen. Deshalb soll hier zumindest eine vorläufige Antwort auf die Frage gegeben werden, warum Außenhandel für die beteiligten Länder vorteilhaft sein kann. Internationaler Handel ist deshalb sinnvoll, weil er - ähnlich wie bei einem Tauschvorgang innerhalb einer Volkswirtschaft - Tauschvorteile bringt. Ein Land kann seine produzierten Güter gegen andere aus dem Ausland tauschen. Außenhandel ermöglicht zudem die Spezialisierung einzelner Länder in der Produktion und die Ausnutzung von Produktionsbzw. Spezialisierungsvorteilen. Der Vorteil des Außenhandels kann auch aus einer anderen Sicht verdeutlicht werden: Die Möglichkeit des Güteraustauschs hebt Restriktionen auf. Während eine geschlossene Volkswirtschaft nicht außerhalb ihrer Produktionsmöglichkeiten konsumieren kann, erlaubt es der Güteraustausch zwischen den Ländern, dass ein Land Güter konsumiert, die es nicht selbst hergestellt hat - indem es diese Güter importiert und gegen seine Exporte tauscht. Bei einer differenzierten Betrachtung zeigt sich aber auch, dass die Vorteile aus Außenhandel nicht allen Individuen oder Unternehmen innerhalb eines Landes <?page no="12"?> 4 1. Problemstellung der Außenwirtschaft gleichermaßen zugutekommen. Außenhandel hat häufig auch Verteilungswirkungen und es kann somit innerhalb eines Landes Gewinner und Verlierer einer außenwirtschaftlichen Öffnung geben. Dieses Lehrbuch konzentriert sich auf die direkten wirtschaftlichen Effekte des Außenhandels. Außenhandel bedeutet jedoch noch mehr: Über den Austausch mit dem Ausland kann ein Land andere Ideen kennenlernen; Außenhandel dient somit der Verbreitung von Wissen. Auch besteht die Chance, dass Länder durch den Austausch von Gütern, die Wanderung von Faktoren und den dadurch entstehenden Kontakt zwischen Menschen verschiedener Nationen und Kulturen zusammenwachsen. Ein historisches Beispiel hierfür ist der Austausch zwischen Europa, dem Orient und dem fernen Osten entlang der Handelsrouten der Seidenstraße von der späten Antike bis zum ausgehenden Mittelalter. Durch den Handel mit Gewürzen, Rohstoffen und Handwerksgütern und den damit verbundenen Reiseverkehr der Kaufleute verbreiteten sich religiöse Ansichten, philosophische Strömungen, medizinische Kenntnisse und technisches Wissen sowie viele weitere regionale Einflüsse und Gepflogenheiten entlang der Handelswege. 4. Reale und monetäre Außenwirtschaftstheorie. Die Außenwirtschaftstheorie greift Fragen sowohl der Mikroals auch der Makroökonomie auf. Bei der realwirtschaftlichen oder „reinen“ Außenwirtschaftstheorie geht es um die Produktion und Verteilung von Gütern und Produktionsfaktoren: Welches Land hat Produktionsvorteile? Wie erklärt man die Warenströme zwischen Volkswirtschaften? Welches Land hat Standortvorteile? Lohnt sich Außenhandel? In der monetären Außenwirtschaftstheorie dagegen geht es um die Erklärung monetärer Variablen: Welcher Zusammenhang besteht zwischen Güterhandel und Geldmarkt? Welche Einflussgrößen bestimmen das Zinsniveau und den Wechselkurs? <?page no="13"?> 2. Das empirische Bild der internationalen Arbeitsteilung „Facts by themselves are silent.“ Alfred Marshall * In diesem Kapitel wird ein Überblick über empirisch relevante Daten zur internationalen Arbeitsteilung gegeben. Abschnitt 2.1 berichtet über die historische Entwicklung des Welthandels, seine regionale Struktur und seine Zusammensetzung nach Warengruppen. Die Außenhandelsabhängigkeit Deutschlands ist Gegenstand von Abschnitt 2.2. Schließlich werden in Abschnitt 2.3 die internationalen Faktorwanderungen angesprochen. 2.1 Struktur des Welthandels 1. Entwicklung des Welthandels. Der Außenhandel der Welt hat in der Vergangenheit ständig zugenommen. Misst man die Außenhandelsaktivität an den Gesamtexporten von Waren und Dienstleistungen, so ist der Außenhandel der Welt nominal von 387 Milliarden US-$ im Jahr 1970 auf 22 381 Milliarden US-$ im Jahr 2011 angestiegen (Tabelle 2.1). Inflationsbereinigt ist das eine Steigerung auf etwa das Zehnfache des Wertes in 1970 (Schaubild 2.1). Sichtbar ist in Schaubild 2.1 auch der vorübergehende Einbruch des Welthandels im Gefolge der Finanzkrise in 2008. Tabelle 2.1: Entwicklung des Außenhandels a in Milliarden US-$, nominal, nach Regionen 1970 1980 1990 2000 2008 2009 2010 2011 Welt 387 2 306 4 345 7 993 19 756 15 956 18 948 22 381 Nordamerika 79 356 703 1 424 2 375 1 972 2 309 2 635 Deutschland 34 186 425 630 1 745 1 398 1 544 1 807 EU 172 967 1 925 3 048 7 548 6 025 6 600 7 680 Japan 22 146 319 515 859 639 834 893 Lateinamerika 23 123 207 474 1 099 886 1 137 1 328 OECD 296 1 612 3 286 5 755 12 513 10 102 11 493 13 281 a Exporte von Waren und Dienstleistungen. Quelle: World Bank, WDI Online 2013. * The Present Position of Economics. An Inaugural Lecture, 1885. In A.C. Pigou (Hrsg.): Memorials of Alfred Marshall, New York 1956, S. 166. <?page no="14"?> 6 2. Das empirische Bild der internationalen Arbeitsteilung Schaubild 2.1: Entwicklung des Außenhandels in Milliarden US-$, inflationsbereinigt (Basisjahr 2000) nach Regionen. Quelle: World Bank, WDI Online 2013. 2. Internationale Aufteilung. Die Warenhandelsströme für 2011 innerhalb und zwischen den Regionen der Weltwirtschaft sind in Schaubild 2.2 dargestellt - in Anteilen am gesamten Weltwarenhandelsvolumen. 1 Ein großer Teil des Weltwarenhandels, gut ein Viertel, läuft zwischen verschiedenen Ländern innerhalb Europas ab. Regionenübergreifend am bedeutsamsten ist der Handel zwischen Asien auf der einen Seite und Europa bzw. Nordamerika auf der anderen. Nordamerika und Europa exportieren mehr als sie importieren, während Asien einen Überschuss im Warenhandel erzielt. Teilt man die Länder nicht geografisch, sondern in die Gruppen Industrieländer und Entwicklungsländer ein, so bestreitet die Gruppe der Entwicklungsländer in 2011 insgesamt 43 Prozent der Weltexporte (Tabelle 2.2). 3. Handel nach Warengruppen. Betrachtet man die Struktur des Weltwarenhandels nach Warengruppen, so beträgt der Anteil der industriellen Erzeugnisse am Welthandel 63,2 Prozent (in 2011), der Rohstoffe ohne Erdöl 5,0 Prozent sowie der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Nahrungsmittel 6,5 Prozent (Tabelle 2.2). 2 Die Industrienationen bestreiten insbesondere bei den chemischen Produkten den Löwenanteil der Weltexporte (70,5 Prozent). Bei einzelnen anderen Industriewaren, wie z.B. Kleidung, ist der Exportanteil der Industrieländer jedoch wesentlich geringer. Die OPEC bestreitet 37,2 Prozent des Weltexports bei Mineralölen und verwandten Produkten. 1 Dienstleistungen sind hier aus der Betrachtung ausgeklammert. 2 SITC steht für „Standard International Trade Classification“, die internationale Güterklassifikation für den Außenhandel. 0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000 14.000 16.000 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Welt Nordamerika Deutschland EU Japan Lateinamerika und Karibik OECD <?page no="15"?> 2.1 Struktur des Welthandels 7 Schaubild 2.2: Anteile der Regionen am Weltwarenhandel in Prozent, 2011. Quelle: Daten: WTO International Trade Statistics, 2012. Tabelle 2.2: Warenstruktur des Welthandels (2011), Exportanteile in Prozent Industriestaaten Entwicklungsländer OPEC Osteuropa Anteil am gesamten Welthandel Nahrungsmittel, Getränke, Tabak (SITC 0 und 1) 60,4 36,8 1,6 5,9 6,5 Rohstoffe (ohne Mineralöle), Öle und Fette (SITC 2 und 4) 51,5 43,4 2,0 4,8 5,0 Mineralöle (SITC 3) 27,5 57,8 37,2 2,1 17,8 Chemische Produkte (SITC 5) 70,5 27,3 3,9 3,7 10,9 Maschinen und Transportausrüstung (SITC 7) 57,5 41,8 0,6 5,9 32,0 Andere Industriewaren (SITC 6 und 8 ohne SITC 667 und 68) 52,2 45,4 1,2 6,3 20,3 Anteil am gesamten Welthandel 52,5 43,0 8,1 4,8 Quelle: UNCTAD (2013). Merchandise Trade Matrix. Nordamerika Lateinamerika Afrika Asien Australien Europa 6,2 26,2 16,4 1,1 1,0 3,6 5,2 1,2 1,1 <?page no="16"?> 8 2. Das empirische Bild der internationalen Arbeitsteilung Schaubild 2.3 gibt einen weiteren Einblick in die Struktur des Weltwarenhandels. Es zeigt den Anteil der Industrieländer an den Weltexporten und -importen für ausgewählte Warengruppen. Schaubild 2.3: Anteile der Industrieländer am Weltwarenhandel (2011). Quelle: UN Comtrade 2012. 4. Exportquoten. Als guter Indikator für die Bedeutung des Außenhandels für ein Land kann die Exportquote angesehen werden. Die Exportquote ist als Anteil der Exporte am Bruttoinlandsprodukt definiert. Schaubild 2.4 gibt einen Überblick über die Exportquoten (einschließlich Dienstleistungsexporte) verschiedener Nationen. Schaubild 2.4: Exportquoten ausgewählter Länder (2010). Quelle: International Monetary Fund, International Financial Statistics. 0 50 100 Chemische Produkte (SITC 5) Nahrungsmittel, Getränke, Tabak (SITC 0 und 1) Maschinen und Transportausrüstung (SITC 7) Eisen und Stahl (SITC 67) Garne und Stoffe (SITC 65) Öle, Fette und Wachse (SITC 4) Mineralöle und verwandte Produkte (SITC 3) Bekleidung (SITC 84) Gesamter Warenhandel Importe Exporte 79,9 78,2 66,5 54,1 52,3 50,4 47,0 42,2 30,5 29,4 25,6 19,6 15,2 12,8 0 100 Belgien Niederlande Tschechien Österreich Korea (Republik) Dänemark Deutschland Polen Vereinigtes Königreich Kanada Frankreich Australien Japan USA <?page no="17"?> 2.2 Außenhandelsabhängigkeit Deutschlands 9 Es fällt auf, dass die jeweilige Exportquote mit der Größe der Länder variiert. Die großen USA hatten in 2010 eine Exportquote von lediglich 12,8 Prozent, die kleineren Niederlande und Belgien hingegen über 75 Prozent. Für Deutschland lag die Exportquote bei 47,0 Prozent. 2.2 Außenhandelsabhängigkeit Deutschlands 1. Anstieg der Außenhandelsabhängigkeit. Die Exportquote der Bundesrepublik ist seit 1950 enorm gestiegen: von gut 10 Prozent in 1950 auf 41,5 Prozent im Jahr 2012 (Schaubild 2.5, ohne Dienstleistungsexporte). 2. Außenhandelsabhängigkeit einzelner Branchen. Bei weiterer Disaggregierung wird die Außenhandelsabhängigkeit noch deutlicher. Tabelle 2.3 zeigt, wie ausgeprägt die Exportabhängigkeit einzelner Wirtschaftssektoren in Deutschland ist. Der Maschinenbau und die Automobilindustrie sind Bereiche mit einer sehr hohen Exportabhängigkeit von über 60 Prozent, während die Mineralölverarbeitung vornehmlich für das Inland produziert. Tabelle 2.4 enthält Schätzungen zur gesamten Exportabhängigkeit für die Jahre 2000 und 2005, die auch die exportinduzierten Vorleistungen an andere Sektoren beinhalten - z.B. Lieferungen der Stahlindustrie an die Kraftfahrzeugindustrie, die notwendig sind, um die Kraftfahrzeuge, die exportiert werden, zu produzieren. 3. Regionale Struktur des Außenhandels. Tabelle 2.5 stellt die Regionalstruktur des deutschen Außenhandels dar. In 2011 gingen fast zwei Drittel (62,3 Prozent) der deutschen Warenexporte in andere Länder der Europäischen Union und weitere 10,6 Prozent in andere Länder Europas. Insgesamt lieferte Deutschland somit fast drei Viertel (72,9 Prozent) seiner Waren in europäische Länder. Gut 14 Prozent gingen nach Asien und weniger als 10 Prozent nach Amerika. Eine ähnliche regionale Struktur weisen die Importe auf. Schaubild 2.5: Entwicklung der Exportquote Deutschlands. Quelle: Statistisches Bundesamt. 0 10 20 30 40 50 1950 1960 1970 1989 2004 2008 2012 <?page no="18"?> 10 2. Das empirische Bild der internationalen Arbeitsteilung Tabelle 2.3: Exportanteile ausgewählter Zweige des Verarbeitenden Gewerbes, Deutschland (2011) Wirtschaftszweig Exportanteil a Verarbeitendes Gewerbe insgesamt 46,4 Nahrungs- und Futtermittel 21,0 Kokerei und Mineralölverarbeitung 9,2 Chemische Erzeugnisse 58,9 Metallerzeugung und -bearbeitung 39,1 Metallerzeugnisse 31,8 Elektrische Ausrüstungen 47,5 Maschinenbau 61,4 Kraftwagen und Kraftwagenteile 63,3 a Auslandsumsatz im Verhältnis zum Gesamtumsatz in Prozent. Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 4, Reihe 4.1.1, Tabelle 1.3. Tabelle 2.4: Exportabhängigkeit ausgewählter Wirtschaftsbereiche der Bundesrepublik Deutschland Wirtschaftsbereich Exportabhängigkeit a 2000 2005 Warenproduktion 33,6 40,8 Nahrungs-, Futtermittel und Getränke 20,0 25,0 Maschinenbau 57,7 64,4 Metallerzeugnisse 46,4 56,7 Kraftwagen und Kraftwagenteile 65,7 72,5 Dienstleistungen 12,6 14,8 Handels- und Gastgewerbe 12,7 14,1 Verkehr- und Nachrichtenübermittlung 31,1 35,7 Finanzierung, Vermietung u. Unternehmensdienstleistungen 25,3 29,9 Öffentliche und private Dienstleistungen 2,4 3,0 Gesamt 18,9 21,7 a Anteil der Erwerbstätigen, die direkt bei der Produktion für den Export und indirekt bei der Produktion von Vorleistungen für den Export tätig sind (in Prozent). Quelle: Statistisches Bundesamt 2007, Input-Output-Rechnung, Tabellen zur Verflechtung der deutschen Wirtschaft mit dem Ausland. <?page no="19"?> 2.3 Internationale Faktorwanderungen 11 Tabelle 2.5: Geografische Struktur des deutschen Warenhandels (2011) a Region Exportanteil in % der Gesamtausfuhr Importanteil in % der Gesamteinfuhr Europa 72,9 69,8 EU-Länder 62,3 57,2 Afrika 2,2 2,1 Amerika 9,8 9,1 USA 7,0 5,4 Asien 14,1 18,5 China 6,1 8,8 Australien und Ozeanien 0,9 0,4 a Export- und Importanteile in Prozent der Gesamtaus- und -einfuhr. Quelle: Statistisches Bundesamt Fachserie 7, Reihe 1, Tabelle 1.4; eigene Berechnungen. 4. Importabhängigkeit bei Rohstoffen. Die Rohstoffabhängigkeit der Bundesrepublik ist durch die Energiekrisen der siebziger Jahre deutlich geworden. Wir decken etwa 50 Prozent unseres Primärenergiebedarfs durch Importe. Die Importquoten für ausgewählte mineralische Rohstoffe sind in Tabelle 2.6 dargestellt. Hier zeigt sich z.T. eine extrem hohe Abhängigkeit von importierten Rohstoffen. Tabelle 2.6: Importabhängigkeit bei verschiedenen Rohstoffen*, (2011) Bauxit 78 (China) Silber 55 (Peru) Seltene Erden 88 (China) Niob 78 (Brasilien) Chrom 65 (Südafrika) Vanadium 66 (China) Eisen 57 (Brasilien) Mangan 75 (China) Phosphate 89 (Israel) Molybdän 61 (Chile) Baryt 86 (China) Nickel 59 (Russland) * Importquoten in Prozent; in Klammern sind die Haupthandelspartner aufgeführt. Quelle: Deutsche Rohstoffagentur (2012). Deutschland Rohstoffsituation 2011. 2.3 Internationale Faktorwanderungen Neben Güterbewegungen spielen auch grenzüberschreitende Wanderungen von Produktionsfaktoren bei der internationalen Arbeitsteilung eine erhebliche Rolle. 1. Arbeitskräftemigration. Tabelle 2.7 zeigt den Bevölkerungsanteil der Migranten in den verschiedenen Weltregionen. Die Gesamtzahl der Migranten weltweit wird von der UN auf 214 Millionen geschätzt, das sind 3,1 Prozent der Weltbevölkerung. Der Migrantenanteil in den Industrieländern ist deutlich höher als <?page no="20"?> 12 2. Das empirische Bild der internationalen Arbeitsteilung der in Entwicklungsländern. Geografisch stechen als Regionen mit der höchsten Zuwanderung Nordamerika und Australien/ Ozeanien heraus. Tabelle 2.7: Anteil der Migranten an der Gesamtbevölkerung in Prozent (2010) Anteil Afrika 1,9 Asien 1,5 Europa 9,5 Lateinamerika 1,3 Nordamerika 14,2 Australien und Ozeanien 16,8 Industrieländer 10,3 Entwicklungsländer 1,5 Welt 3,1 Quelle: United Nations Population Division (2011), Trends in International Migrant Stock: Migrants by Age and Sex. 2. Internationale Direktinvestitionen und multinationale Unternehmen. Im Zeitraum zwischen 1990 und 2012 stieg die Summe der ausländischen Direktinvestitionen stark an (Tabelle 2.8). In den Entwicklungsländern ist dieser Trend besonders deutlich. Tabelle 2.8: Ausländische Direktinvestitionen (in Mrd. US-$) 1990 1996 2002 2008 2012 Jahresdurchschnitte a Welt 207,4 391,4 626,0 1 816,4 1 350,9 876,2 Industrieländer 172,5 236,0 445,6 1 026,5 560,7 540,9 Entwicklungsländer 34,8 149,5 169,2 668,4 702,8 302,1 a Jahresdurchschnitte für 1990-2012. Quelle: UNCTAD World Investment Report 2013, Annex Tables, FDI inward. Wichtige Kennzahlen zur Bedeutung multinationaler Unternehmen in der Weltwirtschaft zeigt Schaubild 2.6. Sowohl die Direktinvestitionen als auch die Umsätze und die Wertschöpfung ausländischer Tochtergesellschaften sind im Zeitraum von 1990 bis 2012 deutlich stärker gestiegen als das Bruttoinlandsprodukt. Das weist auf die zunehmende Bedeutung multinationaler Unternehmen hin. <?page no="21"?> Statistische Quellen 13 Schaubild 2.6: Kennzahlen zu multinationalen Unternehmen (weltweit), Werte in Relation zum BIP (in Prozent). Quelle: UNCTAD World Investment Report 2013. Statistische Quellen Wichtige statistische Quellen für Aspekte der Außenwirtschaft sind: Deutsche Bundesbank, Zahlungsbilanzstatistik. Hier finden sich Angaben zur Zahlungsbilanz, zum Warenhandel, zum Dienstleistungsverkehr, zum Kapitalverkehr, zu Finanzpositionen und zum Wechselkurs (http: / / www.bundesbank.de). Europäische Zentralbank, Monatsberichte. Die Monatsberichte enthalten die wichtigsten realwirtschaftlichen und monetären Daten über Euroland (http: / / www.ecb.int). International Monetary Fund, International Financial Statistics und Direction of Trade Statistics. Hier wird über Wechselkurse, internationale Liquidität, Zinssätze, Preise, Produktion, Zahlungsbilanzen, volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen und Handelsströme berichtet(http: / / www.imf.org). OECD, Economic Outlook. Enthält Analysen der makroökonomischen Situation in den Ländern der OECD mit wichtigen Daten zur konjunkturellen Lage, zur Zahlungsbilanz, zur Finanzpolitik und über wirtschaftliches Wachstum (http: / / www.oecd.org). Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten. Das Jahresgutachten enthält in seinem ersten Kapitel eine Schilderung der internationalen Situation und hat einen kurzen internationalen Tabellenteil (http: / / www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de). Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch. Das statistische Jahrbuch enthält die wichtigsten Daten zur deutschen Wirtschaft und ihren internationalen Verflechtungen (http: / / www.destatis.de). 0 5 10 15 20 25 30 35 40 1990 2012 Direktinvestitionen Umsatz ausländischer Tochterunternehmen Wertschöpfung ausländischer Tochterunternehmen <?page no="22"?> 14 2. Das empirische Bild der internationalen Arbeitsteilung United Nations, Monthly Bulletin of Statistics. Enthält wichtige Daten über die Handelsströme (http: / / unstats.un.org/ unsd/ mbs/ ). Weltbank, World Development Indicators. Indikatoren zur Entwicklung von Ländern und Regionen mit Fokus auf Entwicklungsländer (http: / / data.worldbank.org). WTO, International Trade Statistics. Enthält wichtige Daten über Handelsströme und -trends (http: / / www.wto.org). <?page no="23"?> 3. Absolute Preisvorteile, Wechselkurs und relative Preisvorteile „Thus, cloth cannot be imported into Portugal unless it will sell there for more gold than it cost in the country from which it was imported; and wine cannot be imported into England unless it will sell for more there than it cost in Portugal.“ David Ricardo * Warum tauschen Volkswirtschaften Güter aus? Warum fragen Inländer Güter aus dem Ausland nach? Die Antworten auf diese Fragen hängen häufig mit den Preisvorteilen der Länder zusammen. Ein Land wird dann ein Gut exportieren, wenn es für dieses Gut absolute Preisvorteile hat (Abschnitt 3.1). Der Wechselkurs bringt relative Preisvorteile in absoluten Preisvorteilen zum Ausdruck (Abschnitt 3.2). Außenhandel ist also auf relative Preisvorteile zurückzuführen (Abschnitt 3.3). 3.1 Absolute Preisvorteile 1. Fragestellung und Annahmen. Um die Frage zu beantworten, unter welchen Bedingungen ein Güteraustausch zwischen Volkswirtschaften zustande kommt, wird eine Ausgangssituation mit prohibitiv hohen Handelshemmnissen unterstellt, so dass die Volkswirtschaften in der Ausgangslage geschlossen (autark) sind. Handelshemmnisse können dabei z.B. Transportkosten, Regulierungen, Zölle oder mengenmäßige Handelsbeschränkungen sein. Dieser Ausgangslage stellen wir eine Situation gegenüber, in der keinerlei Handelshemmnisse vorliegen. Wir vergleichen also die Situation geschlossener Länder mit der des völligen Freihandels. Die Fragestellungen lauten dann, welche Aussagen sich über die Richtung des internationalen Güteraustausches ableiten lassen und wie sich das Gleichgewicht nach Aufnahme von Handel von dem Autarkiegleichgewicht unterscheidet. Um die Argumentation weiter zu vereinfachen, wird unterstellt, dass es nur zwei Länder gibt (das Inland und das Ausland) und nur zwei Güter (Gut 1 und Gut 2). Zur Unterscheidung vom Inland werden alle Variablen des Auslands mit einem „*“ gekennzeichnet. * The Principles of Political Economy and Taxation, 1817, zitiert nach der Ausgabe von Dent, London und Melbourne, 1987, S. 84. <?page no="24"?> 16 3. Absolute Preisvorteile, Wechselkurs und relative Preisvorteile 2. Absolute Preisvorteile. Nach Öffnung der Grenzen werden - bei preisbewusstem Verhalten - die Konsumenten des Auslands dann Gut 1 im Inland nachfragen, wenn der Preis des Gutes 1 vor Handel im Inland niedriger ist als der Preis des gleichen Gutes im Ausland. Exportchancen einer Volkswirtschaft für ein Gut bestehen also dann, wenn diese Volkswirtschaft absolute Preisvorteile hat. Da die Preise in nationalen Währungen notiert sind, können sie nur dann miteinander verglichen werden, wenn das Umrechnungsverhältnis der nationalen Währungen bekannt ist. Dieses Verhältnis ist der Wechselkurs . Der Wechselkurs kann definiert sein als Relativpreis der ausländischen Währung (Preisnotierung) und gibt dann an, wie viele heimische Währungseinheiten (z.B. €) man aufwenden muss für eine Einheit der ausländischen Währung (z.B. $). Der Wechselkurs in Preisnotierung hat die Dimension [€/ $]. Alternativ dazu kann der Wechselkurs auch definiert werden als Menge an ausländischer Währung, die man für eine Einheit der inländischen Währung erhält (Mengennotierung). In Mengennotierung hat der Wechselkurs die Dimension [$/ €]. 1 Im Folgenden verwenden wir die Preisnotierung. Damit lautet die Bedingung für den Export von Gut 1 aus dem Inland wie folgt: 2 € ∗ $ ⋅ € $ . Die Bedingung für einen Export wird in Schaubild 3.1 in einem einfachen Angebots-Nachfrage-Diagramm verdeutlicht. 3 In Schaubild 3.1a kennzeichnet N die Nachfrage- und A die Angebotskurve des Inlands für Gut 1 mit dem gleichgewichtigen Autarkiepreis OB in €. In 3.1b sind die Angebots- und Nachfragekurven des Auslands (A* und N*) abgebildet, wobei diese, wie im Inland, in Abhängigkeit des Preises in € dargestellt sind. Dazu muss der Wechselkurs gegeben und konstant sein. Der zugeordnete Autarkiepreis beträgt O*B*. Schaubild 3.1c gibt das Exportangebot des Inlands EA und die Importnachfrage des Auslands IN* an. Das inländische Exportangebot ist die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage im Inland; die ausländische Importnachfrage ist die Differenz zwischen Nachfrage und Angebot im Ausland. Gemäß Schaubild 3.1a und 3.1b ist der Autarkiepreis für Gut 1 im Inland niedriger als im Ausland. Entsprechend exportiert das Inland Gut 1 ins Ausland (Schaubild 3.1c). 1 Der Wechselkurs in Mengennotierung wird auch als Außenwert einer Währung bezeichnet. 2 Wir gehen hier von einer strengen Ungleichung aus. Die schwache Ungleichung, die eine Gleichheit der Preise im In- und Ausland einbezieht, würde auch die Fälle einschließen, bei denen die Länder indifferent gegenüber dem Handel wären. 3 Eine ausführlichere Darstellung findet sich in Kapitel 14. <?page no="25"?> 3.1 Absolute Preisvorteile 17 Q 1 Q * 1 Exportmenge A N O O* A* N* B B* O p [€/ ME ] 1 1 p * w [€/ ME ] 1 1 p [€/ ME ] 1 1 a b c . EA IN* Schaubild 3.1: Absolute Preisvorteile Aussage 3.1: Käufer eines Landes werden nach Aufnahme von Handel dann ein Gut eines anderen Landes nachfragen, wenn das andere Land einen absoluten Preisvorteil in Autarkielage für dieses Gut hat. Die oben abgeleitete Bedingung kann auch den Grenzfall erfassen, bei dem ein Land ein Gut überhaupt nicht herstellen kann (z.B. bestimmte Rohstoffe oder Freilandananas in Alaska). In diesem Fall kann man sich vorstellen, dass der Preis dieses Gutes in der Autarkielage gegen unendlich geht. 3. Absolute Preisnachteile. In Schaubild 3.2 ist der Fall dargestellt, bei dem das Inland für Gut 2 einen absoluten Preisnachteil hat, also ∗ ⋅ . Schaubild 3.2a gibt die Nachfrage- und Angebotskurve des Inlands für Gut 2 wieder. OC ist der Autarkiepreis des Inlands. In Schaubild 3.2b sind die Nachfrage- und Angebotskurven des Auslands eingezeichnet, wieder unter der Annahme eines gegebenen und konstanten Wechselkurses. O*C* ist der Autarkiepreis des Auslands. Das Ausland hat einen absoluten Preisvorteil für Gut 2. Auch in diesem Fall sind die Nachfrage- und Angebotskurven des Auslands (Schaubild 3.2b) in Abhängigkeit von Preisen in Euro ausgedrückt. Schaubild 3.2c gibt die Importnachfrage des Inlands IN und das Exportangebot des Auslands EA* an. Q 2 Q * 2 Importmenge A N p [€/ ME ] 2 2 p [€/ ME ] 2 2 p* w [€/ ME ] 2 2 O O* C* C A* N* O a b c . EA* IN Schaubild 3.2: Absolute Preisnachteile <?page no="26"?> 18 3. Absolute Preisvorteile, Wechselkurs und relative Preisvorteile 3.2 Bedingung für Handel und Wechselkurs 1. Wechselkurs und absolute Preisvorteile. Zur Verdeutlichung der Rolle des Wechselkurses gehen wir nun von gegebenen nominalen Güterpreisen auf dem Niveau der Autarkiepreise aus. Dann werden absolute Preisvorteile ausschließlich von der Höhe des Wechselkurses w beeinflusst. In Schaubild 3.3, an dessen Achsen die Preise der beiden Güter in nationalen Währungen abgetragen sind, kennzeichnet Punkt B die Preise des Gutes 1 in den Währungen des Inlands und des Auslands vor Handel. Der Wechselkurs (in € $ ⁄ ) wird durch die Steigung eines Fahrstrahls vom Nullpunkt angegeben. Bei einem Wechselkurs hat das Inland (Euroland) einen absoluten Preisvorteil für Gut 1. Geht man dagegen von einem niedrigeren Kurs aus, so kehrt sich der Preisvorteil um: Jetzt hat das Ausland (USA) einen absoluten Preisvorteil für Gut 1. Die Steigung des Fahrstrahls durch Punkt B gibt die Relation ∗ ⁄ und damit die Grenze für den Wechselkurs an, bei der sich der absolute Preisvorteil des Inlands bei Gut 1 in einen absoluten Preisnachteil umkehrt. Analog ist die Steigung ∗ ⁄ des Fahrstrahls durch C die Grenze, bei der sich der absolute Preisnachteil des Inlands bei Gut 2 in einen Preisvorteil umkehrt. Aussage 3.2: Der Wechselkurs ist ein wichtiger Bestimmungsfaktor absoluter Preisvorteile. Lässt man den Wechselkurs bei gegebenen absoluten Preisen vor Handel variieren, so gibt es einen Wechselkurs, bei dem der absolute Preisvorteil eines Landes in nationalen Währungen in einen absoluten Preisnachteil umgekehrt wird. 2. Anwendung. Um die Relevanz unserer Überlegungen zu verdeutlichen, nehmen wir an, dass eine Prognose über die Exportchancen der Unternehmen eines Landes zu erstellen ist. In diesem Fall ist also zu untersuchen, wie sich der absolute Preisvorteil des Wirtschaftszweiges in der Zukunft entwickeln wird. Wie wir gesehen haben, hängt dies ganz entscheidend davon ab, wie sich der Wechselkurs verändert. Steigt der Wechselkurs w, dann muss man für einen Dollar mehr Euro aufwenden. Somit wird der Dollar für uns teurer und der Euro für das Ausland günstiger. In diesem Fall spricht man von einer Abwertung der Inlandswährung, die dazu führt, dass die Exportchancen des Inlands steigen. Sinkt der Wechselkurs hingegen, d.h., wertet der Euro auf, so werden inländische Produkte im Ausland teurer und damit sinken die Exportchancen. Eine Prognose über die Veränderung des Wechselkurses setzt eine Analyse der möglichen Entwicklung des Devisenmarktes und auch der Zahlungsbilanzsituation voraus (vgl. hierfür Kapitel 13 bis 15). <?page no="27"?> 3.2 Bedingung für Handel und Wechselkurs 19 p , p 1 2 [€/ ME i ] p *, p * 1 2 / ME i ] w 0 w 1 B C [$ O Schaubild 3.3: Absolute Preisvorteile und Wechselkurs 3. Bedingung für Handel. Nehmen wir an, das Inland hätte bei gegebenem Wechselkurs einen absoluten Preisvorteil bei Gut 1 und auch bei Gut 2. Der Wechselkurs würde dann in Schaubild 3.3 oberhalb des Fahrstrahls durch Punkt C liegen. Im Zwei-Länder-Zwei-Güter-Fall, der hier unterstellt ist, würde dann nur das Inland exportieren, und zwar beide Güter - ein Handel oder Austausch zwischen den Ländern käme nicht zustande. Außenhandel oder Tausch verlangt aber, dass ein Land für seine Exporte eine Gegenleistung erhält, d.h., die Tauschwünsche der Länder müssen reziprok sein. Damit ein Austausch zwischen dem Inland und dem Ausland zustande kommt, muss (bei einem gegebenen absoluten Preisvorteil des Inlands für Gut 1) das Ausland einen absoluten Preisvorteil bei Gut 2 haben. Inländische Konsumenten werden Gut 2 aus dem Ausland nachfragen, wenn der Preis dieses Gutes vor Handel im Ausland unter Berücksichtigung des Wechselkurses niedriger ist als im Inland. Formt man die beiden bisher abgeleiteten Bedingungen für einen absoluten Preisvorteil des Inlands bei Gut 1 und des Auslands bei Gut 2 um, so erhält man ∗ und ∗ oder ∗ ∗ . (3.1) Das Inland exportiert Gut 1 und das Ausland exportiert Gut 2, wenn das Inland einen absoluten Preisvorteil für Gut 1 und das Ausland einen absoluten Preisvorteil für Gut 2 hat. Aus Gleichung (3.1) wird auch deutlich, dass die Tauschwünsche der Länder reziprok sein müssen. <?page no="28"?> 20 3. Absolute Preisvorteile, Wechselkurs und relative Preisvorteile Außenhandel kommt zwischen beiden Volkswirtschaften auch im umgekehrten Fall zustande, wenn nämlich das Ausland einen absoluten Preisvorteil bei Gut 1 und das Inland einen absoluten Preisvorteil bei Gut 2 hat. In diesem Fall exportiert das Ausland Gut 1 und das Inland exportiert Gut 2. Die Ungleichungszeichen in Ausdruck (3.1) drehen sich dann um. 4. Bandbreite des Wechselkurses. In Schaubild 3.4 ist die Rolle des Wechselkurses bei der Bestimmung absoluter Preisvorteile für die beiden Güter dargestellt. Schaubilder 3.4a und 3.4d stellen die Märkte für Gut 1 dar und die Schaubilder 3.4c und 3.4f die Märkte für Gut 2. Das Schaubild 3.4b enthält den Wechselkurs ∗ ⁄ ( 1,2). Bei einem Wechselkurs lässt sich der Autarkiepreis O 1 *B* für Gut 1 im Ausland in den Euro-Preis OD umrechnen. Das Inland hat einen absoluten Preisvorteil bei Gut 1. Bei Gut 2 stellt sich beim Wechselkurs ein absoluter Preisnachteil für Gut 2 ein (O 2 C > O 2 E). Der Wechselkurs muss - wenn Handel in der angenommenen Richtung zustande kommen soll - in dem grau hinterlegten Korridor in Schaubild 3.4b liegen. Denn bei einem Wechselkurs ′ verschwindet der absolute Preisvorteil des Inlands für Gut 1 und bei einem Wechselkurs ′′ verschwindet der absolute Preisnachteil des Inlands bei Gut 2. 5. Flexible Wechselkurse. Der Wechselkurs ist in der bisherigen Überlegung als eine exogen vorgegebene Größe behandelt worden. Bei flexiblen Wechselkursen wird der Wechselkurs jedoch als relativer Preis der ausländischen Währung über den Markt bestimmt. Dieser auf dem Markt bestimmte Wechselkurs bleibt von sich aus in den Grenzen der Güterpreisverhältnisse in nationalen Währungen. Das lässt sich mit folgender Überlegung begründen: Der Wechselkurs ist der Relativpreis für die ausländische Währung, also für Devisen. Er bildet sich durch das Zusammentreffen von Devisenangebot und Devisennachfrage auf dem Devisenmarkt. Unterstellen wir, Importe seien jeweils in der Währung ihres Herkunftslandes zu bezahlen. Inländische Importeure benötigen dann für die Begleichung ihrer Rechnung Dollar und bieten dafür Euro an. Wenn man von anderen möglichen Einflussfaktoren absieht, wie internationalem Kapitalverkehr und staatlichen Transaktionen (z.B. Schuldentilgung), resultiert also die Nachfrage nach Dollar auf dem Devisenmarkt aus dem Wert der inländischen Importe in Dollar. Es stellt sich nun die Frage, woraus sich das Angebot an Dollar bestimmt. Nach unseren Annahmen muss das Ausland seine Importe in Euro bezahlen. Es fragt Euro nach und bietet dafür Dollar an, um Euro zu erhalten. Das Devisenangebot an Dollar bestimmt sich also durch den $-Wert der Importe des Auslands. <?page no="29"?> 3.2 Bedingung für Handel und Wechselkurs 21 a b c d e f p 1 p i p 2 p 1 * p i * p 2 * Q 2 * Q 2 Q 1 B D E C B * O 1 O 2 C* O 2 * O 1 * w '' w w ' p i * Q 1 * p i * Schaubild 3.4: Absolute Preisvorteile und Bandbreite des Wechselkurses Wir unterstellen gegebene Güterpreise vor Handel in nationalen Währungen. Es gelte in der Ausgangslage ∗ ⁄ ∗ ⁄ . In Schaubild 3.5 stellt die Strecke OU das in der Autarkiesituation herrschende Preisverhältnis ∗ ⁄ dar. Bei einem Wechselkurs von OU ist die Importnachfrage des Inlands gleich null. Ein Wechselkurs OU würde bedeuten, dass das Ausland sowohl Gut 2 als auch Gut 1 importieren will. Damit fragt das Land bei OU keine Devisen nach und die Kurve der Devisennachfrage beginnt in Punkt U. Die Devisennachfrage hat also eine obere Grenze, die durch die Relation der Autarkiepreise bestimmt ist. Die Strecke OS ist das Preisverhältnis ∗ ⁄ . Sinkt der Wechselkurs so stark, dass diese Grenze erreicht wird, wird das Ausland Gut 1 nicht mehr importieren. Das Ausland bietet in diesem Fall keine Devisen an. Die untere Grenze für den Wechselkurs wird also von der Relation der Preise des Gutes 1 ( ∗ ⁄ ) in nationalen Währungen vor Handel bestimmt. Der gleichgewichtige Wechselkurs auf dem Devisenmarkt wird sich zwischen diesen Grenzen einpendeln. Aussage 3.3: Bei vorgegebenen Güterpreisen in der Ausgangssituation sind auch die Grenzen festgelegt, in denen sich der Wechselkurs einspielen muss. <?page no="30"?> 22 3. Absolute Preisvorteile, Wechselkurs und relative Preisvorteile O $ Z w U ' S ' U S 3.3 Relative Preisvorteile 1. Grundidee. Wenn sich der Wechselkurs in den Grenzen der Autarkiepreise einpendelt, so reduziert sich die Bedingung für Handel mit der in Gleichung 3.1 angegebenen Handelsrichtung (das Inland exportiert Gut 1 und importiert Gut 2) auf ∗ ⁄ ∗ ⁄ . Schreibt man diese Bedingung um, so ergibt sich ∗ ∗ . (3.2) Das Inland exportiert demnach Gut 1 und importiert Gut 2, wenn es gegenüber dem Ausland einen relativen (komparativen) Preisvorteil bei Gut 1 hat. Der Relativpreis von Gut 1 muss vor Aufnahme von Handel im Inland niedriger sein als im Ausland, damit das Inland Gut 1 exportiert und Gut 2 importiert. Aussage 3.4: Außenhandel kommt dann zustande, wenn ein Land einen komparativen Preisvorteil hat. Im Folgenden schreiben wir den Relativpreis von Gut 1 als ( ⁄ ), so dass die Bedingung (3.2) in Kurzform lautet ∗ . 2. Vergleich der Bedingungen. Um den Übergang von Bedingung (3.1) zu Bedingung (3.2) zu verstehen, muss man sich Folgendes vergegenwärtigen: Absolute Preisvorteile (Bedingung 3.1) sind durch den Vergleich absoluter Güterpreise definiert, die in der Währung eines Landes - etwa Euro - pro Mengeneinheit (ME) angegeben sind. Diese absoluten Güterpreise haben also z.B. die Dimension €/ . Komparative oder relative Preisvorteile sind dagegen durch den Vergleich relativer Güterpreise bzw. durch den Vergleich der Güterpreisrelationen definiert. Das Güterpreisverhältnis ⁄ gibt an, welche Mengen des Gutes 2 man für eine Schaubild 3.5: Devisenmarkt und absolute Preisvorteile <?page no="31"?> 3.3 Relative Preisvorteile 23 Einheit des Gutes 1 erhält. Die Dimension € kürzt sich heraus. Schreibt man die Bedingung (3.2) mit Dimensionen, so lautet sie ∗ ∗ . (3.2’) Bedingung (3.2) bezieht sich auf den Fall, dass im Inland das Gut 1 relativ billiger ist. In der Autarkielage erhält man dann im Inland für eine Mengeneinheit des Gutes 1 eine geringere Menge des Gutes 2 als im Ausland. Anders formuliert: Man muss pro Einheit des Gutes 1 im Inland weniger Einheiten des Gutes 2 hergeben. 3. Zahlenbeispiel. Durch unsere Überlegung haben wir gezeigt, dass absolute Preisvorteile als Bedingung für Handel in komparative Preisvorteile überführt werden können. Unter der Prämisse, dass sich der Wechselkurs in den Grenzen der absoluten Güterpreise der Autarkielage einpendelt, ist die hinreichende Bedingung für das Zustandekommen von Außenhandel, dass komparative Preisvorteile in der Autarkielage vorliegen. Dies kann man sich auch an folgendem Zahlenbeispiel klarmachen. Seien in der Autarkielage die absoluten Güterpreise 1,0 €⁄ , 1,5 €⁄ , ∗ 1,4 $⁄ und ∗ 1,6 €⁄ und seien damit die komparativen Preisverhältnisse gegeben mit 1,0 1,5 ⁄ 1,4 1,6 ⁄ , so erwarten wir, dass das Inland Gut 1 und das Ausland Gut 2 exportiert. Bei einem Dollar-Kurs [€/ $] von 1 hätte aber das Inland einen absoluten Preisvorteil bei beiden Gütern, und zwar 1,0 1,4 ⋅ 1 bei Gut 1 und 1,5 1,6 ⋅ 1 bei Gut 2. Das Inland würde also beide Güter exportieren und dies scheint im Widerspruch zur Aussage über die komparativen Preisvorteile zu stehen. Dass dieser Widerspruch nicht auftritt, kann man sich bei flexiblem Wechselkurs wie folgt verdeutlichen: Wenn in der oben geschilderten Lage das Inland bei beiden Gütern absolut günstiger ist, entfaltet das Ausland eine Nachfrage nach Euro, während die Nachfrage des Inlands nach Dollar null ist. Der Dollar-Kurs muss sinken. Bei einem Dollar-Kurs von beispielsweise 0,8 hat Euroland immer noch einen absoluten Preisvorteil bei Gut 1 (1,0 1,4 ⋅ 0,8 1,12). Bei Gut 2 hat das Ausland dagegen jetzt einen absoluten Preisvorteil (1,5 1,6 ⋅ 0,8 1,28). Aussage 3.5: Der Wechselkurs wandelt komparative Preisvorteile in absolute Preisvorteile um. Dabei ist unterstellt worden, dass Devisenangebot und -nachfrage allein auf die Bedingungen auf dem Export- und Importmarkt zurückgehen. 4. Fehlende komparative Preisvorteile. Angenommen, in beiden Ländern ist das Preisverhältnis zwischen den beiden Gütern gleich (es liegen dann keine komparativen Preisvorteile vor), aber ein Land habe in der Ausgangslage einen absoluten Preisvorteil bei beiden Gütern. Dann besteht kein Grund für Handel. Sei 1 und 2; sei ∗ 1,5 und ∗ 3. Der Relativpreis in Autarkie in beiden Ländern ist gleich. Das Inland würde bei einem Wechselkurs von 1 beide Güter <?page no="32"?> 24 3. Absolute Preisvorteile, Wechselkurs und relative Preisvorteile exportieren; folglich müsste der Euro aufgewertet werden. Diese Aufwertung geschieht so lange, bis der absolute Preisvorteil des Inlands bei beiden Gütern verschwunden ist (bei einem Wechselkurs von 0,67), ohne dass es zu Handel kommt. 5. Transportkosten. Bei der Herleitung der Bedingung für Handel (3.2) sind wir davon ausgegangen, dass keinerlei Handelshemmnisse, wie beispielsweise Transportkosten, vorliegen. Bei positiven Transportkosten muss diese Bedingung modifiziert werden. Ein einfacher Ansatz, um Transportkosten in der Außenwirtschaftstheorie abzubilden, ist die Annahme von „Eisberg“-Transportkosten (Samuelson 1954). Nach diesem Ansatz „schmilzt“ ein Teil des Gutes auf dem Transportweg, so wie ein Eisberg schmilzt, der durch das Wasser schwimmt. Wenn die Menge des importierten Gutes auf dem Transportweg verloren geht, so muss das Importland für eine Einheit des Gutes, das es konsumieren möchte, die Menge 1 beim Exportland kaufen. Aus Sicht des Importlands verteuert sich dadurch der Preis des Gutes um den Prozentsatz . Mit Transportkosten wird das Ausland Gut 1 nur dann importieren, wenn ⋅ 1 ∗ ⋅ gilt, also nur, wenn der inländische Autarkiepreis mit Berücksichtigung der Transportkosten unter dem des Auslands liegt. Analog gilt als Bedingung für den Import von Gut 2 durch das Inland ∗ ⋅ 1 ⋅ . Wenn wir wieder annehmen, dass der Wechselkurs sich flexibel anpasst, dann folgt als Bedingung für Handel bei Transportkosten ⋅ 1 ∗ ∗ ⋅ 1 oder ⋅ 1 ∗ . (3.3) Wir sehen, dass diese Bedingung strenger ist als die Ungleichung (3.2). Transportkosten können also zu einer Separierung der Märkte führen, obwohl komparative Kostenvorteile vorliegen. 6. Reale und monetäre Außenwirtschaft. Es ist uns gelungen, absolute Güterpreise, die in Währungseinheiten pro Mengeneinheit notiert sind, auf komparative bzw. relative Preisvorteile zurückzuführen, die als Verhältnis von Gütermengen definiert sind. Während absolute Güterpreise, die auch als Geldpreise bezeichnet werden, durch die Geldmenge beeinflusst werden, ist der Relativpreis oder Realpreis definiert, ohne dass Geld explizit eingeführt wird. In den folgenden Kapiteln 4 bis 11 beschäftigen wir uns mit einem Modellsystem, in dem absolute Güterpreise und damit auch Geld keine Rolle spielen. Wir sprechen deshalb von der güterwirtschaftlichen Außenhandelstheorie oder der realen Außenwirtschaft. Die Bedingung für Handel (Gleichung 3.2) ist ein zentraler Ausgangspunkt der realen Außenwirtschaft. In den folgenden Kapiteln wird diese Bedingung näher analysiert und es werden Konstellationen angegeben, unter denen die Bedingung für Handel erfüllt ist. In den Kapiteln 12-15 stehen dagegen Geld und die absoluten Güterpreise (Geldpreise) im Vordergrund. Wir sprechen dann von der monetären Außenwirtschaft. <?page no="33"?> Weiterführende Literatur 25 Weiterführende Fragen 1. Gehen Sie aus von einer Welt mit mehr als zwei Gütern. Zeigen sie, in welcher Bandbreite sich der Wechselkurs einpendeln muss, damit überhaupt Handel zustande kommt und wie der Wechselkurs bestimmt, welche Güter das Inland exportiert bzw. importiert. 2. Diskutieren Sie, wie sich die Hypothese des komparativen Preisvorteils auf mehr als zwei Güter und mehr als zwei Länder verallgemeinern lässt (Deardorff 1980). 3. Die erzwungene Öffnung Japans in der Mitte des 19. Jahrhunderts liefert ein prägnantes historisches Beispiel für den Übergang von Autarkie zu Außenhandel. Haben sich die Güterpreise in diesem Fall so entwickelt, wie es die Hypothese der komparativen Preisvorteile erwarten lässt (Bernhofen und Brown 2004 und Kiyota 2011)? Weiterführende Literatur Bernhofen, D. M. und J. C. Brown (2004). A Direct Test of the Theory of Comparative Advantage: The Case of Japan. Journal of Political Economy 112: 48-67. Deardorff, A. V. (1980). The General Validity of the Law of Comparative Advantage. Journal of Political Economy 88: 941-957. Kiyota, K. (2011). A Test of the Law of Comparative Advantage, Revisited. Review of World Economics 147: 771-778. <?page no="35"?> 4. Ricardos Theorem der komparativen Kosten „It is quite important to the happiness of mankind that our enjoyments should be increased by the better distribution of labour, by each country producing those commodities for which its situation, its climate, and its other natural or artificial advantages is adapted, and by exchanging them for the commodities of other countries …“ David Ricardo * Relative Preisvorteile haben etwas mit Kosten und folglich mit den Produktionsbedingungen zu tun. Im einfachsten Fall werden komparative Preisvorteile auf komparative Kostenvorteile bei einem Produktionsfaktor (Arbeit) zurückgeführt. Dies ist das Ricardo- Modell, in dem Unterschiede in den Arbeitsproduktivitäten zu relativen Kostenvorteilen und damit zu relativen Preisvorteilen führen (Abschnitt 4.1). Das Ricardo-Modell erlaubt auch erste Einsichten in die Anpassungsprozesse, die nach Aufnahme von Handel in den beteiligten Ländern entstehen (Abschnitt 4.2). 4.1 Handel bei unterschiedlichen Arbeitsproduktivitäten 1. Annahmen. Der Engländer David Ricardo hatte 1817 bereits erkannt, dass relative Preisvorteile durch komparative Kostenvorteile erklärt werden können. Das Ricardo-Modell ist durch die Annahme linearer Produktionsfunktionen mit einer konstanten Produktivität gekennzeichnet. Wie im vorangehenden Kapitel gehen wir wieder von zwei Ländern, In- und Ausland, und den beiden Gütern 1 und 2 aus. Einziger Produktionsfaktor in beiden Ländern ist Arbeit. Die Produktionsfunktionen im In- und Ausland sind gegeben durch ⁄ und ⁄ im Inland sowie ∗ ∗ ∗ ⁄ und ∗ ∗ ∗ ⁄ im Ausland. (4.1) Die Konstanten und ∗ ( 1,2) drücken den Einsatz an Arbeit pro produzierter Einheit von Gut in den jeweiligen Ländern aus. Diese Verbrauchskoeffizienten sind also definiert als ⁄ bzw. ∗ ∗ ∗ ⁄ . Sie sind der Kehrwert der Arbeitsproduktivität 1⁄ ⁄ bzw. 1 ∗ ⁄ ∗ ∗ ⁄ . Die Gerade in Schaubild 4.1a zeigt beispielhaft die Produktionsfunktion ⁄ für Gut 1 im * The Principles of Political Economy and Taxation, 1817, zitiert nach Dent, London und Melbourne, 1987, S. 84. <?page no="36"?> 28 4. Ricardos Theorem der komparativen Kosten Inland gemäß Gleichung (4.1). Die Umkehrfunktion dieser Produktionsfunktion ist die Verbrauchsfunktion , die in Schaubild 4.1b dargestellt ist. Die Steigung der Produktionsfunktion ist die Arbeitsproduktivität 1⁄ , während der Arbeitskoeffizient die Steigung der Verbrauchsfunktion angibt. Zum Beispiel sind bei einem Verbrauchskoeffizienten von 4 zur Produktion einer Einheit von Gut 1 genau vier Arbeitseinheiten (z.B. Arbeitsstunden) notwendig. Für die Arbeitsproduktivität gilt dann 1⁄ 1 4 ⁄ . Mit einer Arbeitseinheit kann die Produktionsmenge von 1 4 ⁄ erzeugt werden. O Q 1 a b O Q 1 A 1 A 1 a 1 1/ a 1 Der Produktionsfaktor Arbeit ist im Ricardo-Modell international immobil. Beide Länder sind mit einer gegebenen Arbeitsmenge ̅ bzw. ̅ ∗ ausgestattet. Es kann sowohl der Fall zugelassen werden, dass beide Länder den gleichen Arbeitsbestand haben ( ̅ ̅ ∗ ) als auch der Fall, dass der Arbeitsbestand in den Ländern unterschiedlich ist ( ̅ ̅ ∗ ). Arbeit ist zwar international immobil, aber vollkommen mobil zwischen den beiden Sektoren 1 und 2 innerhalb eines Landes. Wenn Arbeit intersektoral mobil ist, muss der Lohnsatz für Arbeit in beiden Sektoren des Landes gleich hoch sein, d.h. . Weiterhin wird von Vollbeschäftigung ausgegangen, d.h., es gilt ̅ und ∗ ∗ ̅ ∗ . Für die Marktform gilt schließlich die Annahme der vollständigen Konkurrenz. Unternehmen sind demnach „klein“ und betrachten bei ihrer Produktionsentscheidung die Absatzpreise und den Lohnsatz als gegeben. Zudem machen die Unternehmen bei vollständiger Konkurrenz keine Gewinne. 2. Bedingung für Handel. Da im Gleichgewicht keine Gewinne auftreten, entspricht der Preis einer Einheit von Gut 1 den Stückkosten der Produktion dieses Gutes. Die Stückkosten wiederum sind der Einsatz an Arbeit pro Output-Einheit (der Verbrauchskoeffizient) multipliziert mit dem Lohnsatz , der im Inland gezahlt wird. Damit gilt ⋅ . In der gleichen Weise gilt für Gut 2 die Beziehung ⋅ . Werden diese beiden Ausdrücke durcheinander geteilt, so ergibt sich für das inländische Güterpreisverhältnis vor Handel ⋅ ⋅ . Schaubild 4.1: Lineare Produktions- und Verbrauchsfunktion <?page no="37"?> 4.1 Handel bei unterschiedlichen Arbeitsproduktivitäten 29 In der gleichen Weise bestimmt sich das Güterpreisverhältnis des Auslands vor Aufnahme von Handel als ∗ ∗ ⁄ ∗ ∗ ⁄ . Damit folgt für die Bedingung für Handel (3.2) ∗ ∗ , wenn ∗ ∗ . (4.2) Aussage 4.1 (Ricardo-Theorem): Ein Land hat einen komparativen Preisvorteil und exportiert das Gut, bei dessen Produktion es - relativ zum anderen Gut - weniger Arbeit aufwenden muss als das Ausland. Das Ricardo-Theorem lässt sich auch auf die Arbeitsproduktivitäten beziehen. Mit 1⁄ als Definition der Arbeitsproduktivität bei Gut i ergibt sich für Gleichung (4.2) ∗ ∗ , wenn ∗ ∗ oder ∗ ∗ . (4.2’ ) Aussage 4.2: Ein Land hat einen komparativen Preisvorteil und exportiert das Gut, wenn es bei diesem Gut eine - im Vergleich zum Ausland - relativ höhere Arbeitsproduktivität als bei dem anderen Gut hat. 3. Transformationskurve und Opportunitätskosten. Bedingung (4.2) lässt sich mit Hilfe der Transformationskurve verdeutlichen. Die Transformationskurve ist definiert als der geometrische Ort aller Gütermengenkombinationen, die eine Volkswirtschaft mit gegebener Technologie und gegebenem Faktorbestand maximal erstellen kann. Sie begrenzt die Produktionsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft und wird daher auch Produktionsmöglichkeitskurve genannt. Betrachten wir das Inland mit dem gegebenen Arbeitsbestand ̅. Aus ⋅ und dem Faktoreinsatz in Sektor 2 ̅ folgt für den Arbeitseinsatz in Sektor 2: ̅ ⋅ . Durch Einsetzen dieses Ausdrucks für in die Produktionsfunktion (4.1) des Sektors 2 erhält man eine Beziehung zwischen und , die Transformationskurve ̅ ⋅ . (4.3) Da die Koeffizienten konstant sind, ist im Ricardo-Modell die Transformationskurve eine Gerade. Die negative Steigung der Transformationskurve, die Grenzrate der Transformation ⁄ , gibt an, wie stark die Produktion des Gutes 2 verringert werden muss, wenn die Produktion des Gutes 1 ausgedehnt werden soll. Um mehr von Gut 1 zu produzieren, muss nämlich Arbeit aus der Produktion von Gut 2 abgezogen werden, wodurch auch die produzierte Menge von Gut 2 zurückgeht. Die Grenzrate der Transformation misst somit die Opportunitätskosten der Produktion. Darunter versteht man die Kosten einer „entgangenen Gelegenheit“. Die <?page no="38"?> 30 4. Ricardos Theorem der komparativen Kosten Opportunitätskosten einer zusätzlichen Einheit des Gutes 1 bestehen in dem dafür notwendigen Verzicht auf die Produktion des Gutes 2. Gemäß Gleichung (4.3) ist im Ricardo-Fall die Grenzrate der Transformation gegeben durch . Durch Einsetzen dieses Ausdrucks für die Grenzrate der Transformation in Gleichung (4.2) ergibt sich als alternative Formulierung für die Bedingung für Handel, dass die Grenzrate der Transformation, die Opportunitätskosten der Produktion von Gut 1, im Inland geringer ist als im Ausland: ∗ ∗ ⁄ ⁄ . Diese Bedingung kann durch den Vergleich der inländischen mit der ausländischen Transformationskurve grafisch dargestellt werden. Die Transformationskurve des Inlands ist flacher als die des Auslands. Das Inland hat eine niedrigere Grenzrate der Transformation und damit geringere Opportunitätskosten bei der Produktion von Gut 1 als das Ausland. Aussage 4.3: Ein Land hat einen komparativen Preisvorteil und exportiert das Gut, bei dessen Ausbringung einer zusätzlichen Einheit es auf weniger Einheiten des anderen Gutes verzichten muss als das Ausland - bei dessen Produktion es also günstigere Opportunitätskosten hat. In Schaubild 4.2 kann man auch erkennen, dass Ricardos Theorem der komparativen Kosten auch dann gilt, wenn die beiden Länder unterschiedliche Faktorausstattungen haben. Die Faktorausstattung beeinflusst die Lage der Transformationskurve, aber nicht deren Steigungsmaß. Q 2 Q 1 dQ / dQ = a / a 2 1 1 2 - A/ a 2 A/ a 1 Schaubild 4.2: Transformationskurve <?page no="39"?> 4.1 Handel bei unterschiedlichen Arbeitsproduktivitäten 31 4. Zahlenbeispiel. Anhand eines Zahlenbeispiels sollen die Aussagen des Ricardo- Modells verdeutlicht werden. Die Verbrauchskoeffizienten seien durch die Tabelle 4.1 gegeben. Tabelle 4.1: Verbrauchskoeffizienten Gut 1 Gut 2 Preisverhältnis vor Handel Inland 0,3 1,2 1 4 ⁄ Ausland 0,2 0,4 1 2 ⁄ Man beachte, dass das Ausland zur Herstellung einer Mengeneinheit bei beiden Produkten absolut weniger Arbeit einsetzen muss und damit bei gegebenem Arbeitsbestand beide Güter günstiger produzieren kann. Dennoch kommt Außenhandel zustande. Die Bedingung für das Zustandekommen des Handels, ∗ (mit ⁄ ) ist erfüllt. Das Inland exportiert Gut 1 und das Ausland exportiert Gut 2. Bei einem Faktorbestand von ̅ 18 Arbeitseinheiten im Inland und ̅ ∗ 10 im Ausland lauten die Transformationskurven beispielsweise 18 1,2 0,3 1,2 ⋅ bzw. 15 4 und ∗ 10 0,4 0,2 0,4 ⋅ ∗ bzw. ∗ 25 ∗ 2 . Diese Transformationskurven sind in Schaubild 4.3 dargestellt. Q 1 Q 1 * Q 2 Q 2 * 15 60 50 25 a b S J U I R V A ' A B B ' Schaubild 4.3: Transformationskurven, Konsummöglichkeiten und Handelsdreieck <?page no="40"?> 32 4. Ricardos Theorem der komparativen Kosten 4.2 Anpassungsprozesse nach Aufnahme von Handel Mit dem Ein-Faktor-Modell von Ricardo lassen sich die wesentlichen Anpassungsprozesse nach Aufnahme von Handel darstellen. 1. Anpassung der Produktion. Schaubild 4.3 erlaubt eine erste Aussage über die Anpassungsprozesse nach Eröffnung des Handels. Ohne Handel muss ein Land die Gütermengen selbst produzieren, die es konsumieren möchte. Die Konsummöglichkeiten ohne Handel sind somit durch die Produktionsmöglichkeiten vorgegeben. Im Beispiel ist die Grenzrate der Transformation für das Inland 1/ 4. Das Inland muss vor Handel für eine Mengeneinheit des Gutes 1 auf 1/ 4 Mengeneinheiten des Gutes 2 verzichten. Das entspricht auch dem Wert für den inländischen Relativpreis von Gut 1 vor Aufnahme von Handel. Für das Ausland gilt für den Relativpreis in Autarkie und die Grenzrate der Transformation der Wert 1/ 2. Nach Aufnahme des Handels spielt sich für beide Länder ein einheitliches Preisverhältnis auf dem Weltmarkt ein, da annahmegemäß keine Handelshemmnisse existieren. Wo dieses Weltmarktpreisverhältnis genau liegt, kann erst dann bestimmt werden, wenn auch die Nachfrageverhältnisse in beiden Ländern spezifiziert sind. Hierauf wird erst in Kapitel 10 eingegangen. Im allgemeinen liegt das Weltmarktpreisverhältnis im Gleichgewicht aber zwischen den Preisverhältnissen der beiden Länder vor Aufnahme von Handel: ∗ . Im Beispiel sei unterstellt, dass das neue Preisverhältnis bei Freihandel 1 3 ⁄ betrage. Dabei steht für den Relativpreis im Freihandelsgleichgewicht. Nach Aufnahme von Handel muss ein Land nicht mehr genau die Gütermengen selbst produzieren, die es konsumieren möchte. Stattdessen kann es auch Güter aus dem Ausland importieren. Die negative Steigung von 1/ 3 der Gerade gibt die Tauschrelation für das Inland nach Aufnahme von Handel wieder. Für eine Einheit von Gut 2 muss das Land nur noch auf 1/ 3 Mengeneinheiten von Gut 1 verzichten, wenn Gut 2 aus dem Ausland importiert wird. Es ist also günstiger für das Inland, Gut 2 aus dem Ausland zu importieren als es selbst herzustellen. Das Inland spezialisiert sich nach Aufnahme von Handel demnach vollständig auf die Produktion des Gutes 1 und produziert in . Gut 2 wird aus dem Ausland importiert. Die Gerade definiert dann die maximale Konsummöglichkeit des Inlands, wenn das Inland nur Gut 1 herstellt und entsprechend der internationalen Tauschrelation Gut 2 eintauschen kann. Die vollständige Spezialisierung nach Aufnahme von Handel ergibt sich auch aus der Nullgewinnbedingung bei vollständiger Konkurrenz. Wenn beispielsweise das Inland nach Aufnahme von Handel Gut 1 produziert, dann gilt ⋅ . Sobald der Relativpreis im Weltmarktgleichgewicht höher ist als in Autarkie, gilt ⁄ . Einsetzen ergibt dann ⋅ ⁄ ⁄ oder ⋅ . Ein inländischer Produzent in Sektor 2 könnte demnach mit dem Freihandelspreis nicht seine Stückkosten decken, so dass Gut 2 nicht produziert wird. <?page no="41"?> 4.2 Anpassungsprozesse nach Aufnahme von Handel 33 Analog zum Inland spezialisiert sich das Ausland voll auf die Produktion von Gut 2. Das Ausland kann vor Aufnahme des Handels anstatt einer Mengeneinheit des Gutes 2 durch eine Re-Allokation der Produktionsfaktoren zwei Mengeneinheiten des Gutes 1 erstellen, erhält durch Handel aber drei Einheiten. Die Gerade gibt die maximale Konsummöglichkeit des Auslands an, wenn sich das Ausland auf Gut 2 spezialisiert. Aussage 4.4: Wenn sich nach Aufnahme von Handel der Relativpreis zwischen den Relativpreisen beider Länder in Autarkie einpendelt, so spezialisiert sich jedes Land vollständig auf die Produktion desjenigen Gutes, bei dessen Herstellung es einen komparativen Kostenvorteil hat. 2. Gewinne aus Außenhandel. Angenommen, vor Handel liege der Produktions- und Konsumpunkt im Inland bei Punkt und im Ausland bei Punkt . Nach Aufnahme von Handel kann das Land einen Konsumpunkt auf der Konsummöglichkeitenkurve erreichen. Dabei sehen wir, dass sich das Land durch Handel eindeutig besser stellt: Die Konsummöglichkeitenkurve verläuft außerhalb der Produktionsmöglichkeitenkurve (welche die Konsummöglichkeiten in Autarkie begrenzt hat). Konsumpunkt und Produktionspunkt können somit auseinanderfallen. Im Schaubild konsumiert das Land nach Aufnahme von Handel in ′. 1 Die Menge des Gutes 1 wird exportiert, die Menge ′ des Gutes 2 wird importiert. Das Dreieck ′ wird auch als Handelsdreieck bezeichnet. Aussage 4.5: Durch Außenhandel kann ein Land ein Konsumniveau erreichen, das außerhalb seiner Produktionsmöglichkeiten liegt. Außenhandel bringt Wohlfahrtsgewinne. Auch das Ausland verbessert sich eindeutig, da es außerhalb seiner Produktionsmöglichkeiten konsumieren kann. Das Ausland spezialisiert sich auf die Produktion des Gutes 2 und exportiert die Menge des Gutes 2, die dem Import des Inlands entspricht. Das Ausland importiert ′, die Exportmenge des Inlands. Das Handelsdreieck des Auslands ist ′. Vor Aufnahme von Handel konsumiert das Land in , nach Aufnahme von Handel in ′. 3. Gleichgewicht. Die Konsistenz der Tauschpläne der beiden Volkswirtschaften ist für Schaubild 4.3 unterstellt worden. Sie ist ex ante nicht bei jedem beliebigen Tauschverhältnis sichergestellt. Vielmehr muss sich der Relativpreis so einstel- 1 Die eingezeichneten Konsumpunkte sind nur Beispiele. Wo die Konsumpunkte vor und nach Handel genau liegen, wird durch die Konsumpräferenzen der beiden Länder bestimmt. Näheres dazu wird in Kapitel 10 besprochen. Für die Aussage, dass sich beide Länder durch die Aufnahme von Handel verbessern, reicht bereits die Tatsache, dass die Konsummöglichkeiten nach Aufnahme von Handel außerhalb der Transformationskurve verlaufen. <?page no="42"?> 34 4. Ricardos Theorem der komparativen Kosten len, dass Mengenkonsistenz existiert, d.h., dass ein Gleichgewicht auf dem Export- und auf dem Importmarkt herrscht, bei dem die Pläne der Anbieter den Plänen der Nachfrager entsprechen. Anders formuliert: Man kann sich einen Relativpreis vorstellen, bei dem etwa das Inland mehr vom Exportgut anbietet als das Ausland bei diesem Preisverhältnis nachfragen will. Bei diesem Preisverhältnis wäre die Mengenkonsistenz nicht erfüllt. Für Schaubild 4.3 bedeutet die Forderung nach Konsistenz, dass die Handelsdreiecke der beiden Länder gleich groß sind. Dann stimmen die Exporte des Inlands (Strecke ) mit den Importen des Auslands (Strecke ′) überein und die Importe des Inlands (Strecke ′) mit den Exporten des Auslands (Strecke ). 4. Kleines Land. Die Wohlfahrtsgewinne sind für ein Land bei gegebenen Nachfrageverhältnissen umso größer, je weiter die Preisrelation nach Handel von der Autarkiepreisrelation entfernt ist. Da sich die Preisrelation nach Aufnahme von Handel für ein kleines Land stärker ändert als für ein großes Land, kann man erwarten, dass auch die Gewinne aus Außenhandel für ein kleines Land höher sind als für ein großes Land. Wenn die Länder sehr unterschiedlich sind in ihren Produktionsmöglichkeiten (z.B. USA und Luxemburg), dann kann es sein, dass sich im großen Land der Relativpreis gar nicht gegenüber dem Autarkiefall ändert und nur das kleine Land Gewinne aus Handel erzielt. Die importierte Menge aus dem kleinen Land reicht dann nicht aus, um die Nachfrage des großen Landes nach dem Importgut zu decken. Das große Land muss in diesem Fall beide Güter produzieren, so dass das Weltmarktpreisverhältnis durch das Autarkiepreisverhältnis des großen Landes bestimmt wird. Q 1 Q 1 * Q 2 Q 2 * 5 50 25 a b U I R V B R ' S 20 A ' A Schaubild 4.4: Inland als kleines Land <?page no="43"?> 4.2 Anpassungsprozesse nach Aufnahme von Handel 35 Dieser Fall ist in Schaubild 4.4 dargestellt. Hier ist das Inland relativ klein im Vergleich zum Ausland und kann nur maximal 20 Einheiten von Gut 1 herstellen. Wenn beide Länder zusammen aber mehr als 20 Einheiten von Gut 1 konsumieren möchten, dann muss das größere Ausland neben Gut 2 auch weiterhin Gut 1 produzieren. Dann ist das Ausland unvollständig spezialisiert und der Relativpreis bestimmt sich aus den Nullgewinnbedingungen für beide Sektoren im Ausland wie im Fall der Autarkie. Der Relativpreis nach Aufnahme von Handel wird dann das Verhältnis der Arbeitskoeffizienten des Auslands fest vorgegeben. Das Inland importiert die Menge ′ von Gut 2 aus dem Ausland und konsumiert nach Aufnahme von Handel in ′. Das Ausland konsumiert im gleichen Punkt wie vor Aufnahme von Handel, produziert jetzt aber in Punkt S und damit weniger von Gut 1. 5. Absolute oder relative Preisvorteile. Im Zahlenbeispiel aus Tabelle 4.1 ist der auf den ersten Blick verblüffende Fall dargestellt, bei dem das Ausland in der Produktion beider Güter einen absoluten Produktivitätsvorteil hat und beide Güter mit geringeren Arbeitsmengen produzieren kann als das Inland. Trotz dieser absoluten Vorteile eines Landes bei beiden Gütern kommt internationaler Austausch zustande, da komparative Kostenunterschiede vorliegen. Diese Behauptung von der Relevanz der komparativen Kosten ist auf den ersten Blick oft schwer zu verstehen. Unterstellen wir z.B., das Ausland (USA) könne wie im Zahlenbeispiel beide Güter und mit einem gegebenen Arbeitsbestand in größerer Menge produzieren. Ferner sei angenommen, dass der Lohnsatz in beiden Ländern gleich hoch ist. Konkret nehmen wir einen Lohnsatz von 1 an ( ∗ 1). Ob nun ein absoluter Preisvorteil vorliegt, hängt - wie wir bereits gesehen haben - von dem in der Anfangssituation herrschenden Wechselkurs ab. Unterstellt sei ein Wechselkurs, der den USA bei beiden Gütern einen absoluten Kostenvorteil einräumt, z.B. 1. In dieser Ausgangssituation gilt 0,3, ∗ 0,2, 1,2 und ∗ 0,4. Das Inland (Euroland) fragt dann beide Güter im Ausland (USA) nach. Die europäische Nachfrage nach Gütern der USA führt zu einer Zunahme der Nachfrage nach US-Dollar, wodurch sich der Dollar verteuert. Der Wechselkurs - definiert als Dollar-Kurs (€/ $) - steigt; der Euro wertet ab. Infolge der Abwertung des Euro wird der absolute Preisvorteil der USA reduziert, da die Produkte des Inlands für das Ausland infolge der Wechselkursänderung billiger werden. Der Wechselkurs kann also, wie bereits in Kapitel 3 dargestellt, einen komparativen Kostenvorteil in einen absoluten Preisvorteil überführen. Fällt der Wechselkursmechanismus weg (z.B. in einer Währungsunion), so bleibt immer noch die Möglichkeit, dass sich die Löhne anpassen. Statt einer Abwertung des Euro würde dann der Lohnsatz im Inland zurückgehen bzw. der Lohnsatz im Ausland steigen, bis der absolute Preisnachteil des Inlands bei Gut 1 verschwindet. Im Zahlenbeispiel würde ein Anstieg des ausländischen Lohnsatzes <?page no="44"?> 36 4. Ricardos Theorem der komparativen Kosten auf das 1,6-fache des inländischen Lohns den gleichen Effekt haben wie eine Abwertung des Euro von 1 auf 1,6. Der Wechselkurs bzw. die Löhne passen sich demnach so an, dass trotz absoluter Produktivitätsvorteile des Auslands bei beiden Gütern nur bei einem Gut (Gut 2) ein absoluter Kostenvorteil entsteht. Q 2 Q 1 O A=B Z O* O*' Q 2 * Q 1 * V V' W YY' 6. Alternative Darstellung. Die Aussagen des Ricardo-Modells sind in anderer Weise in Schaubild 4.5 dargestellt. In diesem Schaubild ist die Transformationskurve des Auslands um 180° gedreht. Die Produktionsmengen des Auslands werden jetzt vom Ursprungspunkt ∗ aus abgelesen. Die Produktionsmöglichkeiten-Kurve des Auslands wird so in Schaubild 4.5 eingezeichnet, dass die Produktionspunkte in Autarkie des Inlands (Punkt A) und des Auslands (Punkt B) zusammenfallen. In der Autarkielage produzieren beide Länder zusammen die Menge von Gut 1 (Inland: ; Ausland: ) und die Menge ∗ von Gut 2 (Inland: ; Ausland: ). Wird Handel eingeführt, so kann die Welt als Ganzes mehr produzieren, indem sich die beiden Länder gemäß ihrer komparativen Preisvorteile vollständig spezialisieren. Die Transformationskurve des Auslands wird entsprechend verschoben. Das Inland produziert nach der Aufnahme von Handel die Menge ′ des Gutes 1, und das Ausland produziert die Menge ∗ des Gutes 2. Wir sehen, dass von jedem Gut in der Welt mehr produziert wird nach Aufnahme von Handel im Vergleich zur Autarkie. 8. Beschränkung der Spezialisierung. Anhand des Ricardo-Modells lassen sich auch die Wirkungen von Eingriffen in den internationalen Handel darstellen. In Schaubild 4.6 ist der Fall dargestellt, dass ein Land (hier das Inland) die vollstän- Schaubild 4.5: Gewinne aus Handel <?page no="45"?> 4.2 Anpassungsprozesse nach Aufnahme von Handel 37 dige Spezialisierung (Punkt ), die sich bei freiem Handel ergibt, nicht zulässt. Nehmen wir z.B. an, dass das Land die Produktionsmenge von Gut 2 nicht unter ′ sinken lässt. Dann liegt der Produktionspunkt bei ′. In diesem Fall kann das Land nur die Konsummöglichkeitenkurve U’I’ erreichen im Gegensatz zur Konsummöglichkeitenkurve . Die möglichen Wohlfahrtsgewinne aus Handel werden nicht vollständig realisiert. Q 2 Q 1 O I I ' U ' U R 9. Produktivitätsfortschritt und relative Preisvorteile. Die Bedeutung des relativen Preisvorteils wird daraus ersichtlich, dass ein Exportsektor im Ricardo-Modell seinen Preisvorteil verlieren kann, ohne dass sich seine absolute Produktivität verschlechtert. Nehmen wir nach wie vor an, dass Sektor 1 im Inland der Exportsektor sei. Produktivitätsfortschritt in Sektor 1 des Auslands kann den relativen Preisvorteil des inländischen Sektors zerstören und Gut 1 zu einem Importgut machen. Ebenso kann technischer Fortschritt im inländischen Sektor der Importsubstitute (Sektor 2) den relativen Preisvorteil von Sektor 1 beseitigen. 10. Mehr als zwei Güter. Das Ricardo-Modell kann auch auf den Fall mehrerer Güter übertragen werden. Hierfür kann man sich vorstellen, dass die Güter gemäß der relativen Produktivität des Inlands im Vergleich zum Ausland in eine Reihenfolge gebracht werden. Bei n Gütern und mit ∗ ⁄ ∗ ⁄ als relativer Produktivität würde somit gelten ∗ ∗ ⋯ ∗ . (4.4) Wie im Fall mit zwei Gütern exportiert das Land diejenigen Güter, für die es vor Aufnahme von Handel einen absoluten Preisvorteil hat. Das sind die Güter, für die gilt ⋅ ∗ ⋅ ∗ ⋅ bzw. ∗ ⁄ , wobei ∗ ⋅ ⁄ als relativer Lohn des Inlands (im Vergleich zum Ausland) definiert ist. Die anderen Güter werden vom Ausland exportiert. Schaubild 4.7 stellt diesen Fall beispielhaft dar. In die- Schaubild 4.6: Beschränkung der Handelsspezialisierung <?page no="46"?> 38 4. Ricardos Theorem der komparativen Kosten sem Schaubild gibt es 6 Güter ( 6 , wobei das Inland einen Preisvorteil für die Güter 1, 2 und 3 hat, während das Ausland die Güter 4, 5 und 6 produziert und exportiert. Das Inland ist demzufolge in den Sektoren 1 bis 3 wettbewerbsfähiger als das Ausland, während das Umgekehrte für die Sektoren 4 bis 6 gilt. a / a i i * i ω 1 2 3 4 5 6 Schaubild 4.7: Mehrere Güter 11. Empirische Schätzungen zum Ricardo-Modell. Die Vorhersagen des Ricardo-Modells zum Einfluss der relativen Produktivität auf die Handelsströme wurden von verschiedenen Autoren anhand beobachteter Handelsdaten empirisch getestet. Die Ergebnisse unterstützen generell das Ricardo-Modell. Beispielsweise berechnen Costinot et al. (2012) die komparativen Kosten aus den relativen Produzentenpreisen. 2 Ein komparativer Kostenvorteil einer bestimmten Industrie spiegelt sich bei ihnen wider in einem relativen niedrigen Produzentenpreisindex der entsprechenden Industrie im Vergleich zum Ausland. Gemäß dem Ricardo-Modell müssten die komparativen Kosten die Exportchancen eines Landes beeinflussen. Costinot et al. (2012) zeigen, dass ein solcher Einfluss tatsächlich besteht und berechnen hierfür eine Elastizität von 6,53. Demnach führt eine Erhöhung der relativen Produktivität einer bestimmten Industrie um ein Prozent zu einem Anstieg der Exporte dieser Industrie um 6,53 Prozent (wobei die Exporte korrigiert werden um einen Faktor, der die Offenheit der Länder in Bezug auf Handel bei den einzelnen Industrien berücksichtigen soll). 2 Ähnliche empirische Untersuchungen stammen von McDougall (1951), Balassa (1963) oder Golub und Hsie (2000). <?page no="47"?> Weiterführende Literatur 39 Weiterführende Fragen 1. Diskutieren sie, warum der Begriff der „Wettbewerbsfähigkeit“ im Ricardo- Modell zwar auf einzelne Sektoren, aber schlecht auf eine ganze Volkswirtschaft bezogen werden kann (Krugman 1994). 2. Analysieren Sie, wie sich das Ricardo-Modell mit mehr als zwei Gütern auf den Fall eines ganzen Kontinuums von Gütern verallgemeinern lässt (Dornbusch et al. 1977). 3. Beschreiben Sie einen Ansatz, mit dem sich das Ricardo-Modell auf eine Welt mit vielen Gütern und vielen Ländern übertragen lässt (Eaton und Kortum 2002 und 2012). Weiterführende Literatur Bhagwati, J., A. Panagariya und T. N. Srinivasan (1998). Lectures on International Trade. 2. Auflage, MIT Press. Kapitel 3 und 4. Bowen, H. P., A. Hollander und J.-M. Viaene (2012). Applied International Trade. Palgrave Macmillan, 2. Auflage. Kapitel 3. Dornbusch, R., S. Fischer und P.A. Samuelson (1977). Comparative Advantage, Trade and Payments in a Ricardian Model with a Continuum of Goods. American Economic Review 67: 823-839. Eaton, J. und S. Kortum (2012). Putting Ricardo to Work. Journal of Economic Perspectives 26: 65-90. <?page no="49"?> 5. Ursachen relativer Preisvorteile: Präferenzen, Technologie und Faktorausstattung „Roughly speaking, abundant industrial agents are relatively cheap, scanty agents relatively dear, in each region. Commodities requiring for their production much of the former and little of the latter are exported in exchange for goods that call for factors in opposite proportions.“ Bertil Ohlin * In diesem Kapitel werden die Ursachen komparativer Preisvorteile in einem Erklärungsansatz mit zwei Produktionsfaktoren, dem Heckscher-Ohlin-Modell, dargestellt. Abschnitt 5.1 beschreibt die Grundzüge des Modells. Unterschiede in den relativen Preisen lassen sich in diesem Ansatz auf Unterschiede in der Nachfrage (Abschnitt 5.2), in den Produktivitäten (Abschnitt 5.3) und in der Faktorreichlichkeit (Abschnitt 5.4) zurückführen. Die Anpassungsprozesse nach Aufnahme von Handel werden im Abschnitt 5.5 dargestellt. Als Exkurs wird schließlich das Rybczynski-Theorem erläutert (Abschnitt 5.6). 5.1 Handelsmodell mit zwei Faktoren 1. Ausgangspunkt. Außenhandel kommt zustande, wenn in Autarkie Unterschiede in den relativen Preisen vorliegen, d.h., wenn In- und Ausland bei unterschiedlichen Gütern Preisvorteile haben. Im Ricardo-Fall sind komparative Preisvorteile für den einfachen Fall eines einzigen Produktionsfaktors und einer linearen Produktionsfunktion auf Unterschiede in den Arbeitsproduktivitäten zurückgeführt worden. Im Folgenden werden die Annahmen des Ricardo-Falls - insbesondere die Annahme, Arbeit sei der einzige Produktionsfaktor - aufgegeben. Es stellt sich die Frage, von welchen Einflussgrößen dann relative Preisvorteile abhängen. Um diese Frage beantworten zu können, ist es wiederum wichtig zu wissen, was die relativen Preise in der Autarkielage bestimmt. Eine ganze Reihe von Faktoren können dabei auf die relativen Preise in der Autarkielage einwirken, z.B. auch wirtschaftspolitische Maßnahmen des Staates. Im Folgenden konzentrieren wir uns ausschließlich auf den Einfluss der Produktions- und Nachfragebedingungen. * Interregional and International Trade. Harvard University Press, 1933, S. 92. <?page no="50"?> 42 5. Ursachen relativer Preisvorteile 2. Produktionsfunktionen. Wie im Ricardo-Modell werden zwei Güter produziert ( 2 , 1 i ). Anstelle eines einzigen Produktionsfaktors gehen wir jetzt aber von den zwei Faktoren Arbeit und Kapital aus. Die Produktionsfunktionen lauten , , (5.1) wobei den Output, den Arbeits- und i K den Kapitaleinsatz des Sektors kennzeichnen. Die Grenzproduktivität beider Faktoren ist positiv ( 0 und 0), nimmt aber mit zunehmendem Faktoreinsatz ab ( 0 und 0). 1 Zudem steigert eine Erhöhung des Arbeitseinsatzes die Grenzproduktivität des Kapitals und umgekehrt ( 0). Die beiden Produktionsfaktoren können gegeneinander substituiert werden, d.h., die Unternehmen können die gleiche Produktionsmenge mit unterschiedlichen Kombinationen von Arbeit und Kapital herstellen. Alle Faktoreinsatzkombinationen, die dabei zum gleichen Outputniveau führen, lassen sich durch Isoquanten darstellen. In Schaubild 5.1 stellt beispielsweise die Isoquante 1 alle Kombinationen von Arbeit und Kapital in Sektor 1 dar, die zu einer Produktionsmenge von einer Einheit führen. K 1 A 1 B B ' k 1 Q = 2 1 Q = 1 1 -l/ r 2C C D 2D O Die Produktionsfunktionen in beiden Sektoren werden als linear-homogen angenommen. Es liegen demnach konstante Skalenerträge vor. Diese Annahme besagt, dass keine Größenvorteile oder Größennachteile in der Produktion bestehen. Wenn in einem Sektor der Einsatz von Arbeit und Kapital verdoppelt wird, dann verdoppelt sich auch die produzierte Menge. Formal gilt demnach bei einer linear-homogenen Produktionsfunktion 2 ⋅ , 2 ⋅ 2 ⋅ , 2 ⋅ 1 Das tiefgestellte bzw. bezeichnet jeweils die Ableitung der Produktionsfunktion nach dem Argument bzw. . Schaubild 5.1: Isoquanten und Minimalkostenkombination <?page no="51"?> 5.1 Handelsmodell mit zwei Faktoren 43 oder allgemein ⋅ , ⋅ ⋅ , mit 0. Ein Beispiel für eine linearhomogene Produktionsfunktion ist die aus der Theorie des Unternehmens bekannte Cobb-Douglas-Funktion ⋅ , mit 0 1. Schaubild 5.1 illustriert die linear-homogene Produktionsfunktion im Isoquantendiagramm. Es wird mit dem doppelten Arbeits- und Kapitaleinsatz anstelle von 1 die Isoquante 2 erreicht (Punkt B’ statt B). 3. Minimalkostenkombination. Die Unternehmen setzen Arbeit und Kapital so in der Produktion ein, dass eine gewünschte Produktionsmenge zu den geringstmöglichen Kosten hergestellt wird. Das ist die Minimalkostenkombination. Die Kosten setzen sich aus den Lohnkosten für den Faktor Arbeit und den Kapitalkosten zusammen. Wie im Ricardo-Modell wird von der Marktform der vollständigen Konkurrenz ausgegangen. Die Unternehmen betrachten dann bei ihrer Kostenminimierung die Faktorpreise als gegeben. Alle Kombinationen von Arbeit und Kapital, die bei gegebenen Faktorpreisen zu den gleichen Produktionskosten führen, lassen sich durch eine Isokostenlinie darstellen. Die Isokostenlinie ergibt sich aus der Gleichung ⋅ ⋅ , mit als den Gesamtkosten in Sektor , dem Lohnsatz als Faktorpreis der Arbeit und dem Zinssatz als Faktorpreis des Kapitals. In Schaubild 5.1 wird die Isokostenlinie für Gut 1 durch die Gerade ⁄ ⁄ ∙ dargestellt. Zu jedem Kostenniveau gehört eine Isokostenlinie. Je weiter die Isokostenlinie vom Ursprung O entfernt ist, desto höher ist das mit ihr verbundene Kostenniveau. Die Isokostenlinie hat die Steigung ⁄ , d.h., wenn der Arbeitseinsatz marginal erhöht wird, dann muss der Kapitaleinsatz um ⁄ gesenkt werden, damit die Kosten unverändert bleiben. Die Minimalkostenkombination ist nun der Tangentenpunkt zwischen Isoquante und Isokostenlinie. 2 Sie gibt den Arbeits- und Kapitaleinsatz an, der eine gegebene Produktionsmenge mit den geringsten Kosten produziert. In Schaubild 5.1 entspricht dieser kostenminimierende Kapitaleinsatz zur Produktion einer Einheit von der Strecke OC und der kostenminimierende Arbeitseinsatz der Strecke OD. Die Steigung des Fahrstrahls durch die Minimalkostenkombination gibt das kostenminimierende Verhältnis von Kapital und Arbeit in der Produktion / an. Dieses Verhältnis wird im Folgenden „Kapitalintensität“ genannt und mit ⁄ bezeichnet. In Schaubild 5.1 sehen wir, dass die Minimalkostenkombination für die Produktionsmengen 1 und 2 bei der gleichen Kapitalintensität erreicht wird und dass sich der kostenminimierende Einsatz beider Produktionsfaktoren bei 2 gegenüber 1 gerade verdoppelt. Das optimale Einsatzverhältnis von Arbeit und Kapital in der Produktion verändert sich demnach nicht mit der Produktionsmenge. Hierfür ist die Eigenschaft der linear-homogenen Produktions- 2 Für eine formale Herleitung siehe Anhang 5.A. <?page no="52"?> 44 5. Ursachen relativer Preisvorteile funktion verantwortlich, der zufolge die Isoquanten mit der gleichen Kapitalintensität auch die gleiche Steigung haben. Der Arbeitsbzw. der Kapitalkoeffizient, der den Arbeitsbzw. den Kapitaleinsatz pro Output-Einheit misst, bleibt konstant. Diese Koeffizienten sind definiert als ⁄ (entsprechend der Strecke OD in Schaubild 5.1) und ⁄ (entsprechend der Strecke OC in Schaubild 5.1). Anhand der Minimalkostenkombination lässt sich auch zeigen, wie beide Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital gegeneinander substituiert werden, wenn sich die Faktorpreise verändern. Wenn beispielsweise der Lohnsatz relativ zum Zinssatz ansteigt, dann wird die Isokostenlinie steiler (Schaubild 5.2). Die Unternehmen reagieren auf die relative Verteuerung von Arbeit dadurch, dass sie weniger Arbeit und dafür mehr Kapital in der Produktion einsetzen; die Kapitalintensität steigt (Punkt B’ in Schaubild 5.2). Es gibt also eine eindeutig positive Beziehung zwischen Lohn-Zins-Verhältnis und der Kapitalintensität. K 1 A 1 B l/ r B ' k 1 ' k 1 l/ r ' 4. Edgeworth-Box. Bislang haben wir die Produktion in einem einzelnen Sektor betrachtet. Die gesamtwirtschaftliche Produktion beider Sektoren kann durch die Edgeworth-Box dargestellt werden. Hierfür nehmen wir an, dass die Ausstattung des Landes mit den Faktoren Arbeit und Kapital durch ̅ und gegeben ist; das gesamtwirtschaftliche Faktorangebot ist somit unabhängig von den Faktorpreisen. Die Produktionsfaktoren sind zudem vollbeschäftigt, d.h., es gilt ̅ sowie , und beide Faktoren sind vollkommen mobil zwischen beiden Sektoren. In den Schaubildern 5.3a und 5.3b sind Isoquanten für die Güter 1 und 2 gezeichnet. Durch Drehung des Isoquantensystems des Sektors 2 um 180° erhält man eine Box (Schaubild 5.3c), deren Ausmaße die Faktorausstattung des Landes Schaubild 5.2: Lohn-Zins-Verhältnis und Kapitalintensität <?page no="53"?> 5.1 Handelsmodell mit zwei Faktoren 45 wiedergeben. Die Breite der Box entspricht somit der Arbeitsausstattung ̅ und die Höhe der Box der Kapitalausstattung . Die Lage des Ursprungspunktes des Isoquantensystems des Sektors 2, , ist also eindeutig durch die Faktorausstattung festgelegt. K 1 K K 2 A 2 A 1 A A a b w v u f e d A 2 K O 1 O 2 f e d u v D E w/ 2 f/ 2 w K 1 K 2 A 1 c O 1 O 2 C Schaubild 5.3: Edgeworth-Box In jedem Punkt der Edgeworth-Box kann produziert werden. Die Isoquanten, die durch diesen Punkt verlaufen, geben dann jeweils die Produktionsmengen der Güter 1 und 2 wieder. Nur bestimmte Punkte in der Box stellen jedoch ein Produktionsoptimum sicher. In Punkt C beispielsweise können die Output- Niveaus d von Gut 1 und von Gut 2 erstellt werden. Durch eine Re-Allokation der Faktoren nach Punkt D kann bei gleichbleibendem Produktionsniveau d des Gutes 1 das höhere Outputniveau v in Sektor 2 erreicht werden. D ist ein produktionsoptimaler Punkt. E ist ein weiterer produktionsoptimaler Punkt. Wir sehen, dass sich in diesen Punkten die Isoquanten für beide Güter gerade tangieren. Die Isoquanten haben also im Produktionsoptimum die gleiche Steigung. Den geometrischen Ort aller Tangentialpunkte bezeichnen wir als Effizienzkurve (Linie DE ). Die Minimalkostenkombination in beiden Sektoren stellt sicher, dass ein produktionsoptimaler Punkt bei vollständiger Konkurrenz erreicht wird. Da die Pro- <?page no="54"?> 46 5. Ursachen relativer Preisvorteile duktionsfaktoren zwischen den Sektoren vollkommen mobil sind, gelten gesamtwirtschaftlich einheitliche Faktorpreise. Damit gilt auch das gleiche Lohn- Zins-Verhältnis in beiden Sektoren. Die Minimalkostenkombination wird in beiden Sektoren dort erreicht, wo die Isoquanten jeweils eine Isokostenlinie mit der Steigung ⁄ tangieren. Damit haben die Isoquanten im Produktionspunkt in beiden Sektoren die gleiche Steigung ⁄ und tangieren sich. In Schaubild 5.3c verläuft die Effizienzkurve unterhalb der Diagonalen . Dieser Verlauf ergibt sich, wenn die Produktion in Sektor 2 kapitalintensiver ist als in Sektor 1. Die Steigung des Fahrstrahls vom Ursprung aus durch jeden Punkt entlang der Effizienzlinie ist kleiner als die Steigung des Fahrstrahls von aus. Dann ist bei jedem Lohn-Zins-Verhältnis . 5. Transformationskurve. Wie im vorangehenden Kapitel können die Produktionsmöglichkeiten (die Gütermengen, die ein Land bei gegebener Technologie und Faktorausstattung herstellen kann) wieder durch eine Transformationskurve dargestellt werden. Die Transformationskurve ergibt sich, wenn man die Produktionsmengen, die zu den Isoquanten in den einzelnen Tangentenpunkten auf der Effizienzlinie gehören, in ein - -Diagramm überträgt. In Punkt werden beide Faktoren ausschließlich in der Produktion des Gutes 2 eingesetzt; es werden die Mengen Null von Gut 1 und w von Gut 2 erzeugt. Im Punkt wird nur Gut 1 (Menge f), aber nichts von Gut 2 hergestellt. Der Punkt D kennzeichnet Güterbündel (d, v) und der Punkt E Güterbündel (e, u). Überträgt man die Güterbündel in ein Gütermengendiagramm, so ergibt sich die Transformationskurve in Schaubild 5.4. Die korrespondierenden Punkte zu Schaubild 5.3c sind durch einen Beistrich gekennzeichnet. Einer Bewegung auf der Effizienzkurve von über D und E nach in Schaubild 5.3c entspricht eine Bewegung auf der Transformationskurve von ’ über D' und E' nach ’ in Schaubild 5.4. Q 1 Q 2 D ' E ' f f/ 2 w w/ 2 O 2 ' O 1 ' G Schaubild 5.4: Transformationskurve <?page no="55"?> 5.1 Handelsmodell mit zwei Faktoren 47 Während im Ricardo-Modell mit nur einem Produktionsfaktor die Transformationskurve eine Gerade ist, verläuft sie nun streng konkav zum Ursprung. Dieser Verlauf folgt aus den unterschiedlichen Kapitalintensitäten beider Sektoren im Produktionsoptimum. Nehmen wir beispielsweise an, dass das Land gerade die Hälfte seines Arbeits- und Kapitalbestands in der Produktion von Gut 1 und die andere Hälfte in der Produktion von Gut 2 einsetzt. Mit der angenommenen linear-homogenen Produktionsfunktion wird dann gerade 2 ⁄ von Gut 2 und 2 ⁄ von Gut 1 produziert. Diese Aufteilung der Produktionsfaktoren ist jedoch ineffizient, da die Kapitalintensität im Produktionsoptimum in Sektor 2 höher ist als in Sektor 1. Mit einer Re-Allokation der Faktoren können Produktionspunkte rechts bzw. oberhalb von G erreicht werden. Diese Art der Argumentation lässt sich für alle Punkte auf der Geraden zwischen und wiederholen. So ergibt sich der streng konkave Verlauf der Transformationskurve. 5. Produktionspunkt. Die negative Steigung der Transformationskurve, die Grenzrate der Transformation, misst die Opportunitätskosten der Produktion von Gut 1. Sie gibt an, auf welche Menge von Gut 2 verzichtet werden muss, wenn marginal mehr von Gut 1 produziert werden soll. Da wir weiterhin von der Marktform der vollständigen Konkurrenz ausgehen, gilt in beiden Sektoren die Nullgewinnbedingung. Mit Hilfe der Nullgewinnbedingung kann gezeigt werden, dass die Grenzrate der Transformation dem Relativpreis von Gut 1 entspricht (vgl. Anhang 5.A). Mit ⁄ als Relativpreis von Gut 1 gilt somit . (5.2) Schaubild 5.5 stellt den Produktionspunkt als Tangentenpunkt der Transformationskurve mit einer Preisgeraden mit der negativen Steigung dar (Punkt A). Wenn das Preisverhältnis gegeben ist, dann bestimmt Gleichung (5.2) somit den dazu gehörenden Produktionspunkt A. Steigt das Preisverhältnis auf ′, so verlagert sich der Produktionspunkt von A nach A’. Es wird mehr vom relativ verteuerten Gut 1 und weniger vom relativ günstiger gewordenen Gut 2 produziert, bis die Opportunitätskosten der Produktion dem neuen Preisverhältnis entsprechen. Diese Änderung der sektoralen Struktur wird von einer Re- Allokation der Produktionsfaktoren begleitet. Faktoren wandern von Sektor 2 nach Sektor 1. Schaubild 5.5 liefert auch eine intuitive Erklärung für Gleichung (5.2). Die Preisgerade mit der Steigung gibt das reale Einkommen eines Landes bei einem gegebenen Relativpreis an. In Einheiten von Gut 2 gilt für das reale Einkommen ⋅ . Bei einer gegebenen Transformationskurve erreicht das Land die höchste Preisgerade und damit das höchste Einkommen im Tangentenpunkt A. <?page no="56"?> 48 5. Ursachen relativer Preisvorteile 6. Nachfrageverhältnisse. Der Produktionspunkt wird also durch das relative Güterpreisverhältnis festgelegt. Um den Konsumpunkt zu finden, muss die Nachfrage nach beiden Gütern spezifiziert werden. Hierfür gehen wir zur Vereinfachung davon aus, dass die beiden Güter unabhängig von deren Preisen in einem festen Verhältnis nachgefragt werden. Die Nachfragebedingungen werden dann durch einen Fahrstrahl vom Nullpunkt in Schaubild 5.5 dargestellt. Die Steigung dieses Fahrstrahls gibt das Verhältnis ⁄ an, in dem die beiden Güter im Land konsumiert werden. 3 7. Autarkiegleichgewicht. Mit der Spezifikation der Produktionsmöglichkeiten und der Nachfrage kann die Autarkiesituation eines Landes dargestellt werden. Im Autarkiegleichgewicht müssen die produzierten Mengen beider Güter mit den konsumierten Mengen übereinstimmen: und . In Schaubild 5.5 ist das in Punkt A der Fall. Das gleichgewichtige Autarkiepreisverhältnis ergibt sich dann durch die negative Steigung der Transformationskurve in diesem Punkt. Damit können relative Preisvorteile eines Landes auf ihre Bestimmungsfaktoren zurückgeführt werden, und zwar auf unterschiedliche Nachfragebedingungen in beiden Ländern, unterschiedliche Produktionstechnologien und auf unterschiedliche Faktorausstattungen. Tabelle 5.1 gibt diese drei Fälle an und nennt die Abschnitte dieses Kapitels, in denen sie behandelt werden. Q 1 Q 2 A p C / C 2 1 A ' p ' O 1 ' O 2 ' 3 Die Annahme gegebener Nachfrageverhältnisse mag restriktiv erscheinen. Implizit wird damit nämlich der nicht sehr realistische Fall einer linear-limitationalen Nutzenfunktion unterstellt. Sie vereinfacht jedoch die Darstellung. Zudem gelten die im Folgenden abgeleiteten Modellaussagen auch für eine allgemeinere Spezifikation der Nachfrage, bei der die nachgefragten Gütermengen aus der Maximierung einer homothetischen (d.h. linear-homogenen) Nutzenfunktion bestimmt werden. Schaubild 5.5: Produktionspunkt und Autarkiegleichgewicht <?page no="57"?> 5.2 Unterschiedliche Nachfrageverhältnisse 49 Tabelle 5.1: Bestimmungsfaktoren komparativer Preisvorteile Nachfrageverhältnisse Faktorausstattung Produktionsverfahren Abschnitt Unterschiedlich Gleich Gleich 5.2 Gleich Gleich Unterschiedlich 5.3 Gleich Unterschiedlich Gleich 5.4 5.2 Unterschiedliche Nachfrageverhältnisse 1. Grundidee. Die relativen Güterpreise werden von der Nachfrage beeinflusst. Es ist deshalb zu erwarten, dass eine Ursache für Handel in unterschiedlichen Nachfrageverhältnissen liegt. Hat etwa das Inland in der Autarkiesituation eine relativ geringe Nachfrage nach einem Gut, so wird der Relativpreis dieses Gutes im Vergleich zum Ausland gering sein. Eine relativ geringe Nachfrage begründet somit einen komparativen Preisvorteil. 2. Einfluss der Nachfrage. Wir gehen im Folgenden wieder von zwei Ländern aus. Um den Nachfrageeinfluss isoliert zu betrachten, wird zudem angenommen, dass beide Länder über die gleiche Technologie und die gleiche Faktorausstattung verfügen. Dann haben beide Länder auch die gleiche Transformationskurve. Das Inland fragt aber im Vergleich zum Ausland eine höhere Menge von Gut 2 relativ zu Gut 1 nach. Von der Nachfrageseite her nehmen wir also an, dass Folgendes gilt: ∗ ∗ . (5.3) Schaubild 5.6 stellt diesen Fall dar. Es zeigt sich, dass im Inland aufgrund der höheren relativen Nachfrage nach Gut 2 bzw. der geringeren relativen Nachfrage nach Gut 1 der relative Autarkiepreis von Gut 1 geringer ist als im Ausland. Die Opportunitätskosten der Produktion von Gut 1 sind im Autarkiepunkt A für das Inland geringer als im Autarkiepunkt A* für das Ausland. Das Inland hat dann einen komparativen Preisvorteil für Gut 1 und das Ausland einen komparativen Preisvorteil für Gut 2 . 4 Aussage 5.1: Bei gleichen Produktionsbedingungen und gleicher Faktorausstattung hat ein Land einen komparativen Preisvorteil bei dem Gut, das vor Handel relativ weniger nachgefragt wird. 4 Im Ricardo-Fall spielen Nachfrageverhältnisse für die Bestimmung des Relativpreises keine Rolle. Der Relativpreis hängt allein vom Verhältnis der Inputkoeffizienten ab. <?page no="58"?> 50 5. Ursachen relativer Preisvorteile Q 2 Q 1 C / C 2 1 C */ C * 2 1 P A A* C* C X X* 3. Anpassungsprozesse. In Schaubild 5.6 kennzeichnet A den Produktionspunkt des Inlands in Autarkie; das Preisverhältnis in Autarkie entspricht der negativen Steigung der Transformationskurve. Nach Handel steigt das Preisverhältnis des Inlands und der Produktionspunkt verschiebt sich nach P. Das Preisverhältnis im Ausland geht zurück. Im Gleichgewicht mit Handel gilt in beiden Ländern das gleiche Preisverhältnis. Da die Transformationskurve in beiden Ländern die gleiche ist, gleichen sich auch die Produktionspunkte an. Durch Handel verschwinden somit internationale Unterschiede in der Produktionsstruktur, die auf Nachfrageunterschiede zurückgehen. C und C* kennzeichnen die Konsumpunkte beider Länder bei Freihandel. PX sind die Exporte des Inlands, XC die Importe des Inlands. Die inländischen Exporte entsprechen den Importen des Auslands (Strecke X*C*) und die inländischen Importe sind gleich den ausländischen Exporten (Strecke PX*). 5.3 Unterschiedliche Produktivitäten 1. Grundidee. Relative Preisvorteile können auch in Produktivitätsunterschieden begründet sein. Für den Fall eines einzigen Produktionsfaktors Arbeit haben wir dies schon im Ricardo-Fall gezeigt. Nachfolgend wollen wir uns die Frage stellen, inwiefern sich die Ricardo-Aussage auf den allgemeineren Fall zweier Produktionsfaktoren übertragen lässt. Um Unterschiede in den Produktivitäten abzubilden, werden dafür die Faktoreinsätze in der Produktion mit sektorspezifischen Qualitätsparametern bewertet. Man kann sich hierbei vorstellen, dass die Produktionsprozesse international auf unterschiedlichen technischen Niveaus stattfinden. Mit der gleichen eingesetzten Menge an Arbeit und Kapital können dann international unterschiedliche Output-Mengen erzeugt werden. Schaubild 5.6: Nachfrageunterschiede und Preisvorteile <?page no="59"?> 5.3 Unterschiedliche Produktivitäten 51 Von diesem Fall gehen wir im Folgenden aus. Wenn zwei Länder gleiche Faktorausstattungen und gleiche Nachfrageverhältnisse haben, wird ein Land einen komparativen Preisvorteil für dasjenige Gut haben, bei dessen Produktion das Land einen komparativen Vorteil im technischen Niveau hat. 2. Produktionsfunktionen. Mit den Qualitätsparametern können die Produktionsfunktionen des Inlands durch ⋅ , (5.4) dargestellt werden. Für das Ausland ergibt sich die analoge Funktion mit ∗ . Ferner wird unterstellt, es gilt ∗ und dass beide Länder den gleichen Arbeits- und Kapitalbestand haben. Bei den Qualitätsparametern unterscheiden sich beide Länder folgendermaßen: ∗ ∗ . (5.5) Wie wir im Folgenden sehen werden, führen diese Annahmen zu einem komparativen Preisvorteil des Inlands bei Gut 1. 3. Bedingung für Handel. Die Bedingung für Handel lässt sich mit Hilfe der Transformationskurve ableiten. Die Argumentation lautet wie folgt: Für ∗ 1 haben beide Länder die gleiche Transformationskurve (gestrichelte Linie in Schaubild 5.7). Lässt man Qualitätsparameter , ∗ 1 zu, so verschiebt sich die Transformationskurve für beide Volkswirtschaften nach außen. Dabei ist die Verschiebung in Richtung des Gutes umso stärker, je höher ist. Q 2 Q 1 A* A Ausland Inland C / C 2 1 Schaubild 5.7 zeigt zur Verdeutlichung den Fall, bei dem gilt ∗ und ∗ . Wenn wir von gleichen Nachfrageverhältnissen in beiden Ländern ausgehen, dann liegen die Konsummengen in beiden Ländern auf dem gleichen Fahrstrahl Schaubild 5.7: Produktivitätsunterschiede und Preisvorteile <?page no="60"?> 52 5. Ursachen relativer Preisvorteile durch den Ursprung. In Schaubild 5.7 kennzeichnet A den Produktions- und Konsumpunkt in Autarkie für das Inland und A* für das Ausland. Wir sehen in Zeichnung, dass die Grenzrate der Transformation und damit das Preisverhältnis im Inland in A geringer ist als im Ausland in A*. Das Inland hat einen komparativen Preisvorteil bei Gut 1. Diese Argumentation lässt sich verallgemeinern für alle Situationen, in denen Ungleichung (5.5) gilt, das Inland also einen relativen Produktivitätsvorteil bei Gut 1 gegenüber dem Ausland hat. Aussage 5.2: Bei gleichen Nachfragebedingungen und gleicher Faktorausstattung hat ein Land einen komparativen Preisvorteil bei dem Gut, bei dem es einen relativen Produktivitätsvorteil hat. 5.4 Unterschiedliche Faktorausstattung 1. Fragestellung und Annahmen. Die Analyse des vorigen Abschnitts ist dadurch gekennzeichnet, dass beide Länder bei gleicher Faktorausstattung unterschiedliche Produktivitäten haben - in Form von relativen Unterschieden in den Qualitätsparametern. Wir heben nun die Annahme gleicher Faktorausstattungen auf und abstrahieren dafür von Unterschieden in den Produktionsfunktionen. Dies ist der so genannte Heckscher-Ohlin-Fall, benannt nach Eli Heckscher und Bertil Ohlin, die Faktorausstattungsunterschiede als Ursache für Handel in die Außenhandelstheorie eingeführt haben. Auch für den Heckscher-Ohlin-Fall wollen wir diskutieren, unter welchen Konstellationen die Bedingung für Handel erfüllt ist. 2. Grundidee. Wenn ein Land kapitalreich ist, sollte man erwarten, dass Kapital relativ preiswert ist und dass damit ein kapitalintensiv produziertes Gut in diesem Land kostengünstiger hergestellt werden kann. Man sollte also vermuten, dass das kapitalreiche Land einen Produktionsvorteil für das kapitalintensiv produzierte Gut hat. Das kapitalreiche Land exportiert dann das kapitalintensiv produzierte Gut. Analog kann man sich eine Aussage über die Arbeitsreichlichkeit eines Landes und die Arbeitsintensität eines Produkts vorstellen: Man sollte vermuten, dass ein relativ arbeitsreiches Land einen Produktionsvorteil für ein arbeitsintensiv produziertes Gut hat und dieses exportiert. Erweitert man die Palette der Produktionsfaktoren, so sind die folgenden Aussagen zu erwarten: Ein bodenreiches Land exportiert ein bodenintensiv produziertes Gut; ein rohstoffreiches Land exportiert ein rohstoffintensiv hergestelltes Produkt; ein humankapitalreiches Land exportiert ein humankapitalintensives Produkt. In einem weiteren Sinne könnte schließlich auch gelten: Ein umweltreiches Land exportiert ein umweltintensiv produziertes Gut und ein mit landschaftlicher Schönheit reichlich ausgestattetes Land hat einen Vorteil bei einem landschaftsintensiven Produkt wie dem Tourismus. Entscheidend ist also für die Heckscher-Ohlin-Aussage, die Faktorreichlichkeit eines Landes mit der Faktor- <?page no="61"?> 5.4 Unterschiedliche Faktorausstattung 53 intensität der Produktion zu kombinieren. Tabelle 5.2 zeigt zur Illustration eine sehr grobe Einteilung verschiedener Länder und Regionen nach ihrer Faktorreichlichkeit. Tabelle 5.2: Vermutete Faktorreichlichkeit verschiedener Regionen und Länder Sachkapitalreich USA, Japan, Westeuropa Humankapitalreich USA, Japan, Westeuropa Arbeitsreich China, Malaysia, Osteuropa Ressourcenreich Arabische Halbinsel, Australien, Russland 3. Messung der Faktorreichlichkeit. Um zu operationalisierbaren Aussagen zu kommen, kehren wir wieder zum Fall zweier Produktionsfaktoren (Arbeit und Kapital) zurück. Zunächst muss eine Messvorschrift für die Faktorreichlichkeit gefunden werden. Hierfür bieten sich zwei unterschiedliche Ansätze an: Zum einen kann die Faktorreichlichkeit anhand der physischen Faktorausstattung gemessen werden. In dieser Variante ist das Inland relativ arbeitsreich im Vergleich zum Ausland, wenn die Kapitalausstattung pro Arbeiter im Inland geringer ist als im Ausland, also ∗ , mit ̅ ⁄ bzw. ∗ ∗ ̅ ∗ ⁄ . Zum anderen können die Faktorpreise herangezogen werden. Nach diesem Ansatz ist das Inland relativ arbeitsreich, wenn der relative Faktorpreis der Arbeit, das Lohn-Zins-Verhältnis, im Inland geringer ist als im Ausland, also ⁄ ∗ ∗ ⁄ . Nachfolgend wird zunächst der Ansatz der physischen Faktorreichlichkeiten besprochen. 5.4.1 Messung der Faktorreichlichkeit durch relative Faktormengen 1. Edgeworth-Box und Transformationskurve. Wird die Faktorreichlichkeit an relativen Faktormengen gemessen, so kann mit Hilfe der Edgeworth-Box und der Transformationskurve argumentiert werden. In Schaubild 5.8 ist die Faktorausstattung des Inlands gegeben durch O 1 T an Kapital und O 1 Y an Arbeit. Die Kapitalausstattung pro Arbeiter des Inlands wird durch die Steigung der Verbindungslinie zwischen O 1 und O 2 gemessen. Die Effizienzlinie zeigt wieder die optimalen Faktoreinsatzkombinationen und die entsprechenden Produktionsmengen lassen sich im Gütermengendiagramm durch die Transformationskurve darstellen. Die maximale Produktionsmenge des arbeitsintensiv produzierten Guts 1 ist B, die maximale Produktionsmenge von Gut 2 ist D. <?page no="62"?> 54 5. Ursachen relativer Preisvorteile O 1 O 2 O 2 ' B B ' U T D (Ausland) D (Inland), D (Ausland) ' Y Z Nehmen wir nun an, dass das Ausland relativ kapitalreich ist im Vergleich zum Inland ( ∗ ). In Schaubild 5.8 hat das Ausland die Faktorausstattung O 1 U an Kapital und O 1 Z an Arbeit. Im Vergleich zum Inland bleiben die Isoquanten der Produktion von Gut 1 in der gleichen Lage; der Ursprung des Isoquantensystems der zweiten Aktivität verschiebt sich jedoch nach O 2 ’. Damit verlagern sich alle Isoquanten für Gut 2 und die entsprechenden Tangentialpunkte. Die Effizienzkurve des Auslands ist dann durch die gestrichelte Linie zwischen O 1 und O 2 ’ gegeben. Die Transformationskurven der beiden Volkswirtschaften erhalten wir wieder, indem die Niveaus der Produktionsisoquanten punktweise in ein neues Schaubild übertragen werden. In Schaubild 5.8 wird unterstellt, dass das Inland absolut eine größere Menge des arbeitsintensiven Gutes 1 erzeugen kann. Die Isoquante B verläuft oberhalb der Isoquante B’. Für 0 muss die Transformationskurve des Inlands also weiter außerhalb liegen als die Kurve des Auslands. Umgekehrt kann das Ausland für 0 eine größere Menge von Gut 2 herstellen als das Inland. Das sieht man an den Isoquanten D und D’. Die maximale Produktionsmenge von Gut 2 für das Inland ist durch das Niveau der Isoquante D (Inland) gegeben. Da sich das Isoquantensystem für Gut 2 im Ausland gegenüber dem Inland verschoben hat, ist die Isoquante mit dem gleichen Produktionsniveau für das Ausland ebenfalls verschoben und wird durch D (Ausland) dargestellt. Das maximale Produktionsniveau von Gut 2 im Ausland entspricht der Isoquante D’ (Ausland). Dieses Niveau ist höher als D. Demnach kann das Ausland bei 0 mehr von Gut 2 produzieren als das Inland. Schaubild 5.8: Faktorreichlichkeit und Edgeworth-Box <?page no="63"?> 5.4 Unterschiedliche Faktorausstattung 55 Noch ein Hinweis: In Schaubild 5.8 ist unterstellt worden, dass gilt ̅ ̅ ∗ und ∗ . Man kann sich auch andere Fälle vorstellen, in denen beispielsweise ̅ ̅ ∗ ist; entscheidend ist allein die Kapitalausstattung pro Arbeiter ∗ . Siehe hierfür auch Abschnitt 5.6. 2. Faktorreichlichkeit und Bedingung für Handel. Mit dem unterschiedlichen Verlauf der inländischen und der ausländischen Transformationskurve, der sich aus der unterschiedlichen Faktorausstattung ergibt, lässt sich wiederum die Bedingung für Handel ableiten: In Schaubild 5.9 ist die Autarkiesituation beider Länder dargestellt (Punkt A). Beide konsumieren die Güter 1 und 2 in den gleichen Mengenverhältnissen. Wir sehen, dass dann der Relativpreis von Gut 1 im Inland geringer ist als im Ausland. Das arbeitsreiche Inland hat dann einen komparativen Preisvorteil für das arbeitsintensiv produzierte Gut 1. Aussage 5.3 (Heckscher-Ohlin-Theorem): Bei gleichen Nachfragebedingungen und gleicher Technologie hat ein Land einen komparativen Preisvorteil bei dem Gut, dessen Produktion den relativ reichlich vorhandenen Faktor intensiv nutzt. Q 2 Q 1 Ausland Inland P* C* P C C / C = C */ C * 2 1 2 1 A B ' B D ' D A* Nach Aufnahme von Handel produziert das Inland in Punkt P und konsumiert in Punkt C; es exportiert also Gut 1 und importiert Gut 2. Gleichzeitig exportiert das Ausland Gut 2 und importiert Gut 1. Die Steigung der Tangente in P bzw. in P* entspricht dem Relativpreis im Handelsgleichgewicht. 3. Kapitalintensitäten. Die Faktorintensität der Produktion variiert erheblich zwischen Sektoren. In Deutschland ist die Kapitalintensität, also die Ausstattung eines Arbeitsplatzes mit Kapital, im Mineralölbereich besonders hoch. Dagegen ist das Textil- und Bekleidungsgewerbe durch eine sehr niedrige Kapitalintensität (ca. 120.000 € je Erwerbstätiger) gekennzeichnet (Tabelle 5.3). Schaubild 5.9: Ausstattungsunterschiede und Bedingung für Handel <?page no="64"?> 56 5. Ursachen relativer Preisvorteile Tabelle 5.3: Kapitalintensitäten ausgewählter Sektoren in Deutschland (2010) Sektor Kapitalintensität a Kokerei und Mineralölverarbeitung 0,55 Herstellung von chemischen Erzeugnissen 0,28 Herstellung von Textilien, Bekleidung, Lederwaren & Schuhen 0,12 a Bruttoanlagevermögen (Anlagen) in €/ Erwerbstätige. Quelle: Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen Fachserie 18, Reihe 1.4; eigene Berechnungen. 5.4.2 Messung der Faktorreichlichkeit durch das Faktorpreisverhältnis 1. Ausgangspunkt. Wir unterstellen, dass in der Situation vor Handel ⁄ ∗ ∗ ⁄ gilt. Das Lohn-Zins-Verhältnis ist im Inland geringer als im Ausland; das Inland ist also weiterhin relativ arbeitsreich im Vergleich zum Ausland. Ausgehend von dieser Situation wollen wir wieder zeigen, dass das Inland einen relativen Preisvorteil beim arbeitsintensiven Gut 1 hat. Wir suchen also eine Beziehung zwischen den relativen Faktorpreisen und den relativen Güterpreisen. 2. Darstellung mit Effizienz- und Transformationskurve. Aus der Minimalkostenkombination wissen wir, dass die Steigung der Isoquanten entlang der Effizienzlinie gleich dem Lohn-Zins-Verhältnis ist. Jedem Punkt der Effizienzkurve entspricht also ein bestimmtes Faktorpreisverhältnis. Bei linear-homogenen Produktionsfunktionen gilt, dass die Steigung der Isoquanten entlang einem Fahrstrahl vom Nullpunkt die gleiche ist. In Schaubild 5.10a ist ein solcher Fahrstrahl O 1 BD eingezeichnet. Das Lohn-Zins-Verhältnis ist demnach in den Punkten B und D gleich. Im Vergleich zu Punkt D hat aber die Isoquante in C eine betragsmäßig größere Steigung. Damit hat Punkt C auch ein höheres Lohn-Zins-Verhältnis als Punkt D und damit auch als Punkt B. Das Lohn-Zins-Verhältnis steigt bei einer Bewegung entlang der Effizienzkurve von B nach C. Dies ist leicht zu erklären: Die Produktion des arbeitsintensiven Gutes 1 wird erhöht; gleichzeitig wird die Produktion des kapitalintensiven Gutes 2 reduziert. Damit steigt die Nachfrage nach Arbeit relativ zur Nachfrage nach Kapital. Da das Angebot an Arbeit und Kapital durch die Faktorausstattung des Landes exogen gegeben ist, verteuert sich der Faktor Arbeit relativ zum Faktor Kapital. Mit einem Anstieg der Produktion von Gut 1 steigt also das Lohn-Zins- Verhältnis. Gleichzeitig sehen wir anhand der Transformationskurve, dass mit steigender Produktion von Gut 1 auch dessen Relativpreis ansteigt. <?page no="65"?> 5.4 Unterschiedliche Faktorausstattung 57 Wir wissen somit: Jedem Punkt der Effizienzkurve entspricht ein bestimmtes Faktorpreisverhältnis. Jeder Punkt der Effizienzkurve entspricht einem Punkt auf der Transformationskurve. Jedem Punkt der Transformationskurve entspricht ein Güterpreisverhältnis. Daraus folgt: Jedem Faktorpreisverhältnis entspricht ein bestimmtes Güterpreisverhältnis und mit steigendem Lohn-Zins-Verhältnis steigt der Relativpreis des arbeitsintensiven Gutes. Es besteht also (für ) eine Zuordnung ⁄ ⁄ ⁄ , mit ⁄ ⁄ 0 . (5.6) Diese Zuordnung zwischen dem Lohn-Zins-Verhältnis und dem Güterpreisverhältnis haben wir in Gleichung (5.6) für ein einzelnes Land abgeleitet. Die Zuordnung gilt aber auch, wenn wir verschiedene Länder miteinander vergleichen, solange diese mit der gleichen Produktionsfunktion arbeiten (siehe den nachfolgenden Punkt 4 in diesem Abschnitt). Wir können dann direkt folgern, dass das Inland einen relativen Preisvorteil bei dem arbeitsintensiven Gut 1 hat, wenn das Lohn-Zins-Verhältnis niedriger ist als im Ausland. Eine Konkretisierung der Nachfrageverhältnisse, wie unter 5.4.1, ist jetzt nicht mehr erforderlich. Den Zusammenhang zwischen Güterpreisverhältnis und Faktorpreisverhältnis kann man sich intuitiv zum einen angebotsseitig klarmachen: Steigt das Lohn- Zins-Verhältnis, so nehmen die Produktionskosten des arbeitsintensiv hergestellten Gutes zu; sein Relativpreis steigt. Man kann diesen Zusammenhang zum anderen aber auch von der Nachfrageseite her interpretieren: Steigt der Relativpreis des arbeitsintensiven Gutes 1, so nimmt die Produktion dieses Gutes zu, es wird relativ mehr Arbeit nachgefragt und das Lohn-Zins-Verhältnis steigt. Letztlich werden Güterpreisverhältnis und Faktorpreisverhältnis simultan im Marktgleichgewicht bestimmt. Zerlegt man die simultane Bestimmung von Güterpreisen und Faktorpreisen in eine zeitliche Folge, so werden in der nachfrageseitigen Interpretation „zuerst“ auf den Gütermärkten die Güterpreise bestimmt und „dann“ die Faktorpreise gefunden, während die Abfolge bei der angebotsseitigen Interpretation umgekehrt verläuft. Aussage 5.4: Bei gleicher Technologie hat ein Land einen komparativen Preisvorteil bei dem Gut, dessen Produktion den relativ billigeren Faktor intensiv nutzt. 3. Kapitalintensität und Lohn-Zins-Verhältnis. Bei der Herleitung der Minimalkostenkombination haben wir bereits gesehen, dass zwischen dem Lohn-Zins- Verhältnis und der Kapitalintensität eine eindeutige Beziehung besteht. Diese <?page no="66"?> 58 5. Ursachen relativer Preisvorteile Beziehung zeigt sich auch anhand der Effizienzkurve in Schaubild 5.10. Bei einer Bewegung von B nach C steigen die Kapitalintensitäten und . O O* k 1 k 2 l/ r ' l/ r B D C B C p p ' Q 2 Q 1 a b Schaubild 5.10: Güterpreisverhältnis und Faktorpreisverhältnis 4. Darstellung mit der Minimalkostenkombination. Der Zusammenhang zwischen den relativen Güterpreisen und dem Lohn-Zins-Verhältnis lässt sich auch anhand der Minimalkostenkombination verdeutlichen. Von Lerner (1952) stammt eine Darstellung, die zeigt, wie hoch bei gegebenen Faktorpreisen die Güterpreise (oder umgekehrt) sein dürfen, damit in beiden Sektoren die Nullgewinnbedingung erfüllt ist. In Schaubild 5.11 sind die Minimalkostenkombinationen für Sektor 1 und Sektor 2 eingezeichnet. Aufgrund der linear-homogenen Produktionsfunktion spielt das Output-Niveau für die nachfolgende Argumentation keine Rolle. Wir können also das Niveau der Isoquanten so wählen, dass bei gegebenen Güterpreisen ein Erlös von jeweils 1 in beiden Sektoren erzielt wird, d.h. 1 oder 1⁄ . Schaubild 5.11 bildet diese „Einheitserlös-Isoquanten“ ab. Die Tangentenpunkte B und C zwischen Isoquante und Isokostenlinie zeigen die kostenminimierenden Produktionsmengen. Da unter vollständiger Konkurrenz produziert wird und die Unternehmen keine Gewinne machen, müssen die Kosten ebenfalls gleich 1 sein. Die Gleichung für die eingezeichnete Isokostenlinie lautet 1⁄ ⁄ ⋅ mit der Steigung ⁄ . Die eingezeichnete Isokostenlinie bestimmt demnach die Faktorpreise und , die zu Kosten von 1 führen. Die Isokostenlinie schneidet die -Achse bei 1⁄ und die -Achse bei 1⁄ . Da Gut 2 kapitalintensiver ist, liegt bei einem gegebenen Lohn-Zins-Verhältnis der Tangentenpunkt C links oberhalb von B. Schaubild 5.11 zeigt, dass eine eindeutige Beziehung zwischen dem relativen Güterpreis ⁄ und dem Lohn-Zins-Verhältnis ⁄ besteht. Wir können beispielsweise annehmen, dass sich der Preis von Gut 1 bei unverändertem Preis <?page no="67"?> 5.5 Anpassungsprozesse nach Aufnahme von Handel 59 von Gut 2 erhöht. Die Isoquante, die in Sektor 1 zu einem Erlös von 1 führt, verschiebt sich dann nach innen. Wir sehen, dass sich die Faktorpreise verändern müssen, damit weiterhin in beiden Sektoren die Nullgewinnbedingung erfüllt ist. Es ergibt sich eine neue, steilere Isokostenlinie bei veränderten Faktorpreisen. Das Lohn-Zins-Verhältnis steigt. Die gleiche Wirkung auf das Lohn-Zins-Verhältnis hätte ein Rückgang des Güterpreises von Gut 2 bei konstantem Preis für Gut 1. In diesem Fall würde sich die Einheitswert-Isoquante von Gut 2 nach außen verschieben, wodurch wieder das Lohn-Zins-Verhältnis steigen muss, um die Nullgewinnbedingung zu erfüllen. Wenn sich beide Güterpreise im gleichen Ausmaß verändern würden, so dass der Relativpreis unverändert bliebe, dann würde sich das Lohn-Zins-Verhältnis auch nicht ändern. Schaubild 5.11 und die darin dargestellte Beziehung zwischen Güterpreisen und Faktorpreisen gilt für In- und Ausland gleichermaßen, solange die Produktionsfunktionen in beiden Ländern gleich sind, denn dann sind auch die Isoquanten in beiden Ländern die gleichen. K i A i 1/ r Q =1/ p 2 2 Q =1/ p 1 1 1/ l C ' C k 2 Q 1 ' B B ' k 1 5.5 Anpassungsprozesse nach Aufnahme von Handel 1. Fragestellung. In Kapitel 5.4 haben wir gesehen, wie Ausstattungsunterschiede zwischen den Ländern komparative Preisvorteile begründen können. Nun betrachten wir, welche Anpassungsprozesse sich im In- und Ausland nach der Aufnahme von Handel im Heckscher-Ohlin-Fall abspielen. Hierbei steht die Frage im Vordergrund, welche Auswirkungen internationaler Handel auf die Faktorpreise der Länder hat. 2. Harrod-Johnson-Diagramm. Die Anpassungsprozesse, die in beiden Ländern nach Aufnahme von Handel ablaufen, lassen sich in Schaubild 5.12 (Harrod- Schaubild 5.11: Güterpreise und Faktorpreise <?page no="68"?> 60 5. Ursachen relativer Preisvorteile Johnson-Diagramm) darstellen. Das Harrod-Johnson-Diagramm kombiniert die Beziehungen zwischen Lohn-Zins-Verhältnis, Kapitalintensitäten und Relativpreis, die in Abschnitt 5.4.2 abgeleitet wurden. Da in beiden Ländern die gleiche Technologie unterstellt wurde, gelten diese Beziehungen im In- und Ausland gleichermaßen. Ausgangspunkt sind die Lohn-Zins-Verhältnisse vor Handel, die im Inland mit OA und im Ausland mit OB gegeben sind. Es gilt also ⁄ ∗ ∗ ⁄ . Der obere Quadrant in Schaubild 5.12 zeigt die Kapitalintensitäten in beiden Sektoren in Abhängigkeit vom Lohn-Zins-Verhältnis. Dieser Teil des Schaubilds beschreibt die Anpassung der Kapitalintensität der Sektoren 1 und 2 an das Lohn-Zins- Verhältnis im In- und Ausland. Mit steigendem Lohn-Zins-Verhältnis steigen die Kapitalintensitäten und an. Annahmegemäß produziert Sektor 2 kapitalintensiver als Sektor 1, d.h. , so dass die -Funktion oberhalb der -Funktion verläuft. Die Zuordnung des Güterpreisverhältnisses zum Faktorpreisverhältnis aus Gleichung (5.6) ist im unteren Quadranten von Schaubild 5.12 abgebildet. Auch diese Zuordnung ist bei gleichen Produktionsfunktionen für beide Länder die gleiche. In Schaubild 5.12 sehen wir, dass für das Güterpreisverhältnis mit steigendem Faktorpreisverhältnis ansteigt. 5 l/ r k i p p k * k p * k 2 k 1 A B E O 5 Der dargestellte Verlauf der Kurven im Harrod-Johnson-Diagramm ergibt sich, wenn von Cobb-Douglas Produktionsfunktionen in beiden Sektoren ausgegangen wird. Schaubild 5.12: Harrod-Johnson-Diagramm <?page no="69"?> 5.5 Anpassungsprozesse nach Aufnahme von Handel 61 3. Anpassung nach Aufnahme von Handel. Im Harrod-Johnson-Diagramm lässt sich nun zeigen, welche Anpassungsprozesse in den beiden Volkswirtschaften ablaufen, wenn die Grenzen geöffnet werden. Da annahmegemäß keine Handelsschranken existieren, müssen sich die Relativpreise anpassen, d.h., es muss gelten ∗ . Die Preisrelation steigt im Inland und ∗ sinkt im Ausland. Das arbeitsintensive Gut wird im Inland relativ teurer und im Ausland relativ billiger, bis sich die Relativpreise in beiden Ländern vollkommen angeglichen haben. In Schaubild 5.12 wird der Punkt E erreicht. Die Veränderung der Preisrelation beeinflusst auch die Produktionsanreize für die Unternehmen. Mit steigendem Relativpreis von Gut 1 lohnt es sich für die Unternehmen im Inland, die Produktionsmenge von Gut 1 auszudehnen und von Gut 2 zu reduzieren. Die Ökonomie passt sich mit einer Bewegung entlang der Transformationskurve und einer Spezialisierung in Richtung auf Gut 1 an. Das Inland dehnt also nach Aufnahme von Handel die Produktion seines Exportgutes aus und schränkt die Herstellung seines Importgutes ein. Die Spezialisierung auf das arbeitsintensive Exportgut führt zu einem Anstieg des Lohn- Zins-Verhältnisses im Inland. Umgekehrt sinkt das Lohn-Zins-Verhältnis im Ausland. Schaubild 5.12 zeigt, dass diese Anpassung erst dann abgeschlossen ist, wenn sich die Lohn-Zins-Verhältnisse in beiden Ländern vollkommen ausgeglichen haben. Es kommt somit zu einem Ausgleich der relativen Faktorpreise. Auch die Kapitalintensitäten in der Produktion gleichen sich aus. Das sehen wir im oberen Quadranten von Schaubild 5.12. Im Inland steigt das Lohn-Zins- Verhältnis mit der Spezialisierung auf das arbeitsintensive Gut. Die inländischen Unternehmen in beiden Sektoren erhöhen als Reaktion darauf die Kapitalintensität der Produktion. Im Ausland sinkt die Kapitalintensität der Produktion, bis gilt ∗ . Nun lässt sich auch zeigen, dass die Aufnahme von Handel nicht nur den relativen Faktorpreis ⁄ betrifft, sondern auch die realen Faktorpreise ⁄ und ⁄ eindeutig verändert. Das folgt aus der beschriebenen Anpassung der Kapitalintensitäten. Bei vollkommener Konkurrenz entspricht der reale Lohn der Grenzproduktivität der Arbeit, und der reale Zins entspricht der Grenzproduktivität des Kapitals. Mit der angenommenen linear-homogenen Produktionsfunktion sind die Grenzproduktivitäten allein von der Kapitalintensität abhängig, mit der in dem jeweiligen Sektor produziert wird (für eine formale Darstellung siehe Anhang 5.A). Eine hohe Kapitalintensität bedeutet eine hohe Kapitalausstattung pro Arbeiter und damit auch eine hohe Grenzproduktivität der Arbeit. Umgekehrt ist eine hohe Kapitalintensität gleichbedeutend mit einer geringen Zahl von Arbeitern pro eingesetzter Kapitaleinheit und daher mit einer geringen Grenzproduktivität des Kapitals. Ein Anstieg des Relativpreises im Inland nach Aufnahme von Handel erhöht, wie oben beschrieben, in beiden Sektoren die Kapitalintensität. Damit steigt im Inland in beiden Sektoren die Grenzprodukti- <?page no="70"?> 62 5. Ursachen relativer Preisvorteile vität der Arbeit und es verringert sich die Grenzproduktivität des Kapitals. Der reale Lohnsatz steigt, während der reale Zins sinkt. Aussage 5.5 (Stolper-Samuelson-Theorem): Eine Zunahme des Relativpreises eines Gutes lässt den realen Preis des bei der Produktion dieses Gutes intensiv genutzten Faktors steigen und den des nicht intensiv genutzten Faktors sinken. Da Handel zu einem internationalen Ausgleich der Kapitalintensitäten führt ( ∗ ), kommt es auch zu einem Ausgleich der Grenzproduktivitäten und der realen Faktorpreise beider Länder, d.h., es gilt im Handelsgleichgewicht ∗ ∗ ⁄ ⁄ und ∗ ∗ ⁄ ⁄ . Aussage 5.6 (Faktorpreisausgleichstheorem): Internationaler Handel führt zu einem Ausgleich der relativen Faktorpreise. Auch die realen Faktorpreise gleichen sich aus. In Schaubild 5.12 wurde angenommen, dass gilt . Im umgekehrten Fall hätte die Preiskurve im unteren Quadranten von Schaubild 5.12 einen fallenden Verlauf. Ein steigendes Lohn-Zins-Verhältnis würde dann Gut 2 relativ verteuern; der Relativpreis von Gut 1 würde sinken. 4. Darstellung mit der Minimalkostenkombination. Der Zusammenhang zwischen dem relativen Güterpreis und den realen Faktorpreisen lässt sich auch anhand der Nullgewinnbedingungen aus Schaubild 5.11 verdeutlichen. Die Isokostenlinie schneidet die -Achse bei 1⁄ und die -Achse bei 1⁄ . Wenn sich nun der Preis von Gut 1 bei unverändertem Preis von Gut 2 erhöht, dann verschiebt sich die Isoquante, die in Sektor 1 zu einem Erlös von 1 führt, nach innen. Die neuen Tangentenpunkte B’ und C’ werden bei gestiegenen Kapitalintensitäten erreicht. An den veränderten Achsenabschnitten sehen wir, dass der Lohnsatz steigt (1/ sinkt), während der Zinssatz zurückgeht . Man sieht außerdem, dass der prozentuale Anstieg des nominalen Lohnsatzes höher ist als der Anstieg des Preises von Gut 1. Demnach steigt der Reallohn in Sektor 1. 5. Ausgleich der Faktorpreise. Handel wirkt auf die Faktorpreise wie eine internationale Faktorwanderung. Zur Verdeutlichung geben wir kurz die Prämisse des Modells auf, es gebe keine Faktorwanderung zwischen den Ländern. Wenn zwischen zwei Ländern die Faktorpreise unterschiedlich sind, so gleichen sich die Faktorpreise durch Faktorwanderung an (siehe Kapitel 9). Arbeit wandert beispielsweise aus dem bevölkerungs- oder arbeitsreichen in das arbeitsknappe Land, so dass im bevölkerungsreichen Land die Löhne wegen Auswanderung steigen und die Löhne im arbeitsknappen Land wegen Einwanderung sinken. Den gleichen Effekt erzielt der Handel über Güterbewegungen: In der arbeitsreichen Volkswirtschaft steigt durch den Export von Gütern mit einem hohen Arbeitsgehalt der Lohn, in der arbeitsknappen Volkswirtschaft passt sich der Lohn in die umgekehrte Richtung an. Entsprechendes gilt für den Faktorpreis des Kapitals. <?page no="71"?> 5.5 Anpassungsprozesse nach Aufnahme von Handel 63 Aussage 5.7: Der Güteraustausch hat in Bezug auf die Angleichung der Faktorpreise die gleiche Wirkung wie eine internationale Mobilität der Produktionsfaktoren. 6. Einkommensverteilung. Nach dieser Erkenntnis lässt sich auch eine Aussage über die Änderung der Einkommensverteilung nach Aufnahme von Handel machen. Die funktionale Einkommensverteilung - die Verteilung der Einkommen auf die beiden Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital - lässt sich beschreiben durch die Relation ⋅ ̅ ⋅ ⋅ . Da die relativen Faktorausstattungen und ∗ gegeben und konstant sind, gilt für das arbeitsreiche Land, dass mit der Aufnahme von Handel steigt. Im arbeitsreichen Inland verändert sich die Einkommensverteilung zugunsten des Faktors Arbeit. Dagegen geht im kapitalreichen Land ∗ zurück, weil die Lohn- Zins-Relation sinkt. Im kapitalreichen Land verändert sich die Einkommensverteilung zu Lasten des Faktors Arbeit. Die Aufnahme des Außenhandels hat also Rückwirkungen auf die funktionale Einkommensverteilung. 7. Spezialisierte Produktion. Im Heckscher-Ohlin-Modell wird in der Regel der Fall diskutiert, dass sich die Länder nicht voll spezialisieren. Wenn sich die Länder jedoch sehr stark in ihrer Faktorausstattung unterscheiden, dann kann Handel zu einer vollständigen Spezialisierung führen. In diesem Fall gilt das Faktorpreisausgleichstheorem nicht mehr. Schaubild 5.13 bildet ein Szenario der vollständigen Spezialisierung im Harrod-Johnson-Diagramm ab. Die inländische Kapitalausstattung pro Arbeiter ist sehr viel geringer als diejenige im Ausland ∗ . Das Lohn-Zins-Verhältnis im Inland kann sich im Bereich zwischen den Punkten l/ r k i p k * k k 2 k 1 A B E O C D Schaubild 5.13: Vollständige Spezialisierung <?page no="72"?> 64 5. Ursachen relativer Preisvorteile A und B bewegen, das Lohn-Zins-Verhältnis im Ausland zwischen C und D. Wir sehen, dass sich diese Bereiche nicht überlappen. Handel kann demnach nicht zum Ausgleich der Lohn-Zins-Verhältnisse führen. Wenn es nach Aufnahme von Handel z.B. zu einem gemeinsamen Relativpreis E kommt, dann spezialisiert sich das Inland vollständig auf das arbeitsintensive Gut 1 bei einem inländischen Lohn-Zins-Verhältnis von B, während sich das Ausland vollständig auf Gut 2 spezialisiert bei einem Lohn-Zins-Verhältnis von C. 7. „Cone of Diversification“. Die Bedingung der unvollständigen Spezialisierung lässt sich auch anhand der Minimalkostenkombination darstellen (Schaubild 5.14). Für gegebene Güterpreise und sind die Faktorpreise und durch die Nullgewinnbedingung in beiden Sektoren gegeben. Diese Faktorpreise (bzw. das Lohn-Zins-Verhältnis ⁄ ) bestimmen wiederum die gleichgewichtigen Kapitalintensitäten. Diese sind dargestellt durch die Steigung der Fahrstrahlen und vom Ursprung aus. Die gegebene Kapitalausstattung des Landes pro Kopf ist wiederum durch die Steigung des Fahrstrahls gegeben. Beide Güter können nur dann mit den Kapitalintensitäten und produziert werden, wenn erfüllt ist. Der Fahrstrahl muss demnach innerhalb des „Spezialisierungs-Kegels“ („Cone of Diversification“) zwischen und liegen, damit die Nullgewinnbedingung für beide Güter erfüllt ist. 7. Zusammenfassung. Unter der Annahme und mit ⁄ ∗ ∗ ⁄ in der Ausgangslage ergeben sich die folgenden Anpassungsprozesse für das arbeitsreiche Inland: Erstens spezialisiert sich das Inland in Richtung auf das arbeitsintensiv produzierte Gut. Die Produktion des kapitalintensiven Gutes wird eingeschränkt. Zweitens wandern beide Produktionsfaktoren von der Produktion des kapitalintensiven Gutes in den arbeitsintensiven Sektor. Drittens steigt der Reallohn im Inland, während der Realzins sinkt. Damit ändert sich viertens die Einkommensverteilung zugunsten des relativ reichlich vorhandenen Faktors Arbeit. K i A i 1/ r Q =1/ p 2 2 Q =1/ p 1 1 1/ l k 2 k 1 k Schaubild 5.14: Cone of Diversification <?page no="73"?> 5.6 Exkurs: Rybczynski-Theorem 65 5.6 Exkurs: Rybczynski-Theorem 1. Idee. In Abschnitt 5.4.1 wurde gezeigt, welcher Zusammenhang zwischen der Faktorausstattung eines Landes und dem Verlauf der Transformationskurve besteht. Dieser Zusammenhang lässt sich auch mit Hilfe des Rybczynski- Theorems verdeutlichen. Das Theorem von Rybczynski (1955) beschreibt, wie sich bei einem gegebenen Relativpreis der Güter die Gütermengen verändern, wenn die Kapitalausstattung bzw. die Arbeitsausstattung eines Landes ansteigt. Das Rybczynski-Theorem kann mit der Edgeworth-Box in Schaubild 5.15 verdeutlicht werden. In Schaubild 5.15 kennzeichnet O 1 D die gegebene Kapitalausstattung und O 1 C die gegebene Arbeitsausstattung eines Landes. Das Land produziert auf der Effizienzlinie, z.B. in Punkt S. Der Vektor O 1 S kennzeichnet dann den Einsatz von Arbeit und Kapital in der Produktion von Gut 1. Aufgrund der linear-homogenen Produktionsfunktion kann die Länge dieses Vektors als Maß für die produzierte Menge von Gut 1 dienen. Die Strecke O 1 S entspricht der Strecke O 2 T. Der Vektor O 1 T bzw. O 2 S misst den Faktoreinsatz bei Gut 2. O 1 O 2 D C S S ' T T ' k 2 k 1 O 2 ' Angenommen, der Kapitalbestand des Landes nimmt um O 2 O 2 ’ zu. Das Rybczynski-Theorem betrachtet nun den Fall konstanter Güterpreise. Da das Preisverhältnis konstant gesetzt ist, muss auch das Lohn-Zins-Verhältnis konstant bleiben. Damit sind auch die Kapitalintensitäten und unverändert. Ausgehend vom neuen Ursprung O 2 ’ wird der Fahrstrahl mit der Steigung eingetragen. Im Schnittpunkt T’ mit dem Fahrstrahl ergibt sich dann der neue Produktionspunkt S’. Die neue Produktionsmenge des Gutes 1 ist O 1 S’ = O 2 ’T’ und die des Gutes 2 ist O 2 ’S’ = O 1 T’. Die Produktion des kapitalintensiven Gutes 2 nimmt somit zu und die Produktion des arbeitsintensiven Gutes 1 nimmt ab, wenn der Kapitalbestand sich erhöht. Analog lässt sich zeigen, Schaubild 5.15: Der Rybczynski-Fall <?page no="74"?> 66 5. Ursachen relativer Preisvorteile dass die Produktion von Gut 1 ansteigt und die Produktion von Gut 2 zurückgeht, wenn der Arbeitsbestand zunimmt. Aussage 5.8 (Rybczynski-Theorem): Bei konstanten Güterpreisen und bei Zunahme eines Faktors nimmt der Output desjenigen Gutes zu, das diesen Faktor intensiv nutzt. Der Output des anderen Gutes nimmt ab. Das Rybczynski-Theorem liefert eine alternative Erklärung für das Heckscher- Ohlin-Theorem aus Abschnitt 5.4.1. Wenn bei gleichem Arbeitsbestand das Ausland eine höhere Kapitalausstattung als das Inland hat, dann produziert das Ausland bei dem gleichen Relativpreis mehr von Gut 2 und weniger von Gut 1 als das Inland. Bei gleichen Nachfrageverhältnissen exportiert dann das Ausland Gut 2 und importiert Gut 1. Weiterführende Fragen 1. Analysieren Sie das Heckscher-Ohlin-Modell mit Hilfe des Konzepts des integrierten Weltmarktgleichgewichtes (Dixit und Norman 1980). 2. Leiten Sie die wesentlichen Aussagen des Heckscher-Ohlin-Modells formal unter der Annahme von Cobb-Douglas-Produktionsfunktionen ab (van Marrewijk 2012). 3. Diskutieren Sie, wie nach dem Heckscher-Ohlin-Modell die persönliche Einstellung gegenüber der Globalisierung von der individuellen Faktorausstattung geprägt ist. Werden die diesbezüglichen Aussagen des Modells durch entsprechende Meinungsbilder bestätigt (O’Rourke 2006, Scheve und Slaughter 2001 und Blonigen 2011)? Weiterführende Literatur Bhagwati, J., A. Panagariya und T. N. Srinivasan (1998). Lectures on International Trade. 2. Auflage, MIT Press. Kapitel 5, 6 und 9. Deardorff, A. (2001). Deardorff’s Glossary of International Economics, http: / / www-personal.umich.edu/ ~alandear/ glossary/ (zahlreiche Stichworte u. a. zum Heckscher-Ohlin-Modell und interaktive Darstellung wichtiger Grafiken). Dixit, A. und V. Norman (1980). Theory of International Trade. Cambridge University Press. Marrewijk, C. van (2012). International Trade and the World Economy. 2. Auflage. Oxford University Press. <?page no="75"?> Anhang 5.A: Formale Darstellung des Heckscher-Ohlin-Modells 67 Anhang 5.A: Formale Darstellung des Heckscher-Ohlin-Modells 1. Minimalkostenkombination. Die Minimalkostenkombination für Gut i ( 1,2 ergibt sich aus dem Lagrange-Ansatz ⋅ ⋅ ⋅ , , der nach den Variablen , und abgeleitet wird ( 1,2). Die Bedingungen erster Ordnung lauten ⋅ , ⋅ und , . (5.A.1) Aus den ersten beiden Bedingungen von (5.A.1) folgt zunächst ⁄ ⁄ . Das Lohn-Zins-Verhältnis muss dem Verhältnis der Grenzproduktivitäten entsprechen. Das totale Differential der dritten Bedingung von (5.A.1), der Produktionsfunktion, ergibt ⋅ ⋅ . (5.A.2) Mit 0 lässt sich aus (5.A.2) die Steigung der Isoquante ableiten als ⁄ ⁄ . Wir sehen also, dass die Steigung der Isoquante in der Minimalkostenkombination betragsmäßig gleich dem Lohn-Zins-Verhältnis sein muss - entsprechend der grafischen Lösung in Schaubild 5.1. Die Bedingungen erster Ordnung der Minimalkostenkombination definieren die optimalen Kapital- und Arbeitseinsatzmengen , , und , , als Funktionen der Faktorpreise und und der gewünschten Ausbringungsmenge . Durch Einsetzen dieser optimalen Werte in die Definition der Kosten ⋅ ⋅ erhalten wir die Kostenfunktion , , ⋅ , , ⋅ , , . Bei einer linear-homogenen Produktionsfunktion steigen die Kosten proportional mit an: Eine Verdopplung der Ausbringungsmenge erfordert eine Verdopplung der Faktoreinsatzmengen und , womit sich bei gegebenen Faktorpreisen auch die Kosten verdoppeln. Somit lässt sich die Kostenfunktion für den linear-homogenen Fall auch darstellen als , ⋅ . Dabei bezeichnet , die Stückkostenfunktion für Gut . Dies sind die Kosten, die bei der Produktion einer Einheit von Gut anfallen. Die Stückkosten werden definiert als , ⋅ ⋅ . Die Koeffizienten und entsprechen den kostenminimierenden Faktoreinsätzen für 1 aus Schaubild 5.1. Mit Hilfe der Stückkostenfunktion lässt sich schließlich auch eine Beziehung zwischen der Lagrange-Variablen und dem Preis herstellen, die für die weitere Darstellung noch sehr hilfreich sein wird: Gemäß Eulers Theorem gilt für eine linear-homogene Produktionsfunktion ⋅ ⋅ . 6 Einsetzen von 6 Bei einer linear-homogenen Produktionsfunktion ist , , mit als einem beliebigen positiven Faktor. Ableiten dieser Beziehung nach ergibt ⋅ ⋅ . Siehe z.B. Jehle und Reny (2011), Mas-Colell et al. (1995) oder Varian (1992). <?page no="76"?> 68 5. Ursachen relativer Preisvorteile ⁄ und ⁄ aus Gleichung (5.A.1) ergibt ⁄ bzw. ⋅ ⋅ , . Die Lagrange-Variable entspricht somit den Stückkosten der Produktion. Aufgrund der Nullgewinnbedingung muss der Preis ebenfalls den Stückkosten entsprechen, d.h., . Daraus folgt auch, dass gilt ⋅ und ⋅ . 2. Kapitalintensität und Grenzproduktivitäten. Aus der Beziehung , , die für eine linear-homogene Produktionsfunktion gelten muss, lässt sich nach Einsetzen von 1⁄ für schreiben ⋅ 1, ⁄ . Der Output pro Kopf ⁄ hängt somit ausschließlich von der Kapitalintensität ⁄ ab. Die Funktion ≡ 1, ⁄ stellt diese Pro-Kopf-Produktionsfunktion dar. Für den Output gilt dann ⋅ . Ableiten ergibt ⁄ ′ und ⁄ ⋅ ′ . Die Grenzproduktivitäten von Arbeit und Kapital sind somit ebenfalls ausschließlich von der Kapitalintensität abhängig. Wenn ansteigt, so wirkt sich das wie folgt auf die Grenzproduktivitäten aus: ⁄ 0 und ⁄ ⋅ ′′ 0, da 0 ist. 3. Produktionspunkt. Im Produktionspunkt bei vollkommener Konkurrenz stimmt die Grenzrate der Transformation mit dem negativen Relativpreis überein. Dieser Zusammenhang kann wie folgt gezeigt werden: Gemäß (5.A.2) gilt ⋅ ⋅ . Ausklammern von ergibt ⁄ ⋅ ⋅ . Analog gilt ⁄ ⋅ ⋅ . Aus der Bedingung ⁄ ⁄ für die Minimalkostenkombination folgt ⁄ ⁄ . Zudem folgen aus den Vollbeschäftigungsrestriktionen ̅ und die Beziehungen und . Somit ergibt sich ⁄ ⋅ ⋅ . Teilen von durch ergibt dann für die Grenzrate der Transformation . (5.A.3) Da gemäß Gleichung (5.A.1) gilt ⋅ bzw. / , folgt aus (5.A.3) . (5.A.4) 3. Stolper-Samuelson-Theorem und Faktorpreisausgleich. Aus den Nullgewinnbedingungen , und , für beide Sektoren folgt die eindeutige Beziehung zwischen Güter- und Faktorpreisen, die dem Stolper-Samuelson- Theorem und dem Faktorpreisausgleichstheorem zugrunde liegt. Bei gegebenen Güterpreisen und bestimmen die beiden Nullgewinnbedingungen eindeutig die dazu gehörenden Faktorpreise und . Um das Stolper-Samuelson- Theorem abzuleiten, gehen wir davon aus, wie in Schaubild 5.11, dass der Preis des arbeitsintensiven Gutes 1 ansteigt bei einem konstanten Preis von Gut 2. <?page no="77"?> Anhang 5.A: Formale Darstellung des Heckscher-Ohlin-Modells 69 Ein marginaler Anstieg der Faktorpreise und hat den folgenden Einfluss auf die Stückkosten: ⁄ und ⁄ . 7 Das totale Differential der beiden Nullgewinnbedingungen ergibt dann in Matrixschreibweise . (5.A.5) Mit Hilfe der Cramer-Regel und für 0 können die folgenden Beziehungen abgeleitet werden: ⋅ ⋅ ⋅ und ⋅ ⋅ ⋅ . Daraus folgen, nach Einsetzen von ⁄ , die Ausdrücke ⋅ ⋅ und 1 ⋅ ⋅ . Diese beiden Gleichungen können auch geschrieben werden als ⋅ ⋅ ⋅ ̂ und ̂ 1 ⋅ ⋅ ⋅ ̂ , (5.A.6) mit ⁄ , ̂ ⁄ und ̂ ⁄ als Veränderungsraten der entsprechenden Variablen. Da ⋅ ⋅ ⋅ ist und zudem gilt , ist ̂ . Zudem ist ̂ 0 für ̂ 0. Ein 1-prozentiger Anstieg des Preises für das arbeitsintensive Gut 1 hat einen mehr als 1-prozentigen Anstieg des nominalen Lohnsatzes und einen Rückgang des nominalen Zinssatzes zur Folge. Der Reallohn / steigt demnach, während der Realzins / sinkt. 8 Die Auswirkungen auf das Lohn-Zins-Verhältnis lassen sich aus Gleichung (5.A.6) ebenfalls berechnen. Es gilt ̂ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ̂ . (5.A.7) 7 Wird die Stückkostenfunktion , , ⋅ , ⋅ nach abgeleitet, so ergibt sich ⁄ ⋅ ⁄ ⋅ ⁄ . Einsetzen aus Gleichung (5.A.1) ergibt ⁄ ⋅ ⁄ ⋅ ⁄ . Wird die Bedingung für die Produktion einer Outputeinheit , 1 differenziert, so ergibt sich ⋅ ⁄ ⋅ ⁄ 0. Damit ist ⁄ . Auf die gleiche Weise kann für die Ableitung der Stückkostenfunktion nach argumentiert werden. Diese Beziehungen entsprechen Shephard’s Lemma aus der mikroökonomischen Theorie (siehe z.B. Jehle und Reny 2011, Mas-Colell et al. 1995 oder Varian 1992). 8 Diese algebraische Darstellungsform geht zurück auf Jones (1965). <?page no="78"?> 70 5. Ursachen relativer Preisvorteile Wenn der Preis des arbeitsintensiven Gutes 1 steigt, dann steigt auch das Lohn- Zinsverhältnis ( ̂ 0). Analog kann gezeigt werden, dass das Lohn-Zins- Verhältnis zurückgeht, wenn der Preis von Gut 2 steigt. 6. Rybczynski-Theorem. Der Zusammenhang zwischen Faktormengen und Gütermengen, der dem Rybczynski-Theorem zugrunde liegt, lässt sich ebenfalls formal ableiten. Ausgangspunkt hierfür sind die Vollbeschäftigungsbedingungen und . Aufgrund der angenommenen linear-homogenen Produktionsfunktion können die Vollbeschäftigungsbedingungen auch geschrieben werden als ⋅ ⋅ und ⋅ ⋅ . Bei einem gegebenen Güterpreis- und Faktorpreisverhältnis sind und konstant. Das totale Differential der beiden Vollbeschäftigungsgleichungen lässt sich in Matrixschreibweise wie folgt darstellen: . (5.A.8) Unter Anwendung der Cramer-Regel und für 0 können die folgenden Beziehungen abgeleitet werden: ⋅ und ⋅ , bzw. 1 ⋅ und 1 ⋅ . (5.A.9) Daraus folgt ⋅ ⋅ und ⋅ ⋅ . (5.A.10) Wir sehen, dass der Output des arbeitsintensiven Gutes 1 zurückgeht und der Output von Gut 2 zunimmt, wenn die Ausstattung mit Kapital ansteigt. Wegen und gilt zudem . <?page no="79"?> 6. Modifikationen und Erweiterungen „Because we are now talking about world general equilibrium, we should realize that there are as many different potential models as there are models of any element of the economy. Trade economists spend most of their time working with just a small set of these when considering questions of trade patterns … If we ask which of these are relevant to the world we live in, surely the answer is - all of them! The question should rather be to establish in which contexts each is helpful and to establish magnitudes.“ Don Davis und Prachi Mishra * Außenhandel umfasst zahlreiche Aspekte, die nicht alle in einem einzigen Modellansatz behandelt werden können. Mögliche Erweiterungen des Heckscher-Ohlin-Modells werden in diesem Kapitel diskutiert. Im Einzelnen werden sektorgebundene Produktionsfaktoren (Abschnitt 6.1), handelbare und nicht-handelbare Güter (Abschnitt 6.2), Zwischenprodukte und Handel mit Dienstleistungen (Abschnitte 6.3 und 6.4) sowie dynamische Ansätze zur Erklärung des Handels (Abschnitt 6.5) betrachtet. Sonstige Erweiterungen werden in Abschnitt 6.6 erörtert. 6.1 Sektorgebundene Faktoren 1. Problemstellung. Im Heckscher-Ohlin-Modell wird vollständige Mobilität der Produktionsfaktoren innerhalb eines Landes unterstellt. Die Faktoren können also auf sektorale Verschiebungen sofort reagieren. In der Realität sind die Produktionsfaktoren aber häufig, zumindest in einer kurzen Frist, an den Sektor gebunden, in dem sie beschäftigt sind. So ist Sachkapital ex post, wenn es einmal installiert ist, im Allgemeinen nicht mehr mobil. Eine Maschine, die zur Automobilproduktion eingesetzt wird, kann nicht ohne weiteres für die Herstellung von Computerbauteilen umgerüstet werden. Auch Arbeit ist zu einem großen Teil sektorgebunden, indem beispielsweise spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten erworben werden, die für die Tätigkeit in dem jeweiligen Sektor nützlich sind, in einem anderen Sektor aber nicht gebraucht werden. Auch können rechtliche Regulierungen, z.B. zum Kündigungsschutz, die intersektorale Mobilität der * Stolper-Samuelson is Dead - and Other Crimes of Both Theory and Data. In A. Harrison (Hrsg.): Globalisation and Poverty, 2006, Chicago University Press. <?page no="80"?> 72 6. Modifikationen und Erweiterungen Arbeit einschränken. Die internationale Literatur betrachtet in der Regel Kapital als sektorgebundenen Faktor; aus den genannten Gründen kann es aber auch durchaus realistisch sein, Arbeit als sektorgebunden zu behandeln. 2. Sektorgebundene Arbeit. Im einfachen Zwei-Sektor-Modell sei beispielsweise Arbeit in den Sektoren 1 und 2 sektorspezifisch gebunden, Kapital jedoch mobil zwischen den beiden Sektoren. Es handelt sich dann also um ein Zwei-Sektoren- Modell mit drei Faktoren: Kapital, Arbeit in Sektor 1 und Arbeit in Sektor 2. Die Produktionsfunktion hat die gleichen Eigenschaften wie im Heckscher-Ohlin- Modell (Gleichung 5.1). Da das Kapital frei zwischen den Sektoren wandern kann, ist der nominale Zinssatz als Faktorpreis des Kapitals weiterhin in beiden Sektoren gleich hoch. Im Gegensatz dazu kann der Lohnsatz nun in beiden Sektoren unterschiedlich sein. In Schaubild 6.1 kennzeichnet OO’ die Ausstattung eines Landes mit Kapital. Die Kurve kennzeichnet den Zinssatz in Abhängigkeit vom Kapitalstock in Sektor 1. Der Zinssatz entspricht der mit dem Güterpreis bewerteten Grenzproduktivität des Kapitals: (siehe Anhang 5.A). Je mehr Kapital im Sektor 1 eingesetzt wird, desto geringer ist die Grenzproduktivität des Kapitals (da gilt 0). Daher erklärt sich der fallende Verlauf der Kurve . Die Kurve gibt den Zinssatz an, der in Sektor 2 gezahlt wird ( ). Auch diese Kurve hat einen fallenden Verlauf (von O’ aus). Ist der Bestand an Arbeit als sektorgebundener Faktor in den beiden Sektoren gegeben, so liegen auch die Grenzproduktivitätskurven des Kapitals fest. Punkt S kennzeichnet die Allokation des Kapitals zwischen beiden Sektoren in der Ausgangslage. In diesem Punkt bestehen keine Unterschiede im Zinssatz zwischen beiden Sektoren ( . Entsprechend der Strecke OK 1 wird Kapital in Sektor 1 eingesetzt, entsprechend der Strecke O’K 1 in Sektor 2. 3. Auswirkungen von Handel. Mit sektorgebundenen Faktoren gelten eine Reihe von Aussagen des Heckscher-Ohlin-Modells nicht mehr. Um dies zu verdeutlichen, betrachten wir wieder den Fall, dass das Inland einen komparativen Preisvorteil bei Gut 1 hat. Nach Aufnahme von Handel wird Gut 1 somit im Inland relativ teurer. In Schaubild 6.1 kann die Relativpreisänderung dadurch abgebildet werden, dass der Preis des Exportgutes 1 ansteigt bei gleich bleibendem Preis von Gut 2. Dann verschiebt sich wegen die Faktorpreiskurve des Kapitals in Sektor 1 nach oben und S’ ist das neue Gleichgewicht. Kapital wandert also aus Sektor 2 in Sektor 1. Im Heckscher-Ohlin Modell mit Mobilität von Kapital und Arbeit würde nicht nur Kapital, sondern auch Arbeit aus Sektor 2 in Sektor 1 wandern. Ist Arbeit jedoch sektorspezifisch gebunden, so kann Arbeit den intersektoralen Substitutionsprozess nicht mitmachen. Durch die Kapitalwanderung bei gleich bleibendem Arbeitseinsatz in beiden Sektoren steigt die Kapitalintensität in Sektor 1, während sie sich in Sektor 2 verringert. <?page no="81"?> 6.1 Sektorgebundene Faktoren 73 O O' r 1 r 2 S S' p 1 r 1 r 2 K 1 K 1 ' Für den realen Lohnsatz in Sektor 1 gilt ⁄ . Mit steigendem Kapitaleinsatz in Sektor 1 steigt demnach auch der reale Lohnsatz in diesem Sektor, da die Grenzproduktivität der Arbeit annahmegemäß steigt, wenn mehr Kapital eingesetzt wird (da gilt 0). Umgekehrt geht der reale Lohn in Sektor 2 zurück, da dort Kapital abgezogen wird. Die Veränderung des realen Zinssatzes ist nicht eindeutig. In Sektor 1 sinkt der reale Zins ⁄ mit steigendem aufgrund von 0. In Sektor 2 steigt der reale Zins hingegen, da zurückgeht. 1 Diese Wirkungen von Handel auf die Faktorpreise unterscheiden sich deutlich von denen im Heckscher-Ohlin-Modell. Dort führt ein Anstieg des Relativpreises des arbeitsintensiven Gutes 1 zu einem eindeutigen Anstieg des Reallohns in beiden Sektoren, während der reale Zins in beiden Sektoren sinkt (Stolper- Samuelson-Theorem). Bei sektorgebundenen Faktoren steigt hingegen mit Aufnahme von Handel der Reallohn im Exportsektor, während der Reallohn im Importsektor zurückgeht. Somit gilt das Stolper-Samuelson-Theorem bei sektorgebundenen Faktoren nicht mehr. Ebenso führt Handel auch nicht mehr zum Faktorpreisausgleich zwischen den Ländern. Aussage 6.1: Eine Zunahme des Relativpreises eines Gutes lässt den realen Preis des Faktors steigen, der in der Produktion dieses Gutes gebunden ist und den realen Preis des gebundenen Faktors im anderen Sektor zurückgehen. Im vorstehenden Fall ist eine Anpassung „nach oben“ betrachtet worden (Preis des Exportgutes steigt). Wenn eine Anpassung nach unten geboten ist (Schrump- 1 Der nominale Zins steigt an, wie auch Schaubild 6.1 zeigt. Der Preis von Gut 1 steigt jedoch stärker, so dass der Realzins zurückgeht. Schaubild 6.1: Sektorgebundene Arbeit <?page no="82"?> 74 6. Modifikationen und Erweiterungen fen der Produktion), wirkt sich die Tatsache, dass ein Faktor kurz- oder mittelfristig sektorgebunden ist, ebenfalls auf die Anpassung aus. Betrachten wir den Fall, dass der Preis des Importgutes 2 sinkt. Dann verschiebt sich die Kurve der Grenzproduktivität des Kapitals in Sektor 2 nach unten. Kapital wandert ab. Auch Arbeit müsste aus Sektor 2 abwandern. Arbeit ist jedoch ein gebundener Faktor, so dass sich die Beschäftigung nicht anpassen kann, obwohl die sektorspezifische Arbeit obsolet wird. Als Folge davon sinkt wieder der Reallohn in Sektor 2, während er in Sektor 1 steigt. 4. Sektorgebundene Faktoren und Protektionismus. Ist ein Faktor sektorgebunden, so haben die Besitzer dieses Faktors ein Interesse daran, günstige politische Regelungen für den betreffenden Sektor durchzusetzen. Sektorgebundene Faktoren können erklären, warum sektorale Interessengruppen (z.B. Landwirtschaft, Bergbau oder die Bekleidungsindustrie) versuchen, protektionistische Maßnahmen zugunsten ihres Wirtschaftszweigs durchzusetzen. Man spricht in diesem Fall auch von „Rent Seeking“ (vgl. Abschnitt 11.4). Wenn wir beispielsweise von der Konstellation aus Schaubild 6.1 ausgehen, so verringert sich durch Außenhandel das Einkommen der Arbeiter, die in Sektor 2 gebunden sind. Arbeiter aus Sektor 2 profitieren dann von einem Zoll auf die Importe des Landes, weil dieser Zoll den Sektor 2 vor Konkurrenz aus dem Ausland schützt. Umgekehrt profitieren Arbeiter, die im Exportsektor tätig sind, von einer Freihandelspolitik. Eine empirische Anwendung dieses Arguments vergleicht die Bedeutung des Heckscher-Ohlin Modells mit dem Ansatz der spezifischen Faktoren. Hierfür wird auf die Aktivitäten von politischen Interessengruppen geschaut (Magee 1980). Nach dem Heckscher-Ohlin-Modell müssten in einem kapitalreichen Land Interessengruppen, die den Faktor Arbeit vertreten (z.B. Gewerkschaften), für Außenhandelsprotektion sein, weil Freihandel den Reallohn in allen Sektoren verringert gegenüber der Autarkiesituation. Interessengruppen auf Seiten der Kapitalbesitzer müssten gemäß dieser Argumentation Freihandel unterstützen. Bei sektorgebundenen Faktoren beeinflusst hingegen auch die Sektorzugehörigkeit des gebundenen Faktors die Position gegenüber Protektionismus. Besitzer von Faktoren im Importsektor, deren Einkommen durch Freihandel sinkt, müssten protektionistische Maßnahmen befürworten. Eine empirische Analyse US-amerikanischer Wahlkampfspenden findet in diesem Zusammenhang deutliche Evidenz für die Heckscher-Ohlin Position (Arbeit ist gegen Freihandel, Kapital dafür), während beim Faktor Arbeit jedoch auch industriespezifische Einflüsse auf das Interessengruppenverhalten zu finden sind (Beaulieu und Magee 2004). 2 2 Beim historischen Fallbeispiel des „Trade Reform Act“ von 1973 findet Magee (1980) allerdings kaum Unterstützung für das Heckscher-Ohlin-Modell. Dort haben nur in zwei von 21 Industriesektoren die Interessengruppen von Arbeitern und von Kapitalbesitzern gegensätzliche Positionen zur Handelsliberalisierung eingenommen. <?page no="83"?> 6.2 Nicht-handelbare Güter 75 6.2 Nicht-handelbare Güter 1. Problemstellung. Im Heckscher-Ohlin-Modell werden alle Güter als international vollkommen mobil betrachtet. Einige Güter sind wegen ihrer Beschaffenheit (z.B. lokale Dienstleistungen, wie ein Haarschnitt beim Friseur) oder wegen hoher Transportkosten (z.B. Wohnungen) immobil. Wir sprechen in diesem Zusammenhang auch von nicht-handelbaren Gütern. Im Gegensatz zu den handelbaren Gütern muss bei den nicht-handelbaren Gütern die inländische Nachfrage vollständig durch das inländische Angebot bedient werden. 2. Darstellung. Einige grundlegende Zusammenhänge lassen sich bereits im Zwei-Sektoren-Rahmen erkennen. Wir unterscheiden dabei zwischen dem Sektor, der handelbare Güter zum Preis (mit der Dimension €⁄ ) erzeugt, und dem Sektor mit nicht-handelbaren Gütern mit Preis (Dimension €⁄ ). Sinkt der Relativpreis der handelbaren zu den nicht-handelbaren Gütern ⁄ (Dimension ⁄ ), etwa weil sich die Konsumnachfrage zugunsten nicht-handelbarer Güter verlagert, so bindet der Bereich der nichthandelbaren Güter mehr Produktionsfaktoren, die dem anderen Sektor entzogen werden müssen. Der Sektor mit den handelbaren Gütern muss schrumpfen. Dieser Zusammenhang wird durch die Transformationskurve zwischen handelbaren und nicht-handelbaren Gütern dargestellt. Das nicht-handelbare Gut kann definitionsgemäß nicht importiert oder exportiert werden. Der Konsumpunkt liegt demnach auf der Transformationskurve in Punkt P wie im Fall der Autarkie (Schaubild 6.2). Q N Q H C / C N H P P ' D C 3. Holländische Krankheit. Eine interessante Anwendung dieses Ansatzes ist in der Literatur unter dem Stichwort der „Holländischen Krankheit“ diskutiert worden (Corden und Neary 1982). Dabei wird erörtert, wie sich ein Ressourcenboom auf die Industrieproduktion eines Ressourcen-exportierenden Landes auswirkt (Erdgas in den Niederlanden, Erdöl in Norwegen und England oder Rohstoffe in Schaubild 6.2: Handelbare und Nichthandelbare Güter <?page no="84"?> 76 6. Modifikationen und Erweiterungen Australien). Es wird davon ausgegangen, dass Industrieprodukte in der Regel handelbar sind, während die nicht-handelbaren Güter eher im Bereich der Dienstleistungen zu finden sind. Mit einer Relativpreisänderung zugunsten der nicht-handelbaren Güter ergibt sich somit eine De-Industrialisierung, also ein Rückgang der Produktion von Industriegütern. Innerhalb des Sektors der handelbaren Güter unterscheiden wir Ressourcen mit dem Preis und Industriegüter mit Preis . Im einfachsten Fall des kleinen Landes ist der Relativpreis zwischen Ressourcen und Industriegütern gegeben, so dass die handelbaren Güter aggregiert werden können in Einheiten des Industriegutes als ⋅ . (6.1) Für die Ausgangslage nehmen wir an, dass das Land über keine natürlichen Ressourcen verfügt, dass also gilt . Das Land befindet sich in Punkt P, wobei die Grenzrate der Transformation das Preisverhältnis ⁄ zwischen den handelbaren Industriegütern und den nicht-handelbaren Gütern kennzeichnet. Der Fahrstrahl ⁄ durch P gibt das Nachfrageverhältnis zwischen handelbaren und nicht-handelbaren Gütern an. Wie in Kapitel 5 gehen wir von einem konstanten Nachfrageverhältnis aus. Nun findet das Land natürliche Ressourcen. Zur Vereinfachung nehmen wir an, dass zur Förderung der Ressourcen keine Produktionsfaktoren aus anderen Sektoren abgezogen werden müssen. Die Produktionsmöglichkeitenkurve verschiebt sich dann einfach um den Betrag ⁄ nach rechts. Würde der Relativpreis zwischen handelbaren und nichthandelbaren Gütern der Ausgangslage bestehen bleiben, so würde sich der Produktionspunkt P’ einstellen. Bei einem gegebenen Nachfrageverhältnis zwischen handelbaren und nicht-handelbaren Gütern kann dieser Punkt jedoch kein Gleichgewicht sein. Produktionspunkt (P’) und Konsumpunkt (C) fallen auseinander. Da aber nicht-handelbare Güter nicht importiert werden können, impliziert ein Marktgleichgewicht, dass der Relativpreis ⁄ fallen muss; der Produktionsanreiz für nicht-handelbare Güter muss sich erhöhen. Das neue Gleichgewicht liegt also in Punkt D. Der Sektor der nicht-handelbaren Güter expandiert, aber der Bereich der Industriegüter schrumpft (entsprechend der Bewegung von P’ nach D). Es findet eine De-Industrialisierung der Volkswirtschaft statt. Aussage 6.2: Mit einem Ressourcenboom in einem kleinen offenen Land expandiert der Sektor der nicht-handelbaren Güter, während die Produktion der handelbaren Güter (ohne Ressourcen) zurückgeht. Der Relativpreis der nichthandelbaren Güter steigt an. <?page no="85"?> 6.3 Zwischengüter 77 6.3 Zwischengüter 1. Bedeutung von Zwischengütern. Internationaler Handel findet nicht nur auf der Ebene der Endprodukte statt. Vielmehr werden zu einem großen Teil auch Zwischenprodukte gehandelt, d.h. halbfertige Güter oder Komponenten, die zur Herstellung von Endprodukten eingesetzt werden. Der Anteil von Zwischenprodukten am gesamten Güterhandel in der OECD wird auf 56 Prozent geschätzt (OECD 2010). Mehr als die Hälfte der international gehandelten Güter sind somit Zwischengüter. 2. Darstellung. Internationaler Handel mit Zwischenprodukten kann ähnlich wie der Endproduktehandel im Heckscher-Ohlin-Rahmen dargestellt werden (Feenstra 2003; Feenstra und Hanson 2003). Hierfür gehen wir von einem einzigen Endprodukt aus, für dessen Produktion die beiden Zwischenprodukte und in einem festen Einsatzverhältnis ⁄ benötigt werden. Zur Produktion der Zwischenprodukte wiederum werden - wie bei Heckscher-Ohlin - die Faktoren Arbeit und Kapital eingesetzt, mit als dem arbeitsintensiveren Zwischenprodukt. Für das Endprodukt werden die beiden Zwischenprodukte lediglich zusammengesetzt. Zur Vereinfachung nehmen wir an, dass dabei keine Faktoren verbraucht werden. Man kann sich z.B. die Herstellung von Personal Computern vorstellen, bei der im Wesentlichen verschiedene vorgefertigte Komponenten (Chips, Festplatte, Peripheriegeräte) nur noch zusammengestellt und in ein Gehäuse eingefügt werden. Mit seiner Ausstattung an Arbeit und Kapital kann ein Land die beiden Zwischengüter gemäß der Transformationskurve in Schaubild 6.3 herstellen. X 2 X 1 X / X 2 1 X Y A O Schaubild 6.3: Transformationskurve für Zwischenprodukte <?page no="86"?> 78 6. Modifikationen und Erweiterungen Ohne internationalen Handel mit Zwischengütern befindet sich das Land dann in Punkt A. Es stellt die Mengen OX von Zwischengut und OY von Zwischengut her und produziert damit die entsprechende Menge des Endprodukts . Wenn die Zwischengüter international gehandelt werden können, dann kann das Land beispielsweise das kapitalintensiv produzierte Zwischengut aus dem kapitalreicheren Ausland importieren und dafür das arbeitsintensive Zwischengut exportieren. Dieser Fall ist in Schaubild 6.4 dargestellt. Wir sehen, dass Inland und Ausland auf diese Weise über mehr Zwischengüter verfügen, die sie in der Produktion von einsetzen können (die Strecken OD bzw. OD* sind länger als die Strecken OA bzw. OA*). Entsprechend steigt in beiden Ländern auch der Output des Endprodukts. Aussage 6.3: Die Faktorausstattung eines Landes kann sich analog zum Heckscher-Ohlin-Theorem auch auf den Handel mit Zwischenprodukten auswirken. Ein Land exportiert dann das Zwischenprodukt, welches den relativ reichlichen Faktor intensiv nutzt. X 2 X 1 Ausland Inland P* D* P D X / X 2 1 A A* O 6.4 Dienstleistungen 1. Bedeutung des Dienstleistungshandels. Bislang haben wir den internationalen Handel als Handel mit Waren betrachtet. Einen bedeutenden Anteil der Weltproduktion machen jedoch die Dienstleistungen aus. Knapp zwei Drittel des weltweiten Outputs sind Dienstleistungen (CIA 2013). Beim internationalen Handel haben Dienstleistungen mit einem Anteil von ca. 19 Prozent des Welthandelsvolumens eine geringere Bedeutung als der Warenhandel (WTO 2012). Das Ausmaß des Dienstleistungshandels nimmt jedoch weltweit zu - nicht zuletzt, da neue Kommunikationsmittel den internationalen Austausch von Dienstleistungen erleichtern und mit Einführung des GATS (General Agreement on Schaubild 6.4: Handel mit Zwischenprodukten <?page no="87"?> 6.4 Dienstleistungen 79 Trade in Services) Schritte zur Liberalisierung des Dienstleistungshandels unternommen wurden. 2. Dienstleistungskategorien. Dienstleistungen lassen sich - ähnlich wie die handelbaren und nicht-handelbaren Güter - in zwei Kategorien unterteilen (Bhagwati, 1984): Bei der einen Kategorie, den ungebundenen Dienstleistungen, können sich Erbringer und Empfänger der Dienstleistungen in verschiedenen Ländern befinden und die Dienstleistung kann losgelöst vom Standort der beiden erbracht werden. Beispiele sind die Entwicklung von Software, die Buchführung für ein Unternehmen oder Dienste von Call-Centern. Bei der anderen Kategorie, den personengebundenen Dienstleistungen, ist die Dienstleistung an die Person des Erbringers oder des Empfängers gebunden. Diese Dienstleistungen können nur dann grenzüberschreitend erbracht werden, wenn entweder der Dienstleister zum Kunden reist oder der Kunde zum Dienstleister (oder beide an einen dritten Ort). Management- und Beratungsdienstleistungen fallen z.T. unter diese Kategorie. Ein anderes Beispiel für solche Dienstleistungen ist der Tourismus, wo der Konsument zum Ort der Dienstleistung reisen muss. Ohne persönliche Mobilität sind diese Dienstleistungen nicht handelbar. Man muss zum Friseur nach Paris fliegen oder den Friseur einfliegen lassen, um sich von ihm die Haare schneiden zu lassen. Mit dem Rückgang der Kommunikationskosten und der Verbreitung des Internets können sich die Grenzen zwischen ungebundenen und gebundenen Dienstleistungen verschieben. So kann z.B. die Vermittlung von Lernstoff durch interaktiv gestaltbare Internet-basierte Plattformen zunehmend ungebunden stattfinden. Beratungsunternehmen können somit Schulungs- und Weiterbildungsangebote grenzüberschreitend und ungebunden vom Standort des Dienstleisters erbringen. Eine Sonderkategorie stellen schließlich Transportdienstleistungen dar. Diese erleichtern die Handelbarkeit von anderen Gütern. Aufbauend auf der Unterscheidung zwischen gebundenen und ungebundenen Dienstleistungen, definiert das GATS vier verschiedene Kategorien von Dienstleistungen (WTO 2010): Zur Kategorie 1 gehören Dienstleistungen, die grenzüberschreitend angeboten werden - beispielsweise, indem die Dienstleistung über das Telefon oder das Internet erbracht wird. Kategorie 2 umfasst Dienstleistungen, die von den Empfängern im Ausland konsumiert werden. Hierunter fallen Tourismusdienstleistungen oder medizinische Behandlungen im Ausland. In Kategorie 3 erbringt der Anbieter die Dienstleistung über eine Niederlassung im Ausland, während in Kategorie 4 natürliche Personen ins Ausland reisen, um die Dienstleistung anzubieten (z.B. Architekten, die einen Bau im Ausland betreuen). Die Kategorie 1 entspricht somit den ungebundenen Dienstleistungen, während in den Kategorien 2 bis 4 verschiedene Formen von gebundenen Dienstleistungen betrachtet werden. <?page no="88"?> 80 6. Modifikationen und Erweiterungen 3. Dienstleistungen im Heckscher-Ohlin-Modell. Der einfache Heckscher-Ohlin- Rahmen reicht prinzipiell aus, um einen großen Teil des Dienstleistungshandels zu erklären. Das gilt zunächst für die ungebundenen Dienstleistungen, die wie Waren international gehandelt werden können. Im übertragenen Sinne können aber auch einige gebundene Dienstleistungen im Standard-Handelsmodell analysiert werden. An die Stelle von Warenexporten tritt dann beispielsweise die Erbringung der Dienstleistungen für Abnehmer aus dem Ausland (wie beim Tourismus). Bei anderen Dienstleistungen muss der Modellrahmen modifiziert werden. Hier kann man sich vorstellen, dass zwar nicht die Dienstleistung selbst gehandelt wird aber bestimmte Faktordienste, z.B. indem Berater ins Ausland reisen und dort ihre Leistungen erbringen. Dieser Handel mit Faktordiensten tritt dann an die Stelle des Handels mit Endprodukten und er lässt sich ähnlich darstellen wie eine internationale Faktorwanderung (Kapitel 9) oder wie der Handel mit Zwischenprodukten (Abschnitt 6.3). Zur Verdeutlichung sei angenommen, dass nur Gut 1 international handelbar ist, während Gut 2 nicht grenzüberschreitend gehandelt werden kann. Beide Güter werden mit Arbeit und Kapital produziert. Wenn nun die Dienste, die der Faktor Arbeit für Gut 2 erbringt, gehandelt werden können, dann kommt es zum internationalen Handel. Das arbeitsreiche Land exportiert diese Arbeitsdienstleistungen und importiert dafür Gut 1. Ähnlich wie im Heckscher-Ohlin-Modell kann dieser Handel zu einem Faktorpreisausgleich führen, jedoch unterscheidet sich die Handelsstruktur von der im einfachen Heckscher-Ohlin-Modell (Melvin, 1989). 6.5 Dynamische Ansätze 1. Dynamische Aspekte des Handels. Das Heckscher-Ohlin-Modell betrachtet die internationale Spezialisierung in dem Sinne als ein statisches Problem, als dass sich die Bestimmungsfaktoren des Güteraustauschs in der Zeit nicht verändern. Eine dynamische Betrachtungsweise kann zusätzliche Aspekte der internationalen Güterbewegungen erschließen. 2. Veränderung in den Ausstattungsbedingungen. Die Ausstattungsvorteile eines Landes bleiben in der Zeit nicht stehen: Sachkapitalbildung durch Ersparnisse, Bevölkerungswachstum, Humankapitalbildung, die Bildung von Infrastrukturkapital, neue Organisationsformen der Produktion sowie neues technisches Wissen können die relativen Preisvorteile verändern. Einen Anhaltspunkt dafür, wie sich die Spezialisierung eines Landes an eine veränderte Faktorausstattung anpasst, liefert das Rybczynski-Theorem aus Abschnitt 5.6. Wenn z.B. durch eine erhöhte Ersparnis die Kapitalausstattung pro Arbeiter ansteigt, dann spezialisiert sich ein kleines offenes Land im Zeitablauf zunehmend auf das kapitalintensive Gut. Das Rybczynski-Theorem behandelt die Veränderung der Faktorausstattung jedoch als exogen. In unserem Beispiel erklärt es nicht, welche Einflussgrö- <?page no="89"?> 6.5 Dynamische Ansätze 81 ßen für die Ersparnisbildung wichtig sind und wie sich diese Einflussgrößen im Zeitablauf verändern. Hierfür sind echte dynamische Erweiterungen des Heckscher-Ohlin-Modells auf der Grundlage der Wachstumstheorie erforderlich. 3 3. Produktzyklus. Die Produktzyklusthese (Vernon 1966) behandelt die Durchsetzung und Verbreitung (Diffusion) eines neuen Produktionsverfahrens oder eines neuen Produkts, die oftmals der in Schaubild 6.5 gezeigten Kurve folgen. In einer ersten Phase (Innovationsphase) wird ein neues Produkt entwickelt, und es wird zunächst für den heimischen Markt hergestellt, wo die Unternehmen Produktions- und Absatzerfahrungen sammeln. In einer zweiten Phase (Exportphase) kann das neue Gut in ausländische Märkte eindringen, da im Ausland keine entsprechenden Produktionserfahrungen vorliegen. Im Verlauf der Zeit werden in einer dritten Phase (Imitationsphase) die Produktionsprozesse standardisiert und kostengünstiger gestaltet. Das Produktionsverfahren des Innovators wird bekannt. Der Wettbewerbsvorsprung des Innovators geht langsam verloren, da Imitatoren in anderen Ländern auftreten, die das Gut nun ebenfalls produzieren können. Schließlich verliert das innovierende Land seinen Vorteil und beginnt, das Gut zu importieren (Importphase). In Bezug auf die weltweite Arbeitsteilung weist die Produktzyklus-These darauf hin, dass entwickelte Industrienationen „neue“ Produkte exportieren, während Schwellenländer als Imitatoren erst in späteren Produktzyklus-Phasen einen komparativen Vorteil haben. In einem solchen Ansatz können Lohnunterschiede zwischen Industrieländern und Schwellenländern bestehen, da die Industrieländer sich auf innovative Produkte spezialisieren, die von Schwellenländern noch 3 Für Darstellungen dynamischer Ansätze siehe beispielsweise Findlay (1984) oder Gandolfo (1998). Ausländische Produktion Heimische Importe Zeit IV III I II Produktionsmenge, Handelsvolumen Heimische Produktion Heimische Exporte Schaubild 6.5: Produktzyklus <?page no="90"?> 82 6. Modifikationen und Erweiterungen gar nicht angeboten werden können (Krugman 1979a). Beispiele für Produktzyklusgüter finden sich in der Automobilindustrie oder im Maschinenbau. 4. Handel und technischer Fortschritt. Außenhandel kann über verschiedene Mechanismen die Innovationstätigkeit eines Landes und dessen wirtschaftliches Wachstum fördern. 4 Erstens kann ein Land durch Handel Zugang zu ausländischem technischen Wissen erhalten, wodurch Innovationen begünstigt werden. Zweitens vergrößert sich durch Handel der Absatzmarkt für neue Erfindungen, wodurch Investitionen in Forschung und Entwicklung rentabler werden. Drittens können Unternehmen auf den nach Aufnahme von Handel schärferen Wettbewerb reagieren, indem sie ihre Innovationstätigkeit erhöhen. Handel kann aber auch innovationshemmende Effekte haben. So können z.B. hochqualifizierte Arbeitskräfte dem Forschungs- und Entwicklungsbereich entzogen werden, wenn sich ein Land nach Aufnahme von Handel auf die Produktion und den Export von High Tech-Produkten spezialisiert, oder ein Land kann sich auf Güter spezialisieren, bei deren Produktion vergleichsweise geringe Produktivitätssteigerungen durch Lerneffekte auftreten. 6.6 Mehrere Güter, Faktoren und Länder 1. Ausgangspunkt. Das Heckscher-Ohlin-Modell aus Kapitel 5 ist ein einfaches 2 x 2 x 2-Modell (2 Güter, 2 Faktoren, 2 Länder). Diese Vereinfachung erfolgt alleine aus didaktischen Gründen. Es stellt sich damit die Frage, ob und inwiefern die Resultate erhalten bleiben, wenn das Modell auf realistische Szenarien mit mehreren Gütern, mehreren Faktoren und mehreren Ländern ausgeweitet wird. Die nachfolgend besprochenen Erweiterungen des Modells setzen hier an. 5 2. Viele Güter. Betrachtet man den Fall mit mehr als zwei Gütern bei zwei Produktionsfaktoren, so lassen sich die Güter zunächst in eine Rangordnung der Kapitalintensitäten einordnen. Es stellt sich die Frage, inwieweit sich daraus eine Rangordnung der komparativen Vorteile ergibt. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Länder auf unterschiedliche Güter spezialisieren. Dann produziert und exportiert das kapitalreiche Land die kapitalintensiveren Güter und das arbeitsreiche Land die arbeitsintensiveren Güter (Jones 1956 und Deardorff 1979). Gehen wir beispielsweise von drei Gütern aus mit , dann produziert das arbeitsreiche Inland die Güter 1 und 2, während das kapitalreiche Ausland die Güter 2 und 3 herstellt. Wenn sich die Länder hingegen nicht vollständig spezialisieren und mindestens zwei Güter gemeinsam produzieren, dann sind die Produktions- und 4 Für entsprechende theoretische Ansätze siehe z.B. Grossman und Helpman (1991), Rivera-Batiz und Romer (1991) oder Young (1991). 5 Wir können im Rahmen dieses einführenden Lehrbuchs nur die wesentlichen Ergebnisse wiedergeben. Eine eingehendere Darstellung findet sich z.B. in Ethier (1984 und 1995, Anhang A.5), Bhagwati et al. (1998, Kap. 8) oder Feenstra (2003, Kap. 2). <?page no="91"?> 6.6 Mehrere Güter, Faktoren und Länder 83 damit auch die Exportmengen der Länder unbestimmt. In diesem Fall kann jedoch zumindest noch eine Aussage über den Faktorgehalt des Außenhandels gemacht werden: Beim arbeitsreichen Land übersteigt der Arbeitsgehalt der Exporte, d.h. die Arbeitsmenge, die eingesetzt wird, um die exportierten Gütermengen zu produzieren, den Arbeitsgehalt der Importe, und umgekehrt übersteigt der Kapitalgehalt der Importe den Kapitalgehalt der Exporte. Das Faktorpreisausgleichstheorem bleibt erhalten, falls die beiden Länder mindestens zwei Güter gemeinsam produzieren. Dann können wir wieder wie in Abschnitt 5.4 eine eindeutige Beziehung zwischen dem Relativpreis dieser beiden Güter und den beiden Faktorpreisen ableiten, so dass bei einem Ausgleich der relativen Güterpreise durch Handel auch die realen Faktorpreise international gleich hoch sind. 2. Entwicklungspfad bei mehreren Gütern. Eine Anwendung des Heckscher-Ohlin- Modells mit mehreren Gütern beschäftigt sich mit dem Wachstumspfad von Ländern, die ihre Kapitalausstattung im Zeitablauf erhöhen (Leamer 1987). Betrachtet man z.B. ein Land, das über Produktionstechnologien für drei Güter verfügt, so lassen sich die Isoquanten wie im Schaubild 6.6 darstellen. Analog zu Schaubild 5.12 werden hier die Produktionsniveaus betrachtet, die jeweils zu einem Erlös von 1 führen (Einheitserlös-Isoquanten). Das Produktionsverfahren 1 ist das arbeitsintensivste, das Verfahren 3 ist das kapitalintensivste. Der Fahrstrahl kennzeichnet die Kapitalausstattung pro Arbeiter des betrachteten Landes. K A 1 2 3 k R S T U V (l/ r) ' (l/ r) '' O Zur Vereinfachung unterstellen wir ein kleines offenes Land mit gegebenen Güterpreisen. Im Ausgangspunkt sei das Land sehr arbeitsreich, so dass nur im Sektor 1 produziert wird. Das Land befindet sich auf der Isoquante von Gut 1 im Punkt R mit einem zugeordneten Lohn-Zins-Verhältnis, das durch die Steigung der Isoquante in diesem Punkt gegeben ist. Findet nun Kapital-Akkumulation statt, so dass ansteigt, so steigt auch das Lohn-Zins-Verhältnis und Schaubild 6.6: Spezialisierte Produktion bei Kapital-Akkumulation <?page no="92"?> 84 6. Modifikationen und Erweiterungen die Produktion wandert von R nach S. Ist das Lohn-Zins-Verhältnis hinreichend gestiegen (links von Punkt S), so lohnt sich auch die Produktion des Gutes 2. Zwischen S und T produziert das Land somit zwei Güter und die Steigung der Isokostenlinie, welche diese Punkte verbindet, gibt das Lohn-Zins-Verhältnis in dem Land an. Jetzt bestimmt die Faktorausstattung nicht mehr das Lohn-Zins-Verhältnis; bei gegebenen Güterpreisen ist statt dessen wie bei Heckscher-Ohlin das Lohn-Zins- Verhältnis an das gegebene Güterpreisverhältnis der beiden Güter 1 und 2 festgezurrt. Bei weiterer Kapital-Akkumulation im Inland spezialisiert sich das Land vollständig auf die Produktion des Gutes 2 (zwischen T und U), bevor sich dann bei noch weiterer Kapital-Akkumulation eine Produktion der beiden Güter 2 und 3 ergibt (zwischen U und V), und schließlich oberhalb von V die ausschließliche Produktion von Gut 3. Das Land wechselt also bei Kapital-Akkumulation zwischen vollständiger Spezialisierung und Nicht-Spezialisierung, wobei sich die Produktion auf immer kapitalintensivere Güter verlagert. Die Kapital-Akkumulation erhöht nur in den Bereichen der vollständigen Spezialisierung das Lohn-Zins-Verhältnis; insgesamt besteht demnach ein treppenförmiger Zusammenhang zwischen Kapitalausstattung pro Arbeiter und Lohn-Zins-Verhältnis. 3. Viele Faktoren. Obwohl wir vorwiegend mit den beiden Faktoren Arbeit und Kapital argumentiert haben, kann sich die unterschiedliche Faktorausstattung auf eine Vielzahl von Produktionsfaktoren beziehen. Ein Land kann relativ reichlich mit Arbeit, Kapital, technischem Wissen, Boden oder natürlichen Rohstoffen ausgestattet sein. Bei einer großzügigen Interpretation des Begriffes „Faktorreichlichkeit“ deckt also das Heckscher-Ohlin-Modell zahlreiche empirisch relevante Bestimmungsfaktoren des internationalen Güteraustausches ab. Der Fall der sektorgebundenen Faktoren aus Abschnitt 6.1 kann ebenso als Spezialfall des Heckscher-Ohlin-Modells mit zwei Gütern und drei Faktoren betrachtet werden. Wie wir dort gesehen haben, kann das Faktorpreisausgleichtheorem in diesem Szenario nicht aufrechterhalten werden. Generell müssen wir für Faktorpreisausgleich bei mehreren Faktoren annehmen, dass die Zahl der Güter mindestens so hoch ist wie die Zahl der Produktionsfaktoren. Das lässt sich mit dem Zusammenhang zwischen Güterpreisen und Faktorpreisen erklären, aus dem wir das Faktorpreisausgleichstheorem abgeleitet haben. Bei zwei Produktionsfaktoren kann dieser Zusammenhang aus den Nullgewinnbedingungen für zwei Güter abgeleitet werden. Bei drei Faktoren würden wir drei Nullgewinnbedingungen (und damit drei Güter) benötigen und so weiter. 4. Viele Länder. Unsere Darstellung des Außenhandels beruhte bisher auf einem Zwei-Länder-Modell. Für die Anwendung des Modells auf die Realität ist es nicht nur auf mehrere Güter und Faktoren, sondern auch auf viele Länder zu generalisieren. Handel ist nicht bilateral, sondern multilateral. In einem solchen Ansatz ist zu bestimmen, welches der vielen Länder für welches der Produkte <?page no="93"?> Weiterführende Literatur 85 einen komparativen Preisvorteil hat. Eine Formulierung des Heckscher-Ohlin- Modells mit vielen Ländern, Gütern und Faktoren (das Heckscher-Ohlin-Vanek- Modell, welches auch in Kapitel 8.2 angesprochen wird) vergleicht die Ausstattung eines Landes mit einem bestimmten Faktor mit der ökonomischen Größe des Landes. Ein Land ist demnach arbeitsreich, wenn die Ausstattung des Landes mit Arbeit relativ zur Welt-Arbeitsausstattung größer ist als der Anteil des Landes am Welteinkommen. Weiterführende Fragen 1. Diskutieren Sie, wie der Einfluss der Innovationstätigkeit eines Unternehmens auf dessen Exporte empirisch geschätzt werden kann (Lachenmaier und Wößmann 2006). 2. Diskutieren Sie, ob die Aussagen des Heckscher-Ohlin-Modells zu den Wirkungen von Außenhandel auf die Faktorpreise empirisch bestätigt werden. Inwiefern unterscheidet sich in diesem Zusammenhang der Handel mit Zwischenprodukten vom Handel mit Endprodukten (Feenstra 2003)? 3. Erörtern Sie, wie die Berücksichtigung der Umwelt sich auf die Produktionsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft auswirkt. Diskutieren Sie die Auswirkung der Umweltpolitik auf Handel (Siebert 2005, Kap.11). Weiterführende Literatur Bhagwati, J., A. Panagariya und T. N. Srinivasan (1998). Lectures on International Trade, 2. Auflage, MIT Press, Kapitel 7, 8 und 10. Feenstra, R. C. (2003). Advanced International Trade: Theory and Evidence, Princeton University Press, Kap. 2 und 4. Krugman, P. A. (1979a). A Model of Innovation, Technology Transfer, and the World Distribution of Income. Journal of Political Economy 87: 253-266. Vanek, J. (1986). The Factor Proportions Theory: The N-Factor Case. Kyklos 21: 749-754. Vernon, R. (1966). International Investment and International Trade in the Product Cycle. Quarterly Journal of Economics 80: 190-207. <?page no="95"?> 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb „The main new insight from these models was that to the extent that trade driven by economies of scale is important in the world economy, imperfect competition is important as well.“ Paul R. Krugman * Die bisher dargestellten Grundmodelle zur Erklärung des internationalen Handels gehen von konstanten Stückkosten und der Marktform der vollständigen Konkurrenz aus. Zumindest in einzelnen Wirtschaftsbereichen spielen jedoch Größenvorteile eine wichtige Rolle bei der internationalen Arbeitsteilung (Abschnitt 7.1). Bei unvollständigem Wettbewerb kann internationaler Handel die Wettbewerbssituation auf nationalen Märkten beeinflussen (Abschnitt 7.2). Ein großer Teil des Außenhandels vollzieht sich innerhalb einzelner Sektoren. Dieser intrasektorale Handel lässt sich aus dem Zusammenwirken von Produktdifferenzierung und Größenvorteilen erklären (Abschnitt 7.3). Nicht alle Unternehmen innerhalb eines Sektors sind gleichermaßen von Außenhandel betroffen. Häufig sind es große Unternehmen mit einer höheren Produktivität, die ins Ausland exportieren (Abschnitt 7.4). Bei unvollständigem Wettbewerb kann es auch ohne Produktdifferenzierung zu intrasektoralem Handel kommen, wenn Unternehmen ins Ausland exportieren, um zum dortigen Anbieter in Konkurrenz zu treten (Abschnitt 7.5). Internationale Oligopole und strategische Handelspolitik werden in Abschnitt 7.6 erörtert. 7.1 Abnehmende Stückkosten und Handel 1. Größenvorteile. Viele Bereiche der industriellen Produktion, aber auch moderne Dienstleistungen wie Banken und Versicherungen, sind durch Größenvorteile in der Produktion gekennzeichnet: Mit einer höheren Ausbringungsmenge sinken die Kosten pro Stück, so dass für die Unternehmen ein Anreiz besteht, größere Mengen zu produzieren. Die Größenvorteile können zum einen auf den Effekt der Fixkostendegression und zum anderen auf steigende Skalenerträge zurückgeführt werden. 2. Fixkostendegression. Eine mögliche Begründung für abnehmende Stückkosten liegt darin, dass einer der Produktionsfaktoren ein fixer Faktor ist und die durch diesen fixen Faktor gegebene Kapazität nicht ausgeschöpft wird. Dann geht mit einer Ausweitung der Produktion der gesamte Faktorverbrauch pro Output-Einheit zurück. Das typische Beispiel ist eine bestehende Produktionsanlage, die mit * Is Free Trade Passé? Journal of Economic Perspectives, 1, 1987, S. 131-132. <?page no="96"?> 88 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb steigendem Output besser ausgelastet wird. Ein anderes Beispiel sind Firmenzentralen („Headquarters“), die mehrere Produktionsstätten gleichzeitig koordinieren können. 3. Steigende Skalenerträge. Bei steigenden Skalenerträgen erhöht sich das Produktionsergebnis überproportional zum Faktoreinsatz. In Tabelle 7.1 sind konstante und steigende Skalenerträge anhand eines einfachen Zahlenbeispiels erläutert. In diesem Beispiel gehen wir davon aus, dass Arbeit und Kapital in einem bestimmten Verhältnis in der Produktion eingesetzt werden (z.B. kann mit einem „Faktorpaket“ von 10 Einheiten Arbeit und 20 Einheiten Kapital ein Output von je 10 erzeugt werden). Eine Verdoppelung aller Produktionsfaktoren führt bei konstanten Skalenerträgen zu einer Verdoppelung des Outputs. Das ist die Situation im Heckscher-Ohlin-Modell. Bei steigenden Skalenerträgen steigt der Output hingegen auf mehr als das Doppelte. Man muss dann pro Output-Einheit weniger Faktorpakete einsetzen, so dass die Produktionskosten pro Stück zurückgehen. Formal gilt bei steigenden Skalenerträgen, beispielsweise in Sektor 1, 2 ⋅ , 2 ⋅ 2 ⋅ oder allgemein ⋅ , ⋅ ⋅ , für 1 . Tabelle 7.1: Konstante und steigende Skalenerträge Konstante Skalenerträge Steigende Skalenerträge Arbeit Kapital Output Faktorpakete pro Output-Einheit Output Faktorpakete pro Output-Einheit 10 20 10 0,1 10 0,1 20 40 20 0,1 25 0,08 40 80 40 0,1 52,5 0,076 Erklären lassen sich steigende skalare Erträge in der Praxis mit der sog. „Lernkurve“. Ein Beispiel ist der Flugzeugbau. Hier hat schon Wright (1936) festgestellt, dass die Produktionskosten pro Flugzeug um einen festen Prozentsatz (etwa 20 Prozent) zurückgehen, wenn sich das akkumulierte Produktionsergebnis - die Zahl der ausgelieferten Flugzeuge - verdoppelt. Diese Kostensenkung resultiert u.a. aus einem Lernprozess bei der Fertigung, bei dem man Erfahrung darüber sammelt, wie die Produktion kostengünstiger zu organisieren ist. Steigende skalare Erträge können auch durch Spezialisierungsvorteile begründet werden: Wenn man an das Beispiel der spezialisierten Nadelproduktion von Adam Smith zurückdenkt, so können mit der Zerlegung eines Produktionsprozesses in viele Teilschritte Vorteile der Arbeitsteilung besser genutzt werden. Eine solche Arbeitsteilung lässt sich aber häufig erst bei größeren Stückzahlen sinnvoll durchführen. So können die Abläufe z.B. in einer Großküche mit vielen Köchen und Hilfskräften wesentlich arbeitsteiliger angelegt sein als in einem <?page no="97"?> 7.1 Abnehmende Stückkosten und Handel 89 Kleinbetrieb. In einem Produktionsverbund, etwa bei der Automobilproduktion, können Spezialisierungsvorteile auch in Bezug auf unterschiedliche Betriebe genutzt werden (Motorenproduktion durch Betrieb x, Bauteile von Betrieb y, Montage bei Betrieb z). 4. Externe Effekte und Skalenerträge. Die bisher beschriebenen Formen der Größenvorteile treten innerhalb eines Unternehmens (oder eines Unternehmensverbunds) auf. In diesem Fall wird das Unternehmen bestrebt sein, seine eigene Produktion auszudehnen, um die Größenvorteile zu nutzen und kostengünstiger produzieren zu können. Damit verschwindet die Marktform der vollständigen Konkurrenz durch Unternehmenswachstum. Stattdessen kommt es zu unvollständiger Konkurrenz, wie beim natürlichen Monopol oder der Marktform der monopolistischen Konkurrenz. Größenvorteile in Form von steigenden Skalenerträgen können aber auch in anderer Form auftreten, und zwar hervorgerufen durch externe Effekte. Die Kosten eines Unternehmens hängen dann nicht nur vom eigenen Faktoreinsatz ab, sondern auch vom Faktoreinsatz anderer Produzenten. Beispielsweise können bei der Produktion in einem Unternehmen technisches Wissen und spezifische Erfahrungen anfallen, die auch anderen Unternehmen zugutekommen. Arbeitnehmer tauschen sich aus, Produktionsanlagen „verkörpern“ technisches Wissen, Erfindungen und Innovationen sind teilweise auch anderen Unternehmen zugänglich. Die steigenden Skalenerträge aufgrund externer Effekte können mit der Marktform der vollständigen Konkurrenz durchaus vereinbar sein, da die Größenvorteile in Bezug auf die Produktion einer gesamten Industrie anfallen, aber nicht notwendigerweise in Bezug auf das einzelne Unternehmen. Anwendungsfälle für solche unternehmensexternen Skalenerträge finden sich insbesondere dort, wo eine spezialisierte Produktionstechnologie hierfür hoch qualifizierte Arbeitskräfte einsetzt, etwa in der Schweizer Uhrenindustrie im Jura, der mittelständischen Industrie im oberen Neckarraum oder im Silicon Valley. Mit Berücksichtigung der externen Effekte (der „spill overs“) kann die Produktionsfunktion eines einzelnen Unternehmens j in Sektor 1 beispielsweise geschrieben werden als ⋅ , , mit 0 1. (7.1) und sind der Kapital- und Arbeitseinsatz eines einzelnen Unternehmens in Sektor 1, misst den Output von Unternehmen und als Summe aller ist der Gesamtoutput der Industrie 1. Die Produktionsfunktion , ist weiterhin linear-homogen in den beiden Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital, weist also insoweit konstante skalare Erträge auf. Zusätzlich gibt es aber einen positiven Effekt der Gesamtproduktion der Industrie auf den Output des einzelnen Unternehmens. Dieser Effekt wird durch den Term abgebildet. <?page no="98"?> 90 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb Wenn ein Unternehmen seine Produktion steigert, so wirkt sich dies über die gesammelte Produktionserfahrung positiv auf die gesamte Branche aus. Unter der Annahme der vollständigen Konkurrenz ist das einzelne Unternehmen jedoch „klein“ und vernachlässigt daher seinen Beitrag zum Gesamt-Output der Industrie. Es betrachtet als exogen gegeben. Aus Sicht des einzelnen Unternehmens liegen somit keine Größenvorteile vor. Aus Sicht der gesamten Branche ergeben sich hingegen steigende Skalenerträge. Das folgt aus der Produktionsfunktion für die gesamte Branche. Aus Gleichung (7.1) lassen sich durch Aufsummieren die aggregierte Produktionsmenge ∑ der Industrie ableiten: ⋅ ∑ , . Wenn alle Unternehmen mit der gleichen Kapitalintensität produzieren, dann gilt ∑ , ∑ , ∑ . Somit ist ⋅ , bzw. , . (7.2) Diese sektorale Produktionsfunktion hat steigende Skalenerträge, denn es gilt ⋅ , ⋅ ⋅ ⋅ für 1. Eine Verdopplung aller in dem Sektor eingesetzten Inputmengen ( 2) erhöht die sektorale Produktionsmenge auf mehr als das Doppelte. 5. Skalenerträge und Transformationskurve. Wenn das Produktionsergebnis bei einer gleichmäßigen Zunahme aller Produktionsfaktoren überproportional steigt, wird die Produktion eines Gutes kostengünstiger. Die Opportunitätskosten der Produktion eines Gutes werden geringer und die Grenzrate der Transformation sinkt. Indem man Produktionsfaktoren aus der Herstellung des anderen Gutes abzieht, kann man sukzessive mehr desjenigen Gutes produzieren, das durch steigende Skalenerträge gekennzeichnet ist. Dieser Skaleneffekt wirkt auf einen konvexen Verlauf der Transformationskurve hin; je höher die Produktionsmenge eines Gutes, desto geringer sind demnach die Opportunitätskosten. Die unterschiedlichen Faktorintensitäten in beiden Sektoren, die in Kapitel 5 für den streng konkaven Verlauf der Transformationskurve verantwortlich waren, wirken den Größenvorteilen jedoch entgegen. Wir haben also zwei gegenläufige Effekte, die den Verlauf der Transformationskurve beeinflussen, so dass der Gesamtverlauf der Transformationskurve von der jeweiligen Stärke dieser beiden Teileffekte abhängt. In Schaubild 7.1a ist beispielsweise eine Transformationskurve eingezeichnet, die durchgehend konvex zum Ursprung verläuft. In Schaubild 7.1b hat die Transformationskurve hingegen lediglich eine Delle oder eine Einbuchtung. <?page no="99"?> 7.1 Abnehmende Stückkosten und Handel 91 a b O O Q 2 Q 1 Q 2 Q 1 6. Skalenerträge und Spezialisierung. Steigende skalare Erträge können für sich genommen schon eine Erklärung dafür sein, warum Länder miteinander handeln (Melvin, 1969). Durch eine Spezialisierung können die Länder Skalenerträge ausnutzen und somit kostengünstiger produzieren. Handel kann in diesem Fall sogar dann zustande kommen, wenn die Länder vollkommen gleich sind, also keiner der in Kapitel 5 genannten Ursachen für Handel erfüllt ist. Angenommen, die Transformationskurven beider Länder verlaufen konvex zum Ursprung, wie in Schaubild 7.2 dargestellt. Der Autarkiepunkt liegt bei A für das Inland und bei A* für das Ausland. Nach Aufnahme von Handel lohnt sich für beide Länder eine vollständige Spezialisierung (Produktionspunkt P bzw. P*). Der Konsumpunkt des Inlandes ist dann durch den Punkt C gekennzeichnet und der des Auslands durch C*. Das Inland exportiert die Menge PD und importiert die Menge DC. Beide Länder können im Vergleich zur Autarkiesituation mehr von beiden Gütern konsumieren. Schaubild 7.2 wurde bewusst so gezeichnet, dass die Transformationskurve in beiden Ländern genau gleich verläuft und auch die Güter in beiden Ländern im gleichen Verhältnis nachgefragt werden. Es bestehen somit keine Technologieunterschiede, Ausstattungsunterschiede oder Nachfrageunterschiede zwischen den Ländern wie in Kapitel 5. Dennoch können beide Länder von Handel profitieren. Aussage 7.1: Spezialisierungsvorteile aus Handel können auch durch steigende Skalenerträge entstehen. 7. Ländergröße. Die Größe eines Landes hat einen Einfluss darauf, inwieweit die zunehmenden skalaren Effekte in Autarkie zur Geltung kommen. Ein „großes“ Land entfaltet mehr Nachfrage nach dem Gut und kann damit in Autarkie die Größenvorteile aus zunehmenden skalaren Erträgen besser ausnutzen. Man sollte deshalb erwarten können, dass ein großes Land in Autarkie einen relativen Preisvorteil bei dem Gut hat, das durch steigende skalare Erträge gekennzeichnet ist. 1 1 Für eine ausführliche Darstellung siehe Helpman (1984b, S. 342f.). Schaubild 7.1: Transformationskurve bei steigenden skalaren Erträgen <?page no="100"?> 92 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb Q * 1 Inland Ausland Q 2 Q 1 Q * 2 C / C 2 1 C A P O O D P* C* A* C */ C * 2 1 D* Schaubild 7.2: Spezialisierungsvorteile bei steigenden skalaren Erträgen 8. Heckscher-Ohlin-Aussagen. Bei zunehmenden skalaren Erträgen gelten die Standardresultate des Heckscher-Ohlin Modells nicht mehr ohne weiteres. Wir haben bereits argumentiert, dass Länder, die unterschiedlich groß sind, miteinander Handel treiben können, auch wenn sie die gleiche relative Faktorausstattung aufweisen. Das widerspricht der Heckscher-Ohlin-Aussage. Auch der Zusammenhang zwischen Güterpreisverhältnis und Faktorpreisverhältnis, der dem Stolper-Samuelson-Theorem und dem Faktorpreisausgleichstheorem zugrunde liegt, ist bei zunehmenden skalaren Erträgen nicht mehr unabhängig von den Output-Niveaus. Damit ist nicht zu erwarten, dass diese Aussagen bei zunehmenden Skalenerträgen erhalten bleiben. Steigt etwa der Output des arbeitsintensiven Gutes 1 und wird dieses Gut mit zunehmenden Skalenerträgen produziert, so wirkt der Skaleneffekt auf eine Verringerung der Stückkosten und damit des Güterpreises in Sektor 1 hin. Dieser Effekt wirkt einem positiven Zusammenhang zwischen Lohn-Zins-Verhältnis und Relativpreis des arbeitsintensiven Gutes, der durch das Stolper-Samuelson-Theorem vorhergesagt wird, entgegen. 7.2 Monopolistische Marktpositionen 1. Nationales Monopol. Größenvorteile in der Produktion sind nicht die einzige Ursache für unvollständigen Wettbewerb. Monopole können in einem Land auch dadurch entstehen, dass Marktzutrittsschranken, wie z.B. nationale Patente, ein Unternehmen vor potenziellen Wettbewerbern schützen. Besteht in Autarkie ein Monopol in einem bestimmten Sektor, dann ist der Autarkiepreis dieses Sektors höher als bei vollständiger Konkurrenz und es wird zu wenig von dem Gut produziert. Das lässt sich grafisch anhand von Schaubild 7.3 darstellen. Es zeigt die <?page no="101"?> 7.2 Monopolistische Marktpositionen 93 Situation eines Monopols, das über die gewinnmaximierende Produktionsmenge entscheidet. Zur Vereinfachung gehen wir davon aus, dass der betrachtete Sektor klein ist im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft. Dann lassen sich die Auswirkungen einer Veränderung der Produktionsmenge dieses Sektors auf die anderen Sektoren vernachlässigen und wir können in einem sog. Partialmodell argumentieren. 2 Zudem nehmen wir konstante Grenz- und Durchschnittskosten in Höhe von an. 3 Die Gerade N gibt die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten in Abhängigkeit von der Menge an. Punkt A kennzeichnet die Situation bei vollständiger Konkurrenz. Dort entspricht der Preis den Grenz- und Durchschnittskosten und das Unternehmen macht keine Gewinne. Ein Monopol kann hingegen einen höheren Preis verlangen und eine geringere Menge anbieten und somit einen positiven Gewinn erzielen. Die gewinnmaximale Angebotsmenge des Monopols ergibt sich dort, wo der Grenzerlös des Unternehmens den Grenzkosten von entspricht. Das folgt aus der Maximierung des Gewinns ⋅ ⋅ , mit als Nachfragefunktion und ⋅ als Erlös: 0 für . (7.3) 2 In einem Partialmodell wird nur ein einzelner Markt analysiert im Unterschied zu einem allgemeinen Gleichgewichtsmodell (wie dem Heckscher-Ohlin-Ansatz), bei dem das Gleichgewicht auf allen Märkten simultan betrachtet wird. 3 Wenn wir beispielsweise, wie im Ricardo-Modell, von einem Produktionsfaktor ausgehen mit einem konstanten Arbeitskoeffizienten von , dann gilt für die Grenz- und Durchschnittskosten ⋅ . Wenn der betrachtete Sektor klein ist, dann ist der gesamtwirtschaftliche Lohnsatz unabhängig von der Produktionsmenge in dem Sektor und kann als konstant betrachtet werden. Schaubild 7.3: Preis und Menge im Monopol <?page no="102"?> 94 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb Dabei bezeichnen ⋅ ⁄ den Grenzerlös und die Grenzkosten. Bei einer linearen Nachfrage ⋅ ergibt sich für den Gewinn ⋅ ⋅ ⋅ . Aus der Bedingung erster Ordnung für ein Gewinnmaximum ⁄ 0 folgt somit 2 ⋅ ⋅ . Dabei ist 2 ⋅ ⋅ der Grenzerlös und misst die (als konstant angenommenen) Grenzkosten. Schaubild 7.3 stellt dieses Gewinnmaximum grafisch dar. Im Schnittpunkt der gestrichelten Grenzerlös-Linie mit den Grenzkosten befindet sich die optimale Produktionsmenge, und das Unternehmen verlangt einen Preis, der auf der Nachfragekurve in Punkt M liegt. 2. Außenhandel als Wettbewerbspolitik. Wird in dieser Konstellation Außenhandel zugelassen und bieten auch ausländische Wettbewerber das Gut an, so verliert das nationale Monopol seine Stellung. Es steht nun mit den ausländischen Unternehmen in Konkurrenz. Im Fall eines kleinen offenen Landes ist der Preis beispielsweise vom Weltmarkt vorgegeben. Wenn die Grenzkosten des inländischen Unternehmens diesem Weltmarktpreis entsprechen und das Gut ohne Transportkosten importiert werden kann, dann wird im Inland der Produktionspunkt A erreicht (Schaubild 7.3). Die Bewegung von M nach A kennzeichnet die Anpassung des Preises und der Menge durch den Übergang vom Monopol zum Freihandelsgleichgewicht. Bei Freihandel ersetzt die internationale Konkurrenz in diesem Fall den fehlenden nationalen Wettbewerb. Für die Konsumenten ergeben sich Wohlfahrtsgewinne in Höhe der Fläche AMpR (Anstieg der Konsumentenrente). Obwohl das nationale Monopol seinen Gewinn von LMpR verliert, ergeben sich insgesamt Wohlfahrtsgewinne in Höhe des Dreiecks ALM. 7.3 Produktdifferenzierung und intrasektoraler Handel 1. Ausgangspunkt. Bislang sind wir davon ausgegangen, dass die Güter eines bestimmten Sektors völlig homogen sind unabhängig davon, ob sie im In- oder Ausland produziert werden oder von welchem Produzenten sie stammen. Die Realität ist aber häufig durch Produktdifferenzierung gekennzeichnet. So unterscheiden sich z.B. die Autos, die ein bestimmter inländischer Produzent herstellt, in Bezug auf zahlreiche Attribute von Autos anderer in- oder ausländischer Anbieter. Diese Attribute können objektiv messbar sein (Zuverlässigkeit, Vertriebsnetz oder Verbrauch) oder subjektiv von den Käufern empfunden werden (Design oder Markenimage). Produktdifferenzierung gibt es nicht nur bei den Endverbrauchern. Auch Investitionsgüter und Zwischenprodukte zeichnen sich oftmals durch Heterogenität aus. In einer Welt mit differenzierten Produkten kann Handel dadurch zustande kommen, dass inländische Käufer eine Vorliebe für Produkte eines ausländi- <?page no="103"?> 7.3 Produktdifferenzierung und intrasektoraler Handel 95 schen Anbieters haben und diese importieren und umgekehrt ausländische Käufer Produkte inländischer Hersteller bevorzugen. Beispielsweise können einige französische Konsumenten deutsche Autos mögen und umgekehrt einige deutsche Konsumenten gerne ein französisches Auto fahren. In diesem Fall werden durch intrasektoralen Handel französische Autos gegen deutsche Autos getauscht. Selbst wenn Länder völlig gleichartig sind und keine komparativen Vorteile vorliegen, kommt es auf diese Weise zu Handel mit differenzierten Gütervarianten eines Sektors. Um die Vielfalt der Produktpräferenzen zu erfassen, werden in der Literatur zwei unterschiedliche Ansätze verfolgt. Beide Ansätze gehen davon aus, dass ein Sektor durch unterschiedliche Produktvarianten gekennzeichnet ist, die ähnlich, aber nicht völlig homogen sind. Im Neo-Hotelling-Ansatz wird unterstellt, dass ein einzelner Haushalt jeweils eine Produktvariante nachfragt. Die Variantenvielfalt ergibt sich dann daraus, dass verschiedene Haushalte unterschiedliche Varianten bevorzugen. Im Neo-Chamberlin-Ansatz hingegen fragt jeder einzelne Haushalt eine Vielfalt von Produktvarianten nach. 4 2. Neo-Hotelling-Ansatz. Im Neo-Hotelling Ansatz geht man davon aus, dass jeder Einzelne jeweils seine spezifischen Vorlieben hat, die sich von Individuum zu Individuum unterscheiden. So kann ein Käufer eine Idealvorstellung von einem Gut haben, die sich ableitet aus den verschiedenen Eigenschaften, die das Gut nach seiner Meinung aufweisen sollte. Je näher eine bestimmte Produktvariante an dieser Idealvariante liegt, desto höher schätzt der Käufer diese Variante. Produktdifferenzierung kommt nun dadurch zustande, dass unterschiedliche Käufer oder Haushalte unterschiedliche Idealvarianten haben und damit unterschiedliche Gütervarianten nachfragen. Die hier beschriebene Form der horizontalen Produktdifferenzierung lässt sich anhand eines Kreises darstellen (Schaubild 7.4). Auf diesem Kreis sind die unterschiedlichen Gütervarianten eines Sektors gleichmäßig angeordnet. Jeder einzelne Punkt auf dem Kreis entspricht demnach einer anderen Gütervariante. Die Idealvariante eines Haushalts sei auf c positioniert. Wenn der Haushalt zwischen den beiden Varianten und entscheiden müsste, dann würde er bei einem gleichen Preis für beide Varianten Variante vorziehen, da sie näher an seiner Idealvariante liegt. Die gesamte Nachfrageseite besteht nun aus zahlreichen Haushalten, die jeweils eine andere Idealvariante haben, und die ebenfalls gleichmäßig entlang des Krei- 4 Die Bezeichnungen beziehen sich auf die Arbeiten von Hotelling (1929) und von Chamberlin (1933) zur Produktdifferenzierung und zur monopolistischen Konkurrenz. Die sog. „Neue Außenhandelstheorie“ hat diese Konzepte wieder aufgegriffen und in Handelsmodelle integriert (siehe z.B. Krugman 1979, Helpman 1981 oder Helpman und Krugman 1985). <?page no="104"?> 96 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb ses angeordnet werden können. Auf der Angebotsseite gehen wir von abnehmenden Stückkosten und unvollständiger Konkurrenz aus. Aufgrund der abnehmenden Stückkosten wird nur eine begrenzte Zahl von Produktvarianten in dafür entsprechend hoher Stückzahl angeboten. In Schaubild 7.4 sind es die beiden Varianten und , die im Inland produziert werden. Ohne internationalen Handel könnten die Konsumenten ausschließlich zwischen diesen beiden Varianten wählen. Alle Konsumenten, deren Idealvariante auf der oberen Kreishälfte liegt, kaufen dann die Variante und alle Konsumenten auf der unteren Kreishälfte kaufen . c 1 2 3. Internationaler Handel im Neo-Hotelling-Ansatz. Durch die Aufnahme von Handel wird inländischen Haushalten die Möglichkeit gegeben, Produktvarianten von ausländischen Anbietern zu kaufen, die näher an der eigenen Idealvariante liegen; umgekehrt kaufen ausländische Haushalte von inländischen Unternehmen, um damit ebenfalls näher an die eigene Idealvariante heranzukommen. Schaubild 7.5 illustriert dieses Ergebnis. Zur Verdeutlichung nehmen wir an, dass das Inland und das Ausland völlig gleich sind, d.h., es gilt die gleiche Nachfrage in beiden Ländern und die Zahl der angebotenen Varianten ist ebenfalls gleich. Der einzige Unterschied zwischen den Ländern besteht darin, dass sie unterschiedliche Varianten anbieten. Wenn die inländischen Unternehmen die Varianten und anbieten und die ausländischen Unternehmen die Varianten ∗ und ∗ , dann fragen diejenigen Haushalte des Inlands, deren Idealvariante in den fett markierten Segmenten des inländischen Markts liegt, Gütervarianten aus dem Ausland nach, während ausländische Haushalte, deren Idealvariante in den fett markierten Bereichen des Auslandsmarkts liegt, inländische Gütervarianten nachfragen. Es kommt somit zwischen völlig gleichartigen Ländern zum Handel mit unterschiedlichen Pro- Schaubild 7.4: Produktdifferenzierung <?page no="105"?> 7.3 Produktdifferenzierung und intrasektoraler Handel 97 duktvarianten. Dieser Handel ist intrasektoraler Handel, d.h. Handel mit Gütern desselben Produktionssektors. Importe Importe * Ausland Inland 1 2 1 2 Aussage 7.2: Produktdifferenzierung und steigende Skalenerträge führen zu intrasektoralem Handel mit unterschiedlichen Produktvarianten. Handel bringt den Konsumenten somit Wohlfahrtsgewinne in Form verbesserter Wahlmöglichkeiten. Durch die Vergrößerung des Absatzmarktes steigt die Vielfalt an Produktvarianten, zwischen denen die Konsumenten auswählen können. Einige Konsumenten kaufen nun Produktvarianten, die von Unternehmen aus dem eigenen Land nicht angeboten werden und kommen somit ihrer gewünschten Idealvariante näher. Zudem kann gezeigt werden, dass diese Form von Handel auch einen Wettbewerbseffekt zur Folge hat. Durch die erhöhte Zahl von Produktvarianten, zwischen denen die Konsumenten wählen können, lassen sich die einzelnen Varianten leichter gegeneinander austauschen. Damit stehen die Anbieter miteinander in einem schärferen Wettbewerb, der die Produktpreise sinken lässt. Die Wohlfahrt der Konsumenten steigt somit nicht nur durch die besseren Wahlmöglichkeiten, sondern auch durch die niedrigeren Preise. 4. Neo-Chamberlin-Ansatz. Im Gegensatz zu der bisherigen Nutzenfunktion, bei der die einzelnen Nachfrager unterschiedliche Produktpräferenzen haben, unterstellt der Neo-Chamberlin-Ansatz, dass jedes Individuum die gleiche Nutzenfunktion hat, diese Funktion aber über eine Menge von ähnlichen Gütern definiert ist: , , … , . (7.4) Die Variable ( 1 … ) bezeichnet jeweils die konsumierte Menge der Variante j eines Industrieguts, wobei es insgesamt n Varianten dieses Gutes gibt. Jede Variante liefert dem Konsumenten einen positiven, aber abnehmenden Grenznutzen. In diesem Ansatz der Vorliebe für Produktvielfalt („love of variety“) möchte jeder einzelne Konsument alle verfügbaren Produktvarianten des Industrieguts kaufen. Als Beispiel kann man sich vorstellen, dass ein Kunde beim Kauf Schaubild 7.5: Handel bei Produktdifferenzierung <?page no="106"?> 98 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb von Pralinen eine Mischung verschiedener Pralinen und nicht nur eine einzelne Sorte nachfragt. Aufgrund des abnehmenden Grenznutzens aus dem Konsum jeder einzelnen Variante gilt eine eingeschränkte Substituierbarkeit zwischen den Varianten. Der Haushalt zieht z.B. ein Güterbündel, bei dem er von jeder Gütervariante jeweils eine Einheit erhält, einem Güterbündel vor, bei dem er von nur einer Variante Einheiten bekommt. Wird das Güterspektrum umfangreicher, steigt also , so nimmt die Vielfalt zu. Die Nachfrager haben eine größere Wahlmöglichkeit und ihr Nutzen steigt. Aus der Maximierung der Nutzenfunktion (7.4) ergibt sich eine Beziehung zwischen der nachgefragten Menge nach jeder Variante und deren Preis (Anhang 7.A.1). Diese Nachfrage kann durch die Funktion dargestellt werden. Dabei gilt 0 ⁄ . Mit zunehmendem Preis der Variante geht die nachgefragte Menge nach dieser Variante zurück. Es wird angenommen, dass alle Konsumenten die gleiche Nutzenfunktion haben und das gleiche Einkommen. Dann fragen sie alle die gleichen Gütermengen nach. Die Variable steht für die Gesamtzahl an Konsumenten pro Land, somit beträgt die aggregierte Nachfrage nach Variante j in einem Land ⋅ . Eine wichtige Eigenschaft der Nachfragefunktion ist deren Preiselastizität. Sie gibt an, um wie viel Prozent die nachgefragte Menge nach Gut mit einer 1-prozentigen Preissteigerung zurückgeht. Formal lautet die Definition der Nachfrageelastizität: ⋅ . Krugman (1979) entwickelt auf Grundlage des Neo-Chamberlin-Ansatzes ein einfaches Modell zur Erklärung des intra-sektoralen Handels. Hierfür unterstellt er, dass es (wie im Ricardo-Modell) nur einen Produktionsfaktor (Arbeit) gibt. Im Unterschied zu Ricardo liegen jedoch Größenvorteile durch Fixkostendegression bei der Produktion des Industrieguts vor. Der Arbeitseinsatz zur Produktion von Einheiten von Variante ist dann ⋅ , (7.5) wobei der Arbeitskoeffizient , analog zum Ricardo-Modell, angibt, wie viele Arbeiter zusätzlich benötigt werden, wenn die Produktion des Gutes ausgeweitet wird. Zusätzlich zu dem variablen Arbeitseinsatz fällt jedoch unabhängig von der Produktionsmenge der fixe Arbeitseinsatz an. Die Verbrauchsfunktion (7.5) gilt für alle Produktvarianten des Industrieguts gleichermaßen. Die Produktionskosten sind definiert als Faktorbedarf in der Produktion, bewertet mit dem Lohnsatz . Der Lohnsatz wird zur Vereinfachung auf 1 normiert, so dass alle Preise im Folgenden in Arbeitseinheiten ausgedrückt sind. Dann sind die Produktionskosten und die Durchschnittskosten (Stückkosten) ⁄ . <?page no="107"?> 7.3 Produktdifferenzierung und intrasektoraler Handel 99 Einsetzen ergibt Gesamtkosten von ⋅ und Stückkosten von / . Aufgrund der Fixkostendegression sinken mit zunehmender Produktionsmenge die Kosten pro Stück. Deshalb wird jede Produktvariante nur von jeweils einem einzigen Produzenten erstellt. Die Volkswirtschaft hat dann genau so viele Produzenten wie Produktvarianten. Es gilt die Marktform der monopolistischen Konkurrenz, die durch zwei Eigenschaften gekennzeichnet ist: Erstens ist jedes Unternehmen auf seinem Teilmarkt (für die eigene Produktvariante) ein Monopolist und bietet so viel an, dass der Gewinn maximiert wird. Im Gewinnmaximum eines Monopolisten gilt, wie beim Monopol aus Abschnitt 7.2, dass der Grenzerlös gleich den Grenzkosten sein muss. Zweitens herrscht freier Marktzutritt, so dass Unternehmen mit neuen Varianten in den Markt eintreten, bis die Gewinne aller Unternehmen auf null zurückgehen. Der Preis entspricht dann den Durchschnittskosten. Wenn alle Unternehmen der gleichen Nachfrage gegenüberstehen und die gleiche Kostenfunktion haben, dann verlangen alle Unternehmen den gleichen Preis und produzieren die gleiche Menge ihrer Variante. Der Index kann folglich weggelassen werden. Aus der Beziehung „Grenzerlös gleich Grenzkosten“ ergibt sich die folgende Bedingung für den gewinnmaximierenden Preis (siehe Anhang 7.A.1): 1 . (7.6) Gemäß Gleichung (7.6) kann der gewinnmaximierende Güterpreis als Aufschlag auf die Grenzkosten dargestellt werden und es gilt . Die Preiselastizität der Nachfrage bestimmt die Höhe dieses Preisaufschlags („Mark-up“). Je weniger preiselastisch die Nachfrage reagiert (geringes ), desto höher ist der Preisaufschlag auf die Grenzkosten, den das Unternehmen verlangt. Eine notwendige Bedingung, damit Gleichung (7.6) bei einem positiven Preis erfüllt ist, lautet 1. Im Modell von Krugman (1979) wird angenommen, dass die Elastizität der Nachfrage mit steigender Konsummenge zurückgeht (Bewegung entlang der Nachfragekurve nach unten). Das ist z.B. bei einer linearen Nachfragefunktion der Fall (Anhang 7.A.1). Dann gilt mit 0 ⁄ . Aus Gleichung (7.6) folgt in diesem Fall 0 ⁄ . Je höher die konsumierte Menge eines Gutes bereits ist, desto weniger elastisch reagieren die Haushalte gemäß dieser Annahme auf eine Preiserhöhung und desto höher ist der gewinnmaximierende Preis. Die Kurve in Schaubild 7.6 stellt diesen Zusammenhang grafisch dar. Diese Kurve zeigt, wie der gewinnmaximierende Preis eines Unternehmens unter monopolistischer Konkurrenz sich mit der konsumierten Menge verändert. Die zweite Gleichgewichtsbedingung im Modell der monopolistischen Konkurrenz verlangt, dass es sich für neue Unternehmen nicht mehr lohnt, in den Markt einzutreten. Die Unternehmen machen also im Gleichgewicht keine Gewinne, <?page no="108"?> 100 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb bzw. die Stückkosten sind gleich dem Preis. Berücksichtigt man ⋅ , so ergibt sich ⋅ . (7.7) Der Preis , bei dem Markteintritt nicht mehr lohnend ist, fällt mit zunehmendem , denn je mehr von einer bestimmten Produktvariante nachgefragt wird, umso besser verteilen sich die Fixkosten der Produktion auf die produzierte Menge. Die Kurve in Schaubild 7.6 bildet diesen Zusammenhang ab. Der Schnittpunkt S der beiden Kurven in Schaubild 7.6 stellt das Marktgleichgewicht bei Autarkie dar. Die Unternehmen sind im Gewinnmaximum. Gleichzeitig sind so viele Unternehmen im Markt, dass kein Unternehmen Gewinne macht. Zusätzlicher Markteintritt lohnt sich dann nicht mehr. Das Marktgleichgewicht bestimmt Gleichgewichtspreis und -menge. Wenn feststeht, ist auch die Produktionsmenge bestimmt, da gilt ⋅ . 5. Internationaler Handel im Neo-Chamberlin-Modell. Außenhandel wirkt sich als eine Vergrößerung des Absatzmarktes für die Unternehmen aus. Zur Illustration gehen wir von zwei völlig gleichartigen Ländern aus, zwischen denen die differenzierten Güter frei gehandelt werden können. Statt von Konsumenten (aus dem Inland) wird jede Variante nun von 2 ⋅ Konsumenten (aus dem In- und Ausland) nachgefragt. Damit gilt für die Produktionsmenge jedes Unternehmens 2 ⋅ ⋅ . Die Kurve in Schaubild 7.6 verschiebt sich nach links (gestrichelte Kurve), da nun gelten muss 2 ⋅ ⋅ . (7.8) Es ergibt sich ein neues Gleichgewicht in Punkt S’. Der gleichgewichtige Preis sinkt. Die konsumierte Menge geht zurück. Die von jedem Unternehmen produzierte Menge 2 ⋅ ⋅ steigt jedoch. Das folgt aus den abnehmenden Stückkosten und der Bedingung, dass der Preis den Stückkosten entsprechen Schaubild 7.6: Marktgleichgewicht mit Produktvarianten <?page no="109"?> 7.3 Produktdifferenzierung und intrasektoraler Handel 101 muss: Wenn der Preis zurückgeht, dann müssen im Gleichgewicht auch die Stückkosten sinken, was bedeutet, dass die Produktionsmenge ansteigt. Die Wirkungen von Außenhandel auf das Marktgleichgewicht lassen sich wie folgt erklären: Durch Handel steigt für jeden Konsumenten die Zahl der verfügbaren Produktvarianten (da nun auch die ausländischen Varianten konsumiert werden können). Er wird also von jeder Variante weniger Einheiten nachfragen ( sinkt), um insgesamt eine höhere Variantenzahl konsumieren zu können. Wenn sinkt, dann steigt die Preiselastizität der Nachfrage, da 0 ⁄ angenommen wurde. Die Unternehmen reagieren auf die preissensiblere Nachfrage, indem sie ihren Produktpreis senken, wodurch die Absatzmenge pro Unternehmen ansteigt. Internationaler Handel führt in diesem Ansatz somit zu einer größeren Produktvielfalt bei geringeren Preisen für die Konsumenten. 6. Chamberlins Tangentenlösung. Der hier dargestellte Ansatz monopolistischer Konkurrenz lässt sich grafisch auch mit Hilfe der Chamberlin’schen Tangentenlösung darstellen. In Schaubild 7.7 kennzeichnen die Preisabsatzfunktion eines monopolistischen Anbieters in der Ausgangslage und die Durchschnittskostenkurve. Mit der Preisabsatzfunktion ergibt sich als Monopollösung der Punkt A, bei dem der Grenzerlös des Unternehmens den Grenzkosten entspricht. Hier würde das Unternehmen aber einen Gewinn in Höhe von AD pro abgesetzter Einheit erzielen. Dieser Gewinn lockt Konkurrenten mit jeweils neuen Varianten auf den Markt. Dadurch verschiebt sich die Preis-Absatz-Funktion des etablierten Unternehmens nach unten. Ein Marktzutritt ist erst dann nicht mehr lohnenswert, wenn der Gewinn aller Unternehmen auf null zurückgegangen ist. Schaubild 7.7: Chamberlin’sche Tangentenlösung <?page no="110"?> 102 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb Dieses Marktgleichgewicht ist durch den Tangentenpunkt S der Preisabsatzfunktion mit der Durchschnittskostenkurve gegeben. Hier beträgt der höchste erreichbare Gewinn gerade null. Auch die Tangentiallösung S ist dadurch gekennzeichnet, dass Grenzkosten und Grenzerlös gleich sind. In der Tangentenlösung sind somit wieder die beiden Bedingungen für ein Gleichgewicht („Grenzerlös gleich Grenzkosten“ und „Preis gleich Durchschnittskosten“) erfüllt. Da alle Unternehmen die gleichen Kosten haben und sich der gleichen Preisabsatzfunktion gegenübersehen, gilt die Tangentenlösung für alle Unternehmen gleichermaßen. Durch Außenhandel verschiebt sich das Tangentengleichgewicht von S nach S’. Die Ausbringungsmenge des einzelnen Unternehmens erhöht sich und der Preis sinkt. Schaubild 7.8: Monopolistischer Wettbewerb und internationaler Handel Kasten 7.1: Der Weltautomobilmarkt Die Produktion von Automobilen ist durch Größenvorteile gekennzeichnet. Die Entwicklung eines neuen Modells benötigt ca. 2 Jahre und erfordert hohe Investitionen (Wallentowitz et al. 2009). Größere Produktionszahlen erlauben es, diese fixen Kosten der Modellentwicklung günstiger auf die einzelne produzierte Einheit zu verteilen. Daher sind weltweit nur wenige Hersteller (sog. „OEMs“) aktiv und bedienen einen entsprechend großen Markt. Tabelle 7.K.1 zeigt die Absatzzahlen, die Umsätze und die Forschungs- und Entwicklungsausgaben der zehn größten Anbieter auf dem Automobilmarkt. <?page no="111"?> 7.3 Produktdifferenzierung und intrasektoraler Handel 103 Tabelle 7.K.1: Die zehn größten Automobilhersteller der Welt, 2012 Absatzzahlen (Mio. Fahrzeuge)* Umsatz (Mrd. US-$)* F&E-Ausgaben (Mrd.US-$)** General Motors 9,3 149,4 7,4 Toyota 9,8 267,7 9,9 Ford 5,7 131,7 5,5 Volkswagen 9,1 249,3 11,5 Daimler 1,7 149,9 7,3 PSA/ Peugeot/ Citroen 2,8 71,7 2,6 Hyundai Automotive 4,4 75,1 1,5 Nissan 4,9 115,4 4,7 Honda 3,8 116,3 5,1 Renault 2,6 53,4 2,5 *Quelle: Die größten Automobilhersteller der Welt, Ernst & Young, 2013. **Quelle: Geschäftsberichte, www.onvista.de (Wechselkurse); eigene Berechnungen. Automobile sind aus einer Fülle von Einzelteilen zusammengesetzt. Auch bei der Herstellung dieser Einzelteile können Größenvorteile auftreten. Daher können die Hersteller Kosten sparen, wenn sie die einzelnen Bauteile in verschiedenen Fahrzeugmodellen einsetzen (z.B. gleiche Plattform für verschiedene Modelle), so dass sich Verbundvorteile ergeben. Verbundvorteile erklären, warum die einzelnen Hersteller jeweils verschiedene Fahrzeugtypen anbieten. 7. Die Bedeutung des intrasektoralen Handels. Das Modell der Produktdifferenzierung bei Größenvorteilen in der Produktion erklärt, warum Länder auch Güter desselben Sektors miteinander handeln. Dieser intrasektorale Handel macht einen Großteil der weltweiten Warenströme aus. Die am meisten verbreitete Maßgröße für den intrasektoralen Handel ist der Grubel-Lloyd-Index (Grubel und Lloyd, 1975) mit als Export- und als Importwert von Sektor : 1 ∑ | | ∑ . (7.9) Dieser Index setzt jeweils die gesamten Handelsströme eines Sektors ( ) in Beziehung zu den Nettoexporten bzw. -importen | | und bildet daraus ein aggregiertes Maß für die Gesamtwirtschaft. Ein Indexwert von 1 (d.h. für alle ) kennzeichnet einen maximalen intrasektoralen Handel. Das Land importiert dann in jedem Sektor im gleichen Ausmaß in dem es exportiert. <?page no="112"?> 104 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb 0 bedeutet dagegen, dass kein intrasektoraler Handel stattfindet. Der mit dem Grubel-Lloyd-Index gemessene intrasektorale Handel zwischen den Industrienationen erreicht ein beachtliches Niveau. Er liegt für Deutschland bei 0,78 und für die USA bei 0,71 (Tabelle 7.2). 5 Über die Jahrzehnte ist eine starke Zunahme des intrasektoralen Handels zu verzeichnen. In regionalen Integrationsräumen, wie innerhalb der EU, ist der intrasektorale Handel besonders ausgeprägt (Ecochard et al. 2006). Tabelle 7.2: Entwicklung des intrasektoralen Handels a 1961 1971 1981 1991 2001 2012 Deutschland 0,41 0,57 0,61 0,75 0,74 0,78 Japan 0,25 b 0,27 0,20 0,34 0,47 0,53 USA 0,47 0,53 0,50 0,66 0,66 0,71 a Grubel-Lloyd-Index, 2-Steller-Niveau; b 1962. Quelle: OECD, International Trade by Commodities Statistics; eigene Berechnungen. Produktdifferenzierung ist aber nicht die einzige mögliche Erklärung für intrasektoralen Handel. So können aufgrund hoher Transportkosten die Absatzgebiete für bestimmte Produkte räumlich eng begrenzt sein. Wenn sich diese Absatzgebiete über die nationalen Grenzen hinweg ausdehnen, dann kommt es zum Handel. Ein Beispiel sind Kiesgruben; ähnliches gilt für Raffinerien. Auch unterschiedliche Produktions- (Getreide auf der Nord- und der Südhalbkugel) oder Nutzungszeiten (Elektrizität) bei sehr hohen Lagerkosten können intrasektoralen Handel begründen. Ein weiterer Erklärungsansatz stützt sich auf Marktsegmentierung (Abschnitt 7.4). Ferner kann für die Erklärung des intrasektoralen Handels auf den Handel mit Zwischengütern verwiesen werden (vgl. Abschnitt 6.3). Kasten 7.2: Intrasektoraler Handel Deutschlands Anhand der Außenhandelsstruktur Deutschlands kann die Bedeutung des intrasektoralen Handels für die einzelnen Wirtschaftssektoren verdeutlicht werden. Sind die Anteile eines Sektors am Gesamtimport und am Gesamtexport stark unterschiedlich, so deutet dies auf einen hohen intersektoralen Handel hin; sind 5 Tabelle 7.2 gibt die Zahlen für eine Gliederungstiefe von 2 Stellen der SITC (Standard International Trade Classification) an. Mit zunehmender Disaggregierung der Sektoren wird ein geringeres Ausmaß des intrasektoralen Handels festgestellt. Demnach ist der Grubel-Lloyd Index kleiner, wenn er beispielsweise auf Grundlage einer 3-stelligen Disaggregierung berechnet wird. <?page no="113"?> 7.4 Heterogene Unternehmen 105 die Anteile ähnlich, so ist dies ein Anzeichen für einen bedeutenden intrasektoralen Handel. Tabelle 7.K.2 zeigt die Import- und Exportstruktur für verschiedene Warengruppen. In den meisten Bereichen sind die Export- und Importanteile ähnlich hoch. Im Maschinenbau und bei den Straßenfahrzeugen ist der Exportanteil hingegen deutlich größer als der Importanteil und Mineralöl hat einen deutlich höheren Anteil an den Importen als an den Exporten. In diesen Bereichen ist der intrasektorale Handel weniger stark ausgeprägt im Vergleich zu den Nettohandelsströmen. Tabelle 7.K.2: Außenhandelsstruktur Deutschlands 2011 a Warengruppe Bezeichnung Anteil an den Importen Anteil an den Exporten 0 Nahrungsmittel und lebende Tiere 5,8% 4,3% 3 Mineralöl 13,5% 2,4% 5 Chemische Erzeugnisse 12,6% 15,4% 6 Bearbeitete Waren 13,8% 13,7% 7 Maschinenbauu. elektrotechnische Erzeugnisse und Fahrzeuge 33,6% 48,1% 78 Straßenfahrzeuge b 7,9% 16,8% 8 Verschiedene Fertigwaren 11,2% 10,3% Wert insgesamt c 902.523 1.061.225 a Anteile in Prozent, untergliedert nach SITC. b einschließlich Luftkissenfahrzeuge. c in Mio. EUR. Quelle: Statistisches Bundesamt 2012, Fachserie 7, Reihe 1, Tabellen 1.15; eigene Berechnungen. 7.4 Heterogene Unternehmen 1. Ausgangslage. Die bislang betrachteten Modelle des unvollständigen Wettbewerbs sind von homogenen Unternehmen innerhalb eines Sektors ausgegangen. Die Unternehmen bieten zwar unterschiedliche Produktvarianten an, sind aber ansonsten völlig gleich; sie sind alle gleich groß, produzieren mit der gleichen Technologie, setzen im Gleichgewicht die gleichen Preise und exportieren die gleichen Mengen ins Ausland. Im Unterschied dazu sind Unternehmen in der Realität jedoch sehr heterogen. Kleinstunternehmen, die nur für den lokalen Markt produzieren, existieren neben großen, international agierenden Anbietern. Manche Unternehmen können kaum ihr Überleben auf dem Markt sichern, andere sind hingegen hochprofitabel. Dabei bestehen offenbar auch systematische <?page no="114"?> 106 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb Zusammenhänge zwischen dem Exportstatus eines Unternehmens und anderer Eigenschaften. So sind exportierende Unternehmen in der Regel deutlich größer und produktiver als Unternehmen, die ausschließlich für den heimischen Markt produzieren. Tabelle 7.3 zeigt diesen Zusammenhang auf Grundlage einer empirischen Erhebung für Deutschland. Von den über 10.000 betrachteten westdeutschen Unternehmen haben im Jahr 2006 vier von fünf Unternehmen exportiert. Diese Exporteure sind (an der Mitarbeiterzahl gemessen) mehr als dreimal so groß wie die Unternehmen, die ihre Produkte ausschließlich im Inland abgesetzt haben. Auch ihre Produktivität pro Mitarbeiter ist deutlich höher. 6 Tabelle 7.3: Unterschiede zwischen exportierenden und nicht-exportierenden Unternehmen a Bruttowertschöpfung in €/ Erwerbstätige; b Anteil der Erwerbstätigen in der Forschung & Entwicklung (in Prozent) Quelle: Wagner 2011. 2. Autarkiegleichgewicht bei heterogenen Unternehmen. Melitz (2003) integriert heterogene Unternehmen in ein Neo-Chamberlin-Modell des intrasektoralen Handels. Ausgangspunkt ist die Verbrauchsfunktion ⋅ , die mit 1⁄ als der Grenzproduktivität der Arbeit auch geschrieben werden kann als ⁄ . Zur Vereinfachung setzen wir den Lohnsatz im Folgenden gleich 1, so dass auch direkt die Kostenfunktion der Unternehmen angibt. Im Unterschied zum Grundmodell aus Abschnitt 7.3 wird nun angenommen, dass sich der Produktivitätsterm zwischen den Unternehmen unterscheidet. Produktivere Unternehmen haben ein höheres und damit geringere Grenzkosten. Diese Unternehmen verlangen niedrigere Preise als ihre weniger produktiven Konkurrenten, können eine höhere Menge absetzen und sind profitabler. Der Gewinn eines Unternehmens kann daher in Abhängigkeit von dessen Grenzproduktivität dargestellt werden als , mit 0 ⁄ . Schaubild 7.9a zeigt grafisch, wie der Gewinn von abhängt. 7 Das Schaubild zeigt, dass die Unternehmen erst ab einer kritischen Mindest-Produktivität von positive Gewin- 6 Offenbar arbeiten die exportierenden Unternehmen auch in technologieintensiveren Bereichen, worauf der höhere Anteil der Erwerbstätigen im Forschungs- und Entwicklungsbereich hinweist. 7 Für diese Darstellung wird eine CES-Nutzenfunktion (siehe Anhang 7.A.1) unterstellt, wie sie auch Melitz (2003) annimmt. Exporteure Keine Exporteure Erwerbstätige 385,2 114,2 Produktivität a 62 689 47 834 F&E-Anteil b 2,69 0,38 <?page no="115"?> 7.4 Heterogene Unternehmen 107 ne erwirtschaften. Bei geringeren Produktivitäten reichen die Deckungsbeiträge nicht aus, um die fixen Produktionskosten von zu decken. Da kein Unternehmen die Produktion aufnimmt, wenn es Verluste macht, folgt daraus, dass nur Unternehmen mit einer höheren Produktivität als auf dem Markt aktiv sind. Neben den fixen Produktionskosten werden in diesem Ansatz noch fixe Markteintrittskosten berücksichtigt. Hierbei kann es sich beispielsweise um Kosten der Produktentwicklung handeln, die anfallen, bevor das Unternehmen überhaupt ein absatzfähiges Produkt auf den Markt bringen kann. Das Unternehmen entscheidet dann zunächst darüber, ob es überhaupt die Markteintrittskosten aufwenden soll, bevor es dann, nach erfolgtem Markteintritt, über die Aufnahme der Produktion und die Aufwendung der fixen Produktionskosten befindet. Es wird nun angenommen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Produktivität des Unternehmens noch nicht bekannt ist. Der erwartete Gewinn eines Unternehmens zu diesem Zeitpunkt entspricht dann der Wahrscheinlichkeit, dass die Produktivität nach Markteintritt oberhalb des kritischen Wertes von liegen wird (da das Unternehmen ansonsten nicht produzieren wird), multipliziert mit dem Gewinn, den das Unternehmen bei Aufnahme der Produktion erwarten kann. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über wird wieder freier Markteintritt angenommen, so dass gelten muss . Diese Gleichgewichtsbedingung bestimmt, wie viele Unternehmen in den Markt eintreten und damit indirekt den Verlauf der Kurve in Schaubild 7.9. Wenn die Markteintrittskosten niedrig sind und viele Unternehmen in den Markt eintreten, dann ist der Gewinn der produzierenden Unternehmen entsprechend niedrig und die Kurve verläuft relativ flach. Schaubild 7.9: Produktivität und Unternehmensgewinne <?page no="116"?> 108 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb 3. Handel bei heterogenen Unternehmen. Wird nun Handel zugelassen, so können die Unternehmen, nachdem sie die Produktion aufgenommen haben, ihre Produkte auf dem Inlands- und auf dem Auslandsmarkt verkaufen. Wir nehmen nun an, dass die Exporte mit zusätzlichen Kosten verbunden sind, wobei sowohl variable Eisberg-Transportkosten als auch fixe Exportkosten in Form eines zusätzlich notwendigen fixen Arbeitseinsatzes anfallen. Der Aufbau eines ausländischen Vertriebsnetzes oder Marketing im Ausland können Ursachen dieser fixen Exportkosten sein. Der zusätzliche Gewinn , den ein Unternehmen mit seinen Exportaktivitäten macht, ist in Schaubild 7.9b dargestellt. Auch dieser Gewinn steigt wieder mit der Produktivität des Unternehmens. Jedoch aufgrund der Eisberg-Transportkosten flacher als , dem Gewinn auf dem heimischen Markt. Wenn die fixen Exportkosten hinreichend hoch sind, dann ergibt sich eine kritische Produktivität , die oberhalb von liegt. Nur für Unternehmen mit einer höheren Produktivität als lohnt es sich, die fixen Exportkosten aufzuwenden und zu exportieren. Unternehmen mit einer Produktivität zwischen und sind ausschließlich auf dem heimischen Markt aktiv. Aussage 7.3: Fixe Exportkosten können dazu führen, dass nur hinreichend produktive Unternehmen exportieren, während weniger produktive Unternehmen ausschließlich für den heimischen Markt produzieren. Der Gesamtgewinn eines exportierenden Unternehmens setzt sich zusammen aus und und entspricht der Kurve in Schaubild 7.9b. Die Möglichkeit, bei hinreichender Produktivität zu exportieren und damit zusätzliche Gewinne zu erzielen, wirkt sich auch auf die Markteintrittsentscheidung aus. Bei gegebenen Markteintrittskosten werden in einem offenen Land mehr Unternehmen in den Markt eintreten. Somit verläuft die Kurve in einem offenen Land flacher (Schaubild 7.9b) als die Kurve in Schaubild 7.9a. Die kritische Produktivität , ab der sich die Aufnahme der Produktion überhaupt lohnt, ist somit in einem offenen Land entsprechend höher als in Autarkie. Handel hat demnach auch eine indirekte Wirkung auf die aggregierte Produktivität eines Landes, indem er dazu führt, dass Unternehmen mit einer sehr geringen Produktivität nicht am Markt aktiv sind. Damit sinkt der durchschnittliche Absatzpreis nach Aufnahme von Handel, da nur noch produktivere Unternehmen mit geringeren Grenzkosten produzieren. Wenn die Preiselastizität, wie in Krugman (1979b), von der Konsummenge der jeweiligen Variante abhängt (mit 0 ⁄ ), dann stehen weniger produktive Unternehmen einer elastischeren Nachfrage gegenüber, da sie geringere Mengen absetzen als ihre produktiveren Wettbewerber. Diese Unternehmen setzen dann einen geringeren Preisaufschlag auf ihre Grenzkosten als ihre produktiveren Konkurrenten. Melitz und Ottaviano (2008) bauen diesen Effekt in ein Handelsmodell mit heterogenen Unternehmen ein. Auch in ihrem Ansatz kommt es nach <?page no="117"?> 7.5 Preisdumping bei segmentierten Märkten 109 Aufnahme von Handel zu einem Selektionseffekt, durch den die kritische Produktivität ansteigt. Der insgesamt preissenkende Einfluss des Handels bleibt ebenfalls erhalten. 7.5 Preisdumping bei segmentierten Märkten 1. Ausgangslage. Besteht auf einem nationalen Markt ein Monopol, das Gewinne macht, so haben ausländische Unternehmen einen Anreiz, in diesen Markt zu exportieren und zu dem heimischen Anbieter in Konkurrenz zu treten. Diese Form der Exporte kann zu bilateralem Handel mit homogenen Produkten zwischen zwei völlig gleichartigen Ländern führen - selbst dann, wenn für den Export Transportkosten anfallen. Weiterhin kann es zu einer Preisdifferenzierung kommen zwischen dem heimischen Preis und dem Preis, den die Produzenten für ihre Exporte erhalten. Diese Preisdifferenzierung wird auch als Dumping bezeichnet, wenn der Preis, den das Unternehmen für seine Exporte auf dem Auslandsmarkt erzielt, unter dem Preis liegt, den das gleiche Unternehmen auf dem heimischen Markt verlangt. Eine wichtige Voraussetzung für regionale Preisdifferenzierung ist, dass die Märkte segmentiert sind und Produkte, die ins Ausland geliefert werden, nicht durch Rückimporte wieder ihren Weg zurück ins Inland finden. 2. Modellansatz. Internationale Preisdifferenzierung lässt sich in einem Duopolmodell darstellen (Brander und Krugman 1983). Dafür gehen wir von zwei gleichen Ländern aus, in denen in einem bestimmten Wirtschaftssektor unter unvollständiger Konkurrenz produziert wird. Wir betrachten im Folgenden nur diesen Sektor (Partialmodell). Im In- und Ausland gibt es jeweils ein Unternehmen, das ein homogenes Gut anbietet. Es können keine weiteren Unternehmen in den Markt eintreten. Der Lohn ist auf 1 normiert. Für die Unternehmen fallen in Abhängigkeit von der produzierten Menge Produktionskosten an in Höhe von ⋅ . Die Nachfrage ist gegeben durch die lineare Preisabsatzfunktion ⋅ . Vor Aufnahme von Handel sind die Unternehmen jeweils Monopolisten auf ihren heimischen Märkten. Die gewinnmaximale Absatzmenge in Autarkie ergibt sich in diesem Fall wieder aus der Bedingung „Grenzerlös gleich Grenzkosten“. Die gleiche Situation ergibt sich für das ausländische Unternehmen. Beide Unternehmen erzielen somit in Autarkie einen Preis oberhalb der Grenzkosten. 3. Internationaler Handel. Nun nehmen wir an, dass Handel zwischen den Ländern möglich ist. Das inländische Unternehmen kann auf dem ausländischen Markt anbieten und das ausländische Unternehmen auf dem inländischen Markt. Wie bereits erwähnt, wird angenommen, dass der inländische und der ausländische Absatzmarkt voneinander separiert sind. Re-Importe des ausgelieferten Gutes zurück in das Ursprungsland werden somit ausgeschlossen. Dann <?page no="118"?> 110 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb kann jedes Unternehmen den jeweiligen Auslandsmarkt getrennt von seinem Inlandsmarkt beliefern. Zudem nehmen wir an, dass jedes Unternehmen für seine Exporte „Eisberg“-Transportkosten zu tragen hat, so dass die Grenzkosten für die Exporte inklusive der Transportkosten 1 ⋅ betragen mit 0. Sofern diese Transportkosten nicht zu hoch sind, hat das ausländische Unternehmen einen Anreiz, sein Produkt auch ins Inland zu liefern und somit seinen Gewinn zu erhöhen. Es kann durch einen Export auf dem Inlandsmarkt einen Preis oberhalb der Grenzkosten erzielen auf Kosten des Gewinns des inländischen Unternehmens (da durch die Konkurrenz aus dem Ausland der Preis auf dem inländischen Markt zurückgeht). Umgekehrt wird auch das Inlandsunternehmen auf dem Auslandsmarkt aktiv und exportiert eine positive Menge ins Ausland. Zur Bestimmung des neuen Gleichgewichts bei Handel wird Cournot-Mengenwettbewerb zwischen den Unternehmen angenommen. Das inländische Unternehmen entscheidet über zwei Absatzmengen - einerseits über die Menge für den heimischen Markt und auf der anderen Seite über die Exportmenge . Die Absatzmengen des ausländischen Unternehmens sind entsprechend ∗ und ∗ . Der Preis auf dem Inlandsmarkt ergibt sich dann aus ⋅ ∗ . Schaubild 7.10 illustriert die Situation auf dem Inlandsmarkt (für eine formale Darstellung siehe Anhang 7.A.2). Die Gerade R ist die inländische Reaktionsfunktion. Sie zeigt die gewinnmaximierende Angebotsmenge des inländischen Produzenten auf dem heimischen Markt in Abhängigkeit von der Exportmenge des ausländischen Unternehmens ∗ . Die Gerade ∗ ist die Reaktionsfunktion des ausländischen Unternehmens. Sie zeigt die optimale Exportmenge für die ausländische Firma in Abhängigkeit von der Angebotsmenge des inländischen Unternehmens. Beide Reaktionsfunktionen haben eine negative Steigung. Mit einer höheren Absatzmenge des Konkurrenten sinkt die eigene gewinnoptimale Absatzmenge. Der Schnittpunkt der inländischen Reaktionsfunktion mit der -Achse stellt die Angebotsmenge des inländischen Unternehmens in Autarkie dar. Das Gleichgewicht bei Handel befindet sich in Punkt S, an der Stelle, wo sich beide Reaktionsfunktionen schneiden. Das ausländische Unternehmen exportiert in diesem Gleichgewicht eine positive Menge in den inländischen Markt. In genau der gleichen Weise lässt sich das Gleichgewicht auf dem ausländischen Absatzmarkt abbilden mit positiven Exporten des inländischen Unternehmens. Es kommt zu internationalem Handel, obwohl die Güter, die vom inländischen und vom ausländischen Unternehmen angeboten werden, annahmegemäß vollkommen homogen sind und obwohl beide Länder über die gleiche Technologie, Nachfragebedingungen und Faktorausstattung verfügen. Auch dieser Handel ist intra-industrieller Handel. <?page no="119"?> 7.5 Preisdumping bei segmentierten Märkten 111 Aussage 7.4: Bei unvollständigem Wettbewerb und segmentierten Absatzmärkten kann intrasektoraler Handel auch ohne Produktdifferenzierung auftreten. Gemäß Schaubild 7.10 bietet das ausländische Unternehmen im Gleichgewicht eine geringere Menge auf dem heimischen Markt an als das inländische Unternehmen. Hierfür sind die Transportkosten verantwortlich, die dem Exporteur einen Wettbewerbsnachteil gegenüber dem heimischen Unternehmen geben. Für seine Exporte erzielt ein Unternehmen demnach einen geringeren Nettopreis (bereinigt um die Transportkosten) als für das Angebot auf dem heimischen Markt. Man kann also von einem Dumping der Anbieter auf dem jeweiligen Auslandsmarkt sprechen. 4. Unvollständig separierte Märkte. Die Annahme vollkommen separierter Märkte ist nur begrenzt realistisch. Wenn die Preisunterschiede zwischen einzelnen Märkten hinreichend groß sind, dann wird es typischerweise zu Arbitrage kommen, um diese Preisunterschiede auszunutzen. 8 Ein Beispiel hierfür sind die Re- Importe von Autos innerhalb der Europäischen Union. Bei nur unvollständig separierten Märkten kann ein Unternehmen die Exportmenge nicht völlig unabhängig von der Absatzmenge auf dem heimischen Markt betrachten. Stattdessen führt eine erhöhte Exportmenge zu einem Preisrückgang auf dem Exportmarkt, die bei nicht segmentierten Märkten auch auf den inländischen Markt zurückwirkt. Damit schwächen sich die Exportanreize gegenüber dem Fall vollständig segmentierter Märkte ab. Die Grundaussage des Modells bleibt jedoch auch in 8 Unter Arbitrage versteht man das Ausnutzen von Preisunterschieden auf verschiedenen Märkten, um einen sicheren Gewinn zu erzielen. Beispielsweise kann ein Gut auf dem Markt mit dem niedrigeren Preis günstig gekauft werden und auf dem Markt mit dem höheren Preis dann wieder verkauft werden. Die Preisdifferenz ist dann der Arbitragegewinn pro Stück. Schaubild 7.10: Gleichgewicht auf dem inländischen Markt bei Preisdifferenzierung <?page no="120"?> 112 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb einem solchen Rahmen bestehen: Wenn Unternehmen über Marktmacht verfügen, dann haben sie einen Anreiz, ihren Absatzmarkt auszudehnen und somit ihre Marktmacht auch im Ausland auszunutzen. 7.6 Internationale Oligopole und strategische Handelspolitik 1. Ausgangslage. Bei einem internationalen Oligopol existieren nur wenige Anbieter, die sich einen gemeinsamen Weltmarkt teilen. Ein Beispiel hierfür ist der Weltmarkt für Großflugzeuge mit lediglich zwei Anbietern: Airbus und Boeing (Tabelle 7.4). Tabelle 7.4: Position von Boeing und Airbus auf dem Markt für Großflugzeuge Verkäufe 2012 Neuaufträge 2012 Airbus 588 914 Boeing 601 1339 Quelle: Unternehmensangaben. Im Gegensatz zum Fall separierter Märkte aus dem vorangehenden Abschnitt sind im internationalen Oligopol die nationalen Märkte nicht getrennt voneinander; es gibt also nur einen gemeinsamen Weltmarkt für das entsprechende Produkt. Die wenigen Anbieter stehen miteinander im Wettbewerb um Absatzchancen auf diesem Weltmarkt. Die Wettbewerbssituation der einzelnen Unternehmen wird von vielen Faktoren beeinflusst, dabei kann auch Wirtschaftspolitik eine wichtige Rolle spielen. Beispielsweise könnte ein Land die Produktion oder die Exporte seiner heimischen Unternehmen subventionieren, um ihnen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den ausländischen Konkurrenten zu verschaffen. Im Beispiel Boeing und Airbus werfen sich die EU und die USA gegenseitig solche wettbewerbsverzerrenden staatlichen Hilfen vor und haben auch die Welthandelsorganisation (WTO) in diesen Streit eingeschaltet. Es stellen sich die Fragen, welche Auswirkungen eine solche strategische Handelspolitik auf das Marktgleichgewicht hat und ob das subventionierende Land überhaupt davon profitieren kann. Ein Ansatz, mit dem diese Fragen analysiert werden können, ist das Modell von Brander und Spencer (1985). 2. Duopolmodell. Im Brander-Spencer-Duopolmodell beliefern je ein Anbieter aus dem Inland und dem Ausland einen dritten Markt (den Weltmarkt). Die Anbieter produzieren nicht für den heimischen Markt. Die Nachfragefunktion nehmen wir wieder als linear an, mit , ∗ ⋅ und ∗ . Dabei bezeichnen und ∗ die Angebotsmengen des inländischen und des ausländischen Unternehmens auf dem Weltmarkt. Beide Unternehmen haben die gleiche Kostenfunktion ⋅ (wieder ist der Lohnsatz in In- und Ausland auf 1 <?page no="121"?> 7.6 Internationale Oligopole und strategische Handelspolitik 113 normiert). Transportkosten werden zur Vereinfachung vernachlässigt. Die inländische Regierung kann dem inländischen Unternehmen nun eine Subvention s für jede produzierte und exportierte Mengeneinheit zahlen. Wie im Modell des vorigen Abschnitts gehen wir von Cournot-Mengenwettbewerb aus. Der inländische Anbieter betrachtet die Produktionsmenge des Rivalen und die Subvention pro Mengeneinheit als gegeben und wählt seine Produktionsmenge , um seinen Gewinn , ∗ ⋅ ⋅ zu maximieren. In der gleichen Weise wählt das ausländische Unternehmen ∗ , um den größtmöglichen Gewinn ∗ , ∗ ⋅ ∗ ∗ bei gegebenem zu erzielen. Daraus ergeben sich Reaktionsfunktionen für das in- und ausländische Unternehmen, die in Schaubild 7.11 abgebildet sind. Ohne Subvention ( 0) ergibt sich ein vollkommen symmetrisches Bild: Die inländische und die ausländische Reaktionsfunktion und ∗ schneiden sich bei der gleichen Produktionsmenge für das In- und Ausland im Punkt C. Dort gilt ∗ . Der Gewinn der Unternehmen kann grafisch durch Isogewinnlinien dargestellt werden. Diese geben die Kombination von und ∗ an, die den Unternehmen jeweils den gleichen Gewinn liefern. Die Isogewinnlinien des inländischen Unternehmens sind von der -Achse her betrachtet konkav. Das Niveau des Gewinns ist umso höher, je weiter unten die Isogewinnlinie liegt (je geringer die Angebotsmenge ∗ des Auslands ist). Die Isogewinnlinien schneiden die inländische Reaktionsfunktion jeweils in ihrem Maximum. In Schaubild 7.11 ist beispielhaft die Isogewinnlinie eingezeichnet, die durch den Gleichgewichtspunkt C führt. Sie zeigt den Gewinn an, den das inländische Unternehmen im Cournot-Nash-Gleichgewicht erzielt. Wir sehen, dass es einen Bereich der ausländischen Reaktionsfunktion gibt, die dem inländischen Unternehmen einen höheren Gewinn liefern würde als der Gleichgewichtspunkt C. Das ist der Abschnitt, der unterhalb der eingezeichneten Schaubild 7.11: Das internationale Duopolmodell <?page no="122"?> 114 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb Isogewinnlinie liegt. In diesem Bereich produziert das inländische Unternehmen mehr und das ausländische Unternehmen entsprechend weniger als in C. Durch die Subventionierung der inländischen Produktion kann dieser Abschnitt erreicht werden. Erhält das inländische Unternehmen eine positive Subvention von 0 pro Mengeneinheit, so verschiebt sich die Reaktionskurve des inländischen Anbieters nach außen nach R’. Bei gegebener Angebotsmenge des ausländischen Anbieters ∗ bietet der inländische Produzent jetzt eine höhere Menge an. Die Gleichgewichtslösung verschiebt sich nach C’. Das inländische Unternehmen produziert nun mehr, während das ausländische Unternehmen im Vergleich zur Ausgangssituation seine Produktionsmenge zurückfährt. Da das neue Gleichgewicht C’ unterhalb der Isogewinnlinie im Ausgangspunkt liegt, erzielt der inländische Anbieter ein höheres Gewinnniveau. 3. Strategische Handelspolitik. Durch die Subvention erhält das inländische Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil auf dem Duopolmarkt. Damit kann im Modell ein Teil der Gewinne, die das ausländische Unternehmen auf dem Weltmarkt erzielt, ins Inland umgelenkt werden. Man spricht in diesem Fall von „Rent Diversion“. Die optimale Subvention aus Sicht des Inlands ist im oben dargestellten Duopolmodell positiv (siehe Anhang 7.A.3 für eine formale Darstellung). Aussage 7.5: Bei unvollständigem Wettbewerb besteht ein Anreiz für die Regierungen, durch strategische Handelspolitik den heimischen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Neben der Rent Diversion spielt bei der strategischen Handelspolitik auch die „Rent Creation“ eine Rolle. So können Länder versuchen, auf neu entstehenden Zukunftsmärkten den heimischen Unternehmen eine (temporäre) Monopolposition mit entsprechenden Gewinnen zu schaffen. 4. Preisduopol. Beim Mengenduopol konkurrieren inländisches und ausländisches Unternehmen mit den Mengen; der Preis wird auf dem Markt bestimmt. Beide Unternehmen können jedoch auch mit den Preisen konkurrieren; dann bestimmen sich die Absatzmengen auf dem Markt; es handelt sich um ein Preisduopol. Die Unternehmen setzen ihre Preise fest und liefern die Mengen dann gemäß der Nachfrage. Für die Nachfrage können wir beispielsweise von der Spezifikation , ∗ ⋅ ⋅ ∗ 2 ⁄ ausgehen. 9 Die Nachfrage lässt sich in diesem Fall als eine stetige Funktion der Preise des in- und ausländischen Unternehmens darstellen. Mit dieser Nachfrage ergeben sich Reaktionsfunktionen der Unternehmen, die eine positive Steigung haben (Anhang 7.A.3). Die Preise des in- und 9 Diese Spezifikation geht implizit davon aus, dass inländische und ausländische Güter heterogen sind. Bei homogenen Gütern würden die Unternehmen im Bertrand- Preiswettbewerb stehen, da die Konsumenten immer beim günstigeren Anbieter kaufen würden. In diesem Fall würden keine Gewinne anfallen, die durch strategische Subventionspolitik ins Inland geleitet werden könnten. <?page no="123"?> Weiterführende Fragen 115 ausländischen Unternehmens sind strategische Komplemente; der ausländische Anbieter reagiert auf eine inländische Preissenkung, indem er ebenfalls den Preis verringert. Der Gleichgewichtspreis ergibt sich aus dem Schnittpunkt der beiden Reaktionsfunktionen (Schaubild 7.12). Eine Produktionssubvention verschiebt die inländische Reaktionsfunktion nach innen. Beide Unternehmen verlangen geringere Preise; jedoch ist der Preisrückgang beim inländischen Unternehmen stärker. Auch für den Preiswettbewerb lässt sich eine optimale strategische Subventionspolitik bestimmen (Anhang 7.A.3). Im Unterschied zum Mengenwettbewerb ist die Subvention jedoch negativ, d.h., der Staat sollte die Produktion des inländischen Unternehmens besteuern. Es zeigt sich also, dass die wirtschaftspolitischen Empfehlungen, die sich aus Modellen der strategischen Handelspolitik ableiten lassen, sehr sensibel auf Änderungen der zugrunde gelegten Annahmen reagieren. Das schränkt die konkrete Anwendbarkeit der strategischen Handelspolitik stark ein. Weiterführende Fragen 1. Erörtern Sie, wie steigende Skalenerträge zu einer geografischen Agglomeration von Unternehmen und mobilen Haushalten führen können (Krugman 1991b und Fujita et al. 1999). 2. Vergleichen Sie die wirtschaftspolitischen Implikationen des Modells des intrasektoralen Handels mit denen des Heckscher-Ohlin-Modells. Welche Chancen haben die Entwicklungsländer in der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung in beiden Ansätzen? 3. Diskutieren Sie, wie sich Wohlfahrtseffekte aus Handel bei Produktdifferenzierung empirisch quantifizieren lassen (Arkolakis et al. 2012 und Ossa 2012). Schaubild 7.12: Das internationale Preisduopol <?page no="124"?> 116 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb Weiterführende Literatur Brander, J. A. (1995). Strategic Trade Policy. In G.M. Grossman und K. Rogoff (Hrsg.): Handbook of International Economics, Bd. 3. Elsevier. Helpman, E. (1984b). Increasing Returns, Imperfect Markets, and Trade Theory. In R. W. Jones und P. B. Kenen (Hrsg.): Handbook of International Economics, Bd. 1. Elsevier. Krugman, P. R. (1995a). Increasing Returns, Imperfect Competition, and the Positive Theory of International Trade. In G. M. Grossman und K. Rogoff (Hrsg.): Handbook of International Economics, Bd. 3. Elsevier. Melitz, M. J. und S. J. Redding (2012). Heterogeneous Firms and Trade. NBER Working Paper 18652. Cambridge, Mass. Anhang 7.A.1: Nachfrage und Gewinnmaximum im Neo-Chamberlin-Modell 1. Nachfrage. Die Nachfrage eines Haushalts ergibt sich aus der Maximierung der Nutzenfunktion , , … unter der Nebenbedingung, dass die aggregierten Konsumausgaben dem Einkommen entsprechen: ∑ ⋅ . Die Lagrange-Funktion lautet ⋅ ⋅ ∑ ⋅ und wird über und maximiert. Aus der Bedingung erster Ordnung für ergibt sich ⋅ ⋅ . (7.A.1) Gleichung (7.A.1) spezifiziert den Zusammenhang zwischen der nachgefragten Menge nach Variante und dem Preis . Wenn beispielsweise für die Nutzenfunktion angenommen wird ⋅ ⋅ 2 ⁄ , so gilt ⋅ ⁄ ⋅ , so dass sich aus (7.A.1) die lineare Nachfrage ⋅ bzw. ⋅ (7.A.2) ergibt. Für 1 entspricht (7.A.2) der Spezifikation, die in Abschnitt 7.2 angenommen wurde. Bei der Marktform der monopolistischen Konkurrenz wird davon ausgegangen, dass jedes Unternehmen „klein“ ist und nur einen vernachlässigbar geringen Einfluss auf seine Konkurrenten bzw. den Gesamtmarkt hat. Daraus folgt, dass die Lagrange-Variable von Unternehmen als konstant angenommen wird. Dann ergibt sich aus Gleichung (7.A.2) für die Preiselastizität der Nachfrage ⋅ ⋅ . (7.A.3) Die Elastizität (7.A.3) nimmt mit zunehmendem ab: 0. <?page no="125"?> Anhang 7.A.1: Nachfrage und Gewinnmaximum im Neo-Chamberlin-Modell 117 Eine sehr häufig verwendete Spezifikation des Neo-Chamberlin-Modells geht von einer CES-Nutzenfunktion aus. Diese hat die Form ∑ , mit 1 (siehe Krugman 1980). Mit dieser Nutzenfunktion folgt aus (7.A.1) für die Nachfrage ⋅ . (7.A.4) In diesem Fall ergibt sich für die Nachfrageelastizität 1 1 . (7.A.5) Mit einer CES-Nutzenfunktion ist die Elastizität der Nachfrage somit unabhängig von . Die Kurve in Schaubild 7.6 ist dann eine Horizontale. 2. Gewinnmaximum. Mit als Preis-Absatz-Funktion für Variante j ist der Gewinn des Anbieters dieser Variante definiert als ⋅ . Gewinnmaximierung ergibt die Bedingung (7.3), der zufolge der Grenzerlös den Grenzkosten entsprechen muss: 0 für . (7.3) Die Grenzkosten betragen und sind konstant. Der Grenzerlös des Unternehmens ist ⋅ ⁄ . Dieser Ausdruck lässt sich auch schreiben als ⋅ 1 ⁄ ⁄ . (7.A.6) Aus ⋅ folgt ⁄ ⁄ ⁄ ⁄ 1 . (7.A.7) Damit lässt sich der Grenzerlös wie folgt darstellen: ⋅ 1 . (7.A.8) Der Grenzerlös für eine Produktvariante wird demnach durch die Preiselastizität der Nachfrage beeinflusst. 10 Aus der Bedingung folgt dann Gleichung (7.6). 10 Eine notwendige Bedingung für einen positiven Grenzerlös ist gemäß Gleichung (7.6) 1. Die Nachfrage muss demnach elastisch auf eine Preiserhöhung reagieren. Wir nehmen an, dass diese Bedingung erfüllt ist. <?page no="126"?> 118 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb Anhang 7.A.2: Segmentierte Märkte und Preisdifferenzierung In diesem Anhang wird das Gleichgewicht im Modell der Preisdifferenzierung bei segmentierten Märkten aus Abschnitt 7.4 formal abgeleitet. Der inländische Produzent macht mit seinem Angebot auf dem heimischen Markt einen Gewinn von . Der zusätzliche Gewinn aus den Exporten ist . Dabei gilt ⋅ ⋅ und ∗ ⋅ ⋅ 1 ⋅ . Für das ausländische Unternehmen gelten analog die Gewinne ∗ und ∗ . Das inländische Unternehmen wählt so, dass der Gewinn maximiert wird bei gegebenen ausländischen Exporten ∗ . Einsetzen für die Nachfragefunktion ergibt ⋅ ⋅ ∗ ⋅ ⋅ . Damit folgt als Bedingung erster Ordnung für das gewinnmaximierende der Ausdruck ⁄ 2 ⋅ ⋅ ⋅ ∗ 0. Auflösen nach ergibt dann die inländische Reaktionsfunktion 2 ⋅ ∗ 2 . (7.A.9) Die ausländische Reaktionsfunktion ergibt sich, indem ∗ nach ∗ abgeleitet und gleich null gesetzt wird, mit ∗ ⋅ ⋅ ∗ ⋅ ∗ ⋅ 1 ⋅ ∗ . Daraus folgt ∗ ⋅ 1 2 ⋅ 2 . (7.A.10) Diese beiden Reaktionsfunktionen werden in Schaubild 7.10 dargestellt. Aus (7.A.9) und (7.A.10) folgt, dass beide Reaktionsfunktionen eine negative Steigung haben. Aufgrund der Transportkosten 0 hat die ausländische Reaktionsfunktion einen niedrigeren Achsenabschnitt als die inländische. Einsetzen von (7.A.10) in (7.A.9) ergibt die gleichgewichtigen Angebotsmengen auf dem Inlandsmarkt: ⋅ 1 3 ⋅ und ∗ ⋅ 1 2 ⋅ 3 ⋅ . (7.A.11) Aufgrund der Annahme gleicher Nachfrage- und Kostenfunktionen für beide Länder sind die Gleichgewichtsmengen für den Auslandsmarkt gleich hoch wie für den Inlandsmarkt, d.h. ∗ und ∗ . Für hinreichend niedrige Transportkosten sind die gleichgewichtigen Exportmengen und ∗ positiv. Es kommt zu Handel zwischen zwei völlig gleichen Ländern. Für die Preise im Gleichgewicht gilt ∗ ⋅ 2 3 und ∗ ⋅ 2 3 ⋅ 1 . (7.A.12) <?page no="127"?> Anhang 7.A.3: Internationales Oligopol 119 Dabei bezeichnen ∗ 1 ⁄ bzw. ∗ 1 ⁄ die Netto-Exportpreise ohne Transportkosten. Wir sehen, dass aufgrund der Transportkosten die Exportpreise unterhalb der Preise liegen, die auf dem heimischen Markt verlangt werden. Anhang 7.A.3: Internationales Oligopol Bei der angenommen linearen Preis-Absatz-Funktion ⋅ ∗ und der Kostenfunktion ⋅ ist der Gewinn des inländischen Unternehmens definiert als ⋅ ⋅ ∗ ⋅ ⋅ ⋅ . Die notwendige Bedingung für ein Gewinnmaximum des inländischen Anbieters lautet ⁄ 2 ⋅ ⋅ ⋅ ∗ 0. Daraus ergibt sich die Reaktionsfunktion 2 ⋅ ∗ 2 . (7.A.13) Man sieht, dass die Subvention die Reaktionsfunktion des inländischen Unternehmens nach außen verschiebt. Die Reaktionsfunktion des ausländischen Anbieters ist ∗ 2 ⋅ 2. (7.A.14) Einsetzen von (7.A.14) in (7.A.13) ergibt die folgenden gleichgewichtigen Mengen: 2 ⋅ 3 ⋅ und ∗ 3 ⋅ . (7.A.15) Mit der Subvention kann die inländische Regierung die Produktionsmenge des heimischen Unternehmens erhöhen, während die Menge, die das ausländische Unternehmen anbietet, zurückgeht. Einsetzen von (7.A.15) in die Gewinndefinition beider Unternehmen ergibt für den Gewinn 2 ⋅ 9 ⋅ und ∗ 9 ⋅ . (7.A.16) Durch die Subvention steigt der Gewinn des heimischen Unternehmens auf Kosten des ausländischen Unternehmens, dessen Gewinn sich verringert. Aus (7.A.16) kann auch die optimale Subventionshöhe aus Sicht des Inlands abgeleitet werden. Dafür wird die Wohlfahrt des Inlands ( ) definiert als Differenz zwischen Gewinn des inländischen Unternehmens und den Subventionsaufwendungen, d.h. . Einsetzen für aus (7.A.15) und aus (7.A.16) und Ableiten ergibt die Bedingung erster Ordnung: 4 ⋅ 2 ⋅ 9 ⋅ 4 ⋅ 3 ⋅ 0. <?page no="128"?> 120 7. Größenvorteile und unvollständiger Wettbewerb Für die optimale Subvention folgt dann 4 . (7.A.17) Diese Subvention maximiert die Wohlfahrt des Inlands. Die Welt insgesamt verliert jedoch durch die strategische Subventionspolitik des Inlands. Das ergibt sich, wenn aus (7.A.17) in ∗ ∗ ⋅ eingesetzt wird. Dann gilt ∗ 3 ⋅ 16 ⋅ 2 ⋅ . Ohne Subvention wäre die aggregierte Wohlfahrt höher, nämlich ∗ 2 ⋅ 9 ⋅ 2 ⋅ . Im Modell des Preiswettbewerbs gehen wir aus von der Nachfrage ⋅ ⋅ ∗ 2 ⁄ bzw. ∗ ⋅ ∗ ⋅ 2 ⁄ . Für die Kosten nehmen wir wieder an ⋅ . Damit gilt für die Definition des inländischen Gewinns ⋅ ⋅ ∗ 2 ⁄ ⋅ . (7.A.18) Die Bedingung erster Ordnung für den inländischen Anbieter lautet dann 2 ⋅ ⋅ ⋅ ∗ 2 ⁄ ⋅ ⋅ 0. Daraus ergibt sich die Reaktionsfunktion ⋅ ⋅ 2 ⋅ ∗ 4 . (7.A.19) Die Reaktionsfunktion hat nun eine positive Steigung und eine Subvention verschiebt die Reaktionsfunktion nach links. Für die Reaktionsfunktion des ausländischen Anbieters gilt ∗ ⋅ 2 ⋅ 4. (7.A.20) Einsetzen ergibt dann für die gleichgewichtigen Preise 10 ⋅ ⋅ 8 ⋅ ⋅ 15 ⋅ und ∗ 10 ⋅ ⋅ 2 ⋅ ⋅ 15 ⋅ . (7.A.21) Eine Produktionssubvention senkt den Preis des heimischen Unternehmens stärker als den des ausländischen Unternehmens. Für die Produktionsmengen und die Gewinne ergibt sich 10 ⋅ 5 ⋅ ⋅ 7 ⋅ ⋅ 15 , ∗ 10 ⋅ 5 ⋅ ⋅ 2 ⋅ ⋅ 15 , 10 ⋅ 5 ⋅ ⋅ 7 ⋅ ⋅ 225 ⋅ und ∗ 10 ⋅ 5 ⋅ ⋅ 2 ⋅ ⋅ 225 ⋅ . <?page no="129"?> Anhang 7.A.3: Internationales Oligopol 121 Der Gewinn beider Unternehmen kann nur dann positiv sein, wenn gilt 2 . Im Folgenden gehen wir davon aus, dass diese Ungleichung erfüllt ist. Der Subventionssatz, der die inländische Wohlfahrt maximiert, ist nun 5 ⋅ 2 ⋅ ⋅ 112 . (7.A.22) Dieser wohlfahrtsmaximierende Subventionssatz ist negativ; das heimische Unternehmen müsste also besteuert werden, um das Optimum zu erreichen. <?page no="131"?> 8. Empirische Ansätze zum Außenhandel „The ‚testing of hypotheses‘ is frequently merely a euphemism for obtaining plausible numbers to provide ceremonial adequacy for a theory chosen and defended on a priori grounds.“ Harry G. Johnson * Hypothesen zur Erklärung eines so wichtigen Phänomens wie des internationalen Güteraustauschs bedürfen der empirischen Überprüfung. Dabei kann es zunächst um die Frage gehen, an welchen Indikatoren man die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Sektoren im Außenhandel erkennen kann (Abschnitt 8.1). Empirische Tests zum Heckscher- Ohlin-Ansatz weisen darauf hin, dass dieses einfache Handelsmodell nur sehr eingeschränkt in der Lage ist, die tatsächlichen internationalen Handelsströme zu erklären (Abschnitt 8.2). In Gravitationsansätzen erweisen sich die Ländergröße und die geografische Entfernung zwischen Ländern als wichtige Einflussfaktoren von Handelsaktivitäten (Abschnitt 8.3). 8.1 Wettbewerbsfähigkeit von Sektoren 1. Preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Bei der Frage nach der internationalen Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Sektoren eines Landes kann man zunächst auf die inländischen Preise im Vergleich zum Ausland abstellen. Bei diesem Ansatz lassen sich die unterschiedlichen Sektoren (Index ) nach einem Ausdruck ∗ ⋅ ⁄ in eine Rangordnung des preislichen Wettbewerbsvorteils einordnen. Die Bedingung für Exporte besagt, dass der Zählerwert kleiner als der Nennerwert ∗ ⋅ und die Relation ∗ ⋅ ⁄ kleiner als 1 ist. Ein Wert unterhalb von 1 weist demnach auf internationale Wettbewerbsfähigkeit hin und zeigt potenzielle Exportgüter an; ein Wert größer als 1 bezeichnet Wettbewerbsnachteile und kennzeichnet somit potenzielle Importgüter. Der Sektor mit dem niedrigsten Wert ist dann der Sektor mit der größten preislichen Wettbewerbsfähigkeit. In Schaubild 8.1 ist auf der vertikalen Achse das Maß der Wettbewerbsfähigkeit abgetragen; auf der horizontalen Achse sind die potenziellen Exportwerte ⋅ (im negativen Bereich) und die Importwerte ⋅ (im positiven Bereich) abgetragen. Sektor 1 ist der Sektor mit der größten Wettbewerbsfähigkeit; Sektor 8 ist am wenigsten wettbewerbsfähig. Die eingezeichnete gestrichelte Linie * International Trade and Economic Growth, 1970, 5. Auflage, London. <?page no="132"?> 124 8. Empirische Ansätze zum Außenhandel trennt die potenziellen Exportvon den Importsektoren. Die Sektoren 1-5 exportieren, die Sektoren 6-8 importieren. Diese Rangskala relativer Preisvorteile ist vor allem in der Hinsicht ein interessantes Konzept, weil sichtbar wird, wie Veränderungen der Güterpreise im In- und Ausland die Trennungslinie zwischen Export- und Importgütern verschieben können. Der Kehrwert der preislichen Wettbewerbsfähigkeit (bezogen auf gesamtwirtschaftliche Preisniveaus) wird auch als realer Wechselkurs ⋅ ∗ ⁄ bezeichnet (siehe Abschnitt 14.2). Eine reale Aufwertung ( sinkt) bringt für die inländischen Produzenten eine fallende Wettbewerbsfähigkeit mit sich; eine reale Abwertung könnte hingegen vorher wettbewerbsunfähige Sektoren wettbewerbsfähig machen. Sind die nominalen Güterpreise im Inland und Ausland gegeben, so variiert der reale Wechselkurs mit dem nominalen Wechselkurs. Dann könnten mit einer nominalen Abwertung bisherige Exportsektoren zu Importsektoren werden. Umgekehrt zieht eine nominale Abwertung (bei der steigt) bei konstanten Preisen auch eine reale Abwertung nach sich. Die Sektoren 6, 7 oder 8 würden dann als erstes wettbewerbsfähig werden. p / wp * 1 1 -p E 1 1 p E 1 1 1 2 3 4 5 6 7 8 1 Schaubild 8.1: Anordnung der Sektoren nach der Wettbewerbsfähigkeit 2. Interpretation der Preisvorteile. Ein fundamentales Problem bei der Interpretation der preislichen Wettbewerbsfähigkeit ergibt sich daraus, dass die Preise und Wechselkurse nicht exogen sind, sondern durch den internationalen Handel selbst beeinflusst werden. Im theoretischen Handelsgleichgewicht ohne Transportkosten gilt ⋅ ∗ für alle Güter. Dann dürften zumindest langfristig (nach Anpassung an das Handelsgleichgewicht) keine Wettbewerbsvorteile bestehen. Wenn nun empirisch doch internationale Preisunterschiede gemessen werden, die über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben, dann sind sie das Ergebnis bestehender Handelshemmnisse, die zu einer Separierung der Märkte führen. In diesem Fall passt die Vorstellung eines integrierten Weltmarktes, auf der das Konzept der preislichen Wettbewerbsfähigkeit beruht, nicht zu den tatsächlichen <?page no="133"?> 8.1 Wettbewerbsfähigkeit von Sektoren 125 Marktgegebenheiten. Das Konzept der preislichen Wettbewerbsfähigkeit macht demnach nur dann Sinn, wenn es auf eine Situation abstellt, in der bestehende Handelsbarrieren abgebaut wurden und sich die Preise noch nicht an diese neue Situation angepasst haben, d.h. bevor die Güterarbitrage eingesetzt hat. Das Gleiche gilt für Veränderungen der Preisvorteile, die ebenfalls schwer zu deuten sind. In einem integrierten Markt sorgt Güterarbitrage dafür, dass bestehende Preisunterschiede wieder abgebaut werden, und mit der Anpassung an das Freihandelsgleichgewicht geht automatisch eine Veränderung der Preisvorteile einher. Nach Aufnahme von Handel kann beispielsweise der Preis des Exportgutes im Inland ansteigen, bis der Preisunterschied zum Ausland abgebaut ist. Daraus lässt sich jedoch nicht auf eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Exportindustrie schließen. Empirische Schätzungen der sektoralen Wettbewerbsfähigkeit stellen daher auch oft nicht auf die Preise ab, sondern auf andere Variablen wie die Produktionsstruktur oder die gehandelten Güter. Kasten 8.1: Sektorale Anpassungen in Deutschland Die internationale Arbeitsteilung bringt eine Veränderung der sektoralen Struktur einer Volkswirtschaft mit sich. Besonders deutlich wird dies bei einer längerfristigen Betrachtung. In Tabelle 8.K.1 ist die sektorale Verschiebung in Deutschland seit 1991 dargestellt. Demnach waren in der Landwirtschaft im Jahr 2011 nur noch 1,6 Prozent der Erwerbstätigen beschäftigt (gegenüber 3,0 Prozent in 1991). Der Anteil der Erwerbstätigen im Produzierenden Gewerbe ist um 11,4 Prozentpunkte auf 24,7 Prozent zurückgegangen. Im Gegensatz dazu hat der Bereich der Dienstleistungen deutlich zugenommen, mit inzwischen fast drei Viertel aller Erwerbstätigen. Tabelle 8.K.1: Entwicklung der Sektorstruktur in Deutschland a 1991 2001 2011 EWT BWS EWT BWS EWT BWS Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 3,0 1,2 1,8 1,2 1,6 0,9 Produzierendes Gewerbe 36,1 36,3 28,2 29,8 24,7 30,8 Bergbau 0,8 0,8 0,3 0,2 0,2 0,3 Verarbeitendes Gewerbe 26,1 26,6 19,7 22,1 17,4 22,6 Energie- und Wasserversorgung 1,6 2,9 1,3 2,6 1,2 3,3 Baugewerbe 7,6 6,1 7,0 4,9 5,9 4,6 <?page no="134"?> 126 8. Empirische Ansätze zum Außenhandel 1991 2001 2011 EWT BWS EWT BWS EWT BWS Dienstleistungsbereiche 60,9 62,5 70,0 69,0 73,7 68,3 Handel, Gastgewerbe und Verkehr 22,4 16,3 23,3 16,4 23,1 16,0 Öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit 19,9 15,9 22,1 17,3 23,2 17,8 Andere Dienstleister 18,6 30,3 24,6 35,3 27,4 34,5 a EWT : Anteil der Erwerbstätigen (in Prozent); BWS: Anteil der Bruttowertschöpfung (in Prozent). Quelle: Sachverständigenrat, 2012, Zeitreihen für Deutschland. 3. Offenbarter komparativer Vorteil. Das Konzept des offenbarten komparativen Vorteils („Revealed Comparative Advantage“ bzw. RCA) setzt nicht bei den Preisen, sondern bei den Handelsströmen an (Balassa 1965). Es vergleicht die Exportwerte mit den Importwerten eines bestimmten Sektors (normiert mit den Gesamtexporten bzw. -importen des Landes). Eine gebräuchliche Definition des RCA-Index lautet 100 ⋅ ln ⁄ ⁄ . (8.1) Dabei bezeichnen bzw. den Exportbzw. Importwert von Sektor und bzw. die Gesamtexporte bzw. -importe des Landes. Ein positiver Wert bedeutet bei einer insgesamt ausgeglichenen Handelsbilanz, dass das Land von Gütern des Sektors mehr exportiert als es importiert. Damit offenbart das Land einen komparativen Vorteil für diesen Sektor. Bei einem negativen Wert sind die Importe größer als die Exporte und das Land hat einen komparativen Nachteil. Die Normierung durch das Verhältnis der Gesamtexporte zu den Gesamtimporten im Nenner von (8.1) korrigiert für den Fall eines positiven oder negativen Handelsbilanzsaldos. Ist die Handelsbilanz ausgeglichen, so gilt ⁄ 1. Bei einem Handelsbilanzüberschuss, d.h., wenn die aggregierten Exporte höher sind als die Importe, muss die Relation zwischen Exporten und Importen bei Sektor i größer sein als in der Gesamtwirtschaft, damit man von einem komparativen Vorteil dieses Sektors sprechen kann. Tabelle 8.1 zeigt exemplarisch die RCA-Werte für verschiedene Gütergruppen des deutschen Außenhandels. Wir sehen, dass Deutschland stark negative RCA- Werte bei der Gütergruppe 05 (Gemüse und Früchte) und der Gütergruppe 84 (Bekleidung und Bekleidungszubehör) hat. Hier sind die Exporte bedeutend <?page no="135"?> 8.1 Wettbewerbsfähigkeit von Sektoren 127 geringer als die Importe. Umgekehrt sind die RCA-Werte bei einzelnen Gütergruppen aus dem Maschinenbau (Gütergruppen 72 und 74) und dem Straßenfahrzeugbau (Gütergruppe 78) deutlich positiv. RCA-Werte sind ein pragmatischer Ansatz, um sektorale komparative Vorteile abschätzen zu können. Im Fall mehrerer Güter fehlt den RCA-Werten jedoch eine konsistente theoretische Basis, vor deren Hintergrund die Werte interpretiert werden können. Einen Schritt in diese Richtung unternehmen Costinot et al. (2012), die von einer stochastischen Version des Ricardo-Modells mit mehr als zwei Gütern und differenzierten Produkten ausgehen. In ihrem Ansatz kann aus einer Rangfolge der bilateralen Exporte auf eine Rangfolge der relativen Produktivitäten geschlossen werden, ähnlich zu der in Gleichung (4.4) aus Abschnitt 4.2. Tabelle 8.1: Offenbarter komparativer Vorteil (RCA) Deutschlands in ausgewählten Gütergruppen, 2011 Gütergruppe a Bezeichnung RCA-Wert 05 Gemüse und Früchte −139,12 54 Medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse 15,46 59 Andere chemische Erzeugnisse und Waren 30,83 72 Arbeitsmaschinen für besondere Zwecke 92,35 74 Maschinen, Apparate usw. für versch. Zwecke 64,8 75 Büromaschinen, automatische Datenverarbeitungsmaschinen −49,61 77 Andere elektr. Maschinen, Apparate und Geräte 3,76 78 Straßenfahrzeuge (einschl. Luftkissenfahrzeuge) 75,43 84 Bekleidung und Bekleidungszubehör −86,28 88 Fotografische Apparate usw.; Uhrmacherwaren 7,58 a nach SITC-Klassifikation (2-Steller). Quelle: Statistisches Bundesamt, Außenhandel, Tabelle 1.15; eigene Berechnungen. Kasten 8.2: Komparative Vorteile nach Technologieintensität Wenn Gütergruppen des Außenhandels nach bestimmten Kriterien aggregiert werden, dann können die RCA-Werte einige zusätzliche Informationen über die Struktur des Außenhandels liefern. Beispielsweise lässt sich eine Klassifikation der Güter nach ihrer Technologieintensität in Hoch-, Mittel- und Niedrigtechnologie vornehmen. Ein Beispiel für Hochtechnologiegüter sind medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse, während z.B. Straßenfahrzeuge der Mitteltechnologie und Bekleidung der Niedrigtechnologie zugerechnet werden. Die entspre- <?page no="136"?> 128 8. Empirische Ansätze zum Außenhandel chenden RCA-Werte zeigen, dass Deutschland seine komparativen Vorteile offenbar bei Gütern der mittleren Technologieintensität besitzt, während die USA nach diesem Indikator klar auf High-Tech spezialisiert sind (Tabelle 8.K.2). Japan hat, wie Deutschland und die USA, einen komparativen Nachteil bei Gütern aus dem Bereich der Niedrigtechnologie, während die RCA-Werte sowohl bei der Hochals auch der Mitteltechnologie positiv sind. Tabelle 8.K.2 Offenbarter komparativer Vorteil nach Technologieintensität, 2004 Deutschland USA Japan Hochtechnologie −3,91 63,61 19,06 Mitteltechnologie 44,22 −10,43 98,74 Niedrigtechnologie −18,86 −19,84 −54,84 Quelle: OECD-ITCS 2005; Sachverständigenrat 1998, Tab. G1 (für Klassifikation der Warengruppen gemäß ihrer Technologieintensität); eigene Berechnungen. 8.2 Empirische Tests zum Heckscher-Ohlin-Modell 1. Der Leontief-Ansatz. Die Heckscher-Ohlin-Aussage prognostiziert, dass das kapitalreiche Land kapitalintensive Güter exportiert und arbeitsintensive Güter importiert. Man hat die Vorstellung, dass die USA über relativ viel Kapital pro Arbeiter verfügen, also ein kapitalreiches Land sind. Man sollte deshalb nach Heckscher-Ohlin erwarten, dass die USA kapitalintensive Güter exportierten und arbeitsintensive Güter importierten. Leontief (1953) geht in einer vielbeachteten Studie von dieser Hypothese aus und versucht, den Arbeits- und Kapitaleinsatz bei den US-amerikanischen Export- und Importgütern zu ermitteln. Seine Fragestellung lautet, welche Faktormengen freigesetzt werden, wenn die USA sowohl ihre Exporte als auch ihre Importe um eine Million US-$ verringern. Diese Frage analysiert er mit Hilfe eines umfangreichen 200-Sektoren-Input-Output-Modells des Jahres 1947. Da der Leontief- Ansatz auf die Fragestellung abzielt, welche Faktormengen in den Exporten und Importen gebunden sind, spricht man auch von der Faktorgehaltsthese. Zur Bestimmung des Faktorgehalts des Außenhandels führt Leontief eine Reihe von Hilfshypothesen ein: Da für den Faktoreinsatz in der Produktion nur Daten für die USA vorlagen, lautet die erste Hilfshypothese, dass der Kapital- und Arbeitsbedarf zur Produktion der Importgüter an den heimischen Importsubstituten gemessen werden kann. Die Erwartung bei diesem Vorgehen ist, dass die inländische Produktion der Importsubstitute durch die gleichen Faktorkoeffi- <?page no="137"?> 8.2 Empirische Tests zum Heckscher-Ohlin-Modell 129 zienten gekennzeichnet ist wie die der Importgüter - was laut Heckscher-Ohlin bei unvollständiger Spezialisierung (und Gültigkeit des Faktorpreisausgleichstheorems) auch der Fall sein müsste. Ferner wird als zweite Hilfshypothese die Proportionalitätsannahme eingeführt, der zufolge die Anteile einzelner Güter an der Export- und Importstruktur konstant bleiben. Wenn Autos 20 % der Gesamtexporte ausmachen, nehmen bei einer Abnahme der Gesamtexporte um eine Million US-$ die Autoexporte um 200.000 US-$ ab. Als dritte Hilfshypothese nimmt die Studie an, dass jedes Gut als Zwischenprodukt in der Produktion anderer Güter mit konstanten Input-Output- Koeffizienten eingesetzt werden kann. Unterstellt man als vierte Hilfshypothese, dass pro Outputeinheit eines jeden Guts ein fixer Arbeits- und Kapitaleinsatz erforderlich ist, so kann man die Faktoreinsatzmengen berechnen, die bei einem hypothetischen Rückgang der Exporte und der Importe freigesetzt werden. Tabelle 8.2 zeigt die entsprechenden Ergebnisse der Studie von Leontief. Dort sind die Faktormengen dargestellt, die als notwendig für die Produktion von Exporten bzw. Importen im Wert von jeweils einer Million US-$ berechnet wurden. Wir sehen, dass der Arbeitseinsatz für die Produktion der Exportgüter größer ist als für die Produktion der Importsubstitute und der Kapitaleinsatz für die Exportgüter niedriger ist als für die Importsubstitute. Daraus folgt, dass die Kapitalintensität im Sektor der Importsubstitute größer ist als im Exportsektor. Die USA exportieren demnach arbeitsintensive Güter und importieren kapitalintensive Güter. Da dieses Ergebnis konträr zum Heckscher-Ohlin-Modell steht, bezeichnet man es auch als Paradoxon und zu Ehren Leontiefs als Leontief-Paradoxon. Tabelle 8.2: Faktorgehalt a des Handels der USA (1947) nach Leontief Exporte Importe Kapital 2.550.780 3.091.339 Arbeit 182 170 a Kapitaleinsatz (in US-$) und Arbeitseinsatz (in Personenjahren) pro Million US-$ am Exportbzw. Importwert. Quelle: Leontief (1953). 3. Kritik am Leontief-Ansatz. Auf den ersten Blick stellt das Leontief-Paradoxon eine Falsifikation der Heckscher-Ohlin-Aussage dar. Diese Schlussfolgerung kann jedoch bei genauer Analyse auch angezweifelt werden. Erstens haben wir bereits die Hilfshypothesen genannt, die von Leontief eingeführt wurden, um sein Ergebnis abzuleiten. Diese sind die Messung der Faktorintensität der Importgüter an den Importsubstituten, die Hypothese der Proportionalität oder die Hypothesen des Input-Output-Ansatzes. <?page no="138"?> 130 8. Empirische Ansätze zum Außenhandel Wir wissen zweitens auch, dass unterschiedliche Nachfrageverhältnisse die Heckscher-Ohlin-Aussage aufheben können. Nehmen wir an, dass das kapitalreiche Land auch relativ mehr kapitalintensive Güter konsumiert. Dann kann die Nachfrage nach diesen Gütern so stark sein, dass das Land insgesamt kapitalintensive Güter importiert. Drittens berücksichtigt der Test des Faktorgehalts keine Produktivitätsunterschiede zwischen den Ländern. Arbeit und Kapital verkörpern aber zu einem gewissen Teil auch das technische Wissen, welches in dem Land verfügbar ist und welches zwischen den einzelnen Ländern durchaus unterschiedlich sein kann. Bereits Leontief hat darauf hingewiesen, dass US-amerikanische Arbeiter im Allgemeinen deutlich produktiver sind als Arbeiter aus anderen Ländern. Der Faktorbestand der USA müsste dann mit einem Produktivitätsfaktor multipliziert werden, um diese relative technische Überlegenheit zum Ausdruck zu bringen. Offenbar sind dabei die Produktivitätsvorteile der USA beim Faktor Arbeit deutlich höher als beim Faktor Kapital (Trefler 1993). Produktivitätsangepasst sind die USA somit arbeitsreicher, als wenn ausschließlich auf die physischen Faktorausstattungen abgestellt würde. Viertens geht Leontief in seinem Test des Heckscher-Ohlin-Modells implizit von einem Außenhandelsgleichgewicht aus, in dem der Gesamtwert der Exporte dem Gesamtwert der Importe entspricht. Aus den dem Test zugrunde liegenden Daten ergibt sich jedoch ein deutlicher Exportüberschuss der USA. Das resultiert nicht zuletzt daraus, dass einige Importgüter, die in den USA überhaupt nicht hergestellt werden, z.B. Tee, Kaffee und Jute, ganz aus der Betrachtung ausgeschlossen wurden. Bei einem Exportüberschuss ist ein Vergleich der Kapitalintensität der Exporte mit der Kapitalintensität der Importe nicht der adäquate Ansatz, um die Heckscher-Ohlin-Aussage zu testen. Stattdessen sollte auf einen Vergleich der Kapitalintensität der Produktion mit der Kapitalintensität des Konsums abgestellt werden. Ein solcher Vergleich zeigt, dass die Ergebnisse für die USA nicht im Widerspruch mit der Heckscher-Ohlin-Aussage stehen (Leamer 1980). Schließlich basiert der Leontief-Test auf einem 2-Faktoren-2-Güter-Modell. Leontief selbst weist darauf hin, dass neben Arbeit und Kapital eine Vielzahl weiterer Faktoren in Betracht gezogen werden müssten, wie z.B. Boden und Rohstoffe, um die Faktorreichlichkeit eines Landes vollständig zu beschreiben. In einem Heckscher-Ohlin-Modell mit mehr als zwei Faktoren und mehr als zwei Gütern kann jedoch ein einfacher Zusammenhang zwischen relativer Faktorausstattung eines Landes und der Faktorintensität der Exportbzw. Importgüter, welcher der Heckscher-Ohlin-Aussage zugrunde liegt, nicht allgemein abgeleitet werden. Damit ist auch der methodische Ansatz von Leontief nicht geeignet, um ein realistisches Heckscher-Ohlin-Modell mit mehr als zwei Gütern und Faktoren zu testen. <?page no="139"?> 8.2 Empirische Tests zum Heckscher-Ohlin-Modell 131 4. Test der Heckscher-Ohlin-Aussage mit vielen Gütern, Ländern und Faktoren. Den letzten der oben genannten Kritikpunkte nimmt eine spätere Studie auf, die von einer Formulierung der Heckscher-Ohlin-Aussage für den allgemeinen Fall vieler Länder, vieler Güter und vieler Faktoren ausgeht. Diese erweiterte Formulierung der Heckscher-Ohlin-Aussage, das Heckscher-Ohlin-Vanek-Theorem, bezieht sich ebenfalls auf den Faktorgehalt des Außenhandels eines Landes, d.h. die Faktormengen, die zur Produktion der Exporte und Importe eingesetzt werden müssen (vgl. Abschnitt 6.6). Die Hypothese lautet, dass z.B. der Arbeitsgehalt der Nettoexporte eines Landes positiv ist, wenn das Land relativ arbeitsreich ist. Der Arbeitsgehalt der Nettoexporte ist der gesamte Arbeitseinsatz, der notwendig ist, um die Exporte eines Landes zu produzieren abzüglich des Arbeitseinsatzes für die Produktion der Importe des Landes. Als arbeitsreich gilt ein Land, wenn die relative Arbeitsausstattung des Landes im Vergleich zur Arbeitsausstattung der gesamten Welt höher ist als das gesamte Einkommen des Landes im Vergleich zum Welteinkommen. Bowen et al. (1987) testen diese Hypothese anhand von Produktions- und Handelsdaten aus 1966 und 1967 für 27 Länder und 12 verschiedene Produktionsfaktoren. Es zeigt sich, dass nur in 61 Prozent von diesen insgesamt 324 (12 mal 27) Fällen aus der relativen Faktorreichlichkeit auf das richtige Vorzeichen des Faktorgehalts der Nettoexporte geschlossen werden kann, während das Modell in den verbleibenden 39 Prozent der Fälle eine falsche Vorhersage macht. Damit ist das Heckscher-Ohlin-Modell kein besonders leistungsfähiger Ansatz, um den Faktorgehalt des Handels zu prognostizieren. Würde man stattdessen eine Münze werfen, wäre eine richtige Vorhersage in 50 Prozent der Fälle zu erwarten. Bowen et al. (1987) führten noch einen weiteren Test des Modells durch, indem sie versuchten, aus der Rangfolge der Faktorreichlichkeiten auf die Rangfolge des Faktorgehalts des Handels zu schließen. Auch aus diesem Test ergibt sich wenig Unterstützung für das Heckscher-Ohlin-Modell. Wenn man die Handelsvolumina und die Faktoren, die darin verkörpert sind, betrachtet, dann zeigt sich außerdem, dass der tatsächliche Faktorgehalt des Handels weitaus geringer ist als er es nach dem Heckscher-Ohlin-Vanek-Modell sein müsste („missing trade“, Trefler 1995). Zur Berechnung des Faktorgehalts des Außenhandels stützten sich Bowen et al. (1987) allerdings - ähnlich wie Leontief (1953) - auf eine Input-Output-Matrix für die USA. Damit wird unterstellt, dass es keine Produktivitätsunterschiede zwischen den Ländern gibt und dass die Faktorkoeffizienten in allen Ländern mit denen der USA übereinstimmen. Auch wird von international gleichen Nachfragerelationen ausgegangen. Diese vereinfachenden Annahmen können für die schlechten Ergebnisse von Bowen et al. (1987) verantwortlich sein, wie eine weitere empirische Studie zeigt (Davis und Weinstein 2001). Dort wird dem einfachen Test des Heckscher-Ohlin-Vanek Ansatzes ein erweitertes Modell gegen- <?page no="140"?> 132 8. Empirische Ansätze zum Außenhandel übergestellt, das internationale Produktivitätsunterschiede und unterschiedliche Faktorkoeffizienten zulässt. Dieses Modell schneidet empirisch deutlich besser ab. 1 Dabei zeigen Davis und Weinstein (2001) auch, dass die sektoralen Faktorkoeffizienten systematisch von der Faktorausstattung der Länder beeinflusst werden. Ein kapitalreiches Land produziert demnach kapitalintensiver als ein arbeitsreiches Land. Dieses Ergebnis kann als Evidenz gegen das Faktorpreisausgleichstheorem gewertet werden, demzufolge in allen Ländern mit der gleichen Kapitalintensität produziert werden müsste ( ∗ ). 4. Handel und Faktorpreise. Folgt man den Aussagen des Heckscher-Ohlin-Modells, so müsste sich die steigende weltwirtschaftliche Integration auch in den Faktorpreisen der Länder widerspiegeln. Dabei sind insbesondere die Wirkungen des Handels auf die Löhne wirtschaftspolitisch relevant. In einigen Industrienationen - vor allem in den USA - hat in den vergangenen Jahrzehnten die Lohnungleichheit zwischen geringqualifizierten und hochqualifizierten Arbeitnehmern stark zugenommen. 2 So sind beispielsweise die Löhne für Beschäftigte mit weniger als 12 Jahren Schulausbildung zwischen 1979 und 1995 real um 20,2 Prozent zurückgegangen, während sie im gleichen Zeitraum für diejenigen mit einer Ausbildungsdauer von 18 und mehr Jahren um 14,0 Prozent gestiegen sind (Katz und Autor 1999). Diese steigende Lohnungleichheit in einem Land wie den USA, das relativ reichlich mit hochqualifizierter Arbeit ausgestattet ist, passt zur Aussage des Stolper-Samuelson-Theorems. Demnach hätten die USA einen komparativen Preisvorteil bei Gütern, bei deren Produktion relativ viel hochqualifizierte Arbeit eingesetzt wird. Nach Aufnahme von Handel würden sich die USA verstärkt auf diese Güter spezialisieren, wodurch der reale Faktorpreis der hochqualifizierten Arbeit steigt und der für die geringqualifizierte Arbeit zurückgeht. Bei näherer Betrachtung sprechen jedoch auch einige Fakten dagegen, den Außenhandel für die steigende Lohnungleichheit verantwortlich zu machen. So müsste nach dem Stolper-Samuelson-Theorem der Relativpreis für Güter sinken, die faktorintensiv in Bezug auf einfache Arbeit sind. Empirisch findet man dafür in den achtziger Jahren wenig Evidenz (siehe z. B. Leamer 1999). Auch die Entwicklung der Faktorintensitäten innerhalb der Sektoren steht im Widerspruch zu der Stolper-Samuelson-Erklärung. Es zeigt sich nämlich, dass in den USA die Einsatzverhältnisse zwischen hochqualifizierter und geringqualifizierter Arbeit, 1 Davis und Weinstein (2001) berücksichtigen zudem noch nicht-handelbare Güter und gehen von einer Güternachfrage aus, die sie aus einer Gravitationsgleichung (siehe Abschnitt 8.3) bestimmen. 2 Auch in Großbritannien ist die Ungleichheit zwischen gut ausgebildeten und weniger gut ausgebildeten Arbeitnehmern deutlich gestiegen. In Deutschland ist in diesem Zeitraum kein solcher Anstieg der Ungleichheit der Löhne wie in den USA zu beobachten. Dafür ist aber die Arbeitslosigkeit bei gering qualifizierten Arbeitnehmern besonders ausgeprägt. <?page no="141"?> 8.3 Gravitationsansatz 133 mit denen in den Sektoren produziert wird, angestiegen sind. Nach der Theorie hätten diese Einsatzverhältnisse im Zuge einer Spezialisierung auf Güter, die relativ viel hochqualifizierte Arbeit benötigen, zurückgehen müssen. Als alternative Erklärung für die gestiegene Ungleichheit kommt arbeitssparender technischer Fortschritt in Frage. Die Technologie verlangt von den Arbeitnehmern höhere Qualifikationen, folglich verschiebt sich die Arbeitsnachfrage zugunsten der höher Qualifizierten. Viele der vorliegenden empirischen Untersuchungen sehen den technischen Fortschritt als bedeutenderen Einflussfaktor im Vergleich zum Außenhandel an. Es wird allerdings auch argumentiert, dass ein erweitertes Heckscher-Ohlin-Modell, in dem Zwischengüter gehandelt werden (wie in Abschnitt 6.3), durchaus in der Lage ist, die oben beschriebenen empirischen Fakten widerspruchsfrei zu erklären (Feenstra und Hanson 2003). 8.3 Gravitationsansatz 1. Ausgangspunkt. Ein gänzlich anderer empirischer Ansatz erklärt die bilateralen Handelsströme zwischen zwei Ländern in Anlehnung an Modelle der Physik. Gemäß Newtons Gravitationsgesetz „ziehen sich Massen gegenseitig an“, und zwar in Abhängigkeit von der Entfernung zwischen ihnen. Tinbergen (1962) hat gezeigt, dass eine ähnliche Vorstellung die bilateralen Handelsströme zwischen zwei Volkswirtschaften empirisch sehr gut erklärt. Gleichung (8.2) illustriert, wie eine solche Gravitationsgleichung für den Handel aussehen kann: ⋅ . (8.2) Die Variable kennzeichnet die Exporte von Land nach Land ; und sind die Bruttoinlandsprodukte der betrachteten Länder; gibt die Entfernung zwischen den Ländern an; der Buchstabe A schließlich ist ein konstanter Faktor. Logarithmiert sieht die Gravitationsgleichung wie folgt aus: ln ln ⋅ ln ⋅ ln ⋅ ln . (8.3) 2. Ergebnisse. Bei empirischen Tests erweisen sich die Einkommens- und die Distanzvariablen üblicherweise als signifikante Einflussgrößen, wenn es um die Erklärung des bilateralen Handels geht. Für die Parameter und werden häufig Werte in einer Größenordnung zwischen 0,7 und 1,1 gefunden (Head 2003). Ein Wert von 1 würde bedeuten, dass die Handelsvolumina eines Landes mit verschiedenen Handelspartnern proportional zu deren Größe sind (wenn diese jeweils gleich weit von dem Land entfernt sind). Die Werte für den Parameter , der die Bedeutung der Entfernungsvariablen misst, variieren sehr stark zwischen den verschiedenen empirischen Untersuchungen. Eine umfangreiche Meta-Studie kommt auf einen durchschnittlichen Wert, der bei 0,9 liegt (Disdier und Head 2008). <?page no="142"?> 134 8. Empirische Ansätze zum Außenhandel 3. Grenzeffekte. Die Gravitationsgleichung (8.3) kann um weitere Variablen ergänzt werden, von denen angenommen wird, dass sie das Ausmaß des Handels zwischen zwei Ländern beeinflussen, wie z.B. eine gemeinsame Sprache, eine direkte Grenze oder die Mitgliedschaften in internationalen Organisationen. Ein besonders interessanter Zusammenhang zeigt sich, wenn die Gravitationsgleichung angewendet wird, um den Einfluss von Ländergrenzen auf den Handel zwischen verschiedenen Regionen zu ermitteln. Ländergrenzen haben demnach einen sehr starken und negativen Einfluss auf das Handelsvolumen. So zeigt sich z.B. für den Handel kanadischer Provinzen untereinander und mit Bundesstaaten der USA, dass der Handel zwischen Regionen innerhalb Kanadas wesentlich höher ist als der grenzüberschreitende Handel zwischen Regionen aus Kanada und den USA, wenn Einflussfaktoren wie Größe und Entfernung herausgerechnet werden. 3 Auch beim Handel innerhalb der Europäischen Union werden bedeutende negative Grenzeffekte gefunden. Entsprechende empirische Untersuchungen legen nahe, dass z.B. ein Mitgliedsland der Europäischen Union sechsbis zehnmal mehr mit sich selbst handelt als mit einem anderen EU-Land (Chen 2004 und Nitsch 2000). Weiterführende Fragen 1. Analysieren Sie, welche Wirkungen internationaler Handel auf die Beschäftigung geringqualifizierter Arbeiter hat, wenn die Löhne in einigen Ländern, wie z.B. in Deutschland, nicht flexibel sind (Davis 1998 und Meckl 2006). 2. Zeigen Sie, wie sich der internationale Handel mit Zwischenprodukten auf die relativen Güter- und Faktorpreise auswirkt (Feenstra und Hanson 2003). 3. Diskutieren Sie, wie sich Gravitationsgleichungen für den internationalen Handel theoretisch begründen lassen (siehe Feenstra 2003, Kap. 5 und Head 2003). Weiterführende Literatur Davis, D. R. und D. E. Weinstein (2003). The Factor Content of Trade. In E. K. Choi und J. Harrigan (Hrsg.): Handbook of International Trade, Bd. 1, Blackwell. Feenstra, R. C. und G. H. Hanson (2003). Global Production Sharing and Rising Inequality: A Survey of Trade and Wages. In E. K. Choi und J. Harrigan (Hrsg.): Handbook of International Trade, Bd. 1, Blackwell. Head, K. (2003). Gravity for Beginners. Mimeo. 3 Das quantitative Ausmaß dieses Grenzeffekts ist allerdings umstritten. McCallum (1995) schätzt, dass der Handel innerhalb Kanadas aufgrund des Grenzeffekts 22-fach höher ist als der Handel zwischen Kanada und den USA. Anderson und van Wincoop (2003) kommen hingegen nur auf eine Größenordnung von etwa 6 für diesen Grenzeffekt. <?page no="143"?> 9. Faktorwanderungen und multinationale Unternehmen „… man is of all sorts of luggage the most difficult to be transported.“ Adam Smith * Faktorwanderungen sind neben Güterbewegungen für die internationale Arbeitsteilung von zentraler Bedeutung. Abschnitt 9.1 beschäftigt sich mit internationalen Wanderungen des Faktors Arbeit, Abschnitt 9.2 diskutiert Kapitalbewegungen. Dabei wird gezeigt, wie Kapitalverkehr als Spiegelbild des intertemporalen Handels interpretiert werden kann. Der Zusammenhang zwischen Güterbewegungen und Faktorwanderungen ist Gegenstand von Abschnitt 9.3. Eine Sonderrolle spielen internationale Direktinvestitionen und multinationale Unternehmen (Abschnitt 9.4). In diesem Zusammenhang wird häufig die Frage gestellt, welche Folgen internationale Produktionsverlagerungen durch Offshoring im Inland haben (Abschnitt 9.5). 9.1 Wanderung der Arbeit 1. Ausgangslage. In der Europäischen Union bestehen nach wie vor noch bedeutende Einkommensunterschiede zwischen West und Ost. So lag 2011 das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Polen, berechnet in Kaufkraftparitäten, bei 64 Prozent des EU-Durchschnitts und für Rumänien wird die Relation auf 49 Prozent geschätzt (Eurostat 2013). Unterstellt man, dass Arbeit in den neuen Mitgliedsländern ähnlich qualifiziert ist wie in Westeuropa, so lohnt es sich für die Arbeitskräfte Osteuropas in den Westen zu wandern, um auf diese Weise ihr Einkommen zu verbessern. Ebenso kann die aktuelle Wirtschaftskrise in der Europäischen Union ein Anlass sein, aus den Krisenländern im Süden Europas in stabilere Länder im Norden zu wandern, die bessere Beschäftigungsaussichten bieten. Tabelle 9.1 zeigt die Arbeitswanderungen zwischen Deutschland und verschiedenen EU-Ländern. Polen und Rumänien sind die beiden bedeutendsten Herkunftsländer mit einer Nettozuwanderung nach Deutschland von zusammen über 115.000 Personen. Auch aus den südeuropäischen Krisenstaaten gibt es Zuwanderungsströme. * An Inquiry into the Nature of the Causes of the Wealth of Nations, 1776, zitiert nach The Modern Library, New York 1937, S. 75. <?page no="144"?> 136 9. Faktorwanderungen und multinationale Unternehmen Tabelle 9.1: Wanderungen nach und aus Deutschland, 2012 Zuzüge Fortzüge Nettozuwanderung Polen 184 325 114 425 69 900 Rumänien 116 964 71 152 45 812 Bulgarien 58 862 33 788 25 121 Ungarn 54 827 28 619 26 208 Italien 45 094 23 378 21 716 Spanien 37 683 17 144 20 539 Griechenland 35 811 12 888 22 923 Insgesamt 1 080 936 711 992 368 944 Quelle: Statistisches Bundesamt. Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Vorläufige Wanderungsergebnisse 2012. 2. Erklärungsansatz. Schaubild 9.1 stellt grafisch dar, wie sich internationale Arbeitswanderungen erklären lassen. 1 Wir gehen aus von zwei Ländern (West und Ost) und zwei Faktoren, international mobilen Arbeitern und einem immobilen Faktor (z.B. Boden oder Kapital). Handel wird nicht näher betrachtet, d.h., es gibt nur ein Gut, dessen Preis wir auf 1 normieren. Ansonsten gelten wie im Grundmodell aus Kapitel 5 die Annahmen der vollkommenen Konkurrenz und der Linear-Homogenität. Aus der Bedingung für den gewinnmaximierenden Faktoreinsatz folgt wieder, dass die Grenzproduktivität der Arbeit dem realen Lohnsatz entspricht (siehe Abschnitt 6.1). Im Schaubild ist die Grenzproduktivität der Arbeit im Inland von links und im Ausland von rechts abgetragen. Die Strecke OO* misst den aggregierten Arbeitsbestand beider Länder. Im Inland (Westen) ist der Arbeitsbestand OT. Die Arbeitnehmer erhalten dann im Ausgangspunkt ohne Arbeitsmobilität gemäß ihrer Grenzproduktivität den Reallohn TR. Im Ausland (Osten) ist der Arbeitsbestand O*T; die Arbeitnehmer dort beziehen einen Reallohn von TU. Wir sehen, dass in der Ausgangslage der Reallohn im Inland den im Ausland übersteigt. Die Fläche unter der Grenzproduktkurve OTRZ gibt die gesamte Produktion und damit das aggregierte reale Faktoreinkommen der Arbeit und des immobilen Faktors im Inland an. Das Einkommen der Arbeit im Ausgangspunkt entspricht der Fläche OTRQ; das ist 1 Dieses Schaubild entspricht der Grafik zum Modell der sektorgebundenen Faktoren aus Abschnitt 6.1, mit dem Unterschied, dass der mobile Faktor nicht zwischen zwei Sektoren, sondern zwischen zwei Ländern wandert. <?page no="145"?> 9.1 Wanderung der Arbeit 137 der Lohnsatz TR multipliziert mit der Zahl der Arbeiter OT. Die restliche Produktion, die Fläche QRZ, geht an den immobilen Faktor. 2 O O* Z Q P Y X R S V U W T T‘ N l* l 3. Auswirkungen von Arbeitsmobilität. Bei internationaler Arbeitsmobilität wandern die Arbeitnehmer in das Land, in dem der höhere Reallohn gezahlt wird bzw. dorthin, wo ihre Grenzproduktivität am höchsten ist. Es kommt also in Schaubild 9.1 zu einer Arbeitswanderung aus dem Ausland ins Inland. Durch die Zuwanderung wird Arbeit im Inland reichlicher und im Ausland knapper; das Grenzprodukt der Arbeit geht im Inland zurück und steigt im Ausland. Die internationalen Lohnunterschiede werden somit abgebaut, bis in beiden Ländern im neuen Gleichgewicht der gleiche reale Lohn gezahlt wird. Das ist in Punkt S der Fall. Insgesamt wandern TT’ Arbeitnehmer vom Ausland in das Inland und es stellt sich der gleichgewichtige Reallohn T’S ein. Betrachtet man beide Länder insgesamt („die Welt“), so gewinnen sie die zusätzliche Produktion SRU (dieses Dreieck wird auch „Harberger-Dreieck“ genannt). Dadurch, dass die Arbeitnehmer an den Ort wandern, an dem ihre Grenzproduktivität am höchsten ist, kommt es zu einer effizienten Verteilung des Faktors Arbeit auf beide Länder. 2 Da vollkommene Konkurrenz angenommen wird, machen die Unternehmen keine Gewinne. Das reale Faktoreinkommen des immobilen Faktors muss somit der Differenz zwischen der gesamten Produktion OTRZ und dem realen Einkommen der Arbeit OTRQ entsprechen. Daraus ergibt sich die Fläche QRZ. Formal entspricht dieser Zusammenhang Eulers Theorem, welches bei einer linear-homogenen Produktionsfunktion gilt (siehe auch Anhang 5.A). Schaubild 9.1: Internationale Arbeitswanderung <?page no="146"?> 138 9. Faktorwanderungen und multinationale Unternehmen Das Dreieck SRU gibt die Produktionssteigerung an, die dadurch im Vergleich zur Autarkie erreicht wird. Internationale Arbeitswanderungen haben jedoch nicht nur Effizienzsondern auch Verteilungseffekte. Diejenigen Arbeiter, die von Ost nach West wandern, gewinnen die Fläche SVUW; die Arbeiter, die im Osten bleiben, gewinnen aufgrund der Lohnsteigerung SWXY hinzu. Der immobile Faktor im Osten verliert hingegen UXYS. Netto bleibt der Zugewinn SVU für die Ausländer. Für die inländischen Arbeitnehmer sinkt der Lohn um RV auf T’S, so dass das Lohneinkommen auf OTVP zurückgeht. Der immobile Faktor gewinnt die Fläche PSRQ hinzu. Im Westen ist die Arbeit durch die Zuwanderung reichlicher geworden, so dass die Grenzproduktivität des immobilen Faktors ansteigt, während die Grenzproduktivität der Arbeit zurückgeht. Aussage 9.1: Bei freier Mobilität wandert Arbeit, bis der Reallohn international ausgeglichen ist. Die Weltproduktion steigt durch die Wanderung der Arbeit. 9.2 Kapitalbewegungen und intertemporaler Handel 1. Allokation des mobilen Kapitals. Internationale Kapitalbewegungen können unter der Annahme eines gegebenen weltweiten Kapitalstocks analog zu Schaubild 9.1 dargestellt werden. In diesem Fall gehen wir nun davon aus, dass Arbeit der immobile Faktor ist, während der Faktor Kapital frei zwischen den Ländern gehandelt werden kann. Die Gerade ZRS in 9.2 kennzeichnet dann die Grenzproduktivität des Kapitals im Inland. Mit steigendem Kapitaleinsatz sinkt die Grenzproduktivität des Kapitals, und die Grenzproduktivitätskurve hat einen fallenden Verlauf. Die Grenzproduktivität des Kapitals im Ausland wird durch die Gerade USN dargestellt. Die Strecke OO* stellt den Kapitalstock der Welt dar. In einer Autarkiesituation wird das bestehende Kapital nicht optimal auf die Länder aufgeteilt. Wenn das Inland über OT Einheiten des Kapitals verfügt und das Ausland über TO*, dann ist die Grenzproduktivität des Kapitals im Inland (Strecke TR) höher als im Ausland (Strecke TU). Es lohnt sich, den Kapitaleinsatz im Inland zu verringern und im Ausland zu vergrößern. Punkt S zeigt die gleichgewichtige Allokation bei vollständiger Kapitalmobilität an. Kapital wird so eingesetzt, dass der Zins im In- und Ausland gleich hoch ist (der Güterpreis wird wieder gleich 1 gesetzt). Damit sind auch die Grenzproduktivitäten international ausgeglichen. Es kommt wie bei der Arbeitswanderung zu einer effizienten Allokation des Kapitals und das aggregierte Realeinkommen der Inländer und der Ausländer steigt durch die Kapitalmobilität. Schaubild 9.2 geht zunächst von einem gegebenen Weltkapitalbestand aus. Der Kapitalbestand verändert sich jedoch im Zeitablauf. Abschreibungen verringern den Kapitalbestand mit der Zeit, während Neuinvestitionen ihn erhöhen. Wenn <?page no="147"?> 9.2 Kapitalbewegungen und intertemporaler Handel 139 der Weltkapitalstock im Zeitablauf zunimmt, dann verschiebt sich der Punkt O* nach rechts und die USN-Kurve wandert entsprechend mit (gestrichelte Linie). Beide Länder vergrößern ihren Kapitalbestand. Der gleichgewichtige Zinssatz geht zurück (Punkt S’), da die Grenzproduktivität des Kapitals in beiden Ländern abnimmt. Die Grenzproduktivität des immobilen Faktors Arbeit steigt hingegen, so dass in beiden Ländern das Arbeitseinkommen ansteigt. O O* Z Q P Y X R S V U W T T ' N O* ' S ' P ' r r* 2. Ersparnis und Kapitalmobilität. Eine Verknüpfung zwischen Güterbewegungen und Kapitalwanderungen ergibt sich in einem intertemporalen Kontext, in dem das Angebot an Kapital durch Ersparnisbildung explizit berücksichtigt wird. Hierfür gehen wir von einem einfachen 2-Perioden Modellrahmen aus (mit den Perioden 0 und 1). Es gibt ein Gut Q, das sowohl als Konsumals auch als Kapitalgut genutzt werden kann („Kuh-Wirtschaft“): Das Gut (die Kuh) kann entweder konsumiert werden oder kann als Kapital eingesetzt werden, das später eine entsprechende Rendite abwirft (die Kuh bekommt ein Kalb). Bei Konsumverzicht in der Periode 0 ist es somit möglich, in der nächsten Periode die Konsummenge zu vergrößern. Die Kurve TX in Schaubild 9.3a kennzeichnet diese Transformation in der Zeit. Auf der X-Achse wird die Konsummenge in Periode 0 dargestellt, auf der Y-Achse die Konsummenge in Periode 1. Die Volkswirtschaft ist in Periode 0 mit T Einheiten des Konsum- und Kapitalguts ausgestattet. Wenn es diese vollständig konsumiert, dann ist die Konsummenge in Periode 0 gleich T, aber dafür in Periode 1 gleich null. Die Volkswirtschaft kann aber auch einen Teil ihres Vermögens (z.B. entsprechend der Strecke TM) als Kapital für Periode 1 einsetzen. Mit diesem Kapital kann in Periode 1 produziert werden, so dass dann die produzierte Gütermenge zusätzlich zum Kapitalbestand zum Konsum zur Schaubild 9.2: Internationale Kapitalmobilität <?page no="148"?> 140 9. Faktorwanderungen und multinationale Unternehmen Verfügung steht. 3 Die intertemporale Transformationskurve TX gibt für alle Kapitalbeträge die Konsummöglichkeiten des Landes in beiden Perioden an. Die Steigung der Transformationskurve entspricht betragsmäßig 1 (mit als der Grenzproduktivität des Kapitals). Mit zunehmendem Kapitaleinsatz geht diese Grenzproduktivität zurück. Daher hat die intertemporale Transformationskurve in Schaubild 9.3 den dargestellten streng konkaven Verlauf. Das Land fragt Gegenwarts- und Zukunftskonsum in einem festen Verhältnis / nach. Dann gibt A den Konsumpunkt in Autarkie an. O Q* 0 O* Q 1 Q O C / C 1 0 C / C 1 0 P C K C* K* P* Q* 1 a b X X* T T* A* A M Schaubild 9.3: Intertemporaler Handel 3. Komparative Vorteile und intertemporaler Handel. Die intertemporalen Konsummöglichkeiten des Auslands können nun ebenfalls durch eine Transformationskurve in der Zeit (Kurve T*X* in Schaubild 9.3b) abgebildet werden. In Schaubild 9.3 ist unterstellt, dass das Inland im Vergleich zum Ausland in Autarkie eine relativ günstige Transformationsmöglichkeit in der Zeit hat. Die Grenzrate der Transformation ist im Autarkiepunkt A des Inlands höher als im Autarkiepunkt A* des Auslands. Mit einem marginalen Konsumverzicht in Periode 0 kann das Inland mehr an zusätzlichem Konsum in Periode 1 erzeugen als das Ausland. Das Inland hat also einen komparativen Vorteil beim Zukunftskonsum. Ausgehend von dieser Situation können beide Länder ihre Wohlfahrt steigern, indem sich das Inland auf die Produktion desjenigen Gutes spezialisiert, bei dem es einen Vorteil hat, nämlich auf die Produktion des Gutes in der Periode 1 (in der Zukunft). Es exportiert in der Zukunft die Menge PK. In der Periode 0 importiert es die Menge KC. Dies ist aber nur möglich, wenn es sich in der Periode 0 verschuldet (in Höhe von KC) und diese Schulden inklusive Verzinsung 3 Eine Abschreibung des Kapitals wird hier zur Vereinfachung nicht berücksichtigt. <?page no="149"?> 9.3 Güterbewegungen und Faktorwanderung 141 in der Periode 1 zurückzahlt. Für das Ausland ergibt sich das Gegenbild. Das Ausland spezialisiert sich auf die Produktion des Gutes und exportiert in der Periode 0 die Menge K*P*. Es importiert in der Periode 1 die Menge K*C*. Das Ausland gewährt in der Periode 0 einen Kredit, der in der Periode 1 zurückgezahlt wird. Aussage 9.2: In einem 2-Perioden-Ansatz können internationale Kapitalbewegungen durch komparative Vorteile bei der intertemporalen Konsum-Allokation erklärt werden. Die Länder tauschen dabei Gegenwartskonsum gegen Zukunftskonsum. 4. Mobilität des Kapitals oder Mobilität der Arbeit. In den vorangegangenen Abschnitten haben wir jeweils einen Faktor als mobil und den anderen als immobil angenommen. Betrachtet man nun explizit den Fall, dass beide Produktionsfaktoren mobil sind, so stellt sich die Frage, welcher der Faktoren international wandert und welcher am ursprünglichen Standort bleibt. Bei einer linear-homogenen Produktionsfunktion ist die Grenzproduktivität eines Faktors nur abhängig von der Kapitalintensität - dem Kapitaleinsatz pro Arbeiter (siehe Anhang 5.A). Damit ist unbestimmt, ob Kapital oder Arbeit wandert. Wenn wir beispielsweise von einem arbeitsreichen Land ausgehen, in dem die Kapitalausstattung pro Arbeiter geringer ist als im Ausland, so werden in diesem Land ein geringerer Reallohn und ein höherer Realzins gezahlt als im Ausland. Es kann nun entweder Arbeit aus dem arbeitsreichen Land abwandern oder Kapital in dieses Land zuströmen. In beiden Fällen erhöht sich im arbeitsreichen Land die Kapitalausstattung pro Arbeiter und damit die Kapitalintensität in der Produktion. Die Grenzproduktivität der Arbeit steigt, die Grenzproduktivität des Kapitals sinkt; damit steigt der Reallohn und der Realzins sinkt, bis beide Faktorpreise im In- und Ausland ausgeglichen sind. Wenn Kapital wandert, können die Menschen bleiben. Diese Argumentationskette gilt allerdings unter der Voraussetzung, dass die Produktionstechnologie in beiden Ländern die gleiche ist. 9.3 Güterbewegungen und Faktorwanderung 1. Beziehung zwischen Güterhandel und Faktorwanderung. In der bisherigen Analyse sind entweder nur Güterbewegungen (Kapitel 4 bis 7) oder nur Faktorwanderungen (dieses Kapitel) betrachtet worden. In der Realität sind die Faktoren aber durchaus international mobil und es findet zugleich Handel statt. Daher stellt sich die Frage, welcher Zusammenhang zwischen Güterbewegungen und Faktorwanderungen besteht. <?page no="150"?> 142 9. Faktorwanderungen und multinationale Unternehmen 2. Substitutive Beziehung. Bei international völlig mobilen Produktionsfaktoren sind im Heckscher-Ohlin-Modellrahmen keine Güterbewegungen erforderlich, um eine effiziente Faktor-Allokation zu erreichen. Die Faktoren wandern dann direkt an diejenige Stelle, an der sie am meisten gebraucht werden, wo sie also das größte Grenzprodukt erzielen. Die Faktorwanderung kann also die Güterbewegung ersetzen. Umgekehrt gilt, dass bei Immobilität der Faktoren die Güter wandern. Faktorbewegungen und Güterhandel stehen demnach unter den Annahmen des Heckscher-Ohlin-Ansatzes in einem substitutiven Verhältnis zueinander. Sie können sich gegenseitig ersetzen. Die substitutive Beziehung zwischen Güterbewegungen und Faktorwanderung ist insbesondere in Bezug auf den Faktorpreisausgleich relevant. Der Ausgleich der Faktorpreise kann im Heckscher-Ohlin-Modell sowohl durch Güterbewegungen als auch durch Faktorwanderung erreicht werden. Bei Handel brauchen die Faktoren nicht zu wandern und umgekehrt. 3. Kopplungsthese. Eine alternative Hypothese betont eine komplementäre Beziehung zwischen Güterbewegungen und Faktorwanderungen. Hierfür wird die Annahme gleicher Produktionsfunktionen, die dem Faktorpreisausgleichstheorem zugrunde liegt, fallengelassen. Hat beispielsweise ein Land einen komparativen Produktivitätsvorteil bei dem arbeitsintensiven Gut, so wird es dieses Gut bei international gleicher Faktorausstattung exportieren. Zugleich führt der Produktivitätsvorteil dazu, dass der Faktor Arbeit in diesem Land besser entlohnt wird als im Ausland. Es kommt also zu einer Zuwanderung von Arbeitern aus dem Ausland, wodurch sich wiederum ein Ausstattungsvorteil ergibt, der zu weiteren Exporten des arbeitsintensiven Gutes führt. Faktorwanderungen verstärken bei unterschiedlichen Technologien den Güterhandel. Die Frage, ob der Zusammenhang zum Güterhandel eher substitutiv oder komplementär ist, wird auch in Bezug auf internationale Direktinvestitionen gestellt (siehe Abschnitt 9.4). Durch Verlagerung einzelner Produktionsschritte ins Ausland im Gefolge einer Direktinvestition steigt der Handel mit Zwischenprodukten, die dann als Inputs für die heimische Produktion importiert werden. Das Unternehmen kann dann seine Endprodukte wiederum ins Ausland exportieren. Die Exporte nehmen dann als Folge der Direktinvestitionen im Ausland zu. Es ist aber auch umgekehrt eine substitutive Beziehung denkbar, wenn ein Unternehmen seine Exporte durch eine Produktion vor Ort im Ausland ersetzt. Ein Kopplungseffekt zwischen Güterbewegungen und Faktorwanderungen kann polarisierend in der Weltwirtschaft wirken. Es bilden sich Agglomerationen heraus, deren Standortgunst durch die Zuwanderung von Faktoren verstärkt wird. Die Polarisierung der Agglomeration kann von der Entleerung der Peripherie begleitet sein (Myrdal 1974). Formale Modelle der „Neuen Ökonomischen Geografie“ bauen auf solchen Kopplungseffekten auf (siehe z.B. Krugman und Venables 1995; Fujita et al. 1999). <?page no="151"?> 9.4 Direktinvestitionen und multinationale Unternehmen 143 9.4 Direktinvestitionen und multinationale Unternehmen 1. Ausgangspunkt. Ein beachtlicher Teil des internationalen Handels vollzieht sich heutzutage innerhalb von multinationalen Unternehmen. Ein multinationales Unternehmen ist dadurch gekennzeichnet, dass es an Standorten in mehreren Ländern tätig ist. Multinationale Unternehmen sind eng mit dem Begriff der internationalen Direktinvestitionen verknüpft. Internationale Direktinvestitionen sind definiert als langfristige finanzielle Beteiligungen an ausländischen Unternehmen verbunden mit einer signifikanten Einflussnahme auf das Management (OECD 1999). Der typische Fall einer Direktinvestition liegt z.B. vor, wenn ein inländisches Unternehmen ein ausländisches Unternehmen übernimmt, indem es die Aktienmehrheit kauft. Auch die Gründung einer neuen Tochtergesellschaft im Ausland „auf der grünen Wiese“ ist ein Beispiel für eine Direktinvestition. In beiden Fällen entsteht durch die Direktinvestition ein multinationales Unternehmen. 2. Erklärungsansätze. Die Gründe für die Entstehung multinationaler Unternehmen sind vielfältig. Ein Argumentationsrahmen, der verschiedene Erklärungsansätze zusammenfasst, geht davon aus, dass drei Arten von Vorteilen zu einer Entstehung eines multinationalen Unternehmens beitragen (Dunning 1977): Eigentumsvorteile, Standortvorteile und Internalisierungsvorteile. Diese Erklärung ist auch als OLI-Ansatz in die Literatur eingegangen. Dabei steht „O“ für „Ownership“, „L“ für „Location“ und „I“ für „Internalization“. Eigentumsvorteile können erklären, warum ein Unternehmen überhaupt international tätig wird und sich gegen ausländische Konkurrenten durchsetzt. Ein Unternehmen besitzt möglicherweise eigene firmenspezifische Vorteile gegenüber anderen Unternehmen im Ausland: Es stellt ein besonderes Produkt her, das aufgrund von Patenten nur von ihm angeboten werden kann; es verfügt über ein spezielles technologisches Wissen oder besondere Fähigkeiten seiner Mitarbeiter, die bei der Konkurrenz nicht gegeben sind; es hat ein eigenes Organisations- und Managementwissen; es hat eine besondere Stellung im Marketing (z.B. einen etablierten Produktnamen); es besitzt eine gute Reputation für die Anwerbung von qualifizierten Arbeitskräften, für das Einwerben von Aktienkapital oder für die Erlangung von Krediten; es verfügt über einen besonderen Zugang zu bestimmten Rohstoffen. All diese Eigentumsvorteile kommen dem Unternehmen in seiner Gesamtheit zugute. Somit lohnt es sich auch, diese firmenspezifischen Eigentumsvorteile international auszunutzen, etwa einen Markennamen weltweit einzusetzen. Standortvorteile erklären, warum das Unternehmen seine Tätigkeit auf verschiedene Länder der Welt verteilt und seine Eigentumsvorteile nicht etwa durch Exporte aus dem Heimatland international ausnutzt. In einer ganzen Reihe von Fällen wäre die Produktion nicht effizient, wenn sie nur an einem Ort der Welt <?page no="152"?> 144 9. Faktorwanderungen und multinationale Unternehmen durchgeführt werden würde. Hier sind zunächst Transportkosten zu nennen, die eine Produktion in der Nähe der Absatzmärkte erfordern. Hinzu kommt, dass komparative Kostenvorteile der Produktion an einzelnen Orten ausgenutzt werden können, indem beispielsweise arbeitsintensive Produktionsschritte an Standorte mit niedrigeren Löhnen verlagert werden. Ferner ist es möglich, Zollmauern zu überspringen oder andere Handelshemmnisse zu umgehen, indem die Produktion direkt vor Ort im Ausland durchgeführt wird. Weitere wichtige Standortvorteile aus Sicht eines Unternehmens können attraktive Steuersätze, günstige Regulierungen oder auch Subventionen sein. Internalisierungsvorteile schließlich erklären, warum die internationale Arbeitsteilung innerhalb eines Unternehmens stattfindet und nicht zwischen voneinander unabhängigen Einheiten über Märkte. Beispielsweise kann ein international produzierendes Unternehmen komparative Vorteile auch dadurch nutzen, dass es arbeitsintensive Vorprodukte von unabhängigen Zulieferern aus arbeitsreichen Ländern kauft, anstatt selbst über eine Tochtergesellschaft im arbeitsreichen Land zu produzieren. Ein Unternehmen könnte auch Lizenzen an fremde Anbieter vergeben, anstatt selbst am Absatzort zu produzieren oder dorthin zu exportieren. In all diesen Fällen müssen Verträge geschlossen werden. Bei einer Transaktion über Märkte ist dies offensichtlich (klassische Kaufverträge bei Standardtransaktionen, relationale Verträge etwa bei langfristigen Lieferbeziehungen, Lizenzverträge). Aber auch den Transaktionen innerhalb eines Unternehmens liegen Verträge zwischen den Beteiligten (Kapitalgeber, Arbeiter, Management) zugrunde. Verträge sind häufig nur unvollständig und mit Anreizproblemen für die Beteiligten behaftet. Daraus können Vorteile aus einer Internalisierung entstehen, bei der die Leistungserbringung innerhalb eines Unternehmens anstatt über Märkte erfolgt. 4 Dabei ist zu beachten, dass hier die Grenzen fließend sind und auch Organisationsformen mit Netzwerken voneinander abhängiger Unternehmen auftreten können, wie z.B. bei den Zulieferern der Automobilindustrie. Viele der Internalisierungsvorteile resultieren aus Informationsasymmetrien zwischen den Vertragspartnern und den daraus entstehenden Anreizen, sich opportunistisch zu verhalten. Ein unabhängiger Zulieferer könnte beispielsweise Vorprodukte schlechter Qualität liefern, um so selbst Kosten zu Lasten des Vertragspartners zu sparen. Ein Lizenznehmer könnte das mit der Lizenz erworbene Know-how missbräuchlich nutzen, um Raubkopien oder Konkurrenzprodukte herzustellen, und somit dem Vertragspartner schaden. Aufgrund dieser Informationsasymmetrien kann die Organisation der internationalen Arbeitsteilung innerhalb eines multinationalen Unternehmens Vorteile gegenüber einer Vertragsbeziehung zwischen unabhängigen Unternehmen haben. 4 Dieser Ansatz geht zurück auf die Theorie der Firma von Coase (1937). <?page no="153"?> 9.4 Direktinvestitionen und multinationale Unternehmen 145 Internalisierungsvorteile können auch dadurch entstehen, dass ein Unternehmen nur unzureichende Anreize hat, in die gemeinsame Vertragsbeziehung zu investieren (vgl. Williamson 1975). Diese Anreizprobleme resultieren aus einem „Hold Up“-Problem: Nachdem das Unternehmen investiert hat, könnte der andere Vertragspartner versuchen, in späteren Nachverhandlungen die Vertragskonditionen nachträglich zu seinen Gunsten zu ändern. Zum Beispiel könnte ein Automobilproduzent von seinem Zulieferer verlangen, die Preise zu senken, nachdem der Zulieferer in spezielle Fertigungsanlagen investiert hat, um eben diesen Hersteller zu beliefern. Der Zulieferer antizipiert dieses Verhalten und wird dann nicht bereit sein, in ausreichendem Maße zu investieren. Eine Internalisierung verändert die Eigentumsrechte zwischen den Beteiligten und kann dadurch das Investitionsproblem abmildern (siehe auch Abschnitt 9.5). 5 Schließlich ergeben sich Internalisierungsvorteile auch aus der Natur firmenspezifischer Vorteile, die oft nur sehr eingeschränkt auf andere Vertragspartner übertragen werden können. Beispielsweise sind Vorteile aufgrund einer bestimmten Unternehmenskultur nur schwer zu kodifizieren. Damit können sie auch kaum zum Bestandteil eines Vertrages zwischen unabhängigen Unternehmen gemacht werden. 3. Horizontale und vertikale multinationale Unternehmen. Eine stilisierte Typologie unterscheidet zwischen horizontalen und vertikalen multinationalen Unternehmen. Ein vertikales multinationales Unternehmen führt verschiedene Teilbereiche der Produktion in unterschiedlichen Ländern aus. Bei einem horizontalen multinationalen Unternehmen wird hingegen der gesamte Produktionsprozess in verschiedenen Ländern dupliziert. Schaubild 9.4 stellt diese beiden Idealtypen gegenüber. In der Realität sind häufig Mischformen beider Typen anzutreffen, die sowohl horizontale als auch vertikale Elemente aufweisen. Beispielsweise kann ein multinationales Unternehmen seinen Firmensitz und einige zentrale Bereiche der Produktion in einem Land unterhalten und zudem an weiteren Standorten in der Welt produzieren und absetzen. 5 Für eine formale Darstellung siehe Grossman und Hart (1986). Inland Ausland Fabrik X Fabrik Y Horizontales MNU Fabrik X Ausland Vertikales MNU Fabrik Y Inland Schaubild 9.4: Horizontale und vertikale Multinationale Unternehmen <?page no="154"?> 146 9. Faktorwanderungen und multinationale Unternehmen 4. Horizontale multinationale Unternehmen. Die wesentlichen Motive für das Entstehen eines horizontalen multinationalen Unternehmens lassen sich in einem einfachen Modellansatz abbilden. 6 Dafür gehen wir aus von einem inländischen Monopolunternehmen, das im Inland seine Firmenzentrale hat und vor der Entscheidung steht, ob es seine Produkte ins Ausland exportieren oder eine ausländische Produktionsstätte eröffnen soll. Ein Export ist mit Transportkosten verbunden. Durch eine Produktionsstätte im Ausland (eine Direktinvestition) spart das Unternehmen diese Transportkosten ein, muss aber zusätzliche Fixkosten für die Produktion im Ausland aufwenden. Schaubild 9.5 zeigt die Situation des Unternehmens auf dem Auslandsmarkt. Das Unternehmen wählt auf dem Auslandsmarkt einen Preis, bei dem der Grenzerlös den Grenzkosten einschließlich Transportkosten entspricht. Der Grenzerlös wird durch die gestrichelte Linie dargestellt. Die Grenzkosten bei einem Export sind ⋅ ⋅ 1 , mit als Arbeitskoeffizient, als inländischem Lohnsatz und als Eisberg-Transportkosten. Das Unternehmen wählt den gewinnmaximierenden Preis d und macht dann auf dem Auslandsmarkt einen Gewinn in Höhe der Fläche gbcd. Wenn das Monopol hingegen eine Produktionsstätte im Ausland errichtet, dann betragen die Grenzkosten ⋅ ∗ . Wir nehmen an, dass im In- und Ausland der gleiche Lohnsatz gilt. Dann ist ⋅ ∗ ⋅ ⋅ ⋅ 1 . Der Angebotspreis sinkt demnach bei einer Produktion vor Ort auf Oz. Der Gewinn, der mit der ausländischen Produktionsstätte erzielt wird, entspricht dann der Fläche wxyz abzüglich der zusätzlichen Fixkosten. Das Unternehmen wird eine Produktionsstätte im Ausland errichten, wenn die Differenz zwischen wxyz und gbcd größer ist als die Fixkosten. 6 Eine ausführlichere Darstellung findet sich in Markusen (2004, Kap. 2). Schaubild 9.5: Preise und Mengen bei Exporten und Produktion im Ausland <?page no="155"?> 9.4 Direktinvestitionen und multinationale Unternehmen 147 Die Entscheidung zwischen Export und multinationaler Produktion wird also in diesem Ansatz maßgeblich von den Transportkosten auf der einen Seite und den Fixkosten auf der anderen Seite beeinflusst. Je höher die Transportkosten, desto geringer der Gewinn aus einem Export und desto eher ist die Produktion im Ausland lohnenswert. Je höher die Fixkosten, desto unattraktiver ist die Auslandsproduktion. Dieser Zusammenhang ist noch einmal in Schaubild 9.6 abgebildet. Dort kennzeichnet den Gewinn aus einem Export und den Gewinn bei Produktion im Ausland. Bei einer linearen Nachfrage ⋅ gilt für die gewinnmaximierende Angebotsmenge bei Export ⋅ 2 ⋅ ⁄ und bei multinationaler Produktion von ⋅ ∗ ⋅ 1 2 ⋅ ⁄ . Daraus ergeben sich Gewinne von ⋅ ⋅ 1 4 ⋅ und ⋅ ∗ 4 ⋅ ⋅ ∗ . (9.1) nimmt mit steigenden Transportkosten ab, während unabhängig von ist. In Punkt A führen Exporte und Auslandsproduktion zum gleichen Gewinn, rechts davon lohnt sich die Auslandsproduktion für das Unternehmen. Wenn die Fixkosten sinken, dann verschiebt sich die Kurve nach oben. Nun lohnt sich eine Auslandsproduktion schon ab dem Punkt A’ bei einem geringeren Wert für die Transportkosten. Die Nachfragebedingungen auf dem Auslandsmarkt spielen ebenfalls eine Rolle für die Entscheidung zwischen Export und Auslandsinvestition. Das sehen wir, wenn wir den Term der Preis-Absatz-Funktion variieren. Dieser kann als Indikator für die Größe des Auslandsmarkts interpretiert werden. Je kleiner , desto größer ist die Menge, die das Unternehmen bei einem bestimmten Preis absetzen kann. Ein Rückgang von (ein Anstieg der Marktgröße im Ausland) begünstigt die Auslandsproduktion im Vergleich zum Export und führt zu einem Rückgang der kritischen Transportkosten. A ' A x I O I ' Schaubild 9.6: Export oder horizontales multinationales Unternehmen <?page no="156"?> 148 9. Faktorwanderungen und multinationale Unternehmen H I X k rit k rit x k rit I Schaubild 9.7: Exporte und multinationale Unternehmen bei unterschiedlichen Produktivitäten Aussage 9.3: Horizontale multinationale Unternehmen treten umso eher auf, je geringer die Fixkosten für eine ausländische Produktionsstätte sind, je größer der ausländische Markt ist und je höher die Transportkosten sind. 5. Heterogene Unternehmen. In Abschnitt 7.4 haben wir gesehen, dass exportierende Unternehmen größer sind und eine höhere Arbeitsproduktivität haben als Unternehmen, die ausschließlich auf dem heimischen Markt aktiv sind. Dieser Ansatz lässt sich erweitern auf horizontale multinationale Unternehmen. Schaubild 9.7 vergleicht die Gewinne auf dem heimischen Markt mit denen aus einem Export ins Ausland und bei einer Produktion im Ausland in Abhängigkeit von der Arbeitsproduktivität 1/ der Unternehmen. Wenn ein Unternehmen exportiert, dann fallen zusätzlich zu den Eisberg-Transportkosten noch fixe Exportkosten an. Aufgrund der Eisberg-Transportkosten verläuft die -Kurve flacher als die Kurve , die den Gewinn auf dem inländischen Markt angibt. Aufgrund der fixen Exportkosten hat einen negativen Y-Achsenabschnitt. Wie in Abschnitt 7.4 gehen wir von relativ hohen Fixkosten des Exports aus, so dass die kritische Produktivität , ab der ein Unternehmen exportiert, höher ist als die Produktivität , ab der ein Unternehmen auf dem heimischen Markt aktiv wird. Die fixen Kosten der Produktion im Ausland sind noch höher als die fixen Exportkosten. Daher verläuft für geringe Produktivitäten unterhalb von . Da jedoch die Eisberg-Transportkosten bei einer Produktion im Ausland wegfallen, ist die Kurve steiler als ( verläuft parallel zu , <?page no="157"?> 9.4 Direktinvestitionen und multinationale Unternehmen 149 wenn In- und Auslandsmarkt gleich groß sind). Es gibt somit einen Schnittpunkt zwischen und bei . Rechts von diesem Schnittpunkt ist die Auslandsproduktion aus Sicht des Unternehmens attraktiver als ein Export ins Ausland. Sofern der Schnittpunkt bei einem positiven Gewinn liegt, wie in Schaubild 9.7 eingezeichnet, können wir nun - abhängig von der Produktivität - drei Unternehmenstypen unterscheiden: Unternehmen mit einer Produktivität zwischen und sind ausschließlich auf dem heimischen Markt aktiv. Exporte oder die Produktion im Ausland lohnen sich für diese Unternehmen nicht. Unternehmen mit einer Produktivität zwischen und bedienen den Auslandsmarkt ausschließlich durch Exporte. Die produktivsten Unternehmen schließlich, mit , gründen eine Produktionsstätte im Ausland und sind horizontale multinationale Unternehmen. 6. Vertikale multinationale Unternehmen. Unterschiedliche Faktorpreise zwischen den Ländern können zur Entstehung von vertikalen multinationalen Unternehmen führen. Durch eine Fragmentierung kann ein Unternehmen seine Wertschöpfungskette auftrennen (Krugman 1995b). Es zerlegt somit die Gesamtproduktion in mehrere Teilschritte mit unterschiedlichen Faktorintensitäten und führt die einzelnen Teile an verschiedenen Standorten aus. Ein Unternehmen kann beispielsweise besonders arbeitsintensive Schritte der Produktion in Niedriglohnländer verlagern, während die Unternehmenszentrale an einem (sach- oder human-)kapitalreichen Hochlohnstandort verbleibt und von dort aus kapitalintensive „headquarter services“ (Management, Forschung und Entwicklung) erbringt. Der folgende Abschnitt 9.5 greift diesen Ansatz auf. Kasten 9.1: Deutsche Direktinvestitionen im Ausland Tabelle 9.K.1 zeigt die deutschen Direktinvestitionsbestände im Ausland im Jahr 2010. Insgesamt sind deutsche Unternehmen mit Direktinvestitionen bei mehr als 32.000 ausländischen Unternehmen engagiert mit mehr als 6 Millionen Beschäftigten. Das Volumen der deutschen Direktinvestitionen beträgt über 1 Mrd. Euro. Geografischer Schwerpunkt der deutschen Direktinvestitionstätigkeit ist Europa mit einem Anteil von 61 Prozent am Investitionsvolumen. Das zweite große Anlagegebiet ist Nordamerika mit weiteren 24 Prozent am Investitionsvolumen. Mit einem Anteil von lediglich 8 Prozent ist der gesamte asiatische Raum weitaus weniger bedeutend als Zielregion für deutsche Direktinvestitionen. Vergleicht man das Investitionsvolumen mit der Zahl der ausländischen Unternehmen, so zeigt sich, dass das Investitionsvolumen pro Unternehmen in Nordamerika deutlich höher ist als in Europa und auch in Asien. Die Relation von Investitionsvolumen zu den Beschäftigten im Ausland deutet darauf hin, dass in Asien arbeitsintensiver produziert wird als in den anderen Regionen. Auch ist der Umsatz je <?page no="158"?> 150 9. Faktorwanderungen und multinationale Unternehmen Mitarbeiter bei den Investitionsprojekten in Asien vergleichsweise gering. Das Absatzmotiv könnte demnach bei den Direktinvestitionen weniger im Vordergrund steht als in anderen Regionen. Eine empirische Analyse mit Hilfe eines Gravitationsmodells zeigt, dass sich - ähnlich wie beim Handel - die Größe des Partnerlandes positiv und die Entfernung zu Deutschland negativ auf die Höhe der deutschen Direktinvestitionen im Ausland auswirkt (Buch et al. 2005). Tabelle 9.K.1. Deutsche Direktinvestitionen im Ausland, 2010 Volumen a Unternehmen im Ausland Umsatz im Ausland b, c Beschäftigte im Ausland b, d Gesamt 1 075,0 32 366 2 021,6 6 027 Europa 660,7 20 221 1 183,6 3 340 Eurozone 376,1 10 598 615,2 1 405 Sonstige EU-25 77,7 2 960 181,5 601 Nordamerika 253,6 4 649 354,5 788 Asien 90,0 4 279 302,9 1 149 a Bestände an unmittelbaren und mittelbaren Direktinvestitionen in Mio. €, b ohne abhängige Holdinggesellschaften, c Mrd. €, d Tausend. Quelle: Deutsche Bundesbank, Zeitreihen-Datenbank. 9.5 Offshoring 1. Fragmentierung der Produktion durch Offshoring. Offshoring bedeutet, dass Unternehmen einzelne Teile ihrer Produktion aus dem Inland ins Ausland verlagern. Damit ist Offshoring mit einer Fragmentierung des Produktionsprozesses verbunden. Die Fragmentierung kann sowohl innerhalb eines Unternehmens geschehen (vertikales multinationales Unternehmen) als auch dadurch, dass einzelne Teile der Produktion von Drittunternehmen im Ausland durchgeführt werden („Offshore Outsourcing“). Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Organisationsformen wird am Ende dieses Kapitels noch einmal aufgegriffen. Zunächst steht die Frage im Vordergrund, wodurch es zu einer Fragmentierung der Produktion kommen kann und welche Konsequenzen sich für die Faktormärkte in den beteiligten Ländern ergeben. Offshoring und insbesondere die Verlagerung arbeitsintensiver Teile der Produktion werden häufig als Bedrohung für die Arbeitskräfte in den industrialisierten Hochlohnländern gesehen. Offshoring kann in diesem Zusammenhang ähnliche Wirkungen haben wie internationaler Güterhandel im Heckscher-Ohlin-Modell und zu einem Rück- <?page no="159"?> 9.5 Offshoring 151 gang der Entlohnung des Faktors Arbeit in einem kapitalreichen Industrieland führen. Mit Offshoring können aber auch positive Effekte für die Arbeiter in den Industrieländern verbunden sein, indem die Produktion insgesamt kostengünstiger wird. Nachfolgend werden beide Effekte in jeweils voneinander getrennten Modellrahmen dargestellt. 2. Offshoring im Heckscher-Ohlin-Modell. In einem Heckscher-Ohlin-Modellrahmen besteht dann ein Anreiz zur Fragmentierung der Produktion, wenn der Handel mit Endprodukten nicht ausreicht, um zu einem Faktorpreisausgleich zu kommen. Wie wir in Abschnitt 5.5 gesehen haben, ist das bei einer vollständigen Spezialisierung der Produktion der Fall. Schaubild 9.8 stellt diesen Fall im Harrod-Johnson-Diagramm dar. Wir gehen zur Vereinfachung von einem kleinen offenen Land aus, das gegebenen Weltmarktpreisen für seine beiden Endprodukte 1 und 2 gegenübersteht. Im Ausgangspunkt ist eine Fragmentierung der Produktion nicht möglich. Die -Strahlen geben die Kapitalintensität in der Produktion der beiden Güter in dem Land in Abhängigkeit vom Lohn-Zins-Verhältnis an. Bei einer Kapitalausstattung pro Arbeiter von kann sich das Lohn-Zins-Verhältnis nur im Bereich zwischen A und B bewegen. Wenn nun der Weltmarktpreis bei ∗ liegt, dann beträgt (bei unvollständiger Spezialisierung des Auslands) das Lohn-Zins-Verhältnis im Ausland ∗ ∗ ⁄ . Dieses Lohn-Zinsverhältnis liegt unterhalb der Untergrenze für das inländische Lohn-Zins-Verhältnis von A. Das Inland spezialisiert sich demnach vollständig auf das kapitalintensive Gut 2. Nehmen wir nun an, dass eine Fragmentierung der Produktion von Gut 2 möglich wird, dass also der Produktionsprozess für Gut 2 aufgeteilt werden kann in zwei Teilprozesse. Der eine Teilprozess ist arbeitsintensiv mit einer Kapitalintensität , der andere Teilprozess ist kapitalintensiv mit . Diese Kapitalintensitäten sind ebenfalls in Schaubild 9.8 eingezeichnet. Wir sehen, dass sich aufgrund von nun die Untergrenze für das inländische Lohn-Zins- Verhältnis nach unten verschiebt (auf A’). Das Lohn-Zins-Verhältnis geht entsprechend im Inland zurück, bis es dem Verhältnis im Ausland entspricht. Durch die Aufspaltung der Gesamtproduktion von Gut 2 kann sich das Inland auf den kapitalintensiveren Teilprozess der Produktion von Gut 2 fokussieren, wodurch die Nachfrage nach Arbeit relativ zu Kapital zurückgeht. 7 Fragmentierung ermöglicht in diesem Fall eine weitere Anpassung der inländischen Faktorpreise an das Weltmarktniveau. Die Verteilungseffekte sind vergleichbar zu denen des Güterhandels: Für den Faktor Arbeit im kapitalreichen Inland sinkt das Einkommen, während der Faktor Kapital gewinnt. 7 Eine eindeutige Aussage über die Produktionsstruktur bei Fragmentierung ist allerdings nicht mehr ohne weiteres möglich. Das Modell entspricht in Bezug auf diesen Aspekt einem Heckscher-Ohlin-Modell mit 3 Gütern und 2 Produktionsfaktoren (siehe Abschnitt 6.6). <?page no="160"?> 152 9. Faktorwanderungen und multinationale Unternehmen l/ r k i p k k 2 k 1 A ' p * O B k 2 2 k 2 1 A l* / r * Schaubild 9.8: Fragmentierung bei spezialisierter Produktion Aussage 9.4: Offshoring als Fragmentierung der Produktion kann ausgehend von einer spezialisierten Produktion zu einem Faktorpreisausgleich führen. 3. Kostensenkungen durch Offshoring. Den Kostensenkungseffekt des Offshoring mit ganz anderen Konsequenzen für den Faktor Arbeit betonen Grossman und Rossi-Hansberg (2008). Nach ihrem Ansatz können die inländischen Unternehmen durch Offshoring den Produktionsprozess zwischen heimischen ausländischen Arbeitern aufteilen und so ihre Arbeitskosten pro Stück senken. Dieser Effekt ist vergleichbar mit einer Produktivitätssteigerung der heimischen Arbeiter und wirkt somit auf eine Lohnsteigerung im Inland hin. Dieser Zusammenhang lässt sich in einem einfachen Modellansatz verdeutlichen: Wir gehen hierfür wieder von einem Heckscher-Ohlin-Modellrahmen mit zwei Gütern ( 1,2) und den beiden Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital aus. Der Faktor Arbeit wird in der Produktion zur Erledigung einer Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben eingesetzt. Die Unternehmen können jede einzelne dieser Aufgaben entweder im Inland erbringen lassen oder im Ausland (Offshoring). Beim Offshoring einer Aufgabe fallen zusätzlich zu den reinen Produktionskosten weitere Offshoring-Kosten in der Form von Eisberg-Kosten an. Aufgabe , die im Ausland erledigt wird, erfordert dann 1 ⋅ Arbeitseinheiten im Vergleich zu Arbeitseinheiten im Inland, mit 0. Offshoring-Kosten werden beispielsweise durch den zusätzlichen Kommunikations- und Koordinationsaufwand einer länderübergreifenden Produktion verursacht. Die Offshoring-Kosten sind <?page no="161"?> 9.5 Offshoring 153 jedoch nicht bei allen Aufgaben gleich hoch. Wir können uns vorstellen, dass einige Aufgaben sehr leicht verlagerbar sind, da hierfür nur wenig Koordinationsaufwand erforderlich ist (sog. „Routineaufgaben“), während bei anderen Aufgaben die Offshoring-Kosten deutlich höher sind. Wir nehmen hierbei an, dass wir die einzelnen Arbeitsschritte nach der Höhe der Offshoring-Kosten sortieren können, so dass sie mit zunehmendem ansteigen: ⁄ 0 und normieren zwischen 0 und 1. Die Variable bezeichnet wieder den Arbeitskoeffizienten (Arbeitseinheiten pro Outputeinheit) in der Produktion von Gut . Eine Aufgabe wird in diesem Ansatz im Ausland durchgeführt, wenn ⋅ 1 ⋅ ∗ ⋅ . Schaubild 9.9a illustriert die Offshoring-Entscheidung eines Unternehmens. Der Punkt H bezeichnet diejenige Aufgabe, bei der die Kosten im In- und Ausland gerade gleich hoch sind. Alle Aufgaben mit geringeren Offshoring-Kosten als in ( ) werden demnach im Ausland erledigt, die Aufgaben rechts davon ( ) verbleiben im Inland. Wenn nun die Offshoring-Kosten zurückgehen - wenn für alle sinkt - dann verschiebt sich die Kurve ⋅ 1 ⋅ ∗ nach unten. In Schaubild 9.9b werden die Offshoring- Kosten dann durch die gestrichelte Kurve dargestellt. Als Folge davon verlagern die Unternehmen nun mehr Aufgaben ins Ausland, das Ausmaß des Offshoring steigt. In Schaubild 9.9b liegt der neue Schnittpunkt ’ rechts von . b a a 1 c a Ai . l h h c b b' a' a Ai . [1+ (h)] l * β H 1 H' . 0 0 Schaubild 9.9: Gleichgewichtige Verlagerung von Aufgaben Die Wirkungen von Offshoring auf die gesamten Arbeitskosten in der Produktion lassen sich nun auch anhand von Schaubild 9.9 darstellen. Wenn alle Aufgaben der Produktion im Inland erledigt werden, dann betragen die Arbeitskosten pro Stück ⋅ . Mit Offshoring des Teils der Aufgaben verringern sich die Arbeitskosten pro Stück. Im Inland fallen dann nur noch Arbeitskosten in Höhe von 1 ⋅ ⋅ an. In Schaubild 9.9a ist das die Fläche zwischen den Punkten H, b, c und 1. Die Arbeitskosten im Ausland entsprechen der Fläche 0abH. <?page no="162"?> 154 9. Faktorwanderungen und multinationale Unternehmen Insgesamt betragen dann die Arbeitskosten pro Stück Oabc1. Durch Offshoring kann das Unternehmen insgesamt kostengünstiger produzieren. Wenn nun die Offshoring-Kosten zurückgehen, dann verkleinert sich diese Fläche (auf Oa’b’c1). Damit verringern sich bei gegebenen Lohnsätzen die Arbeitskosten in der Produktion. Die Folgen dieses Kostensenkungseffekts für den Lohn des Faktors Arbeit werden am deutlichsten, wenn wir von einem kleinen offenen Land ausgehen, das gegebenen Güterpreisen gegenübersteht. Bei vollständiger Konkurrenz machen die Unternehmen keine Gewinne und der Absatzpreis muss jeweils den Stückkosten bei der Produktion des Gutes entsprechen. Da mit einem Rückgang der Offshoring-Kosten bei gegebenen Löhnen die Stückkosten zurückgehen würden, kann der inländische Lohnsatz ansteigen, ohne dass sich die Stückkosten verändern. 8 Dann ist bei gegebenen Preisen nach wie vor die Nullgewinnbedingung in beiden Sektoren erfüllt. In einem kleinen offenen Land und unter den beschriebenen Modellbedingungen erhöht sich somit durch den Rückgang der Offshoring-Kosten der Lohnsatz im Inland. Diese lohnsteigernde Wirkung ist formal analog zu einem Anstieg der Arbeitsproduktivität im Inland, die dazu führen würde, dass der inländische Arbeitskoeffizient zurückgeht. Aussage 9.5: Offshoring lässt sich auch als Verlagerung von Produktionsaufgaben ins Ausland darstellen. Ein Rückgang der Kosten des Offshoring erhöht den Anteil der Aufgaben die im Ausland statt im Inland erledigt werden, und wirkt wie ein Anstieg der Arbeitsproduktivität auf den inländischen Lohnsatz. 4. Outsourcing. Anstatt selbst im Ausland zu produzieren, könnte das Unternehmen auch Outsourcing betreiben und seine Vorprodukte von unabhängigen ausländischen Anbietern beziehen. Wie oben beschrieben, hängt die Entscheidung zwischen einer Eigenproduktion und Outsourcing davon ab, ob und in welchem Ausmaß Internalisierungsvorteile bestehen. Eine Erklärung für mögliche Internalisierungsvorteile ist das Hold up-Problem, das bei unvollständigen Verträgen auftreten kann und zu ineffizient geringen Investitionen der Vertragspartner führt. Es ist zu erwarten, dass Hold up eher ein Problem darstellt bei sehr innovativen technologieintensiven Produktionsbereichen im Vergleich zu „alten“ standardisierten Teilen der Produktion (Antras 2005a). Ebenso lässt sich argumentieren, dass eine Beziehung besteht zwischen der Kapitalintensität einer Industrie und Hold up, so dass in kapitalintensiven Sektoren eher vertikale Integration im Vergleich zum Outsourcing zu beobachten ist als in arbeitsintensiven Bereichen (Antras 2003). 8 Die Gerade ⋅ verschiebt sich dann im Schaubild 9.9b nach oben, bis die Fläche 0a’b’c1 gleich der Fläche 0abc1 in Schaubild 9.9a ist. <?page no="163"?> 9.5 Offshoring 155 Ein einfaches Modell verdeutlicht das Hold up-Argument und den Zusammenhang zur Outsourcing-Entscheidung. 9 Ausgangspunkt ist der Produktionsprozess eines inländischen Monopolunternehmens, bei dem eine bestimmte Aufgabe ins Ausland ausgelagert werden soll. Zur Erledigung der Aufgabe sind spezifische Investitionen des inländischen Unternehmens und des ausländischen Partners erforderlich, z.B. für den Aufbau einer speziellen Produktionsanlage oder für die Mitarbeiterschulung. Der Erlös des Unternehmens hängt von der Höhe dieser Investitionen ab: , , mit positiver erster Ableitung ( 0 und 0) und negativer zweiter Ableitung ( 0 und 0). Dabei bezeichnen die Investitionen des inländischen Mutterunternehmens und die des ausländischen Partners. Die Grenzkosten für diese Investitionen sind durch gegeben. Die optimale Investitionshöhe maximiert somit , ⋅ ⋅ , was zu einem Optimum führt bei . Der Grenzerlös aus einer Erhöhung der Investitionen beider Unternehmen muss jeweils den Grenzkosten von entsprechen. Dieses Optimum lässt sich z.B. dadurch erreichen, dass die Unternehmen einen Vertrag miteinander schließen, der die Investitionen beider Vertragspartner eindeutig spezifiziert. Wenn hingegen die Investitionsentscheidung dem jeweiligen Unternehmen überlassen werden soll, dann müsste der Vertrag dafür sorgen, dass der Grenzertrag aus der jeweiligen Investition vollständig dem investierenden Unternehmen zukommt. Beide Unternehmen stehen nun vor dem Problem, dass sie bei Outsourcing häufig keine solchen Verträge schließen können, welche die optimale Investitionshöhe gewährleisten. So sind die spezifischen Investitionen der Vertragspartner häufig nicht oder nur unvollständig beobachtbar bzw. verifizierbar. Dann kann ein Vertrag, der die Investitionshöhe spezifiziert, nur sehr eingeschränkt (z.B. vor einem Gericht) durchgesetzt werden. Um diese Situation im Modell abzubilden, nehmen wir an, dass beide Vertragspartner unabhängig voneinander über ihre jeweiligen Investitionen entscheiden. Der ausländische Vertragspartner bestimmt dann alleine und das inländische Unternehmen wiederum entscheidet über . Nachdem die Investitionen getätigt wurden und die gemeinsamen Erlöse realisiert sind, teilen die Unternehmen diese Erlöse untereinander auf. In dieser Konstellation kommen die zusätzlichen Erlöse aus einer Investition nicht alleine dem investierenden Unternehmen, sondern auch zum Teil dem jeweils anderen Unternehmen zugute. Zur Vereinfachung wird der Verhandlungsprozess zur Verteilung der Erlöse nicht weiter modelliert, sondern es wird angenommen, dass das inländische Unternehmen den Anteil an den Erlösen erwartet und das ausländische Unternehmen den Anteil 1 . Bei seiner Investitionsentscheidung maximiert das inländische Unternehmen demnach ⋅ , ⋅ , was zur Bedingung ⋅ führt, während das ausländische Unternehmen 9 Siehe Antras (2005b), Antras und Rossi-Hansberg (2009) sowie Barba-Navaretti und Venables (2006) für eine ausführlichere formale Darstellung. <?page no="164"?> 156 9. Faktorwanderungen und multinationale Unternehmen 1 ⋅ , ⋅ maximiert, woraus 1 ⋅ folgt. Jedes einzelne Unternehmen trägt die vollen Grenzkosten der eigenen Investition, erhält aber nur noch einen Anteil am Grenzgewinn. Die gleichgewichtige Investitionshöhe beider Unternehmen ist demnach geringer als im Optimum. Dabei hängt die Abweichung vom Optimum von der Höhe des Erlösanteils ab. Wenn sehr gering ist, dann investiert das inländische Unternehmen sehr wenig in das gemeinsame Projekt, während die ausländische Investition vergleichsweise nah am Optimum ist. Schaubild 9.10 illustriert dieses Ergebnis und stellt beispielhaft die Situation des inländischen Unternehmens dar. Die optimale Investitionshöhe ist gegeben im Schnittpunkt B von Grenzerlös und Grenzkosten, während Punkt B’ das Investitionskalkül des inländischen Unternehmens mit unvollständigen Verträgen und Hold up abbildet. c E I ω E I ω E I E , I B I B I o ut I o pt I . . Durch Gründung einer eigenen ausländischen Produktionsstätte kann das inländische Unternehmen auf das Problem der verzerrten Investitionsanreize reagieren. Dann bildet sich ein vertikales multinationales Unternehmen heraus. Nach wie vor entscheidet das inländische Mutterunternehmen über und das ausländische Tochterunternehmen über A. Durch die vertikale Integration verändern sich jedoch die Eigentumsverhältnisse an den ausländischen Produktionsanlagen. Bei vertikaler Integration gehört das ausländische Produktionskapital dem Mutterunternehmen aus dem Inland, bei Outsourcing hingegen dem unabhängigen ausländischen Vertragspartner. Das Eigentum an den Produktionsanlagen wiederum verbessert die Verhandlungsposition, wenn es um die Aufteilung des Schaubild 9.10: Investitionen bei Outsourcing <?page no="165"?> Weiterführende Literatur 157 gemeinsamen Erlöses geht. Das Mutterunternehmen kann damit drohen, sich statt des eigenen Tochterunternehmens einen anderen Partner zu suchen, der mit den Produktionsanlagen arbeitet. Damit steigt der Anteil , den das inländische Unternehmen bei der Verteilung des gemeinsamen Erlöses erzielen kann. Die gestrichelte Kurve in Schaubild 9.10 verlagert sich nach rechts und das inländische Unternehmen investiert näher am Optimum. Allerdings verschlechtert sich über die gleiche Argumentation der Investitionsanreiz für das ausländische Tochterunternehmen. Die Entscheidung zwischen Outsourcing und vertikaler Integration hängt nun maßgeblich davon ab, wie bedeutend die Investition des inländischen Unternehmens ist im Vergleich zu . Hat die Investition des inländischen Unternehmens einen relativ großen Einfluss auf den gemeinsamen Erlös, dann sollten dem inländischen Unternehmen auch relativ hohe Investitionsanreize gegeben werden, was für eine vertikale Integration spricht. Umgekehrt ist Outsourcing vorteilhafter, wenn die Investition des ausländischen Unternehmens relativ wichtig ist für den gemeinsamen Erlös. Weiterführende Fragen 1. Diskutieren Sie, wie sich die Wohlfahrtswirkungen der internationalen Migration empirisch messen lassen (Hanson 2009). 2. Diskutieren Sie, wie sich die Erklärungsansätze zu horizontalen und vertikalen multinationalen Unternehmen miteinander kombinieren lassen, um komplexere Unternehmensstrukturen zu erklären (Yeaple 2003; Ekholm et al. 2007). 3. Analysieren Sie, wie vertikale multinationale Unternehmen in einen Modellansatz mit Produktdifferenzierung und unvollständigem Wettbewerb integriert werden können (Helpman 1984a). Weiterführende Literatur Deardorff, A. V. (2001). Fragmentation in Simple Trade Models. North American Journal of Economics and Finance 12: 121—137. Hanson, G. H. (2009). The Economic Consequences of the International Migration of Labor. Annual Review of Economics 1: 179—208. Helpman, E. (1984a). A Simple Theory of International Trade with Multinational Corporations. Journal of Political Economy 92: 451-471. Markusen, J. R. (2004). Multinational Firms and the Theory of International Trade. MIT Press. <?page no="167"?> 10. Tauschverhältnis und Handelsgleichgewicht „Wenn jedes Land nur eine Ware aus- und einführt, bestimmen die komparativen Kosten nur die Grenzen, zwischen denen das Austauschverhältnis liegen muss; die genaue Lage in diesem Bereich hängt von der Nachfrage jedes der beiden Länder nach den Exportwaren des anderen ab.“ Gottfried Haberler * In diesem Kapitel analysieren wir die Bestimmung des Relativpreises (des Tauschverhältnisses) zwischen in- und ausländischen Gütern im Handelsgleichgewicht. Die Konsistenzanforderungen an das Gleichgewicht werden in Abschnitt 10.1 erörtert. Wie das Handelsgleichgewicht mit Hilfe von Tauschkurven dargestellt werden kann, ist Gegenstand des Abschnitts 10.2. Abschnitt 10.3 befasst sich mit den Wohlfahrtsgewinnen aus Handel für die Welt insgesamt und die einzelnen Länder. In Abschnitt 10.4 wird schließlich die Frage nach den Folgen einer Veränderung des Tauschverhältnisses angesprochen. 10.1 Konsistenz der Tauschpläne und Gleichgewicht 1. Ausgangspunkt. In den Kapiteln 4 bis 7 haben wir verschiedene Ansätze kennengelernt, die erklären können, warum Länder miteinander handeln und welche Anpassungsprozesse sich in den Ländern nach Aufnahme von Handel abspielen. Dieses Kapitel beschäftigt sich nun eingehender mit dem weltweiten Gleichgewicht, das sich bei internationalem Freihandel einstellt. Im Handelsgleichgewicht werden die relativen Preise bestimmt, bei denen die Weltgütermärkte geräumt sind. Damit determiniert das Handelsgleichgewicht auch das Tauschverhältnis zwischen Exporten und Importen, die Terms of Trade, für die einzelnen Länder. 2. Überschussnachfrage. Das Inland wird Gut ins Ausland exportieren, wenn die produzierte Menge dieses Gutes die Eigennachfrage übersteigt. Dagegen wird das Inland das Gut aus dem Ausland importieren, wenn seine Eigennachfrage größer ist als die heimische Produktion. Die Differenz zwischen heimischer Nachfrage und heimischer Produktion ist die Überschussnachfrage. Bezeichnet man die produzierten Mengen weiterhin mit und die Eigennachfrage mit , so ist die Überschussnachfrage definiert als . (10.1) * Der internationale Handel, Berlin 1933, S. 110. <?page no="168"?> 160 10. Tauschverhältnis und Handelsgleichgewicht Für 0 ist die Eigennachfrage größer als die heimische Produktion; die Überschussnachfrage ist dann positiv und das Land beabsichtigt, das Gut zu importieren. kennzeichnet die Importmenge. Für 0 ist die Eigennachfrage kleiner als die heimische Produktion; die Überschussnachfrage ist negativ und das Land beabsichtigt, das Gut zu exportieren. - kennzeichnet die Exportmenge. 3. Gleichgewicht auf den Gütermärkten. Der Gütermarkt für Gut i ist im Gleichgewicht, wenn die Tauschpläne der beiden Länder konsistent sind, d.h., wenn das Inland die gleiche Menge des Gutes i als Exportgut anbietet, die das Ausland als Importgut nachfragt bzw. umgekehrt. Folglich gilt im Gleichgewicht, dass für Gut i die negative Überschussnachfrage des Inlands mit der positiven Überschussnachfrage des Auslands übereinstimmen muss: ∗ 0 bzw. ∗ für 1,2. (10.2) Diese Bedingung bezieht sich auf das Gleichgewicht auf beiden Gütermärkten, also auf das Weltmarktgleichgewicht. Bezeichnet man mit w i E die Weltüberschussnachfrage nach dem Gut i, so kann man das Gleichgewicht auch dadurch beschreiben, dass die Weltüberschussnachfrage null ist, d.h. ∗ 0. Mit (10.1) lässt sich die Gleichgewichtsbedingung (10.2) auch darstellen als ∗ ∗ . Die weltweit konsumierten Mengen von Gut i müssen mit der Weltproduktion übereinstimmen. 4. Budgetrestriktion. Die Budgetrestriktion eines Landes verlangt, dass der Wert der konsumierten Gütermengen des Landes (Sozialprodukt von der Verwendungsseite) dem Volkseinkommen (Sozialprodukt von der Entstehungsseite) entspricht. Die Tauschwünsche des Landes müssen mit seiner Budgetrestriktion vereinbar sein. Damit müssen auch die Budgetrestriktionen beider Länder im Tauschgleichgewicht erfüllt sein. Das Volkseinkommen entspricht dem Wert der produzierten Gütermengen. Es gilt demnach für das Inland die folgende Budgetrestriktion: ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ . Daraus folgt ⋅ ⋅ 0 bzw. ⋅ ⋅ 0. Mit ⁄ als Relativpreis lässt sich die Budgetrestriktion schreiben als ⋅ 0. (10.3) 5. Handelsbilanzausgleich. Die Budgetrestriktion impliziert, dass die Handelsbilanz ausgeglichen ist. Der Handelsbilanzsaldo in heimischer Währung (Euro) ist definiert als die Differenz von Exportwert € und Importwert € . Mit Gut 1 als Exportgut des Inlands und Gut 2 als Importgut gilt 0 und € ⋅ sowie 0 und € ⋅ . Für den Handelsbilanzsaldo gilt dann aufgrund von Gleichung (10.3) € € ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ 0. (10.4) <?page no="169"?> 10.2 Marshall-MiII-Tauschkurven 161 6. Tauschverhältnis. Die Überschussnachfrage eines Landes wird von einer Reihe von Faktoren beeinflusst: den Produktionsbedingungen, der Faktorausstattung, den Nachfrageverhältnissen usw. Im Folgenden konzentrieren wir uns auf den Einfluss des Güterpreisverhältnisses auf die Überschussnachfrage. Wir können dann die Überschussnachfrage als Funktion des Preisverhältnisses schreiben, d.h. . Abschnitt 10.2 zeigt, wie sich eine solche preisabhängige Überschussnachfragefunktion aus der Transformationskurve, der Nachfrage und der Budgetrestriktion eines Landes ableiten lässt. Damit ergeben sich als Bedingungen für den Relativpreis im Freihandelsgleichgewicht ∗ 0 und ∗ 0. (10.5) Die Güterpreisrelation ist so zu bestimmen, dass die Gütermärkte geräumt sind. Mit Gleichung (10.5) lässt sich zeigen, dass das Gleichgewicht auf dem Weltmarkt für ein Gut unter Beachtung der Budgetrestriktion impliziert, dass auch der Weltmarkt für das andere Gut ebenfalls im Gleichgewicht ist. Das ist das sog. „Walras’sche Gesetz“. Aus den Budgetrestriktionen folgt nämlich ⋅ und ∗ ⋅ ∗ . Damit gilt ∗ ⋅ ∗ . Wenn die Weltüberschussnachfrage nach Gut 1 gleich null ist, dann ist auch die Weltüberschussnachfrage nach Gut 2 gleich null. Aussage 10.1: Ist einer der beiden Weltgütermärkte im Gleichgewicht, so ist aufgrund der Budgetrestriktionen der Länder auch der andere Weltgütermarkt im Gleichgewicht. Im Folgenden soll das Gleichgewicht auf den Weltgütermärkten grafisch dargestellt werden. Dazu kann man sich der Marshall-Mill-Tauschkurven bedienen. 10.2 Marshall-MiII-Tauschkurven 1. Herleitung der Tauschkurve. Die Marshall-Mill-Tauschkurve gibt die Export- und Importwünsche eines Landes für unterschiedliche Relativpreise an. Sie wird aus den Produktionsmöglichkeiten und Konsumpräferenzen des Landes hergeleitet. In Schaubild 10.1a stellt die Transformationskurve die Produktionsmöglichkeiten des Inlands dar. Bei einem Relativpreis von produziert das Inland in Punkt A und erreicht so die höchste Budgetgerade (vgl. Kapitel 5). Bei einem gegebenen Relativpreis kann das Land nun überall auf dieser Budgetgeraden konsumieren. Bislang sind wir zur Vereinfachung von einer fest vorgegebenen Nachfragerelation ausgegangen. Nun wollen wir den allgemeineren Fall betrachten und den Konsumpunkt explizit aus den Konsumpräferenzen herleiten. Hierfür nehmen wir an, dass wir für das Land gesellschaftliche Indifferenzkurven zeichnen können, die den einzelnen Güterbündeln Wohlfahrtsniveaus zuordnen. Hinter der <?page no="170"?> 162 10. Tauschverhältnis und Handelsgleichgewicht gesellschaftlichen Indifferenzkurve steht die Vorstellung, dass ein Land durch einen einzigen preisnehmenden „repräsentativen“ Haushalt vertreten wird, der über das gesamte Einkommen des Landes verfügt und die Konsummengen so wählt, dass sein Nutzen maximiert wird. Verteilungskonflikte innerhalb des Landes werden durch diese Annahme aus der Betrachtung ausgeklammert. Der Konsumpunkt, der den Nutzen des repräsentativen Haushalts maximiert, ergibt sich dann als Tangentenpunkt zwischen der höchsten erreichbaren Indifferenzkurve und der Budgetgeraden (Punkt C). Das Land exportiert dann bei dem Preis die Menge AB von Gut 1 und importiert die Menge BC von Gut 2. Schaubild 10.1b überträgt die Tauschwünsche des Landes in ein Export-Import- Diagramm. Auf der Abszisse sind die Exporte von Gut 1 ( ) und auf der Ordinate die Importe von Gut 2 ( ) abgetragen. In dieses Diagramm wird das Handelsdreieck ABC aus 10.1a eingezeichnet. Das Güterpreisverhältnis ⁄ ist durch den Winkel des Fahrstrahls vom Nullpunkt angegeben, denn hat die Dimension ⁄ . Wenn sich der Relativpreis ändert (auf ), dann ergibt sich in Schaubild 10.1a ein neuer Produktionspunkt A’, ein neuer Konsumpunkt C’ und ein neues Handelsdreieck A’B’C’. Auch dieses Handelsdreieck kann in das Tauschmengendiagramm in Schaubild 10.1b übertragen werden. Wird diese Prozedur für immer wieder neue Relativpreise durchgeführt, erhalten wir die Tauschkurve T. Sie gibt an, welche Mengen des Gutes 1 das Inland bei alternativen Preisverhältnissen und unter Beachtung der Budgetrestriktion exportieren und importieren möchte, um seine Wohlfahrt zu maximieren. In anderen Worten: Die Tauschkurve des Inlands gibt an, welche Mengen des Gutes 1 das Inland gegen welche Mengen des Gutes 2 zu tauschen bereit ist. O a b O Q 2 E 2 - E 1 Q 1 C ' C A ' A B ' B T C B C ' B ' p p ' Schaubild 10.1: Gütermengen und Tauschkurve <?page no="171"?> 10.2 Marshall-MiII-Tauschkurven 163 Das Inland wird Gut 1 nur exportieren wollen, wenn es nach Öffnung der Grenzen für eine Mengeneinheit des (Export-)Gutes 1 eine größere Menge des (Import-)Gutes 2 erhält als in der Autarkielage. Die Steigung der Tauschkurve in Punkt O kennzeichnet das Güterpreisverhältnis in Autarkie. In diesem Fall sind die Tauschmengen null. Steigt nach Öffnung der Grenzen das Güterpreisverhältnis, so wird Außenhandel für das Inland interessant. Es bietet z.B. die Menge OB des Gutes 1 an, wenn es vom Ausland die Menge BC des Gutes 2 erhält. 2. Verlauf der Tauschkurve. Wir sehen, dass die Tauschkurve des Inlands mit zunehmendem Preisverhältnis eine immer größere Steigung hat, d.h., das Land verlangt für eine bestimmte zusätzlich angebotene Exportmenge immer mehr vom Importgut. Es kann sogar sein, dass sich ab einem bestimmten Preisverhältnis die Tauschkurve nach links zurückbiegt, so dass die angebotene Exportmenge ab einem bestimmten Preisverhältnis mit steigendem Relativpreis sogar zurückgeht. Um diesen Verlauf der Tauschkurve zu erklären, sind drei Effekte zu berücksichtigen: Substitutionseffekt: Der Substitutionseffekt besagt, dass entlang einer Indifferenzkurve mit steigendem Relativpreis von Gut 1 die Nachfrage nach Gut 1 zurückgeht. Dieser Substitutionseffekt wirkt also darauf hin, dass mit zunehmendem das Exportangebot steigt. Da die Indifferenzkurven streng konvex zum Ursprung verlaufen, wird der Substitutionseffekt immer kleiner, je höher der Relativpreis ist. Einkommenseffekt: Dem Substitutionseffekt steht (bei normalen Gütern) der Einkommenseffekt entgegen. Mit steigendem (mit günstigeren Terms of Trade) steigt das Volkseinkommen und eine höhere Indifferenzkurve wird erreicht. Damit steigt die Nachfrage nach Gut 1 und es bleibt eine geringere Menge für das Exportangebot. Dieser Effekt wirkt auf eine negative Steigung der Tauschkurve hin. Wir unterstellen, dass der Substitutionseffekt zunächst dominiert. Da der Substitutionseffekt mit steigendem Preisverhältnis jedoch immer schwächer wird, muss das nicht für den gesamten Verlauf der Tauschkurve gelten. Produktionseffekt: Mit steigendem Relativpreis bewegt sich das Land auf der Transformationskurve; die Produktion des Gutes 1 nimmt zu. Der Produktionseffekt wirkt auf einen steigenden Verlauf der Tauschkurve hin. Infolge der Konkavität der Transformationskurve schwächt sich der Produktionseffekt jedoch mit zunehmendem ab. Im Grenzfall der vollständigen Spezialisierung wird der Produktionseffekt null. Insgesamt biegt sich somit die Tauschkurve zurück, wenn der Einkommenseffekt sowohl den Substitutionseffekt als auch den Produktionseffekt betragsmäßig übersteigt. Dann steigt die heimische Nachfrage nach dem Exportgut so stark, dass das Land weniger Exporte anbietet, wenn der Relativpreis der Exportgüter, die Terms of Trade, sich verbessert. Diesen Fall der rückwärts gebogenen <?page no="172"?> 164 10. Tauschverhältnis und Handelsgleichgewicht Tauschkurve wollen wir jedoch in der weiteren Darstellung nicht vertiefen, d.h., wir gehen davon aus, dass im relevanten Bereich eine positive Beziehung zwischen Exportangebot und Importnachfrage besteht. 2. Tauschkurve des Auslands. Eine entsprechende Tauschkurve lässt sich auch für das Ausland zeichnen. Sie gibt die Mengen des Gutes 2 an, die das Ausland als Exporte bei alternativen Güterpreisverhältnissen anzubieten bereit ist. Die Steigung der ausländischen Tauschkurve im Nullpunkt kennzeichnet das Autarkie- Preisverhältnis im Ausland, bei dem das Ausland nach Öffnung der Grenzen nichts anbietet. Das Ausland ist erst bereit mit dem Inland zu tauschen, wenn das Preisverhältnis p sinkt. Die Terms of Trade des Auslands sind als 1⁄ ⁄ definiert. Ein geringerer Winkel des Fahrstrahls durch die Tauschkurve bedeutet für das Ausland eine Verbesserung seines Tauschverhältnisses. Mit steigendem ⁄ kann für das Ausland der Einkommenseffekt dominieren, so dass sich dann die Tauschkurve des Auslands nach unten zurückbiegt. 3. Konsistenzbedingungen. Die Konsistenzbedingungen kann man sich mit Schaubild 10.3 klarmachen: Bei einem Preisverhältnis, das durch die Steigung des Fahrstrahls p’ dargestellt wird, ist der Weltmarkt für beide Güter nicht im Gleichgewicht. Das Inland bietet die Menge OM des Gutes 1 an und das Ausland fragt die Menge OI nach. Es besteht ein Nachfrageüberhang in Höhe von MI bei Gut 1. Analog besteht ein Angebotsüberhang bei Gut 2. T T* E , - E * 2 2 - E 1 S p f , E * 1 O p ' D M B I Schaubild 10.2: Tauschkurve des Auslands Bei dem Preisverhältnis , entsprechend der Steigung des Fahrstrahls durch Punkt S, sind die Konsistenzbedingungen hingegen erfüllt. Die Exporte des Inlands und die Importe des Auslands sind dann gegeben durch die Strecke OB. Die Importe des Inlands und die Exporte des Auslands entsprechen der <?page no="173"?> 10.3 Wohlfahrtsgewinne aus Handel 165 Strecke OD. Das Preisverhältnis kennzeichnet dann den Relativpreis im Freihandelsgleichgewicht. 5. Relative und absolute Preise. Das Handelsgleichgewicht ist in Relativpreisen formuliert. Die Schaubilder 10.1 und 10.2 haben gezeigt, dass für die Produktions- und Konsumpunkte beider Länder, die den Tauschkurven zugrunde liegen, nur der Relativpreis von Bedeutung ist. Absolute Güterpreise, die sog. „Geldpreise“, spielen in diesem neoklassischen Ansatz keine Rolle. T T* E , - E * 2 2 - E 1 S p f , E * 1 O p ' D M B I Schaubild 10.3: Tauschgleichgewicht 10.3 Wohlfahrtsgewinne aus Handel 1. Wohlfahrtskriterien. Im Folgenden stellen wir uns die Frage, welche Effekte der internationale Handel für die Wohlfahrt der Welt als Ganzes und für die beteiligten Länder hat. Eine Aussage über Wohlfahrtsgewinne setzt voraus, dass wir über ein Entscheidungskriterium verfügen, das es gestattet, alternative ökonomische Situationen in eine Rangordnung ihrer Erwünschtheit zu bringen. Wir stellen zunächst die Produktionsgewinne für die Welt anhand des Koopmans- Kriteriums dar. 2. Produktionsgewinne für die Welt. Das Kriterium der Koopmans-Effizienz sagt etwas aus über die Effizienz der Faktor-Allokation. Ein Output-Vektor ist Koopmans-effizient, wenn keine andere Faktor-Allokation existiert, bei der bei gegebener Produktionsmenge eines Gutes von einem anderen Gut mehr produziert werden kann. In Bezug auf ein einzelnes Land verlangt die Koopmans-Rangordnungsregel lediglich, dass auf der Transformationskurve produziert wird und nicht inner- <?page no="174"?> 166 10. Tauschverhältnis und Handelsgleichgewicht halb derselben. In Bezug auf die Welt insgesamt ist die Koopmans-Effizienz hingegen nur dann erfüllt, wenn die Transformationskurven des In- und Auslands die gleiche Steigung haben (siehe Anhang 10.A.1 für eine formale Herleitung). Dann sind die Opportunitätskosten der Produktion in beiden Ländern gleich hoch. Außenhandel stellt sicher, dass die Bedingung für Koopmans-Effizienz erfüllt ist. Bei Freihandel gilt in beiden Ländern der gleiche Relativpreis. Da die Steigung der Transformationskurve (die Grenzrate der Transformation) dem Relativpreis entspricht, ist somit auch die Grenzrate der Transformation in beiden Ländern gleich. Schaubild 10.4 illustriert die Bedingung für Koopmans-Effizienz und zeigt, dass durch Außenhandel Wohlfahrtsgewinne für die Welt im Sinne des Koopmans- Kriteriums auftreten. Betrachtet wird eine Situation, in der beide Volkswirtschaften auf ihrer Transformationskurve produzieren. Das Inland stellt in Autarkie die Menge OD des Gutes 1 her, befindet sich also im Punkt A auf seiner Transformationskurve. Das Ausland produziert die Menge O*D* von Gut 1. In Schaubild 10.4 ist der Produktionsblock des Auslands so gelegt worden, dass der in der Ausgangslage gegebene Produktionspunkt des Auslands mit dem Produktionspunkt des Inlands zusammenfällt. Punkt A stellt somit die Autarkiesituation mit unterschiedlichen Relativpreisen in beiden Ländern dar. Die Relativpreise und damit auch die Grenzraten der Transformation sind in Autarkie unterschiedlich hoch. Die Strecke DE entspricht der Strecke O*D*. Damit gibt die Strecke OE an, welche Menge des Gutes 1 die Welt insgesamt in der Autarkielage produziert. Der Punkt A ist nicht Koopmans-effizient, da die Grenzraten der Transformation in beiden Ländern nicht übereinstimmen. Eine Angleichung der Grenzraten der Transformation ist dagegen in Punkt A’ sichergestellt. Zeichnerisch wird Punkt A’ erreicht, indem der Transformationsblock des Auslands so lange verschoben wird, bis er den Produktionsblock des Inlands tangiert. Der Ursprungspunkt O* des Transformationsblocks des Auslands verschiebt sich nach O*’. Beide Länder (die Welt) können eine größere Menge des Gutes 1 herstellen (OE’ statt OE) und eine größere Menge von Gut 2 (OF’ statt OF). Im Sinne des Koopmans- Kriteriums treten Wohlfahrtsgewinne für die Welt in Form der zusätzlichen Produktion der Menge EE’ des Gutes 1 und FF’ des Gutes 2 auf. Der Autarkiepunkt A kann also kein Koopmans-effizienter Produktionspunkt sein. A’ sei der Produktionspunkt, der sich bei Freihandel ergibt, d.h., die Steigung der in- und ausländischen Transformationskurve in A’ entspricht dem Relativpreis im Handelsgleichgewicht. A’ ist jedoch nicht der einzige Punkt, in dem die Produktionsblöcke sich tangieren. Die angedeutete Kurve O*’ T’ kennzeichnet die gesamten Produktionsmengen, die sich ergeben, wenn die Produktionsblöcke sich jeweils tangieren. Diese Kurve ist die Welt-Transformationskurve. Handel führt dazu, dass ein Punkt auf dieser Welt-Transformationskurve erreicht wird. <?page no="175"?> 10.3 Wohlfahrtsgewinne aus Handel 167 Q 2 Q 1 O Q * 1 Q * 2 O*' O* A A ' D D* E E ' F ' F T ' Schaubild 10.4: Produktionsgewinne für die Welt Aussage 10.2: Außenhandel sichert eine Koopmans-effiziente Produktion in der Welt. Der Produktionspunkt der Welt bei Außenhandel liegt außerhalb des Produktionspunktes der Welt, der ohne Außenhandel erreicht wird. 2. Wohlfahrtsgewinne für die einzelnen Länder. Bisher ist gezeigt worden, dass die Welt als Ganzes durch Außenhandel gewinnen kann. Mit dieser Aussage ist aber noch nicht garantiert, dass auch jedes einzelne am Außenhandel beteiligte Land Gewinne aus Außenhandel erzielt. Um diese Fragestellung zu analysieren, gehen wir zunächst wieder von einem repräsentativen Haushalt pro Land aus, d.h., wir nehmen die gesellschaftlichen Indifferenzkurven, die wir zur Herleitung der Tauschkurve verwendet haben, zum Maßstab. Grafisch können Außenhandelsgewinne dadurch verdeutlicht werden, indem man zeigt, dass beide Länder durch Außenhandel eine höhere Indifferenzkurve erreichen. In Schaubild 10.5 kennzeichnet P den Produktionspunkt bei Freihandel in beiden Volkswirtschaften und C den Konsumpunkt. A und A* sind die Autarkiepunkte vor Handel. I und I* sind die Indifferenzkurven in Autarkie; sie stellen die Wohlfahrtsniveaus beider Länder vor Aufnahme von Handel dar. Die Indifferenzkurven bilden eine Linse, welche potenzielle Wohlfahrtssteigerungen für beide Länder zugleich angibt. Der Konsumpunkt nach Aufnahme von Handel C liegt innerhalb dieser Linse. Beide Länder erreichen eine höhere Indifferenzkurve und können sich demnach durch Außenhandel verbessern (für eine analytische Darstellung siehe Anhang 10.A.2). <?page no="176"?> 168 10. Tauschverhältnis und Handelsgleichgewicht Q 2 Q 1 C A O Q * 1 Q * 2 P A* I I* Aussage 10.3: Außenhandel bringt Wohlfahrtsgewinne für die beteiligten Länder. 3. Preisverhältnis und Wohlfahrtsgewinne. Aus der bisherigen Analyse wird auch deutlich, dass Wohlfahrtsgewinne aus Außenhandel dann nicht auftreten, wenn sich das Preisverhältnis nach Aufnahme des Außenhandels nicht verändert. Dies ist dann der Fall, wenn beide Länder in der Autarkiesituation das gleiche Preisverhältnis haben. Wir wissen bereits, dass dann auch kein Außenhandel zustande kommen muss. Zudem gilt: Je stärker die Änderung des Preisverhältnisses, desto weiter außen liegt die Indifferenzkurve, die ein Land nach Aufnahme von Handel erreicht. Der Gewinn aus Außenhandel variiert demnach mit der Stärke der Änderung des Preisverhältnisses. Ein kleines Land hat also die Chance, durch Öffnung seiner Grenzen einen hohen Wohlfahrtsgewinn zu erzielen, da für dieses Land die Relativpreisänderung groß ist. Für ein sehr großes Land, in dem sich das Preisverhältnis nach Aufnahme von Handel kaum ändert, sind demzufolge eher geringe Wohlfahrtsgewinne zu erwarten. Aussage 10.4: Die Gewinne aus Außenhandel sind für ein Land umso größer, je stärker sich das Preisverhältnis bei Außenhandel vom Preisverhältnis des Landes in der Ausgangslage unterscheidet. Ändert sich das Preisverhältnis nicht, so ist der Wohlfahrtsgewinn gleich null. 4. Kompensation. Die Aussage über die Wohlfahrtsgewinne für die Länder basiert auf dem Konstrukt gesellschaftlicher Indifferenzkurven und sagt nichts darüber aus, wie der Wohlfahrtsgewinn eines Landes auf verschiedene Gruppen innerhalb des Landes verteilt wird. Mit der zugrunde liegenden Annahme eines repräsentativen Haushalts wird die Einkommensverteilung ausgeklammert. Wir wissen aber aus dem Stolper-Samuelson-Theorem, dass nach Aufnahme von Außenhandel die Einkommensverteilung sich zu Lasten desjenigen Faktors ändert, der rela- Schaubild 10.5: Wohlfahrtsgewinne für die einzelnen Länder <?page no="177"?> 10.3 Wohlfahrtsgewinne aus Handel 169 tiv knapp ist. Die Anbieter dieses Faktors werden also im Vergleich zur Autarkiesituation Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. Im kapitalreichen Land gehen beispielweise der Reallohn und damit das Einkommen der Arbeiter zurück, während das Einkommen der Kapitalbesitzer ansteigt. Hierbei tritt die Frage auf, ob die Außenhandelsgewinne in dem Sinne ausreichend sind, dass die potenziellen Verlierer aus Außenhandel für ihre Wohlfahrtseinbußen vollständig kompensiert werden könnten und dennoch Gewinne für andere Gruppen verbleiben (Kompensationskriterium). Es kann gezeigt werden, dass unter bestimmten Voraussetzungen tatsächlich solche Kompensationsmöglichkeiten bestehen (Kemp und Wan 1972; Dixit und Norman 1980). Somit ist - zumindest in der Theorie - eine Pareto-Verbesserung durch Aufnahme von Handel möglich, in der sich niemand verschlechtert und sich zumindest einige verbessern. 5. Weitere Wohlfahrtseffekte. Die bisherigen Überlegungen haben eine Reihe von Wohlfahrtsgewinnen für ein einzelnes Land im Rahmen des Heckscher-Ohlin- Ansatzes diskutiert. Berücksichtigt man Produktdifferenzierung wie in Abschnitt 7.3, so sorgt Außenhandel für eine größere Produktvielfalt und erlaubt damit dem einzelnen Konsumenten mehr Wahlmöglichkeiten (Vielfalteffekt). Außenhandel bringt auch eine größere Marktweite mit sich und erlaubt die Ausnutzung zunehmender Skalenerträge (Skaleneffekt). Die Ausweitung der Märkte kann zu einem Abbau monopolistischer Positionen durch den Wettbewerb führen (Wettbewerbseffekt). Durch den verschärften Wettbewerb kann Handel zum Marktaustritt wenig produktiver Unternehmen führen und somit die Produktivität insgesamt erhöhen (Selektionseffekt). Auch ist es als Wohlfahrtsgewinn zu verbuchen, dass Außenhandel etwa bei der Beschaffung wichtiger Importgüter die Möglichkeit bietet, Versorgungsrisiken international zu streuen (Risikostreuungseffekt). Zudem kann Handel mit innovativen Zwischengütern und Endprodukten die internationale Verbreitung neuer Technologien fördern (Technologiediffusionseffekt). Die Ausweitung der Märkte kann den Innovationsanreiz für Unternehmen erhöhen, da beispielsweise neu entwickelte Produkte weltweit verkauft werden können (Innovationseffekt). 6. Intersektorale und intrasektorale Anpassung. Bei der Beurteilung der Wohlfahrtseffekte aus Handel ist zu beachten, dass die Erklärungsansätze für den intersektoralen Handel, also des Austauschs von Gütern verschiedener Wirtschaftsbereiche (Maschinen gegen Textilien), und für den intrasektoralen Handel (inländische gegen ausländische Autos) zu unterschiedlichen Anpassungsprozessen führen. Intersektoraler Handel bedeutet, dass der Exportsektor expandiert und der Sektor der Importsubstitute schrumpft. Im Sektor der Importsubstitute sind daher Anpassungen zu leisten. Bei intrasektoralem Handel erfolgen die Anpassungen innerhalb der Sektoren; es ist dann möglich, dass nach Aufnahme von Handel kein Sektor schrumpfen muss. Damit ist der Anpassungsprozess u.U. weniger schmerzlich als beim intersektoralen Handel. Auch unterscheiden <?page no="178"?> 170 10. Tauschverhältnis und Handelsgleichgewicht sich die Konsequenzen für die Faktoreinkommen in den Erklärungsansätzen zum intrasektoralen Handel von denen aus dem Heckscher-Ohlin-Modell: Während im Heckscher-Ohlin-Modell der Faktor Arbeit in den Industrieländern nach Aufnahme von Handel verliert, kann es bei intrasektoralem Handel zu Steigerungen des Reallohns in den Industrieländern durch Handel kommen. 7. Beschäftigungseffekte. Lässt man auch Unterbeschäftigung zu, so muss zur Bestimmung der Wohlfahrtsgewinne die Beschäftigungslage ein weiteres Kriterium sein. Außerdem muss berücksichtigt werden, wie sich die Aufnahme von Außenhandel auf die Beschäftigungssituation auswirkt. 10.4 Entwicklung des Tauschverhältnisses 1. Relevanz des Tauschverhältnisses. Nachdem wir in den vorangehenden Abschnitten gezeigt haben, wie das gleichgewichtige Tauschverhältnis bei Handel bestimmt wird und welche Wohlfahrtseffekte sich für die beteiligten Länder ergeben, wollen wir nun Einflussgrößen des gleichgewichtigen Tauschverhältnisses betrachten. Das Güterpreisverhältnis ⁄ kennzeichnet die Mengeneinheiten des Gutes 2, die man im Tausch für eine Mengeneinheit des Gutes 1 erhält. Als Terms of Trade eines Landes bezeichnet man das Verhältnis zwischen Exportgüter- und Importgüterpreisindex in heimischer Währung. 1 Diese Terms of Trade, die auch als reales Tauschverhältnis eines Landes bezeichnet werden, geben an, welches Importgüterbündel man für ein gegebenes Exportgüterbündel erhält. Das Tauschverhältnis ist von eminenter wirtschaftspolitischer Bedeutung: Jede Volkswirtschaft wird an einer Verbesserung ihrer Terms of Trade interessiert sein, da ein Anstieg der Terms of Trade bedeutet, dass für eine gegebene Menge von Exportgütern eine größere Menge von Gütern importiert werden kann. Ein höheres Tauschverhältnis impliziert also eine bessere Güterversorgung des Landes; seine Verschlechterung bedeutet eine Reduzierung der Menge der im Land verfügbaren Güter. Entwicklungsländer haben in der Vergangenheit für eine Reihe von Produkten einen Rückgang der Terms of Trade erfahren; sie mussten also die Ausfuhr dieser Exportgüter laufend erhöhen, um ein gegebenes Niveau von Importgütern aufrechtzuerhalten. Eine solche Verschlechterung des Tauschverhältnisses ist unter entwicklungspolitischen Gesichtspunkten besonders problematisch, da diese Länder im Interesse ihrer wirtschaftlichen Entwicklung Investitionsgüter importieren müssen und ein gegebenes Importniveau von wachstumsnotwendigen Investitionsgütern nur dann aufrechterhalten werden kann, wenn die Exportproduktion verstärkt wird. 1 Zu anderen Definitionen der Terms of Trade vgl. z.B. Findlay (1987). <?page no="179"?> 10.4 Entwicklung des Tauschverhältnisses 171 Der Anstieg der Erdöl- und Erdgaspreise hat die Bedeutung der Terms of Trade- Entwicklung auch für Industrienationen deutlich gemacht. So hat sich beispielsweise der Rohölpreis in den Jahren vor der Finanzkrise von 1998 bis 2008 fast versiebenfacht von 14,42 US-$ auf 99,67 US-$ (Quelle: EIA). Damit verbesserten sich die Terms of Trade der erdölexportierenden Länder zu Lasten des Tauschverhältnisses der Ölimporteure. Auch aus diesen Überlegungen wird deutlich, dass eine Analyse der Bestimmungsfaktoren des realen Tauschverhältnisses von besonderem Interesse ist. 2. Veränderung des Tauschverhältnisses. In Abschnitt 10.2 ist die Bestimmung des Tauschverhältnisses diskutiert worden. Die Analyse ging von gegebenen Produktionsbedingungen und gegebenen Nachfragebedingungen aus. Ändern sich die Nachfragebedingungen in der Welt oder variieren die Produktionsbedingungen, indem die Ausstattung mit einem bestimmten Produktionsfaktor zunimmt oder eine neue Produktionstechnologie eingeführt wird, dann kann sich auch das Tauschverhältnis verändern. Schaubild 10.6 illustriert den Einfluss einer Verbesserung der Terms of Trade für ein kleines Land. Beispielsweise können wir annehmen, dass das Exportgut des Inlands weltweit stärker nachgefragt wird und sich daher der Relativpreis verteuert. Wie bereits bei der Herleitung der Tauschkurve gezeigt, verschiebt sich dadurch der Produktionspunkt von A nach A’ und der Konsum von C nach C’. Der Wohlfahrtsgewinn aus dieser Verbesserung der Terms of Trade ist am Niveau der Indifferenzkurve zu sehen. Statt I erreicht der repräsentative Konsument aus dem Inland nun die Indifferenzkurve I’, die mit einem höheren Wohlfahrtsniveau verbunden ist. Q 2 Q 1 A ' C A C ' I ' I O Schaubild 10.6: Verbesserung der Terms of Trade <?page no="180"?> 172 10. Tauschverhältnis und Handelsgleichgewicht Kasten 10.1: Die Terms of Trade der Entwicklungsländer Die Entwicklung der Terms of Trade der Entwicklungsländer ist Gegenstand einer ganzen Reihe von wirtschaftspolitischen Untersuchungen. Im Zentrum steht dabei die Prebisch-Singer-These (CEPAL, 1950), nach der sich die Terms of Trade der Entwicklungsländer im Laufe der Zeit verschlechtert haben. Prebisch zeigte, dass sich die Terms of Trade Großbritanniens für den Zeitraum zwischen 1876/ 80 und 1946/ 47 von 100 auf 145,6 verbessert haben. In einem Umkehrschluss begründete er damit die Verschlechterung der Terms of Trade der Entwicklungsländer. Als Hauptursache für diese Entwicklung wurde die vergleichsweise niedrige Einkommenselastizität der Nachfrage nach Primärgütern (Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte) genannt. Diese Primärgüter stellten zu dieser Zeit die Hauptexporte der Entwicklungsländer dar. Die Nachfrage nach Industrieprodukten, den Hauptexporten Großbritanniens, war hingegen durch eine vergleichsweise hohe Einkommenselastizität gekennzeichnet. Mit steigendem Einkommen der Welt hat sich nach dieser Erklärung die Weltnachfrage weg von den Primärgütern und hin zu den Industrieprodukten verschoben, so dass der Relativpreis der Primärgüter zurückgegangen ist. Schaubild 10.K.1 stellt die Veränderung der Tauschverhältnisse für den Zeitraum 1950 bis 2011 dar. Das Schaubild zeigt, dass sich die Terms of Trade in dieser Zeit für die Entwicklungsländer insgesamt verbessert haben, wenn die Erdöl exportierenden Länder den Entwicklungsländern zugerechnet werden. Für die Entwicklungsländer ohne Öl ergibt sich bei großen Preisschwankungen insgesamt ein Rückgang der Terms of Trade. Seit Mitte der 1980er Jahre ist das Tauschverhältnis dieser Länder jedoch wesentlich stabiler als davor und hat sich nicht mehr wesentlich verschlechtert. Aus der These der Verschlechterung der Terms of Trade für die Entwicklungsländer leitet Prebisch (1959) die Strategie der Importsubstitution ab. Hierbei sollen die bisherigen Importe durch eigene Produktion ersetzt werden. Die Abhängigkeit von Importen und der Druck durch ausländische Konkurrenz auf die heimische Produktionsstruktur sollen so reduziert werden. Die Instrumente der Importsubstitutionspolitik sind vor allem protektionistische Maßnahmen. Demgegenüber setzt eine Strategie der Exportdiversifizierung auf eine Verbreiterung der Exportstruktur durch Eingliederung der Volkswirtschaft in die internationale Arbeitsteilung. Bei dieser Außenorientierung wird eine Volkswirtschaft dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt, wobei nicht zwischen Importsubstituten und Exportgütern diskriminiert wird. Mit beiden Strategien wurden unterschiedliche Erfahrungen gemacht. So stieg in Ländern, die auf eine außenwirtschaftliche Öffnung setzten, das reale BIP deutlich stärker als in binnenwirtschaftlich orientierten Ländern (World Bank 1987). <?page no="181"?> 10.4 Entwicklung des Tauschverhältnisses 173 Vor allen Dingen die ost- und südostasiatischen Länder verfolgten eine exportorientierte Strategie; dabei erzielten die vier „Tigerstaaten“ Hongkong, Südkorea, Singapur und Taiwan hohe Wachstumsraten. Quelle: IMF, International Financial Statistics (Datastream); eigene Berechnungen. Schaubild 10.K.1: Veränderung des Tauschverhältnisses (2005 = 100) 3. Verarmendes Wachstum. Wie bereits betont, hat die Veränderung des Tauschverhältnisses (Terms of Trade) für ein Land erhebliche Relevanz. Wenn sich die Terms of Trade im Zeitablauf verschlechtern, dann kann im Inland die Verfügbarkeit von Gütern sogar zurückgehen, auch wenn sich die internen Produktionsbedingungen des Landes verbessern. Zur Verdeutlichung können wir uns vorstellen, dass sich die Wachstumsrate des Einkommens eines Landes aus einer internen und einer externen Komponente zusammensetzt. Die interne Komponente ist die Wachstumsrate, die der Einkommenszunahme bei unveränderten Terms of Trade entspricht. Die externe Komponente kennzeichnet die Wachstumsrate infolge einer Änderung der Terms of Trade. Verschlechtern sich die Terms of Trade im Zeitablauf, so ist die externe Komponente negativ. Wenn die externe Komponente dabei betragsmäßig größer ist als die interne Komponente, dann tritt der Fall ein, bei dem die gesamte Wachstumsrate negativ wird. Das gesamte inländische Wachstum wird 0 50 100 150 200 250 300 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Industrieländer Entwicklungsländer Nicht-ölexportierende Entw. <?page no="182"?> 174 10. Tauschverhältnis und Handelsgleichgewicht wegexportiert und es reicht noch nicht einmal aus, um ein gegebenes Konsumniveau aufrechtzuerhalten. Die Literatur spricht in diesem Fall vom verarmenden Wachstum (Bhagwati 1958). Ein sinkendes Tauschverhältnis für das Inland, das Gut 1 exportiert, bedeutet steigende Terms of Trade 1⁄ für das Ausland, das Gut 2 exportiert. Im Fall des verarmenden Wachstums des Inlands erreicht also das Ausland eine höhere Wachstumsrate als es aufgrund seiner internen Wachstumsrate zu erwarten wäre. Schaubild 10.7 stellt dar, wie verarmendes Wachstum eines Landes erklärt werden kann. Wir gehen von einem großen Land aus, das einen spürbaren Einfluss auf die Weltmarktpreise hat. Aufgrund von technischem Fortschritt verschiebt sich nun die Transformationskurve des Landes nach außen. Dabei betrachten wir den Fall, dass der technische Fortschritt insbesondere beim Exportgut 1 wirksam ist. Die Transformationskurve verschiebt sich dann stärker in die Richtung von Gut 1 als von Gut 2. Dadurch steigt das Angebot von Gut 1 relativ zu Gut 2 auf dem Weltmarkt. Als Folge davon wird Gut 1 relativ günstiger, die Terms of Trade aus Sicht des Inlands verschlechtern sich. Bei unveränderten Terms of Trade würden mit Verschiebung der Transformationskurve die Konsummöglichkeiten und auch die Wohlfahrt ansteigen. Das ist die interne Komponente des Wachstums. Aufgrund des negativen Terms of Trade-Effekts wird die inländische Budgetgerade jedoch flacher. Welcher Effekt dominiert, ist a priori unbestimmt. Es kann wie in Schaubild 10.7 passieren, dass die externe Komponente größer ist und ein Konsumpunkt wie C’ erreicht wird, der zu einem niedrigeren Wohlfahrtsniveau führt als C. Obwohl sich die Produktionsbedingungen in dem Land verbessern, verschlechtert sich die Wohlfahrt. Q 2 Q 1 A ' C ' A C O Schaubild 10.7: Verarmendes Wachstum <?page no="183"?> Anhang 10.A.1 Bedingungen für Koopmans-Effizienz 175 Weiterführende Fragen 1. Diskutieren Sie, wie sich empirisch die Hypothese überprüfen lässt, dass internationaler Handel das Einkommen der Länder erhöht (Noguer und Siscart 2005). 2. Keynes (1929) und Ohlin (1929) haben über die Wirkungen der deutschen Reparationszahlungen auf die Terms of Trade geschrieben. Vergleichen Sie die beiden Standpunkte. 3. Diskutieren Sie, wie sich ein internationales System von Emissionslizenzen für CO 2 -Emissionen zur Eindämmung der Klimaerwärmung auf die Terms of Trade der Industrienationen auswirkt. Weiterführende Literatur Bhagwati, J., A. Panagariya und T. N. Srinivasan (1998). Lectures on International Trade. 2. Auflage, MIT Press, Kapitel 12. Feenstra, R. (2003). Advanced International Trade: Theory and Evidence. Princeton University Press, Kapitel 6. Anhang 10.A.1 Bedingungen für Koopmans-Effizienz Um die Bedingungen für eine Koopmans-effiziente Faktor-Allokation zu finden, muss man die Summe der Produktionsmengen beider Länder von Gut 2, ∗ , bei gegebenen Produktionsmengen von Gut 1, ∗ , für die Welt maximieren. Dabei sind als Restriktion die Transformationskurven beider Volkswirtschaften zu beachten. Nach Einsetzen der Transformationskurven und ∗ ∗ ∗ lautet das Lagrange-Maximierungsproblem ∗ ∗ ∗ . (10.A.1) Es ergeben sich die folgenden Bedingungen erster Ordnung: 0 und ∗ ∗ ∗ 0 , woraus folgt ∗ ∗ . (10.A.2) Koopmans-Effizienz verlangt demnach, dass die Grenzraten der Transformation in beiden Ländern übereinstimmen. <?page no="184"?> 176 10. Tauschverhältnis und Handelsgleichgewicht Anhang 10.A.2 Handelsgewinne für ein einzelnes Land Formal lassen sich die potenziellen Wohlfahrtsgewinne aus Außenhandel für ein einzelnes Land wie folgt ableiten: Ausgangspunkt ist die Nutzenfunktion des repräsentativen Haushalts , . Die Veränderung des Nutzens kann (für marginale Veränderungen von ) dargestellt werden als ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ . (10.A.3) Dabei bezeichnet die Grenzrate der Substitution ( ⁄ ⁄ ⁄ ), d.h. den Betrag der Steigung der Indifferenzkurve. Zu zeigen ist, dass 0 möglich ist mit dem Übergang von Autarkie zu Freihandel. Unter Berücksichtigung von und damit ergibt sich ⋅ ⋅ . (10.A.4) Die Budgetrestriktion verlangt, dass die Handelsbilanz des Landes ausgeglichen sein muss, d.h. ⋅ , mit als dem Relativpreis nach Aufnahme von Handel (dem Freihandelspreis). Zudem folgt aus der Transformationskurve die Beziehung ⋅ , wobei ⁄ definiert ist als Grenzrate der Transformation. Einsetzen ergibt dann ⋅ ⋅ ⋅ . (10.A.5) Im Ausgangspunkt, dem Autarkiegleichgewicht, ist . Damit vereinfacht sich Gleichung (10.A.5) zu ⋅ ⋅ . (10.A.6) Wenn der Relativpreis nach Aufnahme von Handel über dem Autarkiepreisverhältnis liegt, dann ist . Das Land kann in diesem Fall eine Wohlfahrtssteigerung erzielen, indem es beginnt, Gut 1 zu exportieren ( 0). Analog steigt die Wohlfahrt des Landes, wenn es bei beginnt, das Gut zu importieren. In beiden Fällen kann die Wohlfahrt des Landes durch Handel erhöht werden. Die obige Argumentation ist von marginalen Veränderungen der Konsum- und Produktionsmengen ausgegangen. Sie lässt sich jedoch auch für größere Änderungen übertragen, da das Land die Konsum- und Produktionsmengen so wählt, dass der Nutzen maximiert wird, d.h., wenn bereits eine marginale Anpassung nach Aufnahme von Handel Wohlfahrtsgewinne bringt, so gilt das erst recht für die nutzenmaximierende Reaktion. <?page no="185"?> 11. Zölle, Handelshemmnisse und Welthandelsordnung „An die Deputiertenkammer: Wir sind dem unerträglichen Wettbewerb eines ausländischen Rivalen ausgesetzt, der über derart überlegene Lichterzeugungskapazitäten verfügt, dass er in der Lage ist, unseren nationalen Markt zu einem stark herabgesetzten Preis zu überschwemmen. Dieser Rivale ist kein anderer als die Sonne. Unser Antrag geht dahin, ein Gesetz zu erlassen, wonach alle Fenster, Öffnungen und Ritzen abzudichten sind, durch die das Sonnenlicht zum Nachteil der ertragsreichen Industrie, die wir unserem Lande schenken konnten, in unsere Wohnungen einzudringen droht. Gezeichnet: Die Kerzenmacher.“ Frédéric Bastiat * Dieses Kapitel befasst sich mit den Auswirkungen von Zöllen und anderen Handelsrestriktionen. Abschnitt 11.1 liefert einen Überblick über die Ansatzpunkte einer protektionistischen Außenhandelspolitik. In Abschnitt 11.2 wird dargestellt, wie sich verschiedene handelspolitische Instrumente auf die Handelsmengen, die Preise und die Wohlfahrt im Inland auswirken. Dabei wird der Fall eines kleinen offenen Landes betrachtet, das die Weltmarktpreise als gegeben hinnimmt. Die Handelspolitik eines großen Landes, welches die Weltmarktpreise beeinflussen kann, ist dann Gegenstand von Abschnitt 11.3. Abschnitt 11.4 sucht die Frage zu beantworten, warum sich Länder häufig protektionistisch verhalten. Eine Liberalisierung des Handels kann in globalen Abkommen und Institutionen wie der WTO (Abschnitt 11.5) erfolgen oder regional in Form einer Zollunion oder einer Freihandelszone vorgenommen werden (Abschnitt 11.6). 11.1 Instrumente der Handelspolitik 1. Ansatzpunkte einer protektionistischen Handelspolitik. Anhand einer Rangordnung der Handelssektoren eines Landes lassen sich die wichtigsten Ansatzpunkte der Außenhandelspolitik verdeutlichen. Schaubild 11.1 stellt die preisliche Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Sektoren des Inlands dar (vgl. auch Abschnitt 8.1). Auf der Abszisse sind die Import- ( 0) und Exportmengen ( 0) abgetragen, auf der Ordinate der inländische Produzentenpreis in * Sophismes économiques, Paris 1850. <?page no="186"?> 178 11. Zölle, Handelshemmnisse und Welthandelsordnung Relation zum Preis der ausländischen Konkurrenz ⋅ ∗ . Die Politikeffekte werden mit Pfeilen aufgezeigt. E i p / (w p *) i i 1 2 2 4 O . 3 2 1 Schaubild 11.1: Sektorale Struktur- und Handelspolitik Ein Land kann zunächst versuchen, einzelne „alte“ Industrien, die ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit verloren haben, durch einen Zoll auf ein bestimmtes Importgut oder eine Subvention der inländischen Produktion dieses Gutes zu schützen. Durch einen Zoll bei einem Gut steigt der Importpreis des betroffenen Gutes, und die Säule des entsprechenden Sektors wird gestaucht (Pfeil 1). Die alten Sektoren bleiben somit künstlich wettbewerbsfähig. Ein Land kann auch versuchen, die Importindustrien durch einen allgemeinen Importzoll zu schützen. Durch dieses Instrument werden die Säulen aller Importsektoren gestaucht (Pfeile 2). Einen ähnlichen Effekt kann bei gegebenen Güterpreisen auch die Abwertung der heimischen Währung haben (Wechselkursprotektionismus). Dann würden zusätzlich auch die Säulen der Exportsektoren gestaucht (siehe Kapitel 14). Durch mengenmäßige Restriktionen, wie z.B. eine Importquote, wird die Importmenge direkt verringert (Pfeil 3). Schließlich kann das Land auch versuchen, die Entwicklung neuer Exportsektoren zu fördern, also neue Preisvorteile schaffen, so dass ein zusätzliches wettbewerbsfähiges Segment eingeführt wird (Pfeil 4). <?page no="187"?> 11.1 Instrumente der Handelspolitik 179 2. Nicht-tarifäre Handelshemmnisse. In der Handelspolitik spielen nicht-tarifäre Handelshemmnisse, also andere staatliche Handelsbeschränkungen als Zölle, eine große Rolle. Dazu zählen Maßnahmen, die direkt darauf abzielen, Warenströme zu beeinflussen (wie etwa spezielle Anmeldungsformalitäten für Importe), aber auch solche Regulierungen, die primär nicht mit handelspolitischen Motiven verknüpft sind, sich aber dennoch auf die Warenströme auswirken (z.B. Qualitätsanforderungen oder umweltpolitische Produktnormen). Abschnitt 11.2 analysiert als nicht-tarifäre Maßnahmen Subventionen der heimischen Industrie und mengenmäßige Handelsbeschränkungen (Quoten und Freiwillige Selbstbeschränkungen). Weitere Instrumente sind Anti-Dumping-Maßnahmen, d.h. spezielle Zölle oder Subventionen, die ein Dumping durch ausländische Anbieter verhindern bzw. ausgleichen sollen, und Ausgleichsabgaben. Dumping liegt dann vor, wenn ausländische Anbieter einen Exportpreis unterhalb des heimischen Preises bzw. der Produktionskosten verlangen, um dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Ausgleichsabgaben werden vom Importland eingesetzt, um Wettbewerbsverzerrungen durch Subventionen des Exportlands auszugleichen. Kasten 11.1: Die deutsche Steinkohle Der Weltmarktpreis für Steinkohle lag im Jahr 2012 bei 93 €/ Tonne (BAFA 2013a). Die Förderkosten in den deutschen Zechen werden hingegen mit etwa 150 €/ Tonne angegeben. Ohne protektionistische Maßnahmen wäre die deutsche Steinkohle somit nicht wettbewerbsfähig. Um den deutschen Bergbau vor ausländischer Konkurrenz zu schützen, wurde im sog. „Jahrhundertvertrag“ festgelegt, dass die Elektrizitätswirtschaft eine bestimmte Menge an heimischer Steinkohle abnimmt. Die Stromverbraucher mussten dafür eine zweckgebundene Ausgleichsabgabe - den Kohlepfennig - entrichten. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Abgabe jedoch 1994 für verfassungswidrig erklärt. Als Reaktion darauf wurde 1997 eine neue Regelung gefunden, wonach die Bundesregierung und das Land Nordrhein-Westfalen Subventionen gewähren, die im Zeitablauf schrittweise zurückgeführt werden. Nach dem Steinkohlekompromiss sollen diese Subventionen nun bis 2018 laufen. Die Subventionen dienen vorrangig dazu, die Differenz zwischen Weltmarktpreis und heimischen Produktionskosten auszugleichen. Im Jahr 2009 beliefen sich die Subventionen (Bund und Land NRW) immerhin noch auf knapp 2,2 Mrd. Euro. Sie sollen kontinuierlich bis 2018 auf gut 1 Mrd. Euro abgesenkt werden (BAFA 2013b). <?page no="188"?> 180 11. Zölle, Handelshemmnisse und Welthandelsordnung 11.2 Wirkungen einer protektionistischen Handelspolitik 1. Mengenzoll. In Schaubild 11.2 ist dargestellt, wie sich ein Importzoll des Inlands auf Importmengen, den inländischen Preis und die Wohlfahrt auswirkt. Das Schaubild zeigt in einer Partialbetrachtung den inländischen Markt für das Importgut. N kennzeichnet die inländische Nachfragekurve nach dem Importgut und A die Angebotskurve der inländischen Produzenten. Die Nachfragekurve stellt die marginale Zahlungsbereitschaft der Konsumenten in Abhängigkeit von der Produktmenge dar. Die Angebotskurve entspricht den Grenzkosten, zu denen die inländischen Produzenten gerade noch anzubieten bereit sind. Wir nehmen hier an, dass die Grenzkosten mit steigender Produktmenge zunehmen. Der Weltmarktpreis des Importguts ist gegeben durch die Horizontale L. Wir gehen von einem kleinen offenen Land aus, das keinen Einfluss auf den Weltmarktpreis hat. Die Horizontale L stellt dann die völlig elastische Angebotskurve des Auslands dar. Bei Freihandel konsumiert das Land die Menge OI des Importguts, während die heimischen Produzenten lediglich die Menge OF anbieten. Die Strecke FI entspricht dann der Importmenge. Wird nun ein Zoll in Höhe von LM auf jede importierte Gütereinheit erhoben, so verschiebt sich die für das Inland relevante Angebotskurve des Auslands um den Zollsatz nach oben. Der Zoll verteuert das importierte Gut im Inland, so dass der Preis im Inland nun OM beträgt. Die Nachfrage nach dem Importgut geht zurück (von OI auf OI’); die inländischen Produzenten weiten ihr Angebot aus (von OF nach OF’); die Importmenge sinkt (von FI auf F’I’). 2. Wohlfahrtseffekte. Die Wohlfahrtswirkungen des Zolls lassen sich wie folgt beschreiben: Die inländischen Produzenten erhalten einen höheren Preis und können eine größere Menge absetzen. Die Produzentenrente steigt folglich um die Fläche u. Die inländischen Konsumenten müssen hingegen einen höheren Preis zahlen und der gestiegene Preis treibt einige von ihnen aus dem Markt. Damit geht die Wohlfahrt der Konsumenten zurück; die Konsumentenrente sinkt um die Fläche u + a + z + c. Der Staat erhält Zolleinnahmen in Höhe von z. Der Mengenzoll bewirkt also zunächst einmal eine Umverteilung von den Konsumenten auf die Unternehmen und den Staat. Einen Teil der verlorenen Konsumentenrente erhalten die Unternehmen als zusätzliche Produzentenrente (u); einen weiteren Teil der Konsumentenrente erhält der Staat in Form von Zolleinnahmen (z). Der Rückgang an Konsumentenrente wird aber nicht vollständig zu einem Gewinn für andere Bereiche der Volkswirtschaft. Die Dreiecke a und c kennzeichnen diejenigen Verluste an Konsumentenrente, die weder beim Staat noch bei den Produzenten ankommen. Sie sind die Effizienzverluste aufgrund des Zolls („Deadweight Loss“). <?page no="189"?> 11.2 Wirkungen einer protektionistischen Handelspolitik 181 q p M N A L c z u a F F ' I ' I O 3. Effizienzverluste durch die Zollerhebung. Die Effizienzverluste rühren zum einen daher, dass durch den Zoll zu wenig vom Importgut konsumiert wird. Die marginale Zahlungsbereitschaft der Konsumenten übersteigt im Bereich zwischen I und I’ den Weltmarktpreis, zu dem das Gut importiert werden kann. Dreieck c stellt den Wohlfahrtsverlust aufgrund dieser Verzerrung des Konsums dar. Zum anderen produziert das Inland durch den Zoll zu viel vom Importgut. Zwischen den Punkten F und F’ übersteigen die Grenzkosten der inländischen Produktion den Preis, zu dem das Gut aus dem Ausland importiert werden kann. Dreieck a drückt den Effizienzverlust aufgrund der Verzerrung der Produktion aus. 4. Gesamtwirtschaftliche Effekte. Die Zollwirkungen können auch mit Hilfe der Transformationskurve dargestellt werden. So lässt sich zeigen, wie ein Zoll, der im Importsektor erhoben wird, auf die gesamte inländische Wirtschaft (Import- und Exportsektor) wirkt. In Schaubild 11.3 kennzeichnen P (Produktionspunkt) und C (Konsumpunkt) die Freihandelssituation. Wenn das Land nun einen Zoll auf das Importgut 2 erhebt, so bleibt im Fall des kleinen Landes der Relativpreis auf dem Weltmarkt davon unberührt. Das Land tauscht also weiterhin zu dem relativen Weltmarktpreis . Durch den Zoll steigt der Preis des importierten Gutes 2 im Inland, so dass der Relativpreis nach Zollerhebung im Inland geringer ist als auf dem Weltmarkt: . Der inländische Relativpreis bestimmt den neuen Produktionspunkt P’. Im Vergleich zu A steigt die produzierte Menge im Importsektor; jedoch geht die Produktion im Exportsektor zurück. Der neue Konsumpunkt liegt in C’. Es wird angenommen, dass der Staat die Zolleinnahmen wieder als Pauschaltransfer an die Haushalte verteilt. Der Konsumpunkt liegt dann auf einer Gerade mit der Steigung des relativen Weltmarktpreises p. Das Land tauscht mit dem Ausland die Exportmenge P’B gegen die Importmenge BC’. Das inländische Preisverhältnis ist hingegen ′ ⁄ . EC' Schaubild 11.2: Zoll und Importmarkt <?page no="190"?> 182 11. Zölle, Handelshemmnisse und Welthandelsordnung sind dann die Zolleinnahmen, die wieder an die Haushalte ausgeschüttet werden. Durch den Zoll sinkt die Wohlfahrt in dem Land; die Indifferenzkurve durch C’ verläuft unterhalb der Indifferenzkurve durch C. Aussage 11.1: Ein Zoll verringert die aggregierte Wohlfahrt in einem kleinen offenen Land. Q 1 P C ' C P ' p f p p p f B E Q 2 O 5. Produktionssubvention. Anstatt einen Zoll auf die Importe zu erheben, kann der Staat seine inländischen Anbieter auch durch eine Produktionssubvention vor der ausländischen Konkurrenz schützen. Dieser Fall ist in Schaubild 11.4 abgebildet. In diesem Schaubild wird angenommen, dass der Staat dem Unternehmen einen konstanten Subventionssatz von LM für jede produzierte Gütereinheit bezahlt. Um diesen Subventionssatz steigt der Preis aus Sicht des Unternehmens (Weltmarktpreis plus Subventionssatz). Die produzierte Menge weitet sich wieder aus (von F nach F’). Die Nachfrage nach dem subventionierten Gut bleibt unverändert bei I, da für die Konsumenten weiterhin der Weltmarktpreis relevant ist. Wenn das Gut hinreichend stark subventioniert wird, ist sogar denkbar, dass aus dem Importgut ein Exportgut wird; der Schnittpunkt zwischen A und M liegt dann rechts von I. Die Wohlfahrt der Konsumenten wird durch die Subvention nicht beeinträchtigt. Die Produzentenrente steigt um die Fläche u. Der Staat hat jedoch Subventionsaufwendungen von u + a zu finanzieren. Insgesamt bleibt dem Land ein Wohlfahrtsverlust in Höhe des Dreiecks a. Dieser Wohlfahrtsverlust resultiert (wie beim Zoll) aus der ineffizient hohen Produktion des Gutes im Inland. Da die Konsumentscheidung jedoch nicht verzerrt wird, ist der gesamte Wohlfahrtsverlust des Landes durch die Subvention geringer als beim Zoll. Schaubild 11.3: Zoll und inländischer Relativpreis <?page no="191"?> 11.2 Wirkungen einer protektionistischen Handelspolitik 183 q p N A L F F ' I O a M u Wie beim Importzoll können auch bei der Subvention die gesamtwirtschaftlichen Folgen im Transformationskurvenschaubild dargestellt werden (Schaubild 11.5). Durch die Subvention steigt aus Sicht der Produzenten der Preis von Gut 2; damit geht der Relativpreis für die inländischen Produzenten wieder auf zurück. Der Produktionspunkt verschiebt sich auf P’. Aus Sicht der Konsumenten gilt aber nach wie vor der Relativpreis . Sie konsumieren im Tangentenpunkt C’ zwischen Indifferenzkurve und der Gerade durch P’. Die Wohlfahrt bei einer Produktionssubvention ist höher als bei einem Zoll (die Indifferenzkurve durch Punkt C’ in Schaubild 11.5 verläuft auf einem höheren Niveau als die entsprechende Indifferenzkurve in Schaubild 11.3). Q 1 P C P ' p f p p f Q 2 O C ' Schaubild 11.5: Produktionssubvention und inländischer Relativpreis Schaubild 11.4: Produktionssubvention und Importmarkt <?page no="192"?> 184 11. Zölle, Handelshemmnisse und Welthandelsordnung 6. Mengenkontingent. Anstelle von preislichen Instrumenten, wie Zöllen oder Produktionssubventionen, kann der Staat auch mengenmäßige Handelsbeschränkungen einsetzen. Beispielsweise kann eine maximal zulässige Menge von Importen festgelegt werden durch ein inländisches Importkontingent. Dieser Fall ist in Schaubild 11.6 dargestellt. Wird ein Importkontingent F’I’ eingeführt, so kennzeichnet die Gerade A’ die für das Inland relevante Angebotsfunktion. Die kontingentierte Importmenge wird dem inländischen Angebot horizontal hinzuaddiert. Beim Weltmarktpreis von L würde dann ein Nachfrageüberhang nach dem Importgut bestehen, so dass der Inlandspreis über den Weltmarktpreis ansteigt. Die Kontingentierung des Imports impliziert dann einen Gleichgewichtspreis M. Der Preis und die inländische Angebotsmenge steigen. Insoweit besteht Äquivalenz zwischen einem Importzoll (vgl. Schaubild 11.3) und einem Kontingent. q p N A L c u a F F ' I ' I A ' d e O M Die inländischen Konsumenten verlieren die Konsumentenrente u + a + d + e + c. Die inländischen Produzenten gewinnen die Produzentenrente u. Die Dreiecke a und c sind, wie beim Zoll, verlorene Konsumentenrente, die nirgendwo ankommt (Effizienzverlust). Die Rente d + e kann bei unterschiedlichen Gruppen anfallen. Sie fällt bei den inländischen Importeuren an, wenn die Importeure die Kontingente kostenlos erhalten. Die Importeure können das Importgut im Ausland zum Preis L kaufen und im Inland zum Preis M verkaufen; die Fläche d + e ist dann der Gewinn der Importeure. Der inländische Staat kann diese Rente in seine Kassen umlenken, z.B. indem er die Importlizenzen meistbietend versteigert. Die Rente kann schließlich aber auch im Ausland anfallen. Das ist bei den freiwilligen Selbstbeschränkungsabkommen der Fall, bei denen sich die Exportländer auf eine Verringerung ihrer Exportmenge verpflichten. Dabei kann die Rente entweder bei den ausländischen Anbietern ankommen, wenn diese das Schaubild 11.6: Mengenkontingent <?page no="193"?> 11.3 Optimalzoll und Gefangenendilemma 185 freiwillige Selbstbeschränkungsabkommen umsetzen, oder beim ausländischen Staat, wenn der ausländische Staat zur Durchsetzung des Selbstbeschränkungsabkommens Exportlizenzen versteigert. 11.3 Optimalzoll und Gefangenendilemma 1. Weltmarktpreisverhältnis. Gibt man die Annahme eines kleinen Landes auf, so wirkt sich ein Importzoll auch auf den Relativpreis aus. In diesem Fall hat die Zollerhebung aus Sicht des Inlands einen positiven Einfluss auf die Terms of Trade. Durch den Zoll auf das Importgut 2 sinkt bei gegebenem Weltmarktpreis die Nachfrage des Inlands nach Gut 2. Damit verändert sich das Handelsgleichgewicht und der Relativpreis steigt. Im Vergleich zum Relativpreis bei Freihandel gilt somit für den Relativpreis ̅ nach Zollerhebung ̅ . Das Inland kann demnach durch eine Zollerhebung die Terms of Trade zu seinen Gunsten manipulieren. Im Tauschkurvendiagramm aus Abschnitt 10.2 kann der Einfluss eines Zolls im Inland auf das Weltmarktgleichgewicht grafisch abgeleitet werden. In Schaubild 11.7 bestimmt der Schnittpunkt S der inländischen Tauschkurve T mit der ausländischen Tauschkurve T* das Weltmarktpreisverhältnis bei Freihandel. Durch die Zollerhebung gehen die Export- und Importwünsche des Inlands zurück (Schaubild 11.3). Die inländische Tauschkurve wird somit gestaucht nach T’. Im neuen Gleichgewichtspunkt S’ schneidet die zollmodifizierte inländische Tauschkurve T’ die ausländische Tauschkurve T*. Im Vergleich zum Freihandelsgleichgewicht verbessern sich die Terms of Trade des Inlands auf ̅ . Aus Sicht der inländischen Produzenten und Konsumenten steigt nach wie vor der Preis des Gutes 2 und der Relativpreis sinkt. Der inländische Relativpreis ist geringer als der ursprüngliche Weltmarktpreis, d.h. . Damit gilt ̅ . T ' T T* E , - E * 2 2 - E , E * 1 1 p f p p O Schaubild 11.7: Zoll und Tauschgleichgewicht <?page no="194"?> 186 11. Zölle, Handelshemmnisse und Welthandelsordnung 2. Handelsindifferenzkurve und Inlandspreisverhältnis. Aufgrund der Wirkungen auf die Terms of Trade ist ein Zoll in einem großen offenen Land nicht mehr eindeutig wohlfahrtsverschlechternd. Stattdessen kommen nun zwei gegenläufige Effekte zusammen. Auf der einen Seite verzerrt ein Zoll die Produktions- und Konsumentscheidung, was sich bei einem gegebenen Weltmarktpreis negativ auf die Wohlfahrt auswirkt. Auf der anderen Seite verbessert das Land seine Terms of Trade, wodurch für sich genommen die Wohlfahrt steigt. Die Gesamtwirkung des Zolls in einem großen Land hängt damit von der Stärke dieser beiden Effekte ab. Um hier zu weitergehenden Aussagen zu kommen, ist es hilfreich, Handelsindifferenzkurven in das Tauschkurvendiagramm einzuzeichnen (Schaubild 11.8). Diese zeigen die unterschiedlichen Kombinationen von Exportmengen (- ) und Importmengen ( ), die einem Land jeweils die gleiche Wohlfahrt bringen. Die Handelsindifferenzkurve ist somit die gesellschaftliche Indifferenzkurve aus Kapitel 10 übertragen in ein Export-Import-Diagramm. Da ein Export die Abgabe eines Gutes an das Ausland bedeutet, ist der Grenznutzen des Exports negativ. Folglich ergibt sich die positive Steigung der Handelsindifferenzkurve: Die Wohlfahrt eines Landes ist nur dann unverändert, wenn eine höhere Exportmenge von Gut 1 durch mehr Importe von Gut 2 kompensiert wird. T ' T T* E , - E * 2 2 - E , E * 1 1 p f H H* H ' p p O Das inländische Preisverhältnis bei Freihandel entspricht der Steigung der Indifferenzkurve, so dass im Freihandelspunkt die erreichte Handelsindifferenzkurve H vom Weltmarktpreisverhältnis tangiert wird. 3. Wohlfahrtsmaximierender Zollsatz. Offensichtlich variieren die erreichte Handelsindifferenzkurve und damit die nationale Wohlfahrt mit dem Zollsatz. Wird nur ein geringer Zollsatz erhoben, so dreht sich die inländische Tauschkurve nur geringfügig. Es kann ein neuer Schnittpunkt mit der ausländischen Tauschkurve erreicht werden, der das Inland auf ein höheres Wohlfahrtsniveau bringt (ober- Schaubild 11.8: Optimalzoll <?page no="195"?> 11.3 Optimalzoll und Gefangenendilemma 187 halb der Handelsindifferenzkurve H). Bei einem sehr hohen Zollsatz hingegen kann sich die Wohlfahrtsposition des Inlands verschlechtern. Der Schnittpunkt der neuen inländischen Tauschkurve mit der aus dem Ausland liegt dann unterhalb der Handelsindifferenzkurve H. Damit stellt sich die Frage, ob es einen optimalen Zollsatz gibt, bei dem die Wohlfahrt des Inlands maximal ist. Das Inland kann seinen Zoll so weit steigern, bis es auf der ausländischen Tauschkurve die Handelsindifferenzkurve mit dem höchsten Wohlfahrtsniveau erreicht. Die Tauschkurve des Auslands T* und die Handelsindifferenzkurve H’ des Inlands tangieren sich dann (Schaubild 11.8). Die Wohlfahrt im Inland ist höher als im Freihandelspunkt; die Handelsindifferenzkurve H’ verläuft oberhalb von H. Das Inland verbessert seine Wohlfahrt aber auf Kosten des Auslands; dort kann die Handelsindifferenzkurve bei Freihandel H* nicht mehr erreicht werden. Nach der Zollerhebung fallen in- und ausländisches Preisverhältnis auseinander. Im Inland gilt für Produzenten und Konsumenten das Preisverhältnis , im Ausland gilt ̅ . Im Schaubild 11.8 entspricht das Preisverhältnis der Steigung der Handelsindifferenzkurve H’. Der Zusammenhang zwischen Zollsatz und Wohlfahrt wird noch einmal in Schaubild 11.9 dargestellt. Bei einem Zoll von null wird der Wohlstand eines Landes durch das Niveau der Handelsindifferenzkurve bei Freihandel bestimmt (Punkt A). Ein großes Land kann dann seinen Wohlstand steigern, wenn es einen Zoll einführt. Punkt B kennzeichnet den Optimalzoll mit einem entsprechend maximalen Wohlfahrtsniveau für das Inland. Wird von B aus der Zollsatz weiter erhöht, so verringert sich die nationale Wohlfahrt. Bei Punkt C ist der Zollsatz so groß geworden, dass der Außenhandel zum Erliegen kommt und sich die Autarkiesituation einstellt. In Autarkie ist das Wohlstandsniveau eines Landes niedriger als bei Freihandel. O t Wohlfahrt A B C Schaubild 11.9: Zollniveau und Wohlstand eines Landes <?page no="196"?> 188 11. Zölle, Handelshemmnisse und Welthandelsordnung Aussage 11.2: Ein großes Land kann seine Wohlfahrt durch einen Optimalzoll auf Kosten des Auslands steigern. 4. Reaktion des Auslands. Beim Optimalzoll wird unterstellt, dass sich das Ausland völlig passiv verhält und seinerseits keinen Zoll erhebt. Wenn das Ausland aber auch einen Importzoll einführt, dann verschiebt sich die ausländische Tauschkurve ebenfalls, und zwar nach rechts. Ist das Ausland ein großes Land, dann hat es - ebenso wie das Inland - einen Anreiz, Optimalzollpolitik zu betreiben, um dadurch seine Wohlfahrt zu verbessern. So wie das Inland versucht, durch einen Zoll auf das Importgut 2 den Relativpreis p zu steigern und dadurch seine Terms of Trade zu verbessern, verfolgt das Ausland das Ziel, durch einen Zoll auf Gut 1 den Relativpreis p zu senken. Bei einer Zollerhebung beider Länder ergibt sich dann aus der Freihandelssituation S (vor Zollerhebung) in Schaubild 11.10 ein Gleichgewicht wie in Punkt S’. Hier ist zur Verdeutlichung eine vollkommen symmetrische Situation dargestellt, in dem sich die Wirkungen des inländischen und des ausländischen Zolls auf den Weltmarktpreis gerade aufheben. Es verbleiben lediglich die verzerrenden Wirkungen des Zolls, so dass im Gleichgewichtspunkt S’ die Wohlfahrt in beiden Ländern geringer ist als in der Freihandelssituation S. T T* E , - E * 2 2 - E , E * 1 1 S ' S T ' T* ' O Bei diesem nicht-kooperativen Verhalten beider Länder schrumpft der Handel und beide Länder verlieren. Würden sich die Länder dagegen kooperativ verhalten und jeweils ihre Handelsbarrieren abbauen, so könnten beide gewinnen und die Freihandelssituation in S erreichen. 5. Gefangenendilemma der Handelspolitik. Handelspolitik führt in Schaubild 11.10 zu einer Situation des Gefangenendilemmas. Dieses Gefangenendilemma lässt sich an einem Zahlenbeispiel verdeutlichen. In Tabelle 11.1 sind die Handelsgewinne Schaubild 11.10: Zollkrieg und Tauschgleichgewicht bei symmetrischen Ländern <?page no="197"?> 11.3 Optimalzoll und Gefangenendilemma 189 beider Länder unter verschiedenen Handelspolitiken dargestellt. Zur Vereinfachung ist wieder unterstellt, dass beide Länder vollständig symmetrisch sind. Tabelle 11.1: Das Zoll-Gefangenen-Dilemma: Freihandel oder Zoll Ausland Inland Freihandel Zoll Freihandel (12,12) (3,15) Zoll (15,3) (5,5) Die erste Zahl in der Klammer kennzeichnet den Handelsgewinn für das Inland, die zweite Zahl den Handelsgewinn für das Ausland. Die Wohlfahrt in Autarkie ist zur Vereinfachung auf Null normiert, so dass der Handelsgewinn direkt die Wohlfahrt des Landes angibt. Betreiben beide Länder Freihandel, so können sie beide einen Handelsgewinn von 12 erreichen. Erhebt nur das Inland einen Zoll, so hat das Inland einen Außenhandelsgewinn von 15, das Ausland einen Gewinn von 3. Analog hat das Ausland einen Außenhandelsgewinn von 15 und das Inland von 3, wenn nur das Ausland einen Zoll erhebt. Wenn schließlich beide Länder Zollpolitik betreiben, dann erzielen sie einen Handelsgewinn von 5. Für jedes Land stellt die Zollpolitik eine dominante Strategie dar: Wenn z.B. das Ausland keinen Zoll erhebt, dann steigert das Inland seinen Handelsgewinn von 12 auf 15 durch einen Zoll. Wenn das Ausland einen Zoll erhebt, dann erhält das Inland mit Zoll immer noch einen höheren Handelsgewinn als ohne (5 statt 3). Unabhängig davon, wie sich das Ausland verhält, lohnt es sich für das Inland, einen Zoll einzuführen. Das gleiche gilt für das Ausland. Letztlich erheben beide Länder einen Zoll und landen jeweils bei geringeren Handelsgewinnen als unter Freihandel. Beide Länder erheben einen Zoll, um dadurch Wohlfahrtsgewinne auf Kosten des Auslands zu erzielen. Letztlich stellen sich aber beide Länder schlechter als bei Freihandel. Das ist das Zoll-Gefangenen-Dilemma. Die möglichen Handelsgewinne sind in Schaubild 11.11 noch einmal verdeutlicht. Dabei sind auf den Achsen die Handelsgewinne des Inlands (vertikale Achse) und des Auslands (horizontale Achse) aufgetragen. Beginnend mit der Freihandelssituation I (12/ 12) kann das Inland seinen Handelsgewinn steigern, indem es seinen Zoll erhöht. Gleichzeitig verringert sich aber der Handelsgewinn des Auslands (Bewegung von I nach III). Würde das Inland seinen Zoll weit über den Optimalzoll hinaussetzen, so würde es an Wohlfahrt verlieren; es kann einen so großen Zoll erheben, dass auch sein Handelsgewinn null wird. Analog kann von der Freihandelssituation I (12/ 12) ausgehend das Ausland einen Zoll erheben und dadurch seine Wohlfahrt steigern, bis es seinen Optimalzoll erreicht hat (Punkt II). Die Linie von 0 über III und I sowie II kennzeichnet also die Veränderung von Nutzenniveaus unter der Prämisse, dass jeweils ein Land handelt und das andere Land keinen Zoll erhebt. Punkt IV schließlich charakterisiert eine <?page no="198"?> 190 11. Zölle, Handelshemmnisse und Welthandelsordnung Lage, in der beide Länder einen Zoll erheben und einen positiven Außenhandelsgewinn von jeweils 5 haben. Wir sehen in Schaubild 11.11, dass nur Situationen auf dem Segment von III über I bis zu II Pareto-effizient sind. In diesem Bereich erhebt wenigstens eines der beiden Länder keinen Zoll und das Zollniveau im anderen Land darf den Optimalzoll nicht übersteigen. 6. Gewinne aus Handel auch bei Protektion des anderen Landes. Es stellt sich die Frage, ob Außenhandel für ein Land lohnenswert ist, wenn das andere Land sich protektionistisch verhält, indem es etwa einen Optimalzoll anwendet. Man erkennt aus Schaubild 11.11, dass entlang der Strecke I-III die Gewinne aus Handel für das Inland steigen und für das Ausland sinken. Aber relativ zur Autarkie bringt ein Handelspunkt selbst beim Optimalzoll des Inlands noch Gewinne aus Handel für das Ausland. Das Ausland hat bei einer Zollpolitik des Inlands im gesamten Kurvenbereich I-III-O Gewinne aus Handel, es sei denn, das Inland treibt die Handelspolitik so weit, dass die Autarkieposition erreicht wird (Punkt O). Außenhandel lohnt sich gegenüber der Autarkiesituation selbst dann, wenn sich das andere Land protektionistisch verhält. 7. Free Trade for One-Theorem. In der obigen Diskussion wurden die beiden Länder als symmetrisch dargestellt. Sind die Länder in ihrem Einfluss auf das Weltmarktpreisverhältnis jedoch unterschiedlich stark, so kann dies zu einer veränderten Spielstruktur führen. Wenn das Inland ein kleines offenes Land ist, dann ist die ausländische Tauschkurve eine Gerade (Schaubild 11.12). Für das Inland lohnt es sich in diesem Fall nicht, einen Zoll einzuführen, da die höchste Handelsindifferenzkurve im Freihandelspunkt A erreicht wird. Auch wenn das Ausland eine Zollpolitik betreibt (Tauschkurve T’), ist es für das Inland vorteilhaft, nicht auf den Zoll zu reagieren und selbst keinen Zoll zu erheben. Das „stärkere“ Land III I (12; 12) II (3; 15) (15; 3) IV (5; 5) U* U O Schaubild 11.11 Verteilung der Handelsgewinne <?page no="199"?> 11.4 Erklärungen für Protektionismus 191 (das Ausland) nimmt dann die Unabhängigkeitsposition ein, während sich das andere Land (das Inland) passiv anpasst. In diesem Fall würde sich das Inland noch schlechter stellen, wenn es auf einen ausländischen Zoll durch einen eigenen Zoll antworten würde. Das ist die Aussage des „Free Trade For One“- Theorems. Aussage 11.3: Freihandel lohnt sich für ein kleines Land selbst dann, wenn das andere Land sich protektionistisch verhält („Free Trade for One“-Theorem). Allerdings werden die Gewinne aus Handel geringer. E , - E * 2 2 - E 1 , E * 1 T T* T* ' H S S ' H ' O 11.4 Erklärungen für Protektionismus 1. Fragestellung. In Kapitel 10 haben wir gesehen, dass Handel Gewinne bringt für die Welt als Ganzes und auch für jedes einzelne Land. Trotz dieser Aussagen beobachten wir in der Welt immer wieder, dass Länder von Freihandel abweichen und sich protektionistisch verhalten. Zwei Ansätze haben wir bereits kennengelernt, die dieses Phänomen erklären können. Beim Optimalzollansatz aus dem vorangehenden Abschnitt kann ein großes Land einen Importzoll erheben, um die heimische Überschussnachfrage nach dem Importgut zu dämpfen und somit die Weltmarktpreise zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Im Ansatz der strategischen Handelspolitik aus Abschnitt 7.5 kann ein Land bei unvollständigem Wettbewerb seine Exportindustrie subventionieren, um dieser einen Wettbewerbsvorteil vor ausländischen Konkurrenten und damit höhere Gewinne zu verschaffen. Es kommen jedoch noch weitere Erklärungen für Protektionismus infrage. 2. Schutz alter Industrien. Ein Grund für protektionistische Maßnahmen ist darin zu sehen, dass bei Aufnahme von Handel diejenigen Wirtschaftszweige schrumpfen, die einen relativen Preisnachteil haben. Ihr Output und ihre Beschäftigung gehen zurück. Die Nachteile des Außenhandels konkretisieren sich Schaubild 11.12: Handelspolitik im Fall des kleinen Landes <?page no="200"?> 192 11. Zölle, Handelshemmnisse und Welthandelsordnung also in einem oder in wenigen Sektoren, die möglicherweise auch noch regional konzentriert sind, während viele Vorteile des Handels - z. B. die höhere Konsumentenrente - breit gestreut sind. Folgt man dem Ansatz der sektorgebundenen Produktionsfaktoren (Abschnitt 6.1), so werden die Faktoren in den schrumpfenden Sektoren durch ausländische Konkurrenz entwertet. Die Regierung kann in einem solchen Fall versuchen, die betroffenen Industrien zu schützen und den strukturellen Anpassungsprozess wenigstens zu verlangsamen. Typische Beispiele für einen solchen Schutz alter Industrien sind die Landwirtschaft, Bekleidungsindustrie oder die Stahlindustrie. Wenn ein kleines Land durch Freihandel insgesamt gewinnt, dann folgt daraus, dass die Gewinne aus Handel für die expandierenden Exportindustrien größer sind als die Verluste der schrumpfenden Importsektoren. Daher stellt sich die Frage, warum die Politik dann die Importsektoren besonders schützt. Hierfür gibt es verschiedene Hypothesen. Erstens könnte es daran liegen, dass die Arbeitsplätze, die in schrumpfenden Importindustrien von Auslandskonkurrenz bedroht sind, bereits bestehen, während Arbeitsplätze in wachsenden Exportsektoren erst noch geschaffen werden müssen. Somit sind die potenziellen Verlierer durch Handel deutlicher identifizierbar als die Gewinner und können sich auch eine lautere Stimme im politischen Prozess verschaffen. Bei mehr als zwei Sektoren kann es zweitens auch sein, dass die Verlierer aus Handel in einem Land auf wenige Sektoren konzentriert sind, während die Gewinner breiter gestreut sind. Gemäß der Interessengruppentheorie von Olson (1965) haben kleine konzentrierte Gruppen in der Gesellschaft einen höheren Anreiz, sich politisch zu organisieren als große Gruppen, deren Mitglieder vergleichsweise gering von einer bestimmten Politik betroffen sind. Eine Koalition der Gewinner aus Freihandel gelingt dann weniger gut als eine Koalition der Verlierer, so dass die Politik eher die Interessen der letzteren berücksichtigt. Drittens kann Protektionismus wie eine Versicherung wirken, welche die Beschäftigten vor den Einkommenswirkungen einer Veränderung der komparativen Vorteile schützt. 3. Schutz junger Industrien. Neben dem Schutz rückläufiger Sektoren wird Protektionismus dadurch begründet, dass Wirtschaftszweige sich erst entwickeln müssen und deshalb in der Anfangsphase vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden sollen. Dieses Argument ist mit den Begriffen „Infant Industry Protection“ bzw. „Erziehungszoll“ und den Namen Alexander Hamilton (1791) bzw. Friedrich List (1841) verbunden. Hintergrund ist die Vorstellung einer dynamischen Lernkurve, nach der die Produktionskosten in einer sich neu entwickelnden Industrie im Zeitablauf zurückgehen bis die Produktionstechnologie für diese Industrie ausgereift ist. Ein Land, in der eine bestimmte Industrie erst am Anfang ihrer Entwicklung steht, könnte dann nach diesem Argument zunächst einen komparativen Nachteil haben gegenüber dem Ausland, in dem die Industrie bereits ausgereift ist. Als Folge davon könnte sich die neue Industrie in dem <?page no="201"?> 11.4 Erklärungen für Protektionismus 193 Land gar nicht erst entwickeln - selbst wenn das Land einen langfristigen komparativen Vorteil bei dieser Industrie hätte. Wir können z.B. im Ricardo-Modell annehmen, dass diese Lerneffekte in Sektor 1 auftreten mit einem Arbeitskoeffizienten , solange die Industrie 1 jung ist und , wenn sie ausgereift ist ( ). Wenn die Industrie in beiden Ländern ausgereift ist, dann exportiert das Inland Gut 1 für ⁄ ∗ ∗ ⁄ . Wenn die Industrie im Inland aber noch nicht ausgereift ist, dann kann es sein, dass ∗ ∗ ⁄ . In diesem Fall hat das Ausland einen komparativen Vorteil für Gut 1 und wird dieses Gut exportieren. Das Inland ist dann vollständig auf Gut 2 spezialisiert und kann daher auch nicht die Lerneffekte realisieren, die für eine Kostensenkung in Sektor 1 notwendig sind. Ein temporärer Zoll des Inlands auf Gut 2 könnte hingegen den Aufbau der Industrie im Inland ermöglichen. Ein solcher Zoll würde sich aus Sicht des Inlands dann lohnen, wenn die Vorteile aus der langfristigen Spezialisierung auf Gut 1 die kurzfristigen Kosten aufgrund der Einschränkung des Handels übersteigen. Lerneffekte reichen jedoch nicht aus, um das Erziehungszollargument zu begründen. Wenn voraussehbar ist, dass Industrie 1 im Inland langfristig wettbewerbsfähig sein wird, könnte man sich auch vorstellen, dass private Kapitalgeber die Industrie zunächst unterstützen, ohne dass der Staat mit Zöllen eingreift (Baldwin 1969). Neben den Lerneffekten müssten daher noch zusätzliche Marktunvollkommenheiten auftreten, wie z.B. ein unvollständiger Kapitalmarktzugang für potenzielle Produzenten der jungen Industrie oder externe Effekte bei der Sammlung des technischen Wissens, wie sie in Abschnitt 7.1 besprochen wurden. 4. Versorgungssicherheit. Auch das Autarkieargument wird für protektionistische Eingriffe angeführt. Im Hinblick auf mögliche internationale Versorgungskrisen sollte nach diesem Argument ein Land seine eigenen Importsubstitute (z.B. Agrarprodukte oder Kohle) schützen. Das Vorhalten heimischer Produktionskapazitäten ist allerdings nur eine mögliche Maßnahme der Risikobegrenzung. Daneben steht eine ganze Palette anderer risikomindernder Maßnahmen zur Verfügung, wie z.B. eine Streuung der Bezugsquellen, ein Ausweichen auf Substitute (etwa bei verschiedenen Energieträgern wie Importkohle, Erdöl und Erdgas) oder die vorsorgliche Lagerung von wichtigen Importgütern. Zudem kann das Versorgungsargument allenfalls dafür herangezogen werden, um entsprechende Produktionskapazitäten für einen Krisenfall vorzuhalten. Die tatsächliche Produktion heimischer Importsubstitute muss hierfür nicht gefördert werden. Bei erschöpfbaren Ressourcen, wie dem Boden in der Landwirtschaft oder der Kohle, wäre es sogar widersinnig, die Ressourcen bereits jetzt zu beanspruchen, anstatt sie für den etwaigen Krisenfall zu schonen. 5. Rent Seeking. Mit der Protektion ist für den Sektor der Importsubstitute eine Rente verbunden. Wie Schaubild 11.2 gezeigt hat, steigert ein Zoll die Produzen- <?page no="202"?> 194 11. Zölle, Handelshemmnisse und Welthandelsordnung tenrente im Importsektor. Es lohnt sich also für die Unternehmen, Anstrengungen zu unternehmen, um Zollprotektion ihres Sektors zu erhalten. Dieses „Rent- Seeking“ (Tullock 1967) bindet Produktionsfaktoren, die der Produktion entzogen werden. Somit geht ein Teil der gewonnenen Produzentenrente wieder durch Rent-Seeking verloren; dieser Teil muss den Wohlfahrtsverlusten aufgrund der Verzerrung der Produktions- und Konsumentscheidung hinzuaddiert werden. Bei der Importquote haben wir gesehen, dass Renten auch für die Importeure eines Gutes anfallen können, wenn der Staat die Importmenge beschränkt. Somit haben auch die Importeure einen Anreiz zum Rent-Seeking (Krueger 1974). 6. Gesamtwirtschaftliche Verteilungseffekte. Wie wir im Heckscher-Ohlin-Modell gesehen haben, verschlechtert Außenhandel die Einkommensposition des relativ knappen Faktors eines Landes. Außenhandel kann somit politisch unerwünschte Verteilungswirkungen haben, z.B. indem die Arbeitseinkommen oder die Beschäftigung in einem arbeitsarmen Land nach Aufnahme von Handel zurückgehen. Diese Verteilungseffekte des Handels können eine Erklärung für protektionistische Maßnahmen des Landes sein. Wenn die Handelsgewinne nur bei einer Minderheit der Bevölkerung anfallen, während die Mehrheit durch Außenhandel eher verliert, dann würde der Medianwähler gegen eine Handelsliberalisierung sein und eine Politik, die sich an den Interessen des Medianwählers ausrichtet, ebenfalls (Mayer 1984). 11.5 Welthandelsordnung 1. GATT und WTO. Im Optimalzollmodell haben wir gesehen, dass nichtkooperatives Verhalten bei der Handelspolitik zu einer Situation des Gefangenendilemmas führen kann, so dass sich die Länder durch eine Kooperation besser stellen könnten. Eine kooperative Lösung lässt sich erreichen, wenn sich die Länder vorab verpflichten, einem System von Regeln zu folgen. Ein solches Regelsystem ist als eine institutionelle Ordnung zu begreifen, zu der sich die Länder freiwillig entscheiden. Die 1995 aus dem GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) hervorgegangene WTO (World Trade Organization) ist eine solche Ordnung. Ziel ist es, einen stabilen Rahmen für den internationalen Handel zu schaffen und damit eine wichtige Voraussetzung für eine Steigerung des Wohlstands zu legen. Zölle und andere tarifäre Handelshemmnisse sollen vermieden werden. Durch die Bindung an Freihandelsregeln sollten die protektionistischen Interessen in den einzelnen Ländern in Schach gehalten werden. 2. Entwicklung. Der WTO haben sich mittlerweile 159 Mitglieder angeschlossen gegenüber 23 Unterzeichnern des GATT in 1948. Damit hat sich in den letzten 65 Jahren die Mitgliederstruktur verschoben. Die USA haben ihre Position als Hegemonialmacht verloren, während neue starke Mitglieder, wie z.B China, <?page no="203"?> 11.5 Welthandelsordnung 195 hinzugekommen sind. Auch die Entwicklungsländer spielen inzwischen eine weitaus aktivere Rolle in den Verhandlungen. In einer solchen Gemengelage werden Einigungen über den Abbau von handelsbeschränkenden Maßnahmen zunehmend schwieriger, was die stockenden Verhandlungen in der Doha-Runde deutlich zeigen (Kasten 11.2). 3. Prinzipien des GATT. Das GATT baut auf zwei zentralen Prinzipien auf, dem der Reziprozität und dem der Meistbegünstigung. Das Prinzip der Reziprozität verlangt, dass Konzessionen gegenseitig sein müssen, also die Zollsenkung eines Landes durch eine entsprechende Zollsenkung eines anderen Landes beantwortet werden muss. Dabei wird ein bilaterales Nachfrage-Angebots-System praktiziert. Beispielsweise bietet ein Land eine Konzession x an, wenn ein anderes Land eine Konzession y offeriert hat. Ein Land kann jedoch bei einem bestimmten Produkt nur dann eine Konzession verlangen, wenn es in der Position des hauptsächlichen Anbieters ist - wenn es den größten Anteil an den Importen des Partnerlandes hat („Principal Supplier Rule“). Das Prinzip der Reziprozität gibt den teilnehmenden Ländern einen Anreiz für Zollsenkungen, da diese dann dafür durch eine Liberalisierung im Ausland „belohnt“ werden (Bagwell und Staiger 1999). Im Zahlenbeispiel aus Tabelle 11.1 baut das Inland - ausgehend vom nicht-kooperativen Gleichgewicht - seinen Zoll ab, wenn das Ausland durch das Prinzip der Reziprozität gezwungen wird, ebenfalls seinen Außenhandel zu liberalisieren. Ein weiteres wichtiges Prinzip des GATT ist das der Nichtdiskriminierung. Nach der Meistbegünstigungsklausel („Most Favoured Nation Clause“) sollen für Importe die gleichen Handelsbedingungen gelten - unabhängig vom Ursprungsland der Importe. Eine Zollsenkung, die ein Land einem anderen Land einräumt, wird grundsätzlich auf alle Handelspartner ausgedehnt („Favor One, Favor All“). Bei handelspolitischen Maßnahmen wie Zöllen oder nicht-tarifären Handelshemmnissen soll also nicht zwischen verschiedenen Herkunftsländern der Importe diskriminiert werden. Bilaterale Handelsliberalisierungen werden dadurch multilateral und auch das Prinzip der Reziprozität kann so in einen multilateralen Rahmen übertragen werden (Bagwell und Staiger 1999). Werden inländische Steuern auf Produkte erhoben oder unterliegen Güter nationalen Regulierungen, beispielsweise bei Produktstandards, so gilt das Prinzip der Inländerbehandlung („National Treatment“). Importe sind also bei Steuern und Regulierungen wie nationale Güter zu behandeln. Dieses Prinzip der Inländerbehandlung gilt auch für Dienstleistungen (GATS). Weitere Regelungen der WTO beziehen sich auf andere Aspekte der Handelsbeschränkungen wie Dumping und Subventionen. 4. Probleme der WTO. GATT und WTO waren erfolgreich beim Abbau der Zölle auf Industriegüter. Allerdings wurden die Zollsenkungen teilweise dadurch unterlaufen, dass nicht-tarifäre Handelshemmnisse an Bedeutung gewannen. <?page no="204"?> 196 11. Zölle, Handelshemmnisse und Welthandelsordnung Diese nicht-tarifären Handelshemmnisse konnten in der Vergangenheit nicht immer erfolgreich kontrolliert werden. Dazu gehören Importkontingente, auch in Form freiwilliger Selbstbeschränkungsabkommen. Die Kontrolle von Dumping-Verhalten wie auch die Unterscheidung zwischen erlaubten Anti-Dumping- Maßnahmen und protektionistischen Importbeschränkungen erwiesen sich als schwierig. Zudem werden nationale Subventionen durch die Handelsabkommen häufig nicht erfolgreich eingeschränkt. In der Landwirtschaft bestehen immer noch bedeutende Handelsbarrieren. Schließlich waren die GATT-Regeln vorrangig für den Güterhandel konzipiert; der Handel in Dienstleistungen, der einen großen Anteil des Welthandels ausmacht, hat jedoch beachtlich zugenommen. Handelsbarrieren bei den Dienstleistungen resultieren oft nicht aus Zöllen, sondern aus nationalen Regulierungen. Schließlich gibt es neben der Handelspolitik noch weitere globale Politikbereiche, in denen multinationale Regelungen erforderlich sind, z.B. in der Umweltpolitik. Das wirft die Frage auf, wie umweltpolitische Maßnahmen von Handelsrestriktionen abzugrenzen sind. Kasten 11.2: GATT/ WTO-Runden In der Geschichte des GATT und der WTO kam es immer wieder zu Verhandlungsrunden, in denen die Zölle oder andere handelsbeschränkende Maßnahmen abgebaut wurden. Dabei bezogen sich die ersten fünf Runden auf den Zollabbau, die Kennedy- und Tokyo-Runde vor allem auf das Problem des Anti-Dumpings und eines Codes für Subventionen. Die Uruguay-Runde hat Handelsliberalisierungen für die Landwirtschaft und die Textilindustrie gebracht. Zudem wurde die Agenda um internationale Regelungen für geistiges Eigentum, für Dienstleistungen und für Investitionen erweitert und es wurde der Grundstein für die Handelsorganisation WTO gelegt. Die Doha-Runde, in deren Fokus die Situation der Entwicklungsländer steht, sollte eigentlich bereits zu Beginn des Jahres 2005 abgeschlossen sein. Die Verhandlungen wurden jedoch mehrfach unterbrochen und es ist unklar, ob und wann offizielle Gespräche wieder aufgenommen werden. 1947: Genfer Runde (Zölle) 1949: Annecy-Runde (Zölle) 1951: Torquay-Runde (Zölle) 1956: Genfer Runde (Zölle) 1960-1961: Dillon-Runde (Zölle) 1964-1967: Kennedy-Runde (Zölle und Anti-Dumping) 1973-1979: Tokyo-Runde (Zölle, Anti-Dumping, Subventionen) 1986-1994: Uruguay-Runde (Agenda-Erweiterung, Einrichtung der WTO 1995) 2001-: Doha-Runde (noch nicht abgeschlossen) <?page no="205"?> 11.6 Zollunion und andere regionale Integrationsformen 197 11.6 Zollunion und andere regionale Integrationsformen 1. Integrationsformen. Regionale Integrationen stellen eine Ausnahme vom GATT- Prinzip der Nichtdiskriminierung dar, denn regionale Integrationen diskriminieren zwischen den Ländern, die Mitglied sind (Insider), und denen, die nicht Mitglied sind (Outsider). Dennoch sind regionale Integrationen in der WTO zugelassen, sofern der Handel innerhalb der Region vollständig liberalisiert wird. Stellt man sich ein Kontinuum unterschiedlicher Integrationsformen zwischen den beiden Polen Autarkie und einem voll funktionsfähigen Weltmarkt vor, so lassen sich auf diesem Kontinuum die folgenden Integrationsformen unterscheiden (Schaubild 11.13): Eine Zollunion ist der Zusammenschluss zweier oder mehrerer selbstständiger Staaten zu einem einheitlichen Zollgebiet. Die Zollunion ist durch drei Kriterien gekennzeichnet: gemeinsamer Außenzolltarif gegenüber Drittländern, Beseitigung der Binnenzölle zwischen den Mitgliedsländern und Verteilung der Zolleinnahmen unter den Mitgliedsländern. Zollgrenzen und Staatsgrenzen fallen also auseinander. Vorstufen der Zollunion sind Präferenz- und Freihandelszonen. Präferenzzonen bauen Zölle für bestimmte Produkte oder Produktgruppen unter den Mitgliedsländern ab. Den Nicht-Mitgliedern der Präferenzzone wird die Präferenz im Wege der Meistbegünstigung nicht eingeräumt. Präferenzzonen bauen die Binnenzölle nicht generell ab, sie haben auch keinen gemeinsamen Außenzoll. Zollunion Wirtschaftsunion Wirtschafts- und Währungsunion völlige Integration Gemeinsamer Markt Freihandelszone Präferenzzone Schaubild 11.13: Integrationsformen <?page no="206"?> 198 11. Zölle, Handelshemmnisse und Welthandelsordnung Freihandelszonen schaffen Binnenzölle ganz ab; es wird jedoch kein gemeinsamer Außenzoll vereinbart. Jedes Mitglied der Freihandelszone setzt seinen Zoll gegenüber Drittländern somit weiterhin autonom. Ursprungskontrollen sollen eine Arbitrage aufgrund unterschiedlicher Außenzölle verhindern. In einem Gemeinsamen Markt wie der Europäischen Gemeinschaft werden über die Integrationsform der Zollunion hinaus institutionelle Mobilitätshemmnisse für die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital beseitigt. Das erfordert auch eine gewisse Harmonisierung der Steuer- und Ausgabenpolitik und des gemeinsamen Ordnungsrahmens, der den Wettbewerb regelt. Die Wirtschaftsunion strebt zusätzlich eine wirtschaftspolitische Abstimmung insbesondere der Stabilisierungspolitik zwischen den Mitgliedern an. Die Wirtschafts- und Währungsunion bringt eine einheitliche Währung mit sich (Beispiel Eurozone). Neben diesen regionalen Integrationsformen tritt als perfektes Integrationsszenario der weltweite Freihandel, der die Ausnutzung der Spezialisierungsvorteile nicht auf bestimmte Produkte oder Ländergruppen beschränken will, sondern die gesamte Welt als Gemeinsamen Markt betrachtet. 2. Wirkungen einer Zollunion. Bei der Gründung einer Zollunion entsteht zusätzlicher Güteraustausch zwischen den Ländern, welche die Zollunion bilden. Man spricht im Anschluss an Viner (1950) von einem handelsschaffenden Effekt („trade creation“). Dagegen verlieren die Drittländer, die nicht Mitglied der Zollunion sind, wegen der Liberalisierung innerhalb der Zollunion Exporte, so dass von einer Handelsumlenkung („trade diversion“) gesprochen wird. In Schaubild 11.14 sind diese beiden Effekte dargestellt. Die inländische Nachfragekurve ist durch N, die inländische Angebotskurve durch A gekennzeichnet. Das Inland ist ein kleines offenes Land, das aus den beiden Ländern B und C importieren kann. B kennzeichnet den Angebotspreis des Landes B, C den geringeren Preis des Landes C. Das Inland erhebt vor Bildung einer Zollunion einen Zollsatz T, der die Importpreise aus beiden Ländern B und C gleichermaßen erhöht. Bevor die Zollunion zustande kommt, ist das Land C wettbewerbsfähig und der Angebotspreis dieses Lands liegt bei C + T. Das Inland produziert die Menge OF’ und konsumiert die Menge OI’. F’I’ wird importiert. Bildet das Inland nun eine Zollunion mit Land B, so kann das Land B anstelle von C konkurrenzfähig werden, da für Importe aus B kein Zoll mehr erhoben wird. Das Inland reduziert seine Produktion (auf OF’’), und sein Konsum steigt (auf OI’’). Durch die Zollunion findet nun zusätzlicher Handel statt (Strecke F’’I’’ statt F’I’). Das ist der handelsschaffende Effekt. Der Handel mit Land C kommt aber zum Erliegen. Das ist die Handelsumlenkung. <?page no="207"?> 11.6 Zollunion und andere regionale Integrationsformen 199 q p N A B c d a F '' F ' I ' I '' C C+T B+T e F I O Schaubild 11.14: Handelsschaffender und handelsumlenkender Effekt 3. Zollunion und Wohlfahrt. Aufgrund der Handelsumlenkung ist der Wohlfahrtseffekt der Zollunion für das Inland nicht eindeutig (Schaubild 11.14). Mit der Einführung einer Zollunion verliert das Inland Zolleinnahmen in Höhe von d + e, die zusätzliche Konsumentenrente übersteigt jedoch den Verlust an Produzentenrente um a + d + c. Bei der Frage, ob die Gründung einer Zollunion eine Verbesserung darstellt, kommt es also auf die Größe der Flächen a + c im Vergleich zu e an. Eine Zollunion schafft durch die Beseitigung der Binnenzölle zwar eine Voraussetzung für ein weltwirtschaftliches Optimum, verletzt aber durch den gemeinsamen Außenzoll eine andere Bedingung für das Optimum. Die Gründung der Zollunion ist damit ein Sonderfall der Theorie des Zweitbesten. Als Resultat der Diskussion kann man festhalten, dass nach Gründung einer Zollunion eine Wohlfahrtsverschlechterung nicht ausgeschlossen werden kann. Die Wohlfahrt steigt dann, wenn der handelsumlenkende Einfluss auf die Wohlfahrt kleiner ist als der handelsschaffende Effekt. Aussage 11.4: Eine regionale Handelsintegration löst generell wohlfahrtssteigernde handelsschaffende und wohlfahrtsmindernde handelsumlenkende Effekte aus. Die bisherige Analyse ist von einem gegebenen Zollsatz T ausgegangen, der mit Gründung der Zollunion nicht verändert wird. Wenn zugelassen wird, dass die Mitglieder der Zollunion den Zollsatz gegenüber Nicht-Mitgliedern ebenfalls anpassen, dann ist es möglich, Außenzölle für die Zollunion zu finden, so dass die Wohlfahrt gegenüber der Ausgangssituation nicht zurückgeht. Das haben Kemp und Wan (1976) in einem allgemeinen Gleichgewichtsansatz gezeigt. <?page no="208"?> 200 11. Zölle, Handelshemmnisse und Welthandelsordnung 4. Dynamische Effekte. Unsere bisherige Analyse der Zollunion war statisch orientiert und zudem partialanalytisch auf den Fall eines kleinen offenen Landes beschränkt. Es müsste zusätzlich berücksichtigt werden, welche dynamischen Effekte eine Zollunion auslösen kann. Insbesondere stellt sich die Frage, ob eine regionale Integration ein Schritt auf dem Weg zu einer weltweiten Handelsliberalisierung ist oder einer multilateralen Lösung eher entgegensteht - indem mächtige Handelsblöcke entstehen, die sich nach außen hin abschotten. So wäre z.B. in einer Welt, die aus vielen kleinen Ländern besteht, der Optimalzoll aller Länder gleich null; man hätte dann schon im nichtkooperativen Gleichgewicht Freihandel. Wenn die Länder sich hingegen zu wenigen großen Handelsblöcken zusammenschließen würden, dann hätten sie einen Anreiz, positive Außenzölle einzuführen. In diesem einfachen Beispiel würde die Bildung von Zollunionen dem weltweiten Freihandel entgegenwirken. Weiterführende Fragen 1. Erörtern Sie die Äquivalenz von Export- und Importsteuern, von Mengenbeschränkungen und tarifären Handelshemmnissen (Bhagwati et al. 1998, Kapitel 13). 2. Diskutieren Sie das Konzept der effektiven Protektion. 3. Diskutieren Sie, inwieweit das Konzept des Optimalzolls empirische Relevanz besitzt (Broda et al. 2008). Weiterführende Literatur Bagwell, K. und R W. Staiger (2002). The Economics of the World Trading System. MIT Press. Bhagwati, J., A. Panagariya und T. N. Srinivasan (1998). Lectures on International Trade. 2. Auflage, MIT Press, Kapitel 12 und 13. Hillman, A. (2003). International Trade Policy: Explaining Departure from Free Trade. In C.K. Rowley und F. Schneider (Hrsg.): Encyclopedia of Public Choice. Kluwer Academic Publishers. <?page no="209"?> 12. Die Zahlungsbilanz „Die Erzeugung eines Landes lässt sich gegen die anderer Länder zu den Preisen austauschen, die erforderlich sind, um mit der Gesamtheit der Ausfuhr genau die Gesamtheit der Einfuhr bezahlen zu können.“ John Stuart Mill * „Außenwirtschaftliches Gleichgewicht“ ist gemäß § 1 des Stabilitätsgesetzes eines der Teilziele im wirtschaftspolitischen Zielkatalog. In diesem Zusammenhang wird ein großes Augenmerk auf die Situation der Zahlungsbilanz gelegt. Abschnitt 12.1 stellt die Zahlungsbilanz und ihre Teilbilanzen vor. Die Leistungsbilanz kann, je nach Sichtweise, als Budgetrestriktion oder als Finanzierungsrestriktion einer offenen Volkswirtschaft bezeichnet werden (Abschnitt 12.2). Leistungsbilanzsaldo und Kapitalbilanzsaldo sind demnach zwei Seiten der gleichen Medaille. Abschnitt 12.3 befasst sich mit dem Ausgleich der Zahlungsbilanz. Es wird erörtert, was unter einem formalen und einem materiellen Ausgleich der Zahlungsbilanz zu verstehen ist und inwiefern ein Ausgleich der Leistungsbilanz ein sinnvolles Ziel der Wirtschaftspolitik darstellt. 12.1 Zahlungsbilanz und ihre Teilbilanzen 1. Begriff. Als Zahlungsbilanz einer Volkswirtschaft bezeichnet man die statistische (ex post) Erfassung aller ökonomischen Transaktionen zwischen inländischen und ausländischen Wirtschaftseinheiten während eines bestimmten Zeitraums. Inländische Wirtschaftseinheiten sind private und öffentliche Haushalte, Unternehmen und sonstige Organisationen, die im Inland ansässig sind (also z.B. Wohnsitz im Inland bei privaten Haushalten). Die Buchungen in der Zahlungsbilanz sind entweder Buchungen von Leistungstransaktionen oder von Finanztransaktionen. Im Sinne der doppelten Buchführung wird dabei jede Transaktion zweimal gebucht: Zahlungseingänge als Aktivposten und Zahlungsausgänge als Passivposten. Dabei müssen die Zahlungseingänge und -ausgänge nicht tatsächlich erfolgen; so wird ein Export auf Kredit so verbucht, als ob dadurch sowohl ein Zahlungseingang erfolgt (Bezahlung des Exports) als auch ein Zahlungsausgang (Auszahlung des Kredits). In Tabelle 12.1 ist eine vereinfachte Struktur der Zahlungsbilanz wiedergegeben. * Grundsätze der politischen Ökonomie, Band 2, Jena 1921, S. 158 f. <?page no="210"?> 202 12. Die Zahlungsbilanz Tabelle 12.1: Vereinfachte Struktur der Zahlungsbilanz Aktivposten Passivposten Exporte von Gütern und Dienstleistungen Importe von Gütern und Dienstleistungen Kapitalimporte Kapitalexporte 2. Teilbilanzen. Die Teilbilanzen der Zahlungsbilanz sind erstens die Leistungsbilanz, zweitens die Bilanz der Vermögensübertragungen und drittens die Kapitalbilanz. Tabelle 12.2 stellt die Zahlungsbilanz am Beispiel der Daten für Deutschland aus dem Jahr 2012 weiter unten dar. Die Leistungsbilanz, auch Bilanz der laufenden Posten genannt, setzt sich zusammen aus der Handelsbilanz, der Dienstleistungsbilanz, der Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen und der Bilanz der laufenden unentgeltlichen Leistungen (laufende Übertragungen). In der Handelsbilanz stellen Exporte von Gütern Zahlungseingänge und Importe Zahlungsausgänge dar. Zahlungseingänge in der Dienstleistungsbilanz sind u.a. die Einnahmen aus dem „Export“ von Dienstleistungen an Touristen aus dem Ausland oder Transportdienste deutscher Unternehmen für Ausländer. Die Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen erfasst als Zahlungseingänge u.a. die Kapitalertragseinnahmen aus dem deutschen Auslandsvermögen. Ein Beispiel für Zahlungsausgänge sind Dividendenzahlungen deutscher Unternehmen an ausländische Anteilseigner oder Zinszahlungen für im Ausland aufgenommene Kredite. In der Bilanz der laufenden Übertragungen sind Transaktionen ohne Gegenleistungen verzeichnet, z.B. Transfers an die Europäische Union oder Überweisungen von Migranten an ihre Familien im Ausland. In der Bilanz der Vermögensübertragungen werden im Gegensatz zu den laufenden Übertragungen solche unentgeltlichen Leistungen erfasst, die zwar das Vermögen der an der Transaktion beteiligten Länder, nicht jedoch das Einkommen direkt verändern. Die Übertragung muss also als „einmalig“ angesehen werden. Beispiele für Zahlungsausgänge sind (für ein Gläubigerland) der Erlass von Schulden und Schenkungen. Die Kapitalbilanz erfasst alle Transaktionen, durch die sich die Vermögensposition gegenüber dem Ausland verändert. Sie erfasst als Zahlungseingänge die Zunahme von Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland. Das sind die Kapitalimporte des Inlands. Dazu gehören die ausländischen Direktinvestitionen im Inland, der Erwerb inländischer Aktien und Anleihen durch ausländische Wirtschaftseinheiten und die Gewährung von Krediten durch Ausländer. Zahlungsausgänge sind die Kapitalexporte des Inlands, d.h. die Veränderungen der Forderungen an das Ausland, Direktinvestitionen im Ausland, Wertpapieranlagen im Ausland sowie Kreditgewährungen an das Ausland. Die Position „Veränderung der Währungsreserven“ weist die Veränderung der Währungsreserven der <?page no="211"?> 12.1 Zahlungsbilanz und ihre Teilbilanzen 203 Zentralbank eines Landes aus (nicht aber der Devisenreserven anderer Inländer). Eine Zunahme der Devisenbestände wird als Zahlungsausgang und eine Abnahme als Zahlungseingang erfasst. Tabelle 12.2: Positionen der Zahlungsbilanz, Deutschland, 2012 (Mio. €) Position Zahlungseingänge Zahlungsausgänge Saldo I. Leistungsbilanz 1. Außenhandel Ausfuhr (fob a ) 1 097 346 Einfuhr (cif b ) 909 091 + 188 255 2. Ergänzungen zum Warenhandel - 27 313 3. Dienstleistungen Einnahmen 213 334 Ausgaben 216 402 - 3 068 4. Erwerbs- und Vermögenseinkommen Einnahmen 197 533 Ausgaben 133 160 + 64 373 5. Laufende Übertragungen vom Ausland 18 779 an das Ausland 55 602 - 36 822 6. Saldo der Leistungsbilanz + 185 425 II. Vermögensübertragungen vom Ausland 4 044 an das Ausland 4 004 + 40 III. Kapitalbilanz Ausländische Nettokapitalanlagen in Deutschland Deutsche Nettokapitalanlagen im Ausland 7. Direktinvestitionen 5 109 52 088 - 46 979 8. Wertpapieranlagen & Finanzderivate 42 240 107 955 - 65 715 9. Kreditverkehr & sonstige Kapitalanlagen 74 584 177 591 - 103 007 10. Veränderung der Währungsreserven - 1 297 11. Saldo der Kapitalbilanz - 234 872 12. Saldo (I + II + III) - 49 407 IV. Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen + 49 408 a fob = „free on board“ (Exporte enthalten zusätzlich zum Warenwert die bis zum Beladen anfallenden Transportkosten und die Beladekosten), b cif = „cost, insurance, freight“ (Importe enthalten neben dem fob-Preis auch die Fracht-, Versicherungs- und andere Verladekosten, d.h., Importe sind mit dem Preis an der deutschen Grenze angesetzt). Quelle: Deutsche Bundesbank (2013), Zahlungsbilanzstatistik. <?page no="212"?> 204 12. Die Zahlungsbilanz 3. Formaler Ausgleich. Ein positiver Saldo der Leistungsbilanz plus Saldo der Vermögensübertragungen bedeutet einen Nettozuwachs der Forderungen (bzw. Nettoabnahme der Verbindlichkeiten) gegenüber dem Ausland. Ein Defizit in der Leistungsbilanz führt zu einer Nettoabnahme der Forderungen (oder einer Nettozunahme der Verbindlichkeiten). Dieses Leistungsbilanzdefizit muss durch einen Zustrom von Kapital bzw. durch die Abnahme der Währungsreserven der Notenbank finanziert werden. Definitionsgemäß wird also der Saldo der Leistungsbilanz plus Saldo der Vermögensübertragungen durch den Saldo der Kapitalbilanz ausgeglichen. In der Praxis ist die Zuordnung der Transaktionen nicht immer möglich; dadurch gewinnt der „Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen“ als Restposten eine große Bedeutung. In Tabelle 12.2 ist also die Summe aus den Salden der Leistungsbilanz (+185.425 Mio. €), der Vermögensübertragungen (+40 Mio. €) und der Kapitalbilanz (−234.872 Mio. €), betragsmäßig (bis auf einen Rundungsfehler) gleich dem Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen (+49.408 Mio. €). 4. BIP und BNE. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst den Wert aller im Inland produzierten Güter und Dienstleistungen abzüglich der Vorleistungen innerhalb eines Jahres. Der englische Ausdruck ist „Gross Domestic Product“ (GDP). Es misst die Wertschöpfung im Inland. Dagegen bezeichnet das Bruttonationaleinkommen (BNE) den Wert aller von Inländern innerhalb eines Jahres erzeugten Güter und Dienstleistungen. Das BNE ergibt sich, wenn man zum BIP die Faktoreinkommen, wie beispielsweise Dividenden und Zinsen, die von den Inländern aus dem Ausland bezogen werden, hinzuaddiert bzw. die Faktoreinkommen abzieht, die ins Ausland fließen. Der englische Begriff für das Bruttonationaleinkommen lautet „Gross National Income“ (GNI). 12.2 Budgetrestriktion und Finanzierungsrestriktion 1. Budgetrestriktion. Die Leistungsbilanz kann als Budgetrestriktion einer Volkswirtschaft interpretiert werden. In Abschnitt 10.1 sind wir von der folgenden Budgetrestriktion ausgegangen: ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ , bzw. ⋅ 0 . (12.1) Dies wiederum heißt nichts anderes, als dass der Exportwert € ⋅ in Euro dem Wert der Importe € ⋅ entsprechen muss. In Schaubild 12.1 entspricht also die Strecke PB multipliziert mit dem Relativpreis der Strecke BC. Gleichung (12.1) lässt sich auch schreiben als ⋅ , (12.2) <?page no="213"?> 12.2 Budgetrestriktion und Finanzierungsrestriktion 205 wobei das Realeinkommen definiert ist als Einkommen des Landes in Einheiten von Gut 2, d.h. ⋅ ⁄ . Das Realeinkommen wird im Schaubild durch die Strecke OE dargestellt. Gleichung (12.2) definiert die Budgetgerade EF in Schaubild 12.1. Diese Gerade begrenzt den Budgetraum einer Volkswirtschaft. Entlang dieser Gerade ist der Außenbeitrag des Landes gleich null. Die Steigung der Gerade ist in einem kleinen offenen Land durch das Weltmarktpreisverhältnis gegeben. Die Budgetgerade ist im Produktionspunkt P angelegt. Q 2 P B C F F ' O E ' E C ' Q 1 Erhält das Inland einen Kredit oder Übertragungen aus dem Ausland in Höhe von EE’, so verschiebt sich die Budgetgerade um diesen Betrag nach außen. Das Land bekommt zusätzliche Importgüter und kann dadurch den Konsumpunkt C’ erreichen. Der Außenbeitrag ist in diesem Fall negativ; der Wert der Importe übersteigt den Wert der Exporte. Allerdings müssen für Kredite, die einen negativen Außenbeitrag finanzieren, in späteren Perioden Zinsen bezahlt und die Kredite müssen auch irgendwann getilgt werden. Diese zukünftigen Kosten sind in Schaubild 12.1 nicht berücksichtigt. Sie werden in Abschnitt 13.2 in die Betrachtung einbezogen. Wenn hingegen das Inland dem Ausland einen Kredit einräumt oder Übertragungen leistet, dann schneidet die Gerade EE’ die Transformationskurve. Das Inland hat in diesem Fall einen positiven Außenbeitrag. Schaubild 12.1: Budgetrestriktion einer Volkswirtschaft <?page no="214"?> 206 12. Die Zahlungsbilanz 2. Finanzierungsrestriktion. Der Leistungsbilanzsaldo lässt sich auch anders interpretieren. Dafür definieren wir die aggregierten Gesamtausgaben aller Inländer als . Die Variablen und kennzeichnen die privaten und staatlichen Konsumausgaben der Inländer sowohl für im Inland hergestellte als auch für importierte Güter. Analog steht für die Investitionsnachfrage der Inländer für im Inland erzeugte und aus dem Ausland importierte Investitionsgüter. Für das Bruttoinlandsprodukt in einer offenen Volkswirtschaft gilt . 1 Zieht man in dieser Gleichung von beiden Seiten die Netto-Steuerzahlungen (unter Berücksichtigung der inländischen Transfers) ab und zählt man die netto den Inländern aus dem Ausland zufließenden Faktoreinkommen (einschließlich laufender Übertragungen) hinzu, so gilt . 2 Die linke Seite dieser Gleichung kennzeichnet das verfügbare Einkommen der Inländer. Definiert man die Ersparnisse des privaten Sektors als , so gilt . (12.3) Der Leistungsbilanzsaldo entspricht dem Überschuss der privaten Ersparnisse über die Investitionen plus dem Budgetüberschuss des Staates. Da in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung die Investitionen auch die Investitionen des Staates umfassen, kennzeichnet das Staatsbudget ohne staatliche Investitionen. Liegt ein Budgetdefizit vor, so müssen die Ersparnisse des privaten Sektors (Haushalte und Unternehmen) größer sein als die Investitionen, damit die Leistungsbilanz ausgeglichen ist. Der Leistungsbilanzsaldo kann somit gemäß Gleichung (12.3) als Finanzierungssaldo einer Volkswirtschaft bezeichnet werden. Liegt etwa ein Leistungsbilanzdefizit vor, so zeigt das den Finanzierungsbedarf des Landes an. Tabelle 12.3 gibt einen Überblick über die Komponenten der Gleichung (12.3) auf Grundlage von Prognosen für das Jahr 2013. Sie zeigt, dass mit Ausnahme Italiens alle der betrachteten Länder in der Lage sind, ihre Investitionen aus den eigenen Ersparnissen zu finanzieren. Jedoch weisen einige Länder ein beträchtliches Budgetdefizit des Staates auf und kommen insgesamt auf einen negativen Leistungsbilanzsaldo. 3. Forderungen gegenüber dem Ausland. In Gleichung (12.3) gibt die linke Seite an, wie sich die Vermögensposition eines Landes gegenüber dem Ausland verändert. Wenn ein Land mehr spart als es investiert, dann nehmen seine Ansprüche an das Ausland, seine Nettoforderungen , zu. Es gilt Δ . 3 1 Abschreibungen werden hier nicht berücksichtigt. 2 Vermögensübertragungen werden gleich null gesetzt. 3 Das ∆ kennzeichnet eine Veränderung. <?page no="215"?> 12.2 Budgetrestriktion und Finanzierungsrestriktion 207 Tabelle 12.3: Die Finanzierungsrestriktion ausgewählter Länder, 2013 (in % des BIP) a Leistungsbilanzüberschuss Deutschland 6,3 - 0,4 5,9 Frankreich 1,4 - 3,4 - 2,0 Großbritannien 3,4 - 6,9 - 3,5 Italien - 0,3 - 2,9 - 3,2 Japan 11,3 - 10,1 1,2 USA 3,8 - 6,8 - 3,0 a Leistungsbilanzüberschuss und Budgetdefizit des Staates aus der VGR. ( ) ist als Differenz aus Leistungsbilanzüberschuss und Budgetdefizit berechnet worden. Quelle: OECD, Economic Outlook, Dezember 2012; eigene Berechnungen. Nettoforderungen an das Ausland können in Form von Finanztiteln oder Devisenreserven bestehen. Wenn wir von einem konstanten Wechselkurs ausgehen, dann ist Δ Δ ∙ Δ . Damit gilt: Δ ∙ Δ . (12.4) Ein Überschuss in der Leistungsbilanz erhöht demnach die Devisenposition eines Landes (Δ 0) oder es findet ein Kapitalexport statt (Δ 0). Kasten 12.1: Zwillingsdefizite Als „Twin Deficit“ bezeichnet man eine Situation, in dem sowohl das Staatsbudget als auch die Leistungsbilanz im Defizit sind. Schaubild 12.K.1 stellt diese Situation am Beispiel der USA dar. Im Jahr 2012 machte das staatliche Defizit 8,5 Prozent des BIP aus. Der Leistungsbilanzsaldo war mit −3,0 Prozent des BIP ebenfalls im Defizit. Die längerfristige Entwicklung zeigt aber, dass zwischen beiden Größen offenbar kein einfacher Zusammenhang besteht. Die Leistungsbilanz lag auch in Zeiten vorübergehender Budgetüberschüsse deutlich im Minus und mit dem drastischen Anstieg des Budgetdefizits im Gefolge der Finanzkrise hat sich der Leistungsbilanzsaldo nicht verschlechtert. <?page no="216"?> 208 12. Die Zahlungsbilanz Quelle: OECD Economic Outlook, 2012. Schaubild 12.K.1: Das Zwillingsdefizit der USA 1988-2012, in Prozent des BIP 4. Leistungsbilanzsaldo und Kapitalbilanzsaldo - Zwei Seiten einer Medaille. Laut Gleichung (12.4) entsprechen sich die Salden der Leistungs- und der Kapitalbilanz (wenn Vermögensübertragungen nicht berücksichtigt werden). Mit einem Überschuss in der Leistungsbilanz korrespondiert dann ein Kapitalexport in der Kapitalbilanz. Ein Defizit in der Leistungsbilanz wird analog durch einen Kapitalimport ausgeglichen. Man kann also die Situation der Zahlungsbilanz sowohl ausgehend von Leistungstransaktionen als auch von Kapitaltransaktionen erklären (vgl. Kapitel 13). Beispielsweise können Länder, die sich in einem Aufholprozess zu reicheren Volkswirtschaften befinden, ein Leistungsbilanzdefizit haben, wenn sie Kapital importieren, das sie für das Wachstum brauchen. Ein anderes Beispiel ist Deutschland, das nach der Wiedervereinigung einen kräftigen Rückgang seiner Kapitalexporte zu verzeichnen hatte, da der Leistungsbilanzüberschuss Westdeutschlands gegenüber dem Ausland nach Ostdeutschland umgelenkt wurde; für Ostdeutschland bedeutete dies ein Leistungsbilanzdefizit, finanziert durch Kapitalimporte. -14,0 -12,0 -10,0 -8,0 -6,0 -4,0 -2,0 0,0 2,0 4,0 1988 1992 1996 2000 2004 2008 2012 Leistungsbilanzsaldo Budgetsaldo <?page no="217"?> 12.2 Budgetrestriktion und Finanzierungsrestriktion 209 5. Intertemporale und internationale Saldenmechanik. Über die Bestandsgrößen und ergibt sich eine Pfadabhängigkeit im Zeitablauf. So macht eine hohe Auslandsverschuldung aus früheren Leistungsbilanzdefiziten Zinszahlungen erforderlich, die dann in der aktuellen Leistungsbilanz auftauchen. Analog dazu bringt ein im Ausland angesammeltes Vermögen (etwa in Form von Direktinvestitionen) positive Faktoreinkommen aus dem Ausland mit sich. Dann weist die Leistungsbilanz eine intertemporale Mechanik auf (Abschnitt 13.2). Die Saldenmechanik lässt sich auch anwenden, wenn man die Leistungsbilanzsalden aller Länder der Welt aggregiert. Betrachtet man z.B. zwei Regionen der Welt („Nord“ und „Süd“), so muss einem Leistungsbilanzüberschuss des Nordens ein Leistungsbilanzdefizit des Südens entsprechen. Dies bedeutet wiederum, dass der Norden Kapital exportiert und der Süden Kapital importiert. Irrig ist jedoch die in der wirtschaftspolitischen Diskussion häufig zu hörende These von der Notwendigkeit eines bilateralen Ausgleichs der Salden zwischen einzelnen Ländern (z.B. zwischen Deutschland und Griechenland oder den USA und China). Ähnlich wie ein Bäcker, der bei einem Metzger ein Pfund Fleisch kauft, nicht mit Brot bezahlen muss, so muss auch ein Land nicht bilateral mit jedem Handelspartner seine Leistungsbilanz ausgleichen. Nur in der Gesamtheit aller Länder addieren sich die Leistungsbilanzüberschüsse und -defizite zu null. Kasten 12.2: Leistungsbilanzsaldo und deutsche Wiedervereinigung Die Bundesrepublik Deutschland war Ende der 1980er Jahre ein Nettokapitalexporteur; sie hatte also einen positiven Leistungsbilanzsaldo. Das Staatsbudget wies ein Defizit auf (Schaubild 12.K.2). Durch die Wiedervereinigung hat sich Deutschland von einem Nettokapitalexporteur zu einem Kapitalimporteur gewandelt. Besonders auffällig ist die Veränderung zwischen den Jahren 1990 und 1991. Aus dem Leistungsbilanzüberschuss von 2,9 Prozent in 1990 wurde ein Defizit von 1,3 Prozent im Jahr 1991. Dies war ein Swing von 4,2 Prozentpunkten in Relation zum BIP. Inzwischen hat die Leistungsbilanzposition seit einigen Jahren wieder deutlich ins Plus gedreht. <?page no="218"?> 210 12. Die Zahlungsbilanz Quelle: OECD Economic Outlook, 2012. Schaubild 12.K.2: Deutschlands Leistungsbilanzsaldo 1988-2012, in % des BIP 12.3 Zahlungsbilanzausgleich 1. Formaler Ausgleich der Zahlungsbilanz. Nach dem Prinzip der doppelten Buchführung müsste der Saldo der Leistungs- und der Vermögensübertragungsbilanz dem Saldo der Kapitalbilanz entsprechen. Zu jeder Transaktion in der Leistungsbilanz oder der Bilanz der Vermögensübertragungen erfolgt eine Gegenbuchung in der Kapitalbilanz. Wenn Exporte kreditiert oder Importe aus Devisenbeständen von Geschäftsbanken bezahlt werden, findet die Gegenbuchung in der Kapitalbilanz statt. Wenn Exporte aus Devisenbeständen der Zentralbank finanziert werden, nimmt der Devisenbestand der Zentralbank ab. Auch der Export von Kapital kann durch die Hergabe von Devisen der Zentralbank finanziert werden. Mehrere Gründe können dafür verantwortlich sein, dass es in der Realität zu Abweichungen von diesem Zusammenhang zwischen Leistungs- und Kapitalbilanz kommt. Erstens resultiert eine Diskrepanz daraus, dass infolge mangelnder statistischer Unterlagen nicht alle Transaktionen doppelt gebucht werden können. Exporte und Importe werden aus Meldungen der Betriebe erfasst (Außenhandelsstatistik). Die mit diesen Warenströmen einhergehenden Änderungen in den Kreditpositionen eines Landes werden jedoch durch statistische Meldungen der Geschäftsbanken und der großen Unternehmen bei der Bundesbank festge- -6,0 -4,0 -2,0 0,0 2,0 4,0 6,0 8,0 10,0 1990 1995 2000 2005 2010 Leistungsbilanzsaldo Budgetsaldo <?page no="219"?> 12.3 Zahlungsbilanzausgleich 211 halten. Folglich kann eine Abweichung auftreten, die als statistisch nicht aufgliederbare Transaktion oder „Restposten“ bezeichnet wird (Position IV in Tabelle 12.2). Zweitens erhöht die Zuteilung von Sonderziehungsrechten (SZR) die Auslandsforderungen der Bundesbank. 4 Drittens bedingen Wechselkursänderungen eine Neubewertung der zum Zeitpunkt der Auf- oder Abwertung bei der Bundesbank vorhandenen Devisenbestände. Die Sonderziehungsrechte und die Veränderungen der Bewertung der Devisenbestände der Bundesbank werden nicht in der Devisenbilanz erfasst. 2. Materieller Ausgleich der Zahlungsbilanz. Der formale Ausgleich der Zahlungsbilanz ist nicht zu verwechseln mit dem materiellen Ausgleich der Zahlungsbilanz. Der materielle Ausgleich der Zahlungsbilanz bezieht sich auf die Salden von Teilbilanzen. So spricht man häufig von einer materiell ausgeglichenen Zahlungsbilanz, wenn sich die Devisenposition der Zentralbank nicht verändert, wenn also die Leistungsbilanz ohne Eingriffe der Zentralbank bereits ausgeglichen ist. Eine alternative Definition des materiellen Zahlungsbilanzausgleichs unterscheidet zahlungsbilanzinduzierte und autonome Transaktionen. Zahlungsbilanzinduziert sind dann diejenigen Transaktionen, die ausschließlich mit dem Ziel durchgeführt werden, einen Ausgleich der Zahlungsbilanz herbeizuführen. In der Regel handelt es sich um wirtschaftspolitische Maßnahmen wie Anleihen zwischen Regierungen oder bestimmte Stützungsaktionen. Autonom sind dagegen solche Transaktionen, die unabhängig von der Zahlungsbilanzsituation vorgenommen werden, z.B. private Exporte, Importe und private Kapitalbewegungen, aber auch Transaktionen einer Regierung, die nicht mit dem Ziel des Zahlungsbilanzausgleichs erfolgen. Eine materiell ausgeglichene Zahlungsbilanz liegt nach dieser Definition vor, wenn die Summe der autonomen Aktiv- Posten mit der Summe der autonomen Passiv-Posten übereinstimmt. Die Trennung von Transaktionen in autonome und zahlungsbilanzinduzierte Transaktionen ist jedoch nicht unproblematisch. So kann eine im Ausland aufgelegte Anleihe sowohl dem Zahlungsbilanzausgleich als auch z.B. der Finanzierung der Infrastruktur dienen. Ob in diesem Fall eine autonome oder induzierte Transaktion vorliegt, ist schwierig zu entscheiden. Ein Zahlungsbilanzausgleich kann zudem auch durch administrative Eingriffe erreicht werden, die nicht in der Zahlungsbilanz sichtbar werden. Ein Handelsbilanzdefizit kann z.B. auch durch Zölle, Importquoten oder andere administrative handelshemmende Maßnahmen beeinflusst werden. 3. Leistungsbilanzausgleich als Ziel der Wirtschaftspolitik. Eine ausgeglichene Leistungsbilanz wird häufig als ein wichtiges außenwirtschaftspolitisches Ziel ange- 4 SZR sind eine künstliche, vom Internationalen Währungsfonds geschaffene Währung, die von den teilnehmenden Ländern als Währungsreserve eingesetzt werden kann. Sie werden den Ländern gemäß ihrer Quote im Währungsfonds zugeteilt. <?page no="220"?> 212 12. Die Zahlungsbilanz sehen. Ein negativer Außenbeitrag bedeutet, dass man - bezogen auf den Warenverkehr und auf Dienstleistungen - auf Kredit anderer Länder lebt. Der Konsum des Landes wird dann - bei unveränderter Devisenposition - z.T. durch Kapitalimporte finanziert. Das vorübergehende „Leben über seine Verhältnisse“ hat Zinszahlungen und Tilgungen in späteren Perioden zur Folge (Abschnitt 13.2). Dann müssen Exporte getätigt werden, um Devisen für die Bedienung der Auslandsverbindlichkeiten zu verdienen. Die Volkswirtschaft erweitert durch die Kredite ihren Konsumspielraum heute (die Budgetgerade in Schaubild 12.1 verschiebt sich nach außen), schränkt aber den Spielraum zukünftiger Perioden ein (die Budgetgerade verschiebt sich nach innen). Allerdings sind Kapitalimporte über Leistungsbilanzdefizite nicht per se negativ zu bewerten. Sie sind vielmehr Ausdruck einer intertemporalen Allokation des Konsums, die durch den Zugang zum internationalen Kapitalmarkt ermöglicht wird. Wie bereits in Abschnitt 9.2 gezeigt, können Kapitalimporte und -exporte als intertemporaler Handel interpretiert werden, bei dem sich die Länder gemäß ihrer komparativen Vorteile spezialisieren. Der intertemporale Handel kann allen beteiligten Ländern Wohlfahrtsgewinne bringen, wie „normaler“ Handel mit verschiedenen Gütern auch. Ein kapitalimportierendes Land kann sich beispielsweise durch Leistungsbilanzdefizite Kapital beschaffen, das der Finanzierung von Investitionen dient und mit den dadurch bewirkten Produktionssteigerungen in Zukunft seine Auslandsschulden zurückzahlen. Ein Land kann durch den Zugang zum internationalen Kapitalmarkt auch vorübergehende Einkommensschwankungen ausgleichen und somit seinen Konsumstrom über die Zeit glätten. Ein Problem kann jedoch dann entstehen, wenn sich ein Land durch fortwährende Leistungsbilanzdefizite übermäßig im Ausland verschuldet. So kann es beispielsweise passieren, dass das Ausland keine Kredite mehr gewährt, wenn die Bonität des Landes angezweifelt wird. Dann muss das Defizitland - möglicherweise abrupt - sein Konsumniveau reduzieren und, falls importiertes Kapital als Produktionsfaktor eingesetzt wird, seine Produktion einschränken. Vor allem bei der Finanzierung eines Leistungsbilanzdefizits durch kurzfristige Kredite besteht die Gefahr, dass die Kapitalzuflüsse plötzlich ausbleiben und dann sehr schnelle und schmerzhafte Anpassungen vorgenommen werden müssen. Auch die fortlaufende Finanzierung eines Leistungsbilanzdefizits durch ein eigenes Devisenpolster ist auf Dauer nicht möglich. Ein Defizit bedeutet jeweils einen Verlust an Devisen, bis - je nach anfänglichem Devisenbestand des Landes - die Devisenreserven gänzlich aufgebraucht sind. Bei einem Überschuss der Leistungsbilanz stellt sich das oben beschriebene Problem der Überschuldung nicht. Der positive Außenbeitrag bedeutet, dass ein Land wertmäßig mehr Güter durch Export hergibt als es an Importen erhält und dem Ausland so einen Kredit einräumt. Wie bei jedem Kredit besteht jedoch ein <?page no="221"?> 12.3 Zahlungsbilanzausgleich 213 Risiko der ausbleibenden Rückzahlung durch den Schuldner. Dann hat das Gläubigerland, im Nachhinein betrachtet, einen Teil seiner Exporte „verschenkt“. 4. Nationaler Zahlungsbilanzausgleich in einer Währungsunion. Auch in einer Währungsunion ist die nationale Leistungsbilanz sowohl Budgetrestriktion als auch Finanzierungsrestriktion für die Mitgliedsländer. Gerät ein Mitgliedsland einer Währungsunion in ein Leistungsbilanzdefizit, so lässt sich das Defizit weiterhin dadurch finanzieren, dass dieses Land Kredite erhält, also Kapitalimport betreibt. Die Kredite können von anderen Mitgliedsländern der Währungsunion kommen oder von außerhalb der Währungsunion. Auch Transfers zwischen den Mitgliedsländern der Währungsunion sind zumindest eine theoretische Möglichkeit, um Leistungsbilanzsalden auszugleichen. Eine Abwertung der eigenen Währung zur Reduktion des Leistungsbilanzdefizits scheidet hingegen aus (siehe Abschnitt 14.4). Diese Aufgabe des Wechselkurses müssen die nominalen Güter- und Faktorpreise übernehmen. Die aggregierten und konsolidierten nationalen Zahlungsbilanzen der EU-Mitgliedsländer stellen die Zahlungsbilanz des Euroraums dar. Für den Euroraum insgesamt kann der Wechselkurs des Euro eine Ausgleichsfunktion bei positiven oder negativen Salden in der Leistungsbilanz übernehmen. So würde bei einem Leistungsbilanzdefizit des gesamten Euroraums eine Abwertung des Euro zu erwarten sein. Hier zeigt sich die Problematik, dass ein einzelnes Land, welches ein entsprechend hohes Leistungsbilanzdefizit aufweist, die Leistungsbilanzrestriktion und den Wechselkurs des gesamten Euroraums beeinflussen kann. Kasten 12.3: Auslandsverschuldung im Euroraum Der Euro befindet sich aktuell in der größten Bewährungsprobe seit seiner Einführung. Defizite im Außenhandel, bei den öffentlichen Finanzen (z.B. in Griechenland) und die Verwerfungen im Gefolge der Finanz- und Bankenkrise haben dazu geführt, dass die Verschuldung einiger Mitgliedsländer Dimensionen angenommen hat, die nicht mehr als tragfähig angesehen werden können. Tabelle 12.K.1 zeigt die Nettoauslandsposition ausgewählter Länder des Euroraums. Abgebildet ist die Differenz zwischen den Vermögenswerten, die Inländer im Ausland halten, abzüglich der Vermögenswerte der Ausländer im Inland. Ein negativer Wert ist gleichbedeutend mit einer Nettoverschuldung des Landes im Ausland. Während Deutschland im Zeitablauf ein positives Auslandsvermögen aufgebaut hat, sind Griechenland, Irland, Spanien und Portugal in eine Nettoauslandsverschuldung in der Größenordnung von über 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gerutscht. Um die Bedeutung dieser Auslandspositionen besser einschätzen zu können, lässt sich der Exportüberschuss bestimmen, den ein verschuldetes Land erzielen muss, damit die Schuldenquote zumindest stabil bleibt und nicht weiter an- <?page no="222"?> 214 12. Die Zahlungsbilanz wächst. Ausgangspunkt ist Gleichung (12.4), welche die Veränderung der Bestandsgrößen durch den Leistungsbilanzsaldo beschreibt. Werden Veränderungen der Devisenreserven aus der Betrachtung ausgeklammert (Δ 0), dann beeinflusst ein Leistungsbilanzsaldo die Nettoauslandsposition gemäß Δ . Wenn wir annehmen, dass sich der Leistungsbilanzsaldo ausschließlich aus den Nettoexporten und den Zinseinnahmen für das Auslandsvermögen (bzw. den Zinsausgaben bei einer Nettoauslandsverschuldung) zusammensetzt, dann können wir die folgende Beziehung aufstellen € € ⋅ , (12.K.1) mit bzw. 1 als Index für die jeweilige Periode. Dabei bezeichnet den Zinssatz, der auf dem Kapitalmarkt gezahlt wird bzw. zu zahlen ist. Wird Gleichung (12.K.1) durch das Bruttoinlandsprodukt geteilt, so ergibt sich ⋅ 1 € € ⋅ 1 . (12.K.2) Die Kleinbuchstaben stehen jeweils für eine Relation zum BIP (also z.B. / ), und ist die Wachstumsrate des BIP. Die Nettoauslandsposition des Lands in Relation zum BIP bleibt stabil im Zeitablauf ( ), wenn gilt € € ⋅ . Die Differenz zwischen Export- und Importquote muss demnach dauerhaft so groß sein wie die mit der Differenz aus Zins und Wachstumsrate multiplizierte Nettoauslandsverschuldung. Ansonsten kann ein Land aus eigener Kraft nicht seine Verschuldung stabil halten und die Schuldenquote wächst im Zeitablauf weiter an. Bei einer Nettoauslandsverschuldung von 92 Prozent des BIP (wie in Spanien) und einer Zins-Wachstumsdifferenz von z.B. 3 Prozentpunkten müsste der Exportüberschuss langfristig 2,7 Prozent des BIP eines Landes ausmachen. Spanien, Portugal und Griechenland weisen hingegen aktuell deutlich negative Außenbeiträge aus, womit die Auslandsverschuldung weiter anwachsen wird und die notwendigen Exportüberschüsse dann noch höher sein werden. Tabelle 12.K.1 Nettoauslandsvermögen ausgewählter Euro-Länder in Prozent des BIP 2001 2006 2011 Deutschland 8,7 27,9 32,6 Frankreich 2,0 1,1 - 15,9 Italien - 5,8 - 22,2 - 20,6 Irland - 15,2 - 5,3 - 96,0 Griechenland - 46,5 - 85,4 - 86,1 Spanien - 35,6 - 65,8 - 91,8 Portugal - 47,5 - 78,8 - 105,0 Quelle: Eurostat (2013). <?page no="223"?> Weiterführende Literatur 215 Weiterführende Fragen 1. Erörtern Sie, wie Zinseinkommen eines Inländers aus dem Ausland, der Ferienaufenthalt eines Ausländers im Inland, das Einkommen der Arbeitnehmer, die ins Ausland pendeln, und der Erwerb eines ausländischen Unternehmens in der Zahlungsbilanz erscheinen. 2. Beschreiben Sie die Entwicklung der Nettoauslandsverschuldung von Industrie- und Entwicklungsländern (Lane und Milesi-Ferretti 2007). Weiterführende Literatur Deutsche Bundesbank (verschiedene Jahrgänge), Zahlungsbilanzstatistik. Obstfeld M. und K. Rogoff (1996). Foundations of International Macroeconomics. MIT Press, Kapitel 1. <?page no="225"?> 13. Bestimmungsfaktoren des Leistungsbilanzsaldos „… suppose that all the money of Great Britain were multiplied fivefold in a night … Must not all labour and commodities rise to such an exorbitant height that no neighbouring nations could afford to buy from us; while their commodities, on the other hand, became comparatively so cheap, that … they would be run in upon us, and our money flow out; till we fall to a level with foreigners …“ David Hume * In diesem Kapitel wird dargestellt, welche wesentlichen Bestimmungsfaktoren die Leistungsbilanz beeinflussen können. Dabei wird auch der Zusammenhang zwischen Stromgrößen und Bestandsgrößen verdeutlicht, der die intertemporale Entwicklung der Leistungsbilanz bestimmt. Leistungsbilanzsalden können zunächst als monetäres Phänomen aufgefasst werden, das durch Ungleichgewichte auf dem Geldmarkt hervorgerufen wird (Abschnitt 13.1). Der Kapitalmarkt als Bestimmungsfaktor der Leistungsbilanz lässt sich im Modellansatz des intertemporalen Handels verstehen (Abschnitt 13.2). In der kurzen Frist in einem keynesianischen Festpreismodell können sich auch Nachfrageschocks aus dem Aus- oder Inland auf die Leistungsbilanz auswirken (Abschnitt 13.3). 13.1 Geldmarkt und Leistungsbilanzsaldo 1. Monetärer Ansatz. Salden in der Leistungsbilanz können als monetäres Phänomen aufgefasst werden, ausgelöst durch kurzfristige Ungleichgewichte am Geldmarkt. Der einfachste Ansatz hierzu geht aus von der Quantitätsgleichung der Geldnachfrage. Kapital wird zunächst vollkommen aus der Betrachtung ausgeklammert. Das bedeutet zum einen, dass Geld ausschließlich für Gütertransaktionen gehalten wird. Zum anderen ist der Kapitalbilanzsaldo immer gleich null. Salden in der Leistungsbilanz müssen dann definitionsgemäß durch eine Veränderung des Devisenbestands ausgeglichen werden (vergleiche Abschnitt 12.1). In einem System fester Wechselkurse bestimmt der monetäre Ansatz in der langen Frist die gleichgewichtige Verteilung der Geldmengen auf die Länder. In der kurzen Frist können Abweichungen des Geldangebots von dieser gleichgewich- * Essay V - On the Balance of Trade, in: Essays. Moral, Political, and Literary, Vol. 11, 1752, in: The Philosophical Works, hrsg. von Th. H. Green und Th. H. Grose, New London Edition 1882, Aalen 1964, S. 333. <?page no="226"?> 218 13. Bestimmungsfaktoren des Leistungsbilanzsaldos tigen Verteilung zu Leistungsbilanzsalden führen, die aber über Veränderungen der Devisenbestände wieder automatisch abgebaut werden. 2. Geldmarktgleichgewicht. Wir gehen aus von zwei Ländern und einem konstanten Wechselkurs. Zur Vereinfachung nehmen wir eine gemeinsame Währung (z.B. Euro) an, bzw. wir setzen den Wechselkurs gleich eins, 1. Im Geldmarktgleichgewicht entspricht die angebotene Geldmenge in jedem Land der nachgefragten Geldmenge. Die angebotene Geldmenge wird ihrerseits durch die Geldpolitik der Zentralbank beeinflusst. Wir gehen hier von der einfachsten Konstellation aus und nehmen an, dass die inländische Zentralbank die nominale Geldmenge direkt steuern kann. Mit ∗ als ausländischer Geldmenge ergibt sich eine Gesamtgeldmenge in der Welt von ∗ . In Schaubild 13.1 zeigt die ∗ -Gerade an, wie eine gegebene Weltgeldmenge ∗ auf die beiden Länder aufgeteilt werden kann. Alle Punkte auf dieser Geraden sind mögliche Aufteilungen der Gesamtgeldmenge auf die beiden Länder. In Punkt A z.B. ist die angebotene Geldmenge des Inlands und die des Auslands (vgl. Ethier 1995). O M M* D A A ' C W W* V B Zur Spezifikation der Geldnachfrage nehmen wir an, dass diese allein von Transaktionszwecken bestimmt wird. Die Haushalte halten Geld, um damit ihre laufenden Konsumausgaben zu tätigen. Die gewünschten Konsumausgaben - und damit die nachgefragte Geldmenge - steigen mit dem Einkommen. Die Geldnachfrage hängt dann vom nominalen Einkommen ab. Dabei wird zur Vereinfachung unterstellt, dass die Haushalte immer einen konstanten Anteil des Einkommens als Kasse halten. Dieser Anteil ist der Kassenhaltungskoeffizient , der für beide Länder als gleich hoch angenommen wird. Dann gilt ⋅ und ∗ ⋅ ∗ . Zwischen den Ländern herrscht freier Güterhandel, so dass die Preise im In- und Ausland gleich sind: ∗ . Wir gehen weiterhin von einer Schaubild 13.1: Monetäres Gleichgewicht bei konstantem Wechselkurs <?page no="227"?> 13.1 Geldmarkt und Leistungsbilanzsaldo 219 Situation aus, in der das Inland Gut 1 exportiert und das Ausland Gut 2. Dabei nehmen wir zur Vereinfachung an, dass beide Länder jeweils vollständig auf ihr Exportgut spezialisiert sind, wie das z.B. im Ricardo-Modell der Fall ist. Das nominale Einkommen des Inlands ist dann ⋅ , während für das Ausland gilt ∗ ⋅ ∗ . Die Produktionsmengen und ∗ sind durch das Gütermarktgleichgewicht exogen gegeben und werden vom Geldmarkt nicht beeinflusst. Im internationalen monetären Gleichgewicht muss das Geldmarktgleichgewicht in beiden Ländern erfüllt sein und das Geldangebot muss der Geldnachfrage entsprechen: und ∗ ∗ . Somit ergibt sich nach Einsetzen die folgende Gleichung: ∗ ∗ ⋅ ⋅ ∗ ⋅ ∗ . (13.1) Gleichung (13.1) definiert das gleichgewichtige Verhältnis der beiden Geldmengen. Dabei bezeichnet / den Relativpreis von Gut 1, der ebenfalls bereits durch das Gütermarktgleichgewicht vorbestimmt ist. Gemäß Gleichung (13.1) gibt es in diesem Ansatz nur ein Verhältnis von inländischer zu ausländischer Geldmenge, das mit einem Gleichgewicht auf dem Geldmarkt kompatibel ist. Es hängt ab von den gegebenen Produktionsmengen beider Länder und vom Relativpreis, der im Handelsgleichgewicht gefunden wird. Die Steigung des Fahrstrahls in Schaubild 13.1 entspricht dem Verhältnis der Geldnachfrage im In- und Ausland ∗ ⁄ . Diese Steigung gibt auch die gleichgewichtige Aufteilung der gesamten Geldmenge auf beide Länder an. Der Schnittpunkt A zwischen der Gerade ∗ und dem Fahrstrahl beschreibt, wie eine gegebene Gesamtgeldmenge in der Welt auf das In- und Ausland verteilt sein muss, damit ein Gleichgewicht auf dem Geldmarkt herrscht. Einsetzen der Geldnachfragen in ∗ ergibt ⋅ ⋅ ∗ ⋅ ∗ ⋅ ⋅ ⋅ ∗ . (13.2) In Gleichung (13.2) sind alle Größen bis auf das nominale Preisniveau vorbestimmt. Damit folgt aus Gleichung (13.2) ein proportionaler Zusammenhang zwischen der Weltgeldmenge und dem Preisniveau. Erhöht sich die Weltgeldmenge, so muss das gleichgewichtige Preisniveau gemäß (13.2) ebenso stark ansteigen. Wenn sich beispielsweise die Geldmenge um 5 Prozent erhöht, dann steigt auch das Preisniveau um 5 Prozent. Da der Relativpreis durch das Gütermarktgleichgewicht eindeutig bestimmt wird, muss sich die Preissteigerung von auch vollständig auf übertragen. Im Beispiel muss dann auch um 5 Prozent steigen. Alle nominalen Preise steigen somit proportional zur Weltgeldmenge, während die realen Variablen (Produktionsmengen und Relativpreis ) davon unabhängig auf dem Gütermarkt bestimmt werden. Damit spiegelt das Modell die Quantitätstheorie des Geldes wider, der zufolge der <?page no="228"?> 220 13. Bestimmungsfaktoren des Leistungsbilanzsaldos Geldmarkt lediglich die nominalen Preise beeinflusst, aber keine Auswirkungen auf die realen Größen in der Ökonomie hat. Das monetäre Gleichgewicht auf dem Geldmarkt ist durch Gleichung (13.1) an das reale Gleichgewicht auf dem Gütermarkt angebunden. Grafisch stellen die Schaubilder 10.3 und 13.1 gemeinsam das internationale Gleichgewicht bei konstantem Wechselkurs dar. 3. Einflussfaktoren des Gleichgewichts. Da die Steigung des Fahrstrahls in Schaubild 13.1 den Relativpreis und die Einkommen von In- und Ausland wiedergibt, verläuft dieser Fahrstrahl je nach Handelsgleichgewicht unterschiedlich. Ein hoher Relativpreis für Gut 1 und eine hohe Produktionsmenge im Inland bzw. eine geringe Produktionsmenge im Ausland bedeuten einen steilen Verlauf des Fahrstrahls. In diesem Fall benötigt das Inland einen größeren Anteil der Weltgeldmenge. Die Steigung des Fahrstrahls kennzeichnet also die relative Position der beiden Länder (ihre relative Größe gemessen am Verhältnis der realen Einkommen). Reale Veränderungen, wie technischer Fortschritt oder Präferenzverschiebungen, führen zu einem anderen Relativpreis, anderen Produktionsmengen und damit zu einem anderen Fahrstrahl . 4. Leistungsbilanzsalden. Bedingung (13.1) kann als langfristige Gleichgewichtsbedingung interpretiert werden. Kurzfristig können im monetären Ansatz hingegen Leistungsbilanzsalden auftreten. Diese lassen sich dann als (vorübergehende) Folge monetärer Störungen interpretieren. Um diese Anpassungsprozesse darzustellen, gehen wir zunächst vom Ausgangspunkt A aus, in dem Geldmarkt und Gütermarkt im Gleichgewicht sind. Dies bedingt, dass auch die Leistungsbilanz, beispielsweise des Inlands, ausgeglichen ist ⋅ ⋅ 0 . Wenn nun z.B. im Ausland die Geldmenge steigt (von DA nach DB), so verschiebt sich die Weltgeldmengenkurve nach rechts (gestrichelte Parallele zu ∗ ). Es ergibt sich zunächst eine neue Aufteilung der angebotenen Geldmenge. Die Frage stellt sich, wie sich nach dieser Veränderung sowohl Gütermarkt als auch Geldmarkt an die neue Situation anpassen. Hier gehen wir davon aus, dass sich das Preisniveau im Ausland gleich an die neue Situation anpasst. Gemäß der Gleichgewichtsbedingung für den ausländischen Geldmarkt ∗ ⋅ ⋅ ∗ wird dann der nominale Preis des ausländischen Exportguts ansteigen. Damit wird das inländische Gut im Vergleich zum ausländischen Gut relativ günstiger. Es stellt sich somit im Ausland ein Leistungsbilanzdefizit und im Inland ein Leistungsbilanzüberschuss ein. Diese Leistungsbilanzsalden wirken sich auf die Verteilung der Geldmenge zwischen den beiden Ländern aus. Das Inland erfährt einen Geldmengenzuwachs, da es durch seine Exporte mehr Euro einnimmt als es für die Importe ausgibt. In gleicher Höhe sinkt die Geldmenge im Ausland. Es gilt ΔM ΔM ∗ . Damit bewegt sich der Geldmarkt auf das neue Gleichgewicht A’ hin. Der inländische Preis steigt, der ausländische Preis sinkt, und das Leistungsbilanzdefizit verschwindet. Durch den automatischen Anpas- <?page no="229"?> 13.1 Geldmarkt und Leistungsbilanzsaldo 221 sungsprozess erfolgt dann eine Bewegung entlang der neuen Weltgeldmengenkurve, bis A’ erreicht wird. Unter der hier gewählten Prämisse eines einheitlichen Währungssystems kann also ein Land seine Geldmenge langfristig nicht autonom bestimmen, da über die Leistungsbilanzsalden eine Geldmengenexpansion auf das andere Land ausstrahlt. Gleichzeitig haben sich mit der Geldmengenexpansion im Ausland gemäß Gleichung (13.2) die Preisniveaus im Ausland wie auch im Inland angepasst. Leistungsbilanzsalden treten nur vorübergehend auf und werden durch die Anpassung der Geldbestände der Länder abgebaut (automatische Anpassung). Aussage 13.1: Bei gegebenen Wechselkursen können Störungen auf dem Geldmarkt zu Leistungsbilanzüberschüssen oder -defiziten führen. Diese Störungen werden im Zuge einer automatischen Anpassung der Geldmengen wieder abgebaut. 5. Entwicklung der Devisenreserven. Um das Gleichgewicht auf dem Geldmarkt (13.1) weitergehender interpretieren zu können, spezifizieren wir das Geldangebot nun wie folgt: ⋅ ⋅ . Die angebotene Geldmenge entspricht dabei dem Produkt aus Geldmengenmultiplikator und der monetären Basis. Die monetäre Basis wiederum lässt sich unterteilen in eine heimische Komponente (Forderungen der Zentralbank gegenüber Inländern, z.B. aus Zentralbankkrediten an Geschäftsbanken) und eine internationale Komponente ⋅ (Devisenreserven der Zentralbank in heimischer Währung). Der Geldmengenmultiplikator gibt das Verhältnis zwischen monetärer Basis und Geldmenge an. Wir nehmen an, dass dieser Multiplikator konstant ist und gehen weiterhin von einem Wechselkurs 1 aus. Das inländische Geldmarktgleichgewicht lässt sich dann schreiben als ⋅ ⋅ ⋅ . Für das ausländische Geldmarktgleichgewicht gilt mit ∗ die Beziehung ⋅ ∗ ⋅ ∗ ⋅ ∗ . Nach Division durch das Einkommen ⋅ ergibt sich ⋅ , mit ⁄ und ⁄ als Relation der jeweiligen monetären Größe zum Einkommen. Für das Ausland gilt ⋅ ∗ ⋅ ⋅ ∗ ⁄ , so dass der folgende Ausdruck die Devisenreserven im Inland bestimmt: ∗ 1 ∗ ⁄ . (13.3) Wenn beispielsweise die heimische Komponente des inländischen Geldangebots ansteigt, dann entsteht vorübergehend ein Defizit in der Leistungsbilanz des Inlands. Dieses löst wiederum einen Rückgang der Devisenreserven aus (aus Gleichung 12.4 folgt Δ für 1 und Δ 0), bis der Geldmarkt in beiden Ländern wieder im Gleichgewicht ist. <?page no="230"?> 222 13. Bestimmungsfaktoren des Leistungsbilanzsaldos 13.2 Investition, Ersparnisse und Leistungsbilanzsaldo 1. Strom- und Bestandsgrößen. Im vorangehenden Abschnitt haben wir bereits den Unterschied zwischen Stromgrößen und Bestandsgrößen kennengelernt. Die Leistungsbilanz bezieht sich auf Stromgrößen, die Kapitalbilanz auf Veränderungen von Bestandsgrößen (Schaubild 13.2). Ein Leistungsbilanzsaldo verändert den Devisenbestand und somit die Geldmenge eines Landes oder dessen Kapitalbestand, d.h. die Nettoauslandsforderungen (Forderungen abzüglich Verbindlichkeiten). Der monetäre Ansatz des vorigen Abschnitts hat auf die Veränderung der Devisenbestände abgestellt, indem Kapitalmobilität per Annahme ausgeschlossen wurde. Dieser Abschnitt befasst sich nun mit dem Zusammenhang zwischen Leistungsbilanzsalden und der Veränderung des Kapitalbestands. Wir setzen hierfür den Devisenbestand gleich null. Leistungsbilanzsaldo Veränderung von Bestandsgrößen - Geldmenge - Kapitalbestand 2. Internationale Kapitalmobilität. Die Grundidee internationaler Kredite und Verschuldung ist bereits in Abschnitt 9.2 dargestellt worden. Dort wurden internationale Kapitalbewegungen als Handel in einem intertemporalen Kontext interpretiert. Ein Land importiert dann Kapital, wenn es in Autarkie eine höhere Grenzproduktivität des Kapitals erreicht als das Ausland. Schaubild 13.3 stellt diesen intertemporalen Handel im 2-Perioden-Ansatz für ein kleines offenes Land dar. Es zeigt auch, wie sich der intertemporale Handel auf die Leistungsbilanz auswirkt. Wir gehen wieder, wie in Abschnitt 9.2, von einem aggregierten Gut aus, das entweder konsumiert oder als Kapital in der Produktion eingesetzt werden kann. Das kleine Land verfügt zu Beginn der ersten Periode über einen Kapitalbestand von bzw. und bezieht in dieser Periode ein Einkommen von bzw. . Das Land kann zum gegebenen Weltmarktzins seine Ersparnisse anlegen oder Investitionskapital aufnehmen. Das inländische Preisniveau ist in beiden Perioden gleich hoch. Der Weltmarktzins bestimmt dann die Steigung der Budgetgeraden, die wieder im Produktionspunkt P angelegt wird. Es gilt 1 ⁄ . Der Konsumpunkt befindet sich in C. Schaubild 13.2: Strom- und Bestandsgrößen <?page no="231"?> 13.2 Investition, Ersparnisse und Leistungsbilanzsaldo 223 O Q 1 C P B U W V T Q 0 Die Ersparnis in Periode 0 entspricht der Differenz zwischen dem Einkommen und dem Konsum , bzw. der Streckendifferenz . Zur Vereinfachung vernachlässigen wir die Abschreibung des Kapitals. Der Kapitalbestand am Ende von Periode 0 ist . Die Investitionen als Differenz zwischen Kapitalbestand am Ende und zu Beginn von Periode 0 werden durch die Differenz gemessen. 1 In Periode 0 ergibt sich ein Leistungsbilanzüberschuss von entsprechend der Strecke . Der Leistungsbilanzsaldo führt zu einer Veränderung der Bestandsgröße Nettoauslandsforderungen in Form eines Kapitalexports (siehe Abschnitt 12.2) gemäß Δ für Δ 0. 3. Zyklen in der Leistungsbilanz. Die Anlage von Leistungsbilanzüberschüssen im Ausland generiert Zinseinkünfte in der Zukunft. Folglich kann ein Land später bei positiven Zinseinkünften eine negative Leistungsbilanz haben. Im 2-Perioden-Ansatz aus Schaubild 13.3 gilt , da die Nettoauslandsforderungen, die in Periode 0 aufgebaut wurden, in Periode 1 vom Ausland wieder vollständig zurückgezahlt werden müssen. In diesem Fall ergibt sich ein zyklisches Bild der Leistungsbilanz. Ein umgekehrt zyklisches Verhalten der Leistungsbilanz würde sich in einem Schuldnerland aus internationalen Kapitalimporten ergeben. Ein historisches Beispiel für eine derartige Leistungsbilanzentwicklung liefert Großbritannien. Im 19. Jahrhundert baute es eine Gläubigerposition der Weltwirtschaft auf, indem es seine Leistungsbilanzüberschüsse im Ausland anlegte, u.a. in Nordamerika. Zu Anfang dieses Jahrhunderts bezog Großbritannien dann einen nicht unerheblichen Prozentsatz seines Bruttosozialprodukts aus den ausländischen Zinseinkünften. Man sprach von einer „rentier nation“. 1 Wieder werden Abschreibungen nicht berücksichtigt. Schaubild 13.3: Intertemporaler Handel und Leistungsbilanz <?page no="232"?> 224 13. Bestimmungsfaktoren des Leistungsbilanzsaldos 4. Unbestimmter Zeithorizont. Das 2-Perioden-Modell des intertemporalen Handels geht von der Annahme aus, dass die Welt nach Ablauf von Periode 1 mit Sicherheit „endet“ und deshalb alle Auslandsschulden bis dahin zurückgezahlt werden müssen. Wenn wir diese einschränkende Annahme lockern und von dem realistischeren Fall eines unbestimmten Zeithorizonts ausgehen, dann ist es nicht erforderlich, dass ein Land zu einem bestimmten endlichen Zeitpunkt seine Auslandsforderungen oder Schulden vollständig abbaut. Einige Aussagen zur intertemporalen Entwicklung der Leistungsbilanz lassen sich für diesen Fall aus der Finanzierungsrestriktion des Landes ableiten (siehe auch Kasten 12.3). In jeder Periode gilt die Beziehung mit als Handelsbilanzüberschuss und als Faktoreinkommen (einschließlich laufender Übertragungen) aus dem Ausland. Wenn wir die Übertragungen gleich null setzen und nur der Faktor Kapital international mobil ist, dann ist ⋅ . Das Faktoreinkommen aus dem Ausland entspricht dem Zinseinkommen aus den Nettoauslandsforderungen des Landes. Einsetzen ergibt mit Δ als Veränderung der Nettoauslandsforderungen Δ ⋅ . (13.4) Wenn das Inland in einer vergangenen Periode, beispielsweise in 1, ein Leistungsbilanzdefizit erwirtschaftet hatte, dann sind die Nettoauslandsforderungen negativ ( 0). Das Land kann diesen Bestand an Auslandsforderungen nur dann konstant halten (Δ 0), indem es einen Handelsbilanzüberschuss erwirtschaftet, mit dem es die Zinszahlungen finanzieren kann, d.h. ⋅ für Δ 0. Dann ist die Leistungsbilanz ausgeglichen und der Schuldenstand wächst nicht weiter an. Bei einem aggregierten Gut wie in Schaubild 13.3 entspricht der Handelsbilanzüberschuss der Differenz zwischen inländischer Produktion und dem Konsum dieses Gutes. Da es im Gegensatz zum 2-Perioden-Modell keinen festen Zeitpunkt gibt, zu dem das Land seine Auslandsschulden abgebaut haben muss, kann die Leistungsbilanz dauerhaft ausgeglichen bleiben. Das Land muss dann aber in jeder Periode die Zinsen für die Auslandsschulden durch einen Handelsbilanzüberschuss erwirtschaften. Umgekehrt könnte ein Land, welches positive Nettoauslandsforderungen aufgrund von Leistungsbilanzüberschüssen aus der Vergangenheit hat, mit dauerhaften Handelsbilanzdefiziten leben, die in Form von Nettozinseinkommen aus dem Ausland anfallen. 5. Verschuldungskrise. Nach den Ölkrisen in den 1970er Jahren ist die Auslandsverschuldung vieler Schwellen- und Entwicklungsländer stark angestiegen. Eine ständig steigende Auslandsverschuldung ist langfristig nicht tragfähig, da ein Land ansonsten irgendwann einen Punkt erreicht, an dem es seine Schulden nicht mehr bedienen kann. Wie oben beschrieben, muss ein Land die Leistungsbilanz ausgeglichen halten, wenn die Schuldenquote nicht weiter ansteigen soll. Die <?page no="233"?> 13.3 Gesamtwirtschaftliche Nachfrage und Leistungsbilanzsaldo 225 Zinszahlungen für die Auslandsschuld können dann durch Exportüberschüsse oder auch durch laufende Übertragungen aus dem Ausland (z.B. Überweisungen von Migranten oder Entwicklungshilfe) finanziert werden. Je höher der Schuldenstand, desto höher sind die zu finanzierenden Zinszahlungen und desto höher müssen daher die Überschüsse in den laufenden Gegenposten sein. Mit den dafür notwendigen Überschüssen verschiebt sich die Budgetgerade des Landes nach innen (Schaubild 12.1). Zudem können die Anpassungen der Leistungsbilanz auch binnenwirtschaftliche Folgen haben, wenn dadurch eine reale Abwertung erfolgt und der Sektor der nicht-handelbaren Güter zurückgedrängt wird (vgl. Abschnitt 15.3). Um die am stärksten betroffenen Entwicklungsländer (die sogenannten „Highly Indebted Poor Countries“) von ihrer Schuldenlast zu befreien, wurde 2005 ein Erlass der Schulden bei der Weltbank, beim IMF und der Afrikanischen Entwicklungsbank beschlossen, sofern diese Länder bestimmte Anforderungskriterien erfüllten. Die Interamerikanische Entwicklungsbank hat 2007 einen zusätzlichen Schuldenerlass für einige Länder eingeräumt. Inzwischen hat sich die Belastung der Entwicklungsländer durch die Auslandsverschuldung deutlich vermindert. Der Anteil der Exporte, der zur Finanzierung des Schuldendienstes aufgewendet werden muss, ist von 18,0 Prozent in 1995 auf 9,8 Prozent in 2010 zurückgegangen (World Bank 2013). 13.3 Gesamtwirtschaftliche Nachfrage und Leistungsbilanzsaldo 1. Ansatz. Im Modell des intertemporalen Handels aus dem vorangehenden Abschnitt werden die Investitionen und Ersparnisse bei Vollbeschäftigung abgeleitet. Bei unzureichend flexiblen Güter- und Faktorpreisen kann jedoch auch eine Situation der Unterbeschäftigung eintreten. Die Volkswirtschaft produziert dann nicht auf, sondern innerhalb der Transformationskurve. In einem einfachen keynesianischen Multiplikator-Ansatz lässt sich analysieren, von welchen Einflussgrößen in einer solchen Situation das Einkommen und die Leistungsbilanz bestimmt werden. Im Gegensatz zum intertemporalen Ansatz werden die Investitionen und Ersparnisse dabei nicht aus einem Nutzenmaximierungskalkül abgeleitet, sondern anhand von einfachen Verhaltenshypothesen beschrieben. Ebenso beschränkt sich die Darstellung auf die kurze Frist, d.h., es wird nur ein Stromgleichgewicht betrachtet aber nicht ein Gleichgewicht der Bestandsgrößen Devisenreserven (wie in Abschnitt 13.1) oder Nettoauslandsforderungen (wie in Abschnitt 13.2). 2. Gütermarktgleichgewicht. Ausgangspunkt für die Darstellung des Gütermarkts ist die Gleichgewichtsbedingung . Wir gehen wieder von einem kleinen offenen Land aus und klammern internationale Rückwirkungen aus der Betrachtung aus. Ebenso gehen wir von konstanten Güterpreisen aus und setzen das Preisniveau zur Vereinfachung gleich eins. Das inländische no- <?page no="234"?> 226 13. Bestimmungsfaktoren des Leistungsbilanzsaldos minale Einkommen entspricht dann der produzierten Menge. Diese ist gleich der Summe aus privatem und staatlichem Konsum und , den Investitionen und dem Leistungsbilanzüberschuss . 2 Mit der Definition der Ersparnis lässt sich die Einkommensgleichung auch darstellen als (vgl. Abschnitt 12.2). Die inländische Konsumnachfrage ist in diesem Ansatz eine zunehmende Funktion des Einkommens, d.h. mit 0. Je höher das Einkommen, desto höher ist die heimische Konsumnachfrage. Für die Ersparnisse gilt dann . Wir nehmen 0 1 an, mit als erster Ableitung der Sparfunktion nach dem Einkommen. Ein Anstieg des Einkommens geht also nicht vollständig in einen höheren Konsum, sondern steigert auch die Ersparnisse. Für die Importe gilt , mit 0. Je höher das Einkommen, desto höher ist die Nachfrage der Inländer nach Importen. Die Exporte , die Investitionen , der staatliche Konsum und die Steuern werden als exogen gegeben angenommen. Einsetzen ergibt dann den folgenden Ausdruck für den Gütermarkt im Inland: . (13.5) Schaubild 13.4 stellt Gleichung (13.5) grafisch dar. Die linke Seite der Gleichung, die Nettoersparnis des Landes, ist durch die steigende Kurve abgebildet. Diese Kurve hat eine positive Steigung, da ein Anstieg des Einkommens die inländischen Ersparnisse erhöht. Die rechte Seite der Gleichung, die Nettoexporte bzw. der Außenbeitrag, wird durch die fallende Kurve wiedergegeben. Aufgrund der positiven Einkommensabhängigkeit der Importe hat diese Kurve einen fallenden Verlauf. Ein steigendes Einkommen erhöht die Importe und senkt damit den Außenbeitrag. Der Schnittpunkt A bestimmt das gleichgewichtige Einkommen und den gleichgewichtigen Leistungsbilanzsaldo . Im Schaubild ist die Leistungsbilanz im Ausgangspunkt A ausgeglichen, d.h. 0. 3. Nachfrageschocks. Mit Hilfe dieses Keynesianischen Multiplikator-Ansatzes kann nun analysiert werden, wie sich Einkommen und Leistungsbilanzsaldo in der kurzen Frist mit einer Variation der exogenen Einflussgrößen verändern. Wenn beispielsweise die Exporte des Inlands zurückgehen, so verschiebt sich die NX-Kurve nach links. Das inländische Einkommen sinkt dann und es kommt zu einem Leistungsbilanzdefizit ( 0). Das neue kurzfristige Gleichgewicht befindet sich dann in Punkt B. Mit dem abnehmenden Volkseinkommen gehen auch die inländischen Importe zurück. Dieser Effekt wirkt der ursprünglichen Passivierung der Leistungsbilanz entgegen, gleicht sie jedoch nicht völlig aus. 2 Faktoreinkommen aus dem Ausland werden gleich null gesetzt, so dass der Leistungsbilanzsaldo dem Saldo der Handelsbilanz entspricht. <?page no="235"?> Weiterführende Fragen 227 O A NS NX X Z L B I C Y Analog zu dieser negativen Veränderung der Exportnachfrage lässt sich ein inländischer Nachfrageschock darstellen: Wenn sich z.B. die inländischen Investitionen verringern, dann verschiebt sich die Kurve der Nettoersparnis nach oben. Das neue Gleichgewicht liegt in Punkt C. Das inländische Einkommen sinkt wie im Fall des Exportschocks, aber diesmal bei einem Leistungsbilanzüberschuss. Wir sehen also, dass sich exogene Nachfrageänderungen sehr unterschiedlich auf die Leistungsbilanz eines Landes auswirken können, je nachdem, ob sie aus dem Ausland oder dem Inland kommen. Aussage 13.3: Bei starren Preisen führt ein Rückgang der Exporte zu einem Defizit in der inländischen Leistungsbilanz. Ein Rückgang der heimischen Investitionen führt hingegen zu einem Leistungsbilanzüberschuss. In beiden Fällen sinkt das Einkommen. Weiterführende Fragen 1. Erörtern Sie, wie sich die Erschließung Nordamerikas, die deutsche Vereinigung und die Integration Chinas in die Weltwirtschaft auf die Kapitalströme und die Leistungsbilanzen ausgewirkt haben. 2. Diskutieren Sie, wie die Bevölkerungsalterung die Leistungsbilanz eines Landes beeinflusst (Canton et al. 2004; Obstfeld und Rogoff 1996, Kap. 3). 3. Analysieren Sie mögliche Ursachen für die hohen Leistungsbilanzsalden innerhalb der Euro-Zone (Chen et al. 2013 und Schmitz und von Hagen 2011). Schaubild 13.4: Exportnachfrage und Leistungsbilanz <?page no="236"?> 228 13. Bestimmungsfaktoren des Leistungsbilanzsaldos Weiterführende Literatur Chen, R., G. M. Milesi-Ferretti und T. Tressel (2013). External Imbalances in the Eurozone. Economic Policy 28: 101-142. Obstfeld, M. und K. Rogoff (1996). Foundations of International Macroeconomics. MIT Press, Kapitel 1. <?page no="237"?> 14. Wechselkurs, Güterhandel und Devisenmarkt „Britain was saved from fascism by the floating of the pound in 1931.“ Harry G. Johnson * Ein erster Einstieg zur Erklärung des Wechselkurses ist die Kaufkraftparitätentheorie (Abschnitt 14.1). Sie besagt, dass der Wechselkurs dem Verhältnis der nominalen Güterpreise zwischen den Ländern entspricht. In Abschnitt 14.2 werden die Konzepte des realen und des effektiven Wechselkurses vorgestellt, die zusätzlich zum nominalen Wechselkurs als Indikator für den Außenwert einer Währung herangezogen werden. Abschnitt 14.3 zeigt, wie nicht-handelbare Güter zu Abweichungen von der Kaufkraftparität führen können. Abschnitt 14.4 greift den Zusammenhang zwischen Wechselkurs und Devisenmarktgleichgewicht auf und beschreibt den Zusammenhang zwischen Devisenmarktgleichgewicht und dem Gleichgewicht auf dem Gütermarkt. Die Auswirkungen von Wechselkursänderungen auf den Leistungsbilanzsaldo werden in Abschnitt 14.5 erörtert. Wechselkursänderungen wirken sich dabei auch auf die nominalen Güterpreise und die Terms of Trade aus. 14.1 Hypothese der Kaufkraftparität 1. Kaufkraftparitätentheorie. Die These der absoluten Preisvorteile führt Außenhandel auf absolute Preisdifferenzen in der Autarkielage zurück. Nach Aufnahme von Außenhandel muss für ein homogenes und frei handelbares Gut gelten, dass ⋅ ∗ ist (Gesetz von der Unterschiedslosigkeit des Preises). Diese Bedingung wird im Allgemeinen dadurch erreicht, dass sich nach Aufnahme von Handel sowohl die nominalen Güterpreise als auch der Wechselkurs anpassen können. Wenn nun alle Güter frei handelbar sind, dann gilt das Gesetz von der Unterschiedslosigkeit des Preises für alle Güter und daher auch für einen gesamtwirtschaftlichen Preisindex. Damit erhält man für den Wechselkurs die Beziehung / ∗ . (14.1) Der Preisindex bzw. ∗ kann dann z.B. ein Preisindex der Lebenshaltung sein. Ausdruck (14.1) wird auch als absolute Kaufkraftparität bezeichnet. * Vorlesung an der London School of Economics, 1971. <?page no="238"?> 230 14. Wechselkurs, Güterhandel und Devisenmarkt Für die Veränderung des Wechselkurses erhalten wir, indem wir (14.1) total differenzieren und beide Seiten durch bzw. durch ∗ ⁄ teilen, den folgenden Ausdruck: ∗ , (14.2) wobei das „ “ eine Veränderungsrate kennzeichnet. So ist z.B. die Abwertungsrate der heimischen Währung, d.h. / . Sie entspricht gemäß Gleichung (14.2) der Differenz zwischen in- und ausländischer Preissteigerungsrate. Steigt das Preisniveau im Inland stärker als im Ausland, so erhöht sich auch ; die heimische Währung wird abgewertet. Steigt dagegen das Preisniveau im Ausland stärker als im Inland, so sinkt , und die heimische Währung wird aufgewertet. Gleichung (14.2) ist die relative Kaufkraftparität. Aussage 14.1: Wenn alle Güter frei handelbar sind, dann entspricht der nominale Wechselkurs dem Preisverhältnis zwischen inländischer und ausländischer Währung (absolute Kaufkraftparität). Die Veränderungsrate des Wechselkurses stimmt mit der Inflationsdifferenz zwischen In- und Ausland (relative Kaufkraftparität) überein. Die relative Kaufkraftparität ist eine weniger strenge Bedingung als die absolute Kaufkraftparität. Internationale Unterschiede in den Preisniveaus sind mit der relativen Kaufkraftparität vereinbar, solange diese über die Zeit hinweg bestehen bleiben. Wenn z.B. alle Preise des Inlands um 20 Prozent höher sind als die Preise des Auslands (zum nominalen Wechselkurs umgerechnet) und sich dieser Preisunterschied im Zeitablauf nicht verändert, dann ist die relative Kaufkraftparität erfüllt, die absolute jedoch nicht. 2. Internationaler Preiszusammenhang. Die Kaufkraftparität gilt prinzipiell sowohl bei flexiblen als auch bei festen Wechselkursen. Setzt man in Gleichung (14.2) die Wechselkursänderung 0, so folgt ∗ . Wenn der Wechselkurs sich nicht ändert, so müssen die Preisniveaus sich entsprechend im Gleichklang bewegen. Das ist der internationale Preiszusammenhang bei konstanten Wechselkursen. Bei Gültigkeit der relativen Kaufkraftparität und bei konstanten Wechselkursen wird z.B. eine ausländische Preissteigerung vollständig auf das Inland übertragen. Kasten 14.1: Die „Big-Mac-Parität“ Die englische Wochenzeitschrift „The Economist“ berechnet regelmäßig die Kaufkraftparität von Währungen auf der Basis von „Hamburgern“ oder „Big Macs“. Dabei wird der Güterkorb zugegebenermaßen etwas verengt, nämlich auf ein einziges Gut. Der Vorteil allerdings ist, dass dieser Warenkorb international vergleichbar ist, denn die Zutatenliste für den „Big Mac“ ist international <?page no="239"?> 14.1 Hypothese der Kaufkraftparität 231 weitgehend standardisiert. In den USA kostete ein „Big Mac“ 4,20 $ (im Januar 2012) in Euroland umgerechnet zum tatsächlichen Wechselkurs 4,43 $. Damit ist der Euro gegenüber dem US-$ nach der Berechnung des Economist mit 5,5 Prozent überbewertet. Im Gegensatz zum Euro ist der Chinesische Renminbi - gemessen am Hamburger-Preis - deutlich unterbewertet. Tabelle 14.K.1: Die „Big-Mac-Paritäten“, 2012 Preis für einen „Big Mac“ in US-$ Über- (+) oder Unterbewertung (−) gegenüber dem US-$, in % USA 4,20 — Euroland 4,43 +5,5 Großbritannien 3,82 −9,0 Japan 4,16 −1,0 Russland 2,55 −39,2 Argentinien 4,64 +10,4 China 2,44 −41,9 Schweiz 6,81 +62,1 Quelle: The Economist, 12.01.2012; eigene Berechnung. 3. Das empirische Bild. Bezogen auf gesamtwirtschaftliche Preisniveaus sind häufig deutliche Abweichungen des Wechselkurses von der absoluten Kaufkraftparität zu beobachten. Die Hypothese der Kaufkraftparität liefert daher nur eine sehr grobe Richtschnur für den Wechselkurs. Tabelle 14.1 zeigt den Wechselkurs verschiedener Währungen zum US-Dollar, der sich gemäß der Kaufkraftparität bilden müsste im Vergleich zum tatsächlichen nominalen Wechselkurs. Als Kaufkraftparität wird dabei der Wechselkurs bezeichnet, der sich aus dem Verhältnis des Preisniveaus eines Landes mit dem Preisniveau der USA ergibt. Die Preisniveaus beziehen sich auf einen Warenkorb, der repräsentativ für das Bruttoinlandsprodukt sein soll. Wir sehen, dass es große Über- und Unterbewertungen gibt gegenüber dem Maßstab der Kaufkraftparität. So ist z.B. die norwegische Krone im Vergleich zur Kaufkraftparität um 36 Prozent überbewertet, während die türkische Lira im Vergleich zur Kaufkraftparität stark unterbewertet ist. <?page no="240"?> 232 14. Wechselkurs, Güterhandel und Devisenmarkt Die Hypothese der relativen Kaufkraftparität wird hingegen empirisch besser gestützt - zumindest in einer längerfristigen Betrachtung. Ein Blick auf die historische Entwicklung der Kaufkraftparität / ∗ und des nominalen Wechselkurses / $ zwischen Deutschland und den USA zeigt, dass sich beide Größen von der Tendenz her in die gleiche Richtung bewegt haben (Schaubild 14.1). 1 Allerdings sehen wir auch hier durchaus Abweichungen von der Kaufkraftparität. Zum einen war die nominale Aufwertung der DM gegenüber dem Dollar in den 1970er Jahren wesentlich stärker als sie es gemäß der Kaufkraftparität hätte sein dürfen. Zum anderen gab es auch vorübergehende Phasen (insbesondere zwischen 1980 bis 1985), in denen sich Kaufkraftparität und Wechselkurs gegenläufig entwickelten. Tabelle 14.1: Kaufkraftparität und tatsächlicher Wechselkurs, 2012 a Kaufkraftparität Wechselkurs Über- (+) oder Unterbewertung (−) in % Deutschland 0,80 0,78 +2,4 Japan 106 79,79 +24,7 Großbritannien 0,68 0,63 +7,5 Norwegen 9,23 5,82 +36,9 Schweiz 1,42 0,94 +33,8 Portugal 0,62 0,78 −25,8 Türkei 1,08 1,80 −66,7 a Heimische Währungseinheiten pro US-$, Kaufkraftparität auf Grundlage des BIP. Quelle: OECD.Stat 2013; eigene Berechnungen. Schaubild 14.2 zeigt, wie sich verschiedene Währungen gegenüber dem Dollar im Zeitraum 1980 bis 2004 entwickelten in Abhängigkeit von der Inflationsdifferenz zwischen diesen Währungen und dem US-$. Gemäß der Hypothese der relativen Kaufkraftparität müssten alle Punkte in dem Schaubild auf der Diagonalen liegen. Wir sehen, dass es hiervon durchaus Abweichungen gibt, dass aber offenbar ein positiver Zusammenhang zwischen der Inflationsdifferenz und der Abwertungsrate besteht. Die relative Kaufkraftparität wird demnach von der Tendenz her bestätigt, wobei es jedoch durchaus Abweichungen gibt. 1 Zur Vergleichbarkeit der relativen Entwicklung sind beide Datenreihen auf 1995 = 1,0 normiert. <?page no="241"?> 14.1 Hypothese der Kaufkraftparität 233 Quelle: IMF, International Financial Statistics 2000; eigene Berechnungen Schaubild 14.1: Wechselkurs DM/ $ und Kaufkraftparität a Jahresdurchschnitte 1980-2004; für die Währungen des Euroraums (ohne DM): 1980-1998. Quelle: Siebert (2007). Schaubild 14.2: Inflationsdifferenzen und Entwicklung des US-$, 1980-2004 a 0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 Wechselkurs Kaufkraftparität DK NOR GB D I KOR F S -0.05 -0.04 -0.03 -0.02 -0.01 0 0.01 0. 02 0.03 0. 04 0.05 -0.03 -0.02 -0.01 0 0.01 0.02 0.03 Inflationsdifferenz zu den USA AUS CAN Wechselkursentwicklung zum $ relativ J SIN CH <?page no="242"?> 234 14. Wechselkurs, Güterhandel und Devisenmarkt 4. Kaufkraftparitätentheorie und segmentierte Märkte. Die Kaufkraftparität ist eine sehr einfache Hypothese, welche von der Preisentwicklung direkt auf die Wechselkurse schließt. Kern dieser Hypothese ist die Annahme, dass alle Güter frei handelbar sind. In Abschnitt 6.2 haben wir jedoch bereits die nicht-handelbaren Güter kennengelernt, also Produkte, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht über nationale Grenzen hinweg transportiert werden können. Bei diesen Gütern gibt es definitionsgemäß keinen internationalen Handel, der zu einem Preisausgleich führt. In Abschnitt 14.3 wird gezeigt, wie nicht-handelbare Güter zu Abweichungen von der Kaufkraftparität führen können. Auch bei Gütern, die zwischen den Ländern gehandelt werden, treten Handelskosten auf, wie z.B. Transportkosten und Zölle. Diese Handelskosten können - zumindest innerhalb gewisser Bandbreiten - zur Segmentierung der Absatzmärkte in unterschiedlichen Ländern führen. Internationale Preisdifferenzen werden dann nicht durch Arbitrage abgebaut, wenn Handelskosten mögliche Arbitragegewinne übersteigen. Bei segmentierten Absatzmärkten können die Unternehmen auf verschiedenen nationalen Märkten unterschiedliche Preise für das gleiche Gut verlangen. So können sich Anbieter mit Marktmacht an unterschiedliche nationale Marktgegebenheiten anpassen, indem sie auf verschiedenen Märkten unterschiedlich hohe Aufschläge auf ihre Grenzkosten verlangen („pricing to market“). Ein Unternehmen würde beispielsweise auf einem nationalen Markt einen geringeren Preis verlangen, wenn dort viele Wettbewerber tätig sind oder wenn die Nachfrager sehr preissensibel reagieren. Beispiel sind die nationalen Automobilmärkte, auf denen selbst innerhalb des Europäischen Binnenmarkts bedeutende Preisunterschiede bestehen. In diesem Fall sind Abweichungen von der absoluten Kaufkraftparität zu erwarten. 14.2 Realer und effektiver Wechselkurs 1. Definition des realen Wechselkurses. Wir unterscheiden einen nominalen und einen realen Wechselkurs. Der nominale Wechselkurs ist der Relativpreis der Währung verschiedener Länder. Er hat beispielsweise die Dimension €/ $ und sagt dann aus, wie viele Euro aufzuwenden sind, um einen Dollar zu erhalten. Dies ist der Wechselkurs, den wir bisher stets verwendet haben. Dagegen gibt der reale Wechselkurs an, wie sich Güter verschiedener Länder gegeneinander tauschen lassen. Der reale Wechselkurs ist definiert als ⋅ ∗ / , (14.3) wobei und ∗ wieder das inländische und das ausländische Preisniveau kennzeichnen. Der reale Wechselkurs sagt etwas über die Kaufkraft der inländischen Währung aus. Er misst, wie viel man für eine Einheit eines repräsentativen Güterkorbs im Ausland bezahlen muss im Vergleich zum Inland. Wir sprechen <?page no="243"?> 14.2 Realer und effektiver Wechselkurs 235 deshalb auch vom Kaufkraftparitäts-Wechselkurs. Bei einem realen Wechselkurs von 1 kann man mit einem gegebenen inländischen Einkommen im Inland genau die gleiche Gütermenge kaufen wie im Ausland. Bei einem realen Wechselkurs von 1 ist die Kaufkraft im Ausland geringer als im Inland. Eine reale Abwertung ( 0) bedeutet somit einen Kaufkraftverlust der inländischen Währung im Ausland; eine reale Aufwertung entspricht einem Gewinn an Kaufkraft. Ein Vergleich der Gleichungen (14.1) und (14.3) zeigt, dass bei Gültigkeit der absoluten Kaufkraftparität der reale Wechselkurs gleich eins sein muss, sofern inländischer und ausländischer Preisindex sich auf den gleichen Warenkorb beziehen. Wenn die relative Kaufkraftparität gemäß Gleichung (14.2) erfüllt ist, dann bleibt der reale Wechselkurs im Zeitablauf konstant ( 0). Die Höhe und zeitliche Entwicklung des realen Wechselkurses kann demnach auch Auskunft geben über die Abweichung des nominalen Wechselkurses von der Kaufkraftparität. Eine reale Abwertung hat unterschiedliche Konsequenzen für Konsumenten und Produzenten. Für die Konsumenten hat eine reale Abwertung zur Folge, dass es ungünstiger wird, inländische Güter gegen ausländische zu tauschen. Aus Unternehmenssicht kann eine reale Abwertung hingegen auch bedeuten, dass die inländischen Produkte im Vergleich zu denen des Auslands wettbewerbsfähiger werden (siehe Abschnitt 8.1). Je nach Blickrichtung lässt sich der reale Wechselkurs daher auf Basis eines Konsumenten- oder Produzentenpreisindex ermitteln. Der reale Wechselkurs wird häufig auch auf Produktionskostenbasis berechnet, z.B. auf Grundlage der Lohnstückkosten. 2. Realer Wechselkurs und Terms of Trade. Idealerweise sollte dem realen Wechselkurs ein einheitlicher Warenkorb für In- und Ausland zugrunde liegen. In der Praxis wird der reale Wechselkurs aber häufig auf Basis von nationalen Warenkörben berechnet. Damit beeinflussen auch internationale Unterschiede in der sektoralen Struktur der Nachfrage bzw. der Produktion den realen Wechselkurs. Wenn wir z.B. von einem realen Wechselkurs auf Basis der Produzentenpreise ausgehen, und das Inland, wie im Ricardo-Modell, vollständig auf Gut 1 spezialisiert ist, dann gibt den inländischen Preis aus Produzentensicht an und ⋅ ∗ den ausländischen Produzentenpreis. Im Handelsgleichgewicht gilt ⋅ ∗ und der reale Wechselkurs ist dann ⁄ . Dieser Ausdruck entspricht gerade dem Kehrwert der Terms of Trade des Inlands. Veränderungen der Terms of Trade beeinflussen in diesem Fall den realen Wechselkurs, ohne dass sich daraus Rückschlüsse auf eine veränderte preisliche Wettbewerbsfähigkeit des Inlands ziehen lassen. Steigt beispielsweise die weltweite Nachfrage nach Gut 1, dem Exportgut des Inlands, so verbessern sich die Terms of Trade und es kommt zu einer realen Aufwertung auf Basis der Produzentenpreise. <?page no="244"?> 236 14. Wechselkurs, Güterhandel und Devisenmarkt 3. Effektiver realer Wechselkurs. Der Wechselkurs eines Landes kann auch für den Fall mehrerer Partnerländer berechnet werden, indem der gewichtete Durchschnitt aus den bilateralen Wechselkursen des Inlands mit den Währungen der jeweiligen Länder gebildet wird. Wir sprechen dann von einem effektiven Wechselkurs. Dabei erhält jeder Handelspartner ein Gewicht, das seiner Bedeutung im Handel mit dem Inland entspricht. Als Gewicht wird in der Regel der Anteil der Exporte bzw. Importe des Handelspartners an den Gesamtexporten bzw. -importen des Inlands herangezogen. Der effektive nominale Wechselkurs als gewichteter geometrischer Durchschnitt ist dann definiert als ⋅ ⋅ , … ,⋅ , mit als Zahl der inländischen Handelspartner. Das Preisniveau des Auslands wird in der gleichen Weise ermittelt, indem die Preisniveaus der einzelnen Länder mit den Ländergewichten geometrisch gewogen werden: ∗ ∗ ⋅ ∗ ⋅, … ,⋅ ∗ . Der effektive reale Wechselkurs ist dann ∗ ⋅ ∗ ⋅, … ,⋅ ∗ / . (14.4) Schaubild 14.3 zeigt die Entwicklung der realen effektiven Wechselkurse für die größten Länder des Euroraums seit Einführung des Euro. Wir sehen, dass beispielsweise Deutschland und Frankreich in diesem Zeitraum real abgewertet haben, hingegen bei Spanien eine deutliche reale Aufwertung stattgefunden hat. a Basis: Konsumentenpreise. Quelle: Europäische Zentralbank (2013), Harmonised Competitiveness Indicators - Exchange Rates; eigene Berechnungen. Schaubild 14.3: Realer effektiver Wechselkurs ausgewählter Länder des Euroraums, 1999-2012 a 85 90 95 100 105 110 115 1999 2004 2009 Deutschland Frankreich Italien Spanien Niederlande <?page no="245"?> 14.3 Einfluss nicht-handelbarer Güter 237 14.3 Einfluss nicht-handelbarer Güter 1. Relativpreis handelbarer Güter. Ein wichtiger Grund für Abweichungen von der Kaufkraftparität ist die fehlende Handelbarkeit eines Teils der Güter. Stellt man auf einen Güterkorb mit handelbaren und nicht-handelbaren Gütern ab und bezeichnet den Preisindex für handelbare Güter und den Preisindex für nicht-handelbare Güter, so ist der Relativpreis der handelbaren Güter definiert als das Verhältnis dieser Preisindizes: . (14.5) Die Veränderungsrate des Relativpreises der handelbaren Güter entspricht der Differenz zwischen der Preissteigerungsrate bei den handelbaren und den nichthandelbaren Gütern: . (14.6) Die Beziehung zwischen dem realen Wechselkurs und dem Relativpreis handelbarer Güter wird deutlich, wenn wir den gesamten Preisindex als gewichtetes Mittel zwischen dem Preis der nicht-handelbaren und der handelbaren Güter auffassen: ⋅ und ∗ ∗ ⋅ ∗ . (14.7) Das Gewicht 0 1 gibt dann die relative Bedeutung der nichthandelbaren Güter im Gesamtpreisindex an. Einsetzen ergibt ∗ ⋅ ⋅ ⁄ ∗ ∗ ⁄ oder ∗ ⋅ ⋅ ∗ . (14.8) Für die Veränderungsrate des realen Wechselkurses gilt mit ⋅ 1 ⋅ der Ausdruck ⋅ ∗ 1 ⋅ ∗ , bzw. ∗ ⋅ ∗ . (14.9) Der erste Teil der Summe in Gleichung (14.9) misst die Abweichung vom Gesetz der Unterschiedslosigkeit des Preises bei den handelbaren Gütern, der zweite Teil die internationalen Unterschiede in der Änderung des Relativpreises handelbarer Güter. Wir sehen, dass beides auf den realen Wechselkurs als Maßstab für die relative Kaufkraft des Inlands einwirken kann. Empirische Untersuchungen zur Volatilität des realen Wechselkurses nehmen Gleichung (14.9) zum Ausgangspunkt, um abzuschätzen, wie stark die beiden Einflussgrößen - die Abweichung vom Gesetz der Unterschiedslosigkeit des Preises handelbarer Güter und der Relativpreis nicht-handelbarer Güter - für die Entwicklung des realen Wechselkurses in der kurzen Frist sind. Engel (1999) <?page no="246"?> 238 14. Wechselkurs, Güterhandel und Devisenmarkt kommt für die USA zu dem Ergebnis, dass Schwankungen des realen Wechselkurses fast vollständig durch Preisdifferenzen bei den handelbaren Gütern erklärt werden, während Betts und Kehoe (2008) einen stärkeren Einfluss der Relativpreise nicht-handelbarer Güter finden für Länder, zwischen denen enge Handelsbeziehungen bestehen. 2. Balassa-Samuelson-Effekt. Verantwortlich für Abweichungen von der Kaufkraftparität können Produktivitätsunterschiede zwischen den Ländern sein, die bei den handelbaren und nicht-handelbaren Gütern verschieden hoch ausfallen. Das ist die Grundaussage des Balassa-Samuelson-Effekts. Der Balassa-Samuelson- Effekt kann insbesondere erklären, warum reiche Länder ein höheres gesamtwirtschaftliches Preisniveau haben als arme Länder, so dass die Kaufkraftparität zwischen diesen beiden Ländergruppen nicht erfüllt ist. Quelle: Heston et al. (2012). USA=100, Daten für 2010. Schaubild 14.4: Bruttoinlandsprodukt und Preisniveau Schaubild 14.4 illustriert diesen Zusammenhang, indem es das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf verschiedener Länder mit dem Preisniveau in diesen Ländern in Beziehung setzt (beides im Vergleich zu den USA). Wir sehen, dass offenbar eine positive Beziehung zwischen beiden Variablen besteht; arme Länder haben ein geringeres Preisniveau als reiche. Um den Balassa-Samuelson-Effekt abzuleiten, gehen wir von einem einfachen Modellrahmen aus, in dem es ein handelbares und ein nicht-handelbares Gut gibt. Beide Güter können mit dem einzigen Produktionsfaktor Arbeit erzeugt 0 20 40 60 80 100 120 140 160 0 20 40 60 80 100 Preisniveau BIP <?page no="247"?> 14.3 Einfluss nicht-handelbarer Güter 239 werden, wobei die Verbrauchskoeffizienten wie im Ricardo-Modell exogen gegeben sind. Die Unternehmen stehen im vollkommenen Wettbewerb, so dass die Gewinne gleich null sind. In beiden Ländern wird sowohl das handelbare als auch das nicht-handelbare Gut hergestellt. Für den Preis des handelbaren Gutes im Inland (bzw. den Preisindex) gilt ⋅ , mit als Verbrauchskoeffizent und als Lohnsatz im Inland. Der Preis des nicht-handelbaren Gutes im Inland ist ⋅ . Damit gilt für den Relativpreis des handelbaren Gutes im In- und Ausland die Beziehung und ∗ ∗ ∗ . (14.10) Laut dem Balassa-Samuelson Modell gilt beim handelbaren Gut das Gesetz der Unterschiedslosigkeit des Preises, ⋅ ∗ , so dass der reale Wechselkurs gemäß Gleichung (14.8) ausschließlich durch die Relativpreise handelbarer Güter bestimmt wird: ∗ für ∗ ⋅ . (14.8’) Einsetzen von Gleichung (14.10) in (14.8’) ergibt dann ⁄ ∗ ∗ ⁄ . (14.11) Wenn das Inland einen komparativen Produktivitätsvorteil beim handelbaren Gut hat ( / ∗ / ∗ ), dann ist der relative Preis des handelbaren Gutes im Inland geringer als im Ausland ( ∗ ) und für den realen Wechselkurs gilt 1. Die Kaufkraft ist dann im Ausland höher als im Inland. Da definitionsgemäß nicht beide Güter gehandelt werden, kann internationaler Handel nicht zu einem Ausgleich aller Preise führen. Handel gleicht nur die nominalen Preise des handelbaren Gutes international aus, während für die Preise des nicht-handelbaren Gutes gilt ∗ . Aussage 14.2: Der reale Wechselkurs ist kleiner als 1, wenn das Inland einen komparativen Produktivitätsvorteil beim handelbaren Gut aufweist. Der Balassa-Samuelson-Effekt folgt nun unmittelbar aus Aussage 14.2, wenn wir annehmen, dass Produktivitätsunterschiede zwischen reicheren und ärmeren Ländern vornehmlich im Bereich der handelbaren Güter vorliegen, während bei den nicht-handelbaren Gütern nur geringe internationale Produktivitätsunterschiede bestehen. Hinter dieser Annahme steht das Bild, dass es sich bei den nichthandelbaren Gütern vorwiegend um einfache Dienstleistungen (z.B. der Haarschnitt beim Friseur) handelt, während handelbare Güter vor allem Industriegüter sind und sich Produktivitätsunterschiede im Industriesektor konzentrieren. Dann haben die reichen Länder einen komparativen Produktivitätsvorteil bei den han- <?page no="248"?> 240 14. Wechselkurs, Güterhandel und Devisenmarkt delbaren Gütern. Aufgrund der höheren Produktivität im Industriesektor wird dann in den reichen Ländern ein höherer Lohn gezahlt als in den ärmeren Ländern. Bei den nicht-handelbaren Gütern, wo der Produktivitätsvorteil der reichen Länder annahmegemäß schwächer ist, führt der höhere Lohn dann zu höheren Stückkosten und somit zu einem höheren Preis, während der Preis der handelbaren Güter sich international ausgleicht. In reichen Ländern ist demnach der Relativpreis der handelbaren Güter geringer als in ärmeren Ländern. Der Balassa-Samuelson-Effekt kann auch in Bezug auf Veränderungen des realen Wechselkurses bedeutsam sein. Wenn beim Produktivitätswachstum internationale Unterschiede vornehmlich im Bereich der handelbaren Güter bestehen, dann werten Länder mit einer hohen Produktivitätswachstumsrate gegenüber langsamer wachsenden Ländern real auf ( 0). 3. Realer Wechselkurs und Leistungsbilanz. Es besteht auch eine Beziehung zwischen dem realen Wechselkurs und der Situation der Leistungsbilanz. Mit dem Aufbau eines Leistungsbilanzdefizits sinkt der reale Wechselkurs, während im umgekehrten Fall eine reale Abwertung erfolgt. Schaubild 14.5 verdeutlicht diesen Zusammenhang für den Fall eines kleinen offenen Landes. Wir gehen wieder von einem handelbaren und einem nicht-handelbaren Gut aus und nehmen zur Vereinfachung ein festes Nachfrageverhältnis zwischen dem nicht-handelbaren und dem handelbaren Gut an. Einkommen aus dem Ausland und laufende Übertragungen werden vernachlässigt, so dass der Leistungsbilanzsaldo ausschließlich durch den Außenbeitrag bestimmt wird. Das Land produziert im Punkt P, wo der Relativpreis des handelbaren Gutes der betragsmäßigen Steigung der Transformationskurve entspricht. Der Produktionspunkt bestimmt definitionsgemäß die Menge an nicht-handelbaren Gütern, die das Land konsumieren kann. Im Produktionspunkt P ist aber das Verhältnis an nichthandelbaren zu handelbaren Gütern höher als auf dem Fahrstrahl / , der die Konsumwünsche angibt. Das Land möchte statt in Punkt P in Punkt C konsumieren. Dazu ist ein Nettoimport handelbarer Güter, d.h. ein Leistungsbilanzdefizit, in Höhe der Strecke erforderlich. Wenn das Land nun das Defizit abbauen möchte, dann muss die heimische Produktion der handelbaren Güter ausgedehnt werden. Hierzu ist ein Anstieg des Relativpreises der handelbaren Güter erforderlich. Bei gegebenem ausländischen Relativpreis für handelbare Güter (kleines Land) steigt der reale Wechselkurs gemäß Gleichung (14.8’) an. In Punkt P’ fällt schließlich der Produktionspunkt mit dem Konsumpunkt zusammen. Dort ist das Leistungsbilanzdefizit gleich null. <?page no="249"?> 14.3 Einfluss nicht-handelbarer Güter 241 Q N Q H P C P ' C / C N H w H w H ' O Schaubild 14.5: Gleichgewichte und Handelsbilanzsalden bei handelbaren und nichthandelbaren Gütern Aussage 14.3: Mit dem Abbau eines bestehenden Leistungsbilanzdefizits steigt der Relativpreis handelbarer Güter und es erfolgt eine reale Abwertung der inländischen Währung. Aus Schaubild 14.5 lässt sich ein Zusammenhang zwischen Leistungsbilanzdefizit und dem Relativpreis für handelbare Güter herstellen (Schaubild 14.6). Der Relativpreis, der durch die Tangente in P’ dargestellt ist, entspricht Punkt X in Schaubild 14.6. Ein geringerer Relativpreis, z.B. der Tangentenpunkt in P, ist mit einem Leistungsbilanzdefizit verbunden. Umgekehrt würde ein Leistungsbilanzüberschuss zu einem höheren Relativpreis führen (Punkt Y). O Z L w H Y X Schaubild 14.6: Leistungsbilanzsaldo und Relativpreis handelbarer Güter <?page no="250"?> 242 14. Wechselkurs, Güterhandel und Devisenmarkt 14.4 Wechselkurs, Güterhandel und Leistungsbilanz 1. Normalreaktion der Leistungsbilanz. In diesem Abschnitt schauen wir uns den Zusammenhang zwischen Wechselkursänderungen und Leistungsbilanz genauer an. Dabei gehen wir zunächst von einem gegebenen nominalen Wechselkurs aus und stellen die Frage, wie sich eine Veränderung des Wechselkurses auswirkt. In diesem Zusammenhang sollte man erwarten, dass eine Aufwertung der heimischen Währung den Leistungsbilanzsaldo verschlechtert. Man spricht dann von einer Normalreaktion der Leistungsbilanz. Formal muss gelten / 0, d.h., mit einer Aufwertung ( 0) muss der Leistungsbilanzsaldo abnehmen ( 0) und bei einer Abwertung ( 0) muss der Saldo zunehmen ( 0). Nachfolgend analysieren wir, ob und unter welchen Bedingungen die Leistungsbilanz normal auf Wechselkursänderungen reagiert. Wir nehmen wieder an, dass der Leistungsbilanzsaldo ausschließlich durch den Außenbeitrag bestimmt wird. Da der Außenbeitrag des Inlands als Differenz zwischen Exportwert € und Importwert € in heimischer Währung definiert ist, wirkt sich dann eine Änderung des Wechselkurses gemäß der folgenden Gleichung auf den Saldo aus: € € . (14.12) Der Wechselkurs beeinflusst den Leistungsbilanzsaldo demnach sowohl über seine Wirkung auf dem Exportmarkt als auch auf dem Importmarkt. 2. Exportmarkt. Die Wirkung einer Wechselkursänderung auf dem Exportmarkt lässt sich wie folgt verdeutlichen: Angenommen, eine Flasche Pfaffenweiler Batzenberg koste 10 € und der Dollar-Kurs €/ $ sei in der Ausgangslage 1. Bei einem Preis von 10 $ fragen die Amerikaner eine Flasche nach. Sinkt der Wechselkurs auf 0,8 (der Euro wird aufgewertet), müssen die Amerikaner pro Flasche 12,50 $ aufwenden (10/ 0,8). Damit der Dollar-Preis unverändert bleibt und die Amerikaner weiterhin eine Flasche Pfaffenweiler nachfragen, müsste der Euro-Preis gesenkt werden auf 8 € pro Flasche. Die amerikanische Überschussnachfrage in Euro verschiebt sich nach unten. Es ergibt sich ein neues Gleichgewicht auf dem Markt, in dem der Euro-Preis für Pfaffenweiler sinkt und weniger exportiert wird. Schaubild 14.7 stellt den Exportmarkt grafisch dar. Die Überschussnachfragekurven des Inlandes und des Auslandes sind Mengenreaktionen der Nachfrager und Anbieter auf die jeweiligen Preise. Die steigende Kurve ist die Exportangebotsfunktion des Inlands (die negative Überschussnachfrage) in Abhängig- <?page no="251"?> 14.4 Wechselkurs, Güterhandel und Leistungsbilanz 243 keit vom Preis des Exportguts in Euro . 2 Die fallende Kurve ∗ ist die Importnachfrage des Auslands nach Gut 1 - ebenfalls in Euro-Preisen dargestellt. Die Ausländer kalkulieren mit dem Preis ∗ in ausländischer Währung, d.h., die ausländische Überschussnachfrage hängt vom inländischen Preis und vom Wechselkurs ab, wobei gilt ∗ / . Der Schnittpunkt F zwischen Exportangebots- und Exportnachfragekurve bestimmt den gleichgewichtigen Exportpreis D, die exportierte Menge J und den Exportwert in Euro . Angenommen, der Euro wird nun aufgewertet und der Wechselkurs sinkt. Die Überschussnachfrage des Auslandes in Abhängigkeit vom Preis in € in Schaubild 14.7 verschiebt sich nach unten. Es ergibt sich das neue Gleichgewicht in Punkt I. Der Exportpreis in Euro sinkt (von D auf H), die Exportmenge geht ebenfalls zurück (von J auf G). Damit nimmt auch der Exportwert ab (von auf ). Eine Abwertung (Anstieg von ) hätte den gegenläufigen Effekt. Aussage 14.5: Eine Aufwertung (Abwertung) der heimischen Währung senkt (erhöht) die exportierte Menge und den Preis des Exportguts in heimischer Währung: Der Exportwert in heimischer Währung sinkt (steigt). - E 1 , E * 1 O p 1 D H G J w F E * 1 ' E * 1 I - E 1 3. Importmarkt. Für den Importmarkt lässt sich wie folgt argumentieren: Die Amerikaner bieten z.B. ein Software-Paket zum Preis von 100 $ in der Ausgangslage an. Bei einem Wechselkurs von 1 wird das Software-Paket also auch zu einem Euro-Preis von 100 angeboten. Wenn der Wechselkurs auf 0,8 sinkt, verringert sich der Euro-Preis des Software-Pakets auf 80 €. Die ausländische Angebotskurve ∗ in Euro-Preisen verschiebt sich nach unten (Schaubild 14.8). Damit ergibt sich ein neues Gleichgewicht I auf dem Importmarkt. Im Vergleich 2 Wir gehen hierbei von einem Partialansatz aus und vernachlässigen den Einfluss anderer Märkte (insbesondere den Markt für das Importgut 2) auf Angebot und Nachfrage für Gut 1. Schaubild 14.7: Aufwertung und Exportmarkt <?page no="252"?> 244 14. Wechselkurs, Güterhandel und Devisenmarkt zur Ausgangslage verringert sich der gleichgewichtige Euro-Preis des Importguts (von D auf H), während die importierte Menge ansteigt (von J auf G). A priori lassen sich damit über die Veränderung des Importwertes keine Aussagen machen und der Importwert kann steigen oder sinken. Letztlich hängt die Veränderung des Importwertes von der Preiselastizität der Importnachfrage ab. Die Preiselastizität der Importnachfrage ist definiert als ⋅ . Sie gibt an, um wie viel Prozent die Nachfrage nach dem Importgut bei einer 1-prozentigen Preissteigerung zurückgeht. Mit € ⋅ als Importwert in € gilt für die Veränderung des Importwerts € ⁄ ⋅ ⁄ bzw. € ⁄ ⋅ 1 . Wenn nun eine Aufwertung des € dazu führt, dass der Preis des Importguts zurückgeht, dann verringert sich auch der Importwert, solange die Nachfrage nach dem Importgut unelastisch ist ( 1). Bei einer elastischen Importnachfrage ( 1), führt ein Rückgang des Importpreises hingegen zu einem starken Anstieg der nachgefragten Importmenge, so dass der Importwert als Produkt aus Importpreis und Importmenge mit einer Aufwertung zunimmt. Aussage 14.6: Eine Aufwertung (Abwertung) der heimischen Währung erhöht (verringert) die importierte Menge und verringert (erhöht) den Preis des Importguts in heimischer Währung. Der Importwert steigt (sinkt) bei einer elastischen Importnachfrage, während er bei einer unelastischen Importnachfrage sinkt (steigt). O p 2 D H G J w F E 2 I - E * 2 - E 2 , - E * 2 E 2 Schaubild 14.8: Aufwertung und Importmarkt <?page no="253"?> 14.4 Wechselkurs, Güterhandel und Leistungsbilanz 245 4. Bedingung für eine Normalreaktion. Die bisherige Argumentation lässt sich wie folgt zusammenfassen: Bei einer Aufwertung nimmt der Exportwert eindeutig ab. Ist die Importnachfrage des Inlandes elastisch ( 1), so nimmt der Importwert zu. Dann nimmt auch der Leistungsbilanzsaldo als Differenz zwischen Exportwert und Importwert eindeutig ab (Normalreaktion der Leistungsbilanz). Gilt 1, so bleibt der Importwert konstant; der Leistungsbilanzsaldo nimmt dann auch eindeutig ab. Wenn dagegen die Importnachfrage unelastisch ist ( 1), so kann keine allgemeine Aussage über die Veränderung des Leistungsbilanzsaldos gemacht werden. Es ist zum einen denkbar, dass die Reduzierung des Exportwertes die Reduzierung des Importwertes überkompensiert. Dann liegt wieder eine Normalreaktion der Leistungsbilanz vor. Zum anderen kann bei einer Aufwertung der Importwert stärker sinken als der Exportwert. Dann verbessert sich bei einer Aufwertung der Leistungsbilanzsaldo (anormale Reaktion der Leistungsbilanz). Als hinreichende Bedingung für eine Normalreaktion kann der folgende Zusammenhang abgeleitet werden (Anhang 14.A): 0 für ∗ 1. (14.13) Dies ist die Marshall-Lerner-Bedingung für eine Normalreaktion der Leistungsbilanz. Die Marshall-Lerner-Bedingung verlangt, dass die Summe der inländischen und ausländischen Importnachfrageelastizitäten größer als 1 ist. Es ist demnach hinreichend für eine Normalreaktion, wenn eine der Importnachfragen elastisch ist. Aussage 14.7: Hinreichend für eine Normalreaktion der Leistungsbilanz ist, dass die Importnachfrage im Inland oder im Ausland elastisch ist. Kasten 14.2: Abwertung der Lira und des britischen Pfunds und die Entwicklung des Außenbeitrags Nach den Währungsturbulenzen im August 1992 wurde die italienische Lira bis Jahresende 1993 um ca. 25 Prozent abgewertet. Der Leistungsbilanzsaldo hat normal reagiert: der Exportwert stieg stark an und der Importwert ging zurück. Im zweiten Quartal des Jahres 1993 aktivierte sich die Leistungsbilanz Italiens (Schaubild 14.K.1). Großbritannien schied im September 1992 aus dem EWS aus. Das Pfund wurde danach insgesamt um ca. 20 Prozent bis Jahresende abgewertet. Das Leistungsbilanzdefizit bildete sich im 4. Quartal 1992 zurück, nahm dann jedoch wieder zu (Schaubild 14.K.2). <?page no="254"?> 246 14. Wechselkurs, Güterhandel und Devisenmarkt Quelle: IMF, International Financial Statistics, CD-Rom, Mai 2000; eigene Berechnungen. Schaubild 14.K.1: Außenbeitrag und Wechselkurs, Italien Quelle: IMF, International Financial Statistics, CD-Rom, Mai 2000; eigene Berechnungen. Schaubild 14.K.2: Außenbeitrag und Wechselkurs, Großbritannien -8000 -7000 - 6000 -5000 -4000 -3000 -2000 -1000 0 0,64 0,66 0,68 0,70 0,72 0,74 0,76 0,78 0,80 0,82 Leistungsbilanz in Millionen US-Dollar Wechselkurs brit. Pfund / ECU, gewichteter Durchschnitt II/ 92 III/ 92 IV/ 92 I/ 93 II/ 93 -7000 -6000 -5000 -4000 -3000 -2000 -1000 0 1000 2000 3000 1400 1450 1500 1550 1600 1650 1700 1750 1800 1850 1900 Leistungsbilanz in Milionen US-Dollar Wechselkurs Lira / ECU, gewichteter Durchschnitt II/ 92 III/ 92 IV/ 92 I/ 93 II/ 93 <?page no="255"?> 14.4 Wechselkurs, Güterhandel und Leistungsbilanz 247 5. Kleines Land. Ein Sonderfall ist der des kleinen offenen Landes. Das Inland ist dann so klein, dass die Exportnachfragekurve des Auslands bei gegebenem Wechselkurs horizontal verläuft. Die vom Inland lieferbaren Mengen sind - in Bezug auf den Weltmarkt - so gering, dass der Weltmarktpreis nicht durch die nachgefragten Mengen beeinflusst wird. Eine Aufwertung der inländischen Währung verschiebt die Exportnachfragefunktion parallel nach unten (Schaubild 14.9a). Der inländische Preis sinkt so stark, dass die Wechselkursänderung vollständig ausgeglichen wird und der Preis in Auslandswährung ∗ unverändert bleibt. Auf dem Importmarkt des kleinen offenen Landes verläuft die ausländische Angebotsfunktion ebenfalls waagerecht. Die vom Inland nachgefragten Mengen sind so gering, dass sie keinen Einfluss auf den Weltmarktpreis haben. Eine Aufwertung der inländischen Währung verschiebt die ausländische Angebotsfunktion nach unten (Schaubild 14.9b). O a b O E , - E * 2 2 p 1 p 2 - E , E * 1 1 E * 1 - E 1 - E * 2 E 2 6. Elastizitätspessimismus. Empirische Schätzungen der Nachfrageelastizitäten in den fünfziger Jahren legten den Schluss nahe, dass die Marshall-Lerner- Bedingung nicht erfüllt sei. Spätere Berechnungen geben aber keinen Anlass zu diesem Elastizitätspessimismus. Die Summe der inländischen und ausländischen Nachfrageelastizitäten liegt demnach über eins (Stern et al. 1976). 7. Zeitliche Verzögerung. Ein wichtiger Aspekt ist die Frage, mit welcher zeitlichen Verzögerung die Reaktionen auf Wechselkursänderungen einsetzen. Man kann in der Realität beobachten, dass die Nachfragemengen sich nicht unmittelbar in vollem Ausmaß an Wechselkursänderungen anpassen. Beispielsweise hat die amerikanische Aluminiumindustrie auf die Dollaraufwertung in den 1980er Jahren dadurch reagiert, dass sie veraltete Aluminiumhütten geschlossen hat, neue Lieferverträge mit der Elektrizitätswirtschaft abgeschlossen hat und die Lohnverträge mit den Gewerkschaften verändert hat. All dies braucht jedoch Zeit. Schaubild 14.9: Kleines Land und Aufwertung <?page no="256"?> 248 14. Wechselkurs, Güterhandel und Devisenmarkt Die Importnachfrage kann daher kurzfristig weniger preiselastisch sein als in der langen Frist. Wenn wir z.B. zur Verdeutlichung annehmen, dass die in- und ausländische Nachfrage in der kurzen Frist völlig preisunelastisch ist, dann ist die Bedingung für eine Normalreaktion der Leistungsbilanz kurzfristig nicht erfüllt. Bei einer Abwertung stellt sich dann kurzfristig ein Defizit in der Leistungsbilanz ein, das erst im Verlauf der Zeit - wenn die Nachfrageelastizität zunimmt - abgebaut wird. Der Saldo der Leistungsbilanz verläuft in der Zeit also wie ein „J“, weshalb man auch von einem „J-Kurven“-Effekt spricht (Schaubild 14.10). Als Folge einer Abwertung im Zeitpunkt ergibt sich zunächst eine Vergrößerung des Defizits. Erst mit einer zeitlichen Verzögerung beginnt die Leistungsbilanz in der erwarteten Weise zu reagieren. Umgekehrt würde es bei einer Aufwertung zunächst zu einer Aktivierung der Leistungsbilanz kommen, bis sich die langfristigen Effekte zeigen. Bei einer Aufwertung reagiert die Leistungsbilanz also im Zeitablauf wie ein Spazierstock (Spazierstock-Effekt). Zeit X - Im € € t 0 O 8. Preiseffekte. Eine Wechselkursänderung beeinflusst nicht nur den Leistungsbilanzsaldo, sondern auch die Güterpreise und damit das Preisniveau. Angenommen, das Inland wertet mit dem Ziel ab, ein Defizit in der Leistungsbilanz zu reduzieren. Dann verschiebt sich die Exportnachfragefunktion ∗ in Schaubild 14.7 nach rechts und die Importangebotsfunktion ∗ in Schaubild 14.8 nach links. Der Preis steigt sowohl für das Exportgut als auch für das Importgut an. Damit hat die Abwertung einen unerwünschten Effekt auf das Preisniveau. Wenn sich Wechselkursänderungen unterschiedlich stark auf die Nominalpreise von Export- und Importgütern auswirken, dann beeinflussen sie auch die Terms of Trade. Das Vorzeichen dieses Effekts ist jedoch nicht eindeutig. In Anhang 14.A werden die Bedingungen abgeleitet, unter denen sich die Terms of Trade mit einer Abwertung verbessern. Schaubild 14.10: J-Kurve <?page no="257"?> 14.5 Wechselkurs und Devisenmarktgleichgewicht 249 Kasten 14.3: Dollar-Kurs und US-Leistungsbilanzsaldo In Schaubild 14.K.3 sind der Leistungsbilanzsaldo der USA (linke Skala) und der reale effektive Dollar-Kurs (2005 = 100, rechte Skala) dargestellt. Der Wechselkurs ist in diesem Fall in Mengennotierung abgebildet, so dass ein Anstieg einer Aufwertung entspricht. Man erkennt, dass mit einer realen Aufwertung des US-$ in den frühen achtziger Jahren (bis Anfang 1985) das Leistungsbilanzdefizit der USA leicht steigt. In den Jahren 1985-1987 nimmt das Defizit trotz Abwertung zu. Erst seit 1987 bildete sich das Defizit vorübergehend zurück. Seit Anfang der neunziger Jahre steigt das Leistungsbilanzdefizit der USA kräftig an, zunächst (bis 2002) verbunden mit einer Aufwertung und dann (ab 2002) mit einer Abwertung. Die Leistungsbilanzentwicklung der USA wird offenbar von zahlreichen anderen Effekten überlagert. Der Wechselkurs bestimmt nicht allein die Leistungsbilanz. Quelle: IMF, International Financial Statistics; Weltbank, 2013. Schaubild 14.K.3: US-Leistungsbilanzsaldo und realer effektiver US-$ Wechselkurs 14.5 Wechselkurs und Devisenmarktgleichgewicht 1. Gleichgewicht auf dem Devisenmarkt und Leistungsbilanz. Während wir im vorangehenden Abschnitt die Effekte einer exogenen Änderung des Wechselkurses analysiert haben, so gehen wir nun von einem flexiblen Wechselkurs aus. Aus Abschnitt 3.2 ist bekannt, dass sich der flexible Wechselkurs auf dem Devisenmarkt durch die Nachfrage nach Devisen und das Angebot an Devisen bildet. Devisennachfrage und -angebot resultieren wiederum aus ökonomischen Transaktionen mit dem Ausland. So entfaltet das Inland eine Nachfrage nach Devisen für die Importe von Waren und Dienstleistungen, für Transfers an das 0 20 40 60 80 100 120 140 160 -7 -6 -5 -4 -3 -2 -1 0 1 1980 1990 2000 2010 Leistungsbilanzsaldo (% des BIP) Effektiver Wechselkurs <?page no="258"?> 250 14. Wechselkurs, Güterhandel und Devisenmarkt Ausland (z.B. Entwicklungshilfe), für die Tilgung ausländischer Verbindlichkeiten sowie für Kapitalanlagen im Ausland. Im Folgenden konzentrieren wir uns weiterhin auf die Handelsströme. Die Devisennachfrage des Inlandes resultiert dann aus den wertmäßigen Importen des Inlandes (hier in $) und das Devisenangebot des Auslandes ergibt sich aus den wertmäßigen Importen des Auslandes (ebenfalls in $). Ein Gleichgewicht auf dem Devisenmarkt verlangt, dass die Überschussnachfrage nach Devisen $ null ist, d.h. $ $ $ 0. (14.14) Dabei bezeichnet $ die Nachfrage nach Devisen und $ ist das Devisenangebot, beides abhängig vom Wechselkurs. Im Folgenden sei weiterhin unterstellt, dass das Inland (Euroland) Gut 1 exportiert und Gut 2 importiert und das Ausland (USA) Gut 2 exportiert und Gut 1 importiert. Die Nachfrage des Inlands nach Devisen ist dann gegeben durch den Importwert in Dollar: $ $ ∗ ⋅ , mit als Überschussnachfrage des Inlands nach Gut 2. Das ausländische Angebot an Devisen ist $ $ ∗ ⋅ ∗ , wobei ∗ die Überschussnachfrage des Auslands nach Gut 1 angibt. Wenn wir davon ausgehen, dass der Gütermarkt immer im Gleichgewicht ist, dann gilt ∗ . Das Devisenangebot kann in diesem Fall auch geschrieben werden als $ ∗ ⋅ . Die Überschussnachfrage nach Devisen ist dann $ ∗ ⋅ ∗ ⋅ . Da wir ausschließlich internationale Gütertransaktionen betrachten, entspricht der Leistungsbilanzsaldo dem Außenbeitrag: ⋅ ⋅ . Damit und mit der Gleichgewichtsbedingung / ∗ ist $ ∗ ⋅ ∗ ⋅ . (14.15) Leistungsbilanzsaldo und Devisenüberschussnachfrage entsprechen sich in der Weise, dass einer Überschussnachfrage auf dem Devisenmarkt ein Leistungsbilanzdefizit gegenübersteht und einem Überschussangebot ein Leistungsbilanzüberschuss. Im Devisenmarktgleichgewicht ist die Leistungsbilanz ausgeglichen. Aussage 14.4: Angenommen, Devisen werden ausschließlich für Handelstransaktionen benötigt. Bei flexiblen Wechselkursen ist dann im Devisenmarktgleichgewicht auch die Leistungsbilanz ausgeglichen. 2. Devisennachfrage. Die Devisennachfrage geht mit einem steigenden Wechselkurs w zurück. Wenn der Wechselkurs ansteigt, d.h., wenn die inländische Währung abwertet, dann werden Importgüter bei einem gegebenen $-Preis teurer. Die nachgefragte Menge nach Importgütern sinkt und die Inländer sind nur noch bereit, einen geringeren $-Preis zu zahlen. Somit sinken der Importwert in Dollar und damit die Devisennachfrage eindeutig. <?page no="259"?> 14.5 Wechselkurs und Devisenmarktgleichgewicht 251 3. Devisenangebot. Die Wirkungen einer Abwertung auf das Devisenangebot sind unbestimmt. Das Angebot an Dollar entspricht dem Importwert des Auslands (bzw. dem Exportwert des Inlands) in Dollar. Wir wissen bereits aus Abschnitt 14.4, dass der Importwert des Auslands in Euro mit steigendem Wechselkurs zunimmt, also ∗€ 0 ⁄ . Der Importwert in $ ist gegeben durch ∗$ ∗€ ⁄ . Mit einem Anstieg von steigen Zähler und Nenner dieses Ausdrucks, so dass der Gesamteffekt auf ∗$ nicht eindeutig ist. Die folgende Überlegung kann helfen, den Verlauf der Devisenangebotskurve zu erklären. Aus dem Importwert der USA in Euro lässt sich auch als Funktion des Euro-Kurses 1⁄ darstellen, wobei gilt ∗€ 1/ ⁄ 0. Diese Beziehung ist durch die fallende Gerade in Schaubild 14.11a dargestellt. Das Rechteck in Schaubild 14.11a entspricht dann dem Importwert in $, gibt also das Devisenangebot der USA an. Dieser Wert und alle anderen Werte, die sich entlang der Importwert-Kurve in Schaubild 14.11a ergeben, werden punktweise in Schaubild 14.11b übertragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass jedem Euro-Kurs 1/ des Schaubilds 14.11a ein bestimmter Dollar-Kurs des Schaubilds 14.11b entspricht. Lässt man den Eurokurs 1/ in Schaubild 14.11a sinken, so nimmt der Importwert in Dollar (Rechteck unter der Kurve) zunächst zu, aber ab einem bestimmten Eurokurs wieder ab. Folglich hat die Devisenangebotskurve den in Schaubild 14.11b angegebenen Verlauf. Die Strecke kennzeichnet im Übrigen das Autarkiepreisverhältnis / ∗ (vgl. Schaubild 3.6). O a b O $ 1/ w [ $/ € ] w [€/ $ ] C B A S S Im € Schaubild 14.11: Devisenangebotskurve 4. Gleichgewichtiger Wechselkurs und Stabilität. Zeichnet man Devisennachfrage- und Devisenangebotskurve in ein gemeinsames Schaubild ein, so lässt sich das <?page no="260"?> 252 14. Wechselkurs, Güterhandel und Devisenmarkt Devisenmarktgleichgewicht bei flexiblen Wechselkursen grafisch ableiten. Zudem kann man analysieren, wie die Devisenüberschussnachfrage und der Wechselkurs auf Störungen reagieren. Schaubild 14.12a stellt Devisenangebots- und -nachfragekurve dar; in Schaubild 14.12b wird die Überschussnachfragekurve als Differenz zwischen Nachfrage und Angebot abgebildet. Wir sehen zunächst, dass das Devisenmarktgleichgewicht nicht unbedingt eindeutig bestimmt sein muss. In Schaubild 14.12.b gibt es zwei Wechselkurse, A und B, bei denen die Überschussnachfrage gleich null ist. Bei beiden Wechselkursen herrscht ein Gleichgewicht auf dem Devisenmarkt. 3 Weitere Einblicke in das Devisenmarktgleichgewicht erhalten wir, wenn wir dessen Stabilitätseigenschaften analysieren. Das Devisenmarktgleichgewicht gilt dann als stabil, wenn eine positive bzw. eine negative Überschussnachfrage nach Devisen durch eine entsprechende Wechselkursänderung abgebaut wird. Dabei nehmen wir an, dass der Wechselkurs ansteigt (Abwertung des Euro), wenn die Überschussnachfrage nach Devisen positiv ist, und zurückgeht (Aufwertung des Euro) bei einer negativen Überschussnachfrage. Stabilität verlangt dann, dass diese Veränderung des Wechselkurses die positive oder negative Überschussnachfrage abbaut. Formal muss dafür gelten $ / 0; die Überschussnachfragekurve muss also eine negative Steigung haben. O O A B A B w E $ N $ , A $ N $ A $ w '' w ' w a b Schaubild 14.12: Stabilität des Devisenmarktes 3 Dieser Fall ist nur ein Beispiel. Es kann auch sein, dass es auf dem Devisenmarkt nur ein Gleichgewicht oder sogar mehr als zwei Gleichgewichte gibt. <?page no="261"?> 14.5 Wechselkurs und Devisenmarktgleichgewicht 253 In Schaubild 14.12 ist der Gleichgewichtspunkt A stabil (negative Steigung der Überschussnachfrage), B hingegen nicht (positive Steigung der Überschussnachfrage). Betrachten wir beispielsweise den Wechselkurs ′ unterhalb von A. Dieser Wechselkurs ist kein Gleichgewicht, sondern es liegt eine positive Überschussnachfrage nach Devisen vor. Der Nachfrageüberhang nach Dollar lässt nun den Wechselkurs €/ $ steigen. Wie wir sehen, geht mit steigendem Wechselkurs die Überschussnachfrage zurück, bis schließlich der Gleichgewichtspunkt A erreicht wird. Betrachten wir dagegen eine Situation in der Umgebung des Punktes B, z. B. den Wechselkurs ′′. Bei diesem Wechselkurs liegt ebenfalls eine Überschussnachfrage an Devisen vor. Der Wechselkurs reagiert auf diesen Nachfrageüberhang wieder, indem er steigt. Der Wechselkurs bewegt sich dann aber vom Gleichgewichtspunkt B weg. Flexible Wechselkurse bauen in der Umgebung von B Defizite und Überschüsse im Devisenangebot nicht ab. Falls eine noch so kleine Störung des Devisenmarkts in Punkt B eintritt, wird dieser Gleichgewichtspunkt nicht mehr erreicht. 4. Normalreaktion und Stabilität des Devisenmarktes. Die Bedingung für die Normalreaktion der Leistungsbilanz / 0 kann auch als Bedingung für die Stabilität des Devisenmarktes bei flexiblen Wechselkursen interpretiert werden. Gemäß Gleichung (14.15) gilt $ / . Ableiten ergibt $ ⋅ / . Unterstellt man, dass der Devisenmarkt in der Ausgangslage im Gleichgewicht ist, dann gilt 0 und es folgt daraus $ 1 ⋅ . (14.16) Bei einer Normalreaktion der Leistungsbilanz ( / 0) ist folglich auch der Devisenmarkt lokal stabil ( $ / 0). Aussage 14.8: Ist die Bedingung für die Normalreaktion der Leistungsbilanz erfüllt, so ist auch das Devisenmarktgleichgewicht lokal stabil. 5. Devisenmarkt und Kapitalverkehr. Devisennachfrage und -angebot resultieren nicht nur aus den Handelstransaktionen. Will man den Kapitalverkehr berücksichtigen, so ist die Überschussnachfrage nach Devisen zu definieren als $ ∗ ⋅ ∗ ⋅ / / , (14.17) wobei Kapitalexporte ins Ausland eine zusätzliche Devisennachfrage begründen und Kapitalimporte ein zusätzliches Devisenangebot. In Schaubild 14.13 ist dieser Zusammenhang für den einfachen Fall dargestellt, dass Kapitalexporte und -importe unabhängig vom Wechselkurs exogen gegeben sind. Aus- <?page no="262"?> 254 14. Wechselkurs, Güterhandel und Devisenmarkt gangspunkt ist das stabile Devisenmarktgleichgewicht in A. Kapitalexporte verschieben die Kurve der Überschussnachfrage nach Devisen nach rechts, so dass der gleichgewichtige Wechselkurs steigt (Gleichgewicht B). Kapitalimporte verschieben die Devisenüberschussnachfragekurve nach links und der gleichgewichtige Wechselkurs sinkt (Punkt C). w E $ O C A B Weiterführende Fragen 1. Diskutieren Sie die Entwicklung der realen Wechselkurse innerhalb der Eurozone (Coudert et al. 2013). 2. Weist die Entwicklung der internationalen Preisunterschiede in den letzten Dekaden auf eine zunehmende oder abnehmende Integration der Weltwirtschaft hin (Bergin und Glick 2007)? 3. Diskutieren Sie, wie sich das bestehende Leistungsbilanzdefizit der USA auf den realen Wechselkurs des Dollar auswirken kann (Obstfeld und Rogoff 2007). Weiterführende Literatur Chinn, M. D. (2006). A Primer on Real Effective Exchange Rates: Determinants, Overvaluation, Trade Flows and Competitive Devaluation. Open Economies Review 17: 115-143. Coudert, V., Couharde, C. and Mignon, V. (2013). On Currency Misalignments within the Euro Area. Review of International Economics 21: 35-48. Goldstein, M. und M. M. Khan (1985). Income and Price Effects in Foreign Trade. In R.W. Jones und P. B. Kenen (Hrsg.): Handbook of International Economics, Bd. 2. Elsevier. Schaubild 14.13: Überschussnachfrage nach Devisen und Kapitalverkehr <?page no="263"?> Anhang 14.A: Die Wirkungen von Wechselkursänderungen 255 Obstfeld, M. und K. Rogoff (2007). The Unsustainable US Current Account Position Revisited. In: R. Clarida (Hrsg.) G7 Current Account Imbalances: Sustainability and Adjustment. University of Chicago Press. Sarno, L. und M. P. Taylor (2002). Purchasing Power Parity and the Real Exchange Rate. IMF Staff Papers 49: 65-105. Anhang 14.A: Die Wirkungen von Wechselkursänderungen auf dem Export- und Importmarkt 1. Exportmarkt. Das Gleichgewicht auf dem Exportmarkt ist gegeben durch ∗ ∗ 0. Einsetzen für ∗ / ergibt ∗ 0. (14.A.1) Wird (14.A.1) total differenziert, so ergibt sich ⋅ ∗ ∗ ⋅ 1 ⋅ ⋅ 0. (14.A.2) Gleichung (14.A.2) kann auch wie folgt geschrieben werden: ⋅ ⋅ ∗ ⋅ ∗ ∗ ⋅ 1 ⋅ ⋅ 0. (14.A.3) Dabei bezeichnet 0 die Elastizität des inländischen Exportangebots und ∗ 0 die Elastizität der ausländischen Importnachfrage, d.h. ⋅ und ∗ ∗ ∗ ⋅ ∗ ∗ . Einsetzen von ∗ und ∗ / ergibt ⋅ ∗ ⋅ ∗ ⋅ ⋅ 0. (14.A.4) Daraus folgt ∗ ∗ ⋅ . (14.A.5) Eine Aufwertung ( 0) des Euro ist demnach mit einem Rückgang des Exportpreises in Euro verbunden ( 0), während eine Abwertung ( 0) zu einem Anstieg des Exportpreises führt ( 0). Für den Exportwert gilt € ⋅ . Differenzieren und Einsetzen ergibt € ⋅ 1 ⋅ . (14.A.6) <?page no="264"?> 256 14. Wechselkurs, Güterhandel und Devisenmarkt 2. Importmarkt. Auf dem Importmarkt gilt die Gleichgewichtsbedingung ∗ / 0. (14.A.7) Daraus folgt nach totalem Differential und Einsetzen der Angebots- und Nachfrageelastizitäten ∗ und ⋅ ∗ ⋅ ∗ ⋅ ⋅ 0. (14.A.8) Umformen ergibt ∗ ∗ ⋅ . (14.A.9) Für den Importwert gilt € ⋅ . Daraus folgt € ⋅ 1 ⋅ . (14.A.10) Mit einer Aufwertung ( 0) sinkt der Euro-Preis des Importguts ( 0). Der Importwert steigt dann an, wenn die Importelastizität größer als eins ist ( 1). Analog geht der Importwert bei einer Abwertung ( 0) zurück. 3. Reaktion der Leistungsbilanz. Der Leistungsbilanzsaldo ist definiert als € € . Für die Veränderung des Leistungsbilanzsaldos gilt somit € € . Einsetzen aus (14.A.6) und (14.A.10) ergibt ⋅ 1 ⋅ ⋅ 1 ⋅ . (14.A.11) Werden (14.A.5) und (14.A.9) in (14.A.11) eingesetzt und wird ein im Ausgangspunkt ausgeglichener Außenbeitrag ( ) unterstellt, so lässt sich (14.A.11) schreiben als ⋅ ⋅ 1 ∗ ∗ 1 ∗ ∗ . (14.A.12) Nach Multiplikation von (14.A.12) mit ∗ und ∗ ergibt sich dann 0 für ∗ ∗ ⋅ 1 ∗ 1 ∗ . (14.A.13) Gleichung (14.A.13) ist die Robinson-Bedingung für eine Normalreaktion der Leistungsbilanz. Wird der Euro aufgewertet ( 0), so nimmt der Leistungsbilanzsaldo ab ( 0), wenn (14.A.13) erfüllt ist. Eine hinreichende Bedingung für (14.A.13) ist 1 ∗ 0, da dann die rechte Seite von (14.A.13) negativ ist, während die linke Seite immer positiv ist. Die Bedingung 1 ∗ 0 bzw. ∗ 1 ist die Marshall-Lerner-Bedingung für eine Normalreaktion der Leistungsbilanz. Die Marshall-Lerner-Bedingung gewährleistet eine Normalreaktion selbst für den Grenzfall eines unendlich elas- <?page no="265"?> Anhang 14.A: Die Wirkungen von Wechselkursänderungen 257 tischen Angebots ( , ∗ → ∞), da in diesem Fall die linke Seite von (14.A.3) gegen null strebt. 4. Terms of Trade-Effekte. Mit den abgeleiteten Preisbeziehungen kann auch dargestellt werden, wie die Terms of Trade auf eine Aufwertung bzw. Abwertung reagieren. Mit Gut 1 als dem Exportgut sind die Terms of Trade definiert als / . Für die Veränderung der Terms of Trade bei einer Variation des Wechselkurses gilt nach der Quotientenregel / ⋅ 1 ⋅ 1 ⋅ . (14.A.14) Setzt man (14.A.5) und (14.A.9) in (14.A.14) ein, so ergibt sich / ⋅ ⋅ ∗ ∗ ∗ ∗ . (14.A.15) Durch Umformen erhält man / 0 für ∗ ⋅ ⋅ ∗ . (14.A.16) Eine Abwertung ( 0) führt zu einer Verbesserung des realen Austauschverhältnisses ( / 0), wenn das Produkt der Nachfrageelastizitäten größer als das Produkt der Angebotselastizitäten ist. Eine Abwertung führt hingegen zu einer Verschlechterung der Terms of Trade, wenn das Produkt der Angebotselastizitäten größer ist als das Produkt der Nachfrageelastizitäten. <?page no="267"?> 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs „While in the long run it is useful to view the exchange rate as the relative price of national outputs, in the short run it is more useful to view it as the relative price of national monies.“ William H. Branson * In diesem Kapitel werden der Geldmarkt und der Finanzkapitalmarkt als weitere Bestimmungsfaktoren des Wechselkurses eingeführt. Der Ansatz des monetären Gleichgewichts zeigt, welcher Zusammenhang bei langfristig flexiblen Preisen und Kaufkraftparität zwischen Geldangebot, Preisniveau und Wechselkurs besteht (Abschnitt 15.1). Das Konzept der Zinsparität setzt die Nominalzinsen für Finanzanlagen und die erwartete Wechselkursentwicklung miteinander in Beziehung (Abschnitt 15.2). Das Zusammenspiel zwischen Zinsparität in der kurzen Frist und Kaufkraftparität in der langen Frist kann ein Überschießen des Wechselkurses und damit Wechselkursschwankungen erklären (Abschnitt 15.3). Eine alternative Erklärung für volatile Wechselkurse sind spekulative Währungsblasen (Abschnitt 15.4). Bei Arbeitslosigkeit und rigiden Güterpreisen können geldpolitische Impulse kurzfristig die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und die Beschäftigung erhöhen. Abschnitt 15.5 analysiert, welche internationalen Rückwirkungen eine solche Geldpolitik hat. Abschnitt 15.6 behandelt den Devisenterminmarkt und die gedeckte Zinsparität, während Abschnitt 15.7 verschiedene Wechselkurssysteme vorstellt. 15.1 Monetäres Gleichgewicht bei flexiblem Wechselkurs 1. Fragestellung. Die Kaufkraftparität hat Wechselkursänderungen auf unterschiedliche Preisentwicklungen im In- und Ausland zurückgeführt. Für die Preisentwicklung ist wiederum maßgeblich die Geldpolitik verantwortlich. Um den Zusammenhang zwischen Geldpolitik, Preisniveau und Wechselkurs näher zu beleuchten, müssen wir den Geldmarkt in die Betrachtung einbeziehen. Ausgangspunkt ist hierbei wieder das monetäre Gleichgewicht bei flexiblen Güterpreisen (vgl. Abschnitt 13.1). 2. Gleichgewicht bei flexiblen Güterpreisen. Wir nehmen wieder an, dass das Inland vollständig auf sein Exportgut 1 und das Ausland auf Gut 2 spezialisiert ist; beide Güter sind frei handelbar. Für die nominale Geldnachfrage gilt im In- und Ausland: und ∗ ∗ ∗ . Das Geldangebot bzw. ∗ im In- und * Asset Markets and Relative Price in Exchange Rate Determination, Institute for International Economic Studies, University of Stockholm, 1976. <?page no="268"?> 260 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs Ausland wird von der Zentralbank bestimmt. Die folgende Beziehung bestimmt dann wieder wie in Abschnitt 13.1 das Geldmarktgleichgewicht: ∗ ⋅ ∗ ⋅ ∗ . (15.1) Aufgrund des Gesetzes der Unterschiedslosigkeit des Preises folgt ∗ ⁄ . Einsetzen und Umformen ergibt dann ∗ ⋅ ⋅ ∗ . (15.2) Gleichung (15.2) beschreibt das monetäre Gleichgewicht im In- und Ausland bei expliziter Berücksichtigung verschiedener Währungen (und damit des Wechselkurses). Während Abschnitt 13.1 von einem gegebenen Wechselkurs ausgegangen ist (bzw. von 1) und daraus die Verteilung der Geldmengen bestimmt hat, die mit einem Gleichgewicht vereinbar ist, sind nun die Geldmengen gegeben und der Wechselkurs folgt aus der Gleichgewichtsbedingung. Er wird gemäß Gleichung (15.2) durch das Verhältnis zwischen inländischer und ausländischer Geldmenge bestimmt. Die Produktionsmengen und der Relativpreis sind durch das Gütermarktgleichgewicht vorgegeben. Schaubild 15.1 verdeutlicht dieses Gleichgewicht. Auf der horizontalen Achse ist das relative Geldangebot beider Länder dargestellt. Die Strecke kennzeichnet die relative Geldmenge zwischen Inland und Ausland ∗ ⁄ ; die Gerade ist durch Gleichung (15.2) vorgegeben. Der gleichgewichtige Wechselkurs entspricht dann der Strecke . O w M/ M* A' A E F V S Wenn der Wechselkurs bei einem relativen Geldangebot von bei ′ liegt, dann ist der Geldmarkt nicht im Gleichgewicht. Die relative Nachfrage nach inländischem Geld ist im Vergleich zum Angebot zu hoch. Dieses Ungleichge- Schaubild 15.1: Monetäres Gleichgewicht und Wechselkurs <?page no="269"?> 15.2 Zinsparität 261 wicht kann auf zwei Wegen beseitigt werden: Fixiert man den Wechselkurs auf ′, so kann sich ein Gleichgewicht in F einstellen, indem die relative Geldmenge des Inlands ansteigt. Dieser Mechanismus wurde in Abschnitt 13.1 betrachtet. Bleibt hingegen die relative Geldmenge unverändert auf , so ergibt sich ein Gleichgewicht durch eine Aufwertung der heimischen Währung und einen Rückgang des Wechselkurses auf . Für die Veränderungsrate des Wechselkurses folgt bei einem gegebenen Relativpreis und gegebenen Produktionsmengen aus Gleichung (15.2) die Beziehung ∗ . Die heimische Währung wird im Zeitablauf abgewertet ( 0), wenn die inländische Geldmenge stärker wächst als die ausländische Geldmenge. Da die Güter annahmegemäß frei handelbar sind, gilt auch die relative Kaufkraftparität, so dass die Wechselkursänderung der Differenz der Inflationsraten entspricht: ∗ ∗ . Aussage 15.1: Bei flexiblen Güterpreisen, Gültigkeit der Quantitätstheorie und freiem Handel wird der Wechselkurs durch das Verhältnis der in- und ausländischen Geldmenge bestimmt. 3. Realwirtschaftliche Störung des Gleichgewichts. Eine realwirtschaftliche Störung kann sich auf das Handelsgleichgewicht und auf das Geldmarktgleichgewicht auswirken. Eine Präferenzverschiebung etwa zugunsten von Gut 1 lässt den Relativpreis im Handelsgleichgewicht ansteigen. Damit wird die Gerade in Schaubild 15.1 flacher und die inländische Währung wertet auf. Betrachtet man anstelle einer Präferenzverschiebung technischen Fortschritt in der Produktion des Gutes 1 im Inland, so steigt die produzierte Menge in Sektor 1, und der Relativpreis geht zurück (verarmendes Wachstum, Abschnitt 10.4). Die Wirkungen auf den Wechselkurs sind dann unbestimmt. 15.2 Zinsparität 1. Portfolio-Gleichgewicht. In diesem Abschnitt wird der Finanzkapitalmarkt in die Betrachtung eingeführt. Ein Kapitalanleger im Inland steht dabei vor folgender Situation: Er hat einen bestimmten Betrag (z.B. 1 €) zur Verfügung, den er im Inland oder im Ausland anlegen kann. Legt er den Euro im Inland an, so erzielt er einen nominalen Zinssatz von pro Periode (pro Jahr). 1 Sein Vermögensbestand aus der Anlage eines Euro am Ende der Periode ist also 1 . Bei einem Zinssatz von 5% sind das also 1,05 Euro. Legt er den Euro im Ausland an, z.B. den USA, so muss er ihn zunächst (im Zeitpunkt 0) zum Wechselkurs umtauschen und erhält 1⁄ Dollar. Bei einem Wechselkurs von 1,10 €/ $ sind das 1 Da wir im Folgenden auch Veränderungen des Preisniveaus zulassen, unterscheiden wir zwischen der nominalen Verzinsung des Kapitals und der realen Verzinsung, bei der Veränderungen der Kaufkraft berücksichtigt werden. <?page no="270"?> 262 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs 0,91 Dollar. Sein Vermögen in ausländischer Währung am Ende der Periode (im Zeitpunkt 1) ist 1 ∗ ⁄ , bei einem Zinssatz in den USA von 6% also 0,96 $. Dieser Betrag wird im Zeitpunkt 1 zum Wechselkurs in Euro umgetauscht, so dass das erwartete Endvermögen in Euro aus der Anlage im Ausland 1 ∗ ⋅ ⁄ beträgt. Die Variable bezeichnet dabei den vom Anleger erwarteten Wechselkurs für den Zeitpunkt 1. Bei einem erwarteten Kurs von 1,15 [€/ $] beträgt das erwartete Endvermögen 1,11 Euro. Die Anlage im Ausland ist also mit einem höheren erwarteten Endvermögen verbunden als die Anlage im Inland. Wenn der Anleger ausschließlich an der Höhe des erwarteten Endvermögens interessiert ist, dann sollte er sein Geld im Ausland anlegen. Ein Gleichgewicht auf dem Kapitalmarkt, in dem sowohl im Inland als auch im Ausland Kapital angelegt wird, kann demnach nur dann bestehen, wenn das erwartete Endvermögen, das in beiden Ländern erzielt werden kann, nach einem Jahr gleich hoch ist: 1 1 ∗ ⋅ . (15.3) Diese Gleichung lässt sich auch näherungsweise schreiben als ∗ bzw. ∗ , (15.3’) wobei die erwartete Wechselkursänderung ist. 2 Gleichung (15.3) bzw. (15.3’) ist die sog. „ungedeckte Zinsparität“. Sie setzt die Zinsen im In- und Ausland in Beziehung mit der erwarteten Wechselkursentwicklung. Bei dieser Gleichung wird implizit angenommen, dass alle Anleger risikoneutral sind. Bei einer Anlage im Ausland besteht das Währungsrisiko, dass der tatsächliche Wechselkurs vom erwarteten Wechselkurs abweicht. Bei Risikoneutralität ist den Anlegern dieses Risiko gleichgültig und es kann vernachlässigt werden. Die rechte Seite von (15.3’) gibt den Zinssatz im Ausland plus erwarteten Wechselkursgewinn an. Ist 0, so wird erwartet, dass der Euro in dem Jahr der Anlage abgewertet wird (die ausländische Währung wird aufgewertet). Es wird ein Wechselkursgewinn durch die Anlage im Ausland erwartet, der den geringeren ausländischen Zinssatz ausgleicht. Ist 0, so wird erwartet, dass der Euro aufgewertet wird, so dass aus der Anlage im Ausland ein Wechselkursverlust entsteht. Ist Gleichung (15.3’) erfüllt, so haben die Kapitalanleger keinen Anreiz, ihre Bestände an Finanzkapital zwischen den Ländern zu verändern. Aussage 15.2 (ungedeckte Zinsparität): Bei risikoneutralen Anlegern und internationaler Mobilität des Finanzkapitals entspricht die erwartete Abwertungsrate 2 Aus Gleichung (15.3) folgt 1 1 ∗ 1 oder ∗ ∗ ⋅ . Für kleine Werte von ∗ und kann der Term ∗ ⋅ vernachlässigt werden. <?page no="271"?> 15.2 Zinsparität 263 der heimischen Währung der Differenz zwischen dem inländischen und dem ausländischen Nominalzins. Tabelle 15.1: Zinsparität und Kapitalbewegungen ∗ ∗ 0,05 0,05 1,20 1,10 0,09 0,14 Anlage im Ausland 0,05 0,05 1,10 1,10 0,00 0,05 Gleichgewicht 0,05 0,05 1,00 1,10 -0,09 -0,04 Anlage im Inland 2. Zahlenbeispiel. Das Portfoliokalkül soll an einem weiteren Zahlenbeispiel verdeutlicht werden. Es wird wieder ein inländischer Zinssatz von 0,05 unterstellt; der ausländische Zinssatz sei nun ebenfalls 0,05. Der Tageskurs sei 1,10 [€/ $] und es werde ein Wechselkurs von 1,20 [€/ $] erwartet. Dies bedeutet, dass eine Abwertung des Euro - eine Aufwertung des Dollar - erwartet wird. Der Aufwertungsgewinn des Dollar 0 ist gegeben durch (1,20 - 1,10)/ 1,10, also 0,09. Die Rendite aus der Anlage in den USA liegt damit bei 0,05 + 0,09 = 0,14. Es lohnt sich, im Ausland anzulegen (Tabelle 15.1). Unterstellt man dagegen, dass bei sonst gleichen Bedingungen der erwartete Wechselkurs 1,10 ist und gerade dem Tageskurs entspricht, so liegt der Aufwertungsgewinn bei null. Bei gleicher Rendite im In- und Ausland kommt es nicht zu Kapitalbewegungen. Bei einem erwarteten Wechselkurs von 1,00 schließlich besteht eine Aufwertungserwartung zugunsten des Euro und eine Anlage im Ausland würde einen Abwertungsverlust mit sich bringen von (1,00 - 1,10)/ 1,10 = -0,09. In diesem Fall lohnt sich die Anlage im Inland. 3. Reale Zinsparität. Die Zinsparität lässt sich auch in Bezug auf die erwartete reale Verzinsung einer Kapitalanlage interpretieren. Für das Inland gilt, dass dieser Realzins gleich ist dem Nominalzins abzüglich der erwarteten Preissteigerungsrate , d.h. (Fisher-Gleichung). Für das Ausland gilt die analoge Gleichung ∗ ∗ ∗ . Für den Unterschied in den erwarteten realen Zinssätzen ergibt sich somit ∗ ∗ ∗ . (15.4) Aus der Definition des realen Wechselkurses (Abschnitt 14.2) folgt ∗ . Setzt man dies in Gleichung (15.4) ein und berücksichtigt man die Zinsparität ∗ , so gilt die reale Zinsparität ∗ . (15.5) Die reale Zinsparität ist dadurch gekennzeichnet, dass der erwartete reale Zins im Inland gleich dem erwarteten realen Zins im Ausland plus der erwarteten realen Abwertungsrate sein muss. <?page no="272"?> 264 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs 4. Reale Zinsparität und Kaufkraftparität. Gleichung (15.5) lässt sich mit der Kaufkraftparität kombinieren: Bei freier Handelbarkeit der Güter gilt für die erwartete Entwicklung der Preise ∗ . Damit ist 0, so dass gemäß Gleichung (15.5) der reale Zinssatz im In- und Ausland gleich hoch sein muss: ∗ . (15.6) Aussage 15.3: Wenn alle Güter international frei handelbar sind und zudem die ungedeckte Zinsparität herrscht, dann gleichen sich die realen Zinssätze international aus. 15.3 Überschießen des Wechselkurses 1. Zinsparität und Wechselkurs. Die Zinsparität beschreibt das Portfolio-Gleichgewicht auf dem Markt für Finanzkapital. Sie besagt, dass die Anleger eine Abwertung erwarten ( 0), wenn der inländische Zins höher ist als der ausländische ( ∗ ) und eine Aufwertung ( 0) im umgekehrten Fall ( ∗ ). Aus der Zinsparität lassen sich für einen gegebenen erwarteten Wechselkurs Aussagen über den Tageswechselkurs machen. Unterstellt man, dass der Zins im Ausland ∗ und auch der erwartete Wechselkurs gegeben sind, so gibt es für jeden inländischen Zinssatz genau einen Tageskurs, der das Gleichgewicht auf dem Finanzkapitalmarkt herstellt. In Tabelle 15.2 ist die Rendite einer Anlage im Ausland bei verschiedenen Tageskursen berechnet. Dabei wird für den Zinssatz im Ausland ∗ 0,05 und für den erwarteten Wechselkurs 1,10 [€/ $] angenommen Wir sehen, dass gemäß der Zinsparität ein positiver Zusammenhang besteht zwischen inländischem Zinssatz und aktuellem Wechselkurs. Wenn der Zinssatz im Inland unter den ausländischen Wert fällt, dann muss der aktuelle Wechselkurs über den erwarteten Wechselkurs ansteigen, damit die Zinsparität erfüllt bleibt. Tabelle 15.2: Zusammenhang zwischen Zinsen und Wechselkurs ∗ ∗ 0,07 0,05 1,10 1,08 -0,02 0,07 0,05 0,05 1,10 1,00 -0,00 0,05 0,03 0,05 1,10 1,12 -0,02 0,03 2. Überschießen. Durch eine Kombination des langfristigen monetären Gleichgewichts mit der Zinsparität lässt sich ein Überschießen des Wechselkurses vorhersagen (Dornbusch 1976). Nach dieser Hypothese passt sich der Wechselkurs im Zeitablauf nicht monoton an seinen langfristigen Gleichgewichtswert an, sondern kann kurzfristig über das Gleichgewicht hinausschießen. Ausgangspunkt <?page no="273"?> 15.3 Überschießen des Wechselkurses 265 sind die Annahmen, dass zum einen die Preisflexibilität und zum anderen die Kaufkraftparität nur in der langen Frist erfüllt sind. In der kurzen Frist sind die Preise hingegen starr und der Wechselkurs kann von der Kaufkraftparität abweichen. Aufgrund des kurzfristig rigiden Preises kann die Geldpolitik in der kurzen Frist das Zinsniveau beeinflussen, während sich Geldmengenänderungen in der langen Frist nur in den Preisniveaus der Länder niederschlagen. Ein weiteres zentrales Element des Ansatzes sind rationale Erwartungen der Anleger. Wenn die Marktteilnehmer alle verfügbaren Informationen einsetzen, um den zukünftigen Wechselkurs vorherzusagen und wenn sie die wahren Zusammenhänge kennen, die den Wechselkurs bestimmen, also das richtige ökonomische Modell haben, dann sprechen wir von rationalen Erwartungen. Nachfolgend werden der Zusammenhang zwischen kurzfristigem und langfristigem Gleichgewicht und der Mechanismus des Überschießens näher erläutert. 3. Geldmarkt. Das einfache monetäre Gleichgewicht geht von einem gegebenen Kassenhaltungskoeffizienten aus. Wenn den Haushalten Wertpapiere als Alternative der Geldanlage zur Verfügung stehen, dann kann die Geldnachfrage auch vom Zinssatz beeinflusst werden. Wenn der Zins steigt, dann erhöhen sich die Opportunitätskosten der Kassenhaltung, so dass die Haushalte weniger Geld und dafür mehr Wertpapiere nachfragen. Es besteht also eine negative Beziehung zwischen dem Zinssatz und der Höhe der Geldnachfrage. Zur vereinfachten Darstellung unterscheiden wir nicht mehr zwischen dem inländischen und dem ausländischen Exportgut und setzen den Relativpreis gleich eins. Die Geldnachfrage ist ⋅ ⋅ . Dabei bezeichnen das reale Einkommen (die Produktionsmenge) im Inland, das Preisniveau und den Kassenhaltungskoeffizienten, der nun vom Zinssatz abhängt, mit ⁄ 0. Das Geldmarktgleichgewicht ist im Inland dann gegeben durch ⋅ ⁄ . Analog gilt die Gleichgewichtsbedingung für den ausländischen Geldmarkt ∗ ⋅ ∗ ∗ / ∗ . 4. Langfristiges Gleichgewicht. In der langen Frist sind alle Preise flexibel und annahmegemäß ist die Kaufkraftparität erfüllt, so dass für den Wechselkurs gilt ∗ . (15.7) Die Gerade KKP in Schaubild 15.2 stellt diese langfristige Beziehung zwischen Wechselkurs und Preisniveaus dar. Wenn wir z.B. von einem Verhältnis der Preisniveaus entsprechend der Strecke ausgehen, dann ist der langfristige Wechselkurs durch gegeben. Die Preise und ∗ werden aus dem Geldmarktgleichgewicht bestimmt. Einsetzen ergibt ∗ ∗ ⋅ ∗ ⋅ ∗ . (15.8) <?page no="274"?> 266 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs Gleichung (15.8) bestimmt das Verhältnis der Preisniveaus in der langen Frist aus den Zinssätzen, den realen Einkommen und den Geldmengen. Die Produktionsmengen im In- und Ausland sind durch das Gütermarktgleichgewicht vorgegeben. Einsetzen von (15.8) in (15.7) ergibt dann den Wechselkurs. Aufgrund der Annahme rationaler Erwartungen antizipieren die Individuen, dass der Wechselkurs in der langen Frist durch die Gleichungen (15.7) und (15.8) bestimmt wird. Nun fügen wir zusätzlich zum Geldmarktgleichgewicht die Zinsparität in die Betrachtung ein. Wenn wir davon ausgehen, dass langfristig die Geldmengen im In- und Ausland, Zinssätze sowie die Produktionsmengen konstant leiben, dann ist auch der Wechselkurs gemäß den Gleichungen (15.7) und (15.8) konstant. Es bestehen somit keine Abwertungserwartungen, so dass gilt 0. Bei einer erwarteten Änderungsrate des Wechselkurses von null folgt aus der Zinsparität langfristig ∗ . Damit gilt ∗ und der Wechselkurs aus (15.7) und (15.8) entspricht der Gleichgewichtsbedingung (15.2) aus Abschnitt 15.1. Der langfristige Wechselkurs wird dann wieder ausschließlich durch Unterschiede in den exogenen Einkommen und den Geldmengen determiniert. 5. Kurzfristiges Gleichgewicht. In der kurzen Frist ist das Preisniveau hingegen starr. Auch wird angenommen, dass die Kaufkraftparität kurzfristig nicht erfüllt sein muss. Der Wechselkurs wird dann nicht durch Gleichung (15.7), sondern ausschließlich von der Zinsparität bestimmt. Gemäß Gleichung (15.3) kann diese geschrieben werden als 1 ∗ ⋅ 1 . (15.9) Für gegebene Wechselkurserwartungen in der langen Frist ( ) bestimmt die Zinsparität den kurzfristigen Wechselkurs aus den beiden Zinssätzen und ∗ . Die Zinssätze werden in der kurzen Frist wiederum aus den Gleichgewichtsbeziehungen auf dem in- und ausländischen Geldmarkt bestimmt. Aus Gleichung (15.8) ergibt sich somit eine Beziehung zwischen dem in- und ausländischen Zinssatz und den gegebenen Geldmengen, Output-Niveaus und Preisen. Steigt z.B. - ausgehend vom langfristigen Gleichgewicht in Schaubild 15.2 - das inländische Preisniveau, so führt das zu einem geringeren realen Geldangebot / im Inland, und der inländische Zinssatz muss steigen, damit auf dem inländischen Geldmarkt wieder ein Gleichgewicht hergestellt wird. Der inländische Zins ist dann höher als der ausländische. Diese Zinsunterschiede zwischen In- und Ausland sind mit der Zinsparität nur vereinbar, wenn die Anleger eine Abwertung der Inlandswährung erwarten. Bei gegebenem erwarteten langfristigen Wechselkurs folgt aus Gleichung (15.9), dass der Wechselkurs unter dem langfristigen Gleichgewichtsniveau liegen muss. Es gilt also in der kurzen Frist eine negative Beziehung zwischen Preisniveau und Wechselkurs, die durch <?page no="275"?> 15.3 Überschießen des Wechselkurses 267 die Zinsparität und das Geldmarktgleichgewicht hervorgerufen wird. Die Gerade in Schaubild 15.2 bildet diesen kurzfristigen, negativen Zusammenhang zwischen Preisniveau und Wechselkurs ab. Die Gerade schneidet die KKP-Gerade im Gleichgewichtswechselkurs . 6. Geldmengenänderung und Überschießen. Angenommen das Land befindet sich in dem langfristigen Gleichgewicht mit Wechselkurs . Wenn nun das Inland die Geldmenge dauerhaft erhöht, so wird dieses Gleichgewicht gestört. Langfristig steigt das inländische Preisniveau im Verhältnis zum ausländischen auf . Damit muss sich gemäß der Kaufkraftparität auch langfristig ein neuer Wechselkurs von einstellen. Die inländische Währung wertet demnach langfristig im Vergleich zum Ausgangspunkt ab. Kurzfristig jedoch können sich die Preise nicht an die erhöhte Nominalgeldmenge anpassen. Dann steigt im Inland die reale Geldmenge, so dass der Zinssatz sinkt. Die Zinsparität ist nur erfüllt, wenn die Anleger eine Aufwertung der inländischen Währung erwarten. Die Anleger haben rationale Erwartungen und sehen daher voraus, dass der Wechselkurs langfristig bei liegt. Eine Aufwertung ist dann nur möglich, wenn der Wechselkurs in der kurzen Frist über hinaus schießt. In Schaubild 15.2 steigt der Wechselkurs kurzfristig auf . Der Punkt liegt auf der Zinsparitäten-Gerade , die dem langfristigen erwarteten Wechselkurs entspricht. Ausgehend von dieser kurzfristigen Reaktion passt sich dann der Wechselkurs an das neue langfristige Niveau an; die Preisrelation steigt auf und der inländische Zinssatz sinkt wieder auf sein langfristiges Niveau zurück. O ZP 1 ZP 0 KKP w B A C D P/ P* E 7. Zeitprofil der Anpassung. Schaubild 15.3 zeigt das Zeitprofil der wichtigsten Größen. Ausgangspunkt ist der gleichgewichtige Wechselkurs . Eine inländische Geldmengenerhöhung bringt ein sofortiges Sinken des inländischen Zinssatzes und eine Abwertung der inländischen Währung mit sich. Der Wechselkurs schießt über und weicht damit von der Kaufkraftparität ab. Langfristig steigt im Inland das Preisniveau und der Wechselkurs geht zurück, so dass die Schaubild 15.2: Überschießen des Wechselkurses <?page no="276"?> 268 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs Kaufkraftparität sich wieder beim neuen Wechselkurs einstellt. Der Zinssatz steigt erneut auf sein langfristiges Gleichgewichtsniveau. Aussage 15.4: Eine Geldmengenänderung kann bei kurzfristig rigiden Preisen und rationalen Erwartungen zu einem Überschießen des Wechselkurses führen. M, P i w t t t M P i w 0 w 1 w Schaubild 15.3: Zeitprofil der Variablen bei einer monetären Störung 15.4 Spekulative Blasen 1. Optimales Portfolio. Ein optimales Portfolio für einen risikoneutralen Anleger ist dadurch gekennzeichnet, dass die erwarteten Renditen verschiedener Vermögensanlagen gleich hoch sind. Vermögensanlagen können dabei grundsätzlich alle Bestandsgrößen sein, ob dies nun ein physischer Kapitalstock, eine Immobilie, ein unbebautes Grundstück, ein Ressourcenlager, eine Aktie, eine Anleihe oder ein Geldbetrag in verschiedenen Währungen ist. 3 Die Rendite einer solchen Bestandsgröße ist gegeben durch die explizite Verzinsung (z.B. Nominalzins bei Anleihen, erwartete Dividendenzahlungen bei Aktien, erwartete Mieteinnahmen bei Immobilien) und durch die Preissteigerung der Bestandsgröße (Kursgewinn). Wenn beispielsweise den Kurswert einer langfristigen Anleihe und deren Zinssatz bezeichnet, die Dividende einer Aktie und deren Kurswert, 3 Einige Vermögensgegenstände, wie z.B. selbst genutzte Immobilien oder Kunstgegenstände, liefern dem Besitzer auch noch einen Konsumnutzen während der Anlagezeit. Dieser wird im Folgenden nicht betrachtet. <?page no="277"?> 15.4 Spekulative Blasen 269 die Mieteinnahmen aus einer Immobilie und deren Preis sowie den Preis für natürliche Ressourcen im Boden (wie ein Erdöllager), so gilt im inländischen Portfolio-Gleichgewicht ̂ ̂ / ̂ / ̂ . (15.10) Dabei kennzeichnet das hochgestellte wieder einen Erwartungswert und das „^“ eine Veränderungsrate. Handelt es sich um die Bewertung inländischer und ausländischer Vermögenswerte, so ist zusätzlich die Wechselkursänderung zu berücksichtigen. Beispielsweise verlangt das Portfolio-Gleichgewicht für Aktienanlagen im In- und Ausland, das gilt ̂ / ̂ ∗ ∗ / ∗ . (15.11) Die bereits behandelte Zinsparität (Abschnitt 15.1) ist ein weiteres Beispiel für ein solches internationales Portfolio-Gleichgewicht für Wertpapiere. Sie besagt, dass der Marktteilnehmer im Gleichgewicht indifferent ist zwischen einer inländischen oder ausländischen Kapitalanlage, wenn der inländische Zinssatz der Summe aus Auslandszins und erwarteter Abwertungsrate entspricht. 2. Erwartungen und Portfolio-Gleichgewicht. Das Portfolio-Gleichgewicht in Gleichung (15.10) wird gestört, wenn sich aktuelle und erwartete Werte verändern. Nehmen wir z.B. an, dass der Zinssatz einer bestimmten Anleihe steigt; dann steigt die Nachfrage nach dieser Anleihe und damit ihr aktueller Kurswert. Bei unveränderten Erwartungen über den zukünftigen Kurswert geht die erwartete Preissteigerungsrate ̂ zurück, bis wieder die Bedingung für das Portfolio- Gleichgewicht erfüllt ist. Es ist aber auch denkbar, dass sich Erwartungen über zukünftige Entwicklungen eigenständig verändern. Wenn die Marktteilnehmer z.B. einen höheren zukünftigen Preis für Grundstücke erwarten, dann steigt die Nachfrage nach Grundstücken und damit der aktuelle Preis, bis die erwartete Preissteigerungsrate wieder der Bedingung für das Portfolio-Gleichgewicht entspricht. Die gestiegene Erwartung über den zukünftigen Preis treibt somit den aktuellen Preis in die Höhe. Die erwartungsbedingte Preissteigerung kann sich in der Zukunft fortsetzen, wenn dann wiederum ein noch höherer Preis für die weitere Zukunft erwartet wird. Einen solchen Prozess, in dem sich der Preis einer Vermögensanlage durch Erwartungen getrieben immer weiter von seinem fundamentalen Wert entfernt, nennt man eine spekulative Blase („bubble“). 3. Beispiele für spekulative Blasen. Es ist zu erwarten, dass sich eine spekulative Blase bevorzugt dann bildet, wenn eine neue Nachricht das Ausgangsgleichgewicht in Unordnung bringt, beispielsweise die Prognose, dass die Nachfrage nach einem bestimmten Rohstoff in den nächsten Jahren stark zunehmen wird. Dann ändern sich die Erwartungen über die zukünftige Entwicklung der Preise dieses Rohstoffs, wodurch sich eine Blase in Gang setzen kann. Historische Er- <?page no="278"?> 270 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs eignisse ungewöhnlicher Preisentwicklungen sind die „Mississippi-Bubble“, die „South Sea Bubble“ und die „Tulpenkrise“. In der Tulpenkrise stieg der Preis von Tulpenzwiebeln in den Niederlanden im Zeitraum 1634-1637 exorbitant an. 4 Eine Tulpenzwiebel, die sich besonderer Wertschätzung erfreute, erzielte einen Preis, der dem eines Hauses entsprach. Schließlich kollabierten die Preise. 5 Beispiele aus der jüngeren Geschichte sind der japanische Immobilienboom Ende der 1980er Jahre und die Entwicklung der Internet- und Technologieaktien in den 1990er Jahren. Schaubild 15.4 illustriert den Verlauf des Nasdaq-Index seit 1989. Wir sehen den steilen Anstieg in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre, wo sich der Index von unter 500 Punkten im Juni 1995 auf über 4500 Punkte im März 2000 etwa verneunfachte. Im Verlauf des Jahres 2000 platzte dann die Blase und der Index erlebte eine Talfahrt auf vorübergehend wieder unter 1500 Punkte. 0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000 3.500 4.000 4.500 5.000 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 Schaubild 15.4: Entwicklung des Nasdaq-Index 1990-2013 Quelle: http: / / finance.yahoo.com/ 4 Die Mississippi Bubble bezieht sich auf die Entwicklung des Aktienkurses der Mississippi Company, welche Anfang des 18. Jahrhunderts ein Monopol im Handel mit den französischen Kolonien in Nordamerika besaß. Die Hoffnung auf hohe Handelsgewinne dort löste eine beispiellose Spekulationswelle in Frankreich aus, die den Kurs der Aktie vorübergehend in die Höhe schnellen ließ, bevor er dann zusammenbrach und enorme Spekulationsverluste hinterließ. Ein ähnliches Schicksal erlebten etwa zu der gleichen Zeit Investoren der South Sea Company in England. 5 Ob es sich bei diesen berühmten historischen Beispielen tatsächlich um „bubbles“ gehandelt hat, ist jedoch in der Literatur umstritten (Garber 1989, 1990). <?page no="279"?> 15.4 Spekulative Blasen 271 3. Zahlenbeispiel. Ein einfaches Zahlenbeispiel zeigt, wie sich eine spekulative Blase entwickeln kann. Gehen wir z.B. von einer Aktie aus, bei der die Anleger eine konstante Dividende von 10 Euro pro Periode erwarten. Der Barwert aus den erwarteten Dividendenzahlungen der Aktie bestimmt dann ihren fundamentalen Wert ̅ : ̅ 1 1 1 ⋯. Bei einem unendlichen Zeithorizont kann der fundamentale Wert dieser Aktie mit der Barwertformel für eine ewige Rente als ̅ / berechnet werden. Bei einem Zinssatz von 0,1 ergibt sich z.B. ̅ 10/ 0,1 100. Wenn die Marktteilnehmer jedoch erwarten, dass der Kurs der Aktie über diesen fundamentalen Wert steigt, dann bildet sich aus dem Portfolio-Gleichgewicht auch ein höherer Aktienkurs. Nach Gleichung (15.10) muss für den gleichgewichtigen Aktienkurs gelten ̂ / . Auflösen nach dem Aktienkurs in Periode ergibt / 1 . Wenn für die oben beschriebene Aktie beispielsweise bei einem Zinssatz von 0,1 ein Aktienkurs von 150 erwartet wird, so muss der aktuelle Aktienkurs im Gleichgewicht 150 10 / 1,1 145,5 betragen. Damit der Aktienkurs dann aber auch tatsächlich auf 150 steigt, muss ein noch höherer Kurs für Periode 2 erwartet werden usw. (Tabelle 15.3). Der Kurs bewegt sich also immer weiter von seinem fundamentalen Wert weg. Dieser spekulative Preispfad wird ausschließlich von den Erwartungen über den zukünftigen Kurs getrieben, die sich im Nachhinein bestätigen. Tabelle 15.3: Beispiel für eine spekulative Blase Zeitpunkt Aktienkurs Erwarteter Kurs für t + 1 Dividendenrendite in % Kursrendite in % 0 145,5 150,0 6,9 3,1 1 150,0 155,0 6,7 3,3 2 155,0 160,5 6,5 3,5 3 160,5 166,5 6,2 3,8 4 166,5 173,2 6,0 4,0 <?page no="280"?> 272 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs 4. Ein Modell spekulativer Währungsblasen. Wie wir gesehen haben, können sich spekulative Blasen im Prinzip auf alle Vermögensanlagen oder Bestandsgrößen beziehen, unabhängig davon, ob dies nun Immobilien, natürliche Rohstoffe oder Aktien sind. In einer offenen Volkswirtschaft haben solche Blasen, wie eine spekulative Blase am Aktienmarkt auch, Auswirkungen auf die Wechselkurse, denn sie attrahieren Portfoliokapital aus dem Ausland. Auch ein Immobilienboom lockt Kapital aus dem Ausland an (z.B. in Thailand vor der Währungskrise 1997) und wirkt sich damit auf die Wechselkurse aus. Im Folgenden beschreiben wir den Modellansatz für eine solche spekulative Währungsblase (vgl. Blanchard 1979). Hierfür gehen wir aus von der approximierten ungedeckten Zinsparität aus Gleichung (15.3’), die wir wie folgt schreiben: ∗ . (15.3’’) In Abschnitt 15.3 haben wir angenommen, dass der erwartete Wechselkurs dem langfristigen Gleichgewichtskurs entspricht, der sich wiederum aus dem Verhältnis der Geldmengen bildet. Dieser Wechselkurs sei der fundamentale Wechselkurs . Es gibt jedoch keinen Automatismus, der sicherstellt, dass sich dieser langfristige Gleichgewichtskurs auch tatsächlich einstellt. Wenn die Anleger einen anderen Wechselkurs erwarten, so kann sich eine spekulative Währungsblase bilden, die von diesem fundamentalen Kurs wegführt. Kasten 15.1: Die Währungskrise in Brasilien Eine größere Währungskrise fand Anfang 1999 in Brasilien statt. Brasilien verzeichnete in den achtziger und neunziger Jahren eine starke Inflation, die mit einer nominalen Abwertung einherging. Als Reaktion darauf wurde in 1993 ein Stabilisierungsplan beschlossen, in dessen Rahmen u.a. eine neue Währung, der Real, im Juli 1994 eingeführt wurde. Der Real sollte gegenüber dem Dollar kontrolliert abwerten („crawling peg“), dennoch galt er als nominal überbewertet. So verzeichnete Brasilien ein deutliches Leistungsbilanzdefizit, das durch kurzfristige Kapitalzuströme finanziert wurde. Als der Kapitalzustrom ausblieb und eine Kapitalflucht einsetzte („currency run“), musste im Januar 1999 der Real drastisch um etwa 50 Prozent abgewertet werden (Schaubild 15.K.1) - und dies trotz eines umfangreichen internationalen Hilfspakets von 40 Mrd. US-Dollar unter Führung des Internationalen Währungsfonds. Nach der Krise in 1999 kam es zu weiteren Abwertungen des Reals; erst in 2003 konnte er sich stabilisieren. Im Gefolge der Abwertungen verbesserte sich das Leistungsbilanzdefizit (Schaubild 15.K.1). <?page no="281"?> 15.4 Spekulative Blasen 273 -6 -5 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 Leistungsbilandsaldo Brasiliens (in Prozent des BIP) Nominaler Wechselkurs Real/ Dollar 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Schaubild 15.K.1: Nominaler Wechselkurs Real/ Dollar sowie Leistungsbilanzsaldo Brasiliens in Prozent des BIP Quelle: IMF, International Financial Statistics; eigene Berechnungen. 5. Spekulative Währungsblasen. Um die Entwicklung einer Währungsblase darzustellen, wird für den erwarteten Wechselkurs nun die folgende Hypothese eingeführt: Mit der Wahrscheinlichkeit entspricht er dem fundamentalen Wechselkurs und mit der Wahrscheinlichkeit 1 dem Bubble-Kurs . Wir lassen also in jeder Periode zu, dass die Blase mit der Wahrscheinlichkeit platzt. Damit gilt für den erwarteten Wechselkurs ⋅ 1 ⋅ , (15.12) mit 0 1. Setzt man (15.12) in die Bedingung für die Zinsparität (15.3’’) ein, so ergibt sich mit ⋅ 1 ⋅ ∗ oder 1 1 ⋅ ∗ 1 ⋅ . (15.13) z <?page no="282"?> 274 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs Gleichung (15.13) zeigt, wie sich der Wechselkurs auf einem Bubble-Pfad entwickelt. Wir sehen, dass die Abwertungsrate in einer Bubble zum einen von der Zinsdifferenz ∗ und zum anderen von der relativen Abweichung des aktuellen Wechselkurses vom fundamentalen Kurs bestimmt wird. Die Wahrscheinlichkeit gibt die Bedeutung dieser beiden Einflussgrößen an. Geht gegen null, d.h., rechnen die Marktteilnehmer nicht damit, dass sich der Wechselkurs an den Fundamentalfaktoren orientiert, so tendiert der zweite Ausdruck in Gleichung (15.13) gegen null. Der erste Ausdruck gewinnt ein dominierendes Gewicht und die Abwertungsrate der Währung wird ausschließlich von der Zinsdifferenz bestimmt. Ansonsten hat die am Markt bereits bestehende Fehlbewertung der Währung ebenfalls einen Einfluss auf die zukünftige Abwertungsrate. Je höher die bereits bestehende Unterbewertung / ist, umso größer muss die zukünftige Abwertungsrate sein, um den Investor für das mögliche Platzen der Blase zu entschädigen. Eine Beziehung zwischen den Zinssätzen und dem aktuellen Wechselkurs entlang der Bubble lässt sich aus dem Güter- und Geldmarktgleichgewicht von Abschnitt 15.3 ableiten, wenn wir zusätzlich zu jedem Zeitpunkt Preisflexibilität und die Gültigkeit der Kaufkraftparität unterstellen. 6 Einsetzen von ∗ ⁄ in Gleichung (15.8) ergibt den folgenden Zusammenhang: ∗ ⋅ ∗ ⋅ ⋅ ∗ . (15.14) Der fundamentale Wechselkurs ist der Wechselkurs, der sich mit ∗ aus Gleichung (15.14) ergibt. Für ∗ folgt aufgrund der negativen Zinsabhängigkeit der Geldnachfrage aus Gleichung (15.14) . Der Wechselkurs ist dann, verglichen mit seinem fundamentalen Kurs, unterbewertet. Das folgt aus dem Geldmarktgleichgewicht. Ein hoher Zinssatz senkt die Geldnachfrage, womit auch das Preisniveau zurückgehen muss, um ein Gleichgewicht am Geldmarkt wieder herzustellen. Mit sinkendem Preisniveau ergibt sich gemäß Kaufkraftparität eine Abwertung. Umgekehrt folgt für ∗ . Es besteht also eine positive Beziehung zwischen der Zinsdifferenz und der Abweichung des tatsächlichen Wechselkurses vom fundamentalen Wechselkurs. Zur Vereinfachung gehen wir von einem linearen Zusammenhang aus zwischen der Rate der Abweichung und der Zinsdifferenz: ⋅ ∗ ⁄ , mit 0. Einsetzen in (15.13) und Umformen ergibt dann 1 ⋅ 1 ⋅ 1 ⋅ ⋅ 1 ⋅ . (15.15) 6 Hierin unterscheidet sich das Modell von dem Ansatz des Überschießens aus Abschnitt 15.3, wo die Preise kurzfristig fix sind und Kaufkraftparität nur in der langen Frist erfüllt sein muss. <?page no="283"?> 15.4 Spekulative Blasen 275 Schaubild 15.5 stellt den Zeitpfad der Währungs-Bubble grafisch dar. Wenn wir von einer anfänglichen Unterbewertung ausgehen, dann wertet der Wechselkurs entlang der Bubble im Zeitablauf immer stärker ab und entfernt sich somit immer weiter von seinem fundamentalen Wert. Diese Blase kann allerdings in jeder Periode mit der Wahrscheinlichkeit platzen, so dass der Wechselkurs dann auf den fundamentalen Wert zurückfällt. w B 0 t +1 45° w w w 0 w (w ) B B t +1 t w B t Kasten 15.2: Der Kampf der Fundamentalisten und der Chartisten Ein pragmatischer Ansatz zur Erklärung der Wechselkursentwicklung greift auf Verhaltensweisen zweier unterschiedlicher Gruppen von Akteuren zurück, die am Devisenmarkt tätig sind. Die Fundamentalisten orientieren sich an den Fundamentaldaten, insbesondere an der Kaufkraftparität, und sind langfristig ausgerichtet. Diesen Erwartungen entsprechend engagieren sie sich am Devisenmarkt, und kaufen beispielsweise Dollar, wenn sie langfristig eine Aufwertung des Dollar erwarten. Die Chartisten dagegen sind kurzfristig orientiert und richten ihre Erwartungen an einem Trend aus, der aus der Vergangenheit extrapoliert wird. Besteht etwa aktuell eine Abwertungstendenz des Dollar, so folgen die Chartisten dieser Tendenz und verschärfen sie. Sie können dazu beitragen, dass der Wechselkurs sich von seinem langfristigen Trend entfernt. Die Marktteilnehmer folgen also unterschiedlichen Vorstellungen von der Wechselkursentwicklung in der Realität. Damit wird die Prämisse rationaler Erwartungen aufgegeben, nach der die Marktteilnehmer das „richtige Modell“ kennen. Schaubild 15.5: Zeitpfad einer Wechselkurs-Bubble <?page no="284"?> 276 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs Für die Erwartung des Marktes zur Wechselkursentwicklung können wir nun annehmen, dass sie sich aus den aggregierten Erwartungen von Fundamentalisten und Chartisten zusammensetzt. Kommt es zu einer Störung am Devisenmarkt und setzt ein Prozess einer Währungsabwertung ein, so erzielen die Chartisten höhere Gewinne als die Fundamentalisten. Die Methode der Chartisten erweist sich somit kurzfristig als erfolgreicher, so dass sich der Markt dann stärker an deren Prognose ausrichtet. Das Gewicht der Chartisten bei der Wechselkurserwartung steigt an. Damit verstärkt sich die Abweichung vom fundamentalen Wert und eine Währungs-Bubble kann entstehen (Frankel und Froot 1990). 6. Beurteilung. Der hier dargestellte Ansatz der Bubble erklärt nicht, wie eine Blase überhaupt entsteht. Auch die Wahrscheinlichkeit , dass eine Blase platzt, wird exogen vorgegeben. Der einfache Ansatz unterstellt, dass diese Wahrscheinlichkeit konstant ist und nicht etwa ansteigt, etwa wenn die Abweichung vom fundamentalen Wechselkurs größer und größer wird. Auch ist in diesem Modell kein intertemporaler Fixpunkt enthalten - beispielsweise ein endlicher maximaler Wechselkurs, der nicht überschritten werden kann. Gibt es einen solchen Fixpunkt, so dass die Blase nicht über einen bestimmten Wert hinauswachsen kann, dann antizipieren ihn rationale Marktteilnehmer. Wenn die Anleger voraussehen, dass der Fixpunkt beispielsweise zum Zeitpunkt erreicht wird, dann werden sie sich in 1 nicht mehr an der Spekulation beteiligen, d.h., auch in 1 wird der Wechselkurs den fundamentalen Wert nicht überschreiten. Entsprechend würden die Marktteilnehmer auch in 2 davon ausgehen, dass in 1 erwartet wird, dass die Blase in platzt. Diese Argumentationskette setzt sich bis zum ersten Zeitpunkt fort und eine Blase kann gar nicht erst entstehen (siehe Obstfeld und Rogoff 1996, Anhang 2B). 15.5 Makroökonomisches Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung 1. Ausgangspunkt. In diesem Abschnitt geben wir die Annahme der Vollbeschäftigung auf. Unter diesen Bedingungen kann Geldpolitik zumindest kurzfristige Impulse auf die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung haben. Wie sich in einem solchen Rahmen die Preise und der Wechselkurs entwickeln, wird nachfolgend in einem Ansatz der Neuen Keynesianischen Makroökonomik untersucht. 7 Ar- 7 Die Neue Keynesianische Makroökonomik analysiert die Wirkungsweise einer nachfrageorientierten („Keynesianischen“) Geld- und Fiskalpolitik auf der Grundlage mikroökonomisch fundierter intertemporaler Modellansätze, bei denen Marktunvollkommenheiten und Preisrigiditäten zu Unterbeschäftigung führen können. Die Literatur, die sich dabei mit außenwirtschaftlichen Fragestellungen befasst, wird auch als „New Open Economy Macroeconomics“ (NOEM) bezeichnet. Die grundlegende Arbeit in diesem Bereich stammt von Obstfeld und Rogoff (1995). <?page no="285"?> 15.5 Makroökonomisches Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung 277 gumentationsrahmen ist eine vereinfachte Variante eines Modells von Corsetti und Pesenti (2009). Dabei verzichten wir auf eine getreue Darstellung der (z.T. sehr aufwändigen) Herleitung der einzelnen Modellgleichungen, sondern stellen nur die wesentlichen Grundelemente dar, die zum Verständnis der ökonomischen Zusammenhänge erforderlich sind. Zunächst wird dabei von einem geschlossenen Land ausgegangen, bevor der Ansatz dann in ein Weltmarktgleichgewicht mit 2 offenen Ländern übertragen wird. 2. Langfristiges Gleichgewicht im geschlossenen Land. Wie in dem vorangehenden Abschnitt unterscheiden wir zwischen einer langfristigen und einer kurzfristigen Perspektive. Langfristig sind die Güterpreise vollkommen flexibel, während kurzfristig Preisrigiditäten vorliegen, die eine vollständige Anpassung verhindern. Um die Preissetzung in der langen Frist bei flexiblen Güterpreisen darzustellen, wird auf dem Gütermarkt monopolistische Konkurrenz gemäß dem Neo- Chamberlin-Ansatz unterstellt (vgl. Abschnitt 7.3). Das Güterangebot besteht dann aus einer Vielzahl von differenzierten Produktvarianten, wobei sich jedes Unternehmen jeweils auf eine eigene Variante spezialisiert. Im Neo-Chamberlin- Modell setzen die gewinnmaximierenden Unternehmen den Preis gemäß der folgenden Formel fest (Abschnitt 7.3): 1 ⋅ ⋅ . (15.16) In Gleichung (15.16) kennzeichnen 1 die Preiselastizität der Nachfrage und den Arbeitskoeffizienten. Gemäß Gleichung (15.16) ist der Absatzpreis höher als die Grenzkosten ⋅ , wobei die Höhe des Preisaufschlags abhängig von der Preiselastizität der Nachfrage ist. Im Unterschied zum Krugman-Handelsmodell in Abschnitt 7.3 wird diese Preiselastizität im Folgenden als konstant und unabhängig vom Konsumniveau unterstellt. 8 Die Nachfrageelastizität ist für alle Gütervarianten gleich hoch. Gemäß Gleichung (15.16) verlangen alle Anbieter den gleichen Produktpreis, der dann auch den Preisindex bestimmt. Zur weiteren Vereinfachung setzen wir auch den Arbeitskoeffizienten in Gleichung (15.16) gleich eins ( 1). Zudem werden Fixkosten der Produktion in diesem Ansatz vernachlässigt, so dass sich für die gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion der einfache Zusammenhang ergibt, mit als gesamtwirtschaftlichem Beschäftigungsniveau. 9 8 Das ist der Fall, wenn von einer bestimmten Form der Nutzenfunktion ausgegangen wird (siehe Anhang 7.A.1). 9 Wenn keine Fixkosten vorliegen, muss die Annahme des freien Marktzutritts aus Abschnitt 7.3 fallengelassen werden, da die Unternehmen dann immer Gewinne machen, solange der gleichgewichtige Preis oberhalb der Grenzkosten liegt. <?page no="286"?> 278 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs Für den Reallohn lässt sich aus Gleichung (15.16) mit der folgende Ausdruck ableiten: 1 , mit 1 1 . (15.17) Der Reallohn ist gemäß Gleichung (15.17) geringer als er im Gleichgewicht bei vollständiger Konkurrenz wäre (dort würde er der auf 1 normierten Arbeitsproduktivität entsprechen). Ursache hierfür ist der höhere Preis, den die Unternehmen bei monopolistischer Konkurrenz für ihre Güter verlangen. Im Unterschied zu den bisherigen Ansätzen gehen wir nun nicht mehr von Vollbeschäftigung und einer gegebenen Arbeitsausstattung aus. Stattdessen wird die Beschäftigung im langfristigen Gleichgewicht aus dem Angebot und der Nachfrage nach Arbeit bestimmt. Für das Arbeitsangebot unterstellen wir eine positive Beziehung zwischen Reallohn und Beschäftigung. Mit steigendem Reallohn arbeiten die Haushalte mehr. Ebenso steigt der Güterkonsum an, wenn der Reallohn zunimmt. Der Zusammenhang zwischen Konsum und Reallohn lässt sich beispielsweise wie folgt konkretisieren (für eine Herleitung aus dem Nutzenmaximierungskalkül der Haushalte siehe Anhang 15.A): ⋅ . (15.18) Dabei bezeichnet ⁄ den Reallohn und ist eine positive Konstante, die angibt, wie stark der Konsum mit zunehmendem Reallohn ansteigt. Die gleichgewichtige Beschäftigungshöhe und der gesamtwirtschaftliche Konsum ergeben sich, wenn der Reallohn aus (15.17) in (15.18) eingesetzt wird und die Bedingung für das Gütermarktgleichgewicht im geschlossenen Land sowie die Produktionsfunktion berücksichtigt werden: . (15.19) Schaubild 15.6 stellt das Gleichgewicht im geschlossenen Land grafisch dar. Die steigende Gerade ist die Arbeitsmarktbeziehung (15.18) mit und die Horizontale gibt den Reallohn gemäß Gleichung (15.17) an. Der Schnittpunkt S bestimmt dann das gleichgewichtige Niveau der Beschäftigung (Strecke OA). Der unvollständige Wettbewerb auf dem Gütermarkt spiegelt sich diesem Ansatz zufolge auch auf dem Arbeitsmarkt wider. Da die Unternehmen einen Preisaufschlag auf die variablen Kosten pro Stück erheben, ist der Reallohn geringer als im Fall der vollständigen Konkurrenz (wo gelten würde 1 bzw. ⁄ 1). Damit ist auch die Beschäftigung geringer als bei vollständiger Konkurrenz (Strecke OA’). Man kann die Differenz zwischen A und A’ als natürliche Arbeitslosigkeit bezeichnen, da sie nicht konjunkturabhängig ist, sondern sich langfristig aus dem unvollkommenen Wettbewerb auf dem Gütermarkt ergibt. <?page no="287"?> 15.5 Makroökonomisches Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung 279 l/ P A S A A' l/ P =1 O l/ P = 1/ μ Für das Geldmarktgleichgewicht nehmen wir die folgende Beziehung zwischen Konsumausgaben und der Geldpolitik an: ⋅ . (15.20) Diese Beziehung ähnelt dem Geldmarktgleichgewicht aus Abschnitt 15.1 mit einem Kassenhaltungskoeffizienten von 1. Die Variable ist im Ansatz von Corsetti und Pesenti (2009) allerdings nicht direkt als Geldmenge zu interpretieren, sondern sie ist eine geldpolitische Aggregatvariable, die sich aus den laufenden und den für die Zukunft zu erwartenden Zinssätzen zusammensetzt. 10 Wir können einen Anstieg von dennoch analog zu einer Geldmengensteigerung als expansiven geldpolitischen Impuls interpretieren. Bei gegebenem Konsumniveau und flexiblen Güterpreisen bestimmt Gleichung (15.20) das gleichgewichtige Preisniveau. Eine expansive Geldpolitik wirkt sich demnach langfristig nur auf das Preisniveau aus und hat keine realen Effekte. Die Beschäftigung und das Konsumniveau der Ökonomie sind durch das Arbeitsmarktgleichgewicht vorgegeben. Insofern gilt hier auch die Aussage der Quantitätstheorie, nach der Geldpolitik - zumindest in der langen Frist - neutral ist in Bezug auf Einkommen und Beschäftigung. 2. Kurzfristig rigide Preise. Ausgehend von der langfristigen Gleichgewichtssituation lässt sich analysieren, wie eine Änderung der Geldpolitik die Beschäftigung und den Konsum in der kurzen Frist bei rigiden Güterpreisen beeinflusst. Aus dem Geldmarktgleichgewicht (15.20) folgt, dass eine geldpolitische Lockerung (ein Anstieg von ) bei gegebenem Preisniveau das Konsumniveau erhöht. 10 Hinter der Beziehung (15.20) steht die Modellierung eines intertemporalen Gleichgewichts auf dem Geld- und Wertpapiermarkt mit vorausschauenden Marktteilnehmern. Die Haushalte bestimmen ihre Geldnachfrage aus einem Optimierungsansatz, in dem die gehaltene Geldmenge als eigenes Argument in die Nutzenfunktion eingeführt wird. Schaubild 15.6: Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt <?page no="288"?> 280 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs Wenn um die konstante Rate ansteigt, dann erhöht sich kurzfristig (solange 0 gilt) das Konsumniveau um die gleiche Rate: . Wegen folgt daraus, dass damit auch die Beschäftigung im geschlossenen Land kurzfristig ansteigt. Verantwortlich für diese Reaktionen ist ein Nachfrageeffekt: Eine geldpolitische Expansion erhöht die gewünschte Konsummenge der Haushalte und damit die gesamtwirtschaftliche Konsumnachfrage. Um diese Nachfrage zu befriedigen, müssen die Unternehmen mehr produzieren, wodurch die Beschäftigung über das langfristige Gleichgewichtsniveau hinaus ansteigt (eine Preiserhöhung als Reaktion auf den Nachfrageanstieg fällt annahmegemäß in der kurzen Frist aus). 3. Wechselkurs im offenen Land. Wir gehen nun aus von zwei völlig symmetrischen Ländern, die miteinander handeln können. Das Inland produziert inländische Gütervarianten, das Ausland produziert ausländische Gütervarianten; beide Länder konsumieren Varianten aus dem In- und Ausland. Es wird angenommen, dass die Haushalte beider Länder jeweils den gleichen Anteil ihres Einkommens für Güter aus dem In- und Ausland verwenden. 11 Der Arbeitskoeffizient ist in beiden Ländern gleich hoch und wird wieder auf 1 normiert. Das langfristige Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt ändert sich dann nicht gegenüber dem geschlossenen Land. In beiden Ländern wird der Reallohn durch Gleichung (15.17) bestimmt und daraus bestimmt sich die Beschäftigung gemäß Gleichung (15.19). Das Handelsgleichgewicht verlangt, dass der Handel in beiden Ländern in jeder Periode ausgeglichen ist. Es werden also keine internationalen Investitionen zugelassen. Der Wert der Importe des Inlands muss demnach dem Wert der Importe des Auslands entsprechen: ⋅ ⋅ ∗ ⋅ ∗ , mit als Preisindex und als aggregierter Menge der Importe. Die Haushalte geben jeweils die Hälfte ihrer Konsumausgaben für Importe aus und die andere Hälfte für heimische Güter, so dass gilt ⋅ 0,5 ⋅ ⋅ . Einsetzen in die Bedingung für das Handelsgleichgewicht ergibt, dass der nominale Wechselkurs gerade dem Verhältnis der Konsumausgaben im In- und Ausland entspricht: ⋅ ∗ ⋅ ∗ ⁄ . Zusammen mit der Gleichgewichtsbedingung für den Geldmarkt (15.20), die weiterhin in beiden Ländern erfüllt sein muss, ergibt sich die folgende Beziehung für den nominalen Wechselkurs: ∗ . (15.21) Eine einseitige monetäre Expansion im Inland führt dann in der kurzen und in der langen Frist zu einer nominalen Abwertung. 11 Das ergibt sich aus der Annahme einer symmetrischen Cobb-Douglas-Nutzenfunktion, die sich aus heimischen und importierten Gütern zusammensetzt (siehe Anhang 15.A). <?page no="289"?> 15.5 Makroökonomisches Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung 281 4. Preisrigiditäten im offenen Land. Kurzfristig haben wir es, wie im geschlossenen Land, mit starren Preisen zu tun. Dabei macht es in einem offenen Land jedoch einen Unterschied, ob auf der Ebene der Produzentenpreise oder der Konsumentenpreise Rigiditäten vorliegen. Im ersten Fall können wir uns vorstellen, dass die Produzentenpreise in heimischer Währung starr sind. Die Produzenten kalkulieren dann mit dem Preis in ihrer heimischen Währung, den sie kurzfristig nicht anpassen („Producer Currency Pricing“, PCP). Ein starrer Produzentenpreis bedeutet aber nicht, dass auch der Preis aus Sicht der Konsumenten unflexibel ist. Stattdessen werden bei starren Produzentenpreisen Änderungen des nominalen Wechselkurses vollständig an die Konsumenten der Importgüter weitergegeben („Exchange Rate Pass Through“). Der Konsument im Importland trägt somit sämtliche Wechselkursrisiken. Eine nominale Abwertung erhöht dann die Importpreise bei gegebenen Exportpreisen. Zum anderen ist es aber auch vorstellbar, dass die Produzenten das Wechselkursrisiko tragen und in der Währung des Abnehmerlandes fakturieren („Local Currency Pricing“, LCP). In dieser Konstellation fangen die Produzenten mit einer Anpassung ihrer Preise alle Änderungen des nominalen Wechselkurses auf und der Konsumentenpreis der Importe ist rigide. Eine Abwertung der heimischen Währung hat dann eine andere Wirkung auf die Preise als bei PCP: Wenn der nominale Wechselkurs steigt, dann erhöhen sich die Produzentenpreise für die Exportgüter, während die Konsumentenpreise für die Importgüter konstant bleiben. Welches dieser beiden vereinfachenden Extremszenarien die Realität besser beschreibt, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Einer Umfrage zufolge gibt es beispielsweise unter den deutschen Exporteuren sowohl Unternehmen, die in heimischer Währung rechnen als auch Exporteure, die sich an den Preisen in ausländischer Währung orientieren (Fendel et al. 2008). 5. Kurzfristige Wirkungen von Geldpolitik. Während Geld langfristig, wie im geschlossenen Land, wieder neutral ist, kann die Geldpolitik eines Landes kurzfristig den Konsum, die Beschäftigung sowie die Konsumenten- und Produzentenpreise beeinflussen. Dabei überträgt sich die nationale Geldpolitik auch auf das Ausland (für eine formale Darstellung siehe Anhang 15.A). Falls das Inland um die Rate erhöht, während das Ausland ∗ unverändert lässt, so folgt daraus wegen ∗ ⁄ bzw. zunächst unmittelbar eine nominale Abwertung der inländischen Währung. Die weiteren Wirkungen sind davon abhängig, ob man sich im PCP- oder LCP-Szenario befindet. Bei PCP steigen mit der nominalen Abwertung die Preise der Importgüter aus Sicht der inländischen Konsumenten. Daraus folgt, dass der inländische Konsumentenpreisindex ebenfalls steigt. Da die inländischen Preise der nicht-importierten Güter unverändert bleiben, steigt der Preisindex nicht so stark an wie , d.h., . <?page no="290"?> 282 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs Damit folgt aus der Gleichgewichtsbedingung auf dem Geldmarkt ( ), dass sich die inländische Konsumnachfrage ebenfalls erhöht ( 0). Im Ausland sinkt der Konsumentenpreisindex, da die Importgüter aus Sicht der ausländischen Konsumenten günstiger geworden sind ( ∗ 0). Aus der Bedingung für das Geldmarktgleichgewicht im Ausland folgt dann ∗ ∗ 0 . Eine expansive Geldpolitik im Inland strahlt demnach positiv ins Ausland aus und erhöht dort ebenfalls den Konsum. Zusätzlich verlagert sich in beiden Ländern durch die Preisänderungen die Nachfrage auf Güter des Inlands. Als Konsequenz steigen Produktion und Beschäftigung im Inland stärker an als der Konsum, während im Ausland Produktion und Beschäftigung unverändert bleiben. Ein gänzlich anderes Bild der Auswirkungen auf das Ausland ergibt sich für den LCP-Fall. In diesem Szenario bleiben die Konsumentenpreisniveaus und ∗ unverändert. Dann hat eine expansive Geldpolitik im Inland keine Auswirkungen auf das ausländische Konsumniveau ∗ , während der inländische Konsum proportional zu ansteigt ( ). Die Struktur der Nachfrage bleibt unverändert, so dass die höhere Konsummenge im Inland sowohl die Nachfrage nach Inlandsals auch nach Auslandsgütern steigen lässt. Damit steigen im In- und Ausland Produktion und Beschäftigung (im Inland allerdings weniger stark als im PCP-Szenario). 15.6 Devisenterminmarkt 1. Eigenschaften. Der Devisenkassamarkt ist dadurch gekennzeichnet, dass Devisen zu einem gegebenen Zeitpunkt nachgefragt und angeboten werden und die Transaktionen sich zu diesem Zeitpunkt vollziehen. Der Devisenterminmarkt bezieht sich dagegen auf heute eingegangene Verpflichtungen, zu einem bestimmten Preis Devisen zu einem späteren Zeitpunkt bereitzustellen oder abzunehmen. Die Verpflichtung wird heute eingegangen, aber erst in der Zukunft eingelöst. Der für die Einlösung relevante Preis ist der Terminkurs, der bereits bei Abschluss des Geschäfts feststeht. Die entscheidende Funktion des Devisenterminmarktes besteht darin, gegen ein Wechselkursrisiko zu schützen. Beispielsweise kann ein deutscher Exporteur die durch einen Exportauftrag in drei Monaten erwarteten Einnahmen in Dollar bereits heute per Termin verkaufen. Damit hat er kein Wechselkursrisiko mehr. Analog kann ein Importeur per Termin Devisen erwerben, die er erst später zur Bezahlung seiner Importe braucht, und damit das Risiko einer Abwertung der eigenen Währung ausschalten. Termingeschäfte sind also Instrumente zum „Hedging“ von Wechselkursrisiken. <?page no="291"?> 15.6 Devisenterminmarkt 283 2. Akteure. Akteure auf dem Devisenterminmarkt sind nicht nur Exporteure und Importeure. Ebenso können Kapitalanleger und Schuldner im Ausland ihre erwarteten Zinszahlungen und Kapitalrückzahlungen auf dem Terminmarkt absichern. Weitere Akteure sind Zinsarbitrageure, die versuchen, aus internationalen Zinsdifferenzen einen Gewinn zu realisieren und Spekulanten, die auf einen Anstieg oder Rückgang des Wechselkurses setzen und entsprechend Devisen per Termin verkaufen oder kaufen. Die Spekulanten müssen ihre eingegangenen Terminpositionen dann auf dem Kassamarkt decken. Im Unterschied zur Arbitrage ist mit der Spekulation auf steigende oder fallende Wechselkurse ein Wechselkursrisiko verbunden. 3. Gedeckte Zinsparität. Über den Devisenterminmarkt lassen sich Wechselkursrisiken bei einer Anlage im Ausland vollständig ausschalten. Daraus ergibt sich die gedeckte Zinsparität. Mit dem Terminkurs ergibt sich für die gedeckte Zinsparität die folgende Bedingung: 1 1 ∗ ⋅ / (15.22) bzw. näherungsweise ∗ , (15.22’) mit / als dem Swap-Satz (prozentuale Abweichung des Terminkurses vom Kassakurs). Die gedeckte Zinsparität kann aus der Entscheidungssituation von Zinsarbitrageuren abgeleitet werden. Ist die Zinssatzdifferenz ∗ in Schaubild 15.7 durch gegeben und ist der Swap-Satz ebenfalls , so ist die gedeckte Zinsparität erfüllt und es gibt keine Möglichkeit zur Zinsarbitrage. Entspricht bei einer Zinsdifferenz von der Swap-Satz hingegen der Strecke , so ist die Rendite einer Kapitalanlage im Ausland größer als im Inland. Zinsarbitrageure könnten dann im Inland zum inländischen Zinssatz einen Euro-Kredit z.B. in Höhe von 1 aufnehmen, das Geld zum Wechselkurs 1/ [$/ €] in Dollar umtauschen, und in den USA zum Zinssatz ∗ anlegen. Zugleich werden 1 ∗ / Dollar auf Termin zum Kurs verkauft. Damit kann der Kredit vollständig zurückgezahlt werden und es bleibt noch ein sicherer Arbitragegewinn übrig. Der Arbitrageur geht keinerlei Wechselkursrisiko ein; er verhält sich nicht spekulativ. Ist der Swap-Satz geringer (z.B. entsprechend der Strecke ) als die gegebene Zinssatzdifferenz , so kann ein umgekehrtes Arbitragegeschäft getätigt und ein Gewinn von ∗ erzielt werden. Nur bei einem Swap-Satz von sind solche Arbitragegeschäfte ausgeschlossen, so dass ein Gleichgewicht nur bei diesem Kurs möglich ist. Schaubild 15.7 zeigt den Arbitragegewinn, der wie oben beschrieben durch entsprechende Kreditgeschäfte erzielt werden kann. <?page no="292"?> 284 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs Gewinn O A C B w T ^ Als reine Arbitragebedingung gilt die gedeckte Zinsparität unabhängig davon, ob die Anleger risikoneutral oder risikoavers sind. Bei der ungedeckten Zinsparität wurde hingegen Risikoneutralität vorausgesetzt. Bei der ungedeckten Zinsparität ist die erwartete Wechselkursänderung eine Erwartungsgröße des einzelnen Anlegers. Bei der gedeckten Zinsparität ist der Terminkurs hingegen heute bekannt. 4. Devisenterminmarkt und internationaler Handel. Exporteure oder Importeure können auf dem Devisenterminmarkt ihre offenen Positionen abdecken. Erwartet beispielsweise ein deutscher Importeur in drei Monaten ( 1) eine Dollarzahlung von 1, so kann er heute diesen Dollar per Termin verkaufen und hat damit einen sicheren Euro-Betrag von . Der deutsche Exporteur kann sich aber auch in anderer Weise absichern: er leiht sich in New York den Gegenwartswert, nämlich 1/ 1 ∗ , tauscht diesen Betrag sofort zum Kassakurs in Euro um, und legt das Geld im Inland an, so dass er in drei Monaten einen Euro- Betrag von ⋅ 1 1 ∗ hat. Der deutsche Exporteur ist indifferent zwischen diesen beiden Möglichkeiten der Kursabsicherung, wenn die gedeckte Zinsparität erfüllt ist. Auch aus der Entscheidungssituation des Exporteurs lässt sich somit die gedeckte Zinsparität als Gleichgewichtsbedingung ableiten. Bei dieser Analyse betreibt der deutsche Exporteur Arbitrage zwischen verschiedenen Möglichkeiten zum Hedging des Wechselkursrisikos. 5. Spekulanten. Spekulanten sind bereit, ein Risiko zu übernehmen. Der Spekulant hat eine Erwartung über den Kassakurs in der Zukunft und vergleicht den gegebenen Swap-Satz mit der von ihm erwarteten Wechselkursänderung . Ist die vom Spekulanten erwartete Wechselkursänderung gerade gleich dem Swap- Satz und ist er risikoneutral, so wird der Spekulant auf dem Terminmarkt nicht Schaubild 15.7: Swap-Satz und Arbitragegewinne <?page no="293"?> 15.7 Wechselkurssysteme 285 aktiv. Ist größer als , so erwartet der Spekulant eine geringere Abwertung des Euro als durch den Swap-Satz vorgegeben. Er verkauft dann Dollar per Termin, mit denen er sich dann später auf dem Kassamarkt billiger eindecken kann (wenn seine Erwartungen sich als richtig erweisen). Ist dagegen der Swap-Satz kleiner als die vom Spekulanten erwartete Wechselkursänderung, so erwartet der Spekulant eine Abwertung des Euro relativ zum Terminkurs. Er kauft Dollar (billig) per Termin, um sie dann am Kassamarkt teurer zu verkaufen. Sind die Erwartungen des Spekulanten über die Wechselkursentwicklung rational, so entspricht bei Risikoneutralität der heute für Zeitpunkt 1 erwartete Kassa- Wechselkurs dem mathematischen Erwartungswert unter Berücksichtigung aller heute verfügbaren Informationen. Dann muss der aktuelle Terminkurs dem Erwartungswert des Kassakurses entsprechen. Der Terminkurs kann in diesem Fall für eine Prognose des zukünftigen Kassakurses eingesetzt werden; spätere Abweichungen des Kassakurses vom Terminkurs sind dann rein zufällig ohne systematischen Zusammenhang. 6. Devisenmarktintervention. Die Notenbank kann am Devisenmarkt intervenieren. So kann die Europäische Zentralbank mit einer Devisenmarktintervention versuchen, den Terminkurs und damit den Swap-Satz zu beeinflussen, indem sie z.B. den Geschäftsbanken Kassadollar (aus ihren Reserven) zu einem von ihr bestimmten Kassakurs verkauft und gleichzeitig Termindollar zu einem von ihr festgesetzten Terminkurs kauft. Dadurch dass Kassadollar gegen Euro verkauft werden, steigt das Angebot an Dollar, der Dollar wertet ab und der Euro wertet auf. Werden gleichzeitig Termindollar gekauft, so kann die Zentralbank dadurch den Terminkurs beeinflussen. Durch den Verkauf von US-Dollar gegen Euro nimmt die Geldmenge in Euroland ab. Ist dieser Effekt unerwünscht, so kann die Notenbank die Interventionen neutralisieren. In diesem Fall kann die Notenbank zusätzlich einheimische Wertpapiere aufkaufen und dafür Euro hergeben. 15.7 Wechselkurssysteme 1. Ausrichtung der Geld- und Wechselkurspolitik. Die Ausgestaltung von Wechselkurssystemen obliegt in der Regel nicht den Notenbanken, sondern den Regierungen, obwohl Wechselkurs- und Geldpolitik eng miteinander verknüpft sind. Im Zusammenhang mit der geld- und währungspolitischen Strategie eines Landes stellt sich zunächst die Frage, ob sich die Zentralbank an einem nominalen Anker ausrichten soll und welcher Anker gewählt wird (Corden 2002, Siebert 2007). Durch die Vorgabe eines Ankers legt sich die Zentralbank auf ein bestimmtes geldpolitisches Ziel fest und versucht damit, die Erwartungen der Marktteilnehmer zu stabilisieren. Auch kann die Bank auf diese Weise eine höhere Glaubwürdigkeit erzielen und somit Inflationserwartungen dämpfen. Ein nominaler Anker könnte beispielsweise darin bestehen, dass die Zentralbank eine <?page no="294"?> 286 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs bestimmte Zielgröße für das Geldmengenwachstum vorgibt. Ist hingegen das Preisniveau der nominale Anker, so ist die Geldpolitik darauf ausgerichtet, die Inflationsrate in einem bestimmten Zielkorridor zu halten („inflation targeting“). Eine Alternative zu diesen binnenwirtschaftlich ausgerichteten Größen ist die Wahl des Wechselkurses als nominalen Anker. Betreibt ein Land eine solche wechselkursorientierte Geldpolitik, so orientiert es sich an einer ausländischen Währung, z.B. dem Dollar, oder an einem ganzen Währungskorb. In diesem Fall ist das Land mit seiner Geldpolitik an das Ausland gebunden. Wenn das Ausland die Geldmenge erhöht, so muss dann das Inland ebenfalls seine Geldmenge ausdehnen, um den Wechselkurs stabil zu halten. Ein historisches Beispiel ist Österreich, das vor der Gründung der Europäischen Währungsunion den Schilling in einer festen Relation zur D-Mark hielt. Dies ist nur möglich, wenn die Geldpolitik das inländische Preisniveau gerade so beeinflusst, dass der Wechselkurs stabil bleibt. Eine wechselkursorientierte Politik wird eher von kleinen Ländern angewendet, die sich so an die Geldpolitik größerer Länder ankoppeln können. Eine weitere Grundsatzfrage ist, ob ein einzelnes Land unilateral über seine Geld- und Wechselkurspolitik entscheidet oder ob es einem multilateralen Wechselkurssystem beitritt. In letzterem Fall geben diese Staaten zusammen einen Teil ihrer Souveränität auf. 2. Unilateral bestimmter Wechselkurs. Ein einzelnes Land kann bei der Wahl seines Wechselkursregimes zwischen verschiedenen Varianten wählen, die von völlig flexiblen Wechselkursen bis zu einer fixen Anbindung an eine andere Ankerwährung („hard peg“) reichen. Daneben gibt es auch Zwischenlösungen wie ein „crawling peg“, bei dem die Wechselkursrelation in bestimmten Abständen angepasst wird, ob nun mit einer vorgegebenen Rate oder ex-post anhand der Entwicklung bestimmter Indikatoren. Eine besondere Form des „hard peg“ ist das Currency Board. Bei einem Currency Board ist die umlaufende eigene Währung vollständig durch Reserven in der ausländischen Ankerwährung gedeckt. Dieser Ansatz wird im Interesse eines Stabilitätsimports praktiziert. So lag in Argentinien die Inflationsrate in den 1980er Jahren so hoch, dass der Übergang zu einem Currency Board als einziger Weg der Stabilisierungspolitik angesehen wurde. Allerdings erfordert der Stabilitätsimport einen hohen Preis. Das Land verzichtet faktisch auf eine eigene Währung und damit auf eine eigene Geldpolitik. Wenn die dem Currency Board zugrunde liegende Währung sich in ihrem Außenwert anders verhält als es dem Currency-Land gut tut (wenn etwa der US-Dollar stark aufgewertet wird), so muss das Currency-Land diese nominalen Wechselkursänderungen verkraften. Argentinien hat sein Currency Board 2001 aufgegeben. <?page no="295"?> 15.7 Wechselkurssysteme 287 Im Gegensatz zu unilateralen Ansätzen einzelner Staaten haben die für den Welthandel wichtigen Länder in der Vergangenheit auch versucht, allgemeine Regelsysteme für die Wechselkurse zu entwickeln. Dazu zählen die Goldwährung und das System von Bretton Woods. 3. Goldwährung. Gold und andere Metalle waren historisch die traditionellen Zahlungsmittel im internationalen Handel. Die Goldwährung entstand im 19. Jahrhundert. 1821 wurde die Bank von England verpflichtet, Noten in Goldmünzen einzulösen. In der Peel’schen Bankakte von 1844 wurde die Einlösungspflicht durch Deckungsvorschriften abgesichert. Andere Länder wie Deutschland, Japan und die USA (1879) schlossen sich diesem Goldstandard später an. Die Notwendigkeit, Militärausgaben finanzieren zu müssen, war letztlich der Grund dafür, dass die Goldwährung mit dem ersten Weltkrieg aufgegeben wurde. Die Einlösbarkeit der Banknoten in Gold bedeutete, dass die Notenbank das umlaufende Papiergeld eines Landes jederzeit zu einem gesetzlich fixierten Austauschverhältnis in Gold umtauschte. Als Konsequenz dieser Regelung waren die Wechselkurse konstant, denn wenn z.B. die Relationen €⁄ und $⁄ fixiert sind, dann ist auch das Verhältnis € $ ⁄ gegeben : Mengeneinheiten Gold). Die entscheidende Aufgabe der Notenbank lag also darin, die offizielle Parität zwischen Gold und heimischer Währung zu halten. In Schaubild 15.8 ist die Wirkungsweise einer Goldwährung verdeutlicht. Ausgangspunkt ist der Wechselkurs , der sich, wie oben beschrieben, aus dem Verhältnis der Goldrelationen bildet. Angenommen, die Nachfragekurve nach Dollar verschiebt sich nun nach rechts, so dass der Gleichgewichtskurs steigen müsste. Ausgehend von einem Gleichgewicht in P würde bei flexiblen Kursen ein neuer Gleichgewichtspunkt auf dem Devisenmarkt in A erreicht bei einem entsprechend gestiegenen Wechselkurs. $ w O N $ P A A $ N ' $ Goldimportpunkt Goldexportpunkt w 0 Schaubild 15.8: Oberer und unterer Goldpunkt <?page no="296"?> 288 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs Dieser Effekt stellt sich jedoch nicht bei einer Goldwährung ein. Wenn der Euro stark abgewertet wird, kann ein Amerikaner Euro kaufen. Mit diesem Euro- Betrag erwirbt er dann in Deutschland Gold, transportiert das Gold in die USA und tauscht es gegen Dollar um. Der Wechselkurs w kann also nicht über den sog. „oberen Goldpunkt“ steigen. Der obere Goldpunkt (oder Goldexportpunkt) gibt an, ab welchem Wechselkurs sich der Goldexport aus Deutschland lohnt. Dieser Punkt wird u.a. bestimmt von Transport- und Versicherungskosten für das Gold. Je geringer diese sind, desto näher liegt der obere Goldpunkt am rechnerischen Wechselkurs P. Der obere Goldpunkt stellt also eine obere Grenze für den Wechselkurs w dar. Entsprechend bestimmt sich der Goldimportpunkt: Wenn der Wechselkurs sinkt, wenn also der Euro aufgewertet wird, lohnt es sich ab einer gewissen Schwelle Dollar zu kaufen, mit diesen Devisen in den USA Gold zu erwerben und Gold zu importieren („unterer Goldpunkt“). Bei einer Goldwährung pendelt sich der Wechselkurs in den Grenzen zwischen dem oberen und dem unteren Goldpunkt ein. 4. Monetäre Desintegration zwischen den beiden Weltkriegen. Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen war durch eine Desintegration der Weltwirtschaft gekennzeichnet. Einige Länder, wie etwa Deutschland, erlebten eine Hyperinflation. Der Vertrag von Versailles legte Deutschland hohe Reparationskosten und damit hohe Auslandsschulden auf. Staatsausgaben wurden durch die Notenpresse finanziert, das Preisniveau stieg von August 1922 bis November 1923 auf das 1,02 ⋅ 10 -fache. Im Jahr 1919 kehrten die USA zum Goldstandard zurück. 1925 folgte Großbritannien, indem das Pfund mit der Vorkriegsparität an das Gold gebunden wurde. Da 1925 das Preisniveau in Großbritannien höher war als vor dem ersten Weltkrieg, ging der Übergang zum Goldstandard mit einer starken Aufwertung des Pfundes einher. Um kleineren Ländern eine Teilnahme am Goldstandard zu ermöglichen, wurde ihnen auf der Konferenz von Genua (1922) erlaubt, anstatt Gold Währungsreserven von solchen Ländern zu halten, deren internationale Reserven voll aus Gold bestanden. Dies bedeutete faktisch, dass Großbritannien die Bank für andere Regierungen wurde. Die wirtschaftliche Schwäche Großbritanniens in den zwanziger Jahren hatte aber zur Folge, dass es dieser Rolle nicht mehr gerecht werden konnte. Bei geringen Eigenreserven an Gold konnte Großbritannien den Ansturm anderer Länder auf seine Reserven nicht durchstehen. 1931 musste Großbritannien den Goldstandard aufgeben, nachdem kleinere Länder bereits 1929 und 1930 aus dem System ausgeschieden waren. Vorausgegangen war ein Boom am Aktienmarkt 1928 in New York, der die finanziellen Mittel auf dem Anleihenmarkt erheblich verringerte. Die Kapitalabflüsse aus den USA kamen zum Erliegen. Damit konnten Länder wie Deutsch- <?page no="297"?> 15.7 Wechselkurssysteme 289 land sich international nicht mehr finanzieren. Die Bedienung der Schulden unterblieb; das Weltwährungssystem erhielt einen schweren Schlag. Mit der Depression in den wichtigsten Ländern der Weltwirtschaft setzte dann eine schärfere Desintegration der Weltwährungsordnung und der internationalen Arbeitsteilung ein. Dabei kam es zu einem Abwertungskarussell, indem Länder versuchten, über eine Abwertung Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen. So definierten die USA 1934, als sie zum Goldstandard zurückkehrten, die Goldparität mit 35 $/ Unze neu, nachdem sie 1933 den Goldstandard mit 20,67 $/ Unze verlassen hatten. Dies war eine beachtliche Abwertung des Dollar. Andere Länder wie Frankreich versuchten, Wechselkurse zu verteidigen, indem sie zu handelsbeschränkenden Maßnahmen wie Zöllen Zuflucht nahmen. Neben einer kumulativen Abwertung waren die dreißiger Jahre folglich auch durch starke Eingriffe in den internationalen Warenaustausch gekennzeichnet. 5. Bretton Woods. Auf der Konferenz von Bretton Woods im amerikanischen Bundesstaat New Hampshire wurde im Jahre 1944 von 44 Nationen eine neue Ordnung für die Weltwirtschaft entworfen, in der günstigere Bedingungen für eine internationale Arbeitsteilung hergestellt werden sollten. Dabei wurde der Internationale Währungsfonds zusammen mit dem neuen Währungssystem von Bretton Woods ins Leben gerufen. Ferner wurde die Weltbank gegründet. Das GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) folgte 1947. Das in Bretton Woods beschlossene Weltwährungssystem war von der Erfahrung der dreißiger Jahre geprägt: Währungsabwertung, Aufhebung der Konvertibilität, protektionistische Tendenzen und letztlich ein starker Rückgang des Welthandels. Der Grundgedanke des Systems von Bretton Woods bestand darin, durch stabile Wechselkurse die Entwicklung des Welthandels zu erleichtern. Ein wichtiges Prinzip der neuen Weltwährungsordnung war die Konvertibilität. Eine Währung ist voll konvertibel, wenn jeder Bürger eines jeden Landes die Währung gegen eine andere Währung austauschen kann. Dabei kann eine konvertible Währung ohne Einschränkungen im internationalen Austausch verwendet werden. Dies war beispielsweise bei der Goldwährung der Fall (Goldkonvertibilität). Die Konvertibilität kann in vielfältiger Weise eingeschränkt sein. So kann sich die freie Umtauschbarkeit nur auf solche Devisen beziehen, die aus dem Waren- und Dienstleistungsverkehr resultieren, und nicht auch auf Devisen aus Kapitalverkehr. Oft wird auch zwischen Ausländern und Inländern differenziert. So kann die volle Konvertierbarkeit aller Guthaben nur Ausländern eingeräumt werden (Ausländerkonvertibilität) oder auch den Inländern (Inländerkonvertibilität). In einem System fester Wechselkurse bestehen für jedes einzelne Land bei Ländern 1 Wechselkurse. Wenn 1 Länder unabhängig voneinander ihren Wechselkurs gegenüber der Währung des -ten Landes bestimmen, ist die Wäh- <?page no="298"?> 290 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs rung des -ten Landes gegenüber allen anderen 1 Währungen eindeutig festgelegt. In der Regel stellt das -te Land die Leitwährung (wie die USA im System von Bretton Woods), auf die sich die anderen Währungen beziehen. In dem System von Bretton Woods war direkt oder indirekt für jede Währung eine Goldparität festgelegt. Die amerikanische Notenbank verpflichtete sich, jederzeit und in unbeschränkter Höhe die Dollarbestände anderer Notenbanken (nicht der Bürger) zum Kurs von einer Unze Feingold pro 35 US-$ umzutauschen (sog. Gold-Devisen-Standard). Schaubild 15.9 stellt die Bindung der Währungen untereinander (in US-$ pro hundert Währungseinheiten) dar. Da der Dollar an die einzelnen Währungen gebunden war, ergab sich auch eine feste Relation der Währungen untereinander. Die Währungsparitäten sollten nur bei fundamentalen Ungleichgewichten geändert werden. Die Stabilität der Währungen sollte durch Interventionen der Notenbank sichergestellt werden. Verschob sich z.B. die Angebotskurve an US-$ nach rechts und wurde die untere Grenze einer zulässigen Bandbreite von einem Prozent um die Währungsparität erreicht, so musste die Notenbank Dollar nachfragen, um den Kurs zu halten. In Schaubild 15.10 ist diese für die Deutsche Bundesbank in den sechziger Jahren typische Situation dargestellt. Um eine Aufwertung zu vermeiden, musste die Bundesbank Dollar in Höhe von ST nachfragen. Japanischer Yen Währungen des Pfundraums Französischer Franc Deutsche Mark Lira U.S. Dollar Andere Währungen Kanadischer Dollar Britisches Pfund Gold 0,28 18,00 27,32 0,16 Pari-Werte 92,50 240,00 $35=1oz Schaubild 15.9: Währungsrelationen im System von Bretton Woods <?page no="299"?> 15.7 Wechselkurssysteme 291 O S w $ N $ T A $ A $ ' +1% -1% Referenzkurs Obwohl das System fester Wechselkurse mit einer starken Entwicklung des Welthandels einherging, so litt es jedoch auch an erheblichen Schwächen: Die angestrebte Konvertibilität der Währungen konnte nicht in der gewünschten Weise gewährleistet werden. Vielmehr waren Kapitalverkehrskontrollen und andere Maßnahmen der Devisenbewirtschaftung erforderlich. Das System erforderte auch von Zeit zu Zeit Wechselkursanpassungen, die dann in einem politischen Prozess bestimmt werden mussten. Die politisch bedingten Neufestsetzungen haben oft zu abrupten Preisänderungen geführt. So wurde das britische Pfund im November 1967 um 14,3 Prozent abgewertet. Das System von Bretton Woods war nach dem zweiten Weltkrieg zunächst durch eine Dollarknappheit („Dollar shortage“) gekennzeichnet. Die Handelspartner der USA als Hegemonialmacht der Weltwirtschaft in den fünfziger und sechziger Jahren hatten zunächst Schwierigkeiten, Dollar durch Handelsbilanzüberschüsse zu verdienen und anzusammeln. In späteren Jahren war Bretton Woods durch einen Dollar-Überschuss („Dollar glut“) charakterisiert. Die Amerikaner konnten den nominalen Anker des Systems von Bretton Woods nicht mehr bereitstellen. Der Staatshaushalt wies hohe Defizite auf, die in Kauf genommen wurden, um den Vietnam-Krieg zu finanzieren. Durch die Hergabe von Banknoten konnte die USA Güter importieren. Damit entstand ein Dollar-Überschuss. Solange die Wechselkurse fixiert waren, erhielten die Amerikaner für ihre weicher gewordenen Dollar harte Devisen. Dieses konnte jedoch auf Dauer nicht gut gehen. Um das System stabil zu halten, haben sich in 1961 sieben europäische Länder zusammen mit den USA verpflichtet, durch gemeinsame Goldverkäufe und -käufe, den Dollar auf dem Referenzkurs zu halten. Dieser „Londoner Goldpool“ geriet jedoch gegen Ende der 1960er Jahre zunehmend unter Druck. Am 15. August 1971 wurde die Goldkonvertibilität des Dollar durch Präsident Nixon aufgehoben; im Dezember 1971 wurden neue Kurse festgelegt (sog. Leitkurse) Schaubild 15.10: Währungsparitäten und Intervention <?page no="300"?> 292 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs mit einer größeren Bandbreite von 4,5 Prozent in beide Richtungen. 1973 wurde das System von Bretton Woods durch flexible Wechselkurse abgelöst. 6. Das derzeitige Wechselkurssystem. Das derzeitige Wechselkurssystem ist im Wesentlichen ein System flexibler Kurse. Die Wechselkurse zwischen den wichtigsten Währungen der Welt bilden sich frei auf den Devisenmärkten. Dies gilt für US-Dollar, Euro, Yen und Pfund. Eine Reihe von Währungen ist jedoch an wichtige Weltwährungen gekoppelt, so an den Euro, an den Dollar, an Währungskörbe und an Sonderziehungsrechte. Tabelle 15.4 gibt einen Überblick. Tabelle 15.4: Das internationale Währungssystem Wechselkurs als Anker Geldmengenziel Inflation Targeting Andere Dollar Euro Währungskorb Andere Länder 43 27 13 8 29 32 38 Quelle: IMF, Annual Report on Exchange Arrangements and Exchange Restrictions, 2012. Weiterführende Fragen 1. Analysieren Sie, inwiefern die Aussagen des Dornbusch-Modells empirisch bestätigt werden (Rogoff 2002). 2. Zeigen Sie, wie sich eine Aufwertungserwartung zugunsten einer Währung auf den Devisenterminmarkt auswirkt. Erörtern Sie, welcher Zusammenhang zwischen Terminkurs und dem Kassakurs besteht. 3. Erörtern Sie, an welchen Indikatoren eine spekulative Blase bei Immobilienpreisen, bei Aktienkursen oder bei Wechselkursen zu erkennen sein könnte. Weiterführende Literatur Corsetti, G. und P. Pesenti (2009). The Simple Geometry of Transmission and Stabilization in Closed and Open Economies. In: R. Clarida and F. Giavazzi (Hrsg.) NBER International Seminar on Macroeconomics 2007. University of Chicago Press. Obstfeld, M. und K. Rogoff (1996). Foundations of International Macroeconomics. MIT Press, Kap. 8. Rogoff, K. (2002). Dornbusch’s Overshooting Model after 25 Years. IMF Staff Papers 49: 1-35. <?page no="301"?> Anhang 15.A: Formale Darstellung des Neu-Keynesianischen Modells 293 Anhang 15.A: Formale Darstellung des Neu-Keynesianischen Modells 1. Arbeitsangebot. Gleichung (15.18) lässt sich als Ergebnis der Nutzenmaximierung eines repräsentativen Haushalts ableiten, wobei die Nutzenfunktion den Konsum sowie die Freizeit des Haushalts ̅ als Argumente enthält. Der Ausdruck ̅ ist die gesamte verfügbare Zeit des Haushalts, die zwischen Arbeit und Freizeit aufgeteilt werden kann. Wenn der Haushalt mehr arbeitet, dann sinkt die Zeit, die als Freizeit zur Verfügung steht. Das Einkommen des Haushalts steigt aber und es kann entsprechend mehr konsumiert werden. Eine marginale Erhöhung der Arbeitszeit steigert das reale Einkommen und damit den Konsum gerade um den Reallohn. Somit gilt der Zusammenhang , mit ⁄ ⁄ . Gleichung (15.18) ergibt sich mit einer Nutzenfunktion ⋅ . Einsetzen von für den Konsum liefert dann ⋅ ̅ . (15.A.1) Die Bedingung erster Ordnung für ein Nutzenmaximum lautet ⋅ 1 0. (15.A.2) Nach Einsetzen von ⁄ ⁄ ergibt sich daraus Gleichung (15.18). 2. Konsum und Preisindex im offenen Land. Der gesamtwirtschaftliche Konsum ist definiert als nutzenbasierter Index des aggregierten Konsums heimischer Güter und des Konsums von Importgütern . Dabei wird die folgende Cobb- Douglas-Nutzenfunktion unterstellt: , ⋅ , . (15.A.3) Um den optimalen Konsumplan (die optimale Kombination von und ) für den Haushalt zu finden, nehmen wir an, dass der Haushalt bei gegebenen Preisen seine Ausgaben ⋅ ⋅ ⋅ minimiert unter der Nebenbedingung, dass ein bestimmtes Nutzenniveau erreicht werden soll. Formal entspricht dieser Ansatz dann der Kostenminimierung aus Anhang 5.A. Die Lagrange-Funktion lautet ⋅ ⋅ ⋅ , ⋅ , . Daraus ergeben sich als Bedingungen erster Ordnung ⋅ 0,5 ⋅ , ⋅ , und ⋅ 0,5 ⋅ , ⋅ , . Werden diese beiden Ausdrücke nach aufgelöst und gleichgesetzt, so folgt daraus ⋅ ⋅ 0,5 ⋅ ⋅ . (15.A.4) Für den Preisindex ergibt sich nach Einsetzen von (15.A.4) in (15.A.3) 2 ⋅ ⋅ ⁄ . Einsetzen von ⋅ ⁄ in , ⋅ , führt zu , ⋅ , ⋅ . Wird dieser Ausdruck wiederum in eingesetzt, so erhält man 2 ⋅ , ⋅ , . (15.A.5) <?page no="302"?> 294 15. Geldmarkt, Finanzmarkt und Wechselkurs Für die Veränderung des Preisindex gilt dann 0,5 ⋅ 0,5 ⋅ . (15.A.5’) 3. Geldpolitik bei PCP. Der Konsumentenpreis für ein Importgut entspricht dem Produzentenpreis des ausländischen Anbieters multipliziert mit dem Wechselkurs. Wenn die Produzentenpreise starr sind, dann gilt in der kurzen Frist für die Beziehung zwischen nominalem Wechselkurs und den Importpreisen und ∗ . Für die Preise der heimischen Güter gilt ∗ 0. Daraus folgt 0,5 ⋅ und ∗ 0,5 ⋅ . Eine geldpolitische Expansion führt zu einer Abwertung gemäß . Aus dem inländischen Geldmarktgleichgewicht (15.20) folgt 0,5 ⋅ , aus dem ausländischen ∗ ∗ 0,5 ⋅ . Aus (15.A.4) lässt sich die Beziehung ableiten. Mit dem Geldmarktgleichgewicht ergibt sich dann und 0 für die inländischen Konsummengen des heimischen und des Importguts. Für das Ausland gilt ∗ ∗ 0, ∗ 0 und ∗ . Damit gilt für die Veränderung der Produktionsmengen und der Beschäftigung ∗ 2 ⋅ und ∗ ∗ ∗ 0. 4. Geldpolitik bei LCP. Wenn die Preise in der Währung des Absatzlandes starr sind, dann gilt in der kurzen Frist für die Beziehung zwischen nominalem Wechselkurs und Preisen ∗ ∗ ∗ 0 . Aus dem Geldmarktgleichgewicht folgt und ∗ ∗ ∗ 0 . Die Beschäftigung verändert sich dann gemäß ∗ und ∗ ∗ ∗ . <?page no="303"?> Literatur Anderson, J. E. und E. van Wincoop (2003). Gravity with Gravitas: A Solution to the Border Puzzle. American Economic Review 93: 170-192. Antras, P. (2003). Firms, Contracts, and Trade Structure. Quarterly Journal of Economics 118: 1375-1418. — (2005a). Incomplete Contracts and the Product Cycle. American Economic Review 95: 1054-1073. — (2005b). Property Rights and the International Organization of Production. American Economic Review: Papers and Proceedings 95: 25-32. — und E. Rossi-Hansberg (2009). Organizations and Trade. Annual Review of Economics 1: 43-64. Arkolakis, K., A. Costinot, und A. Rodriguez-Clare (2012). New Trade Models, Same Old Gains? 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Bruttoinlandsprodukt und Bruttonationaleinkommen 204, 238 Budgetrestriktion 160, 204ff. C Chamberlins Tangentenlösung 101 Cone of Diversification 64 Crawling Peg 286 Currency Board 286 D Deadweight Loss 180 Devisenkassamarkt 282 Devisenmarkt 20ff., 249ff., 285 Devisenreserven 207, 212, 221 Devisenterminmarkt 282ff. Dienstleistungen 75f., 78ff. Direktinvestitionen, internationale 12f., 143ff. Doha-Runde 196 Dumping 109ff., 195ff. Duopol 109, 112ff. E Edgeworth-Box 44f., 53f., 65 Einkommenselastizität 172 Eisberg-Transportkosten 108, 110, 148 Ersparnisse 80f., 139, 206, 222ff. Erwartungen, rationale 265ff. Erziehungszoll 192f. Exportquote 1, 8f. Externe Effekte 89f. F Faktoren, sektorgebundene 71ff., 84, 192 Faktorgehalt des Handels 83, 128ff. Faktorpreisausgleichstheorem 62ff., 68ff., 83ff., 132 Faktorreichlichkeiten 52ff., 56f., 130f. Faktorwanderung 11, 62, 135ff., 141f. Finanzkapitalmarkt 259ff. Fisher-Gleichung 263 Fixkostendegression 87, 98f. „Free Trade For One“-Theorem 190f. Freihandelszonen 197f. G GATT und GATS 194ff. Gefangenendilemma 188ff. Geldmarkt 217ff., 259ff. Geldmarktgleichgewicht 218, 259f. Geldmengenmultiplikator 221 Geldpolitik 259, 276, 281, 285f., 294 Goldwährung 287f. <?page no="318"?> 310 Register Gravitationsansatz 133f. Grenzeffekte 134 Grubel-Lloyd-Index 103f. Güter, nicht-handelbare 75f., 237 H Handel, intertemporaler 139ff., 212, 224ff. Handel, intra-sektoraler 98, 103ff., 169f. Handelshemmnisse, nicht-tarifäre 179, 195f. Handelsindifferenzkurve 186f. Handelspolitik, Gefangenendilemma der 188f. Handelspolitik, protektionistische 177f. Handelspolitik, strategische 112f. Handelsrestriktionen 177ff. Handelsumlenkung 198 Harberger-Dreieck 137 Hard Peg 286 Harrod-Johnson-Diagramm 59f., 151f. Heckscher-Ohlin-Modell 41ff., 128ff. Heckscher-Ohlin-Theorem 55 Heckscher-Ohlin-Vanek-Modell 85, 131 Hedging 282 Hold up-Problem 145, 154f. Holländische Krankheit 75 I Importquote 11, 178f. Importsubstitute 128f., 193 Importzoll 180ff. Inflation Targeting 286, 292 Inflationsrate 261, 286 Inländerbehandlung, Prinzip der 195 Isokostenlinie 43, 84 Isoquante 42, 56 J J-Kurven-Effekt 248 K Kapitalbilanz 202ff., 208, 217 Kapitalintensität 43f., 55ff., 68 Kapitalmobilität, internationale 138f., 222 Kapitalverkehr 253f. Kassenhaltungskoeffizient 218 Kaufkraftparität 229ff., 259 Kaufkraftparität, absolute 229 Kaufkraftparität, relative 230ff., 261 Konsumentenrente 180, 199 Konsummöglichkeiten, intertemporale 140 Koopmans-Effizienz 165f. Kopplungsthese 142 Krugman-Modell 98f. L Leistungsbilanz 202ff., 217ff., 240ff. Leistungsbilanz, Normalreaktion der 242ff. Leistungsbilanzsaldo 206ff., 217, 240 Leontief-Paradoxon 129 Lernkurve 88 Local Currency Pricing 281 Lohn-Zins-Verhältnis 44, 56, 83, 151 M Markt, gemeinsamer 198 Marshall-Lerner-Bedingung 245ff. Meistbegünstigungsklausel 195 Melitz-Modell 106f. <?page no="319"?> Register 311 Mengenkontingent (s. Importquote), 184 Mengennotierung 16 Migration 11f., 135ff. Minimalkostenkombination 43ff., 62ff. Monopolistische Konkurrenz 99, 277 Multiplikator-Ansatz, keynesianischer 225f. N Nachfrageschocks 226f. Neo-Chamberlin-Ansatz 95ff., 277ff. Neo-Hotelling-Ansatz 95ff. Nettoauslandsforderungen 222ff. Neue Keynesianische Makroökonomik 276 O Offshoring 150ff. OLI-Ansatz 143 Opportunitätskosten 29f., 47, 90 P Pareto-Verbesserung 169 Portfolio-Gleichgewicht 261ff. Präferenzzonen 197 Prebisch-Singer-These 172 Preiselastizität 98ff., 116f., 244, 247, 277 Preisnotierung 16 Preisrigiditäten 277, 281 Preisvorteile, absolute 15ff. Preisvorteile, komparative 15ff., 22ff. Producer Currency Pricing 281 Produktdifferenzierung 94ff., 169 Produktionsfunktion, linear-homogene 42f., 67f. Produktionsprozess, Fragmentierung des 150 Produktionssubvention 115, 182ff. Produktzyklusthese 81 Produzentenrente 180ff., 194, 199 Protektionismus 74, 191ff. Q Quantitätstheorie des Geldes 219f. R RCA-Index 126f. Relativpreise 16, 159, 166, 219, 234 Rent Seeking 74, 193f. Reziprozität 195 Ricardo-Modell 27ff., 42ff. Ricardo-Theorem 29 Rybczynski-Theorem 65f., 70, 80 S Selbstbeschränkungen, freiwillige 184f. Skalenerträge, steigende 88ff. Spezialisierung, vollständige 63f. Spezialisierungsvorteile 88ff. Stolper-Samuelson-Theorem 62, 73, 132, 168 Strategische Handelspolitik 112 Subvention 113ff., 179 Swap-Satz 283ff. T Tauschkurven 161ff. Terms of Trade 2, 170ff., 186ff., 235 Transformation, Grenzrate der 29ff., 166 Transformationskurve 29ff., 46ff., 56f., 90f. <?page no="320"?> 312 Register U Unternehmen, heterogene 105ff., 148 Unternehmen, horizontale und vertikale multinationale 145ff. Unternehmen, multinationale 12f., 143ff. V Verbrauchskoeffizient 28ff. Verschuldungskrise 224f. Verträge, unvollständige 154 W Wachstum, verarmendes 173f. Walras’sches Gesetz 161 Wechselkurs 3f., 16ff., 229ff., 242ff. Wechselkurs, effektiver 234ff. Wechselkurs, realer 124, 234ff. Wechselkurs, Überschießen des 264f. Wechselkurssysteme 285ff. Wettbewerbsfähigkeit, preisliche 123ff. Wirtschafts- und Währungsunion 198 Wohlfahrtsgewinne aus Handel 165ff. WTO 194ff. Z Zahlungsbilanz 3, 201ff. Zinsparität, gedeckte und ungedeckte 259ff., 283f. Zoll 178ff. Zollunion 197ff. Zwillingsdefizite 207 Zwischengüter 77f.
