Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
Unter Mitarbeit von Philip Baugut, Helena Bilandzic, Wolfgang Eichhorn, Andreas Fahr, Nayla Fawzi, Friederike Koschel, Marcus Maurer, Rudi Renger, Nina Springer, Jeffrey Wimmer, Susanne Wolf und Thoma
0813
2014
978-3-8385-8533-8
978-3-8252-8533-3
UTB
Heinz Pürer
Heinz Pürer umreißt in seinem Lehr- und Handbuch umfassend und verständlich den Gegenstandsbereich der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Er beschreibt zunächst die Fachgeschichte und führt in wichtige Grundbegriffe ein, nämlich Kommunikation, Massenkommunikation und computervermittelte Kommunikation. Breiten Raum nehmen sodann die wichtigsten Lehr- und Forschungsfelder ein: die Kommunikatorforschung, die Medieninhaltsforschung, die Medien(struktur)forschung sowie die Rezipientenforschung. Schließlich wird das Fach innerhalb der Sozialwissenschaften - neben Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie - kontextualisiert. Abschließend gibt der Autor einen Überblick über die wichtigsten Methoden der empirischen Kommunikationsforschung wie Befragung, Inhaltsanalyse, Beobachtung und Experiment.
Das Lehr- und Handbuch richtet sich sowohl an Studienanfänger der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie der Journalistik. Es eignet sich aber auch als Repetitorium für Zwischen- und Abschlussprüfungen in diesen Fächern.
<?page no="1"?> Ausgewählte Kapitel dieses Lehrwerks erscheinen 2015 bei UTB als Einzelbände im Taschenbuchformat: Heinz Pürer, Nina Springer, Wolfgang Eichhorn Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft Heinz Pürer (Hrsg.) Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft Heinz Pürer Journalismusforschung Heinz Pürer Medienforschung - Medienstrukturen Helena Bilandžić, Friederike Koschel, Nina Springer, Heinz Pürer Rezipientenforschung Mediennutzung, Medienrezeption, Medienwirkung Nina Springer, Friederike Koschel, Andreas Fahr, Heinz Pürer Empirische Methoden der Kommunikationswissenschaft <?page no="2"?> Heinz Pürer Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Unter Mitarbeit von Philip Baugut, Helena Bilandžić, Wolfgang Eichhorn, Andreas Fahr, Nayla Fawzi, Friederike Koschel, Marcus Maurer, Magdalena Obermaier, Rudi Renger, Nina Springer, Jeffrey Wimmer, Susanne Wolf und Thomas Zerback 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München <?page no="3"?> Prof. Dr. Heinz Pürer war 1986-2012 Ordinarius für Kommunikationswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Im Buch werden bei Berufsbezeichnungen nur die männlichen Formen verwendet. Selbstverständlich sind die weiblichen Formen jeweils mit gemeint. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.ddb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 1. Auflage 2003 2. Auflage 2014 © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2014 Einbandgestaltung und -illustration: Atelier Reichert, Stuttgart Satz: Klose Textmanagement, Berlin Lektorat: Katrina Weißer und Christiane Hörmann, Konstanz Druck: fgb · freiburger graphische betriebe, Freiburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz · Deutschland Tel.: 07531-9053-0 · Fax: 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 8249 ISBN 978-3-8252-8533-3 <?page no="4"?> 5 Inhaltsübersicht 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2 Zur Fachgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . 63 4 Zentrale Forschungsfelder der Kommunikationswissenschaft . . . . . 109 5 Kommunikationswissenschaft als trans- und interdisziplinäre Sozialwissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 6 Empirische Forschungstechniken der Kommunikationswissenschaft 531 <?page no="5"?> 6 Inhalt Vorwort zur 2. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.1 Gegenstand des Faches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.2 Das Lehr- und Forschungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.3 Der transdisziplinäre Charakter des Faches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.4 Theoretische Zugänge und wissenschaftliche Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2 Zur Fachgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.1 Rhetorik der Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.2 Öffentliche Kommunikation im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.3 Dogmatiker und Aufklärer im 17. und 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.4 Das 19. Jahrhundert: Opinionisten, Historiker, Ökonomen, Soziologen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2.5 Wissenschaftliche Zeitungskunde - Zeitungswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.6 Publizistik(-wissenschaft). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.7 Das Fach im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.8 Der Neubeginn nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.9 Von der Publizistikzur Kommunikationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.10 Studentenrevolte und Kritische Kommunikationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . 47 2.11 Die Einrichtung von Diplomstudiengängen für Journalistik . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.12 Das Fach in Ostdeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.13 Neugründungen in den neuen Bundesländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.14 Zur gegenwärtigen Lage des Faches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 <?page no="6"?> Inhalt 7 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3.1 Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3.1.1 Unterscheidung von Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3.1.2 Kommunikation und Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3.1.3 Merkmale von Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3.1.4 Kommunikation - ein komplexer Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.1.5 Kommunikation - ein vermittelter Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3.1.6 Die Kommunikations-»Kanäle« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3.1.7 Exkurs: Man kann nicht nicht kommunizieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3.1.8 Sprache und Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.1.9 Arten von Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3.2 Massenkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.2.1 Schrift - Druck - Funk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3.2.2 »Massen«-Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3.2.3 Massen-»Kommunikation« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3.2.4 Sender und Empfänger in der Massenkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3.2.5 Interpersonale Kommunikation und Massenkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.2.6 Zur Terminologie in der Massenkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3.2.7 Massenkommunikation als gesamtgesellschaftliches Phänomen . . . . . . . . . . . . . . 85 3.3 Computervermittelte Kommunikation (Springer/ Pürer/ Eichhorn) . . . . . . . . . . . . 88 3.3.1 Elektronisch mediatisierter Kommunikationsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3.3.2 Der Computer als Kommunikationsmedium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3.3.3 Interaktivität und computervermittelte Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.3.4 Web 2.0, Social Web und User-generated Content . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.3.5 Virtuelle Vergemeinschaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3.3.6 Neue Begriffe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3.3.7 Neue Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4 Zentrale Forschungsfelder der Kommunikationswissenschaft . . . . . . . 109 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4.1.1 Journalistische Berufsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4.1.1.1 Berufsgeschichte des Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4.1.1.2 Journalismus und politisches System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4.1.1.3 Ausbildung und Sozialisation im Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4.1.1.4 Berufsbild und Berufsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4.1.1.5 Zum Image von Journalisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 4.1.2 Journalisten und Medieninhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4.1.2.1 Theorien zur Nachrichtenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4.1.2.2 Nachrichtenauswahl als »instrumentelle Aktualisierung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 4.1.2.3 Journalismus und Public Relations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 4.1.3 Weitere Themen der Kommunikator-/ Journalismusforschung . . . . . . . . . . . . . . . 144 4.1.3.1 Qualität im Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 <?page no="7"?> Inhalt 8 4.1.3.2 Redaktionelles Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 4.1.3.3 Ethik und Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4.1.3.4 Onlinejournalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 4.1.3.5 Boulevardjournalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 4.1.4 Theoretische Konzepte des Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4.2 Medieninhaltsforschung (Maurer/ Pürer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4.2.1 Medieninhalte, Programme, Formate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4.2.2 Journalistische Darstellungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4.2.3 Analyse von Medieninhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 4.2.3.1 Medieninhaltsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 4.2.3.2 Politikberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 4.2.3.3 Wirtschaftsberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 4.2.3.4 Berichterstattung über Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 4.3 Medienforschung - Medienstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4.3.1 Begriff »Medium« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4.3.1.1 Medien - gesellschaftliche Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4.3.1.2 Medien - (neue) Begriffsdifferenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4.3.1.3 Medium - Dienst(e) - Diensteanbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 4.3.2 Zur Geschichte der Massenmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 4.3.3 Eigengesetzlichkeiten der Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 4.3.4 Organisationsformen der Massenmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 4.3.5 Medienstrukturen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 4.3.5.1 Pressewesen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 4.3.5.2 Rundfunkwesen in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4.3.5.3 Die »neuen Medien« in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 4.3.5.4 Zur Finanzierung der Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 4.4 Rezipientenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 4.4.1 Mediaforschung (Reichweitenforschung) (Springer/ Bilandžić/ Pürer) . . . . . . . . . . 324 4.4.1.1 Leserschaftsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 4.4.1.2 Hörerschaftsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 4.4.1.3 Zuschauerforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 4.4.1.4 Internetnutzer-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 4.4.1.5 Die »Langzeitstudie Massenkommunikation« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 4.4.1.6 Daten zur Mediennutzung 2011/ 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 4.4.2 Rezeptionsforschung (Bilandžić) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 4.4.2.1 Selektionsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 4.4.2.2 Gesuchte und erhaltene Wirkungen als Selektionserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . 354 4.4.2.3 Rezeptionsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 4.4.2.4 Medienrezeption, Kultur, Alltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 4.4.2.5 Verarbeitung von Medieninformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 <?page no="8"?> Inhalt 9 4.4.3 Medienwirkungsforschung (Koschel/ Bilandžić) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 4.4.3.1 Wirkungen auf die Einstellung und das Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 4.4.3.2 Wirkungen auf das Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 4.4.3.3 Wirkungen auf Wertvorstellungen und Weltbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 4.4.3.4 Integrative Wirkungsvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 5 Kommunikationswissenschaft als trans- und interdisziplinäre Sozialwissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 5.1.1 Themenfeld Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 5.1.1.1 Kommunikationspolitik, Medienpolitik, Media Governance . . . . . . . . . . . . . . 410 5.1.1.2 Typologien von Mediensystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 5.1.1.3 Organisationsformen von Massenmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 5.1.1.4 Die Kommunikationsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 5.1.1.5 Funktionen der Massenmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 5.1.2 Themenfeld politische Kommunikation (Baugut/ Fawzi/ Zerback) . . . . . . . . . . . . 427 5.1.2.1 Zum Begriff politische Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 5.1.2.2 Relevanz politischer Kommunikation in Demokratien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 5.1.2.3 Akteure politischer Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 5.1.2.4 Zum Verhältnis von Politik und Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 5.1.2.5 Medienwirkungen auf die Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 5.1.2.6 Medialisierung politischer Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 5.2 Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 448 5.2.1 Relevante Begriffe (Pürer/ Eichhorn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 5.2.1.1 Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 5.2.1.2 Stereotyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 5.2.1.3 Vorurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 5.2.1.4 Einstellungsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 5.2.2 Kommunikation und Persuasion (Pürer/ Eichhorn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 5.2.3 Konsistenztheoretische Ansätze (Wolf ). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 5.2.3.1 Das Balance-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 5.2.3.2 Das Kongruenz-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 5.2.3.3 Die Theorie der kognitiven Dissonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 5.2.4 Mediating Factors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 5.2.5 Kognitive Psychologie (Eichhorn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 5.2.5.1 Schematheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 5.2.5.2 Framing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 5.2.5.3 Priming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 <?page no="9"?> Inhalt 10 5.2.6 Emotionspsychologie (Eichhorn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 5.2.6.1 Emotionen bei der Zuwendung zu Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 5.2.6.2 Emotionen bei der Medienrezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 5.2.7 Konformitätsdruck - die Theorie der Schweigespirale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 5.2.7.1 Das Grundkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 5.2.7.2 Empirische Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 5.2.7.3 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 5.3.1 Sozialisation durch Massenkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 5.3.1.1 Begriffliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 5.3.1.2 Zur Bedeutung familiärer Sozialisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 5.3.1.3 Medien als Sozialisationsinstanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 5.3.1.4 Kinder und Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 5.3.1.5 Jugend und Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 5.3.1.6 Politische Sozialisation und Massenmedien (Pürer/ Baugut) . . . . . . . . . . . . . . . . 501 5.3.2 Gewalt und Massenmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 5.3.2.1 Theorienvielfalt der Mediengewaltforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 5.3.2.2 Methoden der Mediengewaltforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 5.3.2.3 Schlüsselvariablen für Mediengewalteffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 5.3.2.4 Ausgewählte empirische Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 5.3.2.5 Anforderungen an künftige Mediengewaltforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 5.3.3 Theorie und Praxis der Cultural Studies (Renger/ Wimmer). . . . . . . . . . . . . . . . . 521 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 6 Empirische Forschungstechniken der Kommunikationswissenschaft 531 (Springer/ Koschel/ Fahr/ Pürer) 6.1 Einführung in die quantitative Sozialforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 6.1.1 Allgemeine Anforderungen und Gütekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 6.1.2 Der Forschungsablauf im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 6.1.3 Auswahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 6.1.4 Wahl der Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 6.2 Einführung in die qualitative Sozialforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 6.2.1 Allgemeine Anforderungen und Gütekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 6.2.2 Der Forschungsablauf im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 6.2.3 Auswahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 6.2.4 Wahl der Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 6.3.1 Die Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 6.3.1.1 Allgemeines zur Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 6.3.1.2 Konzeption von Befragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 6.3.1.3 Befragungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 6.3.1.4 Befragungsmodi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 <?page no="10"?> Inhalt 11 6.3.2 Die Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 6.3.2.1 Allgemeines zur Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 6.3.2.2 Konzeption von Inhaltsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 6.3.2.3 Computerunterstützte und automatisierte Inhaltsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 6.3.3 Die Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 6.3.3.1 Allgemeines zur Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 6.3.3.2 Konzeption von Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 6.3.3.3 Beobachtungsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 6.3.3.4 Probleme der Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 6.3.4 Das Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 6.3.4.1 Allgemeines zum Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 6.3.4.2 Konzeption von Experimenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 6.3.4.3 Zur Generalisierbarkeit experimentell gewonnener Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . 592 6.3.4.4 Typen von Experimenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 6.3.4.5 Zur Durchführung von Experimenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 6.4 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 Anhang Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 Personenindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 Sachindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 <?page no="12"?> 13 Vorwort zur 2. Auflage Das hier vorliegende Lehrbuch ist im Jahr 2003 erstmals erschienen und wiederholt nachgedruckt worden. Es liegt nun in einer völlig überarbeiteten, aktualisierten und erweiterten zweiten Auflage vor. Nach wie vor handelt es sich um das Bemühen, die Lehr- und Forschungsfelder der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft im Überblick darzustellen sowie den trans- und interdisziplinären, deutlich sozialwissenschaftlichen Charakter des Faches auszuweisen. Gegenüber der ersten Auflage ist die Gliederung der Hauptkapitel unverändert: Am Beginn der Ausführungen steht eine Skizze des Faches. Aus ihr wird ersichtlich, dass man sich dem Gegenstand der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft aus unterschiedlichen Perspektiven nähern kann (Kap. 1). Es folgt eine kompakte Fachgeschichte (Kap. 2), ehe im Weiteren wichtige Begriffe erörtert werden, nämlich: Kommunikation, Massenkommunikation und Computervermittelte Kommunikation (Kap. 3). Im Anschluss daran sind die wichtigsten Lehr- und Forschungsfelder Gegenstand der Ausführungen (Kap. 4): die Kommunikator-, die Medieninhalts-, die Medien(struktur)sowie die Rezipientenforschung mit ihren Teilbereichen Media-/ Reichweitenforschung, Rezeptionsforschung und Wirkungsforschung. Kapitel 5 versucht Einblicke in den trans- und interdisziplinären Charakter des Faches zu vermitteln, indem wichtige politologische, psychologische und soziologische Aspekte der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft angesprochen werden. Kapitel 6 schließlich befasst sich mit den sozialwissenschaftlichen, quantitativen und qualitativen empirischen Forschungstechniken, die im Fach Anwendung finden, um offene Fragestellungen zu klären. Neu gegenüber der ersten Auflage sind ein Kapitel über Öffentliche Kommunikation im Mittelalter sowie über die Studentenrevolte und Kritische Kommunikationswissenschaft (im Kapitel zur Fachgeschichte); über das Web 2.0 und User-generated Content sowie Virtuelle Vergemeinschaftung (im Kapitel Computervermittelte Kommunikation); über das Image von Journalisten und die theoretischen Konzepte der Journalismusforschung (im Abschnitt über Kommunikatorforschung); über Politische Kommunikation (im Rahmen der Ausführungen zu den politologischen Aspekten der Kommunikationswissenschaft); über Kognitive Psychologie und Emotionspsychologie (im Kapitel Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft). Dem Kapitel über Empirische Forschungstechniken der Kommunikationswissenschaft wurden wichtige grundlegende Überlegungen zur quantitativen und qualitativen Sozialforschung vorangestellt. Ebenso wurde das Kapitel - innerhalb der Darstellung der einzelnen Forschungstechniken - um Ausführungen zu den qualitativen Methoden ergänzt; diese wurden in der ersten Auflage nur randständig angesprochen. Der Grundriss der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, wie er nachfolgend erarbeitet und aufbereitet wird, stellt einen von mehreren möglichen Zugängen zum Fach dar. Insofern wird hier auch keine Denkschule vertreten. Da sich der Gegenstand der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft infolge stets neuer Entwicklungen (u. a. angetrieben durch das Internet) nach wie vor ausweitet, musste auch für das vorliegende Buch eine Auswahl wichtiger Fachinhalte getroffen werden. Dabei stand das Bemühen im Vordergrund, möglichst viele und relevante Aspekte aus zahlreichen Teilgebieten des Faches zu berücksichtigen. Und wenn das Buch den Titel Publizistik- und Kommunikationswissenschaft trägt, so deshalb, weil sich das Fach nicht nur, aber doch vor- <?page no="13"?> Vorwort 14 wiegend mit Formen und Gegenständen öffentlicher, also publizistischer Kommunikation, befasst. Der Einfachheit halber ist in den Ausführungen selbst aber meist nur von Kommunikationswissenschaft die Rede. Sofern im Text nicht anders vermerkt, sind Entwicklungen und Vorgänge im Medienwesen Deutschlands bis zur Jahreswende 2012/ 13 berücksichtigt. Dies gilt auch für die vielen Daten und Fakten, die u. a. im Abschnitt über Medienstrukturen in Deutschland aufscheinen; nur stellenweise konnten noch Ereignisse aus dem Frühjahr 2013 Berücksichtigung finden. An zahlreichen Stellen im Text gibt es Hinweise auf verlässliche Onlinequellen, denen jeweils aktuelle Informationen zum Medienwesen in Deutschland und zu anderen Themen entnommen werden können. Das Fach mit seinen zahlreichen Gegenständen einigermaßen umfassend darzustellen, ist für einen Einzelnen nicht mehr möglich. Dankenswerterweise haben mich bei der Arbeit an diesem Buch Autorinnen und Autoren unterstützt, die einzelne Kapitel oder Subkapitel beigesteuert, miterarbeitet oder überarbeitet und dabei auch auf einen einheitlichen Sprachduktus geachtet haben. Ihre Namen sind im Inhaltsverzeichnis sowie in den Beiträgen jeweils auch ausgewiesen. Für diese Unterstützung danke ich - hier in alphabetischer Reihenfolge - Philip Baugut, Helena BilandŽić, Wolfgang Eichhorn, Andreas Fahr, Nayla Fawzi, Friederike Koschel, Marcus Maurer, Magdalena Obermaier, Rudi Renger, Nina Springer, Jeffrey Wimmer, Susanne Wolf und Thomas Zerback. Ihr derzeitiges berufliches Wirken ist dem Autorenverzeichnis am Ende des Buches zu entnehmen. Für wichtige Hilfs- und Zuarbeiten sowie Literaturabgleiche danke ich Anne-Nikolin Hagemann und Ruth Humer. Benjamin Krämer hat zahlreiche Anregungen für das Kapitel über empirische Forschungstechniken beigesteuert. Nina Springer und Philip Baugut sind mir mit Rat und Tat stets zur Seite gestanden. Seitens des Verlages erwiesen sich Rüdiger Steiner, Katrina Weißer und Christiane Hörmann als hoch kooperative und zuverlässige Ansprechpartner. München, im Juni 2014 Heinz Pürer <?page no="14"?> 15 1 Einleitung Die Kommunikationswissenschaft ist eine verhältnismäßig junge Disziplin. Als Lehrfach gibt es sie in Deutschland erst seit 1916: Damals wurde an der Universität Leipzig das erste Institut für Zeitungskunde eingerichtet. Weitere Institute und Lehrstühle folgten, später auch mit Prüfungs- und Promotionsrecht. Wissenschaftliche Betrachtungen des Zeitungswesens reichen allerdings bis ins 17.-Jahrhundert zurück; sie fallen, wohl nicht zufällig, mit dem Aufkommen der periodischen Presse in Deutschland zusammen. Zu Beginn der Beschäftigung mit dem Zeitungswesen herrschte eine eher kulturpessimistische, dogmatisch-moralisierende Sichtweise vor. Im 18. Jahrhundert zeigte die Epoche der Aufklärung auch Auswirkung auf die Befassung mit dem Zeitungswesen. In der ersten Hälfte des 19.-Jahrhunderts wurde die von den Zeitungen getragene öffentliche Meinung erstmals thematisiert; und die Aufhebung der Zensur im Jahre 1848 führte im Weiteren zu einer raschen Ausdifferenzierung des Zeitungs- und Zeitschriftenwesens. In der Folge beschäftigten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Fachvertreter zahlreicher Disziplinen mit dem Pressewesen: Unter ihnen waren Staatswissenschaftler, Nationalökonomen und Juristen ebenso vertreten wie Historiker, Germanisten, Philosophen und Philologen. Es wuchs die Zahl der Publikationen über das Zeitungswesen; und es stieg auch das Angebot der an deutschen Universitäten und Hochschulen sporadisch durchgeführten zeitungskundlichen Vorlesungen und Seminare. Mit der Gründung zeitungskundlicher Institute ab 1916 aber waren wichtige erste Schritte für die allmähliche Etablierung des Fachs im deutschen Sprachraum getan (vgl. Kap. 2). Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstehende Zeitungskunde verband ihr wissenschaftliches Interesse am Phänomen Presse mit Ausbildungsbestrebungen für Journalisten. An der Wiege der Zeitungskunde, gleichsam in ihrem Entstehungsmilieu, waren im Hinblick auf die inhaltliche Ausrichtung des Faches also zwei Strömungen vorzufinden: einerseits die Forderung nach der Verwissenschaftlichung der Zeitungskunde; andererseits das Postulat nach einer systematischen Ausbildung der Journalisten. Priorität erhielt die Verwissenschaftlichung der Zeitungskunde. Sie entwickelte sich im Laufe ihrer inzwischen knapp einhundertjährigen Geschichte von der Zeitungsüber die Publizistikzur Kommunikationswissenschaft. Dabei weitete sie nicht nur ihren Fachgegenstand ständig aus, sondern sie vollzog auch einen Wandel im methodischen Vorgehen von einer historisch-hermeneutischen Geisteswissenschaft zu einer empirisch verfahrenden Sozialwissenschaft. Erst sechzig Jahre nach der Gründung der Zeitungskunde wurden in Westdeutschland Schritte unternommen, dem stets wiederkehrenden Postulat nach einer akademischen Journalistenausbildung Rechnung zu tragen. So kam es ab 1974 an mehreren westdeutschen Universitäten zur Errichtung von berufsbezogenen Diplomstudiengängen für Journalistik in Form von Grund- oder Aufbaustudiengängen, die im Zuge des sog. Bolognaprozesses in Bachelorund/ oder Masterstudiengänge überführt wurden. (Eine Art Vorläufer solcher Studiengänge ist in einem Journalistischen Seminar zu sehen, das zwischen 1897 und 1912 an der Universität Heidelberg existierte; es verband Vorlesungen über das Presse- und Nachrichtenwesen mit intensiven praktischen Übungen zum Zeitungsjournalismus). Die DDR nahm, was wissenschaftliche Journalistik betrifft, eine andere Entwicklung: Dort wurde bereits Mitte der 1950er-Jahre das Fach auf der Basis des Marxismus-Leninismus in den Dienst der sozialistischen <?page no="15"?> 1 Einleitung 16 Journalistenausbildung gestellt und in den 1960er-Jahren die Sektion Journalistik an der Karl-Marx- Universität Leipzig eingerichtet, ehe sie 1990 im Kontext der deutschen Wiedervereinigung abgewickelt und in der Folge durch neue Studiengänge ersetzt wurde (vgl. Kap. 2.12). Die moderne Kommunikationswissenschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz geht im Wesentlichen auf zwei Stränge zurück: auf die zeitungsbzw. publizistikwissenschaftliche Tradition des deutschen Sprachraumes sowie auf die (journalistikund) kommunikationswissenschaftliche Tradition angloamerikanischer Herkunft. • Die deutschsprachige Zeitungswissenschaft hatte ihrerseits nationalökonomisch-statistische und historische Wurzeln. Sie widmete sich - auch als Publizistikwissenschaft - bis in die 1960er-Jahre in hohem Maße der Journalismus- und Mediengeschichte sowie der Medienstatistik; und sie bediente sich dabei, neben der Statistik, primär geisteswissenschaftlich-hermeneutischer Methoden. Im Mittelpunkt standen Medien und publizistische Persönlichkeiten, ehe in Deutschland ab den 1950er-Jahren auch erste empirische Studien folgten (vgl. Kap. 2.9). • Am Anfang der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Journalismus und Massenmedien in den USA stand eine praktizistische Journalistik, ehe sich die Disziplin - ab Mitte der 1920er-Jahre - mit Fragen der Medienwirkungen beschäftigte. Um diese zu ergründen, bedienten sich (damit befasste) Soziologen, Sozialpsychologen, Psychologen und Politikwissenschaftler bereits damals sozialwissenschaftlicher Forschungsmethoden. Im Mittelpunkt stand - und steht - die empirischanalytische Untersuchung von Kommunikationsprozessen. Diese empirische Kommunikationsforschung, die im deutschen Sprachraum übrigens Vorläufer in den quantitativen Methoden der Staatswissenschaften (also der »Statistik«) hatte, begann ab Mitte der 1960er-Jahre in die deutsche Publizistikwissenschaft einzufließen und zunehmend um sich zu greifen. In diesem Zusammenhang ist von der »empirisch-sozialwissenschaftlichen Wende« (Löblich 2010a, 2010b) in der Publizistikwissenschaft die Rede, die mehrere Ursachen hat und Gegenstand der Ausführungen in Kap. 2.9 ist. Heute ist die Kommunikationswissenschaft ein Fach, das von der Mehrzahl seiner Fachvertreter im empirisch-sozialwissenschaftlichen Sinne verstanden und betrieben wird, ohne hermeneutisch-geisteswissenschaftliches Vorgehen gering zu schätzen oder gar auszugrenzen (vgl. Peiser et al. 2003). Auch ist ein unübersehbares Bemühen um Trans- und Interdisziplinarität zu erkennen. Aus gesellschaftswissenschaftlicher Sicht ist dieses Bemühen beinahe unumgänglich: Das Fach entlehnt ständig Fragestellungen und Kenntnisse aus anderen (Gesellschafts-)Wissenschaften, die sich ihrerseits der Kommunikationswissenschaft bedienen und deren Erkenntnisse für sich nutzbar machen. Zu erwähnen sind v. a. die Soziologie, die Psychologie, die Politikwissenschaft, die Pädagogik, die Werbe- und Wirtschaftswissenschaften, die Informatik sowie die Computerwissenschaft. In jüngerer Zeit gesellt sich eine fachliche Ausrichtung hinzu, die sich »Medienwissenschaft« nennt. Ihre Protagonisten kommen weitgehend aus der Sprach- und Literaturwissenschaft sowie aus der Germanistik und - teilweise zumindest - auch aus der Medienpädagogik; ihren Gegenstand findet sie v. a. in den formalen Angebotsweisen der Massenmedien (die für sie »Texte« sind), in deren kulturellen Leistungen sowie in der Ästhetik der Medien. Die rein historisch orientierte Kommunikationswissenschaft als pure Mediengeschichte rückt etwas in den Hintergrund, wiewohl diese fachliche Orientierung zweifellos ihre ganz großen Verdienste hat: Aus der historischen Genese lassen sich gegenwärtige kulturelle und soziale Phänomene, welcher Art auch immer, besser verstehen und erklären. Dies gilt in Deutschland, trotz - oder gerade wegen - der Zäsur durch den Zweiten Weltkrieg auch und v. a. für Erscheinungen der Massenkommunikation. <?page no="16"?> 17 1.1 Gegenstand des Faches Kommunikation ist ein Phänomen, das alle Bereiche menschlicher Existenz tangiert und durchdringt. Die Kommunikationswissenschaft hat daher einen umfassenden Fachgegenstand, den sie mit anderen Wissenschaften teilt und der in seiner Komplexität und Gesamtheit wohl nie vollständig zu erfassen sein wird. Sie befasst sich - im weitesten Sinne - mit den im gesellschaftlichen Diskurs ausgetauschten Informationen, v. a. mit den über die klassischen Massenmedien und die Onlinemedien vermittelten Botschaften, ihren Entstehungs- und Verbreitungsbedingungen sowie Rezeptionsprozessen. Gegenstand des Faches ist insgesamt also das Phänomen der gesellschaftlichen Kommunikation. Dieses lässt sich allgemein gliedern in: • interpersonale Kommunikation (Face-to-face-Kommunikation); • technisch vermittelte (Tele-)Kommunikation (Telefon, Mobilfunk, SMS, MMS, Sprechfunk, Telex, Teletext, Telefax, Telefoto, Datenfernübertragung etc.); • Massenkommunikation (Print, Radio, Fernsehen, Film/ Kino, Unterhaltungselektronik einschließlich Nachrichtendienste und Nachrichtenwesen) sowie • computervermittelte (On- und Offline-)Kommunikation in ihrer vielfältigen Erscheinung als Individual-, Gruppen- oder Massenkommunikation. Der Lehr- und Forschungsschwerpunkt lag dabei für lange Zeit im weiten Feld dessen, was allgemein als Massenkommunikation bezeichnet wird. Er umfasste also die traditionellen Massenmedien Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen. In exorbitant zunehmendem Maße aber gilt die Aufmerksamkeit des Faches dem, was allgemein als Multimedia/ computervermittelte Kommunikation bezeichnet wird - also infolge der Digitalisierung die Verschmelzung bzw. technische Konvergenz von Telekommunikation, Computer, Unterhaltungselektronik und Medienindustrie in Form der Onlinekommunikation, der interaktiven Medien (einschließlich der Offlinemedien wie CD- ROMs) sowie des digitalen Radios und Fernsehens. Sowohl zwischenmenschliche, mehr aber noch medien- und computervermittelte Kommunikation sind in gesamtgesellschaftliche, soziopolitische Bezüge eingebunden. Daher gilt die Aufmerksamkeit der Kommunikationswissenschaft weniger den Manifestationen originärpublizistisch verbreiteter Kommunikation (wie öffentliche Reden), sondern v. a. der klassischen Massenkommunikation (Zeitung, Zeitschrift, Radio, Fernsehen) sowie der Onlinemedien in ihren vielfältig ausgeprägten Erscheinungsformen. Das Fach befasst sich u. a. mit: • den rechtlichen und politischen Bedingungen, die den Ordnungsrahmen für Kommunikation, Massenkommunikation und computervermittelte bzw. Onlinekommunikation vorgeben; • den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten und wirtschaftlichen Zwängen, unter denen sich (Massen-)Kommunikation und Onlinekommunikation vollziehen; • den unterschiedlichen Organisationsformen, Medienverfassungen und Strukturen, die im System Massenkommunikation und bei den Onlinemedien vorzufinden sind; • den technisch bedingten Funktionsweisen und Eigengesetzlichkeiten der Massenmedien und Onlinemedien, die sowohl für die Gestaltung der über sie vermittelten Botschaften wie auch für Rezeption und Wirkung der vermittelten Kommunikate bzw. Inhalte von Bedeutung sind; • den Medienschaffenden (Kommunikatoren, Journalisten, Programmgestaltern etc.), die die Inhalte und Programme der Massenmedien und Onlinemedien unter je unterschiedlichen Gegebenheiten und Bedingungen produzieren; • den Bedingungen und Prozessen publizistischer Aussagenentstehung, die wesentlichen Einfluss auf jene Wirklichkeit haben, die wir Medienwirklichkeit nennen (und die mit der »realen Wirklichkeit« nicht einfach gleich gesetzt werden kann); <?page no="17"?> 1 Einleitung 18 • den Rezeptionsgewohnheiten und Nutzungsweisen der Medienkonsumenten, also mit dem Publikum der klassischen Massenmedien und der Onlinemedien und der Art und Weise, wie das Publikum Medienbotschaften auswählt, aufnimmt und nutzt; • der Kommunikation in sozialen Netzwerken, in Blogs und Mikroblogs, in Nutzerkommentaren, Postings etc.; • den individuellen Wirkungen und gesellschaftlichen Folgen, die von medienbzw. computervermittelter Kommunikation ausgehen können; • dem Verhältnis von Politik und Medien, d. h. mit Aspekten der Kommunikationspolitik und der politischen Kommunikation, insbesondere mit medialer Politikvermittlung; • Public Relations und Werbung sowie deren Abgrenzung von journalistischer Kommunikation; • der Erforschung von Organisations- und Unternehmenskommunikation; • nicht zuletzt gehören aber auch der Massenkommunikation vorgeschaltete und nachgelagerte Erscheinungen wie etwa das Nachrichtenwesen, die Markt- und Meinungsforschung sowie Marketing und Medienmanagement zum Gegenstand der Kommunikationswissenschaft. Die Zeitungs- und Publizistikwissenschaft der 1950er- und 1960er-Jahre konzentrierte sich in ihren Lehr- und Forschungsbemühungen im Wesentlichen auf die Kernbereiche Presse, Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) und Film sowie - in geringerem Ausmaß - auf originäre Publizistik, deren Bedeutung weiterhin schwindet und damit auch das wissenschaftliche Interesse an ihr. Als hochkomplex erweist sich die Erforschung zwischenmenschlicher (Face-to-face-)Kommunikation, der sich neben der Kommunikationswissenschaft v. a. Sprachforscher, Psychologen, Soziologen und Pädagogen annehmen. Im Gefolge neuer Entwicklungen im Medienbereich weitete die Kommunikationswissenschaft ihren Fachgegenstand verständlicherweise aus. Ihr Interesse gilt neben Presse und Rundfunk seit geraumer Zeit, wie erwähnt, auch den »neuen Medien«, (insbesondere Kommunikation in und mittels Onlinemedien) sowie weiteren bereits angeführten »Materialobjekten«. Wenn sich die Kommunikationswissenschaft also in erster Linie gegenwärtiger und aktueller Phänomene von Individual-, Gruppen- und Massenkommunikation sowie Onlinemedien annimmt, so sollte dies nicht zu einer Vernachlässigung traditioneller Forschungsfelder führen. Dies gilt insbesondere für die historische Kommunikationsforschung: Ihre nicht einfach zu bewältigende Aufgabe ist es, die Mediengeschichte zur Kommunikationsgeschichte weiterzuentwickeln und die bisherige historische Entwicklung der Massenmedien in ihre jeweiligen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Kontexte einzubetten. 1.2 Das Lehr- und Forschungsfeld Die Kommunikationswissenschaft hat also, wie dargelegt, einen umfassenden Untersuchungsgegenstand. Sie stellt somit ein weites (und sich im Zuge der rasanten Entwicklung im Medienbereich immer noch ausweitendes) Lehr- und Forschungsfeld dar. Dies ist wohl der Grund dafür, dass es nur wenige Versuche gibt, ihren komplexen Fachgegenstand modellhaft aufzubereiten, wie dies aus Abb.-1 ersichtlich ist. Das Modell bzw. die Systematik ist in mehr oder weniger modifizierter Form auch in andere Lehrbücher eingeflossen (vgl. Beck 2010, S. 163; vgl. Bonfadelli et al. 2010, S. 6). Solche Modelle bzw. Systematisierungsversuche sind bisweilen auch nicht unproblematisch; nur selten gelingt es nämlich, alle denkbaren Teildisziplinen gebührend zu berücksichtigen. Zudem besteht beim Aufgliedern immer die Gefahr, ein Fach in scheinbar zusammenhangslose Teilbereiche zu zerstückeln. <?page no="18"?> 1.2 Das Lehr- und Forschungsfeld 19 Die nachfolgende Systematik (vgl. Abb. 1) versucht zweierlei: Sie will zum einen die wichtigsten Lehr- und Forschungsfelder der Kommunikationswissenschaft ausweisen; und sie möchte zweitens den trans- und interdisziplinären Charakter des Faches als Sozialwissenschaft aufzeigen und damit deutlich machen, dass man sich dem Gegenstand Kommunikationswissenschaft aus je unterschiedlichen Perspektiven nähern kann. Abb. 1: Das Lehr- und Forschungsfeld der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Als eine unter mehreren Möglichkeiten bietet es sich an, einen solchen Systematisierungsversuch am Beispiel eines vereinfacht dargestellten publizistischen Prozesses vorzunehmen. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass solche Prozesse in soziopolitische, -ökonomische, -kulturelle und technologische Bezüge eingebettet sind. Ausgangspunkt ist folgendes, aus der traditionellen Massenkommunikation stammende Denkmodell (das im Prinzip auch auf Formen computervermittelter Kommunikation anwendbar ist): Ein Journalist (= Kommunikator) berichtet über ein beobachtetes Ereignis in seinem Beitrag (= Aussage) in einer Zeitung oder im Rundfunk (= Medium); er wendet sich dabei an ein Publikum (-=-Rezipienten) und beabsichtigt bzw. erzielt - möglicherweise in anderer als intendierter Weise - eine Wirkung (= Wirkung). Der amerikanische Kommunikationsforscher Harold D. Lasswell hat dieses Modell in seiner bereits 1948 geprägten und weithin bekannten Formel festgehalten (vgl. Lasswell 1948, 37-51): who says communicator what content in which channel medium to whom recipient, audience with what effect effect (eigene Darstellung) PUBLIZISTIK- UND KOMMUNIKATIONSWISSENSCHAFT Kommunikator-Forschung Aussagen-Forschung Medien-(Struktur-)Forschung Rezipienten-/ Wirkungs- Forschung Historische Aspekte (Kommunikationsgeschichte) Soziologische Aspekte Politologische Aspekte Psychologische Aspekte Juristische Aspekte Pädagogische Aspekte Linguistische Aspekte Philosophisch-anthropologische Aspekte Ökonomische Aspekte Technologische Aspekte <?page no="19"?> 1 Einleitung 20 Lasswell fragt also nach den Bestandteilen des Kommunikationsprozesses, den er als System sieht. Zugleich ermöglicht seine Systematik eine Zuordnung einschlägiger Forschungsbereiche der Kommunikationswissenschaft (vgl. Burkart 2002, S. 492ff). Dementsprechend lassen sich in der Kommunikationswissenschaft in einem ersten Schritt die folgenden wichtigen (voneinander nicht immer exakt abgrenzbaren - vgl. w. u.) Forschungsfelder ausfindig machen: Kommunikator-Forschung: hat die Medienschaffenden, die Journalisten, die Programmgestalter etc. in der Massenkommunikation und der computervermittelten Kommunikation, aber auch Kommunikatoren in der Werbe- und Organisationskommunikation etc. in ihrem (engeren oder weiteren) Berufsumfeld zum Untersuchungsgegenstand; Aussagen-Forschung: befasst sich mit den in Massenmedien sowie in Formen computervermittelter Kommunikation (z. B. in Foren, Chats, Blogs, in sozialen Netzwerken, Tweets, mobilen Diensten, Applikationen etc.) sowie in der Werbe- und Organisationskommunikation vorfindbaren Inhalten (Kommunikaten); Medien-Forschung: untersucht die klassischen Massenmedien sowie an Öffentlichkeiten gerichtete Onlinemedien in ihren vielgestaltigen Ausprägungen, in ihren Strukturen und Organisationsformen, in ihren formalen Angebotsweisen, technisch bedingten Eigengesetzlichkeiten und Funktionsweisen; Rezipienten-Forschung: legt den Fokus auf die Nutzer der Massenmedien, die Leser, Hörer, Zuschauer und User, ihre Nutzungsgewohnheiten, Nutzungsmotive und Nutzungserwartungen; Wirkungs-Forschung: versucht, den Folgen von Kommunikation, Massenkommunikation sowie computervermittelter Kommunikation auf den Grund zu gehen, den individuellen wie sozialen Wirkungen - den Wirkungen im Bereich der Kenntnisse und des Wissens, der Einstellungen und Meinungen, des Handelns und der Verhaltensweisen sowie der Emotionen bzw. Gefühle. Keines der hier aufgezählten Lehr- und Forschungsfelder kann jedoch ausschließlich für sich betrachtet werden (s. o.). Da zahlreiche Fragestellungen eines Forschungsfeldes oftmals andere tangieren, ist es sinnvoll, je nach Forschungsfrage andere Feldbereiche mit zu berücksichtigen. Dies lässt sich exemplarisch etwa an der Kommunikatorforschung (am Beispiel der Journalismusforschung) aufzeigen (vgl. Kap. 4.1). Die Zeitungs-, Hörfunk- und Fernsehjournalisten sowie ihre Kollegen in professionell arbeitenden Onlineredaktionen agieren nicht im ›luftleeren Raum‹. Sie sind - je nach Medienbetrieb - eingebunden in eine Redaktion mit in aller Regel hierarchischen Strukturen; sie arbeiten unter spezifischen Bedingungen der Redaktionsausstattung, unter Zeit- und Konkurrenzdruck sowie unter ökonomischen Zwängen und Marktanforderungen; sie gehören Medienunternehmen mit unterschiedlichen Organisationsstrukturen an; sie verfügen über ein mehr oder weniger konkretes Publikumsbild; nicht zuletzt haben sie je unterschiedliche Erziehungsstile und Prozesse der gesellschaftlichen und beruflichen Integration (Sozialisation) erfahren. Kommunikatorforschung wird also im Kern speziellen Berufsfragen (z. B. des Journalismus) auf den Grund gehen; zugleich wird sie (daneben) aber auch andere Aspekte mitergründen - Aspekte, die Bereiche wie z. B. die Aussagen-, Medien- oder Rezipientenforschung tangieren, um sich so ein zuverlässiges und differenziertes Bild über eine untersuchte Kommunikatorengruppe zu machen. Gleiches gilt vice versa für die Erforschung der anderen Bereiche. <?page no="20"?> 21 1.3 Der transdisziplinäre Charakter des Faches Kommunikationswissenschaft wird gegenwärtig primär aus einem sozialwissenschaftlichen Verständnis heraus und oftmals auch transdisziplinär betrieben. Je nach konkreter Fragestellung werden Phänomene individueller und/ oder gesellschaftlicher Kommunikation (»Materialobjekt«) unter je unterschiedlichem Erkenntnisinteresse (»Formalobjekt«) ergründet. Im Folgenden seien exemplarisch und damit ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit einige Fachperspektiven genannt, anhand deren der transdisziplinäre Charakter der Kommunikationswissenschaft, insbesondere der sozialwissenschaftliche, gut deutlich gemacht werden kann (ohne andere Fächer bzw. Perspektiven gering schätzen, vernachlässigen oder ausgrenzen zu wollen): historisch Kommunikations- und Mediengeschichte, nach Möglichkeit unter Berücksichtigung der jeweiligen politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen und technischen Gegebenheiten und Bedingungen; oder: Medien als Geschichtsquelle; nicht zuletzt auch kommunikationstheoretische Fragestellungen fachgeschichtlicher Art; philosophisch-anthropologisch Kommunikation als Grundvoraussetzung menschlicher Existenz sowie individueller und sozialer Entfaltung; medienvermittelte Kommunikation in ihrer Bedeutung für zwischenmenschliche Kommunikation; Ethik der sozialen Kommunikation; soziologisch Massenmedien und ihre Bedeutung für die Gesellschaft: Sozialisation durch Massenkommunikation, Medien als Vermittler von gesellschaftlichen Werten, Normen, Rollen und Verhaltensweisen; aber auch: Merkmale und Modalitäten von Individual-, Gruppen- und Massenkommunikation sowie Kommunikation in sozialen Netzwerken; psychologisch Kommunikations- und Medienwirkungen auf das Individuum, auf sein Wissen, Denken, Fühlen, Handeln bzw. Verhalten; Kommunikations- und Medienpsychologie; politologisch Kommunikations- und Medienpolitik, politische Grundlagen und Strukturen von Massenkommunikation; Politikvermittlung und Massenmedien; Medialisierung der Politik; demokratietheoretische Bedeutung der Massenmedien; Medien, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung; politische Rhetorik; ökonomisch Medienökonomie und Medienwettbewerb; Konzentration und Monopolbildung im Bereich der klassischen Massenmedien und der Onlinemedien; volkswirtschaftliche Bedeutung der Massenmedien; betriebswirtschaftliche Grundlagen von Presse, Funk, Fernsehen, Film, »neuen Medien«; Medieninhalte und -programme als wirtschaftliche Güter; pädagogisch Massenmedien als Lehr- und Lerngegenstand in Schule und Erwachsenenbildung; Kinder und Medien; Vermittlung aktiver und passiver Medien- und Computerkompetenz; auch Medienanwendung, Medienverwendung und Unterrichtstechnologie; linguistisch Kommunikation, Massenkommunikation, computervermittelte Kommunikation und Sprache; Massenmedien, Sprachgebrauch und Sprachverhalten; Verstehen und Verständlichkeit in Kommunikation und Massenkommunikation; Massenmedien und Alltags- <?page no="21"?> 1 Einleitung 22 sprache; Sprechakttheorie; Sprache in der computervermittelten Kommunikation und in Onlinemedien; rechtswissenschaftlich Kommunikations- und Medienrecht nationaler, internationaler und supranationaler Art (z. B. nationale Presse- und Rundfunkgesetze, Telemedienrecht, Fernmelderecht; EU-Recht etc.); Medien- und Kommunikationskontrolle (Berührungen zu/ mit politologischen Aspekten) medientechnologisch Telekommunikations- und Medientechnik; Satellitentechnik; Datenkompression, Digitalisierung und Konvergenz; Informatik, Usability-Forschung etc. Zu ergänzen ist dieser Katalog u. a. um kulturwissenschaftliche, kunstwissenschaftliche sowie informationswissenschaftliche Perspektiven; diese gewinnen in der Kommunikationswissenschaft zunehmend Aufmerksamkeit und Bedeutung. Abgrenzungen der hier dargelegten einzelnen Perspektiven sind in aller Regel nicht so einfach möglich, zumal Übergänge in andere Perspektiven und Fächer fließend sein können. 1.4 Theoretische Zugänge und wissenschaftliche Methoden Die Aufarbeitung eines Forschungsfeldes (z. B. Rezipientenforschung) und einer gewählten Perspektive (z. B. die psychologische) kann je nach konkreter Fragestellung bzw. Hypothese und je nach wissenschaftlichem Standort des Forschers aus unterschiedlichen theoretischen Positionen bzw. Theorien heraus erfolgen. Unter Theorien versteht man Begründungszusammenhänge, die eine (in unserem Fall gesellschaftliche) Wirklichkeit - das Ganze - oder nur einen Ausschnitt davon - die Teile - zu erklären versuchen. Dabei kann man aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht zwischen Makro-, Meso- und Mikrotheorien unterscheiden. Makrotheorien zeichnen sich durch eine ganzheitliche Betrachtung eines Materialobjektes (z. B. das Materialobjekt »Kommunikation« oder »Massenkommunikation« oder »Onlinekommunikation« als Ganzes) sowie durch einen hohen Abstraktionsgrad aus und beanspruchen eine »große Reichweite«. Dazu gehören systemtheoretische, konstruktivistische oder etwa kritisch-theoretische Ansätze sowie z. B. Ansätze in der Tradition der Cultural Studies. Mesotheorien beziehen sich auf einen Teilausschnitt des gesellschaftlichen Phänomens Massenkommunikation (z. B. Journalismustheorien, Medientheorien, PR-Theorien, Werbetheorien, Theorien zur Onlinekommunikation etc.) und stellen somit in aller Regel Theorien »mittlerer Reichweite« dar. Mikrotheorien wie etwa jene der Kommunikations- und Medienpsychologie beschränken sich auf ausgewählte, eher klein dimensionierte, gleichwohl hochkomplexe Teilbereiche der Kommunikation und beanspruchen nur »geringe Reichweite«. Dazu gehören z. B. zahlreiche Theorien über individuelle Wirkungen der Massenmedien, also etwa (sozial-)psychologisch begründete Handlungstheorien, der Symbolische Interaktionismus, die Lern- und Verhaltenstheorien, Einstellungstheorien etc. Da es nicht nur in der Kommunikationswissenschaft, sondern generell in den Sozialwissenschaften streng allgemein gültige Theorie-Aussagen (sog. Allaussagen) nicht gibt, wird oftmals nicht von Theorien, sondern richtiger - und bescheidener - von »theoretischen Ansätzen« gesprochen (vgl. Burkart 2002, S. 423). Die internationale Kommunikationswissenschaft verfügt über zahlreiche theoretische Ansätze unterschiedlicher Herkunft, Reichweite und Güte. Auch die deutschsprachige Zeitungs-, Publizistik- und Kommunikationswissenschaft hat zahlreiche solcher Ansätze hervorgebracht. Auf folgende theo- <?page no="22"?> 1.4 Theoretische Zugänge und wissenschaftliche Methoden 23 retische Ansätze kann man verweisen, die sowohl die Entwicklung des Faches im deutschen Sprachraum wie auch die Vielfalt unterschiedlicher theoretischer Zugänge widerspiegeln (hier in etwa in der Chronologie ihres Entstehens): • der (bereits aus den 1930er-Jahren stammende) normative Denkansatz Emil Dovifats (vgl. Dovifat 1968; Pürer 1978; Hachmeister 1987, S. 79ff; Pürer 1998, S. 141f ); • der ursprünglich auf Karl d’Ester sowie Otto Groth (1960) zurückgehende (im Fach wenig rezipierte und diskutierte) zeitungswissenschaftliche Denkansatz, wie er von Hans Wagner vertreten wird und von ihm auch fortentwickelt wurde (vgl. Groth 1960ff; Wagner 1978, 1995a, 1995b; Groth 1995 [Reprint]; Wagner 1997). • der in den 1950er-Jahren formulierte Ansatz der systematischen Publizistik Walter Hagemanns (vgl. Hagemann 1966; Pürer 1978; Hachmeister 1987, S. 130ff; Pürer 1998, S. 142ff; Hemels et al. 2000; Wiedemann 2012); • die in den 1960er-Jahren entstandene funktionale Publizistik Henk Prakkes (vgl. Prakke 1968; Pürer 1978; Hachmeister 1987, S. 230ff; Pürer 1998, S. 145ff; Hemels et al. 2000 sowie v. a. Klein 2006) • der 1963 erstmals veröffentlichte Ansatz Gerhard Maletzkes (vgl. Maletzke 1963; Pürer 1978, 1998, S. 149ff, Wagner 1995b; Burkart 2002, S.-499ff), dessen viel beachtetes Prozessmodell der Massenkommunikation von Roland Burkart und Walter Hömberg im Hinblick auf computervermittelte (Gemeinschafts-)Kommunikation weiterentwickelt wurde (vgl. Burkart/ Hömberg 1998, 2012); • die ideologiekritischen Ansätze aus dem Umfeld der Frankfurter Schule, die Ende der 1960er-/ Anfang der 1970er-Jahre aufgekommen sind (vgl. Enzensberger 1973; Negt 1973; Baacke 1974; Pürer 1978; Glotz 1997; Pürer 1998, S. 163ff; Schicha 2010; aktuell Scheu 2012); • die ebenfalls aus den 1970er-Jahren stammenden materialistischen bzw. neomarxistischen Ansätze (vgl. Holzer 1973; Dröge 1973; Hoffmann 1973; Schreiber 1984; Pürer 1973, 1998, S. 168ff; Holzer 2012; aktuell Scheu 2012); • der demokratietheoretische Ansatz von Rainer Geißler (vgl. Geißler 1973, 1976, 1979; Burkart 2002); • die Ende der 1960er-Jahre erstmals formulierten, vorwiegend auf den Journalismus bezogenen und in der Folge vielfältig im Fach verorteten und weiterentwickelten systemtheoretischen Überlegungen Manfred Rühls (vgl. Rühl 1969, 1980, 1996; Löffelholz 2000; Scholl 2002; Weber 2010a; Saxer 2012) sowie die systemtheoretische Medientheorie Niklas Luhmanns (vgl. Luhmann 1996; zuletzt 2004); • der verständigungsorientierte Ansatz nach Jürgen Habermas (die sog. Theorie des kommunikativen Handelns - vgl. Habermas 1981, 1984, 1990; Burkart 2002; Burkart/ Lang 2012) sowie auch handlungstheoretische Ansätze (vgl. Esser 2007; Reinemann 2007; Bucher 2000); • der in den 1990er-Jahren auf die Kommunikationswissenschaft allgemein sowie auf den Journalismus im Besonderen bezogene (radikale) Konstruktivismus (vgl. Schmidt 1994; Merten 1995, 1999; Weber 1995, 1997; Scholl/ Weischenberg 1998; Scholl 2002; Weber 2010 b); • der auf Journalismus und Medien bezogene organisationstheoretische Ansatz (Altmeppen 2006, 2007; Bruch/ Türk 2007); • der auf Journalismus und Medien bezogene institutionentheoretische Ansatz (Kiefer 2010; Donges 2006; Künzler et al. 2013) • milieu- und lebensstilbezogene Ansätze, insbesondere mit Bezugnahme auf das Kapital-, Feld-, Habitus-Konzept von Bordieu (Raabe 2005, 2007; Hanitzsch 2007, Hradil 2007; Willems 2007; Meyen/ Riesmeyer 2009); • ökonomikorientierte Ansätze (Jäckel 2007, Fengler/ Russ-Mohl 2007, 2005; Just/ Latzer 2010); <?page no="23"?> 1 Einleitung 24 • nicht zuletzt auch allgemeine und spezielle Ansätze mittlerer Reichweite in den Public Relations, wie sie dem »Handbuch der Public Relations« (Bentele et al. 2007; vgl. auch Signitzer 2012) zu entnehmen sind. • Weiter zu erwähnen sind Theorien der Werbung (u. a. Rust 2012), der Medienpädagogik (u. a. Baacke 2012), Theorien der Cultural Studies (u. a. Pirker 2010); sowie etwa auch Feministische Medientheorien (u. a. Moser 2010). Hinzu kommen zahlreiche, mehrheitlich aus dem angloamerikanischen Raum stammende und in die deutschsprachige Kommunikationswissenschaft übernommene theoretische Ansätze unterschiedlicher Reichweite, die sich z. B. auf Prozesse journalistischer Aussagenentstehung (wie die Gatekeeper- und Nachrichtenwerttheorien - vgl. u. a. Galtung/ Ruge 1965; Schulz 1976; Staab 1990; Eilders 1997; Fretwurst 2008; Maier et al. 2010) sowie v. a. auf individuelle und gesellschaftliche Wirkungen bzw. Folgen von Publizistik und Massenkommunikation beziehen (vgl. u. a. Schenk 2007; Bonfadelli 2003,2004; Jäckel 2005; Winterhoff-Spurk 2004). Dazu gehören auch Theorieansätze über Wirkungen von Gewaltdarstellungen in den Massenmedien (vgl. u. a. Kunczik/ Zipfel 2006; Kunczik 2002; Brosius/ Schwer 2008). Bezüglich der zahlreichen in der Kommunikationswissenschaft vorzufindenden Wirkungstheorien soll der Hinweis nicht fehlen, dass die von Elisabeth Noelle-Neumann (1980) entworfene Theorie der Schweigespirale (vgl. Kap. 5.2.7) sowie der von Werner Früh und Klaus Schönbach (1982) entwickelte dynamisch-transaktionale Ansatz (vgl. Kap. 4.4.3.4) Theorieentwürfe deutschsprachiger Provenienz sind, die auch außerhalb Deutschlands, v. a. in der angloamerikanischen Kommunikationswissenschaft, rezipiert und diskutiert werden. Zu vielen der oben erwähnten (sowie zahlreichen hier nicht angesprochenen) Theorien bzw. theoretischen Ansätzen gibt es mehrere Überblicksdarstellungen und Sammelbände (vgl. u. a. Kunczik 1984; Bentele/ Rühl 1993; Bentele/ Beck 1994; Weber 2010c; Burkart/ Hömberg 2012; Rühl 2012). Modelltheoretische Darstellungen sind u. a. z. B. den Publikationen von Roland Burkart (2002), Denis McQuail (2012), Michael Kunczik und Astrid Zipfel (2005) sowie Heinz Bonfadelli et al. (2010) zu entnehmen. Viele theoretische Ansätze sind auch in die Ausführungen mehrerer Abschnitte der vorliegenden Publikation integriert. Aus dem eben Ausgeführten über den Theorienpluralismus des Faches geht hervor, dass es die eine (Gesamt-)Theorie für Kommunikation, Massenkommunikation oder Onlinekommunikation, für Journalismus, PR, Organisationskommunikation oder Werbung etc. nicht gibt. Gerhard Maletzke resümierte 1998 kritisch, dass die Kommunikationswissenschaft von dem Ziel eines empirisch kohärenten Systems von Allgemeinaussagen noch weit entfernt sei. »Gegenwärtig besteht diese Wissenschaft unter dem Aspekt der Theorienbildung aus einer großen Zahl von Einzelsätzen, Hypothesen, Konzepten, die unverbunden und oft untereinander unstimmig auf sehr verschiedenen Abstraktionsebenen im Raum stehen« (Maletzke 1998, S. 102). Dies gilt - teils zumindest - auch heute noch. So heißt es etwa im 2008 verabschiedeten Selbstverständnispapier der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK 2008), dass im Fach »keine alles dominierende Theorie [existiert]«. Die Kommunikationswissenschaft sei vielmehr »durch einen Pluralismus der Theorien, Methodologien und Konzepte geprägt« und leiste »mit ihren Kommunikations- und Medientheorien einen wichtigen interdisziplinären Beitrag. Der im Fach häufig vertretene Typ von ›Theorien mittlerer Reichweite‹ ist mit dem Anspruch verbunden, Aussagen über klar begrenzte Phänomene der Wirklichkeit zu treffen und immer wieder zu prüfen« (DGPuK 2008, S. 3). Ob es angesichts des Theorien- (und übrigens auch des Methoden-)Pluralismus jemals eine einheitliche Theorie von zwischenmenschlicher Kommunikation, Massenkommunikation, Onlinekommunikation, Werbekommunikation etc. geben wird, ist nicht absehbar und z. B. im Hinblick auf Medienwirkungen wohl auch nicht wünschenswert. Man stelle sich vor, es gäbe etwa in der sog. <?page no="24"?> Literatur 25 wissenschaftlichen Rhetorik, wo es um Überzeugungskommunikation geht, empirisch absolut abgesicherte, einschlägige Erkenntnisse über die Wirkung von Argumentationen und Schlussfolgerungen in der (öffentlichen) politischen Kommunikation - der Manipulation der Leser, Hörer, Zuschauer und User wäre Tür und Tor geöffnet. Um zu einer einheitlichen Theorie im Bereich der Kommunikationswissenschaft zu gelangen, ist wohl auch ihr Gegenstandsbereich und ihr Perspektivenreichtum zu umfassend und zu heterogen. Dies brachte dem Fach mitunter den Vorwurf ein, eine eklektizistische Wissenschaft zu sein, die Denkmodelle, Theoreme und Erkenntnisse aus anderen Bereichen übernimmt und in neuer Weise synthetisiert (vgl. Krallmann/ Ziemann 2001, S. 12). Dass dies nicht so sein muss, hat der prominente Schweizer Publizistikwissenschaftler Ulrich Saxer mit seinem 2012 vorgelegten (Lebens-)Werk »Mediengesellschaft« überzeugend unter Beweis gestellt (Saxer 2012). Saxer entwickelt aus kommunikationssoziologischer Perspektive zunächst eine Theorie der Medialisierung (Teil 1), ehe er im Weiteren eine Dimensionenanalyse der Mediengesellschaft vornimmt (vgl. Burkart 2012, S.-64f ). Roland Burkart sieht Saxers Medialisierungstheorie mit den »drei großen Funktionssystemen Politik, Wirtschaft und Kultur« (Saxer 2012, S. 22) »in der Nähe einer Modernisierungstheorie« (Burkart 2012, S. 64). Besonders gewürdigt werden neben vielem anderen »die überwältigende Materialfülle« und »gewaltige Systematisierungsleistung« (Brosius 2013, S. 239; vgl. auch Burkart 2012, S. 64) sowie »akribische Argumentationsführung« (Jäckel 2013, S. 268). Die Klärung theoretisch begründeter wissenschaftlicher Fragestellungen verlangt immer auch den Einsatz geeigneter Methoden bzw. Forschungstechniken. Darunter versteht man wissenschaftliche Verfahrensweisen, durch deren systematische Anwendung im Rahmen eines Forschungsplanes eine offene Fragestellung abgeklärt werden soll. Die Fragestellung bestimmt dabei die Methode (und nicht umgekehrt). In der Kommunikationswissenschaft finden folgende Methoden Anwendung: die historische Methode, die beschreibt und analysiert; der hermeneutisch-interpretative Weg, der phänomenologisch ausgerichtet ist; sowie der Einsatz quantitativer wie qualitativer empirisch-analytischer Verfahren, die heute im Fach überwiegen. Zu den letztgenannten gehören v. a. die quantifizierenden sozialwissenschaftlichen Forschungstechniken der Inhaltsanalyse, der wissenschaftlichen Befragung (Interview), der Beobachtung und experimenteller Designs (vgl. u. a. Brosius/ Koschel/ Haas 2012). Unter den qualitativen Methoden ragen das Intensiv-Interview, Gruppeninterviews, das Expertengespräch, die qualitative Inhaltsanalyse sowie tiefenpsychologische Verfahren heraus (vgl. u. a. Meyen et al. 2011; Mikos/ Wegener 2005; Lamnek 1995a und 1995b). Zu verstehenden und qualitativen Methoden der Kommunikationswissenschaft liegen Studienbücher von Hans Wagner et al. vor (Wagner et al. 1999, 2008) Literatur Altmeppen, Klaus-Dieter (2006): Journalismus und Medien als Organisationen. Wiesbaden. Altmeppen, Klaus-Dieter (2007): Das Organisationsdispositiv des Journalismus. In: Altmeppen, Klaus-Dieter et al. (Hrsg.): Journalismustheorie: Next Generation. Soziologische Grundlegung und theoretische Innovation. Wiesbaden, S. 281-302. Baacke, Dieter (Hrsg.) (1974): Kritische Medientheorien. München. Baacke, Dieter (2012): Theorie der Medienpädagogik. In: Burkart, Roland; Hömberg, Walter (Hrsg.): Kommunikationstheorien. Ein Textbuch zur Einführung. 6. Aufl. Wien, S. 198-219. Beck, Klaus (2010): Kommunikationswissenschaft. 2. Aufl. Konstanz. <?page no="25"?> 1 Einleitung 26 Bentele, Günter; Beck, Klaus (1994): Information - Kommunikation - Massenkommunikation: Grundbegriffe und Modelle der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. In: Jarren, Otfried (Hrsg.): Medien und Journalismus 1. Eine Einführung. Opladen, S. 15-50. Bentele, Günter; Rühl, Manfred (Hrsg.) (1993): Theorien öffentlicher Kommunikation. Konstanz. Bentele, Günter et al. (Hrsg.) (2007): Handbuch der Public Relations. Wissenschaftliche Grundlagen und berufliches Handeln. Mit Lexikon. 2. Aufl. Wiesbaden. Bonfadelli, Heinz (2003): Medienwirkungsforschung I: Grundlagen und theoretische Perspektiven. Konstanz. Bonfadelli, Heinz (2004): Medienwirkungsforschung II: Anwendungen in Politik, Wirtschaft und Kultur. Konstanz. Bonfadelli, Heinz et al. (2010): Einführung in die Publizistikwissenschaft. 3., überarbeitete Aufl. Bern. Brosius, Hans-Bernd (2013): Saxer, Ulrich: Mediengesellschaft. Eine kommunikationssoziologische Perspektive. Rezension in: Publizistik 58: 2013, S. 238-240. Brosius, Hans-Bernd; Schwer, Katja (2008): Die Forschung über Mediengewalt. Deutungshoheit von Kommunikationswissenschaft, Medienpsychologie oder Medienpädagogik? Baden-Baden. Brosius, Hans-Bernd; Koschel, Friederike; Haas, Alexander (2012): Empirische Methoden der Kommunikationsforschung. Opladen. Bruch, Michael; Türk, Klaus (2007): Das Organisationsdispositiv moderner Gesellschaft. In: Altmeppen, Klaus- Dieter et al. (Hrsg.): Journalismustheorie: Next Generation. Soziologische Grundlegung und theoretische Innovation. Wiesbaden, S. 263-280. Bucher, Hans-Jürgen (2000): Journalismus als kommunikatives Handeln. Zum Verhältnis von Systemtheorie und Handlungstheorie. In: Löffelholz, Martin (Hrsg.): Theorien des Journalismus, Wiesbaden, 245-273. Burkart, Roland (2002): Kommunikationswissenschaft. Grundlagen und Problemfelder. Umrisse einer interdisziplinären Sozialwissenschaft. Köln. 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Winterhoff-Spurk, Peter (2004): Medienpsychologie. Eine Einführung. 2., überarb. Aufl. Stuttgart. <?page no="30"?> 31 2 Zur Fachgeschichte Die wissenschaftliche Reflexion über gesellschaftliche Kommunikation beginnt nicht erst etwa mit der Begründung der Zeitungswissenschaft im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Vielmehr setzt die Beschäftigung mit publizistischer Kommunikation im europäischen Raum bereits mit der Entwicklung der Rhetorik in der Antike ein. Ein kräftiger Impuls ging des Weiteren von der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern (1445) sowie in dessen Gefolge vom Aufkommen erster, periodisch erscheinender Zeitungen zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus. Seither verdichtet sich das wissenschaftliche Interesse an den publizistischen Medien kontinuierlich. Mit der Begründung der universitären Zeitungswissenschaft im Jahre 1916 durch Karl Bücher war ein wichtiger Schritt zur Etablierung des Faches getan. Es entfaltete sich anfangs nur langsam und erlitt durch den Nationalsozialismus insofern eine Zäsur, als es politisch vereinnahmt wurde. Der Wiederaufbau nach 1945 ging ebenfalls nur eher zögernd voran. Erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts erhielt es durch die Errichtung neuer Institute, Studiengänge, Lehrstühle und Professuren wichtige Anschubimpulse. Die Kommunikationswissenschaft ist heute - im Vergleich zu den Naturwissenschaften, den technischen Wissenschaften, der Medizin oder der Jurisprudenz - zwar immer noch ein relativ kleines Fach; sie ist aus dem Kanon der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie ästhetisch-künstlerischer Disziplinen jedoch nicht mehr wegzudenken. 2.1 Rhetorik der Antike In der Rhetorik der Antike ist ein erster Versuch zu sehen, öffentliche Kommunikation systematisch zu durchdringen. Die Rhetorik war und ist ein »politisch und ethisch fundiertes Lehrsystem wirksamer öffentlicher Rede« (Bußmann 1990, S.-486). Und sie »bezeugt schon den engen Zusammenhang zwischen politischer Organisation einer Gesellschaft und den Formen ihrer öffentlichen Kommunikation« (Wilke 2000, S. 7). Zu ihren wohl größten Schöpfern gehörten der Grieche Aristoteles (4. Jh. v. Chr.) sowie die Römer Cicero (1. Jh. v. Chr.) und Quintilian (1. Jh. n. Chr.). Sie schufen »die wichtigsten Grundgesetze, Methoden und Techniken der öffentlichen Meinungsbildung und -führung durch das Urmedium aller Publizistik, die menschliche Stimme« (Kieslich 1972, S.-68f ). Die klassische Dreiteilung der Redegattungen in Gerichtsrede (Anklage, Verteidigung), Ratsrede (auf der Polis) sowie Lob- und Tadelrede (z. B. Festrede) geht auf Aristoteles zurück. Er unterschied bereits zwischen Redner, Redeinhalt und Zuhörer, worin man ein einfaches Kommunikationsmodell (Sender, Aussage, Empfänger) erkennen kann (Wilke 2000, S. 6). Die Dreiteilung orientiert sich an den für die Antike relevanten Kommunikationssituationen Gericht, Volksversammlung und Fest. Das umfassende Lehrsystem der antiken Rhetorik bestand, stark verkürzt wiedergegeben, aus mindestens drei Bündeln wichtiger Anleitungen. Es enthielt (vgl. Bußmann 1990, S. 648): • wichtige Elemente der Rede zur Schilderung von Geschehensabläufen (wer, was, wo, wann, wie, warum); - <?page no="31"?> 2 Zur Fachgeschichte 32 • detaillierte Schemata für die Arbeitsphasen des Redners (Stoffsammlung, Gliederung, rednerischer Ausdruck, Einprägen der Rede, Verwirklichung durch Vortrag); sowie • genaue Hinweise auf mögliche Stilarten (schlichter, mittlerer, erhabener Stil) und Stilqualitäten (Sprachrichtigkeit, Verständlichkeit, Angemessenheit, Schmuck). Die Rhetorik wurde vom Altertum über das Mittelalter bis zur Aufklärung an Hochschulen und Akademien als eigenes Fach gelehrt. Das christliche Mittelalter eignete sich das rhetorische Wissen für Bibelauslegung und Predigtlehre an. Renaissance und Humanismus brachten der Rhetorik in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens neue Höhepunkte. Im 18. Jahrhundert erfolgte die Nationalisierung der bis dahin weitgehend lateinisch-sprachigen Rhetorik und es entstanden nationalbzw. muttersprachliche Lehrbücher. Von besonderer politischer Bedeutung war die Rhetorik in der Französischen Revolution sowie im Zusammenhang mit der Entwicklung einer kritischen bürgerlichen Öffentlichkeit (Ueding/ Steinbrink 2005, S. 99f; Ueding 2009, S. 17ff). Im 20. Jahrhundert wird sie als »New Rhetoric« in den USA wieder entdeckt - als Rhetorik der Massenmedien, der politischen Kommunikation und der Werbung mit psychologischem Schwerpunkt. Von ihrer Gegenstandszuordnung als Materialobjekt der Kommunikationswissenschaft gehört die öffentliche Rede in den Bereich der originären Publizistik. In ihren Regeln finden sich nicht nur Gebote für Art, Aufbau, Stil und Form der Rede, sondern auch für die Absicht, mithilfe von Argumentation und Schlussführung in der öffentlichen Rede ein Höchstmaß an (politischer) Überzeugung zu erreichen - also das, was wir heute »persuasive Kommunikation« nennen (vgl. Hovland/ Janis/ Kelly 1953; Koeppler 2000). 2.2 Öffentliche Kommunikation im Mittelalter Die nach dem Ende der antiken Großreiche einsetzende Völkerwanderung führte zum Abhandenkommen materieller, politischer und kultureller Voraussetzungen organisierter gesellschaftlicher Kommunikation, wie es sie im Römischen Reich gab. Erst mit der Herausbildung einer neuen, stabilen Ordnung im Mittelalter »entstanden äußere Bedingungen, unter denen sich […] geordnete Kommunikationsbeziehungen« entwickeln konnten (Wilke 2000, S. 10). Mit der Herausbildung von Zentralgewalten werden »Funktionen, die später auf den modernen Staat übergehen, von korporativen Einrichtungen übernommen […]« (ebd.). Es sind dies Universitäten (damals noch nicht ›universitas literarum‹), Zünfte, christliche Orden, Klöster, städtische ›Magistrate‹ und ›Kanzleien‹ von Königen und Herzögen (Hof, Burg) sowie Bischöfen. Die Kirche hatte dabei eine besondere Stellung: Sie wirkte als übergreifende Gemeinschaft und war ein Bindeglied zwischen den Gesellschaftsschichten, sie war »der eigentliche Raum der Öffentlichkeit» (Wilke 2000, S. 11 mit Bezugnahme auf Benzinger 1970). Sie hatte einerseits besondere Bedeutung als »Trägerin und Ort der Kommunikation« und bediente sich selbst der Mittel der Kommunikation zur Verkündigung (ebd.): Die Kanzel war »Stätte amtlicher Bekanntmachung«, der Kirchplatz »Ort für das persönliche Gespräch oder die Unterredung in der (Klein-)Gruppe« (ebd.). Als Räume »okkasioneller Öffentlichkeit» (ebd.) fungierten Reichstage (von denen die Allgemeinheit eher ausgeschlossen war und man daher kaum von Öffentlichkeit sprechen konnte). Des weiteren Märkte, die neben ihrer wirtschaftlichen Funktion auch eine kommunikative hatten: Spielmänner und Sprecher zogen von Ort zu Ort, um Neuigkeiten in Reim und Lied bekannt zu machen. Sie berichteten auch von politischen Ereignissen und sensationellen Vorfällen. Oralität (mündliche Vermittlung) und Visualität (Bilder) herrschten vor (Wilke 2000, S. 11). Schriftlichkeit gab es v. a. an den Klöstern und (oft aus Klöstern hervorgegangenen) Universitäten, in denen geschrieben und mittels Abschreiben vervielfältigt wurde. Sofern <?page no="32"?> 2.3 Dogmatiker und Aufklärer im 17. und 18. Jahrhundert 33 man überhaupt von Öffentlichkeit(en) sprechen konnte, waren dies sozial voneinander relativ abgegrenzte, differenzierte Kommunikationsräume wie (hier mit Bezugnahme auf Wilke 2000 und Faulstich 1996): Burg und Hof (als Herrschafts-, Macht- und Kulturzentren); Klöster und Universitäten (als Bildungszentren); die Kirche (die quer zu und teils über den anderen Zentren stand) (vgl. Wilke 2008, S. 11); die Städte (in denen sich Verwaltungs- und Handelszentren herausbildeten); Dörfer ( die weitgehend agrarisch strukturiert waren, in denen es aber Handel gab) sowie Marktplätze (die dem Handel und der wirtschaftlichen Grundversorgung dienten). Agenten zur Herstellung von Öffentlichkeit waren kirchliche Lehrer, Prediger, ›Professoren‹, Bibliothekare und sog. Mundpublizisten, die Neuigkeiten von Ort zu Ort brachten: Fahrende, Dichter, (Bänkel-)Sänger, Spielleute. Durch Vervielfältigen (weitgehend) in den Schreibstuben der Klöster und Universitäten entstanden vorwiegend wissenschaftliche, historische und religiöse Texte (sowie auch Bilder). So gab es auch erste Drucke/ Druckwerke (in Form von sog. Blockbüchern mit ganzseitigen Einblattdrucken), ehe gegen 1445 der Buchdruck mit beweglichen Lettern aufkam. Werner Faulstich (1996) sieht im Mittelalter den Übergang von den ›Menschmedien‹ (Sänger, Erzähler, Spiele, ritualisierte Feste etc.) zu den ›Schreibmedien‹ (Blatt, Brief, Buch, aber z. B. auch bemalte Fenster mit zeitbezogenen Darstellungen). Der Funktionsverlust der ›Menschmedien‹ (»primäre Oralität«) zeichnet sich, so Faulstich, gegen Ende des Mittelalters infolge des starken Bevölkerungswachstums, der Zunahme des Wissens sowie der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern ab (vgl. Faulstich 1996, S. 269-272). 2.3 Dogmatiker und Aufklärer im 17. und 18. Jahrhundert Mit der Erfindung des Buchdrucks durch Johann Gensfleisch zum Gutenberg gegen Mitte des 15.- Jahrhunderts verlagerte sich das akademische Interesse von der Rhetorik auf die gedruckte Publizistik. Es waren vornehmlich Pädagogen, (Moral-)Theologen und Politiker, die mehr oder weniger wissenschaftlich über die Zeitungen des 17. Jahrhunderts reflektierten. Groth bezeichnet sie pauschal als Dogmatiker, da sie alle »von bestimmten Dogmen ausgingen, sei es dem absolutistisch-religiösen, sei es dem rationalistischen« (Groth 1948, S.-15). Zu erwähnen sind z. B. der Hofrat und Politiker Ahasver Fritsch sowie der lutherische Geistliche und Superintendent Johann Ludwig Hartmann. Beide richteten sich gegen den Missbrauch der Presse und gegen die Zeitungen als Laster der Zeit (vgl. Groth 1948, S.-17). Diesen kulturpessimistischen Haltungen stehen jedoch auch andere Stimmen gegenüber wie jene Christian Weises oder Daniel Hartnacks. Der Philosoph und Pädagoge Weise, ein Vorreiter der Aufklärung, tritt für die Zeitung ein und will sie zur Ausbildung verwerten (vgl. Groth 1948, S.-17). Der Pädagoge und Pfarrer Hartnack hob u. a. den Nutzen der Zeitungslektüre hervor (vgl. Groth 1948, S.-18). Nicht zu übersehen ist der Literat, Sprachwissenschaftler und Lexikograf Kaspar von Stieler, der für den Übergang von den Zeitungsdogmatikern zu den Aufklärern steht. Aus seiner 1695 verfassten Gelegenheitsschrift »Zeitungs Lust und Nutz« geht, wie der Titel bereits sagt, eine positive Sichtweise des Mediums Zeitung hervor (Stieler 1695; Meyen/ Löblich 2006, S. 73ff). Auf die moralisierenden Zeitungsdogmatiker des Barock »folgten die analysierenden Zeitungstheoretiker der Aufklärung« (Kieslich 1972, S.-70). Die Staatskunde wendete sich als »Statistik« dem Zeitungswesen zu; und auf vielen Ebenen der gehobenen Gesellschaft wurden sog. Zeitungskollegien eingerichtet (vgl. Groth 1948, S.-33). Diese Kollegien sollten die Studierenden anleiten, »die damaligen Zeitungen mit Gewinn zu lesen, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden und aus den mitgeteilten Informationen auf eventuell verschwiegene Hintergründe zu schließen« (Koerber/ Stöber 1994, S.-95). Es entstand eine Zeitungs- und Zeitschriftenkunde, zu deren prominentesten <?page no="33"?> 2 Zur Fachgeschichte 34 Lehrern Jacob Marperger, Christian Thomasius, Johann Georg Hamann, Johann Peter von Ludewig sowie der Begründer der modernen Staatswissenschaft, August Ludwig Schlözer, zählten (vgl. Groth 1948, S. 35ff). Zu den Aufklärern des ausgehenden 18. Jahrhunderts und gleichzeitig zu den ersten »Opinionisten« gehörte auch der Diplomat Joachim von Schwarzkopf (vgl. Schwarzkopf 1795). Er versuchte, »die Entwicklungsbedingungen des Zeitungswesens historisch zu klären, die Zeitungen typologisch zu ordnen, Wirkungsmechanismen zu demonstrieren und Kriterien für eine vernünftige Zeitungs- und Journalismuspolitik zu entwickeln« (Wagner 1997, S.-84). Schwarzkopf schuf laut Koszyk/ Pruys »die Grundlage der Zeitungskunde, wie sie dann in Deutschland bis ins 20. Jahrhundert betrieben wurde« (Koszyk/ Pruys 1976, S.-9). 2.4 Das 19. Jahrhundert: Opinionisten, Historiker, Ökonomen, Soziologen Für das 19. Jahrhundert ist auf mehrere Entwicklungsstadien der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Presse zu verweisen: auf die Zeit des Vormärz und die in ihr wirkenden Opinionisten; auf den Historismus und die aus ihm hervorgegangenen Pressehistoriografen; sowie schließlich auf nationalökonomische und soziologische Betrachtungen des Pressewesens als Folge des Aufkommens der Massenpresse. Mit der Wiedereinführung der 1806 aufgehobenen Zensur als Folge der Karlsbader Beschlüsse von 1819 geriet die Presse in der Zeit des Vormärz unter den Druck politischer Strömungen. Den liberalen und demokratisch gesinnten Opinionisten, die die Presse »als Organ und Spiegel der öffentlichen Meinung» sahen, standen absolutistisch gesinnte Antipoden gegenüber; für sie war die Presse ein »Werk ›subjektiver‹ und ›individueller‹ Geister zur Lenkung oder gar Manipulation der öffentlichen Meinung« (Wagner 1997, S.-84). So forderte der liberale Staatsrechtslehrer und Politiker Carl Theodor Welcker 1830 in einer Petition an die Bundesversammlung die »vollkommene und ganze Preßfreiheit« (Welcker 1830). Auf der anderen Seite stand, gleichsam als »Repräsentant des untergehenden Absolutismus« (Wagner 1997, S.-84), der protestantische Theologe Franz Adam Löffler. Er verfasste 1837 sein umfassendes Werk »Über die Gesetzgebung der Presse. Ein Versuch zur Lösung ihrer Aufgabe auf wissenschaftlichem Wege« (Löffler 1837). Es ist dies ein weitangelegtes System der Presswissenschaft, das u. a. die Wissenschaft des Pressbegriffs, eine Philosophie des Pressrechts und eine Geschichte der Druckerpresse umfasste. Löffler befasste sich auch mit der Bedeutung der Presse für die Entstehung der öffentlichen Meinung, deren soziologische Funktion er erkannte und die durch ihn zum Gegenstand der pressewissenschaftlichen Theorie wurde. Damit war der »entscheidende Schritt vom Medium zu seiner Wirksamkeit in der Gesellschaft getan« (Koszyk/ Pruys 1976, S.-9). Groth sieht in Löfflers Werk das bis dahin »umfangreichste, gründlichste und geschlossenste Werk der Publizistik« und bezeichnet Löffler als den »Begründer« bzw. »Bahnbrecher« der Publizistikwissenschaft (Groth 1948, S.-125). Ein scharfer Kritiker der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Massenpresse ist schließlich in dem Historiker, Publizisten und Politiker Heinrich Wuttke zu sehen. Sein Werk »Die deutschen Zeitschriften und die Entstehung der öffentlichen Meinung« (Wuttke 1866) stellt eine »scharfe Absage an das Bismarcksche System der Korrumpierung der Presse durch das Anzeigenwesen« dar (Koszyk/ Pruys 1976, S.-10; vgl. auch Groth 1948, S.-209-244). Eine wichtige Strömung ist des Weiteren in dem im 19. Jahrhundert aufkommenden Historismus zu sehen. Man versteht darunter die Betrachtung gesellschaftlicher Phänomene unter dem Aspekt <?page no="34"?> 2.4 Das 19. Jahrhundert 35 ihrer historischen Genese. Zu den prominenten Pressehistoriografen gehören Robert E. Prutz und Ludwig Salomon. Prutz veröffentlichte 1845 die erste »Geschichte des deutschen Journalismus«, eine groß angelegte Gesamtgeschichte des deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenwesens bis in die Zeit des Vormärz (Prutz 1845). Von Salomon stammt eine zwischen 1900 und 1906 in drei Bänden veröffentlichte »Geschichte des Deutschen Zeitungswesens« (Salomon 1906); sie galt lange Zeit als Standardwerk, ist inzwischen aber längst überholt. Die 1848 erfolgte Aufhebung der Zensur hatte eine rasche Ausdifferenzierung des Pressewesens sowie eine rapide Vermehrung des Anzeigenaufkommens (v. a. in der sog. Generalanzeigerpresse) zur Folge. Die wirtschaftliche Bedeutung der Zeitungen wurde zunehmend evident. So verwundert es nicht, dass sich Nationalökonomen und frühe Soziologen des Presse- und Nachrichtenwesens annehmen. Von Karl Knies, dem Begründer der modernen Nationalökonomie, stammt zweierlei: eine auf der Ausdifferenzierung des Nachrichtenwesens aufbauende Informationstheorie; sowie eine Theorie der Geschäftsanzeige in ihrer volkswirtschaftlichen Funktion, nämlich die Steuerung von Angebot und Nachfrage durch das Anzeigenwesen (vgl. Knies 1857; Meyen/ Löblich 2006, S. 89ff). Der Soziologe Albert E. Schäffle verweist in seinem Hauptwerk »Bau und Leben des socialen Körpers« (Schäffle 1875; vgl. auch Schäffle 1873) auf die eminente Bedeutung der Pressfreiheit für das Funktionieren der Gesellschaft und sieht in der öffentlichen Meinung die »Reaktion des Publikums«, getragen von »Wertbestimmungen«. Gleichzeitig manifestiert sich für ihn in der Tagespresse ein »Erzeugnis der bürgerlichen, kapitalistischen Epoche« und er verurteilt »Preßkorruption« und »Preßmißbrauch« (Groth 1948, S.-255-282; siehe auch Meyen/ Löblich 2006, S. 109ff). Der Nationalökonom und Begründer der Zeitungskunde, Karl Bücher, war sowohl Zeitungsstatistiker wie auch Zeitungshistoriker. Von ihm stammt eine Fülle zeitungskundlicher und zeitungswirtschaftlicher Veröffentlichungen (vgl. Bücher 1926; Groth 1948, S.-354f ). Die Bedeutung der Zeitung sieht er in ihrer Leistung als Vermittler »zwischen dem Volk und seinen führenden Geistern«, als »Stützorgan der Volkswirtschaft« sowie als »Organ der öffentlichen Meinung«. Der kulturelle Nutzen der Tagespresse ist für ihn unbestritten, ihren Schaden sieht er in ihrer Eigenschaft als »kapitalistische Unternehmung«. Insgesamt betrachtete Bücher die Geschichte des Zeitungswesens als einen Teil der Kulturgeschichte (vgl. Groth 1948, S.-282-296). Zu den Soziologen, die sich der Presse widmeten, gehört auch Max Weber. Er selbst hat zwar kein Werk über die Presse geschrieben; von ihm stammt allerdings ein 1910 erarbeiteter Grundriss zu einer »Soziologie des Zeitungswesens« (Weber 1911, S.- 39-62; vgl. Kutsch 1988a, S.- 5-31; Meyen/ Löblich 2006, S. 145ff), der nie realisiert wurde, sondern einem Professorenstreit zum Opfer fiel (vgl. Obst 1986, S.-45-62). Eine angemessene Würdigung dieses Grundrisses stammt von Siegfried Weischenberg (2012). Speziell dem Nachrichtenwesen widmete sich Wolfgang Riepl in seinem 1913 publizierten Buch »Das Nachrichtenwesen des Altertums« (Riepl 1913). Riepl erarbeitete allgemeine Prinzipien und Gesetze des Nachrichtenverkehrs; von ihm stammt das Gesetz, wonach neu aufkommende Medien die alten nie gänzlich verdrängt, sondern diese gezwungen haben, »andere Aufgaben und Verwertungsgebiete aufzusuchen« (Riepl 1913, S.-5). Riepl erkannte, wie wir heute sagen würden, den Zusammenhang von Kommunikation und gesellschaftlichem Wandel (vgl. Lerg 1977, S.-9-24; und 1986, S.-134). Als Zwischenfazit der Fachgeschichte lässt sich festhalten: Das Erkenntnisinteresse an publizistischen Phänomenen, vorwiegend an der Presse, ist bis zum 20. Jahrhundert »eng verbunden mit den kulturellen und politischen Energien der jeweiligen Zeiten« und es »kumuliert in den Namen nicht weniger weltaufgeschlossener, universaler Gelehrter«; jedoch »führten diese […] von einem persönlichen Engagement durchpulsten Untersuchungen […] nicht dazu, eine selbständige Zeitungsbzw. Publizistikwissenschaft an den deutschen Universitäten durchzusetzen« (Kieslich 1972, S.-71f ). Man <?page no="35"?> 2 Zur Fachgeschichte 36 muss aber einräumen, dass insbesondere in Löffler, Schäffle und Bücher Wegbereiter für die Etablierung der wissenschaftlichen Zeitungskunde zu sehen sind. 2.5 Wissenschaftliche Zeitungskunde - Zeitungswissenschaft Lehraufträge und Seminare für Zeitungskunde gab es an Universitäten und Hochschulen des deutschen Sprachraumes bereits vor der und um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Sie gingen im Wesentlichen auf persönliche Initiativen von Hochschullehrern verschiedener Fachgebiete zurück (vgl. Wagner 1997, S.-133). Auch sind bereits vor der Jahrhundertwende Promotionen über zeitungskundliche bzw. zeitungswissenschaftliche Themen aus verschiedenen Fachgebieten wie Jurisprudenz, Nationalökonomie, Geschichte etc. bekannt (vgl. Jaeger 1926, S.-17ff). Der in Deutschland früheste Versuch, das Fach zu institutionalisieren, geht auf ein »Journalistisches Seminar« an der Universität Heidelberg zurück. Es wurde 1897 von Adolf Koch eingerichtet und bestand bis 1912 (vgl. Jaeger 1926, S.-12; Obst 1986, S.-45ff). Die endgültige Etablierung der Zeitungskunde ist Karl Bücher (vgl. u. a. Bücher 1926) zu verdanken. Er hielt bereits ab 1884 Vorlesungen über das Pressewesen, zunächst in Basel (Schweiz), ab 1892 in Leipzig. Weitere zeitungskundliche Kollegs, Vorlesungen und Seminare von Dozenten unterschiedlicher Herkunft folgten in Heidelberg, Greifswald, Danzig, Darmstadt, Berlin, Köln und München. Die wissenschaftliche Zeitungskunde begann allmählich Fuß zu fassen. Die Etablierung der Zeitungskunde erhielt des Weiteren wichtige Impulse 1) durch den von Max Weber erarbeiteten und vom Deutschen Soziologentag verabschiedeten Plan »Zu einer Soziologie des Zeitungswesens« (vgl. Meyen/ Löblich 2006, S. 145ff; vgl. Weischenberg 2012); 2) durch eine Ausbildungsresolution des Reichsverbandes der Deutschen Presse, die vorsah, dass die Vorbildung von Journalisten durch die Zeitungskunde zu pflegen sei und dass bei der Errichtung von Lehrstühlen für Zeitungskunde Medienpraktiker berücksichtigt werden sollen; 3) durch engagierte Verleger, die ebenfalls Interesse an einer praxisnahen, zeitungskundlichen Vorbildung für Journalisten hatten; nicht zuletzt aber 4) auch durch den Ersten Weltkrieg mit seiner auf die Zeitungen durchschlagenden Propagandamaschinerie. Es wuchs die Erkenntnis, dass es an der Zeit war, sich der Zeitungen und des Journalismus konsequent anzunehmen und für einen »systemreformierenden Journalismus« zu sorgen (Kutsch 1996, S.-8). Karl Bücher verfolgte genau dieses Ziel. Er verfügte aus seiner früheren Tätigkeit bei der Frankfurter Zeitung über Praxiserfahrung und nutzte als Wissenschaftler die Presse als Quelle für seine Forschungen. 1915 warf er der deutschen Presse vor, sie habe sich den Anforderungen des (Ersten Welt-) Krieges nicht gewachsen gezeigt und verfüge über ein beschämend geringes Bewusstsein von ihrer Pflicht zum Dienst an der Wahrheit. Bücher gründete 1916 in Leipzig unter Mitwirkung des Verlegers Edgar Herfurth (»Leipziger Neueste Nachrichten«) das Institut für Zeitungskunde - die erste Einrichtung dieser Art an einer deutschen Universität. Der Nationalökonom Bücher »trat von seiner Professur für Nationalökonomie zurück und widmete sich hinfort der Zeitungskunde« (Jaeger 1926, S.-14). Sein Nachfolger in Leipzig wurde 1926 der Wiener Korrespondent des liberalen Berliner Tagblattes, Erich Everth - der erste ordentliche Professor (Ordinarius) für Zeitungskunde. »Sein Ziel war es […], die Zeitungskunde als eigenständige Disziplin theoretisch zu begründen«, und zwar »als Typ einer modernen Integrationswissenschaft, die eine sozialwissenschaftliche Beziehungs- und Formenlehre umfasste« (Kutsch/ Averbeck o.J.; vgl. Lacasa 2008, 2009). Nach der Leipziger Initiative kam es in relativ rascher Folge zu weiteren Institutsgründungen. Bis 1935 entstanden zehn weitere Institute für Zeitungskunde, Zeitungswissenschaft, Zeitungsforschung (oder wie auch immer sie geheißen haben) in Münster (1919), Köln (1920), Freiburg (1923), München (1924), Nürnberg <?page no="36"?> 2.6 Publizistik(-wissenschaft) 37 (1924), Berlin (1925), Dortmund (1926), Halle (1926), Heidelberg (1927) sowie Königsberg (1935). Daneben gab es an weiteren deutschen Universitäten, Technischen Hochschulen und Handelshochschulen zeitungskundliche Lehrveranstaltungen in Form von Kursen, Seminaren und Vorlesungen. Die wissenschaftliche Zeitungskunde, die Zeitungswissenschaft, hat sich im gesamten deutschen Sprachraum nicht gerade explosionsartig entwickelt: Vielmehr ließ die Ausstattung der Institute mit Personal, Räumen und Sachmitteln zahlreiche Wünsche offen. Dennoch zeigen die Veröffentlichungen der Gründerväter, ihrer Schüler und Doktoranden, dass die »Presseforschung nicht nur Hilfswissenschaft war, sondern selbständiger Forschungsgegenstand« (Kieslich 1972, S.-72). Die wissenschaftliche Zeitungskunde orientierte sich in diesem frühen Stadium vornehmlich an juristischen, nationalökonomisch-statistischen und historischen Fragen. Im Jahr 1926 weist Karl Jaeger (1926) insgesamt 221 Dissertationen nach, die zwischen 1885 und 1922 in Deutschland erarbeitet wurden und die das Zeitungswesen zum Gegenstand hatten. Davon entfielen 74 Arbeiten auf juristische Themen, 73 auf nationalökonomisch-statistische, 34 auf historische, 26 auf germanistische, sieben auf anglistische, sechs auf romanistische sowie eine auf ein philosophisches Thema. Edith S. Grün fand für den (früheren) Zeitraum von 1874 bis 1919 des Weiteren heraus, dass ein Großteil der von ihr bibliografisch ermittelten Pressedissertationen in Deutschland an philosophischen Fakultäten und in der Tradition des Historismus entstanden war. Es handelt sich dabei vorwiegend um biografische Arbeiten über Journalisten und Publizisten sowie um Monografien von Zeitungen und Zeitschriften. Daneben sind - im weitesten Sinne - soziologische Arbeiten zur öffentlichen Meinung, einige deskriptiv-statistische struktur- und inhaltsanalytische Studien sowie Arbeiten über strafrechtlich relevante Themen vorzufinden (vgl. Grün 1986, S.-31-34). 2.6 Publizistik(-wissenschaft) Knapp zehn Jahre nach der Begründung der Zeitungswissenschaft in Deutschland kam von Karl Jaeger, einem Mitarbeiter Karl Büchers, der Vorschlag, die wissenschaftliche Zeitungskunde von ihrem Fachgegenstand her auszuweiten und in Publizistik (-wissenschaft) umzubenennen. Jaeger erkannte in Anlehnung an Walter Schöne (ebenfalls Leipzig), dass die öffentliche Meinung das Zentralproblem der Zeitungslehre darstellt. Die Urzelle der öffentlichen Meinung sah Jaeger jedoch in der Mitteilung - daher müsse jede Form der Mitteilung zum Gegenstand der Wissenschaft gemacht werden. »Das Erkenntnisziel rückt damit von der Zeitung als Ausdrucksmittel des gesellschaftlichen Bewusstseins zur Mitteilung als Ausdrucksmittel des gesellschaftlichen Bewusstseins« (Jaeger 1926, S.-67; vgl. auch Jaeger 2000). Jaeger stellt folglich den Begriff Zeitungswissenschaft in Frage, zumal er das Blickfeld »doch allzu positiv auf die Zeitung allein« umgrenzt, »während all die anderen Mittel, die auf die öffentliche Meinung wirken können, unberücksichtigt bleiben« (Jaeger 1926, S.-67). Jaeger meinte also, dass neben Zeitung und Zeitschrift auch das Flugblatt, die Flugschrift, das Nachrichtenwesen, öffentliche Rede und Verkündigung sowie insbesondere auch die damals in der Anfangsphase steckenden »neuen Medien« Rundfunk (Hörfunk) und Tonfilm zum Untersuchungsgegenstand der Disziplin gehören. »Auf der Suche nach einem Begriffe«, so Jaeger, »der jegliche Möglichkeit der Mitteilung bzw. Meinungsbildung bzw. -beeinflussung in sich schließt, stößt man, als treffendsten, auf den Begriff Publizistik, der jegliche Art der Veröffentlichung, Verkündigung deckt. Für die Wissenschaft von den Formen, Trägern, dem Wesen und den Wirkungen der Mitteilungen sagt man also am besten hinfort: publizistische Wissenschaft« (Jaeger 1926, S.-67) bzw. kurz Publizistik. Die Ideen und das Werk Karl Jaegers haben Arnulf Kutsch und Stefanie Averbeck ausführlich gewürdigt (vgl. Kutsch/ Averbeck 2000; Jaeger 2000; siehe auch Meyen/ Löblich 2006, S. 161ff). Innovatives Ideen- <?page no="37"?> 2 Zur Fachgeschichte 38 gut zur Entwicklung des Faches jenseits der Begrenzung auf Zeitungswissenschaft hat auch Hans Traub in die aufkommende Disziplin eingebracht (vgl. Beck 2009). Mit dem Vorstoß Jaegers war die Ausweitung des Materialobjektes des Faches über die gedruckten Medien hinaus in die Wege geleitet. Nur ein Teil der Fachvertreter folgte jedoch dieser neuen Terminologie. Die Zeitungswissenschaftler Karl d’Ester (München) und Walther Heide (Berlin) sowie der Privatdozent Otto Groth (Frankfurt, später München) haben sich der Programmatik und Terminologie der Publizistikwissenschaft nicht angeschlossen. Für sie hatte der Begriff ›Zeitung‹ nämlich eine andere Bedeutung: Er stand nicht (nur) für das materialisierte Objekt Tages- oder Wochenzeitung, sondern ›Zeitung‹ wurde im Sinne der alten Bedeutung von ›Nachricht‹ aufgefasst - eine Bedeutung, die der Begriff bis in die Zeit Schillers hatte (vgl. Koszyk/ Pruys 1976, S.- 12; Starkulla 1963, S.-160; Wagner 1997, S.-39). Das aufstrebende Fach befasste sich mit Fragen der Terminologie und Systematik. Als Forum dazu diente die 1926 von Karl d’Ester (München) und Walther Heide (Berlin) gegründete Fachzeitschrift »Zeitungswissenschaft«. Auch entstanden zeitungskundliche Publikationen, die bis in die 50er- und 60er-Jahre zu Standardwerken des Faches zählten und die heute mitunter noch als wertvolle Quellen zu verwenden sind. Zu erwähnen sind insbesondere: 1) Emil Dovifats 1931 erstmals erschienene »Zeitungswissenschaft«; deren erster Band stellte eine Allgemeine Zeitungslehre, der zweite Band eine Praktische Zeitungslehre dar (Dovifat 1931). Die nachfolgenden Auflagen von 1937, 1955, 1962 sowie 1976 (letztgenannte unter Bearbeitung von Jürgen Wilke) wurden daher richtigerweise als »Zeitungslehre« publiziert. 2) Otto Groths vierbändige Enzyklopädie »Die Zeitung« (Groth 1928); ihr Autor bezeichnet sie zwar als »System der Zeitungskunde (Journalistik)«, sie stellt aber eher eine Strukturbeschreibung denn einen systematischen Aufriss dar (vgl. Koszyk/ Pruys 1976, S.-12). Groth, ein erfahrener Journalist und Gelehrter, hatte - von zahlreichen Lehraufträgen abgesehen - nie eine feste Stelle als Hochschullehrer inne. Von ihm stammt auch die dreißig Jahre später teils posthum veröffentlichte Periodik »Die unerkannte Kulturmacht« (Groth 1960ff). Dieses in sieben Bänden zwischen 1960 und 1972 herausgebrachte Mammut-Werk sollte, wie ihr Untertitel versprach, eine »Grundlegung der Zeitungswissenschaft« sein, war allerdings zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung wissenschaftsgeschichtlich über weite Strecken überholt (vgl. Lerg 1977, S.-10). Hinzuweisen ist auch darauf, dass die Zeitungswissenschaft eine bedeutende Rolle bei der Vorbereitung der Internationalen Presseausstellung »Pressa« 1928 in Köln einnahm. Mehrere zeitungswissenschaftliche Institute (wie Berlin, Freiburg, Halle, München, Münster) haben dabei mitgewirkt (vgl. Klose 1986). Wissenschaftsgeschichtlich ist schließlich zu vermerken, dass die Zeitungsbzw. frühe Publizistikwissenschaft zur Soziologie sowohl Berührungspunkte suchte wie auch Abgrenzungstendenzen erkennen ließ (vgl. Averbeck 1999). Auch das Verhältnis des Faches zur Praxis blieb ungeklärt. Die Folge war, dass - zur Unzufriedenheit beider Seiten, also der Wissenschaftler wie der Praktiker - »das Fach stets zwischen der jeweils geforderten Praxisbezogenheit einerseits und der eingemahnten Wissenschaftlichkeit andererseits lavierte« (Koszyk/ Pruys 1976, S.-12; vgl. Neff 1986, S.-63-74). 2.7 Das Fach im Nationalsozialismus Von der Gleichschaltung des kulturellen Lebens durch den Nationalsozialismus blieb auch die Zeitungswissenschaft nicht verschont, die schrittweise in die Schulung des Pressenachwuchses einbezogen wurde. Dabei haben viele mitgemacht, viele andere sich aber auch verweigert. Von jenen Fach- <?page no="38"?> 2.7 Das Fach im Nationalsozialismus 39 vertretern und Funktionären, die die Entwicklung des Faches in dieser Zeit wesentlich beeinflussten, seien drei Personen hervorgehoben: Walther Heide, Karl Oswin Kurth und Hans Amandus Münster. Eine wichtige, in zahlreichen Details aber bis heute nicht vollständig geklärte Rolle als Verbindungsglied zwischen Zeitungswissenschaft und nationalsozialistischem Regime spielte Walther Heide. Er kam aus der Deutschen Volkspartei (DVP), war promovierter (Sozial-)Historiker und hatte vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten Aufgaben zunächst in der Presseabteilung der Reichsregierung im Auswärtigen Amt inne, später im innenpolitischen Referat der Reichspressestelle. Für kurze Zeit war er - bereits unter dem NS-Regime - stellvertretender Pressechef der Reichsregierung, wurde jedoch Mitte 1933 zur Disposition gestellt und übernahm Aufgaben auf dem Gebiet der Presse der Auslandsdeutschen und der offiziösen Pressekorrespondenzen. Im Frühjahr 1933 erhielt Heide eine Honorarprofessur für Zeitungswissenschaft an der Technischen Hochschule Berlin, im Sommer 1933 gründete er den »Deutschen Zeitungswissenschaftlichen Verband« (DZV). Es war dies ein privater Verein, der die lokalen zeitungswissenschaftlichen Vereinigungen auf Reichsebene zusammenführte und dessen Präsident Heide wurde (vgl. Bohrmann/ Kutsch 1975, S.-806). Aufgrund Heides politischer Kontakte auf vielen Ebenen war es ihm möglich, die Entwicklung des Faches im Dritten Reich stark zu beeinflussen. Straetz sieht in ihm jene Person, die die Zeitungswissenschaft »in den Dienst der nationalsozialistischen Sache« stellte (Straetz 1986, S.-91). Mit Karl Oswin Kurth und anderen gehörte er auch zu jenen Repräsentanten, die das Fach auf die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Zeitung eingeschränkt wissen wollten (vgl. Benedikt 1986, S.-125-129). Das NSDAP-Mitglied Karl O. Kurth absolvierte das Studium der Zeitungswissenschaft und entfaltete in der nationalsozialistischen Studentenschaft zahlreiche Aktivitäten. Er war u. a. Begründer der ersten »Zeitungswissenschaftlichen Fachschaft« (Leipzig) im Deutschen Reich. Deren wesentliche Aufgaben sah er in der Festlegung des Gegenstandes der Zeitungswissenschaft auf die Presse, in der Ausbildung des journalistischen Nachwuchses sowie in der Ausrichtung der Disziplin nach den Wünschen und Forderungen der nationalsozialistischen Presseführung. 1935 ernannte ihn Walther Heide zum Geschäftsführer des »Deutschen Zeitungswissenschaftlichen Verbandes« (DZV), im gleichen Jahr erhielt er von Heide die Stelle des Hauptschriftleiters des Fachorgans »Zeitungswissenschaft«. Den Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Karriere erreichte er 1942, als ihm für seine loyalen wissenschaftspolitischen Dienste die Leitung des (1939 von Walther Heide gegründeten) Wiener Instituts für Zeitungswissenschaft und die mit ihr verbundene Professorenstelle übertragen wurde (vgl. Kutsch 1981, S.-407). Heide, der »Treuhänder des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda« (Benedikt 1986, S.-120f ) an der Spitze des DZV, nutzte diesen Verband in zweifacher Hinsicht: Einerseits sah er in ihm eine Schaltstelle für den Ausbau des Faches; andererseits betrieb er gemeinsam mit Karl O. Kurth die Einbindung der Zeitungswissenschaft in nationalsozialistische Zielsetzungen. Es gelang ihm »die Anrechnung eines sechssemestrigen Studiums der Zeitungswissenschaft auf das Pressevolontariat« (Koszyk 1997, S.-30), und auch die einheitliche Umbenennung sämtlicher damals bestehender Institute in »Institut für Zeitungswissenschaft« sowie die Einführung eines einheitlichen Lehrplanes ab dem WS 1935/ 36 geht schlussendlich auf Heide zurück (vgl. Straetz 1986, S.-71). Darin wird den »Publizistischen Führungsmitteln« besondere Bedeutung eingeräumt. Heide, ebenso wie Kurth, ein vehementer Warner vor »einer Überfremdung der Disziplin durch Film und Rundfunk« (Straetz 1986, S.-91), erreichte auch, dass alle ab Ende der 1920er-Jahre geschaffenen Rundfunk- und Filmabteilungen an den zeitungswissenschaftlichen Instituten abgebaut werden mussten; Ausnahmen bildeten lediglich Leipzig und Berlin. Die rundfunkwissenschaftliche Arbeit wurde in der Folge 1939 dem in Freiburg i. B. errichteten und 1940 offiziell eröffneten Institut für Rundfunkwissenschaft überantwortet (vgl. Kutsch 1985). Joseph Goebbels, Reichsminister für Volksaufklärung und Pro- <?page no="39"?> 2 Zur Fachgeschichte 40 paganda, stand der Zeitungswissenschaft skeptisch gegenüber und war auch für eine Trennung zeitungswissenschaftlicher und rundfunkkundlicher Arbeit (vgl. Kieslich 1972, S.-73). Zu den Protagonisten der Zeitungswissenschaft im Dritten Reich gehörten primär Fachvertreter der zweiten Generation, unter ihnen auch Hans Amandus Münster, zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter (und empirischer Kommunikationsforscher, wie wir heute sagen würden - vgl. Kap. 2.9) bei Emil Dovifat am Deutschen Institut für Zeitungskunde (DIZ) in Berlin. Münster trat 1933 der NSDAP bei und wurde 1934 auf den Lehrstuhl für Zeitungswissenschaft der Universität Leipzig berufen (er war dort nach Karl Bücher und Erich Everth also der dritte Lehrstuhlinhaber). Münster lieferte sich mit seinen fachlichen Widersachern Heide und Kurth über Jahre hinweg Positionskämpfe über den Gegenstand der Zeitungswissenschaft. Heide und Kurth waren energische Befürworter der Eingrenzung des Faches auf das Materialobjekt Zeitung. Münster hingegen wollte die Disziplin unbedingt auch auf die Medien Rundfunk und Film ausgeweitet wissen. Unter Publizistik verstand er jene Art der Verständigung, Beeinflussung, Aussprache und Mitteilung von Mensch zu Mensch, »die im Dienst eines politischen Beeinflussungswillens wirksam ist« (Kutsch 1981, S.-402). So ist in Münster der engagierteste Verfechter einer Wissenschaft von den politischen Führungsmitteln zu sehen - Publizistik als geistige Gestaltung von einem zentralen Willen her (vgl. Münster 1934). So wurde »die ›Wissenschaft von der Publizistik‹ […] zu einer ›Wissenschaft von der politischen Publizistik‹, deren maßgeblicher Wegbereiter Münster war« (Straetz 1984, S.-79). Trotz aller Unterschiede über die Fachbezeichnung (Zeitungs- oder Publizistikwissenschaft) stimmten Münster und Kurth aber darin überein, dass die Nachricht (Mitteilung) »vornehmlich aus der Perspektive der politischen Beeinflussung« (Kutsch 1981, S.-405) zu sehen ist und dass das Wirkungsziel der Nachricht die »Willensbildung und Willensbeeinflussung«, die »politische Beeinflussung« ist (Kutsch 1981, S.- 405). Nachrichtendarbietung im nationalsozialistischen Sinne hatte der politischen Führung zu dienen, dem Einsatz im geistigen Kampf der Nation. Diesem Ziel verschrieb sich die nationalsozialistische Zeitungs- und Publizistikwissenschaft. Bei weitem nicht alle Zeitungsbzw. Publizistikwissenschaftler schlossen sich dem Regime an. Es gab Fachvertreter, die nicht bereit waren, sich an die Lehrinhalte und die Methodologie einer nationalsozialistisch ausgerichteten Disziplin anzupassen. Sie wurden entweder zwangsbeurlaubt oder in den Ruhestand versetzt (wie Erich Everth, der sich nach der nationalsozialistischen Machtergreifung als Einziger »öffentlich gegen die Presseverbote der neuen Machthaber aussprach« - Kutsch/ Averbeck o.J.), entlassen oder wegen ihrer jüdischen Abstammung aus dem Fach entfernt. Mancher wählte den Weg in die Emigration. Einige Fachvertreter entzogen sich der nationalsozialistischen Verfolgung, indem sie sich auf Arbeitsgebiete - z. B. historische Themen - zurückzogen, die unverdächtig waren (vgl. Kutsch 1984 und 1988b). Mit der Emigration deutscher Zeitungswissenschaftler nach 1933 war zugleich ein Verlust sozialwissenschaftlicher Perspektiven verbunden, wie sie ansatzweise in Deutschland im Entstehen begriffen waren (vgl. Averbeck 2001). Man kann allerdings auch nicht übersehen, dass infolge von Kompetenzüberschneidungen verschiedener Ressorts und Einrichtungen (z. B. Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Deutscher Zeitungswissenschaftlicher Verband, Reichspresseamt, Reichsrundfunkkammer u. a. m.) und daraus resultierender Machtkämpfe die offizielle Linie der nationalsozialistischen (Medien-)Funktionäre gegenüber einer Zeitungswissenschaft bzw. einer Wissenschaft von den publizistischen Führungsmitteln wenig einhellig war (vgl. Straetz 1984, S.-71). Die Medienverantwortlichen des Dritten Reiches hatten ein zumindest ambivalentes Verhältnis zur Zeitungswissenschaft. Sie wollten einerseits durchaus wissen, wie Propaganda und politische Publizistik auf das Publikum bzw. die Öffentlichkeit wirken. Zugleich hegten sie Befürchtungen, die durch die Zeitungs- (und Rundfunk-)Wissenschaft ermittelten Erkenntnisse über Technik, Funktion und Wirkung der Propaganda in öffentlicher Rede sowie <?page no="40"?> 2.8 Der Neubeginn nach 1945 41 mittels Presse, Rundfunk und Film könnten durchschaut und einer größeren Öffentlichkeit bekannt und transparent gemacht werden und sich in der Folge gegen den nationalsozialistischen Staat selbst richten (vgl. Kieslich 1972, S.-73). 2.8 Der Neubeginn nach 1945 Verständlicherweise sollte die Zeitungswissenschaft nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht dort fortsetzen, wo sie 1945 endete bzw. stand (sofern sie noch bestand). Ihre Inhalte waren weitgehend nicht Wissenschaft, sondern vorwiegend verbrämte Ideologie. Das galt auch für andere Fächer. So erscheint es selbstverständlich, dass die »langsam wieder öffnenden Hochschulen unter der Aufsicht der Besatzungsmächte […] angehalten [wurden], sich alle erneut zugelassenen Institute und deren Personal genau anzusehen. […] Die Hochschulen wollten sich zudem von belasteten Fächern und Hochschullehrern trennen. Außerdem waren viele Institute erheblich oder ganz kriegszerstört« (Bohrmann 2002, S. 16). Zahlreiche zeitungswissenschaftliche Professuren, Seminare und Dozenturen wurden geschlossen oder nicht wiedererrichtet, so z. B. Einrichtungen in Halle/ Saale, Greifswald, Hamburg, Berlin (Ost), Heidelberg, Freiburg/ Br., Köln, Aachen, Prag, Wien und Königsberg (Bohrmann 2002, S. 17ff). Zu Wiederbelebungen des Faches kam es dagegen (zunächst) in München (1946), Münster (1946), Leipzig (1946), Heidelberg (1946) und Berlin (1948, Freie Universität Berlin). Als Zentren bildeten sich in Westdeutschland - dies sei hier vorweggenommen - Berlin (Emil Dovifat), München (Karl d’Ester) und Münster (Walter Hagemann) heraus. In der Bundesrepublik wurden die Institute ab 1948 in »Institute für Publizistik« umbenannt; lediglich München hielt - bis 1974 - an der Bezeichnung »Zeitungswissenschaft« fest. (»Zeitung« stand in München als Begriff nicht für das Materialobjekt bzw. Medium Tages- oder Wochenzeitung, sondern in seiner ursprünglichen historischen Bedeutung für Nachricht und »Zeitgespräch der Gesellschaft«. Mit dem Begriff ist der zeitungswissenschaftliche Ansatz der Münchner Schule untrennbar verbunden (Wagner 1965, 1979, 1993, 2007; Aswerus 1993; Eichhorn 2004). In Ostdeutschland bzw. der späteren DDR nahm Leipzig die führende Rolle ein. Das Fach ging dort jedoch seinen eigenen Weg: Es wurde, wie noch ausgeführt werden wird (vgl. w. u.), ab Mitte der 1950er-Jahre erneut in den Dienst einer Ideologie gestellt, und zwar der Journalistenausbildung im Sinne der herrschenden Lehre des Marxismus- Leninismus (Blaum 1979, 1980). Mit der Neu- oder Wiedererrichtung zeitungswissenschaftlicher Institute nach 1945 stellte sich auch die Frage, mit welchen Personen die Professuren besetzt werden sollten. Wie erwähnt, verließen viele das nationalsozialistische Deutschland, wurden vom NS-Regime abgesetzt oder verschrieben sich der NS-Ideologie. Da Vertreter der zweiten Generation von Zeitungswissenschaftlern vergleichsweise stärker mit dem NS-Regime verstrickt waren und daher - sofern sie noch lebten - ihre Karriere nicht fortsetzen konnten, kamen mit Emil Dovifat in Berlin und Karl d’Ester in München Personen der ersten Generation ins Spiel, die weniger belastet schienen. In Münster wurde Walter Hagemann installiert. Das Verhalten bzw. wissenschaftliche Wirken der drei Genannten während des Dritten Reiches wird in der dazu vorliegenden Literatur unterschiedlich bewertet. Der Fach- und Medienhistoriker Rudolf Stöber nimmt eine vermittelnde Position ein. Er meint, der Neuanfang nach 1945 habe mit drei Wissenschaftlern begonnen, »die sich 1933 - 1945 als mehr oder minder ›angepasste Außenseiter‹ durchgeschlagen hatten. Dabei mussten Emil Dovifat und Karl d’Ester um ihre politische Rehabilitation kämpfen. Walter Hagemann hingegen konnte, da er 1933 - 1945 kaum wissenschaftlich tätig war, rasch Karriere machen. […]. Doch knapp 15 Jahre später verlor er aufgrund einer Verknüpfung politischer, wissenschaftspolitischer und privater Umstände seine Pro- <?page no="41"?> 2 Zur Fachgeschichte 42 fessur und floh später in die DDR. Die wechselnden Koalitionen zwischen den drei Protagonisten zeigen ein zutiefst zerrissenes, kleines Fach, das sich zunächst nur mühsam im akademischen Betrieb behaupten konnte« (Stöber 2002, S. 84; vgl. auch Wiedemann 2012). Hans Bohrmann merkt kritisch an, dass Karl d’Ester, Emil Dovifat, Walter Hagemann und (der habilitierte Zeitungswissenschaftler) Wilmont Haacke (vgl. w. u.) »auch die wissenschaftliche Erneuerung des Faches versäumt [haben]« (Bohrmann 2002, S. 31). Insbesondere hätten sie sich (bereits in der Weimarer Zeit) neuen Fragestellungen und Methoden verschlossen, wie sie in anderen philosophischen, wirtschaftssowie sozialwissenschaftlichen Fächern dringlich gefordert wurden. Dadurch sei auch der Aufbruch des Faches »um mehr als anderthalb Jahrzehnte verzögert [worden]« (Bohrmann 2002, S. 32). Umgekehrt räumt Bohrmann ein, dass Hagemanns Beitrag zur Neukonzeption der Publizistik(-wissenschaft) »nach 1945 gar nicht unterschätzt werden [kann]« (Bohrmann 2002, S. 26; vgl. Hagemann 1947; vgl. Wiedemann 2012). Hagemann habe »die erste wissenschaftliche Studie zur Analyse des NS-Mediensystems und dessen politischer Anleitung [veröffentlicht]« und sich in seinen Lehrveranstaltungen auch für elektronische Medien (v. a. das Radio) und den Film interessiert (Bohrmann 2002, S. 26; vgl. Hagemann 1948, 1954; Wiedemann 2012). 1956 wurde das wissenschaftliche Fachorgan Publizistik gegründet. Sein Name sollte insofern Programm signalisieren, als bewusst nicht an die Tradition der 1944 eingestellten Zeitschrift »Zeitungswissenschaft« angeschlossen werden sollte. Die Publizistik entfaltete sich u. a. zu jenem Organ, in welchem auch über das wissenschaftliche Selbstverständnis des Faches reflektiert wurde. Dieses war bis in die beginnenden 1960er-Jahre noch ein weitgehend geisteswissenschaftlich geprägtes Fach, es »überwogen medien- und kommunikatorzentrierte Perspektiven, historische und philologische Methoden sowie ein normatives Fachverständnis« (Löblich 2010a, S. 12). Das Fach stand weiterhin unter Legitimationsdruck. 1960 »empfahl der Wissenschaftsrat [sogar - Ergänzung H. P.], dieses ›Sondergebiet‹ lediglich an den Universitäten Berlin und München zu pflegen« (Huber 2010, S. 27 mit Bezugnahme auf Kutsch/ Pöttker 1997, S. 7). Dazu kam es erfreulicher Weise nicht. 2.9 Von der Publizistikzur Kommunikationswissenschaft Ein Wandel im Selbstverständnis der Publizistikwissenschaft beginnt sich ab Anfang der 1960er- Jahre zu entfalten. Für diesen Wandel steht die Bezeichnung »empirisch-sozialwissenschaftliche Wende« (Löblich 2010a und 2010b). Drei Faktoren - Löblich (2010b, S. 549) sieht in ihnen »Veränderungsdruck aus der Umwelt« - haben dabei im Wesentlichen zusammengewirkt (hier in der Reihung durch H. P.): 1) markante Einflüsse, die von der US-amerikanischen Kommunikationswissenschaft ausgingen; 2) das soziopolitische und -ökonomische Umfeld mit seinen damaligen medialen Veränderungen in Deutschland; sowie schließlich 3) der Generationenwechsel im Fach Publizistikwissenschaft. Dazu im Einzelnen: US-amerikanische Kommunikationsforschung: Diese wandte sich bereits ab den 1920er-Jahren Fragen der Medienwirkungen zu. Initialzündungen kamen aus der Medien- und Konsumindustrie sowie der Politik. Die Zeitungen und kommerziellen Rundfunkanstalten (damals nur Radio) sowie die Werbewirtschaft wollten über die Strukturen ihrer Publika (Leser, Hörer) Bescheid wissen - insbesondere über ihre Konsumvorlieben und Kaufgewohnheiten, um sie entsprechend mit Produkten bewerben zu können. Die Politik und politische Administration wiederum hatten Interesse an Kenntnissen über Wirkungen politischer Kommunikation und Beeinflussung in Presse und Rundfunk im Rahmen von Wahlkämpfen (vgl. Silbermann/ Krüger 1973, S. 38). Auf vier Felder der empirischen Kommunikationsforschung ist in diesem Zusammenhang zu verweisen (vgl. Schramm 1969): <?page no="42"?> 2.9 Von der Publizistikzur Kommunikationswissenschaft 43 1) auf die Umfrageforschung (»Sample Survey Approach») mit Höreranalysen, Wahlkampfanalysen etc.; sie ist mit dem Namen Paul Lazarsfeld verbunden; 2) auf die Propaganda-Forschung (»Political Approach») mit Untersuchungen zum Einfluss politischer Kommunikation - einer ihrer wichtigsten Protagonisten war Harold D. Lasswell; 3) auf die experimentalpsychologische Forschung (»Experimental Approach») mit der Erforschung von Kommunikation und Gesinnungswandel und deren Bedeutung für die wissenschaftliche Rhetorik; an ihrer Spitze stand Carl I. Hovland; sowie 4) auf die Kleingruppenforschung (»Small Group Approach»), die die Erforschung von Kommunikation in Kleingruppen zum Gegenstand hatte; einer ihrer ersten Repräsentanten war Kurt Lewin. Die wichtigsten empirischen Methoden dieser Forschungsrichtungen waren die Befragung, das Experiment und die Inhaltsanalyse. Relevante Literatur der US-amerikanischen Kommunikationsforschung wurde allmählich auch in Deutschland beachtet. Hinzu kam, dass auch die Nachbarwissenschaften, bzw. die Soziologie und die Politikwissenschaft, »ebenfalls auf US-amerikanische Ansätze, analytische Wissenschaftstheorie und quantitative Methoden [rekurrierten]« (Löblich 2010b, S. 550). Medienwandel, Medienpolitik, Forschungswandel: Das Medienwesen unterlag spätestens ab Mitte der 1950er-Jahre in der Bundesrepublik Deutschland einem beachtlichen Wandel: Neben die bereits bestehenden Medien Presse und Hörfunk trat (ab 1952) das Fernsehen; die Mediennutzung stieg an. Ebenso wuchs der Bedarf an journalistischen Arbeitskräften (vgl. Löblich 2010b, S. 549). Daneben vollzog sich im Pressewesen ein beunruhigender Konzentrationsprozess. Dies und anderes mehr »veränderte[n] ab den 1950er Jahren den Forschungsstand der Publizistik- und Zeitungswissenschaft und beförderte[n] die Variation von Forschungsthemen und Methoden […]. Die Medien gewannen in den 1960er Jahren an Bedeutung für Politik und Zeitkritik, Themen wie intermediärer Wettbewerb, Vielfalt und Meinungsmacht wurden öffentlich debattiert […]. Medienorganisationen, Verbände und Medienpolitiker benötigten Forschungsergebnisse, um politische und unternehmerische Entscheidungen zu planen und zu rechtfertigen […]. Verleger und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten begannen verstärkt, Studien in Auftrag zu geben, um sich mit Reichweitenzahlen und Nutzeranalysen im Wettbewerb zu behaupten […]. Ebenso wuchs in der Medienpolitik »der Bedarf an Fakten zur Medienentwicklung« (Löblich 2010b, S. 549). Die publizistikwissenschaftlichen Institute der damaligen Zeit spielten - von Mainz abgesehen (vgl. w. u.) - »kaum eine Rolle als Auftragnehmer […], aber gerade deshalb beobachteten die Fachvertreter sehr genau, was auf dem ›Markt‹ der Medienforschung gefragt war« (ebd.). Löblich resultiert schließlich: »Bedingt durch Veränderungsprozesse bei Medienunternehmen und Medienpolitik, die die Produktion quantitativer Daten sowie sozialwissenschaftliche Fragestellungen förderten, verschoben sich die Selektionskriterien im Fach und begünstigten empirisch-sozialwissenschaftliche Forschungsgegenstände und Methoden« (Löblich 2010b, S. 550). Generationenwechsel in der Publizistikwissenschaft: Ende der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre vollzog sich im Fach ein Generationenwechsel, von dem wichtige Impulse für die sozialwissenschaftlich-empirische Wende ausgingen. In Münster folgte 1960 auf Walter Hagemann der Buchverleger und studierte niederländische Soziologe Henk Prakke. Er hatte sich Anfang der 60er-Jahre der USamerikanischen Kommunikationswissenschaft zugewandt und entwickelte ein Prozessmodell: die »funktionale Publizistik« (Prakke 1968; Pürer 1998, S. 145ff; Meyen/ Löblich 2006, S. 239 ff; Klein 2006). Prakke warb auch »dafür, Kommunikation immer in ›Interdependenz‹ mit der gesellschaftlichen Umwelt zu sehen […]« (Löblich 2010a, S. 142). In Berlin folgte 1961 auf Emil Dovifat der langjährige Intendant des Süddeutschen Rundfunks, Fritz Eberhard. Beide, Prakke und Eberhard, machten »soziologische Denk- und Arbeitsweisen für die Publizistik nutzbar« (Bohrmann 1997, S.-58). Im Mittelpunkt stand der publizistische Prozess. Es gelang Eberhard, den ausgewiesenen Kenner der US- <?page no="43"?> 2 Zur Fachgeschichte 44 amerikanischen Literatur und erfahrenen empirischen Medienforscher des Hamburger Hans-Bredow-Instituts, Gerhard Maletzke (vgl. w. u.) für das Berliner Institut als langjährigen Lehrbeauftragten zu gewinnen (Löblich 2010a, S. 172). Mit Otto B. Roegele wurde 1963 ein erfahrener Journalist und Quereinsteiger (Mediziner, Historiker) nach München berufen, der das Fach ebenfalls gegenüber anderen Disziplinen öffnete. Auf ihn geht u. a. die Anregung zurück, das Fach in »Kommunikationswissenschaft« umzubenennen. 1964 erhielt Franz Ronneberger, ein Jurist und Soziologe mit journalistischen und politischen Erfahrungen, das neu geschaffene Ordinariat für Publizistik und politische Wissenschaft in Nürnberg. Ronneberger profilierte sich nicht nur im Bereich Kommunikationspolitik (vgl. dazu seine- mittlerweile in weiten Teilen überholte - dreibändige Kommunikationspolitik: Ronneberger 1978ff), sondern erschloss auch die Felder Sozialisation durch Massenkommunikation (Ronneberger 1971) sowie Public Relations (Ronneberger/ Rühl 1992). Schließlich wirkte ab 1965 Elisabeth Noelle-Neumann an dem neu geschaffenen Lehrstuhl für Publizistik der Universität Mainz. Sie war promovierte Zeitungswissenschaftlerin und hatte während eines Studienaufenthaltes in den USA die empirische Medien- und Kommunikationsforschung kennen gelernt. U. a. daraus resultierte das später von ihr verfasste Buch »Umfragen in der Massengesellschaft« (Noelle 1963). Als Leiterin des Allensbacher Instituts für Demoskopie war sie erfahrene empirische Medienforscherin. Ihr besonderes Interesse galt der Erforschung von Medienwirkungen, bzw. der öffentlichen Meinung. Es war dies ein Spezialgebiet, auf dem sie Pionierarbeit leistete. Ihre in diesem Kontext erarbeitete Theorie der »Schweigespirale» (Noelle-Neumann 1980) ist zwar nicht unumstritten (vgl. Scherer 1990 und Kap. 5.2.7), wurde aber auch außerhalb Europas, insbesondere in den USA, anerkennend rezipiert (vgl. Salmon/ Glynn 1996). Nicht unerwähnt bleiben darf auch Günter Kieslich, Ordinarius von 1968 bis 1971 am Salzburger Publizistikinstitut. Obwohl ursprünglich selbst Historiker, wandte er sich in Salzburg unverzüglich der empirischen Forschung zu und hielt u. a. auch entsprechende Methodenvorlesungen (vgl. Pürer 1972). Kieslich hat vielfältig empirische Forschung angeregt und legte 1969 eine erste Strukturanalyse der österreichischen Tagespresse vor (Kieslich 1969). Aufgrund seines frühen Todes kam er selbst nicht mehr dazu, die danach erweiterte Forschungsarbeit zur Struktur der österreichischen Tagespresse (Vyslozil/ Pürer/ Roloff 1973) sowie seine wegweisende empirische Studie über die Ausbildung von Volontären an Tageszeitungen in der Bundesrepublik Deutschland (Kieslich 1974, Bearbeitung Eckart Klaus Roloff) selbst zu Ende zu führen. Im Zusammenhang mit der sozialwissenschaftlichen Wende sei hier noch auf den empirischen Medienforscher Gerhard Maletzke verwiesen. Er trug Anfang der 1960er-Jahre »in einer gründlichen Auswertung der nordamerikanischen Fachliteratur« (Bohrmann 1997, S. 59) wichtige Ergebnisse der US-amerikanischen empirischen Kommunikationsforschung zusammen und entwickelte auf ihrer Basis ein in sich stimmiges Prozessmodell der Massenkommunikation mit den Faktoren Kommunikator, Aussage, Medium und Rezipient/ Wirkung, die er in ihrem Zusammenwirken genau beschrieb (vgl. Bohrmann 1997, S. 60; vgl. Maletzke 1963). Seine 1963 erschiene »Psychologie der Massenkommunikation« (Maletzke 1963) war zweifellos eine herausragende fachliche Innovation. Maletzke hat damit (und auch durch seine empirischen Arbeiten am Hamburger Hans-Bredow-Institut für Rundfunkforschung) wesentlich mit dazu beigetragen, »die deutschsprachige Publizistikwissenschaft von einer vorwiegend normativen zu einer auch empirisch arbeitenden Wissenschaft weiterzuentwickeln« (Bentele/ Beck 1994, S. 38). Universitäre Ehren erhielt Maletzke - nach zahlreichen anderen beruflichen Stationen vorwiegend in der Forschung - erst 1983 als Honorarprofessor für Kommunikationswissenschaft/ Journalistik an der Universität Hohenheim (vgl. Fünfgeld/ Mast 1997, S. 359-361; Maletzke 1997; Meyen/ Löblich 2011 und 2006, S. 211ff). Mit dem hier angesprochenen Wandel des Faches und den innerhalb des Faches damals zentral agierenden Protagonisten und deren Strategien befasst sich, wie erwähnt, Maria Löblich (2010a und 2010b). Ihre Analyse umfasst zwar den Zeitraum von 1945 bis 1980, um Veränderungen über einen <?page no="44"?> 2.9 Von der Publizistikzur Kommunikationswissenschaft 45 längeren Zeitraum in den Blick zu bekommen. Hier geht es jedoch vorwiegend um die 1960er-Jahre. Löblich unterscheidet bei ihrer Analyse zwischen dem »empirisch-sozialwissenschaftlichen« und dem »geisteswissenschaftlichen Lager«. Im empirischen Lager verortet sie die Herausforderer, unter ihnen die bereits erwähnten Protagonisten Elisabeth Noelle-Neumann (Mainz), Fritz Eberhard (Berlin), Franz Ronneberger (Nürnberg), Henk Prakke (Münster) sowie Otto B. Roegele (München). »Die Kernvorstellungen im empirisch-sozialwissenschaftlichen Verständnis sind schnell aufgezählt: Orientierung an der USamerikanischen Kommunikationsforschung, am Kritischen Rationalismus oder Positivismus, starkes Methodenbewusstsein, Anwendung quantitativer Verfahren, Formulierung empirisch überprüfbarer Aussagen sowie Gegenwarts- und Anwendungsbezug« (Löblich 2010a, S. 151). Obwohl bei detaillierter Analyse infolge unterschiedlicher persönlicher Auffassungen der Protagonisten »ein explizites, gemeinsames Fachverständnis nicht formuliert wurde […], weil es zu viele persönliche Auffassungsunterschiede gab, bestand das Ergebnis der Fachdebatte im impliziten Konsens, dass die analytischquantitative sozialwissenschaftliche Ausrichtung angesichts der schwierigen Situation des Faches der einzige richtige Weg war. Das empirisch-sozialwissenschaftliche Lager hat sich in der disziplinären Kontroverse durchgesetzt« (Löblich 2010a, S. 151). Die rasche Umsetzung wurde jedoch von Faktoren wie mangelnder Ausstattung der Institute, fehlendem Geld und Stellen für Mitarbeiter sowie Räumen verzögert (Löblich 2010a, S. 152). Als Herausgeforderte sieht Löblich primär Emil Dovifat (Berlin) und Wilmont Haacke, der 1963 auf einen Lehrstuhl für Publizistik in Göttingen berufen wurde, davor jedoch auch schon im Fach wissenschaftlich tätig war. Beide mussten sich in ihrem Fachverständnis durch jenes der Herausforderer angegriffen fühlen, »zuvorderst der ›Nestor‹ des Fachs, Emil Dovifat, aber auch sein Göttinger Kollege Wilmont Haacke. Beide hatten ihre Position der bisherigen geisteswissenschaftlichen Ausrichtung des Faches zu verdanken und diese stand nun auf dem Spiel. Sie versuchten, den gegen ihr Fachverständnis wirkenden Selektionsdruck abzuwehren« (Löblich 2010b, S. 552). Beide seien sich weitgehend einig darüber gewesen, »dass Wirkungsforschung abzulehnen und das Fach als normative Disziplin zu erhalten war« (ebd.). Haacke habe »Ressentiments gegenüber der Umfrageforschung gehabt, Dovifat habe vor einem Rückfall in die ›Werturteilsfreiheit‹ gewarnt: »Normativ musste das Fach aus seiner Sicht nicht zuletzt auch sein, weil es Journalisten Gesinnung und Ethik vermitteln sollte. Die für diese Aufgabe notwendige allgemein verständliche Sprache sah Dovifat von der um sich greifenden Terminologie der analytischen Wissenschaftstheorie bedroht« (Löblich 2010b, S. 552f ). Beide, Dovifat und Haacke, hätten mit »Widerstand und Verweigerung auf die Veränderungen im Fach reagiert« (Löblich 2010b, S. 555). Anders sieht dies mit Blick auf Wilmont Haacke der Göttinger Kommunikationswissenschaftler Wilfried Scharf. Haacke habe in seinem Werk »Publizistik und Gesellschaft« (1970) den empirisch-analytischen Ansatz innerhalb der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft verbunden; dieser Ansatz habe sich »seit den Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts durchgesetzt« (Scharf 2001, S. 69). Der empirische Neuansatz in der Publizistikwissenschaft »wurde auch in der sich langsam entwickelnden Sphäre der Wissenschaftsplanung von Bund und Ländern wahrgenommen« (Bohrmann 1997, S. 60). So empfahl der Wissenschaftsrat 1965, Einrichtungen zu schaffen, die mit universitären Instituten kooperieren sollten: das Institut für den Wissenschaftlichen Film (Göttingen), das Institut für Zeitungsforschung Dortmund, das Hans-Bredow-Institut für Rundfunkforschung sowie die Deutsche Presseforschung Bremen (vgl. Bohrmann 1997, S. 60). Generell darf man sagen, dass die empirisch-sozialwissenschaftliche Wende »als Markstein in der Entwicklung des Fachs, als Fundament des heutigen Selbstverständnisses« und »Voraussetzung für Konsolidierung und Ausbau seit den 1970er Jahren« gilt (Löblich 2010a, S. 13). Der Neuansatz führte zu vielfältiger empirischer Forschung in den Bereichen Kommunikator-/ Journalismusforschung, Medieninhaltsforschung, Medienstruk- <?page no="45"?> 2 Zur Fachgeschichte 46 turforschung, Rezipienten- und Wirkungsforschung. Politologische, soziologische sowie (sozial-) psychologische Denkansätze wurden dabei berücksichtigt. Die zunehmend (und heute vorwiegend) empirisch betriebene Publizistikwissenschaft mutierte allmählich zur Kommunikationswissenschaft (vgl. Kutsch/ Pöttker 1997). Dass sich die Inhalte des Faches infolge der empirisch-sozialwissenschaftlichen Wende tatsächlich gewandelt haben, ist einer Inhaltsanalyse der 1956 gegründeten Fachzeitschrift Publizistik für die Zeiträume 1956 bis 1969 (Zeitraum 1) sowie 1970 bis 1980 (Zeitraum 2) zu entnehmen (Löblich/ Pfaff-Rüdiger 2009). In Form einer Vollerhebung flossen 767 Beiträge in die Analyse ein. Vergleicht man die Entwicklung der fünf wichtigsten Forschungsthemen, so fällt das Forschungsthema »Mediengeschichte« im zweiten Zeitraum gegenüber dem ersten von 24 Prozent der Beiträge auf elf Prozent zurück. Die Forschungsthemen »Fachdiskussion/ -geschichte« steigen von Zeitraum 1 mit zehn Prozent der Beiträge auf 23 Prozent im Zeitraum 2 an. »Journalismus«-Forschung nimmt vom ersten zum zweiten Zeitraum um acht Prozent zu. Dagegen gibt es bei den Themen »Medieninhalte« und »Kommunikationspolitik« wenig Veränderung (Löblich/ Pfaff-Rüdiger 2009, S. 57). Bezüglich der Methodenverwendung fallen »Geisteswissenschaftliche Methoden« im Zeitverlauf von 71 Prozent auf 51 Prozent zurück, »Sozialwissenschaftliche Methoden« steigen von acht auf 22 Prozent an (Löblich/ Pfaff-Rüdiger 2009, S. 59). Die Autorinnen resümieren: Die geisteswissenschaftliche Forschung überwog zwar weiterhin, allerdings war deren Dominanz 1980 »viel weniger ausgeprägt als zu Beginn des Untersuchungszeitraums.« Dagegen hat eine »dramatische Veränderung […] in der Mediengeschichte stattgefunden. Das vormals stärkste Forschungsthema schrumpfte zu einem Randgebiet. Außerdem hat sich gezeigt, dass die Fachvertreter bei der Wahl ihrer Themen sich sehr viel stärker an aktuellen Problemen orientierten, an Themen, zu denen gesellschaftlicher Wissensbedarf bestand. […] Die Jahre 1968/ 69 markierten die Trendwende im Untersuchungszeitraum« (Löblich/ Pfaff-Rüdiger 2009, S. 61). Der Aufbruch des Faches von einer (primär) geisteswissenschaftlichen Disziplin zu einer sozialwissenschaftlichen wird, wie hier dargelegt, allgemein in den 1960er-Jahren verortet. Dies ist uneingeschränkt so nicht richtig. Sozialwissenschaftliches Denken hat es (in Ansätzen zumindest) bereits vor der empirischen Wende gegeben. Es hatte aber im Fach keine mittelbis langfristigen Konsequenzen. Auf folgende Aspekte ist hinzuweisen: Zum einen, dass es bereits in der Zeitungswissenschaft der Weimarer Republik Berührungen mit der (empirischen) Soziologie und soziologischen Perspektiven gab (vgl. Averbeck 1999, 2001; auch Koszyk 1997, S. 38ff). Stefanie Averbeck spricht von immerhin zwanzig Wissenschaftlern, die dem interdisziplinären Milieu zuzurechnen waren, von denen aber viele emigrierten bzw. emigrieren mussten (vgl. Averbeck 2001, S. 7ff). Neben vielen anderen verweist sie insbesondere auf Protagonisten wie Kurt Baschwitz, Karl Mannheim, Gerhard Münzer, Ernst Manheim und Emil Willems. Sie alle hatten nach 1945 jedoch Professuren außerhalb Deutschlands und in anderen Fächern inne, so dass es »keine personelle Kontinuität zwischen dem interdisziplinären Milieu der Weimarer Zeit und der Publizistikwissenschaft der Bundesrepublik [gab]« (Averbeck 2001, S. 16; Hervorhebung i.-Orig.). »Der Anknüpfungspunkt der deutschen Kommunikationswissenschaft nach 1945«, so Averbeck weiter »war die angloamerikanische Literatur« (ebd.). Zum Zweiten soll nicht unerwähnt bleiben, dass Hans Amandus Münster, der von 1934 bis 1945 Ordinarius für Zeitungswissenschaft in Leipzig war und sich in dieser Zeit, wie erwähnt, der nationalsozialistischen Ideologie verschrieb, durch seine früheren Studien bei Leopold von Wiese und Ferdinand Tönnies einen soziologischen und psychologischen Hintergrund hatte. Er interessierte sich besonders für die Erforschung des Verhältnisses von Presse und öffentlicher Meinung. 1931 erarbeitete er - damals noch als Mitarbeiter bei Emil Dovifat in Berlin - eine umfangreiche empirische Studie über »Jugend und Zeitung« mit in Deutschland reichsweit mehreren tausend befragten <?page no="46"?> 2.10 Studentenrevolte und Kritische Kommunikationswissenschaft 47 Jugendlichen zwischen zwölf und zwanzig Jahren. Die Studie, geprägt durch die volkspädagogische Aufgabenstellung des Faches dieser Zeit (Straetz 1984), war v. a. bei Kollegen anderer Disziplinen umstritten. Gleichwohl war sie »die erste und lange Zeit umfangreichste Studie dieser Art« (Straetz 1984, S. 79). Dieser Ansatz der empirischen Rezipientenforschung wurde durch die politischen Ereignisse ab 1933, durch die Berufung Münsters an das Leipziger Institut sowie infolge unterschiedlicher Auffassungen über die Aufgabenstellung der Zeitungsbzw. Publizistikwissenschaft im Nationalsozialismus nicht mehr fortgeführt. Zum Dritten entstanden bereits in den 1950er-Jahren unter Walter Hagemann am Institut für Publizistik der Universität Münster (methodisch-statistisch noch relativ wenig elaborierte) Inhaltsanalysen von Zeitungen und Zeitschriften, ebenso Zeitungs- und Zeitschriftenstatistiken, Befragungen von Zeitungslesern, Film- und Wochenschaubesuchern sowie auch eine Untersuchung zur sozialen Lage des deutschen Journalistenstandes (vgl. Löblich 2009, 2010a, S. 118ff; Hagemann 1956). Auch die von Hagemann-Schüler Günter Kieslich angefertigte Fallstudie »Freizeitgestaltung in einer Industriestadt« (Kieslich 1956) ist z. B. zu erwähnen. Dass Hagemanns Rolle »bei der Umorientierung der Publizistikwissenschaft von einer Geisteswissenschaft zu einer empirischen Sozialwissenschaft bislang nicht wahrgenommen worden [ist]« und weitgehend in Vergessenheit geriet, hat u. a. mit dessen Ausscheiden aus der Universität 1959, mit der Flucht 1961 in die DDR zur Zeit des Kalten Krieges sowie mit dessen Auftreten dort als »Nestbeschmutzer« zu tun (Löblich 2010a, S. 128 mit Bezugnahme auf Schütz 2007, S. 41). Keiner seiner ehemaligen Mitarbeiter und Absolventen »habe da öffentlich als Hagemann-Schüler auftreten und sich selbst gefährden wollen« (ebd.). Mit Leben und Werk Walter Hagemanns befasst sich ausführlich Thomas Wiedemann (2012). Schließlich viertens: Zwei prominente Protagonisten der US-amerikanischen Kommunikationsforschung, nämlich Paul Lazarsfeld und Kurt Lewin, stammten aus Europa. Die beiden Österreicher entzogen sich wegen ihrer jüdischen Herkunft der Verfolgung durch den Nationalsozialismus, indem sie in die USA emigrierten. So ist es durchaus nicht illegitim festzuhalten, dass die empirische Kommunikationsforschung (zum Teil zumindest) gleichsam über Umwege aus dem angloamerikanischen Raum in der deutschsprachigen Publizistikwissenschaft wieder Fuß fasste (vgl. Reimann 1989; Wagner 1997, S. 109). 2.10 Studentenrevolte und Kritische Kommunikationswissenschaft Noch in den 1960er-Jahren stiegen die Studentenzahlen in der Publizistik bzw. Kommunikationswissenschaft an - ein »Ergebnis der neuen Attraktivität des Faches« (Bohrmann 1997, S. 60). Infolge der schlechten Ausstattungen der bestehenden Institute mit zu wenig Lehrenden und zu vielen Studierenden führte dies zu Spannungen, in denen Bohrmann Vorbedingungen für die ab 1968 offen ausbrechende Studentenrevolte sieht (ebd.). Die Publizistikwissenschaft war folglich auch Ziel studentischer Aktionen mit Polemik gegen das Fach, mit Institutsbesetzungen in Mainz, Berlin, Münster und München, mit »Gegenvorlesungen« und anderen Aktionen und Agitationen (vgl. Bohrmann 1997). Die Studentenrevolte basierte, was ihren geistigen bzw. gesellschaftspolitischen Hintergrund betraf, auf Gedankengut der »Kritischen Theorie«. Diese entstand Ende der 1920er-Jahre am Frankfurter Institut für Sozialforschung. Sie ist eine ursprünglich von Friedrich Hegel, Karl Marx und Sigmund Freud inspirierte Gesellschaftstheorie und v. a. mit den Namen Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Herbert Marcuse verbunden (später auch mit Jürgen Habermas, Oskar Negt und anderen). Ihre Bezeichnung »Kritische Theorie» geht auf eine 1937 veröffentliche Aufsatzsammlung Max Horkheimers mit dem Titel »Traditionelle und kritische Theorie« zurück (Horkheimer 1937). <?page no="47"?> 2 Zur Fachgeschichte 48 »Der Philosoph Max Horkheimer fokussierte das Forschungsprogramm der Kritischen Theorie in den dreißiger Jahren auf das Projekt einer interdisziplinär zu erschließenden materialistischen Gesellschaftstheorie, die neben der ökonomischen Analyse der gesellschaftlichen Machtverhältnisse auch eine sozialpsychologische Untersuchung mit Blick auf kulturtheoretische Betrachtungen der Wirkungsweise der Massenkultur umfasste« (Schicha 2010, S. 104). (Da Vertreter der Frankfurter Schule marxistisches Ideengut aufgriffen und neu diskutierten, ist bei Ansätzen der Kritischen Theorie von verschiedenen ihrer Repräsentanten auch von ›neomarxistischen‹ Theorien bzw. Ansätzen die Rede.) Auch die Ende der 1960er-Jahre entstehende »Kritische Kommunikationsforschung« steht in der Tradition der Frankfurter Schule. Ihre Akteure (wie Horst Holzer, Franz Dröge, Dieter Prokop und andere) versuchten, diese Denkrichtung in der deutschen Kommunikationswissenschaft zu etablieren; sie hatte jedoch nicht sonderlich lange Bestand. Eine Ausnahme stellt Jürgen Habermas dar (der übrigens nicht der Kommunikationswissenschaft entstammt, dessen Publikationen für sie jedoch von Bedeutung sind): Seine 1962 erstmals erschienene Publikation »Strukturwandel der Öffentlichkeit« (Habermas 1962) sowie seine »Theorie des kommunikativen Handelns« (1981) finden nach wie vor große Aufmerksamkeit. Um weitere Repräsentanten wie etwa Franz Dröge (u. a. 1973) oder Horst Holzer (u. a. 1971) und andere ist es dagegen sehr still geworden. Mit ihnen befasst sich Andreas Scheu in seiner 2012 publizierten Dissertation »Adornos Erben in der Kommunikationswissenschaft« (Scheu 2012). Die »Kritische Kommunikationsforschung« der 1970er- und 1980er-Jahre verstand sich v. a. als Gegenpol zur empirisch-sozialwissenschaftlichen Perspektive (vgl. Scheu 2012, S. 13). »Die empirischsozialwissenschaftliche Kommunikationswissenschaft […] ist der Perspektive des ›Kritischen Rationalismus‹ und dem Ideal der Werturteilsfreiheit verpflichtet. ›Kritische Kommunikationsforschung‹ hingegen steht in der Tradition […] der ›Kritischen Theorie‹ und sieht sich in der Pflicht, Gesellschaft, Medien und Wissenschaft auf theoretischer Basis herrschaftskritisch zu hinterfragen, normativ zu beurteilen und so aktiv an der Verbesserung gesellschaftlicher Strukturen mitzuwirken. Deutungshoheit im Feld Kommunikationswissenschaft haben die empirisch-sozialwissenschaftlichen Akteure erlangt« (ebd.). Der hinter diesen beiden wissenschaftlichen Positionen stehende Konflikt wurde bereits in den 1960er-Jahren durch Karl R. Popper (Kritischer Rationalismus) und Theodor W. Adorno (Kritische Theorie) ausgetragen. Scheu widmet sich auf der Basis der Theorie sozialer Felder und individueller Akteure nach Pierre Bourdieu Repräsentanten der »Kritischen Kommunikationsforschung«. Dazu beschreibt er die Entwicklung der »Kritischen Kommunikationswissenschaft« der 1970er- und 1980er-Jahre. Er versucht v. a. herauszufinden, »warum die Perspektive und die Akteure, die sie vertreten, aus dem heutigen kommunikationswissenschaftlichen Feld verschwunden zu sein scheinen« (Scheu 2012, S. 14). Exemplarisch führt Scheu dies mit Hilfe von Einzelfallanalysen an den ausgewählten Fachvertretern Horst Holzer, Franz Dröge, Manfred Knoche, Siegfried Weischenberg und Hanno Hardt aus. Er gelangt zu dem Befund, dass die Geschichte der Kritischen Kommunikationsforschung keine reine Verdrängungsgeschichte ist. Vielmehr handelte es sich um einen vielschichtigen Prozess mit unterschiedlichen Einflussfaktoren (vgl. Scheu 2012, S. 269ff, S. 294ff). So hätten es die Protagonisten z. B. versäumt, sich zu vernetzen oder Nachwuchs auszubilden, es habe Abgrenzungen gegenüber »einer ›positivistischen‹, affirmativen empirischen Forschung« gegeben (Scheu 2012, S. 295). Politische Einflüsse hätten z. B. im »Radikalenerlass« (vgl. Scheu 2012, S. 270ff, S. 295) oder in der versuchten Einflussnahme auf Berufungsverfahren gelegen (vgl. ebd.), aber auch im Bedarf nach handlungsrelevantem Wissen und empirischen Daten über Massenkommunikation und Medienwirkungen vonseiten der Politik, Wirtschaft und Medien (Scheu 2012, S. 282, S. 296), den die Vertreter einer Kritischen Kommunikationsforschung »nicht erfüllen wollten« (S. 282, S. 295). <?page no="48"?> 49 2.11 Die Einrichtung von Diplomstudiengängen für Journalistik Ab Mitte der 1970er-Jahre erfolgte an mehreren deutschen Universitäten die Errichtung von Diplomstudiengängen für Journalistik. Ursache und Anlass der Gründungen war auch die von Teilen der Berufspraxis mitgetragene Erkenntnis, dass die traditionellen Wege der Ausbildung von Journalisten vorwiegend in Form eines zweijährigen Volontariats in Zeitungs-, Hörfunk- oder Fernsehredaktionen den gewachsenen Anforderungen an diesen verantwortungsvollen Beruf nicht mehr entsprachen (und übrigens weder davor noch danach jemals auch nur annähernd entsprochen haben bzw. hätten). Eine intensiv von allen Betroffenen - Journalisten, Verleger, Rundfunkanstalten, Berufsverbände, Publizistikwissenschaft - geführte Ausbildungsdebatte machte sich breit (vgl. Aufermann/ Elitz 1975; Publizistik 3-4/ 1974 sowie 1-2/ 1975). Den Anstoß zur Errichtung berufsbezogener Diplomstudiengänge gab schließlich u. a. auch das aus 1971 stammende Memorandum des Deutschen Presserates für einen Rahmenplan zur Journalistenausbildung, an dessen Erarbeitung auch Publizistikwissenschaftler mitwirkten. Darin waren mehrere Möglichkeiten und Wege der Ausbildung von Journalisten festgehalten, zumal der Beruf des Journalisten weiterhin ein prinzipiell frei zugänglicher Beruf bleiben sollte. Wenige Jahre später entstanden Grundstudiengänge für Diplom- Journalistik zunächst in Dortmund (1976) und München (1978), in Eichstätt (1983) und - nach der Wiedervereinigung - auch in Leipzig (1993). Sie boten eine sowohl kommunikationstheoretische wie auch mehrmediale praktisch-handwerkliche Ausbildung und qualifizierten durch verpflichtend zu absolvierende Nebenfächer auch für eine Tätigkeit in einem Ressort. Ausbildungsziel war eine berufsqualifizierende Ausbildung für den Journalismus in Zeitung, Zeitschrift, Radio und Fernsehen (sowie ab Mitte der 1990er-Jahre auch für den Onlinejournalismus). Aufbau- oder Nebenfachstudiengänge wurden errichtet in Stuttgart-Hohenheim (1974), Mainz (1978), Hamburg (1982), Bamberg (1983) und Hannover (1985). Diese Studiengänge vermittelten in aller Regel eine kommunikationswissenschaftliche und praktisch-handwerkliche Ausbildung im Anschluss an ein bereits ganz oder teilweise abgeschlossenes Fachstudium (vgl. Hömberg 1978; Wilke 1987). Neben den an Universitäten eingerichteten Grund-, Aufbau und Nebenfachstudiengängen Journalistik gesellten sich ab Ende der 1990er-Jahre auch Fachhochschulstudiengänge, so z. B. 1997/ 98 der Internationale Studiengang Fachjournalistik an der Hochschule Bremen (Dernbach 2002), die 1999 geschaffenen Studiengänge Journalistik und PR/ Öffentlichkeitsarbeit an der Fachhochschule Hannover (Gröttrup/ Werner 2002) oder der ebenfalls 1999 etablierte Studiengang Technikjournalismus an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg (Deussen 2002). Weitere Fachhochschulstudiengänge, etwa jene an der Fachhochschule Darmstadt für Onlinejournalismus und für Wissenschaftsjournalismus folgten. Die universitären Studiengänge Journalistik wurden im Zuge der sog. Bologna-Reform in Bachelorund/ oder Masterstudiengänge Journalismus/ Journalistik umgestaltet. 2010 gab es solche Studiengänge an den Universitäten Eichstätt und Dortmund (Bachelor) sowie an den Universitäten München und Leipzig (Master). Nähere Informationen über diese Studiengänge sind den jeweiligen Onlineauftritten der sie durchführenden Institute oder Lehrstühle zu entnehmen. Ähnliche praxisorientierte Studiengänge gibt es in modifizierter Weise auch an anderen Universitäten, etwa jenen für »Medien und Kommunikation« an der Universität Passau. Einen anschaulichen Überblick über die Entwicklung der hochschulgebundenen Journalistenausbildung im deutschen Sprachraum aus den zurückliegenden 40 Jahren vermittelte zuletzt in Form einer Textcollage Walter Hömberg (2010). <?page no="49"?> 2 Zur Fachgeschichte 50 2.12 Das Fach in Ostdeutschland Wie bereits erwähnt, verzeichnete die Zeitungsbzw. Publizistikwissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg in Ostdeutschland eine andere Entwicklung: Das Fach wurde erneut in den Dienst einer Ideologie gestellt. Es nahm dabei die Entwicklung von der Publizistikwissenschaft zur Journalistikwissenschaft (vgl. Blaum 1979; 1980; 1985). Das 1916 durch Karl Bücher in Leipzig eingerichtete Institut für Zeitungskunde (später: Zeitungswissenschaft) bestand bis 1945. Es wurde 1946 von Gerhard Menz an der neu etablierten Sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät als Institut für Publizistik wiedererrichtet (vgl. Münster 1956, S.-305-309), fand jedoch nicht die Billigung der SED. So folgte 1948 die Gründung eines gleichnamigen Instituts an der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät unter der Leitung von Hermann Budzislawski. Dieser bemühte sich gemeinsam mit einer Reihe namhafter »antifaschistischer Intellektueller« um einen neuen »antifaschistisch-demokratischen Geist« an der Universität (Schlimper 1996, S.-5). Beide Institute gingen auf in einem 1951 etablierten »Institut für Publizistik- und Zeitungswissenschaft«, das nun - nach der 1950 erfolgten Auflösung der Gesellschaftswissenschaftlichen Institute - der Philosophischen Fakultät angehörte. Diese Gründung entsprach wieder einer ausdrücklichen Forderung der ersten Pressekonferenz des Parteivorstandes der Sozialistischen Einheitspartei (SED) aus dem Jahr 1950, wonach das System »Massenkommunikation« in der damaligen SBZ stärker nach Parteiinteressen auszurichten war (vgl. Blaum 1979, S.-20ff). Das Institut ging 1954 in der nach sowjetischem Vorbild gegründeten »Fakultät für Journalistik« auf. Deren Bemühung bestand darin, auf der Basis der Lehre des Marxismus-Leninismus in Theorie und Praxis die »Formung zuverlässiger Kader« zu betreiben (Schlimper 1996, S.-5). Zudem wurde der Begriff »Journalistik« dem der »Publizistik« bzw. der »Zeitungswissenschaft« vorgezogen, »weil er a) die aktive Einwirkung auf die gesellschaftliche Entwicklung hervorhebe, b) sich nicht nur auf die Zeitung, sondern auch auf andere Instrumente, z. B. den Rundfunk beziehe, c) in der Sowjetunion und anderen Ländern üblich sei und d) sich von der bürgerlichen Tradition abgrenze« (Liebert 1995, S.-7). Die »Fakultät für Journalistik« wurde 1969 erneut reorganisiert. Es entstand die »Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig«, nach wie vor die einzige Einrichtung dieser Art in der DDR, an der nun das Studium der Diplomjournalistik absolviert werden konnte (vgl. Blaum 1979, S.-23f ). Das Studium verzahnte theoretische Kenntnisse, insbesondere des Marxismus-Leninismus mit einer praktisch-handwerklichen Ausbildung auf Basis der Lenin’schen Pressetheorie (vgl. Blaum 1980). Auf ein zweisemestriges Grundstudium (sozialistische Gesellschaftstheorie, wissenschaftliche Arbeitsmethoden, Grundkenntnisse des Journalismus) folgte ein viersemestriges Fachstudium (unmittelbare journalistische Ausbildung in Theorie und Praxis) sowie ein zweisemestriges, medienspezifisches und fachjournalistisches Spezialstudium. Das Studium wurde mit einer Diplomprüfung (wissenschaftliche und praktische Abschlussarbeit) abgeschlossen. Rund 800 Studierenden standen bis an die 80 Lehrende gegenüber. In der DDR konnte in aller Regel nur journalistisch tätig sein, wer entweder das Journalistikstudium absolvierte oder sich an der Fachschule für Journalistik (ebenfalls Leipzig) eine entsprechende Ausbildung aneignete. Der Zugang zum Journalistikstudium war zudem an Voraussetzungen gebunden. So musste jeder Interessent nicht nur das Abitur, sondern auch ein einjähriges Volontariat in einer Presse-, Hörfunk- oder Fernsehredaktion nachweisen. Geschätzt wurden des Weiteren Praxiserfahrungen in einem Produktionsbetrieb, günstigstenfalls ein Facharbeiterbrief. Von Vorteil für die Aufnahme in den Studiengang war auch eine feste Parteibindung sowie ein Engagement im FDJ, dem Freien Deutschen Jugendverband, einer Vorfeldorganisation der SED (vgl. Blaum 1985, S.-87ff). Die »Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig« bestand bis 1990. Nach der Wende versuchte sie einen Neubeginn, der durch die im Dezember 1990 per Dekret verordnete Abwicklung <?page no="50"?> 2.14 Zur gegenwärtigen Lage des Faches 51 jedoch im Ansatz unterbrochen wurde (vgl. Schlimper 1996, S.-5). Von dieser Abwicklung betroffen waren auch zahlreiche Wissenschaftler, die sich in der DDR in besonderer Weise der herrschenden Lehre des Marxismus-Leninismus verschrieben bzw. unterworfen hatten. 2.13 Neugründungen in den neuen Bundesländern Zu einem Neubeginn kam es in Leipzig ab 1991/ 92. Dem vom sächsischen Kultusminister nach Leipzig geholten Gründungsdekan Karl Friedrich Reimers von der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München gelang es, einen Fachbereich Kommunikations- und Medienwissenschaft mit neun planmäßigen Professorenstellen aufzubauen (Reimers 2003). Zentrales Anliegen von Reimers war es, das Fach aus seiner ideologischen Fixierung und politischen Instrumentalisierung herauszulösen und ganz neu für den schöpferischen Wissenschaftspluralismus zu öffnen (vgl. Steinmetz 1997, S.-9; Reimers 2003). Neben Leipzig wurden in den neuen Bundesländern des Weiteren Professuren für Kommunikationswissenschaft, Medienwissenschaft, Journalistik u. Ä. mit je unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten an der Technischen Universität Dresden, an den (teils neu errichteten) Universitäten Erfurt, Greifswald, Halle-Wittenberg, Ilmenau, Jena, Magdeburg und Weimar sowie an der Hochschule für Film und Fernsehen »Konrad Wolf« Potsdam-Babelsberg eingerichtet. Vor allem die Freistaaten Sachsen und Thüringen engagierten sich für die Kommunikations- und Medienwissenschaft überdurchschnittlich (vgl. Ruhrmann et al. 2000, S.-286ff). Die inhaltliche Ausrichtung der neuen Professuren versuchte, dem beobachtbaren Medienwandel gerecht zu werden (vgl. Ruhrmann et al. 2000, S.-292f ). 2.14 Zur gegenwärtigen Lage des Faches Die Kommunikationswissenschaft ist eine nach wie vor nicht gerade üppig ausgestattete Disziplin. Sie hat aber seit 1975 durch die Neu- oder - wie etwa in den neuen Bundesländern - Wiederbegründung von Instituten, Lehrstühlen, Professuren und Studiengängen einen durchaus beachtenswerten Aufschwung genommen (vgl. Ruhrmann et al. 2000). Während in den 1970er-Jahren kommunikationswissenschaftliche »Programme und Postulate« (Stichwort: Professionalisierung der Journalistenausbildung) aufgestellt wurden, folgte in den 1980er-Jahren eine Phase der Institutionalisierung und Etablierung, in den 1990er-Jahren schließlich »Expansion und Differenzierung« (Hömberg 2000, S.-21f ). Diese Entwicklung lässt sich anhand konkreter Zahlen festmachen. 1970 verfügte das Fach in Deutschland über sieben Professorenstellen, 1990 waren es bereits 54 Stellen, im Jahr 2002 insgesamt 85 Professuren (Huber 2010, S 27). Nathalie Huber ermittelte 2007 im gesamtdeutschen Raum 34 kommunikationswissenschaftliche Institute (Kern) sowie 103 Professoren (Huber 2010, S. 115). Da seither an mehreren Instituten noch weitere Professorenstellen eingerichtet wurden, kann man gegenwärtig (2012) von etwa 115 bis 120 Professorenstellen ausgehen. Zu (Auto-)Biografien und Fachverständnis von Professoren liegen mehrere, theoretisch und empirisch teils unterschiedlich angelegte Studien vor (vgl. z. B. Kutsch/ Pöttker 1997; Löblich 2004; Meyen 2004; Meyen/ Löblich 2007, 2008; Scheu/ Wiedemann 2008; Huber 2010; Scheu 2012). Ergebnisse einer Befragung zu den Forschungsleistungen des Faches liegen von Almeppen et al. (2011) vor, einen Vorschlag zu einer Systematisierung des Faches auf empirischer Grundlage stammt ebenfalls von Altmeppen et al. (2013). <?page no="51"?> 2 Zur Fachgeschichte 52 Seinen Aufschwung stellt das Fach aber auch durch seine vielfältigen Forschungsaktivitäten sowie durch eine sich geradezu explosionsartig vermehrende Publikationstätigkeit eindrucksvoll unter Beweis. Darunter befinden sich mittlerweile u. a. zahlreiche Lehr- und Handbücher sowie Lexika (vgl. Wendelin 2008). Solche Publikationen spielen für eine Wissenschaft eine wichtige Rolle: Sie schildern »Leistungen der Vergangenheit«, sorgen für »Tradierung und Reproduktion wissenschaftlichen Wissens«, können auch »als Indikator für Kanonbildung gesehen werden und sind damit für die »kognitive Identität« einer Wissenschaft von Bedeutung (Wendelin 2008, S. 28). Wolfram Peiser et al. ermittelten 2003 Daten »Zur Lage der Kommunikationswissenschaft und ihrer Fachgesellschaft«. 89,2 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass die sozialwissenschaftliche Perspektive wichtig sei, 92,6 Prozent gaben an, eine sozialwissenschaftliche Position zu vertreten (Peiser et al. 2003, S. 320-327). Mit der Berufssituation und den Karrierestrategien des promovierten wissenschaftlichen Nachwuchses im Fach haben sich Werner Wirth et al. 2008 befasst (Wirth et al. 2008); zu Einstiegsmotivation und Arbeitssituation des wissenschaftlichen Nachwuchses liegen Daten und Fakten aus einer 2005 publizierten Studie vor (Wirth et al. 2005). Von Christoph Neuberger stammt eine Synopse von Absolventenbefragungen von Studierenden der Kommunikationswissenschaft (inklusive Journalistik) und der Medienwissenschaft aus den Jahren 1995 bis 2004 (Neuberger 2005). Infolge unterschiedlicher Fragestellungen, methodischer Herangehensweisen, statistischer Auswertungsverfahren sowie Ausweisungen von Ergebnissen sind diese 19 Absolventenstudien nicht oder doch nur sehr eingeschränkt vergleichbar. Neun Befragungen wurden an Journalistik-Studiengängen durchgeführt. Hier einige wenige, tendenziell verallgemeinerbare Ergebnisse: Der »Einfluss des Studiums auf den beruflichen Erfolg beim Start ins Berufsleben [ist] am größten. […]. Die Spannweite des Anteils der Absolventen, die bereits vor dem Examen eine Stellenzusage besaßen, ist recht groß: Sie reicht von einem Fünftel bis zu drei Fünfteln der befragten Abgänger« (Neuberger 2005, S. 87). Und »das alles überragende Kriterium« für Entscheidungsträger im Bewerbungsverfahren »ist die Berufserfahrung. Demgegenüber ist das Studium der Kommunikationswissenschaft oder Journalistik und der weiteren Fächer nachrangig. […]. Auslandserfahrungen und Fremdsprachen werden von den Arbeitgebern relativ hoch eingeschätzt. Dagegen sind das Thema der Abschlussarbeit und die Studiendauer wenig bedeutsam« (ebd.). Weitere Ergebnisse der Studie: »Eine hohe Affinität zwischen Studium und späterem Beruf zeigt sich bei Journalistik- Vollstudiengängen: Hier sind jeweils mehr als 70% der Absolventen im Journalismus untergekommen, also ausbildungsadäquat eingesetzt« (Neuberger 2005, S. 90). Was die Frage der »retrospektiven Bewertung des Studiums mit wachsendem Abstand zum Studienabschluss« betrifft, so scheint sich diese zu ändern. »Denkbar ist, dass die Wertschätzung steigt, weil (neben einem denkbaren ›Nostalgie-Effekt‹) erst im Laufe der Zeit die im Studium erworbenen Qualifikationen im Berufsleben zur Geltung kommen« (ebd.). Christoph Neuberger (2012) hat im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) in Kooperation mit dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) Gütersloh eine erste, bundesweit koordinierte Absolventenbefragung in der Kommunikations- und Medienwissenschaft durchgeführt. Eine Gesamtauswertung liegt vor »für die Abschlussjahrgänge 2006 und 2007 sowie für die Abschlüsse Bachelor, Magister und Diplom« (Neuberger 2012, S. 337; Hervorhebung i. Orig.). Die Befragung basiert auf den Antworten von 651 Absolventen aus 32 Studiengängen an 28 verschiedenen Hochschulen. »Bezogen auf alle an der Befragung beteiligten Studiengänge, über die Angaben über die Gesamtzahl der Absolventen/ -innen vorlagen, betrug der Rücklauf 30,9 Prozent« (Neuberger 2012, S. 338). Bezogen auf die Gesamtzahl der Absolventen (laut Statistischem Bundesamt) von 5768 Fällen für die Jahre 2006 und 2007 beträgt die realisierte Stichprobe 11,3 Prozent der Grundgesamtheit (Neuberger 2012, S. 340). Da in einer »Übergangsphase« befragt wurde (Auslaufen von Diplom- und Magisterstudiengängen, Einführung von Bachelor- und <?page no="52"?> 2.14 Zur gegenwärtigen Lage des Faches 53 Masterstudiengängen), bot dies die Möglichkeit des Vergleichs. Hier die Kernergebnisse (Neuberger 2012, S. 346f; Hervorhebung i. Orig.): • »Uni-Bachelors studieren eher weiter« (Uni-BA-Absolventen mit 57 Prozent in höherem Ausmaß als FH-Absolventen mit nur 15 Prozent). • »Wer erst in einen Beruf geht, ist oft an einem späteren Studium interessiert« (29 Prozent der Bachelor-Absolventen können sich die Aufnahme eines weiteren Studiums vorstellen). • »Risikovermeidung durch Weiterstudium« (wegen mangelnder Akzeptanz des Bachelors in der Praxis, aber auch »um noch Zeit für die Berufsfindung« zu gewinnen. »Die Entscheidung, das Studium fortzusetzen, ist also nicht nur durch ein inhaltliches Interesse am Studium erklärbar, sondern auch dadurch, wie die Chancen auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen werden«). Neuberger betont abschließend, dass die Studie »nur eine Momentaufnahme in einer Übergangsphase« liefert (Neuberger 2012, S. 347). Die Kommunikationswissenschaft versteht sich - das wurde eingangs bereits in ähnlicher Weise erwähnt - »als eine theoretisch und empirisch arbeitende Sozialwissenschaft mit interdisziplinären Bezügen« (DGPuK 2008, Hervorhebung i. Orig.). Ihr Gegenstand sind insbesondere die klassischen Massenmedien, die auf der technischen Plattform Internet aufsetzende Onlinekommunikation und deren vielfältig ausgeprägte Kommunikationsformen und Medienangebote privater, teilöffentlicher und öffentlicher Kommunikation, mit Organisationskommunikation und Public Relations sowie auch mit Werbekommunikation. Das Fach greift in jüngerer Zeit in Forschung und Lehre v. a. »gesellschaftliche Wandlungsprozesse« auf (ebd., Hervorhebung i. Orig.). Von besonderer Bedeutung sind dabei - so das Selbstverständnispapier der DGPuK - »Digitalisierung, Globalisierung, Individualisierung, Mediatisierung und Ökonomisierung» (ebd.). Dazu im Einzelnen: Mit Digitalisierung sind Konvergenz- und Differenzierungsprozesse von Medien und Kommunikationsnetzen angesprochen, die sich auf Medienmärkte, Mediengeschäftsfelder, Medien- und Kommunikationsstrategien, Medienproduktion, Medienprodukte und Medienrezeption auswirken. »Die Grenzen zwischen den Mediengattungen - Hörfunk, Fernsehen, Zeitungen, Zeitschriften, Onlinemedien etc. - beginnen sich ebenso aufzulösen wie die Grenzen zwischen privater, teilöffentlicher und öffentlicher Kommunikation« (ebd.). Mit Globalisierung ist die weltweite Vernetzung angesprochen, von der Medien und Kommunikation geprägt sind und die ihrerseits »Kommunikation und Medien nachhaltig beeinflusst. Produktion, Distribution und Rezeption von Medien erhalten zunehmend grenz- und kulturüberschreitende Dimensionen, die gleichzeitig [zum Teil zumindest, - Ergänzung H. P.] Kulturunterschiede integrieren« (ebd.). In zunehmend individualisierten Gesellschaften, wie wir sie heute weitum vorfinden, »nehmen die Wahl- und Gestaltungschancen der/ des Einzelnen ebenso zu wie die damit verbundenen Risiken. Erklärungsmuster, die bei Konzepten wie ›Masse‹ oder ›Publikum‹ (im Singular) ansetzen, erscheinen immer weniger geeignet, den individualisierten Umgang mit Medien zu fassen« (ebd.). Mit Mediatisierung wird die »zunehmend zeitliche, räumliche und soziale Durchdringung von Kultur und Prozessen der Massenkommunikation« verstanden. Mediatisierung »führt zu Rückwirkungen ›medialer Logiken‹ auf verschiedenste kulturelle und soziale Bereiche« (ebd.), nicht nur - aber insbesondere - Politik, Wirtschaft oder auch Kultur. Und die beobachtbare, zunehmende Ökonomisierung der Medien führt zu einer »Markt- und Wettbewerbslogik« auch solcher gesellschaftlicher Bereiche, »die bislang kaum berührt waren. Dadurch stellt sich verstärkt die Frage, wie öffentliche Aufgaben der Medien und private Interessen vereinbart werden können« (ebd.). <?page no="53"?> 2 Zur Fachgeschichte 54 Das Fach kann an zahlreichen deutschen Universitäten (sowie in Österreich und in der Schweiz) in recht unterschiedlicher Weise, unter unterschiedlichen Fachbezeichnungen (Publizistikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft, Journalistik, Medienwissenschaft etc.) sowie unter ebenso unterschiedlichen inhaltlichen Fachperspektiven an Universitäten, (künstlerischen) Hochschulen, Fachhochschulen sowie Akademien studiert werden. Es gibt geisteswissenschaftlich orientierte, sozialwissenschaftliche, journalistische bzw. journalistikwissenschaftliche sowie ästhetisch-produktiv-gestalterische Studiengänge (vgl. Wirth 2000, S.- 38ff). Die meisten von ihnen wurden in den zurückliegenden Jahren im Zuge des Bolognaprozesses in Bachelorund/ oder Masterstudiengänge umgestaltet. Studienpläne, Studienordnungen und Lehrangebote erweisen sich als heterogen, ebenso deren wissenschaftliche Orientierung. Ihre konkreten Bezeichnungen, Studienziele, inhaltlichen Schwerpunktsetzungen, Adressen und Ansprechpersonen können unter der Rubrik »Service« dem Onlineauftritt der DGPuK entnommen werden (www.dgpuk.de). In Österreich sind publizistikbzw. kommunikations- und medienwissenschaftliche Studiengänge an den Universitäten Klagenfurt, Salzburg und Wien eingerichtet (vgl. Siegert et al. 2000). Daneben existieren mehrere andere hochschulgebundene Formen und Einrichtungen (vgl. Siegert et al. 2000, S.-74f; Kaltenbrunner/ Kraus 2004). Einen aktuellen Überblick über Entwicklung und Lage der Kommunikationswissenschaft in Österreich vermittelt mit Beiträgen zahlreicher Autoren Heft 1/ 2013 der Fachzeitschrift MedienJournal (Kommunikationswissenschaft in Österreich, 2013). In der Schweiz ist das Fach in Basel, Bern, Fribourg, Genf, Lausanne, Lugano, Luzern, Neuchâtel, St. Gallen und Zürich vertreten mit teils unterschiedlichen Ausrichtungen und inhaltlichen Schwerpunkten; diese sind dem Onlineauftritt der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft SGKM zu entnehmen: www.sgkm.ch/ medienatlas.html. In einem weit gefassten Sinn lassen sich in Deutschland gegenwärtig »drei auf Kommunikation und Medien bezogene, wissenschaftliche Orientierungen unterscheiden: eine eher sozialwissenschaftlich, eine eher geisteswissenschaftliche sowie eine eher technisch und ästhetisch-gestalterisch ausgerichtete« (DGPuK 2008, Hervorhebung i. Orig.). Die sozialwissenschaftliche Linie, der auch das vorliegende Buch weitgehend folgt, hat sich national wie international unter der Bezeichnung Kommunikationswissenschaft etabliert. Sie befasst sich mit den »sozialen Bedingungen, Folgen und Bedeutungen medialer, öffentlicher und interpersonaler Kommunikation« (ebd.; Hervorhebung i. Orig.). Neben dem bereits erwähnten Theorienpluralismus zeichnet sich das Fach auch durch einen Methodenpluralismus aus. Zur Klärung von wissenschaftlichen (Forschungs-)Fragen gelangen empirische, quantitative und qualitative Verfahren zur Anwendung. Was das mögliche Leistungsspektrum betrifft, so versucht die Kommunikationswissenschaft v. a. dreierlei: Sie möchte 1) »Beiträge zur Aufklärung der Gesellschaft durch Grundlagenforschung« leisten, wobei »das Wechselverhältnis von Kommunikation, Medien und Gesellschaft« im Vordergrund steht. Sie versucht 2) »Problemlösungen für die Medien- und Kommunikationspraxis in Form angewandter Forschung« zu liefern, wobei es u. a. um Mediennutzungsforschung (Print, Radio, TV, Online), Umfrageforschung und Wähleranalysen (politische Kommunikation), Journalismusforschung und auch Medienresonanzanalysen geht. Und sie trägt bei 3) zur Ausbildung für Tätigkeiten im Bereich Medien und Kommunikation. »Kommunikations- und medienwissenschaftliche Studienangebote tragen ganz wesentlich zur Ausbildung für den Mediensektor bei (insbesondere Journalismus, Kommunikationsberatung, Medienforschung, Medienmanagement, Medienproduktion, Werbung und PR)« (DGPuK 2008; Hervorhebung i. Orig.). Durch die Errichtung neuer Institute in den neuen (aber auch alten) Bundesländern, infolge der Ausstattung bestehender Institute mit weiteren Professuren und wissenschaftlichem Personal sowie infolge intensiver Bemühungen um Drittmittel öffentlicher wie privater Geldgeber konnte die Forschungs-, Publikations- und Lehrleistung des Faches erheblich gesteigert werden (vgl. u. a. Alrmep- <?page no="54"?> Literatur 55 pen et al. 2011). Insgesamt stellt die Kommunikationswissenschaft heute eine selbstbewusste Disziplin dar, deren Absolventen im weiten Feld der Medien- und Kommunikationsberufe (auch in krisenhaften Phasen der Wirtschaft) in aller Regel rasch und gut unterkommen. Vielfältige Kontakte mit der und in die Medien- und Kommunikationsbranche, wie sie von den meisten Instituten intensiv gepflegt werden, sowie ein in vielen Instituten sorgfältig betreutes Alumniwesen erweisen sich diesbezüglich für die Studienabgänger als äußerst nützlich. 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Welcher Durchschnittsbürger weiß schon, was im grafischen Gewerbe mit »Hurenkind« gemeint ist, was in der Medizin »intubieren« heißt, was im Tunnelbau der »Kalottenvortrieb« ist oder in der Luftfahrt »abschmieren« bedeutet? Fachbegriffe stellen folglich nichts anderes als Verallgemeinerungen konkreter Phänomene dar. Ihre Funktion besteht darin, v. a. komplexe Sachverhalte nach Möglichkeit vereinfacht - jedoch möglichst nicht verkürzt - zu beschreiben. Daher zeichnet sich die Fach- oder Wissenschaftssprache durch genau definierte Begriffe oder, wo kompakte Definitionen nicht möglich sind, zumindest durch konkrete Begriffsbeschreibungen aus. Es liegt auch im Wesen der Wissenschaft, dass ständig neue Fachbegriffe »generiert«, d. h. aus neuen Erkenntnissen hergeleitet, entwickelt und gebildet werden. Dabei kommt es oftmals zu Fremdwortbildungen und zu Übernahmen aus dem Englischen bzw. Amerikanischen, »zumal ein großer Teil der kommunikationswissenschaftlichen Fachliteratur aus diesem Sprachraum stammt und die internationale Wissenschaftskommunikation (Kongresse und Fachzeitschriften) zur Verbreitung dieser Fachsprache erheblich beigetragen hat« (Bentele/ Beck 1994, S.-16). Auch ist nicht zu übersehen, dass die Kommunikationswissenschaft Begriffe aus anderen Fächern, v. a. aus sozialwissenschaftlichen Disziplinen wie der Soziologie, der Psychologie, der Politikwissenschaft, der (Sozio-)Linguistik oder den Wirtschaftswissenschaften und der Informatik entlehnt bzw. übernimmt. Es ist nicht möglich, nachfolgend alle Fachbegriffe der Kommunikationswissenschaft detailliert aufzuführen und inhaltlich zu klären (schließlich soll hier kein Fachwörterbuch der Kommunikationswissenschaft geschrieben werden). Vielmehr seien einige zentrale Begriffe herausgehoben, deren Kenntnis für das Verständnis des Fachgegenstandes wichtig sind, zumal schon die Fachbezeichnung »Kommunikationswissenschaft« nicht selten zu Missverständnissen führen kann. Als derart zentrale Begriffe erweisen sich die Termini Kommunikation, Publizistik, (klassische) Massenkommunikation sowie computervermittelte Kommunikation. Dem interdisziplinären Charakter des Faches folgend werden dabei neben kommunikationswissenschaftlichen Aspekten auch soziologische, psychologische sowie teils auch (sozio-)linguistische Aspekte angesprochen. Zahlreiche andere Fachbegriffe erfahren ihre Klärung jeweils innerhalb der einzelnen Abschnitte. <?page no="63"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 64 3.1 Kommunikation Kommunikation ist ein sowohl fachwie auch alltagssprachlich verwendeter Begriff mit zahlreichen Bedeutungsgehalten. Bezogen auf soziale, also gesellschaftliche Kommunikation ist er im deutschen Sprachraum über den Begriff Massenkommunikation »bekannt, ja modisch geworden« (Merten 1977, S.- 141). Massenkommunikation wiederum ist die in den 1960er-Jahren aus dem Amerikanischen übernommene Bezeichnung für mass communication. Zweifellos erfuhr der in jüngerer Zeit inflationär verwendete Begriff Kommunikation seine inhaltliche Prägung durch die Kommunikationswissenschaft. Für die deutschsprachige Kommunikationswissenschaft ist von der Übernahme der beiden aus dem Amerikanischen stammenden Begriffe der Impuls ausgegangen, sich neben medienvermittelter Kommunikation auch mit dem komplexen Phänomen zwischenmenschlicher Kommunikation zu befassen. 3.1.1 Unterscheidung von Kommunikation In einer bereits 1977 durchgeführten Analyse von 160 Begriffsbestimmungen über Kommunikation nahm der Münsteraner Kommunikationswissenschaftler Klaus Merten eine hierarchische Unterscheidung von Kommunikation vor. Dabei differenzierte er zwischen subanimalischer, animalischer, Human- und Massenkommunikation (Merten 1977, S.-94ff): • Mit subanimalischer Kommunikation ist die Kommunikation zwischen Organismen gemeint. Dabei geht es um technische oder naturwissenschaftliche Erscheinungen von Kommunikation wie etwa die reziproke Einwirkung zweier magnetischer Substanzen aufeinander oder die Entstehung einer Verbindung aus zwei Molekülen. • Animalische Kommunikation meint Kommunikation zwischen Lebewesen, sei es zwischen Tieren oder zwischen Menschen und Tieren. • Mit der Bezeichnung Humankommunikation ist ausschließlich Kommunikation unter Menschen angesprochen. Ihr besonderes Kennzeichen ist die Verfügbarkeit eines sprachlichen Kanals über und neben anderen - nonverbalen - Kommunikationskanälen. • Massenkommunikation ist Merten zufolge eine besondere Form der Humankommunikation, deren Kennzeichen u. a. darin besteht, dass sie auf technische Medien angewiesen (also indirekt) ist, in aller Regel einseitig abläuft und sich an die Öffentlichkeit richtet. Zu ergänzen ist diese Systematisierung um die • Computervermittelte Kommunikation: Dabei handelt es sich um einen aus der Multimedia-Kommunikation hergeleiteten Begriff. Gemeint sind neue Kommunikationsformen, die durch das Verschmelzen von Telekommunikation, Computerisierung und herkömmlichen elektronischen Massenmedien möglich geworden sind. Die (teilöffentliche) Kommunikation in und mittels sozialer Netzwerke wie Facebook oder auch Twitter sind Beispiele dafür. Summa summarum kann man der hier dargestellten Differenzierung zufolge also zwischen Kommunikation im weiteren sowie im engeren Sinne unterscheiden. Kommunikation im weiteren Sinne meint alle Prozesse der Informationsübertragung und bezieht technische, biologische, psychische, physische und soziale Informationsvermittlungssysteme ein. Unter Kommunikation im engeren Sinn versteht man einen Vorgang der Verständigung und der Bedeutungsvermittlung zwischen Lebewesen (vgl. Maletzke 1963, S.-18). Kommunikation zwischen Menschen schließlich stellt - soziologisch <?page no="64"?> 3.1 Kommunikation 65 betrachtet - eine Form sozialen Handelns dar, das mit subjektivem Sinn verbunden sowie auf das Denken, Fühlen und Handeln anderer Menschen bezogen ist (Weber 1980). 3.1.2 Kommunikation und Interaktion Der Gedanke, wonach soziales Handeln »mit subjektivem Sinn verbunden« sowie »auf das Handeln anderer Menschen bezogen und daran in seinem Ablauf orientiert ist«, geht auf den Soziologen Max Weber zurück (Weber 1980, S.-1). Wenn zwei oder mehr Personen sich »in ihrem gegenseitigen Verhalten aneinander orientieren und sich auch gegenseitig wahrnehmen können« (Jäckel 1995, S.-463), wird dies als Interaktion bezeichnet (ebd.). Interaktion ist also gekennzeichnet durch »Prozesse der Wechselbeziehung bzw. Wechselwirkung« (Burkart 1998, S. 30). Demgemäß soll in Anlehnung an Roland Burkart unter sozialer Interaktion ein wechselseitiges Geschehen zwischen zwei oder mehr Personen verstanden werden, »welches mit einer Kontaktaufnahme beginnt und zu (Re-)Aktionen der im Kontakt stehenden Lebewesen führt« (Burkart 1998, S.-30). Kommunikation kann somit als eine »spezifische Form der sozialen Interaktion« verstanden werden (Graumann 1972, S.- 1110; vgl. auch Burkart 1998, S.-30; Kunczik/ Zipfel 2005, S. 26-30), zumal zwischenmenschliche Kommunikation sich in aller Regel auch durch Wechselseitigkeit auszeichnet. Die Begriffe Kommunikation und Interaktion werden gelegentlich auch synonym verwendet. Dies ist nicht uneingeschränkt zulässig, sondern bedarf einer Differenzierung: Zweifellos stehen die Begriffe Kommunikation und Interaktion zueinander in Beziehung. Mit Kommunikation ist von der Wortbedeutung her jedoch eher Verständigung und sind damit in erster Linie inhaltliche Bedeutungsprozesse gemeint (vgl. Maletzke 1998, S.-43). Interaktion hingegen meint den Charakter und Handlungsablauf sozialer Beziehungen (Jäckel 1995, S.-463; vgl. Graumann 1972, S.-1110ff). Wenn Interaktion folglich als Synonym für soziales Handeln steht, kann Kommunikation als Interaktion vermittels Zeichen und Symbolen bezeichnet werden. Versucht man folglich, eine Definition für zwischenmenschliche Kommunikation von Angesicht zu Angesicht zu finden, die sowohl den formalen Charakter sozialer Beziehungen als auch das Merkmal der Verständigung in sich vereinigt, so kann man Kommunikation einfach definieren als »verbales und/ oder nonverbales Miteinander-in-Beziehung-Treten von Menschen zum Austausch von Informationen« (Pürer 1998, S. 18; Hervorhebung i. Orig.). 3.1.3 Merkmale von Kommunikation In dem hier verstandenen Sinne besteht Kommunikation in einer vereinfachten Vorstellung aus mindestens vier Elementen, nämlich: einem Sender (Kommunikator), einem Kommunikationsinhalt (Aussage, Mitteilung, Botschaft), einem Kanal, über den der Inhalt vermittelt wird (Medium) sowie einem Empfänger (Rezipient). Der Kommunikationsvorgang läuft - vereinfacht dargestellt - so ab, dass der Sender eine Information verschlüsselt (encodiert), sprachlich an den Kommunikationspartner übermittelt und der Empfänger die übermittelte Botschaft erfasst und entschlüsselt (decodiert). Dieser Vorgang bzw. Prozess ist in mehreren Kommunikationsmodellen dargestellt (vgl. z. B. McQuail/ Windahl 1994; siehe auch Bentele/ Beck 1994, S.-21-25; Kunczik/ Zipfel 2005, S. 41-47; Stöber 2008, S.-16-27). Beim Gespräch zwischen zwei oder auch mehr Personen läuft dieser Prozess in aller Regel wechselseitig, also im ständigen Tausch der Rollen von Kommunikator und Rezipient ab. Wechselseitigkeit (Reziprozität) ist in aller Regel also eines der Merkmale von interpersonaler bzw. Face-to-face-Kommunikation (vgl. Merten 1977, S.-75). »Der Status der beiden Kommunika- <?page no="65"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 66 tionspartner und/ oder die soziale Strukturierung der Kommunikationssituation« können jedoch zu einem »kommunikativen Gefälle« zwischen Sender und Empfänger führen, sodass der Kommunikationsprozess bzw. sein dialogischer Charakter nicht zwingend symmetrisch strukturiert sein muss (vgl. Kübler 1994, S.-38). In seiner Analyse von Kommunikationsbegriffen hat Merten neben der Reziprozität weitere Merkmale von (Face-to-face-)Kommunikation ausfindig gemacht. Es sind dies die Merkmale Intentionalität, Anwesenheit, Sprachlichkeit, Wirkung und Reflexivität (Merten 1997; siehe dazu etwa auch Rau 2013, S. 30ff): • Mit dem Charakteristikum Intentionalität ist die Absichtshaftigkeit des Senders und Zielgerichtetheit der Botschaft an den Empfänger gemeint. Intentionalität kann auch gegeben sein, wenn der angestrebte Empfänger möglicherweise nicht reagiert (vgl. Merten 1977, S.-77f ) oder etwas anderes versteht als der Sender. • Das Merkmal Anwesenheit bezeichnet die gegenseitige Wahrnehmbarkeit der Kommunikationspartner in der direkten Interaktion. Diese gegenseitige Wahrnehmbarkeit ist nicht nur im persönlichen Gespräch zwischen zwei Personen gegeben, sondern z. B. auch beim Telefonieren (vgl. Merten 1977, S.-79ff). In dieser - technisch vermittelten - Form der Kommunikation nehmen die beiden Gesprächspartner einander wegen der eingeschränkten Zahl der benutzten Kommunikationskanäle allerdings anders wahr als in der Face-to-face-Kommunikation. • Obwohl wir in vielfältiger Weise auch nonverbal kommunizieren, ist Sprachlichkeit ein sehr wesentliches Merkmal von Kommunikation (vgl. Merten 1977, S.-82). Sprache ist das leistungsfähigste Kommunikationsinstrument und spielt für die Verständigung zwischen zwei oder mehreren Kommunikationspartnern eine eminent wichtige Rolle. • Unter Wirkung sind sämtliche Verhaltensweisen und Erlebnisprozesse zu verstehen, die beim Kommunizieren ablaufen bzw. erfahrbar und beobachtbar sind (vgl. Merten 1977, S.-84ff). • In der Reflexivität, also in der Rückbezüglichkeit, sieht Merten das wichtigste Merkmal von Kommunikation. Reflexivität bezieht sich auf die beiden Kommunikationspartner, und so ist mit Reflexivität die Reflexion von Prozessen in der Kommunikation auf sich selbst gemeint. Merten unterscheidet zwischen Reflexivität in der Zeitdimension, in der Sachdimension sowie in der Sozialdimension (Merten 1977, S.-86-88 sowie S.-161f; vgl. auch Schmidt/ Zurstiege 2007, S. 34-36; Stöber 2008, S. 31f ). Dabei bedeutet Reflexivität in ihrer zeitlichen Dimension die Rückwirkung der Folgen von Kommunikation auf den Kommunikationsprozess selbst. Reflexivität in der sachlichen Dimension meint, »dass Kommunikation jeweils mit dem Kanal bzw. Code operieren kann, der dem sachlichen Anliegen am angemessensten ist. Kommunikation rekurriert mithin auf kulturelle und bewusstseinsmäßige Vorleistungen, kann adäquat Informationen auswählen, aufeinander beziehen, vorantreiben, Traditionen bilden und an Sinnstrukturen anknüpfen. Reflexivität in der sozialen Dimension bedeutet, dass Kommunikation Individuen [für vielleicht auch nur ganz kurze Zeit - Ergänzung H. P.] verbindet, Sozialität stiftet, kognitive Leistungen wie Wahrnehmen, Erwarten und Handeln verlangt bzw. erzeugt und damit letztlich menschliche Identität konstituiert« (Kübler 1994, S.- 18). Gemeint ist, dass Kommunikation zeitlich, sachlich und sozial immer an bereits Vorhandenes »andockt«. So manifestiert sich z. B. in der Frage eines Ortsunkundigen nach einer Straße oder Gasse (zeitliches und sachliches »Andocken«) bei einem - vermeintlich - Ortskundigen ein Mindestmaß an Vertrauen (soziales »Andocken« i. S.-»der kann mir vielleicht helfen«). Kommunikation ist durch ein Mindestmaß an Verständigung, an Gemeinsamkeiten der Gedanken oder Absichten zwischen Sender und Empfänger gekennzeichnet. Sie dient der Verständigung, dem Austausch und der Teilhabe an dem, worüber gesprochen wird. Verständigung liegt dann vor, <?page no="66"?> 3.1 Kommunikation 67 »wenn der Rezipient eine ihm mitgeteilte Aussage so versteht, wie sie vom Kommunikator gemeint ist« (Burkart 1998, S.-75). Dazu bedarf es eines gemeinsamen, übereinstimmenden Zeichenvorrates. Über einen in hohem Maße übereinstimmenden Zeichenvorrat verfügen Kommunikationspartner, die nicht nur die gleiche Sprache sprechen, sondern auch ähnliche oder gleiche Interessen haben sowie ähnliche oder gleiche Erfahrungen, Anschauungen und Werthaltungen (vgl. Merten 1977, S.-47-49). Innere Monologe, Denkprozesse, Selbstgespräche - also das, was wir intrapersonale Kommunikation nennen - kann nicht als Kommunikation im bisher dargelegten Sinn bezeichnet werden. Das Denken ist, wie Plato sagt, das »Selbstgespräch der Seele« und damit zweifellos eine Art kommunikativer Vorgang, aber eben ein intrapersonaler im Gegensatz zur interpersonalen Kommunikation (vgl. Schreiber 1990, S.-249). 3.1.4 Kommunikation - ein komplexer Prozess Der uns so selbstverständlich erscheinende Vorgang von Kommunikation als Prozess ist kein Vorgang, der kausal einfach zu erfassen ist (Merten 1977, S.-53). Vielmehr stellt Kommunikation einen komplexen Sachverhalt dar, in dessen Verlauf Rücksteuerungen und Rückkopplungen sowie ein- und gegenseitige Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den Kommunizierenden eine Rolle spielen. Bei Kommunikation bzw. kommunikativem Handeln wird seitens der Kommunikationspartner Sinn konstruiert, Information generiert und ausgetauscht. Außerdem kommen auch subjektive Auswahlbzw. Selektionsprozesse der Kommunikationspartner zum Tragen (vgl. Bentele/ Beck 1994, S.-32). In der zwischenmenschlichen Kommunikation von Angesicht zu Angesicht (face to face) nehmen die Kommunizierenden abwechselnd die Rolle von Sender und Empfänger, von Kommunikator und Rezipient ein. Dies erfolgt oft »in so rascher Folge und mit Überschneidungen, dass man von einer gewissen Koinzidenz beider Rollen bei beiden Partnern ausgehen kann« (Schulz 1994, S.-147). Dabei handelt es sich weniger um eine Übertragung als vielmehr um einen Austausch von Information. Dieser Austausch von Information bedient sich sprachlicher (verbaler) wie nichtsprachlicher (nonverbaler) Kommunikationsformen. Das Sprachliche manifestiert sich - übrigens in Spreche wie in Schreibe - im Gebrauch von Zeichen bzw. Symbolen. Bei gesprochener Sprache kommen paraverbale Merkmale wie Stimmqualität, Tonfall, Lautstärke, Stimmmelodie, Sprechpausen, dialektische Färbung u. a. m. hinzu. Bei geschriebener Sprache, z. B. im Brief oder auch bei gedruckten Medien, spielen (qualitativ-)formale Merkmale wie Schriftcharakter und Schriftbild eine Rolle. Allen diesen Merkmalen kann der Empfänger Informationen über den Sender entnehmen. Nonverbale Kommunikation bezeichnet »Formen des menschlichen Elementarkontaktes neben und außerhalb der Sprache« (Beth/ Pross 1976, S.-93). Diese nichtsprachliche Kommunikation findet ihren Ausdruck in zahlreichen - (quasi-)formalen - Manifestationen wie Mimik, Gestik, Körperhaltung, Blickkontakt, raumbezogenem Verhalten (räumliche Distanz der Kommunizierenden) etc.; sie werden vorwiegend über den optischen bzw. visuellen Kanal wahrgenommen. Nonverbale Kommunikationselemente sind aber auch in Mitteilungen zu sehen, die durch Geruch, Geschmack, Berührungen und Wärmeempfindungen vermittelt und wahrgenommen werden. Insgesamt kann man also unterscheiden zwischen sprachunabhängigen und sprachabhängigen nonverbalen Elementen (vgl. Kübler 1994, S.-24). Einen Sonderfall stellt die Sprache der (Taub-)Stummen bzw. Gehörlosen dar, die vorwiegend mit Mimik, Gestik und Gebärden operiert. Diese Sprache stellt in Form der Deutschen Gebärdensprache (DGS) übrigens ein eigenes, staatlich anerkanntes Sprachsystem dar. (In manchen Fernsehnachrichtensendungen - leider in viel zu wenigen - werden Personen eingeblendet bzw. gezeigt, die gehörlosen Zusehern das Gesprochene in die Sprache der Gehörlosen übersetzen). <?page no="67"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 68 Mit Blick auf verbale und nonverbale Kommunikation ist zu erwähnen, dass nonverbale Kommunikation durch die verbale nicht abgelöst wird. Vielmehr ergänzen sich beide Kanäle »komplementär zu einer wirksamen Struktur, die in der Bezogenheit aufeinander Leistungen ermöglicht, die keiner der Kanäle allein erbringen könnte« (Merten 1977, S.-82). Es ist jedoch unbestritten, dass jede leistungsfähige Kommunikation, die erinnerbar, multiplizierbar oder zurechenbar sein will, auf Sprache (in gesprochener oder geschriebener Form) aufbaut (vgl. ebd.). Im Unterschied zu nonverbaler Kommunikation befähigt Sprache zur Kommunikation über Personen, Dinge und Gegenstände sowie Sachverhalte »unabhängig von ihrer raum-zeitlichen Gegenwart« (Bergler/ Six 1979, S.-27). Dies gilt übrigens auch für einen beträchtlichen Teil der Kommunikation von Blinden bzw. Nichtsehenden. Für sie muss geschriebene Sprache freilich in einen eigenen materiellen Code transformiert werden, dessen Dekodierung über den Tastsinn erfolgt. 3.1.5 Kommunikation - ein vermittelter Prozess In der Kommunikationswissenschaft versteht man unter zwischenmenschlicher Kommunikation den sich der Sprachen, Zeichen und Symbole bedienenden Austausch von Bedeutungsgehalten zwischen zwei oder mehreren Personen, der auch nichtsprachliche Elemente enthält. Wenn wir uns zum Kommunizieren also z. B. der gesprochenen Sprache bedienen, so ist damit ausgesagt, dass alle menschliche Kommunikation - auch jene von Angesicht zu Angesicht - vermittelt ist. Kommunikation bedarf folglich immer einer Instanz, eines Mittels oder Mediums, mit dessen Hilfe eine Botschaft generiert bzw. artikuliert und »durch das hindurch eine Nachricht übertragen bzw. aufgenommen wird« (Graumann 1972, S.-1182). Der Begriff »Medium« steht daher »sowohl für personale (der menschlichen Person ›anhaftende‹) Vermittlungsinstanzen als auch für jene technischen Hilfsmittel zur Übertragung einer Botschaft« (Burkart 1998, S.-36), wie wir sie aus Telekommunikation (Telefon, Sprechfunk, Fax etc.), Massenkommunikation (Zeitung, Zeitschrift, Radio, Fernsehen) sowie auch aus der computervermittelten Kommunikation (E-Mail, Foren, Instant Messenger etc.) kennen. Menschliche Kommunikation zeichnet sich also durch eine Vielfalt immaterieller wie materieller Vermittlungsformen und -möglichkeiten aus. Von Harry Pross stammt der 1972 unternommene Versuch, diese Vielfalt zu differenzieren. Er unterscheidet zwischen primären, sekundären und tertiären Medien (Pross 1972, S.-10ff): • Primäre Medien sind demzufolge die Medien des »menschlichen Elementarkontaktes«. Dazu gehören die Sprache sowie nichtsprachliche Vermittlungsinstanzen wie Mimik, Gestik, Körperhaltung, Blickkontakt etc. Allen diesen originären Medien ist gemeinsam, dass kein Gerät zwischen den Kommunikationspartnern geschaltet ist »und die Sinne der Menschen zur Produktion, zum Transport und zum Konsum der Botschaft ausreichen« (Pross 1972, S.-145). • Sekundäre Medien sind dann jene, die auf der Produktionsseite technische Geräte erfordern, nicht aber beim Empfänger zur Aufnahme der Mitteilung. Gemeint sind Rauchzeichen, Feuer- und Flaggensignale sowie alle jene Manifestationen menschlicher Mitteilungen, die der Schrift (z. B. öffentliche Inschriften, Brief etc.), des Drucks (Einblattdruck, Flugblatt, Flugschrift, Zeitung, Zeitschrift, Buch, Plakat) oder einer anderen Form der materiellen Speicherung und Übertragung (z. B. Kopie) bedürfen. • Mit tertiären Medien sind alle jene Kommunikationsmittel gemeint, bei denen sowohl aufseiten des Senders (zur Produktion und Übermittlung) wie auch auf Seiten des Empfängers (zur Rezeption) ein technisches Mittel erforderlich ist. Dazu gehören der gesamte Bereich der Telekommunikation (Telefon, Telegrafie, Funkanlagen etc.) sowie v. a. die elektronischen Massenmedien wie <?page no="68"?> 3.1 Kommunikation 69 Radio, Fernsehen, Film, ebenso Videotechniken, in einem weiteren Sinn auch Computer und Datenträger unterschiedlicher Art. • Mit Blick auf die computervermittelte Kommunikation, auf Digitalisierung und Konvergenz, ist diese Typologie dennoch zu erweitern um die quartären Medien (vgl. Burkart 2002, S. 38). Diese bedürfen auf Senderwie Empfängerseite einer Onlineverbindung und vermögen Texte, Töne, Bilder, Grafiken etc. multimedial zu integrieren. »Neu ist außerdem, dass bei diesen Medien die bislang eher starre Rollenzuschreibung in Sender und Empfänger [wie wir sie in der klassischen Massenkommunikation kennen - Ergänzung H. P.] durch interaktive Momente eine gewisse Flexibilität erfährt« (ebd.). Vielfach kann in der computervermittelten Kommunikation (vgl. Kap. 3.3) »ein Aufweichen dieser traditionellen Sender-Empfänger-Beziehung beobachtet werden« (ebd.). Ergänzend zu vermerken ist, dass die »jeweiligen Kommunikationsmittel […] der Mitteilung […] nicht nur dazu [verhelfen], überhaupt in Erscheinung zu treten« (ebd.). Sie bestimmen vielmehr »auch die Form, in der dies geschieht: eine Mitteilung kann gesprochen, geschrieben, gedeutet, gezeichnet (u. Ä.) werden; sie kann darüber hinaus aber auch via Druck oder Funk verbreitet werden« (ebd.; Hervorhebung i. Orig.). Interpersonale Kommunikation von Angesicht zu Angesicht bedient sich der hier dargelegten Differenzierung zufolge primärer Medien. Ihre wichtigsten Kanäle sind verbale und nonverbale Vermittlungsformen. Kommunikation ist demnach erfolgreich, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind: Wenn die zu vermittelnden Gedanken, Absichten oder Bedeutungen - der »immaterielle Bewusstseinsgehalt« eines Kommunikators - in ein kommunizierbares verbales und/ oder nonverbales Zeichensystem umgewandelt werden können; wenn sich die Codes bzw. Zeichen und Chiffren in »physikalische Signale« (optische, akustische, taktile) transformieren lassen und von den Sinnesorganen des Adressaten wahrgenommen werden; sowie wenn der Adressat die empfangenen Zeichen deuten, d. h. decodieren, dechiffrieren und durch Interpretation die vermittelten Inhalte erschließen kann (vgl. Merten 1977, S.-46). 3.1.6 Die Kommunikations-»Kanäle« Nicht nur, aber v. a. in der zwischenmenschlichen Kommunikation kommunizieren wir über mehrere Kanäle. Gemeint sind jene Sinnesmodalitäten, mithilfe derer und über die wir unsere Kommunikationspartner wahrnehmen. Dabei kann zwischen dem auditiven, dem visuellen, dem taktilen, dem olfaktorischen, dem thermalen und dem gustatorischen Kanal unterschieden werden: • Über den auditiven Kanal nehmen wir gesprochene Sprache bzw. Information wahr, wobei paraverbale Komponenten wie Stimmvariation, Sprechgeschwindigkeit und Sprechrhythmus sowie extralinguistische Elemente (wie Lachen, Weinen, Husten, Rülpsen, Gähnen etc.) zugleich mit wahrgenommen werden. • Der visuelle Kanal vermittelt uns die meisten nonverbalen Informationen. Dazu gehören: Mimik (Gesichtsausdruck), Gestik, Körperhaltung, raumbezogenes Verhalten (wie interpersonale Distanz, Annäherungs- und Vermeidungstendenzen) sowie äußere Attribute (Körpergröße, Kleidung, Frisur). Eine wichtige Rolle spielt in der visuellen Kommunikation des Weiteren der Blickkontakt, wie Bergler/ Six unter Bezugnahme auf Koenig festhalten: »Das Auge ›sieht‹ nicht nur, es ›schaut‹ auch ›an‹ und wird umgekehrt selbst angeschaut, es ist Sender und Empfänger zur gleichen Zeit« (Koenig 1970, S.-183). Insofern hat das Auge eine wichtige Intimfunktion für zwi- <?page no="69"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 70 schenmenschliche Kommunikation (vgl. Bergler/ Six 1979, S.-28ff). Der visuelle Kommunikationskanal ist im Hinblick auf die Verarbeitungsgeschwindigkeit den anderen Kanälen überlegen. • Über den taktilen Kanal nehmen wir Körperberührungen wahr. Dazu zählt etwa der Händedruck bei Begrüßungen, Verabschiedungen, Beglückwünschungen, Vertragsvereinbarungen etc. ebenso wie v. a. Körperberührungen in der Intimkommunikation (z. B. zwischen Eltern und Kind oder zwischen zwei Liebenden). • Eng verbunden mit dem taktilen ist der thermale Kanal, über den wir, z. B. beim Händedruck bei einer Begrüßung oder beim Streicheln in der Intimkommunikation, zugleich auch die Körperwärme unseres Kommunikationspartners wahrnehmen. • Der olfaktorische Kanal vermittelt uns Gerüche, die von Kommunikationspartnern ausgehen können und die für das Gelingen oder Misslingen von Kommunikation von Bedeutung sein können (wie etwa der angenehme oder unangenehme Duft von Parfüm, ebenso Transpirations-, Mund- oder anderer Körpergeruch). • Schließlich ist auf den gustatorischen Kanal zu verweisen, der, wie etwa beim Kuss, Geschmacksempfindungen vermittelt. Solche Geschmacksempfindungen können aber auch z. B. von einem guten Essen ausgehen, das einer Kommunikation zuträglich (oder, wenn das Gegenteil der Fall ist, abträglich) sein kann. Die Menschen benutzen ihre Kommunikationskanäle nicht isoliert. Zwischenmenschliche Kommunikation bedient sich zumeist »gleichzeitig mehrerer dieser Kanäle« (Bentele/ Beck 1994, S.-40); und »je mehr Kanäle in der Kommunikation jeweils zusammenwirken, desto höher ist der Grad der Präzision und der Reflexivität der Kommunikation« (Schreiber 1990, S.- 132). Als besonderes Beispiel für Mehrkanalität nennt Erhard Schreiber den Kuss, »bei dem im […] optimalen Fall der taktile (Berührung), gustatorische (Geschmacksempfindungen), olfaktorische (Riechen von Körpergeruch), thermale (Wärmeempfindungen), optische (sektoraler Gesichtsausdruck) und der akustische (›typische‹ Kussgeräusche) Kanal beteiligt sind« (ebd.). Für Bergler/ Six (1979, S.-35) ist Kommunikation »immer die integrierte Einheit verbaler und nonverbaler Kommunikation«. In diesem Kontext verweisen sie auf unterschiedliche Vermittlungsleistungen verbaler und nonverbaler Kommunikation. So vermittelt verbale Kommunikation in erster Linie Tatsachen, Meinungen, Probleme, Sachverhalte. Sie wird nicht ausschließlich, aber primär kognitiv erfasst. Die nonverbale Kommunikation stellt oftmals erst die eigentliche emotionale Beziehung zum Angesprochenen her. Sie wird stark gefühlsbezogen wahrgenommen. Von nonverbaler Kommunikation gehen folglich wichtige Leistungen aus (Bergler/ Six 1979, S. 33; vgl. auch Kunczik/ Zipfel 2005, S. 37f; Schmidt/ Zurstiege 2007, S. 35). »Nonverbale Kommunikation • reguliert unmittelbar soziale Kontakte: Weckt Sympathie (und damit erhöhte Kontaktbereitschaft) oder Antipathie [und damit Verringerung der Kontaktbereitschaft - Ergänzung H. P.]; • bereitet den Zuhörer auf kommende verbale Information vor; • hält das Interesse des Zuhörers wach: Weckt Aufmerksamkeit und Bereitschaft zur weiteren Informationsaufnahme und Kommunikation; • ist die glaubwürdigere Information im Falle auftretender Diskrepanzen zwischen verbaler und nonverbaler Information; • unterstützt die verbale Kommunikation; • ersetzt und ergänzt verbale Kommunikation« (Bergler/ Six 1979, S.-33). Zwischenmenschliche Kommunikation von Angesicht zu Angesicht bedient sich in aller Regel stets mehrerer Kommunikationskanäle. »Nicht isolierte, abstrakte Worte und Sätze werden wirksam, <?page no="70"?> 3.1 Kommunikation 71 sondern die verbalen Elemente werden immer von bestimmten Menschen, mit einem charakteristischen Äußeren, einem spezifischen Attraktivitätswert, in einer spezifischen stimmlichen Artikulation, Stimmlage, mit einer spezifischen Mimik, Gestik etc. vorgetragen. […]. Diesem nonverbalen Verhalten […] kommt im Sinne von sozialen Techniken zentrale Bedeutung für die psychologische Wirksamkeit der eigentlichen Sachinformation zu« (Bergler/ Six 1979, S.-35). Im Unterschied zu Kommunikation von Angesicht zu Angesicht ist technisch vermittelte Kommunikation (Telekommunikation, Massenkommunikation, computervermittelte Kommunikation) von der Zahl der benutzten Kanäle bzw. Sinne betrachtet eingeschränkte Kommunikation. So wird beim Lesen der visuelle Kanal beansprucht; beim Radiohören der auditive; beim Fernsehen, beim Kinofilm sowie teilweise auch in der computervermittelten Kommunikation visueller und auditiver zugleich. In Telekommunikation, Massenkommunikation und computervermittelter Kommunikation gibt es aber keine Berührungen, keine Wärme- oder Geschmacksempfindungen sowie keine Gerüche. Auszunehmen sind allenfalls die Druckmedien: Sie verschaffen ihren Nutzern oftmals auch ein haptisches Erlebnis (und möglicherweise regt neben dem Inhalt auch der vertraute Geruch der Druckfarbe einer Zeitung, einer Zeitschrift oder eines Buches zum Weiterlesen an). 3.1.7 Exkurs: Man kann nicht nicht kommunizieren Von den amerikanischen Kommunikationsforschern Paul Watzlawick, Janet Beavon und Don Jackson stammt u. a. das metakommunikative Axiom, wonach man nicht nicht kommunizieren kann. Es handelt sich dabei um einen nicht beweisbaren Grundsatz von Kommunikation. Begründet wird er von seinen Urhebern wie folgt (vgl. Watzlawick et al. 1990, S.-53ff): Voraussetzung, um von Kommunikation sprechen zu können, sind zwei Systeme: jenes der Informationsabgabe und jenes der Informationsaufnahme. Bei der Informationsabgabe kann wieder zwischen zwei Haupttypen unterschieden werden, nämlich zwischen beabsichtigter (intentionaler) und nicht beabsichtigter (nichtintentionaler). Allein dadurch aber - und nun ist die nicht beabsichtigte Informationsabgabe angesprochen -, dass ein Mensch existiert, sich kleidet, sich im Raum oder in der Zeit bewegt etc., können von anderen Menschen Informationen über die Gestalt, das Aussehen, die Bewegungen, die Zugehörigkeit (z. B. zu einer sozialen Gruppe), den Gemütszustand etc. entnommen werden, ohne dass die Person beabsichtigt, solche Information gezielt über sich abzugeben. Dazu ein Beispiel: Ich fahre in der U-Bahn und nehme bewusst eine sitzende Person mit eingegipstem Bein wahr, die in einem Buch liest und lächelt. Das eingegipste Bein vermittelt bzw. zeigt (scheinbar) eine Verletzung an, das Lächeln (scheinbar) eine freudige Emotion. Bentele/ Beck weisen darauf hin, dass dieses Axiom eine bedeutsame Unterscheidung verwischt, »nämlich die zwischen Verhalten und Kommunikation. Tatsächlich kann jedem beobachteten Verhalten von einem wahrnehmenden Subjekt (oder einem anderen informationsaufnehmenden System) eine Bedeutung beigemessen werden, doch unterscheidet sich dieser Vorgang wesentlich von dem einer bewussten Verständigung« (Bentele/ Beck 1994, S.-20; vgl. Kunczik/ Zipfel 2005, S. 30; Stöber 2008, S. 22; vgl. dazu auch Rau 2013, S.-158ff, insbesondere S. 163ff). Ungeachtet dessen besteht Kommunikation »meist zugleich aus absichtlicher Mitteilung und nichtabsichtlicher Informationsabgabe: Wir teilen nicht nur eine bestimmte Aussage mit, sondern bieten durch unser Kommunikationsverhalten unserem Kommunikationspartner eine Fülle weiterer Informationen, aus denen er Schlüsse ziehen kann« (Bentele/ Beck 1994, S.- 20; vgl. auch Kunczik/ Zipfel 2005, S. 30; Stöber 2008, S. 22f ). Folgerichtig nehmen Beth/ Pross (1976, S.-71ff) die Unterscheidung von intendierter (also beabsichtigter und zielgerichteter) Kommunikation und von anzeigender (oder indizierender) <?page no="71"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 72 Kommunikation vor. Gegenstand der Kommunikationswissenschaft ist »nicht das gesamte Verhalten«, sondern primär »der Mitteilungsaspekt« (Bentele/ Beck 1994, S.-20). 3.1.8 Sprache und Kommunikation In den Sozialwissenschaften besteht Einigung darüber, »als Sprache nur die Verständigung mithilfe von Symbolen zu bezeichnen« (Maletzke 1998, S.-44). Die Sprache »ist das für den Menschen allein typische und bei weitem am höchsten entwickelte Kommunikationsmittel« (Griese 1976, S.-28). Sie entsteht »durch Laute, die sich nach bestimmten Regeln zu größeren sprachlichen Einheiten zusammensetzen und so zu Trägern von Bedeutungen werden« (Döhn 1979, S. 206). Sprache »ist immer Kommunikation, aber sie ist eine Kommunikationsform unter mehreren anderen« (Maletzke 1998, S.-44). In ihrer Leistungsfähigkeit und vielseitigen Verwendbarkeit ist Sprache anderen Kommunikationsformen gegenüber weit überlegen: Der Sprache wohnt die Möglichkeit inne, mit einer endlichen Anzahl von sprachlichen Regeln und Elementen eine unendliche Anzahl von sprachlichen Äußerungen und Bedeutungen auszudrücken. Von der Sprachwissenschaftlerin Hadumod Bußmann stammt der Versuch, Sprache nicht nur aus linguistischer Sicht, sondern als gesellschaftliches Phänomen kompakt zu beschreiben. Sie definiert Sprache als ein »auf kognitiven Prozessen basierendes, gesellschaftlich bedingtes, historischer Entwicklung unterworfenes Mittel zum Ausdruck bzw. Austausch von Gedanken, Vorstellungen, Erkenntnissen und Informationen sowie zur Fixierung von Erfahrung und Wissen« (Bußmann 1990, S.-699). Auf den »kognitiven Charakter« von Sprache (verbaler Kanal) wurde bereits hingewiesen. »Gesellschaftlich bedingt« heißt, dass Sprache in ihrer Ausprägung und Anwendung auf gesellschaftlichen Konventionen (Übereinkünften) beruht. Die im deutschen Sprachraum 1996 durchgeführte (und 2006 nochmals modifizierte) Rechtschreibreform, die de facto auf geänderten gesellschaftlichen Konventionen der Anwendung von Sprache bzw. sprachlichen Zeichen aufbaut, ist ein gutes Beispiel dafür. Im Zusammenhang damit steht der Gedanke, dass Sprache ein historischer Entwicklung unterworfenes Ausdrucksmittel darstellt. Sprache verändert sich im Laufe der Zeit, entlehnt aus anderen Sprachen Begriffe, kreiert (nicht zuletzt durch die Übernahme fachsprachlicher Begriffe in die Umgangssprache) Wortneuschöpfungen und streicht mitunter auch veraltete Ausdrucksformen aus ihrem Begriffsrepertoire. Schrift schließlich stellt die optische Fixierung sprachlicher Laute zu einem Zeichensystem dar und gilt als eine der genialsten Erfindungen des Menschen. Sie »schuf die Möglichkeit, Kommunikationsinhalte zu speichern und in dieser Form auch persönlich Abwesenden und persönlich Unbekannten mitzuteilen« (Hunziker 1988, S.-5), und sie ermöglicht weit besser als mündliche Überlieferung die Speicherung von »Erfahrung und Wissen« und damit auch die soziokulturell so bedeutsame Fixierung von Kulturtradition. Das Grundinventar des (alphanumerischen) Zeichensystems der deutschen Sprache besteht bekanntlich aus 26 (Grund-)Buchstaben (A bis Z) und zehn Ziffern (0 bis 9). Merten verweist im Hinblick auf das Kriterium der Reflexivität von Kommunikation auf die sachlichen, zeitlichen und sozialen Leistungen bzw. Dimensionen von Schrift. So erlaubt Schrift in der sachlichen Dimension »gegenüber mündlicher Weiter- und Wiedergabe eine immens gesteigerte Wiedergabe des Inhalts, entlastet also von subjektiver Verfälschung und konvergiert damit den Interpretationsspielraum« (Merten 1977, S.-140). In der zeitlichen Dimension »erlaubt Schrift die Akkumulation großer Erfahrungsbestände und deren Nutzbarmachung für alles zukünftige Handeln« (ebd.). In sozialer Hinsicht »erlaubt Schrift die Heranführung beliebig vieler und zueinander indifferenter Personen an die fixierbaren Selektionsleistungen, insbesondere die Bindung an die Kenntnis und die Befolgung aufgeschriebener Normen« (ebd.). Merten verweist allerdings auch darauf, <?page no="72"?> 3.1 Kommunikation 73 dass »Schrift […] nicht nur exakte Reproduktion [zulässt], sondern gerade auch wirkungssichere Fälschung« (ebd.). Sprache dient in erster Linie der zwischenmenschlichen Verständigung. Dazu ist es erforderlich, dass von den Kommunikationspartnern die gleichen sprachlichen Zeichen benutzt und identisch interpretiert werden. In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, 1) unter Bezugnahme auf die Semiotik auf die Dimensionen sprachlicher Zeichen zu verweisen; 2) aus psycholinguistischer Sicht kurz die Funktionen von Sprache zu erörtern; 3) den Inhalts- und Beziehungsaspekt von sprachlicher Kommunikation kurz anzusprechen sowie schließlich 4) auch noch kurz zu erörtern, worin Sprachbarrieren begründet sein können. Die Semiotik, die Lehre von den sprachlichen Zeichen, unterscheidet die folgenden drei Dimensionen sprachlicher Zeichen (Morris 1938; Pelz 1975; Kunczik/ Zipfel 2005, S. 33; Stöber 2008, S. 34; Beck 2010, S. 44): die semantische, die syntaktische und die pragmatische Dimension: • Mit der semantischen Dimension ist die Beziehung zwischen den sprachlichen Zeichen und den Gegenständen, d. h. Personen, Sachverhalten, Dingen, Ereignissen etc. gemeint, »auf die sie verweisen, die sie ›be-zeichnen‹ sollen« (Burkart 1998, S.-76). Die Semantik als Zeichenbzw. Wortbedeutungslehre befasst sich folglich mit der Bedeutung sprachlicher Zeichen und Zeichenfolgen (Wörter). • Die syntaktische Dimension meint die Beziehung der Zeichen untereinander. Untersuchungsgegenstand der Syntaktik, der Lehre von den Sprachregeln, sind folglich »die grammatischen Regeln, nach denen sprachliche Zeichen miteinander verknüpft werden können« (ebd.). Sie manifestieren sich u. a. auch in den Satzkonstruktionen sowie im Satzbau. • Die pragmatische Dimension »meint die Beziehung zwischen den Zeichen und ihren Benutzern« (ebd.). Die Pragmatik als ›Lehre von der Zeichenverwendung‹ […] fragt nach der Art und Weise des Gebrauchs sprachlicher Zeichen und Zeichenfolgen« (ebd.). Sie untersucht, was von einem Sprechenden in einer konkreten Kommunikationssituation mit sprachlichen Zeichen und Zeichenkombinationen »gemacht«, wozu sie »benützt« werden (konkrete Anwendung der Sprache durch einen Sprechenden). Im Zusammenhang mit der pragmatischen Dimension der Sprache spielt das Lexikon des Sprachverwenders, seine Sprachkompetenz und seine Sprachperformanz eine wichtige Rolle. Mit Lexikon ist der Wortschatz einer Sprache gemeint, der sich durch neu hinzukommende Wörter, Begriffe und Wortzusammensetzungen ständig verändert. Die Unterscheidung zwischen Sprachkompetenz und Sprachperformanz geht auf Benjamin Lee Whorf zurück (Whorf 1963). Mit Sprachkompetenz ist die allgemeine Kenntnis gemeint, die ein Sprachbenutzer von einer Sprache hat. Mit Sprachperformanz bezeichnet man den tatsächlichen Gebrauch, den ein Sprachbenutzer auf Grund seiner Sprachkompetenz in einer bestimmten Sprechsituation von Sprache macht (d. h. die Fähigkeit, Sprache situationsgerecht anzuwenden). Der schweizerische Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure (1857-1913) schließlich nimmt die Unterscheidung von »langue« und »parole« vor. Langue meint Sprache als statisches System (z. B. das Deutsche, die englische Sprache, das Italienische), parole dagegen Sprechen in konkreten sprachlichen Äußerungen (vgl. Saussure 1931), also einen dynamischen Vorgang. Von dem Psychologen Karl Bühler (1978) stammt die nachfolgende, bereits 1934 entwickelte Systematik der Sprachbzw. Zeichenfunktionen. In Anlehnung an Plato verstand Bühler unter Sprache ein »Werkzeug« (griechisch: »organon«) des Kommunikationsprozesses. Dieses Werkzeug erfüllt für Bühler drei Funktionen, nämlich die Darstellungsfunktion, die Ausdrucksfunktion sowie die Appellfunktion (Bühler 1978, S.-28ff; vgl. auch Stöber 2008, S. 28ff): <?page no="73"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 74 • Mit der Darstellungsfunktion ist die Möglichkeit gemeint, Dinge und Sachverhalte zu beschreiben. Sie ist objektorientiert; im Vordergrund stehen die sprachlich vermittelten Sachverhalte. Das sprachliche Zeichen ist »Symbol für Gegenstände oder Sachverhalte, für die es steht« (Graumann 1972, S.-1197). • Die Ausdrucksfunktion verweist auf die Fähigkeit der Sprache, Gedanken und Empfindungen auszudrücken. Sprachliche Zeichen sind also »Symptom eines inneren Zustandes des Senders« (ebd.). Die Ausdrucksfunktion ist kommunikationsorientiert, sie vermittelt die emotionalen Färbungen des Sprechers. • Die Appellfunktion meint die Möglichkeit, mittels Sprache das Verhalten des Kommunikationspartners beeinflussen zu können. Sie ist rezipientenorientiert. Das sprachliche Zeichen ist »Signal für einen Empfänger« (ebd.). Jede dieser Funktionen kommt bei sprachlicher Kommunikation, insbesondere bei solcher von Angesicht zu Angesicht, zur Geltung. Freilich können in je unterschiedlichen Kommunikationssituationen und je nach physischer und psychischer Verfassung des jeweils Sprechenden einzelne Funktionen überwiegen bzw. etwas stärker zum Ausdruck kommen: 1) Unter Bezugnahme auf Watzlawick sei darauf hingewiesen, dass sprachliche Kommunikation einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt aufweist. Im Inhaltsaspekt manifestiert sich das, was eine Mitteilung enthält. Im Beziehungsaspekt sollte zum Tragen kommen, wie der Sender seine Mitteilung vom Empfänger verstanden wissen will. Gemeint ist, dass der Inhaltsaspekt die ›Daten‹ vermittelt, während der Beziehungsaspekt anweist, »wie diese Daten aufzufassen sind« (Watzlawick et al. 1969, S.-55). Dabei ist das Verhältnis zwischen Inhalts- und Beziehungsaspekt derart, »dass letzterer den ersteren bestimmt« (ebd.). Der Inhalt (was) einer Mitteilung wird primär kognitiv erfasst, der Beziehungsaspekt (wie) primär eher intuitiv und emotiv. 2) Was schließlich Sprachbarrieren betrifft, also Missverstehen und Nichtverstehen, so verweist Burkart (1988) in Anlehnung an Badura (1971) darauf, dass sich beides auf der Sprachebene des Gegenstandes und auf der Sprachebene der intersubjektiven Wahrnehmung der Gesprächspartner abspielen kann. Dazu im Einzelnen: - »Auf der gegenständlichen Ebene liegt ein Nichtverstehen vor, wenn Sprecher und Hörer über unterschiedliche Zeichenvorräte verfügen« (Burkart 1998, S.-84). Dies ist z. B. der Fall, wenn der Sprecher ein Fremdwort verwendet, das der Hörer nicht kennt. - »Ein Missverstehen auf der gegenständlichen Ebene von Kommunikation liegt dagegen vor, wenn beide Kommunikationspartner wohl mehr oder weniger gleiche Zeichenvorräte besitzen, […] wenn beide Kommunikationspartner aber dennoch unterschiedliche Bedeutungen mit den betreffenden Wörtern verbinden« (ebd.). Es entsteht also ein »semantisches« Problem. - »Auf der intersubjektiven Ebene von Kommunikation liegt ein Nichtverstehen dann vor, wenn sprachliche Äußerungen [eines Kommunikators vom Rezipienten - Ergänzung H. P.] gar nicht als solche erkannt werden. Die Gründe dafür liegen im Unvermögen des Empfängers, die sprachlichen Manifestationen überhaupt zu identifizieren« (Burkart 1998, S.-85). - »Ein Missverstehen auf der intersubjektiven Ebene liegt hingegen dann vor, wenn die beiden Kommunikationspartner die gesetzten Sprechakte unterschiedlich interpretieren« (ebd.). Es entsteht also ein pragmatisches Problem, es gibt »Differenzen im Bereich der pragmatischen Zeichendimension zwischen Sprecher und Zuhörer« (ebd.). Sprachbarrieren können aber auch gesellschaftlich bedingt sein. Johannes Weinberg (1975), Basil Bernstein (1972) sowie Horst Holzer und Karl Steinbacher (1972) verweisen in teils unterschiedlicher Art darauf, dass es schichtspezifische Unterschiede in Spracherwerb, Sprachentwicklung und Sprach- <?page no="74"?> 3.1 Kommunikation 75 gebrauch gibt. Mittel- und Unterschicht gebrauchen verschiedene Varianten der gemeinsamen Einheitssprache. So verwendet die Unterschicht eine Sprache, deren Code »restringiert«, also (mehr oder weniger stark) beschränkt ist, die Mittel- und Oberschicht dagegen einen »elaborierten« (also gut entwickelten und erweiterten) Sprachcode. Die Verschiedenartigkeit der beiden Codes kann zu einer gesellschaftlichen Benachteiligung sozial schwacher bzw. niedriger Schichten führen, insbesondere im Hinblick auf den gesellschaftlichen Aufstieg und bei beruflichen Karrieren (vgl. auch Burkart 1998, S.-100-102; vgl. Stöber 2008, S. 35). Vom Hamburger Sprachpsychologen Friedemann Schulz von Thun (1996a, 1996b) stammt ein psychologisch begründetes »Nachrichtenquadrat«, das hier im Zusammenhang mit Sprache noch erwähnt werden soll. Es ist ein »Grundmodell für eine Allgemeine Kommunikationspsychologie« (Schultz von Thun 1996b, S. 16), das u. a auch wesentlich auf Sprache basiert. Im Blickpunkt des Modells steht, »was jemand von sich gibt bzw. was beim anderen ankommt« (Schulz von Thun 1996b, S. 19; Hervorhebung i. Orig.). An einer in der persönlichen Kommunikation übermittelten Nachricht unterscheidet der Autor »vier Seiten […], die immer gleichzeitig mit im Spiele sind: 1) der Sachinhalt, der Informationen über die mitzuteilenden Dinge und Vorgänge enthält; 2) die Selbstkundgabe, durch die der ›Sender‹ etwas über sich mitteilt - über seine Persönlichkeit und über seine aktuelle Befindlichkeit (sei es nun in bewusster Selbstdarstellung oder in mehr oder minder freiwilliger Selbstöffnung und Selbstpreisgabe); 3) der Beziehungshinweis, durch den der Sender zu erkennen gibt, wie er zum Empfänger steht, was er von ihm hält und wie er die Beziehungen zwischen sich und ihm definiert; 4) der Appell, also der Versuch, in bestimmter Richtung Einfluss zu nehmen, die Aufforderung, in bestimmter Weise zu denken, zu fühlen oder zu handeln« (Schulz von Thun 1996b, S. 19f; Hervorhebung i. Orig.). Schulz von Thun zufolge verbindet sich mit diesem Modell »die Erkenntnis, daß ein- und dieselbe Nachricht - oder sagen wir nun besser: Äußerung - viele Botschaften gleichzeitig enthält, welche sich auf die vier Seiten verteilen« (ebd.; Hervorhebung i. Orig.). Explizit ausgesprochen »ist oft nur eine Seite (häufig der Sachinhalt) […] und alle anderen Botschaften [stehen] ›zwischen den Zeilen‹, [sind] aber deswegen keinesfalls weniger bedeutungsvoll und wirksam« (Schulz von Thun 1996b, S.- 20). Das Modell weist teils Gemeinsamkeiten bzw. Ähnlichkeiten mit Aspekten auf, die sich bereits in Bühlers entwickeltem Sprachmodell finden (Darstellungsfunktion, Ausdrucksfunktion, Appellfunktion; siehe auch Beck 2010, S. 45f; Rau 2013, S. 89ff). Nach diesem kurzen Exkurs in Sprachsoziologie und Sprachpsychologie kann resümiert werden, dass Sprache nicht nur für die zwischenmenschliche Verständigung eine wichtige Rolle spielt. Sprache ist vielmehr generell von unübersehbarer soziokultureller Bedeutung (Döhn 1979, S. 207ff): • Sprache ist ein wichtiger Informationsträger, von dem alle anderen Formen der Kommunikation abhängen. • Individuelle wie soziale Kommunikation ist auf Sprache angewiesen, auch wenn Verständigung über andere Kommunikationskanäle erfolgt. • Sprache spielt für die Bewusstwerdung des Individuums eine wichtige Rolle, unser Denken folgt den Regeln der Sprache. • Die Speicherung und Weitergabe von Wissen und neuer Information ist auf Sprache angewiesen. • Nicht zuletzt werden gesellschaftliche und kulturelle Werte durch Sprache vermittelt und tradiert. <?page no="75"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 76 3.1.9 Arten von Kommunikation Kommunikation kann in verschiedenen Arten vor sich gehen: direkt oder indirekt; wechselseitig oder einseitig; privat oder öffentlich sowie in Anwesenheit oder in Abwesenheit (und damit gegenseitig wahrnehmbar oder nicht wahrnehmbar). So verläuft Kommunikation zwischen zwei Personen (Face-to-face) in aller Regel in direkter Interaktion, wechselseitig und privat, wobei eine Vielzahl von Kommunikationskanälen benutzt wird. Die Kommunikationspartner sind gleichzeitig anwesend und gegenseitig wahrnehmbar, wodurch ein hoher Grad an Reflexivität und Reaktion gegeben sowie Rückfragen möglich sind. Kommunikation zwischen zwei Personen von Angesicht zu Angesicht hat eine dyadische oder dialogische Struktur. Dagegen ist unter zeitversetzter und/ oder räumlich getrennter Interaktion bereits ein besonderer Typus von persönlicher Kommunikation zu sehen, auch wenn ihre Dialogstruktur weitgehend erhalten bleibt. Dies ist z. B. bei der Telefonkommunikation, beim Chat im Internet, auch beim Brief sowie bei Kommunikation mittels SMS der Fall. Gruppenkommunikation ist von der dyadischen, interpersonalen Kommunikation abzugrenzen. Sie zeichnet sich durch zweierlei aus. Zunächst ist ihre Kommunikationsstruktur »von der Zahl und den Rollen der einzelnen Gruppenmitglieder« bestimmt (Kübler 1994, S.-21). Und strukturell ist sie v. a. gekennzeichnet »von den Normierungen und Differenzierungen der in der Gruppe herrschenden Konventionen und Handlungsweisen« (ebd.). Zeitversetzte und/ oder räumlich getrennte Kommunikation (wie Brief, Telefonkommunikation, E-Mail, SMS, Chat) schließt von der Kapazität der Kanalübertragung »alle nonverbalen Komponenten wie Mimik und Gestik, überhaupt alle visuellen Kommunikationskomponenten (derzeit noch) aus« und es fehlen »die sensorischen Eindrücke unmittelbarer Anwesenheit (die über den Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinn wahrgenommen werden« (ebd.). Das Telefongespräch stellt eine Form der wechselseitigen Kommunikation dar, die allerdings indirekt verläuft (sie ist technisch vermittelt) und die privaten bzw. quasi-privaten (beruflichen) Charakter hat. Von der Zahl der benutzten Kommunikationskanäle her gesehen ist Telefonkommunikation eine eingeschränkte Form der Kommunikation (sie wird nur auditiv-vokal wahrgenommen). Beim Telefonieren sind die Kommunikationspartner zwar nicht (im Sinne von Angesicht zu Angesicht) anwesend, aber über den auditiven Kanal gegenseitig wahrnehmbar. Telefonkommunikation ermöglicht direkte Rückkopplung. Ähnliches gilt für Kommunikation via CB-Funk. Bei Videotelefonie sowie beim Skypen im Internet sind Mimik und teilweise auch Gestik je nach Perspektive der Kamera in eingegrenztem Maße mitübertragbar (vgl. ebd.). Kommunikation mittels Brief oder E-Mail sowie SMS stellt eine einseitige, indirekte und technisch vermittelte (Papier teils als Träger/ Speicher der Information, der Computer als elektronischer Vermittler) Form der Kommunikation dar. Die Kommunikationspartner sind abwesend, Rückkopplungen nicht unmittelbar möglich. Im Hinblick auf die benutzten Kanäle ist briefliche und E-Mail-Kommunikation auf den visuellen Kanal begrenzt, wobei der visuelle Kanal selbst wieder einer starken Einschränkung unterliegt, zumal der Kommunikationspartner nicht wahrnehmbar ist. In modifiziertem Maße gilt eben Gesagtes auch für Internetchats und Blog-Einträge (inkl. daran anschließender Diskussionsthreads), an denen in aller Regel aber mehr als zwei Personen teilnehmen. Ein Vortrag (oder auch eine Vorlesung oder Rede) ist direkte, einseitige, oftmals technisch vermittelte (d. h. durch ein Mikrofon zumindest verstärkte) und zumeist öffentliche Kommunikation (auch wenn er z. B. nur für eine gezielt ausgewählte, d. h. eingeschränkte Öffentlichkeit gedacht sein sollte). Die Kommunikationspartner sind anwesend und gegenseitig wahrnehmbar (der Kommunikator für die Rezipienten jedoch eher als umgekehrt). Reaktionen und Feedback sind nur in eingeschränktem Maße möglich. <?page no="76"?> 3.2 Massenkommunikation 77 Massenkommunikation im herkömmlichen Sinn (Zeitung, Zeitschrift, Radio, Fernsehen) ist eine Form öffentlicher, indirekter und einseitiger Kommunikation. Sie bedient sich technischer Verbreitungsmittel und wendet sich an ein disperses (d. h. räumlich und/ oder raum-zeitlich verstreutes) Publikum (Maletzke 1963), auch wenn z. B. nur bestimmte Publikumssegmente bzw. Zielgruppen angesprochen werden. Bei den Printmedien (Zeitung/ Zeitschrift) sind die Kommunikatoren für die Rezipienten nicht unmittelbar wahrnehmbar (allenfalls mittelbar durch Autorenfotos); im Hörfunk sind sie dies mit ihrer Stimme, im Fernsehen mit Stimme und Bild (inkl. Mimik, Gestik und Körperhaltung). Rückkopplungen sind in aller Regel nicht möglich, Ausnahmen bilden bei den Funkmedien sog. Call-in-Sendungen bzw. Leserbriefe an und Telefonanrufe in Redaktionen. Klassische Massenkommunikation stellt Inhalte für weiterführende persönliche Kommunikation bereit, kann also in Form der Anschlusskommunikation kommunikationsstiftenden Charakter haben. Onlinekommunikation ist technisch vermittelte, indirekte, teils einseitige (z. B. E-Mail), teils gegenseitige (z. B. Internet Relay Chat), teils private, teils (teil-)öffentliche Kommunikation (z. B. Mailing Lists, Dienstleistungen via Internet oder teil-öffentliche Kommunikation in sozialen Netzwerken). Onlinekommunikation ist überwiegend Kommunikation in Abwesenheit, die Kommunikationspartner können sich gegenseitig meist nicht wahrnehmen, allenfalls imaginieren. Rückkopplungen sind, je nach Kommunikationsangebot und -form, direkt oder nur indirekt möglich (vgl. Kap. 3.3). Kommunikation im bisher geschilderten Sinne ist ein alle Aspekte des sozialen Lebens durchdringender, fundamentaler Prozess. Erst Kommunikation, und zwar sprachliche Kommunikation, ermöglicht das Wachstum, den Erhalt und die Übertragung von Kultur und somit die Kontinuität einer Gesellschaft, ebenso aber auch ihren Wandel. Ohne sprachliche Kommunikation ist organisiertes soziales Leben nicht möglich (vgl. Döhn 1979, S.-107f ). 3.2 Massenkommunikation Der uns so geläufige Begriff »Massenkommunikation« fand in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts Eingang in den deutschen Sprachgebrauch - zunächst fachsprachlich, dann auch umgangssprachlich. Davor (bereits ab Ende der 1920er-Jahre) und daneben bedient(e) man sich für Aussagen und Botschaften, die sich an die Öffentlichkeit richteten, des Begriffes »Publizistik«. Dabei wurde und wird unterschieden zwischen originärer und medial vermittelter Publizistik. Mit originärer Publizistik sind Formen der an eine Öffentlichkeit gerichteten, aktuellen Informationen (welcher Art auch immer) gemeint, die ohne vermittelnde technische Medien auskommen wie etwa die öffentliche Rede bei einer Wahlveranstaltung, die Predigt in der Kirche, aber auch ein Vortrag oder eine Vorlesung vor einer nur begrenzten, relativ kleinen Öffentlichkeit. Medial vermittelte Publizistik meint über technische Medien ablaufende, an eine (wie immer große oder kleine) Öffentlichkeit gerichtete Kommunikation, also Zeitungs-, Zeitschriften-, Hörfunk- oder Fernsehpublizistik. Publizistik impliziert(e) auch, dass es sich um aktuelle Botschaften handelt, mit denen man sich an die Öffentlichkeit wendet. Die Publizistikwissenschaft verstand (und versteht) sich demzufolge auch als die wissenschaftliche Beschäftigung mit öffentlicher Kommunikation; interpersonale Kommunikation privaten oder beruflichen Charakters (Face-to-face) war und ist nicht ihr Gegenstand. Dies geht aus zwei hier beispielhaft vorgestellten Definitionsversuchen über Publizistik hervor. So verstand Walter Hagemann unter Publizistik »die öffentliche Aussage aktueller Bewusstseinsinhalte« (Hagemann 1947, S. 20 und 1966, S. 15; Pürer 1998, S. 142ff; Wiedemann 2012, S. 176ff). Henk Prakke definierte Publizistik »als die Lehre von der zwischenmenschlichen Kommunikation, besonders in ihren öffentlichen Leistungen als Informator, Kommentator und Sozius - und deren gesellschaftlicher Regelung« (Prakke 1968; <?page no="77"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 78 Pürer 1998, S. 145ff). In jüngster Zeit ist der Begriff »Publizistik« fachwie umgangssprachlich allerdings immer seltener anzutreffen. Auch bei den universitären Institutsbezeichnungen ist der Terminus nur noch selten vorzufinden. Es verwundert dies insofern, als auch die moderne Kommunikationswissenschaft sich zwar nicht ausschließlich, aber doch weitestgehend mit Erscheinungsformen öffentlicher und teil-öffentlicher Kommunikation befasst. Doch zurück zum Begriff »Massenkommunikation«. Es handelt sich dabei um die aus dem Amerikanischen ins Deutsche übernommene Bezeichnung von mass communication. Allgemein betrachtet meint man damit in einem sehr weiten Sinne politische, ökonomische, soziale und kulturelle Prozesse, die durch das Vorhandensein von klassischen Massenmedien wie Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen ausgelöst werden und die sich in den Massenmedien selbst widerspiegeln. In einem engeren Sinne versteht man unter klassischer Massenkommunikation von professionellen Medienkommunikatoren (also von Journalisten, Moderatoren, Kommentatoren, Entertainern etc.) öffentlich, indirekt, über technische Medien (Presse, Radio, Fernsehen) und weitestgehend einseitig an eine Vielzahl von Menschen gerichtete Aussagen (informierender, bildender, überredender, werbender oder unterhaltender Natur), die von ihren Empfängern entschlüsselt sowie mit Sinn verbunden und mit Bedeutung versehen werden (Maletzke 1963). Auf zahlreiche Formen computervermittelter, internetbasierter Massenkommunikation trifft diese Beschreibung von Massenkommunikation im klassischen und engeren Sinn nicht bzw. nicht mehr uneingeschränkt zu. Im Onlinejournalismus z. B. ermöglichen interaktive Anwendungen spontane (öffentliche) Rückkoppelungen der Rezipienten an den Kommunikator. So kann, um ein Beispiel zu nennen, etwa der Nutzer (User) einer Onlinezeitung via Kommentarfunktion unmittelbar an den Kommunikator zurückschreiben, womit das Merkmal der Einseitigkeit des (Massen-)Kommunikationsprozesses durchbrochen ist. Sind Nutzerkommentare z. B. im Rahmen von ›Live Reportings‹ auch Gegenstand des Artikels, verändern bzw. ergänzen sie sogar dessen Inhalt zumeist ohne einer redaltionellen Kontrolle zu unterliegen (wie z. B. Leserbriefe; vgl. Singer et al. 2011; Kümpel et al. 2013). Unter dem Schlagwort ›partizipativer Journalismus‹ widmet sich mittlerweile ein ganzes Forschungsfeld der Beschreibung von Mitwirkungsmöglichkeiten des Publikums an der Nachrichtenproduktion (vgl. z. B. Domingo et al. 2008; Bruns 2009). Andere Kommunikations- oder Medienanwendungen im Internet ermöglichen es dem User, sich an Chats oder Forendiskussionen zu beteiligen, selbst Blogs zu führen oder über Tweets ›eigene‹ Kurznachrichten zu verbreiten. Überhaupt kann jeder Internetnutzer, entsprechende Anwender-Kenntnisse vorausgesetzt, grundsätzlich seinen eigenen Onlineauftritt bewerkstelligen und somit selbst zum Sender werden. Über diese interaktiven Möglichkeiten und andere Formen, Merkmale und Grenzen der elektronisch vermittelten Kommunikation gibt Kapitel 3.3 Auskunft. 3.2.1 Schrift - Druck - Funk Was wir heute so selbstverständlich als Massenkommunikation bezeichnen, ist - technisch gesehen - über Jahrtausende schrittweise zunächst über die (Laut-)Schrift, dann über den Buchdruck sowie schließlich über die elektrischen und später elektronischen Medien entstanden (vgl. Hunziker 1988). • So ist »die erste grundlegende medientechnische Errungenschaft in der Gesellschaftsentwicklung« in der »Herausbildung der Laut-Schrift als Fort- und Weiterentwicklung der Sprache« zu sehen. Die Laut-Schrift »schuf die Möglichkeit, Kommunikationsinhalte zu speichern und in dieser Form auch persönlich Abwesenden und persönlich Unbekannten mitzuteilen« (Hunziker 1988, S.-5). Für die Entstehung von Hochkulturen mit städtischen Lebensformen und ausdiffe- <?page no="78"?> 3.2 Massenkommunikation 79 renzierten Funktionsbereichen in Politik, Verwaltung, Produktion und Handel war Schriftlichkeit eine ganz wesentliche Voraussetzung. • Die Erfindung des Buchdrucks in der Mitte des 15. Jahrhunderts veränderte die Qualität schriftlicher Information »insofern, als damit schriftlich fixierte Kommunikationsinhalte massenhaft hergestellt und verbreitet werden konnten« (ebd.). Die geistigen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Folgen dieser technischen Errungenschaft waren gewaltig, kamen zunächst aber jener eher kleinen Elite in der Bevölkerung zugute, die des Lesens (und Schreibens) kundig war. Schätzungen zufolge sollen dies um 1500 rund ein Prozent (in Städten fünf Prozent) der Bevölkerung gewesen sein (Schade 2010, S. 94 mit Bezugnahme auf Schwittala 1999, S. 27). Von Massenmedien und der Ansprache eines Massenpublikums kann erst ab der zweiten Hälfte des 19.-Jahrhunderts gesprochen werden, als Trivialromane in massenhaften Auflagen hergestellt wurden und sich auch die Massenpresse (Zeitungen mit hohen Auflagen) entfaltete. • Die sich im 20. Jahrhundert ausbreitenden elektrischen bzw. elektronischen Medien, im Wesentlichen also Radio und Fernsehen (aber auch Film/ Kino), erleichterten »den Prozess der Massenkommunikation insofern, als sie für den Empfang der Mitteilungen zwar ein technisches Gerät, dafür aber keine über das alltägliche Kommunikationsverhalten hinausgehenden Fähigkeiten voraussetzen« (Hunziker 1988, S.-6). Das Radio erlebte bald nach der Einführung öffentlicher Hörfunksendungen (ab Anfang der 1920er-Jahre) v. a. in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts massenhafte Verbreitung - aus Propagandagründen hatte das nationalsozialistische Regime daran besonderes Interesse und ließ preiswerte, für jedermann erschwingliche Empfangsgeräte produzieren. Das Fernsehen trat seinen Siegeszug ab Ende der 1950erbzw. Anfang der 1960er- Jahre an, nachdem im deutschen Sprachraum bereits in den 1950er-Jahren regelmäßige TV-Programme ausgestrahlt wurden. • Es folgten elektronische Speichermedien (Audio, Video, CDs, DVDs), das digitale Fernsehen und Versuche mit digitalem Radio, bis schließlich gegen Ende der 1990er-Jahre die computervermittelte (Online-)Kommunikation sowie Multimedia neben die klassischen Funkmedien trat und sich seither ungewöhnlich rapide ausbreitet. Die Teilnahme an computervermittelter Kommunikation, in ihren Anfängen mit relativ konstenintensiver Ausstattung verbunden, setzt freilich die Fähigkeit voraus, diese Technik zu bedienen - das also, was man »computer literacy« nennt. Der ARD/ ZDF-Onlinestudie von 2012 zufolge sind mittlerweile 53,4 Mio. (oder 76 Prozent) der Deutschen online (van Eimeren/ Frees 2012). 3.2.2 »Massen«-Kommunikation Was den Begriff Massenkommunikation selbst betrifft, so ist für den europäischen, bzw. für den deutschen Sprachraum v. a. im Hinblick auf den Wortbestandteil »Masse« ein klärender Hinweis erforderlich. Keinesfalls soll der Terminus »Masse« massenpsychologische (Le Bon 1895 bzw. 1950) oder kulturpessimistische Assoziationen (Ortega y Gasset 1930 bzw. 1973) wecken. Weder sind mit »Masse« etwa niedere soziale Schichten, Personen oder Personengruppen gemeint, die sich im kulturpessimistischen Sinne durch Degenerierung und Persönlichkeitsverarmung auszeichnen; noch solche, denen aus einer psychologischen Sicht heraus pauschal und kumulativ bestimmte negative, psychopathische Verhaltensweisen zugewiesen werden würden. Im Wortbestandteil »Masse« ist also kein negativ wertgeladener Terminus zu sehen. Vielmehr ist gemeint, dass sich in der Massenkommunikation die über die Medien vermittelten Aussagen an eine Vielzahl von Menschen richten, die man angemessener als Publikum bezeichnet (vgl. Burkart 1998, S.-166). <?page no="79"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 80 Diese Vielzahl von Menschen, das Publikum, stellt sich dem Kommunikator in der Massenkommunikation freilich als unüberschaubar, heterogen und anonym dar, so Burkart in Anlehnung an Wright 1963: • »›unüberschaubar‹, weil sie zahlenmäßig einen solchen Umfang aufweisen, dass es dem Kommunikator unmöglich ist, direkt (von Angesicht zu Angesicht) mit ihnen zu interagieren; • ›heterogen‹, weil diese Menschen eine Vielzahl sozialer Positionen bekleiden; • und schließlich anonym, weil das einzelne Mitglied der jeweiligen Rezipientenschaft eines Massenmediums dem Kommunikator unbekannt ist« (vgl. Burkart 1998, S.-165). Gerhard Maletzke hat für die Rezipienten der Massenkommunikation folgerichtig den Begriff »disperses Publikum« geprägt (Maletzke 1963, S.-28f ). Er versteht darunter einzelne Individuen, aber auch kleine Gruppen von Menschen, deren verbindendes Charakteristikum (nur) darin besteht, dass sie sich an verschiedenen Orten und ggf. zu unterschiedlichen Zeiten einem gemeinsamen Gegenstand zuwenden - nämlich den Aussagen der Massenmedien. Im Unterschied dazu ist das Präsenzpublikum zu sehen, das 1) räumlich versammelt ist, 2) dessen Interessen in aller Regel identisch, 3) dessen Sinne und Erwartungen weitgehend gleichgerichtet sind und 4) das sich unter identischen technisch und räumlich situativen Bedingungen (z. B. abgedunkelter Raum in Kino und Theater) z. B. bei einer öffentlichen Veranstaltung (z. B. Rede, Vortrag), in der Kirche (Predigt), im Kino (Film), im Theater (Schauspiel) oder bei einem Konzert (Musik) einem gemeinsam geteilten Gegenstand zuwendet. In gewisser Weise gilt dies seit einigen Jahren auch für das sog. ›Public Viewing‹ an öffentlich zugänglichen Plätzen oder Räumen, wo große Ereignisse von allgemeinem Interesse (wie Fußball-Weltmeisterschaften, Olympische Spiele etc.) auf Großbildschirmen gezeigt werden. 3.2.3 Massen-»Kommunikation« Der Wortbestandteil »Kommunikation« bedarf im Kontext von klassischer Massenkommunikation ebenfalls einer Erläuterung. Er suggeriert nämlich die Vorstellung, der Empfänger massenmedial verbreiteter Inhalte könne mit dem Produzenten der Aussage »kommunizieren«. Dies ist aber nicht - oder doch nur in äußerst eingeschränktem Maße - möglich. Massenkommunikation ist nicht an eine Person gerichtet, sondern je nach Medium und Zielgruppe des Mediums 1) entweder an einen breiten Querschnitt der Bevölkerung wie etwa überregional oder regional/ lokal verbreitete Tages- und Wochenzeitungen, Publikumszeitschriften sowie die meisten Programme öffentlich-rechtlicher oder privater Hörfunk- und Fernsehveranstalter; oder 2) nur an einen speziellen Teil der Bevölkerung (wie Fachzeitschriften, Verbandszeitschriften, Special-Interest-Zeitschriften sowie spezielle Zielgruppensendungen in Hörfunk und Fernsehen). Massenkommunikation richtet sich also an eine mehr oder weniger große Öffentlichkeit und ist damit grundsätzlich immer auch öffentlich. Darüber hinaus hat man es in der klassischen Massenkommunikation »in aller Regel mit einer Polarisierung der kommunikativen Rollen zu tun. Es fehlt [weitestgehend - Ergänzung H.- P.] der - für die zwischenmenschliche Kommunikation so typische - Rollentausch zwischen den Kommunikationspartnern« (Burkart 1998, S.-167). Klassische Massenkommunikation schließt die Möglichkeit einer Rückkopplung (Feedback) zwar nicht grundsätzlich aus: Solche Rückkopplungen erfolgen in aller Regel über Telefonanrufe, Leserbriefe, E-Mails an Redaktionen von Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Fernsehen. Rückmeldungen eines Rezipienten der Massenkommunikation sind zumeist aber weniger unmittelbar, und »sie wirken sich auf das Kommunikationsverhalten [wenn überhaupt - Ergänzung H. P.] erst mit Verzögerung aus« (Schulz 1994, S.-147). Dies gilt im Großen und Ganzen auch für Live- oder Call-in-Sendungen in Hörfunk und Fernsehen. Da fin- <?page no="80"?> 3.2 Massenkommunikation 81 det zwar punktuell interindividuelle Kommunikation zwischen einem medialen Akteur (Journalist oder Moderator bzw. Präsentator einer Radio- oder Fernsehsendung) und einem Mitglied des dispersen Publikums vor einer mehr oder weniger großen Öffentlichkeit statt. Dennoch tauschen bei einem solchen Feedback die beteiligten Partner (Medien-)Kommunikator und (Medien-)Rezipient nicht grundsätzlich ihre Rollen. Wohl kann der Rezipient mit dem Kommunikator kommunizieren, »er besitzt jedoch nicht die Rollenmacht des professionellen Kommunikators! So kann er (der Rezipient) z. B. auf den strukturellen Ablauf einer Sendung (infolge eines vorgegebenen Programmrahmens) keinen Einfluss nehmen« (Burkart 1998, S.-164). Auch der Produktionsprozess von Zeitungen und Zeitschriften wird durch Leserbriefe oder E-Mails nicht tangiert. Rückkopplungen von Lesern, Hörern oder Zusehern verharren eben meist auf einem Niveau, welches spätestens dann seine Grenzen erfährt, »wenn die Struktur des Mediums berührt wird« (ebd.). Wechselseitigkeit und Rollentausch, wie sie in der Face-to-face-Kommunikation zwischen den Kommunikationspartnern hauptsächlich vorliegen, stellen in massenkommunikativen Prozessen eher die Ausnahme dar. Klassische Massenkommunikation ist daher in erster Linie Übertragung, nur ganz selten Austausch von Mitteilungen; der Kommunikationsprozess ist weitestgehend einseitig und damit asymmetrisch. Ausnahmen sind allenfalls dann gegeben, wenn Beiträge, die z. B. auf Onlineauftritten von Zeitungen durch User oft angeklickt (und damit meist auch gelesen) werden, auch in Printmedien abgedruckt werden. Doch selbst in solchen Fällen reagiert das klassische Medium Tageszeitung produktionsbedingt mit Verzögerung. Dies gilt auch für Radio- und TV-Sendungen mit Einbindung der Nutzer. 3.2.4 Sender und Empfänger in der Massenkommunikation Für klassische Erscheinungen der Massenkommunikation ist ferner kennzeichnend, »dass sich die an einem solchen Kommunikationsvorgang beteiligten Kollektive hinsichtlich Zusammensetzung, innerem Aufbau und Tätigkeitsweise wesentlich voneinander unterscheiden« (Hunziker 1988, S.-6). So sind die in der Massenkommunikation tätigen Kommunikatoren (Sender) zumeist in komplex aufgebauten Organisationen tätig, die die Produktion von Massenkommunikationsinhalten bewerkstelligen. Die Kommunikatoren (z. B. Journalisten) sind Personen, »die arbeitsteilig sowie unter Einsatz vielfältiger technischer Hilfsmittel und fachlicher Kompetenzen routinemäßig Kommunikationsinhalte hervorbringen« (ebd.). Massenkommunikation bedient sich aufseiten der Sender einer hoch entwickelten Technologie, um in Printmedien wie auch in Funkmedien sowohl die Produktion als auch die Verbreitung der Inhalte zu ermöglichen. Das Publikum, die Rezipienten der klassischen Massenkommunikation »weisen demgegenüber einen […] niedrigen Organisationsgrad auf. Als Mitglieder eines Publikums sind sie zwar gemeinsam der Massenkommunikation ausgesetzt; die Rezeption besorgt aber typischerweise doch jeder für sich, ohne dabei auf breiter Basis mit den Mitrezipienten in Kontakt zu treten« (ebd.). Solche Kontakte finden jedoch oft beim ›Public Viewing‹ statt, das eine modifizierte Form der Rezeption massenmedial verbreiteter Inhalte durch Präsenzpublika ist. Verständlicherweise resultiert aus dieser Asymmetrie im Organisationsgrad und in der Sachkompetenz ein Machtgefälle zwischen Sendern und Empfängern, zumal die Sender den Kommunikationsprozess aktiv gestalten und die Empfänger mehr oder weniger passiv darauf reagieren (wiewohl Mediennutzung durch die Leser, Hörer und Zuseher sehr wohl als ein aktiver Vorgang zu bezeichnen ist). »Dieses Machtgefälle findet seinen Ausdruck darin, dass der Prozess der Massenkommunikation praktisch einseitig verläuft und dass ein Rollentausch zwischen Kommunikatoren und Rezipienten auch bei vorhandenen übertragungstechnischen Möglichkeiten (Zweiwegekommunikation) kaum zu verwirklichen ist. Typisch für [klassische - Ergänzung H. P.] Massenkommunikation ist <?page no="81"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 82 außerdem, dass die Kommunikationspartner sich [in aller Regel - Ergänzung H. P.] nicht persönlich kennen« (Hunziker 1988, S.-7; Hervorhebung i. Orig.). Massenkommunikation ist ferner eine Form der indirekten Kommunikation. Dies resultiert nicht nur aus der Tatsache, dass Massenkommunikation auf technische Medien als Ver- und Übermittlungsinstanzen angewiesen ist. Hinzu kommt nämlich, dass zwischen Kommunikator und Rezipient eine räumliche Distanz (wie z. B. bei Livesendungen in Hörfunk und Fernsehen) sowie eine raumzeitliche Trennung (wie etwa beim Lesen einer Zeitung oder einer aufgezeichneten Fernsehsendung) besteht. Auch von einer Interaktion der Kommunikationspartner kann in der klassischen Massenkommunikation nicht die Rede sein. Sie erscheint allenfalls gegeben, wenn Leser einer gedruckten Zeitung via Telefonanruf oder E-Mail spontan auf einen Beitrag reagieren und ein unmittelbares Feedback vom Verfasser des Zeitungsbeitrages erhalten. Im Kontext von Massenkommunikation kann man noch den Aspekt parasozialer Interaktion ansprechen, wenn etwa ein TV-Zuschauer einen Moderator, Präsentator oder Kommentator einer Sendung auf Grund langjähriger Mediennutzung gut zu kennen meint und dieser ihm vertraut vorkommt (vgl. Merten 1977, S.-145). Von den im deutschen Sprachraum vorhandenen Definitionen über Massenkommunikation ist jene von Gerhard Maletzke am weitesten verbreitet und - trotz mancher Kritik (z. B. Bergler/ Six 1979; Faulstich 1991; Wagner 1998) - auch allgemein anerkannt. Er bezeichnet Massenkommunikation als »jene Form der Kommunikation, bei der Aussagen öffentlich, durch technische Verbreitungsmittel indirekt und einseitig an ein disperses Publikum vermittelt werden« (Maletzke 1963, S. 32; Pürer 1998, S. 149ff). Trotz der Einseitigkeit des Prozessverlaufes sieht Maletzke Massenkommunikation jedoch nicht als ausschließlich lineare Form der Kommunikation vom Kommunikator zum Rezipienten. Vielmehr macht sich der Rezipient auch ein Bild vom Kommunikator und es reagieren viele Rezipienten spontan, indem sie versuchen, »die Einseitigkeit der Massenkommunikation durch Antworten, Anfragen, Beschwerden, Vorschläge etc. zu überwinden« (Maletzke 1963, S. 41). So betrachtet ist Massenkommunikation ein rückgekoppelter Prozess. Zusammenfassend kann man auf folgende Merkmale verweisen, die für traditionelle Massenkommunikation kennzeichnend sind: • Massenkommunikation ist öffentlich. Im Unterschied zur privaten, zwischenmenschlichen Kommunikation ist der Kreis der Adressaten weder eine begrenzte noch eine bestimmte Anzahl von Personen. Jeder kann sich im Prinzip den Aussagen der Massenmedien zuwenden. Es besteht ein räumlicher, zeitlicher oder raum-zeitlicher Abstand zwischen den Kommunikationsteilnehmern. • Massenkommunikation läuft einseitig ab, weil der Fluss der Information - von den bereits erwähnten Ausnahmen abgesehen - weitestgehend nur in eine Richtung erfolgt. Der Adressat bleibt in aller Regel Empfänger, es findet de facto kein Rollenwechsel zwischen Aussagendem und Aufnehmendem statt, wie dies etwa in der zwischenmenschlichen Kommunikation von Angesicht zu Angesicht der Fall ist. Gleichwohl ist Massenkommunikation ein rückgekoppelter Prozess. • Massenkommunikation bedient sich immer technischer Medien, ist also stets vermittelt und übermittelt. Sender und Empfänger sind räumlich, zeitlich oder raum-zeitlich voneinander getrennt; damit ist klassische Massenkommunikation auch indirekt. Als klassische Medien fungieren nach wie vor Zeitung, Zeitschrift, Flugblatt, Plakat, Buch; Hörfunk und Fernsehen; Film sowie Schallplatte, Audiokassette, Videokassette, CD, DVD u. a. m. • In der Massenkommunikation werden als Aussagen bzw. Botschaften unzählig große Mengen von Mitteilungen informierender, kommentierender und unterhaltender Natur vermittelt. Diese Botschaften werden dem Publikum in äußerst vielfältigen formalen, dem jeweiligen Medium angepassten Präsentationsformen an- und dargeboten. • Die Adressaten der Massenkommunikation stellen ein disperses Publikum dar, d. h. eine vielschichtig inhomogene Vielzahl von Menschen, die in aller Regel untereinander keine engeren zwischen- <?page no="82"?> 3.2 Massenkommunikation 83 menschlichen Beziehungen unterhalten, unstrukturiert und unorganisiert sind und sich auch nicht kennen - es sei denn, die Zuwendung zu den Medieninhalten erfolgt z. B. gemeinsam im Familienverband, im Verwandten-, Freundes- oder Bekanntenkreis. 3.2.5 Interpersonale Kommunikation und Massenkommunikation Interpersonale Kommunikation und Massenkommunikation sind »historisch und aktuell miteinander verknüpft. Historisch gesehen kann Massenkommunikation als ein relativ junges Phänomen begriffen werden, das sich entwickelt hat, um bestimmte räumliche, zeitliche oder soziale Grenzen interpersonaler Kommunikation zu erweitern« (Bentele/ Beck 1994, S.- 34). Oftmals sind über die Massenmedien vermittelte Botschaften auch Gegenstand zwischenmenschlicher Kommunikation. Sie können also kommunikationsstiftenden Charakter für interpersonale Kommunikation haben. Allerdings ist in einer Zeit der zunehmenden Ausdifferenzierung des Medienwesens mit immer mehr Angeboten eine Tendenz zur Individualisierung der Mediennutzung verbunden. Daher wird es für den Einzelnen schwieriger, sich in persönlichen Gesprächen über genutzte Medieninhalte auszutauschen. Dies gilt v. a. für das Fernsehen, dessen Angebotsvielfalt an Programmen individualisierte TV- Nutzung ebenso begünstigt wie der Umstand, dass es in zahlreichen Haushalten Zweit- und Dritt- TV-Empfangsgeräte gibt. Auch das Internet mit seiner ungeheuren Angebotsfülle verstärkt den Trend zu individualisierter Bildschirmnutzung. Zwischen interpersonaler Kommunikation und Massenkommunikation gibt es folglich manche Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Zunächst zu den Gemeinsamkeiten: • Die wohl wichtigste Gemeinsamkeit liegt laut Bentele/ Beck (1994) in der Intention, etwas mitzuteilen. Dazu bedarf es, wie bereits erwähnt, eines gemeinsamen Zeichenvorrates. • Ohne interpersonale Kommunikation ist Massenkommunikation undenkbar, zumal die Produktion journalistischer Aussagen »der Kooperation und Kommunikation von Personen [bedarf ], die daran arbeitsteilig zusammenwirken« (Bentele/ Beck 1994, S.-34). • Beide Kommunikationsarten sind, wie Bergler/ Six schreiben, mit bestimmten Reaktionen aufseiten des Rezipienten verbunden und setzen für ihre Wirkung bestimmte Prozesse voraus (vgl. Bergler/ Six 1979, S.-37): So wird die mitgeteilte Information vom Rezipienten selektiv wahrgenommen (attention). Sie muss von diesem decodiert und interpretiert werden (comprehension). Der Rezipient muss sich zu dieser Information ins Verhältnis setzen und ihr eine bestimmte Bedeutung beimessen (identification, yielding). Er muss die Information speichern oder erinnern (retention), sie annehmen oder ablehnen (acceptance), was eine Bestätigung oder Änderung seiner Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen (mit-)auslösen kann (disposition, action). Alle diese Punkte gelten für interpersonale wie Massenkommunikation gleichermaßen. Neben diesen Gemeinsamkeiten ist im Folgenden nun auf Unterschiede zwischen interpersonaler Kommunikation und Massenkommunikation zu verweisen (vgl. Bentele/ Beck 1994, S.-34): • Interpersonale Kommunikation ist ein bi-direktionaler und reflexiver Prozess (Merten 1977); »Massenkommunikation hingegen verläuft überwiegend uni-direktional von einem Sender zu vielen Empfängern« (Bentele/ Beck 1994, S.-34). • Auch wenn es Rückkopplungen durch die Rezipienten in der klassischen Massenkommunikation gibt, bleibt die »institutionalisierte Grenze zwischen professionellen Journalisten und ›aktiven Rezipienten‹ […] bestehen. Es ist deshalb sinnvoll, im Bereich der (klassischen) Massenkommunikation weiter von Kommunikator und Rezipient zu sprechen« (Bentele/ Beck 1994, S.-35). <?page no="83"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 84 • Ein weiterer bedeutender Unterschied zwischen Massenkommunikation und interpersonaler Kommunikation besteht darin, dass Letztere »oftmals auf dauerhaften Sozialbeziehungen [basiert]« (ebd.). • Schließlich ist - noch einmal - darauf hinzuweisen, dass in der traditionellen Massenkommunikation die Produktion der Aussagen in komplex organisierten formalen Organisationen erfolgt und auch erst eine hoch entwickelte Technologie sowohl die Produktion als auch die Verbreitung der Inhalte ermöglicht (Silbermann 1982, S.-25). Übrigens verbinden sich beide Kommunikationsmodi durch computervermittelte (Online-)Kommunikation inzwischen auf interessante Weise: Ein Phänomen, das zunehmend (wenn auch bislang nur langsam) Verbreitung findet, ist das synchrone Verfolgen von und Partizipieren an Social Media Aktivitäten z. B. zu einer TV-Sendung. Bei speziell dafür entwickelten Formaten werden die Zuschauer zum Mitspielen oder Mitraten explizit aufgefordert. Die Live-Kommentierung auf sozialen Netzwerken kann außerdem Aufschluss darüber geben, wie anderen Rezipienten die entsprechende Sendung gefällt. Dies geschieht häufig mittels eines zweiten mobilen Geräts wie eines Tablet PCs oder eines Smartphones (daher auch der dafür geläufige Begriff ›Second Screen‹) (vgl. van Eimeren/ Frees 2012, S. 371). 3.2.6 Zur Terminologie in der Massenkommunikation Es ist wiederholt versucht worden, Kommunikation und Massenkommunikation modellhaft darzustellen (vgl. z. B. Kunczik 1984; Bentele/ Beck 1994; McQuail/ Windahl 1993; Pürer 1998, Kap. 4; Rau 2013, S. 74-88). Die Mehrzahl dieser Modelle zeichnet sich durch die Verwendung einer relativ identischen Terminologie aus. So ist, bezogen auf den Prozess von Kommunikation und Massenkommunikation, oft von Kommunikator, Aussage, Medium, Rezipient und Wirkung die Rede. Die nachfolgend angeführten Bezeichnungen bzw. deren Modifikationen für jede dieser Prozesspositionen findet man in der Mehrzahl dieser Modelle vor. Maletzke hat die wichtigsten Begriffe zusammengefasst (Maletzke 1963, S.-35-37): • Kommunikator: Sender, Journalist, Produzent, Urheber; im Englischen finden sich die Bezeichnungen communicator, source (Quelle), encoder (jemand, der eine Botschaft verschlüsselt, um sie anderen zugänglich zu machen), controller (jene Instanz, die die Letztentscheidung über die Art und Weise der (Nicht)Veröffentlichung einer Information fällt). • Für Aussage steht auch Inhalt, Produkt, Mitteilung, Botschaft, Kommunikat bzw. im Englischen die Bezeichnungen content, message, cue, symbol etc. • Medium: Kanal bzw. im Englischen channel, communication agency (was nicht mit news agency, also Nachrichtenagentur, verwechselt werden darf ). • Rezipient: Kommunikand, Empfänger, Konsument, Nutzer; bzw. im Englischen communicatee, interpreter, decoder, receiver. Für die Summe der Rezipienten stehen Bezeichnungen wie Publikum, Leserschaft, Hörerschaft, Zuschauerschaft bzw. im Englischen audience oder public audience (im Sinne von Leser, Hörer, Zuschauer). • Für Wirkung findet man auch die Bezeichnungen Effekte (effects) und Folgen, wobei zwischen individuellen Wirkungen und sozialen bzw. gesellschaftlichen Wirkungen ebenso zu unterscheiden ist wie zwischen affektiven bzw. emotionalen auf der einen und kognitiven Wirkungen auf der anderen Seite. Eine wichtige Differenzierung ist auch diejenige in kurzfristige Effekte und langfristige Wirkungen von Massenkommunikation. <?page no="84"?> 3.2 Massenkommunikation 85 Unbestreitbar ist, dass Massenkommunikation in modernen Gesellschaften zum Alltäglichen geworden ist und in zahlreiche Bereiche der Gesellschaft, aber auch in das Leben des Einzelnen eindringt. So können Massenmedien zweifellos zu einer beträchtlichen Erweiterung unseres geistigen Horizonts beitragen und uns mit Informationen versorgen, die wir sonst nicht in Erfahrung bringen. Indem sie uns rund um die Uhr Nachrichten und andere Informationen aus aller Welt liefern, wird die Welt gleichsam zum globalen Dorf (zum »global village« wie Marshall McLuhan es bereits in den 1960er-Jahren nannte, vgl. McLuhan 1962). Auch liefern sie einen wichtigen Beitrag dazu, dass wir uns in der immer komplexer werdenden Welt zurechtfinden. Neben Familie und Schule tragen die Massenmedien auch dazu bei, dass der Mensch in seiner Persönlichkeitsentwicklung die in der Gesellschaft vorherrschenden Wertvorstellungen, Normen, Rollen und Verhaltensweisen kennen lernt und - zu seinem eigenen Vorteil und Schutz bzw. zur Integration in die menschliche Gemeinschaft - teilweise oder ganz übernimmt. Massenkommunikation ist also auch Bestandteil jenes Prozesses, den man Sozialisation nennt (vgl. Kap. 5.3.1). Als nicht unproblematisch kann sich in der Massenkommunikation jedoch erweisen, dass viele ihrer Angebote »für das Publikum an die Stelle der Wirklichkeit treten« (Döhn/ Klöckner 1979) und direkte Erfahrung verdrängen. So ist es ein Problem, wenn Rezipienten das für uneingeschränkt wahr halten, was durch die Medien vermittelt wird. Die Massenmedien bzw. die in ihnen arbeitenden Medienschaffenden sind selbst - so wie wir auch - nur Beobachter unserer Umwelt. Nicht zuletzt auf Grund von vielfältigen Auswahlprozessen in der Informationskette vom Ereignis über die Medien bis zum Leser, Hörer oder Zuschauer liefern uns die Massenmedien nicht ein Bild der Wirklichkeit, sondern nur ein konstruiertes - ein mehr oder weniger vollständiges - (Ab-)Bild. Im Zusammenhang mit Wirkungen bzw. Folgen von Massenkommunikation erscheint es sinnvoll zu unterscheiden zwischen der Macht der Medien und der Wirkung der Medien. Die Macht der Medien besteht darin, soziopolitisch relevante Themen aufzugreifen, sie gewichten und bewerten zu können sowie öffentlich bekannt zu machen - und in diesem Kontext z. B. den Rücktritt eines Politikers auszulösen. Diese Macht ist grundsätzlich nichts Schlechtes, sie resultiert aus den Aufgaben, die Journalisten in demokratischen Systemen haben und die sich der Verantwortung, die aus dieser Aufgabe erwächst, bewusst sein soll(t)en (vgl. Pürer 2002). Die Wirkung der Medien hingegen meint anderes. Sie besteht im Allgemeinen darin, dass durch die Medien veröffentlichte, gewichtete und bewertete und vom Rezipienten aufgenommene Sachverhalte in dessen Wissen, Denken, Meinen, Fühlen oder Handeln etwas bewirken - sei es nun Bestärkung, Verfestigung, Abschwächung oder Veränderung vorhandener Kenntnisse, Einstellungen, Gefühle und Verhaltensweisen (vgl. Kap. 4.4.3 sowie 5.2). 3.2.7 Massenkommunikation als gesamtgesellschaftliches Phänomen In einem weiten Sinne haben wir Massenkommunikation eingangs betrachtet als politische, ökonomische, soziale und kulturelle Prozesse, die durch das Vorhandensein von Massenmedien ausgelöst werden und die sich in den Massenmedien selbst wieder finden. Häufig wird eine solche Perspektive in systemischen bzw. systemtheoretischen Betrachtungen von Massenkommunikation verfolgt. Beim Denken in Systemen versucht man, die Beschaffenheit einer Wirklichkeit als Ganzes und als Summe von in Beziehung stehenden Teilen des Ganzen zu erfassen. Wenn also von Massenkommunikation als gesamtgesellschaftlicher Erscheinung die Rede ist, so sind damit nicht nur die am Prozess der Massenkommunikation beteiligten Faktoren (Kommunikator, Aussage, Medium, Rezipient) gemeint, sondern auch die Eingebundenheit von Massenkommunikation in das soziopolitische, sozioökonomische und soziokulturelle Gesamtsystem. Insbesondere sind in diesem Kontext die poli- <?page no="85"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 86 tischen Rahmenbedingungen (vgl. Kap. 5.1.1) sowie die wirtschaftlichen Gegebenheiten (vgl. Kap. 4.3.5.4) zu erwähnen, unter denen sich Massenkommunikation vollzieht. Ebenso gehören dazu aber auch die wechselseitigen Wirkungen der (gesellschaftlichen Teil-)Systeme Politik, Medien und Kultur. Dazu gehören auch die zahlreichen Einflüsse und technischen Möglichkeiten, die das Internet mit seinen vielen Kommunikationsanwendungen hervorbringt und die das gesellschaftliche Leben in vieler Hinsicht beschleunigen. Es ist nicht möglich, alle diese Aspekte hier im Einzelnen umfassend zu erörtern; dies erfolgt in anderen Abschnitten des vorliegenden Buches. Auch wird hier keine Systemtheorie der Massenkommunikation entwickelt. Vielmehr sollen lediglich einige zentrale Gesichtspunkte kurz angesprochen werden. Die politischen Rahmenbedingungen sind primär in den rechtlichen Grundlagen zu sehen, auf deren Basis Massenkommunikation ermöglicht wird. Von herausragender Bedeutung in pluralistischen Systemen ist in erster Linie das Grundrecht auf Informations- und Meinungsfreiheit, das in aller Regel in Grundgesetzen oder Verfassungsbestimmungen, in Medien-, Presse- und Rundfunkgesetzen sowie in zahlreichen anderen Rechtsmaterien festgehalten ist (vgl. Kap. 5.1.1.4). Oberstes Ziel ist es, Medienfreiheit optimal zu gewährleisten, ohne gleichwertige Rechtsgüter von Verfassungsrang (wie z. B. den Persönlichkeitsschutz) zu beeinträchtigen. Rechtliche Regelungen zielen v. a. in konzentrierten Medienmärkten auf die Gewährleistung der Meinungsvielfalt durch publizistischen und ökonomischen Medienwettbewerb ab, erweisen sich in globalisierten Märkten aber als zunehmend schwieriger realisierbar. Im Hinblick auf ihre organisatorische Verfasstheit - private Medien, öffentlich-rechtliche Medien - tangieren gesetzliche Regelungen v. a. je unterschiedliche Formen der (inneren) Kontrolle der Massenmedien durch Aufsichtsorgane. Dies sind in privaten Medien Vorstände und Aufsichtsräte, in öffentlich-rechtlichen Medien sog. Medien-, Rundfunk- und Verwaltungsräte oder auch Hörer- und Zuschauervertretungen (vgl. Kap. 4.3.4 sowie 4.3.5.2). Zu den unübersehbaren politischen Rahmenbedingungen im weiteren Sinne zählen aber auch alle beobachtbaren, wie auch immer motivierten Formen der Einflussnahme auf Journalismus und Massenmedien durch Interventionen politischer, wirtschaftlicher und kultureller Lobbys sowie durch vielfältige Formen der Öffentlichkeitsarbeit. Die wirtschaftlichen Gegebenheiten und ökonomischen Zwänge sind primär in den marktwirtschaftlichen Bedingungen zu sehen, denen auch die klassischen Massenmedien als Kultur- und Wirtschaftsgüter in pluralistischen Demokratien unterliegen. Zu verweisen ist insbesondere auf die beiden Märkte, auf denen sich klassische Medien behaupten müssen, nämlich auf dem Publikums- und auf dem Werbemarkt. Daraus resultieren unterschiedliche Erlösquellen und Finanzierungsformen der Massenmedien (vgl. Kap. 4.3.5.4). Bei den klassischen Printmedien wie Zeitungen und Zeitschriften sind dies - abgesehen von gratis verteilten Printprodukten - in aller Regel primär immer noch Vertriebs- und Anzeigenerlöse, bei den klassischen Funkmedien Radio und Fernsehen sind es Formen der Finanzierung aus Gebührenund/ oder Werbung sowie teils auch Sponsoring. Hinzu kommen, z. B. bei Onlinemedien, auch Möglichkeiten der Finanzierung durch E-Commerce oder auch durch kostenpflichtige Angebote für den Empfang auf mobilen Endgeräten (worin de facto Vertriebserlöse zu sehen sind). Die starke Abhängigkeit von Werbeerlösen macht die Massenmedien generell konjunkturabhängig und führt in einer globalisierten Welt zunehmend zu internationalen Monopol- und Konzernbildungen. Marktzutritte neuer Medien lösen dabei jeweils Wettbewerbsveränderungen in bestehenden Medienmärkten und Verdrängungsängste bestehender Medien aus. Allerdings konnte als Konstante der Kommunikationsgeschichte bislang festgehalten werden, dass »neue« Medien die »alten« Medien in aller Regel nicht verdrängen, sondern (nur) zu Veränderungen in den inhaltlichen Strukturen und gesellschaftlichen Funktionen der »alten« Medien führen, also zu Veränderungen in ihren äußeren Erscheinungsformen und redaktionellen Inhalten sowie <?page no="86"?> 3.2 Massenkommunikation 87 in ihren Leistungen für die Nutzer (Riepl’sches Gesetz). Es bleibt vorerst immer noch abzuwarten, ob sich dieses Gesetz angesichts der gravierenden Veränderungen im Mediensystem durch Onlinemedien bewährt (vgl. Peiser 2008). Was die sozialen und kulturellen Dimensionen von Massenkommunikation betrifft, so handelt es sich um ein sehr unterschiedlich strukturiertes und diskutiertes Feld. Im Allgemeinen ist von komplexen Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft, Medien und Kultur die Rede, und es ist schwer herauszufinden, welcher dieser Bereiche welchen jeweils anderen prägt. Zwei Thesen stehen dabei im Wesentlichen im Widerstreit, nämlich: 1) die These, wonach die Massenmedien die in einer Gesellschaft dominanten Wertvorstellungen und Leitmotive nur widerspiegeln (reflektieren) und nicht etwa prägen (Reflexionsthese); sowie 2) die These, wonach massenmediale Inhalte kulturelle Trends schaffen und prägen und der Wertewandel auf die Medien zurückzuführen ist (Kontrollthese). De facto ist hier insbesondere die komplexe, nicht eindeutig beantwortbare Frage von Wirkungen bzw. Folgen von Massenkommunikation angesprochen. Wenn dabei zwischen individuellen und sozialen Wirkungen unterschieden wird, ist zu bedenken, dass beide Wirkungsbereiche nicht trennscharf voneinander abgrenzbar sind: So können aus langfristigen individuellen Wirkungen soziale Wirkungen resultieren und können diese umgekehrt auf das Individuum zurückwirken. Mit individuellen Wirkungen sind Wirkungen bzw. Folgen von Massenkommunikation im Bereich der Kenntnisse und des Wissens, der Meinungen, Einstellungen und Wertorientierungen, der Emotionen, Gefühle und Stimmungen, sowie der Handlungen und Verhaltensweisen einer Person gemeint. Unter sozialen Wirkungen versteht man die Fülle der in der Gesellschaft beobachtbaren Erscheinungen und Folgen von Massenkommunikation. Selbst Medienverweigerer können sich ihrer nicht ganz entziehen. Besondere Aufmerksamkeit gilt in diesem Zusammenhang u. a. Fragen der politischen Beeinflussung durch Massenmedien (vgl. Kap. 5.1.2.5) sowie der Problematik gewaltdarstellender Inhalte und ihrer Folgen für Individuum und Gesellschaft (vgl. Kap. 5.3.2). Nicht zuletzt ist aber auch die Frage anzusprechen, welches Abbild der Realität uns die Massenmedien vermitteln. Es kann insofern besonders verzerrt sein, als in zahlreichen Medien eine Tendenz zu Konflikt, Sensationalisierung, Skandalisierung, Emotionalisierung, Dramatisierung und Personalisierung vorfindbar ist. Besonderen Angriffen und öffentlicher Kritik ist immer wieder das Fernsehen ausgesetzt: Es fördere den Realitätsverlust der Zuschauer, lasse Politik zur Unterhaltung verkommen, vereinfache in unzulässiger Weise Umweltkomplexität, rege zu gewalttätigen Verhaltensweisen an und begünstige den Verfall der Kulturtechnik Lesen (vgl. Postman 1985; Winn 1979; Mander 1979). Solcher Medienkritik wird nicht zu Unrecht der Vorwurf gemacht, von einem unmündigen, den Medien hilflos ausgelieferten Bürger auszugehen (Maletzke 1988; Huter 1988; Frank et al. 1991). Andererseits sind mögliche negative Einflüsse der Massenmedien auf Kinder und Jugendliche sowie auf Rezipienten mit entsprechenden psychischen Dispositionen nicht so ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Dies gilt insbesondere für Gewaltdarstellungen im Film und Fernsehen sowie in jüngerer Zeit für gewalthaltige Computerspiele (vgl. Kap. 5.3.2). <?page no="87"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 88 3.3 Computervermittelte Kommunikation Nina Springer, Heinz Pürer und Wolfgang Eichhorn Elektrisch bzw. elektronisch vermittelte Kommunikation gibt es schon seit langem; man denke z. B. an Telekommunikation mit Hilfe des Telefons. Mit der Entwicklung des Digitalcomputers wurde in den 1940er-Jahren eine neue Technologie der Informationsvermittlung und -verarbeitung eingeführt, die insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten - im Rahmen der Verbreitung des Internets und digitaler mobiler Telefonie - bestehende Technologien ersetzt und neue soziale Kommunikationsformen etabliert hat. Im weitesten Sinne lässt sich von »computervermittelter Kommunikation« immer dann sprechen, wenn ein Computer in irgendeiner Form in Kommunikationsprozesse eingeschaltet ist (vgl. Santoro 1995, S. 11, zit. in Thurlow et al. 2004, S. 14). In der Kommunikationswissenschaft wird i. d. R. eine engere Definition verwendet, weit verbreitet ist diejenige von John December: »Computer-Mediated Communication is a process of human communication via computers, involving people, situated in particular contexts, engaging in processes to shape media for a variety of purposes« (Dezember 1997). Ähnlich die Definition in der Selbstverständniserklärung der Fachgruppe »Computervermittelte Kommunikation« der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK): »Computervermittelte Kommunikation (CvK) umfasst alle Formen der interpersonalen, gruppenbezogenen und öffentlichen Kommunikation, die offline oder online über Computer(netze) und digitale Endgeräte erfolgen« (DGPuK 2004). Dabei ist anzumerken, dass der Begriff »digitale Endgeräte« heute nicht nur den »klassischen« Computer umfasst, sondern auch Smartphones oder »intelligente« TV-Geräte. Von entscheidender Bedeutung ist die durch die Software zur Verfügung gestellte Schnittstelle, die es dem Nutzer ermöglicht, interaktiv zu kommunizieren. Im Internetzeitalter verschmelzen Möglichkeiten elektronisch vermittelter Individual- und Massenkommunikation. Dabei entstehen neue Kommunikationsmodi (etwa E-Mail und Chat) und -umgebungen (wie Foren und Social Network Services oder virtuelle Rollenspiele). Das Verschmelzen der Endgeräte (wie Telefon, Computer und Fernseher) wird technische Konvergenz genannt. Auf Produzentenseite hat sie Auswirkungen auf: • Inhalte (durchgängige Digitalisierung von Text, Sprache, (Bewegt-)Bild, Grafik), • Medien (Verschwimmen der Grenzen z.-B. zwischen Presse und Fernsehen), • journalistische Rollenbilder und Produktionsroutinen (crossmediales Arbeiten), • Vertriebswege (Verbreitung der Inhalte über das Telefonnetz, Kabel, Satellit und Terrestrik) sowie • Verwaltungs- und Abrechnungsvorgänge. Auf Konsumentenseite (Publika) beeinflusst sie Nutzungsmuster (vgl. Heinrich 1999, S.-79f; Quandt/ Singer 2009). Bezüglich des Begriffes Konvergenz ist ein klärender Hinweis erforderlich. Ursprünglich wurde damit die Angleichung von Programmen unterschiedlicher institutioneller Rundfunkveranstalter bezeichnet bzw. in einem weitergehenden Sinn die Beobachtung zunehmender Übereinstimmung von Organisations- und Arbeitsformen, von Programmierung und Präsentation sowie von Formen und Genres bei öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Sendern (vgl. Meier 1998, S.-31). Historisch betrachtet haben sich die Bereiche Telekommunikation, Computer und Massenmedien zwar weitgehend getrennt voneinander entwickelt. Allerdings verwendeten die klassischen Massenmedien sehr bald die Telekommunikation (z. B. Telegrafie, Telefon, Fax) für die rasche Nachrichtenübermittlung sowie später den Computer für die Informationsverarbeitung (z.-B. elektronische Zeitungsherstellung auf digitaler Basis, elektronisches Broadcasting, digitales Speichern sowie digitales Schneiden von Hörfunk- und Fernsehbeiträgen). Durch fortschreitende Digitalisierung war die Kon- <?page no="88"?> 3.3 Computervermittelte Kommunikation 89 vergenz dieser Bereiche - rückblickend gesehen - also vorprogrammiert und nur noch eine Frage der Zeit (wenn auch nicht immer reibungslos in ihrem Ablauf: Ein gutes aktuelles Beispiel ist der Streit um die Tagesschau-Applikation zwischen Verlegern und der ARD bzw. dem NDR). Das Ergebnis des Zusammenwachsens bzw. Verschmelzens von Informationstechnologie (Computer), Telekommunikation, Massenmedien und elektronischer Unterhaltungsindustrie durch fortschreitende Digitalisierung der Inhalte auf Produktions-, Distributions- und Verwaltungsebene wird häufig als Multimedia bezeichnet (vgl. Trappel 1999, S.- 89; Hartmann 2008, S. 8f ). Multimediale Angebote sind in der Lage, Text, Bild, Ton, Video und Grafik mittels Datenkommunikation zu integrieren (vgl. Jakubetz 2011, S. 19f ). Eine ideale Distributionsplattform dafür bietet das Internet, da durch den Computer alle Formen traditioneller Medienkommunikation realisiert werden können (vgl. Kap. 3.3.1 und 3.3.2). Neu an vielen Angeboten computervermittelter (Massen-)Medienkommunikation sind vor allem die Rückkopplungsmöglichkeiten der Rezipienten (Nutzer) beispielsweise via Kommentarfunktion. Feedbacks waren und sind zwar in der klassischen Massenkommunikation etwa in Form von Leserbriefen oder telefonischen Interventionen auch möglich, abgesehen von Telefonanrufen der Zuschauer oder Zuhörer, die live in die Sendungen geschaltet werden, wirken sich diese Rückmeldungen des Publikums aber - wenn überhaupt - erst mit Verzögerungen auf Kommunikationsprodukte oder deren Produktionsprozess aus. Online erhalten die spontanen, öffentlichen und zumeist uneditierten Rückkopplungen der Rezipienten aber eine neue Qualität der zeitlichen Unmittelbarkeit und der direkten Interaktion mit dem Gegenüber (vgl. Schweiger/ Quiring 2007, Kap. 3.3.3). Im Internet finden die »People Formerly Known as the Audience« (Rosen 2006) sogar Plattformen und Dienste vor, die es ihnen erlauben, selbst zu Produzenten von Angeboten massenmedialen Charakters zu werden - z. B. durch das Betreiben eines Blogs (vgl. Gillmor 2004) (vgl. Kap. 3.3.4). Weil solche Dienste die Rollenverteilung zwischen Sender (professioneller Kommunikator) und Empfänger (Rezipient) in der klassischen Massenkommunikation aufweichen (können), muss die Tauglichkeit der Begriffe ›Rezipient‹ und ›Kommunikator‹, mit denen die Kommunikationswissenschaft bislang operierte, für die Onlinekommunikation in Frage gestellt werden (vgl. Kap. 3.3.6). Es lässt sich allerdings nicht verheimlichen, dass Potenzial und Gebrauchsweisen auch auseinanderklaffen können: Während einige Nutzer von der Möglichkeit, selbst Content zu produzieren, auch regen Gebrauch machen (für die Nutzung der Kommentarfunktion auf Onlinenachrichtenseiten vgl. z. B. Scheiner 2010; Springer 2011, S. 253; Taddicken/ Bund 2010, S. 181), sind die meisten Onlinenutzer (bisher) nur in begrenztem Maße daran interessiert, sich aktiv an der Kommunikation in einer breiten Öffentlichkeit zu beteiligen. Viele beschränken das Kommunizieren auf die Öffentlichkeiten in virtuellen Gemeinschaften (Rheingold 1993), wie sie soziale Netzwerkseiten herzustellen vermögen (vgl. Kap. 3.3.1 und 3.3.5). 3.3.1 Elektronisch mediatisierter Kommunikationsraum Früher war (technisch) vermittelte Kommunikation - ob Telekommunikation oder Massenkommunikation - »auf recht genau umgrenzte Sinnprovinzen […] und abgegrenzte soziale Welten […] beschränkt« (Krotz 1995, S.-446): Man las die Zeitung, sah etwas Bestimmtes im Fernsehen, telefonierte mit jemandem oder arbeitete am Computer. Heute leben wir in einem allumfassenden elektronisch mediatisierten Kommunikationsraum, der zeitgleiche kommunikative Handlungen mit unterschiedlichen Medien ermöglicht: »Man kann […] zu Hause am PC sitzen, online ein Computerspiel spielen, dabei am Telefon mit einem Bekannten sprechen, der auf seinem Bildschirm beobachtet, wie sich das Spiel im Wettkampf mit anderen Beteiligten entwickelt und dies kommentiert, und gleichzeitig läuft in einem Bildschirmausschnitt noch eine Musiksendung von MTV. Ein solcher User steht <?page no="89"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 90 also gleichzeitig in einer Vielfalt elektronisch mediatisierter kommunikativer Bezüge, die bisher im Wesentlichen für sich stattfanden. Ihre Gemeinsamkeit ist, dass es sich um elektronisch mediatisierte Kommunikation handelt, mit was oder wem auch immer« (ebd.). Dabei ist man freilich nicht einmal mehr an den heimischen Telefonanschluss gebunden. Mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablet-PCs ermöglichen einen Internetzugang von (fast) jedem beliebigen Ort aus. Aus der Sicht des Rezipienten, Konsumenten bzw. Users wuchsen mehrere einst voneinander getrennte Kommunikationsformen zusammen und entwickelten sich in direktem Bezug zueinander weiter. Dabei entstanden bzw. entstehen auch nach wie vor neue Kommunikationspotenziale und Dienste, die wiederum neue Kommunikationsformen bzw. -modalitäten erfordern (vgl. Krotz 1995, S.-447). Bereits vor knapp 20 Jahren hat Friedrich Krotz (1995) Merkmale und Konsequenzen aus dieser Entwicklung zusammengefasst - seine Argumentation ist in Grundzügen noch immer gültig, wird an dieser Stelle aber aktualisiert (bzw. erweitert): Markantes Kennzeichen des elektronisch mediatisierten Kommunikationsraumes ist, »dass sich für das kommunizierende Individuum die Kommunikationspartner Mensch, Computer oder massenmedial ausgerichtetes Produkt […] vermischen, dass also die Differenz zwischen technisch vermittelter interpersonaler und mediensowie computerbezogener« kommunikativer Handlung sich reduziert (Krotz 1995, S.-477; Hervorhebung i. Orig.). • Der Kommunikationsraum hat sich zwar »zu einer eigenständigen Totalität von kommunikativem Geschehen« ausgeweitet, »mit eigenen Normen und Werten, eigener Kultur und Institutionen, mit Machtstrukturen und subversiven Elementen« (Krotz 1995, S.- 448). Traditionelle Institutionen bemühen sich jedoch verstärkt, diesen Raum gleichermaßen zu kontrollieren (Stichworte: Datenschutz, Schutz der Privatsphäre, Forenhaftung etc.). • So gut wie alle Arbeitsbereiche sind in diesen Kommunikationsraum integriert. Als Beispiele seien hier Telearbeit, Telebanking, E-Learning, Industrie und Handel (E-Commerce) sowie Werbung genannt. • Der Kommunikationsraum ermöglicht eine Erweiterung der menschlichen Kommunikation insofern, als die möglichen Kommunikationspartner z. B. via E-Mail oder Chat, in Onlineforen (auf der Suche nach Hilfe und Rat), durch ›Freundschaftsanfragen‹ in virtuellen sozialen Netzwerken sowie das Mitspielen in Onlinerollenspielen beliebig vermehrt werden können. Die kommunikativen Praktiken bleiben auch nicht ohne Auswirkungen auf Interessen, Gefühle, kommunikative Erwartungen und Weltwissen der Nutzer - insgesamt also auf Kultur und Gesellschaft, auf Alltag und Individuen (vgl. z. B. Hepp/ Vogelgesang 2008; Krotz 1995, S.-448). • Dieser universelle Kommunikationsraum wird insbesondere durch viele kleinere Kommunikationsforen, wie sie im Internet zu finden sind, konstituiert. In vielen Bereichen sind diese weitgehend entgeltfrei zugänglich, gleichwohl entwickeln sie sich dennoch unter dem »Primat der Ökonomie« (Werbung, E-Commerce, teilweise auch Gebühren). Existiert eine entsprechende Technologie (wie sie z. B. Facebook bietet), können soziale Netzwerke entstehen bzw. abgebildet werden; diese kreieren neue Formen von Öffentlichkeiten, die sich als »persönliche Öffentlichkeiten« (Schmidt 2012) beschreiben lassen. • Im allumfassenden elektronisch mediatisierten Kommunikationsraum verschmelzen Formen technisch vermittelter Individual- (z. B. E-Mail), Gruppen- (Teilnahme an Foren, sozialen Netzwerken) und Massenkommunikation (z. B. Lektüre des Onlineangebots einer Zeitung). Massenkommunikation ist folglich ein Element computervermittelter Kommunikation. Massenkommunikation im traditionellen Sinne wird aber sicher nicht verschwinden: »Sie wird als Spezialfall erhalten bleiben, auf den auch in absehbarer Zukunft ein großer Teil der Kommunikation in diesem Kommunikationsraum entfallen wird« (Krotz 1995, S.-450). <?page no="90"?> 3.3 Computervermittelte Kommunikation 91 Sofern nicht interpersonal bzw. teilöffentlich, also zu zweit oder auch in Gruppen, kommuniziert wird (z. B. Chat, Foren, soziale Netzwerke, Onlinerollenspiele), bleibt die meiste elektronisch mediatisierte Kommunikation eine Kommunikation mit vorgefertigten Produkten und bleibt Handeln im elektronischen Kommunikationsraum auf ein zunehmend differenzierteres Auswählen beschränkt, auch wenn »man selbst leichter eine Mitteilung einbringen kann. […] Eine echte und aktive Gestaltung von Kommunikation wird […] auch weiterhin nur in interpersonaler Kommunikation möglich sein« (Krotz 1995, S.- 455). Repräsentative Studien zeigen ohnehin, dass Internetnutzer nur in begrenztem Maße daran interessiert sind, sich aktiv an der Kommunikation in einer breiten Öffentlichkeit zu beteiligen, und das Kommunizieren zumeist auf ihre persönlichen Öffentlichkeiten beschränken (vgl. Busemann/ Gscheidle 2010, 2011, 2012, S. 382f ). 3.3.2 Der Computer als Kommunikationsmedium Durch die Integration von Computer- und Telefontechnik wuchs die Bedeutung des Computers als Kommunikationsmedium. Über Plattformen und Dienste im World Wide Web ist es Nutzern mithilfe von Computern möglich, neue Formen bzw. Modi der Individual-, Gruppen- und Massenkommunikation zu realisieren. Von Joachim R. Höflich stammt der Versuch, die Anwendungs- und Nutzungsmöglichkeiten des Computers innerhalb sog. Medienrahmen zu verorten. Der (internetfähige) Computer stellt ein Kommunikationsmedium dar, das in sich distinkte, d. h. voneinander klar unterscheidbare Medienrahmen vereint, »die bislang auf separate Medien aufgeteilt waren oder aber so vorher noch nicht bestanden haben. Von einem Medienrahmen soll […] gesprochen werden, wenn ein Medium benutzt und damit eine (gemeinsame) Mediensituation hergestellt wird« (Höflich 1999, S.-45). Unter einem »Computerrahmen« versteht man folglich jene computervermittelte Mediensituation, in die die kommunikativen Handlungen der Nutzer eingebunden sind. Mit Blick auf den Computer als Kommunikationsmedium hat man es mit folgenden voneinander unterscheidbaren Medienbzw. Computerrahmen zu tun: Distributionsrahmen, Rahmen öffentlicher Diskurse sowie Rahmen technisch vermittelter interpersonaler Kommunikation (vgl. Höflich 1998). Im Einzelnen ist Folgendes gemeint (vgl. auch Schweiger/ Quiring 2007): • Im Distributionsrahmen stellt der internetfähige Computer ein Informations- und Abruf-Medium dar. Angesprochen ist das massenmediale Element computervermittelter Kommunikation: Abruf von Informationen, Nachrichten sowie unterschiedlichen Dienstleistungen online (wie etwa E-Commerce und E-Banking). Das ›interaktive Element‹ besteht im Wesentlichen aus Auswahl und Abruf (ist also ein rein technisches Feedback). • Im Rahmen öffentlicher Diskurse ist der internetfähige Computer als Diskussionsmedium zu begreifen, der die Teilhabe an Diskussionsforen, Chaträumen oder sozialen Netzwerken ermöglicht - also an Foren öffentlicher Kommunikation, bei denen die Einseitigkeit massenmedialer Kommunikation aufgehoben ist, der Sender zum Empfänger wird und umgekehrt. Die aktive Teilhabe von Nutzern bzw. Usern ist konstitutiv für solche Foren (wobei es auch passive Leser bzw. User gibt, die oft als »Lurker« bezeichnet werden). • Im Rahmen der (technisch vermittelten) interpersonalen Kommunikation ist im internetfähigen Computer ein Beziehungsmedium zu sehen mit Möglichkeiten zeitgleicher (synchroner) oder zeitverschobener (asynchroner) Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Nutzern, sei es via E-Mail, Chats u. a. m. Hier sind privat genutzte Möglichkeiten computervermittelter Kommunikation angesprochen. <?page no="91"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 92 Der Computernutzer kann zwischen den verschiedenen Rahmen wechseln, ohne zugleich ›aus dem Rahmen‹ der Nutzungssituation zu fallen (Höflich-1999, S.-46). Das heißt zum einen: Von Formen öffentlicher Kommunikation kann in private übergegangen werden, »sodass computervermittelte Kommunikation gleichsam eine ›Vermittlungsform von Öffentlichkeit und Privatsphäre‹ (Flichy 1994, S.-276) darstellt« (Höflich-1999, S.-46). Das bedeutet zum anderen: Mit den unterschiedlichen Rahmen kommen unterschiedliche Momente der Interaktion zum Vorschein. Im Distributionsrahmen ist die Interaktion »auf den Inhalt bezogen«, beim Diskursrahmen »sind Inhalts- und Beziehungsdimension miteinander verwoben, während beim Rahmen computervermittelter interpersonaler Kommunikation […] der Beziehungsaspekt dominiert« (Höflich 1999, S. 46f; Hervorhebung i. Orig.). Durch einen Rahmenwechsel können Inhalts- und Beziehungsaspekte gänzlich ineinander übergehen (vgl. Höflich 1999, S.-46). Damit ist bereits angesprochen, was unter dem Schlagwort Interaktivität verhandelt wird. 3.3.3 Interaktivität und computervermittelte Kommunikation Im Zusammenhang mit elektronisch vermittelter Kommunikation ist immer wieder von »interaktiven« Medien oder Prozessen die Rede. Man kommt in einem Lehrbuch also nicht umhin zu klären, was mit Interaktivität gemeint ist. Der Begriff, wie wir ihn in der Kommunikationswissenschaft verwenden, rekurriert auf den soziologischen Term der Interaktion, der eine Beziehung zwischen anwesenden Personen beschreibt - mit wechselseitiger Kommunikation als einem Bestandteil dieser Beziehung. Darum geht es im Abschnitt 1. Der traditionelle Gegenstand der Kommunikationswissenschaft ist medienvermittelte öffentliche Kommunikation, die (zunächst ganz basal) linear von Sender (Kommunikator) zu Empfänger (Rezipient) verläuft. Auch hier finden Interaktionen zwischen den am Kommunikationsprozess Beteiligten statt, die allerdings z. T. einen anderen Charakter aufweisen, was in Punkt 2 besprochen wird. Das Internet als Kommunikationsplattform bietet das Potenzial, wechselseitige, also interaktive öffentliche Kommunikation zu ermöglichen, und damit die klassische Struktur einer Einwegkommunikation vom Sender zum Empfänger aufzubrechen. Das ist Gegenstand von Abschnitt 3. Dazu im Einzelnen: 1) Interaktion in der zwischenmenschlichen Kommunikation Auf das Element der Interaktion im Kontext zwischenmenschlicher Kommunikation wurde bereits kurz hingewiesen (vgl. Kap. 3.1.2), es soll hier jedoch noch einmal darauf zurückgegriffen werden. Interaktion im hier verstandenen Sinn ist ein aus der Soziologie stammender Begriff. Das Grundmodell, an dem er sich orientiert, »ist die Beziehung zwischen zwei oder mehr Personen, die sich in ihrem Verhalten aneinander orientieren und sich gegenseitig wahrnehmen können« (Jäckel 1995, S.-463). Da eine Interaktion immer ein Gegenüber voraussetzt, klassifiziert Max Weber sie als eine bestimmte Form sozialen Handelns, das »mit subjektivem Sinn verbunden« sowie »auf das Handeln anderer Menschen bezogen und daran in seinem Ablauf orientiert ist« (Weber 1980, S.-1). Interaktion beschreibt folglich einen auf andere bezogenen »Handlungsablauf und die diesen Handlungsablauf konstituierenden Faktoren« (Jäckel 1995, S.-463). Zwischenmenschliche Kommunikation kann somit als eine spezifische Form der sozialen Interaktion verstanden werden: als Interaktion vermittels Zeichen und Symbolen, als Miteinander-in-Beziehung-Treten von Menschen (Interaktion) zum Austausch von Informationen (Kommunikation) mit dem Ziel der Verständigung (bzw. Anschlussfähigkeit). Aus soziologischer Perspektive ist die physische Präsenz, also die gegenseitig wahrnehmbare Anwesenheit der Interagierenden, ein wichtiges Definitionselement (ebd.). Der Informationsaustausch kann verbal und/ oder nonverbal erfolgen und bedient sich in aller Regel aller jener Kommu- <?page no="92"?> 3.3 Computervermittelte Kommunikation 93 nikationskanäle (vgl. Kap. 3.1.6), über die Menschen in der Face-to-face-Kommunikation verfügen. Durch die Anwesenheit der Kommunikationspartner bestehen vielfältige Möglichkeiten der Rückkopplung und gegenseitigen Kontrolle. Ein Fehlen von Rückkopplungsmöglichkeiten und gegenseitiger Kontrolle hingegen steigert die Unverbindlichkeit von Interaktion. Weiterhin ist Reflexivität, also Rückbezüglichkeit, das elementare Kennzeichen der unmittelbaren zwischenmenschlichen Kommunikation (vgl. Merten 1977, S. 161f ): Kommunikation bedarf »einer bestimmten zeitlichen Reihenfolge sowie einer sachlichen und sozialen Bezugnahme« (Neuberger 2007, S.-46). Sie muss also chronologisch stattfinden (die Antwort vor einer Frage zu liefern macht schließlich keinen Sinn), einen Inhalt übermitteln bzw. an den Gegenstand der vorhergehenden Kommunikation anknüpfen (also eine ›vernünftige‹ Antwort auf die Frage geben) und an einen Empfänger (in dem Fall an den Fragesteller) gerichtet sein. Rückzugsmöglichkeiten bedürfen stets sozial akzeptierter Konventionen (z. B. eine angemessene Beendigung eines zwischenmenschlichen Gesprächs - eine Frage zu ignorieren bzw. nicht zu beantworten, empfinden wir als unhöflich). 2) Interaktion in der klassischen Massenkommunikation In der klassischen medienvermittelten Kommunikation sind die Teilnehmer räumlich abwesend und die Mitteilungen bzw. Informationen werden im Wesentlichen einseitig gesendet, vom Kommunikator an den Rezipienten. Dennoch finden Interaktionen zwischen Sendern und Rezipienten statt, weil das Publikum (seien es einzelne Augenzeugen oder auch organisierte Gruppen) immer auch zur Quelle für mediale Inhalte wird (vgl. Wagner 1978, S. 42f ). Wesentlich häufiger jedoch kommt es zu indirekten und imaginären Feedback-Prozessen, weil das Publikum auch auf Medieninhalte reagiert (vgl. Beck 2006, S. 43ff; Maletzke 1963, S. 41; Sutter 1990): Zum ersten bildet der Rezipient sich auf Basis des Medieninhalts ein Bild vom Kommunikator; Früh/ Schönbach (1982; Schönbach/ Früh 1984) verwenden dafür den Begriff Inter-Transaktion. Dieser Prozess ist wechselseitig, weil auch die Sender sich Bilder von den Rezipienten machen, und zwar auf Basis von Rückkoppelungen, die direkt und explizit (nämlich verbal oder textvermittelt) von den Rezipienten zurückkommuniziert werden (man denke z. B. an E-Mails oder Leserbriefe an Redaktionen, Call-Ins, die live in Radio- oder Fernsehsendungen geschaltet werden, oder an Nutzerkommentare auf Onlinenachrichtenseiten). Rückkoppelungen von Rezipienten an die Sender können aber auch indirekt über Konsumentscheidungen vermittelt werden (Kauf bzw. Nutzung) - diese geben allerdings vergleichsweise unspezifische Hinweise auf Präferenzen und Bewertungen der Rezipienten, weil sie sich nicht auf die konkrete Aussage, sondern generell auf den entsprechenden Zeitungs- oder Zeitschriftentitel, die TV- oder Hörfunksendung beziehen. Dasselbe gilt auch für die systematische Mediaforschung (vgl. Kap. 4.4.1), die (meist im Rahmen von Umfrageergebnissen) ebenfalls Publikumspräferenzen und -bewertungen an die Kommunikatoren vermittelt. Auch im Kontext klassischer Massenkommunikation findet also Interaktion und Feedback statt. Feedbackmöglichkeiten sind allerdings medial und zeitlich eingeschränkt (Feedbacks erreichen die Redaktionen häufig über andere Kanäle als Face-to-face: schriftlich, telefonisch oder als Nutzerkommentar; sie sind daher meist zeitversetzt und bleiben oft ohne direkte redaktionelle Reaktion) und teilweise durch Informationsverlust gekennzeichnet (Konsumentscheidungen und Mediaforschung). 3) Interaktion in der computervermittelten Kommunikation Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive bedarf es also keines präsenten menschlichen Gegenübers, damit Interaktionen stattfinden. Das Gebiet computervermittelter Kommunikation ist nicht nur Domäne der Kommunikationswissenschaft, sondern insbesondere auch Gegenstand der Informatik (die sich naturgemäß auf die technischen Aspekte konzentriert) bzw. des Teilbereichs der ›Human Computer Interaction‹ (der auch wahrnehmungs- und kognitionspsychologische Phäno- <?page no="93"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 94 mene einbezieht). Interaktionen bezeichnen hier Kommunikationsprozesse zwischen Mensch und Maschine, bzw. solche zwischen Mensch und Computer. In der Kommunikationswissenschaft adaptierte man einerseits die Begriffsbedeutung aus der Informatik, ergänzte sie jedoch um das Interaktionsverständnis der Soziologie, um ebenso elektronisch vermittelte Interaktionen zwischen Menschen erfassen zu können. In unserem Fach bezeichnet man als Interaktivität folglich das Potenzial eines technischen Mediums oder einer Kommunikationssituation, interaktive (im Sinne von wechselseitige) zwischenmenschliche Kommunikation zu ermöglichen (vgl. Rafaeli 1988, S. 119; Neuberger 2007, S.-43f ). Grundbedingung dafür ist, dass Sender und Empfänger die Rollen wechseln können (so gesehen ist bereits das Telefon ein interaktives Medium). Von Interaktivität ist daher zunächst ganz basal die Rede, wenn 1) ein Medium (eine Maschine, eine technische Anwendung etc.) über die Fähigkeit verfügt, »mit dem Nutzer in einen Dialog zu treten« (Goertz 1995, S.-478; vgl. Rogers 1986, S. 34) - sog. Menschzu-Maschine/ Medium-Interaktivität; und wenn 2) ein Medium über das Potenzial verfügt, wechselseitige »synchrone [z. B. Chat] und asynchrone [z. B. E-Mail-, Foren-] Kommunikation zwischen geografisch getrennten Kommunikationspartnern« zu ermöglichen (Höflich 1994, S.- 391; vgl. Neuberger 2007, S. 43f ) - sog. Mensch-zu- Mensch-Interaktivität. Medien (nicht nur Onlinemedien) unterscheiden sich generell im Hinblick auf ihr kommunikatives Potenzial, also darauf • inwieweit »eine Medienanwendung in der Lage ist, sich auf die individuellen Bedürfnisse der Beteiligten ›einzustellen‹« (Goertz 1995, S.-485) (z. B. durch eine automatisierte Vor-Selektion von Inhalten/ Personalisierung), • inwieweit man als Mediennutzer den Rezeptions- und Kommunikationsprozess beeinflussen kann (z. B. durch Modifikation, Steuerung/ Kontrolle - man denke an verschiedene Kameraperspektiven auf ein Fußballtor) und • ob und auf welche Weise sie gegenseitig aufeinander bezogenes Handeln der Nutzer zulassen. Es ist insofern sinnvoll, Stufen von Interaktivität zu unterscheiden bzw. im Sinne von Rogers (1986) Interaktivität als Kontinuum zu begreifen. Verschiedene Versuche, Klassifizierungen für Mensch- Maschine-Kommunikation vorzunehmen, wurden bereits unternommen (z.- B. Chung/ Yoo 2008, S. 379; Schweiger/ Quiring 2007; Kiousis 2002; McMillan 2002; Goertz 1995; Steuer 1992). Grob zusammenfassend können Faktoren für die Bestimmung des Interaktivitätsgrades einer Medienanwendung diesen Autoren zufolge sein: • der Grad der Selektionsmöglichkeiten (Auswahloptionen); • der Grad der Modifikationsmöglichkeiten (Möglichkeiten der Veränderung von Aussagen durch den Empfänger; also der Grad, zu welchem ihm Kontrolle der Kommunikation möglich ist) (vgl. Kap. 3.3.3); • die Menge des Selektions- und Modifikationsangebotes; • der Grad der Linearität/ Nichtlinearität, also z. B. Bestimmung von Zeitpunkt, Tempo und Abfolge der Rezeption bzw. Kommunikation; sowie • der Grad des Mappings (also der Entsprechung) zwischen Nutzereingabe (z.- B. Suchanfragen) und Systemantwort (angezeigte Ergebnisse). Die von den meisten Deutschen regelmäßig praktizierten interaktiven Kommunikationsmodi in der computervermittelten Kommunikation sind das Bedienen von Suchmaschinen (Mensch-zu- Maschine/ Medium-Interaktivität) und das Versenden bzw. Empfangen von E-Mails (Mensch-zu- <?page no="94"?> 3.3 Computervermittelte Kommunikation 95 Mensch-Interaktivität) (vgl. van Eimeren/ Frees 2012, S. 369). Die (deutschsprachige) Kommunikationswissenschaft interessiert im Hinblick auf Interaktivität weniger die Mensch-Maschine-Dialoge als vielmehr die kommunikativen Möglichkeiten zwischen Menschen mittels Computer, und dabei insbesondere die computervermittelte interpersonal-öffentliche Kommunikation, wie sie z. B. in Diskussionsforen, auf YouTube oder Twitter stattfindet. Diese Form der öffentlichen Kommunikation weist einerseits Ähnlichkeiten mit Face-to-face-Kommunikation unter Anwesenden auf, unterscheidet sich andererseits aber dennoch wesentlich von dieser (vgl. Misoch 2006, S.-56ff): So sind die Partner computervermittelter Kommunikation in aller Regel nur »telepräsent«, d. h. nicht persönlich anwesend und können sich auch gegenseitig nicht bzw. nur sehr eingeschränkt wahrnehmen (Entkörperlichung). Auch sind ihre Interaktionen weder ortsnoch zeitgebunden (Entzeitlichung und Enträumlichung). Entkörperlichung, Entzeitlichung und Enträumlichung führen außerdem zu einer Entkontextualisierung: Da die Kommunikation zeitversetzt stattfinden kann und die Kommunikationsteilnehmer i. d. R. nicht physisch präsent sind, teilen sie üblicherweise keinen »gemeinsamen Kontext oder Handlungshintergrund« (Misoch 2006, S. 60). Zentrale Elemente der gesamten nonverbalen Kommunikation, die in der zwischenmenschlichen Kommunikation eine wichtige Rolle spielen, kommen folglich in der computervermittelten Kommunikation nicht zum Tragen. Kurz: Die interaktiven Möglichkeiten computervermittelter Kommunikation »liegen nicht auf der Ebene direkter sozialer Interaktion« (Sutter- 1999, S.- 297). Dadurch sind wechselseitige Wahrnehmungs- und Kontrollmöglichkeiten (z. B. Mimik, Gestik, Blickkontakt, Tonfall etc.) nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich und somit kann computervermittelte Kommunikation einen unverbindlichen und anonymen Charakter annehmen. Sie erlaubt es, etwa in Chats oder bei der Teilnahme an Onlinerollenspielen, »sich zu maskieren und zu inszenieren« (ebd.). Insbesondere regelmäßig durch das Internet rauschende »Shitstorms« - Stürme der kollektiven Entrüstung über eine Person oder ein Thema, die nicht selten mit groben verbalen Entgleisungen einhergehen - prägen derzeit das Meinungsklima über virtuelle Kommunikation. Dennoch greift auch in der Onlinekommunikation ein gewisser Selbstregulierungsmechanismus, auf den wir in Kapitel 3.3.5 zurückkommen: Da auch im Netz Interaktionen auf Dauer angelegt sein können, müssen Nutzer sich an bestimmte soziale Normen und Verhaltensstandards orientieren, wenn sie Anschlusskommunikation generieren wollen. 3.3.4 Web 2.0, Social Web und User-generated Content Tim O’Reilly (2005) hat zur Unterscheidung der Onlineangebote, die auf klassische Einweg-Kommunikation beschränkt bleiben (publishing), von Angeboten, die interaktive Kommunikation (participation) und Zusammenarbeit ermöglichen, das Begriffspaar »Web 1.0« und »Web 2.0« eingeführt. Natürlich verweist die Kennziffer nicht auf eine neue Versionsnummer des World Wide Web, sondern steht für eine Entwicklungsstufe im Kommunikationspotenzial. Angebote, die mit dem Begriff ›Web 2.0‹ gelabelt werden können, binden Nutzer in die Organisation, Produktion, Gestaltung und Distribution von Inhalten im Internet ein (vgl. O’Reilly 2005; Ebersbach et al. 2008). Ganz grob lassen sich Web-2.0-Dienste bzw. Plattformen in folgende drei Klassen unterteilen (vgl. Stanoevska-Slabeva 2008): 1) inhalts-orientierte Web-2.0-Plattformen ermöglichen einerseits das Erstellen, Verwalten, Konsumieren oder Tauschen von Inhalten. Als Beispiele für diese Kategorie können Blogs, Wikis oder Media-Sharing-Plattformen (wie YouTube oder Flickr) gelten. Eine zweite Klasse bilden 2) beziehungs-orientierte Web-2.0-Plattformen, die die Abbildung und Verwaltung von sozialen Netzwerken (wie Facebook, Xing etc.) ermöglichen. Diese Plattformen werden von den Teilnehmern zur Beziehungspflege genutzt und weisen daher eine enge Rückbindung an realweltliche Gruppen auf. Darüber hinaus existieren 3) virtuelle Welten also Plattformen, die auf <?page no="95"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 96 virtuellen dreidimensionalen Abbildungen der ›realen‹ Welt basieren. Der virtuelle Kommunikationsraum Second Life ist ein gutes Beispiel hierfür. Auch wenn die meisten Web-2.0-Dienste kostenlos angeboten werden: Der Nutzer ›bezahlt‹ immer durch die Daten, die er zur Abmeldung und während der Nutzung preisgibt. Anbieter haben Interesse an diesen Daten, um z. B. personalisierte Anzeigenschaltung verkaufen zu können - das ist für Werbetreibende natürlich deutlich attraktiver, als Streuverluste in Kauf nehmen zu müssen. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass es eine kritische Masse an Nutzern braucht - die eine Plattform kontinuierlich mit Daten füttert, damit diese Plattform ›am Leben‹ bleibt - so wird klarer, dass viele kommerzielle Anbieter ein Interesse haben, Nutzercommunitys aufzubauen und zu erhalten. Freilich gibt es aber auch (aus kommerziellen Gründen initiierte und kommerziell orientierte) virtuelle Gemeinschaften, in denen professionelle Organisatoren dafür sorgen, dass Kommunikation aufrechterhalten bleibt. Plattformen, die online die Herstellung sozialer Strukturen und Interaktionen ermöglichen, werden auch unter dem Sammelbegriff »Social Web« gefasst. Präziser definiert besteht das Social Web aus: • »[…] webbasierten Anwendungen, • die für Menschen • den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und deren Pflege, die Kommunikation und kollaborative Zusammenarbeit • in einem gesellschaftlichen und gemeinschaftlichen Kontext unterstützen sowie • den Daten, die dabei entstehen und • den Beziehungen zwischen Menschen, die diese Anwendungen nutzen« (Ebersbach et al. 2008, S. 31; vgl. auch Hippner 2006). Es finden sich Prinzipien, die alle Social-Web-Services mehr oder weniger einen (vgl. Ebersbach et al. 2008, S. 31; Hippner 2006): • Der Fokus liegt auf den Nutzern und ihrer interaktiven Kommunikation: Während Programme oder Webseiten der Generation Web 1.0 weitgehend produktivitätsorientiert und anonym genutzt wurden, zeichnen sich Angebote im Social Web durch hohes interaktives Potenzial und Personalisierung aus; Nutzungsmuster werden nachvollziehbar. • Möglichst ausgiebige Vernetzung (von Informationen oder Personen): Nicht die einzelnen Informationen, sondern die Struktur, die aus ihrer Verknüpfung entsteht, steht im Zentrum. Durch das In-Beziehung-Setzen von Inhalten wird kollektives Wissen aufgebaut. • Transparenz von Handlungen, Daten und Zusammenhängen: Sichtbarkeit der Teilnehmer, ihrer Beziehungen untereinander und der Bewertungen von Inhalten wird hergestellt, um das menschliche Orientierungsbedürfnis zu befriedigen - zugleich kann der einzelne Nutzer so sein Wissen der Gemeinschaft verfügbar machen. • Selbstorganisation: Anbieter stellen zunächst nur die Plattformen bereit, der Inhalt wird erst durch die Teilnehmer geliefert. Nutzer machen sich auf diese Weise die Plattform zu eigen und konstituieren eine Community, die Verhaltensregeln selbst aushandelt, weil viele Plattformen im Web 2.0 nichtkommerziellen Charakter haben und die Benutzung daher weitgehend unreguliert erfolgen kann (Bottom-up-Gestaltung). • Rückkopplung in Form von »Social Ratings«: Inhalte können bewertet (oder auch kommentiert) werden. Dadurch zeigen die Teilnehmer an, welche Beiträge sie als wertvoll erachten. Durch positive Rückkopplungen erwirbt sich der Produzent digitale Reputation, zugleich wirkt die Gratifikation des positiven Feedbacks verhaltensregulierend. • Die Bedeutung von Integration in die Gemeinschaft: Weil jeder einzelne Teilnehmer in den Aufbau einer Community viel Energie und kostenlose Arbeit steckt, sind Einzelkämpfer und Ab- <?page no="96"?> 3.3 Computervermittelte Kommunikation 97 weichler unerwünscht und werden von der Gemeinschaft selten toleriert; als unerwünschte Verhaltensweise gilt z. B. One-to-One-Kommunikation, stattdessen sollen One-to-Many- (Weblogs) oder Many-to-Many-Kommunikationsmodi (Wikipedia) vorherrschen. Zum Management von Informationen und Beziehungen existieren im Social Web verschiedene ›Werkzeuge‹ (vgl. Hartmann 2008, S. 105ff; Schmidt 2011, S. 29ff): • Content-Syndication: Bereits produzierte Inhalte können in ein anderes Webangebot übernommen und damit mehrfachverwertet werden (z. B. die Einbindung von Kartendiensten in einen Reiseblog). • Mashup: Durch die Rekombination und Mischung bereits produzierter Inhalte (Fotos, Videos, Landkarten etc.) entstehen multimediale Kollagen und damit neue Inhalte. Sucht man z. B. über Google nach einem Produkt oder einer Dienstleistung, bekommt man als Suchergebnis häufig eine Karte mit Markierungen von Standorten eingeblendet, an denen diese Produkte oder Dienstleistungen erhältlich sind - meist inklusive (durch andere Internetnutzer abgegebene) Kundenbewertungen. • Newsfeed: Feed Reader bzw. Aggregatoren informieren über Aktualisierungen von Webseiten, ohne dass man diese aufrufen muss. Die Textnachrichten können in unterschiedlichen technischen Umsetzungen (RSS, RDF, Atom) automatisch bezogen (abonniert) werden. • Tagging/ Social Bookmarking: Nutzer können einen Datenbestand durch Zusatzinformationen etikettieren (englisch: to tag) oder ver-/ beschlagworten. Die Aggregation der individuell vergebenen Schlagworte lässt eigene Ordnungsmuster entstehen (Folksonomies). • Blogging: bezeichnet das Führen eines Blogs durch einen oder mehrere Autoren. Blogs sind relativ regelmäßig aktualisierte Webseiten, auf denen in umgekehrt chronologischer Reihenfolge (Text-, Bild- oder Audio-)Beiträge veröffentlicht werden, die i. d. R. von anderen Nutzern kommentierbar sind. Es gibt mittlerweile eine große Bandbreite an Blogs: Tagebüchern ähnliche private Blogs, kommerziell betriebene Unternehmensblogs (corporate blogs), Bürgerjournalismus-Blogs oder Watchblogs, die häufig mit Hilfe ihrer Leserschaft kritische Firmen- oder Medienbeobachtung betreiben, sowie professionelle journalistische Blogs wie die ›Huffington Post‹, die in Konkurrenz zu traditionellen Massenmedien treten. • Podcasting (Audio-/ Videoblogging): bezeichnet die Produktion von Audio- oder Videodateien, die kostenlos zum Download bereitgestellt werden. • Wikis: Das sind Software-Implementierungen zur kollaborativen Erstellung von Webinhalten. Das aus Perspektive der Kommunikationswissenschaft Neue an Services im Web 2.0 ist v. a., dass es öffentlich-interaktive Kommunikation (Weblogs, Wikis) ermöglicht, die aufgrund ihrer Reichweite massenmedialen Charakter annimmt (vgl. Neuberger 2007, S. 45; Schweiger/ Quiring 2007; Haas/ Brosius 2011). Dafür müssen Internetnutzer heutzutage nicht einmal mehr programmieren oder die technischen Prozesse hinter einzelnen Anwendungen verstehen können - die Zugangsbarrieren sind extrem gesunken und der Rollenwechsel vom Empfänger zum Sender massenmedialer Kommunikation ist wesentlich einfacher zu vollziehen (vgl. Hartmann 2008, S. 98). Die Vielfalt der soeben beschriebenen Werkzeuge zeugt davon. Inhalte, die mit der Hilfe von Nutzern erstellt werden, werden unter den Begriff User-generated Content subsummiert. Die Kommunikationsmöglichkeiten im Web 2.0 ebnen die bisher in der Kommunikationswissenschaft mitgedachte Trennung von Individual- und massenmedial vermittelter Kommunikation zunehmend ein (vgl. Neuberger 2007, S. 43). Wie in diesem Abschnitt gezeigt wurde, kann Netzkommunikation sogar beides zugleich sein: In diesem Fall spricht man von interpersonal-öffentlicher Kommunikation - z. B. dann, wenn Nutzer von Onlinenachrichten die Berichterstattung kommen- <?page no="97"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 98 tieren und sich dabei für andere öffentlich sichtbar streiten (vgl. Brosius/ Haas 2011; Springer 2012). »Interaktivität« unterscheidet folglich die Netzkommunikation von der klassischen Massenkommunikation: In der Netzkommunikation ist es möglich, neben die einseitig gerichtete Einer-an-Viele- Kommunikation (One-to-Many) andere Kommunikation treten zu lassen, nämlich eine One-to- One-, One-to-Few-, Many-to-Many- oder Many-to-One-Kommunikation. Da Interaktivität (ganz gleich in welcher Form) jedoch immer nur Kommunikationspotenzial ist, hängt die Realisation dieses Potenzials natürlich von den jeweiligen Nutzern ab. Auch wenn die Habitualisierung der Web- 2.0-Services und Plattformen voranschreitet, verbleiben Internetnutzer bislang doch fast ausschließlich im passiv-rezeptiven Nutzungsmodus (vgl. Busemann/ Gscheidle 2012). 3.3.5 Virtuelle Vergemeinschaftung Auf Onlineangeboten, die das Bereitstellen von User-generated Content ermöglichen, interagieren Nutzer teilweise wiederholt und dauerhaft, auch ohne einander ›offline‹ zu kennen. Solche virtuellen Gemeinschaften werden auch als Onlinecommunitys bezeichnet (vgl. Taddicken/ Bund 2010, S. 167). Beziehungen zwischen den Community-Mitgliedern können von unterschiedlicher Intensität und die Bindung an die Community daher von unterschiedlicher Bedeutung sein. Nicht selten eröffnen virtuelle Gemeinschaften neue, öffentliche Kommunikationsforen, sodass man für sie auch die Bezeichnung »elektronische Cafés«, oder »elektronische Agora« findet (vgl. Höflich 1995, S.-523). Der Onlineableger der Süddeutschen Zeitung z. B. offeriert den Lesern die Netzwerk-Plattform ›suedcafe‹ zur virtuellen Vergemeinschaftung. Folgende Charakteristika und Merkmale elektronischer Gemeinschaften und ihrer Nutzer lassen sich aufzeigen (vgl. Höflich 1995, S. 523ff; Döring 2003; Beck 2006; Neuberger 2006; Springer 2011, 2012; Taddicken/ Bund 2010; Busemann/ Gscheidle 2012): • Onlinecommunitys finden sich i. d. R. aufgrund eines gemeinsamen Ziels oder Interesses zusammen (vgl. Taddicken/ Bund 2010, S. 169). • Die Community-Forschung bestätigt immer wieder die sog. 90-9-1-Regel (Nielsen 2012): Für den Großteil der Beiträge ist nur ein Prozent der Nutzerschaft verantwortlich; weitere neun Prozent beteiligen sich von Zeit zu Zeit, während der überwiegende Teil von 90 Prozent passiv-rezeptiv bleibt und nur beobachtet. • Mit Ausnahme von Social Network Services kennen sich die Mitglieder virtueller Gemeinschaften in aller Regel nicht persönlich und geben sich weitgehend auch nicht durch ihren realen Namen zu erkennen. Vielmehr nutzen sie Medienidentitäten, die kommunikative Rückbezüge möglich machen. »Inwieweit eine mediale Identität hin zur persönlichen Identität geöffnet wird, ist nicht nur beziehungsspezifisch […], sondern auch abhängig von den Möglichkeiten, wie Medienidentitäten in Foren computervermittelter Kommunikation präsentiert werden können« (Höflich 1995, S.-526). • Statusunterschiede sowie Geschlecht, Alter, ethnische Abstammung, nationale Herkunft, physisches Aussehen etc. spielen in virtuellen Gemeinschaften wenn überhaupt nur eine untergeordnete Rolle. In diesen Communitys herrscht im Hinblick auf Äußerlichkeiten eher eine auf Egalität basierende Geselligkeit. In der Welt der Netzwerke wird der Einfluss nicht »an Reichtum und Macht [gemessen], sondern daran, wie gut man schreibt oder argumentiert« (Höflich 1995, S.-524). • Die Partizipation an virtuellen Gemeinschaften erfordert folglich v. a. die »Fähigkeit, themenbezogen mitreden, oder besser: mitschreiben zu können« (ebd.). Daraus können sich aber auch neue Machtstrukturen ergeben: Heavy User sind nicht selten sehr argumentierfreudig, verfügen über eine hohe Einstellungsstärke und sind damit teilweise - bewusst - auch äußerst streitbar (für ein relativ aktuelles Beispiel vgl. Oetting 2012). Oft haben Vielnutzer bestimmte Sonder- <?page no="98"?> 3.3 Computervermittelte Kommunikation 99 (wie z. B. Administratoren-)Rechte - selbst bei Bottom-up-Projekten wie Wikipedia sind damit nicht alle Teilnehmer gleichberechtigt (vgl. Stegbauer/ Bauer 2008; Cerquitelli et al. 2011, S. 25f; Roessing 2013). • Der Umgangston in virtuellen Gemeinschaften (insbesondere in jenen, die Anonymität gewährleisten) ist daher nicht selten rau. Da die streitlustigen Nutzer oft die aktivsten und damit die geübtesten Diskutanten sind, können sie ungeübte und weniger auseinandersetzungsfreudige Nutzer zum Schweigen bringen und verdrängen, so finden sich in ihrer Meinung recht homogene Grüppchen zusammen. • Dennoch realisieren die Teilnehmer in virtuellen Gemeinschaften ihre Interessen und Kommunikationsabsichten zusammen mit anderen. In vielen dieser Communitys gibt es daher eine »Verpflichtung auf gemeinsame Gebrauchsweisen, seien diese sozio-emotional oder informativsachbezogen motiviert« (Höflich 1995, S.-528; Hervorhebung i. Orig.). Diese beiden Nutzungsmotivklassen (Informationssuche und Bedürfnis nach Beziehungen bzw. Zugehörigkeit und Unterstützung) werden von der Community-Forschung in Untersuchungen zu unterschiedlichsten Gemeinschaften immer wieder bestätigt - darüber hinaus spielen auch Motive des Identitätsmanagements (z. B. Selbstbestätigung und -darstellung) eine bedeutende Rolle. • Die Gebrauchsweisen manifestieren sich in sog. Medienregeln und »stellen eine intersubjektive Grundlage der Medienverwendung dar, die es der handelnden Person ermöglicht, ihre Kommunikationsabsichten erwartbar zu realisieren« (Höflich 1995, S.-529). Solche Medienregeln sind in zahlreichen virtuellen Gemeinschaften in Form von Verhaltenscodes (Netiquetten) festgelegt und beziehen sich auf Form und Ablauf der Kommunikation. Die Regelwerke enthalten nicht nur technische, sondern v. a. auch sozial-kommunikative Anleitungen - Gebote und Verhaltensstandards also, die von den Teilnehmern der jeweiligen Gemeinschaft einzuhalten sind. Weil die Teilnehmer elektronischer Gemeinschaften viel Zeit und Arbeit in den Aufbau einer Community stecken, sind sie i. d. R. an der Einhaltung dieser Standards interessiert und maßregeln Abweichler eigenständig. • Um die dramaturgische Schwäche der Computerkonversation (z. B. ein Fehlen der Mimik und Gestik des Gegenübers) durch eine »elektronische Parasprache« auszugleichen, haben sich in der computervermittelten Kommunikation spezielle Zeichenkomplexe entwickelt. Diese Zeichen (-komplexe) dienen v. a. der interpretationsfördernden Kontextualisierung der schriftlich übermittelten Inhalte. Dazu gehören z. B. Abkürzungen und Akronyme (wie ROFL für ›Rolling on (the) floor laughing‹ - deutsch: sich lachend auf dem Boden kringeln) oder »die als Emoticons bezeichneten emotionsanzeigenden Ikone, wie die sog. Smileys« (Höflich 1995, S.-531), die Stimmungen (Spaß, gute Laune, Fröhlichkeit, aber auch das Gegenteil) vermitteln bzw. das Geschriebene in einen emotionalen Kontext setzen (z. B. Ironie). 3.3.6 Neue Begriffe? Elektronisch mediatisierte Kommunikation eröffnet, wie dargelegt, kommunikative Möglichkeiten, die weder in der traditionellen Telekommunikation noch in der klassischen Massenkommunikation möglich waren. Sie wirken letztlich auch auf die Begrifflichkeiten zurück, die in der Kommunikationsforschung vorzufinden sind. Nicht nur Lutz Goertz meint, dass das bisherige Vokabular (Kommunikator, Rezipient) bei der Übertragung auf interaktive Medien nicht mehr greift (Goertz 1995, S.- 484, vgl. z. B. auch Schweiger/ Quiring 2007). Die Modifikation des Rezipientenbegriffs »wird notwendig, weil der Rezipient nun auch in den Kommunikationsprozess eingreifen kann, also nicht nur ›Aufnehmender‹ ist« (Goertz 1995, S.-484). Kommunikatoren hingegen produzieren im Extrem- <?page no="99"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 100 fall (z. B. als Anbieter einer Plattform für nutzergenerierte Inhalte) im Internet überhaupt keine Aussagen mehr, sondern kontrollieren lediglich den technischen Ablauf der Kommunikation. Für die computervermittelte (Massen-)Kommunikation wurden daher von verschiedenen Autoren folgende Begriffsvorschläge vorgelegt (vgl. u. a. Goertz 1995, S.-484; Weinreich 1998; Schweiger/ Quiring 2007; Bruns 2009): alter Begriff neuer Begriff Rezipienten 1) Beteiligte, Partizipienten, Produser (aktiv) 2) Nutzer (aktiv und passiv-rezeptiv) 3) Lurker (passiv-rezeptiv) Kommunikatoren Organisierende Beteiligte, Anbieter, Produzenten (i. S. v. klassischen Medien, Journalisten) Wie bereits erwähnt ermöglicht Interaktivität einen Rollenwechsel zwischen Sender und Empfänger. Dieses Kommunikationspotenzial kann, muss aber nicht ausgeschöpft werden. Während sich der Begriff ›Nutzer‹ sowohl für die Bezeichnung der aktiven (Inhalte produzierenden) wie auch passiv-rezeptiven Kommunikationsteilnehmer eignet, unterstreichen Begriffe wie ›Beteiligte‹, ›Partizipienten‹ oder ›Produser‹ die aktive Rollenausübung, der Term ›Lurker‹ (von englisch to lurk: sich versteckt halten) bleibt für die ausschließlich passiv-rezeptive Nutzung vorbehalten. Der Gleichklang der beiden Begriffe ›Beteilig-te‹ (im Sinne von aktiven Nutzern) und ›organisierende Beteiligte‹ (als neuer Begriff für Kommunikatoren) soll verdeutlichen, dass beide im Kommunikationsprozess »zumindest theoretisch auf einer Stufe stehen können« (Goertz 1995, S.-484; vgl. auch Bruns 2009). Auch ist es unzutreffend, das Internet mit dem Begriff ›(Massen-)Medium‹ zu labeln (vgl. Beck 2010, S. 15ff): Während man »früher ein Gerät, einen Kommunikationsdienst und die zugehörigen Kommunikatorinstitutionen« (Goertz 1995, S.-484f ) noch gleichsetzen konnte, wie z. B. beim Fernsehen, so können heute unterschiedliche Geräte funktional die gleichen Aufgaben wahrnehmen (man denke z. B. an die Zugangswege zum Internet: via Computer, Spielkonsole oder Fernsehgerät), und umgekehrt kann ein Gerät verschiedene Funktionen übernehmen (z. B. dient der Computer der Textverarbeitung, der Datenkommunikation oder auch als Fernsehgerät). Computervermittelte (Massen-)Kommunikation macht es folglich notwendig, statt mit gerätebasierten mit inhaltebasierten Definitionen zu arbeiten. Klaus Beck schlägt daher vor, Medien als »dauerhaft institutionalisierte und technisch basierte Zeichensysteme zur organisierten Kommunikation« (Beck 2010, S. 15) zu definieren und das Internet aufgrund seiner Vielgestaltigkeit und Heterogenität folglich als »technische Plattform oder Mediennetz« (ebd.) zu beschreiben, und nicht als ein Massenmedium an sich. Die hier aufgezählten Begrifflichkeiten haben in der Kommunikationswissenschaft inzwischen Fuß gefasst, auch wenn sich bisher keine eindeutig durchsetzen konnte. Sie haben z. B. Eingang gefunden in eine modellhafte Darstellung computervermittelter (Gemeinschafts-)Kommunikation von Walter Hömberg und Roland Burkart (Hömberg/ Burkart 1998). Die beiden Kommunikationswissenschaftler haben das auf die klassische Massenkommunikation bezogene Prozessmodell von Gerhard Maletzke (vgl. Maletzke 1963) modifiziert bzw. abgeändert und auf Prozesse sog. »elektronisch mediatisierter Gemeinschaftskommunikation« (Hömberg/ Burkart 1998) übertragen. Auch neuere theoretische Konzeptionen, die partizipativen (Online-)Journalismus modellieren (vgl. z. B. Bruns 2009), berücksichtigen die neue Terminologie. <?page no="100"?> 3.3 Computervermittelte Kommunikation 101 3.3.7 Neue Kompetenzen Noch nicht erwähnt wurde, dass sich in der elektronisch mediatisierten Kommunikation (insbesondere auch im Web 2.0) die Anforderungen an die kommunikative Kompetenz der Teilnehmer oder, um in der neuen Terminologie zu bleiben, der Beteiligten auf Nutzerseite erhöhen. Forscher diskutieren das unter dem Begriff ›Medienkompetenz‹ (Media Literacy). Medienkompetenz setzt sich zusammen aus (vgl. Krotz 1995, S.-455f; Sutter 2010; Potter 2012): • der Kompetenz, auf der Suche nach geeigneten Kommunikationsangeboten mit »Informationsüberflutungen autonom umgehen« zu können (Krotz 1995, S. 455), aggressiven Kommunikationsangeboten »nicht zu unterliegen« (ebd.) und sich genau das an Informationen zu holen, was man braucht (die Selektions- und Beschaffungskompetenz); • der Kompetenz, den multimedialen Charakter vieler Netzangebote auszuschöpfen, »also die Fähigkeit der Berücksichtigung aller darstellenden Formen Bild, Ton, Wort, Schrift [und Grafik]« (ebd.) - Krotz (1995, S. 455) nennt sie »Code-Kompetenz«; • der Kompetenz, mit Geräten der computervermittelten Kommunikation (Computer, Smartphone o.-Ä.) und mit Netzangeboten souverän umzugehen (»informationstechnische Kompetenz«; Krotz 1995, S. 455). Man denke z. B. an all die Daten, die über soziale Netzwerke von Jugendlichen preisgegeben werden, weil die Einstellungen zum Schutz der Privatsphäre komplex sind oder die Anbieter diesen Schutz unter Umständen gar nicht unterstützen (Stichwort: Transparenz im Web 2.0, vgl. Kap. 3.3.3); Dazu gehört allerdings nicht nur das Wissen, welche Einstellungen man vornehmen muss, um die Privatsphäre in virtuellen Netzwerken zu schützen, sondern auch das Bewusstsein, dass dies notwendig ist (vgl. z. B. Reinecke/ Trepte 2008). • die Kompetenz, »Status und Qualität, Wichtigkeit und Konsequenz einer Information« (Krotz 1995, S. 456) richtig einschätzen zu können (»Beurteilungskompetenz«). Hier wird deutlich, dass elektronisch mediatisierte Kommunikation möglicherweise Wissensklüfte, aber auch Informations- und Kompetenzklüfte in der Gesellschaft begünstigen kann. Es ist nachgewiesen, dass formal höher gebildete junge Menschen sowie Personen mit höherem sozioökonomischem Status die Welt der computervermittelten Kommunikation rascher erobern, ihre Angebote nutzen und sich in ihr auch besser zurechtfinden. Da inzwischen jedoch mehr als drei von vier Deutschen im Netz sind und die Dienste im Web 2.0 zunehmend habitualisiert genutzt werden, scheint für industrialisierte westliche Gesellschaften ein Ende des digitalen Grabens in Sicht (vgl. van Eimeren/ Frees 2011, 2012; Busemann/ Gscheidle 2012). Dazu trägt sicherlich begünstigend bei, dass die materiellen Aufwendungen zur Anschaffung der Geräte sowie die Telekommunikationskosten, die die Teilnahme und Teilhabe an computervermittelter Kommunikation erfordern, seit Beginn der 2000er-Jahre deutlich gesunken sind. Ebenso muss man auf die Problematik der Virtualisierung von Beziehungen und Gemeinschaften durch computervermittelte Kommunikation hinweisen. »Wenn die persönliche und private Kommunikation […] künftig in nennenswertem Umfang computervermittelt erfolgt, dann stellt sich die Frage, ob und in welchem Maße sich die Qualität unserer Sozialbeziehungen verändern wird« (Beck/ Glotz/ Vogelsang 2000). Dieses Gebiet wird intensiv erforscht. Mit dem Thema elektronisch mediatisierte Kommunikation eröffnet sich für die Kommunikationswissenschaft ein neues und sich gegenwärtig rapide ausweitendes Forschungsfeld. Hier wurde nur versucht, den Begriff zu erläutern und einige seiner wichtigsten Facetten aufzuzeigen. Es ist hier hingegen nicht möglich, im Detail darzulegen, wie alle gesellschaftlichen Bereiche inzwischen von computervermittelter Kommunikation durchdrungen sind und welche Folgen daraus für Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik resultieren. <?page no="101"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 102 Literatur Ashe, Diane D.; McCutcheon, Lynn E. (2001): Shyness, Loneliness, and Attitude toward Celebrities. Current Research in Social Psychology, 6. http: / / www.uiowa.edu/ ~grpproc/ crisp/ crisp.6.9.htm (18.12.12). Badura, Bernhard (1971): Sprachbarrieren. Zur Soziologie der Kommunikation (Serie Problemata, Bd.1). Stuttgart. Beck, Klaus (2006): Computervermittelte Kommunikation im Internet. München. Beck, Klaus (2010): Kommunikationswissenschaft. 2., überarb. Aufl. Konstanz. Beck, Klaus; Glotz, Peter; Vogelsang, Gregor (2000): Die Zukunft des Internet. Konstanz. Bentele, Günter; Beck, Klaus (1994): Information - Kommunikation - Massenkommunikation. 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Auch wenn, wie erwähnt, für Phänomene der Onlinekommunikation ein neues Begriffsinventar vorgeschlagen wird (vgl. Kap. 3.3.6), findet hier, wo immer es möglich und vertretbar ist, die Verwendung traditioneller Begriffe der Kommunikationswissenschaft Anwendung. Über die nachfolgend zu erörternden Themenkreise liegt allein im deutschen Sprachraum eine große Fülle von thematisch wie inhaltlich recht heterogenen Forschungsarbeiten und wissenschaftlicher Literatur vor. Theoretische Denkansätze und methodisches Vorgehen bei der Aufarbeitung der einzelnen Felder durch verschiedene Autoren unterscheiden sich dabei zum Teil erheblich. Es ist nicht möglich, auf sie alle hier im Einzelnen einzugehen. Vielmehr erscheint es sinnvoll, sich auf jeweils relevante Aspekte zur Kommunikator-, Aussagen-, Medien- und Rezeptientenforschung zu konzentrieren, die in der Summe dennoch ein wenigstens einigermaßen abgerundetes, mit Sicherheit aber nicht vollständiges Bild ergeben. Dabei ist, wie bereits ausgeführt (vgl. Kap. 1), auch zu berücksichtigen, dass keines der Lehr- und Forschungsfelder für sich allein gesehen werden kann, sondern viele Forschungsfragen des einen Feldes (z. B. Kommunikatorforschung) jeweils auch andere Felder (Aussagen-, Medien-, Rezipientenforschung) tangieren können - und umgekehrt. Die nachfolgenden Ausführungen folgen zwar keiner in sich geschlossenen Journalismus-, Medien- oder Kommunikationstheorie, gehen aber insgesamt von einer systemischen Auffassung von Massenkommunikation aus. 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung Bezogen auf öffentliche Kommunikation versteht man unter dem Kommunikator eine Person, eine Gruppe von Personen oder eine Institution, die originärpublizistisch oder über ein Massenmedium Aussagen an eine (im Prinzip) unbegrenzte Zahl von Rezipienten mitteilt. Es ist dies ein sehr weit gefasstes Verständnis vom Kommunikator, das z. B. sich an die Öffentlichkeit wendende Politiker, Wirtschaftskapitäne und Gewerkschaftsfunktionäre ebenso einschließt wie predigende Prie- <?page no="109"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 110 ster, Public Relations-Referenten, Werbeagenten, Autoren, Journalisten, Onlinepublizisten u. a. m. Bezogen auf Prozesse der Massenkommunikation, und darum geht es hier im Wesentlichen, stellt der Begriff Kommunikator eine Sammelbezeichnung für alle Personen dar, die - in welcher Form auch immer - an der Produktion und Publikation von Medieninhalten beteiligt sind. Die Kommunikatorforschung bezieht in ihr Untersuchungsfeld daher Personen ein, die durch Vorarbeiten, durch Auswahl, Schreiben und Redigieren, durch Gestalten und Präsentieren, aber auch durch Einwirken auf die technische Herstellung sowie nicht zuletzt durch Organisation und Kontrolle an der Entstehung und Verbreitung publizistischer Aussagen mitwirken. Solche Personen sind - ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber um wenigstens einige Beispiele zu nennen - bei Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen, Onlinemedien sowie in Nachrichtenagenturen und Mediendiensten: • bei den Vorarbeiten: Rechercheure, Archivare, Dokumentatoren, Programm- und Sendungsplaner etc.; • bei Auswahl, Schreiben und Redigieren: Reporter, Fotoreporter, Redakteure, Hörspiel- oder Drehbuchautoren sowie Literaten etc.; • beim Gestalten und Präsentieren: Layouter, Grafiker, Producer, Moderatoren und Präsentatoren etc.; • bei der Einwirkung auf die technische Herstellung: Texterfasser, Drucker, Cutter, Bild- und Toningenieure, Kameraleute etc.; • bei Organisation und Kontrolle: Chefredakteure, Ressortleiter, Chefs vom Dienst, Herausgeber, Verleger, Programmdirektoren, Intendanten etc. Kommunikatoren sind zudem alle jene ›elektronischen Publizisten‹, die bei Multimedia, bei Onlinemedien bzw. in der Onlinekommunikation professionell mit der Produktion von ›Content‹ befasst sind wie Onlineredakteure, Multimedia-Autoren, -Konzepter, -Producer, Webmaster und -designer, Videoreporter, Information-Broker u. a. m. Zu Kommunikatoren zählen z. B. aber auch Bürgerjournalisten, Leserreporter, Videojournalisten, Blogger und weitere Akteure, die sich der Onlinemedien oder ihrer Möglichkeiten bedienen, um Aussagen in die Öffentlichkeit oder in Teilöffentlichkeiten zu transportieren. Vor allem Blogger sind (von Ausnahmen abgesehen) meist keine professionellen Kommunikatoren, für die professionelle Regeln der Recherche, Produktion und Publikation sowie ethische Standards und Mindestvoraussetzungen an Kompetenz gelten (vgl. Donsbach 2009, S. 120). Zur Gruppe der Kommunikatoren zählen z. B. jedoch auch Personen, die als Texter oder Gestalter in der Werbung, als Public-Relations-Manager in der Öffentlichkeitsarbeit oder als Medienreferenten in der Organisationskommunikation tätig sind. Die Kommunikatorforschung widmet sich also allen Personen oder Gruppen, die im Zentrum oder an der Peripherie publizistischer Aussagenproduktion wirken. Die deutschsprachige Kommunikationswissenschaft hat sich im Bereich der Kommunikatorforschung lange Zeit in starkem Maße auf den Bereich des (Informations-)Journalismus in Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen konzentriert. Auskunft darüber gibt für den Zeitraum von 1945 bis 1990 Frank Böckelmann in der 1993 erschienenen Publikation »Journalismus als Beruf«. Sie enthält eine Bilanz der Kommunikatorforschung, in der sämtliche Studien und Publikationen aus dieser Zeitspanne systematisch - medienübergreifende sowie nach Mediengattungen geordnete Journalistenstudien - verzeichnet und kommentiert sind (Böckelmann 1993). Auch von Donsbach (1999a, 1999b) und Pürer (1997) gibt es Überblicksbeiträge. Neben vielen anderen (kleineren oder größeren) empirischen Arbeiten sind für die beiden zurückliegenden Jahrzehnte - 1990 bis 2010 - (oft) repräsentative quantitative Studien über Journalisten in Deutschland erschienen wie Weischenberg et al.: Journalismus in Deutschland, 1993 und 1994; Schneider et al.: Sozialenquete über die Journalisten in der Bundesrepublik Deutsch- <?page no="110"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 111 land (1993, 1994a und 1994b); Weischenberg et al.: Die Souffleure der Mediengesellschaft (2006a und 2006b) sowie Studien z. B. über Journalisten/ -Journalismus in den Ressorts Politik (Lünenborg/ Berghofer 2010), Lokales (Grimme 1990), Sport (Görner 1995; Schaffrath 2006, 2007, 2010), Wissenschaft (Hömberg 1989; Lublinski 2004), Medien (Ruß-Mohl/ Fengler 2000; Malik 2004; Beuthner/ Weichert 2005) und auch Sensationsjournalismus (Dulinski 2003). Dem Thema »Journalismus und Unterhaltung« ist ein von Armin Scholl et al. (2007) herausgegebener Sammelband gewidmet. Auch wird Frauen im Journalismus zunehmend Aufmerksamkeit zuteil (u. a. Fröhlich/ Holtz-Bacha 1995; Lünenborg 1997; Schwenk 2006; Koch 2007). Ebenso liegen über deutsche Auslandskorrespondenten Arbeiten vor (u. a. Hahn et al. 2008). Über den Onlinejournalismus gibt es ebenfalls zahlreiche empirische Studien, darunter z. B. die Arbeiten von Löffelholz et al. (2003), Meyer (2005), Quandt (2005), Neuberger et al. (2009). Mit crossmedialem Journalismus befasste sich u. a. Meier (2007, 2010), mit mobilem Journalismus Wolf/ Hohlfeld (2010) und Wolf (2010). Dem Image der Journalisten sind u. a. Lieske (2008) und Donsbach et al. (2009) auf den Grund gegangen, ein Vergleich des Journalistenbildes in literarischen Bestsellern mit Befunden der empirischen Kommunikatorforschung, »Journalismus in Fiktion und Wirklichkeit«, so der Titel, stammt von Evelin Engesser (2005). Von Meyen/ Riesmeyer (2009) gibt es eine bundesweit durchgeführte qualitative Studie über Journalisten in Deutschland, von Meyen/ Springer (2009) eine über freie Journalisten. International vergleichende Journalismusforschung stammt u. a. von Hanitzsch/ Seethaler (2009) und Hanitzsch (2013), der Thematik ist auch der Sonderband von Medien und Kommunikationswissenschaft »Grenzüberschreitende Medienkommunikation« (Wessler/ Averbeck-Lietz 2012) gewidmet. Eine Erkenntnistheorie der Journalistik legte 2006 Bernhard Pörksen mit der Publikation »Die Beobachtung des Beobachters« vor (Pörksen 2006). Journalistischem Handeln zwischen kommunikativer Vernunft und mediensystemischem Zwang ist Carsten Brosdas »Diskursiver Journalismus« gewidmet (Brosda 2008). Einen Sammelband zu aktuellem Stand und Perspektiven der Journalismusforschung mit zahlreichen Beiträgen haben Anfang 2013 Klaus Meier und Christoph Neuberger (2013) vorgelegt. Das Thema »Objektivität im Journalismus» mit Beiträgen von Ulrich Saxer (2012), Philomen Schönhagen (2012), Detlef Schröter (2012) und Hans Wagner (2012b) ist Gegenstand eines von Hans Wagner herausgegebenen Sammelbandes (Wagner 2012a). Einem bislang wenig bekannten Kommunikationsberuf, den Lektoren - den ›Gatekeepern‹ der Buchverlage - ist Walter Hömberg in einer für Deutschland repräsentativen Studie auf den Grund gegangen (Hömberg 2010). Mit »Büchermenschen«, d. h. mit der beruflichen Situation und den Bedingungen beruflicher Karrieren im Deutschen Buchhandel, hat sich Romy Fröhlich befasst (Fröhlich 2011). Auf mehrere der hier erwähnten Studien wird im Laufe des Kapitels noch näher eingegangen. Kommunikatorforschung ist, bezogen auf die Massenmedien, weitgehend also immer noch Journalismusforschung. Kommunikatoren z. B., die im weiten Feld der Unterhaltungsmedien tätig sind wie Talk- und Showmaster in Hörfunk und Fernsehen, Präsentatoren von Radio- und TV-Sendungen etc. oder Personen, die in eher künstlerischer und bildnerischer Weise in Presse und Rundfunk wirken, fanden durch die deutsche Kommunikationswissenschaft bislang nur wenig Beachtung. Verweisen kann man u. a. z. B. auf den bereits erwähnten Sammelband »Journalismus und Unterhaltung» von Scholl et al. (2007) sowie auf Louis Bosshart et al. (1994) »Medienlust und Mediennutz«. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, das Lehr- und Forschungsfeld Kommunikator-/ Journalismusforschung zu strukturieren (vgl. u. a.: Jarren 1994; Donsbach 1994; Blöbaum 1994; Weischenberg 1992, 1995; Esser 1998; Merten 1999; Kunczik/ Zipfl 2001). Hier werden die folgenden Themenkomplexe erörtert: wichtige Aspekte der journalistischen Berufsforschung; der Themenkreis Journalisten und Medieninhalte; aktuelle Themen der Journalismusforschung sowie neuere Theorien zur Journalismusforschung. Kompakte Überblicke zu »Journalismus« und »Journalisten« vermitteln Weischenberg (2005) und Donsbach (2009). <?page no="111"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 112 4.1.1 Journalistische Berufsforschung Die journalistische Berufsforschung hat eine lange Tradition. Sie begann bereits im 19. Jahrhundert, als in die medienkundliche Geschichtsschreibung berufsgeschichtliche Überlegungen zum Journalismus einflossen (vgl. Prutz 1845). Die deutschsprachige Zeitungswissenschaft und die frühe Publizistikwissenschaft haben sich vorwiegend historisch und personenzentriert (und weitgehend auch normativ) mit herausragenden journalistischen Persönlichkeiten sowie mit dem Wesen des Journalismus befasst. Im Mittelpunkt standen in aller Regel Einzelpersonen und deren Biografie (vgl. etwa Spael 1928) oder auf das praktische Handwerk bezogene Überlegungen (vgl. Dovifat 1931; Groth 1928). Daneben gab es bereits auch (meist kleinere) empirische Studien, die sich mit der sozialen und ökonomischen Lage oder etwa auch der Ausbildung der Journalisten befassten. »Sämtliche empirische Studien zielen auf die Verbesserung der Existenzbedingungen und des Ansehens des journalistischen Berufsstandes bzw. suchen zu erklären, warum Lage und Ansehen so schlecht sind, wie sie sind. Unter ihnen befinden sich einige Studien von Berufsverbänden, einige volkswirtschaftliche Lageberichte und einige Pressedissertationen« (Böckelmann 1993, S. 33). Die Titel dieser Studien und zusätzliche Angaben über ihre Inhalte sind der Synopse von Frank Böckelmann zu entnehmen (Böckelmann 1993, S. 33ff). Nach 1945 setzten allmählich Studien ein, die sich traditionellen Fragen des journalistischen Berufes widmeten und ihren Gegenstand von den Printauf die Funkmedien ausweiteten. Ermittelt wurden demographische Daten und Tätigkeitsmerkmale, ansatzweise auch die soziale Lage der Journalisten. Es entstanden im Weiteren berufsstatistische Erhebungen, und Fragen der Einstellung der Journalisten zu ihrem Beruf und Berufsverständnis (Selbstbild) gewannen an Bedeutung. Ab etwa 1965 entfaltet sich eine empirische Berufsforschung, in der Fragestellungen im Vordergrund stehen, aus denen berufsstrukturelle Merkmale über Journalisten ermittelt, Berufsauffassungen festgestellt sowie ein allfälliger Wandel des Berufs-»Bildes« erschlossen werden können. Es sind dies Fragen nach • demographischen und anderen berufsrelevanten Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Bildung, Einkommen, soziale Herkunft; • Berufserwartungen und -vorstellungen sowie Motiven der Berufswahl; • Berufsausbildung und Berufsanforderungen; • Berufsweg und Karriereverlauf; • Berufs- und Berufsrollenverständnis, Selbstbild und Fremdbild; • Selbsteinschätzung von sozialem Status und gesellschaftlichem Ansehen; • Berufsweg, Berufszufriedenheit, Karriereverlauf; • Berufsmobilität; • Einstellungen zu berufspolitischen, parteipolitischen und anderen gesellschaftlich relevanten Fragen sowie zur Parteizugehörigkeit; • Berufsethik. Die meisten Kommunikator-Studien sind folglich auch Versuche, die Wirklichkeit journalistischer Berufe empirisch zu fassen und daraus Merkmale für ein Berufsbild abzuleiten. Mit neuen empirischen Forschungskonzepten, die in den ausgehenden 1960er-Jahren entstehen, setzt auch ein Paradigmenwechsel in der Journalismusforschung ein. Nicht unerwähnt bleiben soll jedoch, dass es aus den 1950er-Jahren vergleichsweise umfassende empirische Sozialenqueten gibt: nämlich jene von Walter Haseloff 1954 in Berlin (Haseloff 1954) sowie die von Walter Hagemann 1956 in Nordrhein- Westfalen durchgeführten Journalistenstudien (Hagemann 1956; Wirth 1956). »Die Sozialenqueten in der Mitte der 1950er-Jahre werden wie ihre Vorläufer zu Beginn des [20.] Jahrhunderts und nach dem Ersten Weltkrieg von der akuten Notlage eines großen Teils der Journalisten veranlasst. Im sel- <?page no="112"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 113 ben Maß, in dem sich die ökonomische Lage der Journalisten bessert, treten in den Berufsverbänden die Fragen der beruflichen Ausbildung und der (Mitsprache-)Rechte im Medienbetrieb in den Vordergrund« (Böckelmann 1993, S. 41). 4.1.1.1 Berufsgeschichte des Journalismus Vorformen dessen, was wir heute als Journalismus bezeichnen, gehen im deutschen Sprachraum bis ins 14. Jahrhundert zurück. Die Berufsgeschichte des Journalismus umfasst somit eine Zeitspanne von mehr als 600 Jahren. Dementsprechend vielfältig sind wissenschaftliche Bemühungen, sie zu erforschen. Es ist hier daher nicht möglich, die Berufsgeschichte des Journalismus von ihren Anfängen bis zur unmittelbaren Gegenwart im Detail nachzuzeichnen. Vielmehr soll in groben Konturen auf einige wichtige Etappen der Entstehung und Entwicklung dieses Berufes verwiesen und damit wenigstens ein grober Überblick geboten werden. Dabei ist vorab festzuhalten, dass die Berufsgeschichte des Journalismus untrennbar mit der Geschichte des Nachrichtenwesens (Zulieferung von Informationen an die Korrespondentennetze der großen Handelshäuser, Errichtung von Postlinien), der gedruckten Medien (Zeitung, Zeitschrift), später der elektrischen bzw. der elektronischen Medien (Hörfunk, Fernsehen) sowie schließlich der digitalen Medien (Onlinemedien) verbunden ist. Zur Geschichte des Journalismus liegen Periodisierungsversuche vor, von denen jene von Dieter Paul Baumert (1928, 2013) sowie Thomas Birkner (2011, 2012) nachfolgend kurz dargestellt werden. In dem von Dieter Paul Baumert 1928 vorgelegten Werk »Die Entstehung des deutschen Journalismus« ist die erste, im eigentlichen Sinn des Wortes zu verstehende Journalismusgeschichte des deutschen Sprachraumes zu sehen. Ihrer kohärenten Systematik, die naturgemäß um seither eingetretene Entwicklungen zu ergänzen ist, kann man auch heute noch folgen. Im Hinblick auf die Zeitspanne von den ersten Anfängen bis zur Vollendung des journalistischen Berufsbildungsprozesses unterscheidet Baumert zwischen vier Phasen bzw. Perioden (vgl. Baumert 1928): • In der präjournalistischen Periode (bis zum Ausgang des Mittelalters) sind Nachrichtenüberbringer in Sendboten, wandernden Spielleuten und berufsmäßigen Dichtern und Sängern zu sehen, die (in Reim und Lied gefasste) Neuigkeiten in die Öffentlichkeit trugen - aber auch in Historiographen, fürstlichen Sekretären und Chronisten, die von Amts wegen ihnen zugängliche Quellen als (Nachrichten-)Material benutzten. • In der Periode des korrespondierenden Journalismus (frühe Neuzeit) belieferten Handelsleute, Konsulats- und Stadtschreiber, Beamte und Diplomaten, aber auch Angehörige gebildeter Schichten und politisch Interessierte Informationen an die im 16. Jahrhundert entstehenden (unperiodisch erscheinenden) »Avisenblätter« sowie - ab dem 17. Jahrhundert - an Postmeister und Drucker. Die »Zeitungsbzw. Nachrichtensammler« (das Wort »Zeitung« hatte damals die Bedeutung von »Nachricht«) waren auf zuverlässige Korrespondenten angewiesen. Innerhalb der Zeitungen selbst allerdings übten sie keine »journalistische« Tätigkeit aus. • Ab Mitte des 18. Jahrhunderts entstand nicht zuletzt im Gefolge der Aufklärung der schriftstellerische (und politische) Journalismus; daher spricht man von der Periode des schriftstellerischen Journalismus. Er fand seine Ausdrucksform zuerst in der Zeitschriftenliteratur, floss im Weiteren aber in die Zeitungen ein und trug zur literarischen Veredelung der Zeitung bei. Protagonisten des politisch-literarischen Journalismus waren u. a. Joseph Görres (Rheinischer Merkur) sowie der junge Karl Marx (Rheinische Zeitung). • Der redaktionelle Journalismus, wie wir ihn auch heute noch kennen, entstand um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Aufhebung der Zensur, die eine rapide Ausdifferenzierung des Zeitungswesens zur Folge hatte. Die Aufgaben des Redakteurs bestanden (und bestehen) aus dem selbst- <?page no="113"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 114 ständigen Referieren über Tagesereignisse (korrespondierende Leistung), aus dem Selektieren, Prüfen, Sichten, Kürzen etc. eintreffender Nachrichten (redigierende Leistung) sowie aus tagesliterarischem Schaffen z. B. im Feuilleton (schriftstellerische Funktion). Redakteure arbeiten seither in stets komplexer werdenden Medienorganisationen. Von Walter Hömberg wurde die Leistung Dieter Paul Baumerts jüngst neu gewürdigt (Hömberg 2012) und dessen 1928 erschienene Sozialgeschichte des Journalismus in einer Neuauflage herausgebracht (Baumert 2013). Die Vollendung des journalistischen Berufsbildungsprozesses im 19. Jahrhundert wurde von Jörg Requate detailreich und international vergleichend aufgearbeitet (vgl. Requate 1995). ln der Periode des redaktionellen Journalismus entfaltete sich die journalistische Tätigkeit zum Ganztagesberuf, der nun hauptberuflich ausgeübt wurde. Er ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gekennzeichnet von der Herausbildung der Zeitungsressorts (Politik, Lokales, Wirtschaft, Feuilleton, Sport), vom Aufkommen der Korrespondenzbzw. Nachrichtenbüros, von der Nutzbarmachung der Telegrafie für den Zeitungsnachrichtendienst sowie vom organisierten Pressestellenjournalismus. 1904 gab es im Deutschen Reich rund 4.600 Journalisten. Bemühungen, sich gleichsam im Sinne einer Profession in Berufsverbänden zu organisieren, gab es gegen Ende des 19. Jahrhunderts. 1895 wurde der »Verband deutscher Journalisten- und Schriftstellervereine« gegründet, 1909 folgte der »Bund deutscher Redakteure« und 1910 der »Reichsverband der Deutschen Presse« (RdP), »der erstmals explizit journalistische Interessen vertrat« (Weischenberg 2010, S. 42; Hervorhebung i. Orig.). In ihm »gingen der 1902 in Berlin gegründete ›Verein Deutscher Redakteure‹, der 1909 in Berlin gegründete ›Bund Deutscher Redakteure‹ sowie der ›Verband der Deutschen Journalisten- und Schriftstellervereine‹ auf« (Weischenberg 2010, S. 42f ). Gewerkschaftliche Zielsetzungen wurden erst 1919 durch die Delegiertenversammlung des RdP festgeschrieben (Weischenberg 2010, S. 43). Damit »war die Grundlage gelegt, über tarifliche Verhandlungen die schlechte materielle Lage der Journalisten zu verbessern« (ebd.). Im April 1922 erfolgte nach langen Verhandlungen mit dem »Verein Deutscher Zeitungsverleger« die Bildung der sozialpartnerschaftlich angelegten »Reichsarbeitsgemeinschaft Deutsche Presse« (ebd.). Der RdP wurde 1933 von den Nationalsozialisten »geschlossen in den NS- Staat« übergeführt, die »Indienstnahme« war mit Inkrafttreten des Schriftleitergesetzes (Oktober 1933) am 1. Januar 1934 vollzogen (ebd.). Nachfolger des »Reichsverbandes der deutschen Presse« war nach dem Ende der Nazidiktatur der 1949 gegründete »Deutsche Journalisten-Verband« (DJV) (Weischenberg 2010, S. 44). Eine im Vergleich zu Baumert etwas andere Phaseneinteilung der Geschichte des Journalismus hat Thomas Birkner 2011 vorgelegt (Birkner 2011, 2012). Im Unterschied zu Baumert, dessen Einteilung »anhand der jeweils dominierend handelnden Personen« wie Korrespondenten, Schriftstellern und Redakteuren erfolgt, möchte Birkner auch »endogene Faktoren« einbeziehen, also »Texte sowie die Organisationen, in deren Strukturen diese entstehen und in denen Journalisten arbeiten« (Birkner 2011, S. 345). Zu berücksichtigen sind jeweils zeitliche Kontexte wie Sozialstruktur und Kultur (Bevölkerungswachstum, Alphabetisierung), die wirtschaftliche und technologische Dimension (Ökonomisierung des Pressewesens, technologische Weiterentwicklung) sowie schließlich die Dimension Politik und Recht (Zensur, zensurfreie Presseunfreiheit, Pressefreiheit). Birkner sieht die Entwicklung des Journalismus komplementär zu Baumert in vier Phasen: Genese, Formierung, Ausdifferenzierung sowie Durchbruch des modernen Journalismus: 1) In der Phase der Genese (1605-1848) des Journalismus entstehen Zeitungen und Zeitschriften, aus dem Buchdruckerwesen entwickelt sich allmählich das Zeitungsgewerbe mit seinem publizistischen und ökonomischen Zweigen. Es bildet sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine journalistische Avantgarde (Allgemeine Zeitung; Johann Friedrich Cotta, Heinrich Heine, z. B. <?page no="114"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 115 aber auch Joseph Görres) heraus, deren Repräsentanten noch (eher) Schriftsteller sind. Retardierende Wirkung für eine Ausdifferenzierung des Journalismus hat das »Unterdrückungssystem der Karlsbader Beschlüsse« von 1819 (Wiedereinführung der Zensur), die »fast dreißigjährige Polizeiaktion […] gegen die Presse« (Birkner 2011, S. 347 mit Bezugnahme auf Schneider 1966). Gleichwohl »war die Presse wesentlicher Bestandteil der Revolution von 1848« (Birkner 2011, S. 348). Erste organisatorische und redaktionelle Strukturen bilden sich heraus. 2) Für die Phase der Formierung (1849-1873) des Journalismus ist die »symbiotische Entstehung von Parteien und Parteizeitungen« wichtigstes Element, prägend sind auch wirtschaftlicher Aufschwung und industrielle Entwicklung, die Erfindung der Telegrafie (rasche Nachrichtenübermittlung aus vielen Teilen des Kontinents und der Welt) sowie das für Zeitungen und Zeitschriften populär werdende Anzeigengeschäft (Birkner 2011, S. 348). Die Zeitung wird endgültig zum Wirtschaftsprodukt, Bevölkerungswachstum und sich ausbreitende Bildung erhöhten die Lesefähigkeit: »Das deutsche Bildungssystem brachte zunehmend die Produzenten wie Konsumenten journalistischer Produkte hervor« (Birkner 2011, S. 349). 3) Für die Phase der Ausdifferenzierung (1874-1900) des Journalismus ist »das Zusammenspiel der gesamtgesellschaftlichen Großtrends von Urbanisierung und Alphabetisierung von Bedeutung, ebenso die Beschleunigung des Nachrichtenverkehrs. »Das Reichspressegesetz von 1874 »bot einen rechtlich nicht besonders liberalen, aber doch stabilen Rahmen«, der sich positiv auf die Entfaltung des Pressewesens auswirkte. Die »neu auftretende Generalanzeigerpresse verkörperte […] den starken Einfluss des Wirtschaftssytems«, zwischen Gesinnungspresse (Parteilichkeit) und Generalanzeigerpresse (unterstellte Parteilosigkeit) »wurde langsam, aber sicher eine Unbzw. Überparteilichkeit möglich« (Birkner 2011, S. 349). Mit dem Ende der Sozialistengesetze (Einschränkung der sozialdemokratischen Presse) sowie der Ära Bismark kann von einer »faktischen - jedoch stets fragilen - Pressefreiheit gesprochen werden« (Birkner 2011, S. 350). Politik ist zunehmend dem Einfluss der Medien ausgesetzt und muss sich dem »Urteil der Öffentlichkeit« stellen (ebd.). 4) Für die Phase des Durchbruchs (1900-1914) wird der Journalismus integraler Bestandteil der vor dem 1. Weltkrieg entstehenden und sich ausbreitenden Massenkultur, der Journalismus wird »integraler Bestandteil der ›Entfesselung der Massenkommunikation‹« (Birkner 2011, S. 350 mit Bezugnahme auf Wilke 2000). Die Selbstfindung des journalistischen Berufs wird u. a. auch im Kontext des Entstehens journalistischer Praktikerliteratur gesehen (Birkner 2011, S. 350f, mit Bezugnahme auf Groth 1948). In der boomenden Zeit des Pressewesens der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts (Ansteigen der Zeitschriften von 5.632 (1902) auf 6.689 (1913), Anwachsen der Zeitungstitel von 3.405 (1897) auf 4.221 (1914)) bilden sich auch moderne journalistische Institutionen heraus, vollzieht sich die Ausdifferenzierung der Redaktionen in Ressorts, wachsen moderne journalistische Akteure heran und entstehen moderne journalistische Aussagen mit sich ausdifferenzierenden Textstrukturen heraus (Birkner 2011, S. 352-354). »Die Modernität des deutschen Journalismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist bislang unterschätzt worden. Zu dominant erschienen die Zwänge der politisch-rechtlichen Dimension in den vorigen Epochen und zu glatt ließen sich diese mit der Zensur im Ersten Weltkrieg, der Polarisierung in der Weimarer Republik und der Totalität im Nationalsozialismus zu einer unendlichen Geschichte eines vormodernen Journalismus verknüpfen. Doch auch in Deutschland begann um 1900 das »Jahrhundert des Journalismus« (Birkner 2011, S. 355 mit Bezugnahme auf Birkner 2010). Mit dem Aufkommen des öffentlichen Radios (in Deutschland ab 1923) entfalten sich auch erste Formen des Radiojournalismus. Er differenziert sich ebenso bald vielfältig aus wie dreißig Jahre später der Fernsehjournalismus im Gefolge der raschen Ausbreitung dieses audiovisuellen Mediums ab Anfang der 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts. Eine große Fülle journalistischer Berufe in Zeitungen, <?page no="115"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 116 Zeitschriften, Hörfunk, Fernsehen und Nachrichtenagenturen entsteht. Die jüngste, vermutlich noch geraume Zeit nicht abgeschlossene Entwicklung betrifft den Journalismus in Onlinemedien (vgl. Kap. 4.1.3.4). Obwohl technische Innovationen das Berufsbild von Journalisten stets verändert und mitgeprägt haben, blieben im Printwie im Funkjournalismus redaktionelle Aufgaben einerseits und technische Aufgaben andererseits bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts weitgehend getrennt. Ab Mitte der 1970er-Jahre ändert sich dies jedoch grundlegend, als elektronische Produktionssysteme im Medienbereich Einzug halten. Dies gilt zunächst in besonderer Weise für den Zeitungs- und Zeitschriftenjournalismus in der Folge der Implementation von Redaktionselektronik in den Zeitungsverlagshäusern (vgl. Weischenberg 1978; Mast 1984; Pürer 1985). Denn dadurch wurden technische Aufgaben wie Texterfassung und Textgestaltung, die zuvor von Setzern und Metteuren vorgenommen wurden, aus den Setzereien weitgehend in die Redaktionen verlagert und müssen dort nun von den Journalisten weitgehend selbst durchgeführt werden. Ähnliches vollzog sich durch sog. elektronisches Broadcasting sowie durch die Einführung der digitalen Technik (z. B. elektronisches Schneiden) in den Radio- und Fernsehredaktionen. Ein weiterer Technologieschub, der für Journalisten nicht ohne Folgen bleibt, ist in den multimedialen Möglichkeiten des Onlinejournalismus zu sehen, die Text, Ton, Bild, Video und Grafik vereinen (siehe Kap. 4.1.3.4). Nicht zu Unrecht wurde daher zunächst vom »redaktionstechnischen Journalismus« (Pürer 1985) gesprochen und kann man im Weiteren besser (und eleganter) vom »elektronischen Publizisten« sprechen, der sowohl redaktionelle (Inhalt) wie auch zunehmend technische Aufgaben (Form, Gestaltung) integriert. 4.1.1.2 Journalismus und politisches System Für den Journalismus in Deutschland gilt, dass Möglichkeiten seiner mehr oder weniger ungehinderten Ausübung von Anfang an eng mit dem jeweils herrschenden politischen System verbunden waren. Dies geht aus dem langen Kampf um die Pressefreiheit in Deutschland hervor (vgl. Fischer 1982; Wilke 1984a). Es gibt sie - trotz Aufhebung der Zensur im Jahre 1848 - uneingeschränkt de facto erst seit 1949 mit dem In-Kraft-Treten des Grundgesetzes in Westdeutschland, in Ostdeutschland erst seit der 1990 erfolgten Wiedervereinigung. Davor wurden deutsche Journalisten »in den absoluten Fürstenstaaten politisch verfolgt, durch Bismarcks Sozialistengesetz kaltgestellt, in Weimar für ideologische Ziele missbraucht, in Nazideutschland ins Konzentrationslager geworfen und in der DDR als Funktionäre des Klassenkampfes eingesetzt, wobei jede dieser Zeiten sich durchaus nicht nur auf eine Repressalie beschränkte« (Donsbach 1999a, S.-492). In pluralistischen demokratischen Systemen wie der Bundesrepublik Deutschland werden den Massenmedien aus einer idealistischen normativen Sicht wichtige Funktionen zugewiesen: Sie sollen eine demokratiepolitisch wichtige Aufgabe erfüllen, indem sie nicht nur Öffentlichkeit über gesellschaftlich relevante Vorgänge in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur herstellen, sondern v. a. auch Kritik- und Kontrollaufgaben wahrnehmen, indem sie auf die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien bei Gesetzgebung (Legislative), Gesetzesvollzug (Exekutive) und Rechtsprechung (Judikative) sorgfältig achten. Sie sind idealiter in das Prinzip der Gewaltenteilung eingebunden. Gleichwohl stellen Medien und Journalismus keine »Vierte Gewalt« (Publikative) dar: Weder sieht dies das Grundgesetz vor, noch verfügt die Mehrheit der Journalisten über die dazu erforderlichen Kompetenzen und Qualifikationen. Nicht zu übersehen ist in diesem Kontext zudem, dass große Medienbetriebe selbst mächtige Institutionen darstellen und Interessen verfolgen, sich damit also die Frage nach der »Kontrolle der Kontrolleure« stellt. <?page no="116"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 117 In den meisten pluralistischen Demokratien westlichen Typs ist in der Ausübung des journalistischen Berufs ein Jedermannsrecht zu sehen. Dies ist auch in Deutschland der Fall. Daher ist hier die Berufsbezeichnung Journalist auch nicht geschützt. Begründet wird dies mit Art. 5 des Grundgesetzes, wonach »jeder […] das Recht (hat), seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […]«. Folgerichtig ist der Zugang zum Beruf im Prinzip auch nicht an spezielle Voraussetzungen oder Ausbildungsgänge gebunden. (Dies schließt freilich nicht aus, dass sich Journalisten angesichts zunehmender Komplexität von Vorgängen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur mehr denn je eine besonders qualifizierte Ausbildung angedeihen lassen sollten - vgl. Kap. 4.1.1.3). In Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes ist auch die wichtigste Rechtsgrundlage der journalistischen Arbeit zu sehen. Er verbürgt einerseits die Pressefreiheit als individuelles (Abwehr-)Recht für jeden einzelnen Bürger und garantiert andererseits die Freiheit der Medien von jeglicher staatlichen Einflussnahme. Weitere relevante Rechtsgrundlagen für den Journalismus sind (nicht zuletzt auf Grund der föderativen Struktur Deutschlands) u. a. in den Landesverfassungen und Landespressegesetzen, in medienrelevanten zivil- und strafrechtlichen Bestimmungen sowie in zahlreichen anderen Rechtsmaterien zu sehen (vgl. Pürer/ Raabe 2007, S. 331ff). Zu erwähnen ist in diesem Kontext, dass die Journalisten zur Erfüllung ihrer öffentlichen und dem Gemeinwohl dienenden Aufgabe einerseits mit Sonderrechten ausgestattet sind, ihnen andererseits aber auch besondere Pflichten auferlegt werden. Zu den Sonderrechten (vgl. Pürer/ Raabe 2007, S. 354ff) gehören z. B. der besondere Auskunftsanspruch gegenüber Behörden, das Zeugnisverweigerungsrecht (Informantenschutz) sowie die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses (Beschlagnahmeverbot von eigenbeschafften Unterlagen, Durchsuchungsverbot). Zu den besonderen Pflichten zählen die Verpflichtung zur Berichtigung falscher Nachrichten sowie v. a. die Sorgfaltspflicht: Sie hält Journalisten an, alle Nachrichten vor ihrer Verbreitung genau auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. 4.1.1.3 Ausbildung und Sozialisation im Journalismus Da, wie erwähnt, Pressefreiheit ein Jedermannsrecht ist, ist der Berufszugang in den Journalismus prinzipiell offen und nach wie vor nicht an eine formalisierte Ausbildung gebunden. (»Eine staatliche Ausbildung wäre […] nur für den Fall zulässig, in dem Journalisten unzureichend ihre öffentliche Aufgabe erfüllen würden und damit die Pressefreiheit selbst gefährdet wäre« - Donsbach 2009, S. 98) In die Qualifikation von Journalisten wurde seitens der Medienbetriebe für lange Zeit (unverständlicherweise) nur wenig Aufwand und Mühe investiert, dem klassischen, einer Lehre vergleichbaren Volontariat nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Für lange Zeit galt der Journalismus v. a. unter Medienpraktikern gar als »Begabungsberuf«, der nicht erlernbar sei. Diese befremdende und überholte Auffassung (um nicht zu sagen: Ideologie) ist heute nur noch selten vorzufinden. Im Gegenteil: Da 1) zunehmend viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens einer wissenschaftlichen Durchdringung unterliegen, 2) zahlreiche Vorgänge in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur infolge ihrer hohen Komplexität nur noch schwer zu durchschauen sind und 3) immer größer werdende Informationsmengen zu bewältigen sind, hat sich weithin die Einsicht durchgesetzt, dass (nicht nur - aber v. a.) im Informationsjournalismus tätige Personen über eine gute Ausbildung verfügen sollten. Die Forderung nach qualifiziert ausgebildeten Journalisten kam Anfang der 1970er-Jahre auf. Damals konnte in einer bundesweit unter Zeitungsvolontären durchgeführten Umfrage empirisch nachgewiesen werden, dass die redaktionelle Ausbildung den Anforderungen an einen modernen Journalismus weitgehend nicht entsprach (vgl. Kieslich 1971, 1974). In einem vom Deutschen Presserat initiierten und (zunächst 1971 und dann 1973) von Verlegern, Journalisten und Wissenschaftlern erar- <?page no="117"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 118 beiteten »Memorandum zur Journalistenausbildung« (siehe Aufermann/ Elitz 1975, S. 286ff) wurden Empfehlungen zur Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten von Journalisten festgehalten. Es entfaltete sich daraufhin in weiten Bereichen des Medienwesens eine heftige Ausbildungsdebatte, die in der Kommunikationswissenschaft in eine Diskussion über die Professionalisierung des Journalismus mündete (vgl. Publizistik 19: 1974 Heft 3-4 sowie Publizistik 20: 1975, Heft 1-2; vgl. Aufermann/ Elitz 1975). Ihr ursprünglich aus den USA stammender Grundgedanke war, angesichts gestiegener Berufsanforderungen für den Journalismus u. a. ähnliche Ausbildungs- und Zugangsregeln zu schaffen wie sie etwa für klassische Professionen (Lehrer, Ärzte, Rechtsanwälte etc.) gelten und die Journalisten auf verantwortungsethisches Handeln zu verpflichten. Zu einer solchen - allgemein verbindlichen - Professionalisierung des journalistischen Berufs kam es aber aus mehreren Gründen nicht: So wurde sie mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nicht für vereinbar gehalten. Außerdem wurde eingewendet, eine vereinheitlichte Journalistenausbildung könnte zu einer Homogenisierung der Weltsicht der Journalisten führen, was die Vielfalt der Meinungen beeinträchtigen könnte. Auch wurde befürchtet, dass die Professionalisierung des Journalismus zu einer Abschirmung der Journalisten vom Publikum führt. Last but not least wurde argumentiert, dass der Journalist der Wahrheit verpflichtet sei und somit auch gesinnungsethisch handeln müsse; ihm könne und dürfe - nicht zuletzt infolge unzureichender Kenntnisse der Medienwirkungsforschung - (ausschließlich) verantwortungsethisches, also an den vermeintlichen oder wirklichen Folgen orientiertes Handeln, nicht abverlangt werden (vgl. Kepplinger/ Vohl 1976). Gleichwohl gingen von dieser Ausbildungsdebatte zahlreiche Impulse und Initiativen für die Verbesserung der Ausbildung von Journalisten aus. So wurden in der Folge an mehreren Universitäten Diplomstudiengänge für Journalistik errichtet, universitäre und außeruniversitäre studien- und berufsbegleitende Ausbildungseinrichtungen geschaffen, neue Journalistenschulen etabliert und auch dem Volontariat mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Ausbildungsvertrag zwischen Verleger- und Journalistenverbänden, der das zweijährige Volontariat in Zeitungsverlagshäusern inhaltlich regelt, kam allerdings erst viele Jahre später, nämlich 1990 zu Stande. Mindestvoraussetzung, um heute im Journalismus tätig zu sein, ist der Nachweis des Abiturs. In zahlreichen Zeitungs- und Rundfunkredaktionen ist für den Einstieg in den Journalismus ein abgeschlossenes (Fach-)Studium unabdingbar. Es gibt auch mehrere Wege, die in den Journalismus (Print-, Funk-, Onlinemedien) führen. Zu erwähnen sind insbesondere folgende: • Das klassische Volontariat: Es dauert in den Zeitungsverlagshäusern zwei Jahre, führt den Volontär durch mehrere Ressorts und vermittelt in aller Regel eine gute praktisch-handwerkliche Ausbildung. • Freie Journalistenschulen: Die Ausbildung findet in Kompaktkursen statt, die 18 bis 24 Monate dauern und neben einer soliden, teils mehrmedialen praktisch-handwerklichen Ausbildung (Print, Funk, Online) auch medien- und berufskundliche Inhalte vermitteln. • Universitäre Ausbildungsgänge in Form von Bachelor- und Masterstudiengängen Journalismus: Sie integrieren eine crossmediale praktisch-handwerkliche Ausbildung mit einer theoretisch-kommunikationswissenschaftlichen. Es gibt darunter Masterstudiengänge, deren Studierende ein Bachelor- oder Masterstudium in einem anderen Fach (Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Literaturwissenschaft etc.) abgeschlossen haben, sodass viele von ihnen über inhaltliche Voraussetzungen für die Tätigkeit in einem Ressort verfügen. • Das Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft: Es vermittelt in seinen BA- und MA-Studiengängen, wie sein Name sagt, eine primär theoretische bzw. wissenschaftliche Ausbildung und versucht, Einblicke in die breite Palette der Kommunikationsberufe (Journalismus, Public Relations, Werbung, Medienmanagement, Onlinekommunikation etc.) zu bieten. (Pflicht-)Praktika ergänzen in aller Regel ihr Lehrprogramm. <?page no="118"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 119 • Fachhochschulstudiengänge: Sie leisten eine ressortbezogene Grundausbildung, vermitteln gleichzeitig eine (in aller Regel mehrmediale) praktisch-handwerkliche Ausbildung (Print, Funk, Online) sowie medien- und berufskundliches Wissen. • Studienbegleitende Akademien: Sie vermitteln Studierenden aller Studienrichtungen begleitend zum Studium (vorwiegend in der vorlesungsfreien Zeit) eine intensive praktisch-handwerkliche (Print oder Funk oder Online) sowie medien- und berufskundliche Ausbildung in Form von mehrwöchigen bzw. mehrmonatigen Kompaktkursen und ergänzenden (Wochenend-)Seminaren. • Berufsbegleitende Akademien: Sie bieten für bereits im Beruf stehende Journalisten (v. a. für Jungjournalisten) und sog. Seiteneinsteiger mehrmonatige bzw. mehrwöchige, vorwiegend praktischhandwerkliche Ausbildungskurse (Print, Funk, Online) sowie mehrtägige medien-, berufs- oder ressortkundliche Fortbildungsseminare. • Journalistenschulen in Medienbetrieben: Sie leisten (meist) eine crossmediale praktisch-handwerkliche Ausbildung, die durch medien- und berufskundliche Ausbildungsinhalte (darunter auch Medienökonomie) ergänzt wird. Was die Ausbildungsinhalte betrifft, so besteht Übereinkunft darüber, dass Journalisten - v. a. jene, die bei den klassischen Medien im Informationsbereich arbeiten - über eine möglichst umfassende und breit angelegte Ausbildung verfügen sollten. Fünf Gebiete sind anzusprechen (vgl. Pürer 1996b, S.-402f ): 1) Eine solide, nach Möglichkeit mehrmediale praktisch-handwerkliche Ausbildung; also die Kenntnis der journalistischen Tätigkeiten, Darstellungsformen und Gestaltungstechniken. Eine mehrmediale Ausbildung (Print, Funk, Fernsehen, Online) erhöht die Berufsmobilität zwischen den Medien. 2) Ein fundiertes, allgemeines gesellschaftliches Grundlagenwissen mit Kenntnissen über Staat, Politik, Recht, Gesellschaft und Kultur. Es ermöglicht im Bedarfsfall den Einsatz des Journalisten in mehreren Ressorts. 3) Ein umfassendes Ressortwissen in Politik oder Wirtschaft oder Kultur oder Sport oder Sozialem etc. Es ist unerlässlich für jenes Ressort, in welchem man vorwiegend arbeitet und für das man ohne Spezialwissen nicht mehr auskommt. 4) Die Grundlagen der Methoden und Techniken der Sozial- und Medienforschung. Journalisten sind oft mit empirischem Datenmaterial konfrontiert, dessen Entstehung und Qualität sie unbedingt beurteilen können sollten. 5) Eine gute Kenntnis des Medien- und Berufswissens, um über eigene Rechte und Pflichten genau Bescheid zu wissen. Zu ergänzen ist dieser Katalog um Ausbildungsinhalte, die aus dem Vorhandensein neuer Kommunikations- und Medienangebote in Onlinemedien wie Blogs, soziale Gemeinschaften, Kurznachrichtendienste, Kommentarfunktionen und andere Kommunikationsanwendungen und -möglichkeiten resultieren. Aus diesem Ausbildungskatalog ergeben sich Kompetenzen, über die Journalisten verfügen sollten. Weischenberg hat 1990 auf drei Schlüsselkompetenzen hingewiesen (Weischenberg 1990): die Fach- und Organisationskompetenz (das Handwerk und das Medienwissen), die Sachkompetenz (das Ressortwissen) sowie die Vermittlungskompetenz (die mediengerechte Artikulationsfähigkeit). Claus Eurich spricht die folgenden Kompetenzen an: die Selektionskompetenz (Herstellung und Wahrung des Blicks auf und für das Wesentliche); die Recherchekompetenz (Auffinden und Prüfen der Seriosität von Quellen, systematisches Gegenrecherchieren etc.); die Kontextkompetenz <?page no="119"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 120 (ereignisbezogen Schnittstellendimensionen freilegen, neue Themenfolgen erschließen etc.); die Vermittlungskompetenz (Sprachkompetenz, Kompetenz der Stilformen, Kompetenz der Visualisierung etc.); die Reflexionskompetenz (Berücksichtigung sozialer Prozesse und ontologischer Komponenten) und die Sozialkompetenz (Bedachtnahme auf den Umstand, dass durch die Folgen journalistischer Tätigkeit im weitesten Sinne die Herstellung und Verstärkung von gesellschaftlichem Sinn und Eigensinn erfolgt) (vgl. Eurich 1998, S.-16). Die European Journalism Training Organisation (EJTA) hat 2006 mit Blick auf die Veränderungen, durch die der Journalismus infolge des Internets gekennzeichnet ist, den nachfolgend genannten Kompetenzenkatalog entwickelt (hier in Übernahme von Steffen Burkhardt 2009, S.-10-12): • Reflexionskompetenz: Kenntnis der gesellschaftlichen Grundwerte, Entwicklung des Mediensystems sowie der Zielgruppen journalistischer Produkte. Bedeutung des Journalismus in modernen Gesellschaften, seine Verantwortung, seinen Einfluss. »Journalisten müssen die Werte, die durch ihre professionellen Entscheidungen zum Ausdruck gebracht werden, erkennen, benennen und begründen können« (Burkhardt 2009, S. 10). • Vermittlungskompetenz: Öffentlichkeitswirksame Inhalte identifizieren, sie mediengerecht für spezifische Zielgruppen aufbereiten, analytischer Zugang zu aktuellen Ereignissen, Kenntnisse der Nachrichtenfaktoren, Verständnis der Gestaltungsmöglichkeiten und -grenzen von Medien, Medieninstitutionen und Medienprodukten. »Nur wer Ereignisse für spezifische Zielgruppen selektieren kann, ist journalistisch in der Lage, öffentliche Diskurse, Diskussionen und Debatten reflektiert zu gestalten« (Burkhardt 2009, S. 11). • Planungs- und Organisationskompetenz: realistische Arbeitspläne erstellen und umsetzen können. »Journalistinnen und Journalisten sollten dabei trotz Außendrucks zielführend arbeiten können und flexibel genug sein, spontan auf unerwartete Entwicklungen angemessen zu reagieren« (ebd.). • Informationskompetenz: Informationen nachrichtlich erfassen und verarbeiten können, Kenntnis von Informationsquellen/ Informanten, Referenzpublikationen, Datenbanken, Nachrichtenagenturen, Fähigkeit, Quellen zu hinterfragen, Beiträge durch (Double-)Checks objektivieren. »Vor allem durch die neuen Medien wird Informationskompetenz auch als Basis für einen Interaktionsprozess verstanden und in einem weiteren Sinn als Fähigkeit gesehen, mit der Gesellschaft informierend zu interagieren« (ebd.). • Selektionskompetenz: Zwischen relevanten und weniger relevanten Aspekten unterscheiden können, richtig gewichten; Informationen korrekt, akkurat, zuverlässig und vollständig verarbeiten und sie in den richtigen Kontext setzen können. »Bei der Selektion müssen sie Informationen für ein spezifisches Medium verarbeiten und die Folgen ihrer Auswahl für die Zielgruppe, die Gesellschaft (zunehmend auch aus interkultureller Perspektive), die Informanten, die Betroffenen und sich selbst abwägen« (Burkhardt 2009, S. 10f ). • Strukturierungskompetenz: Kenntnis der Darstellungsformen, für spezifische Inhalte angemessen Form wählen, auf Erzählstrukturen achten »und die Strukturen der Informationsaufbereitung auf die Bedürfnisse eines Medienprodukts abzustimmen« (Burkhartd 2009, S. 11). • Präsentationskompetenz: Sich schriftliche und mündliche Sprachfertigkeit aneignen, Informationen möglichst auch crossmedial aufbereiten können (durch Verknüpfung von Texten, Bildern, Tönen, Videosequenzen); sich Genre-, Technik und Layoutkenntnisse aneignen. »Ziel ist dabei nicht, alles zu können, sondern eine Koordinationsfähigkeit für die Arbeit im Team zu entwickeln und z. B. Techniker in Hinblick auf eine sinnvolle Präsentation von Themen anzuleiten« (ebd.). • Evaluationskompetenz: Eigene Arbeit und die anderer auf Basis von Qualitätskriterien bewerten können. Die Evaluationskompetenz »erfordert eine Offenheit für kritische Selbst- und Fremdevaluation als konstruktiver Voraussetzung zu Weiterentwicklung der journalistischen Arbeit und die Bereitschaft, Verantwortung für die Folgen von Veröffentlichungen zu übernehmen« (ebd.). <?page no="120"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 121 • Soziale Kompetenz: Sozial akzeptierte Umgangsformen, Engagement und Initiative in der Teamarbeit, Erkennen und Beachten von hierarchischen Beziehungen. Die soziale Kompetenz »setzt die Kenntnis der beruflichen Aufgabe, persönlicher Stärken und Schwächen und die Reflexion von Kolleginnen und Kollegen voraus« (ebd.). Im Zusammenhang mit dem Thema Ausbildung sei noch kurz die Frage angesprochen, welche Stadien ein Journalist durchschreitet, wenn er im Zuge des Eintritts in eine Redaktion gleichsam schrittweise die journalistische Berufsrolle übernimmt. Es handelt sich dabei um einen Vorgang, der allgemein als berufliche Sozialisation bezeichnet wird und den es in allen anderen Berufen auch gibt. Sie geht im Wesentlichen in drei Etappen vor sich (vgl. Rühl 1971, Langenbucher 1971; Gruber 1976, Gottschlich 1980): In der Rekrutierungsphase (unmittelbar vor Berufseintritt) sind die soziale Herkunft des Journalisten, v. a. aber seine Vorstellungen über den Beruf, seine Erwartungen an den Beruf sowie seine Motivation von Bedeutung. Es konnte festgestellt werden, dass Journalisten eher der Mittel- und Oberschicht entstammen, sie den Beruf ergreifen, weil sie sich ein hohes Maß an Selbstverwirklichung erwarten und mit dem Beruf oftmals idealistische Erwartungen verbunden sind (die Welt verbessern, Macht ausüben können, anderen helfen). In der Konkretisierungsphase, also während der redaktionellen Ausbildung, erhält der in die Redaktion Eintretende vielfältige An- und Unterweisungen, lernt Sanktionsmöglichkeiten (Lob, Tadel) kennen und erfährt bei Bewährung auch berufliche Förderung. In dieser Phase übernimmt oder antizipiert er bewusst oder unbewusst Verhaltensregeln, verinnerlicht allmählich die in der Redaktion geltenden Werte, passt sich an und übt vielleicht auch Selbstzensur. Kurz: Er lernt die Diskrepanz zwischen Berufsvorstellungen und -erwartungen einerseits und der Berufswirklichkeit andererseits kennen. In der Konsolidierungsphase, nach dem Ende der Ausbildung, kommen die Ergebnisse beruflicher Sozialisation zum Tragen: Die redaktionellen Mitgliedsregeln und die Berufsethik werden übernommen, es bildet sich das persönliche Berufsverständnis heraus. Die Grundmuster berufsspezifischer Vorstellungsbilder wie berufliche Autonomie, moralische Integrität sowie das Gefühl persönlicher Kompetenz verfestigen sich. 4.1.1.4 Berufsbild und Berufsstruktur Wie erwähnt, ist die Berufsbezeichnung Journalist in Deutschland und zahlreichen anderen demokratischen Ländern westlicher Prägung nicht geschützt: Rein rechtlich kann sich jeder als Journalist bezeichnen. Es gibt daher auch kein allgemein verbindliches Berufsbild. Und angesichts der Fülle journalistischer Berufe mit je unterschiedlichen Arbeitsfeldern und Tätigkeitsmerkmalen verwundert es folglich nicht, dass neuere Definitionen von »Journalist« bzw. »Journalismus« in aller Regel eher allgemein gehalten sind. So definiert z. B. Manfred Rühl Journalismus (aus systemtheoretischer Sicht) als »Herstellung und Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Kommunikation« (Rühl 1980, S.- 319), wobei das Kennzeichen der Themen, die der Journalismus bereitstellt, das Aktualitätsprinzip ist. Gleichwohl haben »seit jeher die Strukturdefinitionen im Berufsbild des Deutschen Journalisten- Verbandes (DJV) eine starke normative Kraft ausgeübt« (Donsbach 1999a, S.-489) und zumindest in der Praxis weithin Anerkennung gefunden. Vergleicht man die Berufsbilder des 1949 gegründeten DJV von den Anfangsjahren bis zur Gegenwart, so hat sich der Journalismus entlang dreier Dimensionen bis heute verändert, wie Donsbach festhält: So ist 1) ein Wandel vom Journalismus als Begabungsberuf zum Ausbildungs- und Qualifikationsberuf feststellbar; wird 2) der sog. »subsidiäre Journalismus«, also Tätigkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit, in das Berufsbild integriert; und schließlich werden 3) Tätigkeitsmerkmale und Arbeitsformen an die technischen und wirtschaftlichen Verän- <?page no="121"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 122 derungen in der Medienwelt angepasst (vgl. Donsbach 1999a, S.-490). Die derzeit gültige Definition des Berufsbildes des DJV lautet (DJV 2012): »Journalistin/ Journalist ist, wer nach folgenden Kriterien hauptberuflich an der Erarbeitung bzw. Verbreitung von Informationen, Meinungen und Unterhaltung durch Medien mittels Wort, Bild, Ton oder Kombinationen dieser Darstellungsmittel beteiligt ist: 1) Journalistinnen und Journalisten sind fest angestellt oder freiberuflich tätig für Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften, Anzeigenblätter oder aktuelle Verlagsproduktionen), Rundfunksender (Hörfunk und Fernsehen), digitale Medien, soweit sie an publizistischen Ansprüchen orientierte Angebote und Dienstleistungen schaffen, Nachrichtenagenturen, Pressedienste, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in Wirtschaft, Verwaltung und Organisationen sowie in der medienbezogenen Bildungsarbeit und Beratung. 2) Zu journalistischen Leistungen gehören vornehmlich die Erarbeitung von Wort und Bildinformationen durch Recherchieren (Sammeln und Prüfen) sowie Auswählen und Bearbeiten der Informationsinhalte, deren eigenschöpferische medienspezifische Aufbereitung (Berichterstattung und Kommentierung), Gestaltung und Vermittlung, ferner disponierende Tätigkeiten im Bereich von Organisation, Technik und Personal. 3) Journalistinnen und Journalisten üben ihren Beruf aus als freiberuflich Tätige oder als Angestellte eines Medienunternehmens bzw. im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eines Wirtschaftsunternehmens, einer Verwaltung oder einer Organisation. Freie Journalistinnen und freie Journalisten sind tätig • regelmäßig für einen oder mehrere Auftraggeber auf der Grundlage individueller Vereinbarungen oder tariflicher Verträge, • für ein oder mehrere Unternehmen auf der Grundlage von Vereinbarungen im Einzelfall oder ohne Auftrag, indem sie journalistische Beiträge erarbeiten und den Medien anbieten. Freie Journalistin/ freier Journalist ist auch, wer Inhaber oder Anteilseigner eines Medienbüros ist oder im Zusammenschluss mit anderen freien Journalistinnen oder Journalisten arbeitet, sofern die journalistische Tätigkeit dabei im Vordergrund steht. Angestellte Journalistinnen und Journalisten arbeiten auf der Basis des geltenden Arbeitsrechts und bestehender Tarifverträge.« Aus der sehr detaillierten Beschreibung geht hervor, dass das Berufsbild im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis (fest angestellt oder freiberuflich), auf die Medien (Presse, Rundfunk, Online-, Offlinemedien, Öffentlichkeitsarbeit etc.), auf die Tätigkeitsmerkmale (Recherchieren, Auswählen, Aufbereiten, Gestalten etc.) und auf die Unternehmensart (Medienunternehmen, Wirtschaftsunternehmen, Verwaltung, Organisation) konkretisiert wird. Es bezieht damit einen möglichst umfassenden Kreis von Personen ein, die in Kommunikationsberufen tätig sind. Dies ist nicht zuletzt berufspolitisch für die Verbände selbst (hohe Mitgliederzahlen) sowie für die jeweils Betroffenen (Tarifverträge) von besonderer Bedeutung. Es ist wiederholt versucht worden, Daten zu Berufsbild, Berufsstruktur, Selbstbild und Fremdbild der Journalisten in Deutschland zu ergründen. Es ist dies forschungstechnisch gar nicht so einfach zu bewerkstelligen: So liegen keine Berufslisten oder Berufsverzeichnisse vor, in die Einsicht genommen werden könnte. Und auch die Berufsverbände sind aus Gründen des Datenschutzes in aller Regel nicht bereit, die Namen ihrer Mitglieder bekannt zu geben. Daher sind Journalismusforscher weitgehend auf die Bereitschaft von Medienbetrieben angewiesen, wenn sie Informationen über die Anzahl der journalistisch Beschäftigten erhalten oder sich für Zwecke wissenschaftlicher Befragungen (mittelbaren oder unmittelbaren) Zugang zu Journalisten verschaffen wollen. Nicht <?page no="122"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 123 selten stößt man dabei unter den Journalisten auch auf eine beträchtliche Zahl von Antwortverweigerern. Es verwundert dies bei einer Berufsgruppe, die anderen Personengruppen - berufsbedingt natürlich - sehr gerne auf die Finger, unter den Teppich (und mitunter sogar in die Betten) schaut. Möglicherweise ist aber ein Grund auch darin zu sehen, dass zahlreiche Fragebögen - nicht zuletzt von Studierenden der Journalistik oder Kommunikationswissenschaft - auf den Schreibtischen der Journalisten landen, deren Bearbeitung oftmals viel Zeitaufwand bedeutet. Unter den zahlreichen empirischen Studien, die es über Journalisten in Deutschland seit Ende der 1960erbzw. Anfang der 1970er-Jahre gibt, seien hier aus Platzgründen jene herausgehoben, die medienübergreifende Gesamtdarstellungen umfass(t)en. Es sind dies Mitte der 1970er-Jahre vorgelegte Studien, Anfang der 1990er-Jahre (nach der Wiedervereinigung) erstellte Studien sowie zwischen 2005 und 2009 entstandene Journalistenbefragungen. Dazu im Einzelnen: Journalistenenquete 1974, Synopse »Journalismus als Beruf« 1977 1974 erarbeitete die Arbeitsgemeinschaft für Kommunikationsforschung (AfK) München eine - leider nicht veröffentlichte, sondern nur als vervielfältigter Forschungsbericht vorliegende - repräsentative »Journalistenenquete« (vgl. Böckelmann 1993, S. 56ff). 1977 folgte - ebenfalls von der AfK München - die Forschungssynopse »Journalismus als Beruf« (vgl. Böckelmann 1993, S 58ff). Auch sie liegt nur als vervielfältigtes Manuskript vor. Bei ihr handelte es sich u. a. auch um eine Auswertung von Kernstudien, deren Datenmaterial zugänglich und einigermaßen vergleichbar war (vgl. ebd.). Damals gab es in der Bundesrepublik (also nur Westdeutschland) »etwa 25.000 Journalisten«, unter ihnen mehr als 4.500 freie Journalisten und etwas mehr als 1.500 Volontäre und Praktikanten (ebd.). Die meisten von ihnen arbeiteten bei Tages- und Wochenzeitungen (6.500). »Etwa 3.000 Journalisten waren beim Rundfunk [damals nur öffentlich-rechtlicher Rundfunk - H. P.] und sonstigen AV-Medien tätig« (Böckelmann 1993, S. 59). Die Befragten hielten mehrheitlich (»zwischen der Hälfte und zwei Dritteln«) den Journalismus »für einen ›Beruf für Idealisten‹«, Beziehungen wurden für Karrieren als wesentlich erachtet (Böckelmann 1983, S. 60). Im Rollenverständnis der Befragten dominierte die Auffassung, »politische und gesellschaftliche Prozesse kritisch zu kommentieren und zu kontrollieren« (ebd.), daneben gab es noch »die Rollenvorstellung vom Journalisten als Anwalt unterprivilegierter […] Bevölkerungsgruppen« (ebd.). Das Berufsbild befand sich damals infolge »zunehmender Rationalisierung und Technisierung der journalistischen Berufstätigkeit« im Umbruch (ebd.). Zur Erklärung: Die Einführung elektronischer Systeme der Zeitungsproduktion - und damit die Verlagerung technischer Arbeiten aus dem Bereich Satzherstellung in die Redaktion - stand damals bevor. Journalismus in Deutschland [I], Sozialenquete 1992 Weiters zu erwähnen sind die 1992 entstandenen Berufsstudien über »Journalismus in Deutschland[I]« (Weischenberg et al. 1993f; 1.500 schriftlich Befragte) sowie die »Sozialenquete über die Journalisten in der Bundesrepublik Deutschland« (Schneider et al. 1993f; 1.500 Telefoninterviews). Beide Studien beanspruchten Repräsentativität, gelangten aber infolge unterschiedlicher methodischer Designs zu mitunter mehr oder weniger voneinander abweichenden Ergebnissen. 1992 gab es im wiedervereinten Deutschland 32.000 (Sozialenquete) bzw. 36.000 (Journalismus in Deutschland) hauptberuflich tätige Journalisten, hinzu kamen rund 18.000 bis 20.000 freie Mitarbeiter. In der Summe ergab dies etwa 52.000 bis 55.000 Journalisten. Größter Arbeitgeber waren die Zeitungs- und Zeitschriften- <?page no="123"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 124 verlage, gefolgt von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie vom privaten Rundfunk (Radio, TV). Die zumindest tendenziell vergleichbaren Ergebnisse der beiden Studien lassen sich wie folgt zusammenfassen: Im Jahr 1992 waren Journalisten eine relativ junge Berufsgruppe mit einem Durchschnittsalter von 37 Jahren. Der Anteil der Frauen lag im Bundesdurchschnitt bei 30 Prozent (in Ostdeutschland höher als in Westdeutschland). Das monatliche Durchschnittseinkommen betrug damals rund 2.045 Euro netto. Die Berufszufriedenheit war hoch, besonders geschätzt wurde die berufliche Autonomie. Mit Blick auf Berufsverständnis bzw. Rollenbild stand die Informationsfunktion an erster Stelle, gefolgt von Kritik- und Kontrollaufgaben. Die Befragten verfügten über ein recht positives Publikumsbild (»aufgeschlossen«, »gut informiert«, »politisch interessiert«), bei politischen Präferenzen wurde von den Befragten die SPD besser bewertet als andere Parteien. Was ethische Fragen betraf, so standen die ostdeutschen Journalisten unfairen Methoden der Informationsbeschaffung deutlich zurückhaltender gegenüber als die westdeutschen. Junge Journalisten standen der Berufsethik unbekümmerter gegenüber als ältere. Wichtigste Orientierungsmedien der Journalisten waren Der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung sowie Tagesthemen (ARD) und Tagesschau (ARD). Die Arbeitszeit betrug im Wochendurchschnitt 46 Stunden und stieg mit höherer Berufsposition. Den größten Zeitaufwand nahm bei Printjournalisten die Recherche, bei Funkmedien die technisch aufwändigere Produktion ein. Bei den journalistischen Ausbildungswegen dominierte mit Abstand das Volontariat. In der Summe waren die Journalisten damals eine relativ homogene Berufsgruppe, eine ausgeprägte Tendenz zur »Selbstreferenz« war nicht zu übersehen: Externe Einflüsse wurden gering bewertet, hohe Beachtung kam der Kollegenorientierung zu. Journalismus in Deutschland [II] Mit der 2006 als Buchpublikation veröffentlichen Studie »Die Souffleure der Mediengesellschaft« legten Siegfried Weischenberg, Maja Malik und Armin Scholl einen umfassenden »Report über die Journalisten in Deutschland« vor (Weischenberg et al. 2006b). Kernbefunde der Studie wurden 2006 auch als Aufsatz vorab publiziert (Weischenberg et al. 2006a). Das Design des Journalistenreports 2006 entsprach weitestgehend jenem der 1993 publizierten Studie »Journalismus in Deutschland« (Weischenberg et al. 1993ff). Die Resultate der umfangreichen quantitativen und repräsentativen Erhebung beruhen auf den Antworten von 1.536 repräsentativ im Frühjahr 2005 telefonisch (mittels CATI) befragten, festangestellten oder freien Journalistinnen und Journalisten aus Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen, Anzeigenblättern, Hörfunk- und Fernsehsendern, Onlinemedien, Nachrichtenagenturen und Mediendiensten. Als Journalisten werden den Autoren der Studie zufolge (relativ eng) diejenigen Personen bezeichnet, »die hauptberuflich und hauptsächlich damit beschäftigt sind, aktuelle, auf Tatsachen bezogene und (für ihr Publikum) relevante Informationen zu sammeln, zu beschreiben und in journalistischen Medien zu veröffentlichen« (Weischenberg et al. 2006b, S. 31). 2005 gab es in Deutschland hochgerechnet etwa 48.000 hauptberuflich tätige Journalisten - festangestellt oder als hauptberuflich Freie. Gegenüber 1993 (damals rund 54.000) sind dies immerhin rund 6.000 weniger, wobei das Minus hauptsächlich auf die rückläufige Zahl von hauptberuflichen Freien - insgesamt stellen diese 12.000 bzw. ein Viertel - zurückzuführen ist (vermutlich aber auch auf die relativ eng gehaltene Definition von Journalist). Die Zahl der festangestellten Redakteure dagegen ist mit rund 36.000 gegenüber 1993 stabil geblieben (vgl. Weischenberg et al. 2006b, S. 36f ). (Die mehr als 7.000 Journalisten, die bei der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2005 als arbeitslos gemeldet waren, sind in der Statistik nicht enthalten). <?page no="124"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 125 Die Autoren eruierten Befunde zu klassischen Fragen der journalistischen Berufsforschung, u. a. also: in welchen Medien und Ressorts die Journalisten arbeiten; welche Merkmale und Einstellungen sie aufweisen; wie es um ihre Berufszufriedenheit bestellt ist; über welches Rollenbild sie verfügen; wie sie sich informieren und welche ihre Leitmedien sind; wonach sie sich richten und wie es um ihre Moral bestellt ist. Holzschnittartig - und damit naturgemäß verkürzt lässt sich der deutsche Journalist kompakt wie folgt beschreiben: Er ist männlich (63 Prozent), knapp 41 Jahre alt (1993: 37 Jahre), entstammt der Mittelschicht, verfügt über einen Hochschulabschluss (69 Prozent) und hat ein Volontariat absolviert (63 Prozent). Er arbeitet bei einem Printmedium (61 Prozent), verdient ca. 2.300 Euro netto monatlich (1993: umgerechnet 2.000 Euro), lebt in einer festen Partnerschaft (71 Prozent) und ist kinderlos (57 Prozent). Er positioniert sich weltanschaulich »eher links von der Mitte« und sieht sein Medium »mehr oder weniger rechts von der Mitte« (Weischenberg et al. 2006b, S. 70). Sein berufliches Selbstverständnis ist vom Informationsjournalismus geprägt (vgl. Weischenberg et al. 2006b, S. 102ff). Wichtige Orientierungsmedien sind für ihn die Süddeutsche Zeitung (35 Prozent) und Der Spiegel (34 Prozent) sowie die ARD-Tagesschau (19 Prozent) und weitere andere, aber weniger regelmäßig genutzte Medien (vgl. S. 132ff). Weitere Resultate sind: Frauen: Der Anteil der Frauen im Journalismus macht 37 Prozent aus (1993 waren es knapp ein Drittel, in den 70er-Jahren 20 Prozent); unter den Berufsanfängern stellen sie erfreulicher Weise bereits die Hälfte (50,3 Prozent). Frauen nehmen insgesamt nur zu gut einem Fünftel (22 Prozent) leitende Posten ein und verdienen im Durchschnitt immer noch weniger als ihre männlichen Kollegen. Vier von fünf Chefredakteuren sind männlich (vgl. S. 45ff). Auf der mittleren Führungsebene hat indessen »etwas mehr Bewegung stattgefunden« (ebd): knapp 29 Prozent der Ressortleiter und Chefs vom Dienst sind weiblich (1993: 20 Prozent). Journalistinnen sind überwiegend in Ressorts bzw. für Themen wie Mode, Wellness, Lifestyle, Gesundheit, Familie, Kinder, Soziales tätig. Diese Verteilung spiegelt »weitgehend altbekannte Rollenmuster wider« (Weischenberg et al. 2006b, S. 48), wenngleich »die Geschlechtergrenzen in den zentralen Ressorts des Journalismus langsam aufzuweichen [scheinen]« (ebd.) und Frauen »nicht mehr nur in den vermeintlichen Randbereichen des Journalismus vertreten [sind]« (Weischenberg et al. 2006b, S. 49). Vom Segment der Zeitungen abgesehen sind Frauen »in den zentralen Ressorts und zentralen Medien mindestens entsprechend dem Frauenanteil im Journalismus insgesamt repräsentiert« (ebd.). Ausbildung: Bezüglich weiterer Ergebnisse sei erwähnt, dass z. B. der Ausbildungsweg der Journalisten bislang »keinerlei Einfluss auf ihre spätere berufliche Position und nur wenig Einfluss auf ihr Gehalt« hat (S. 68). Unter den journalistischen Ausbildungswegen stehen Praktikum (69 Prozent) und Volontariat (62 Prozent) unangefochten an der Spitze, ein Studium der Journalistik weisen 14 Prozent der Befragten auf, jenes der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft 17 Prozent. Unter den universitären Studienrichtungen stehen Germanisitik/ Literatur- und Sprachwissenschaften mit 25 Prozent an der Spitze (Weischenberg et al. 2006b, S. 67f ). Medientyp: Innerhalb der Medienbereiche hat es seit 1993 Verschiebungen gegeben (vgl. Weischenberg et al. 2006b, S. 37ff): So sind bei Fernsehen und Hörfunk sowie allgemein bei Zeitschriften prozentuell vergleichsweise mehr Journalisten tätig als 1993; bei Zeitungen, Anzeigenblättern, Agenturen und Mediendiensten prozentuell weniger. Bei Onlinemedien arbeiten 5 Prozent, unter ihnen eine beträchtliche Anzahl fester Freier. Auf diese Gruppe, die Freien, greifen nun in vergleichsweise stärkerem Ausmaß auch Fernsehen und Hörfunk zurück (vgl. Weischenberg et al. 2006b, S. 40). Rollenbild: »Größte Zustimmung von den Journalisten erhalten […] Rollenbilder, die auf Information und Vermittlung gerichtet sind«: »das Publikum möglichst neutral und präzise informieren« (89 Prozent); »komplexe Sachverhalte erklären und vermitteln« (79 Prozent); »dem Publikum möglichst schnell Informationen vermitteln« (74 Prozent); »Realität genau so abbilden, wie sie ist« <?page no="125"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 126 (74 Prozent). Wichtig erscheint den Journalisten aber auch, Kritik an Missständen zu üben (58 Prozent), den Menschen Gehör zu verschaffen (34 Prozent), sich für Benachteiligte in der Bevölkerung einzusetzen (29 Prozent), Bereiche wie Politik und Gesellschaft zu kontrollieren (24 Prozent). Dagegen wollen nur 14 Prozent »die politische Tagesordnung beeinflussen und Themen auf die politische Agenda setzen« (Weischenberg et al. 2006b, S. 106f ). Absicht und Rollenumsetzung (tatsächliche Handlungsrelevanz) weichen jedoch voneinander ab, wobei es auch mediale Unterschiede (Medientyp) gibt (Weischenberg et al. 2006b, S. 107ff). Tätigkeiten: Die Wochenarbeitszeit beträgt den Angaben der Befragten zufolge 45 Stunden (und ist damit um eine Stunde weniger als 1993). Der tägliche zeitliche Aufwand für die Recherche beträgt 117 Minuten, jener für das Auswählen 33 Minuten, für das Redigieren des Informationsmaterials 33 Minuten, für das Redigieren der Texte von Kollegen und Mitarbeitern 55 Minuten. »Gleich geblieben ist mit zwei Stunden auch die Zeit, die für das Texten und Verfassen von Beiträgen aufgebracht wird […] wohingegen die Moderation (nur bei Rundfunkjournalisten) deutlich an Bedeutung verloren hat« (28 Minuten; 1993: 46 Minuten) (Weischenberg 2006b, S. 80f ). Neu hinzugekommen sind Internettätigkeiten (Kommunikation und Recherche, 122 Minuten), E-Mail-Kontakte und Kommunikation mit dem Publikum (44 Minuten). Das Mitte der 1990er-Jahre neu hinzu gekommene Internet blieb für die Arbeit der Journalisten also nicht ohne Folgen. Arbeitszufriedenheit: Die Arbeitsbzw. Berufszufriedenheit ist relativ hoch. Geschätzt wird v. a. das Verhältnis zu Mitarbeitern (93 Prozent), Arbeitskollegen (88 Prozent) und Vorgesetzten (74 Prozent). Hohe Wertschätzung genießt auch die Möglichkeit, sich die Arbeit selbst einzuteilen (79 Prozent) und mit der politischen und weltanschaulichen Linie des Medienbetriebs gut zurecht zu kommen. Auch mit der Qualität der Ausbildung sind die Befragten zufrieden (72 Prozent), die Fernsehjournalisten besonders. Mit der Höhe der Bezahlung sind 54 Prozent zufrieden, mit der beruflichen Sicherheit immerhin die Hälfte (50 Prozent). Aufstiegsmöglichkeiten werden von Chefredakteuren (56 Prozent) und Ressortleitern (46 Prozent) naturgemäß höher eingeschätzt als von Redakteuren (26 Prozent Zufriedene) oder Volontären (33 Prozent Zufriedene). Ähnlich sind die Verhältnisse bezüglich der beruflichen Absicherung (Weischenberg et al. 2006b, S. 89ff). Arbeitsklima, Ethik, Publikumsbild: Das Arbeitsklima wird durchweg als gut bezeichnet, mit der Arbeitsbelastung am wenigsten zufrieden sind die Zeitungsjournalisten, »deren Redaktionen personell am meisten von der Medienkrise betroffen sind« (Weischenberg et al. 2006, S. 93). Gegenüber der Legitimität umstrittener Recherchemethoden herrscht noch stärkere Zurückhaltung vor als 1993, jüngere Journalisten sind vergleichsweise weniger zurückhaltend (vgl. Weischenberg et al. 2006, S.-174ff). Das Publikumsbild ist differenziert; im Durchschnitt wird es für politisch interessiert und gebildet, an Informationen noch mehr interessiert gehalten als an Unterhaltung und politisch überwiegend der Mitte zugeordnet (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 157ff). Parteipräferenzen: Was die Parteipräferenzen der Befragten betrifft, so gaben 36 Prozent der Befragten an, eine Neigung für Bündnis 90/ Die Grünen zu haben, gefolgt von 26 Prozent der Respondenten mit Neigung zur SPD, neun Prozent mit Neigung zu CDU/ CSU, sechs Prozent mit Neigung zur FDP und ein Prozent zur PDS (heute: Die Linke). Weitere 20 Prozent geben an, ohne Parteineigung zu sein. Gegenüber 1993 finden die Grünen fast doppelt so viel Zuspruch (plus 19 Prozent), in der Altersgruppe der 36bis 45-Jährigen ist er mit 42 Prozent am höchsten. Bei den hier dargestellten Befunden handelt es sich nur um einige wenige (notgedrungen relativ undifferenziert wiedergegebene) Ergebnissplitter, vorwiegend nackte Daten. Die Studie enthält eine große Fülle von Erklärungen und Interpretationen dieser und weiterer Daten und Fakten, die ein differenziertes und facettenreiches Bild über die Berufsgruppe der Journalisten in Deutschland vermitteln. Die Autoren gelangen gegenüber 1993 zu einem Berufsbild, das auch die Folgen der Digitalisierung und der Wirtschaftskrise im Mediensektor zu spüren bekam; das Berufsfeld selbst hat sich <?page no="126"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 127 u. a. durch Fachmedien und spezielle Themengebiete sowie durch das Internet ausdifferenziert. Der Berufsstand franst seit geraumer Zeit bekanntlich an seinen Rändern aus, so etwa auch im Onlinejournalismus. »Man lernt, wie schwer es geworden ist zu entscheiden, ob jemand nun ein Journalist ist oder nicht. Diese Identifizierungsprobleme werden im Online-Zeitalter immer größer« (Weischenberg et al. 2006, S. 20). Die Studie wirft auch einen Blick auf die Wertschätzung von Berufen in der Bevölkerung, die für Journalisten laut Allensbacher Umfrage von 2005 mit 10 Prozent der Befragten sehr gering ist. Mittlerweile weist diese Wertschätzung wieder etwas bessere Ergebnisse auf (vgl. w. u.). In dem Band wird auch das Thema der sog. »Alphatiere« (z. B. Sabine Christiansen, Anne Will, Günther Jauch, Johannes B. Kerner, Hans-Ulrich Jörges, Sandra Maischberger etc.) im Journalismus angesprochen, teilweise konkretisiert an kontinuierlich gesammelten, veröffentlichten Äußerungen der Protagonisten bzw. betroffenen Medienstars selbst (Weischenberg et al. 2006, S. 52-53). Mit Journalisten in Deutschland befasst sich auch eine 2009 veröffentliche, qualitative Studie (Meyen/ Riesmeyer 2009). Befragt wurden mittels Leitfadeninterviews 501 nach dem Prinzip der theoretischen Sättigung ausgewählte deutsche Journalisten (vgl. Meyen/ Riesmeyer 2009, S. 49ff). Die Studie erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität, Verallgemeinerungen lässt sie infolge der relativ großen Zahl von Befragten tendenziell jedoch zu. Theoretisch basiert die Studie auf Bourdieus Konzept von Feld, Kapital und Habitus, aus welchem die Autoren eine Theorie des journalistischen Feldes herleiten (Meyen/ Riesmeyer 2009, S. 25ff). Die Autoren finden u. a. heraus, dass sich viele Befragte dem Publikum verpflichtet fühlen, was Meyen/ Riesmeyer dazu verleitet, von einer »Diktatur des Publikums« (so der Titel der Untersuchung) zu sprechen. Eine empirische Studie über »Freie Journalisten in Deutschland« wurde 2009 von Michael Meyen und Nina Springer vorgelegt (Meyen/ Springer 2009). Es handelt sich dabei um eine Onlinebefragung von 1.543 freien Journalisten, ergänzt um 82 Tiefeninterviews (vgl. Meyen/ Springer 2009, S. 12). Dieser »Report« gibt u. a. Aufschluss über die Berufsstruktur, den Arbeitsalltag, das Selbstverständnis, die Auftragslage und die Berufszufriedenheit von freien Journalisten in Deutschland. Außerdem nahmen die Autoren eine Typenbildung vor. Durchgeführt wurde die Studie im Auftrag des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes (DFJV). Im Zusammenhang mit dem Berufsbild Journalismus ist schließlich auch auf Berufsauffassungen bzw. Berufsverständnisse zu verweisen, die im Journalismus vorzufinden sind. Dabei ist es nicht unproblematisch, journalistisches Handeln typischen beruflichen Rollenmustern zuzuordnen, zumal Journalisten nicht oder nur selten »ausschließlich einem einzigen Rollenmuster folgen. Vielmehr wechseln sie zwischen verschiedenen Rollen, wie es ihre Aufgabenstellungen eben von Fall zu Fall erfordern« (vgl. Haas/ Pürer 1996, S.-355). Auch ist darauf hinzuweisen, dass für die Ausprägung journalistischer Berufsauffassungen individuelle wie mediensystemische Faktoren eine Rolle spielen. Dazu gehören u. a. persönliche Lebensläufe der Journalisten, ihre Bildungs- und Ausbildungswege sowie Erwartungen und Ansprüche an den Beruf. Zu erwähnen sind auch Erfahrungen der beruflichen Sozialisation, Sachzwänge des medienspezifischen Umfeldes und der konkreten Arbeitsbedingungen sowie Funktion und Position eines Journalisten innerhalb des Medienbetriebes selbst. Nicht zuletzt spielen für die Ausprägung des Berufsverständnisses aber auch Haltungen eines Journalisten zu den politischen und sozialen Funktionen des Journalismus und der Massenmedien eine Rolle (vgl. Haas/ Pürer 1996, ebd.). Auf folgende, mehr oder weniger typische und auch empirisch vorfindbare journalistische Berufsauffassungen (Haas/ Pürer 1996; Haas 1999) bzw. Journalismus-Konzeptionen (vgl. Bonfadelli/ Wyss 1998; Haller 2004) ist zu verweisen (die hier nicht in ihren einzelnen Details beschrieben, sondern nur im kurz gerafften Überblick vorgestellt werden): <?page no="127"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 128 • Objektive Vermittlung: Journalismus als neutrale Vermittlungsaufgabe bedeutenden Geschehens in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur; der Journalist als unparteiischer Vermittler, der Nachrichten möglichst faktengetreu und unverfälscht weitergibt; verzichtet auf Wertung und Bewertung, will Bürger unvoreingenommen informieren. Die Problematik ist folgende: Kann zum Verlautbarungsjournalismus abdriften, wenn er Hintergründe und Ursachen ausklammert, auf kritische Wachsamkeit verzichtet und an der Oberfläche bleibt (wird verkürzt gelegentlich auch »Informationsjournalismus« genannt). • Kritik und Kontrolle: Journalismus als Aufgabe der Meinungsbildung und des Wächters der Demokratie; Kritikfunktion findet Ausdruck in prüfenden und kritisch bewertenden Beiträgen (wie Glossen, Kommentaren, Leitartikeln etc.); Kontrollfunktion in aufdeckend-enthüllenden Beiträgen. Dabei ergibt sich die Problematik, dass das Berufsverständnis mitunter getragen wird von der Auffassung, wonach Medien neben Legislative, Exekutive und Judikative eine »Vierte Gewalt« sein sollen; Journalismus und Medien sind dazu jedoch nicht legitimiert. • Interpretativer Journalismus: Begnügt sich nicht damit, Fakten zu sammeln und zu referieren, sondern integriert sie in größere Zusammenhänge, recherchiert Hintergründe und bietet Analysen an; nicht die Weitergabe von Nachrichten ist wichtig, sondern besonders deren Bewertung; will Interpretationsweisen und Zusammenhangseinschätzungen von Wirklichkeit anbieten. Die Problematik dieser Berufsauffassung ist, dass sie mitunter einer individuellen, subjektiven Wirklichkeitssicht verfällt und sich als Hüter der Wahrheit zu gerieren (vorwiegend im Magazin-Journalismus vorfindbar) droht. • Anwaltschaftlicher Journalismus: Ist geprägt von parteiischer (nicht parteipolitischer) Subjektivität und versteht sich als Advokat von Personen oder Gruppen, die selbst keinen Zugang zu Medien und Interessenvertretungen haben; versucht eher »von unten nach oben« zu vermitteln (für die Schwachen und gegen die Starken, für die Ohnmächtigen gegen die Mächtigen); sieht sich als »Kommunikationshelfer«: will dem sprachlosen Bürger Gehör in der Öffentlichkeit verschaffen; verzichtet durch parteiische Stellungnahme auf Sachlichkeit und Objektivität. Problematik: Kann Gefahr laufen, sich für unredliche Zwecke missbrauchen zu lassen oder aus Fanatismus sich in deren Dienst zu stellen. • Investigativer Journalismus: Will der Öffentlichkeit vorenthaltene oder verschwiegene, gesellschaftlich aber relevante Informationen bekannt machen, Missstände und Machtmissbrauch aufdecken (to investigate = aufspüren) bzw. öffentlich machen; bedarf einer äußerst gründlichen Recherche (Tiefenrecherche) und entsprechenden Beweisführung (und wird auch »nachforschender Journalismus« oder - missverständlich - »Recherche-Journalismus« genannt); recherchiert (zunächst) nicht selten in verdeckter Form, also ohne dass dem Informanten das Ziel der Recherche bekannt ist; ergreift mitunter Partei und verzichtet auf Objektivität; der Journalist strebt mit prononciertem Standpunkt eine authentische Darstellung seiner Wirklichkeitssicht an. Das Problem ist, dass er dadurch einseitig berichten und unvollständig informieren kann. Fließender Übergang zum Enthüllungsjournalismus, dem Gefahr droht, dass Insider »aus dem Apparat« den Journalismus instrumentalisieren, indem sie Informationen für eigene Zwecke weitergeben. • Präzisionsjournalismus: Möchte dem Vorwurf der Oberflächlichkeit begegnen und macht die Instrumente und Validitätskriterien der empirischen Sozialforschung zur Basis der journalistischen Recherche; Vorbild des Journalisten ist der (empirische) Forscher, der versucht, seine Themen umfassend und mittels sozialwissenschaftlicher Verfahren zu ergründen. Problem: Läuft Gefahr, in dilettierende (Pseudo-)Wissenschaft zu entarten und die Grenzen zwischen Journalismus und Wissenschaft zu verwischen. <?page no="128"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 129 • New Journalism: Versucht, unter Rückgriff auf literarische Formen und Stilmittel Realität (oft aus der Sicht der Betroffenen) wiederzugeben, wobei der ästhetischen Ausdruckskraft des Journalisten Priorität zukommt; verzichtet bewusst auf die Trennung von Nachricht und Meinung sowie von Fiction und Nonfiction, mischt Fakten und Erfundenes; bedient sich dialogischer Formen und innerer Monologe. Stammt aus der Studentenbewegung und Hippie-Kultur der 60er- Jahre in den USA (Tom Wolfe, Truman Capote), fand und findet im deutschen Sprachraum sein Forum in Zeitgeist-Zeitschriften. • Marketingjournalismus: Versteht als stark publikumsorientiertes Konzept den Journalisten als Dienstleister und den Rezipienten als Kunden und berücksichtigt dessen Bedürfnisse bei der Produktion journalistischer Angebote; Ziel ist die langfristige Zufriedenstellung der kommunikativen Bedürfnisse des Rezipienten. Läuft dabei jedoch Gefahr, in Kommerz-Journalismus abzudriften und rein ökonomischem Kalkül zu folgen (d. h. möglichst kostengünstig bei der Werbewirtschaft nachgefragte Publika als Waren abzusetzen). • Public Journalism: Aus den USA kommend wird in jüngerer Zeit auch im deutschen Sprachraum auf den Public Journalism verwiesen: »Public Journalism nimmt fair an den gesellschaftlichen Diskursen in der demokratischen Gemeinschaft teil. Er fördert demokratische Lösungen gesellschaftlicher Probleme, ohne sich einseitig zum Anwalt für spezifische Lösungsvorschläge zu machen, und ist verantwortlich für die Resultate seiner Berichterstattung« (Forster 2007, S. 4; siehe auch Forster 2006). Die hier dargestellten Journalismus-Konzeptionen finden sich in unterschiedlichen Ausprägungen in Presse und Rundfunk (und teilweise auch in Onlinemedien) wieder und sind in aller Regel auch theoretisch begründet (vgl. Haas 1999). Sie sind nicht zu verwechseln mit zumeist negativ beurteilten Erscheinungen im Journalismus wie dem »Sensationsjournalismus«, dem »Scheckbuchjournalismus«, dem »erschlichenen Journalismus«, dem »Katastrophenjournalismus« u. a. m. Der Sensationsjournalismus übertreibt. Der Scheckbuchjournalismus monopolisiert Information gegen Geld. Der erschlichene Journalismus täuscht bisweilen lautere Ziele vor. Der Katastrophenjournalismus arbeitet voyeuristisch mit den Gefühlen, Ängsten und Nöten sowohl seiner Objekte als auch des Publikums. Aus einer normativen, journalismus-kritischen Sicht manifestieren sich in diesen Journalismen Fehlleistungen eines nur noch auf Gewinn hin orientierten Mediensystems, in welchem der ökonomische Erfolg (Auflage, Reichweite) gleichsam die journalistische Ethik diktiert. Auch der partizipative Journalismus, im Zusammenhang mit Bürgerjournalismus und Nutzerbeteiligung bei Onlinemedien oftmals genannt, gehört (weitgehend) nicht zu den klassisch-professionellen Berufsauffassungen im Journalismus. Simone Ehmig ist - im weiteren und allgemeineren Sinne des Wortes - journalistischen Berufsverständnissen deutscher Journalisten auf den Grund gegangen. Sie meint einen Generationswechsel im deutschen Journalismus festzustellen, und zwar unter dem Einfluss historischer Ereignisse auf das journalistische Selbstverständnis. So hätten zeitgeschichtliche Ereignisse das Selbstverständnis des deutschen Journalismus in drei Generationen geprägt: die »Berichterstatter« der Nachkriegszeit; den »Anwaltstypus« der 1970er und 1980er-Jahre; sowie den »Nachrichtenjäger« der 1990er-Jahre (vgl. Ehmig 2000). Mit dem journalistischen Selbstverständnis - bzw. besser: mit Paradoxien im journalistischen Selbstverständnis - befasst sich Wolfgang Donsbach in seinem Beitrag »Im Bermuda-Dreieck« (Donsbach 2008). Für ihn umfasst das Rollen- oder Aufgabenverständnis von Journalisten »all jene Verhaltenserwartungen an den journalistischen Beruf, die von den Berufsangehörigen innerhalb einer Kultur als legitim erachtet und als Richtlinien für das eigene Handeln akzeptiert werden, sodass sie sich letztlich auch im journalistischen Arbeitsprodukt niederschlagen […]« (Donsbach 2008, S.- 147). In demokratischen Gesellschaften speise sich das journalistische Selbstverständnis aus drei Tra- <?page no="129"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 130 ditionen, nämlich (Donsbach 2008, S. 147ff): als individualrechtliche bzw. subjektive Tradition (Journalismus als »subjektives Menschenrecht, das der Selbstverwirklichung des frei geborenen Individuums« dient); als Tradition der sozialen und politischen Dienstleistung (»öffentliche Aufgabe«); und der Tradition des wirtschaftlichen Primats (»Geld verdienen und bestimmte gesellschaftspolitische Zwecke verfolgen«). Die drei Traditionen werden von Donsbach im Detail beschrieben. 4.1.1.5 Zum Image von Journalisten Zu Image, Prestige, Ansehen, Vertrauen in und Glaubwürdigkeit von Journalisten liegen mehrere aktuelle Studien vor. Teils handelt es sich um schlichte Berufsrankings anhand vorgegebener Berufslisten wie etwa der Allensbacher Berufsprestigeskala oder dem GfK-Vertrauensindex, teils um wissenschaftliche Arbeiten wie jener von Sandra Lieske (2008) oder Wolfgang Donsbach et al. (2009). Allgemein wird von Imagestudien gesprochen, aus wissenschaftlicher Sicht ist mit genaueren Begriffen zu arbeiten. Das Image ist ein komplexes Konstrukt, um das herum Begriffe wie Prestige und Ansehen, v. a. aber Vertrauen und Glaubwürdigkeit konfigurieren. Es ist hier nicht möglich, auf sie im Einzelnen umfassend einzugehen, allenfalls können sie nur kurz umrissen werden (vgl. Pürer 2012). Beim Image handelt es sich um »ein Fremdbild, eine Bündelung von Vorstellungen, Bewertungen, Ideen und Gefühlen, die mit einem Objekt [hier mit einem Beruf ] verbunden werden« (Dernbach 2005, S. 145). Als Prestige »wird ausschließlich die gesellschaftlich typische Bewertung der sozialen Positionen und Merkmale von Menschen bezeichnet« (Hradil 2001, S. 277), von Bedeutung sind berufliche Positionen (S. 278). Ansehen meint »die Bewertung von Menschen aufgrund ihrer persönlichen Merkmale und Eigenschaften« wie Fleiß, Anständigkeit, fachliche Fähigkeit und Tüchtigkeit. Mit Vertrauen ist »eine gefühlsbeladene, Sicherheit verleihende Erwartungshaltung eines Menschen oder einer Mehrzahl von Personen […] hinsichtlich eines aufrichtigen, normgerechten und fairen Handelns anderer Individuen oder kollektiver Akteure« gemeint (Hillmann 2008, S. 940). Glaubwürdigkeit ist Teil des komplexen Mechanismus Vertrauen. Sie lässt sich mit Bentele »bestimmen als eine Eigenschaft, die Menschen, Institutionen oder deren kommunikativen Produkten (mündliche und schriftliche Texte, audiovisuelle Darstellungen) von jemandem in bezug auf etwas (Ereignisse, Sachverhalte etc.) zugeschrieben wird« (Bentele 1988, S. 406). Images bilden sich beim Beobachter erst im Laufe der Zeit. Zur Entstehung von Images haben Maximilian Gottschlich und Fritz Karmasin (1979) sechs Kriterien ausfindig gemacht, die für »die soziale Positionierung von Berufen relevant sein dürften«: 1) eine vorstellbare Aufgabenbeschreibung; 2) das Wissen über den Werdegang dieser Personengruppe; 3) damit verbunden die Beschreibbarkeit des Tätigkeitsbereiches; 4) unmittelbare Kontaktmöglichkeit; 5) Vorstellungen über Berufs- und Verhaltenskodex sowie 6) »eine adäquate Einschätzung seiner sozialen Funktionen, d. h. die Wichtigkeit für die Gesellschaft« (Gottschlich/ Karmasin 1979, S. 42). Für die Einschätzung eines Berufes ist bedeutsam, je eindeutiger ihm die genannten Kriterien zugeordnet werden können (vgl. ebd.). Dies gilt auch für Journalisten. Für die Entstehung von Personenimages sind weiter Bilder von Bedeutung, die wir uns von einem Gegenüber, hier also von Journalisten, machen. Dafür stehen Evelin Engesser zufolge mehrere Quellen zur Verfügung (Engesser 2005, S. 31ff): 1) direkte Beobachtungen und Erfahrungen (persönliche Kontakte); 2) indirekte Beobachtungen wie a) mediale Darstellungen von Journalisten bei der Ausübung ihres Berufes; b) personale Darstellungen wie Biografien und Autobiografien; c) fiktionale Darstellungen von Journalisten in Film, Fernsehen, Literatur; d) Produkte journalistischer Arbeit, aus denen wir auf Journalisten schließen. 3) Auf der imaginären Ebene können es Erwartungen, Vorannahmen und Vorurteile sein, auch Para-Feedback-Prozesse. <?page no="130"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 131 Im Weiteren sollen kurz Ergebnisse einiger aktueller Studien vorgestellt werden, die sich mit Prestige, Ansehen und Image von sowie Vertrauen in Journalisten befassen. Berufsrankings Der seit 1966 durchgeführten Allensbacher Berufsprestigeskala mit 18 gelisteten Berufen liegt der Journalist der Befragung von 2011 zufolge (1803 repräsentativ Befragte) mit 17 Prozent Zustimmung an 12. Stelle, der Fernsehmoderator mit nur 4 Prozent Zustimmung gar an letzter, also 18. Stelle. An der Spitze standen und stehen seit vielen Jahren Ärzte, Krankenschwestern, Lehrer etc. (Institut für Demoskopie Allensbach 2011). Dem seit 2003 von der Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung (GfK) ermittelten GfK-Vertrauensindex mit 20 gelisteten Berufen rangiert der Umfrage von 2011 zufolge der Beruf Journalist in Deutschland mit 44 Prozent der Befragten auf Platz 16. An der Spitze lagen 2011 Feuerwehr, Ärzte und Postangestellte (GfK-Vertrauensindex 2011). Weitere Umfragen zum Thema liegen in der Studie Journalismus 2009 der Makromedia-Hochschule (Journalismus 2009) und einer Imagestudie der Akademie für Publizistik Hamburg aus 2010 vor (Imagestudie 2010). Beide Studien vermitteln ein recht ambivalentes Bild der Berufsgruppe der Journalisten sowie in das Vertrauen zu den Medien. Zu den nur über Berufsskalen ermittelten Ergebnissen über Prestige, Ansehen von oder Vertrauen in Berufe ist mehreres festzuhalten: 1) In den zur Beantwortung vorgelegten Fragebögen wird meist nicht definiert, was jeweils mit Prestige, Ansehen oder Vertrauen gemeint ist. 2) Es ist unmöglich, in die Berufslisten alle Berufe aufzunehmen, die Auswahl bzw. das Umfeld der gelisteten Berufe kann für die Resultate von Bedeutung sein. (vgl. Donsbach et al. 2009, S. 39; siehe auch Kunczik/ Zipfel 2001, S. 151). 3) Die Befragten vermögen sich nicht über alle Berufe ein zuverlässiges Bild zu machen, am ehesten über Berufe, mit deren Vertretern man persönlich zu tun hat (wie etwa Verkäufer, Lehrer, Apotheker, Arzt etc.). 4) Das Urteil der Befragten kann auch vom Zeitpunkt der Umfrage beeinflusst sein: Sollte er zufällig mit öffentlich bekannt gewordenen Fehlleistungen einer Berufsgruppe, also etwa auch des Journalismus, zusammenfallen, sind die Befragten möglicherweise voreingenommen. Wissenschaftliche Studien Sandra Lieske untersuchte in ihrer Dissertation mittels qualitativer Leitfadeninterviews (24 Befragte, nicht repräsentativ) das Image von Journalisten (Lieske 2008). Dieses umfasst für sie aus der Sicht des Rezipienten »das objektiv richtige und falsche Wissen sowie subjektive, d. h. von der Persönlichkeit und den Erfahrungen des Einzelnen geprägte Vorstellungen, Einstellungen und Gefühle gegenüber Journalisten. Es wandelt sich im Laufe der Zeit, ist mit empirischen Methoden messbar und besitzt Handlungsrelevanz, da es das Verhalten des Einzelnen gegenüber Journalisten und Medieneinhalten steuert« (Lieske 2008, S. 25). Sie ermittelte neben vielem anderen (absolut auch Positivem für die Einschätzung des Berufs Journalist) zwei Typen von Journalisten, den ›seriösen‹ und den ›unseriösen‹ (Lieske 2008, S. 242ff, 287-291), wobei sie einräumt, und dies erscheint wichtig (! ), dass die Reduzierung auf ein Zwei-Kategorien-Schema »zu kurz [greift]« (vgl. Lieske 290ff). Die Aussagekraft der Ergebnisse ist daher nur sehr begrenzt. Dem seriösen Journalist wird Berufserfahrung und hohe Allgemeinbildung zugesprochen, er ist u. a. vertrauensvoll, sympathisch, verantwortungsbewusst und interessiert an ausgewogener Berichterstattung; er informiert sachlich und äußert seine Meinung in erkennbarer Form. Er wird mit öffentlich-rechtlichem Fernsehen sowie mit Qualitätsjournalismus in Printmedien (wie Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Zeit <?page no="131"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 132 etc.) in Verbindung gebracht. Anders der unseriöse Journalist, der jung und dynamisch eingeschätzt, aber u. a. als aufdringlich charakterisiert sowie teils mit unsachlicher Berichterstattung in Verbindung gebracht wird. Er hält sich nicht an journalistische Normen (u. a. illegitime Methoden der Informationsbeschaffung), verletzt die Privatsphäre leichter, hat einen schlechten Leumund, wird gar als »Schmierfink« (Lieske 2008, S. 289) gesehen. Er wird nicht ausschließlich, aber oft mit Boulevard- und Sensationsjournalismus in Verbindung gebracht, insbesondere mit der Bild-Zeitung (ebd.). Für dieses Bild des unseriösen Journalismus liefert die Verfasserin einen »Erklärungsversuch« (siehe dazu Lieske 2008, S. 278ff). Es empfiehlt sich, einen Blick auf die zahlreichen anderen Resultate der Studie im Einzelnen zu werfen. Wolfgang Donsbach et al. wollten in ihrer quantitativen Studie (1.054 telefonisch repräsentativ Befragte) mit dem Titel »Entzauberung eines Berufs« (2009) u. a. ergründen, wie es um Ansehen und Vertrauen im Journalismus bestellt ist. Das öffentliche Ansehen eines Berufs wird in der Studie als Frage der Wertschätzung gesehen »und berührt das Sozialprestige« einer Profession (Donsbach et al. 2009, S. 62f ). Vertrauen in den Journalismus »ist für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft […] wichtig« (Donsbach et al. 2009, S. 64). Anhand einer Liste von zehn vorgegebenen, breit gestreuten Berufen gaben 61 Prozent der Befragten an, dass sie Journalisten »eher schätzen«. Bei der Vertrauensfrage erhalten Journalisten nur 35 Prozent Zustimmung. Alle gelisteten Berufe werden mehr geschätzt als ihnen vertraut wird, bei keinem anderen klafft zwischen Wertschätzung/ Ansehen und Vertrauen jedoch eine so große Lücke wie bei Journalisten, nämlich 26 Prozentpunkte. Es scheint, so die Autoren, als werde aus der Sicht der Bürger »der Journalismus seiner gesellschaftlichen Rolle nicht hinreichend gerecht und enttäuscht die Bevölkerung in ihren Erwartungen erheblich« (Donsbach et al. 2009, S. 66). Auch für diese Studie scheint es angeraten, die zahlreichen weiteren Resultate zu betrachten. Mögliche Ursachen Worin könn(t)en Ursachen für das negative, aber auch ambivalente Bild der Journalisten in der Bevölkerung liegen? In der Literatur finden sich u. a. die folgenden Gründe: • unklare Vorstellungen in der Bevölkerung vom weitgesteckten Tätigkeitsbereich der Journalisten, über ihren Werdegang und ihre Ausbildung (Gottschlich/ Karmasin 1979, S. 43f ); • Alltagserfahrungen der Menschen, dass »Informationen über [in den Medien berichtete - Ergänzung H. P.] Ereignisse […] nicht immer mit den Ereignissen selbst überein[stimmen]« (Bentele 1988, S. 407); • Medienskandale bzw. lange Zeit zurückliegende negative Ereignisse wie etwa der Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher (Lieske 2008, S. 287); • neben Medienskandalen u. a. auch die Entschleierung der kommerziellen Basis der Medien sowie etwa auch Negativismus in der Nachrichtenauswahl (Donsbach et al. 2009, S. 13ff); • negative fiktionale Journalistenbilder in Filmen (vgl. Lieske 2008, S. 296) und, so darf man vermutlich ergänzen, auch in TV-Serien und Romanen (vgl. Engesser 2005). Für Horst Pöttker sind Skandalisierung und Negativismus des Journalismus und der Medien nicht a priori schlecht: Beides resultiere aus der »grundlegenden Pflicht zum Veröffentlichen«, insbesondere über (tabuisierte) Missstände und Fehlleistungen, »die der Öffentlichkeit bedürfen, um bearbeitet und korrigiert zu werden« (Pöttker 1997, S. 86). Das Image der Journalisten ist also durchaus ambivalent: Einerseits werden sie geschätzt als Nachrichtenboten, Aufklärer und Welterklärer, andererseits sieht man in ihnen manchmal auch profil- <?page no="132"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 133 süchtige Skandalproduzenten. Auffällig ist die - auch empirisch bestätigte - hohe Arbeitszufriedenheit unter den Journalisten (Weischenberg et al. 2006b, S. 89-92). Beruht sie möglicherweise nicht zum Teil auch an einem »Defizit an selbstkritischem Vermögen« (Roegele 2000, S. 159) dieser Berufsgruppe? Mit dem Image von und Erwarungen an Journalisten befassen sich jüngst auch Magdalena Obermaier et al. (2012) am Beispiel eines »online-affinen« Publikums. 4.1.2 Journalisten und Medieninhalte In der Kommunikationswissenschaft wird seit langem der Frage nachgegangen, wie Medieninhalte zu Stande kommen und welche Rolle dabei u. a. auch die Journalisten spielen. Es geht also um die Entstehungsbedingungen journalistischer Aussagen(produktion). Diese Thematik wirft für die Systematik des vorliegenden Buches ein Abgrenzungsproblem auf: Soll das Thema im Rahmen der Kommunikatorbzw. Journalismusforschung erörtert oder in den Ausführungen über Aussagenbzw. Medieninhaltsforschung abgehandelt werden (vgl. Kap. 4.2)? Die Ermittlung von Nachrichtenfaktoren, um die es im Folgenden u. a. auch geht, erfolgt nämlich oftmals auch inhaltsanalytisch (vgl. u. a. Wilke 1984b). Die Entscheidung wird hier zu Gunsten der Kommunikator-/ Journalismusforschung getroffen. Es sind mehrere Themenkreise anzusprechen, nämlich: 1) die Theorien zur Nachrichtenauswahl, insbesondere die Gatekeeper- und Nachrichtenwertforschung; 2) die Problematik der instrumentellen Aktualisierung sowie 3) das Verhältnis Public Relations und Journalismus. Was das Zustandekommen von Medieninhalten betrifft, so ist auf eine Erkenntnis zu verweisen, die ursprünglich auf Östgaard (1965) zurückgeht, inzwischen aber zum Allgemeingut kommunikationswissenschaftlicher Forschung und Lehre gehört, nämlich dass exogene und endogene Faktoren für den allgemeinen Nachrichtenfluss von Bedeutung sind. Exogene Faktoren, solche also, die außerhalb der Medien liegen, sind in politisch-rechtlichen Bestimmungen und Maßnahmen, in ökonomischen Bedingungen, in internationalen Modalitäten des Nachrichtenflusses etc. zu sehen, kurz: Faktoren, die Journalismus und Massenkommunikation von außen tangieren. Dazu gehört aber z. B. auch der Einfluss, der von Öffentlichkeitsarbeit und anderen Formen organisierter Kommunikation auf den Journalismus ausgehen kann. Endogene Faktoren sind dagegen solche, die im Nachrichtensystem und im Journalismus selbst angelegt sind, also von innen her zum Tragen kommen. 4.1.2.1 Theorien zur Nachrichtenauswahl Theorien zur Nachrichtenauswahl versuchen zu erklären, warum Journalisten in den Medien über bestimmte Themen und Ereignisse berichten und über andere nicht. Neuerdings wird auch versucht herauszufinden, warum Rezipienten bestimmte Themen in den Medien konsumieren und andere nicht (ein Forschungsbereich, der also eher in das Feld der Rezipientenforschung gehört, gleichwohl aber hier abgehandelt werden soll). Zu den klassischen Forschungsrichtungen, die sich mit Nachrichtenauswahl von Journalisten befassen, gehören die Gatekeeper-Forschung (einschließlich der News- Bias-Forschung), organisationstheoretische Studien sowie die Nachrichtenwerttheorie. Die in den 1950er-Jahren in den USA aufkommende Gatekeeper-Forschung stellte den Journalisten in den Mittelpunkt ihrer Forschungsbemühungen. Dieser Forschungszweig geht ursprünglich auf sozialpsychologische Studien Kurt Lewins über das Einkaufsverhalten von Hausfrauen am Beispiel der Auswahl von Lebensmitteln zurück (was kommt in den Einkaufskorb, was nicht). Das Konzept wurde 1949 von David M. White auf den Journalismus übertragen. In einer kleinen amerikanischen Zeitungsredaktion wurde ergründet, welche aus dem Fernschreiber stammenden Nachrichten vom <?page no="133"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 134 Nachrichtenredakteur »Mr. Gates« (gatekeeper = der Türhüter, Pförtner) für die Zeitung verwendet bzw. nicht verwendet wurden. Die Gatekeeper-Forschung ging anfangs davon aus, dass die Nachrichtenauswahl nach mehr oder weniger subjektiven Kriterien des einzelnen Journalisten sowie nach professionellen Auswahlkriterien eher passiv erfolgt (vgl. White 1950; Gieber 1956). Insbesondere die News-Bias-Forschung legte ihren Schwerpunkt v. a. auf die persönlichen Überzeugungen von Journalisten und deren Einfluss auf die Nachrichtenauswahl (vgl. Klein/ Maccoby 1954; Carter 1959; Flegel/ Chaffee 1971). Dieser Persönlichkeitsansatz - und das ist seine Schwäche - stützt(e) sich einseitig auf eine Persönlichkeitspsychologie ab und geht beim Gatekeeper von einer individualistischen Entscheidungssituation aus, »die auf der Annahme basiert, der Journalist arbeite mehr oder weniger allein« (Bonfadelli/ Wyss 1998, S.-25). In weiterführenden Gatekeeper-Studien wurde erkannt, dass bei der Nachrichtenauswahl auch sozialpsychologische (der Gatekeeper als Träger einer Berufsrolle) und soziologische Aspekte (Strukturen und Funktionen einer Gesamtredaktion) eine Rolle spielen. So fand z. B. Warren Breed die Bedeutung der beruflichen Sozialisation heraus, in deren Verlauf Journalisten Normen und Werte (z. B. Blattlinie, Blattpolitik, »Rotstift« des Chefredakteurs etc.) der Redaktion kennen lernen (vgl. Breed 1955). Weiterhin wurde herausgefunden, dass handwerkliche Kriterien, Produktionszwänge (wie Zeitdruck und Platzvorgaben, insbesondere Platzmangel, Redaktionsschluss), politische und ideologische Orientierungen (z. B. Grundrichtung einer Zeitung, redaktionelle Gruppennormen) sowie Wertorientierungen der Berufsgruppe die Nachrichtenauswahl mitbestimmen (vgl. Shoemaker/ Reese 1991). Solche organisationstheoretische Studien berücksichtigen, »dass Gatekeeper keine isolierten Individuen sind, sondern in bürokratisch organisierte Institutionen integriert sind« (Bonfadelli/ Wyss 1998). Die von der amerikanischen Soziologin Gaye Tuchman entwickelte und im deutschen Sprachraum von Ulrich Saxer aufgenommene Theorie der redaktionellen Entscheidungsprogramme/ Routinen kann als Weiterführung und Modifikation des organisationstheoretischen Ansatzes betrachtet werden, wie Schanne und Schulz (1993) ausführen. Ausgangsthese ist folgende Annahme (Bonfadelli/ Wyss 1998 in Anlehnung an Schanne/ Schulz 1993): »Journalismus als Massenproduktion von Unikaten unter hohem Zeitdruck setzt ausgewählte Gesichtspunkte der Wirklichkeit in Szene, »und zwar auf Grund redaktioneller Entscheidungsroutinen« (Bonfadelli/ Wyss 1998). Das bedeutet in der Konsequenz: Zunächst muss auf Grund struktureller Kriterien wie Zugänglichkeit der Informationsquellen, Beschaffungsaufwand, Zeit-/ Platzmangel etc. die Zahl der berichtenswerten Themen und Ereignisse eingeschränkt werden. Sodann sind die Themen und Ereignisse bestimmten Ressorts bzw. Rubriken im Medium zuzuordnen. Schließlich drittens müssen die Ereignisse »bestimmten journalistischen Kriterien genügen, d. h. sie müssen Nachrichtenwerte verkörpern« (Bonfadelli/ Wyss 1998, S.-26). Damit ist die Brücke zur Nachrichtenwerttheorie geschlagen. Die Nachrichtenwert-Forschung konzentriert sich auf Merkmale von Ereignissen, über die berichtet wird. Das Konzept der Nachrichtenwerttheorie geht ursprünglich auf Walter Lippmann zurück. Er identifizierte spezifische Ereignismerkmale, sog. »news values«, von denen er annahm, dass sie die Publikationswahrscheinlichkeit erhöhen (vgl. Lippmann 1922). Der Nachrichtenwert wird einer Nachricht durch entsprechende Nachrichtenfaktoren verliehen. Im Kern geht die Nachrichtenwerttheorie davon aus, dass Ereignisse, auf die mehrere Nachrichtenfaktoren in hohem Maße zutreffen, eher zur Veröffentlichung ausgewählt werden als Ereignisse mit niedrigem Nachrichtenwert. Im Laufe der Zeit entwickelten verschiedene Kommunikationsforscher anhand theoretischer Überlegungen und empirischer Studien ein immer differenzierteres Spektrum von Nachrichtenfaktoren. Anhand einer Analyse von zehn Titelgeschichten in amerikanischen Tageszeitungen ergründete Carl Merz (1925) Merkmale wie Personalisierung, Prominenz, Spannung und Konflikt. In den 1950er-Jah- <?page no="134"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 135 ren wurde in den USA ein relativ stabiler Katalog von sechs Faktoren entwickelt, die als Definitionskriterien für Nachrichten in Lehrbüchern für Journalisten aufscheinen, nämlich: Konflikt, Unmittelbarkeit, Nähe, Prominenz, Ungewöhnlichkeit und Bedeutung (vgl. Warren 1953). In Europa trug Einar Östgaard verschiedene Ergebnisse empirischer Forschung zusammen und kam zu dem Schluss, dass in erster Linie die Faktorendimensionen Vereinfachung, Identifikation und Sensationalismus die Zeitungsinhalte bestimmen (vgl. Östgard 1965; Schmidt/ Zurstiege 2000, S.-134): Mit Vereinfachung ist gemeint, »dass die Medien einfache Nachrichten gegenüber komplexer strukturierten bevorzugen«. Mit dem Faktorkomplex Identifikation wird zum Ausdruck gebracht, »dass Nachrichten, sollen sie ihr Publikum erreichen, nicht nur verständlich, sondern darüber hinaus auch relevant für das Publikum sein müssen«. Dabei erhalten kulturell nahe liegende Themen eine Bevorzugung gegenüber kulturell entfernteren Themen. »Mit dem Faktorenkomplex Sensationalismus beschrieb Östgaard seine Beobachtung, dass die Nachrichtenmedien die Aufmerksamkeit ihres Publikums v. a. durch Berichte über dramatische und emotional aufgeladene Ereignisse zu gewinnen suchen. Aus diesem Grund dominieren Nachrichten über Krisen, Konflikte und Auseinandersetzungen in der Berichterstattung der Medien« (Schmidt/ Zurstiege 2000, S.-134). Aufbauend auf den Überlegungen Östgaards entwickelten die ebenfalls norwegischen Friedensforscher Johan Galtung und Mari Holmboe Ruge die Nachrichtenwerttheorien theoretisch weiter. Galtung und Ruge formulierten zwölf Auswahlregeln, die sie als Nachrichtenfaktoren bezeichneten; deren empirisch-inhaltsanalytische Überprüfung nahmen sie allerdings nur anhand eines kleinen Ausschnittes, nämlich an der Auslandsberichterstattung (Kongo, Kuba, Zypern-Krise) von vier Tageszeitungen vor. Es sind dies die Faktoren Elite-Nationen, Elite-Personen, Frequenz, Schwellenfaktor, Eindeutigkeit, Negativismus, Bedeutsamkeit, Konsonanz, Überraschung, Kontinuität, Variation/ Kompensation sowie Personalisierung. Aus den nachfolgenden Ausführungen geht hervor, was inhaltlich jeweils gemeint ist (vgl. Abb. 2, S. 136). In den Faktoren 1 bis 8 sind kulturunabhängige Faktoren zu sehen, in den Faktoren 9 bis 12 kulturabhängige. Wie Siegfried J. Schmidt und Guido Zurstiege (2000) schreiben, haben Galtung und Ruge versucht, »das Zusammenwirken der einzelnen Nachrichtenfaktoren im gesamten Prozess der Nachrichtenselektion näher zu bestimmen. In fünf Hypothesen konkretisierten Galtung und Ruge die Ergebnisse ihrer theoretischen Überlegungen: 1) Selektionshypothese: Je stärker die Nachrichtenfaktoren auf ein Ereignis zutreffen, desto wahrscheinlicher ist es, dass darüber berichtet wird. 2) Verzerrungshypothese: Die Merkmale, die den Nachrichtenwert eines Ereignisses bestimmen, werden in der Berichterstattung akzentuiert. Dies hat zur Folge, dass das Bild, das die Nachrichtenmedien von den berichteten Ereignissen vermitteln, in Richtung auf Nachrichtenfaktoren verzerrt ist. 3) Wiederholungshypthese: Weil Prozesse der Selektivität und der Verzerrung auf allen Stufen der Nachrichtenproduktion ablaufen, verstärken sich die Verzerrungseffekte, je mehr Selektionsstufen im Prozess der Nachrichtenproduktion überwunden werden müssen. Gerade im Rahmen der Auslandsberichterstattung müssen lange Selektionsketten überwunden werden, was zur Folge hat, dass Auslandsmeldungen stärker in Richtung auf die Nachrichtenfaktoren verzerrt sind als Inlandsmeldungen. 4) Additivitätshypothese: Je mehr Nachrichtenfaktoren auf ein Ereignis zutreffen, desto wahrscheinlicher ist es, dass über dieses Ereignis berichtet wird. 5) Komplementaritätshypothese: Die Nachrichtenfaktoren verhalten sich komplementär zueinander, das Fehlen eines Faktors kann also durch einen anderen ausgeglichen werden« (Schmidt/ Zurstiege 2000, S.-137f ). <?page no="135"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 136 Abb. 2: Nachrichtenfaktoren nach J. Galtung und M. H. Ruge (1965) Der Faktorenkatalog von Galtung/ Ruge wurde von deutschen Kommunikationswissenschaftlern wie Winfried Schulz (1976), Joachim F. Staab (1990), Christiane Eilders (1997), Georg Ruhrmann et al. (2003), Benjamin Fretwurst (2008) überarbeitet, erweitert und in meist breit angelegten Forschungsarbeiten (Medieninhaltsanalysen, Befragungen von Mediennutzern und auch Journalisten) empirisch überprüft. Während z. B. Schulz und Staab in ihren Forschungen mittels Inhaltsanalyse kommunikatorientiert arbeiteten, sind z. B. Eilders, Fretwurst und auch Ruhrmann et al. mittels Befragungen auch rezipientenorientiert. Die Faktoren von Schulz (1976) und Staab (1990) lassen sich dabei wie folgt gegenüber stellen (vgl. Abb. 3), wobei erkennbar ist, dass zahlreiche Faktoren übereinstimmen, teils aber etwas anders benannt werden. Eilders (1997) fügte den Faktor Sex/ Erotik hinzu, Fretwurst in seiner Systematik (2008, S. 112f sowie S. 130) den Faktor (nach Galtung/ Ruge 1965, in: Noelle-Neumann, Elisabeth et al. (Hrsg.): Fischer Lexikon Publizistik/ Massenkommunikation 2009, S.-391) F1: Frequenz Je mehr der zeitliche Ablauf eines Ereignisses der Erscheinungsperiodik der Medien entspricht, desto wahrscheinlicher wird das Ereignis zur Nachricht. F2: Schwellenfaktor (absolute Intensität, Intensitätszunahme) Es gibt einen bestimmten Schwellenwert der Auffälligkeit, den ein Ereignis überschreiten muss, damit es registriert wird. F3: Eindeutigkeit Je eindeutiger und überschaubarer ein Ereignis ist, desto eher wird es zur Nachricht. F4: Bedeutsamkeit (kulturelle Nähe, Betroffenheit, Relevanz) Je größer die Tragweite eines Ereignisses, je mehr es persönliche Betroffenheit auslöst, desto eher wird es zur Nachricht. F5: Konsonanz (Erwartung, Wünschbarkeit) Je mehr ein Ereignis mit den vorhandenen Vorstellungen und Erwartungen übereinstimmt, desto eher wird es zur Nachricht. F6: Überraschung (Unvorhersehbarkeit, Seltenheit) Überraschendes (Unvorhersehbares, Seltenes) hat die größte Chance, zur Nachricht zu werden, allerdings nur dann, wenn es im Rahmen der Erwartungen überraschend ist. F7: Kontinuität Ein Ereignis, das bereits als Nachricht definiert ist, hat eine hohe Chance, von den Medien auch weiterhin beachtet zu werden. F8: Variation Der Schwellenwert für die Beachtung eines Ereignisses ist niedriger, wenn es zur Ausbalancierung und Variation des gesamten Nachrichtenbildes beiträgt. F9: Bezug zur Elite-Nation Ereignisse, die Elite-Nationen betreffen (wirtschaftlich oder militärisch mächtige Nationen), haben einen überproportional hohen Nachrichtenwert. F10: Bezug auf Elite-Personen Entsprechendes gilt für Elite-Personen, d. h. prominente und/ oder mächtige, einflussreiche Personen. F11: Personalisierung Je stärker ein Ereignis personalisiert ist, sich im Handeln oder Schicksal von Personen darstellt, desto eher wird es zur Nachricht. F12: Negativismus Je »negativer« ein Ereignis, je mehr es auf Konflikt, Kontroverse, Aggression, Zerstörung oder Tod bezogen ist, desto stärker wird es von den Medien beachtet. <?page no="136"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 137 Kuriosität. Ruhrmann et al. (2003) ermittelten den Faktor Visualisierung (vgl. Maier 2003; Dielmann 2003). Die Studien von Ruhrmann et al. (2003), Fretwurst (2008) sowie Michaela Maier et al. (2009) »basieren auf 19 bzw. 22 Nachrichtenfaktoren« (Maier et al. 2010, S. 97). Die Entwicklung des Kataloges der Nachrichtenfaktoren von Ostgaard (1965) bis Ruhrmann et al. (2003) ist dem Lehrbuch »Nachrichtenwerttheorie« von Maier et al. (2010, S. 80-84) zu entnehmen. Abb. 3: Nachrichtenfaktoren nach W. Schulz (1976) und J. F. Staab (1990) Nachrichtenfaktoren Schulz (1976) Nachrichtenfaktoren Staab (1990) Persönlicher Einfluss Status der Ereignisnation Prominenz Status der Ereignisregion Erfolg Institutioneller Einfluss Zeitliche Ausdehnung/ Dauer Persönlicher Einfluss Räumliche Nähe Prominenz Politische Nähe Politische Nähe Kulturelle Nähe Räumliche Nähe Struktur/ Eindeutigkeit Wirtschaftliche Nähe Relevanz Kulturelle Nähe Ethnozentrismus Tatsächlicher Nutzen/ Erfolg Überraschung Möglicher Nutzen/ Erfolg Thematisierung Tatsächlicher Schaden/ Misserfolg Nationale Zentralität Möglicher Schaden/ Misserfolg Personalisierung Personalisierung Konflikt Überraschung Kriminalität Zusammenhang von Themen Schaden Etablierung der Themen Regionale Zentralität Faktizität Reichweite Kontroverse Aggression Demonstration Schulz hat seine 1976 (und dann 1982 etwas modifiziert) hergeleiteten Nachrichtenfaktoren zu sechs Faktorendimensionen gebündelt. Hier die aus 1982 stammende Bündelung bzw. Zuordnung: Faktorendimension Konsonanz: Thema, Vorhersehbarkeit, Stereotypen; Dimension Status: Elitenation, Eliteperson, Eliteinstitution; Dimension Dynamik: Unvorhersehbarkeit, Aktualität, Unsicherheit; Dimension Valenz: Kontroverse, Erfolg, Aggression, Werte; Dimension Identifikation: Personalisierung, Ethnozentrismus, Nähe, Emotionen; Dimension Relevanz: Konsequenzen, Betroffenheit (vgl. Maier et al. 2010, S. 99 mit Bezugnahme auf Schulz 1982). Als problematisch erweist sich, wenn Journalismus und Massenmedien, und dies ist bei Presse, Hörfunk und Fernsehen weitgehend der Fall, sich ausschließlich an Nachrichtenfaktoren orientieren und ihr Selektionsverhalten danach ausrichten. Es kommt dann nämlich zu einer verzerrten (Schulz, Winfried (1976): Die Konstruktion von Realität in den Nachrichtenmedien. Freiburg/ München. Staab, Joachim Friedrich (1990): Nachrichtenwerttheorie. Formale Struktur und empirischer Gehalt. Freiburg/ München. Vgl. auch Maier et al. 2010, S. 80ff.) <?page no="137"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 138 Berichterstattung, die Realität und Medienrealität weit auseinander klaffen lässt. Winfried Schulz, der sich, wie dargelegt, intensiv mit Nachrichtenwerten beschäftigt hat, »sieht - wie schon Lippmann (1922) - in den Nachrichtenfaktoren weniger Merkmale von Ereignissen, als vielmehr journalistische Hypothesen von Wirklichkeit, d. h. Annahmen der Journalisten über Inhalt und Struktur von Ereignissen, die ihnen zu einer als sinnvoll angenommenen Interpretation von Realität dienen« (Schulz 1994, S.-332; vgl. auch Schulz 1989). Konsequent weitergedacht würde dies bedeuten, dass Journalisten nur noch Konstrukte von Wirklichkeit liefern bzw. dass Wirklichkeit die Folge der Medien sei - ein Grundgedanke, von dem der Konstruktivismus, bzw. der radikale Konstruktivismus, ausgeht. Dem (Kausal-)Modell, das Nachrichtenfaktoren als Determinanten der Auswahl versteht (Orientierung der Journalisten an Nachrichtenwerten - entsprechendes Selektions- und Publikationsverhalten als Folge), wird von Joachim F. Staab und Hans Mathias Kepplinger ein sog. »Finalmodell« (Staab 1990) gegenübergestellt. »Es verweist auf die Möglichkeit der Instrumentalisierung von Nachrichtenfaktoren. Demzufolge spielen bei der Nachrichtenselektion politische Einstellungen der Journalisten eine wichtige Rolle; Nachrichten sind bloß Nebenprodukt oder Legitimation der letztlich durch politische Absichten (der Journalisten - Ergänzung H. P.) gesteuerten Auswahlprozesse« (Schulz 1994, S.-332). Eine vergleichende Darstellung von Kausal- und Finalmodell ist Maier et al. (2010, S. 20) zu entnehmen. Von Kepplinger wurde diese Sichtweise 1998 in einem Zwei-Komponenten-Modell der Nachrichtenauswahl präzisiert. Die eine Komponente im Modell sind die Nachrichtenfaktoren als Merkmale von Ereignissen; die zweite sind variierende Selektionsbzw. Auswahlkriterien der Journalisten, die mit den Nachrichtenfaktoren die Auswahl, Platzierung und den Umfang der Berichterstattung bestimmen (Kepplinger 1998; siehe auch Kepplinger/ Ehmig 2006, Maurer/ Reinemann 2006, Maier et al. 2010 sowie Kepplinger/ Bastian 2000). Aus den zurückliegenden zehn bis 15 Jahren liegen zahlreiche, größere oder kleinere Studien zum Thema Nachrichtenfaktoren vor. Einige dieser Arbeiten seien hier stellvertretend für andere erwähnt. Christiane Eilders (1997 und 1999) z. B. übernimmt weitgehend die Nachrichtenfaktoren von Staab und überträgt das ursprünglich kommunikatororientierte Konzept der Nachrichtenwerttheorie auf die Nachrichtenrezeption. Neu fügt sie die Faktoren Emotion sowie den bereits bei Emmerich 1984 genannten Faktor Sex/ Erotik hinzu. Ihre Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage, ob die in der bisherigen Nachrichtenwertforschung überwiegend zu journalistischen Auswahlkriterien reduzierten Nachrichtenfaktoren auch die Rezeption von Nachrichten durch das Publikum beeinflussen, und zwar sowohl die Hinwendung zu als auch die Erinnerung an bestimmte Nachrichten (vgl. Eilders 1997 und 1999). Empirisch wurde diese Fragestellung überprüft, indem Medienbeiträge und deren Rezeption in Bezug auf ihre Orientierung an Nachrichtenfaktoren verglichen wurden. Eilders konnte das auf die Rezeption erweiterte Nachrichtenwertkonzept im Wesentlichen bestätigen, d. h. Nachrichtenfaktoren steuern sowohl die journalistische Verarbeitung wie auch Interesse und Rezeption durch Nachrichtenrezipienten. Als besonders bedeutsam stuften Rezipienten dabei v. a. die Faktoren Etablierung, Kontroverse, Überraschung, Einfluss/ Prominenz, Personalisierung und Schaden ein, während die Faktoren Nutzen, Faktizität und Reichweite für Rezipienten offenbar keine besonderen Kriterien darstellen (vgl. Eilders 1997, S. 266). Eine recht umfangreiche Forschungsarbeit zur Nachrichten(wert)theorie haben Georg Ruhrmann, Jens Wölke, Michaela Maier und Nicole Dielmann (Ruhrmann et al. 2003) mit der Monografie »Der Wert von Nachrichten im deutschen Fernsehen« vorgelegt. Es handelt sich dabei um eine Analyse von Nachrichtensendungen zweier öffentlich-rechtlicher (ARD, ZDF) und sechs privater Programmveranstalter (SAT.1, RTL, ProSieben, RTL 2, VOX, Kabel 1) im Deutschen Fernsehen anhand von 22 Nachrichtenfaktoren über den Zeitraum von 1992 bis 2001 (konkret Nachrichtensendungen aus den Jahren 1992, 1995, 1998 und 2001) sowie weiteren empirischen Studien: Das gesamte Datenmaterial der umfassenden Untersuchung basiert 1) auf Inhaltsanalysen der Fernsehnachrich- <?page no="138"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 139 tensendungen (2.427 Beiträge; Maier in Ruhrmann et al. 2003, S. 61ff); 2) auf zwölf Leitfadeninterviews mit TV-Nachrichtenjournalisten (vgl. Dielmann in Ruhrmann et al. 2003, S. 99ff); sowie 3) auf einer Analyse der Rezeptionsmuster der Zuschauer anhand von Erinnerungs- und Bewertungsfragen (315 Befragte; vgl. Woelke in Ruhrmann et al. 2003, S. 163ff). Eine Typologisierung der Fernsehzuschauer rundet die mehrmethodisch angelegte Untersuchung ab (Ruhrmann in Ruhrmann et al. 2003, S. 201ff). Hier nur holzschnittartig einige Ergebnissplitter: 1) Inhaltsanalyse (vgl. Maier 2003, S. 96ff): Die Nachrichtenfaktoren Faktizität und Einfluss (einflussreiche Personen) prägten die Nachrichtenauswahl. In Berichten über deutsche Außenpolitik gewann der Faktor Konflikt (Kontroverse/ Aggression) an Bedeutung. Zugelegt haben auch Visualisierung und bildliche Darstellung von Emotionen. (Eine zunehmende Visualisierung der Fernsehnachrichten bestätigen auch nachfolgende Studien - vgl. Maier et al. 2010, S. 107ff). Was übergeordnete Dimensionen betrifft, so gibt es bezüglich der Faktoren Konflikt/ Negativität, Nähe, Nutzen und Prominenz »stabile Strukturen.« 2) Befragung TV-Nachrichtenjournalisten (vgl. Dielmann 2003, S. 135ff): Visualisierung von Nachrichten mittels Bildern und Filmen ist den Journalisten sehr wichtig (vgl. o.). Wachsender Konkurrenzdruck zwingt zu mehr Aktualität. Relevant sind Themen, die die Nation und viele Menschen betreffen und für/ über die gutes Bildmaterial vorliegt. Wichtig ist den Befragten auch Zuschauer- und Serviceorientierung. Wesentliche Gatekeeper in TV-Nachrichtenredaktionen sind Chefredaktion, der Chef vom Dienst und Planungsredakteure. 3) Befragung TV-Nachrichtennutzer (vgl. Woelke 2003, S. 194ff): Hauptabendnachrichtensendungen werden seitens deren Zuschauer entlang der nutzungsbezogenen Eigenschaften Relevanz, Referenz, Ereignisstruktur und Güte ähnlich bewertet. Zuschauer von ARD (Tagesschau) und ZDF (heute) sind - übrigens auch den GfK-Daten zufolge - »deutlich älter« als Zuschauer der RTL- 2-News oder von ProSieben-Nachrichten. Themenetablierung, Prominenz oder Personalisierung erhöht die Zuwendungschance, Umgekehrtes gilt für die Nachrichtenfaktoren räumliche, politische, wirtschaftliche oder kulturelle Nähe. Faktoren wie Aggression und Kontroverse führen bei einigen Sendern zu einer höheren Zuwendungswahrscheinlichkeit. Benjamin Fretwurst konzentrierte sich in einer Studie über Fernsehnachrichten Ende 2005 auf die Erinnerung und Einschätzung dieser Nachrichten durch die Rezipienten. Er kombinierte eine Inhaltsanalyse (677 Beiträge) mit einer Onlinebefragung von 1.584 Rezipienten. Fretwurst findet bestätigt, dass sich »die selektive Erinnerung der Rezipienten […] von den Auswahlentscheidungen der Journalisten [unterscheidet]« (Fretwurst 2008, S. 231). Zwar weichen auf dem Feld der politischen Kommunikation »die Zusammenhänge zwischen den journalistischen Auswahlentscheidungen und Selektionsvorgängen bei den Zuschauern nur geringfügig voneinander ab« (Fretwurst 2008, S. 231) und es besteht Übereinkunft zwischen Journalisten und Rezipienten bezüglich kontrovers diskutierter Themen der Zeit. »Die Differenzen beginnen beim Negativismus. ›Gewalt‹, ›Schaden‹, ›Kriminalität‹ ohne politische Relevanz senkt die Beachtung der Rezipienten scheinbar. Tatsächlich erhöht der negative Charakter von Ereignissen die Beachtung in den Fernsehnachrichten. […] Die Ereignisse ohne gesellschaftliche Relevanz, die aufgrund ihres negativen Charakters in die Nachrichten gelangen, werden von den Rezipienten seltener als wichtigste Meldungen genannt oder erinnert« (ebd.). Fretwurst zeichnete die Entwicklung der Nachrichtenwerttheorie detailliert nach und nahm auch eine Neubestimmung der Nachrichtenwerttheorie vor, er hat diese »aber nicht auf den Kopf gestellt« (Fretwurst 2008, S. 232; vgl. auch dessen Abbildungen 2.1, S. 113 sowie Abb. 4.5, S. 217). Die Entwicklung des Katalogs der Nachrichtenfaktoren enthält in einer anschaulichen Darstellung Maier et al. 2010, S. 80-84. <?page no="139"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 140 In ihrem Beitrag »Wir werden diese Bilder nie vergessen« berichten Michaela Maier und Karin Stengel (2007) über die von ihnen untersuchte enorme Bedeutung des Faktors Visualität für die Nachrichtenberichterstattung über internationale Krisen (Maier/ Stengel 2007). Ines Engelmann legte 2012 eine Studie über »Nachrichtenfaktoren und die organisationsspezifische Nachrichtenselektion« vor. Es handelt sich dabei um eine Erweiterung der Nachrichtenwerttheorie um die Meso-Ebene journalistischer Organisationen (Engelmann 2012). Von Ingrid Andrea Uhlmann (2012) liegt eine Studie zur Auswahlwahrscheinlichkeit von Nachrichten vor. Nach wie vor lesenswert - nicht nur, aber v. a. - für pressegeschichtlich Interessierte ist Jürgen Wilkes bereits 1984 publizierte Studie »Nachrichtenauswahl und Medienrealität in vier Jahrhunderten«, die vom 17. bis ins 20. Jahrhundert reicht (Wilke 1984b). Kommentierte Literaturempfehlungen zum Thema Nachrichtenwerttheorie sind dem bereits erwähnten Lehrbuch von Maier et al. »Nachrichtenwerttheorie« zu entnehmen (Maier et al. 2010, S.-135-138), ebenso auch Erläuterungen der Nachrichtenfaktoren (Maier et al. 2010, S. 139-141). 4.1.2.2 Nachrichtenauswahl als »instrumentelle Aktualisierung« Die Theorie der instrumentellen Aktualisierung geht im deutschen Sprachraum v. a. auf Hans Mathias Kepplinger zurück. Mit dieser 1989 vorgestellten Journalismus-Theorie erweitert Kepplinger die in den klassischen Gatekeeper-Forschungen vertretenen Nachrichtenselektionsmodelle um eine weitere Dimension (vgl. Kepplinger 1989b). Dabei unterscheidet er Selektions-, Inszenierungs- und Aktualisierungsmodelle und das jeweilige Verhältnis von Realität und Realitätsdarstellung in diesen Modellen (vgl. Kepplinger 1989b): • Im Selektionsmodell agieren Journalisten bei der Nachrichtenselektion als weitgehend passive, apolitische, neutrale und nichtzweckorientierte Vermittler, die auf sog. »Realitätsreize« (d. h. mehr oder weniger berichtenswerte Ereignisse) nur reagieren. Die Berichterstattung wird in dieser Auffassung als kausale Kette aus Ursache und Wirkung angesehen: Ereignisse mit bestimmtem Charakter und von öffentlichem Interesse gelten als Ursache für die darauf folgende Berichterstattung von Journalisten (vgl. Kepplinger 1990, S.-39). • In Inszenierungsmodellen ist die Berichterstattung Folge geschickter Inszenierungen (Kampagnen) durch politische, wirtschaftliche oder kulturelle »Akteure«, durch Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Kultur also, die gezielt »Pseudo-Ereignisse« (wie Pressemitteilungen, Produktvorstellungen, Bilanzpressekonferenzen u. Ä.) schaffen mit dem Ziel, dass darüber in den Medien berichtet wird. • Im Aktualisierungsmodell werden bereits geschehene Ereignisse durch Journalisten gezielt und zweckgerichtet genutzt. Dabei steht am Anfang die Überlegung des Journalisten, welche Wirkung er mit einer Publikation verfolgt. Diese Überlegung entscheidet über die Art der Berichterstattung. Dem Aktualisierungsmodell zufolge selektieren Journalisten also nicht nur als Reaktion auf Schlüsselreize (Ereignisse), sondern sie berichten vielmehr über bestimmte Themenaspekte oder Ereignisse, um bestimmte Ziele zu unterstützen (oder auch auf Grund der zu erwartenden Folgen). Dabei machen sie sich - je nach persönlicher Zustimmung oder Ablehnung eines Ereignisses - v. a. Argumente von außermedialen Experten zu Eigen, die ihre persönlichen Ansichten stützen; umgekehrt blenden sie Aspekte aus, die nicht ihre persönliche Problemsicht fördern. Diese Form der Informationsbzw. Nachrichtenauswahl bezeichnet Kepplinger als »instrumentelle Aktualisierung von Ereignissen« (Kepplinger 1989a, S.-11). Nachrichtenfaktoren sind in seinem Verständnis nicht nur Ursachen, sondern auch Folgen der Entscheidung von Journalisten, etwas zu publizieren oder nicht. <?page no="140"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 141 Instrumentelle Aktualisierung ist Kepplinger zufolge v. a. bei sog. publizistischen Konflikten zu beobachten - bei Konflikten also, die zwischen zwei (oder mehr) Kontrahenten in der Öffentlichkeit über die Massenmedien ausgetragen werden. Dabei, so Kepplinger, spielen Journalisten bewusst bestimmte Ansichten hoch oder herunter - je nachdem, welche Argumentation sie sich zu Eigen machen wollen - um entsprechend ihrer persönlichen Problemsicht Entwicklungen bewusst zu fördern (oder bewusst nicht zu fördern). Kepplinger hat seine Theorie wiederholt empirisch belegt, u. a. am Beispiel Kernenergie: So hätten deutsche Tageszeitungen, deren Journalisten sich überwiegend für die Kernenergie aussprachen, in den 1980er-Jahren v. a. positive Expertenurteile über Kernenergie veröffentlicht, während atomkritische Zeitungen genau umgekehrt verfahren seien (vgl. Kepplinger 1989a, S.-12). »Verwandte und konkurrierende Ansätze« (Maier et al. 2010) sind in Gatekeeping (vgl. w. o.), News Bias, Agenda Setting und Framing zu sehen (vgl. dazu Maier et al. 2010, S. 116ff, vgl. auch Kunczik/ Zipfel 2001, S. 266ff). Bei der News-Bias-Forschung »interessiert speziell, ob und inwieweit Medien oder Journalisten mit ihrer Nachrichtenauswahl eine bestimmte politische Linie unterstützen« (Maier et al. 2010, S. 122) und damit eine (bewusste? ) Verzerrung der Berichterstattung verbunden ist. Dies kann z. B. durch die Heranziehung »opportuner Zeugen« geschehen. In diesem Kontext ist z. B. von einer »Synchronisation« (Schönbach) von Nachricht und Meinung die Rede: »Nicht die Kommentare [interpretieren] die Fakten, sondern die Fakten [werden] so ausgewählt, dass sie die Kommentare bzw. die redaktionelle Linie stützen« (Kunczik/ Zipfel 2001, S. 268; siehe Schönbach 1977). Der Agenda-Setting-Ansatz untersucht, »welchen Einfluss die Medien auf die Bedeutung von Themen bei der öffentlichen Meinungsbildung und Diskussion haben«, zumal die öffentliche Wahrnehmung von Themen »von der Art und Weise ihrer medialen Präsentation ab[hängt]« (Maier et al. 2010, S. 124; vgl. Kap. 4.4.3.2 im vorliegenden Buch). Frames wieder »sind »Interpretationsrahmen, die als kognitive Strukturen im Bewusstsein verankert sind - bei Journalisten wie beim Publikum. Erfahrungen werden gespeichert und als Rahmen benutzt, um spätere Erfahrungen sinnvoll und schnell interpretieren, einsortieren und wieder vergessen zu können. Diese Bezugsrahmen strukturieren ein Thema und steuern damit die Informationsverarbeitung. Wesentliches Kennzeichen von Frames ist, dass sie Bewertungen enthalten. Sie können insofern auch als ›Deutungsmuster‹ bezeichnet werden« (Meier 2007a, S. 195; vgl. Entman 1993). Framing ermöglicht den Journalisten, »das Hauptaugenmerk nur auf bestimmte, vom Journalisten ausgewählte Aspekte« zu lenken. Den Rezipienten ermöglichen sie »die Einordnung des berichteten Ereignisses oder Themas in bereits bekannte Muster«, sie »vereinfachen so das Verstehen und die Interpretation des rezipierten Inhalts« (Maier et al. 2010, S. 128). Matthias Potthoff (2012) stellt dar, wie Medienframes entstehen. 4.1.2.3 Journalismus und Public Relations Seit geraumer Zeit - etwa seit Mitte der 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts - nimmt Öffentlichkeitsarbeit rapide zu, spielen Public Relations für öffentliche Kommunikation eine immer größere Rolle. Offensichtlich haben viele ›Akteure‹ in Politik, Wirtschaft, Kultur und Verwaltung erkannt, dass man Journalismus und Massenmedien für eigene Zwecke nutzen bzw. instrumentalisieren kann. Die Entwicklung ist auch aus der Mitgliederzahl der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) ersichtlich: Waren es Anfang der 1980er-Jahre noch 500, so sind es zur Jahrtausendwende weit mehr als 2000 Mitglieder. Wenn, was unbestritten zu sein scheint, die »hohe Schule« der PR darin besteht, Einfluss auf das Mediensystem zu nehmen und Wirklichkeit so geschickt zu inszenieren, dass sie <?page no="141"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 142 nicht als Konstrukt, sondern als reale Wirklichkeit erscheint (vgl. Merten 1999, S.-269), stellt sich verständlicherweise die Frage nach dem Verhältnis von Journalismus und Public Relations: Sind Öffentlichkeitsarbeiter bzw. PR-Manager mithilfe von Pressemitteilungen, Veranstaltungen, Events, Pressekonferenzen etc. in der Lage, wesentlich auf Journalismus und Medienberichterstattung Einfluss zu nehmen (zumal Überzeugung die basale Funktion von PR darstellt)? Sind sich Journalisten dieser Einflussversuche bewusst und erliegen sie der Flut jener von PR-Beratern gezielt gesteuerten Informationen nicht, die täglich die Schreibtische der Journalisten überschwemmen? Theoretische Beschreibungen des Verhältnisses zwischen Public Relations und Journalismus finden sich zumindest in drei Forschungskontexten: in der Forschung zur politischen Kommunikation, in der medienrelevanten Forschungstradition des Agenda-Setting-Ansatzes sowie in der Kommunikationswissenschaft als Beziehung zwischen den Tätigkeitsbereichen Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit. Diese drei Forschungskontexte können hier nicht im Einzelnen erörtert werden (vgl. u.). Nur so viel sei zu den beiden ersten angemerkt: Im Forschungskontext Politische Kommunikation stellt sich die Frage, ob das politische System mit seinen öffentlichkeitswirksamen Akteuren das Mediensystem nach eigenen Bedürfnissen steuert (Konzept der ohnmächtigen Medien) oder ob das Mediensystem durch die eigene Medienlogik Voraussetzungen und Formen der Kommunikation politischer Akteure bestimmt (Konzept der mächtigen Medien)? Als zwischen diesen beiden Auffassungen vermittelnde Position ist jene zu sehen, die das Verhältnis zwischen politischem System und Mediensystem als »Symbiose« (vgl. Sarcinelli 1987, S.- 213) bzw. als »komplexe Interaktion zwischen zwei Gruppen von wechselseitig abhängigen und daher anpassungsbereiten Akteuren (vgl. Schmidt-Beck/ Pfetsch 1994, S.-215) sieht. Diese Position kommt der kommunikationswissenschaftlichen Theorie der Intereffikation von Public Relations und Journalismus nahe. In der Forschungstradition des medienbezogenen Agenda-Setting-Ansatzes stellt sich die Frage nach dem Entstehungsprozess öffentlicher Themen: Bezogen auf Public Relations meint dies, ob Public Relations Themen in die Öffentlichkeit streuen, die von den Medien aufgegriffen und thematisiert werden oder ob umgekehrt Themen in der Gesellschaft vorhanden sind, die durch Public Relations und Medien öffentliche Bedeutung erfahren (vgl. u. a. Brosius/ Weimann 1995). In der kommunikationswissenschaftlichen Forschungstradition wird das Verhältnis zwischen Journalismus und PR als Verhältnis von Berufsfeldern gesehen. Es konkurrieren in diesem Forschungsfeld im Wesentlichen zwei theoretische Zugänge: die These von der Determination des Journalismus durch Public Relations sowie die These von der Intereffikation von Public Relations und Journalismus. Was ist damit gemeint? Die Determinationsthese geht auf eine empirische Studie von Barbara Baerns (1985) zurück, wurde von ihr selbst aber nicht so genannt (vgl. Raupp 2005). In ihrer Studie untersuchte Baerns die Verwendung von Pressemitteilungen bei Landespressekonferenzen Nordrhein-Westfalens durch die Medien. Sie fand heraus, dass Öffentlichkeitsarbeit die Informationsleistung tagesbezogener Medienberichterstattung wesentlich bestimme: Öffentlichkeitsarbeit, so Baerns damals, habe die Themen der Medienberichterstattung und das Timing unter Kontrolle (vgl. Baerns 1985 und 1991). Beide Systeme, Public Relations und Journalismus, werden von Baerns als um Macht konkurrierende Systeme verstanden (wobei sie nur den Einfluss vonseiten der PR auf den Journalismus untersuchte). Unter Bezugnahme auf die Feststellung (Bestimmen von Themen und Timing) wurde in der Rezeption der Studie von Baerns »der Begriff ›Determinationsthese‹ geprägt« (Raupp 2005, S. 192), wobei es sich jedoch nicht um eine verifizierbare oder falsifizierbare These handelt, sondern eher um den »Status eines ›heuristischen Paradigmas‹«, das die kommunikationswissenschaftliche Forschung »nachhaltig beeinflusst« hat (ebd.). Zur Determinationsthese liegt auch eine empirische Studie von Claudia Riesmeyer (2007) vor. <?page no="142"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 143 Etwas anders formulierte es René Grossenbacher, der Öffentlichkeitsarbeit als »Hilfssystem« der Medien bezeichnet und feststellt, dass Medien sich »offensichtlich auf Leistungen von Öffentlichkeitsarbeit verlassen« (Grossenbacher 1989, S.-90). Informationen würden zunehmend weniger durch Journalismus produziert als vielmehr durch PR, beide Systeme seien aber im Sinne von Komplementarität voneinander abhängig. Journalismus sei um Objektivität bemüht und diene der Allgemeinheit; Aufgabe der Public Relations sei es, Informationen in die Öffentlichkeit zu bringen, die den Interessen bestimmter Institutionen nützen. Es gibt auch Studien, die die These von der Determination des Journalismus durch PR dahingehend modifizieren, dass als intervenierende Variablen Nachrichtenwert und Krisensituation eingeführt werden. Dabei zeigte sich mehrfach, dass der Einfluss von PR auf Medieninhalte dann relativ groß ist, wenn PR für die Medien ein Ereignis inszeniert, das nicht aus einer Krisensituation resultiert. Hingegen ist der Einfluss von PR auf Medieninhalte dann deutlich geringer, wenn PR in einer Krisen- oder Konfliktsituation an das Mediensystem herantritt (vgl. Barth/ Donsbach 1992, S. 163). Auf Grund der Erfahrungen aus dem praktischen Journalismus und der praktischen PR kann übrigens angenommen werden, dass es auch Einflüsse des Mediensystems in Richtung PR gibt. So sind PR-Praktiker gezwungen, sich an zeitliche Abläufe und Routinen des Journalismus anzupassen oder sich bei der Selektionsentscheidung der dem Mediensystem zu präsentierenden Themen an Nachrichtenfaktoren (Aktualität, Relevanz, Prominenz etc.) zu orientieren, wenn sie erfolgreich agieren wollen. Aus dieser Überlegung heraus kann nach Günter Bentele u. a. festgehalten werden, dass ein differenziertes Modell notwendig erscheint, um die gegenseitigen Einflussbeziehungen zwischen Journalismus und Public Relations zu untersuchen. Bentele und seine Mitarbeiter entwickelten daher das Intereffikationsmodell (efficare = ermöglichen), das »aus einem empirischen Projekt heraus erwachsen« ist (Bentele 2005, S. 209). Bentele spricht ausdrücklich von einem Modell, nicht von einer Theorie (siehe Bentele 2005, S. 210). Das Modell beschreibt das Verhältnis zwischen PR-System und journalistischem System als »komplexes Verhältnis eines gegenseitig vorhandenen Einflusses, einer gegenseitigen Orientierung und einer gegenseitigen Abhängigkeit zwischen zwei relativ autonomen Systeme[n] […] Die Kommunikationsleistungen jeder Seite sind nur möglich, weil die jeweils andere Seite existiert und mehr oder weniger bereitwillig ›mitspielt‹« (Bentele et al. 1997, S.-240). Das PR-System mit seinen Akteuren kann die jeweiligen Kommunikationsziele i. d. R. nur mithilfe des Mediensystems und dessen Akteuren erreichen. Umgekehrt ist die Existenz des Mediensystems von der Zuliefer- und Kommunikationsbereitschaft des PR-Systems abhängig. Weil die Kommunikationsleistungen jeder Seite nur dadurch möglich werden, dass die Leistungen der anderen Seite vorhanden sind, ergibt sich die Feststellung, dass jede Seite so die Leistungen der anderen Seite erst ermöglicht - daher der Begriff Intereffikation (vgl. Bentele et al. 1997, S.-240). Innerhalb der Intereffikationsbeziehungen kann man zwischen kommunikativen Induktionen und Adaptionen unterscheiden (vgl. Bentele et al. 1997, S.- 241 ff). Induktionen sind intendierte, gerichtete Kommunikationsanregungen oder -einflüsse, die beobachtbare Wirkungen im jeweils anderen System haben. Adaptionen lassen sich als kommunikatives und organisatorisches Anpassungshandeln definieren, das sich bewusst an verschiedenen sozialen Gegebenheiten (wie organisatorischen oder zeitlichen Routinen) der jeweils anderen Seite orientiert, um den Kommunikationserfolg der eigenen Seite zu optimieren. Gegenseitige Adaption ist die Voraussetzung für gelingende Interaktion. Zu den Induktionsleistungen des PR-Systems (in Richtung auf das journalistische System) gehört die Themensetzung bzw. Themengenerierung (Issue Building, Agenda Building), die Bestimmung über den Zeitpunkt der Information (Timing), aber auch die Bewertung von Sachverhalten, Personen, Ereignissen etc. Zu den Adaptionen des PR-Systems gehören Anpassungen an zeitliche, sach- <?page no="143"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 144 liche und soziale (z. B. redaktionelle) Regeln und Routinen des Journalismus (wie Anpassungen an die Zeiten des Redaktionsschlusses). Vonseiten des Journalismus sind Induktionsleistungen v. a. durch die Selektion der Informationsangebote, in der Entscheidung über Platzierung und Gewichtung der Information, in der journalistischen Bewertung der Information, in der Veränderung sowie in der journalistischen Informationsgenerierung vorhanden. Journalistische Adaptionsprozesse finden statt durch die Orientierung an organisatorischen, sachlich-thematischen und zeitlichen Vorgaben des PR-Systems. Das Intereffikationsmodell will also v. a. einen Beitrag zum Verständnis des komplexen Prozesses der Themengenerierung und Themengestaltung auf Kommunikatorseite leisten (vgl. Bentele et al., ebd.). Beide Systeme, das der Public Relations und das des Journalismus, können sich weder dem Einfluss noch der Abhängigkeit vom jeweils anderen entziehen. Auch muss es nicht zu einem »Nullsummenspiel« zwischen beiden kommen; vielmehr sind auch »Win-Win- Situationen« (vgl. Szyszka 1997, S.- 222) denkbar. So ist Journalismus (nicht zuletzt unter ökonomischen Zwängen) darauf angewiesen, Öffentlichkeitsarbeit als leicht zugängliche Quelle zu nutzen. Die Public Relations wieder müssen daran interessiert sein, dass ihre Informationen von funktionierenden journalistischen Medien geprüft und einer Weitervermittlung für wert befunden werden, denn: Journalistische Information gilt in den Augen des Publikums als glaubwürdiger als erkennbar partikulare Organisationsmeinung einer PR-Abteilung (vgl. Szyszka 1997, S.- 223). Das Beziehungsgeflecht zwischen Journalismus und Public Relations wird auch von Merten (vgl. Merten 1999, S.-256-292) dargestellt. Allgemeine Theorieansätze sowie spezielle Ansätze mittlerer Reichweite zu Public Relations, dies sei hier ergänzt, sind dem »Handbuch der Public Relations« zu entnehmen (Bentele et al. 2005), darunter u. a. systemtheoretisch-gesellschaftsorientierte, konstruktivistische, kritische Ansätze oder etwa über verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit. Das Handbuch enthält weiters disziplinäre Perspektiven (u. a. kommunikationswissenschaftliche, organisationssoziologische, sozialpsychgologische, wirtschaftswissenschaftliche und politikwissenschaftliche), Definitionen und Praktikertheorien, Schlüsselbegriffe und Bezugsgrößen, Ausführungen über Öffentlichkeitsarbeit und berufliches Handeln, Beiträge über Berufsrollen in und Berufsfelder der PR, über Kommunikationshandeln in den PR sowie nicht zuletzt auch über normative Grundlagen rechtlicher und ethischer Natur. Ein Band über »Journalismus und Public Relations: ein Theorieentwurf der Intersystembeziehungen in sozialen Konflikten« stammt von Olaf Hoffjann (2007). Mit »strategischem Framing« als PR-Strategie, also mit der Platzierung von »Situationsdeutungen bzw. Frames in den Medien, um darüber Sichtweisen der Rezipienten zu beeinflussen«, befasste sich Tabea Böcking (2009, hier S. 92). Am Beispiel der Diskussion über embryonale Stammzellforschung in Deutschland untersuchte sie den Einfluss gesellschaftlicher Akteure (wie DFG, BMBF, Wissenschaftler, Ärzteorganisationen und gemeinwohlorientierte Gruppen wie die beiden christlichen Kirchen) auf die mediale Debatte mittels PR-Materialien in den beiden überregional verbreiteten, weltanschaulich unterschiedlich positionierten Tageszeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung und Süddeutsche Zeitung. Einschlägige empirische Studien zum Beruf Public Relations liegen vor von Romy Fröhlich et al. (2005) sowie Peter Szyszka et al. (2009). »Das Bild der Public Relations in der Qualitätspresse« (so der Titel) haben Romy Fröhlich und Katharina Kerl (2012) ermittelt. 4.1.3 Weitere Themen der Kommunikator-/ Journalismusforschung Wie in anderen Feldern der Kommunikationswissenschaft auch, gibt es ebenso in der Kommunikatorbzw. Journalismusforschung Themenkontinuität und Themenwandel. Der Wandel in den Forschungsperspektiven ergibt sich nicht zuletzt dadurch, dass auch das Mediensystem permanent einem <?page no="144"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 145 Wandel unterliegt. Besonders deutlich wird dies z. B. an jenen Veränderungen, denen weite Bereiche des Journalismus durch Multimedia und Onlinekommunikation unterliegen. Es ist dies eines jener Themen, die nachfolgend neben anderen abgehandelt werden sollen wie etwa die Thematik Qualität im Journalismus, Ethik im Journalismus, redaktionelles Marketing sowie Boulevardjournalismus, also das, was man im Fach auch »Populären Journalismus« nennt. 4.1.3.1 Qualität im Journalismus Das Thema Qualität in Journalismus und Massenmedien ist, wie ein Blick in die kommunikationswissenschaftlichen Forschungstraditionen zeigt, nicht neu, verliert sich dann jedoch immer wieder (vgl. Arnold 2009, S. 24-79). Angesichts der Tatsache, dass beträchtliche Teile des Journalismus und der Massenmedien in immer noch zunehmendem Maße ökonomischen Zwängen unterliegen, stellt sich sowohl für kritisch reflektierende Medienpraktiker wie auch für die Kommunikationswissenschaft mehr denn je die Frage, was journalistische Qualität ist und wie Qualität im Journalismus gesichert werden kann. Dabei ist wichtig zu erkennen, »dass das Bemühen um Qualität und Qualitätssicherung im Journalismus nicht nur als eine Frage der individuellen Verantwortung (des Journalisten - Ergänzung H. P.) zu betrachten ist, sondern die vielfältigen Einflüsse gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, des Mediensystems, der Medienunternehmen etc. jeweils zu berücksichtigen sind« (Fabris 1997, S.-71). So wird denn auch die Diskussion über journalistische Qualität »von ganz unterschiedlichen Akteurskategorien mit unterschiedlichen Interessen am Journalismus und aus unterschiedlichen Perspektiven bestritten« (Bonfadelli/ Wyss 1998, S.-39). Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei journalistischen Produkten - abgesehen von deren technisch-materieller Qualität - vorwiegend um geistig-kulturelle Güter handelt. Deren Qualität ist bekanntlich schwerer zu bestimmen als etwa jene rein materieller Güter. Auch hängt das Qualitätsurteil vielfach vom subjektiven Gesichtspunkt des Betrachters bzw. der Anspruchsträger ab: So wird ein leidenschaftlicher und ausschließlicher Leser der Bild-Zeitung etwas anderes unter journalistischer Qualität verstehen als etwa ein langjähriger Abonnent der Süddeutschen Zeitung oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. (Deren Wirtschaftsteile sind z. B. für Geschäftsleute und Manager äußerst wichtig und qualitativ gehaltvoll, können aber wegen ihrer oftmals sehr speziellen Themen und ihrer relativ unverständlichen Fachsprache für den Normalverbraucher möglicherweise irrelevant und wertlos sein). Und auch der Werbekunde, der auf das redaktionelle Umfeld seiner Anzeige sowie v. a. auch auf deren Druckqualität achtet, wird mit Qualität anderes verbinden als etwa ein Linguist, für den die gute Verständlichkeit der Texte einer Zeitung ein besonderes Qualitätsmerkmal darstellt - vom Juristen ganz zu schweigen, für den Qualität im Journalismus nicht zuletzt darin besteht, dass er inhaltlich nicht gegen Gesetze verstößt. Die Zahl der Beispiele ließe sich fortsetzen, und der Berliner Journalismusforscher Stephan Ruß-Mohl meinte Anfang der 1990er-Jahre nicht ganz zu Unrecht, Qualität im Journalismus definieren zu wollen gleiche »dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln« (Ruß-Mohl 1992, S.-85). Gleichwohl ist es Ruß-Mohl im deutschen Sprachraum als einem der Ersten gelungen, Mehrdimensionalität und Multiperspektivität von Qualität im Journalismus aufgezeigt zu haben. Er definierte Qualität als abhängige Variable und machte deutlich, dass Qualitätsmaßstäbe abhängig sind vom jeweiligen Medium, seiner Periodizität, dem einzelnen journalistischen Genre, der angestrebten Zielgruppe und der erwarteten Funktion des Mediums sowie vom Selbstverständnis der Medienschaffenden (vgl Ruß-Mohl 1992, S.-85). Weiter verweist Ruß-Mohl auf innerredaktionelle und außerredaktionelle Infrastrukturen (sog. »I-Faktor«), die für Qualität im Journalismus relevant sind (Ruß-Mohl 1994a). An anderen Versuchen, journalistische Qualität zu bestimmen, hat es <?page no="145"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 146 nicht gefehlt (vgl. z. B. Rosengren et al. 1991; McQuail 1992; Göpfert 1993; Wallisch 1995; Meier/ Bonfadelli 1994; Ruß-Mohl 1994a, Ruß-Mohl 1994b; Hagen 1995; Themenheft »Qualitätssicherung im Mediensystem« der Zeitschrift Medienjournal 23: 1999). Aus ihnen geht in je unterschiedlicher Weise hervor, dass sich Beschreibungsversuche von Qualität im Journalismus orientieren an 1) verschiedenen Anspruchsträgern (Leser, Hörer, Zuschauer, Werbewirtschaft, Rechtsgrundlagen, journalistische Berufskultur etc.); 2) sozialen Bezugssystemen (Gesellschaft, Interessengruppen, Publikum etc.) sowie 3) worauf die Qualitätsbeurteilung jeweils fokussiert: auf das Gesamtsystem, auf das journalistische Handeln, auf bestimmte Produktionsprozesse (Auswahl, Recherche etc.) sowie auf das Produkt, z. B. einen einzelnen Beitrag oder die Gesamtausgabe (vgl. Bonfadelli/ Wyss 1998, S.-40). Von Siegfried Weischenberg stammt ein Kreismodell (Weischenberg 2006, S. 13), welches mit Blick auf Einflussfaktoren bezüglich Qualität im Journalismus unterscheidet zwischen Mediensystemen (Qualitätsnormen wie Rechtmäßigkeit, Vielfalt etc.), Medieninstitutionen (Qualitätsmanagement innerhalb der Medienbetriebe wie Ausbildung, Total Quality Management), Medienaussagen (Qualitätsmaßstäbe, wie Aktualität, ›Objektivität‹, Vielfalt) und Medienakteuren (Qualitätsbewusstsein, Standards, Arbeitsmethoden). Mit Total Quality Management ist ein Qualitätsmanagement gemeint, das alle Unternehmensbereiche (einschließlich ihrer Mitarbeiter) umfasst bzw. betrifft, um mit optimalen Produkten - im Medienbereich also möglichst mit allen dargebotenen Inhalten - am Medienmarkt konkurrieren zu können. Nach diesen allgemein gehaltenen Ausführungen sollen im Folgenden konkrete Kriterien genannt werden, die für Forschungszwecke mehr oder weniger pragmatisch und als Postulate an den Journalismus mehr oder weniger normativ entwickelt wurden. Sie beziehen sich nicht ausschließlich, aber weitgehend auf (empirisch zu messende oder zu beurteilende) journalistische Produkte. Der Dortmunder Journalistikprofessor Günther Rager z. B. nennt für Printmedien die vier Qualitätsdimensionen Aktualität, Relevanz, Richtigkeit und Vermittlung (vgl. Rager 1994a und 1994b). Stefan Schirmer fügte mit Bezugnahme auf den Deutschen Pressekodex den Faktor ethische Angemessenheit hinzu (vgl. Schirmer 2001). Die Kommunikationswissenschaftler Heribert Schatz (Duisburg) und Winfried Schulz (Nürnberg) ziehen zur Bestimmung von Qualitätskriterien für Fernsehprogramme das deutsche Rundfunkrecht heran und benennen fünf Anforderungen: das Gebot der inhaltlichen Vielfalt, das Gebot der Relevanz, das Gebot der Professionalität, das Gebot der Rechtmäßigkeit sowie Publikumsakzeptanz. (vgl. Schatz/ Schulz 1992; Schulz 1996). Ein weiteres Konzept zur Qualitätsbewertung von Rundfunkangeboten stammt von den Medienforschern Michael Buß und Harald Gumbl (vgl. Buß/ Gumbl 2000). Ein Versuch, Qualitätskontrolle im Rundfunk zu realisieren, ist von Marianne Blumers erarbeitet worden (vgl. Blumers 2000); mit Qualitätssteuerung im Fernsehen haben sich auch Jan Metzger und Ekkehardt Oehmichen befasst (vgl. Metzger/ Oehmichen 2000). Der Dortmunder Kommunikationswissenschaftler Horst Pöttker sieht 1) vier auf Journalismus und Medien bezogene Qualitäten in den Kriterien Richtigkeit, Vollständigkeit, Wahrhaftigkeit und Verschiedenartigkeit; 2) vier mehr zum Publikum hin gewandte Qualitäten in den Kriterien Unabhängigkeit, Zeitigkeit bzw. Aktualität, Verständlichkeit und Unterhaltsamkeit; sowie 3) zwei kommunikatorbezogene Kriterien in Wechselseitigkeit und Sorgfalt beim Abwägen (Pöttker 2000, S. 382f ). Klaus Arnold (2009) entwickelte ein integratives Qualitätskonzept, wobei er zwischen drei Ebenen unterscheidet, nämlich: zwischen 1) funktional-systemorientierter Ebene mit den Kriterien Vielfalt, Aktualität, Relevanz, Glaubwürdigkeit, Unabhängigkeit, Recherche, Kritik, Zugänglichkeit, Hintergrundberichterstattung und regionaler/ lokaler Bezug; 2) normativ-demokratieorientierter Ebene mit den Kriterien Ausgewogenheit, Neutralität/ Trennung von Nachricht und Meinung, Achtung der Persönlichkeit; sowie 3) nutzerbezogen-handlungsorientierter Ebene mit den Kriterien Anwendbarkeit, Unterhaltsamkeit und Gestaltung (Arnold 2009, S. 134-241; siehe auch Zusammenfassung bei Arnold 2009, S. 229-238). <?page no="146"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 147 Für die Qualität von Nachrichtenagenturen hat Lutz M. Hagen die folgenden Kriterien theoretisch erarbeitet und empirisch überprüft: Menge der Information, Relevanz, Richtigkeit, Transparenz, Sachgerechtigkeit, Ausgewogenheit, Vielfalt, Aktualität und Verständlichkeit (Hagen 1995). Eine kleine Studie über die Qualität von Nachrichtenagenturen aus der Sicht von Kunden in Deutschland hat Felix Grüll vorgelegt (Grüll 2009). Bewerten konnten die befragten Nachrichtenjournalisten in leitenden Funktionen aus Printmedien, Radio, TV und Onlinemedien die Kriterien Objektivität, Zuverlässigkeit, Schnelligkeit, Sprache und Textaufbau (auf Textebene); Selektion, Übersichtlichkeit und Feature-Anteil (auf Dienstebene) sowie Kooperationsbereitschaft und Korrespondentennetz (auf Unternehmensebene). Versucht man die in den hier vorgestellten (aber auch noch anderen) Katalogen vorhandenen Kriterien zu vergleichen, so sind die meistgenannten Kriterien Aktualität (bzw. Zeitigkeit), Vielfalt (bzw. Verschiedenartigkeit), Relevanz (Bedeutung) sowie Richtigkeit (bzw. Verlässlichkeit) (vgl. dazu auch Beck et al. 2010, S. 24-25); den einen Maßstab zur Beurteilung von Medienqualität gibt es freilich nicht. (Selbstverständlich haben die hier genannten Autoren ihre Kriterien jeweils auch definiert und entsprechend operationalisiert; aus Platzgründen muss hier jedoch auf deren nähere Erläuterung verzichtet werden.) Über die Beurteilung von Medienqualität aus Nutzersicht liegen u. a. Studien von Günther Rager (1993) und Klaus Arnold (2009) für die Zeitung, von Jens Wolling für Fernsehnachrichten (2002), von Gerhard Vowe und Jens Wolling für den Hörfunk (2004), von Patrick Rössler (2004) und Urs Dahinden et al. (2004) für Onlinemedien vor. Es ist hier - u. a. wegen ihrer unterschiedlichen und teils komplexen Designs - nicht möglich, auf sie einzugehen. Nur so viel zu Print: Was Zeitungsleser betrifft, so beurteilen diese Günter Rager (1993) zufolge die Qualität nach Themen, die sie interessieren und legen u. a. Wert auf Aktualität, Vollständigkeit, Kürze und sprachliche Verständlichkeit (Rager 1993). Klaus Arnold (2009) fand u. a. heraus, dass allgemeine wichtige Kriterien für Zeitungsqualität »klassische« Kriterien wie Vielfalt, Glaubwürdigkeit, Zugänglichkeit/ Verständlichkeit, Neutralität und Ausgewogenheit sind (Arnold 2009, S. 382). Zeitungen sollen respektvoll im Umgang mit Menschen, unabhängig und mutig sein sowie ausgewogen und neutral berichten. Ein Kriterium, das als sehr wichtig eingeschätzt wurde, ist »neben der Aktualität die Zugänglichkeit: Eine Zeitung soll viele kurze Berichte enthalten, übersichtlich und angenehm zu lesen sein« […] und »über wichtige Themen aber auch ausführlich berichten« (ebd.). Im Zusammenhang mit Medienqualität kommt man nicht umhin, wenigsten kurz auch Möglichkeiten der Qualitätssicherung anzusprechen. Stephan Ruß-Mohl nennt redaktionelle und infrastrukturelle Bedingungen (i-Faktor) der Medienbetriebe (Ruß-Mohl 1994a sowie 2003, S. 341), Vinzenz Wyss setzt auf das »Total Quality Management - TQM« (2002 sowie 2003). Von Michael Haller wieder stammt der Benchmarking-Ansatz (Haller 2003; siehe auch Rau 2007, S. 205-248). Es lohnt sich, diese Ansätze, die hier aus Platzgründen nicht erörtert werden können, im Einzelnen in der erwähnten Literatur nachzulesen. Zahlreiche Beiträge, v. a. empirische Studien und deren Ergebnisse zum Thema Medienqualität in Print, Radio, Fernsehen und Internet, sowie zahlreiche weitere Literaturhinweise sind dem Sammelband »Medien-Qualitäten. Öffentliche Kommunikation zwischen ökonomischem Kalkül und Sozialverantwortung« zu entnehmen (Weischenberg et al. 2006). Überblicke über Qualitätsdebatte und Qualitätsforschung vermitteln auch Stephan Ruß-Mohl (2005), Klaus Arnold (2009) sowie Klaus Beck et al. (2010). Zur Qualität von Fernsehnachrichten liegen u. a. (Fall-)Studien von Andreas Fahr (2001) und Bernd Vehlow (2006) vor. Zur »Definition und Messung publizistischer Qualität im Internet« hat Christoph Neuberger im Zusammenhang mit dem Drei-Stufen-Test eine Studie erarbeitet (Neuberger 2011). Mit Vergangenheit und Zukunft der Qualitätsmedien und deren Unentbehrlichkeit für die öffentliche Kommunikation befasst sich der von Roger Blum et al. 2011 herausgegebene Sammelband »Krise der Leuchttürme öffentlicher Kom- <?page no="147"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 148 munikation« (Blum et al. 2011). So schwierig es auch sein mag, Qualität in Journalismus und Massenmedien zu ergründen, zu begründen und - vielleicht - auch durchzusetzen: Eine ständige Auseinandersetzung mit dem Thema in Wissenschaft und Praxis erscheint schon deshalb wichtig, als in einer nachweislich und zunehmend von den Massenmedien geprägten Zeit die Qualität des politischen Diskurses u. a. auch von der Qualität des Mediendiskurses abhängt (vgl. Fabris 1997, S. 74). 4.1.3.2 Redaktionelles Marketing Nicht nur, aber auch im Zusammenhang mit journalistischer Qualität wird seit geraumer Zeit das Thema »Redaktionelles Marketing« angesprochen. Gemeint sind damit - im weitesten Sinne des Wortes - systematische Bemühungen von Medienredaktionen, Wünsche, Interessen und Bedürfnisse von Zeitungslesern, Radiohörern und TV-Zuschauer zu ergründen und die publizistischen Produkte daran zu orientieren (nicht aber bedingungslos anzupassen). Marketing als Maßnahme der Markterschließung kommt ursprünglich aus der Nationalökonomie. Der Begriff gilt als Bezeichnung für einen bedarfsorientierten Denk- und Führungsstil von Unternehmen, der gedanklich bereits vor dem Produktionsprozess ansetzt und Planung, Durchführung und Kontrolle aller Maßnahmen umfasst, also Marktschaffung, Marktausweitung und Markterhaltung eines Unternehmens. Der Marketinggedanke impliziert folglich eine stark kundenorientierte Sichtweise, und Marketing gilt als bewusst marktorientierte Führung von Unternehmen (vgl. Meffert 1986). Marketing ist für alle Mediengattungen wichtig. Es gilt besonders im Zeitungswesen bereits seit längerem als Ansatz für die Zukunftssicherung der von den anderen Medien bedrängten Tageszeitung. Für lange Zeit wurde im Marketing eine genuin verlegerische Aufgabe gesehen - v. a. als Anzeigen- und Vertriebsmarketing. Da die Zeitung jedoch auf einem »interdependenten Doppelmarkt« (Möllmann 1998) auftritt, mit einer publizistischen Dienstleistung (Mediennutzer) und einer Werbedienstleistung (Anzeigenkunden), wird Zeitungsmarketing in zunehmendem Maße auch als Aufgabe der Redaktionen gesehen. Zeitungsmarketing allgemein umfasst daher eine differenzierte Ausrichtung des Verlages am Markt (Leser, Inserenten), an der Branche (intra- und intermediäre Konkurrenz bzw. Wettbewerber) sowie an der Umwelt (soziopolitische Rahmenbedingungen) (vgl. Wolf/ Wehrli 1990). Unter redaktionellem Marketing im Besonderen versteht man einerseits die konsequente Ausrichtung der redaktionellen Arbeit auf die Bedürfnisse und Interessen der Leserschaft (vgl. Schaefer-Dieterle 1993, S.-30). Es stellt »ein Instrument dar, redaktionellen Anspruch und Marktnotwendigkeiten zu vereinbaren« (Möllmann 1998, S.- 51) oder, wie der Dortmunder Journalistikprofessor Günther Rager meint, einen wichtigen Beitrag »im Ensemble aller Anstrengungen des Verlags, mit der Zeitung die Leserschaft besser zu bedienen, sie konsequent an Bedürfnissen, Interessen und Erwartungen der Leserinnen und Leser auszurichten« (Rager 1994c, S.-8). Andererseits herrscht aber auch Übereinstimmung darüber, dass Zeitungsmarketing nicht nur ein auf kommerzielle Erwägungen abgestelltes, strategisches Handeln sein darf (vgl. Möllmann 1998, S.-51). Auch bedeutet redaktionelles Marketing nicht, den journalistischen Anspruch einer Zeitungsredaktion und ihre gesellschaftliche Verantwortung aufzugeben. »Es bleibt der Spagat zwischen publizistischem Anspruch, journalistischer Qualitätssicherung und redaktioneller Eigenständigkeit auf der einen Seite, Sicherung der Ertragskraft und Rentabilitätsdenken auf der anderen Seite« (Schaefer-Dieterle 1994, S.-53). An diesem Spagat setzt immer wieder journalistische Kritik ein. Die Forderung nach der Einbindung der Redaktionen in die Marketingaktivitäten stieß (und stößt) nicht selten auf den Widerstand der Journalisten: »Sie fürchten um ihre Autonomie und um ihre Rolle als ›Watchdogs‹, vermuten hinter redaktionellem Marketing eine drohende Kommerzialisierung des Mediums und bezichti- <?page no="148"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 149 gen redaktionelles Marketing allzu rasch der einseitigen Ausrichtung an möglichen Auflagensteigerungen und dabei der eilfertigen Anpassung an den Massengeschmack« (Pürer/ Raabe 1996a, S.-520). Gleichwohl ist aber unbestritten, dass in Zeiten der Ausdifferenzierung des Medienangebotes und der ständigen Veränderungen der Leserinteressen in forciertem Zeitungsmarketing eine unabdingbare Möglichkeit gesehen wird, den Leser als Kunden zu verstehen und das Produkt »Zeitung« an den Leserbedürfnissen zu orientieren. Keineswegs ist damit die kritiklose Anpassung am Durchschnittsleser zu verstehen. Vielmehr ist ein problem- und prozessorientiertes Denken und Handeln gemeint, »das auf ein situatives Eingehen auf Publikumswünsche und die Berücksichtigung der Veränderung von Umweltbedingungen angelegt ist« (Pürer/ Raabe 1996a, S.-520). Modernes Zeitungsmarketing ist von ganzheitlichen Strategien gekennzeichnet, in das die wichtigsten Abteilungen des Zeitungsverlagshauses, bzw. Anzeigen- und Vertriebsabteilung, Werbeabteilung und Leserservice sowie auch die Redaktion eingebunden sein müssen. Es erfordert nicht zuletzt eine wissenschaftlich abgesicherte Leserschaftsforschung, deren Ergebnisse auch die Redaktion erreichen müssen. Bernhard Möllmann hat empirisch nachgewiesen, dass - ungeachtet einer nach wie vor beobachtbaren, gesunden Skepsis - redaktionelles Marketing in weiten Teilen des bundesdeutschen Zeitungswesens Fuß gefasst hat. Es erfordert nicht zuletzt auch geeignete redaktionelle Strukturen und ein besonders qualifiziertes Redaktionsmanagement (vgl. Möllmann 1998). Harald Rau schlägt in einer 2000 erschienenen Publikation »Redaktionsmarketing. Journalismus als Planungsfaktor in der Positionierung regionaler Tageszeitungen« die Brücke von den Wirtschaftswissenschaften hin zur Publizistik (Rau 2000, S.VII). In einer Folgepublikation verbindet er eine Ökonomie der Publizistik mit Überlegungen zu Qualität, Marketing und Benchmarking (Rau 2007). 4.1.3.3 Ethik und Journalismus Ähnlich wie dem Thema Qualität wird seit geraumer Zeit auch dem Thema Ethik und Journalismus zunehmend Aufmerksamkeit zuteil (vgl. Boventer 1988 und 1989; Erbring/ Ruß-Mohl 1988; Pürer 1991/ 1992; Haller/ Holzhey 1992; Holderegger 1999; Wilke 1996; Wunden 1989 und 1994; Wiegerling 1998; Debatin 1997; Stapf 2006; Pohla 2006; Funiok 2007; Schweiger/ Beck 2010 u. a. m.). Es sind nicht nur die Aufsehen erregenden, großen Fehlleistungen des Journalismus, die die Thematik in den Vordergrund journalismuspraktischer wie medienwissenschaftlicher Reflexion rücken (Beispiele: Hitler-Tagebücher, Barschel-Engholm-Affäre, Geiseldrama Gladbeck/ Köln, Grubenunglücke Borken und Lassing, Paparazzi-Fotojagden, Schmuddel-Talkshows, Fälschungen von Michael Born und Tom Kummer, Prominentenprozesse wie der Fall Kachelmann etc.). Auch die beinahe täglich erfolgenden Verletzungen des Persönlichkeitsschutzes und der Unschuldsvermutung in der lokalen Kriminal- und Unfallberichterstattung lassen Fragen aufkommen, z. B.: Wie steht es um Moral, Ethik und Verantwortung im Journalismus? Sind Journalisten persönlich und alleine verantwortlich dafür, was sich im Mediensystem tut oder gibt es noch eine Reihe anderer Verantwortlichkeiten? Liegt - nicht zuletzt im Sinne einer Medienökologie - nicht auch Verantwortung beim Publikum, bei den Zeitungslesern, Radiohörern, Fernsehzuschauern und Internetsurfern? Diese und ähnliche Fragen sollen im Folgenden angesprochen und erörtert werden. Zunächst kurz zur Klärung von Begriffen: Mit Moral (lat. mos = Gewohnheit, Sitte, Brauch) ist jenes uns anerzogene Werte-, Sitten- und Normengeflecht gemeint, auf dessen Basis wir täglich bewusst oder unbewusst unsere Handlungen vollziehen. Unter Ethik versteht man die Lehre von den sittlichen Werten und Forderungen, eine Morallehre, die einer »praktischen Philosophie« vergleichbar ist. Ethik meint also das Nachdenken über unsere (moralisch bedingten und moralisch zu bewertenden) Handlungen. Und ethische Prinzipien sollen, auch und insbesondere im Journa- <?page no="149"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 150 lismus, »den Spielraum des rechtlich nicht Verbotenen auf das moralisch Verantwortbare eingrenzen« (Wilke 1998, S.-292; Hervorhebung H. P.). Das Gewissen wieder ist das Mitwissen um die von uns getätigten Handlungen. Medienethik befasst sich folglich mit moralischen Prinzipien des Journalismus, nicht zuletzt also damit, wie Journalisten auf der Basis demokratischer Werte und anderer allgemeiner gesellschaftlicher Übereinkünfte handeln sollen. In einer wertepluralen Gesellschaft, deren gemeinsame Wertebasis immer schmäler wird, ist dies eine nicht einfach zu beantwortende Frage. Auch die Begriffe Recht bzw. Gesetz sollen hier noch kurz erwähnt werden. Sie sind Sammelbegriffe für Ordnungssysteme mit dem Ziel, das Zusammenleben in einer Gesellschaft verbindlich für alle Gesellschaftsmitglieder zu regeln, um Konflikte möglichst zu vermeiden - ein denkbar schwieriges Unterfangen. Beide - Moral/ Ethik sowie Recht/ Gesetz - stellen gesellschaftliche Steuerungssysteme dar, und dies ist auch in Journalismus und Massenmedien der Fall. Bei Verstößen gegen Normen, seien dies nun verbindliche Gesetze oder auf freiwilliger Basis eingehaltene Berufskodizes, stellt sich in aller Regel auch die Frage nach der Verantwortung. Daher sei hier auch der Schlüsselbegriff Verantwortung angesprochen. »Verantwortung bedeutet, dass wir für etwas eintreten und die Folgen tragen, dass wir unser Handeln vor anderen rechtfertigen müssen. Die anderen, das können Justiz, die Gesellschaft oder einzelne Mitmenschen sein - und auch wir selbst. Erweist sich bei unserer Rechtfertigung das Handeln als nicht korrekt, können wir dafür belangt werden« (Hömberg/ Klenk 2010, S. 41f ). Verantwortliches Handeln schließt 1) Freiwilligkeit ein, meint 2) dass es Handlungsalternativen gab bzw. gibt und postuliert 3), dass die Folgen einer Handlung absehbar sind. Dies ist im Journalismus nicht immer der Fall und tangiert, was v. a. gesellschaftliche Folgen journalistischen Handelns betrifft, komplexe Fragen der Medienwirkungen (vgl. Kap. 4.4.3, 5.2 sowie 5.3). Mit dem Thema Verantwortung im Journalismus haben sich u. a. Bernhard Debatin (1998a) und Rüdiger Funiok (2007) befasst. In der Kommunikationswissenschaft gibt es unterschiedliche theoretische Denkmodelle darüber, wer im Journalismus Verantwortung trägt. Erste Synopsen individualethischer, mediensystemethischer und publikumsethischer Überlegungen legte Anfang der 1990er-Jahre Heinz Pürer vor (Pürer 1991, 1992). Im medienethischen Diskurs der zurückliegenden Jahre haben sich neben mehreren anderen (vgl. Schicha/ Brosda 2010) Perspektiven herausgebildet, die hier erörtert werden: die individualethische, die professionsethische, die institutionenethische sowie die publikumsethische. Die journalistische Individualethik weist, wie ihr Name sagt, die Verantwortung für journalistisches Handeln dem einzelnen Journalisten persönlich zu und fordert von ihm ein hohes Maß an Moral, Ethik und Verantwortungsbewusstsein. Der Publizistikwissenschaftler Emil Dovifat z. B. sprach von der begabten publizistischen Persönlichkeit, die durch Studium und Erfahrung zur Entfaltung gebracht werden könne (Dovifat 1967, S. 33). Der Journalist und Wissenschaftler Otto Groth forderte Charaktereigenschaften wie Gewissenhaftigkeit, Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Einsatzbereitschaft, Takt und Ton (Groth 1962, S. 387ff). Für den langjährigen Journalisten und bekennenden Ethiker Hermann Boventer hat im Journalismus Wahrhaftigkeit besondere Bedeutung. Er postuliert darunter folgende Maximen: Ehrlichkeit im Beobachten, Sorgfalt beim Recherchieren sowie Unabhängigkeit im Urteil, Fähigkeit zur Kritik und v. a. auch zur Selbstkritik (Boventer 1989, S. 131ff). Orientierung für ethisches Handeln findet der einzelne Journalist (wie erwähnt) neben gesetzlichen Bestimmungen insbesondere auch in journalistischen Berufskodizes wie etwa dem Kodex des Deutschen Presserates, also der Professionsethik (s. u.). Im Zusammenhang mit dem Aspekt Verantwortung sei hier - in Anlehnung an Max Weber - auf die Unterscheidung zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik hingewiesen (siehe dazu Möller 1983, Wilke 1987, Wilke 1996; Kunczik/ Zipfel 2001, Kepplinger/ Knirsch 2000). Der gesinnungsethisch Handelnde fühlt sich der Wahrheit verpflichtet und achtet nicht auf die Folgen seines Handelns. Der verantwortungsethisch Agierende hat auch die Folgen seines Handelns im Auge. Jour- <?page no="150"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 151 nalisten handeln stets im Spannungsfeld zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik. Sie sollten daher stets auf die Verhältnismäßigkeit der angewendeten Mittel achten (d. h. z. B., auf den kleinen Ladendieb nicht mit ›journalistischen Kanonen‹ schießen). Für Hermann Boventer spielt das Prinzip Verantwortung eine wichtige Rolle. Sie sei »eine Funktion von Macht und Wissen« und begründe die »Vorbildfunktion des Journalisten« (Stapf 2006, S. 120 mit Bezugnahme auf Boventer). ). Stapf ordnet die Thematik Gesinnungs-/ Verantwortungsethik der Professionsethik zu (Stapf 2006, S. 138). Der individualethische Ansatz enthält zweifellos wichtige ethische Anhaltspunkte für das Wirken im Journalismus, »vernachlässigt allerdings die praktischen Gegebenheiten auf politischer, institutioneller und mediensystemischer Ebene« (Stapf 2006, S. 123), denen der einzelne Journalist bei seiner Arbeit unterliegt. Der Wiener Kommunikationswissenschaftler Maximilian Gottschlich wendete bereits 1980 ein, dass eine verbindliche Beurteilungsgrundlage journalistischen Handelns die Berufswirklichkeit idealisiere, berufliche Abhängigkeitsverhältnisse verschleiere und auch das Problem ethischer Divergenz in einer pluralistischen Gesellschaft aufwerfe. Außerdem seien ethische Normierungen schwer zu operationalisieren. Dies gelte v. a. auch für die Pressekodizes, die die Berufswirklichkeit idealisierten. Solche Kodizes (vgl. w. u.) würden Werte absolut setzen, die für moderne, bzw. pluralistische Gesellschaften nur relative Wertigkeit besitzen (vgl. Gottschlich 1980, S. 146ff; siehe dazu auch Weischenberg 2004, S. 219f ). Die journalistische Professionsethik verfolgt im Wesentlichen folgende Ziele: die Erstellung von Richtlinien für die journalistische Arbeit sowie »die Vermeidung von Fremdkontrolle« durch Selbstkontrolle (vgl. Stapf 2006, S. 138). Dazu im Einzelnen: Richtlinien für die journalistische Arbeit sind in nationalen und internationalen Pressekodizes zu sehen, die in aller Regel von der Profession, also von Berufsverbänden (Journalistengewerkschaften, oft in Zusammenarbeit mit Verlegerverbänden) und Presseräten erarbeitet werden. Solche Kodizes sollen dem Berufsstand der Journalisten Orientierungsmöglichkeiten für ethisch möglichst nicht konfligierendes journalistisches Handeln liefern; sie sollen Berechenbarkeit stiften und Standards sowie Regeln für die tägliche Arbeit in einem Medienunternehmen vermitteln (vgl. Pörksen 2005, S. 217). Solche Regeln sind: • allgemeine Appelle an das Verantwortungsbewusstsein des Journalisten bei der Erfüllung seiner öffentlichen und dem Gemeinwohl dienenden Aufgabe; • Achtung vor der Wahrheit und Streben nach Wahrhaftigkeit; • Appelle zur Wahrung journalistischer Unabhängigkeit; • korrekte Beschaffung und Wiedergabe von Information; • Richtigstellung unzutreffender Mitteilungen; • Wahrung der Vertraulichkeit, des journalistischen Berufsgeheimnisses und des Zeugnisverweigerungsrechts; • Respektierung des Privatlebens und der Intimsphäre von Betroffenen der Berichterstattung; • Eintreten für Menschenrechte und Frieden; • keine Verherrlichung von Gewalt, Brutalität und Unmoral; • keine Veröffentlichungen in Wort und Bild, die das sittliche Empfinden (v. a. Jugendlicher) verletzen könnten; • keine Diskriminierung rassischer, religiöser und nationaler Gruppen; • Zurückhaltung in ermittelnden und schwebenden Gerichtsverfahren; • die Unvereinbarkeit des journalistischen Berufs mit Geschenkannahme oder Gewährung von Vorteilen; • u. a. m. Der Kodex des Deutschen Presserates beispielsweise, der für Print- und Onlinezeitungen gleichermaßen gilt, ist dessen Onlineauftritt www.presserat.de zu entnehmen. Das Selbstkontrollorgan Deut- <?page no="151"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 152 scher Presserat dokumentiert sein Wirken und seine Spruchpraxis sowohl online wie auch in den von ihm publizierten Jahrbüchern genau und entwickelt seine Richtlinien auch ständig weiter. Es lohnt sich, darin Einsicht zu nehmen.Solche Berufskodizes sind unter Medienpraktikern in aller Regel kaum umstritten, und Journalisten können sich bei ihrer Arbeit im Prinzip gut an ihnen orientieren. Allerdings unterliegen sie aufgrund ihrer doch recht allgemeinen Formulierungen in starkem Ausmaß der persönlichen Interpretation durch die Journalisten und greifen im Berufsalltag daher oft nur in eingeschränkter Weise. Für die Professionsethik zentral ist aber auch - und damit ist ihr zweites Ziel angesprochen - die Idee der Selbstkontrolle, die nur durch die Profession selbst erfolgen soll. »Freiwillige Medien-Selbstkontrolle gilt als die Gesamtheit der Regeln und Verfahrensweisen, die sich die Presse freiwillig auferlegt und anerkennt, um den Machtmissbrauch einzelner Presseorgane zu verhindern und der Verantwortung einer freien Presse gegenüber dem Gemeinwohl gerecht zu werden« (Stapf 2006, S. 139). Daher sind es auch die Presseräte, die für behauptete Verletzungen von Berufsgrundsätzen zuständig sind. Ihre Sanktionsmöglichkeiten sind in aller Regel aber eher gering: der Deutsche Presserat z. B. kann Hinweise, Missbilligungen, öffentliche und nichtöffentliche Rügen an betroffene Medien aussprechen. In den Pressekodizes kommt auch zum Ausdruck, dass die Profession (der Journalisten) »zwischen der Ideal- und Praxisebene vermittelt« (Stapf 2006, S. 142; Hervorhebung i. Orig.). Nicht zuletzt sei erwähnt, dass Selbstkontrolle im Journalismus staatlicher Kontrolle zuvorkommen soll. Die für Journalismus und Medien (an-)gedachte Konzeption der Institutionen-, Organisations- und Unternehmensethik basiert auf systemtheorethischen Überlegungen. Deren prominente Vertreter, Manfred Rühl und Ulrich Saxer, lehnen eine individualethische Betrachtung von Verantwortung im System Journalismus ab (Rühl/ Saxer 1981). In der Annahme, Journalismus sei allein an Personen festzumachen, wird eine Verkürzung der Diskussion über Ethik und Verantwortung im Journalismus gesehen. Sittliche Prinzipien, wie sie u. a. in journalistischen Berufskodizes festgeschrieben sind, stellen nur ein Steuerungssystem unter vielen anderen dar. Der Journalist wird aus mediensystembzw. institutionenethischer Perspektive als Person mit zugewiesenen Berufs- und Arbeitsrollen gesehen, der in eine (Medien-)Institution eingebunden ist, von der er abhängig ist. Drei (ethik-)relevante Strukturen sind es, die Ulrich Saxer zufolge journalistisches Handeln in Medieninstitutionen beeinflussen, nämlich: 1) institutionelle Rahmenbedingungen wie Recht (als verbindliche Regelungssysteme), Markt (ökonomische Zwänge und Konkurrenzdruck, die journalistische Zielsetzungen mitprägen) sowie Politik (die allgemeine Rahmenbedingungen schafft) (vgl. Saxer 1992, S. 109-113); 2) die Medien-Organisationsrationalität des Medienunternehmens selbst, d. h. »maximal leistungsfähige Strukturen für das Überleben und möglicherweise Prosperieren in publizistischer und wirtschaftlicher Hinsicht«: u. a. taugliches Personal, genügend Stoff für Sendungen und Artikel, bedürfnisdeckende Finanzmittel, ausreichender Absatz, zweckdienliche Arbeitsabläufe, Handlungsbedingungen der Mitarbeiter, Unternehmenskultur und Anpassung der Mitarbeiter (Saxer 1992, S. 113-117); sowie 3) journalistische Routinen als »zentrale Strukturen der journalistischen Berufskultur«: Rechercheroutinen, Selektionsroutinen, Präsentationsroutinen u. a. m. (Saxer 1992, S. 117-123). Heinz Pürer sieht innerhalb der Medieninstitutionen im publizistischen Bereich unterschiedliche, hierarchisch bedingte - und damit gestufte - Funktionsverantwortlichkeiten. Sie beginnen beim Medieninhaber, der die inhaltliche Linie bestimmt und setzen sich fort bei Intendanten und Herausgebern, die auf die Einhaltung dieser Linien achten. Unterschiedliche weitere Verantwortlichkeiten liegen bei Chefredakteuren und Programmdirektoren, Programmabteilungs- und Ressortleitern, Chefs vom Dienst, fest angestellten und freien Journalisten (vgl. Pürer 1992, S. 315). <?page no="152"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 153 Die Institutionenbzw. Organisationsethik hat das Medienunternehmen im Blick. Eine der Kernfragen ist, »wie die kommerzielle Ausrichtung mit dem Ideal der Sozialverantwortung verknüpft werden kann und wie sich ökonomische Rationalität unter marktwirtschaftlichen Bedingungen verbinden lassen« (Pörksen 2005, S. 217). Die von Rühl und Saxer vertretene Konzeption der Mediensystembzw. Institutionenethik hebt die Verantwortung der Medieninstitutionen hervor. Zentrale Kategorie ist die mitmenschliche Achtung, die als moralischer Indikator für eine allgemeine Kommunikationsethik gilt (vgl. Rühl/ Saxer 1981, S. 187-190; Scholl 2010, S. 70f.). Von Barbara Thomaß wurde die Leitkategorie Achtung mit Blick auf Beziehungen, die Journalisten eingehen (Individual- und Professionsethik), spezifiziert (Thomaß 2003): Achtung vor den Informanten (Informanten-/ Quellenschutz), vor den Objekten der Berichterstattung (Persönlichkeitsschutz), vor den Rezipienten (Fairness und Sorgfaltspflicht), vor der Öffentlichkeit (Anwendung angemessener Methoden der Recherche) sowie vor den Kollegen/ Peers (Vermeidung von Interessenskonflikten). Auch der Ansatz der Institutionenethik blieb von Kritik nicht verschont. Will Teichert zufolge handelt sich der Ansatz den Vorwurf ein, »er reduziere die Verantwortung auf die jeweils vorfindbare Praxis« (Teichert 2005, S. 824). Ingrid Stapf wendet ein, allein Medienunternehmen Verantwortung zuzuschreiben, erscheine begrenzt. »Zwar haben Organisations- und Unternehmensstrukturen, -rationalitäten und -routinen Einfluss auf die darin arbeitenden Individuen, doch fragt sich, was die Unternehmen letztlich dazu motiviert, tatsächlich ein Unternehmensklima zu schaffen« (Stapf 2006, S. 130). Zu klären sei auch die Frage, »wie und ob Unternehmen überhaupt Verantwortung zugeschrieben werden kann bzw. nach welchen Maßgaben diese Zuschreibung und ihre Sanktionen im Rahmen der Ethik, und nicht arbeitsrechtlich erfolgen« (ebd.). Schließlich lässt sich mit Blick auf die Eingebundenheit des Journalisten in eine Organisation, in vor- und nachgelagerte Instanzen wie Politik, Wirtschaft, Werbung und Publikum noch der Gedanke der »gestuften Verantwortung« (Spaemann 1977) einbringen, demzufolge eine Ethik des Mediensystems mit verschiedenen Teilethiken zu entwickeln wäre (in Ansätzen dazu Pürer 1996a, S. 373-375; siehe auch Stapf 2006, S. 183-188, Abb. 13, S. 187). Lesenswert erscheinen in diesem Kontext u. a. der Beitrag von Matthias Karmasin (2010) über eine Konzeption von Medienethik als Unternehmensethik sowie jener von Klaus Meier (2010b) über die Redaktion als Institution der Medienethik. Meier verweist darin u. a. auf die korporative Verantwortung von Redaktionen sowie auf Beispiele redaktionell institutionalisierter Ethik. Moral und Ethik - und damit auch journalistische Moral und Ethik - haben eine eminent normative Komponente. Ihr verbindliches Normensystem, auf dessen Basis Journalisten in Ausübung ihres Berufes agieren, finden sie zunächst - wie jeder Bürger - in verfassungsmäßig gewährten Grundrechten sowie in den allgemeinen Vorschriften und Gesetzen. Von besonderer Bedeutung sind für Journalisten aber neben anderen Gesetzesmaterien v. a. Verfassungsbestimmungen (die sich auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit beziehen), Medien-, Presse- und Rundfunkgesetze sowie medienrelevante zivil- und strafrechtliche Bestimmungen (vgl. Weischenberg 1992, S.-136). An ihnen können bzw. müssen Journalisten ihr Handeln orientieren, um mit Recht und Gesetz nicht in Konflikt zu geraten. Weiterhin finden Journalisten für ihre Arbeit gute Orientierungsmöglichkeiten in sog. Pressekodizes (vgl. Deutscher Presserat 2011, S. 133-157). Das sind freiwillige, auf internationaler oder nationaler Ebene festgehaltene Übereinkünfte von Journalisten- und Verlegerverbänden, Presse- und Medienräten (vgl. w.v.). Die u. a. von dem US-amerikanischen Kommunikationsforscher Clifford Christians (Illinois) stammende Theorie der Publikumsethik sieht eine kollektive Verantwortung für das, was sich in Journalismus und Massenkommunikation tut, insbesondere auch bei den Zeitungslesern, Radiohörern und Fernsehkonsumenten. Christians versteht unter »kollektiver Verantwortung« oder »Verantwortung des Gemeinwesens« (communal responsibility) eine »umfassende moralische Pflicht der Öffentlichkeit, soziale Prozesse wie die gesellschaftliche Kommunikation zu überwachen« (Chris- <?page no="153"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 154 tians 1989, S.-258). Christians meint, dass wir als kulturell Handelnde die gemeinsame Verantwortung für die Lebensfähigkeit unserer Kultur tragen. Er beruft sich u. a. auf den Philosophen Hans Jonas und dessen Ethik der Voraussicht und der Fernverantwortung (vgl. Jonas 1979). Verantwortung versteht Jonas als Pflicht des Zu-Tuenden: Als Publikum, so Christians, unterliegen wir dem kategorischen Imperativ, unser Schicksal als Medienrezipienten selbst in die Hand zu nehmen und für eine künftige Journalismus-Kultur Sorge zu tragen, zumal wir gleichsam jene Medienkost erhalten, die wir verdienen. Christians unterbreitet keine Vorschläge, wie sein Ansatz in der Praxis umzusetzen ist. In seinen Ausführungen scheint aber die Idee der Medienverweigerung anzuklingen. Gemeint scheint nicht eine Flucht vor den Medien zu sein, sondern die Idee der Medienverweigerung in Form der bewussten Zurückweisung von Medienangeboten - die Kauf- oder Konsumverweigerung gewisser Medienprodukte als Akt des kollektiven Widerstandes gegen minderwertigen Journalismus und überflüssige Programmangebote (d. h.: was nicht gekauft bzw. konsumiert wird, kann sich am Markt auch nicht durchsetzen). Was den von Clifford Christians vehement vertretenen Aspekt der kollektiven Verantwortung betrifft, stellt sich für den klassischen Ethiker die Frage, ob undifferenzierte Größen wie ein Publikum für etwas verantwortlich gemacht werden können. Christians lässt sich aber von dem Gedanken leiten, dass Gesellschaften keine Größen ohne Moral seien (Christians 1989, S.-256 und 265). Nur das ethische Konzept einer von allen geteilten Verantwortung sei der Macht der technologisch hoch entwickelten Medien von heute gewachsen. So gesehen versteht er sein Konzept auch als ein medienökologisches. Der Ansatz Christians‹ geht zweifellos von einem sehr aufgeklärten und emanzipierten Publikum aus. Dabei stellt sich auch die Frage, wie in pluralistischen Gesellschaften so etwas wie kollektive Gesinnung überhaupt herstellbar ist. Rüdiger Funiok bringt mit verantwortlicher Mediennutzung auch das wichtige Thema Medienkompetenz ein (Funiok 2007, S. 173-176, mit zahlreichen Hinweisen auf weiterführende Literatur). Dies sei sowohl Aufgabe der familiären Medienerziehung wie auch der Medienpädagogik in Schule und Erwachsenenbildung. Medienkompetenz sei eine »Schlüsselqualifikation für die Informations- oder Wissensgesellschaft« (Funiok 2007, S. 173). Die Frage der Verantwortung in Journalismus und Massenkommunikation umfasst ein weites Feld. Der Schweizerische Medienforscher Matthias Loretan (1999) verweist in Anlehnung an die Diskursethik von Jürgen Habermas (u. a. 1981, 1983 sowie 1991) auf sechs verschiedene Ebenen unterschiedlicher Reichweite, auf denen das Thema mit Blick auf Verantwortung inhaltlich zu diskutieren sei (Loretan 1999, S. 180-183; siehe auch Thomaß 2007a, b): • die metaethische Ebene (Prinzipien der Medienethik, verständigungsorientiertes Handeln, Öffentlichkeit des Zugangs, gleichberechtigte Teilnahme u. a. m.); • die gesellschaftspolitische Ebene: Konkretisierung der Prinzipien, rechtsstaatliche Garantie von Grundrechten wie freie Meinungsäußerung und -bildung, Ordnungsrahmen für gesellschaftliche Kommunikation etc.; • die medienpolitische Ebene: Medienfreiheit als abgeleitete Freiheit, Inpflichtnahme der Medien in Bezug auf die öffentliche Meinungsbildung des Publikums; Rechtsetzung und Rechtsprechung etc.; • die berufspolitische Ebene: Interpretation der öffentlichen Aufgabe durch die publizistischen Rollenträger, Diskursverfahren zur Klärung normativer Fragen der journalistischen Praxis, Berufskodices und ihre Anwendung etc. • die Ebene organisatorischen Handelns: die Medienunternehmen, das Recht der Medienbetreiber bzw. Veranstalter als Subjekte der Pressefreiheit, Festlegung der publizistischen Tendenz, Beschaffung der Ressourcen, innere Medienfreiheit etc.; <?page no="154"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 155 • die personale(n) Ebene(n): Journalist und Rezipient sowie deren kommunikative und moralische Kompetenz; die erforderlichen Kompetenzen der Medienschaffenden, reflexive Standards moralischer Selbstverpflichtung etc. (vgl. Loretan 1999, S. 181ff). Das Thema Ethik hat v. a. in der jüngeren Kommunikationswissenschaft mehr denn je Konjunktur (vgl. u. a. Kunczik/ Zipfel 2001, S.-198ff; Thomaß 2000; Stapf 2006; Schicha/ Brosda 2010) und tangiert verständlicherweise auch die Ethik des Bildes/ Fotos in den Massenmedien (Leifert 2007), Internet, Onlinekommunikation (vgl. u. a. Debatin 1998b; Wiegerling 1999; Debatin 2001; Schwenk 2002; Hausmanninger/ Capurro 2002; Beck 2010) sowie Ethik in Computerspielen (Nagenborg 2010). Der Kommunikationswissenschaftler Bernhard Debatin sieht in der Ethik-Debatte eine Steuerungsfunktion im Hinblick auf Medienschaffende und Medieninstitutionen und eine Reflexionsfunktion für Gesellschaft und politisches System (vgl. Debatin 1997). Wenn der Journalismus, bzw. die Journalisten und andere Berufskommunikatoren, dennoch immer wieder ins Zentrum der Ethik- Debatte rücken, so deshalb, weil sie als Berufsrollenträger im System Massenkommunikation eine Schlüsselrolle einnehmen und das Grundrecht auf Pressefreiheit, in welcher spezifischen Berufsrolle auch immer, in hohem Maße und trotz Internet stellvertretend und treuhänderisch für die Bürger wahrnehmen (vgl. Stolte 1988). In jedem Fall trägt der einzelne Journalist die Verantwortung für die (auch an ethischen Kriterien zu messende) Qualität des von ihm persönlich geschaffenen Produkts, nicht jedoch für alle Eventualitäten und möglichen Wirkungen, die er mit seinem Beitrag auslöst. Auch kann kein Journalist unbedingt dafür haftbar gemacht werden, was etwa das Publikum aus dem macht, was er publiziert (vgl. Pörksen/ Weischenberg 2000, S.-144). Michael Kunczik und Astrid Zipfel (2001) weisen auf Entscheidungsdilemmata der Journalisten und Konsequenzen für die Berichterstattung hin (Kunczik/ Zipfel 2001, S. 229-240). Journalisten müssen Risiken einer Publikationsentscheidung abwägen gegenüber dem Informationsanspruch der Öffentlichkeit, ohne eine sichere Entscheidungsgrundlage zu besitzen. Bei Berichterstattung über kriminelles Verhalten und reale menschliche Gewalt z. B. kann die Gefahr von Nachahmungstaten bestehen (vgl. Kunzcik/ Zipfel 2001, S. 230f ), bei der Darstellung von Opfern von Gewalttaten besteht die Gefahr der sekundären Viktimisierung, also dass das Opfer eines Verbrechens durch Art und Weise der Veröffentlichung ein zweites Mal Opfer werden kann (vgl. Kunczik/ Zipfel 2001, S.- 237). Auch Negativstereotype von Minderheiten und degradierende Darstellungen gesellschaftlicher Gruppen können ein Problem sein (vgl. Kunczik/ Zipfel 2001, S. 238). Schließlich stellt sich auch die Frage, ob es verantwortbar sein kann, über ein Ereignis (ausnahmsweise) nicht zu berichten (Kunczik/ Zipfel 2001, S. 239). Hier wird deutlich, dass an Journalisten neben professionellen auch hohe ethische Anforderungen gestellt sind. Weischenberg et al. (2006) haben in ihrer Repräsentativbefragung herausgefunden, dass im internationalen Vergleich die deutschen Journalisten bezüglich ihrer Einstellungen zum Einsatz umstrittener Recherchemethoden vergleichsweise zurückhaltend sind (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 174ff). Zum Themenkomplex Journalismus-/ Medienethik liegt mittlerweile zahlreiche Literatur, verteilt auf viele Quellen, vor. Ingrid Stapf strukturiert in ihrer Monografie »Medienselbstkontrolle. Ethik und Institutionalisierung« (2006) den Themenkomplex weit über Medienselbstkontrolle hinaus gut. Sie stellt u. a. auch die (richtige) Verbindung des Themas ›Ethik im Journalismus‹ mit dem Thema ›Qualität im Journalismus‹ her, wobei ihre Ausführungen tendenziell eher auf den Printjournalismus bezogen sind. Medienselbstkontrolle mit Blick auf Film, elektronische Medien und Online-Medien wird im vorliegenden Buch weitgehend unter der Thematik ›Jugendmedienschutz‹ erörtert (vgl. Kap. 4.3.5.2, S. 272ff). Im Zusammenhang mit dem Fall Kachelmann ist in Deutschland etwas allgemeiner bekannt geworden, was auch rechtlich wie ethisch bei Gerichtsprozessen von hohem Interesse ist: »Litigation-PR«, also strategische Rechtskommunikation. Auskunft darüber erteilt u. a. ein von Lars Rademacher und Alexander Schmidt-Geiger (2012) herausgegebener Sammelband. Einen guten <?page no="155"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 156 Überblick über relevante ethische Fragen und Themen im Journalismus verschafft das von Christian Schicha und Carsten Brosda herausgegebene »Handbuch Medienethik« (Schicha/ Brosda 2010). Es enthält auch eine kommentierte Auswahlbibliografie. 4.1.3.4 Onlinejournalismus Mit dem Aufkommen des Internets und der Onlinemedien sieht sich auch der Journalismus neuen Herausforderungen und Aufgaben gegenüber. Zahlreiche klassische Medien, ob Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk- oder Fernsehveranstalter, engagieren sich mit eigenen Onlineauftritten im World Wide Web und ergänzen damit ihr publizistisches Angebot. Es braucht daher auch Personen, die diese Angebote mit Inhalt füllen - mit »Content«, wie das häufig strapazierte Zauberwort heißt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es wenig sinnvoll ist, die in den klassischen Medien publizierten Inhalte eins zu eins ins Web zu übertragen: Zum einen hat auch das Internet, ebenso wie alle anderen Medien, seine - großteils technisch bedingten - medienspezifischen Eigengesetzlichkeiten; diese wirken auf Art und Weise der Aufbereitung und Präsentation der Inhalte zurück und sind von den Onlinejournalisten daher zu berücksichtigen. Zum zweiten: In den Angeboten der »alten« Medien und in ihren neuen Onlineangeboten sind einander ergänzende Medienangebote zu sehen, die seitens des Publikums auch komplementär genutzt werden. Es gibt zahlreiche Versuche, Merkmale und Charakteristika von Onlinemedien aufzuzeigen, die das Internet bzw. die Onlinemedien auszeichnen und von den klassischen Medien abgrenzen bzw. unterscheiden (vgl. Meier 1998; Bolter 1997; Sandbothe 1997; Riefler 1997a, 1997b; Wagner 1998; Mrazek 1998; Friedrichsen et al. 1999; Trappel 2007). Jene wichtigen Merkmale, die unmittelbar auch auf den Journalismus zurückwirken, sind: Aktualität/ Schnelligkeit, Hypertextualität-/ Vernetzung, Interaktivität, Multimedialität, unbegrenzte Speicherkapazität, Digitalisierung, Technikgebundenheit, einfache Publikationsmöglichkeiten und Anonymität. Im Hinblick auf Herausforderungen, Chancen und Gefahren für den Journalismus lassen sie sich wie folgt beschreiben: Aktualität: In keinem anderen Medium kann - noch dazu bei vergleichsweise wenig Aufwand - so schnell publiziert und seitens des Journalisten aktuell reagiert werden wie im Internet. Aktualität prägt im Netz stärker als jede andere Norm die Arbeit der Journalisten. Der Onlinejournalist muss daher lernen, mit der kürzeren Verfallszeit seines Produkts umzugehen. Überholte Information muss er löschen, zeitlose Information (möglicherweise über einen Link) in ein Archiv umleiten, aktuelle mit latent aktueller Information vernetzen. Dadurch kann Hintergrund hergestellt und angeboten, können Themen gut eingeordnet, kann analysiert und kommentiert werden. Fehler können im Internet sehr leicht korrigiert werden. Gleichzeitig darf der Journalist nicht der Gefahr unterliegen, der Aktualität bedingungslos zu erliegen. Recherche und Überprüfung der Richtigkeit top-aktueller Informationen sind weiterhin unabdingbar erforderlich (vgl. z. B. Meier 1998b). Hypertextualität/ Vernetzung: Hypertextualität ermöglicht es, verschiedene Textelemente durch »Verlinkung« vielfältig zu verknüpfen. Komplexe Themen können »modular« aufbereitet und durch Links mit anderen vernetzt werden. Dadurch erhalten sie allerdings eine nichtlineare Struktur. Bezüglich der Verlinkung lässt sich Josef Trappel (2007, S. 41) zufolge unterscheiden zwischen verweisenden Hyperlinks (Links zu den Websites der in einem Beitrag genannten Akteure), vertiefenden Hyperlinks (Vertiefung von im Text referierten Sachverhalten) und vernetzenden Hyperlinks (Verweise auf verwendete Quellen im Text). Weiters kann man unterscheiden zwischen internen Links (eigene Redaktion) und externen Links (außerhalb der Redaktion). Der Journalist muss um die Wirkung der Hypertextualität und nichtlinearer Erzählstrukturen Bescheid wissen und sich immer die Frage stellen, ob es überhaupt sinnvoll ist, einen Text hypertextuell zu zerstückeln (vgl. u. a. Meier <?page no="156"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 157 1998a, S.-43). Auch ist immer zu prüfen, wie tief man einen Text verlinkt (wie tief man Links staffelt), wo und wie viele Links man einsetzt und welche Navigationshilfen man dem User anbietet (vgl. Mrazek 1998, S.-42) - schließlich soll der Onlineleser im Cyberspace nicht verloren gehen. Durch das Anlegen von Dossiers und von Archiven z. B. kann Information hypertextuell perfekt nach Tiefe gestaffelt werden. Über Links ist es auch möglich, auf weiter(führend)e Aspekte eines Themas/ einer Information zu verweisen (vgl. Friedrichsen et al. 1999, S.-141). Freilich muss der Journalist Inhalt und Glaubwürdigkeit jener Information, auf die seine Links verweisen, ständig überprüfen (vgl. Meier 1998b, S.- 85). In der Hypertextualität liegen freilich auch Gefahren: Sie kann Unübersichtlichkeit zur Folge haben, Links als Selbstzweck können zu Orientierungsverlust, unsinnige Links zu Glaubwürdigkeitsverlust beim User bzw. Leser führen. Zudem können im Dickicht von Hypertexten hierarchische Strukturen einer Information (was ist wichtig, was nicht) verloren gehen (vgl. Maier-Rabler/ Sutterlütti 1997, S.-243ff). Interaktivität: Mit Interaktivität (vgl. Kap. 3.3.3) ist die Möglichkeit des Rezipienten gemeint, Einfluss auf den Kommunikationsvorgang zu nehmen und spontan zum Kommunikator zurück zu reagieren. Im Internet ist es also möglich, den User »nicht nur lesen, hören und sehen, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen« (Meier 1998a, S.-95). Interaktion vollzieht sich über verschiedene Rückkanäle wie E-Mails, Chats, Teilnahme an Umfragen und Newsgroups etc. Für Onlinejournalisten eröffnet sich hier ein neues Aufgabenfeld. Sie müssen offen für die Interessen ihrer User sein und (mitunter zeitaufwändige) Kommunikation mit dem Onlineleser managen können. Über Onlineumfragen kann der Journalist z. B. aber auch Informationen über die Interessen seiner Leser einholen und so erforderlichenfalls seine Zielgruppe besser bedienen. Umgekehrt soll sich journalistisches Handeln in der Onlinezeitung nicht ausschließlich etwa aus Nutzer-Profilen (User-Logfiles) und Artikelrankings herleiten (vgl. Mast 1997). Multimedialität: Unter Multimedialität versteht man die Kombination und Integration verschiedener Medienanwendungen wie Text, Ton (Sound), Bild, Film bzw. Video und Grafik. Möglich ist dies durch die Technik der Digitalisierung, die in der technischen Auflösung keine Unterschiede zwischen unterschiedlichen »Daten« (Text-, Ton-, Bilddaten) macht. Multimedialität setzt beim Journalisten voraus, dass er unterschiedliche Medienanwendungen (z. B. Ton oder Video neben Text und Grafik) nicht nur zur Verfügung hat, sondern technisch auch handhaben und im Onlineprodukt praktisch-handwerklich umsetzen kann. Infolge ihrer (bisherigen) Spezialisierung auf oftmals nur ein Medium ist dies bei vielen Journalisten aber nicht der Fall. Hinzu kommt, dass auch im Internet das geschriebene Wort die grundlegende Medienanwendung bleibt, weil Texte harte und knappe Information immer noch am besten transportieren können. Gleichwohl ist die Beherrschung multimedialer Gestaltungstechniken eine wichtige Voraussetzung für Onlinejournalisten, zumal die technische Konvergenz inhaltliche Konvergenz zur Folge hat und dadurch Synergien für Mehrfachverwertungen erzielt werden können (vgl. w. u.). Umgekehrt ist die Problematik nicht zu übersehen, dass durch den hohen technischen Aufwand von Multimedialität die eigentlichen journalistischen Tätigkeiten, insbesondere gründliche Recherche und Selektion, in den Hintergrund gedrängt werden und ein oberflächlicheres Produkt entsteht (vgl. Klinenberg 1999, S.-17). Unbegrenzte Speicherkapazität: Der »unendliche Speicher« (Meier 1998a, S.-80) der vielen Internetserver hebt die quantitative Umfangsbeschränkung (Raum wie Zeit) aller bisherigen Medien auf - im Internet spielen Zeitungsumfänge oder die Länge der Sendezeit (Hörfunk, Fernsehen) etc. keine Rolle. Das digitale Netz bietet über Datenbanken nahezu unbeschränkte Möglichkeiten, »Vergangenheit im Heute« (Meier 1998a, S.-83) festzuhalten. Das WWW wird gewissermaßen zum Medium mit Gedächtnis. Den einen erscheint es als Informationsparadies, den anderen als (Informations-) Weltmüllhalde. Dies tangiert klassische journalistische Qualifikationen wie 1) die Fähigkeit, rasch und präzise aus der unübersehbaren Fülle von Informationen die richtigen und wichtigen zu schöp- <?page no="157"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 158 fen (also wissen, wo); 2) die Fähigkeit, die gefundene Information, ihre Qualität und Güte, richtig einzuschätzen und zu bewerten (wissen, von wem und von wann); sowie 3) Entscheidungen darüber zu treffen, welche Informationen gespeichert, verlinkt und archiviert werden sollen (wissen, wohin). Im Internet wird der Journalist zum Wissensmanager, dem Datenbanken zur Verfügung stehen und der Datenbanken wiederum beliefert. Digitalisierung der Information: Durch Digitalisierung ist dreierlei möglich: 1) die weltweit einheitliche Verbreitung von Daten (und damit deren globale Verfügbarkeit und Abrufbarkeit); 2) die technisch identische, einfache Übermittlung von Daten (z. B. über das TCP/ IP-Protokoll des Internets), bei deren Kopieren es keinen Qualitätsverlust gibt; sowie 3) der jederzeit mögliche Zugriff auf Daten, die ebenso jederzeit aktualisiert, korrigiert, aber auch manipuliert werden können (vgl. Wagner 1998). Digitalisierte journalistische Inhalte sind also austauschbar, kopierbar und modifizierbar, stellen »Content« und damit Ware dar. Es liegt an den Onlinejournalisten, digitalisiert vorliegende Information richtig und ggf. mehrfach sowie differenziert für verschiedene Onlinemedien bzw. -Ausgaben zu verwerten (Meldung, Newsletter, Artikel, Analyse, Dossier, Archivstück). Digitalisierung intensiviert im Internet auch intermediären Wettbewerb: Onlinezeitungen bringen neben Texten Ton und Bild; Onlineangebote von Hörfunk- und Fernsehstationen bieten neben Ton und Bild vielfältige Textangebote an. Digitalisierung ermöglicht infolge leichter Kopierbarkeit von Daten deren Plagiat und damit die Verletzung von Urheberrechten (vgl. Bolter 1997). Digitalisierung begünstigt die Automatisierung journalistischer Arbeit, bzw. journalistischer Selektion, wenn Software-Programme nach Angaben des Users Informationsbzw. Datenpakete zusammenstellen und automatisch an den Endverbraucher übermitteln. Dies ist z. B. beim »Daily Me« der Fall (vgl. Riefler 1999). Es ist dies ein inhaltlich nach persönlichen Wünschen des Users zusammengestellter Informationsdienst, eine Art für den persönlichen Bedarf zusammengestellte Zeitung, die über ein Endgerät beim User ausgedruckt werden kann. Einfache Publikationsmöglichkeit/ Anonymität: Das Internet als digitale Plattform für Content- Darbietungen vielfältiger Art ermöglicht jeder Person, die mit Computern umgehen kann, die Verwirklichung des Grundrechtes auf Pressefreiheit. Die dazu erforderliche technische Ausstattung ist wesentlich weniger aufwändig als bei klassischen Medien, deren technischer, personeller und materieller Aufwand für den Durchschnittsbürger in der Startphase in aller Regel unfinanzierbar ist. Im Internet kann jeder Empfänger (User bzw. Konsument) zum Sender (Produzenten) werden (und dies übrigens auch anonym) und (s)ein Angebot ins Netz stellen. Die Fülle dieser Onlineangebote ist seit Jahren nicht mehr überschaubar, täglich kommen weltweit tausende neu hinzu. Selbst technisch hoch entwickelte Internetsuchmaschinen sind nicht oder nur selten in der Lage, diese ungeheure Fülle zu bewältigen, sodass immer noch leistungsfähigere Selektionsprogramme entwickelt werden. Umso mehr erfordert die Fülle der vorhandenen Angebote vom Onlinejournalisten ein hohes Maß an Recherchekompetenz und die Bereitschaft und Verpflichtung zu Quellenverifikation und Glaubwürdigkeitsüberprüfung (vgl. Meier 1998a). Dies gilt auch im Hinblick auf die vielfältigen Webangebote professioneller Onlineanbieter, bei deren Onlineauftritt sich Information, Public Relations und Werbung oftmals ununterscheidbar vermengen. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die technisch einfachen, aber weltweit wirksamen Publikationsmöglichkeiten im Internet auch als Chancen für Meinungsfreiheit und publizistische Vielfalt in autoritären Systemen begriffen werden können, in denen traditionelles Publizieren für regimekritische Personen und Gruppen kaum oder nur unter sehr schwierigen Bedingungen möglich ist. Technikgebundenheit: Onlinemedien sind in hohem Maße technikgebunden. Als Eingabe- und Empfangsmedium dienen neben Internethandys, Smartphones, Tablets etc. in aller Regel immer noch vorwiegend Computer und Laptops mit rapide wachsender technischer Leistungsfähigkeit. Professionelle Handhabung und komplexe Bedienung erfordern Computerliteracy, die im Medien- <?page no="158"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 159 bereich nicht nur Onlinejournalisten beherrschen müssen. Dies gilt auch im Hinblick auf Kenntnisse um die Beschränkungen des Mediums, insbesondere, was den Bildschirm betrifft: Er ist ein in aller Regel kleines Ausgabemedium; der Platz auf einer Bildschirmseite ist beschränkt. Lesen am Bildschirm, besonders das Lesen langer Texte, ist für den User anstrengend und mühsam (Onliner lesen, wenn überhaupt, anders). Der »Unbegrenztheit der Informationsmenge steht die Enge des Bildschirms gegenüber, die eine Entwicklung neuer Präsentationsformen quasi erzwingt« (Friedrichsen et al. 1999, S.-140). Die Folge ist oftmals Häppchenjournalismus mit kurzen, zerhackten Texten. Dieses Szenario verkennt die Möglichkeiten des Meta-Mediums Internet. So sind lange Texte z. B. als Download oder in einer ausdruckbaren Print-Version möglich und nützlich. Globalität: Nicht zuletzt ist auf die Globalität des Internets zu verweisen. Sofern die technischen Voraussetzungen erfüllt sind (technisches Equipment wie Computer, Onlinezugang, mobile Eingabe- und Empfangsgeräte wie Smartphones etc.), kann man weltweit von allen Orten aus auf einzelne Seiten anderer oder allgemein auf Angebote des Internets zugreifen oder z. B. via E-Mail auch weltweit kommunizieren. Dies bedeutet auch die Möglichkeit, das eigene Angebot weltweit zugänglich und verfügbar zu machen (sofern infolge von Internetzensur, die es in manchen totalitären Staaten gibt, bestimmte Seiten oder Server nicht gesperrt sind). Journalismus in Onlinemedien unterscheidet sich also in vieler Hinsicht vom Journalismus in klassischen Medien. Festzustehen scheint, dass sich im Onlinejournalismus die klassische Gatekeeper-Rolle zum Informationsmanager weiterentwickelt (vgl. Kramers 1997). Aufgabe des Journalisten im Netz ist nicht mehr nur die Selektion, sondern v. a. - angesichts ihrer Überfülle - die Verknüpfung von Information zu Wissen. Wissen ist verknüpfte, vernetzte, relevante, subjektgebundene und zweckorientierte Information (vgl. Stehr 1994), die sich in Beziehung zur Umwelt setzt. Nicht abstrakte und punktuelle Information, erst Wissen befähigt zu sozialem Handeln. Auf der Weltinformationsmüllhalde, wie das Internet mitunter abfällig bezeichnet wird, ist der Journalist daher besonders gefordert: Er ist weniger der Chronist; er hat vielmehr die Aufgabe, die Materialflut zu bändigen, sie zu nutzenbringendem Wissen umzubauen und zusammenzufassen und damit die Chance, sich von zahllosen anderen Quellen des Internets nutzergerecht zu unterscheiden (vgl. Meier 1998a, S.-39). Er hat die Aufgabe, den Informationsstrom zu managen und durch Links isolierte Informationswelten spezialisierter Anbieter einzuordnen und zu verknüpfen. Gleichzeitig muss er sich mit einem Machtverlust gegenüber dem User abfinden, der i. a. R. über das Netz zu den gleichen Informationsquellen Zugang hat und selbst Informationen ins Netz stellen kann (vgl. Zeuder 1998). Im Übrigen verlief die Entwicklung des Onlinejournalismus im deutschen Sprachraum in drei Phasen (vgl. Mrazek 1998, S.-29): Ab 1993/ 94 kann man zunächst vom Einzelkämpfertum sprechen, als einzelne Technikfans in Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen mit dem neuen Medium mehr oder weniger kreativ spielten (Phase 1). Ab 1995 entstanden erste Webpräsenzen von Zeitungen und Zeitschriften. Die damaligen Webjournalisten waren Programmierer, Texter, Layouter, Grafiker, Anzeigenakquisiteur, Marketing- und Vertriebsleiter, Nutzerbetreuer (und manchmal auch Service- Techniker) in einer Person (Dernbach 1998, S.-60). Die Webauftritte bestanden aus PR-Teilen in eigener Sache sowie in der mehr oder weniger gelungenen Umsetzung der Inhalte des gedruckten Mediums ins Netz (Phase 2). Ab 1997/ 1998 kann man von professionell arbeitenden Onlineredaktionen sprechen, mit eigenen Redaktionsstrukturen und -systemen sowie mit erweiterten und inhaltlich gegenüber dem Ursprungsmedium modifizierten Webpräsenzen (Phase 3). Den klassischen, nicht onlinetätigen Journalisten wird es wohl auch in Zukunft geben. Um Synergien auszuschöpfen, werden aber beide - Online- und Offlinejournalisten - einander gegenseitig zuarbeiten. Wichtige Aspekte zum Thema Onlinejournalismus lassen sich wie folgt zusammenfassen: <?page no="159"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 160 • Onlinejournalismus ist Geschwindigkeits-Journalismus, der unter dem Diktat bzw. Zwang zur Aktualität steht. Die Frage ist, ob darunter die Sorgfalt leidet. • Onlinejournalismus ist multimedialer Journalismus, der die dem Medium Internet inhärenten technischen Möglichkeiten der multimedialen Aufbereitung und Präsentation (Integration von Text, Ton, Bild, Film, Grafik, Animation) ausschöpft. • Onlinejournalismus ist vernetzender und vernetzter Journalismus, der Themen und Texte sinnvoll verknüpft bzw. verlinkt und dadurch ein hohes Maß an Informationstiefe erbringen kann. • Online-Journalismus ist Kommunikationsmanagement, das auf den interaktiv reagierenden User Rücksicht nimmt und ihn durch Zielgruppen-Journalismus (noch) besser bedienen kann. • Onlinejournalismus ist in hohem Maße technikgebundener Journalismus, der die Gestaltungsmöglichkeiten des Internets ausschöpft, Onlineangebote selbst aktiv als Arbeitsmittel (z. B. Recherche) nutzt, aber auch die Grenzen des Mediums (Gestaltungszwänge auf Grund der Enge des Bildschirms) berücksichtigt. • Onlinejournalismus ist Informations- und Wissensmanagement, das Informationen für den User zu nutzenbringendem Wissen verknüpft und mehrmedial verwertet. • Onlinejournalismus und Offlinejournalismus kooperieren, um vielfältige Synergien für Online- und Offlinemedien auszuschöpfen und Kosten sparend zu nutzen. • Onlinejournalismus ist Ganzheits- und Schnittstellen-Journalismus, der Arbeits- und Kompetenzgrenzen des klassischen Journalismus weitgehend aufhebt. • Onlinejournalismus verdrängt den klassischen Journalismus nicht, (neue) Online- und (alte) Offlinemedien sind einander ergänzende Medien, die komplementär genutzt werden. Über den Journalismus in einer digital vernetzten Gesellschaft lässt sich Folgendes mit ziemlicher Sicherheit sagen: Jeder Journalist wird online sein und das Netz vielfältig für Recherche- und Kommunikationszwecke nutzen. Nicht jeder Journalist aber wird Onlinejournalist sein, zumal in den klassischen Medien vorerst immer noch der vergleichsweise größere Arbeitsmarkt für Journalisten zu sehen ist. Onlinejournalisten in Deutschland - empirische Befunde Kommunikationswissenschaftliche Bemühungen, die Bedeutung des Internets für klassische Medien, bzw. für Printmedien und für Onlinejournalismus wissenschaftlich zu ergründen, haben bereits in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre eingesetzt. Beiträge unterschiedlicher Art dazu enthalten z. B. u. a. die Sammelbände von Christoph Neuberger und Jan Tonnemacher (1999, Neuauflage 2003) sowie Klaus-Dieter Altmeppen et al. (2000). Zahlreiche weitere, größere und kleinere Studien sind gefolgt. Auch Lehrbücher für den Onlinejournalismus waren relativ rasch zur Stelle (Meier 1998a, seither Neuauflagen; Hooffacker 2001, inzwischen ebenfalls Neuauflagen). Eine erste Repräsentativbefragung über die Gruppe der Onlinejournalisten in Deutschland liegt in der Untersuchung von Löffelholz et al. vor (2003). Es handelt sich um eine 2002 durchgeführte Erhebung zu Berufsstruktur und Tätigkeitsmerkmalen von Journalisten in Onlineredaktionen. Die Forscher konnten in Vorarbeiten eine Gesamtzahl von 1150 redaktionellen Einheiten ermitteln, die journalistische Onlinemedien produzieren und in denen rund 7.800 Onlinejournalisten, darunter mehr als 4.400 fest angestellte, tätig sind. Die Resultate der Studie basieren auf 461 Interviews mit Onlinejournalisten und -journalistinnen in Deutschland. Anhand der Kriterien 1) Einkommen aus journalistischer Tätigkeit sowie 2) Gesamtarbeitszeit konnten drei Gruppen von Journalisten ermittelt werden: der Kern (13 Prozent, hauptberufliche Tätigkeit, gesamte Arbeitszeit in Onlinemedien, <?page no="160"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 161 583 festangestellte), der innere Rand (82 Prozent, hauptberuflich, nur Teil der Tätigkeit in Onlinemedien, 3619 fest angestellte) sowie der äußere Rand (5 Prozent, nebenberuflich, nur Teil der Tätigkeit in Onlinemedien, 212 Personen). Zu ihren Basismerkmalen: Der Onlinejournalist ist 35 Jahre alt, männlich, technikaffin, verfügt über einen Universitätsabschluss und hat eine etwas geringere Berufserfahrung als Journalisten in klassischen Medien. Er verfügt über ein Volontariat, ist besonders gut ausgebildet (trifft v. a. auf den Kern zu) und hat onlinespezifische Qualifikationen durch »learning by doing« erworben. Er ist in hohem Ausmaß mit Schreiben, Recherchieren (vorwiegend online) und Auswahl von Nachrichten befasst, ebenso mit Einpflegen bzw. Einkopieren von Websites. Er versteht sich in erster Linie als Informationsvermittler und möchte sein Publikum möglichst schnell informieren. Ähnlich wie im Journalismus in Redaktionen von Nachrichtenagenturen ist er in relativ hohem Maße mit Selektieren und Redigieren befasst. »Onlinejournalisten, die hauptberuflich tätig sind und mit ihrer gesamten Arbeitszeit für Onlinemedien arbeiten (also der ›Kern‹), sehen ihre Aufgaben häufiger im Bereich des klassischen Informationsjournalismus. In etwas geringerem Maße gilt das für Personen, die den inneren Rand des Onlinejournalismus bilden. Auch sie wollen - deutlich intensiver als ihre Kollegen vom äußeren Rand - das Publikum neutral und präzise informieren, komplexe Sachverhalte erklären sowie Nachrichten für ein weitest mögliches Publikum vermitteln« (Löffelholz et al. 2003, S. 484). Nebenberuflich tätige, zum äußeren Rand zugehörige Personen »beabsichtigen häufiger als die hauptberuflich tätigen Onlinejournalisten, ihren Rezipienten eigene Ansichten zu präsentieren. Diese Gruppe sieht sich vermehrt als Ratgeber, die dem Publikum Lebenshilfe bieten wollen« (ebd.). Aufs Ganze gesehen gibt es nur geringe Unterschiede zum traditionellen Journalismus, von »einem völlig neuen Journalismustyp zu sprechen, erscheint […] waghalsig« (Löffelholz et al. 2003, S. 485). Was die Tätigkeitsmerkmale wie Recherchieren und Selektieren betrifft, so kommt Kathrin Meyer (2005) in ihrer Befragung (Datenerhebung 2003) über crossmediale Zusammenarbeit von Print- und Onlineredaktionen bei Tageszeitungen in Deutschland zu teils ähnlichen Ergebnissen (Meyer 2005). Ein weiteres ihrer Resultate ist u. a., dass Onlinejournalisten wenig zum eigenen Schreiben (v. a. längerer Beiträge) kommen. Die allgemeine Zusammenarbeit Print-Online ist Meyer zufolge in den Ressorts Politik, Wirtschaft und Regionales/ Lokales stärker ausgeprägt als in anderen Ressorts. Von den von Michael Brüggemann (2002) mittels Intensivinterviews in Zeitungsredaktionen ermittelten drei Möglichkeiten crossmedialer Zusammenarbeit Print-Online, nämlich Autonomie, Mehrfachverwertung und Komplementarität, ist jene der Komplementarität »mit Abstand am häufigsten vorzufinden« (Meyer 2005, S. 305). Von Thorsten Quandt (2002, 2005) stammen auf Basis einer Netzwerktheorie journalistischen Handelns Redaktionsbeobachtungen in fünf deutschen Onlineredaktionen (Netzeitung, Faz.net, SVZonline, tagesschau.de und Spiegel Online; Datenerhebung 2001). Er findet »verbindende Muster im Handeln der Redakteure, die darauf schließen lassen, dass sich Handlungregeln und -strukturen des Online-Journalismus herauskristallisieren« (so die Inhaltsangebote der umfangreichen und sehr ins Detail gehenden Studie in deren Einband). Die Studien liegen allesamt zehn Jahre zurück. Wandel des Journalismus - Wandel der Öffentlichkeit Der Journalismus allgemein, insbesondere aber der Onlinejournalismus - bzw. richtiger: der Journalismus im Internet - unterliegt zudem einem Wandel. Zum einen: Es ist im Internet auch anderen Anbietern wie Politikern und politischen Parteien, Unternehmen und Institutionen, PR-Agenturen und der werbungtreibenden Wirtschaft, de facto allen, die über das (relativ einfache) erforderliche technische Know-how verfügen, möglich, Informationen zu publizieren. Dadurch verliert der professionelle Journalismus sein Informationsmonopol, das Internet erweitert »den Kreis der poten- <?page no="161"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 162 ziellen Kommunikatoren« (Neuberger/ Quandt 2010), der Journalismus »ist nicht mehr jene zentrale Filterinstanz, die jede publizierte Nachricht passiert haben muss« (ebd.). Zum anderen: Wegen der im Internet gegebenen Möglichkeiten für die Nutzer bzw. User, über E-Mails, Kommentarfunktionen etc. interaktiv zu werden, sind Journalisten v. a. in Onlineredaktionen in deutlich stärkerem Maße Rückkoppelungsmöglichkeiten der Mediennutzer ausgesetzt. »Das Internet vereinfacht nun den kommunikativen Zugang zur Öffentlichkeit« und »technische, ökonomische, kognitive und rechtliche Barrieren [sind] für das Publikum niedriger […] als in Presse und Rundfunk« (Neuberger/ Quandt 2010, S. 67). Es kommt zu einem »Entwicklungsschub in der öffentlichen Kommunikation: Die Inklusion des Publikums erweitert sich über die Rezeption hinaus auf die Kommunikation. Dadurch verschiebt sich das Verhältnis zwischen Leistungs- und Publikumsrollen im Öffentlichkeitssystem: Die einflussreiche Rolle des professionellen Journalismus als ›Gatekeeper‹, der bislang alleine über den Zugang zur aktuellen Öffentlichkeit entschieden hat, ist damit [z.T. zumindest - Ergänzung H. P.] in Frage gestellt« (Neuberger/ Quandt 2010, S. 67f ). Genutzt wird diese Möglichkeit, wie aus der ARD/ ZDF-Onlinestudie 2009 hervorgeht, von vergleichsweise wenig Personen (Busemann/ Gscheidle 2009). »Gleichwohl besitzt das Internet das technische Potenzial, dass sich die öffentliche Kommunikation von einer sozial selektiven, linearen und einseitigen zu einer partizipativen, netzartigen und interaktiven Kommunikation verändert« (Neuberger/ Quandt 2010, S. 68). Diesem Partizipationsgewinn stehen Folgeprobleme sowohl aufseiten der Kommunikatoren wie der Rezipienten gegenüber: »die quantitative und qualitative Überforderung der Rezipienten sowie - als Kehrseite - die Schwierigkeit von Kommunikatoren, Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit zu gewinnen« (Neuberger/ Quandt 2010, S. 69). Indem sich im Prinzip »jeder öffentlich zu Wort melden kann, schwillt die ›Informationsflut‹ weiter an«, Überlastung, Aufmerksamkeits- und Verarbeitungskapazitäten sind die Folge (vgl. ebd.). Es fehlt eine »flächendeckende Qualitätssicherung (›Informationsmüll‹)«, es herrscht »Knappheit an Aufmerksamkeit und Urteilsvermögen auf Seiten der Rezipienten« (ebd.). Gleichwohl werden Journalisten als Mediatoren im Internet nicht überflüssig, es wandeln sich aber, wie Neuberger/ Quandt schreiben, »die spezifischen Vermittlungsleistungen« (Neuberger/ Quandt 2010, S. 69): 1) Anstelle des Gatekeeping (Entscheidungen über Publikation oder Nichtpublikation von Informationen) ist ein ›Gatewatching‹ (Bruns 2009, S. 11-19) erforderlich: Orientierung wird im Internetjournalismus zu einer wichtigen Leistung. 2) Der Journalismus im Internet »kann förderliche Bedingungen für die Kommunikation von Nutzern schaffen, indem er sie organisiert und moderiert« (Neuberger/ Quandt 2010, S. 70). Und 3): Gatekeeping »außerhalb des Internets ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung«, weil relevante Informationen im Internet auch künftig »überwiegend aus den klassischen Medien stammen [dürften]« (ebd.). Vermittlungsleistungen im Internet werden nicht mehr nur durch professionelle Kommunikatoren (Journalisten) erbracht, sondern auch durch partizipativen Journalismus. Das können »sowohl Nutzerplattformen zu journalistischen Themen sein« (wie Wikinews, Shortnews, Webnews etc.) »als auch Individualformate wie Weblogs, Videoblogs und Podcasts, die i. d. R. nur von einer Person betrieben werden, untereinander aber oft vernetzt sind (Blogosphäre)«. Deren Qualität wird in aller Regel erst »nach der Publikation von Nutzern öffentlich geprüft«, wohingegen »im traditionellen Journalismus die Qualitätssicherung weitgehend eine interne Angelegenheit von Profession und Redaktion ist (Neuberger/ Quandt 2010, S. 71) und die Kontrolle der Richtigkeit der Inhalte vor deren Veröffentlichung erfolgt. Technische Vermittlungsleistungen »kommen von Suchmaschinen (wie Google News), Agenten und sonstigen Aggregatoren […], die Nachrichten automatisch recherchieren, selektieren und aggregieren […]. Sie verschaffen damit den Zugang zu einer Vielzahl journalistischer Angebote, ohne allerdings selbst Nachrichten beizusteuern« (ebd.). Freilich ist zu prüfen, »inwieweit durch Partizipation und Technik tatsächlich journalistische Vermittlungsleistungen <?page no="162"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 163 erbracht werden« (ebd.). Über Weblogs vorliegende empirische Befunde »lassen vermuten, dass partizipative Angebote kaum in der Lage sind, gleichwertige Leistungen wie der professionelle Journalismus zu erbringen, sieht man von einzelnen Blogs ab, die von Profijournalisten betrieben werden« (Neuberger/ Quandt 2010, S. 71, mit Bezugnahme auf Neuberger et al. 2007, 2009). Was weitere Beziehungen zwischen professionellem Journalismus und anderen Anbietern im Internet betrifft, so gibt es komplementäre Beziehungen. Gemeint sind Laienkommunikatoren wie Blogger, die für Journalisten als Quelle für die Recherche dienen oder als Rezipienten für Anschlusskommunikation sorgen. Weblogs stellen damit Resonanzräume der Massenmedien dar (Neuberger/ Quandt 2010, S. 72). Auch Nachrichtensuchmaschinen erbringen komplementäre Leistungen, wenn Journalisten darin recherchieren. Klassischer und Onlinejournalismus integrieren professionelle, partizipative und technisch gestützte Kommunikation durch Nutzerbeteiligung, wenn z. B. Leserreporter in die Vermittlerrolle schlüpfen und Informationen an Redaktionen liefern (vgl. Vetter 2007). In aller Regel müssen diese Informationen freilich durch professionelle Journalisten auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden. Leserreporter, die oftmals v. a. wertvolle Informationen aus dem lokalen und sublokalen Bereich liefern, sind für die Redaktionen damit - überspitzt formuliert - Segen (Informationszulieferung) und Fluch (Erfordernis der Informationsüberprüfung) zugleich (vgl. Vetter 2007; Kopp/ Schönhagen 2008; Singer et al. 2011). Crossmedialer Journalismus Viele Zeitungen und andere Medienbetriebe produzieren neben klassischen Medien wie Zeitungen und Zeitschriften inzwischen auch Applikationen für mobile Endgeräte und bedienen damit neben Onlinezeitungen und E-Papers (1: 1-Wiedergabe gedruckter Zeitungen am Computerbildschirm) weitere Ausspielwege für Informationen vielfältiger Art. Möglich ist dies, weil die meisten Informationen, seien dies nun Texte, (bewegte) Bilder, Töne, (animierte) Grafiken etc. infolge der Digitalisierung ›konvergent‹ vielseitig verwenbar vorliegen. Mittels gemeinsamer Newsrooms und -desks, die es in zahlreichen Zeitungsverlagshäusern gibt (und über die auch angeschlossene Radio- oder Fernsehredaktionen bedient werden können), ist dies gut zu bewältigen (vgl. Meier 2010a, S. 100ff). Der Newsroom stellt ein (auch architektonisches) Konzept dar, welches das ressort- und medienübergreifende Planen und Arbeiten unterstützen soll, meist ohne trennende Wände zwischen den Ressorts. Der sich darin befindende Newsdesk ist eine »Koordinations- und Produktionszentrale«, in der alles zusammenläuft, was eine Redaktion an Material bekommt (ebd.). Bei Tageszeitungen sind dies die Orte, an denen die Seiten verschiedener Ressorts oder Lokalredaktionen koordiniert und produziert werden. Wenn von solchen Newsrooms und Newsdesks aus von Journalisten mehrere Ausspielkanäle bzw. Medienkanäle gleichzeitig bedient werden, ist von »crossmedialem Journalismus« die Rede (Meier 2006, 2007b, 2010a). Dies bedeutet jedoch nicht, dass etwa eine Person alle diese Ausspielkanäle zugleich mit einem Produkt bedienen kann. Nach wie vor gibt es »unterschiedliche Produktionsweisen und differierende journalistische Kulturen«, die integriert werden müssen (Neuberger/ Quandt 2010, S. 66). Es sind dies u. a. auch Eigengesetzlichkeiten und Zwänge, die für die gedruckten Zeitungen, fürs Radio und Fernsehen, für Onlinezeitungen, für E-Paper-Ausgaben, für Applikationen und andere elektronische Dienste zum Empfang auf mobilen Endgeräten wie Smartphones oder Tabletcomputer zu beachten sind und Personal erfordern. Daher sollten Journalisten, um erforderlichenfalls prinzipiell flexibel für mehrere Ausspielkanäle tätig sein zu können, möglichst über eine crossmediale, journalistisch-handwerkliche Ausbildung verfügen - eine unabdingbare Voraussetzung, professionellen Journalismus künftig zu bewältigen. Ziele der Arbeit in neuen Redaktionsstrukturen sind u. a.: Durch gemeinsames Arbeiten in einem Raum und an einem Desk <?page no="163"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 164 sollen Ressortgrenzen und -egoismen überwunden werden. Im Team soll das Bewusstsein für das Produkt gestärkt werden, Redakteure sollen Themen möglichst ressortübergreifend bearbeiten. Die Welt wird nicht weiter in feste Sektionen unterteilt, gleichzeitig sollen Themendopplungen vermieden werden. Wege sind kürzer, Entscheidungen fallen schneller, redaktionelle Abkäufe sollen optimiert, Strukturen flexibilisiert werden (vgl. Meier 2010, S. 101; Meier 2006, S. 204; Kansky 2010, S. 289f ). Bernd Blöbaum et al. (2011) haben in einer Untersuchung von 15 Redaktionen deutscher Nachrichtenmedien u. a. herausgefunden, dass der journalistische Alltag in crossmedial arbeitenden Redaktionen von einer zunehmenden Beschleunigung gekennzeichnet ist: Die Arbeit am Desk sei durch eine dichtere Abfolge von Handlungen gekennzeichnet. Außerdem hätten sich die Schwerpunkte verlagert: In Newsdesk-Redaktionen nehme die Planung und Selektion von Themen vergleichsweise mehr Raum ein (vgl. Blöbaum et al. 2011, S. 50ff). Im Internet ist, dies sei ergänzend hier erwähnt, auch eine Flexibilisierung der Zeit- und Raumbezüge zu beobachten (Kretzschmar 2009). Auch ermöglicht das Internet »z. B. sowohl eine Beschleunigung als auch eine langfristige Archivierung; es besitzt eine globale Verbreitung, erlaubt aber auch eine Nahraumberichterstattung« (Neuberger/ Quandt 2010, S. 65). 4.1.3.5 Boulevardjournalismus Obwohl Boulevardbzw. Straßenverkaufszeitungen das mediale Erscheinungsbild in den Straßen von Städten, aber auch Landgemeinden und Dörfern bestimmen, wurde dem Boulevardjournalismus in der Kommunikationswissenschaft für lange Zeit nur wenig Beachtung zuteil. Erst in jüngerer Zeit gewinnt die wissenschaftliche Beschäftigung mit ihm an Bedeutung - in allen seinen Erscheinungsformen in Printwie Funkmedien. Unter Boulevardjournalismus wird (v. a. aus der Perspektive eines sich kritisch verstehenden Aufklärungsjournalismus) »ein von oben nach unten abfallender Prozess bezeichnet: der scheinbare Niedergang von einem den Qualitätsnormen der Objektivität und der Vermittlung von Wahrheit verpflichteten, hoch stehenden Informationsjournalismus zu einem sich an die Begierden und Unterhaltungswünsche des Publikums anbiedernden, minderwertigen Sensationsjournalismus« (Renger 1998, S.-28). Der Boulevardjournalismus hat seinen Ursprung übrigens nicht erst in der jüngeren Vergangenheit. Er reicht vielmehr ins 19. Jahrhundert zurück, als zunächst in Amerika und England die »Penny Press« und kurz darauf in Frankreich die »petite presse« entstanden. Es waren dies (z.T. kleinformatige) billige Boulevardprodukte mit bereits damals hohem Anzeigenaufkommen und vergleichsweise hohen Auflagen. Dieser Medientyp stellt also auch die Anfänge der Massenpresse dar (vgl. Bollinger 1996). In Deutschland gab es vergleichbare Produkte erstmals an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert - so z. B. den Berliner Lokalanzeiger (ab 1883) sowie die BZ am Mittag (ab 1904). Allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, dass bereits in den sog. »Newen Zeitungen« des 16. Jahrhunderts, aber auch später in den periodisch erscheinenden Zeitungen (ab Beginn des 17. Jahrhunderts) von Anfang an Unglücksfälle, Krieg, Mord und andere Verbrechen durchaus regelmäßig Bestandteil der Berichterstattung waren. Neu ist das Phänomen also nicht, relativ neu ist vielmehr die intensivere Beschäftigung mit ihm. Im Boulevardjournalismus wird ein an kommerziellen Interessen orientierter Journalismus gesehen, der Nachrichten auf Reizeffekte reduziert und auf ihre Vermarktung hin ausrichtet. Er ist nicht nur in den Boulevardbzw. Straßenverkaufszeitungen vorzufinden, sondern auch in zahlreichen Magazinen und Talkshows des Fernsehens. Auch in vielen Hörfunkprogrammen gibt es ihn. Sein besonderes Kennzeichen ist, dass Information - für die Medienmacher wie für das Publikum - »nur interessant ist, wenn sie unterhaltsam ist« (Renger 1998, S.-28). Die aus Wien stammende Kultur- <?page no="164"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 165 journalistin Sigrid Löffler, bekannt geworden v. a. durch ihre langjährige Mitwirkung an der ZDF- Sendung »Literarisches Quartett«, sieht im Boulevardjournalismus einen »Journalismus light«, der als »Vehikel der Unterhaltung« dient und »nicht als Instrument ernst gemeinter Information. Seine politische Haltung orientiert sich an den Markterfordernissen. Politische Inhalte sind transformiert zur Markt-Veranstaltung« (Löffler 1997, S.- 22). Der sog. U-Journalismus versteht sich laut Löffler nicht mehr als »Transporteur von Meldungen«, sondern »ausschließlich als Mittler zwischen Konsum und Konsument. Er ist ein Marktschreier, er ist ein Entertainer, ein fröhlicher Kumpel jedweder Prominenz und zugleich deren Verlautbarungsorgan« (Löffler 1997, ebd.). Dieser Journalismus- Typ, so Löffler, zeichnet sich v. a. dadurch aus, dass er »öffentliche Meinung bloß noch kopiert und simuliert«, dass er »schreibt, was gefällt - nicht, was geschah« (Löffler 1997, S.-23). Ähnlich sehen dies die Verfasser des »Berichtes zur Lage des Journalismus. Erhebungsjahr 1997« (in Österreich). Der Boulevard- und Infotainment-Journalismus präsentiere sich als Showbusiness. Dabei werde Kritik und Kontrolle gegenüber den Regierenden und Mächtigen vorwiegend durch Entertainment mit stark fiktionalen Elementen ersetzt. Der Hamburger Journalistik-Professor Siegfried Weischenberg nennt diese Entwicklung in Anspielung an eine langjährig tätige Moderatorin im deutschen Fernsehen recht treffend die »Schreinemakerisierung« der Medienwelt (Weischenberg 1997). Journalismus dieser Art »wird als permanente Seifenoper verkauft, der keine Fakten mehr vermittelt, sondern lediglich »das Gefühl, dass die Menschen […] auf dem Laufenden gehalten werden« (Weischenberg 1997, S.-11). Auf der Suche nach Besonderheiten des Boulevardjournalismus (und damit der Boulevardmedien) können Merkmale ausfindig gemacht werden, die sich im Hinblick auf seine Themen, seine grafische Gestaltung, seine Sprache und seiner diskursiven Strategien wie folgt zusammenfassen lassen (hier in Anlehnung an Schirmer 2001, Bruck/ Stocker 1996; Bürgi 1994 und Renger 1998): Themen Bei der Themenauswahl rangiert in Boulevardmedien das Kriterium Publikumsinteresse weit vor dem Faktor Bedeutung: • Hohen Stellenwert haben Themen aus der Sparte »Sex and Crime«. Verbrechen aller Art, Skandale, Katastrophen, Klatsch und Sensationen nehmen in Boulevardmedien ebenso breiten wie formal hervorgehobenen Raum ein. • Personalisierung und der Attraktivitätsfaktor Prominenz spielen dabei eine wichtige Rolle. • Dem Sport wird mehr Raum geschenkt als der Politik. Sport eignet sich besonders dazu, mit seinen ewig wiederkehrenden Geschichten von Siegen und Niederlagen der Alltagswelt Spannung zu verleihen sowie dem Ablenkungs- und Unterhaltungsbedürfnis entgegenzukommen. • Boulevardmedien betonen »Human Interest« vergleichsweise wesentlich mehr als etwa das Wirtschaftsleben; und Boulevardjournalismus konzentriert sich stark auf Individuen und weniger auf Institutionen. • Ebenso beschäftigen sich Boulevardmedien mehr mit dem Lokalen und Unmittelbaren - und weniger mit internationalen und langfristigen Themen. • Generell orientiert er sich an Alltagsthemen, und er hält - zugegebenermaßen - auch zahlreiche Service-Angebote (nach Möglichkeit für viele Zielgruppen) bereit. <?page no="165"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 166 Grafische Gestaltung Boulevardzeitungen weisen eine attraktive, schnell und leicht konsumierbare Gestaltung auf, oftmals reißerisch und plakativ: • In einem Platz verschlingenden Layout wird Typografie und Farbe großflächig eingesetzt. • Überdimensionierte Schriften sowie farbige (meist rote) Raster und Linien dienen als Blickfang. • Eine ausführliche Bebilderung mit großen, ausdrucksvollen (und oftmals freigestellten) Fotos heischt um Aufmerksamkeit. • Der Lesestoff wird nach Eindrücklichkeit und optischer Opulenz aufgeteilt und eingeordnet. • Der Leser wird nicht über den Verstand, sondern über das Auge mit Gefühlen angesprochen; Emotionalisierung findet in Bild und Text statt. • Die grafische Gestaltung wird an den Lesemodus des raschen Überfliegens angepasst; ermöglicht wird dies durch einen übersichtlichen Aufbau der Seiten sowie durch leicht fassbare, prägnante Überschriften. Sprache Die Sprache ist in Boulevardzeitungen einfach, die Sätze sind kurz, der Sprachduktus ist an die Umgangssprache angelehnt. • Boulevardmedien arbeiten sprachlich mit Simplifizierung und Alltagsnähe, mit Bemühen um maximale Verständlichkeit. • Es herrscht ein ebenso vertrautes wie reizstarkes Vokabular vor, eine alltagsweltliche Sprache. • Boulevardmedien bemühen sich um hohe Verständlichkeit und vielfältige emotionalisierende Aussageweisen (Text wie Bild). Diskursive Strategien Um den Leser anzusprechen (und ihn auch »bei der Stange zu halten«), kultivieren Boulevardmedien, wie Stefan Schirmer sagt, »bestimmte Erfahrungswelten, die sich auf die ständige Aktualisierung und Variation narrativer (also erzählender - Ergänzung H. P.) Ur- und Grundmuster zurückführen lassen« (Schirmer 2001, S.-10). Oder, wie Peter Bruck und Günther Stocker es ausdrücken: »Simplifizierung, die Konstruktion von übersichtlichen Weltbildern und die Reduktion komplexer, unpersönlicher gesellschaftlicher Vorgänge auf das Handeln einzelner Personen, die dann der moralischen Bewertung durch die Zeitung unterliegen, sind zentrale diskursive Strategien« (Bruck/ Stocker 1996, S.-25). Folgende »Techniken« kommen zum Einsatz (hier nach Schirmer 2001, Bruck/ Stocker 1996; Bürgi 1994 und Renger 1998): • Das Eindampfen von Sachverhalten auf das Einfache, Konkrete und Vertraute soll sicherstellen, dass Boulevardzeitungen ihren Leser nicht kognitiv überfordern. Vielmehr sollen boulevardeske Erzählstrukturen seine emotionale Anteilnahme (von Freude bis tragische Erregung) provozieren, ihm erlebnisstarke Gefühlswelten vermitteln. • Boulevardjournalismus bemüht sich um die Herstellung emotionaler Adäquanz. Sachverhalte werden in einer Weise interpretiert, die Wertkonflikte zwischen Medium und Leser vermeiden und eine eindeutige Urteilsbildung erleichtern soll - nicht zuletzt durch eine Darstellung nach Schwarz-Weiß-Schemata. <?page no="166"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 167 • Boulevardjournalismus nimmt die Perspektive der kleinen, machtlosen Leute ein, stützt sich - in populistischer Weise - auf die vermutete Meinung der Bevölkerungsmehrheit und inszeniert publizistisch das »gesunde Volksempfinden«. Politikberichterstattung in Boulevardmedien z. B. reduziert komplexe Sachverhalte auf Schlagwortlosungen und Schlagwortlösungen; über »Sex and Crime« wird aus der Perspektive der Augenzeugen berichtet und gibt damit Live-Charakter vor. • Unter den Gefühlen, die Boulevardmedien herzustellen versuchen, spielt neben Effekten wie Jubel und Angst die Emotionsfärbung Empörung eine zentrale Rolle. Im Gefühl der Empörung dreht sich nämlich die soziale Rangordnung der individuell erfahrenen Lebenswelt um: Der Mediennutzer fühlt sich (scheinbar) im Besitz der Macht, indem die Zeitung für ihn die Mächtigen verurteilt oder straft. • Ein Mittel zur Integration des einzelnen Nutzers in die große Nutzergemeinschaft von Boulevardmedien (und damit etwa zur Vertiefung der Leser-Blatt-Bindung) ist die Ab- und Ausgrenzung von »den Anderen«. Dies erfolgt, indem ein »Wir-Gefühl« erzeugt wird, etwa in Form der häufigen Verwendung von Personalpronomen in der 1. Person Plural (wie »Nein, Kanzler, da machen wir nicht mit! « oder »Gen-Test sagt Krebs voraus - Wollen wir das? «). Dazu gehört auch, den sozialen Abstand zu statushöheren (prominenten) Menschen zu verringern, sie als »Menschen wie du und ich« zu präsentieren, indem deren Vor- oder Kosenamen verwendet werden (wie »Boris, du bist der Größte« oder »Danke, Gorbi, alles klar«). • Eine weitere diskursive Strategie ist die Einbettung öffentlicher Themen in Unmittelbarkeit und Totalität. Nähe wird dabei dadurch erreicht, dass an persönliche Erfahrungen des Lesers oder Zuschauers apelliert wird. Die populäre Konzeption des Persönlichen wird zum Erklärungsrahmen, innerhalb dessen die soziale Ordnung transparent dargestellt wird. Schließlich ist auch noch zu verweisen auf Techniken der Emotionalisierung in einer gefühlsärmer werdenden Welt; auf jene der vielfältigen Unterhaltung in einer sonst (scheinbar) spannungsarmen Welt; sowie auf jene der Befriedigung eines basalen Informationsbedürfnisses im Sinne der Vermittlung des (trügerischen) Gefühls, über wichtige (freilich nur verkürzt abgehandelte) politische Themen informiert zu sein. Was im deutschen Sprachraum seit langem als Boulevardjournalismus bezeichnet wird, trägt in der angloamerikanischen Kommunikationswissenschaft die wertfreie Bezeichnung »populärer Journalismus« und geht über das Verständnis von Boulevardjournalismus noch hinaus. Der österreichische Kommunikationswissenschaftler Rudi Renger widmet sich speziell diesem Phänomen aus der Perspektive der sog. Cultural Studies (vgl. Renger 2000b). Diese sehen die Massenmedien und den Journalismus als die dominanten Systeme der Bedeutungs- und Kulturproduktion, der öffentlichen Orientierung und sozialen Konstruktion von Wirklichkeit - Systeme, die die bestehenden gesellschaftlichen Machtstrukturen und die dahinter stehende Ideologie legitimieren und verfestigen. Im populären Journalismus sieht Renger »journalistische Spielarten, die in den Boulevardzeitungen, den bunten Illustrierten, den Life-Style- und Special Interest-Magazinen oder im sog. Tabloid-TV den Großteil der Bevölkerung mit Orientierungswissen, Service-Informationen und vergnüglichen Geschichten versorgen und dabei eine dramatisierte, sensationalisierte und fiktionale Weltsicht vermitteln, die, in das Gewand der scheinbar objektiven Berichterstattung gekleidet, entweder für wahr gehalten oder aus - durchaus legitimen - Entspannungs- und Unterhaltungsgründen konsumiert wird« (Renger 2000a, S.-15). Dabei ist eine allgemeine und markante »Tendenz zum Drama« sowie der Vorzug von Skandalisierung gegenüber Orientierung nicht zu übersehen (vgl. Nitz 1998, S.-12; Scholl/ Weischenberg 1998, S.-262). Die im Weiteren spürbaren Trends zur Technisierung und Kommerzialisierung tragen dazu bei, dass inzwischen selbst Mainstream- und angesehene Newsformate mehr und mehr die Methoden und Darstellungsweisen des Unterhaltungs- und Sensations- <?page no="167"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 168 journalismus übernehmen. Der populäre Journalismus wird von Renger als Journalismus gesehen, der mit vergleichsweise geringen journalistischen Mitteln massenhafte Auflagen, große Reichweiten und damit maximalen unternehmerischen Profit erreicht. Sein markantes Kennzeichen, so Renger, ist die operative Verknüpfung von bestimmten Informationsinhalten (›news to use‹) mit unterhaltsamen und gefühlsbetonten Gestaltungsmerkmalen (vgl. Renger 2000b, S.-13ff). Diese inzwischen weit um sich greifende Verknüpfung von Information (information) und Unterhaltung (entertainment) hat unter der Bezeichnung bzw. Wortkreuzung »Infotainment« Eingang in die kommunikationswissenschaftliche Terminologie und Diskussion gefunden. Populärer Journalismus stellt also einen stark differenzierten Gegenstand dar, der weniger an einem bestimmten Medientypus fixiert ist, sondern bestimmte »Formate« präferiert (vgl. Renger 2000a, S.-18 in Anlehnung an Bruck/ Stocker 1996, S.-11ff). In seiner printmedialen Variante ist er, wie erwähnt, sowohl in Tageszeitungen wie auch in Publikumszeitschriften und Magazinen vorzufinden. Dabei werden in den Zeitschriften eng abgesteckte Themenkreise in immer neuer Form wiederholt und sog. »Easy reading-Pakete« angeboten, die vorwiegend aus Prominentenstorys, Ratgeberrubriken, Fortsetzungsromanen, Witzen und Rätseln bestehen und mit pseudoaktuellen Aufmacherthemen den Leser locken. Boulevardzeitungen wiederum präsentieren eine dramatisierte, sensationalisierte und nicht selten fiktionalisierte Weltsicht, wobei, wie erwähnt, Schwerpunkte des journalistischen Angebots auf den Themen Lokales, Human interest und Sport liegen. Politik nimmt eine eher nachrangige Stelle ein. Populärer Journalismus dient hier primär als Zeitvertreib und Alltagsspaß (vgl. Blöbaum 1994, S.-270); er operiert als Diskurs- und Erzählmaschine und zielt auf Vermarktbarkeit ab (vgl. Renger 2000b, S.-492ff). Aus den USA kommend, gibt es den populären Journalismus im Fernsehen des deutschen Sprachraumes seit den 1970er-Jahren (sowie v. a. mit der Einführung privaten Fernsehens Mitte der 1980er-Jahre). Sein Kennzeichen ist - in Talkshows, News-Shows, TV-Magazinen etc. - das »Happy talk-Format« von »Augenzeugen- und Action-Nachrichten«: Mithilfe ihrer (Pseudo-)Aktualität vermittelnden Bilder, ihrer Klänge und Geräusche »erzählen populäre Nachrichten eine Story, wobei das Hier mittels lokaler Bezüge und das Jetzt in Begriffen von Unmittelbarkeit und Gegenwärtigkeit definiert wird. […] Dem Infotainment verpflichtete populärjournalistische Sendungen rechnen in der Grundeinheit des immer und überall bedrohten Opfers. Normativ für das Publikum wirkt beim Boulevardfernsehen ein abstraktes und universales System von schneller und leichter Wiedererkennung, das v. a. durch die Darstellung einer Scheibchen-Aktualität bzw. - zynisch formuliert - durch einen Fetzenjournalismus begünstigt wird. Das Weltverständnis erfolgt in diesem Zusammenhang weniger im Kopf als aus dem Bauch heraus« (Langer 1998, S.- 34). Vier Erzähltypen herrschen im populären Journalismus des Fernsehens vor: 1) besonders bemerkenswerte Ereignisse (vorwiegend aus der Prominentenwelt); 2) tragische Opfer des Alltagslebens; 3) die bedrohte Sozialgemeinschaft; und 4) Traditionen bzw. große Taten der Vergangenheit (vgl. Langer 1998, S.-34f ). Aus der hier dargelegten Sichtweise lassen sich die Produkte des populären Journalismus‹ nicht über einen Kamm scheren. Vielmehr reicht er - je nach Mischung von Information und Unterhaltung - vom billigen Massenboulevard bis zu jenen journalistischen Produkten in Print und Funk, die Sigrid Löffler als »Journalismus light« bezeichnet (vgl. Löffler 1997). Dem »billigen Massenboulevard« prophezeit Uwe Zimmer, langjähriger Chefredakteur der Münchner Abendzeitung, übrigens keine Zukunft: »Nur mit Sensationen, Emotionen, mit Manipulation und Erektion lässt sich keine Zeitung der Zukunft machen« (Zimmer 1999, S.-61). Information als Aufklärung, Unterhaltung als positives lebensbejahendes Element und v. a. auch Service (»news you can use«) seien die Bestandteile jeder guten Zeitung. <?page no="168"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 169 4.1.4 Theoretische Konzepte des Journalismus Die Kommunikatorbzw. die Journalismusforschung hat im Laufe ihrer noch relativ jungen Geschichte mehrere (theoretische) Konzepte hervorgebracht. Martin Löffelholz stellte 2002 einen »neuen Ordnungsrahmen« für diese Konzepte vor (Löffelholz 2002; vgl. auch Löffelholz 2004). Er ordnet die Ansätze nach ihren Ähnlichkeiten in Entstehungskontext, theoretischer Herangehensweise, Untersuchungsfokus, Komplexität und Ertrag für die empirische Forschung und findet acht verschiedene Journalismuskonzepte. Es sind dies: der Normative Individualismus, die Materialistischen Medientheorie, der Analytische Empirismus, der Legitimistische Empirismus, die (kritischen) Handlungstheorien, die Funktionalistischen Systemtheorien, die Integrativen Sozialtheorien und die Cultural Studies (vgl. zur Übersicht: Löffelholz 2002, S. 37, Tab. 1; ebenso Löffelholz 2004, S. 62). Löffelholz betont, dass die Konzepte »keinen in sich geschlossenen Ansatz« bezeichnen (Löffelholz 2002, S. 36) und auch, dass nicht ein Konzept ein anderes verdrängt, sondern die Konzepte teils aufeinander aufbauen, nebeneinander existieren oder mitunter ineinander integriert werden (können). Um sie sich gut zu erschließen, ist ihre Lektüre unabdingbar. Nachfolgend werden sie in kurzen Zusammenfassungen lediglich grob umrissen: Normativer Individualismus: Unter dem Begriff des Normativen Individualismus (Löffelholz 2002, S. 38) werden Überlegungen aus der frühen Journalismusforschung (Anfang 20. Jahrhundert) subsumiert, die an einer zu dieser Zeit verbreiteten utilitaristisch gestützten, individuellen Weltanschauung orientiert und daher normativ, subjektivistisch und praktizistisch ausgerichtet waren. Die Theorien konzentrierten sich auf Begabung (»Begabungsideologie«) und Gesinnung (»Gesinnungspublizistik«) einzelner Journalisten, weshalb ihr empirischer Ertrag und ihre theoretische Komplexität als niedrig eingeschätzt werden. In Verbindung mit dem Normativen Individualismus verweist Löffelholz einerseits auf dessen Verwendung unter nationalsozialistischer Herrschaft, andererseits auf dessen nachwirkenden Einfluss auf Berufspraxis und wissenschaftliche Theoriebildung im Journalismus. Als typische Vertreter werden u. a. Otto Groth, Karl Bücher, Karl Jaeger, Emil Dovifat und Hans A. Münster genannt. Materialistische Medientheorie: Die Materialistische Medientheorie (Löffelholz 2002, S. 39), die nach Löffelholz theoretische Ähnlichkeiten zu der etwa zeitgleich in der DDR erfolgreichen »sozialistischen Journalistik« aufweist, begreift Journalismus als »Produktionsprozess von Medienaussagen, der ›klassenabhängig‹ sei sowie den Bedingungen der ›Kapitalverwertung‹ und der Entwicklung der ›Produktivkräfte‹ unterliege (Löffelholz 2002, S. 39f mit Bezugnahme auf Hund/ Kirchhoff-Hund 1980). Damit erscheinen Medien als ökonomisch bestimmte Produktionsunternehmen und Nachrichten als Waren. Fachvertreter wie Horst Holzer, Wulf D. Hund und Bärbel Kirchhoff-Hund fristeten Löffelholz zufolge schon in den 70er- und 80er-Jahren ein »Nischendasein«. Gegenwärtig orientiere sich die wissenschaftliche Debatte kaum noch an diesem Konzept, wohl auch, weil empirischer Ertrag und Komplexität aufgrund der ökonomistischen und ideologischen Ausrichtung als gering eingeschätzt werden (vgl. dazu Scheu 2012). Eine Ausnahme stellt der Hinweis auf die Kommerzialisierung des Journalismus dar, »der zum Standardrepertoire empirischer Journalismusanalysen gehört« (Löffelholz 2002, S. 40). Analytischer Empirismus: Der Analytische Empirismus (ebd.) dagegen stellt nach Löffelholz das herrschende Paradigma der aktuellen Journalismusforschung dar: Die analytisch-empirische Philosophie, intersubjektive Überprüfbarkeit sowie Entwicklung und empirische Prüfung einer aus mindestens zwei Variablen bestehenden Theorie in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses zu stellen, stellte nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst in den USA, dann auch in Deutschland einen Wendepunkt der Journalismusforschung »von der Vermutungs- und Behauptungswissenschaft zur Beschreibungs- und Erklärungswissenschaft« dar (Löffelholz 2002, S. 42). Theorien dieses Konzeptes <?page no="169"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 170 verzichten weitgehend auf normative Weltbilder, sind i. d. R. von mittlerer Reichweite und Komplexität und konzentrieren sich auf spezifische Problemfelder (z. B. berufliche Einstellungen von Journalisten, Professionalisierung, Berufssituation von weiblichen Journalisten u. Ä.). Als typisch hierfür nennt Löffelholz den Gatekeeping- oder den Agendasetting-Ansatz; (erste) bekannte Vertreter des Konzeptes waren bzw. sind u. a. Kurt Lewin, David M. White oder Manfred Rühl (1969, 1979). Aufgrund der thematischen Vielfalt der Theorien und der Übernahme der methodischen Prämissen des Analytischen Empirismus in anderen Journalismuskonzepten sei es schwierig, dieses Konzept »als eigenständig zu formulieren« (ebd.). Legitimistischer Empirismus: Auf empirisch-analytische Ergebnisse stützt sich auch das Konzept des Legitimistischen Empirismus (ebd.): Es begreift die Kommunikatorbzw. Journalismusforschung als Teil der Medienwirkungsforschung und fragt, wie journalistische Berufseinstellungen und Einflussnahmen legitimiert sind. Kommunikationspolitische Normen werden mit empirischen Befunden in Beziehung gesetzt. Ermittelt und als handlungsrelevant erachtet werden das journalistische Selbstverständnis, die Motive und die politischen Einstellungen von Journalisten, ihre Publikums- und Kollegensicht. Kritiker merken an, dass strukturelle Bedingungen der Medienproduktion außer Acht gelassen und dass Schlussfolgerungen von Befragungsdaten auf Inhalte bzw. von Inhalten auf Einstellungen von Journalisten oft nur Vermutungen bleiben (vgl. Löffelholz 2002, S. 43). Als Vertreter des Legitimistischen Empirismus werden mit Bezugnahme auf Baum (1994) Elisabeth Noelle- Neumann, Hans Mathias Kepplinger, Renate Köcher und Wolfgang Donsbach genannt. (Kritische) Handlungstheorien: Kennzeichnend für die (kritischen) Handlungstheorien (Löffelholz 2002, S. 44), an denen sich sowohl empirischer als auch analytischer Empirismus orientieren, ist die Konzentration auf handelnde Akteure sowie Sinn und sozial geformte Regeln ihrer Handlungen (den soziologischen Überlegungen von Max Weber, Alfred Schütz und Thomas Luckmann folgend). Handlungstheoretische Journalismusforschung zielt in erster Linie auf Beschreibung und Typologisierung ab, elaborierte Theorien haben Löffelholz zufolge nur wenige Fachvertreter (auf Basis des kritisch-theoretischen Ansatzes von Habermas) entwickelt: Er nennt hier die am lebensweltlichen Kontext der Journalisten orientierte Kritik der Kommunikatorforschung von Achim Baum (1994), die an Jürgen Habermas angelehnten, verständigungsortientierten Überlegungen zur Rolle des Journalismus im gesellschaftlichen Diskurs von Maximilian Gottschlich (1980) sowie den Ansatz von Hans- Jürgen Bucher (2000), der journalistische Handlungen als komplexe soziale Ereignisse versteht und die Dynamik der Kommunikation in den Mittelpunkt rückt. Funktionalistische Systemtheorien: Pionierstudie der Funktionalistischen Systemtheorien (Löffelholz 2002, S. 45) war Manfred Rühls »Die Zeitungsredaktion als soziales System« (1969) sowie dessen Habilitationsschrift »Journalismus und Gesellschaft« (1980): Gefordert wird eine Abkehr von normativer und individualistischer Journalismusforschung zugunsten des Verständnisses von Journalismus als von seiner Umwelt abgegrenztes Sozialsystem mit eigenen Strukturen, dem eine spezifische Funktion in der Gesellschaft zugeschrieben wird. Der Systembegriff bzw. die systemische Einbindung wird in den unter diesem Konzept subsumierten Theorien dabei unterschiedlich verwendet: »Handelt es sich beim Journalismus um ein Funktionssystem in der Gesellschaft, wie Rühl (1980) oder Scholl/ Weischenberg (1998) annehmen? Oder operiert der Journalismus als Bestandteil, als organisiertes Leistungssystem, in einem Funktionssystem wie Öffentlichkeit, Publizistik oder Massenmedien? « (Löffelholz 2002, S. 47; Hervorhebung i. Orig.). Kritiker der Systemtheorien monieren u. a. eine Unterschätzung der Relevanz journalistischer Subjekte und ihrer Handlungen oder z. B. auch der Wechselbeziehungen zwischen ökonomischen und journalistischen Prozeduren. Integrative Sozialtheorien: Die Integrativen Sozialtheorien (Löffelholz 2002, S. 47) versuchen, System und Subjekt, Struktur und Handlung in einer Theorie zu integrieren und sind daher meist hoch komplex. Beispiele für solche Theorien sind etwa die Akteurs-Struktur-Dynamiken von Uwe <?page no="170"?> Literatur 171 Schimank, die von Christoph Neuberger (2000) auf die Journalismusforschung übertragen worden sind, oder die von Klaus-Dieter Altmeppen (2000) und Thorsten Quandt (2002) für die empirische Untersuchung journalistischen Handelns verwendete Strukturationstheorie von Anthony Giddens. Ebenfalls integrativen Anspruch hat das »Zwiebelmodell« von Weischenberg (1992) bzw. Scholl und Weischenberg (1998); es verordnet die Journalistik auf Ebenen des Normen-, Struktur-, Funktions- und Rollenkontextes. Löffelholz zufolge stehen die Versuche, Makro-, Meso- und Mikro-Perspektive in einer Theorie zu vereinen, noch am Anfang. Integrationspotenzial räumt er in diesem Zusammenhang auch dem »soziokulturellen Konstruktivismus« (vgl. Schmidt 1996) ein, der Zusammenhänge zwischen Kognition, Kommunikation, Medien und Kultur erforscht. Cultural Studies: Das Forschungsinteresse der Cultural Studies (Löffelholz 2002, S. 49) schließlich stützt sich auf Überlegungen aus dem Marxismus, der Kritischen Theorie sowie der Semiotik, Linguistik und Handlungstheorien und fokussiert auf die kontextuelle Erforschung und Veränderung des Verhältnisses von Kultur, Medien und Macht. John Hartley (1996), Stuart Allan (1999) und Rudi Renger (1999) wenden dieses Prinzip auf die Journalismusforschung an: Sie begreifen Journalismus als kulturellen Diskurs und Teil der Populärkultur und untersuchen ihn weitgehend aus der Rezipientenperspektive. Löffelholz betont, dass die Cultural Studies aufgrund ihrer vielfältigen Wurzeln und ihrer theoretischen Offenheit keinen geschlossenen theoretischen Ansatz darstellen, der Kulturbegriff aufgrund der voranschreitenden Globalisierung jedoch an Bedeutung in der Journalismusforschung zunimmt (vgl. dazu Kap. 5.3.3). Mehrere der hier nur kurz erörterten Konzepte des Journalismus haben seither eine weitere Ausdifferenzierung und teils auch Erweiterungen erfahren. Auskunft darüber erteilen zahlreiche Beiträge aus Sammelbänden, die in den zurückliegenden Jahren entstanden sind. Dazu gehören u. a. der 2004 von Martin Löffelholz (in zweiter, vollständig überarbeiteter und erweiterter Auflage) herausgegebene Sammelband »Theorien des Journalismus« (Löffelholz 2004) oder auch die 2007 von Klaus- Dieter Altmeppen et al. publizierte Aufsatzsammlung »Journalismustheorie: Next Generation« (Altmeppen et al. 2007). Unter anderem zu erwähnen sind Milieu- und Lebensstilkonzepte (u. a. Hradil 2007; Raabe 2000, 2007) sowie insbesondere das Kapital-Feld-Habitus-Konzept von Pierre Bourdieu (u. a. Bourdieu 1983). Es wurde auch von deutschen Wissenschaftlern für die Journalismusforschung theoretisch (u. a. Raabe 2000; Willems 2007; Hanitzsch 2007) wie empirisch (u. a. Meyen/ Riesmeyer 2009) fruchtbar gemacht. Anfang 2013 hat Armin Scholl einen Beitrag über »Theorien des Journalismus im Vergleich« publiziert (Scholl 2013), der hier nicht mehr erörtert werden kann, dessen Lektüre und Studium jedoch angeraten erscheint. Literatur Allan, Stuart (1999): News Culture. Buckingham/ Philadelphia. Altmeppen, Klaus-Dieter (2000): Entscheidungen und Koordinationen. Dimensionen journalistischen Handelns. In: Löffelholz, Martin (Hrsg.): Theorien des Journalismus. Wiesbaden, S. 293-310. Altmeppen, Klaus-Dieter et al. (Hrsg.) (2000): Online-Journalismus. Perspektiven für Wissenschaft und Praxis. Opladen. Altmeppen, Klaus-Dieter et al. (2000): Transformationen im Journalismus. In: Publizistik 45: 2000, S.-200-218. Altmeppen, Klaus-Dieter et al. (Hrsg.) (2007): Journalismustheorien: Next Generation. Soziologische Grundlegung und Innovation. Wiesbaden. Altmeppen, Klaus-Dieter; Hömberg, Walter (Hrsg.) (2002): Journalistenausbildung für eine veränderte Medienwelt. Diagnosen - Institutionen - Projekte. 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Zu den originärpublizistisch verbreiteten Aussagen gehören in erster Linie öffentliche Reden und Ansprachen, Vorträge vor kleineren oder größeren Präsenzpublika, Predigten, aber z. B. auch die (methodisch zu Analysezwecken überaus schwer zu erfassende) nonverbale Kommunikation. Zu den über die Massenmedien verbreiteten Inhalten zählt das gesamte Repertoire an Medienbotschaften, das wir in Zeitungen und Zeitschriften, Radio und Fernsehen, im Internet sowie in anderen Medien vorfinden. Gegenstand der Medieninhaltsforschung sind die Inhalte selbst sowie die Art und Weise ihrer Vermittlung in je unterschiedlichen Darbietungsformen (also das, was gemeinhin als journalistische Darstellungsform, Genre oder auch Format bezeichnet wird). Folglich gehören Untersuchungen von Hörfunk- und Fernsehprogrammen und Programmformaten ebenso in das Feld der publizistischen Aussagenforschung wie etwa Untersuchungen zur Programmgeschichte. Zu letzterem liegen zwar in Ansätzen mehrere Einzeldarstellungen vor (vgl. Bleicher 1993; Halefeldt 1999; Ludes 1999), es gibt jedoch noch keine in sich geschlossene Gesamtdarstellung. (An solchen Gesamtdarstellungen mangelt es in der Kommunikationswissenschaft überhaupt sehr). Gegenstand der Inhaltsforschung im Internet sind nicht ausschließlich, aber doch vorwiegend Inhalte von Onlineauftritten klassischer Medien, zunehmend aber auch Webseiten politischer Parteien (vgl. z. B. Schweitzer 2010) sowie Diskussionsforen, Weblogs, Nutzerkommentare (vgl. z. B. Haas et al. 2010). 4.2.1 Medieninhalte, Programme, Formate Das gesamte Repertoire an Medienbotschaften präsentiert sich uns in einer ungewöhnlichen Vielfalt von Inhalten und Darbietungsformen. Selbst mithilfe der über die Grenzen der Medien hinweg vorfindbaren journalistischen Darstellungsformen (vgl. Kap. 4.2.2) lässt sich diese Vielfalt kaum systematisieren. Im Hinblick auf ihre Alltagsfunktionen könnte man allenfalls grob zwischen informierenden, meinungsbildenden, belehrenden, berufs- und allgemeinbildenden sowie unterhaltenden Medieninhalten unterscheiden. Dabei ist einzuräumen, dass die Grenzen zwischen solchen Typen oftmals fließend sind und ihre Funktionen jeweils besser aus der Sicht des jeweiligen Nutzers bestimmt werden müssten: Was für den einen unterhaltend ist (wie etwa die auf zahlreichen TV- Sendern ausgestrahlten Quiz-Shows im Fernsehen), kann für einen anderen höchst informativ, für einen Dritten allgemeinbildend und für einen Vierten gar ärgerlich sein. In den klassischen Massenmedien Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen finden wir die Vielfalt der Inhalte in aller Regel geordnet vor. Dies war nicht immer so. In den ersten Zeitungen, die im 16. Jahrhundert aufkamen und die seit Beginn des 17. Jahrhunderts periodisch zunächst als Wochen- (ab 1605) und später (ab 1650) als Tageszeitungen erschienen, wurden die Nachrichten in jener Reihenfolge abgedruckt, wie sie bei den damaligen Zeitungsmachern einliefen. Die uns heute bekannte Einteilung und Ordnung der Inhalte in Ressorts oder Sparten (Politik, Wirtschaft, Kultur, Lokales, Sport etc.) bildete sich erst im ausgehenden 19. Jahrhundert heraus. Anders war dies bei den in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aufkommenden Zeitschriften, die bereits damals zwei Typen aufwiesen, nämlich: die wissenschaftlichen Zeitschriften, die sich später in eine große <?page no="188"?> 4.2 Medieninhaltsforschung 189 Vielfalt von Fachzeitschriften unterschiedlicher Fachgebiete und Inhalte ausdifferenzierten; sowie die Unterhaltungszeitschriften, die einem damals gehobenen Publikum, das des Lesens fähig war, der Zerstreuung und Unterhaltung, der Bildung und Belehrung dienten und die folglich entsprechende Inhalte aufwiesen. Auch im Hörfunk, und später im Fernsehen, bildeten sich geordnete Programmstrukturen und Sendeschemata mit regelmäßig wiederkehrenden Sendungen informierender, unterrichtender, bildender, belehrender und unterhaltender Art erst im Laufe der Entwicklung dieser Medien heraus. Die heute in den Massenmedien vorfindbaren, in aller Regel gut geordneten und von Journalisten und Programmgestaltern sorgfältig zusammengestellten Inhalte erleichtern uns die Mediennutzung beträchtlich. So sind die Tageszeitungen inhaltlich in Ressorts untergliedert und innerhalb dieser Ressorts nach uns vertrauten Mustern bzw. Subsystemen geordnet, sodass wir gezielt gesuchte Inhalte rasch auffinden (und dabei mitunter von anderen Inhalten überrascht werden, die wir vielleicht gar nicht gesucht haben, aber interessant finden). Diese Ressorts sind in aller Regel Politik (Innen-, Außenpolitik), Wirtschaft, Lokales, Kultur (und Feuilleton), Sport, Chronik und Vermischtes. Es gibt Zeitungen, die daneben noch andere Ressorts wie Medien, Wissenschaft/ Umwelt, Recht/ Gericht etc. enthalten. Aufteilungen der Inhalte nach Ressorts, Rubriken oder Sparten finden wir auch in Publikumszeitschriften und (politischen) Magazinen (wie z. B. Politik, Wirtschaft, Geld/ Anlagen, Gesellschaft, Kultur, Leute etc.) vor. Zeitschriften und Fachzeitschriften folgen diesbezüglich ihrer eigenen, jeweils fachspezifisch-inhaltlichen Logik. Auch in den Funkmedien finden wir Ordnungsschemata für die zu sendenden Inhalte vor. Dort ist von Programmstrukturen und Sendeschemata die Rede. Diese erfüllen für einen Rundfunksender (ob Hörfunk oder Fernsehen) eine interne und eine externe Funktion (vgl. Stuiber 1998, S.-1007). Intern dienen sie »als Ordnungsmuster für die Programmgestaltung und übernehmen darüber hinaus die Aufgabe der Eigendefinition« (ebd.), also welche Art von Sender ein Rundfunkveranstalter sein will. Die externe Funktion von Programmstrukturen »besteht in der Imagebildung gegenüber der Öffentlichkeit. Das Publikum braucht ein wiederkehrendes Programm, um einen Sender identifizieren und von seinen Konkurrenten unterscheiden zu können. Außerdem kommt ein vertrautes, immer wiederkehrendes Sendeschema den Nutzungsgewohnheiten der Rezipienten entgegen. […] Die Komplexität und Vielfalt der Angebote wird durch deren Struktur für die Rezipienten erheblich reduziert: Die Gewissheit, zu bestimmten Zeitpunkten gewisse Inhalte aufzufinden, erleichtert ihnen die Befriedigung von Informations-, Unterhaltungs- oder Bildungsbedürfnissen […]. Die Vertrautheit mit Inhalten, ihrer Form und ihrer Ausstrahlungsfrequenz fördert die Bindung des Publikums an einen Kanal und stellt so u. a. die Basis für dessen wirtschaftlichen Erfolg dar« (Stuiber 1998, S.- 1007f ). Die systematische, immer wiederkehrende identische Ordnung von Medieninhalten ist für Printwie Funkmedien also gleichermaßen wichtig. Im Hörfunk haben sich etappenweise Programmstrukturen und -farben herausgebildet. Von den Anfängen des Radios bis in die 1960er-Jahre herrschten sog. Mischprogramme vor, innerhalb deren Wort- und Musikprogramme, Informations-, Bildungs- und Unterhaltungssendungen etc. an steten Sendeplätzen regelmäßig wiederkehrten. Diese Mischprogramme wurden Ende der 1960er-Jahre im deutschen Sprachraum durch Strukturprogramme abgelöst. Den Anfang machte 1967 der Österreichische Rundfunk (ORF), der damals in Anlehnung an Radio Luxemburg begann, drei Strukturprogramme zu senden: ein informationslastiges, gehobenes Wort- und E-Musikprogramm (Ö1), ein dem ländlichen Hörer entgegenkommendes Lokalprogramm mit Volksmusik und -kultur (Ö2), sowie ein Unterhaltungs- und Serviceprogramm für die eher jugendlichen Hörer (Ö3). Solche oder ähnliche Programmstrukturen waren ab 1970 bei allen öffentlich-rechtlichen Sendern vorzufinden, so auch bei den Radioprogrammen der ARD. Der Bayerische Rundfunk (BR) strahlt gegenwärtig (2012) z. B. sieben solcher Struktur- <?page no="189"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 190 programme aus, nämlich Bayern 1 (Musik und Wortprogramm mit Regional- und Lokalbezügen), Bayern-2 Radio (anspruchsvolles Wort- und Bildungsprogramm), Bayern 3 (jugendorientiertes Rock- und Pop-Programm mit Informations- und Serviceelementen), Bayern 4 Klassik (klassisches Musikprogramm), B5 aktuell (ein rund um die Uhr laufender Informationssender mit Nachrichten im Viertelstundenintervall aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport, etc.), Bayern plus (gemischtes Informations- und Musikprogramm mit dem Schwerpunkt auf deutscher, insbesondere Volksmusik) sowie on3 (Jugendwelle mit vorwiegend alternativer Musik). Jeder dieser Sender hat seine eigene Zielgruppe. Mit dem Marktzutritt privater Hörfunkveranstalter (in Deutschland ab 1984) kam der Typ bzw. Begriff des sog. Formatradios amerikanischer Herkunft auf. Formatradio heißt v. a.: »1. Musikalisch und altersmäßig stärkere Einengung der Zielgruppe als bei den Musik- und Servicewellen der ARD; 2. Konsequente ›Durchhörbarkeit‹ der Programme; 3. Orientierung an Stundenrastern, die genau die Platzierung und die (Mach-)Art einzelner Programmelemente vorgeben; 4. Platzierung kurzer Nachrichten jeweils am Beginn einer Stunde, sei es zur vollen Stunde oder - um sich schneller zu zeigen als die Konkurrenz - fünf Minuten früher; 5. Beschränkung der Musikauswahl auf einen überschaubaren Kanon von Titeln, die sich in relativ kurzen Abständen wiederholen; 6. Abstimmung wirklich aller Programmelemente, von der Art des Moderators über die Sprache der Nachrichten bis hin zur Aggressivität der Musik, auf das jeweilige Gesamtkonzept« (Halefeldt 1999, S.-223). Das Format eines Senders ergibt sich - entsprechend der angestrebten Zielgruppe - also aus der jeweils spezifischen Kombination von Struktur, Inhalt und Präsentation. Folgende Programmformate sind im deutschen Sprachraum v. a. vorzufinden: Adult Contemporary (AC); Album Oriented Rock (AOR); Beautiful Music; Bigband; Contemporary Hit Radio (CHR, z. B. als Adult- oder Dance-CHR); Deutscher Schlager; Classic Rock; Easy Listening/ Arabella-Format; Jazz; Klassik; Middle-of-the-Road (MOR); Oldies; sowie nicht zuletzt auch Volkstümliche Musik (vgl. z. B. Vowe/ Wolling 2004). Für das Medium Fernsehen ist festzuhalten, dass es von seinen Anfangszeiten (in Deutschland 1952) bis zur unmittelbaren Gegenwart den Sendebetrieb von anfangs zwei Stunden auf 24 Stunden (also rund um die Uhr) ausgeweitet und damit auch sein inhaltliches Angebot beträchtlich erweitert hat. 1952 nahm die ARD mit dem Ersten deutschen Fernsehprogramm einen regelmäßigen Sendebetrieb auf, das rasch zu einem Vollprogramm entwickelt wurde. 1963 kam das 1961 gegründete Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) als Vollprogramm hinzu. Ab 1964 wurden die sog. Dritten Programme (ARD) in Betrieb genommen, die ursprünglich Bildungsprogramme (aus heutiger Sicht also Spartenprogramme) waren und sich mittlerweile selbst längst zu Vollprogrammen entfaltet haben. Mit dem Marktzutritt privaten Fernsehens 1984 kamen neben privat-kommerziellen Vollprogrammen auch Spartenprogramme wie Spielfilm-, Musik- oder Nachrichtenkanäle etc. hinzu, die es mittlerweile auch bei den öffentlich-rechtlichen TV-Veranstaltern gibt (wie etwa den Kinderkanal, Bayern alpha, Phoenix etc. sowie digitale Programmbouquets). Im Großen und Ganzen ist im Fernsehen also zwischen Vollprogrammen einerseits und Spartenprogrammen andererseits zu unterscheiden. Laut Rundfunkstaatsvertrag von 1991 sind in Deutschland Vollprogramme »Rundfunkprogramme mit vielfältigen Inhalten, in welchen Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden« (Rundfunkstaatsvertrag 1991). Sie setzen sich inhaltlich in aller Regel aus den Programmelementen Information/ Bildung, Fiktion (Spielfilme, Serien, Krimis etc.), Nonfiktion (Shows, Quiz-, Ratesendungen), Musik, Sport, Kinder/ Jugend, Sonstiges und Werbung zusammen. (Die Bereiche Fiktion und Nonfiktion sowie Musik ergeben zusammen den Programmbereich Unterhaltung). Auf Grund unterschiedlicher Programmaufträge unterscheiden sich öffentlich-rechtliche und private Vollprogramme voneinander. So ist der Anteil informierender bzw. bildender Programminhalte bei den öffentlich- <?page no="190"?> 4.2 Medieninhaltsforschung 191 rechtlichen Veranstaltern deutlich stärker ausgeprägt, bei den Privaten ist es die Unterhaltung, also Fiktion, Nonfiktion und Musik (vgl. Krüger 2012). Als Spartenprogramme gelten laut Rundfunkstaatsvertrag von 1991 »Rundfunkprogramm(e) mit im Wesentlichen gleichartigen Inhalten«. In der deutschen Fernsehlandschaft sind dies Sender wie n-tv oder N24 (beides Nachrichtensender), Viva oder MTV (Musiksender) oder etwa der Spielfilmkanal Kabel1. Die Vielfalt der im Internet vorfindbaren Inhalte ist so groß, dass eine Systematisierung schwer fällt. Grundsätzlich kann man zwischen klassischen Webangeboten und sog. Web-2.0-Angeboten unterscheiden. Zu den klassischen Webangeboten zählen z. B. Onlinemedien, Weblogs, Webseiten politischer Parteien oder anderer Organisationen und Interessengruppen sowie kommerzielle Seiten. Web-2.0-Angebote stellen eine Weiterentwicklung dieser traditionellen Angebote dar. Zu ihnen gehören z. B. Social-Network-Sites wie Facebook oder studiVZ und Videoplattformen wie YouTube. Während die traditionellen Webangebote von wenigen, häufig professionellen Kommunikatoren erstellt werden, zeichnen sich Web-2.0-Angebote dadurch aus, dass sie von den Nutzern i. d. R. selbst interaktiv gestaltet werden (User-generated Content). Allerdings nutzen mittlerweile auch professionelle Kommunikatoren Web-2.0-Angebote, um ihre Botschaften zu verbreiten. Beispiele hierfür sind Facebook-Accounts von Politikern oder Prominenten sowie YouTube-Kanäle von Fernsehsendern oder Parteien. Auf einen wichtigen Unterschied zwischen klassischen Medienangeboten sowie -inhalten und jenen im Internet ist noch hinzuweisen: In den traditionellen Medien wie Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen finden wir die Inhalte in linearer Form vor. (Und bei der Rezeption folgen wir in aller Regel auch dieser Linearität - bzw. müssen wir ihr folgen, wie dies bei Hörfunk und Fernsehen durch den vorgegebenen Programmablauf der Fall ist. Bei Zeitungen und Zeitschriften haben wir immerhin die Möglichkeit, Inhalte zu überspringen oder auch zurückzublättern - die angebotene Linearität kann also teilweise zumindest übergangen werden). Im Internet finden wir die große Mehrzahl der Inhalte in nichtlinearer Form vor. Bedingt wird diese Nichtlinearität v. a. durch die Möglichkeit der Hypertextualität, also der Verlinkung von Texten oder Textelementen mit anderen Informationsangeboten, E-Commerce, Medienanwendungen (wie Chats und Newsgroups) etc. Nicht selten geht dabei die in den klassischen Medien weitgehend noch vorhandene Trennung von redaktionellen Inhalten einerseits (wie Information, Bildung, Unterhaltung etc.) sowie werblichen Inhalten andererseits verloren. 4.2.2 Journalistische Darstellungsformen Die journalistische Darstellungsform ist jene »formal charakteristische Art, in der ein zur Veröffentlichung in den Massenmedien bestimmter Stoff gestaltet wird« (Reumann 1997, S.-91). Über die Grenzen der klassischen Medien (Zeitung, Zeitschrift, Radio, Fernsehen) hinweg lassen sich die journalistischen Darstellungsformen grosso modo in fünf Gruppen gliedern, nämlich in informierende, interpretierende, meinungsbildende, fantasiebetonte/ unterhaltende sowie illustrierende. Neben diesen »klassischen« Darstellungsformen sind v. a. in den Nachrichtenmagazinen sowohl der Printwie auch der Funkmedien Präsentationsformen vorzufinden, die sich nicht mehr so eindeutig zuordnen lassen. In den Printmedien ist dies z. B. die sog. »Nachrichtenmagazingeschichte«, die einerseits durchaus nachrichtlich faktiziert, andererseits aber recht stark interpretiert und damit dem Geschehen eine Tendenz verleiht. Diese Tendenz wird dann allgemeingültig formuliert. (Solche Formen findet man z. B. in politischen Magazinen wie Time, Newsweek, Spiegel, Focus etc.). Ähnliches ist auch in (im weitesten Sinne politischen) Magazinsendungen des Fernsehens zu beobachten. <?page no="191"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 192 Zu den informierenden Darstellungsformen zählen die Nachricht, die Meldung, der Bericht sowie die Bildnachricht. Diese Formen zeichnen sich durch ihre tatsachenbetonten und referierenden Inhalte aus und haben einen sog. »kopflastigen« Aufbau: Das Wichtigste zuerst, das weniger Wichtige später. Dieser Aufbau hat für Journalisten wie Leser Vorteile: Der Journalist kann die Mitteilung im erforderlichen Fall sehr leicht von hinten kürzen, ohne dass die wichtigsten Informationen verloren gehen. Der Leser wird durch diesen Aufbau in die Lage versetzt, das Wesentliche auf den ersten Blick zu erfassen und sich später in Details zu vertiefen. Zu den interpretierenden Darstellungsformen gehören die Reportage, das Feature, das Interview, das Porträt und die Dokumentation. Alle diese Formen sind auch tatsachenbetont, es fließen jedoch weiter ausholende, oftmals persönlich gefärbte Zusatzinformationen des Journalisten ein. Interpretierende Formen erlauben folglich auch eine persönliche Schreibweise und überwinden damit in gewisser Weise auch institutionelle Barrieren und soziale Distanz. Die meinungsbildenden Formen wie Glosse, Kommentar, Leitartikel, Kolumne etc. sowie alle Formen der Kunst-, Theater-, Film-, Buch-, Fernsehkritik etc. interpretieren und bewerten aktuelle Ereignisse, Handlungen und Haltungen von Politikern oder anderen in der Öffentlichkeit wirkenden Personen oder Institutionen. Dabei werden vom Journalisten Argumente (pro und contra) abgewogen und persönlich deutende sowie schlussfolgernde Positionen bezogen. Zu den fantasiebetonten und damit wohl auch unterhaltenden Darstellungsformen gehören das Feuilleton (als Form), die Erzählung, der Fortsetzungsroman, die Kurzgeschichte, das Hörspiel, das Lied, das Ratespiel, die Talkshow, das Fernsehquiz u. a. m. Angesichts der großen gesellschaftlichen Bedeutung des Mediums Fernsehen, aber auch mit Blick auf viele Inhalte des Internets nehmen illustrative Formen auch in den Printmedien immer noch zu. Klassische Print-Illustrationen sind die Abbildung, das Foto, die Karikatur, der Cartoon sowie der Comicstrip. Zu den illustrativen Formen gehört aber auch die wachsende Zahl grafischer Darstellungen, also das gesamte Repertoire von Infografiken in Form von Säulen, Diagrammen, Kreisen, Karten etc. Wer sich über diesen Teilbereich der Medieninhaltsforschung informieren will, sollte die dazu vorhandene Praktikerliteratur einsehen, von der es bereits über 150 Buchtitel (wenn nicht sogar mehr) allein im deutschsprachigen Raum gibt. Eine sog. Darstellungsbzw. »Genre-Lehre« oder »Genre- Theorie« gibt es in der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft bislang weitgehend nicht. Allenfalls ist sie für einige Formen, wie etwa die Nachricht (Weischenberg 2001), die Reportage (Haller 2008) sowie für das Interview (Haller 2013) angedacht. In der DDR hat es eine solche »Genre- Lehre« gegeben (Arnhold 2002). Auf Grund der primär politischen Funktion des Journalismus in der DDR (im Sinne des Marxismus-Leninismus) und der darauf aufbauenden Lehre der journalistischen Darstellungsformen lässt sich diese »Genre-Lehre« aber nicht uneingeschränkt auf journalistische Darstellungsformen in demokratischen Systemen und pluralistischen Medien übertragen. Berücksichtigen muss man des Weiteren Darstellungsformen und -möglichkeiten in den Onlinemedien bzw. in der computervermittelten Kommunikation. Entsprechende Typologien sind aber angesichts der Dynamik, der das Netz unterliegt, schwierig. An und für sich handelt es sich bei den Darstellungsformen in Onlineauftritten etwa von Tageszeitungen um modifizierte, bisherige Formen der klassischen Medien, die den Gegebenheiten des Bildschirms sowie den Möglichkeiten des Computers (wie v. a. Multimedialität und Hypertextualität - vgl. Kap. 4.1.3.4) angepasst sind. Durch die Möglichkeit der Verlinkung, also der Einrichtung einer großen Zahl von Verzweigungen innerhalb eines Artikels und Vernetzungen mit anderen Texten, entsteht bei Onlinezeitungen die bereits erwähnte, nichtlineare (Text-)Struktur und damit für den User das Erfordernis bzw. sogar der Zwang zur zusätzlichen Auswahl. Daher müssen die einzelnen Seiten eines Auftritts zunächst v. a. übersichtlich und klar strukturiert sein. Der Bildschirm setzt sehr enge Grenzen, innerhalb derer die Ganz- <?page no="192"?> 4.2 Medieninhaltsforschung 193 heit des Angebotes nach Möglichkeit sichtbar gemacht und die funktionale und thematische Zugehörigkeit von Texten oder Textelementen zu größeren Einheiten für den User deutlich erkennbar sein muss (vgl. Storrer 2001, S.-190). Zwei Gestaltungsmerkmale enthalten in Onlineauftritten eine zentrale Wegweiserfunktion für den User. Zum einen: Auf jeder Webseite muss durch Linklisten und Suchbäume eine Übersicht über die Inhalte des gesamten Auftritts gegeben sein. Zum Zweiten: Jeder einzelne Hyperlink muss klar ausgezeichnet sein. Der Rezipient soll eine bewusste Entscheidung für eine bestimmte Verknüpfung von Textelementen über Links treffen können und muss wissen, wohin der Link führt (vgl. Storrer 2001, S.-196ff). So gesehen kommt dem Journalisten im WWW eine neue Rolle als »Wissens-Architekt« zu (Storrer 2001, S.-190). Bei Chats, Newsgroups etc. wird man wohl nicht von Darstellungsformen als vielmehr von unterschiedlichen Kommunikationsmodi sprechen müssen bzw. handelt es sich um verschiedene Kommunikationsforen, die jeweils unterschiedliche Inhalte bedingen. Allenfalls ist in diesem Kontext auf beziehungsanzeigende parasprachliche Hilfsmittel zu verweisen, mit deren Gebrauch versucht wird, die fehlenden nonverbalen Kommunikationskanäle, z. B. den visuellen, aber auch den auditiven Kommunikationskanal zu ersetzen. Zu nennen sind die sog. Emoticons (Wortbildung aus »Emotion« und »Icon«) wie z. B. der Smiley, dessen variantenreiches Gesicht die Stimmung der Gesprächspartner ausdrückt (vgl. z. B. Sanderson 1997). Innere Empfindungen und situative Vorgänge können des Weiteren mit Aktionswörtern (*denk*, *erschreck*) und Soundwörtern (*kicher*, *tststs*) beschrieben werden (vgl. z. B. Wetzstein et al. 1995, S.-76). 4.2.3 Analyse von Medieninhalten Die wichtigste Methode zur Erforschung von Medieninhalten stellt die Inhaltsanalyse dar (vgl. Kap. 6.3.2). Sie ist, wie Werner Früh sagt, »eine empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen« (Früh 1991, S.-24). Kernstück jeder Inhaltsanalyse ist die Erarbeitung eines Kategorienschemas, mit dessen Hilfe es möglich ist, die zu analysierenden Inhalte der jeweiligen Forschungsbzw. Untersuchungsfrage entsprechend systematisch zu erfassen. Inhaltsanalysen in diesem Sinne gibt es seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, und ihre Forschungstechniken sind seither, v. a. aber in den letzten dreißig bis vierzig Jahren, ständig weiterentwickelt worden. Die Kommunikationswissenschaft kann für sich in Anspruch nehmen, zur methodischen Verbesserung und Verfeinerung der Inhaltsanalyse wesentlich beigetragen zu haben. Die Methode der Inhaltsanalyse als Forschungstechnik steht hier allerdings nicht zur Diskussion (darüber gibt Abschnitt 6.3.2 umfassend Auskunft). Vielmehr sollen im Folgenden typische Forschungsfelder der Medieninhaltsforschung aufgezeigt und ihre relevantesten Befunde diskutiert werden. Dabei soll es um Medienstrukturanalysen, Analysen zur Politik- und Wirtschaftsberichterstattung sowie Analysen zur Berichterstattung über Umwelt und Risiken gehen (siehe dazu jeweils ausführlich auch Maurer/ Reinemann 2006). 4.2.3.1 Medieninhaltsstrukturen Eine erste grundlegende Frage der Medieninhaltsforschung ist die nach der inhaltlichen Struktur des Informationsangebots in den unterschiedlichen Medien. Beispiele für solche Untersuchungen sind etwa in Strukturanalysen von Tageszeitungen zu sehen, wie sie Ende der 1960erbzw. Anfang der 1970er-Jahre im Kontext der Pressekonzentrationsforschung aufgekommen sind (vgl. Schulz 1970; <?page no="193"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 194 Vyslozil et. al 1973). Oberstes Forschungsziel war dabei herauszufinden, aus welchen Inhalten sich die Tageszeitungen in Deutschland (Schulz) bzw. Österreich (Vyslozil et al.) zusammensetzen und wie sich innerhalb des redaktionellen Teils der Zeitungen die Inhalte auf die Zeitungsressorts verteilen. Weiterhin interessierte, ob es Unterschiede zwischen den einzelnen Zeitungstypen (überregional, regional/ lokal verbreitete, parteipolitisch orientierte, unabhängige, Abonnementbzw. Boulevardzeitungen etc.) hinsichtlich der redaktionellen Strukturen gibt und ob in diesem Kontext etwa auch historisch bedingte Ursachen (wie etwa die Lizenzpolitik der Besatzungsmächte) und Unterschiede zwischen Lizenzzeitungen und solchen Zeitungen existieren, die erst nach der Erteilung der Generallizenz von den sog. »Altverlegern« herausgebracht wurden. Die wenigen Untersuchungen, die bislang zur Struktur der deutschen Presse durchgeführt wurden, zeigen, dass in überregionalen Tageszeitungen die Politik- und in regionalen Tageszeitungen die Lokalberichterstattung dominiert. Während das Feuilleton in beiden Zeitungstypen eine relativ große Rolle spielt, findet eine angemessene Wirtschaftsberichterstattung in nennenswerter Weise nur in den überregionalen Tageszeitungen statt. An diesen Verhältnissen hat sich seit den 1950er-Jahren kaum etwas geändert, obwohl der Umfang der Berichterstattung insgesamt deutlich zugenommen hat (vgl. Maurer/ Reinemann 2006, S. 84f ). Erst im Zuge der deutschen Wiedervereinigung wurden wieder einige Pressestrukturanalysen durchgeführt, diesmal mit dem Ziel, die Unterschiede zwischen ost- und westdeutschen Regionalzeitungen zu untersuchen (vgl. z. B. Schneider et al. 2000). Als Resultate konnten die Forscher damals u. a. festhalten, dass die untersuchten Zeitungen in den neuen Bundesländern generell deutlich dünner sind als in den alten (Ost: 29 Seiten; West: 33 Seiten). In der Summe ist die Lokalberichterstattung in den neuen Ländern deutlich kürzer gehalten und von insgesamt geringerem Stellenwert. Das Themenprofil der Lokalberichterstattung ist im Großen und Ganzen ähnlich. Unterschiede bestehen darin, dass die ostdeutschen Lokalzeitungen ihren Schwerpunkt auf Stadtentwicklung und -erneuerung legen, im Westen hingegen Berichte über Vereine, Parteien und Bürgerinitiativen stärker ausgeprägt sind. Diese Analysen liegen schon viele Jahre zurück; möglicherweise würde sich heute ein anderes Bild ergeben. Die Strukturen der deutschen Fernsehprogramme gehören zu den am besten untersuchten Forschungsgebieten in der Medieninhaltsforschung. Dies hat v. a. mit den schon erwähnten unterschiedlichen Anforderungen an öffentlich-rechtliche und private Fernsehsender zu tun (vgl. Kap. 4.3.5.2). Seit Einführung des dualen Rundfunksystems Mitte der 1980er-Jahre erhebt ein Forschungsteam um Udo Michael Krüger im Auftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten den Anteil an Informations- und Unterhaltungssendungen sowie die thematische Struktur der Programme. Seit 1997 wird diese Untersuchung um eine Programmstrukturanalyse im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM) ergänzt. Zwar zeigen beide Studien einen höheren Informationsanteil bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Weil sie aber mit verschiedenen Definition von Informations- und Unterhaltungssendungen arbeiten, fällt der Unterschied bei Krüger sehr deutlich, in der ALM- Studie dagegen nur knapp aus (zu den Ursachen vgl. ausführlich Maurer/ Reinemann 2006, S. 86ff). Auf einer feineren Ebene kann man zudem erkennen, dass der Anteil der Politikberichterstattung bei den Öffentlich-rechtlichen deutlich höher ist als bei den Privaten. Allerdings sind die Unterschiede zuletzt geringer geworden, weil die Privatsender heute mehr über Politik berichten als früher. Zumindest in dieser Hinsicht kann folglich von einer Konvergenz der Programme gesprochen werden. Aus ähnlichen Gründen wie beim Fernsehen sind auch die Programmstrukturen im Hörfunk häufig untersucht worden. Allerdings liegen hier keine kontinuierlichen Analysen, sondern nur Einzelstudien vor. Sie zeigen, dass die privaten Radiosender insgesamt einen geringeren Anteil an Wortbeiträgen aufweisen als die öffentlich-rechtlichen. Gleichzeitig enthält dieser Wortanteil etwas weniger Information. Der Informationsanteil enthält wiederum etwas weniger Politik. Allerdings unterscheiden sich die Wort- und Informationsanteile zwischen den einzelnen Programmen der öffent- <?page no="194"?> 4.2 Medieninhaltsforschung 195 lich-rechtlichen Sender sehr stark. Während einige davon fast reine Informationsprogramme sind, ist der Musikanteil z. B. in den Jugendsparten zum Teil größer als bei den privaten Sendern (vgl. z. B. Vowe/ Wolling 2004). Die inhaltliche Struktur des Internets ist aufgrund der Menge an Webseiten kaum zu bestimmen. Die wenigen Untersuchungen, die dies versucht haben, legen nahe, dass etwa ein Drittel aller erreichbaren Webseiten mit einer Endung auf ».de« dem kommerziellen Bereich zuzuordnen sind. Etwa ein Fünftel entfallen auf Vereine und andere Non-Profit-Organisationen, etwa ein Siebtel auf Privatpersonen (vgl. zusammenfassend Maurer/ Reinemann 2006, S. 97). Verglichen damit spielen Onlineangebote von traditionellen Massenmedien nur eine geringe Rolle. Die wenigen Studien, die dies bislang untersucht haben, zeigen übereinstimmend, dass die thematische Struktur der Onlinemedien in etwa der ihrer Offlinependants entspricht (vgl. z. B. Gerhards/ Schäfer 2007, Quandt 2008). 4.2.3.2 Politikberichterstattung Ohne Zweifel werden die meisten Medieninhaltsstudien im Bereich der politischen Kommunikation durchgeführt. Das kann man vermutlich damit erklären, dass politische Medieninhalte als besonders bedeutsam und folgenreich für die Urteilsbildung der Gesellschaft angesehen werden. Die Vielzahl der Befunde aus diesem Bereich kann hier nicht vollständig widergegeben werden. Stellvertretend sollen deshalb drei zentrale Forschungsfelder diskutiert werden: Forschung zu den redaktionellen Linien der Medien und ihren Folgen für die Berichterstattung, z. B. in Wahlkämpfen, Forschung zur Personalisierung der Politikberichterstattung und Forschung zur Berichterstattung über politische Skandale. Als redaktionelle Linie eines Mediums bezeichnet man seine grundsätzliche, von aktuellen Ereignissen unabhängige Berichterstattungstendenz. Dabei kann man alle Medien auf einem Kontinuum von politisch links bis politisch rechts einordnen. Die redaktionellen Linien werden bei Printmedien vom Verleger bestimmt (Blattlinie, publizistische Grundsatzkompetenz - vgl. Pürer/ Raabe 2007, S. 274f ) und über die alltägliche Sozialisation in der Redaktion an die Journalisten weitergegeben. Dagegen sollten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten politisch ausgewogen berichten. Dennoch zeigen sich auch hier innerhalb einzelner Sendungen redaktionelle Linien, wenn auch insgesamt deutlich schwächer als in der Presse. Zur Ermittlung der redaktionellen Linien kann z. B. die Tendenz der Berichterstattung über politische Akteure und Parteien zugrundegelegt werden (vgl. z. B. Maurer et al. 2013). Ebenso kann die Verwendung einzelner Argumente (vgl. Schönbach 1977), bestimmter Konfliktsichten (vgl. Kepplinger et al. 1989) oder die Perspektive (Frame), aus der heraus Medien über politische Probleme berichten (vgl. Eilders et al. 2004), als Indikator für die redaktionelle Linie herangezogen werden. Besonders gut untersucht sind die redaktionellen Linien der vier überregionalen Qualitätszeitungen, die zusammen das sog. publizistische Spektrum (vgl. Wilke 2009, S. 472) bilden: Dabei ist die Frankfurter Rundschau deutlich links anzusiedeln, die Süddeutsche Zeitung gemäßigt links, die Frankfurter Allgemeine Zeitung gemäßigt konservativ und die Welt deutlich konservativ. Ebenfalls häufig untersucht wurden die redaktionellen Linien der taz (links), der Bild (konservativ) und der reichweitenstärksten Fernsehnachrichtensendungen (Tagesschau und RTL aktuell gemäßigt links, Heute und SAT.1-Nachrichten gemäßigt konservativ). Die redaktionellen Linien der Printmedien zeigen sich auch in Wahlkämpfen, sodass die Wähler, je nachdem, welche Zeitung sie lesen, einen vollkommen unterschiedlichen Eindruck von den Parteien und Kandidaten erhalten. Beispielsweise wiesen die Berichte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Kanzlerin Merkel in den letzten vier Wochen vor der Bundestagswahl 2009 einen Saldo <?page no="195"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 196 von +12 auf, d. h. die positiven Beiträge über Merkel überwogen die negativen deutlich. In der Süddeutschen Zeitung betrug der Saldo im selben Zeitraum -8. Über die SPD berichtete die FAZ mit einem Saldo von -41, die Berliner Zeitung mit einem Saldo von -9 (vgl. Maurer et al. 2013, ähnlich auf Aussagenbasis auch Wilke/ Leidecker 2010). Vor allem die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender achten dagegen in Wahlkämpfen stärker als sonst auf politische Ausgewogenheit und berichten im Regelfall relativ konsonant neutral. Auch im Bundestagswahlkampf 2009 bewegten sich die Berichterstattungssaldi für Parteien und Kandidaten um den neutralen Mittelwert (vgl. Maurer et al. 2013, Schulz/ Zeh 2010). Allerdings gibt es von dieser Regel auch Ausnahmen. Eine solche war der Bundestagswahlkampf 1998, in dem alle vier Nachrichtensendungen ein ausgesprochen negatives Bild von der Union und Helmut Kohl und ein ausgesprochen positives Bild von der SPD und Gerhard Schröder vermittelten (vgl. Donsbach/ Jandura 1999). Grundsätzlich lassen sich die redaktionellen Linien der Medien am besten an der Tendenz der Kommentare ablesen, weil wertende Darstellungen hier gewollt und zulässig sind. Nachrichten sollen die Rezipienten dagegen sachlich informieren und unterrichten - den Mediennutzern soll ein möglichst stimmiges Abbild der Wirklichkeit geboten werden, ungefärbt von persönlichen Sichtweisen der Journalisten. Dieses Gebot der Trennung von Nachricht und Meinung spielt im angelsächsischen Journalismus eine große Rolle und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg auch im deutschen Journalismus etabliert. Allerdings finden sich journalistische Wertungen häufig auch in Nachrichten und Berichten. Dabei stimmt die Tendenz der Wertungen in den Nachrichten i. d. R. mit der Tendenz der Wertungen in den Kommentaren überein, ein Sachverhalt, den man als Synchronisation von Nachricht und Kommentar bezeichnet (vgl. zuerst Schönbach 1977). Die Wertungen in Nachrichten und Berichten können, ähnlich wie in den Kommentaren, die Folge von direkten journalistischen Einschätzungen sein. Sie können aber auch durch das selektive Zitieren von Experteneinschätzungen entstehen, die bewusst oder unbewusst ausgewählt wurden, weil sie die Sichtweise der Redaktion stützen (sog. opportune Zeugen; vgl. zuerst Hagen 1992). Die Diskussion um die redaktionellen Linien der Medien tangiert folglich auch ein zentrales journalistisches Qualitätskriterium: das Kriterium der Objektivität. Die Forderung nach journalistischer Objektivität wird in Deutschland (mit Ausnahme Hessens) in allen Landespressegesetzen erhoben, wenn es heißt, dass die Presse »alle Nachrichten vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gegebenen Sorgfalt auf Wahrheit, Inhalt und Herkunft zu prüfen« habe (so etwa das Bayerische Landespressegesetz). Nach gängiger Interpretation muss hierbei das »objektive und ernstliche Bemühen« um wahrheitsgemäße Darstellung ausreichen, was heißt, dass die Presse zur Wahrhaftigkeit, nicht zur objektiven Wahrheit verpflichtet ist (vgl. Löffler 1994, S.-265). Auch die Landesrundfunkgesetze und Satzungen der Länder stellen in verschiedenen Formulierungen die Forderung nach Objektivität auf. Schließlich enthalten auch die Ziffern 1, 2, 3 und 7 der Publizistischen Grundsätze des Deutschen Presserates für das Objektivitätspostulat relevante Forderungen. Und nicht zuletzt meinen drei Viertel der bundesdeutschen Journalisten selbst, dass die Journalisten die Realität genauso abbilden sollen, wie sie ist (vgl. Weischenberg et al. 2006). Was genau unter Objektivität verstanden werden soll, ist allerdings umstritten. Der schwedische Kommunikationswissenschaftler Jörgen Westerstahl hat den Begriff der Objektivität in den 1980er- Jahren in vier Dimensionen unterteilt, um ihn empirisch messbar zu machen (vgl. Westerstahl 1983). Diese Operationalisierung wurde mittlerweile in vielen Untersuchungen zur journalistischen Objektivität (vgl. z. B. Bentele 1995) und zur Qualität im Journalismus allgemein (vgl. z. B. Schatz/ Schulz 1992) in ähnlicher Form übernommen. Demnach kann man die vier Dimensionen Relevanz, Richtigkeit, Ausgewogenheit und Neutralität unterscheiden. Der Einfluss der redaktionellen Linien bezieht sich im Wesentlichen auf die letzten beiden Dimensionen, Ausgewogenheit und Neutralität. Demnach sollen Medien erstens ausgewogen berichten, also z. B. beiden Seiten in einem Konflikt oder <?page no="196"?> 4.2 Medieninhaltsforschung 197 allen Parteien in einem Wahlkampf in etwa gleiche Publikationschancen einräumen (vgl. für eine ausführliche Diskussion z. B. Jandura 2011). Zweitens sollen die Medien neutral bleiben, d. h. eigene Wertungen in der Berichterstattung unterlassen. Eine Ausnahme sind, wie oben erläutert, Kommentare. Wie die oben angeführten Studien belegen, ist dies aber oft nicht der Fall. Einen Sammelband über Objektivität im Journalismus mit Beiträgen von Ulrich Saxer, Philomen Schönhagen und Detlef Schröter hat gegen Ende 2012 Hans Wagner vorgelegt (Wagner 2012a), der in diesem Buch auch »Das Fachstichwort: Objektivität im Journalismus« abhandelt (Wagner 2012b). Die ersten beiden Dimensionen (Relevanz, Richtigkeit) sind dagegen wesentlich schwerer zu untersuchen, weil sie sich auf das Verhältnis von Medienberichterstattung und Realität beziehen. Dabei meint Relevanz, dass Journalisten Themen aufgreifen sollen, die gesellschaftliche Relevanz besitzen, bzw. Themen entsprechend ihrer gesellschaftlichen Relevanz berücksichtigen sollen. Richtigkeit meint dagegen, dass journalistische Aussagen die Wirklichkeit möglichst adäquat widergeben sollen. Dies kann z. B. durch intensive Recherche und Hinzuziehung von Fakten geschehen. Dass ein solcher Vergleich von Medienberichterstattung und Realität möglich und sinnvoll ist, wird insbesondere von der erkenntnistheoretischen Position des Konstruktivismus bezweifelt. Demnach gibt es keine vom Beobachter unabhängige Realität, die man mit der Berichterstattung vergleichen könnte. Vielmehr konstruierten Journalisten und Rezipienten je nach individuellen Voreinstellungen ihre eigene Realität. Die erkenntnistheoretische Position des Realismus hält dieser Sichtweise entgegen, dass es zwar grundsätzlich richtig sei, dass die eigene Weltsicht durch individuelle Voreinstellungen oder Schemata geprägt sei, daraus aber nicht folgen dürfe, dass alle Darstellungen der Realität gleichermaßen als richtig angesehen werden. Vielmehr müsse man versuchen, sich mit Hilfe von externen Realitätsindikatoren (z. B. Statistiken) möglichst nahe an eine objektive Realität anzunähern, die dann mit der Berichterstattung verglichen werden könne (für eine Diskussion zwischen den Anhängern der konstruktivistischen und der realistischen Position vgl. z. B. die Beiträge in Bentele/ Rühl 1993). Die Personalisierung der Politikberichterstattung gehört seit etwa zwanzig Jahren zu den am meisten untersuchten Fragen der Medieninhaltsforschung. Dabei liegt den Studien i. d. R. die zumindest implizite Annahme zugrunde, dass eine Personalisierung der Politikberichterstattung demokratietheoretisch nicht wünschenswert ist, weil sie zu Lasten von Sachinformationen gehe. Folgt man neueren Untersuchungen (vgl. z. B. van Aelst et al. 2012), lässt sich Personalisierung in vier verschiedene Dimensionen unterteilen: Auf der ersten Ebene wird untersucht, ob politische Institutionen (z. B. Parteien) oder einzelne Politiker im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen. Auf der zweiten Ebene geht es darum, ob sich die Berichterstattung auf wenige Spitzenpolitiker konzentriert oder viele Vertreter der Parteien zu Wort kommen lässt. Auf der dritten Ebene stellt sich die Frage, ob sich die Berichterstattung über Politiker v. a. auf deren Sachkompetenz oder mehr oder weniger unpolitische Persönlichkeitseigenschaften konzentriert. Schließlich wird auf der vierten Ebene untersucht, ob das Privatleben von Politikern im Fokus der Berichterstattung steht. Wie stark die Berichterstattung personalisiert ist, hängt folglich auch davon ab, welcher Indikator betrachtet wird. Inhaltsanalysen der vergangenen Bundestagswahlkämpfe zeigen z. B. eine hohe Konzentration der Medienberichterstattung auf wenige Spitzenpolitiker der Bundestagsparteien. Eine herausragende Rolle spielen dabei die Kanzlerkandidaten. So berichteten die Nachrichtensendungen der reichweitenstärksten deutschen Fernsehsender in den vier Wochen vor der Bundestagswahl 2009 338mal über Kanzlerin Angela Merkel und 297mal über den Herausforderer Frank-Walter Steinmeier. Allein der damalige FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle kam mit 193 Beiträgen noch auf eine ähnlich hohe Fernsehpräsenz (vgl. z. B. Krüger/ Zapf-Schramm 2009). Diese Befunde belegen zugleich, dass der amtierende Kanzler i. d. R. über einen sog. Amts- oder Kanzlerbonus verfügt: Er ist in Wahlkämpfen häufiger Gegenstand der Berichterstattung als sein Herausforderer. Wie deutlich dies der Fall ist, <?page no="197"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 198 ist allerdings von Wahlkampf zu Wahlkampf verschieden (vgl. Maurer/ Reinemann 2006, S. 120f ). Erklären kann man den Kanzlerbonus damit, dass der Kanzler nicht nur über die typische Wahlkampfberichterstattung, sondern auch im Zusammenhang mit der Ausübung seines Amtes Medienberichterstattung generiert. Rechnet man diese Beiträge heraus, ist der Kanzlerbonus i. d. R. kaum noch erkennbar. Zudem sollte man diesen Aufmerksamkeitsbonus nicht mit einem Darstellungsbonus verwechseln. Wenn über einen Kanzler zu negativ berichtet wird, kann ihm hohe Medienaufmerksamkeit eher schaden. Betrachtet man die weiteren Indikatoren für Personalisierung, zeigt sich zunächst, dass die Medien nach wie vor häufiger über Parteien als über Politiker berichten (vgl. z. B. Kepplinger/ Maurer 2005, Maurer et al. 2013). Auch die Berichterstattung über Sachthemen überwiegt selbst in Wahlkämpfen im Vergleich zur Berichterstattung über Personen (vgl. z. B. Donsbach/ Jandura 1999). Untersucht man schließlich, welche Merkmale von z. B. Politikern im Zentrum der Medienberichterstattung stehen, zeigt sich, dass Printmedien i. d. R. eher die Sachkompetenz der Kandidaten thematisieren (vgl. z. B. Wilke/ Leidecker 2010), während die Fernsehnachrichten v. a. durch ihre visuellen Informationen überwiegend Eindrücke von der Persönlichkeit der Kandidaten vermitteln (vgl. Kepplinger/ Maurer 2005). Eine häufig untersuchte Frage ist zudem, ob die Personalisierung der Politikberichterstattung in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen hat. Solche Langzeitanalysen liegen für die vier überregionalen Qualitätszeitungen seit 1949 vor. Dabei wird z. B. deutlich, dass der Anteil der Beiträge mit Bezug zu einem der beiden Kanzlerkandidaten seit 1953 mit leichten Schwankungen auf hohem Niveau konstant bleibt. Zwar gibt es besonders personalisierte und weniger personalisierte Wahljahre, ein genereller Trend zu zunehmender Personalisierung ist aber nicht erkennbar (vgl. Wilke/ Leidecker 2010). Für die Nachrichtensendungen der reichweitenstärksten Fernsehsender sind ähnliche Analysen seit 1990 verfügbar. Sie zeigen einen stetigen Anstieg der Beiträge mit Kandidatenbezug bis 2002, der allerdings von einem leichten Abfall bei den letzten beiden Bundestagswahlen gefolgt war (vgl. Schulz/ Zeh 2010). Insgesamt spricht folglich wenig für eine generelle Zunahme der Personalisierung der Wahlkampfberichterstattung in Deutschland - v. a., weil die Personalisierung schon immer ausgesprochen hoch war. Im Detail lassen sich allerdings durchaus Trends ausmachen, die v. a. auf die Einführung der sog. TV-Duelle im Wahljahr 2002 zurückzuführen sind. So thematisieren die Medien seitdem bei weitem häufiger das Auftreten der Kandidaten als in früheren Wahlkämpfen (vgl. Reinemann/ Wilke 2007; vgl. dazu Kap. 5.1.2). Der letzte Aspekt der politischen Medieninhaltsforschung, der hier thematisiert werden soll, ist die Skandalberichterstattung. In der Politik gibt es, wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen, auch, Missstände - Politiker verschaffen sich durch ihr Amt persönliche Vorteile, verschwenden Steuergelder oder verhalten sich in anderer Art und Weise moralisch fragwürdig. Ein Skandal entsteht, wenn ein Missstand von den Massenmedien öffentlich gemacht und mehr oder weniger einheitlich angeprangert wird. Die meisten Skandale führen schließlich zum Rücktritt des Skandalierten, spätestens dann, wenn sich neben den Medien, die ihm aufgrund ihrer redaktionellen Linien eigentlich verbunden sein müssten, auch die eigenen Parteifreunde von ihm distanzieren. Jüngste Beispiele sind die Rücktritte von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg aufgrund des Skandals um seine in weiten Teilen aus anderen Werken kopierte Dissertation oder der Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff aufgrund einer Vielzahl von tatsächlichen oder vermeintlichen Fällen von persönlicher Vorteilnahme (vgl. dazu ausführlich Kepplinger 2012). Grundsätzlich berichten die meisten Massenmedien zwar eher negativ über Politik (vgl. Maurer 2003, S. 131), weil sich viele Journalisten als Kontrolleure der Politik betrachten. Die Skandalberichterstattung nimmt dabei allerdings nur einen sehr kleinen Teil ein. Dies hat v. a. damit zu tun, dass schlagzeilenträchtige Skandale vergleichsweise selten sind. Die Bedeutung von Skandalen für die <?page no="198"?> 4.2 Medieninhaltsforschung 199 politische Kommunikation besteht allerdings weniger in ihrer Häufigkeit, sondern v. a. in der hohen Berichterstattungsintensität in meist kurzen Zeiträumen. So beschäftigten sich in einigen Wochen des Jahres 2000 mehr als die Hälfte der innenpolitischen Beiträge in den deutschen Fernsehnachrichten und Tageszeitungen mit der CDU-Parteispendenaffäre (vgl. Maier 2003). Politische Missstände werden vergleichsweise häufig zu Skandalen - zwar seltener als Missstände im Bereich der Kirche, aber deutlich häufiger als Missstände im Bereich der Medien selbst (vgl. Kepplinger et al. 2002). Skandale gehen meist von einzelnen Medien oder Journalisten aus. Ob ein Skandalierungsversuch erfolgreich ist, entscheidet sich dadurch, wie die übrigen Medien reagieren. In der Regel verteidigen die Medien des eigenen politischen Lagers einen Skandalierten zunächst. Entscheidend ist dann, ob neue Vorwürfe auftauchen bzw. ob sich die negative Berichterstattung über den Skandal hinaus auch auf die grundsätzliche Bewertung des Skandalierten niederschlägt. In solchen Fällen schließen sich nach einer gewissen Zeit auch die Medien des eigenen politischen Lagers der Skandalierung an. Der Skandalierte hat nun kaum noch eine Chance seinen Rücktritt zu vermeiden (vgl. z. B. Kepplinger et al. 1995, Eps et al. 1996). Ob die Häufigkeit der Skandalberichterstattung im Zeitverlauf zugenommen hat, ist bislang nur im Hinblick auf das Magazin Der Spiegel untersucht worden - einerseits aus forschungsökonomischen Gründen, andererseits aber auch, weil sich Der Spiegel in diesem Bereich besonders profiliert hat. Die Daten zeigen, dass die Skandalberichterstattung v. a. im Verlauf der 1970er- und 1980er- Jahre deutlich angestiegen ist. In den letzten zwanzig Jahren ist ihre Intensität dann aber wieder geringer geworden (vgl. Oehmer 2011). 4.2.3.3 Wirtschaftsberichterstattung Insbesondere in den überregionalen Qualitätszeitungen nimmt die Wirtschaftsberichterstattung den zweitgrößten Raum nach der Politikberichterstattung ein. Dennoch existieren bislang nur vergleichsweise wenige Inhaltsanalysen der Wirtschaftsberichterstattung. Seit den 1950er-Jahren machen Wirtschaftsberichte konstant zwischen 20 und 25 Prozent der Gesamtberichterstattung der überregionalen Qualitätszeitungen aus. Regionalzeitungen berichten deutlich weniger (etwa 10 Prozent), Boulevardzeitungen noch weniger (vgl. Maurer/ Reinemann 2006, S. 84; Beck et al. 2012, S. 125). Welche Themen die Wirtschaftsberichterstattung dominieren, hängt davon ab, welche Medien man betrachtet. Spezielle Wirtschaftsmedien wie die Wirtschaftsmagazine im öffentlich-rechtlichen Fernsehen oder auf Wirtschaftsthemen spezialisierte Printmedien wie das Handelsblatt berichten häufig über einzelne Unternehmen, z. B. ihre Umsätze oder Produkte. Die thematischen Schwerpunkte in der Berichterstattung der Fernsehnachrichtensendungen und Tageszeitungen hängen von der aktuellen Ereignislage ab. So herrschten in den 1980er- und 1990er-Jahren die Themen Arbeitslosigkeit und Wirtschaftswachstum vor (vgl. Quiring 2004, S. 79), zuletzt dominierte durch die weltweite Finanzkrise dagegen das Thema Finanzen (vgl. Krüger 2009). Insbesondere in den politischen Magazinen der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, aber auch in der Süddeutschen Zeitung, geht es zudem häufig um Wirtschaftskriminalität (vgl. Friedrichsen 1992, S. 121; Beck et al. 2012, S. 131). Betrachtet man die langfristige, weitgehend ereignisunabhängige Berichterstattung über Wirtschaft, zeigen sich erhebliche Unterschiede in den Darstellungen der verschiedenen Medien. Eindeutig negativ werden Unternehmen und Unternehmer in Printmedien mit linker redaktioneller Linie (Frankfurter Rundschau, Der Spiegel, taz, Berliner Zeitung) dargestellt. Noch negativer ist allerdings die Darstellung in den Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, was man vermutlich darauf zurückführen kann, dass diese nur in Krisenfällen wirtschaftliche Themen aufgreifen. Überwiegend positiv ist die Darstellung dagegen in konservativen Tageszeitungen <?page no="199"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 200 wie der FAZ oder der Welt, aber auch in der Wochenzeitung Die Zeit und in den Fernsehnachrichten von RTL (vgl. Maurer/ Reinemann 2006, S. 165). Neben der Berichterstattung über Unternehmen oder einzelne Unternehmer wird die Wirtschaftsberichterstattung stark von Berichten über die wirtschaftliche Lage insgesamt geprägt. Hier geht es z. B. um das Wirtschaftswachstum, die Lage am Arbeitsmarkt oder die Höhe der Inflation. Diese Indikatoren haben auch eine politische Bedeutung, weil sie etwas über den Wohlstand aussagen und ihre Entwicklung häufig explizit oder implizit auf politische Entscheidungen zurückgeführt wird. Untersuchungen zeigen, dass die wirtschaftliche Lage in den Massenmedien überwiegend negativ dargestellt wird. Dabei ist es weitgehend irrelevant, welcher der oben genannten Indikatoren betrachtet wird. Folgt man der realistischen Position in der Erkenntnistheorie (vgl. Kap. 4.2.3.2), lassen sich diese negativen Darstellungen mit der tatsächlichen Entwicklung der Indikatoren für die Wirtschaftslage vergleichen. Hierbei zeigen sich i. d. R. keine oder nur sehr geringe Übereinstimmungen (vgl. z. B. Quiring 2004, S. 100ff). Die Massenmedien konzentrieren ihre Darstellungen der Wirtschaftslage - ähnlich wie ihre Politikdarstellungen - folglich v. a. auf negative Entwicklungen (z. B. steigende Arbeitslosenzahlen oder Firmenschließungen) und berichten nicht in gleichem Maße über positive Entwicklungen (z. B. sinkende Arbeitslosenzahlen oder Firmengründungen). Auch in einem weiteren Punkt ähneln sich Wirtschafts- und Politikberichterstattung: Während sich die Wirtschaftsberichterstattung lange v. a. auf die Darstellung von Unternehmen und die wirtschaftliche Entwicklung konzentrierte, ist zuletzt eine zunehmende Personalisierung der Berichterstattung erkennbar. Dabei geht es meist um das moralische oder wirtschaftliche Fehlverhalten einzelner Unternehmer oder Manager, zunehmend aber auch um deren Privatleben (vgl. Maurer/ Reinemann 2006, S. 163). 4.2.3.4 Berichterstattung über Risiken Ein Forschungsfeld, das in den vergangenen Jahren immer stärker an Bedeutung gewonnen hat, ist die Risikokommunikation. Im Bereich der Medieninhaltsforschung geht es dabei insbesondere darum, wie Risiken in den Medien kommuniziert werden. Dabei steht v. a. die Darstellung von Naturkatastrophen, Krankheiten und Technikfolgen im Mittelpunkt. Es wird erstens untersucht, ob, wann und wie lange die Massenmedien über verschiedene Risiken berichten. Dabei zeigen sich zum einen weitgehend ereignisunabhängige Schwankungen der Bedeutung, die Journalisten dem Thema im Zeitverlauf beimessen. So ignorierten die deutschen Medien Umweltrisiken bis in die 1960er-Jahre nahezu vollständig. In den 1970er- und 1980er-Jahren stieg die Berichterstattung über Umweltthemen zunächst in den Printmedien, später auch in den Fernsehnachrichten erheblich an. Seit den 1990er-Jahren ist ihre Bedeutung wieder gesunken (vgl. zusammenfassend Maurer/ Reinemann 2006, S. 196). Der Einfluss der journalistischen Weltsicht auf die Risikoberichterstattung führt häufig dazu, dass Risiken nicht ihrer tatsächlichen Bedeutung entsprechend berichtet werden. So hat die deutsche Presse z. B. in den 1960er-Jahren kaum über Gewässerverunreinigung berichtet, obwohl die Gewässer verunreinigt waren. Die Berichterstattung nahm erst in den 1980er-Jahren zu, als die Gewässer wieder deutlich sauberer waren (vgl. Kepplinger 1989, S. 120). Zum anderen zeigt sich kurzfristig eine starke Ereignisorientierung in der Berichterstattung. So berichten die Massenmedien nicht kontinuierlich über Umweltrisiken, sondern meist nur dann, wenn Umweltkatastrophen eingetreten oder gefährliche Krankheiten ausgebrochen sind. In solchen Fällen steigt die Beitragshäufigkeit in kürzester Zeit dramatisch an, so dass das Thema für wenige Tage oder Wochen die gesamte Medienberichterstattung dominiert. Nach dieser Aufregungsphase lässt die Berichterstattung ebenso schnell wieder nach, weitgehend unabhängig davon, ob das Risiko <?page no="200"?> 4.2 Medieninhaltsforschung 201 weiterhin besteht oder nicht. Beispiele hierfür sind die Berichterstattung über die Rinderseuche BSE in den Jahren 2000/ 2001 (vgl. Hagenhoff 2003), die Berichterstattung über die Elbe-Flut im Bundestagswahlkampf 2002 (vgl. Kepplinger/ Roessing 2005) oder die Berichterstattung über den Klimawandel (vgl. Maurer 2011). Ein grundsätzliches Phänomen der journalistischen Nachrichtenauswahl, das aber im Zusammenhang mit der Risikoberichterstattung besonders deutlich wird, sind sog. Schlüsselereignisse. So bezeichnet man besonders ungewöhnliche oder dramatische Ereignisse, über die die Massenmedien sehr ausführlich berichten. Solche Schlüsselereignisse ziehen oft weitere Medienberichterstattung über ähnliche, aber weit weniger dramatische Ereignisse nach sich, über die ohne das Schlüsselereignis vermutlich niemals berichtet worden wäre. So zog die Medienberichterstattung über einen schweren Störfall in einem Chemiewerk der Hoechst AG in Frankfurt 1993 eine Unmenge Berichterstattung über kleinere, im Prinzip kaum nennenswerte Störfälle nach sich, so dass für die Bevölkerung der Eindruck einer dramatischen Störfallserie entstehen musste (vgl. Kepplinger/ Hartung 1995). In ähnlicher Weise erhielt die Krankheit AIDS erstmals durch den Tod des prominenten Schauspielers Rock Hudson 1985 eine nennenswerte Medienaufmerksamkeit. In der Folgezeit stieg auch hier die Berichterstattung über die Krankheit erheblich an (vgl. Kepplinger/ Habermeier 1995), obwohl das objektive Risiko, an AIDS zu erkranken, nicht gestiegen war. Möglicher Weise darf man dies so deuten, dass die Journalisten bzw. Massenmedien Problembewusstsein bezüglich AIDS schaffen wollten. Ein aktuelles, wenn auch bislang nicht empirisch untersuchtes Beispiel ist die Tsunami-Katastrophe in Japan, die insbesondere in Deutschland eine breite Medienberichterstattung über Atomkraft nach sich zog und letztlich zum Atomausstieg führte. Insbesondere das letzte Beispiel verdeutlicht, dass die Berichterstattung über Risiken oft an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik angesiedelt ist. Eine häufig untersuchte Frage ist folglich, wie stark die Risikoberichterstattung politisiert ist. Das kann man z. B. daran ablesen, ob sie im Wesentlichen im Politik- oder im Wissenschaftsteil stattfindet, oder auch daran, ob politische oder wissenschaftliche Akteure dominieren. Dabei kann man stark und weniger stark politisierte Risiken unterschieden. Besonders stark politisiert sind z. B. die Diskussion um die Atomkraft und den Klimawandel, die sich überwiegend im Politikteil abspielen, und die im Zeitverlauf zunehmend von politischen Akteuren geprägt wird (vgl. zusammenfassend Maurer/ Reinemann 2006, S. 202; Weingart/ Engels/ Pansegrau 2000). Weniger stark politisiert ist dagegen z. B. die Diskussion um die Gentechnik bzw. molekulare Medizin (vgl. Gerhards/ Schäfer 2007; Ruhrmann/ Milde 2011). Wie Risiken in den Medien eingeschätzt und Techniken bewertet werden, hängt vom jeweiligen Medium ab und verändert sich zum Teil im Zeitverlauf auch deutlich. Ein Beispiel hierfür ist wiederum die Atomenergie, die bis Mitte der 1970er-Jahre insbesondere von den Medien des konservativen Spektrums außerordentlich positiv bewertet wurde. Dies änderte sich ohne erkennbaren Anlass Mitte der 1970er-Jahre in mehreren Medien gleichzeitig, sodass von da an nahezu kein Medium mehr einen positiven Eindruck von der Atomkraft vermittelte. Die Atomunfälle von Three Mile Island (1979) und Tschernobyl (1986) zogen weitere negative Berichterstattung nach sich (vgl. Kepplinger 1988). Auch in Bezug auf die meisten anderen neuen Technologien kann man festhalten, dass die Massenmedien eher ihre Risiken als ihre Chancen betonen (Kepplinger 1989). Eine Ausnahme bildet hierbei z. B. wiederum die Gentechnik, wobei man allerdings zwischen ihrer Anwendung in der Landwirtschaft (grüne Gentechnik) und in der Medizin (rote Gentechnik) unterscheiden muss. Während erstere kritisiert wird, wird letztere überwiegend positiv dargestellt (vgl. Merten 1999; Gerhards/ Schäfer 2007). Eine Besonderheit der Risikoberichterstattung ist schließlich die Tatsache, dass sie mit großer Ungewissheit verbunden ist. Zwar lässt sich die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Risikos in den meisten Fällen ziemlich exakt bestimmen. Wann ein Schaden, z. B. ein Erdbeben oder ein Reaktorun- <?page no="201"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 202 fall eintritt, ist dagegen nicht vorhersehbar. Darüber hinaus beziehen sich viele Aussagen im Bereich der Risikokommunikation auf zukünftige Entwicklungen, z. B. wenn es darum geht, welche Folgen der weltweite Klimawandel haben wird oder wie schnell sich ein neues Virus verbreiten wird. Dabei kann man allenfalls versuchen, die bestmögliche Zukunftsprognose abzugeben, in dem man z. B. vergangene Entwicklungen linear in die Zukunft fortschreibt. Die Zukunft exakt prognostizieren kann aber selbstverständlich niemand. Das wirft die Frage auf, wie die Massenmedien mit dieser Ungewissheit umgehen. Folgt man den Richtlinien des Deutschen Presserats und den Grundsätzen der Journalistenausbildung, sollten sie die Ungewissheit deutlich machen, damit die Rezipienten zwischen Fakten und Spekulationen unterscheiden können (vgl. zusammenfassend Maurer 2011). Dazu stehen ihnen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung: Sie können die Ungewissheit dadurch deutlich machen, dass sie die verschiedenen Prognosen gleichberechtigt nebeneinanderstellen, dass sie sprachliche Relativierungen wie z. B. den Konjunktiv verwenden, oder auch dadurch, dass sie explizit darauf hinweisen, dass in Bezug auf zukünftige Entwicklungen generell Ungewissheit herrscht. Tatsächlich wird dies in den Massenmedien dagegen kaum deutlich. So zeigt Maurer (2011) im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Klimawandel in der deutschen Presse, dass weder die Prognosen über die Höhe des zukünftigen Temperaturanstiegs, noch die Prognosen über seine Folgen in nennenswerter Weise als ungewiss gekennzeichnet waren. Im Verlauf der letzten zwanzig Jahre erschien ein hoher Temperaturanstieg mit verheerenden Folgen für die Menschheit darüber hinaus zunehmend als sicher, obwohl die Prognosen des Weltklimarats IPCC zunehmend von Ungewissheit gekennzeichnet waren. Mit Klimawandel und Medien befasst sich aus recht unterschiedlichen Perspektiven facettenreich der 2012 von Irene Neverla und Mike S. Schäfer herausgegebene Sammelband »Das Medien-Klima« (Neverla/ Schäfer 2012). Ähnliche Befunde zeigen sich auch im Zusammenhang mit bereits geschehenen Ereignissen, über deren Ursachen noch nichts bekannt ist. So zeigt Andreas Fahr (2001) anhand der Medienberichterstattung über einen Flugzeugabsturz, dass die Medien Spekulationen über die Absturzursache als Tatsachen dargestellt haben, obwohl die Absturzursache noch vollkommen ungewiss war. Erklären kann man die fehlende Bereitschaft von Journalisten, Ungewissheit deutlich zu machen, vermutlich damit, dass sie ihre Aufgabe darin sehen, die Ungewissheit der Rezipienten zu reduzieren. Die Darstellung von Ungewissheit kann in diesem Sinne als unzureichendes Informationsangebot missverstanden werden. Literatur Arnhold, Ulrike (2002): Der Genrebegriff in der Journalistik der DDR. Eine kritische Bestandsaufnahme. München. Beck, Klaus et al.(2012): Wirtschaftsberichterstattung in der Boulevardpresse. Wiesbaden. Bentele, Günter (1995): Wirklichkeitsreduktionen. Zur Objektivität und Glaubwürdigkeit der Medien. Opladen. Bentele, Günter; Rühl, Manfred (1993): Theorien öffentlicher Kommunikation. München. Bleicher, Joan Kristin (1993): Chronik zur Programmgeschichte des deutschen Fernsehens. Berlin. Donsbach, Wolfgang; Jandura, Olaf (1999): Drehbücher und Inszenierungen. Die Union in der Defensive. In: Noelle-Neumann, Elisabeth et al. (Hrsg.): Kampa. 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Dies ist hier nicht gemeint. Im Hinblick auf die dieser Publikation zu Grunde gelegte Systematik von Kommunikationsprozessen befasst sich die Kommunikationswissenschaft im Bereich Medienforschung vielmehr mit den - nicht nur technischen - Mitteln und (Ver-)Mittlern der Kommunikation, deren man sich bedient, um anderen etwas mitzuteilen. In der Face-to-face-Kommunikation sind diese Mittel, wie erwähnt (vgl. Kap. 3.1.6), primär die Sprache sowie eine Vielzahl nonverbaler Ausdrucksformen, die den Austausch von Informationen zwischen zwei oder auch mehr Kommunizierenden ermöglichen. In der technisch vermittelten Individualkommunikation (Telefon, Fax, SMS), in der Massenkommunikation (Print, Funk) sowie - mit notwendigen Differenzierungen - auch in der computervermittelten Kommunikation (Internet, Onlinekommunikation) sind Medien primär technische Geräte und organisationelle Infrastrukturen, mit deren Hilfe Botschaften und Mitteilungen generiert und ausgetauscht bzw. öffentlich vermittelt werden. In der Massenkommunikation sowie zu einem großen Teil auch in der computervermittelten Kommunikation werden diese technischen Medien in aller Regel von komplexen Organisationen wie Zeitungs- und Zeitschriftenbetrieben, Radio- und Fernsehanstalten, Film- und Videoproduktionsunternehmen, kommerziellen und nichtkommerziellen Onlineanbietern etc. betrieben. Da zahlreiche Medienunternehmen inzwischen Medienprodukte und Mediendienste unterschiedlicher Art anbieten, ist bei solchen Unternehmen auch von Medienhäusern bzw. Multimediakonzernen die Rede. 4.3.1 Begriff »Medium« Im Zusammenhang mit dem Medien-Begriff ist zu erwähnen, dass die Kommunikationswissenschaft de facto über keine eindeutige bzw. einheitliche Begriffsbestimmung verfügt. Es gibt jedoch zahlreiche Bemühungen, zu einer Begrifflichkeit zu finden. Drei Themenkreise sollen mit Blick auf den Begriff Medium kurz erörtert werden: zunächst der Aspekt, dass technische Medien keine neutralen Instrumente sind (vgl. Kap. 4.3.1.1); zum Zweiten Vorschläge deutschsprachiger Kommunikationsforscher zur Klärung und Ausdifferenzierung des Medienbegriffes (vgl. Kap. 4.3.1.2); sowie schließlich drittens der Umstand, dass infolge neuer Entwicklungen im Kommunikationssystem (Multimedia, Digitalisierung, Konvergenz, Onlinekommunikation) herkömmliche Begriffe in Frage gestellt werden und über neue (Medien-)Begriffe nachgedacht werden muss (vgl. Kap. 4.3.1.3 und Kap. 3.3.6). 4.3.1.1 Medien - gesellschaftliche Instrumente Die Kommunikationswissenschaft ist lange Zeit von einem technischen Medienbegriff ausgegangen (das Druckmedium Zeitung, die Funkmedien Hörfunk und Fernsehen, der Film etc.) und hält z.T. noch immer daran fest. Darin ist jedoch eine unzulässige Verkürzung des Verständnisses von Medium bzw. Massenmedium zu sehen. Die deutschen Medienforscher Günter Bentele und Klaus Beck weisen zu Recht darauf hin, dass »technische Medien […] in mehrfacher Hinsicht ohne den Menschen nicht vorstellbar (sind): Sie wurden von Menschen in einem sozialen Prozess erfunden und entwickelt, über das ob und wie ihrer Anwendung wird beraten und gestritten. Technische Medien sind ohne eine soziale Form des Gebrauchs wirkungs- und bedeutungslos, denn sie sind im Wortsinne ›Mittel‹ und ›Vermittler‹« (Bentele/ Beck 1994, S.-40). Der Wiener Kommunikationswis- <?page no="206"?> 4.3 Medienforschung 207 senschaftler Roland Burkart merkt an, dass ein kommunikationswissenschaftlicher Medienbegriff »nur dann nicht zu kurz (greift), wenn er berücksichtigt, dass das Vorhandensein einer technischkommunikativen Infrastruktur und auch die Art und Weise ihrer Nutzung erst dann angemessen erfasst werden kann, wenn man die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht übersieht, unter denen es zur Ausbildung, zur Bereitstellung und auch zur Nutzung dieser technischen Einrichtung kommt« (Burkart 1999, S.-67). Dies heißt, dass die Medien neben ihren technischen Ausprägungen und Bedingtheiten von der Art und Weise ihrer politischen, sozialen und ökonomischen Organisation und Implementation in das System der Massenkommunikation sowie von ihren Nutzungsweisen im Alltag nicht zu trennen sind. Diese Überlegungen sollen am Beispiel der klassischen Massenmedien kurz konkretisiert werden. Um zunächst bei technischen Aspekten zu bleiben: Auf Grund ihrer unterschiedlichen technischen Eigengesetzlichkeiten und Zwänge erfordert und bedingt das statische Druckmedium Zeitung andere Produktionsweisen, Darstellungsmöglichkeiten und Kommunikationsmodi als etwa der flüchtige Hörfunk (auditives bzw. Tonmedium) und dieser wieder andere als die audiovisuellen Medien Film und Fernsehen (Bild und Ton). Ähnliches gilt für Onlinemedien, die sich oft multimedialer Gestaltungsmöglichkeiten bedienen. Oder, um etwa politische Aspekte anzusprechen: Im dualen Rundfunksystem z. B. resultieren aus rechtlich-politischen Gründen für die gemeinwohlverpflichteten öffentlich-rechtlich verfassten Rundfunkanstalten - z.T. zumindest - andere Aufgaben (Stichwort »Grundversorgung«; Postulat »Public Value«: öffentlicher Mehrwert der Programme) als etwa für die privat-kommerziellen Radio- und Fernsehsender (vgl. Kap. 4.3.5.2). Oder, um ein weiteres Beispiel zu erwähnen: Boulevardzeitungen bieten formal wie inhaltlich in aller Regel andere Kommunikationsangebote an (vgl. Kap. 4.1.3.5) als etwa lokale und regionale Abonnementzeitungen, und diese wieder andere als überregional verbreitete Tageszeitungen. Schon gar nicht übersehen werden kann, dass allein aus der jeweiligen Blattlinie von Zeitungen und Zeitschriften jeweils auch unterschiedliche Kommunikationsziele verfolgt werden (vgl. Pürer/ Raabe 2007, S. 272ff). Der amerikanische Medienphilosoph Herbert Marshall McLuhan hat in den 1960er-Jahren mit dem viel zitierten Satz »The Medium Is the Message« (Das Medium ist die Botschaft) recht treffend auf die direkte Abhängigkeit von der zu transportierenden Aussage vom jeweils transportierenden Medium hingewiesen und damit auch den konkreten Gebrauchs- und Verwendungskontext thematisiert (McLuhan 1968). 4.3.1.2 Medien - (neue) Begriffsdifferenzierungen Was den Medienbegriff betrifft, so gibt es v. a. in jüngerer Zeit mehr oder weniger überzeugende Versuche zu differenzieren, was man darunter alles verstehen kann. Dazu einige Beispiele: • Klaus Merten etwa unterscheidet in Anlehnung an Fritz Heider zwischen physikalischen Medien der Wahrnehmung (wie etwa Sprache und Schrift) und technischen Medien, die auf Sprache und Schrift zurückgreifen (und von Merten daher als unechte Medien gesehen werden) (vgl. Merten 1999, S.-141ff). • Günter Bentele und Klaus Beck halten es für sinnvoll, zwischen folgenden Typen von Medien zu unterscheiden: Materielle Medien wie Luft, Licht, Wasser, Ton, Stein, Papier, Zelluloid; kommunikative Medien oder Zeichensysteme wie Sprache, Bilder, Töne; technische Medien wie Mikrofone und Kameras; institutionelle Medien, also einzelne Medienbetriebe wie Zeitungen oder Fernsehanstalten; sowie die Gesamtmedien (z. B. Film, Hörfunk, Fernsehen etc.) (vgl. Bentele/ Beck 1994, S.-40). • Für Siegfried J. Schmidt »bündelt der abstrakte Medienbegriff eine Reihe von Faktoren«, nämlich: semiotische Kommunikationsinstrumente (z. B. natürliche Sprachen); Materialien der Kom- <?page no="207"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 208 munikation (z. B. Zeitungen); technische Mittel zur Herstellung und Verbreitung von Medienangeboten (z. B. Kameras, Mikrofone, Computer etc.); soziale Organisationen zur Herstellung und Verbreitung von Medienangeboten (z. B. Verlage oder Rundfunkanstalten samt ihren juristischen, sozialen und politischen Handlungsvoraussetzungen); schließlich die Medienangebote selbst (also Zeitungsartikel, Hörfunkbeiträge und Fernsehsendungen) (vgl. Schmidt 1996, S.-3). • Ursula Ganz-Blättler und Daniel Süss unterscheiden zwischen Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften, Buch), szenischen Medien (Theater, Oper, Musical, Musikkonzerte etc.), audiovisuellen Medien (Radio, Fernsehen, Film, Tonband, Video) sowie »neuen Medien« bzw. Multimedia (Internet, WWW, CD-ROM etc). Sie halten ferner fest, dass sich Medien auf vier Zuschreibungen reduzieren lassen, nämlich: Medien sind Kommunikationskanäle, die bestimmte Zeichensysteme transportieren; Medien sind Organisationen, also zweckerfüllende oder zumindest zweckgerichtete Sozialsysteme; publizistische Medien bestehen im Allgemeinen aus verschiedenen Subsystemen und sind dementsprechend komplex; Medien sind in ihrer funktionalen Bedeutung gesellschaftliche Institutionen (vgl. Ganz-Blättler/ Süß 1998, S.-53 sowie S.-64ff). • Ulrich Schmid und Herbert Kubicek schlagen vor, zwischen technischen und institutionellen Medien zu unterscheiden. Technische Medien dienen als Produktions- und Übertragungssysteme; institutionelle Medien nutzen die technische Infrastruktur und selektieren, strukturieren und produzieren für ein Publikum (vgl. Schmid/ Kubicek 1994, S.-403). • Auch sei in Erinnerung gerufen (vgl. Kap. 3.1.5), dass Harry Pross zwischen primären Medien (ohne Technikeinsatz, z. B. Sprache), sekundären Medien (Technikeinsatz nur auf Produktionsseite, Printmedien) sowie tertiären Medien (Technikeinsatz auf Produktions- und Rezeptionsseite) unterscheidet (Pross 1972). Zu ergänzen ist diese Typologie um die quartären Medien: gemeint sind vernetzte, computerbasierte Medienanwendungen, die auf Digitalisierung und Konvergenz basieren und die Möglichkeiten der interpersonalen Kommunikation, der Gruppen- und der Massenkommunikation integrieren. • Für Ulrich Saxer sind Medien »komplexe institutionalisierte Systeme um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen« (Saxer 1998, S. 54). Medien zeichnen sich Saxer zufolge »durch fünf mehr oder minder stark ausgeprägte Merkmale« aus (Saxer 1998, S. 54-56; Hervorhebung i. Orig.): Sie sind 1) »(technische) Kommunikationskanäle«, die »unterschiedliche Zeichensysteme (visuelle, auditive, audiovisuelle) mit unterschiedlicher Kapazität […] transportieren.« Sie erfüllen 2) »bestimmte Zwecke, müssen sich also organisieren, denn nur so bringen sie ihre jeweilige Medientechnik wirkungsvoll zum Tragen.« Sie bilden 3) »komplexe Systeme« unterschiedlicher Ausprägung: »Ein kleines Landblatt weist viel weniger komplexe Strukturen auf als eine große Fernsehstation.« Medienkommunikation wirkt 4) »in alle erdenklichen Schichten des individuellen und kollektiven Seins hinein: problemlösend und problemschaffend […], funktional wie dysfunktional, in kultureller, wirtschaftlicher und politischer wie sozialer Hinsicht.« Schließlich 5) »werden Medien um ihres umfassenden Funktionspotenzials willen in das jeweilige Regelungssystem eingefügt, institutionalisiert.« In demokratischen Systemen erfolgt diese Einfügung anders als etwa in totalitären Regimen, die Medien für ihre Zwecke instrumentalisieren. • Klaus-Dieter Altmeppen meint, dass Medien (auch Onlinemedien) »über die Wechselwirkungen von Technik, Organisation und Funktion« zu definieren seien (Altmeppen 2000, S.-131). In der Technik sieht er »eine konstituierende Grundlage, um Medienkommunikation öffentlich zu machen« (ebd.). Die Organisation(sform) - das Zeitungsverlagshaus, die Rundfunkanstalt etc. - gewährleistet in aller Regel »medienspezifische Strukturierungen hinsichtlich publizistischer Leistungen […]. Zu den Merkmalen und Eigenschaften, die die traditionellen Medien auszeichnen, gehören konsentierte Entscheidungs-, Organisations- und Arbeitsprogramme, die publizis- <?page no="208"?> 4.3 Medienforschung 209 tische Leistungen sicherstellen sollen« (ebd.). Mit Funktionen sind einerseits normative Anforderungen an die Medien gemeint wie Information, Kritik und Kontrolle, Bildung, Unterhaltung etc.; andererseits - auf einer abstrakteren Ebene und in Anlehnung an Luhmann - das »Dirigieren der Selbstbeobachtung des Gesellschaftssystems« (Luhmann 1996, S.- 173). Die Funktion dieses Dirigierens liegt Altmeppen zufolge darin, »eine Orientierung für die Rezipienten zu bieten« (Altmeppen 2000, S.- 131). Diese Aufgabe erfüllen die Medien auf Grund gesellschaftlich delegierter Zuschreibung und nicht - wie bei anderen Organisationen wie etwa Public Relations und Werbung - »im Auftrag bestimmter Interessen (auch wenn empirisch Interessenkollisionen in den Medien feststellbar sind)« (Altmeppen 2000, S.- 131). Legt man die drei erwähnten und zusammengehörenden Aspekte (Technik, Organisation, Funktion) z. B. einer Definition auch von Onlinemedien zu Grunde, »können auch die Online-Ableger der traditionellen Medien als Online-Medien bezeichnet werden. Sie können legitimerweise die Selbstbeobachtung der Gesellschaft auf autonomer Basis leisten, nur bei diesen Online-Medien sind die Organisationsmuster des Journalismus deutlich ausgeprägt« (Altmeppen 2000, S.- 132). Für Weblogs z. B., die - von Ausnahmen abgesehen - in aller Regel privat betrieben werden, gilt dies nicht. • Für Siegfried J. Schmidt und Guido Zurstiege bündelt der Medienbegriff »vier Komponentenebenen« (Schmidt/ Zurstiege 2000, S.-170): 1) ganz allgemein Kommunikationsinstrumente wie natürliche Sprachen und materielle Zeichen, die zur Kommunikation benutzt werden; 2) Medientechniken, mit deren Hilfe es möglich ist, Medienangebote etwa in Form von Büchern und Filmen, aber auch E-Mails herzustellen und zu verbreiten; 3) institutionelle Einrichtungen bzw. Organisationen wie Zeitungsverlage oder Fernsehanstalten, die Medientechniken betreiben, verwalten, finanzieren; sowie 4) »die Medienangebote selbst, die aus dem Zusammenwirken aller genannten Faktoren hervorgehen« (Zeitungsbeiträge, Hörfunk- und Fernsehsendungen etc.) (Schmidt/ Zurstiege 2000, S.-170). Aus den dargelegten Differenzierungsversuchen geht hervor, dass es an einer einigermaßen einheitlichen und überzeugenden Systematik für einen Medienbegriff immer noch fehlt bzw. sich die Frage stellt, ob eine solche Systematik (auch angesichts der Dynamik des Internets) überhaupt noch generell festgelegt werden kann. Eine der Ursachen dafür ist wohl in den je unterschiedlichen fachlichen Perspektiven und theoretischen Positionen zu sehen, aus denen heraus solche Systematisierungen erfolgen. Angesichts der Tatsache, dass sich in zunehmendem Maße auch andere Disziplinen mit Kommunikation und Medien befassen, ist in Zukunft vermutlich mit weiteren Medienbegriffen zu rechnen. Exemplarisch sei etwa auf den aus der Literaturwissenschaft kommenden Medienbegriff verwiesen. Dort versteht man unter Medien »Texte«, wobei nicht nur gedruckte Texterscheinungen, sondern auch Bilder, Fotos, Karikaturen, Hörspiele, Fernseh- und Filmkommunikate als »Texte« verstanden werden. Ähnlich weit wird dieser Textbegriff auch in der Denktradition der Cultural Studies (vgl. Kap. 5.3.3). 4.3.1.3 Medium - Dienst(e) - Diensteanbieter Was den Begriff Massenmedium im klassischen Sinne betrifft, so bezeichnet der Begriff »Medium« immer noch die technischen Mittel und die hinter diesen Mitteln stehenden organisatorischen und institutionellen Gebilde, die redaktionelle und zahlreiche andere Inhalte bereitstellen, um Massenkommunikation und gesellschaftlichen Austausch von Informationen (im weitesten Sinne des Wortes) zu realisieren. Im Allgemeinen wird dabei nach wie vor zwischen Druckbzw. Printmedien sowie Funkbzw. audiovisuellen Medien unterschieden. Wichtig für die klassischen Massenmedien <?page no="209"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 210 Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen ist, dass physisches Trägermedium (z. B. eine Zeitung, eine Hörfunk- oder Fernsehsendung), die damit zugänglich gemachte Dienstleistung (z. B. auf Papier gedruckte bzw. über Radio oder Fernsehen gesendete redaktionelle und werbliche Inhalte bzw. Programme) sowie herstellendes Unternehmen (Zeitungsverlagshaus, bestehend aus Redaktion und Verlag, Hörfunk- oder Fernsehanstalt) eine organisatorische Einheit darstellen. In den konvergenten Sektoren der digitalen computervermittelten Kommunikation muss diese Einheit nicht mehr zwingend gegeben sein, und dies im Wesentlichen aus folgenden Gründen: Zum einen gibt es im Internet eine (stets größer werdende) Fülle von sog. Diensteanbietern, die sich nur noch digitaler Plattformen im WWW bedienen, um ihre Dienste entgeltlich oder unentgeltlich anzubieten wie: klassische massenkommunikative Angebote (etwa Onlinezeitung, Webradio oder Web-TV); E-Commerce (elektronischer Warenhandel); E-Banking (elektronischer Zahlungsverkehr); Teleteaching und Telelearning (elektronisch vermitteltes Lernen); diverse Service- Leistungen (wie etwa Termin- und Veranstaltungskalender, Fahrpläne öffentlicher Verkehrsmittel, Buchungsmöglichkeiten von Veranstaltungen etc.); neue, interaktive Kommunikationsformen (wie Teilnahme an Newsgroups, Mailing Lists, Chat-Foren, Social Media etc.). Der Kommunikationsforscher Hannes Selhofer schlägt daher vor, für den Bereich der neuen digitalen, computervermittelten Onlinekommunikation die folgenden Begriffe zu verwenden (vgl. Selhofer 1999, S.-102f ): den Begriff Medium nur noch für die jeweilige Kommunikationsplattform; den Begriff (Medien-)Dienst für das jeweilige Angebot; und den Begriff Diensteanbieter für jene Person, Personengruppe oder Institution, die einen oder mehrere Dienst(e) über eine Plattform zugänglich macht. Im Übrigen werden auf neuen digitalen Plattformen eine Reihe bislang getrennter Medienformen angeboten, woraus sich multimediale Ensembles und sog. Hybridisierungen ergeben. Zum anderen integriert, wie erwähnt (vgl. Kap. 3.3), infolge der technischen Konvergenz von Informationstechnologie, Telekommunikation und Massenmedien die computervermittelte Kommunikation die für den Nutzer sich ergebenden Möglichkeiten der Individual-, Gruppen- und der Massenkommunikation. Die Grenzen zwischen diesen Kommunikationsarten werden unscharf, weil sie sich nicht mehr spezifischen Informations- und Kommunikationstechnologien zuordnen lassen. Beispielhaft sei hier das Mobiltelefon erwähnt: Man ist mit neueren Generationen des Handys in der Lage 1) im Internet zu »surfen« und über das Display z. B. Inhalte einer Onlinezeitung zu lesen oder Applikationen für mobile Endgeräte abzurufen (Massenkommunikation); 2) an einem Onlinechat, einer Newsgroup oder an Social-Media-Anwendungen teilzunehmen (Gruppenkommunikation); oder 3) einfach nur zu telefonieren, ein Fax zu verschicken oder eine SMS zu versenden (Individualkommunikation). Dies wirft zu Recht die Frage auf, ob und bei welcher Medienbzw. Kommunikationsanwendung das Handy nun ein (Massen-)Medium oder »nur« ein technisches Kommunikationsinstrument ist (vgl. Selhofer 1999, ebd.): Es vereint beide Möglichkeiten in sich, ist je nach Medienanwendung jedoch jeweils etwas anderes. Hier wird ersichtlich, dass es schwierig ist, einen einheitlichen, gleichsam neutralen, allgemeingültigen Medienbegriff aufzustellen. Die durch die Konvergenzdynamik sich ergebende Transformationsentwicklung stellt zunehmend bislang gültige Trennungslinien (z.T. radikal) in Frage. Nach diesen den Medienbegriff betreffenden Ausführungen werden im Folgenden überblicksartig Themenkreise angesprochen, die in den Bereich Medienforschung fallen. Es sind dies Ausführungen zur Geschichte der Massenmedien (vgl. Kap. 4.3.2), zu den Eigengesetzlichkeiten der Medien (vgl. Kap. 4.3.3), zu den Organisationsformen der Medien (vgl. Kap. 4.3.4), sowie zu den Medienstrukturen in Deutschland (Presse, Rundfunk Internet - vgl. Kap. 4.3.5) einschließlich ihrer wirtschaftlichen Grundlagen (vgl. Kap. 4.3.5.4). <?page no="210"?> 4.3 Medienforschung 211 4.3.2 Zur Geschichte der Massenmedien Es ist nicht möglich, die Geschichte der Massenmedien hier vollständig abzuhandeln. Allein für die Druckmedien ließen sich dazu tausende von Seiten füllen, ebenso jeweils für die Funkmedien (Hörfunk und Fernsehen), für den Film und für die »neuen Medien« (Multimedia bzw. Onlinemedien). Vielmehr sollen im Folgenden einige der wichtigsten Etappen der Entwicklung von Presse, Film, Hörfunk, Fernsehen und Onlinemedien im groben Überblick - und damit nur sehr rudimentär - dargestellt werden. Dabei kommen naturgemäß auch technische Errungenschaften und Entwicklungen zur Sprache, die wichtige Voraussetzungen für die industrielle Medienproduktion darstellen. Ein kurzer Blick in die Anfänge öffentlicher originärer, also nicht technisch vermittelter, Kommunikation im europäischen Sprachraum soll dabei nicht ganz fehlen. Erwähnenswert erscheint vorab zudem, dass technische Errungenschaften immer auch ökonomische Verwertungsprozesse zur Folge hatten, allgemeine kulturelle Entwicklungen begünstigten und nicht zuletzt politische Konsequenzen nach sich zogen. Die technische Erfindung des Buchdrucks um die Mitte des 15. Jahrhunderts stellt ein gutes Beispiel dafür dar: Sie hatte u. a. die Herausbildung und Ausdifferenzierung des Buchgewerbes mit seinen einzelnen Berufen zur Folge (ökonomischer Aspekt). Sie führte u. a. zur Vereinheitlichung der Schrift und der Druckformate, zur Entstehung und Ausdifferenzierung der periodischen Presse, begünstigte die Verbreitung der Technik des Lesens und war eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Reformation und den Prozess der Aufklärung (kulturelle Aspekte). Nicht zuletzt zog sie eminente politische Konsequenzen nach sich, die zunächst zwar in Zensurmaßnahmen der kirchlichen und weltlichen Obrigkeit mündeten, später jedoch zur Entstehung von Öffentlichkeit und ab Mitte des 19. Jahrhunderts schließlich zur Pressefreiheit führten (politische Aspekte). Da Primärquellen zu diesen Themen auf eine überaus große Fülle von Literatur verteilt sind, fußen zahlreiche der nachfolgenden Ausführungen auf wissenschaftlichen Publikationen, die ihrerseits ebenfalls Überblickscharakter haben (und damit eher Sekundärdenn Primärliteratur darstellen). Und vorab sei auf Jürgen Wilkes Entwicklungsstufen der Kommunikationsgeschichte hingewiesen, deren Phasenbzw. Epochenbildung und Abgrenzung sich an wechselnden Kommunikationsmodalitäten und medienspezifischen Eigenarten orientieren: 1) Die Phase der ausschließlichen Oralität, also mündliche Überlieferung, das Auftreten der Sprache bis zur Erfindung der Schrift (34.000 v. Chr. bis ins 3. Jahrtausend v. Chr.). 2) Schrift und literalisierte Kommunikation (Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. bis ins 15. Jahrhundert n. Chr.). 3) Druckbasierte Kommunikation, also Einblattdruck, Buch, Flugblatt, Flugschrift, Zeitung, Zeitschrift (ca. 1450 bis ins 19. Jahrhundert). 4) Elektrische und elektronische Kommunikation, Bild- und Tonmedien, Film, Radio, Fernsehen (ausgehendes 19. Jahrhundert bis spätes 20. Jahrhundert). 5) Die Digitalisierung der Gegenwart mit Multimedialisierung und Konvergenz (der Computer als Kommunikationszentrale) (Wilke 2009a, S. 18). Originäre öffentliche Kommunikation in der Antike Die Geschichte öffentlicher Kommunikation allgemein reicht im europäischen Raum bis weit in die Antike zurück. Die Griechen und später die Römer verfügten über institutionalisierte Formen öffentlichen Gedankenaustausches (primär politischer Natur) auf Agora bzw. Polis und Forum vorwiegend in Form der öffentlichen Rede vor der politischen Elite. Die öffentliche Rede war durch die griechischen (Aristoteles) und römischen (z. B. Cicero, Quintilian) Regeln der Rhetorik - für Ratsrede, <?page no="211"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 212 Abb. 4: Zur Geschichte der Medientechnik (1400 - 2012) 1400 vor 1445 Vervielfältigen durch Abmalen und Abschreiben sowie mittels Blockdruck/ Holztafeldruck (Druck einer ganzen Seite, Text und Bild) 1445 Buchdruck mit beweglichen, also austauschbaren Lettern; (Gutenberg; Hochdruck, d. h. Druck mittels erhabener Lettern) 1450 Tiefdruck auf Basis des Kupferstichs (wichtig für Druck von Bildern und Illustrationen) 1605 Zeitungen im heutigen Sinn, zunächst als Wochenzeitungen (»Relatio«; Begriff Zeitung damals: Wortbedeutung von Nachricht) 1650 erste Tageszeitung (»Einkommende Zeitungen«, Leipzig) 1682 Gelehrtenzeitschrift in Deutschland (»Acta Eruditorum«, zunächst in lateinischer Sprache) 1797 Flachdruck auf der Basis der Lithografie (später Offsetdruck) 1811 Schnellpresse; runde Druckform (wichtig für rascheres Drucken) 1839/ 1841 Fotografie; wichtig für bildliche Darstellungen 1840 elektrische, an Draht gebundene Telegrafie (Schreibtelegraf; wichtig für rasche Nachrichtenübermittlung über Distanz) 1846 Rotationsdruckmaschine (rasches Drucken, hohe Auflagen) 1876 Telefon (noch raschere Nachrichtenübermittlung) 1877 elektrische Tonaufzeichnung (Phonograf, später Schallplatte) 1886 Zeilensetz- und Gießmaschine (löst manuellen Handsatz ab, enorme Steigerung der Satzleistung pro Stunde) 1895 erste öffentliche Filmvorführung in Paris (Stummfilm; Cinematographe) 1897 Kathodenstrahlröhre (u. a. wichtig für Medium Fernsehen) 1888 Entdeckung elektromagnetischer Wellen (Hz; nach Heinrich Hertz benannt) 1904 technische Voraussetzungen für Hörfunk gegeben; Offset-Druck 1923 öffentlicher Hörfunk (Radio) in Deutschland 1927 erster abendfüllender Tonfilm (USA) 1928 erste Fernsehversuchs-Vorführungen (Funkausstellung Berlin) 1935 Beginn des Schwarz-Weiß-Fernsehens in Deutschland (1936: Übertragung der Olympischen Spiele aus Berlin im Fernsehen); Farbfilm 1945 erster vollelektronischer (Röhren-)Computer in den USA 1952 Beginn eines regelmäßigen Fernsehbetriebes in Deutschland 1962 erste Fernsehsatelliten-Übertragung aus den USA nach Europa 1966 Farbfernsehen in Europa (PAL-System) 1970 Fernsehen (Distribution) via Breitbandkabel; erste Personal-Computer 1975 elektronische Zeitungsherstellung in Europa 1977 Bildschirmtext (btx; etwas später auch Teletext und Kabeltext) 1982 Direktrundfunksatelliten in Europa (sog. geostationäre Satelliten) 1990 Entwicklung des WWW (Web 1.0); versuchsweise hochauflösendes Fernsehen (HDTV) 1994/ 1995 erste Onlinezeitungen in Deutschland 1995 versuchsweise digitales Radio in Deutschland 1997 digitales Fernsehen in Deutschland 2000 400 Mio. Teilnehmer/ User im WWW 2005 Web 2.0; Social Media, ›mobile‹ Medienanwendungen 2011/ 2012 Ende des analogen Fernsehens via Satellit in Deutschland 2012 2,4 Mrd. Menschen im WWW (eigene Darstellung, teils mit Bezugnahme auf Böhn, Andreas; Seidler, Andreas (2008): Mediengeschichte. Tübingen, S. 207f. - Zeitpunkt der Erfindung und der professionellen Anwendung können teils voneinander abweichen.) <?page no="212"?> 4.3 Medienforschung 213 Gerichtsrede und Festrede - in hohem Maße entwickelt (vgl. Kap. 2). Von Bedeutung für öffentliche Kommunikation waren in der Antike auch öffentlich sichtbare Inschriften auf öffentlichen Gebäuden. Zu erwähnen sind daneben v. a. aber die römischen »acta diurna« (auch »acta urbis«), eine Art römische Staatszeitung (acta diurna = tägliche Akten). Das waren auf Anschlagzetteln aus Papyrus für die Bürger (cives) öffentlich bekannt gemachte Informationen. Sie enthielten Protokolle der Senatsverhandlungen, Chroniken wichtiger Daten und Ereignisse im Jahresverlauf sowie durchaus auch Informationen aus amtlichen oder auch privaten Briefen (vgl. Wilke 2008, S.-7f ). Weiterhin ist zu erwähnen, dass in Theater und Schauspiel, den szenischen Medien also, zweifellos auch Formen öffentlicher Kommunikation zu sehen sind. Das Theater geht noch weit vor die Antike zurück: Schamanen und Priester etwa und der sakrale Akt spielten dabei eine ebenso wichtige Rolle wie später Mythen und Epen, Sänger von Balladen, Märchenerzähler u. a. m. Bei den alten Griechen z. B. (z. B. Aischylos, Sophokles, Euripides) hatte das Drama eminente Bedeutung, den Römern etwa waren daneben u. a. auch Gladiatorenspiele wichtig (vgl. Faulstich 1994). Mundpublizisten, Handschriften und Bücher im Mittelalter Auch im Mittelalter gab es unterschiedliche Formen öffentlicher Unterrichtung, wenngleich sich Öffentlichkeit damals auf eher enge Kreise in der Burg und am Hofe sowie in Kirche und Kloster beschränkte. Ihre Agenten waren einerseits kirchliche Lehrer, Prediger, Professoren und Bibliothekare. Teilöffentlichkeiten gab es in den Städten, Dörfern und am Lande. Von Bedeutung waren andererseits v. a. Marktplätze, auf denen von weltlichen »Mundpublizisten« wie Fahrenden, Dichtern, Sängern und Spielleuten Neuigkeiten überbracht wurden (vgl. Faulstich 1994). Vervielfältigen erfolgte nicht nur, aber v. a. in den Schreibstuben der Klöster und Universitäten, wo vorwiegend wissenschaftliche und religiöse Texte (vor-)gelesen und durch schreibkundige Mönche und Scholasten niedergeschrieben und damit vervielfältigt wurden. Dabei entstanden u. a. prächtige, kulturgeschichtlich bedeutsame, mit Farben ausgestaltete Handschriften vorwiegend wissenschaftlicher, literarischer und religiöser Texte, wie man sie z. B. in der Stiftsbibliothek des Benediktiner-Klosters St. Gallen (Schweiz) sehen und bewundern kann (vgl. u. a. Faulstich 1996, S. 109). Erste, teils durchaus aufwändig gestaltete Drucke - zunächst auf Stoff, erst später auf Papier - gab es im 14. Jahrhundert in Form von sog. Inkunabeln; das waren (ebenfalls teils schmuckreiche) Holzdrucke einer ganzen Seite. Bücher, die es davor auch schon gab, waren ebenfalls handgeschrieben. Sie gehen ursprünglich auf gebrannte Tontafeln (bei den Babyloniern und Assyrern), zusammengeschnürte Palmblätter (bei den Indern), Papyrusrollen (bei den Ägyptern, Griechen und Römern) sowie auf Pergament (ab dem 3. Jahrhundert n. Chr.) zurück. Erst im 13. Jahrhundert wurden Bücher auf Papier gedruckt. Inhalte der Bücher waren im Mittelalter »zuallererst Abschriften der Bibel, der Texte der Kirchenväter, theologische Kompendien, Schriften antiker Philosophen, aber auch (wie wir heute sagen würden - Ergänzung H. P.) juristische Literatur für Verwaltungsbeamte« (Faulstich 1994, S.-128). Werner Faulstich sieht im Mittelalter den allmählichen Übergang von den Menschmedien (wie Hofnarr, Sänger, Erzähler, Spiel und ritualisierte Feste, Pfaffe und Prediger, Marktplatztheater etc.) zu den Schreibmedien (wie Blatt, Brief, Buch, aber auch das Glasfenster mit seinen meist farbigen zeitbezogenen Darstellungen). Der Funktionsverlust der Menschmedien (»primäre Oralität«) beginnt sich gegen Ende des Mittelalters abzuzeichnen, als v. a. infolge des Bevölkerungswachstums sowie der Zunahme des Wissens mnemotechnische Möglichkeiten an ihre Grenzen stießen. Spätestens mit der Erfindung des Buchdrucks erfuhren die bis dahin üblichen Wege und Methoden der öffentlichen (primär oralen) Kommunikation und Verständigung einen epochalen Wandel (vgl. Faulstich 1996). <?page no="213"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 214 Buchdruck, Printmedien, Massenpresse Technisch gesehen reicht in Mitteleuropa die Geschichte der Massenmedien - bzw. richtiger: der Druckmedien - in die Mitte des 15. Jahrhunderts zurück. Damals (1445) wurde von Johann (Henne) Gensfleisch zur Laden (bei Gutenberg nahe Mainz) der Druck mit beweglichen, also austauschbaren Lettern vollendet (vgl. u. a. Eisenstein 1997; Fussel 1999). Wichtigste Elemente dieser Erfindung waren die (Holzbzw. Metall-)Lettern, Bedruckstoff (Papier) sowie Farbe, die sowohl auf den Lettern wie auch auf dem Bedruckstoff haftete. Die Druckerpresse selbst (mit Spindel, Tiegel und Druckstock) wurde aus der Traubenpresse hergeleitet (vgl. Wolf 1974). Das berühmteste Druckwerk Gutenbergs ist in der 42-zeiligen Bibel (B42, also 42 Druckzeilen pro Spalte) zu sehen, die zwischen 1452 und 1454 entstand (Stöber 2005, S. 23-28). Für seine Erfindung wurde Gutenberg 1998 von einer Gruppe amerikanischer Journalisten zum »Man of the Millennium«, als wichtigste Persönlichkeit des zweiten Jahrtausends, gekürt (vgl. Gutenberg o. J.). 2001/ 02 nahm die UNESCO die Gutenberg- Bibel als Weltdokument in die Liste »Memory of the World« auf (Gutenberg 2002). Mit dem Buchdruck war die wichtigste technische Voraussetzung für rasches Vervielfältigen gegeben. Seinen Namen hat er davon, dass bedruckte Einzelblätter zwischen zwei Deckel aus Buchenholz gelegt wurden, wodurch das Buch entstand. Erste Druckwerke waren neben Kleindrucken (wie Einblattdrucken, Ablassbriefen, Kalendern und Wörterbüchern) Flugblätter (Einblattdrucke), Flugschriften (4 bis 16 Seiten, u. a. für die Reformbewegung Martin Luthers von großer Bedeutung) sowie - im 16. Jahrhundert - Vorläufer der periodischen Presse wie die Newen Zeitungen (nichtperiodische Ein- und Mehrblattdrucke mit aktuellem Inhalt und oft auch Illustrationen) und die Messrelationen (relativ umfangreiche Publikationen, die jeweils zu großen Handelsmessen im Frühjahr oder Herbst erschienen). Die neuen Druckmedien »schufen Öffentlichkeit und wurden damit zur Bedrohung der Herrschenden: der Kirche und des Adels. Die Reaktion darauf war Zensur und Unterdrückung« (Faulstich 1994, S.-32). Kirchliche und weltliche Zensur beherrschten in der Folge über Jahrhunderte die Geschichte der Druckmedien (vgl. Wilke 1984). Zu den von der Druckerpresse ausgelösten Folgen hat u. a. Elizabeth I. Eisenstein eine Publikation vorgelegt (Eisenstein 1997; Original in englischer Sprache 1983). Zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstanden regelmäßig erscheinende Periodika und es bildeten sich die Medien Zeitung und Zeitschrift aus. Die erste (Wochen-)Zeitung mit dem Titel Relatio erschien 1605 in Straßburg, ein weiterer früher wöchentlicher Titel, nämlich Aviso, ist 1609 aus Wolfenbüttel bei Braunschweig bekannt (Wilke 2008, S. 40f ). Die erste Tageszeitung mit dem Titel Einkommende Zeitungen erschien 1650 in Leipzig (Wilke 2008, S. 56f ), erste Zeitschriften kamen im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts heraus (S. 74ff). Im 17. Jahrhundert differenzierte sich bereits das Zeitungswesen aus, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entfaltete sich eine hochwertige literarische Zeitschriftenkultur (vgl. Lindemann 1969). Erst die technische Ausreifung der Drucktechnik mit dampfbetriebenen Druckmaschinen (an Stelle von Handpressen), Zeilensetz- und -gießautomaten (an Stelle des maschinellen Handsatzes) und Papierrollen (an Stelle von Bögen) im 19. Jahrhundert ermöglichte jedoch die Herstellung von Druckwerken mit hohen Auflagen (vgl. Pürer/ Raabe 1996a). Nach der Aufhebung der Zensur 1848 bildete sich ein vielfältig ausdifferenziertes Zeitungs- und Zeitschriftenwesen aus (vgl. Wilke 2008, S. 215ff), gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden die Massenpresse und erste Großverlage: Mosse, Ullstein, Scherl, Girardet (vgl. Koszyk 1966; Wilke 2008, S. 215f.), später kam Hugenberg hinzu (vgl. Dussel 2004, S. 146ff). Spätestens seit diesem Zeitpunkt kann von Massenmedien und - infolge der stark ansteigenden Zeitungs- und Zeitschriftennutzung - auch von Massenkommunikation die Rede sein. Das Pressewesen erlebte in den beiden ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Deutschland einen rasanten Aufschwung, erlitt durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg jedoch eine tiefe Zäsur (vgl. Koszyk 1972; (Pürer/ Raabe 2007, Kap. 3). Mitte der 1950er-Jahre gehörte <?page no="214"?> 4.3 Medienforschung 215 Deutschland jedoch wieder zu den zeitungs- und zeitschriftenreichsten Ländern der Welt. Gute Überblicke über die Geschichte der Printmedien enthalten u. a. Jürgen Wilkes Publikation »Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte« (2008) sowie Rudolf Stöbers »Deutsche Pressegeschichte« (2005), über einzelne Medien Werner Faulstich (1994). Telefon, Telegrafie, Korrespondenzbüros In das 19. Jahrhundert, vorwiegend in seine zweite Hälfte, fällt auch die technische Entwicklung der Telegrafie (durch Samuel Morse, 1840) und des Telefons (durch Alexander Graham Bell, 1876). Die bedeutendsten Mittel der Telekommunikation, wie wir heute sagen würden, waren damit geschaffen (vgl. Geretschlaeger 1983). In Deutschland wurde die Telegrafie 1840, das Telefon 1877 eingeführt (und durch Werner von Siemens technisch optimiert). Das Telefon baut auf den physikalischen Erkenntnissen der Entstehung bzw. Erzeugung von Elektrizität sowie auf Kenntnissen der Umwandlung von Schallwellen in elektromagnetische Wellen auf. Beim (analogen) Telefon werden aufseiten des Sprechers Schallwellen mittels Mikrofon in niederfrequente elektromagnetische Wellen transformiert, entlang eines elektrischen Leiters (Kupferdraht) zum Empfänger transportiert und dort mittels Hörer (eine Art umgekehrtes Mikrofon) in akustisch wahrnehmbare Schallwellen zurückverwandelt. Fernsprechen und Fernschreiben (drahtlos ab 1897 durch Guglielmo Marconi) als elektrisch bzw. elektronisch vermittelte Kommunikationsmöglichkeiten stellten nicht nur wesentliche Erweiterungen zwischenmenschlicher Kommunikation über Distanz dar. Sie dienten v. a. auch der raschen Nachrichtenübermittlung über weite Distanzen, was für die um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstehenden Korrespondenzbüros (die heutigen Nachrichtenagenturen), aber auch für die Versorgung der Zeitungen und Zeitschriften mit aktuellen Nachrichten von besonderer Bedeutung war (vgl. Wilke 1991). Radiotelegrafie, Hörfunk Zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert waren die technischen Voraussetzungen (Aufnahme-, Sende- und Empfangstechnik) für die »Radiotelegrafie« weitgehend gegeben. Ihr technisches Prinzip baute auf dem Telefon auf, ging jedoch weit darüber hinaus. Es mussten nämlich auf Senderseite die aus dem Mikrofon kommenden niederfrequenten elektromagnetischen Wellen in hochfrequente elektromagnetische Sendesignale transformiert, über Antennen ausgestrahlt und eingefangen sowie auf Empfängerseite wieder in niederfrequente Wellen demoduliert, dem Lautsprecher zugeführt und von diesem in Schallwellen zurückverwandelt werden. Die Identifikation und Klassifikation hochfrequenter elektromagnetischer Wellen - das Maß der Schwingungszahl pro Sekunde bei Langwellen, Mittelwellen, Kurzwellen und Ultrakurzwellen - geht bekanntlich auf Heinrich Hertz zurück (vgl. Geretschlaeger 1983). Die Radiotelegrafie diente anfangs zunächst v. a. dem Postverkehr und militärischen, später auch wirtschaftlichen Zwecken. Ab 1920 kam es jedoch in ganz Europa zur Errichtung öffentlichen Hörfunks (in Deutschland Ende Oktober 1923), der rasch über hohe Hörerzahlen verfügte und sich infolge seines primär unterhaltenden Charakters und seiner bequemen Nutzung allerorts relativ rasch zu einem beliebten Massenmedium entwickelte. So gab es in Deutschland 1924 rund 1.500 Radioteilnehmer, 1925 bereits 549.000. Zur Jahreswende 1925/ 26 war die Millionengrenze überschritten. 1934 stieg die Zahl der Rundfunkteilnehmer auf 5 Mio., fünf Jahre später (1939) waren es 10 Mio. (vgl. Lerg 1965). In Deutschland wurde die Verbreitung des Hörfunks durch die Produktion billiger <?page no="215"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 216 Massenempfänger von den Nationalsozialisten besonders gefördert und das Radio für Propagandazwecke schamlos missbraucht (vgl. Diller 1980). Eine große Zeit hatte der Hörfunk in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, v. a. in den 1950er-Jahren. Nach Rückgängen in den 1960er-Jahren infolge der rapiden Ausweitung des Fernsehens erlebte das Medium Radio ab Mitte der 1970er-Jahre eine Renaissance: Sie hält in Deutschland nicht zuletzt infolge der Neupositionierung der Radioprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Strukturprogramme und Programmformate an Stelle von Mischprogrammen) sowie der Einführung privaten Hörfunks (1984) mit seinen auch in den öffentlich-rechtlichen Sendern beobachtbaren Formatradios bis zur Gegenwart ungebrochen an (vgl. Kap. 4.2.1, S. 189f ). Foto, Film und Kino Mit der Erfindung der Fotografie durch Nicephore Niepce und Lous J. M. Daguerre (Daguerrotypie 1839) sowie William F. Talbot (Kalotypie, Talbotypie 1841) war es möglich, mithilfe von chemisch präparierten, lichtempfindlichen Trägermaterialien (Kupferplatten, chlorbeschichtetes Papier) über optische Geräte fototechnische Abbildungen anzufertigen. Der aus dem Griechischen stammende Begriff »Phos« bedeutet »Licht«, »Fotografie« folglich »Lichtzeichnung« bzw. »Lichtbild«. Die rasche technische Weiterentwicklung der Fotografie zum Rollfilm sowie die Erfindung von entsprechenden Projektionsgeräten (sog. »Kinematographen«, daher der Begriff »Kino«) mündete schließlich in die Möglichkeit, auch Filme mit laufenden, also bewegten Bildern herzustellen und in abgedunkelten Räumen vorzuführen. Runde, das Auge des Betrachters nicht störende Bewegungsabläufe erfordern die Aufnahme bzw. Projektion von 24 Bildern pro Sekunde. 1895 wurden in Frankreich durch die Gebrüder Lumière (Paris) erste Filme öffentlich vorgeführt, in Deutschland waren die Gebrüder Skladanowsky (Berlin) Film-Pioniere. Auf Stummfilme, die z.T. durch kleine, sog. Film- und Kinoorchester musikalisch begleitet wurden, folgte 1927 der Tonfilm. Damit war der Film jenes Medium, das beim Zuschauer zwei Wahrnehmungskanäle, nämlich Auge und Ohr, beanspruchte bzw. befriedigte und rasch breitenwirksame Akzeptanz fand. Mit dem Tonfilm war folglich das erste audiovisuelle Medium geschaffen; von ihm geht bis heute auf viele Menschen immer noch hohe Faszination aus. Von besonderer Eindringlichkeit und Wirkung werden v. a. optische Effekte durch bewegte Bilder empfunden, die in aller Regel durch besondere Techniken der Aufnahme (wie Totale, Halbtotale, Nahaufnahme), der Kameraführung (wie Zooms, Schwenks, Fahrten etc.), der Beleuchtung (wie Intensität der Lichtstärke, also hell und dunkel), Variationen von Lichtfarbe und Lichttemperatur etc. sowie durch spezielle Schnitttechniken (wie weiche und harte Schnitte, Überblendungen, Gegenschnitte etc.) erzeugt werden. Der Tonfilm wurde von Anfang an primär als Unterhaltungsmedium eingesetzt, erfüllte aber durchaus auch andere, v. a. auch gesellschaftskritische Funktionen. Auch wurden filmische Darstellungen bald als eigene Kunstform anerkannt. Bereits in der Weimarer Republik, v. a. aber im Nationalsozialismus wurde das Medium Film in geschickter (und vordergründig unverdächtiger) Weise für politisch-ideologische Zwecke eingesetzt. (vgl. Gregor/ Patalas 1962, 1979, 1992; Jacobsen et al. 1993). Erste, allerdings noch sehr kostenintensive (Prestige-)Farbfilme gab es in den USA bereits 1935/ 36, eine weniger teure Farbtechnik (Eastman-Color) setzte sich ab Anfang der 1950er-Jahre durch. Neben dem Spiel- und Unterhaltungsfilm entstanden Varianten wie Dokumentar- und Lehrfilm, Propaganda- und Werbefilm u. a. m. Von Bedeutung als Quelle aktueller Information war die »Wochenschau«. Sie wurde bereits im Ersten Weltkrieg eingesetzt, hatte bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ihren Stellenwert als Nachrichtenmedium und wurde erst durch die Ausbreitung des Fernsehens mit seinen wesentlich aktuelleren, täglichen Nachrichtensendungen ihrer <?page no="216"?> 4.3 Medienforschung 217 Bedeutung enthoben und vom Markt verdrängt. Das Medium Spielfilm hatte seit seinem Beginn eine durchaus wechselvolle Geschichte (vgl. Jacobsen/ Kaes/ Prinzler 1993). Seine größten (Besucher-) Erfolge erzielte es in den 1950er-Jahren. Darauf folgten weniger gute Jahre. Dies lag sowohl an der mangelnden Qualität v. a. des deutschsprachigen Films in den 60er-, 70er- und beginnenden 80er- Jahren wie auch an der Faszination des sich rasch verbreitenden, noch breitenwirksameren Unterhaltungsmediums Fernsehen. Umgekehrt verleiht v. a. seit den 1970er/ 80er-Jahren das Fernsehen dem Film Auftrieb, indem zahlreiche Spielfilme im Fernsehen gesendet und nachweislich gut genutzt werden. Auch der Video- und später der DVD-Vertrieb von Spielfilmen sorgt(e) für steigende Verwertung (vgl. Faulstich 1994). Über die Etappen der technischen und zeitgeschichtlichen Entwicklung, der apolitischen, politischen und ideologischen Indienstnahme sowie künstlerischen und kulturellen Entwicklung des Mediums Film in allen seinen Ausprägungen geben die Sammelbände von Uli Jung (1993) Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes und Hans Helmut Prinzler (1993) sowie Hans Günther Pflaum und Hans Helmut Prinzler (1992) detail- und facettenreich Auskunft. Fernsehen - Terrestrik, Kabel, Satellit Das elektronische Medium Fernsehen stellte an die Funktechnik noch weitaus höhere Anforderungen als der Hörfunk. Es ging dabei primär darum, elektrotechnische Verfahren zu entwickeln, mit deren Hilfe es möglich ist, Bilder zu übertragen. Zu diesem Zweck mussten auf Senderseite zur Aufnahme Bilder »zerlegt« und in elektromagnetische Wellen transformiert sowie auf Empfängerseite wieder in sichtbare Signale zurückverwandelt und zusammengestellt werden. Die Kathodenstrahlröhre (Ferdinand Braun, 1897), zunächst wesentlicher Bestandteil des Wiedergabegerätes (Bildschirm) und schließlich auch des Aufnahmegerätes (Kamera), erwies sich dabei neben der Nipkow-Scheibe (Paul Nipkow, 1883) für die elektrische Zerlegung der TV-Bilder auf Aufnahmeseite als grundlegende technische Errungenschaft. 1928 waren Aufnahme- (Kamera), Übertragungs- und Wiedergabetechnik (Bildschirm) so weit entwickelt, dass auf der Berliner Funkausstellung eine erste Fernsehübertragung vorgeführt werden konnte. Erste öffentliche Fernsehsendungen wurden in Deutschland 1935 ausgestrahlt; ein Jahr später (1936) hatten rund 162.000 Personen in Berlin, Potsdam und Leipzig die Möglichkeit, in öffentlichen Fernsehstuben (der Post) die Übertragung der Olympischen Spiele zu verfolgen. Aufnahmewie Wiedergabegeräte waren noch groß und sperrig, die Fernsehbilder dagegen sehr klein und technisch noch wenig ausgereift. Der Zweite Weltkrieg stoppte die weitere Entwicklung dieses Mediums (vgl. Longolius 1967ff). Seinen Siegeszug erlebte das Fernsehen in Deutschland in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts, nachdem in der Bundesrepublik Deutschland 1952 der regelmäßige Fernsehbetrieb aufgenommen wurde und ab 1954 das TV-Gemeinschaftsprogramm der ARD (Deutsches Fernsehen) startete. Auch in der Deutschen Demokratischen Republik startete das Fernsehen zunächst 1952, der regelmäßige TV- Sendebetrieb 1956; 1966/ 67 folgte in Europa das Farbfernsehen. Das Fernsehbild hat(te) in Europa eine technisch hohe Auflösung: Es bestand für lange Zeit aus 25 Bildern pro Sekunde, jedes Bild wieder aus 625 Zeilen, jede Zeile aus 800 Bildpunkten. Mit der in den 1990er-Jahren entwickelten und mittlerweile weit verbreiteten digitalen Fernsehnorm DVB sowie mit dem HD-Standard ist nicht nur eine wesentlich bessere Bildauflösung verbunden, sondern auch eine Erweiterung der Übertragungskapazität. Und mit dem neuen europäischen Fernsehstandard HbbTV (Hybrid broadcast broadband Television) ist es möglich, »Fernsehprogramme mit Mehrwertangeboten aus dem Internet« zu verbinden (HbbTV 2013). Bereits 1962 gab es erste Fernsehübertragungen via TV-Satellit, allerdings waren dies noch keine direkt strahlenden, geostationären TV-Satelliten. Geostationäre Telekommunikationssatelliten stellen Sendemasten am Himmel dar, die mit Raketen in das Weltall befördert, über Bodensignale von <?page no="217"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 218 der Trägerrakete gelöst und in eine Erdumlaufbahn gebracht werden. Sie umkreisen in einer knapp 36.000 Kilometer hoch über dem Äquator liegenden Umlaufbahn die Erde, und zwar synchron mit der Erde um deren eigene Achse. Dadurch befinden sie sich immer am gleichen Punkt über der Erdoberfläche - erscheinen also geostationär - und können vom Boden aus ständig mit Sendesignalen (uplink) versorgt werden. Diese Signale werden in verstärkter Form vom Satelliten wieder an die Erdoberfläche zurückgesendet (downlink). Die (Solar-)Energie dazu bezieht der Satellit über seine Sonnensegel. In den 1980er-Jahren wurden solche TV-Satelliten weltweit in Betrieb genommen. Sie heben die Knappheit terrestrischer Frequenzen am Boden auf. Ihre Signale können mit Spezialantennen (Schüsselantennen bzw. TV-Schüsseln) empfangen, aber auch über Kabelnetze in die Haushalte gebracht werden (vgl. Ratzke 1984). Eine weitere Übertragungstechnik stellt seit langem das sog. Breitbandkabel dar, über das gleichzeitig dutzende von Fernseh- und Hörfunkprogrammen in technisch sehr guter Qualität übermittelt werden können. Es wurde ursprünglich in topografisch ungünstig gelegenen Gebieten (vorwiegend in alpinen Lagen) sowie in eng bebauten städtischen Regionen (Probleme der TV- Signalreflexion durch hohe Gebäude) zum Einsatz gebracht, wo mit terrestrischen TV-Signalen keine optimale Sendeversorgung möglich war. Ab Mitte der 1970er-Jahre wurden solche TV- Kabel jedoch bundesweit verlegt, zunächst in den großen Ballungszentren, dann auch in weniger dicht besiedelten Regionen (vgl. Ratzke 1984). Die in Deutschland 1984 vorgenommene Einführung privaten Hörfunks und Fernsehens wäre wegen mangelnder terrestrischer UKW-Frequenzen ohne Kabel- und Satellitentechnik nicht möglich gewesen (vgl. Lenhardt 1987). In den bundesdeutschen TV-Haushalten mit Kabelanschluss konnten im Jahr 2000 im Durchschnitt 35 TV-Programme sowie zahlreiche lokale, regionale und nationale Hörfunksender empfangen werden, im Jahr 2012 waren es durchschnittlich 82 TV-Programme. Das digitale Radio und Fernsehen ermöglichen - technisch gesehen - bei besserer Ton- und Bildqualität eine noch größere Programmvielfalt. In diesem Zusammenhang ist auch das HD-Fernsehen zu erwähnen. Das digitale Fernsehen ist in Deutschland seit der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre Realität (zunächst im Pay-TV, seit geraumer Zeit aber auch im sog. Free-TV). Die analoge Fernsehausstrahlung via Satellit wurde 2012 durch das digitale Fernsehen abgelöst, analoge TV-Signale sind seither nur noch via Kabel zu empfangen (die medienanstalten 2013, S.-22). Der flächendeckende digitale Hörfunk lässt vorerst noch auf sich warten, wiewohl im August 2011 ein erstes, bundesweites Digitalradio-Angebot mit 13 Programmen »in einem eigenen Sendernetz in der Übertragungsnorm DABplus auf Sendung ging. Die ARD brachte ihrerseits alle Hörfunkwellen in den bestehenden DAB-Landesnetzen in die Luft, wechselte Kanäle und ergänzte das Angebot mit exklusiven Digitalprogrammen« (Gongolsky 2012, S.-6). Auch private Hörfunkveranstalter sind mit Digitalprogrammen auf Sendung (vgl. Gongolsky 2012, Abb. auf S.-7). Um beim Verbraucher bzw. Nutzer Erfolg zu haben, »braucht das DAB-Digitalradio ein überzeugendes inhaltliches Angebot« (ebd.). Zahlreiche UKW- Radioveranstalter nutzen zudem das Internet, um ihre Programme auch als Webradios zu verbreiten; deren Nutzung »ist bisher überschaubar« (Schneider 2012, S. 13). Computer, Multimedia, Onlinekommunikation Vom Computer als einem Medium zu sprechen, ist nicht ganz unproblematisch: er vereint (in Verbindung mit moderner Telekommunikation) technisch Möglichkeiten der Individual-, Gruppen- und der Massenkommunikation und wird in diesem Kontext, wie erwähnt, auch als Hybridmedium bezeichnet. Als solches ist er zum einen tatsächlich ein Medium, wenn über ihn massenkommunikative Inhalte wie etwa eine Onlinezeitung, Webradio oder Web-TV abgerufen und konsumiert <?page no="218"?> 4.3 Medienforschung 219 werden (Massenkommunikation). Er ist zum anderen eher (nur) technisches Kommunikationsinstrument, wenn ein Nutzer mit anderen Nutzern im Internet bzw. WWW kommuniziert (Gruppenkommunikation wie Chat, Newsgroups, Social-Media-Anwendungen etc.) oder wenn sein Benutzer ihn dazu verwendet, um z. B. nur eine E-Mail, ein Fax oder eine SMS abzusenden (Individualkommunikation). Wie auch immer: Aus dem täglichen Leben, im Privatbereich wie am Arbeitsplatz, ist der Computer heute nicht mehr wegzudenken, und er wird in Zukunft eine wohl noch wesentlich größere Bedeutung haben als bisher. Computer wurden in ihren Anfangsjahren lediglich als elektronische Rechenmaschinen betrachtet. So gesehen könnte man sagen, dass in den Rechenbrettern der frühen Ägypter, in den mechanischen Rechenmaschinen des 17. Jahrhunderts (n. Chr.) sowie in den tastaturgesteuerten Rechenautomaten des 19. Jahrhunderts bereits Vorformen des Computers zu erkennen sind. Elektromechanische (Röhren-)Rechner gab es ab Anfang der 1940er-Jahre, die eigentliche Geschichte des Computers beginnt jedoch erst 1945: Damals wurde in den USA ein Rechner gebaut, der bereits 5.000 Rechenvorgänge pro Sekunde abwickeln konnte; er wog allerdings 30 Tonnen, arbeitete mit 18.000 Elektronenröhren und sein Speicher betrug ganze zwei Kilobyte. Computer dienten anfangs ausschließlich militärischen Zwecken (z. B. zur Berechnung von komplizierten Geschossbahnen). Erst 1955 wurden erste Computer für zivile Zwecke an Großbanken, Versicherungen, Automobilfirmen etc. verkauft (vgl. Faulstich 1994, S.- 149). Die Ende der 1950er-Jahre einsetzende Raumfahrt - und damit z. B. auch die Kommunikation via Fernmeldesatellit - wäre ohne Computer undenkbar gewesen. Die Erfindung des Transistors (Ende der 1940er-Jahre), der an die Stelle der Elektronenröhre trat, kam der Weiterentwicklung des Computers ebenso zugute wie etwas später die Erfindung der integrierten Schaltkreise und Halbleiterspeicher (1960er-Jahre), Magnetplattenspeicher und Mikroprozessoren (1980er-Jahre). In den 1980er-Jahren hatten Computer eine Speicherleistung von 8 Megabyte; 30 Mio. Instruktionen pro Sekunde konnten abgewickelt werden. Es gab und gibt zahlreiche komplexe Programmiersprachen und bereits Abertausende von Software-Programmen. Schrift-, Bild- und Spracherkennung mittels Computer sind weit entwickelt. Im Bereich der klassischen Massenmedien gelangen Computer im deutschen Sprachraum seit etwa 1975 zum Einsatz: in der elektronischen Zeitungsherstellung (ab Mitte der 1970er-Jahre) in Form von computergesteuerten Texterfassungs- und -gestaltungssystemen, bei Hörfunk und Fernsehen in Form elektronischer Redaktionssysteme sowie beim elektronischen Broadcasting (EB). Mit zunehmender Durchdringung von Hörfunk und Fernsehen durch digitale Technik wird mittels Computer digital gespeichert und geschnitten. Jedoch auch das gesamte Arbeits-, Wirtschafts-, Wissenschafts- und Verwaltungsleben sowie ein beträchtlicher Teil der Freizeitgestaltung vieler Menschen sind intensiv vom Computer durchdrungen. Zum Symbol der Computerisierung des Alltags sind rasch v. a. Personal Computer (PCs) geworden. »Dabei handelt es sich um kleine, selbstständige Systeme, die nicht mehr nur im Bürobereich, sondern generell in Industrie, Gewerbe, Verwaltung und nicht zuletzt im Privatbereich« selbstverständlich geworden sind« (Faulstich 1994, S.-148). Hier dient er anfangs u. a. der Textverarbeitung, der Tabellenkalkulation und zahlreichen anderen professionellen und semiprofessionellen Anwendungen. Im deutschen Sprachraum verschmelzen in den 1990er-Jahren Computer, Telekommunikation, elektronische Massenmedien und Unterhaltungselektronik zu Multimedia. Für den User stellt der Computer als intelligente Maschine gewissermaßen das »Eingangstor« ins Internet mit seinen zahlreichen Diensten und Anwendungen sowie in die Onlinekommunikation dar. Dazu gehören u. a. das Surfen durch die unzähligen Angebote des WWW; das File Transfer Protocol, also vorwiegend Herunter-, aber auch Hinaufladen von Dateien; Newsgroups, also Teilnahme an elektronischen schwarzen Brettern; Internet Relay Chat (IRC), d. h. Plaudern mit anderen in Echtzeit; nicht zuletzt Social-Media-Anwendungen wie etwa Facebook und Twitter, die sich größ- <?page no="219"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 220 ter Beliebtheit erfreuen, u. a. auch der Kontaktpflege und dem Austausch dienen und z. B. auch für die Organisation politischer Aktivitäten oder auch des Freizeitmanagements von Bedeutung sind. Auch Telefonieren via Internet und TV-Übertragungen sind längst möglich, bedürfen aber weiterhin einer Verbesserung der Übertragungsqualität. Zu Beginn des 3. Jahrtausends sollen weltweit bereits knapp 350 bis 400 Mio. Menschen über einen Internet-Zugang verfügt haben, damals vorwiegend in westlichen und westlich orientierten Ländern. Laut statista.com waren es im Jahr 2011 weltweit 2,42 Mrd. (statista.com 2012). Die Zahl der Internetanschlüsse weltweit dagegen ist (u. a. infolge unterschiedlicher technischer Zugänge) nicht exakt feststellbar. Folgende Zahlen sprechen jedoch für sich: Es hat 55 Jahre gedauert, bis 50 Mio. Menschen ein Auto besaßen; 38 Jahre, bis die gleiche Zahl ein Radio-Gerät hatte; 13 Jahre, bis sie über ein TV-Gerät verfügten; aber nur drei Jahre, bis es 50 Mio. Internetnutzer gab (vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 10.03.1998). Wie eingangs erwähnt, ist diese kleine (Technik-)Geschichte der Medien in hohem Maße unvollständig. Beispielsweise wurde nichts gesagt über die 1877 entdeckte elektrische Tonaufzeichnung, die die Schallplatte zur Folge hatte. Auch nicht erwähnt wurden etwa die einzelnen Ausprägungen der Drucktechnik in Form des Hochdrucks (1445; Basis: Holzschnitt), des Tiefdrucks (1450: Basis Kupferstich) sowie des Flachdrucks (1797; Basis: Lithografie). Vor allem der Tiefdruck (der sich sehr gut für eine qualitativ hochwertige drucktechnische Wiedergabe von Farbbildern eignet und etwa im Illustrierten- und Katalogdruck zum Einsatz kommt) und der Flachdruck (der im Zeitungs- und Zeitschriftendruck vorherrscht) sind heute weltweit industriell eingesetzte Druckverfahren. Der Hochdruck findet allenfalls noch im sog. Akzidenzdruck (für elegante Visitenkarten, individuell gestaltetes Briefpapier, für gedruckte Einladungen zu festlichen Anlässen etc.) Anwendung. Nicht angeführt wurden technische und kulturelle Errungenschaften, die sich als Folge der Entdeckung der Drucktechnik einstellten wie etwa: die Erzeugung von Papier als Bedruckstoff; oder die Herausbildung von Schrifttypen - in Deutschland etwa die heute veraltet anmutende (und schlecht lesbare) Fraktur, in Italien die elegante (und sehr gut lesbare) Antiqua. Auch nicht zur Sprache gekommen ist die Vereinheitlichung der Papierbzw. Bogenformate sowie der Schrifttypen (Höhe, Breite, mager, kursiv, fett, VERSAL etc.). Absolut nicht übersehen werden darf im Kontext der Erfindung des Buchdrucks zweierlei: zum einen, dass kirchliche und weltliche Macht sehr bald eine Fülle von Zensurmaßnahmen ergriffen haben, um das freie Wort und die Herstellung von Öffentlichkeit zu unterbinden. Zum anderen, dass trotz dieser Maßnahmen die Erfindung des Buchdrucks wesentlichen Anteil an der Epoche der Aufklärung und damit geradezu atemberaubende kulturelle, politische und soziale Veränderungen zur Folge hatte (vgl. Füssel 1999; Eisenstein 1997). Die audiovisuellen Medien, insbesondere das Fernsehen, haben in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Kultur- und Konsumverhalten sowie Freizeitgewohnheiten der Menschen nachhaltig verändert (vgl. Meyrowitz 1987). Und die Onlinemedien sind, wie erwähnt, längst im Begriffe, nicht nur das Kommunikations-, Medien- und Freizeitverhalten, sondern v. a. auch Organisations-, Arbeits-, Wirtschafts- und Verwaltungsprozesse, aber z. B. auch Lehr- und Lernformen grundlegend zu revolutionieren. 4.3.3 Eigengesetzlichkeiten der Medien Die klassischen Massenmedien zeichnen sich durch weitgehend technisch bedingte Eigengesetzlichkeiten aus, die sowohl für die Kommunikatoren (bei der Produktion der Medieninhalte) wie auch für die Rezipienten (bei der Rezeption dieser Inhalte) von Bedeutung sind. Die Kommunikatoren, also die Medienschaffenden, müssen diese Eigenarten, die Möglichkeiten und Grenzen der einzelnen Medien, kennen, weil die Auswahl der Inhalte und die Art und Weise ihrer Aufbereitung und Präsentation von den Eigengesetzlichkeiten des jeweiligen Mediums abhän- <?page no="220"?> 4.3 Medienforschung 221 gig sind. Das visuelle Medium Zeitung verlangt nach einer anderen »Dramaturgie« bei der Aufbereitung der Medieninhalte als etwa das auditive Medium Hörfunk, dieses wieder andere als das audiovisuelle Medium Fernsehen (Pürer 1996c, S.-224). Der Computer wieder integriert auf Grund seiner Möglichkeiten der Multimedialität Eigenschaften der Zeitung, des Hörfunks und des Fernsehens, also Text, Bild (bzw. Video), Ton (bzw. Sound), Grafik und Animation. Für die Rezipienten als Mediennutzer und -konsumenten werden Art und Weise der Wahrnehmung (visuell, auditiv, audiovisuell, multimedial) von den Eigengesetzlichkeiten der Medien geleitet. Hinzu kommen Momente der Verhaltensfreiheit bzw. der Verhaltensbindung bei der Nutzung: Die Zeitung und andere Druckmedien z. B. kann man lesen wann und wo man will - man spricht daher auch von einem disponiblen, ja mobilem Medium. Anders ist dies bei Hörfunk und Fernsehen: Deren klassische Nutzung mit Hörfunk- und TV-Empfangsgeräten ist für die Hörer und Zuschauer durch Programmstruktur und -ablauf vorgegeben. Auch die räumliche (z. B. gewohnte häusliche Umgebung, Büro, speziell eingerichteter Raum, Fahrt zum Arbeitsplatz in privatem oder öffentlichem Verkehrsmittel etc.) und die familiäre Situation (einzeln oder im Verband der Familie, im Freundeskreis oder in einem Kollektiv) können trotz neuer digitaler, individualisierter Zugriffs- und Nutzungsmöglichkeiten für die Art und Weise der Rezeption von Relevanz sein. Im Folgenden sollen daher die wichtigsten, weitgehend technisch bedingten Eigengesetzlichkeiten der Massenmedien aufgezeigt werden (vgl. Kaupp 1980, S.-118ff). Die Zeitung und die anderen gedruckten Medien sind sog. statische Medien. Der Text richtet sich an das Auge, spricht also (nur) den visuellen Kanal an. Der Leser hat die Möglichkeit, das Tempo der Informationsaufnahme selbst zu bestimmen. Auch hat der Leser einen ständigen Überblick über den Text und seine formale Gestaltung; optische Hilfen im Text, die Interpunktion, erleichtern ihm die Lektüre. Bei den Printmedien hat der Leser außerdem die Möglichkeit, nachzulesen, zurück-, vor- und überzublättern. Insgesamt ist der Nutzer gedruckter Medien also sehr autonom (vgl. Kaupp 1980, S.-121f; Pürer 1996c, S.-224ff). Druckmedien sind stets verfügbare Informationsspeicher von hoher Disponibilität und können sehr individuell genutzt werden (sie waren de facto die ersten mobilen Medien). Die Dimension des Gedruckten ist der Raum, und im Raum Mitgeteiltes lässt sich nicht nur systematisch ordnen; es kann durch Größe und Kraft der Schrifttypen sowie mithilfe zahlreicher anderer grafischer Elemente gestaltet und gewichtet werden. Druckmedien können den Leser besser in Beziehung setzen, zu Erklärung und Verständnis beitragen, Orientierungshilfen bieten sowie durch Hintergrundberichterstattung Sinnzusammenhänge besser herstellen als die flüchtigen Funkmedien. Die schnelleren Funkmedien geben Themen oftmals vor, die langsameren Druckmedien füllen sie mit tiefer gehenden Informationen aus (vgl. Bausch 1978; Pürer 1982, S.-55ff). Das Radio, der Hörfunk, ist in seiner klassischen Form ein sehr flüchtiges Medium, nicht zuletzt, weil es oftmals nur als Hintergrundmedium bei Inhouse- und Outdoor-Aktivitäten genutzt wird. Der Text bzw. Ton richtet sich an das Ohr; das Tempo der Informationsaufnahme wird durch das Medium bzw. Programm vorgegeben. Der Hörer hat bei klassischer Radionutzung in aller Regel keine Möglichkeit, ›zurückzublättern‹ bzw. etwas zu wiederholen, um es dem besseren Verständnis zu erschließen. Auch hat er keinen Überblick über den Text und keine optischen Hilfen, der Hörer ist an das Programm bzw. seine Text-Abfolge gebunden (vgl. Kaupp 1980, S.-122f; LaRoche/ Buchholz 1993, S.-226; Pürer 1996c, S.-224ff). Auch das Fernsehen in seiner klassischen Form ist ein flüchtiges Medium, zumal das Tempo der Informationsaufnahme durch die Programmabfolge vorgegeben ist, der Zuschauer keinen Überblick über den Text bzw. die unmittelbare Abfolge des Programms und auch nicht die Möglichkeit hat, zurück-, vor- oder überzublättern. Die Informationsaufnahme beansprucht Auge und Ohr, ist also zweikanalig; optische Hilfen werden durch Bildmaterial wie Fotos, Filme, Inserts, Grafiken etc. angeboten. Bild und Ton zusammen verleihen dem Medium Fernsehen hohe Glaubwürdigkeit - in <?page no="221"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 222 aktuellen Nachrichtensendungen z. B. hat der Zuschauer das Gefühl, als Augenzeuge dabei zu sein. Bisweilen ist auch von der ›Suggestivkraft‹ des Fernsehens die Rede (vgl. Kaupp 1980, S.-123f; Pürer 1996c, S.-224ff; Wember 1983; Stuiber 1998). Was das publizistische Wettbewerbsverhältnis der Massenmedien betrifft, so sind die Funkmedien (Radio, Fernsehen) schneller und aktueller sowie mit einem hohen Maß an Bequemlichkeit zu nutzen. Die immer wieder faszinierende Wirkung des Fernsehens beruht auf dem (scheinbaren) Miterleben des Gezeigten bzw. Dargestellten. Der bei klassischer Nutzung zeitlich unveränderbare Ablauf von Hörfunk und Fernsehen, v. a. auch was die Informationsprogramme betrifft, bedingt jedoch Flüchtigkeit. Radio- und Fernsehprogramme (im klassischen Sinn) sind nicht beliebig nutzbar, sondern zwingen die Hörer oder Zuschauer, zu einer bestimmten Zeit für die Aufnahme der Botschaften präsent zu sein (vgl. Bausch 1978; Pürer 1982, S.-55ff). Selbst Kassettengeräte, Video- und DVD-Rekorder, mit deren Hilfe es möglich ist, Radiobzw. TV-Programme aufzuzeichnen, können nur bedingt Abhilfe schaffen. Möglichkeiten der digitalen Speicherung und des individuellen Abrufs von digitalisierten Hörfunk- und Fernsehprogrammen mittels Computer und ähnlicher Geräte führen hier seit einigen Jahren zu erheblichen Veränderungen, sodass Radio- und TV-Sendungen auch nach ihrer Ausstrahlung (teils zeitlich befristet) online abrufbar sind. Wie erwähnt, integriert der Computer - und nun sind Onlinemedien angesprochen - als Medium elektronisch vermittelter Kommunikation die weitgehend technisch bedingten Möglichkeiten von Print, Radio und Fernsehen. Onlinemedien können sehr individuell genutzt werden, ein einschränkender Faktor ist aber in den Begrenzungen der Bildschirmseite zu sehen, deren Gestaltungsmöglichkeiten und -zwänge auf Anbieter wie Nutzer zurückwirken. Dies ist insbesondere bei Kleincomputern wie Handys, Smartphones und auch bei iPads (sowie bei ähnlichen Lesegeräten) der Fall. Der Onlinenutzer hat nur einen begrenzten Überblick über den Text bzw. das Programm, er kann mittels Maus oder Touch-Funktion vor- und (über die Back-Funktion) auch zurückblättern. Vor allem Smartphones weisen eine einfach zu bedienende Benutzeroberfläche auf und damit auch eine recht bequeme Handhabung der Geräte. Im Unterschied zu den klassischen Medien, die durch die Festlegung der Abfolge der Inhalte sog. lineare Medien sind, sind Onlinemedien v. a. durch die Möglichkeiten der Verlinkung nichtlineare Medien. Dem User sollte von den Anbietern das Surfen bzw. Navigieren durch ein Onlineangebot daher so leicht wie möglich gemacht werden (vgl. Meier 1998), damit er im Cyberspace nicht verloren geht. Insbesondere Applikationen für mobile Endgeräte tragen dieser Forderung Rechnung. Onlinemedien integrieren nicht nur Eigenschaften der Print- und Funkmedien, sie generieren neue hinzu. Gegenüber den klassischen Medien zeichnen sie sich (prinzipiell) aus durch 1) Aktualität: Die angebotenen Inhalte, welcher Art auch immer, können grundsätzlich jederzeit aktualisiert werden, es gibt keinen Redaktionsschluss; 2) Globalität: Onlineangebote können von jedem Ort der Welt aus erstellt und abgerufen werden; 3) Multimedialität: Onlineangebote können Text, Bild, Ton, Grafik und Datenbanken integrieren; 4) Hypertextualität: Onlineangebote können mit zahlreichen anderen Onlineangeboten verlinkt werden; 5) Interaktivität: Onlineangebote eröffnen dem User direkte und rasche Feedback-Möglichkeiten (vgl. Meier 1998). Social-Media-Anwendungen wie etwa Facebook und Twitter oder auch Nutzerkommentare in Onlinemedien beschleunigen Anschlusskommunikation in hohem Maße. Viele digital gespeicherte Programmangebote des Fernsehens können auch noch nach deren Ausstrahlung mittels Computer, iPhone, Smartphone, i-Pad etc. online abgerufen werden. Joachim R. Höflich weist darauf hin, dass technische Medien und damit auch die über Massenmedien vermittelten Botschaften sich dadurch unterscheiden, »inwiefern sie die verbalen und auch die nonverbalen Ausdrucksmöglichkeiten, auf die in der direkten Kommunikation von Angesicht zu Angesicht gegenseitig Bezug genommen wird, begrenzen, wenn nicht sogar gänzlich ausblen- <?page no="222"?> 4.3 Medienforschung 223 den« (Höflich 1995, S.-527). Wenn man davon ausgeht, dass in der zwischenmenschlichen Kommunikation interpretationsfördernde metakommunikative sowie die Beziehung der Kommunikationspartner anzeigende Hinweise nicht immer verbal, sondern v. a. nonverbal (wie Mimik, Gestik etc.) ausgedrückt werden, ist dies von Bedeutung. Je stärker nämlich »ein Medium die verbalen und nonverbalen kommunikativen Codierungsmöglichkeiten begrenzt, umso mehr müssen [in der computervermittelten Kommunikation - Ergänzung H. P.] fehlende interpretationsfördernde und beziehungsanzeigende Hinweise i. S.-eines […] et cetera-Prinzips […] ergänzt werden« (Höflich 1995, S.-527f ). Diese vom Kommunikator beim Verschlüsseln der Botschaft (Encodieren) zu berücksichtigenden und vom Rezipienten beim Entschlüsseln (Decodieren) teils imaginativ zu leistenden Ergänzungen unterscheiden sich je nach eingesetztem Medium. Dies ist auch der Grund dafür, weswegen Zeitung, Radio, Fernsehen und der Computer (im Kontext von Onlinekommunikation) je eigene Dramaturgien bzw. Erzählstrukturen erfordern (vgl. Höflich ebd.). 4.3.4 Organisationsformen der Massenmedien Massenmedien sind in unterschiedlichen politischen Systemen auf unterschiedliche Weise in diese Systeme integriert. In pluralistischen Systemen, in den westlichen Demokratien also, in denen die Staatsmacht von demokratisch legitimierten Funktionsträgern ausgeübt wird, sind die Massenmedien idealiter in das System der Gewaltenteilung eingebunden, ohne (! ) allerdings - neben Legislative, Exekutive und Judikative - selbst eine eigene (Staats-)Gewalt darzustellen (›Publikative‹). Vielmehr sollen die Massenmedien (aus einer normativ begründeten, demokratietheoretischen Sicht) eine öffentliche Aufgabe erfüllen. Diese besteht darin, unbeeinflusst und unabhängig von staatlicher Macht in vielfältiger Weise Öffentlichkeit über relevante Vorgänge in Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft herzustellen und Gesetzgebung (Legislative), Gesetzesvollzug (Exekutive) sowie Rechtsprechung (Judikative) kritisch und kontrollierend zu beobachten (vgl. Löffler 1984; Bergsdorf 1980; vgl. Kap. 5.1.1.5). In den meisten westlichen Demokratien sind im Wesentlichen zwei Organisationsmodelle bzw. -formen von Massenmedien vorzufinden: privatwirtschaftlich verfasste sowie öffentlich-rechtlich organisierte Massenmedien. (Daneben gibt es Misch- und Sonderformen). Kepplinger spricht vom »wirtschaftlichen Konkurrenzmodell«, wenn er privatwirtschaftliche Medien meint. Im Unterschied dazu ist bei öffentlich-rechtlichen Medien vom »administrativen Kooperationsmodell« die Rede (vgl. Kepplinger 1997, S.-119f ): • Privatwirtschaftlich verfasste Medien agieren und funktionieren ähnlich wie andere kommerziell geführte Unternehmen. Der Markt, also Angebot und Nachfrage, entscheidet über Erfolg oder Misserfolg. Privatwirtschaftlich organisierte Medien operier(t)en lange Zeit auf zwei Märkten, nämlich: auf dem Markt des Publikums sowie auf dem Markt der Werbewirtschaft. Aus beiden Märkten resultier(t)en die Erlöse privatwirtschaftlich organisierter Medien: Bei den privaten Printmedien (sofern diese nicht kostenlos verbreitet werden wie etwa Gratistageszeitungen, Anzeigen- und Offertenblätter) sind dies in aller Regel Vertriebs- (Abonnement, Einzelverkauf ) und Anzeigenerlöse. Durch neue Angebote vieler Printmedien im Onlinebereich kommen z. B. Gebühren für den Abruf von Inhalten wie etwa Applikationen für mobile Endgeräte oder auch durch sog. Zusatzprodukte (vgl. Kap. 4.3.5.4) hinzu. Bei den privaten Funkmedien sind es entweder Werbe- oder Gebührenerlöse (Pay-TV, auch Bezahlfernsehen). Bezüglich des Bezahlfernsehens ist wieder zu unterscheiden zwischen Gebühren für den Bezug eines gesamten Programmpaketes (Pay-TV), eines einzelnen Kanals (Pay per Channel) oder nur einer einzelnen Sendung (Pay per view). Auch Mischfinanzierungsformen aus Werbung und Abonnementgebühren kommen vor. Entgelte fallen - teils zumindest - auch für Dienste sog. Plattformbetreiber an, die <?page no="223"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 224 über Kabelnetze Programme in die Haushalte liefern. Die redaktionelle Linie (Zeitung) bzw. die inhaltliche Ausrichtung des Programms (Hörfunk, Fernsehen) wird vom Medieninhaber festgelegt; die gesellschaftsrechtliche Kontrolle privatwirtschaftlich organisierter Medien erfolgt in aller Regel durch Aufsichtsräte, Vorstände, Präsidenten etc. Privatwirtschaftlich organisierte Medien tendieren auf Grund des Wettbewerbs und einer zunehmend globalisierten Welt zur Medienkonzentration. Sie können Einflussversuchen der werbungtreibenden Wirtschaft ausgesetzt sein. Um wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen, orientieren sich viele privatwirtschaftlich orientierte Medien am Massengeschmack. Der wirtschaftliche Erfolg privat-kommerzieller Medien ist eng mit hohen Auflagen und Reichweiten verbunden, zumal die Preise für Werbung und Anzeigen nicht zuletzt von der Größe des jeweils angepeilten bzw. richtiger: des erreichten Publikums abhängig sind. Die Reichweiten der Massenmedien oder auch einzelner Angebote werden regelmäßig über Reichweiten- und anderen Mediennutzungsstudien ermittelt (vgl. Kap. 4.4.1). Bei den privatwirtschaftlich verfassten Medien wird von der quantitativen Vielzahl der Medien und Anbieter auch auf Inhalts-, Programm- und Meinungsvielfalt geschlossen (sog. außenplurales Modell), was allerdings nicht unumstritten ist. • Öffentlich-rechtlich organisierte Medien werden in aller Regel zwar vom Staat konstituiert, nicht jedoch staatlich kontrolliert. Vielmehr unterliegen sie der Kontrolle durch die Gesellschaft. Kontrollorgane sind in Verwaltungs-, und Rundfunkbzw. Medienräten zu sehen, in denen gesellschaftlich relevante Gruppen wie politische Parteien und gesellschaftliche Organisationen und Institutionen vertreten sind. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten haben festgelegte Programmaufträge mit besonders ausgewiesenen Informations-, Kultur- und Bildungsaufgaben. In ihren Programmen sind die relevanten gesellschaftlichen Gruppen angemessen zu berücksichtigen. Öffentlich-rechtliche Medien sind zu politischer Ausgewogenheit und damit zu Binnenpluralismus verpflichtet. Die pluralistisch zusammengesetzten Kontrollgremien wachen über die Einhaltung der Programmaufträge. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten werden in aller Regel von einem Intendanten geleitet, dem andere Funktionsträger (wie Chefredakteur, Programmdirektor, technischer Direktor, kaufmännischer Direktor, Onlinedirektor etc.) zur Seite stehen. Die Finanzierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten erfolgt meist gemischt aus Teilnehmerentgelten und Werbeerlösen, deren Stellenwert jedoch zunehmend geringer wird (vgl. Kap. 4.3.5.4). Nicht selten sind öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten über ihre Kontrollorgane parteipolitischen Einflussversuchen ausgeliefert, wodurch staatliche Nähe gegeben sein kann (vgl. etwa auch Donsbach/ Wilke 2009, S. 606-614). • Neben privatwirtschaftlich verfassten und öffentlich-rechtlichen Medien gibt es in geringer Zahl des Weiteren sog. »freie Medien«. Es sind dies meist alternative oder auch sog. autonome Medien, die frei von politischen und ökonomischen Zwängen sein wollen und sich auch selbst verwalten. Sie versuchen, sich vorwiegend aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Abonnements, Veranstaltungen etc. zu finanzieren und rufen mitunter auch nach Unterstützung durch die öffentliche Hand. Werbung spielt, wenn überhaupt, für ihre Finanzierung nur eine untergeordnete Rolle. Die technischen und journalistischen Standards sind nicht selten gering, da die Programme weitgehend von Laien gestaltet und produziert werden. Massenmedien wie Zeitung, Radio und Fernsehen in ihren klassischen Erscheinungsformen können in aller Regel den hier dargelegten Organisationsformen problemlos zugeordnet werden. Bei den Onlinemedien ist dies nicht so einfach möglich, zumal sich zahlreiche Onlineanbieter des WWW nur als technischer Plattform bedienen, um ihre Angebote im Web kostenlos auszustellen oder Onlinezugänge bzw. -angebote mit einer Gebühr zu verbinden (z. B. für den Abruf von Applikationen für mobile Endgeräte). Traditionelle Klassifikationsschemata versagen im WWW nicht zuletzt <?page no="224"?> 4.3 Medienforschung 225 auch deshalb, weil im Web auch neue Wege der Finanzierung der Onlineangebote etwa durch Paid Content, Content Syndication, E-Commerce, Service-Providing, Content-Providing etc. beschritten werden (vgl. Kap. 4.3.5.4). 4.3.5 Medienstrukturen in Deutschland Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen ist die Entwicklung des Medienwesens in Deutschland von 1945 bis zur unmittelbaren Gegenwart. Es handelt sich um einen kompakt gehaltenen, kurzen Überblick, der für das Pressewesen mit dem Jahr 1945 startet und für den Rundfunk die Zeit zwischen 1923 (Gründung) und 1945 (Ende des Nationalsozialismus und des von ihm entfachten Zweiten Weltkrieges) kurz mit einbezieht. Im Bereich der Printmedien liegt der Schwerpunkt der Ausführungen auf dem Gebiet der Tagespresse. Ein eigener Abschnitt ist auch den Onlinemedien gewidmet. Auf andere Medien wie Zeitschriften, Buch, Film, Video und »neue Medien« wird weitgehend lediglich über Literaturhinweise verwiesen. Über die Entwicklung des Pressewesens in der Bundesrepublik Deutschland liegt von Heinz Pürer und Johannes Raabe ein detaillierter Überblick vor (vgl. Pürer/ Raabe 2007), über das Rundfunkwesen (bis 1998) jener von Heinz-Werner Stuiber (1998). Zahlreiche Einzelbeiträge zur »Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland« enthält schließlich der gleichlautende, von Jürgen Wilke herausgegebene Sammelband (vgl. Wilke 1999). Überblickbeiträge über Presse, Rundfunk und Onlinemedien enthält auch das zuletzt 2009 in aktualisierter Auflage erschienene Fischer-Lexikon Publizistik/ Massenkommunikation (vgl. Noelle-Neumann et al. 2009). Zum »Mediensystem Deutschlands«, seinen Strukturen, Märkten und seiner Regulierung, hat Klaus Beck 2012 ein Überblickswerk vorgelegt (Beck 2012); ebenfalls 2012 wurde der Klassiker »Massenmedien in Deutschland« in 4., völlig überarbeiteter Auflage neu vorgelegt (Meyn/ Tonnemacher 2012). Mit »Medienregulierung in Deutschland«, mit Zielen, Konzepten und Maßnahmen, befassen sich Wolfgang Seufert und Hardy Gundlach (Seufert/ Gundlach 2012). In den nachfolgenden Ausführungen wird der Versuch unternommen, das bundesdeutsche Mediensystem in seinen Strukturen zu beschreiben und dabei auch Kontexte seines Entstehens mit einzubeziehen (wie dies teils bereits in den historischen Abschnitten erfolgte). Das deutsche Medienwesen hat sich nicht erst seit 1945 entwickelt. Vielmehr reicht seine äußerst wechselhafte Geschichte bis an den Beginn des 17. Jahrhunderts zurück (vgl. Wilke 2008; Stöber 2005): Zeitungen (im heutigen Sinne) gibt es in Deutschland seit 1605, Tageszeitungen seit 1650, Zeitschriften seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Aufhebung der Zensur 1848 hatte - neben anderen Faktoren - die rasche Ausdifferenzierung des Zeitungs- und Zeitschriftenwesens stark begünstigt (vgl. Pürer/ Raabe 2007). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstand die Massenpresse. 1895 kam das Medium Film hinzu (vgl. Gregor/ Patalas 1962; Pflaum/ Prinzler 1992; Jacobsen/ Kaes/ Prinzler 1993), der Rundfunk (im Sinne von Hörfunk) 1923 (vgl. Lerg 1965ff; Stuiber 1998) und das Fernsehen 1935 (vgl. Longolius 1967; Stuiber 1998). Vor der nationalsozialistischen Machtergreifung bestand in Deutschland ein vielfältig ausgeprägtes Medienwesen, Deutschland war das zeitungsreichste Land Europas. Durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg erlitt das deutsche Medienwesen jedoch eine tiefe Zäsur: Die Zeitungen und Zeitschriften der politischen Parteien wurden ausgeschaltet, die unabhängige Presse weitgehend mit der NS-Presse gleichgeschaltet, der Rundfunk (und auch der Film) ausschließlich in den Dienst des Nationalsozialismus, seiner Ideologie und Propaganda gestellt. Schließlich stand am Ende des Zweiten Weltkrieges auch das Ende des damaligen Medienwesens (vgl. dazu Überblicke bei Pürer/ Raabe 2007 sowie Stuiber 1998). Es ist nur allzu gut zu verstehen, dass die Besatzungsmächte beim Wiederaufbau des Medienwesens im Nachkriegsdeutschland nicht dort anschließen wollten und durften, wohin die Nationalso- <?page no="225"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 226 zialisten es geführt hatten. Daher hatte das neu errichtete Presse- und Rundfunkwesen auch keine unmittelbaren Anknüpfungspunkte, auch nicht an die Zeit vor der nationalsozialistischen Machtergreifung. Damals - 1932 - hatte es in Deutschland ein vielfältig ausgeprägtes Pressewesen mit über 4.000 Titeln an Tages- und Wochenzeitungen gegeben (vgl. Koszyk 1972). Der Rundfunk (Hörfunk) war unter dem Dach der Reichsrundfunkgesellschaft dezentral organisiert und auf Grund von Beteiligungen der Post an den Landesrundfunkgesellschaften relativ staatsnahe (vgl. Bausch 1965; Stuiber 1998). Der Film war in privater Hand, wobei die in Alfred Hugenbergs Eigentum befindliche, nationalistisch ausgerichtete Ufa eine Monopolstellung innehatte und später im nationalsozialistischen Medienwesen aufging (vgl. Gregor/ Patalas 1962). 4.3.5.1 Pressewesen in Deutschland Die Entwicklung des Zeitungswesens seit 1945, bzw. die der Tagespresse, lässt sich in mehrere Phasen gliedern, nämlich (vgl. Pürer/ Raabe 1996a, 1996b, 2007): in die Phase des Wiederaufbaus, die Phase der Pressekonzentration, die Phase der Konsolidierung, die Phase zwischen Wende und Wiedervereinigung, die Phase nach der Wiedervereinigung sowie die Phase neuer Herausforderungen v. a. durch das Internet ab etwa 1995. Um die Phase zwischen Wende und Wiedervereinigung zu verstehen, ist es notwendig, auch auf die Strukturen des Pressewesens in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) einzugehen (vgl. Pürer/ Raabe 1996a und 2007). Ein Abschnitt über die gegenwärtige Lage des Pressewesens rundet die Ausführungen ab. Dazu im Einzelnen: Die Phase des Wiederaufbaus (1945-1954) Das Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete auch die »Stunde Null« des deutschen Pressewesens (vgl. Hurwitz 1972). Nach der Kapitulation Hitler-Deutschlands Anfang Mai 1945 übernahmen die alliierten Besatzungsmächte (die USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion) die Herrschaft über Deutschland. Alle bestehenden Druckereien wurden geschlossen, alle Redaktionen aufgelöst. Die Herausgabe von Zeitungen war vorübergehend verboten, an ihre Stelle traten zunächst Heeresgruppenzeitungen der Besatzungsmächte. Es folgte die Vergabe von Lizenzen für die Herausgabe von Zeitungen an nationalsozialistisch nicht vorbelastete Personen, wobei von den Besatzungsmächten unterschiedliche Praktiken angewendet wurden: Die Amerikaner vergaben primär sog. Gruppenlizenzen (an mehrere politisch unterschiedlichen Richtungen nahe stehende Personen) für die Herausgabe unabhängiger Zeitungen und Zeitschriften, erst ab 1948 auch für Parteizeitungen. Die Briten lizenzierten primär Parteirichtungszeitungen, später auch überparteiliche Blätter. Die Franzosen praktizierten ein gemischtes System, vergaben also Lizenzen für Parteizeitungen und unabhängige Blätter. Die Sowjets erteilten Lizenzen für die Herausgabe von Zeitungen nur an politische Parteien, wobei die KPD und später die SED bevorzugt wurden, sodass in der Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ) eine vorwiegend sozialistische Presse entstand. Bis 1948 wurden insgesamt 178 Tageszeitungen, die in 753 Ausgaben erschienen, lizenziert (vgl. Koszyk 1986, 1988, 1999; siehe Abb. 5, S. 227). <?page no="226"?> 4.3 Medienforschung 227 Abb. 5: Anzahl der bis 1948 lizenzierten Zeitungen 1949 erfolgte schließlich die Erteilung der Generallizenz. Damit durften auch die »Altverleger« wieder Zeitungen herausgeben. Es waren dies Personen, die vor 1938 bzw. 1945 Zeitungen herausgaben. Bis Ende 1950 entstanden 500 neue Titel. Die Folge war ein scharfer Konkurrenzkampf der Lizenzzeitungen mit jenen der Altverleger. 1954 wurde der größte Zeitungsgesamtbestand der Bundesrepublik gezählt: Es gab 225 redaktionell selbstständige Tageszeitungen (sog. publizistische Einheiten), die in 1.500 Ausgaben erschienen und zusammen von 624 Verlagen herausgegeben wurden (vgl. Schütz 1956). Eine so große Zahl von redaktionell selbstständigen Tageszeitungen (225) wurde in Deutschland nie wieder erreicht, auch nicht nach der Wiedervereinigung. Die Phase des Wiederaufbaus in Deutschland-West kann 1954 als abgeschlossen betrachtet werden, obwohl es danach noch weitere Zeitungsgründungen gab. Nur wenige von ihnen existieren noch heute (vgl. Pürer/ Raabe 1996a; vgl. Wilke 1997; Schütz 1999). Mit dem Jahr 1954 setzte auch die pressestatistische Erfassung des Tageszeitungswesens nach Walter J. Schütz ein. Auf ihn geht die (bisweilen kritisierte, im Allgemeinen aber doch anerkannte) Differenzierung nach »publizistischen Einheiten«, »(redaktionellen) Ausgaben«, »Verlagen als Herausgeber« und »Verlagen als wirtschaftliche Einheiten« zurück (vgl. Schütz 1956, 2001a, 2005a, 2012a): • Tageszeitungen sind für Schütz alle Periodika, »die mindestens zweimal wöchentlich erscheinen und einen aktuellen politischen Teil mit inhaltlich unbegrenzter (universeller) Nachrichtenvermittlung enthalten« (Schütz 2012a, S. 570). • Publizistische Einheiten sind redaktionell selbstständige Tageszeitungen. In dieser »übergeordneten Kategorie sind alle ›Verlage als Herausgeber‹ mit den jeweiligen ›Ausgaben‹ eingeordnet, deren Mantel - im Regelfall die Seiten eins und zwei mit aktuellen politischen Nachrichten - vollständig oder (bei Übernahme von Seitenteilen) in wesentlichen Teilen übereinstimmt« (ebd.). Folglich ist es durchaus möglich, dass eine publizistische Einheit von mehreren Verlagen zusammen herausgegeben wird. Solche publizistische Einheiten geben in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet in aller Regel (Lokal-) Ausgaben heraus, die den »Zeitungsmantel« (meist den Politik- und Wirtschaftsteil) vom Stammblatt übernehmen - womit sich der folgende Begriff erklärt: • (Redaktionelle) Ausgaben sind folglich Tageszeitungen, die »durch variierende inhaltliche Gestaltung (z. B. Regionalseiten, lokaler Text- und Anzeigenteil)« in ihrer Berichterstattung auf ihr vorwiegendes (lokales) Verbreitungsgebiet »abgestimmt« sind (ebd.), aber redaktionelle Teile wie den Politik-, Kultur- und Wirtschaftsteil etc. (also den sog. »Zeitungsmantel«) aus einer Vollredaktion (auch »Mutterblatt«) übernehmen. Gelegentlich findet man für den Terminus »Ausgabe« auch noch die Bezeichnung »Mutation« oder »Kopfblatt« vor. Besatzungszone Zeitungen Ausgaben amerikanische Zone 56 112 britische Zone 53 387 französische Zone 29 174 sowjetische Zone 21 80 Berlin 19 - 178 753 (Koszyk, Kurt (1988): Die deutsche Presse 1945-1949. In: Wagner, Hans (Hrsg.): Idee und Wirklichkeit des Journalismus. Festschrift für Heinz Starkulla. München, S. 61-74, hier: S. 70f.) <?page no="227"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 228 • Unter der pressestatistischen Kategorie Verlage als Herausgeber lassen sich alle (redaktionellen) »Ausgaben eines Unternehmens zusammenfassen, bei denen im Impressum der gleiche Herausgeber und/ oder Verlag genannt sind« (ebd.). Zahlreiche Zeitungen werden in Deutschland nämlich nicht nur von einem Verlag, sondern von mehreren Verlagen gemeinsam herausgegeben. • Die Kategorie Verlage als wirtschaftliche Einheiten umfasst alle Verlage als Herausgeber, die »in bestimmten Bereichen der Zeitungswirtschaft kooperieren (z. B. Druck, Vertrieb, Anzeigenverbund), wenn diese Zusammenarbeit über die Zugehörigkeit zu Anzeigenringen und Anzeigengemeinschaften hinausgeht« (ebd.). Dazu ein aktuelles Beispiel (2012): Die Augsburger Allgemeine, eine der größten Regionalzeitungen Bayerns, erscheint in 29 Ausgaben (vgl. Schütz 2012b, S. 596), darunter z. B. das Lokalblatt Mindelheimer Zeitung. Deren Berichterstattung nimmt vorwiegend Bezug auf ihr lokales Verbreitungsgebiet Mindelheim und Umgebung. Den Zeitungsmantel - den politischen Teil - übernimmt die Ausgabe (weitgehend) von der Augsburger Allgemeinen. Diese stellt die publizistische Einheit dar, die Mindelheimer Zeitung die (lokale) Ausgabe. Die Augsburger Allgemeine erscheint in der Presse- Druck- und Verlags-GmbH Augsburg. Phase der Konzentration (1955-1976) Ab Mitte der 1950er-Jahre setzte in Westdeutschland ein dramatischer Konzentrationsprozess im Pressewesen ein, der erst 1976 zum (vorläufigen) Stillstand kam. Ihm fielen v. a. auflagenschwächere Regional- und Lokalzeitungen zum Opfer, die entweder ihr Erscheinen ganz einstellen mussten oder mit anderen Zeitungen fusionierten. Wichtigste Ursache war die Veränderung der Erlösrelationen aus Vertrieb (Abonnement, Einzelverkauf ) und Anzeigen. Während 1954 die deutschen Tageszeitungen ihre Einnahmen im Durchschnitt zu 53 Prozent aus dem Vertrieb und zu 46,6 Prozent aus Anzeigen (sowie zu 0,4 Prozent aus Sonstigem) erwirtschafteten, verschob sich das Verhältnis dramatisch in Richtung Anzeigenerlöse: Diese machten 1975 knapp zwei Drittel der Einnahmen aus, die Vertriebserlöse nur noch ein Drittel. Die Zeitungen wurden also in immer größerem Ausmaß von Anzeigenerlösen abhängig. Hinzu kam der Marktzutritt des Fernsehens, das sich rasch verbreitete und die Aufmerksamkeit des Publikums ebenso auf sich zog wie die der werbungtreibenden Wirtschaft (vgl. Schütz 1966, 1999; Kieslich 1968). Das intensiv und vielseitig erforschte Phänomen Pressekonzentration (vgl. u. a. Aufermann 1971; Schütz 1971; Diederichs 1973; Mestmäcker 1978; Knoche 1978; Kisker et al. 1979) wurde von den Zeitungsverlegern in der Folge (und fälschlicherweise, wie sich herausstellen sollte) primär auf das Aufkommen des Fernsehens zurückgeführt. Zwei von Regierungsseite in den 1960er-Jahren eingesetzte und nach ihren Vorsitzenden benannte Kommissionen, die »Michel-Kommission« sowie die »Günther-Kommission«, versuchten, dem Konzentrationsprozess im Pressewesen auf den Grund zu gehen (vgl. Kieslich 1968). Die »Michel-Kommission« prüfte das intermediäre Wettbewerbsverhältnis von Print- und Funkmedien sowie das intramediäre der Printmedien untereinander. Sie kam u. a. zu der Erkenntnis, dass der Pressekonzentrationsprozess primär auf das Wettbewerbsverhältnis auflagenstarker und auflagenschwacher Zeitungen (also Print : Print) auf dem Leserwie v. a. auf dem Anzeigenmarkt zurückzuführen war und dass auch die Illustrierten in diesem Wettbewerb eine Rolle spielten. Der Wettbewerb v. a. um das Werbeaufkommen zwischen Print- und Funkmedien (insbesondere des Fernsehens) spielte den Erkenntnissen der Kommission zufolge eine nur untergeordnete Rolle. Die »Günther-Kommission« wiederum befasste sich mit den Folgen der Pressekonzentration. Sie schlug verschiedene Maßnahmen zu deren Eindämmung vor, von denen allerdings nur <?page no="228"?> 4.3 Medienforschung 229 einige wenige politisch auch realisiert wurden (vgl. Pürer/ Raabe 2007). So gab es für kleinere Zeitungen wirtschaftliche Förderungsmaßnahmen durch Investitionshilfen sowie zinsengünstige Kredite und Darlehen. Weiterhin wurden Maßnahmen zur Beobachtung der Entwicklung des Pressewesens ergriffen. Neben der regelmäßigen Erarbeitung von Medienberichten ist hier v. a. auf das (erst 1975 erlassene) Pressestatistikgesetz zu verweisen. Es verpflichtete die Verleger dazu, wichtige pressestatistische Daten (wie Rechtsform der Unternehmen, Zahl der Mitarbeiter, Bezugs- und Anzeigenpreise, Auflagendaten, Kosten- und Erlösrelationen, Umsatzarten etc.) offen zu legen, um Konzentrationsvorgängen nach Möglichkeit entgegenwirken zu können. Schließlich wurde 1976 ein Gesetz zur Pressefusionskontrolle beschlossen, demzufolge Zusammenschlüsse von Presseunternehmen ab einem gemeinsamen Umsatz von 25 Mio. DM dem Bundeskartellamt anzuzeigen waren. Dieses kann seine Zustimmung zu beabsichtigten Zusammenschlüssen erteilen, verweigern oder an bestimmte Vorgaben knüpfen (vgl. Ronneberger 1986; Klatt 1987; Pürer/ Raabe 2007). 1976 war der absolute Tiefstand des Zeitungsgesamtbestandes in Westdeutschland zu verzeichnen (vgl. Pürer/ Raabe 2007, S. 124f mit Bezugnahme auf Schütz): Es gab nur noch 121 publizistische Einheiten (1954: 225), die in 1.229 redaktionellen Ausgaben erschienen (1954: 1.600) sowie von 403 Verlagen (1954: 624) herausgegeben wurden. Die Zahl der sog. Einzeitungskreise - Gebiete also, in denen die Einwohner nicht mehr zwischen zwei oder mehr Blättern wählen können, sondern nur noch auf eine Zeitung angewiesen sind - wurde ständig größer. Umgekehrt stieg die Auflage der Tageszeitungen zwischen 1954 und 1976 von 13,4 Mio. auf 19,5 Mio. an - ein typisches Phänomen der Pressekonzentration. Die 1952 gegründete Bild-Zeitung trug das Ihre zum Auflagenanstieg bei. Zugleich bildeten sich große Verlagsgruppen heraus. Für den Tageszeitungsbereich sind der Springer- Verlag (Bild, Die Welt u. a.), die WAZ-Gruppe (Westdeutsche Allgemeine, Westfälische Rundschau etc.), der Süddeutsche Verlag (Süddeutsche Zeitung, Donau-Kurier etc.), die Stuttgarter Verlagsgruppe (Stuttgarter Zeitung, Stuttgarter Nachrichten etc.) sowie die Verlagsgruppe DuMont-Schauberg (z. B. Kölner Stadtanzeiger) zu erwähnen. Die zehn größten Tageszeitungsverlage konzentrierten damals zusammen mehr als 53 Prozent der Gesamtauflage aller Tageszeitungen auf sich. Im Bereich der Publikumszeitschriften bildeten sich die Verlage Bauer (Bravo, Neue Revue etc.), Springer (Hör zu, Bild der Frau, Auto-Bild etc.), Burda (Bunte, Freizeit-Revue etc.) sowie Gruner+Jahr/ Bertelsmann (Stern, Spiegel etc.) heraus (vgl. Diederichs 1976, 1981). Sie gehören auch gegenwärtig zu den größten Medienbetrieben Deutschlands (und alle haben sich inzwischen zu Medienunternehmen entwickelt, die neben ihren Printaktivitäten auch im Bereich des privaten Hörfunks und/ oder Fernsehens, der AV-Medien sowie des Internets tätig sind). Phase der Konsolidierung (1976-1989) In der Phase der Konsolidierung (vgl. Pürer/ Raabe 2007, S.-141ff) verfestigten sich die Strukturen des westdeutschen Zeitungs- (und auch Zeitschriften-)Wesens und der Pressekonzentrationsprozess kam vorübergehend zum Stillstand. Es ist dies auch die Phase, in der in den deutschen Zeitungsverlagshäusern - und natürlich auch bei den Zeitschriften - elektronische Systeme der Zeitungsherstellung installiert und implementiert wurden (vgl. Weischenberg 1978 und 1982; Mast 1984; Pürer 1986). Die Struktur der bundesdeutschen Tagespresse war in dieser Phase vor der Wiedervereinigung gekennzeichnet durch (vgl. Wenger 1988; Pürer/ Raabe 2007): 1) eine vergleichsweise immer noch vielfältig ausgeprägte und tief gegliederte Regional- und Lokalpresse mit Lokalmonopolen und einer zunehmenden Zahl von Einzeitungskreisen; 2) eine dürftig ausgeprägte, aber angesehene überregionale Presse (Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Die Welt, die tageszeitung); 3) eine der Titelzahl nach eher kleine (Bild, Express, B.Z., Abendzeitung, tz, Ham- <?page no="229"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 230 burger Morgenpost), der Auflagenzahl nach (5,6 Mio.) aber durchaus beachtenswerte Straßenverkaufspresse (deren größte Repräsentantin die Bild-Zeitung mit einer Auflage von damals 4,33 Mio. Exemplaren war; 4) eine nicht existente Hauptstadt-Presse (in Bonn erschien keine große bundesdeutsche Tageszeitung); 5) sowie durch eine nur noch auf zwei kleine Titel beschränkte Parteipresse (Die Wahrheit, UZ - Unsere Zeit). Dennoch gehörte Deutschland damals - wie auch heute - trotz Pressekonzentration zu den zeitungsreichsten Ländern der Welt. Presse in der DDR Die Presse und auch die anderen Massenmedien waren in der DDR eingebunden in das Prinzip der staatlichen Gewaltenkonzentration: Presse, Rundfunk und Fernsehen der DDR waren gewissermaßen der verlängerte politische Arm von Partei (SED) und Staat (vgl. Pürer/ Raabe 2007, S. 173ff). Ihre besondere Funktion hatten sie der Lenin’schen Pressetheorie zufolge als Führungs- und Kampfinstrumente der Arbeiterklasse zur 1) Propaganda (langfristige politisch-ideologische Erziehung durch die Darlegung und Erläuterung sozialistischer Ideale und Theorien); 2) Agitation (Aufrütteln und Anspornen der Werktätigen im Sinne des Marxismus-Leninismus, Appell an die Aktionsbreitschaft im Alltag); sowie 3) Organisation (Mobilisierung der Menschen zum Auf- und Weiterbau des Sozialismus) (vgl. Blaum 1980). An der Spitze des Medienlenkungssystems der DDR »stand das Zentralkomitee der SED. Die zentralen Figuren waren dabei zum einen der Generalsekretär, der direkt in die Medieninhalte eingreifen konnte, zum anderen der Agitationssekretär, der Kontakt zu den anderen Sekretären hielt, die Agitationskommission beim Politbüro sowie die Abteilung Agitation leitete und so Zugriff auf die zentralen Medien in Berlin und das Presseamt hatte« (Fiedler/ Meyen 2011, S. 10). Die Redaktionen der Tageszeitungen, des Rundfunks (in der DDR das Radio) und des Fernsehens »erreichten täglich tagesaktuelle Anweisungen per Fernschreiber oder Telefon. Ab den 1970er-Jahren mussten zudem einmal wöchentlich alle Chefredakteure bzw. deren Stellvertreter der zentralen Medien in Berlin zu den sog. Donnerstags-Argus beim Leiter der Abteilung Agitation, wo sie über die momentan gültige politische Linie unterrichtet wurden« (ebd.). Auch die Zeitungen der vier kleinen Blockparteien - CDU(-OST), LDPD, NDPD sowie DBD (vgl. w. u.) - waren über das Presseamt [beim Ministerrat der DDR - Ergänzung H. P.] und dessen Abteilung Lektorat eingebunden. »Außerdem war das Presseamt für die Vergabe von Lizenzen für periodisch erscheinende Presseerzeugnisse verantwortlich, an die eine bestimmte Auflage gekoppelt war. Diese durfte nur in Ausnahmefällen (Feiertage, besondere Anlässe) überschritten werden« (ebd.). Auch die Nicht-SED-Presse bzw. SED-nahe Presse (vgl. w. u.), Junge Welt (FDJ) und Tribüne (FDGB), war gegenüber den Lenkungsinstanzen rechenschaftspflichtig, ebenso »gegenüber ihren jeweiligen Herausgebern«, die »in redaktionelle Abläufe und Inhalte eingreifen [konnten]« (ebd.). Die Zentralorgane und Regionalzeitungen der Blockparteien CDU, LPDP, NDPD und DBD (vgl. w. u.) »wurden zusätzlich über ihre Parteivorstände und Sekretariate instruiert« (ebd.). In der Medienlandschaft der DDR nahmen das Neue Deutschland (SED-Zentralorgan), die Aktuelle Kamera (DDR-Fernsehen) und der ADN (zentrale Nachrichtenagentur der DDR) als Leitmedien eine Sonderstellung ein: »Da sie direkt ›von oben‹ angeleitet wurden, gaben sie die aktuelle politische Lesart für alle anderen Medien vor - insbesondere für die Presse in den Bezirken, die nur sporadisch Vertreter nach Berlin schicken musste« (ebd.). Die Medienlenkung der DDR erfolgte also 1) über die Parteiebene (Zentralsekretariat der SED, Abteilung bzw. Sekretär Agitation) und 2) über die Regierungsebene durch das Presseamt beim Ministerrat der DDR sowie die staatlichen Komitees für Rundfunk und Fernsehen. Presseamt und Komitees für Rundfunk und Fernsehen unterstanden ihrerseits jedoch dem Zentralsekretariat der SED. In der 40-jäh- <?page no="230"?> 4.3 Medienforschung 231 rigen Geschichte der DDR wechselten Bezeichnungen und Aufgaben der Medienlenkung der DDR. Erich Honecker hat als Generalsekretär der SED von den Lenkungsmöglichkeiten persönlich intensiv Gebrauch gemacht (vgl. Fiedler 2012; vgl. auch Meyen/ Fiedler 2011, S. 7-12). Beispiele über Art und Weise der Presseanweisungen in der DDR sind dem Band »Presseanweisungen im zwanzigsten Jahrhundert« von Jürgen Wilke (2007, S. 256ff) zu entnehmen. Mit Fallstudien zur Berichterstattung der Zentralorgane Neues Deutschland (SED-Zentralorgan), Junge Welt (Organ des Zentralrats der FDJ), Neue Zeit (Organ der CDU-Ost) und Der Morgen (Organ der LDPD) befasst sich u. a. der Sammelband »Fiktionen für das Volk« von Anke Fiedler und Michael Meyen (2011). In beiden Bänden finden sich auch zahlreiche Hinweise auf weiterführende Literatur. Besondere Lenkungsmaßnahmen bestanden 1) in einer gezielten Personalpolitik (Achtung auf linientreue Kader); 2) in der staatlichen Lizenzpflicht für alle Presseorgane (Lizenzen für die Herausgabe von Presseprodukten wurden nur an politische oder staatliche Organisationenen, Parteien etc., nie an Einzelpersonen vergeben); 3) in der staatlichen Zuteilung von Materialien (Papier, Druckfarbe, Druckkapazität etc.) an die jeweiligen Presseorgane; 4) im staatlichen Vertriebsmonopol der Post (die auch die Zeitungskioske betrieb und die Abonnementverrechnung durchführte); 5) in der einheitlichen, der Lehre des Marximus-Leninismus verpflichteten Ausbildung der Journalisten; sowie 6) in der oftmals bis in kleinste Details gehenden Sprachregelung der Berichterstattung aller Medien (vgl. Holzweißig 1989; Geißler 1986; Pürer/ Raabe 1996a). Inhaltliche Merkmale der Medienpolitik der DDR waren: 1) die staatliche Integration der DDR in die sozialistische Staatengemeinschaft (wobei die UdSSR bis zum Machtantritt Michail Gorbatschows eine Vorbildrolle innehatte); 2) die Abgrenzung zur BRD, die als Ausland galt; 3) die politisch-ideologische Immunisierung der Bevölkerung im Sinne des Marxismus-Leninismus; 4) sowie die ökonomische Agitation zur Übererfüllung der wirtschaftlichen Planziele (vgl. Holzweißig 1989; Schulz 1979; Geißler 1986). Die Journalisten waren der Parteilichkeit (Parteinahme für die Interessen der Arbeiterklasse), der Wissenschaftlichkeit (Erklärung der politischen Entscheidungen auf der wissenschaftlichen Basis des Marxismus-Leninismus) sowie der Massenverbundenheit (Solidarität mit den Werktätigen, Bemühen um deren Mitarbeit in der Presse) verpflichtet (vgl. Blaum 1980). Vor der Wende, im Jahr 1988, gab es in der DDR insgesamt 1.812 Presseerzeugnisse, darunter 39 Tageszeitungen (9,7 Mio. Auflage), 30 Wochenzeitungen (9,5 Mio. Auflage), 508 Zeitschriften (21,4- Mio. Auflage), 667 SED-Betriebszeitungen (2 Mio. Auflage), 176 zentrale Mitteilungsblätter, 354 regionale Mitteilungsblätter sowie 34 Wochenzeitungen und Zeitschriften der Kirchen und religiösen Gemeinschaften (377.000 Auflage) (vgl. Grubitzsch 1990). Die 39 Tageszeitungen der DDR hatten eine gemeinsame Auflage von 9,7 Mio. Exemplaren, wobei den größten Auflagenanteil, nämlich 6,1-Mio. Exemplare bzw. 63 Prozent der Gesamtauflage, die SED-eigenen Zeitungen auf sich konzentrierten. Die Tageszeitungen wurden von der SED selbst (16 Titel), einigen ihrer großen Vorfeldorganisationen (drei Titel, knapp 2 Mio. Auflage) sowie von den vier Blockparteien (18 Titel, gemeinsame Auflage von 834.000 Exemplaren) herausgegeben. Ein Titel (B.Z. am Abend), die einzige Boulevardzeitung der DDR (Auflage: 204.000), war SED-nahe; ein weiterer Titel (Nowa Doba, Auflage: 2.000 Exemplare) vertrat offiziell die Interessen der in der DDR lebenden sorbischen Minderheit (vgl. Grubitzsch 1990; Pürer/ Raabe 2007, S. 188ff). Alle Tageszeitungen, auch jene der Blockparteien, waren in das politische System der DDR eng eingebunden und hatten in ihrer Berichterstattung kaum bzw. nur wenige Freiräume. Diese gab es am ehesten in den (nur wenigen) politikfernen Bereichen der Berichterstattung. Der Umfang der Zeitungen betrug wochentags zwischen sechs und acht Seiten, am Wochenende mehr (teils das Doppelte). Ein Tageszeitungsabonnement kostete 3,15 (DDR-)Mark, ein Einzelexemplar 0,15 bis 0,20 Mark. Die DDR war also bestrebt, ihren Bürgern den Bezug von Zeitungen (und Zeitschriften) leicht erschwinglich zu machen. Daher wurden auch zahlreiche Printmedien durch den Staat bzw. die Partei subventioniert: 1988 soll der Subventionsaufwand der Zeitungen der <?page no="231"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 232 SED 332 Mio. (DDR-)Mark betragen haben (vgl. Grubitzsch 1990). Bezug und Lektüre westlicher Zeitungen waren der Bevölkerung in der DDR untersagt. Lediglich eine kleine politische Führungsschicht sowie ranghohe Funktionäre der SED hatten begrenzten Zugang zu westlichen Printmedien. Mit Zeitschriften in der DDR befassen sich u. a. Simone Barck et al. (1999). Phase zwischen Wende und Wiedervereinigung Wenige Wochen nach dem Mauerfall und dem offiziellen Ende der gesellschaftlichen Führungsrolle gab die SED noch im Dezember 1989 auch ihren Monopolanspruch auf Presse (und Rundfunk) auf und trennte sich von den meisten ihrer Zeitungen und Zeitschriften. Alle Chefredakteure wurden ausgewechselt, leitende Stellen mit Personen besetzt, die das Vertrauen der Redaktionen besaßen. Titel und Untertitel der Zeitungen (und vieler Zeitschriften) wurden z. T. mehrmals geändert, um die neue Unabhängigkeit von Staat und Partei auch nach außen zu demonstrieren. Wichtig war auch, nach dem Wegfall der Subventionen für Pressemedien, die Umstellung auf eine marktwirtschaftliche Unternehmensführung. Über einen Medienbeschluss der Volkskammer wurde die Pressefreiheit politisch durchgesetzt; ein Medienkontrollrat hatte die Aufgabe, sie zu überwachen. Die Erarbeitung eines Mediengesetzes wurde in Angriff genommen, infolge der dann rasch herbeigeführten Wiedervereinigung jedoch nicht mehr fertig gestellt bzw. obsolet (vgl. Pürer/ Raabe 1996a, S.-418ff). Aus der Gegenüberstellung der Auflagen 1988 (DDR) und 1991 geht hervor, dass viele Zeitungen mit bzw. nach der Wende erhebliche Auflagenverluste hinnehmen mussten, die sich später noch fortsetzten (vgl. Abb. 6, S. 233). Der erosionsartig einsetzende Umbruch erfasste den gesamten ostdeutschen Pressemarkt. Es kam zu zahlreichen Titelneugründungen ohne Westhilfe, zu Ausgaben westdeutscher Zeitungen in Ostdeutschland sowie zu angestrebten Verlagskooperationen und Joint Ventures westdeutscher Verlage mit DDR-Zeitungen und Zeitschriften (vgl. Müllerleile/ Schulze 1990; Schneider 1991; Röper 1991). Das Vertriebsmonopol der Post wurde aufgehoben. Westdeutsche Verlage versuchten, eigene Vertriebsstrukturen aufzubauen und ihre Produkte, insbesondere auch Zeitschriften, in der (Noch-) DDR abzusetzen, ehe der Pressevertrieb generell neu geregelt wurde (vgl. Wilke 1992). Die entstandenen Kooperationen und (geplanten) Fusionen ostdeutscher Zeitungen mit westdeutschen Verlagen waren für Erstere ein aus wirtschaftlichen Gründen notwendiger Schritt, für Letztere die Chance auf einen neu zu erschließenden Absatzmarkt. Gleichzeitig mussten einige durchaus prominente ostdeutsche Zeitungen innerhalb kurzer Zeit dramatische Auflagenrückgänge verzeichnen. Unter ihnen befanden sich Titel wie: das ehemalige SED-Zentralorgan Neues Deutschland (von 1,1 Mio. auf 100.000); die von der SED-Vorfeldorganisation Freier Deutscher Jugendverband (FDJ) herausgebrachte Junge Welt, die zum Zeitpunkt der Wende auflagenstärkste Tageszeitung der DDR (von 1,5 Mio. auf 70.000); sowie die Zeitungen der Vorfeldorganisationen der SED (Tribüne, das Organ des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes FDGB sowie Deutsches Sportecho, Organ des Deutschen Turn- und Sportbundes DTSB), die bald eingestellt wurden. Betroffen von starken Auflageneinbußen waren aber auch viele Zeitungen der ehemaligen Blockparteien. Am Markt relativ gut behaupten konnten sich hingegen - trotz Auflagenverlusten - die ehemaligen 14 SED-Bezirkszeitungen. Diese verfügten schon zu DDR-Zeiten über vergleichsweise hohe Auflagen und hatten infolge ihrer hohen Vielfalt an Lokalausgaben auch eine starke Leserbindung, wenngleich zu DDR-Zeiten der Lokalteil in diesen Blättern in aller Regel nur zwischen einer halben und einer ganzen Seite ausmachte (vgl. Röper 1991; Schütz 1992). Im Frühherbst 1990 kam es zur spektakulären Übernahme des Berliner Verlags durch das deutsche Verlags- <?page no="232"?> 4.3 Medienforschung 233 Abb. 6: Privatisierung der ehemaligen SED-Zeitungen nach der Entscheidung der Treuhand alter Titel, Verlagsort Auflage 1988 in Tsd. Ex. neuer Titel Auflage 1991 in Tsd. Ex. neuer Besitzer Berliner Zeitung 425 - 304* Gruner+Jahr 50 %, Maxwell 50 % BZ am Abend, Berlin 204 Berliner Kurier am Abend 130 Gruner+Jahr 50 %, Maxwell 50 % Neues Deutschland, gesamte DDR 1.100 - 128* eigenständig/ PDS Bezirkszeitungen: Freie Erde, Neubrandenburg 202 Nordkurier 160* Augsburger Allgemeine/ Kieler Nachrichten/ Schwäbische Zeitung je 33,3 % Freie Presse, Chemnitz 661 freie presse 586 Die Rheinpfalz, Ludwigshafen Freies Wort, Suhl 178 - 142* Neue Presse, Coburg Freiheit, Halle 585 Mitteldeutsche Zeitung 527 Kölner Stadt-Anzeiger Lausitzer Rundschau, Cottbus 291 - 276 Saarbrücker Zeitung Leipziger Volkszeitung 484 - 380 Springer Verlag, Hannoversche Allgemeine je 50 % Märkische Volksstimme, Potsdam 348 Märkische Allgemeine 265 Frankfurter Allgemeine Zeitung Neuer Tag, Frankfurt/ Oder 211 Märkische Oderzeitung 184 Südwest Presse, Ulm Ostsee-Zeitung, Rostock 292 - 238 Lübecker Nachrichten Sächsische Zeitung 566 - 513 Gruner+Jahr (51 %), Rheinische Post und Westdeutsche Zeitung zusammen 49 % Schweriner Volkszeitung 201 - 171 Burda-Verlag Volksstimme, Magdeburg 451 - 375 Bauer-Verlag Volkswacht, Gera 238 Ostthüringer Nachrichten 210 WAZ, Essen, 24,9 % Das Volk, Erfurt 401 Thüringer Allgemeine 350 WAZ, Essen, 50 % Gesamtauflage 6.838 4.939 *Auflagenzahl nach ivw 1/ 91, ansonsten nach Verlagsangaben. Mittlerweile hat es bei einigen Tageszeitungen erneut Wechsel bei den Eigentümern gegeben. (Quelle: Röper, Horst: Die Entwicklung des Tageszeitungsmarktes in Deutschland nach der Wende in der ehemaligen DDR, in: Media Perspektiven 7/ 1991, S. 422) <?page no="233"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 234 haus Gruner+Jahr sowie den englischen Verleger Maxwell. Der Berliner Verlag (BZ am Abend, Berliner Zeitung, Junge Welt, FF dabei u. a. m.) war das größte Verlagsunternehmen der DDR und gab damals Zeitungen und Zeitschriften mit einer Gesamtauflage von zehn Mio. Exemplaren heraus. Das Verlagsunternehmen wurde von der PDS, der Nachfolgepartei der SED, für einen Preis von 235 Mio. DM komplett verkauft (vgl. Röper 1990). Die Phase nach der Wiedervereinigung Die Phase unmittelbar nach der Wiedervereinigung war medienpolitisch geprägt von der Verkaufspolitik der Treuhand-Anstalt. Diese war laut Einigungsvertrag zuständig für die wettbewerbliche Neustrukturierung und Privatisierung ehemaligen DDR-Volkseigentums - und damit auch für die nach der Wende unter ihre Obhut gestellten Zeitungsunternehmen. Von besonderem Interesse für die Westverlage waren die 14 SED-Bezirkszeitungen mit ihren hohen Auflagen und großen Verbreitungsgebieten sowie ihrer ausgeprägten Ausgabenvielfalt. Vergabekriterien bei den Verkaufsverhandlungen waren: 1) die Höhe des gebotenen Kaufpreises; 2) die von den Kaufinteressenten vorgelegten Sanierungs- und Investitionskonzepte (zumal die Zeitungsbetriebe technisch völlig veraltet waren); sowie 3) die Zusicherung des Erhalts von Arbeitsplätzen. Zusätzlich gab die Treuhand vor, dass ein Käufer nicht mehr als eine Zeitung erwerben bzw. nicht an mehreren beteiligt sein dürfe und dass die Verbreitungsgebiete der erwerbenden und der zu verkaufenden Zeitungen nicht aneinander grenzen dürften (vgl. Röper 1991; Schütz 1992; Schneider 1992). An diese Vorgaben hat sich die Treuhand bei der Vergabepraxis sodann selbst jedoch nicht immer gehalten. Da nur große westdeutsche Zeitungsverlage den hohen Kapital- und Investitionsbedarf der zu verkaufenden ostdeutschen Zeitungen decken konnten, kamen mehrheitlich auch nur Großverlage zum Zuge wie der Springer-Verlag, Gruner+Jahr, Burda, der WAZ-Konzern, Südwestpresse/ Stuttgarter Zeitungsgruppe, die FAZ- Gruppe, der Madsack-Verlag (Hannover), die Saarbrücker Zeitung u. a. m. (vgl. Abb. 6, S.-233). Die Treuhand erzielte einen Verkaufserlös von rund 1,5 Mrd. DM sowie Investitionszusagen in einer Größenordnung von 1,3 Mrd. DM. An der Verkaufspolitik der Treuhand wurde u. a. kritisiert, dass alle 14 ehemaligen SED-Bezirkszeitungen komplett, also einschließlich der ihnen angeschlossenen Druckereien sowie mit ihren vielen Ausgaben und großen Verbreitungsgebieten, oftmals an nur einen neuen Eigentümer veräußert wurden und dass - von einer einzigen Ausnahme (Maxwell) abgesehen - nur westdeutsche Großverlage akzeptiert wurden. Die unter publizistischen Gesichtspunkten wünschenswerte Aufteilung der riesigen Verbreitungsgebiete dieser Zeitungen und ihrer ungewöhnlich hohen Auflagen auf mehrere Teilverlage stand bei der Treuhand offenbar nicht zur Debatte (wobei nicht übersehen werden kann, dass eine neue Aufteilung der Verbreitungsgebiete der ehemaligen Bezirkszeitungen langjährig gewachsene Kommunikationsräume zerstört hätte. Auch kann nicht beurteilt werden, ob eine Filetierung der Zeitungen von nachhaltigem publizistischem wie ökonomischem Erfolg gewesen wäre). Gleichwohl: Die aus der Pressekonzentrationsdebatte der Bundesrepublik bekannten Besonderheiten des Pressemarktes und ihre möglichen Gefahren spielten bei den Treuhand-Entscheidungen offensichtlich ebenfalls keine Rolle (vgl. Röper 1991; Schütz 1992; Schneider 1992). Umgekehrt ist den erwerbenden Verlagen einzuräumen, dass sie ihre Investitionszusagen vollständig eingelöst haben: Die von ihnen erworbenen Zeitungen mit ihrer völlig veralteten technischen Infrastruktur insbesondere bei Satz und Druck gehörten bald zu den technisch modernst ausgestatteten Presseverlagshäusern Deutschlands. Die rasch wachsende publizistische und ökonomische Kraft der großen Regionalblätter (also der ehemaligen SED-Bezirkszeitungen) in den neuen Bundesländern hat es den nach Wende und Wiedervereinigung erfolgten Zeitungsgründungen schwer gemacht, sich am ostdeutschen Markt zu <?page no="234"?> 4.3 Medienforschung 235 behaupten. Hinzu kam, dass viele der von Westverlagen vorgenommenen Zeitungsneugründungen in Ostdeutschland publizistisch die Befindlichkeit der Bundesbürger in den neuen Ländern bei weitem nicht so gut trafen wie dies bei den ehemaligen Bezirkszeitungen der Fall war. (vgl. Schneider/ Stürzebecher 1993; Schneider et al. 1997, 2000). Die hohe Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland macht(e) es vielen Bürgern zudem nicht möglich, sich eine Zeitung zu leisten. So setzte nach einem regelrechten Zeitungsboom zwischen 1990 und 1993 im neuen Bundesgebiet ein weit um sich greifender Pressekonzentrationsprozess und Auflagenrückgang ein. Ihm fielen v. a. Zeitungsneugründungen sowie fast alle der ebenfalls an Westverlage verkauften Zeitungen der ehemaligen Blockparteien zum Opfer. Die beiden ehemals größten Tageszeitungen der DDR, das Neue Deutschland (Auflage 2. Quartal 2012: knapp 36.000) und die Junge Welt (Auflage derzeit rund 20.000) haben an Auflage besonders stark eingebüßt. Die Zeitungen der Massenorganisationen wurden eingestellt. Während es 1989 in der DDR 39 Tageszeitungen gab (die in 291 Ausgaben erschienen und eine Auflage von 9,6 Mio. Exemplaren hatten) und 1991 vorübergehend gar 58 publizistische Einheiten (mit 348 Ausgaben und einer Auflage von sieben Mio. Exemplaren) zu verzeichnen waren, gibt es gegenwärtig (Stand: 2012) in den neuen Bundesländern (einschließlich der im ehemaligen Ost-Berlin erscheinenden Zeitungen) nur noch 21 Tageszeitungen (i. S.-publizistischer Einheiten) mit zusammen 226 Ausgaben und einer gemeinsamen Auflage von rund 2,55 Mio. Exemplaren (ermittelt mit Bezugnahme auf Schütz 2012b, S. 594ff). Zeitungsbezugspreise (Abonnement, Einzelverkauf ) sowie Anzeigenpreise, die in den neuen Bundesländern für geraume Zeit nach der Wiedervereinigung teils weit unter jenen der westdeutschen Zeitungen lagen, erreichten in Ostdeutschland um die Jahrtausendwende weitgehend Westniveau (Zeitungen 2001). Auch das publizistische, also inhaltliche Profil (Politik, Wirtschaft, Lokales, Kultur etc.) der Ostzeitungen entspricht in vielem jenem der westdeutschen Tageszeitungen, die Themenprofile haben sich angeglichen. Verständlicherweise ist die Berichterstattung der ostdeutschen Tageszeitungen stärker auf Vorgänge in den neuen Bundesländern bezogen. Wie sich die ostdeutsche Tagespresse und der ostdeutsche Journalismus strukturell und inhaltlich nach der Wiedervereinigung entwickelt und verändert haben, ist im Einzelnen u. a. den Publikationen »Wenn das Blatt sich wendet« (Schneider/ Stürzebecher 1998) sowie »Ortsbestimmung« (Schneider et al. 2000) zu entnehmen. Aktuelle Forschung dazu liegt u. a. vor in den Sammelbänden »Wie die Medien zur Freiheit kamen« (Haller/ Mükke 2010) sowie »Medienfreiheit nach der Wende« (Machill et al. 2010). Entwicklungen im deutschen Pressewesen ab 1995 Die Entwicklung des deutschen Pressewesens seit 1995 ist durch vier sehr unterschiedliche Phasen geprägt, nämlich durch Stabilisierung, Aufschwung, Krise und Wege aus der Krise. Dazu im Einzelnen: Stabilisierung: Ab Mitte der 1990er-Jahre ist der deutsche Pressemarkt nach der Wiedervereinigung weitgehend zur Ruhe gekommen, die Lage stabilisierte sich. Zwar sind Auflage und Ausgaben der bundesdeutschen Tageszeitungen sowie die Zahl der Verlage als Herausgeber weiterhin rückläufig gewesen; die Zahl der publizistischen Einheiten als redaktionell selbständig erarbeitete Tageszeitungen - ein wichtiger Gradmesser - ist mit 135 jedoch für einige Jahre stabil geblieben (Schütz 1997; Zeitungen 2000). Viele Printverlage haben sich zu Medienhäusern entwickelt: Auf Engagements zahlreicher deutscher Verlage im privaten Hörfunk und Fernsehen bereits ab Mitte der 1980er-Jahre folgten Engagements auf ausländischen Märkten, insbesondere auch in den gewendeten Reformländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas (Facius 2002; Röper 2005, 2012b; Stegherr/ Liesem 2010; <?page no="235"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 236 Hallenberger/ Krzeminski 1994). 1994/ 95 gab es die ersten Onlineengagements deutscher Printmedien (Der Spiegel, Schweriner Volkszeitung, Tagesspiegel, Die Welt, taz), denen zahlreiche andere Verlagshäuser zunächst eher zögernd und halbherzig folgten: Die Tageszeitungen (Print) sollten durch zu offensive Onlineengagements nicht bedroht bzw. kannibalisiert werden (u. a. Riefler 1996; vgl. Kap. 4.3.5.3). Hauptgeschäft blieben - und bleiben wohl auch weiterhin - die Printprodukte, Umsatzsteigerungen im Printbereich gab es v. a. durch Preiserhöhungen bei Anzeigen und Vertrieb (Keller 1995ff). Aufschwung: Ab etwa 1998 verzeichneten die Tageszeitungen ein beachtliches Umsatzwachstum, im Jahr 2000 mit dem Spitzenwert von plus 6,65 Prozent (Keller 2001). Es war zurückzuführen auf zahlreiche Börsengänge wirtschaftlicher Unternehmen sowie auf Privatisierungen ehemals staatlicher Betriebe (Bundespost, E-Wirtschaft), was sich in hohem Anzeigenaufkommen u. a. durch den Marktzutritt neuer Anbieter niederschlug. Hinzu kam die Interneteuphorie mit zahllosen, in Zeitungen beworbenen Startup-Unternehmen. Im positiven wirtschaftlichen Umfeld dieser Phase nahmen viele Zeitungen eine Erweiterung des publizistischen Angebots in bestehenden Ressorts (Lokales, Politik, Wirtschaft, Kultur, Medien), durch neue redaktionelle Teile (wie etwa die Berlin-Seiten einiger großer Tageszeitungen) oder neue Regionalausgaben (etwa der Tageszeitung Die Welt für Bayern) sowie teils auch durch Zeitungsneugründungen (Pürer/ Raabe 2007) vor. Zu erwähnen ist die Financial Times Deutschland (FTD), deren Gründung im Jahr 2001 durch den deutschen Verlag Gruner+Jahr in einem Joint Venture mit der britischen Pearson-Verlagsgruppe (Financial Times, London) erfolgte (Schütz 2001a). Neben dem Handelsblatt (Düsseldorf ) ist bzw. war die FTD die zweite bundesdeutsche Tageszeitung mit Schwerpunkt Wirtschaftsberichterstattung; sie wurde Anfang Dezember 2012 eingestellt (vgl. w. u.). Ebenfalls eine Neugründung stellt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) dar, die seit 2001 bundesweit verbreitet und neben Bild am Sonntag sowie Welt am Sonntag die dritte überregional verbreitete Sonntagszeitung in Deutschland ist. Sie beschäftigt eigene Redakteure, die jedoch auch auf das Korrespondentennetz und andere Ressourcen des Mutterblattes Frankfurter Allgemeine Zeitung zugreifen können (Milz 2001). Dagegen missglückte der im Herbst 1998 unternommene Versuch des Spiegel-Verlags, die Zeitungsgründung Der Tag (so der Titel) erfolgreich am Markt zu platzieren (Schütz 2000). Auch gab es Versuche, in Deutschland Gratistageszeitungen auf den Markt zu bringen, die jedoch ebenfalls scheiterten (Vogel 2001a; Schütz 2001a; Wilke 2002; Röper 2006). Es waren dies die Titel 15 Uhr aktuell (Berlin, Hamburg, München), 20 Minuten Köln (Shipsted), Kölner Morgen (DuMont-Schauberg) sowie Köln extra (Springer). Mit Hintergründen, Marktzutritt, rechtlichen Auseinandersetzungen, Scheitern von Gratistageszeitungen in Deutschland (insbesondere der umstrittenen Lage auf dem Kölner Zeitungsmarkt) und deren Folgen befassen sich Vogel 2001a, Haas 2006, Röper 2006, Holznagel 2006, Pürer/ Raabe 2007 sowie Haller 2009. (Erste) Krise: Ab der Jahresmitte 2001 wurde der deutsche Medienmarkt für die Dauer von gut drei (wenn nicht vier) Jahren von einer schweren (ersten) ökonomischen Krise erfasst. Sie hatte konjunkturelle Gründe in der abflauenden Wirtschaftslage, insbesondere auch im Niedergang der Interneteuphorie: Die erwartete »New Economy« funktionierte nicht, damit verbunden waren schwere Rückgänge bei den Werbeerlösen der Tageszeitungen, aber auch anderer Medien. Und sie hatte im Printmedienbereich (medien-)strukturelle Gründe durch das Wegbrechen der für Tageszeitungen so wichtigen Rubrikenmärkte (Arbeitsmarkt-, Immobilien und Kraftfahrzeuge) sowie vieler Kleinanzeigen (eBay) ins Internet: Die Zeitungsverlage hatten es verabsäumt, diese Märkte rechtzeitig für sich zu erschließen bzw. mit den Betreibern von entsprechenden Portalen im Internet Joint Ventures einzugehen (Pürer/ Raabe 2007). Viele Verlagshäuser verordneten sich in der Folge Sparmaßnahmen <?page no="236"?> 4.3 Medienforschung 237 und führten Restrukturierungsmaßnahmen durch. Zahlreiche der wenige Jahre zuvor ausgebauten publizistischen Leistungen wurden entweder zurückgefahren oder ganz eingestellt (wie z. B. die Berlin-Seiten von Süddeutscher Zeitung und Frankfurter Allgemeiner Zeitung; die Tageszeitung Die Welt nahm ihre im Frühjahr 2001 eingeführte Regionalausgabe für Bayern zurück; die Süddeutsche Zeitung ihre (bereits in der Phase der Krise 2002 herausgebrachte) Ausgabe für Nordrhein-Westfalen). Mit einher ging ein teils radikaler (erster) Personalabbau in Redaktionen wie Verlagsabteilungen, vorhandene Onlineauftritte wurden ebenfalls reduziert (Pürer/ Raabe 2007): Die erwarteten Werbeerlöse stellten sich nur in geringem Ausmaß ein, bis heute kämpft die gesamte Medienbranche mit dem von ihr selbst praktizierten Geschäftsmodell »content is free«. Möglicher Weise sind in den auch von Zeitungsverlagen angebotenen Applikationen (kurz: Apps) für mobile Endgeräte (wie iPhone, Smartphones, iPad) Produkte zu sehen, für die deren Anbieter neue Erlöse erschließen können (vgl. Kap. 4.3.5.4) Wege aus der (ersten) Krise: Um Wege aus der Krise zu finden, bedienten sich die Zeitungsverlage folgender Strategien: Sie ersannen neue Produkte, die Tabloids, boten den Lesern in Form von Büchern oder Buchreihen, CDs, DVDs etc. preiswerte Zusatzprodukte zur Zeitung an und versuchten auch neue Erlöse zu erwirtschaften, indem sie neue Dienstleistungen im Postzeitungsdienst erbrachten (und erbringen) und durch neuen Content - sog. mobile Dienste (Wetter, Nachrichten, Sport etc.) sowie Applikationen für mobile Endgeräte - ebenfalls neue Erlösquellen erschließen. Tabloids: Neue Produkte waren zunächst in der Einführung neuer Zeitungstitel mit neuen Formaten zu sehen - den Tabloids. Es ist dies ein Begriff, der aus dem Englischen kommt und ursprünglich als Gattungsbezeichnung für Boulevardblätter wie etwa die Sun in Großbritannien stand. Tabloids sind meist Halbformate von Tageszeitungen, die es in zahlreichen anderen Ländern als Zeitungsformat traditionell seit Langem gibt (Milz 2004; Riefler 2005). Der Holtzbrinck-Verlag brachte in Deutschland als erster zunächst in der Lausitz (2004) sowie dann im Saarland (2005) den Titel 20 Cent heraus - ein Titel, der zugleich für den Preis des Produkts stand. Ebenfalls von Holtzbrinck stammte das in Frankfurt herausgebrachte Tabloid mit dem Titel News. Der Springer-Verlag kam mit dem Titel Welt kompakt auf den Markt, DuMont Schauberg mit dem Titel Kölner Stadtanzeiger DIREKT. Alle diese neuen Zeitungen unterschieden sich vom publizistischen Anspruch durchaus (Milz 2004). Gemein war ihnen die internetaffine Aufmachung mit kurzen Beiträgen und vielen Fotos sowie das Anliegen, v. a. junge Zielgruppen zu gewinnen (vgl. ebd.). Jugendliche Leser, so die Argumentation, würden kleinere Formate und kurze Beiträge bevorzugen, was auch dem (vermeintlichen? ) Mikrotrend entsprechen sollte. Der Formatwechsel sollte zugleich Anlass sein, grundsätzliche Veränderungen in Form und Layout bei Tageszeitungen vorzunehmen (kompakter, kürzer, farbiger) und auch der Werbewirtschaft ein neues Forum und eine neue Form für die Platzierung von Anzeigen und deren Wahrnehmung durch den Leser zu bieten (Milz 2004; Riefler 2005; Roether 2004; Breyer-Mayländer 2005). Sämtliche Gründungen - mit Ausnahme von Welt kompakt - hatten nur einige Jahre Bestand und wurden wieder vom Markt genommen. Eine Umstellung auf ein (›echtes‹) Tabloid-Format nahmen später die Frankfurter Rundschau (2007) sowie das Handelsblatt (Düsseldorf, 2009) vor. Bei beiden Organen handelt es sich jedoch um echte Tabloids und nicht etwa um Kleinformate. Zusatzprodukte: Die Idee, Zeitungen (und Zeitschriften) Zusatzprodukte beizufügen und damit auch einen weiteren Kaufanreiz zu bieten, stammt ursprünglich aus Italien (Lutz 2005a, 2005b). Meist handelt es sich um verlagsnahe oder medienaffine Produkte wie Bücher (Romane, Krimis etc.), CDs, DVDs, Lexika etc., die zu einem günstigen Preis erworben werden können. (In Italien <?page no="237"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 238 sind dies nicht selten z. B. auch Spielwaren für Kinder und damit verlagsferne Produkte, vgl. w. u.). Konsequent betrieben wird das Geschäft mit Zusatzprodukten in Deutschland z. B. von der Süddeutschen Zeitung, aber auch andere Zeitungsverlagshäuser wie jene von Bild, Die Welt, FAZ, Die Zeit oder auch größere Regionalzeitungen bieten mehr oder weniger regelmäßig Zusatzprodukte an. Erfolgsfaktoren stellen »die Hochwertigkeit und exklusive Gestaltung der Produkte«, die »Unterstützung durch Kompetenz und Wissen der Redaktion«, ein »gezieltes Marketing mit einer geistreichen und effektiven Kampagne« sowie »die klare Kommunikation und Werbestrategie« dar (Lutz 2005c). Für Regionalzeitungen mit einer relativ inhomogenen Leserschaft (im Unterschied zur relativ homogenen Leserschaft überregionaler Blätter) ist wichtig, jeweils geeignete Produkte zu finden, die »alle Leser gleichermaßen ansprechen. […]. Im Vordergrund steht das Interesse an der eigenen Region, hier besteht die Chance für Regionalzeitungen« (Esser/ Schreier 2005, S. 132). Engagements von Zeitungsverlagen für verlagsferne Zusatzprodukte »müssen gut überlegt werden. Die Marke des Kernprodukts, in aller Regel eine Tageszeitung, kann und soll durchaus genutzt […], darf aber nicht beschädigt werden« (Pürer/ Raabe 2007, S. 404; Huber 2007, S. 93). In aller Regel eignen sich kulturelle Angebote und Güter (vergünstigte Reisen, Konzert- oder Museums- und Ausstellungsbesuche etc.), nicht jedoch Produkte wie z. B. Versicherungen oder ähnliche Angebote und Dienstleistungen. Hier steht zu befürchten, dass der Ruf des anbietenden Zeitungsverlages, insbesondere die Marke, gefährdet werden könnten (vgl. Pürer/ Raabe ebd.). Zeitungen sollten sich durch Nebengeschäfte nicht von Informationsanbietern zu »Gemischtwarenhändlern« verwandeln (Neuberger 2005). Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass die Bild-Zeitung z. B. auch Dessous von Seite-Eins-Girls über 800.000-mal als verlagsferne Zusatzprodukte verkaufte (Karalus 2008, S. 236). Das Boulevardblatt soll (zumindest vorübergehend? ) um Anerkennung durch Intellektuelle gekämpft haben (Busse 2010). Post von der Zeitung: Seit 1998 ist es nach der Teilliberalisierung des deutschen Postmarktes auch anderen Mitbewerbern erlaubt, Postdienstleistungen zu erbringen. Lizenzen dazu erteilt die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Wolf 2001). Für die Zeitungsverlage eröffnete sich hier (v. a. nach Ende der Exklusivlizenzen der Post für Briefe und Katalogsendungen bis 200 Gramm sowie für Markendrucksachen bis 50 Gramm) »die Möglichkeit am deutschen Postmarkt teilzunehmen und den Briefmarkt als weiteres Geschäftsfeld zu nutzen« (Pürer/ Raabe 2007, S. 405 mit Bezugnahme auf Wolf 2001). Den Verlagen stehen nämlich ihre (Zeitungs-)Vertriebs- und Zustelllogistiken für Postdienstleistungen zur Verfügung. Es gereicht ihnen zum Vorteil, dass »sie über langjährige Kundenbeziehungen sowohl zu Abonnenten als auch zu wichtigen lokalen und regionalen Unternehmen aus dem Werbegeschäft verfügen« (Pürer/ Raabe 2007, S. 405 mit Bezugnahme auf Breyer-Mayländer 2004). Zahlreiche Verlage haben sich daher (zum Teil mit Kooperationspartnern aus dem Logistik-Bereich) entschlossen, Postdienstleistungen zu erbringen. Investitionen in Postdienstleistungen durch Zeitungsverlage sind jedoch erst dann sinnvoll, wenn ein ausreichendes Postsendungsvolumen vorhanden ist (Breyer-Mayländer 2004). Mobile Dienste: Tageszeitungen bieten seit geraumer Zeit auch mobile Dienste an. Es sind dies Nachrichten-, Informations- und Kommunikationsdienste (einschließlich Unterhaltung und Werbung) zum Empfang auf mobilen Endgeräten wie Handys, iPhones, Smartphones, iPads etc. Seit der zunehmenden Durchdringung des Marktes mit Endgeräten, die für den Empfang von mobilen Diensten (etwa in Form von Applikationen) geeignet sind, scheint sich hier für die Verlagsbranche ein neues Geschäftsfeld zu entfalten, aus dem möglicherweise auch Erlöse erwirtschaftet werden können (vgl. Kap. 4.3.5.4). <?page no="238"?> 4.3 Medienforschung 239 Internationalisierungsbestrebungen: Zu erwähnen sind weiter Internationalisierungsstrategien deutscher Medienkonzerne (vgl. Sjurts 2004, 2002). Deren Beginn reicht zwar bis in die 1980er-Jahre zurück, Auslandsengagements haben sich aber seit Mitte der 1990er-Jahre deutlich verstärkt. Gegenwärtig »findet sich kaum noch ein großer deutscher Medienkonzern, der nicht im europäischen oder sogar außereuropäischen Ausland aktiv ist« (Sjurts 2004, S. 1). Auslandsengagements deutscher Verlage haben, wie Insa Sjurts ausführt, mehrere Gründe: Sättigungstendenzen auf nahezu allen inländischen Medienmärkten, Wachstumspotenziale in osteuropäischen und außereuropäischen Märkten, die Risikostreuung der Verlage durch das Agieren auf mehreren regionalen Medienmärkten sowie Expansionsgrenzen »im Inland aufgrund kartellrechtlicher Vorgaben« (ebd.). Hinzu kommen Kosten- und Ertragsgesichtspunkte sowie die Mehrfachnutzung unternehmerischer Kompetenzen. Auch die Mehrfachverwertung redaktioneller Inhalte spielt eine Rolle, wenngleich hier zu berücksichtigen ist, dass Inhalte »in hohem Maße den kulturellen Kontext« reflektieren: »Ein Export wie bei anderen Produkten und Dienstleistungen ist hier ungleich schwieriger bzw. kaum möglich. Markteintritt und Marktbearbeitung müssen der Kulturgebundenheit der Produkte Rechnung tragen« (ebd.). Die Form des Markteintritts in ausländische Märkte ist bestimmt von den »Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten der Marktpräsenz im Ausland« sowie von der »Beanspruchung unternehmenseigener Ressourcen« (ebd.). Formen sind in der »Vertretung durch Dritte mit den Varianten Export, Lizenzierung und Franchising« sowie in der »Kooperation mit der Gründung eines Joint Ventures als typischer Variante« zu sehen (Sjurts 2004, S. 1f ). Was die Marktbearbeitung betrifft, so lassen sich vier Strategievarianten unterscheiden: die globale Strategie, bei der »die Nutzung von Globalisierungsvorteilen im Mittelpunkt [steht]«: Ausschöpfung von Kostendegressions- und Synergievorteilen, Bearbeitung aller in- und ausländischen Märkte »mit demselben Produkt und der identischen Werbestrategie«; die multinationale Strategie mit der Entwicklung einer spezifischen Produktvariante für den in- und ausländischen Markt sowie eine lokal abgestimmten Werbestrategie; die internationale Strategie, bei der der Schwerpunkt der Aktivitäten »weiter im Heimatland« liegt und der »ausländische Markt […] typischer Weise im Wege des Exports [bedient wird]«; sowie die glocale Strategie, bei der »eine globale Dachstrategie mit einer lokal abgestimmten Produktstrategie kombiniert [wird].« Dadurch werden Globalisierungvorteile genutzt, gleichzeitig sollen aber auch »Vorteile einer Lokalisierung ausgeschöpft werden« (Sjurts 2004, S. 3). Welche Strategien führende deutsche Medienkonzerne verfolgen, ist im Weiteren bei Sjurts nachzulesen. Angaben zu ausländischen Engagements sind in aller Regel auch den Onlineauftritten der großen Medienunternehmen zu entnehmen. Internationalisierung ist auch für den Onlinemarkt eine wichtige Strategie, Google und Apple etwa sind herausragende Beispiele dafür (Sjurts 2010). Redaktionelle Reorganisationen und Kooperationen Die soeben dargelegten Entwicklungen betrafen Vorgänge im deutschen Pressewesen bis zum Jahr 2005. Die Branche ist danach aber auch nicht zur Ruhe gekommen. Einen Teil der wegbrechenden Werbeerlöse konnten die Zeitungsverlage durch Preissteigerungen im Vertrieb etwas ausgleichen (vgl. Röper 2010, S. 218). »Das Abonnement der für den deutschen Markt typischen lokalen oder regionalen Zeitungen kostete 1999 monatlich durchschnittlich 18,77 Euro. 2008 betrug der Preis 22,31 Euro. Das entspricht einer Preissteigerung um 19 Prozent. Zugleich haben die Verlage wegen geringerer Auflage und des reduzierten Produktumfangs (fehlende Werbung) Kostenvorteile erzielen können« (Röper 2010, S. 218). War die Herstellung der Zeitung 1999 noch mit 37 Prozent an den Kosten beteiligt, waren es 2008 nur noch 29 Prozent (vgl. ebd.). Der Vertrieb der Zeitungen ist um knapp vier <?page no="239"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 240 Prozentpunkte teurer geworden (2008: 24 Prozent), Einsparungen sind in diesem Bereich kaum mehr möglich, »da bundesweit sogar fast alle konkurrierenden Verlage im Vertrieb kooperieren« (ebd.). Bei der Kostenstelle Redaktion ist dies anders. Deren Anteil an den Kosten machte 1999 noch 21,7 Prozent aus, »2008 waren es 24,3 Prozent. Entsprechend sind die Redaktionen in den Fokus der Verlagskaufleute gerückt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind Einsparpotenziale gegeben. Der […] rapide Abbau von Planstellen in den Redaktionen wird wahlweise kompensiert über Kooperationen innerhalb und außerhalb des Unternehmens oder er bleibt unkompensiert, obwohl die Qualität des Produkts beeinträchtigt wird« (ebd.). Einsparpotenziale sind v. a. für Lokalzeitungen möglich für die überregionale Berichterstattung etwa durch praktizierte »Kooperationen im Bereich der Korrespondenten im In- und Ausland« (Röper 2010, S. 219). Eine jüngere Kooperationsform besteht darin, dass Lokalzeitungen »die Mantelseiten nicht komplett von einem Verlag« übernehmen, »sondern kleine Hauptredaktionen nur den Zugriff auf das Fremdmaterial haben und daraus auswählen« (ebd.). Praktiziert wird dies z. B. bei den Stuttgarter Nachrichten, die »mehreren kleineren Zeitungen den Mantel liefern und […] darüber hinaus redaktionelles Material« anderen Zeitungen »aus derselben Verlagsgruppe zur Verfügung stellen« - zunächst dem Schwarzwälder Boten, zuletzt Ausweitung auf den Titel Frankenpost und deren Partner Neue Presse Coburg (Bayern), auf den Titel Freies Wort und auf die stz Südthüringer Zeitung (beide Thüringen). »Die Redaktion der Stuttgarter Nachrichten beliefert damit Zeitungen mit einer Gesamtauflage von über einer halben Million Exemplaren« (ebd.). Redaktionskosten werden weiters gesenkt »über Absenkungen von Lohnkosten. Dabei bedient man sich der Leiharbeit, des Outsourcings, der Neueingruppierung (z. B. Fotografen als Angestellte, nicht als Redakteure), der Aufgabe von tariflichen Bindungen und anschließend untertariflicher Entlohnung, zunehmenden Einsatzes von kostengünstigen freien Journalisten« (ebd.). Weitere Wege, die für Einsparungsmöglichkeiten im redaktionellen Bereich beschritten werden, sind zu sehen in Redaktionspools und Redaktionsgemeinschaften. Für den Hannoveraner Madsack- Konzern z. B. arbeitet seit März 2010 ein Pool von Berliner Korrespondenten, deren Berichte an sämtliche Madsack-Titel gehen, »u. a. an die hochauflagigen Lübecker Nachrichten, Hannoversche Allgemeine Zeitung und Leipziger Volkszeitung« (Röper 2010, S. 219f ). Die Verlagsgruppe DuMont hat im April 2010 in die DuMont Redaktionsgemeinschaft GmbH in Berlin auf den Weg gebracht. An ihr »sind zu gleichen Teilen die Verlage der Berliner Zeitung, der Frankfurter Rundschau, der Mitteldeutschen Zeitung und des Kölner Stadt-Anzeigers beteiligt. Die früher für die einzelnen Titel der Gruppe arbeitenden Korrespondenten berichten nun gemeinsam für alle Titel. Damit wird für den Einzelnen eine Spezialisierung möglich, die losgelöst von Einspareffekten sogar zu qualitativen Verbesserungen führen kann« (ebd.), andererseits einen Vielfaltsverlust nicht ausschließt. »Selbst die Frankfurter Allgemeine Zeitung nutzt inzwischen Kooperationen und teilt sich Kosten für einzelne Korrespondenten mit der Neuen Zürcher Zeitung« (ebd.). Noch weiter als bei DuMont ging die redaktionelle Reorganisation beim WAZ-Konzern (Essen). »Dort wurde eine große Zentralredaktion für die Titel Westdeutsche Allgemeine (WAZ), Westfälische Rundschau (WR), und Neue Ruhr/ Rhein Zeitung (NRZ) eingerichtet. Die einzelnen Titel verfügen nur noch über kleine sog. Titelredaktionen, die die Seitenproduktion auf der Basis des von der Zentralredaktion erstellten Stoffes besorgen. Damit soll gewährleistet sein, dass die einzelnen Titel ihre Eigenarten, ihre regionale Verortung und ihre politische und publizistische Linie trotz erheblicher Personalreduktionen erhalten können« (ebd.). Röper schreibt 2010, es seien »erste Gleichförmigkeiten erkennbar, die von Kritikern von Anfang an befürchtet worden sind«. So sei »z. B. die Medienseite in der WAZ und der WR inzwischen identisch« (ebd.). Publizistische Verluste seien durch solche Kooperationsformen nicht auszuschließen (vgl. ebd.). Auch habe der WAZ-Konzern in Nordrhein-Westfalen Lokalredaktionen aufgegeben, wodurch zum Teil »auch der Rückzug aus <?page no="240"?> 4.3 Medienforschung 241 Verbreitungsgebieten verbunden [war]. Meistens aber blieb eine Redaktion erhalten, die nun den Lokalteil für zwei Zeitungen produziert. Der Leser hat also nur noch die Wahl zwischen unterschiedlichen Zeitungsmänteln. Die Lokalberichterstattung ist gleich« (ebd.). Eine Zentralredaktion für die Springer-Zeitungen Die Welt inkl. Die Welt kompakt, Die Welt am Sonntag sowie die Berliner Morgenpost wurde bereits vor einigen Jahren installiert, seit Spätherbst 2012 ist auch das Hamburger Abendblatt in die Redaktionsgemeinschaft eingebunden (epd medien 2012b, S. 4). Die gegenwärtige Zentralredaktion »arbeitet nicht nur titelübergreifend […], sondern auch medienübergreifend für die Digitalangebote« (medium magazin 2012) und es gilt seit Jahren das Prinzip »online first«. Die hier erörterten Reorganisationen von Redaktionen »stehen beispielhaft für eine Entwicklung, die mehr oder minder die gesamte Branche ergriffen hat. Der Ausgangspunkt ist dabei immer ähnlich: Es geht darum, eine journalistische Leistung nicht nur einmal, sondern möglichst oft zu nutzen, um Kosten zu sparen. Dieses Single-Source-Verfahren wird nicht nur intramedial, sondern auch crossmedial genutzt, etwa für Internetangebote« (Röper 2010, S. 220). Auch wenn ein damit verbundener Vielfaltsverlust im Einzelfall zwar nur marginal sein mag, so wird in Summe »das publizistische Gesamtangebot erheblich ausgedünnt« (ebd.). Und der damit verbundene Abbau von journalistischen Arbeitsplätzen »wird Folgen für das Gesamtsystem Journalismus haben, da Zeitungen insbesondere in der Lokalberichterstattung das Leitmedium sind« (ebd.). Lokales Radio wie Fernsehen, so Röper, speisen aus den Lokalzeitungen und deren Ausgaben »nicht zuletzt die Themenfindung für das eigene Medium« (ebd.). Die Auswirkungen einer neuen Redaktionsstruktur mit gemeinsamem Mantel-Newsdesk auf Qualität und Vielfalt (die beiden zentralen Untersuchungsdimensionen) der Berichterstattung hat Lars Rinsdorf am Beispiel der WAZ-Gruppe untersucht (Rinsdorf 2011). Inhaltsanalytisch verglichen wurde die Politik- und Wirtschaftsberichterstattung von NRZ, WAZ und WR vor (2008) und nach der Einführung (2009) des gemeinsamen Mantel-Newsdesk. Das Sample bildeten »je zwei Berichterstattungswochen vom September 2008 und 2009«, es gingen insgesamt »3.725 Beiträge in die Analyse ein« (Rinsdorf 2011, S. 29). Es ist hier nicht möglich, detailliert auf die Ergebnisse im Einzelnen einzugehen. Erwähnenswert erscheint, dass sich die Titel trotz gemeinsamen Newsdesk »ein eigenes publizistisches Profil [bewahren]« (Rinsdorf 2011, S. 35). Der Autor hält abschließend als Fazit der Studie fest, »dass die journalistische Qualität der Berichterstattung [Politik, Wirtschaft - Ergänzung H. P.] der einzelnen Titel stabil bleibt. Partiell profitieren die Titel von den neuen Strukturen. Auch die unterschiedliche strategische Positionierung der Titel bleibt nach der Umstellung gleich. Die publizistische Vielfalt nimmt dagegen ab. Dies gilt zwar nicht für die einzelnen Titel«, mit Blick auf »die publizistische Leistung der drei Titel insgesamt, zeigt sich ein anderes Bild: Obwohl die WAZ-Gruppe explizit anstrebt, dass die Titelredaktionen das Material aus dem Newsdesk titelspezifisch weiter aufbereiten, werden diese Spielräume, die ihnen das neue Organisationsmodell bietet, (noch) selten ausgeschöpft« (Rinsdorf 2011, S. 39). Rinsdorf schließt mit der Bemerkung, es gebe keine Hinweise darauf, »dass verstärkte Kooperationen zwischen den einzelnen Titeln deren publizistische Leistungsfähigkeit schwächen müssen. Vielmehr deuten sich eher die Potenziale an, die solche Organisationsmodelle bieten - vorausgesetzt, die Abläufe sind fein genug auf das journalistische Konzept abgestimmt und das Qualifikationsniveau im Redaktionsteam ist hinreichend hoch« (Rinsdorf 2011, S. 39f ). Individualisierte Tageszeitung niiu - ein Versuch Von nur relativ kurzem Bestand war der im Herbst 2009 von zwei Studenten unternommene Versuch, in Berlin eine individualisierte Tageszeitung für ein junges Publikum auf den Markt zu brin- <?page no="241"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 242 gen (Grötker 2010; niiu 2010a, 2010b). Sie trug den Titel niiu und hatte eine Startauflage von 1000 Exemplaren. Für ihre Käufer bestand die Möglichkeit, Inhalte aus 18 verschiedenen regionalen, nationalen und internationalen Tageszeitungen zu wählen, darunter bundesdeutsche Tageszeitungen wie Bild, Berliner Morgenpost, Der Tagesspiegel, das Hamburger Abendblatt, die Frankfurter Rundschau, die taz oder auch das Neue Deutschland, aber auch internationale Titel wie etwa die New York Times, die International Harald Tribune, die Washington Times u. a. m. Auch aus Internetangeboten konnten Inhalte gewählt werden. Der Abonnent konnte entscheiden, welche Ressorts er aus welchen Zeitungen in seiner niiu in welcher Länge haben möchte (z. B. Wirtschaft aus dem Handelsblatt oder etwa Sport aus der Bild-Zeitung, Internationale Politik aus der New York Times etc.). Bei den Inhalten handelte es sich um 1: 1-Abdrucke (meist ganzer, übernommener Seiten, wodurch infolge unterschiedlicher Formate das Layout uneinheitlich wurde). Die Auswahl der Inhalte konnte täglich neu kombiniert werden und musste von den Abonnenten bis 14 Uhr via Internet der Redaktion bekannt gegeben werden. Titel- und Rückseite waren Internetinhalten vorbehalten. Auch individualisierte Werbung war möglich. Niiu konnte im Prepaid-Abonnement bezogen werden. Der Preis pro Ausgabe betrug 1,80 Euro. Gedruckt wurde niiu digital, ausgeliefert wurde sie an sechs Tagen pro Woche jeweils bis 8.00 Uhr morgens. Für nicht in Berlin wohnende Abonnenten gab es eine E-Paper-Ausgabe. Um kostendeckend zu operieren, wären 5000 Abonnenten nötig gewesen, die niiu nicht gewinnen konnte (Gritti 2011). Im Januar 2011 stellte niiu sein Erscheinen ein, mit der Absicht, nach einer Pause wieder auf den Markt zu kommen. Im Herbst 2012 kündigten die Gründer von niiu eine Rückkehr des individualisierten Mediums als Applikation für den Empfang auf mobilen Endgeräten an (Pfannenmüller 2012). Erneut sollen die Nutzer die Möglichkeit erhalten, individuell abgestimmte News aus einem breiten Themenspektrum redaktioneller Inhalte zu wählen, »die in einer App zusammengefasst werden« (Melzer 2012). Der Nutzer soll »aus mehr als 20 tagesaktuellen Titeln bis zu zehn Themenbereichen auswählen« können, »aus denen ihm die neuesten Nachrichten in die App geladen werden«, dies für 12,99 Euro im Monat (Bunnen 2013, S. 1). Die niiu- App wurde im April 2013 gestartet, der Anteil der Medienpartner lag bei 25. Weitere Informationen sind unter www.niiu.de erhältlich. Zur gegenwärtigen Lage der Tagespresse Die Lage der Tagespresse hat sich in den zurückliegenden Jahren kaum verändert. Sie kämpft mit sinkenden Auflagen, sinkenden Reichweiten und - nach einem kurzen, moderaten Aufwärtstrend in den Jahren 2006 und 2007 (vgl. Beck et al. 2010) - erneut mit sinkenden Werbeerlösen. Nicht alle Maßnahmen, Wege aus der ersten Krise zu finden (vgl. w. o.), haben sich bewährt. So sind die 2004 auf den Markt gebrachten Tabloidformate bis auf einen Titel - nämlich Welt kompakt (jüngst: Die Welt kompakt) wieder vom Markt verschwunden. Offensichtlich haben sich die publizistischen Konzepte dieser Zeitungen, auch jüngere Leserschichten (mittels günstigem Preis) anzusprechen, nicht bewährt (vgl. Schütz 2012a, S. 571). Erwähnenswert erscheint in diesem Kontext aber, dass die Bild- Zeitung seit 2009 ihre Münchner Ausgabe »zusätzlich als City-Ausgabe auch in einer verkleinerten, jedoch textidentischen Version herausbringt, während das Experiment einer ›Berliner Morgenpost Kompakt‹ nur eine kurze Episode blieb« (Schütz 2012a, S. 581f ). Dagegen erwies sich die etappenweise in einigen Bundesländern in den Markt gebrachte Kompaktausgabe von Die Welt am Sonntag als erfolgreich und soll ab Frühjahr 2013 neben der Normalausgabe auch bundesweit erhältlich sein. Ihre Inhalte werden für eine junge, urbane Zielgruppe im Tabloidformat neu aufbereitet. Über die Aktivitäten von Printverlagen im Postzeitungsdienst ist es eher ruhig geworden, wiewohl es sie gibt. Auskunft darüber erteilt Johannes Freytag (2011). Die mit Zusatzprodukten (Buchreihen, CDs, <?page no="242"?> 4.3 Medienforschung 243 DVDs etc.) erzielten Erlöse von Zeitungsverlagen dürfen nicht überschätzt werden und spielen - von wenigen Ausnahmen abgesehen - mit Blick auf die Gesamterlöse in aller Regel eine nur untergeordnete Rolle. Und ob sich z. B. das allmählich aufkommende Geschäft mit entgeltlich zu beziehenden Applikationen von Zeitungen für den Empfang auf mobilen Endgeräten als erfolgreich erweist, bleibt wohl noch abzuwarten (vgl. Kap. 4.3.5.4). Gesamtbestand Tagespresse 2012 Der jüngsten pressestatistischen Zählung von 2012 (Schütz 2012a) zufolge - Stichtagssammlung März 2012 (also noch ohne Berücksichtigung von Vorgängen im Zeitungswesen danach) - gab es in Deutschland 130 Tageszeitungen im Sinne publizistischer Einheiten, die in 1.532 (lokalen) Ausgaben erschienen, von 333 Verlagen herausgegeben wurden und eine verkaufte Auflage von 18,2 Mio. Exemplaren täglich erzielten (vgl. Schütz 2012a, S. 571). Gegenüber der Stichtagszählung von 2008 bedeutet dies einen Rückgang von fünf publizistischen Einheiten, ein Minus von 20 Verlagen als Herausgebern sowie ein Minus von 1,8 Mio. Exemplaren bei der Auflage. Lediglich die Zahl der Zeitungsausgaben ist der Zählung von Schütz zufolge von 1.515 (2008) auf 1.532 (2012) gestiegen, also um immerhin 17 Ausgaben. Wie sich diese Veränderungen im Einzelnen ergaben bzw. worauf sie jeweils zurückzuführen sind, ist bei Schütz (2012a) detailliert dargestellt und kann aus Platzgründen hier nicht im Detail wiedergegeben werden. Lediglich einige wichtige Splitter seien herausgegriffen: • Die Zahl der publizistischen Einheiten, wichtiger »Indikator für publizistische Konzentration« (Schütz 2012a, S. 571), war Schütz zufolge seit 1993 »fast unverändert gleich geblieben. In den vergangenen vier Jahren stehen jedoch der Schließung von acht Kernredaktionen nur drei Neugründungen gegenüber« (ebd.). Schütz zufolge ist es »i. d. R. zulässig«, auch »kooperierende Redaktionen«, die »nach wie vor journalistische Eigenleistungen erbringen, die zu einem themenspezifischen Mantel führen, […] auch weiterhin als ›Publizistische Einheiten‹ einzustufen« (Schütz 2012a, S. 573). Dies gelte »für die zwischen 2008 und 2012 vereinbarte enge [! ] Zusammenarbeit« zwischen Schweriner Volkszeitung und Nordkurier (Neubrandenburg); General-Anzeiger (Bonn) und Kölnischer Rundschau; Frankenpost (Hof ), Stuttgarter Nachrichten und Freies Wort (Suhl); Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau, Mitteldeutsche Zeitung (Halle) und Kölner Stadt- Anzeiger; Aachener Zeitung und Aachener Nachrichten; zwischen den Titeln der Mediengruppe WAZ (Essen), NRZ (Essen) und Westfälische Rundschau (Dortmund); sowie zwischen Thüringer Allgemeine (Erfurt) und Ostthüringer Zeitung (Löbichau/ Gera). Mit Blick auf die genannten Beispiele eng kooperierender Redaktionen stellt sich die Frage, inwiefern es sich hier tatsächlich noch um »Publizistische Einheiten« handelt und ob die Ausweitung dieser Kategorie auf eng kooperierende Verlage nicht zugleich eine Aufweichung bzw. Relativierung der Kategorie darstellt. • Zur Entwicklung bei den Lokalausgaben vermerkt Schütz, dass hier »zwei Trends« einander gegenüberstehen, nämlich »einerseits Schließung und Zusammenlegung, andererseits weitere Aufteilung von bereits bestehenden Ausgaben« (Schütz 2012a, S. 580). Was Stadtteilausgaben in Großstädten betrifft, so »sind in sieben Städten in den letzten Jahren solche sublokalen Angebote ersatzlos eingestellt worden, umgekehrt sind sie in vier Städten neu entstanden« (ebd.). Tendenziell ist seit langem »die Strategie deutscher Zeitungsverlage zu beobachten, eher im eigenen Verbreitungsgebiet die Marktposition zu festigen als sich durch dessen Ausdehnung zusätzlichem Wettbewerb auszusetzen« (Schütz 2012a, S. 576). • Bezüglich der Erscheinungshäufigkeit sind Schütz zufolge auch keine Veränderungen zu beobachten. Zu vermerken ist jedoch, dass neben den regulären Sonntagsausgaben von Tageszeitungen ein neues Angebot entstanden ist: »Die verteilte Sonntagszeitung. Das sind vom Typ her Anzei- <?page no="243"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 244 genblätter, mit denen Verlag[e] Leser wie Nichtleser ihrer Zeitungen ansprechen wollen« (Schütz 2012a, S. 582). 2012 verteilten 17 Zeitungen solche »Sonntagsblätter im Verbreitungsgebiet von 44 ihrer Ausgaben« (ebd.). • Die Zeitungsauflagen gehen weiter zurück. Der Auflagenrückgang ist bei Boulevardzeitungen stärker ausgeprägt als bei den Abonnementzeitungen. »Vor 30 Jahren gehörte fast jedes dritte verkaufte Stück zur Gruppe der Straßenverkaufszeitungen, während heute vier von fünf Zeitungsexemplaren ihre Leser über das Abonnement erreichen« (Schütz 2012a, S. 582). Die langfristigen Auflagenverluste der Kaufzeitungen (bei der Bild-Zeitung etwa die Hälfte (! ), beim Kölner Express drei Fünftel der früher abgesetzen Auflage) »belegen, wie sehr gerade unterhaltende Teile des Zeitungsinhalts durch intermediäre Konkurrenz an Leserinteresse verloren haben« (ebd.). Von den Auflagenverlusten am wenigsten betroffen waren die Abonnementzeitungen mit dem Anspruch überregionaler Verbreitung: »Offensichtlich wirkt sich hier der höhere Anteil institutioneller Bezieher positiv aus« (Schütz 2012a, S. 585). Bei den lokalen und regionalen Abonnementzeitungen zeigt die Auflagenstatistik ein differenziertes Bild: Verluste bei wenigen Zeitungen von mehr als 40 Prozent seien nach wie vor eher die Ausnahme und stehen im Kontrast zu anderen Titeln, die seit Jahren fast gleichbleibenden Absatz verzeichnen. »Damit drängt sich die Frage auf, wieweit journalistische Qualität mit Lesererwartungen korrespondiert und für den wirtschaftlichen Erfolg ausschlaggebend ist« (ebd.). Von den stärksten Rückgängen sind die östlichen Bundesländer betroffen, »ganz offensichtlich sowohl eine Folge der Abwanderung als auch geringen wirtschaftlichen Wachstums« (ebd.). Im alten Bundesgebiet lässt sich »titelbezogen« belegen, dass »[V]or allem in Ballungsgebieten und Großstädten […] die Auflagenverluste schmerzlich« und »wohl auch nicht umkehrbar [sind]« (ebd.). • Die Netto-Zeitungsdichte gibt an, wie viele Ausgaben miteinander im Wettbewerb stehen. »Für das Bundesgebiet beträgt die Zeitungsdichte im Jahr 2012 zwar unverändert 1,5, doch der Anteil derjenigen, die in Gebieten mit örtlichem Zeitungsmonopol leben, ist zwischen 2008 und 2012 von 42,4 auf 44,0 Prozent an der Gesamtbevölkerung weiter gestiegen« (Schütz 2012a, S. 585f ). Von 311 lokal und regional agierenden Verlagen sind 137 (= 44,1 %) »Alleinanbieter in ihrem Verbreitungsgebiet« (Schütz 2012a, S. 586). 138 Verlagshäuser (44,4 %) stehen als Erstanbieter zumindest in gemäßigter Konkurrenz mit (einem) anderen und 36 Verlage (11,6 %) befinden sich in nachrangiger Marktposition. »Die Hälfte der Auflage (49,4 %) wird in Gebieten ohne Zeitungswettbewerb verkauft« (ebd.). Das Gesamtbild der deutschen Tagespresse im Jahr 2012 ist aus Abbildung 7, S. 245, ersichtlich. Abbildung 8 (ebd.) vermittelt einen Überblick über die Entwicklung der deutschen Tagespresse zwischen 1954 (Beginn der pressestatistischen Zählung durch Walter J. Schütz) und 2012. Einen detaillierten Überblick über die zahlreichen Zeitungsübernahmen - knapp 30 Titel - zwischen Oktober 2008 (Stichtagssammlung 2008) und Januar 2012 vermittelt Schütz im Rahmen der Ergebnisse der aktuellen Stichtagssammlung (Schütz 2012a, S. 581, Tab. 8). Unter ihnen ragen zahlreiche ehemalige Regionalzeitungen mit Beteiligung des Springer-Verlags heraus, die von der Madsack- Gruppe, vom Flensburger Tageblatt (Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag sh.z) und der Ippen- Gruppe übernommen wurden. Verkäufe von Zeitungsbeteiligungen werden im deutschen Markt in aller Regel branchenintern vorgenommen (vgl. Röper 2010, S. 221). In den hier referierten Daten und Fakten sind Vorgänge noch nicht berücksichtigt, die sich im Laufe des Jahres 2012 (und danach) nach der von Schütz erneut mit erheblichem Aufwand durchgeführten Stichtagserhebung März 2012 am deutschen Zeitungsmarkt ergeben haben, wie etwa Zeitungsübernahmen oder der Erwerb relevanter Beteiligungen. Schütz verweist auf sie jedoch in einer Fußnote (vgl. Schütz 2012a, S. 574 sowie S. 588, Fußnote 7). Zu erwähnen ist u. a. die Einstellung der im Jahr 2000 vom Verlag Gruner+Jahr in Verbindung mit der britischen Pearson-Gruppe neu <?page no="244"?> 4.3 Medienforschung 245 Abb. 7: Gesamtbild der Tagespresse in Deutschland (März 2012) Publizistische Einheiten 130 (Redaktionelle) Ausgaben 1.532 Verlage als Herausgeber 333 Gesamtauflage in Mio. 18,2 Exemplare je tausend Einwohner 279 Reichweite in Prozent 66,6 Überregional verbreitete Abonnementzeitungen (p.E.) 10* Straßenverkaufszeitungen (p.E.) 8** Regionale/ lokale Abonnementzeitungen (p.E.) 112*** Abb. 8: Die Tagespresse in Deutschland 1954-2012 * Zu den Abonnementzeitungen mit dem Anspruch überregionaler Verbreitung zählen: Süddeutsche Zeitung (SZ), Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Frankfurter Rundschau (FR), Handelsblatt, Die Welt, Financial Times Deutschland (FTD) (Anfang Dezember 2012 eingestellt), Neues Deutschland, die tageszeitung (taz) sowie die kleinauflagigen Zeitungen Junge Welt und Tagespost. ** Zu den Straßenverkaufszeitungen zählen: Bild (Berlin), B.Z. (Berlin), Express (Köln), Berliner Kurier (Berlin), Abendzeitung (München), tz (München), Hamburger Morgenpost, Dresdner Morgenpost. *** Der weitaus größte Teil der bundesdeutschen Abonnementzeitungen ist dem Typ der regional oder lokal gebundenen Tageszeitung zuzuordnen. Die meisten von ihnen verfügen über (mehr oder weniger) zahlreiche (Lokal-) Ausgaben. (Schütz, Walter J. (2012b): Redaktionelle und verlegerische Struktur der deutschen Tagespresse [März 2012]. In: Media Perspektiven 11/ 2012, S. 594-603. Zeitungen 2012/ 13. Hrsg. vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger. Berlin, S. 406) (erstellt nach Schütz, Walter J. (2012a): Deutsche Tagespresse 2012. In: Media Perspektiven 11/ 2012, S. 571) Publizistische Einheiten Ausgaben Verlage als Herausgeber Verkaufte Auflagen in Mio. Jahr absolut Index absolut Index absolut Index absolut Index 1954 225 100 1.500 100 624 100 13,4 100 1976 121 54 1.229 82 403 65 19,5 146 1985 126 56 1.273 85 382 61 20,9 156 1989 119 53 1.344 90 358 57 20,3 152 1989 DDR 37 - 291 - 38 - 9,6 - 1991 158 100 1.673 100 410 100 27,3 100 2001 136 86 1.584 95 356 87 23,7 87 2006 136 86 1.524 91 352 86 21,0 77 2012 130 82 1.532 92 333 81 18,2 67 <?page no="245"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 246 gegründeten Tageszeitung Financial Times Deutschland (FTD) Anfang Dezember 2012. Damit fällt eine weitere publizistische Einheit weg, was zu einem Auflagenrückgang von rund 100.000 Exemplaren führt. Die Einstellung der FTD nach knapp 13 Jahren ihres Erscheinens hat zu großer medialer Aufmerksamkeit geführt. Diese neben dem Handelsblatt (Düsseldorf ) zweite deutsche Tageszeitung mit Schwerpunkt Wirtschaftsberichterstattung wurde zu einem Zeitpunkt gegründet, als um die Jahrtausendwende (1999/ 2000) infolge überaus hohen Anzeigenaufkommens die Zeitungen (und auch andere Medien) einen ungewöhnlichen wirtschaftlichen Aufschwung erlebten (vgl. S. 236). Bei der Gründung der FTD in einem bereits damals doch recht gesättigten Zeitungsmarkt handelte es sich zweifellos um ein sehr ambitioniertes Projekt, allerdings auch um ein Prestigeprojekt. Damals kam es übrigens auch im Zeitschriftenbereich zur Gründung von Wirtschaftstiteln, von denen später viele jedoch wieder eingestellt wurden. Ein Aus drohte auch der Frankfurter Rundschau (FR), die im Spätherbst 2012 Insolvenz anmeldete, aber zunächst bis Ende Februar 2013 weiter geführt wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Traditionsblatt FR vom Verlag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und ihrem Schwesterverlag Frankfurter Societät aufgekauft (vgl. epd medien 2013a, S. 1). Die FR soll »in einer unabhängigen Verlags- und Redaktionsgemeinschaft weitergeführt« werden (ebd.). Auch die linksliberale Ausrichtung der Zeitung soll erhalten bleiben, das künftige überregionale Konzept wird noch erarbeitet (vgl. ebd.). Die Fusion von FAZ und FR wurde durch das Bundeskartellamt »als sog. Sanierungsfusion genehmigt. Insgesamt gut 420 der 450 FR-Beschäftigten im Haupthaus und in den Tochterfirmen verlieren ihren Arbeitsplatz« (ebd.), künftig sollen jedoch Angaben des neuen Chefredakteurs zufolge bis zu 100 Journalisten »hauptberuflich für die FR arbeiten« (epd medien 2013a, S. 2). An der nun neuen Frankfurter Rundschau GmbH hält der FAZ-Verlag 35 Prozent, die Frankfurter Societät 55 Prozent, der Rest von zehn Prozent verbleibt bei der Karl-Gerold-Stiftung. Diese war bis 2004 Alleineigentümerin, ehe die Deutsche Druck- und Verlags-GmbH & Co KG (ddvg), eine Medienholding der SPD, 90 Prozent erwarb und damit auch die damaligen Schulden der FR übernahm. 2006 wurde sie mehrheitlich von der Kölner Verlagsgruppe M. DuMont Schauberg erworben (vgl. Pürer/ Raabe 2007, S. 396), die im Herbst 2012 für das Blatt Insolvenz anmeldete. Im 4. Quartal 2012 hatte die FR laut IVW eine Auflage von 105.000 verkauften Exemplaren. Mit vier lokalen Anbietern - FAZ, Frankfurter Neue Presse, Bild (Ausgabe Frankfurt) und FR - ist das Wettbewerbsumfeld in Frankfurt groß. Auch wenn nun mit den neuen Eigentümern finanzkräftige Verlage hinter der FR stehen, bleibt vorerst abzuwarten, ob dieser Zeitung eine gute Zukunft beschieden sein wird. Eine kritische Betrachtung über die zurückliegenden Jahrzehnte der FR stammt von Uwe Vorkötter, dem letzten Chefredakteur der FR vor deren Übernahme durch FAZ und Societätsverlag (Vorkötter 2012). Verlags- und Auflagenkonzentration 2012 Eine Momentaufnahme der Tagespresse in Deutschland liefert auch Horst Röper in einem Beitrag zur Konzentration der Tagespresse im 1. Quartal 2012 (Röper 2012a). Sein Vorgehen zur Ermittlung der Konzentration wird dabei ausführlich erläutert (Röper 2012a, S. 272), aus Platzgründen kann es hier nicht dargelegt werden. Die methodische Vorgehensweise ist, dies sei erwähnt, »gegenüber früheren Studien unverändert geblieben« (ebd.). Durch konkrete Hinweise auf Veränderungen in den jeweiligen Verlagsstrukturen (Verkäufe, Beteiligungen) im Text Röpers sowie durch Vergleichszahlen aus früheren Studien in den Tabellen seines Beitrags gewinnen die ermittelten Daten an Aussagekraft. Hauptergebnisse: »Deutlich mehr als die Hälfte aller Zeitungsexemplare, nämlich 59,1 Prozent, stammen 2012 aus den zehn führenden Verlagsgruppen. Das ist der höchste in dieser seit den 1970er- Jahren durchgeführten Untersuchungsreihe je erreichte Wert. 2010 waren es 58,1 Prozent, 2008 58,5 <?page no="246"?> 4.3 Medienforschung 247 Prozent (vgl. ebd.). Die fünf auflagenstärksten Unternehmen drucken 44,4 Prozent der verkauften Tageszeitungsauflage, 2010 waren es noch 43,7 Prozent (vgl. ebd.). Differenziert nach Abonnement- und Boulevardzeitungen ergibt sich folgendes Bild: »Bei den Abonnementzeitungen entstammt ein gutes Drittel der verkauften Auflage den fünf führenden Verlagsgruppen (34,3 %)« (ebd.; Hervorhebung H. P.). Das entspricht einer Erhöhung des Konzentrationsgrades gegenüber dem Jahr 2010 um zwei Prozentpunkte. Im Segment der Boulevardbzw. Kaufzeitungen ist die Konzentration am stärksten: »Hier dominiert seit Jahrzehnten der Springer-Konzern. Trotz sinkender Auflagen seines Flaggschiffs Bild entfallen auch 2012 noch mehr als drei Viertel der Verkaufsauflage von Springer. Insgesamt decken die Top-5-Verlage im Segment Kaufzeitungen 97,2 Prozent der Verkaufsauflage« (ebd.). Zu den zehn größten Verlagshäusern Deutschlands gehören nach Röper im 1. Quartal 2012 (wobei in Tabelle 9 nur Anteile am Gesamtmarkt dargestellt werden, und nicht weiter differenziert nach Anteilen am Markt der Abonnement- und Boulevardzeitungen, wie Röper dies detailliert ausführt): Abb. 9: Die 10 größten deutschen Tageszeitungsverlage (Stand: Frühjahr 2012) Multimediale lokale Anbieter und Angebotsstrukturen 2012 Wie erwähnt, haben sich Deutschlands Tageszeitungsverlage längst zu Medienhäusern mit Engagements auf anderen Medienfeldern entwickelt. Von Horst Röper stammt eine 2012 erarbeitete Studie über »Multimediale Anbieter- und Angebotsstrukturen auf lokaler Ebene« (Röper 2012b). Es handelt sich um eine Erhebung in 49 Medienregionen Deutschlands, in denen 73 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung leben. Einbezogen waren sechs Medientypen: lokale und regionale Abo- und Boulevardzeitungen; lokale/ regionale Zeitschriften; Anzeigenblätter; lokales/ regionales Fernsehen; lokaler/ regionaler Hörfunk; lokale/ regionale Internetangebote (Röper 2012b, S. 648; dort im Weiteren auch Angaben zur Bildung der Medienregionen und untersuchten Medien). Es ist aus Platz- Verlagsgruppe Anteil am Gesamtmarkt (in Prozent) 1. Springer 18,8 2. Verlagsgruppe Stuttgarter Zeitung/ Die Rheinpfalz/ Südwestpresse 9,2 9,2 3. Verlagsgruppe WAZ/ Funke (Essen) 5,7 4. Mediengruppe M. DuMont Schauberg 5,5 5. Verlagsgesellschaft Madsack (Hannover) 5,2 6. Verlagsgruppe Ippen 4,2 7. Deutsche Druck- und Verlagsges. (Hamburg) 3,1 8. Verlagsgruppe Augsburger Allgemeine 2,8 9. Verlagsgruppe Frankfurter Allgemeine Zeitung 2,5 10. Rheinische Post Verlagsgesellschaft (Düsseldorf ) 2,0 Summe 59,0 (Röper, Horst (2012a): Zeitungsmarkt 2012: Konzentration erreicht Höchstwert. Daten zur Konzentration der Tagespresse in der Bundesrepublik Deutschland. In: Media Perspektiven 5/ 2012, S. 272-285. Dort finden sich genaue Hinweise darauf, welche Tageszeitungen den erwähnten Verlagen zuzuordnen sind.) <?page no="247"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 248 gründen nicht möglich, hier detailliert auf die Ergebnisse der Untersuchung einzugehen. Röper selbst hält zusammenfassend fest, »dass Zeitungsunternehmen durchschnittlich bei 4,6 der sechs untersuchten Medientypen aktiv waren. Im Durchschnitt waren sie an 7,9 Onlineportalen beteiligt, wobei kein einziges Zeitungsunternehmen auf Onlineportale verzichtete. Nur zwei der in den jeweiligen Medienregionen führenden Zeitungsunternehmen engagierten sich nicht bei Anzeigenblättern. […]. 37 der 49 führenden Zeitungshäuser hielten Beteiligungen am privaten Hörfunk oder Fernsehen. Der Markt der lokalen oder regionalen Zeitschriften (z. B. Publikationen mit Veranstaltungskalendern) zählt nicht zu den prioritären Feldern für Diversifikation. 26 der führenden Zeitungsunternehmen gaben entweder selbst derartige Periodika heraus oder waren an solchen beteiligt« (Röper 2012b, S. 672). Problemzonen der Tageszeitungen Wie aus den bisherigen Ausführungen zur Lage der Tageszeitungen in Deutschland teils bereits zu entnehmen war (und wie im Abschnitt über die Finanzierung der Printmedien ebenfalls ausgeführt wird - vgl. S. Kap. 4.3.5.4), befinden sich die Tageszeitungen in Deutschland seit mehr als zehn Jahren in einer schwierigen Situation. Auf der »Haben-Seite« steht zwar, dass Deutschland nach wie vor ein zeitungsreiches Land ist und die Tageszeitungen eine beachtliche regionale Tiefengliederung aufweisen, mit immer noch guter lokaler Verankerung. Außerdem sind Printorgane in Deutschland, wie Markus Behmer mit Hinweis auf empirische Studien (Weischenberg et al. 2006; Meyen/ Riesmeyer 2009) ausführt, die wichtigsten Leitmedien für Journalisten (Behmer 2012, S. 221); und die erfolgreichsten journalistischen Onlineplattformen in Deutschland werden von deutschen Printmedienhäusern betrieben (Behmer 2012, S. 223). Auch sind es die Printmedien, die oft Themen und Tendenzen der Berichterstattung bestimmen (Behmer 2012, S. 222 mit konkreten Beispielen). Die große Bedeutung der Lokalberichterstattung der Tageszeitungen für die Leser wird durch Umfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) seit Jahrzehnten empirisch auch nachgewiesen (vgl. Zeitungen 2010/ 11, S. 418); für das Gesamtsystem des Journalismus, so Horst Röper, ist die Lokalberichterstattung das Leitmedium, das (wie bereits erwähnt) die Themenfindung anderer Medien, insbesondere des Hörfunks und des Fernsehens, speist (vgl. Röper 2010, S. 220). Die Tageszeitungen versorgen uns täglich mit einer großen Vielfalt an Inhalten, die sorgfältig sortiert und gebündelt sowie nach Ressorts und Rubriken gegliedert sind und uns als »Überblicksmedium im Meer der Spezialisierung gelten« können (Pürer/ Raabe 2007, S. 472 mit Bezugnahme auf Schönbach 2003). Tageszeitungen, so Klaus Schönbach, seien Marken für die Meinungsbildung und verlässliche Gefährten des Alltags, die uns dabei helfen, uns in einer komplizierten Welt zurechtzufinden. Um ein solches Medium müsse einem »nicht bange« sein (vgl. Schönbach 2003, S. 135). Und doch scheint es Vielen um das Medium Tageszeitung - nicht zu Unrecht - bange zu sein, selbst um die »Leuchttürme« der Qualitätsmedien und des Qualitätsjournalismus wird gefürchtet (vgl. u. a. Blum et al. 2011; Meier W. A. et al. 2012). Man muss nicht unbedingt in das sich seit einem halben Jahrzehnt ausbreitende, bisweilen laute Krisengejammer (um nicht zu sagen: Krisengeschrei) der Branche selbst und teils auch der Wissenschaft einstimmen. (Hannes Haas warnt vor »voreiligen Nachrufen« - vgl. Haas 2010). Gleichwohl sind die gegenwärtigen Probleme der Tageszeitungen nicht zu übersehen: rückläufige Auflagen, rückläufige Reichweiten, rückläufige Gesamterlöse (bzw. Werbeerlöse), die unübersehbare Konkurrenz des Internets und der Onlinemedien: • So ist die (Verkaufs-)Auflage der Tageszeitungen von 2001 bis 2011 von 23,8 Mio. Exemplaren auf 18,8 Mio. Exemplare gesunken (vgl. Zeitungen 2011/ 12, S. 500) - innerhalb von zehn Jahren ein Minus von 5 Mio. Exemplaren. Von diesen Verlusten waren die verschiedenen Zeitungstypen - <?page no="248"?> 4.3 Medienforschung 249 überregionale Abo-Zeitungen, regionale/ lokale Abo-Zeitungen, Boulevard-/ Straßenverkaufszeitungen - in unterschiedlicher Weise betroffen (vgl. w. o.). • Die Reichweite der Tageszeitungen ist innerhalb desselben Zeitraumes von 78 auf 68,4 Prozent zurückgegangen. Die stärksten Rückgänge waren bzw. sind bei den jungen Lesergruppen zu verzeichnen: bei den 14bis 19-Jährigen von 55 auf 39,6 Prozent, bei den 20bis 29-Jährigen von 66 auf 50,5 Prozent (vgl. Zeitungen 2011/ 12, S. 109). Diese jüngeren Leserschichten sind (in einem weiten Sinn des Wortes) stark internetorientiert bzw. -affin. • Die Gesamterlöse aller Zeitungen sind seit dem Jahr 2000 beträchtlich geschrumpft: Damals lagen sie noch bei fast 10,8 Mrd. Euro, zehn Jahre später erreichten sie »nur noch 8,5 Mrd. Euro« (Lobigs 2013, S. 65). »[Z]wischen dem Rekordjahr 2000 und 2010 ist der Werbemarkt der Zeitungen […] um mehr als 40 Prozent von einem Umsatz von rund 6,9 auf etwa 3,85 Mrd. Euro eingebrochen […]; im Jahr 2011 lag der Umsatz mit knapp 3,6 Mrd. Euro gerade einmal auf dem Niveau von 1988« (ebd., mit Bezugnahme auf Röper 2010). • Das Erlösverhältnis der Tageszeitungen aus Vertrieb (Abo-, Einzelverkauf ) und Werbung unterliegt einem Wandel: Betrug das Verhältnis der Erlöse der Tageszeitungen aus Werbung (inkl. Beilagentransport) zu Vertrieb im Jahr 2000 noch 64,5 zu 35,5 Prozent, so betrug das Verhältnis Werbung zu Vertrieb im Jahr 2010 rund 48 zu rund 52 Prozent (vgl. ebd.). Den Tageszeitungen sind v. a. im Bereich der Rubrikenanzeigen (Arbeitsmarkt/ Stellenmarkt, Immobilien, Kraftfahrzeuge) Erlöse weggebrochenen, ins Internet abgewanderte Erlöse können durch die mittlerweile neu erschlossenen Erlösquellen (Zusatzprodukte wie CDs, DVDs, Buchreihen etc.; Postzeitungsdienst; Paid Content) bei weitem nicht kompensiert werden. Und dies wahrscheinlich für noch lange Zeit nicht. • Die ökonomische Position der Zeitungen hat sich »durch Verluste auf dem Leser- und dem daran gekoppelten Werbemarkt irreversibel verschlechtert, denn im Internet zerfällt das gedruckte Bündelprodukt Zeitung in seine verschiedenen Informations- und Unterhaltungsleistungen und ist damit auf jedem der Teilmärkte einem verschärften Wettbewerb mit jeweils anderen Akteuren ausgesetzt« (Kolo 2011, S. 259). Durch die Einbrüche bei den Werbeumsätzen wurde die Profitabilität des Zeitungsgeschäfts »deutlich reduziert« (Lobigs 2013, S. 65). Niemand könne bestreiten, so Lobigs, »dass die Verlagswirtschaft seit der Jahrtausendwende strukturell kontinuierlich an Finanzkraft einbüßt«, und es sei auch nicht ersichtlich, »warum sich der krisenhafte Trend nicht auch künftig weiter fortsetzen sollte« (Lobigs 2013, S. 65f ). Konsequenzen dieser Entwicklung sind weitreichende Sparmaßnahmen, die auch vor den Zeitungsredaktionen nicht haltmachen, selbst vor »Redaktionen mit hoher Qualitätsreputation« nicht (Lobigs 2013, S. 66). So ist durch Entlassungen und durch den Wegfall von Stellen zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2011 »die Anzahl der bei deutschen Tages- und Wochenzeitungen beschäftigten Redakteure um rund 2.300 bzw. um 15 Prozent auf rund 13.000 gefallen« (Lobigs 2013 mit Bezugnahme auf Keller 2011, S. 100 sowie Röper 2012a, S. 269f ). Angesichts weiterer Entlassungen in deutschen Zeitungsredaktionen 2012 sprach die Bundesagentur für Arbeit von der »größten Entlassungswelle in der deutschen Zeitungsbranche seit 1949« (Bartl 2012, S. 1). Auf weitere Sparmaßnahmen wie Redaktionskooperationen, Ausgliederung von Redaktionen, Tarifflucht etc. wurde und wird an anderen Stellen hingewiesen. Hinzu kommt, dass die Refinanzierungspotenziale für journalistische Inhalte im Internet noch recht gering sind (vgl. Lobigs 2013, S. 67). Aus einer 2012 durchgeführten Studie des Marktforschungsinstituts mediareports Prognos (Freiburg) geht hervor, dass die Umsätze mit Paid Content »im deutschsprachigen Markt in den kommenden Jahren zwar deutlich wachsen«, das Wachstum jedoch »nicht ausreichen [werde], um die zukünftigen Rückgänge im Werbemarkt auszugleichen« <?page no="249"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 250 (Bezahlinhalte 2012, S. 2). Den Prognosen der Forscher zufolge werde Paid Content »im Jahr 2016 in Deutschland einen Anteil von acht Prozent an den Vertriebseinnahmen erreichen, in Österreich sieben Prozent, in der Schweiz elf Prozent« - wobei übrigens der weitaus größte Teil dieser Einnahmen, nämlich 90 Prozent, auf die Tablet-Zeitung entfällt (ebd.). Wie immer man zu solchen Prognosen stehen mag: Man wird nicht gänzlich falsch liegen, daraus zu folgern, dass die meisten Zeitungen ihre Onlineableger weiterhin »mit den ohnehin schwindenden Überschüssen aus dem klassischen Zeitungsgeschäft querfinanzieren [müssen], um die im Internet auftretenden negativen Deckungsbeiträge auszugleichen« (Lobigs 2013, S. 67f ). Auch sind vermutlich Befürchtungen nicht gänzlich von der Hand zu weisen, dass angesichts der schwierigen Finanzierungbedingungen der Printmedien und der personellen Ausdünnung von Redaktionen auch die Qualität des Journalismus leidet und damit möglicherweise auch dessen unverzichtbare Leistungen für die Demokratie (vgl. Lobigs 2013; vgl. Behmer 2012, S. 227). Diese schwierige Lage der Printmedien und damit auch des Printjournalismus ist de facto seit Jahren bekannt. Sie hat in Kommunikationswissenschaft wie Medienpraxis zu teils durchaus kontroversen Diskussionen geführt - insbesondere auch mit Blick auf die Onlinemedien und deren Herausforderungen für den Journalismus (u. a. Weichert et al. 2009, 2010; Jarren 2010; Weischenberg 2010; Hummel 2012; di Lorenzo 2012; Hammann 2012; Medien im Umbruch 2012; Schirrmacher 2012). Ebenso wurden Überlegungen angestellt, welche alternativen bzw. ergänzenden Möglichkeiten und Formen der Finanzierung des Printjournalismus es neben seiner traditionellen Finanzierung über den Markt (durch Leser und Anzeigen) gibt. Im Wesentlichen kann man auf folgende (nicht zwingend überzeugende) Modelle bzw. Wege verweisen: staatliche Förderungen, privat finanzierte Stiftungsmodelle, Finanzierung durch die Öffentlichkeit: Staatliche Förderungen: Bei Fördermaßnahmen für die Presse durch den Staat ist zu unterscheiden zwischen indirekten und direkten Subventionen sowie zwischen allgemeinen und selektiven (vgl. Holtz-Bacha 1994, S. 444-445; Holtz-Bacha 2012, S. 188). Eher unproblematisch sind in demokratischen Systemen in aller Regel indirekte Förderungen der Zeitungen z. B. etwa: durch ermäßigte Mehrwertsteuersätze auf Vertriebserlöse; durch ermäßigte Tarife für Telekommunikationskosten oder auch für die Zustellung der Zeitungen durch die Post (was für entlegene Gebiete besonders wichtig ist); durch Anzeigenschaltungen der Regierung, von Ministerien oder öffentlich finanzierten Einrichtungen für Zwecke, die dem gesellschaftlichen Gemeinwohl dienen sollen (wie z. B. Gesundheitskampagnen) u. v. a. m. Einen kompakten Überblick über direkte und indirekte Presseförderungsmaßnahmen in Europa vermitteln Weichert/ Kramp (2009a, S. 49f ), die zwischen elf »hauptsächlichen Hilfsmaßnahmen unterscheiden« (ebd.). Die selektiven Maßnahmen »beziehen sich nur auf bestimmte, nach spezifischen Kategorien ausgewählte Presseobjekte« (Holtz-Bacha 2012, S. 188). Nicht so unproblematisch dagegen können direkte finanzielle Zuwendungen des Staates an Zeitungen sein, wie es sie in zahlreichen Ländern Europas in Form der direkten Presseförderung gibt. Die Modelle sind dabei recht unterschiedlich angelegt (vgl. Weichert/ Kramp 2009a, S. 44f, insbesondere S. 42f, Tab. 1). Bezüglich direkter Presseförderungsmaßnahmen nahm nach Schweden u. a. Österreich eine Vorreiterrolle ein, wo es eine direkte staatliche Presseförderung seit 1975 gibt. Der Förderungsmodus unterlag mehrmaligen Änderungen, derzeit (2012) gibt es ein Drei-Säulen-Modell (Holtz-Bacha 2012, S. 193ff): 1) die Vertriebsförderung für alle Tages- und Wochenzeitungen; 2) die besondere Förderung zum Erhalt der regionalen Vielfalt auf dem Tageszeitungsmarkt; sowie 3) die Qualitätsförderung und Zukunftssicherung, die der Förderung der Journalistenausbildung, dem Einsatz von Auslandskorrespondenten sowie Forschungsprojekten auf dem Gebiet des Pressewesens dient. Eine Presseförderungskommission - sechs Mitglieder, davon je zwei aus dem Verband Österreichischer Zeitungen, aus der Journalistengewerkschaft sowie aus dem Bundeskanzleramt - berät die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) für die Verteilung der für die Presseförderung <?page no="250"?> 4.3 Medienforschung 251 vorgesehenen finanziellen Mittel an die Zeitungen. (Die KommAustria, dies nebenbei, nimmt primär Regulierungsaufgaben im Telekommunikations- und Rundfunksektor wahr). Maßnahmen direkter Presseförderung sind nicht unumstritten, zumal nicht von der Hand zu weisen ist, »dass staatliche Subventionen für die Medien Abhängigkeiten nach sich ziehen können« (Holtz-Bacha 2012, S. 197). In Deutschland gibt es keine direkte Presseförderung. Die Zeitungsverlage lehnen direkte staatliche Hilfen ab, weil sie »den Verlust ihrer Unabhängigkeit gegenüber dem Staat [fürchten]« (ebd.). Aus einer 2008 durchgeführten Befragung von Medienexperten aus Medienforschung, -praxis und -politik geht hervor, dass eine große Mehrheit (über zwei Drittel) eine staatliche Förderung des Pressemarktes bedenklich findet und »insgesamt […] Skepsis gegenüber staatlicher Förderung der Pressebranche [überwiegt]« (Weichert/ Kramp 2009a, S. 44-47, hier S. 47). Privat finanzierte Stiftungsmodelle: Privat finanzierte Spenden- und Stiftungsmodelle sind u. a. aus den USA bekannt. Bei solchen, teils auch in Europa vorfindbaren Modellen »kann zwischen Stiftungsfinanzierung und individuellen Spenden unterschieden werden« (Puppis/ Künzler 2011, S.-4). Sie verschreiben sich in aller Regel der finanziellen Förderung der Qualität im Journalismus anhand konkreter Projekte wie etwa der Förderung eines qualitativ hochwertigen Lokaljournalismus, des investigativen Journalismus oder z. B. auch des Gesundheitsjournalismus. Einen differenzierten Einblick in die »Finanzierung journalistischer Aktivitäten durch gemeinnützige Organisationen in den USA« vermittelt eine 2011 an der Universität Dortmund erarbeitete Studie (Friedland/ Konieczna 2011; siehe auch Weichert/ Kramp 2009a, S. 67ff). Stephan Weichert und Leif Kramp vermitteln neben ebenfalls US-amerikanischen Projekten einen Überblick über »Gemeinnützige Initiativen zur Förderung des Qualitätsjournalismus in Europa« (Weichert/ Kramp 2009a, S. 70f ). Für Deutschland kann man u. a. auf die Fazit-Stiftung verweisen, die »seit Jahrzehnten die finanzielle und redaktionelle Unabhängigkeit der Frankfurter Allgemeinen [verteidigt]« (Weichert/ Kramp 2009b, S. 3). Manuel Puppis und Matthias Künzler weisen darauf hin, dass sich »Stiftungen meist nur als Anstoßgeber [verstehen], womit die Nachhaltigkeit ihrer Engagements fraglich ist. Weiter bleiben die Absichten, die hinter stiftungsfinanziertem Journalismus stehen, meist intransparent« (Puppis/ Künzler 2011, S. 4). Zu bedenken ist ferner, »dass Zuwendungen zu Medienorganisationen auch dazu verleiten könnten, selbst weniger in Journalismus zu investieren und sich auf Stiftungen zu verlassen« (ebd.). Auf Dauer, meint Lobigs, »lässt sich der Journalismus einer Gesellschaft nicht nur auf mäzenatische Stiftungen und Organisationen gründen« (Lobigs 2013, S. 69). Finanzierung durch die Öffentlichkeit: Ein Vorschlag, den Journalismus künftig durch die Öffentlichkeit zu finanzieren, stammt von der Medienökonomin Marie Luise Kiefer (2011a, 2011b). In ihrem Aufsatz »Die schwierige Finanzierung des Journalismus« (Kiefer 2011a) schlägt sie einen dritten Weg zwischen den bestehenden Alternativen privatwirtschaftlicher und öffentlich-rechtlicher Natur vor (vgl. auch Kap. 4.3.5.4). Ihre Suche nach diesem Weg »erfolgt in mehreren Schritten«, die Kiefer selbst zusammenfassend wie folgt beschreibt (Kiefer 2011a, S. 5): »Voraussetzung einer medienunabhängigen Journalismusfinanzierung ist die Unterscheidung von Journalismus und Medien, die mit institutionentheoretischen Ansätzen erfolgt und Journalismus als die demokratietheoretisch fundamentale Institution ausweist. Eine öffentliche Finanzierung dieser Institution […] setzt deren Formalisierung und staatsferne soziale Organisation voraus. Den Weg dorthin weist die institutionenökonomische Theorie der Commons als Selbstorganisation, das konkrete Modell dafür liefert das soziologische Professionskonzept als eine Form der Commons. Der Staat ist vor allem in der Rolle des Ermöglichers der skizzierten Selbstorganisationsprozesse des Journalismus gefordert, die notwendige Definitions- und Abgrenzungsarbeit ist von Journalismustheorie und -praxis zu leisten. Die mit dem Kollektivgutcharakter journalistischer Dienstleistung begründbare öffentliche Finanzierung wird als eine vom Staat zu organisierende Finanzierung aus verschiedenen Quellen entwickelt« (Kiefer 2011a, S. 5). Das Finanzierungsmodell wird von seiner Verfasserin im Einzelnen erklärt. Um es zu verste- <?page no="251"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 252 hen, ist die Lektüre des Beitrags von Kiefer (2011a) unabdingbar. Der Finanzierungvorschlag ist von (teils harscher) Kritik nicht verschont geblieben (vgl. Ruß-Mohl 2011, Stöber 2011), in einer Replik versucht Kiefer (2011b), diese Kritik zu entkräften. Der Medienökonom Frank Lobigs (Lobigs 2013) hat »Sympathien« für den Vorschlag, bezeichnet ihn jedoch »als politisch/ juristisch chancenlos und damit leider unrealistisch« (Lobigs 2013, S. 69). Die hier nur kurz erörterten, alternativen Formen der Finanzierung von Printmedien stellen de facto keine Alternativen dar, die Printmedien finanziell langfristig abzusichern. Somit stellt sich den Verlagen die Aufgabe, bestehende Finanzierungsformen durch neue, insbesondere auf den Onlinebereich zugeschnittene zu ergänzen, was teils ja bereits der Fall ist. Im Prinzip sind die Gegebenheiten nicht schlecht. Verlage bedienen mehrere Ausspielwege zugleich (Print, E-Paper, Online/ Webportale, Apps bzw. Mobile-Angebote), folglich erzielen sie insgesamt hohe Reichweiten. Das Businessmodell der Verlage, so Christian Meier, dürfe nicht mehr nur »der Verkauf von Print [sein], sondern der Verkauf von Reichweite über mehrere Kanäle hinweg« (Meier 2012, S. 29). An »althergebrachten Reichweitenmodellen wie der Media-Analyse (MA) lasse sich die Stellung der Gattung derweil nicht mehr ablesen« (ebd.). Das Printgeschäft, »so ertragreich es trotz aller Probleme im Vergleich zu anderen Bereichen noch sein mag, [sei] kein Wachstumsbereich mehr« (Meier 2012, S. 33). Die neue Portfolio-Strategie müsse eine sein, »die auf eine Fülle zielgruppen-orientierter Produkte setzt« (ebd.). Dies scheint insbesondere für digital übermittelte Inhalte zu gelten. Damit Nutzer bereit sind, für digitale Inhalte zu bezahlen, müssen sie einen Mehrwert in den Angeboten wahrnehmen, also erkennen können, dass es sich dabei um »einzigartige Qualitätsinhalte [handelt], die anderswo im Netz so nicht erhältlich sind« (Kansky 2012, S. 156). Ein klar abgegrenztes Profil steigert auch den Wiedererkennungswert (ebd.). Über den Erfolg einer Applikation entscheiden drei Elemente: die angebotenen Inhalte, deren Gestaltung und Usability. App-Angebote »müssen nicht unbedingt eine Tageszeitung nachbilden. Sie können sich auf ein einziges Thema fokussieren. Immer mehr Verlage setzen bei den Smartphone-Apps auf sog. »Verticals« (Kansky 2012, S. 158f ). Das sind »Applikationen, die sich an bestimmte Zielgruppen richten und thematisch oder regional ausgerichtet sind« (Kansky 2012, S.- 159). Aus einer 2012 durchgeführten Tablet-Nutzerstudie des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) gehe hervor, dass die Leser selber bestimmen möchten, »wo, wann und in welcher Form sie Zeitungsinhalte konsumieren: 82 Prozent der Befragten wünschen sich neben einem reinen Tablet-Angebot ein kombiniertes Abonnement aus Print und App« (Kansky 2012, S.-159f ). Immer mehr Verlage würden auf diesen Trend reagieren und Abos »nach dem All-Access- Modell an[bieten]« (Kansky 2012, S. 160). Der Einsatz von Social Media, so die erwähnte Studie, sei für die meisten Zeitungen gleichsam Pflichtaufgabe. »Das Gros der Aktivitäten konzentriert sich auf die Präsenz in externen Netzwerken wie Facebook und Twitter« (Kansky 2012, S. 162). Die sozialen Netzwerke eröffnen nicht nur inhaltliche Möglichkeiten, sondern auch neue Möglichkeiten der Anzeigenvermarktung: »So können Verlage ihre Umsätze erhöhen, indem sie den Werbekunden Social-Media-Lösungen mitverkaufen. Lokale Inserenten sind mit Social Media häufig überfordert oder haben wenig Zeit, um sich mit vielfältigen Optionen des digitalen Marketings auseinanderzusetzen« (Kansky 2012, S. 163). Die Verlagsbranche sollte laut Kansky die zunehmende Digitalisierung »nicht als Bedrohung, sondern als Chance« begreifen (ebd.). »Die digitalen Märkte eröffnen weitreichende neue Kanäle für die Zeitungsmarken, ermöglichen die Interaktion mit den Nutzern und unterstützen die Diversifizierung des Geschäftsmodells. Alle diese Entwicklungen stärken die Medienmarken inhaltlich und kommerziell« (Kansky 2012, S. 164). Große Verlagshäuser erwirtschaften mit dem digitalen Geschäft durchaus beachtliche Erlöse. Dazu zwei Beispiele: So machte beim Axel Springer Verlag im Jahr 2012 bei einem Gesamtumsatz von 3,3 Mrd. Euro der Umsatzanteil des digitalen Geschäfts 1,17 Mrd. Euro, also gut ein Drittel aus, wobei hier neben digitalen Medien auch Erlöse aus den Rubrikenportalen <?page no="252"?> 4.3 Medienforschung 253 Immonet (Immobilien) und Stepstone (Jobbörse) sowie Onlinemarketing (Zanox) berücksichtigt sind (Digitalgeschäft Springer 2013, S. 1). Damit »übertrafen die Erlöse der digitalen Medien erstmals die aus jedem anderen Geschäftsbereich« - und damit auch die Erlöse der inländischen Zeitungen als lange Zeit umsatzstärkster Geschäftsbereich des Konzerns (Digitalgeschäft Springer 2013). Die US-amerikanische New York Times gehörte zu den ersten Tageszeitungen, die ein Bezahlmodell für digitale Inhalte einführte. Im letzten Quartal 2012 verzeichnete sie 640.000 zahlende Onlineleser. Im Geschäftsjahr 2012 hat das starke Onlinegeschäft dazu beigetragen, »dass die NYT […] erstmals höhere Erlöse aus dem Verkauf von Print- und Onlineabos als mit Anzeigengeschäft generiert habe« (BDZV intern 2013a, S. 10). Zur Lage des Zeitschriftenwesens Dieser Überblick über das bundesdeutsche Pressewesen konzentrierte sich, wie erwähnt, auf die Tagespresse. Daneben gibt es Wochenzeitungen, wöchentlich erscheinende (den Tageszeitungen beigefügte) TV-Supplements, (politische) Magazine, den vielfältig ausgeprägten Bereich der Zeitschriften (mit den Gruppen der Publikumszeitschriften, der Fachzeitschriften, der Special-Interest- Zeitschriften, der Verbands- und Vereinszeitschriften, der Kunden- und Betriebszeitschriften, der Amtspublizistik sowie der Alternativen Zeitschriften) sowie nicht zuletzt (mehrheitlich wöchentlich erscheinende) Anzeigenblätter. Der Zeitschriftenbereich erweist sich immer wieder als recht unübersichtlich: Es gibt keine wirklich verlässlichen Zahlen über die in Deutschland vorhandenen Zeitschriften; Schätzungen gehen von rund 20.000 Titeln aus (Meyn/ Tonnemacher 2012, S. 88). Auf diesem Markt herrscht ein permanentes Kommen und Gehen, sodass es sich als schwierig erweist, verlässliche Statistiken zu erstellen. Noch am ehesten besteht Klarheit über den Markt der Publikumszeitschriften, über den der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) jährlich Markteintritts- und Marktaustrittszahlen ermittelt und bekannt gibt. Zu den Publikumszeitschriften gehören die klassischen Illustrierten ebenso wie etwa die sog. Regenbogenpresse oder die (TV-)Programmzeitschriften. Die Publikumszeitschriften zählen nach der Tagespresse und vor den Fachzeitschriften zu den umsatzstärksten Pressegattungen in Deutschland. Ihre Gesamtzahl hat sich seit 1975 (340 Titel) bis 2012 (über 1.500 Titel) beträchtlich erhöht (epd medien 2012a), umgekehrt ist die Auflage der Publikumszeitschriften insgesamt aber »von rund 124 Mio. verkauften Exemplaren im Jahr 2000 auf rund 110 Mio. Exemplare im Jahr 2010« zurückgegangen (Lobigs 2013, S. 66). Dies entspricht »einem Rückgang von fast 13 Prozent« (ebd.). 2012 erwirtschafteten die Zeitschriftenverlage laut Angaben des VDZ 68 Prozent des Umsatzes mit dem Printgeschäft, 14 Prozent aus dem Digitalgeschäft und 18 Prozent aus sonstigen Geschäften wie etwa elektronischer Handel (epd medien 2013b, S. 4). Bezahlmodelle werden als sinnvoll erachtet, können aber die Rückgänge im Vertriebmarkt Print »nicht ersetzen. […] Als Treiber für die Bezahlinhalte sehen 75 Prozent der Verlage Angebote für Smartphones und Tablets«, große »Chancen für Wachstum sehen 63 Prozent der Verlage bei digitalen Angeboten für ausgewählte Zielgruppen und Themen« (ebd.). Die erfolgreichsten Verlage sind (nach wie vor) der Bauer-Verlag (Hamburg), der Burda-Verlag (München, Offenburg und Berlin), der Springer-Verlag (Berlin, Hamburg), der Verlag Gruner+Jahr (Hamburg) sowie die WAZ-Mediengruppe (Essen). Der Marktanteil dieser fünf Verlage am Markt der Publikumszeitschriften beträgt gegenwärtig (2012) zusammen 63,6 Prozent (vgl. Vogel 2012a, S. 319). Für die in hohem Maße im Einzelverkauf erworbenen Publikumszeitschriften ist das Pressegrosso »die zentrale Säule des Pressevertiebs« (Scherzer 2012, S. 11). Das Pressegrosso sichert »einen diskriminierungsfreien Zugang insbesondere auch von Titeln kleinerer Verlage und von Titeln mit kleinerer Auflage zum Lesermarkt« (ebd.). Das Gros der Zeitschriftenverlage ist auch online engagiert. Informationen über Online als Geschäfts- <?page no="253"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 254 feld der Pressewirtschaft großer Verlage sind dem Beitrag von Andreas Vogel »Auf dem Weg zum zweiten Standbein? Online als Geschäftsfeld und Vertriebskanal der Pressewirtschaft« zu entnehmen (Vogel 2012b, S. 158-172). Auskunft über die Anzeigenblätter in Deutschland - 1.435 Titel, gemeinsame Auflage 94 Mio. Exemplare - erteilt der Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter (BVDA) unter www.bvda.de. Wissenschaftliche Veröffentlichungen über Vorgänge auf dem Markt der Publikumszeitschriften, über Konzentrationserscheinungen sowie über mediendiagonale Verflechtungen zwischen Presseverlagen, Rundfunkanstalten (Hörfunk wie Fernsehen) sowie Multimedia-Unternehmungen finden sich u. a. regelmäßig in der Zeitschrift Media Perspektiven, ebenso in der Fachzeitschrift Medien- Wirtschaft sowie teils auch in den FOCUS-Jahrbüchern. Mit Veränderungen der Medienlandschaft in jüngster Zeit und ihren Auswirkungen auf das Zeitschriftenwesen und ihre Käufer bzw. Leser befasst sich ein von Sven Dierks 2009 herausgegebener Sammelband (Dierks 2009). Aktuelle Daten über den Zeitschriftenmarkt (Fachzeitschriften, Publikumszeitschriften, konfessionelle Medien, digitale Medien) sind dem jährlich erscheinenden VDZ-Jahrbuch sowie (teils nur entgeltlich) dem Onlineauftritt des Verbandes Deutscher Zeitschriften (www.vdz.de) zu entnehmen. Mit der periodischen Presse - mit Zeitungen und Zeitschriften - befasst sich überblickshaft auch Klaus Beck in seiner 2012 vorgelegten Publikation »Das Mediensystem Deutschlands« (Beck 2012, S. 97-156). Einen trotz Titel-, Auflagen- und Erlöseinbußen erwähnenswerten Anteil am (Wochen-)Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt stellt die konfessionelle Presse dar. Auskunft über »Zustand und Zukunft katholischer Medien«, so der Titel einer wissenschaftlichen Untersuchung, erteilt Christian Klenk (Klenk 2013). Eine Bestandsaufnahme (mit Perspektiven) der evangelischen Publizistik stammt von Daniel Meier (2011). 4.3.5.2 Rundfunkwesen in Deutschland Die Geschichte des öffentlichen deutschen Rundfunkwesens reicht in die 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts zurück. Davor gab es bereits Rundfunk, allerdings nur für staatliche, militärische und z.T. auch wirtschaftliche Zwecke. Die Funkhoheit lag dem Reichstelegraphengesetz von 1892 zufolge beim Staat. Die Sende- und Empfangstechnik war bald nach der Jahrhundertwende (1904) so weit entwickelt, dass Rundfunk im Sinne von Radiotelegrafie probeweise betrieben werden konnte. Anfang der 1920er-Jahre wurde in zahlreichen europäischen Ländern, so auch in den deutschsprachigen, für die Öffentlichkeit gedachter Rundfunk (im Sinne von Hörfunk) in Betrieb genommen (vgl. Lerg 1965 und 1980). Die Entwicklung, Verbreitung und Ausdifferenzierung des deutschen Rundfunkwesens weist im Rückblick sieben größere (historische) Etappen auf, die im Folgenden skizziert werden sollen. Es sind dies: Die Errichtung und Entwicklung öffentlichen Rundfunks (1923-1932); Rundfunk im Nationalsozialismus (1933-1945); der Rundfunk der Besatzungsmächte (1945-1949); die Errichtung öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ab 1949); die Errichtung privaten Rundfunks und damit das Entstehen eines »dualen« Rundfunksystems (ab 1984); der Rundfunk nach Wende und Wiedervereinigung (ab 1990); sowie jüngere und aktuelle Entwicklungen. Wenn im Folgenden allgemein von Rundfunk die Rede ist, so sind damit - der einheitlichen Terminologie des Faches entsprechend - immer Radio und Fernsehen gemeint. Das Rundfunkwesen ist in der Bundesrepublik Deutschland ordnungspolitisch - dies ist wichtig - primär in der Kompetenz der Bundesländer, die daher auch die Gesetzgebung für das Rundfunkwesen wahrnehmen. Dazu gehören u. a. die Landesrundfunkgesetze (für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wie BR, SWR, HR etc.), die Landesmediengesetze (für den privaten Rundfunk in <?page no="254"?> 4.3 Medienforschung 255 den Bundesländern), Medienstaatsverträge (wie z. B. die Gründung des ZDF 1961 durch die Bundesländer) und insbesondere Rundfunkstaatsverträge. Letztere enthalten Bestimmungen sowohl für den öffentlich-rechtlichen wie auch für den privaten Rundfunk und gelten für alle 16 Bundesländer gleichermaßen. Derzeit (Jahreswende 2012/ 13) ist der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (15. RÄStV) in Kraft, am 16. RÄStV wird bereits gearbeitet (er soll 2014 in Kraft treten). Die Rundfunkstaatsverträge werden laufend aktuellen Entwicklungen gesellschaftlicher, kultureller, technischer und wirtschaftlicher Natur angepasst. In wichtigen Grundsatzfragen entscheidet auf Anruf durch Betroffene das Bundesverfassungsgericht. Auf mehrere dieser Urteile wird im Lauf der nachfolgenden Ausführungen noch Bezug genommen. Da die Bundesrepublik Deutschland der Europäischen Union (EU) angehört, sind außerdem Richtlinien, die die EU vorgibt - im Rundfunkbereich z. B. die Fernsehrichtlinie (1989 bzw. 1998) bzw. später die Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste (AVMD 2007/ 2010) - von allen EU-Mitgliedsstaaten aus Gründen der Harmonisierung in nationales Recht umzusetzen (vgl. Kap. 4.3.5.2, S. 274ff). Die (Teil-)Kompetenz der EU für Rundfunk ergibt sich aus einem 1974 ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), wonach das Kulturgut Rundfunk eine Dienstleistung ist und damit auch ein Wirtschaftsgut darstellt. Daher ist die EU in ihren Richtlinien um einen Ausgleich zwischen Rundfunk als Kulturgut und Rundfunk als Wirtschaftsgut bemüht (vgl. dazu Dörr/ Wiesner 2009). Da die für den Rundfunk in Deutschland zuständigen Bundesländer gegenüber der Europäischen Union nicht in der Lage sind, ihre Interessen selbst zu vertreten, ist es (dem 9. Rundfunkurteil vom 22. März 1995 zufolge) Aufgabe des Bundes, »als ›Sachwalter‹ der Interessen der Bundesländer« zu agieren »und diese nach außen gegenüber der EU« zu vertreten, ohne dass damit die Rundfunkkompetenz der Länder an den Bund übergeht« (Beck 2012, S. 221). Aus dieser Verantwortlichkeit erwachsen dem Bund »prozedurale Pflichten zu bundesstaatlicher Zusammenarbeit und Rücksichtnahme« (Stuiber 1998, Teil 1, S. 457). Zum Rundfunkbegriff Zunächst ein Hinweis auf den vielschichtigen, meist jedoch technisch verstandenen Rundfunkbegriff (vgl. Stuiber 1998, S. 21ff). Er unterlag im Laufe der (Fort-)Entwicklung des Rundfunks einem Wandel. Zunächst gab es nur den Hörfunk, dann kam das Fernsehen hinzu. Neben die terrestrische Ausstrahlung von Radio- und Fernsehprogrammen traten ab den 1970er/ 1980er-Jahren als Verbreitungswege auch Kabel- und Satellitentechnologie. Es folgten ab den 1990er-Jahren Elektronisierung und Digitalisierung, Multimedia und Onlinemedien. Der Rundfunkstaatsvertrag von 1991 definierte Rundfunk noch als »die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild unter Benutzung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder mittels eines Leiters. Der Begriff schließt Darbietungen ein, die verschlüsselt werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind, sowie Fernsehtext« (vgl. Stuiber 1998, Band 2, S.-32). Damit waren Videotext, Kabeltext, Kabelhörfunk und Kabelfernsehen mit eingeschlossen. Dem Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV) der Länder von 1997 zufolge (vgl. w. u.) haben für sog. Mediendienste wie Video-on-Demand, Teleshopping u. a. ähnliche Bestimmungen gegolten wie für den Rundfunk. Infolge der Digitalisierung, von der insbesondere auch das Rundfunkwesen betroffen ist, und damit entstandener neuer Telemedien-Angebote, wird nun zwischen Rundfunk und Telemedien unterschieden. Im seit 2009 geltenden 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄStV) ist Rundfunk »ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen. Der Begriff schließt Ange- <?page no="255"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 256 bote ein, die verschlüsselt verbreitet werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind« (12. RÄStV, abgedruckt in Media Perspektiven Dokumentation I/ 2009, S. 4). Telemedien werden von Rundfunk abgegrenzt: »Telemedien sind alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes sind, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen oder telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 des Telekommunikationsgesetzes oder Rundfunk nach Satz 1 und 2« (12. RÄStV, ebd.). Unter Telemedien versteht man z. B. (vgl. Seufert/ Gundlach 2012, S. 210): Pay-per-View-Programme, Teleshopping-Kanäle, Videoon-Demand-Angebote, Onlineangebote etwa von Zeitungen, Internetsuchmaschinen u. a. m. Rechtliche Bestimmungen für Telemedien liegen u. a. im Telemediengesetz (TMG) vor (vgl. Kap. 4.3.5.2, S. 283f ). Doch zurück zur Entwicklung des Rundfunkwesens in Deutschland seit seinen Anfängen. Öffentlicher Rundfunk - »Radio-Stunde AG« (1923) Die Vergabe einer ersten Konzession zur Eröffnung eines regelmäßigen öffentlichen Programmdienstes erfolgte in Deutschland 1923 an die »Radio-Stunde-AG« in Berlin. Sie eröffnete am 29. Oktober 1923 ihr Hörfunkprogramm und wurde im März 1924 in »Funk-Stunde AG« umbenannt. Hinter dieser Aktiengesellschaft stand einerseits eine Gesellschaft der Elektroindustrie (»Funk-Stunde AG«) sowie eine Aktiengesellschaft des Reichsministeriums (die »DRADAG« - Drahtloser Dienst AG für Buch und Presse). Die Gesellschaft war eine mehrheitlich staatliche Aktiengesellschaft, die Lizenzvergabe stellte gleichsam ein Präjudiz für quasi-öffentlich-rechtlichen Rundfunk dar, zumindest für Rundfunk unter staatlichem Geleit. Ab 1924 kam es in acht weiteren deutschen Städten - in Leipzig, München, Frankfurt, Hamburg, Stuttgart, Breslau, Königsberg und Münster (später Köln) - zur Gründung regionaler Rundfunkgesellschaften, und zwar durchaus mit privater Beteiligung, jedoch mit Aktienmehrheit für die Reichspost. 1925/ 26 schlossen sich die damals neun Sender in der Reichsrundfunkgesellschaft m.b.H. (RRG) zusammen. 1926 wurde die Erste Rundfunkordnung erlassen. Sie sah zwei Kontrollorgane vor, nämlich »Überwachungsausschüsse« und »Kulturbeiräte«. Es war dies ein erster Schritt zu einem Rundfunk in Staatsnähe, dem 1932 mit der Zweiten Rundfunkordnung eine noch nähere Bindung des Rundfunks an den Staat folgte. Das private Kapital der Rundfunkgesellschaften wurde von den jeweiligen Ländern übernommen (jeweils 49 Prozent), 51 Prozent verblieben bei der Reichspost. Die Reichsrundfunkgesellschaft als Dachorganisation wurde zum zentralen Betriebsunternehmen. Als Gremien für die staatliche Exekutive in der Reichsrundfunkgesellschaft wurden der Verwaltungsrat und der Programmbeirat geschaffen; und auch in den Regionalgesellschaften gab es staatliche Exekutivorgane. Die Reichsrundfunkgesellschaft erhielt einen eigenen, überregionalen Reichssender, den »Deutschlandsender«; ebenso wurde eine »Stunde der Reichsregierung« eingeführt. Mit der Zweiten Rundfunkordnung wurden für den Rundfunk also eine staatliche Aufsicht, eine zentrale Verwaltung sowie eine Programmkontrolle geschaffen. Bereits 1926 hatte der Langwellensender »Deutsche Welle« seinen Programmdienst eröffnet; 1929 folgte ein für das Ausland gedachter Kurzwellensender, der ab 1930 offiziell »Deutscher Kurzwellensender« hieß (vgl. Lerg 1965 und 1980; Stuiber 1998, S.-133ff; Dussel 1999, S.-19ff). Rundfunk unter dem Nationalsozialismus (1933-1945) Mit der Machtübernahme durch Adolf Hitler wurde auch der Rundfunk dem nationalsozialistischen Regime untergeordnet. Die Dritte Rundfunkordnung (1934/ 35) hatte die Auflösung der damals elf <?page no="256"?> 4.3 Medienforschung 257 selbstständigen Rundfunk-Regionalgesellschaften zur Folge - sie wurden als »Reichssender« der staatlichen Reichsrundfunkgesellschaft einverleibt. Damit waren die Kompetenzen der Länder im Bereich des Rundfunks abgeschafft, die Besitzrechte lagen voll beim Deutschen Reich. Die Leitung des Rundfunks hatte ein (General-)Intendant, dem drei Direktionsbereiche (Programm, Wirtschaft, Technik) untergeordnet waren. Die politische Lenkung des Rundfunks lag in der Folge bei dem 1933 geschaffenen »Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda«. Die Reichsrundfunkkammer (als Teil der Reichskulturkammer) war die zuständige Körperschaft für die Mitarbeiter im Rundfunk (es bestand Pflichtmitgliedschaft), hatte jedoch auch andere Aufgaben wie die Organisation von Rundfunkausstellungen und Volkssenderaktionen sowie die Steuerung der Produktion preiswerter, für jedermann erschwinglicher Rundfunkempfangsgeräte u. a. m. (vgl. Diller 1980; Stuiber 1998, S.-161ff; Dussel 1999, S.-79ff). In die Zeit des Nationalsozialismus fiel auch (am 22. März 1935) die Eröffnung des ersten regelmäßigen Fernsehprogramm-Betriebes der Welt, allerdings war die Bildauflösung noch schwach entwickelt, die TV-Geräte waren teuer und für den Durchschnittsbürger nicht erschwinglich. 1936 erfolgte aus Berlin die Übertragung der Olympischen Spiele. Sie konnten in öffentlich zugänglichen »Fernsehstuben«, die von der Post in Berlin, Leipzig und Potsdam eingerichtet wurden, von rund 162.000 Personen mit verfolgt werden. Die technische Entwicklung des Fernsehens wurde von den Nationalsozialisten zwar noch vorangetrieben; die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges machten jedoch die Pläne zunichte, das Medium Fernsehen ähnlich dem Hörfunk zu einem Volksmedium aufzubauen und für propagandistische Zwecke zu nutzen (vgl. Diller 1980; Winkler 1994; Zeutschner 1995; Dussel 1999, S.-116). Das Radio hingegen wurde von den Nationalsozialisten als das Propaganda-Instrument völlig in den Dienst des Staates gestellt. So wurden u. a. sämtliche Reden Adolf Hitlers sowie ein großer Teil jener von Joseph Goebbels, dem Chef des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, im Hörfunk übertragen. Um das Radio zu einem breitenwirksamen Medium zu machen, gab es bereits ab 1933 Parolen wie »Rundfunk in jedes Haus«. Es wurden billige Kleinradios entwickelt wie der »Volksempfänger«, der »Deutsche Kleinempfänger« (auch »Goebbels-Schnauze« genannt) oder der transportable »Deutsche Olympiakoffer«. Der »Deutsche Arbeitsfront-Empfänger« diente dem Gemeinschaftsempfang von Radioprogrammen am Arbeitsplatz. 1940 führte Goebbels für alle Funkhäuser ein Radio-Einheitsprogramm ein, das während des Zweiten Weltkrieges für Sondermeldungen sowie propagandistische Zwecke unterbrochen wurde. Die letzte Propaganda-Lüge war die am 1. Mai 1945 ausgesendete Meldung über »den Heldentod des Führers Adolf Hitler im Kampf gegen die Russen«. Die zu Kriegsende noch bestehenden Sendeanlagen wurden weitgehend von den Nationalsozialisten selbst vernichtet, um sie nicht den Alliierten zu überlassen. Am 7. Mai 1945 wurde über den Sender Flensburg die bedingungslose Kapitulation der deutschen Truppen bekannt gegeben (vgl. Diller 1980; Stuiber 1998, S.-161ff; Dussel 1999, S.-79ff). Der Rundfunk der Besatzungsmächte Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde von den Besatzungsmächten jede Sendetätigkeit verboten, die größtenteils zerstörten Sendeanlagen wurden beschlagnahmt. Zunächst wurden Besatzungs- und Soldatensender der jeweiligen Militärregierungen geschaffen. Es folgte die Errichtung von Rundfunkanstalten durch die Besatzungsmächte. Die Briten gründeten in ihrem Besatzungsgebiet nach dem Vorbild der öffentlich-rechtlichen BBC den »Nordwestdeutschen Rundfunk« (NWDR) mit Sitz in Hamburg. Die Franzosen errichteten in Baden-Baden den »Südwestdeutschen Rundfunk« mit einer Außenstelle in Saarbrücken. Die Amerikaner bauten dezentrale Rund- <?page no="257"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 258 funksender in München, Frankfurt, Stuttgart und Bremen auf. Die Sowjets schufen in ihrer Zone den »Berliner Rundfunk« mit Außenstellen in anderen Teilen der SBZ. In Berlin errichteten außerdem die Amerikaner in ihrem Sektor den »RIAS« (Radio im amerikanischen Sektor), die Briten in ihrem Hoheitsgebiet den »Sender Freies Berlin« (SFB). Die Militärregierungen nutzten die Radiosender zur Kontrolle der politischen und wirtschaftlichen Situation in Deutschland und führten auch Zensurmaßnahmen ein. Bereits ab 1946 wurden in den westlichen Besatzungszonen die Sender nach und nach in die Hände deutscher Verantwortlicher und Mitarbeiter gelegt. Die westlichen Alliierten hatten zwar das Interesse, für die Organisationsform des Rundfunks in deutscher Hand jeweils das Rundfunksystem des eigenen Landes übertragen zu wissen. Ein Kompromiss bestand aber schließlich darin, das britische Modell eines gemeinwohlverpflichteten, öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu übernehmen, dessen Kontrolle von staatlichen Instanzen unabhängig sein sollte (vgl. Bausch 1980 (1), S.-13ff; Kapust 1981, S.-13ff; Stuiber 1998, S.-184ff; Platho 1999; Dussel 1999, S.-181ff; Diller 1999). (Öffentlich-rechtlicher) Rundfunk in der neuen Bundesrepublik Deutschland Die Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland, zumindest was die in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten betraf, war zu einem nicht unerheblichen Teil Folge der Rundfunkpolitik der Besatzungsmächte. Bereits ab 1948, also noch vor der am 23. Mai 1949 gegründeten Bundesrepublik, kam es in einigen Bundesländern zur Schaffung von Landesrundfunkgesetzen, auf deren Basis der Bayerische Rundfunk (BR), der Hessische Rundfunk (HR), Radio Bremen (RB) und der Süddeutsche Rundfunk (SDR) sowie der Südwestfunk (SWF) errichtet wurden. Der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) mit seinem ungewöhnlich großen Sendegebiet wurde 1954 in den Norddeutschen Rundfunk (NDR) und in den Westdeutschen Rundfunk (WDR) geteilt. Im gleichen Jahr ging der Sender Freies Berlin (SFB) auf Sendung, der seinerseits aus dem Berliner Funkhaus des NWDR hervorgegangen ist. Der Saarländische Rundfunk entstand 1956, als das französisch besetzte Saargebiet in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert wurde. Die Unabhängigkeit des Rundfunks in Deutschland war bereits 1949 in Artikel 5 des Grundgesetzes festgeschrieben, seine völlige politische Unabhängigkeit erhielt er jedoch erst mit dem am 5. Mai 1955 in Kraft getretenden Deutschlandvertrag, als die volle Souveränität der Bundesrepublik Deutschland hergestellt wurde (vgl. Bausch 1980 (1) S.-160ff; Stuiber 1998, S.-184ff; Diller 1999; Kapust 1981). Die ARD 1950 schlossen sich die damals sechs bestehenden Rundfunkanstalten (NWDR, RB, HR, BR, SDR und SWF) zur Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) zusammen, die später gegründeten Anstalten (WDR, SFB und SR) folgten. Die Arbeitsgemeinschaft diente zunächst (nur) der Herstellung und dem Austausch von Hörfunkprogrammen. Mit dem 1953 von den ARD-Anstalten vereinbarten Fernsehvertrag wurde die Grundlage für ein gemeinsames (Erstes) Fernsehprogramm geschaffen, das am 1. November 1954 seinen offiziellen Sendebetrieb aufnahm. (Der NWDR strahlte bereits ab Weihnachten 1952 in seinem Sendegebiet einen regelmäßigen Fernsehprogrammdienst aus. Zu seinen ersten Sendungen gehörte u. a. die Hauptabendnachrichtensendung Tagesschau) (vgl. Bausch 1980 (1) S.- 239ff; Stuiber 1998, S.- 211ff; Diller 1999; Donsbach/ Mathes 1997). <?page no="258"?> 4.3 Medienforschung 259 Die ARD, unter deren gemeinsamem Dach sich gegenwärtig (Stand: Anfang 2013) neun Landesrundfunkanstalten befinden (vgl. w. u.), ist ein föderalistisch strukturierter, öffentlich-rechtlicher Rundfunkverband. Jede Landesrundfunkanstalt verfügt über einen je eigenen Rundfunkrat, einen Verwaltungsrat und einen Intendanten. Höchstes Organ ist der nach gesellschaftlich relevanten Gruppen pluralistisch zusammengesetzte Rundfunkrat. Er vertritt gegenüber der jeweiligen Anstalt die Interessen der Allgemeinheit, wählt den Intendanten (und auf dessen Vorschlag leitende Positionen wie Fernsehdirektor, Hörfunkdirektor und Technischen Direktor). Der Verwaltungsrat nimmt Kontrollaufgaben im Bereich der Rundfunkwirtschaft, der Verwaltung sowie der Finanzen wahr. Der Intendant vertritt die Anstalt nach innen und außen und verantwortet das Programm (Stuiber 1998, S.-713ff; Platho 1999, S.-28ff; Donsbach/ Mathes 1997). Die Geschäftsführung der ARD mit ihren derzeit neun Landesrundfunkanstalten liegt einem Rotationsprinzip zufolge für die Dauer eines Jahres bei einer Anstalt; Vorsitzender der ARD ist folglich jeweils der Intendant der geschäftsführenden Anstalt (wobei eine Wiederwahl für ein weiteres Jahr möglich und auch Praxis ist). Für die Koordination und Produktion der Fernsehprogramme der ARD gibt es eine ständige Programmkonferenz, der der Direktor der Programmdirektion vorsteht. Der Programmkonferenz der ARD steht ein eigener Fernsehbeirat zur Seite (vgl. Stuiber 1998, S.-713ff; Platho 1999, S.-28ff; Donsbach/ Mathes 1997). Wichtig für die ARD war für lange Zeit der Finanzausgleich (der Anstalten untereinander) und ist nach wie vor die Regelung der Programmanteile für das Erste Deutsche Fernsehprogramm. Die Notwendigkeit des Finanzausgleichs ergab sich durch das Nebeneinander »großer« Landesrundfunkanstalten mit bevölkerungsbedingt hohem Gebührenaufkommen (wie v. a. WDR, SWR, BR) und »kleiner« Anstalten mit bevölkerungsbedingt niedrigen Gebührenerträgen. Diese kleinen, »nehmenden« Anstalten sind derzeit (Stand: Anfang 2013) nur noch der Saarländische Rundfunk (SR) und Radio Bremen (RB). Sie erhalten von den großen Anstalten über den Finanzausgleich Geldbeträge, um ihren Aufgaben bei der Programmproduktion nachkommen zu können. Der Finanzausgleich macht gegenwärtig jedoch nur noch ein Prozent des Netto-Gebührenaufkommens aus. Die Regelung der von den einzelnen ARD-Anstalten zu produzierenden (Fernseh-)Programmanteile für das Erste Deutsche Fernsehprogramm erfolgt nach einem Verteilungsschlüssel, der sich am jeweiligen Bevölkerungsanteil orientiert. Die sog. Dritten Fernsehprogramme sowie die Hörfunkprogramme der einzelnen ARD-Anstalten sind von dieser Programmkoordination nicht berührt (vgl. Stuiber 1998, 746ff; Donsbach/ Mathes 1997), wiewohl es Programmaustausch der Dritten Programme untereinander gibt. Weiters zu erwähnen ist die Gremienvorsitzendenkonferenz GVK, das Aufsichtsgremium der ARD in Bezug auf gemeinschaftliche Tätigkeiten des föderalen Senderverbunds. Ihr gehören die jeweils Vorsitzenden der Rundfunkräte und Verwaltungsräte der neun Landesrundfunkanstalten sowie der Deutschen Welle an (in der Summe 20 Mitglieder). Die GVK berät die Intendantenkonferenz der ARD, insbesondere bei grundsätzlichen Fragen der Programmgestaltung und -struktur, der Unternehmenspolitik und der Rundfunkpolitik (www.ard.intern.de/ gremienvorsitzendenkonferenz-der-ard/ ). Das ARD-Generalsekretariat wiederum unterstützt den (in aller Regel zwei Jahre) wechselnden ARD-Vorsitz bei der Geschäftsführung des Senderverbundes. Es ist u. a. auch mitverantwortlich für die strategische Positionierung sowie Interessensvertretung der ARD nach innen und außen. Das Zweite Deutsche Fernsehen - ZDF Die Gründung des Zweiten Deutschen Fernsehens geht indirekt auf Bemühungen zurück, in Deutschland über eine Bundesfernsehanstalt privates Fernsehen einzuführen. Bereits in den 1950er- <?page no="259"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 260 Jahren gab es vereinzelt Projekte bzw. Versuche, in Deutschland auch privaten Rundfunk einzuführen. Keines wurde jedoch realisiert. Außerdem gab es zwischen Bund und Ländern wiederholt Konflikte um die Rundfunkkompetenz. Dennoch kam es Ende 1960 zur gesetzlichen Errichtung der beiden Bundessender Deutsche Welle (damals für weltweit ausgestrahlte Hörfunksendungen) und Deutschlandfunk (für Hörfunksendungen ins deutschsprachige Ausland, bzw. in die DDR). Beide Sender wurden damals in die ARD kooptiert (vgl. w. u.), ebenso der aus Besatzungszeiten in Berlin stammende Sender RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor).-Ein Höhepunkt im Konflikt um die Rundfunkkompetenzen zwischen Bund und Ländern wurde erreicht, als 1960 der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer versuchte, das Deutschland-Fernsehen zu gründen. Dieses sollte ebenfalls eine Bundesrundfunkanstalt sein, wobei der Bund mit 51 Prozent und die Länder mit 49 Prozent beteiligt sein sollten. Gedacht war der Fernsehsender als Auftraggeber für private Programmanbieter. Die Länder weigerten sich jedoch, sich an der Deutschland-Fernsehen-GmbH zu beteiligen, woraufhin die ihnen zugedachten 49 Prozent ebenfalls an den Bund übertragen wurden und der Bund somit Alleineigentümer war (Bausch 1980 (1), S.-447; Stuiber 1998, S.-225; Dussel 1999, S.-227f; Diller 1999). Das Vorhaben Adenauers scheiterte schlussendlich am Bundesverfassungsgericht. Es gab der Klage der SPD-geführten Bundesländer Hessen und Niedersachsen sowie der Freistädte Hamburg und Bremen statt und erklärte in einem 1961 ergangenen Urteil die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH für verfassungswidrig. Im Einzelnen hielt das Urteil mit Berufung auf das Grundgesetz fest (vgl. Bausch (1) 1980, S.- 430ff; Stuiber 1998, S.- 424; Donsbach/ Mathes 1997; Altendorfer 2001, S.-129ff): • Die Veranstaltung von Rundfunk als kulturelles Gut sei eindeutig Ländersache und falle damit in die Gesetzgebungskompetenz der Länder. • Rundfunk sei eine staatsfreie, öffentliche Aufgabe. Der Staatseinfluss bei der »Deutschland-Fernsehen-GmbH« sei nicht zu übersehen. • Die Möglichkeit, privaten Rundfunk zu betreiben, sei grundsätzlich nicht ausgeschlossen, angesichts der technisch bedingten Frequenzknappheit sowie der kostspieligen Finanzierung jedoch nicht möglich. • Der Bund habe lediglich Kompetenzen für die Bereitstellung des sendetechnischen Betriebes (Bundespost). Dieses sog. Erste Rundfunkurteil ist als »magna carta« in die Geschichte des Rundfunks in Deutschland eingegangen. Es hat dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk für viele Jahre ein Sendemonopol (de facto bis 1984) beschert. Es führte im Weiteren dazu, dass sich die Bundesländer entschlossen, auf der Basis eines Staatsvertrages der Länder eine zweite Rundfunkanstalt öffentlichen Rechts einzurichten. So wurde 1961 das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) gegründet, das am 1. April 1963 seinen Sendebetrieb aufnahm (vgl. Wehmeier 1997; Bausch 1980 (1), S.-465ff, S.-476ff). Im Unterschied zur föderalen Struktur der ARD ist das ebenfalls öffentlich-rechtlich verfasste ZDF zwar eine Länderanstalt, aber zentralistisch organisiert: Es hat seinen Sitz und seine Sendezentrale in Mainz; daneben verfügt es über Landesstudios in den Bundesländern, die v. a. zum aktuellen Informationsprogramm des ZDF Beiträge zuliefern, z.T. aber auch eigene, bundesweit ausgestrahlte Sendereihen gestalten. Auch das ZDF verfügt über zwei pluralistisch zusammengesetzte Kontrollinstanzen, den Fernsehrat sowie den Verwaltungsrat. Es wird von einem Intendanten geleitet, dem der Verwaltungsdirektor, der Finanzdirektor und der Programmdirektor zur Seite stehen (vgl. Platho 1999). Zwischen 1963 und 1991 gab es zwischen ARD und ZDF regelmäßig vereinbarte Koordinierungsabkommen, deren Ziel es war, die Fernsehprogramme der beiden Anstalten so aufeinander abzustimmen, dass die Zuschauer zwischen zwei inhaltlich verschiedenen Programmen wählen konnten. Seitens des ZDF wurde dieses <?page no="260"?> 4.3 Medienforschung 261 Abkommen 1991 nicht mehr verlängert. Dabei dürften v. a. Konkurrenzgründe gegenüber den privaten Fernsehprogramm-Anbietern eine Rolle gespielt haben (Lilienthal 1999). Die Dritten (TV-)Programme Ab 1964 begannen die Landesrundfunkanstalten der ARD, entweder eigenständig (wie etwa der Bayerische Rundfunk) oder im Zusammenwirken (wie damals etwa Süddeutscher Rundfunk und Südwestfunk) sog. »Dritte (TV-)Programme« einzuführen (vgl. Roß 1967; Dussel 1999, S.-232; Roß 1981). Diese waren zunächst primär als Bildungsprogramme konzipiert (vgl. Roß 1967), entwickelten sich jedoch - nicht zuletzt aus Konkurrenzgründen gegenüber öffentlich-rechtlichen wie (später, ab 1984) privaten Fernsehanbietern - zu je eigenen Vollprogrammen (vgl. Brosius/ Fahr/ Vlasic 1999). Hinzu kamen - bzw. kommen - die Hörfunkprogramme der Landesrundfunkanstalten der ARD (derzeit 57), nach der Wiedervereinigung das Deutschlandradio mit seinen zunächst zwei, seit 2010 drei national verbreiteten, gemeinschaftlichen Hörfunkprogrammen von ARD und ZDF, nämlich Deutschlandfunk und DRWissen (beide aus Köln) sowie Deutschlandradio Kultur (aus Berlin) sowie im Weiteren schließlich digitale TV- und Radioprogramme der öffentlich-rechtlichen Sender. Ergänzt werden diese Programme durch Onlineauftritte der ARD und ihrer einzelnen Landesrundfunkanstalten, des ZDF und auch der anderen hier erwähnten Sender mit in aller Regel programmbegleitenden Informationen (vgl. w. u.). Abbildung 10, S. 262, weist die Anzahl öffentlich-rechtlicher Fernsehprogramme aus. Deutsche Welle Nicht unerwähnt bleiben soll, dass auch die Deutsche Welle (DW) öffentlich-rechtlichen Grundsätzen verpflichtet ist. Sie wurde zur Ausstrahlung von Rundfunk für das Ausland gegründet und ist seit 1960/ 1962 eine Rundfunkanstalt des Bundes und auch Mitglied in der ARD. Sie geht auf einen 1929 gegründeten Weltrundfunk-Kurzwellensender der Reichspost zurück und war von 1933 bis 1945 der vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda gesteuerte Deutsche Kurzwellensender. Ihren Sendebetrieb nahm sie nach dem Krieg 1953 auf und war bis 1961 »die gemeinsam von den ARD-Anstalten getragene Deutsche Welle« (Deutsche Welle 2012a). Danach wurde sie eine Rundfunkanstalt des Bundesrechts. Vorrangige Aufgabe der DW ist es heute, auf modernen Übertragungswegen »Menschen im Ausland mit Interesse an Deutschland und an der deutschen Sprache ein umfassendes Bild des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens im heutigen Deutschland zu vermitteln. Darüber hinaus gilt es, diesen Menschen deutsche Auffassungen zu wichtigen internationalen Themen darzustellen und zu erläutern« (Deutsche Welle 2012b). Das Angebot der DW umfasst: Sechs Fernsehkanäle (Basiskanal, DW Europe, DW Latinoamerica, DW Amerika, DW Asien, DW Arabia), ein multimedial aufbereitetes Informationsangebot im WWW in dreißig Sprachen sowie Radioprogramme (vorwiegend als Bildungsprogramme - learning by ear - in Afrika und Asien). »Für das deutschsprachige TV-Programm greift die Deutsche Welle verstärkt auf Sendungen der ARD-Landesrundfunkanstalten und des ZDF zurück« (Deutsche Welle 2012a). Die Ausstrahlung der Programme der DW in der analogen Form wurde nach fast 60 Jahren am 30. Oktober 2011 beendet. Auch die Deutsche Welle verfügt als Organe über einen Rundfunkrat, einen Verwaltungsrat und einen Intendanten. Finanziert wird sie aus Steuermitteln des Bundes. <?page no="261"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 262 Abb. 10: Öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme in Deutschland (2012) Das Erste (ARD) Vollprogramm Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) Vollprogramm Dritte Programme Bayerisches Fernsehen regionales Vollprogramm Hessen Fernsehen regionales Vollprogramm MDR Fernsehen regionales Vollprogramm NDR Fernsehen regionales Vollprogramm RBB Fernsehen regionales Vollprogramm SWR/ SR-Fernsehen regionales Vollprogramm WDR Fernsehen regionales Vollprogramm Gemeinschafts-TV-Programme von ARD und ZDF 3sat gemeinsames Kulturprogramm von ARD, ZDF, ORF, SRG ARTE gemeinsames Kulturprogramm Deutschland/ Frankreich; Kooperation mit ORF Phoenix Ereignis-/ Dokumentationskanal KIKA Kinderprogramm (Kinderkanal) Öffentlich-rechtliche Digitalprogramme ARD-digital (digitale Programmbouquets der ARD): Eins Plus Informations- und Wissenskanal für die ganze Familie Eins Festival TV-Kanal mit täglich wechselnden Schwerpunkten (Kino, Doku etc.) tagesschau24 Nachrichtenkanal mit aktuellen Informationen im Viertelstundentakt ZDF-vision (digitale Programmbouquets des ZDF): zdf info Informations- und Doku-Kanal des ZDF zdf neo TV-Kanal als öffentlich-rechtliche Alternative für junge Zuseher (Factual Entertainment, Dokus, Reportagen, Quiz, Spielfilm etc.) zdf kultur TV-Spartenkanal Weitere Programme BR-alpha Bildungsprogramm des Bayerischen Rundfunks Deutsche Welle (Mitglied der ARD) Auslandsrundfunk der Bundesrepublik Deutschland (6 Fernsehkanäle, multimedial aufbereitetes Informationsangebot im WWW in 30 Sprachen, Radioprogramme (vorwiegend als Bildungsprogramme in Afrika und Asien), Programmübernahmen von ARD und ZDF). (eigene Darstellung; aktuelle Informationen sind den Websites von ARD, ZDF und Deutsche Welle zu entnehmen) <?page no="262"?> 4.3 Medienforschung 263 Seit 2009 sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verpflichtet, neue oder grundlegend veränderte digitale Fernsehangebote dem sog. »Drei-Stufen-Test« zu unterziehen (vgl. w. u.). Nicht unerwähnt bleiben soll, dass öffentlich-rechtliche Radiosender UKW-Programme als Webradios auch im Internet verbreiten. Laut Rundfunkstaatsvertrag gelten »Rundfunkprogramme, die über unterschiedliche Übertragungswege zeitgleich verbreitet werden, […] zahlenmäßig als ein Angebot« (12. RÄStV § 11a, Z. 2). Um dem »Generationenabriss« möglichst entgegenzuwirken und ein junges Publikum gezielt anzusprechen, ist ein innovativer gemeinsamer Fernsehkanal von ARD und ZDF für Jugendliche (ähnlich dem Kinderkanal KIKA) angedacht. Deutsche Wiedervereinigung und das Rundfunkwesen Die 1990 vollzogene Wiedervereinigung blieb nicht ohne Auswirkungen auf das deutsche Rundfunksystem. Wichtigste Aufgabe war es, das Rundfunkwesen der DDR (vgl. Mühl-Benninghaus 1997, 1999) mit seinen damals zwei Fernseh- und sechs Hörfunkprogrammen in demokratisch-pluralistische Strukturen zu überführen. Bereits kurz nach der Wende gab es mehrere Vorschläge, Hörfunk und Fernsehen der DDR umzustrukturieren und zu demokratisieren. Auch ein Rundfunküberleitungsgesetz wurde erarbeitet; infolge der rasch herbeigeführten Wiedervereinigung wurden alle diese Versuche jedoch obsolet (vgl. Kresse 1992; Lojewski/ Zerdick 2000; Stuiber 1998, S.-268ff). Grundlage für den politischen Wandel des Rundfunks in den neuen Ländern war schließlich Art. 36 des Einigungsvertrages. Er hielt fest, den Deutschen Fernsehfunk (DFF) und den Rundfunk der DDR (die Radioprogramme) in einer gemeinsamen »Einrichtung« aufgehen zu lassen. Diese hatte die Bevölkerung in Ostdeutschland nach allgemeinen Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit Hörfunk- und Fernsehprogrammen zu versorgen. Weiterhin musste die »Einrichtung« dem Einigungsvertrag zufolge von einem Rundfunkbeauftragten und einem ihm zur Seite gestellten Beirat bis spätestens 31. Dezember 1991 weitergeführt und durch einen gemeinsamen Staatsvertrag der neuen Länder bis spätestens zu diesem Zeitpunkt aufgelöst bzw. »abgewickelt« werden. Gleichzeitig wurden die neuen Länder, bei denen infolge der Wiedervereinigung nun die Rundfunkkompetenz lag, durch Art. 36 des Einigungsvertrages angehalten, spätestens ab 1. Januar 1992 zunächst neue Strukturen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schaffen und sodann auch privaten Rundfunk zu realisieren (vgl. Kresse 1992; Schneider 1999 S.-611ff; Tichy/ Dietl 2000; Altendorfer 2001, S.-46f ). Noch im Laufe des Jahres 1991 entschlossen sich die Länder Thüringen, Sachsen und Sachsen- Anhalt, auf der Basis eines Staatsvertrages eine gemeinsame öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt, den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) zu gründen. Er nahm am 1. Januar 1992 seinen Sendebetrieb auf und trat als zehnte Landesrundfunkanstalt der ARD bei. Eine politisch ähnlich »große« Lösung, für die es bereits den Namen NORA (Nordostdeutsche Rundfunkanstalt) gab, kam im Norden Ostdeutschlands nicht zu Stande. Die NORA, ein gemeinsamer Sender der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin, scheiterte letztlich an politischen Vorbehalten. So trat Mecklenburg-Vorpommern dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) bei, der nun von vier Ländern betrieben wird (nämlich Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern). Brandenburg entschloss sich dazu, eine eigene Landesrundfunkanstalt zu errichten, den Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB). Auch er trat - als elfte Anstalt - der ARD bei und startete zu Neujahr 1992 seinen Sendebetrieb (vgl. Kresse 1992; Schneider 1999, 611ff; Stuiber 1998, S.-268ff). Der ORB wurde später mit dem Sender Freies Berlin (SFB) zum Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) fusioniert (vgl. w. u.). <?page no="263"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 264 Das ZDF weitete nach der Wiedervereinigung seine Sendetätigkeit auf die neuen Bundesländer aus, die Gremien des ZDF (Fernsehrat, Verwaltungsrat) wurden aufgestockt, um den neuen Ländern Kontroll- und Mitspracherechte zu ermöglichen (vgl. Kresse 1992). Nach der Errichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Ostdeutschland verabschiedeten die neuen Länder je eigene Landesmediengesetze, um auch privaten Rundfunk zu realisieren. Dabei gingen die Länder Berlin und Brandenburg eine Kooperation ein und gründeten eine gemeinsame Landesmedienanstalt. (2006/ 07 kamen auch Schleswig-Holstein und Hamburg überein, ihre Landesmedienanstalten zusammenzulegen; daher gibt es in den 16 Bundesländern nur 14 Landesmedienanstalten). Der Privatfunk (Hörfunk wie Fernsehen) kam in den neuen Bundesländern mit Verspätung »auf Sendung«, was vereinzelt den Vorwurf der Diskriminierung zur Folge hatte. Im 1991 von den Ländern vereinbarten »Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland« sind alle diese Veränderungen berücksichtigt; somit liegen in diesem Vertrag der Bundesländer für alte wie neue Länder gleichermaßen geltende rundfunkrechtliche Regelungen vor (vgl. Witt 1992). Dessen ungeachtet gelten in den Bundesländern je eigene Landesrundfunkgesetze (öffentlich-rechtlicher Rundfunk) sowie Landesmediengesetze (privater Rundfunk). Im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung ist schließlich noch auf die Entstehung des nationalen Hörfunkprogramms DeutschlandRadio (so die erste Schreibweise) zu verweisen. Es ist erst 1993/ 94 aus der Fusion der Hörfunksender Deutschlandfunk (Bundesrepublik), RIAS (Berlin) sowie des ehemaligen DDR-Hörfunkprogramms Deutschlandsender (früher Stimme der DDR) hervorgegangen, der nach der Wende den Namen DS-Kultur erhielt. Das Deutschlandradio stellt eine gemeinsam von ARD und ZDF eingerichtete rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts dar (vgl. Diller 1999; ARD-Jahrbuch 1994; ZDF-Jahrbuch 1994; Stuiber 1998, S.-274ff). Als nationaler Hörfunksender strahlt(e) das Deutschlandradio, wie erwähnt, zunächst zwei, seit 2010 drei Programme aus: das Informations- und Kulturprogramm Deutschlandfunk (DLF, Köln), das Programm DRadio Wissen (Köln, seit 2010) sowie das Deutschlandradio Kultur (Berlin). Zur Strukturreform der ARD Mit der Einführung privaten Rundfunks ist den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in vielerlei Hinsicht beträchtliche Konkurrenz erwachsen - Konkurrenz um Publikum, um Programmrechte und Werbung. Dies hat, v. a. aus dem Bereich der Politik, zu Forderungen nach Effizienzsteigerung, Kostensenkung, Nutzung von Synergien und Modernisierung geführt. Die Forderungen zielten v. a. auf die ARD mit ihren zahlreichen Landesrundfunkanstalten und mündeten schließlich in das Projekt »ARD-Strukturreform«. Ihre Kernpunkte sind der Zusammenschluss verschiedener ARD-Sender zu wirtschaftlicheren Einheiten sowie die Neuregelung (bzw. langfristig nach Möglichkeit die Abschaffung) des ARD-Finanzausgleichs (vgl. die ARD-Jahrbücher 1996ff; vgl. Matzen 2000). Erstes Ergebnis der Bemühungen um eine solche Strukturreform der ARD war die 1998 durchgeführte Fusion von Süddeutschem Rundfunk (SDR) und Südwestfunk (SWF) zum Südwestrundfunk (SWR) im Süden der Bundesrepublik (vgl. ARD-Jahrbuch 1998; Stenert 2004; Baugut/ Grundler 2008). Im Jahr 2003 »schlossen sich der Sender Freies Berlin (SFB) als Stadtsender und der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg (ORB) als Flächensender nach Jahren enger Kooperation zusammen« (Baugut/ Grundler 2008, S. 42). Entstanden ist der Rundfunk Berlin-Brandburg (RBB), wie bereits erwähnt, als gemeinsamer ARD-Sender für die Stadt Berlin und das Bundesland Brandenburg. Die Zahl der ARD-Landesrundfunkanstalten liegt damit bei neun. Weitere Fusions-Kandidaten sind künftig möglicherweise auch die kleinen Landesrundfunkanstalten Saarländischer Rundfunk (SR) sowie Radio Bremen (RB). Die Zusammenlegung von Landesrundfunkanstalten ist unter <?page no="264"?> 4.3 Medienforschung 265 rechtlichen, wirtschaftlichen und publizistischen Gesichtspunkten zu diskutieren: Einerseits sollen im Sinne der Gebührenbzw. Beitragszahler Sparpotenziale genutzt werden, ohne die Programmvielfalt zu gefährden; andererseits soll jedoch auch die regionale Vielfalt nicht Schaden nehmen (Baugut/ Grundler 2008). Wie Medienpolitiker und Rundfunkvertreter Strukturreformen der ARD beurteilen, haben Philip Baugut und Maria-Theresa Grundler (2008) ermittelt. Öffentlich-rechtliche Onlineangebote (Telemedien) und Drei-Stufen-Test Seit 1. Juni 2009 - mit Inkrafttreten des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages (RÄStV 2009) - sind alle Telemedienbzw. Onlineangebote des weitgehend aus Rundfunkbeiträgen finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland (ARD, ZDF, Deutschlandradio) dem Drei-Stufen-Test zu unterziehen (vgl. etwa Peters, B. 2009; Peters, T. M. 2009). Dadurch soll vermieden werden, dass den werbefinanzierten privaten Rundfunkbetreibern (und man darf annehmen: auch den Zeitungsverlagen) unzulässiger Wettbewerb durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Internet erwächst. Der Drei-Stufen-Test geht in drei (bzw. eigentlich vier) Schritten vor sich. Dem jeweiligen Test ist nämlich zunächst eine Vorprüfung vorgeschaltet, ob ihm ein neues oder auch nur verändertes Onlineangebot überhaupt zu unterziehen ist. Er läuft sodann wie folgt ab (hier nach Peters, B. 2009 sowie Peters, T. M. 2009): Stufe 1: Es wird geprüft, ob das digitale Angebot dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entspricht: Vorhandensein eines Bedürfnisses für das Angebot (erforderlichenfalls dessen empirische Ermittlung), Erfüllung des Funktionsauftrages (demokratische, soziale, kulturelle Bedürfnisse). Stufe 2: Es wird geprüft, ob das Angebot einen qualitativen Beitrag zum publizistischen Wettbewerb darstellt - »das Herzstück« des Tests (Peters, T. M. 2009, S. 6). Zu bestimmen ist dreierlei (hier nach Peters, B. 2009): 1) die »augenblickliche[n] publizistische[n] Wettbewerbssituation« (inhaltliche Betrachtung des Marktes); 2) »eine Prognose der ökonomischen Wettbewerbssituation« (was würde sich durch die Realisierung des neuen Angebots am Markt ändern? ); sowie 3) worin der »publizistische Mehrwert« des Angebots besteht. Um die »marktlichen Auswirkungen eines geplanten Angebots« beurteilen zu können, ist von den Rundfunkräten »gutachterliche Beratung hinzuzuziehen« (Peters, B. 2009, S. 32; vgl. dazu auch Woldt 2011 mit einer Übersicht der Marktgutachten). Stufe 3: Es wird - auch mit Blick auf den Grundsatz von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit - geprüft, welcher finanzielle Aufwand für das (neue) Angebot erforderlich ist (Kostentransparenz gegenüber Mitbewerbern, ebenso aber auch gegenüber am Markt Beteiligten und betroffenen Dritten - vgl. Peters, B. 2009, S. 33). Auch »soll eine individuelle Abwägung zwischen dem Kostenaufwand und dem damit erzielten publizistischen Mehrwert vorgenommen werden« (Peters, T. M. 2009, S. 7). Der jeweilige Rundfunkrat als zuständiges Gremium veranlasst den Test und trifft auch die Letztentscheidung (vgl. dazu § 11 i. d. F. 12. RÄStV). Das projektierte Angebot wird mindestens sechs Wochen lang im Internet veröffentlicht, es gibt die Möglichkeit der Stellungnahme Dritter. Die schließlich getroffene Entscheidung ist von den Rundfunkräten »substantiiert zu begründen. Mit Veröffentlichung der Entscheidung ist das Verfahren beendet«, im positiven Fall »kann danach das Angebot umgesetzt werden« (Peters, T. M. 2009, S. 7). Insgesamt 37 Telemedienkonzepte hatten die Rundfunkgremien 2009/ 2010 zu prüfen (vgl. Roether 2010, S. 3). Im Hintergrund des Drei-Stufen-Tests stehen die sog. Beihilfedebatte und der Beihilfekompromiss (vgl. dazu Wiedemann 2005, Dörr 2007, 2009; Peters, B. 2009; Peters, T. M. 2009; Held 2011). Es ging um die strittige Frage, ob in den Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wettbewerbsverzerrende Beihilfen zu sehen sind, wie dies der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) vor der EU im Jahr 2003 beklagte. Die Europäische Union als Wettbewerbs- <?page no="265"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 266 hüterin sah in den Rundfunkgebühren eine solche Beihilfe, die Bundesrepublik Deutschland nicht. Klärung hätte nur ein Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) bringen können, den Weg dorthin schienen aber beide Seiten gescheut zu haben. Man hätte nämlich »riskiert, dass die Rundfunkfinanzierung [des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - Ergänzung H. P.] in der gesamten EU in Frage gestellt worden wäre, was unabsehbare Folgen gehabt hätte« (ebd.). Im sog. Beihilfekompromiss (2007) erklärte sich Deutschland gegenüber der EU bereit, den Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (insbesondere auch mit Blick auf dessen Onlineangebote) zu konkretisieren und die Onlinebzw. Telemedienangebote dem Drei-Stufen-Test zu unterziehen, ebenso Positiv- und Negativlisten zu erstellen. All dies erfolgte im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (12. RÄStV), der am 01. Juni 2009 in Kraft trat. Darin sind auch Fristen für die Verweildauer von Onlineangeboten festgelegt: Programmbezogene Sendungen dürfen nur sieben Tage zum Abruf stehen, Großereignisse und Fußballspiele der 1. und 2. Bundesliga nur 24 Stunden; zeitlich unbefristet sind Archive mit zeitgeschichtlichen Inhalten aus Programmen von ARD, ZDF und dem Deutschlandradio (vgl. 12 RÄStV § 11). Die Negativliste öffentlich-rechtlicher Telemedien untersagt u. a. folgende Angebote: Anzeigenportale, Branchenregister, Preisvergleichsportale und Berechnungsprogramme, Bewertungsportale für Dienstleistungen, Einrichtungen und Produkte, Partner-, Kontakt-, Stellen- und Tauschbörsen, Ratgeberportale ohne Sendungsbezug, Business-Networks, Wetten, Routenplaner, Veranstaltungskalender, Verlinkung ohne redaktionelle Überprüfung, Musikdownloads von kommerziellen Fremdprodukten, Spieleangebote ohne Sendungsbezug. Weitere und nähere Angaben sind § 11d Abs. 5 des 12. RÄStV zu entnehmen. Zum Drei-Stufen-Test liegen zahlreiche Publikationen vor (u. a. Dörr 2009, S. 49ff; Roether 2010; Lackner/ Wippersberg 2010; Christl/ Süssenbacher 2010; Gerhardt 2011; Woldt 2011; Pfab 2011; Neuberger 2011; Kops 2012, Stoyan/ Thomaß 2012), die sich - teils aus unterschiedlichen Disziplinen und medienpolitischen Positionen - mit Zielsetzung, Verfahren und Ertrag des Tests auseinandersetzen. Im Zusammenhang mit dem Drei-Stufen-Test wird immer wieder auf den Public Value Test (PVT) der BBC verwiesen. An dessen Zielwerten (Wert für die Nutzer, Wert für die Gesellschaft als Ganzes, Gegenwert des Angebots im Vergleich zu den Kosten) ist auch der Drei-Stufen-Test orientiert ist. Die beiden Verfahren unterscheiden sich jedoch erheblich (vgl. Neumüller 2011; Gonser/ Baier 2010; Latzl 2010; Collins 2009; Bauer/ Bienenfeld 2007; Themenheft MedienJournal 2010). Privater Rundfunk in Deutschland Die Einführung privaten Rundfunks in Deutschland war ein langer und zögerlich beschrittener Weg, der hier im Detail nicht nachgezeichnet werden kann. Dies lag nicht zuletzt an den unterschiedlichen parteipolitischen Auffassungen über die Gestaltung des Rundfunkwesens (die CDU/ CSU, teils auch die FDP traten schon Anfang der 1970er-Jahre für privaten Rundfunk ein, die SPD war dagegen) sowie an der politisch schwierigen Durchsetzbarkeit dieser Vorstellungen angesichts der föderalen Struktur der Bundesrepublik sowie der Kompetenz der Länder für den Rundfunk (vgl. Steinmetz 1996, 1999; Stuiber 1998, S. 547ff). Im Wesentlichen ist auf drei Faktoren zu verweisen, die in ihrem Zusammenwirken schließlich doch dazu geführt haben, dass es zur Einführung privaten Rundfunks kam, nämlich: technische, medienpolitische und verfassungsrechtliche (vgl. Privatkommerzieller Rundfunk in Deutschland 1992; Donsbach/ Mathes 1997; Steinmetz 1999): • Im technischen Bereich führten ab Mitte der 1970er-Jahre das Ausweichen auf Breitbandkabel, der Einsatz von Kommunikationssatelliten und die Ausweitung der UKW-Frequenzbänder zu einer Entschärfung der Frequenzknappheit für Hörfunk- und TV-Programme. <?page no="266"?> 4.3 Medienforschung 267 • Medienpolitisch war die 1976 von einer Expertenkommission empfohlene und ab 1984 realisierte Durchführung von zeitlich befristeten Kabelrundfunk-Pilotprojekten zur Erprobung privaten Rundfunks (Radio, Fernsehen) in vier deutschen Großstädten (Mannheim/ Ludwigshafen, München, Dortmund, Berlin) von Bedeutung. • Von verfassungsrechtlicher Relevanz war schließlich ein 1981 ergangenes Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichtes, in welchem die Länder aufgefordert wurden, für die Zulassung privaten Rundfunks je eigene Gesetze zu erarbeiten, wobei das Gericht dafür auch eine Art Ordnungsrahmen vorgab. Damit war der Weg für privaten Rundfunk de facto frei. Mehrere Bundesländer - ihnen voran CDU-regierte Länder sowie Bayern (CSU) - verabschiedeten (zunächst z.T. probeweise) Landesmediengesetze, die die Errichtung privaten Rundfunks ermöglichten (und wodurch die Kabelpilotprojekte de facto obsolet wurden; gleichwohl wurden sie zu Ende geführt). So entstanden ab 1984 neben privaten Radiosendern auch privat-kommerzielle Fernsehveranstalter wie SAT.1 und RTLplus (heute RTL), die zunächst nur über Kabel und/ oder Satellit zu empfangen waren und später auch terrestrisch verbreitet wurden. Ein von 1986 stammendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts (im Zusammenhang mit dem Landesmediengesetz von Niedersachsen) erklärte das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk für verfassungskonform. Gleichzeitig stellte es an die privaten Programmveranstalter im Hinblick auf Breite und Ausgewogenheit des Programmes geringere Anforderungen als an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter, die laut Verfassungsspruch die Aufgabe der Grundversorgung (nicht Mindestversorgung! ) mit informierenden, bildenden und unterhaltenden Programmen zu leisten haben (vgl. Berg 1987; Privatkommerzieller Rundfunk in Deutschland 1992; Donsbach/ Mathes 1997). Aus diesem und weiteren Rundfunkurteilen resultiert in Deutschland eine Aufgabenteilung zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk (Grundversorgung in den Bereichen Information, Bildung, Kultur, Unterhaltung) und privatem Rundfunk (Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt). Gleichzeitig wird den öffentlich-rechtlichen Anstalten eine Bestands- und Entwicklungsgarantie gegeben, indem sie weiterhin das alleine ihnen zustehende Recht haben, (Zwangs-)Gebühren bzw. -beiträge zu erheben sowie an neuen Rundfunkentwicklungen teilzunehmen, und zwar auch an solchen, die sich aus technischen Weiterentwicklungen wie Satellitenrundfunk oder in jüngster Zeit die Digitalisierung ergeben. Im Hinblick auf die privat-kommerziellen Rundfunkanbieter, die ausschließlich auf Erlöse aus der Werbung angewiesen sind, spricht das Bundesverfassungsgericht von einer Minderung der Vielfaltsvorkehrungen: Die Privaten müssen Information nicht in der vollen Breite der Meinungen und kulturellen Strömungen vermitteln. Voraussetzung für diese geringeren Anforderungen an die Privaten ist jedoch, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten weiterhin in der Lage sind, den Grundversorgungsauftrag zu erfüllen. Der 1987 von den Ländern abgeschlossene und seither wiederholt novellierte Rundfunkstaatsvertrag schrieb auf der Basis der Verfassungsgerichtsurteile das »duale Rundfunksystem« endgültig fest (vgl. Privatkommerzieller Rundfunk in Deutschland 1992; Glotz/ Kopp 1987; Donsbach/ Mathes 1997). Die wichtigsten Rechtsgrundlagen des privaten Rundfunks sind in den Landesmediengesetzen, in Urteilen des Bundesverfassungsgerichts sowie im jeweils gültigen Medienstaatsvertrag zu sehen. Vor allem die Landesmediengesetze enthalten zahlreiche (und z.T. auch unterschiedliche) Bestimmungen über 1) die rechtlichen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen der Zulassung und des Betreibens privater Rundfunkunternehmen; 2) die Aufgaben und Organisation der Landesmedienanstalten sowie 3) Regeln für die Programmgestaltung mit gesetzlichen Leitlinien (vgl. Hermann 1994). Oberste Aufsichtsorgane für den privaten Rundfunk und dessen Fortentwicklung in den Ländern sind die Landesmedienanstalten. Es sind dies rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts mit <?page no="267"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 268 Eigenverantwortlichkeit und Selbstverwaltungsrecht. Sie entscheiden über Erteilung, Rücknahme und Widerruf von Sendelizenzen für Hörfunk und Fernsehen und haben die Aufsicht über die Programme der von ihnen zugelassenen Anbieter. Im Weiteren obliegt ihnen die Durchführung von Ordnungswidrigkeitsverfahren, die Errichtung und Betreuung von Bürgermedien (»offener Kanäle« oder vergleichbarer Institutionen wie etwa Ausbildungsradios) sowie die Wahrnehmung technischer Aufgaben bei der Frequenzerschließung, der Frequenzzuteilung und bei der Weiterleitung von Programmen. Ebenso haben die meisten Landesmedienanstalten die Aufgabe, Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter der privaten Rundfunkveranstalter zu ergreifen sowie medienpädagogische Maßnahmen zu entwickeln und zu empfehlen. Nicht zuletzt nehmen sie auch Forschungsaufgaben wahr. Zur Aufgabe der Landesmedienanstalten gehört u. a. des Weiteren die Mitwirkung an der Konzentrationsbzw. Fusionskontrolle (vgl. S. 270-272; ALM-Jahrbuch 2011/ 12, S. 354ff). Den insgesamt 14 Landesmedienanstalten der Bundesrepublik Deutschland ist gemeinsam, dass sie jeweils über mindestens zwei Organe verfügen: einen Direktor (bzw. Präsidenten oder Vorstand) und einen Medienrat (bzw. Medienausschuss, Versammlung, Medienkommission). In manchen Medienanstalten, z. B. in Bayern, ist für die laufende Verwaltung ein Geschäftsführer eingesetzt, einige Anstalten verfügen auch über einen Verwaltungsrat. Der Direktor nimmt vorwiegend Exekutivaufgaben gegenüber den privaten Anbietern wahr. Der Kommission obliegen legislative Aufgaben und Kontrollfunktionen. Der Verwaltungsrat ist, wo es ihn gibt, für die Überprüfung der Finanzen und des Geschäftsgebarens der jeweiligen Landesmedienanstalt zuständig. Um sich untereinander besser abstimmen zu können, wurde 1985 die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) gegründet (ALM-Jahrbuch 2011/ 12, S. 355). Sie stellt für länderübergreifende Fragen und Aufgaben der Medienanstalten eine Plattform der Direktoren und Präsidenten dar, die mit der im 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (vom 19. Dezember 2007) geschaffenen ZAK (Kommission für Zulassung und Aufsicht) und den neuen Aufgaben der GVK (Gremienvorsitzendenkonferenz) seit 2008 »kompetente staatsvertraglich geregelte Ergänzungen mit neuen, verbindlich zu entscheidenden bundesweiten Angelegenheiten erfahren hat. Gemeinsam bilden die Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) und Direktorenkonferenz (DLM) die Gesamtkonferenz (GK)« (ALM-Jahrbuch 2011/ 12, S.-355). Die Technische Konferenz der Landesmedienanstalten (TKLM) ist ein von der DLM eingerichtetes Beratungsgremium. Es erörtert medientechnische Fragen, insbesondere solche, die mit der Digitalisierung verbunden sind, und bereitet medienpolitische Grundsatzentscheidungen innerhalb der DLM vor. Schließlich sind noch die bereits 1997 eingerichtete Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) sowie die 2003 gegründete Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zu erwähnen. Um diese doch recht komplexe Konstruktion noch etwas transparenter zu machen, folgende Hinweise zu den vier zentralen Entscheidungsorganen (siehe dazu detailliert und im Einzelnen ALM-Jahrbuch 2008, S. 353-371; vgl. auch Seufert/ Gundlach 2012, S. 241-262): • Die ZAK (Kommission für Zulassung und Aufsicht) ist u. a. zuständig für Zulassung, Rücknahme oder Widerruf bundesweiter Rundfunkveranstalter, die Zuweisung von Übertragungskapazitäten und für Aufsichtsmaßnahmen gegenüber privaten bundesweiten Veranstaltern etc. Ihr gehören die gesetzlichen Vertreter (Direktoren, Präsidenten) der 14 Landesmedienanstalten an. Sie ist damit personenidentisch mit der DLM. • Die GVK (Gremienvorsitzendenkonferenz) trifft u. a. Auswahlentscheidungen bei den Zuweisungen von drahtlosen Übertragungskapazitäten und Entscheidungen über die Belegung von Plattformen. Sie hat beratende Funktion bei Fragen der Programmentwicklung und medienethischen Aspekten. • Die KEK (Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich) ist zuständig für die abschließende Beurteilung von Fragestellungen betreffend die Sicherung der Meinungsvielfalt im Zusammenhang mit der bundesweiten Veranstaltung von Fernsehprogrammen, darunter ins- <?page no="268"?> 4.3 Medienforschung 269 besondere auch für die Ermittlung der den privaten Fernsehveranstaltern jeweils zurechenbaren Zuschaueranteile (vgl. w. u.). • KJM (Kommission Jugendmedienschutz): Die Aufsicht über den Jugendmedienschutz obliegt den Landesmedienanstalten, die ihre Befugnisse durch die KJM wahrnehmen (vgl. S. 270-272). Im Einzelnen können die Aufgaben der Landesmedienanstalten dem jährlich erscheinenden ALM- Jahrbuch der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten ALM entnommen werden, in welchem u. a. auch wichtige Entscheidungen der Gremien veröffentlicht werden. Eine 2010 von der ALM in Berlin eingerichtete Geschäftsstelle unterstützt »die Funktionsträger der Gemeinschaft in länderübergreifenden Angelegenheiten organisatorisch und koordinativ« (ALM-Jahrbuch 2011/ 12, S. 359). Ebenso sind wichtige Informationen mit Berichten aus den Gremien, öffentlichen Stellungnahmen etc. dem Onlineauftritt der ALM, www.die-medienanstalten.de, zu entnehmen. Für den Außenauftritt hat sich die ALM bzw. richtiger: deren Gesamtkonferenz (GV) im Jahr 2011 die Bezeichnung »die medienanstalten« entschieden. Unter ihrer Herausgeberschaft erscheinen seit 2010/ 11 auch die Jahrbücher. Zu ihrer Finanzierung erhalten die Landesmedienanstalten 1,9 Prozent Anteil aus den Rundfunkbeiträgen. Daneben gibt es vereinzelt Anstalten, die Abgaben der von ihnen zugelassenen Sender erhalten und/ oder auch Fördermittel aus den Haushalten jener Bundesländer, in denen sie ihren Sitz haben. Dies ist z. B. in Bayern der Fall. Art und Weise der Gebühren- und Abgabengestaltung sind je nach Landesmediengesetz unterschiedlich geregelt (vgl. Stuiber 1998, S.-754ff; Hermann 1994; ALM-Jahrbücher, zuletzt 2011/ 12). Die privaten bundesdeutschen Rundfunkveranstalter finanzieren sich in Hörfunk wie Fernsehen aus Werbung, Werbesonderformen (wie Sponsoring), Programmverkauf und Merchandising. Um ihre Finanzierung zu gewährleisten, gesteht ihnen der Gesetzgeber auch großzügige Werbezeiten zu. Laut Rundfunkstaatsvertrag darf Werbung im privaten Rundfunk max. 20 Prozent der Gesamtsendezeit betragen; dies entspricht 12 Minuten Werbung pro Stunde. Die Werbung darf nur in Blöcken ausgestrahlt werden. Werbung ist im privaten Rundfunk - im Unterschied zu den öffentlich-rechtlichen Anbietern - auch an Sonn- und Feiertagen gestattet (vgl. Stuiber 1998, S. 953ff). Es gibt in Deutschland private Pay-TV-Anbieter und sog. Plattformen, die eine Gebühr für die von ihnen angebotenen Programmpakete (z. B. Sky) bzw. über Kabel zugänglich gemachten Fernseh- und Radioprogramme (z. B. Kabel Deutschland oder Liberty Global/ Unity Media) verlangen. Wer sich z. B. ein Pay-TV-Abonnement anschafft, kann über einen entsprechenden Decoder die über Kabel oder Satellit meist bereits in HD ausgestrahlten TV-Programme empfangen. Die Gebühr richtet sich je nach dem Umfang der bezogenen Programmpakete bzw. zugänglich gemachten Programme. »Die Ausgangsposition für Bezahlfernsehen war und ist in Deutschland schwierig, zum einen wegen des großen Angebots an Free-TV-Programmen und zum anderen wegen der bereits über Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Fernsehsysteme (Meyn/ Tonnemacher 2012, S. 157). Laut ALM- Jahrbuch 2011/ 12 (S. 83) gibt es in Deutschland 5,4 Mio. Pay-TV-Abonnenten. Was die Plattformanbieter betrifft, so ist der diskriminierungsfreie und chancengleiche technische Zugang zu digitalen Verbreitungswegen von Bedeutung; dieser ist im Rundfunkstaatsvertrag (seit 2008) in den §§ 52ff entsprechend geregelt (s. u.). Für Seufert/ Gundlach (2012) liegt der Kern des Begriffs Plattform »auf dem Bündeln, das neben der professionellen Zusammenstellung und Präsentation der Medieninhalte, Bouquets, verschiedenen Dienste auch die Pakete aus TV, Radio, Internetzugang und Telefon umfasst« (Seufert/ Gundlach 2012, S. 316). Für Plattformanbieter gelten die gleichen gesetzlichen Regelungen bzw. Belegungsvorschriften, wie sie allgemein für Kabelanlagen bestehen. Unterschieden wird zwischen »Must-carry-Verpflichtungen«, »Can-carry-Verpflichtungen« und »Non-must-carry-Verpflichtungen« (vgl. Fechner 2012, S. 317f; Seufert/ Gundlach 2012, <?page no="269"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 270 S. 318f ). Wichtig ist u. a., Meinungsvielfalt und Grundversorgung zu sichern (vgl. Fechner 2012, S.-318). Den »Must-carry-Regelungen« zufolge haben Plattformbetreiber (die oft auch Kabelnetzbetreiber sind) z. B. alle digitalen Hörfunk- und Fernsehprogramme von ARD und ZDF (einschließlich ARTE und Deutschlandradio), ebenso aber auch Programme privater lokaler Fernsehsender, Fernsehsender mit Lokalfenstern und Bürgerrundfunk einzuspeisen (ARD-Digital 2012). Weitere Details zu dieser Thematik sind den erwähnten Titeln von Fechner (2012), Seufert/ Gundlach (2012) sowie Art. 52ff RStV zu entnehmen. Das Gesamtangebot privaten Rundfunks (Hörfunk, Fernsehen) in Deutschland umfasst (Stand: Jahreswende 2011/ 12) folgende Programme (ALM Jahrbuch 2011/ 12, S. 156ff): Hörfunk: zusammen 256 über Antenne (UKW, DAB/ DAB+), Satellit und Kabel verbreitete Radioprogramme, hinzukommen insgesamt 237 Webradios. »Der lokale Hörfunk umfasste 168 Programme und war damit neben den reinen Webradios zahlenmäßig der größte Angebotstyp im privaten Hörfunk« (ALM-Jahrbuch 2011/ 12, S. 156). Die lokalen Radioprogramme verteilen sich auf die Bundesländer in unterschiedlichem Ausmaß: »Am größten ist die Lokalradiovielfalt […] in Bayern mit 64 Programmen und Nordrhein-Westfalen, wo 44 Programme senden« (ebd.). Webradioprogramme werden vorerst noch vergleichsweise wenig genutzt (vgl. Schneider G. 2012, S. 13f ). Fernsehen: zusammen 416 TV-Programme, darunter 17 Vollprogramme (wie RTL, SAT.1, Pro- Sieben etc.), 44 Spartenprogramme (wie n-tv, N24, Sport1 etc.), 17 Teleshopping-Kanäle, 267 landesweitbzw. lokal empfangbare TV-Programme, 68 Pay-TV-Programme und 3 Fernsehfenster (ALM-Jahrbuch 2011/ 12, S. 44). Angesichts der Fülle privater wie öffentlich-rechtlicher Radio- und Fernsehveranstalter ist der Wettbewerb um das Publikum groß. In der Gunst der Zuschauer liegen die TV-Sender ARD, ZDF, die Dritten Programme sowie die privaten Fernsehveranstalter RTL und SAT1 (bei durchschnittlich 78 empfangbaren Programmen) seit Jahren mit teils variierenden Marktanteilen an der Spitze. Dies geht aus der in 5.640 bundesdeutschen und EU-ausländischen TV-Haushalten in Deutschland (mit zusammen 13.000 Personen) elektronisch vorgenommenen Messung der Fernsehnutzung hervor (vgl. Kap. 4.4.1.3). Der mittels Telefoninterviews repräsentativ erhobenen Hörfunknutzung zufolge erreichten laut Media Analyse Radio 2012/ II die Radioprogramme der ARD insgesamt 36,67 Mio. Hörerinnen und Hörer, jene des privaten Hörfunks 32,01 Mio. (Gattringer/ Klingler 2012, S.- 421). Auskunft über Entwicklungen im privaten wie öffentlich-rechtlichen Rundfunk (Radio, Fernsehen) erteilen die ALM-, ARD- und ZDF-Jahrbücher sowie etwa auch der Onlineauftritt der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienwesen KEK (www.kekonline.de). Dort finden sich neben Mediendatenbanken gut aufbereitete Daten, Fakten und Informationen über Zuschaueranteile, Beteiligungsverhältnisse etc. im privaten Rundfunk sowie z. B. auch Jahresberichte zur Konzentration im Medienwesen. Es lohnt sich, dort bei Bedarf nachzusehen. Zur Konzentrationskontrolle im privaten Rundfunk Die Einführung privaten Rundfunks hatte in Deutschland das Entstehen zweier großer Sendergruppen zur Folge, nämlich die Sender der (nicht mehr existenten) Kirch-Gruppe (mit SAT.1, ProSieben, Kabel 1, Deutsches Sport Fernsehen DSF) sowie die Sender der RTL/ Ufa/ Bertelsmann-Gruppe (mit RTL, RTL2, Super RTL, Vox). Das alte »Beteiligungsmodell«, das Beteiligungsgrenzen eines Unternehmens von 49,9 Prozent an je einem Fernseh-Vollprogramm und -Spartenprogramm vorsah, erwies sich (wegen schwierig zu durchschauender Crossmedia-Verflechtungen) als nicht befriedigend. In einer Novelle des Rundfunkstaatsvertrages (mit Wirkung vom 1. Januar 1997) einigten sich die Ministerpräsidenten der Länder auf das »Zuschauermarktanteilsmodell«. Diesem Modell zufolge ist die Beteiligung eines jeden Unternehmens an beliebig vielen TV-Veranstaltern bis zu 100 <?page no="270"?> 4.3 Medienforschung 271 Prozent erlaubt, bis alle diese Sender einen Anteil von 30 Prozent am Zuschauermarkt erzielen. Dann dürfen keine weiteren Beteiligungen erworben (bzw. müssen Anteile abgetreten) werden, zumal ab der Grenze von 30 Prozent vorherrschende Meinungsmacht vermutet wird. Diese Aufgreifschwelle sinkt auf 25 Prozent, wenn ein privates TV-Unternehmen auf einem anderen medienrelevanten Markt bereits eine marktbeherrschende Stellung hat. Die Aufgabe, vorherrschende Meinungsmacht festzustellen sowie der Beschluss, welche Maßnahmen dann zu ergreifen sind, obliegt der mit der Novelle des Rundfunkstaatsvertrages von 1997 neu geschaffenen »Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich« (KEK). Ihr gehören derzeit sechs Sachverständige des Rundfunk- und des Wirtschaftsrechts an sowie sechs Vertreter der Landesmedienanstalten - insgesamt also 12 Mitglieder. Die KEK bedient sich zu Erfüllung ihrer Aufgaben u. a. der Daten der elektronischen TV- Zuschauerforschung (GfK-Fernsehforschung), die die Zuschauer-Marktanteile der einzelnen Sender kontinuierlich ermittelt (siehe dazu Kap. 4.4.1.3). Vielfaltssichernde Maßnahmen, die von der KEK getroffen werden können, sind die Trennung von Beteiligungen, die Minderung der Marktstellung auf einem medienrelevanten Markt, die Einrichtung eines Programmbeirates sowie die Abgabe von Sendezeit der betroffenen TV-Veranstalter an unabhängige Dritte. Diese werden von den zuständigen Landesmedienanstalten in Absprache mit den betroffenen Sendern ausgewählt. Bis 2007 gab es die Möglichkeit, Entscheidungen der KEK entgegenzutreten: Sofern die zuständige Landesmedienanstalt einem Beschluss der KEK nicht folgen wollte, konnte sie sich an die (ebenfalls 1997 neu geschaffene) »Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten« (KDLM) wenden. Die KDLM konnte ihrerseits mit Dreiviertel-Mehrheit einen von der KEK abweichenden Beschluss fassen (vgl. ALM-Jahrbuch 1997/ 98). Seit 2008, mit der Schaffung der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) und der Abschaffung der KDLM ist dies nicht mehr möglich. Ein Beschluss der KEK hat seither bindende Wirkung. Bei Beschlüssen der KEK »entscheidet im Fall der Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden« (Seufert/ Grundlach 2012, S. 245). In die Novelle des Medienstaatsvertrages von 1997 wurde übrigens auch die Bestimmung aufgenommen, wonach private Fernseh-Voll- oder -Spartenprogramme mit Schwerpunkt Information ab einem Zuschaueranteil von zehn Prozent (Sendezeit) wöchentlich mindestens 260 Minuten Fensterprogramme von unabhängigen Dritten aufnehmen müssen, davon 75 Minuten zwischen 19.00 und 23.30 Uhr (vgl. ALM-Jahrbuch 1997/ 98). Im 7. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (2003/ 04) ist in § 39a die rechtlich verbindliche Zusammenarbeit der Landesmedienanstalten im Rahmen ihrer Aufgaben mit der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) sowie dem Bundeskartellamt (BKartA) festgeschrieben. Diese Zusammenarbeit der Landesmedienanstalten mit dem Bundeskartellamt kam u. a. zum Tragen, als im Jahr 2005 die Axel-Springer AG als marktführender Pressekonzern die große Fernsehveranstaltergruppe ProSiebenSat.1 (mit den damals fünf Kanälen SAT.1, ProSieben, Kabel 1, N24 und Neun live) vollständig übernehmen wollte. Sowohl KEK (als Einrichtung der Landesmedienanstalten für die Konzentrationskontrolle) wie auch Bundeskartellamt lehnten die Fusion wegen der vermuteten marktbeherrschenden Stellung der zu fusionierenden Medienunternehmen auf dem Publikumswie auch Werbemarkt ab. Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM), bei der drei der fünf Sender der ProSiebenSat1-Gruppe lizenziert waren, lehnte die Entscheidung der KEK ab und rief deshalb die Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten (KDLM) an, um eine Aufhebung der Entscheidung der KEK zu erreichen. Dazu kam es jedoch nicht, nachdem Springer seine Beteiligungspläne zurückgezogen hatte. Die Art und Weise der Zusammenrechnung von Marktanteilen der beiden Unternehmen durch die KEK - bundesweites Fernsehen der ProSiebenSat.1-Gruppe sowie medienrelevante verwandte Märkte mit zusammen 47 Prozent Einflusspotenzial bzw. Meinungsmacht - war jedoch nicht unumstritten (vgl. Kepplinger 2007, S 141-159; Handelsblatt 2013). Der komplexe Vorgang, der übrigens auch ein langjähriges gerichtliches Nachspiel hatte (vgl. u. a. Handelsblatt 2013), kann hier aus Platzgründen nicht <?page no="271"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 272 erörtert werden. Er ist u. a. Bernd-Peter Lange (2005), dem Neunten Jahresbericht der KEK (KEK 2006) sowie der Entscheidung des Bundeskartellamts über die Fusion der Axel Springer AG und der ProSiebenSat.1-Media-AG vom 19.01.2006 (Bundeskartellamt 2006) zu entnehmen (vgl. dazu auch Handelsblatt 2006 mit einer Chronologie der Vorganges; siehe ebenso Kepplinger 2007). Der Vorgang hat zudem die wissenschaftliche Debatte über Medienkonzentration und Konzentrationskontrolle belebt (siehe u. a. Hohlfeld/ Müller-Terpitz 2012). Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) Magdalena Obermaier Der Jugendmedienschutz stellt ein wichtiges medienpolitisches Gestaltungsfeld dar. Schließlich sollen Kinder und Jugendliche vor Medienangeboten geschützt werden, die ihre Entwicklung beeinträchtigen könnten (vgl. Schulz 2007, S. 223). In der Bundesrepublik Deutschland ist der Jugendmedienschutz so organisiert, dass die oberste Bundesbehörde für den Jugendschutz, die obersten Landesbehörden für den Jugendschutz und die für den privaten Rundfunk (Radio, Fernsehen) zuständigen Landesmedienanstalten im Bereich des Jugendmedienschutzes zusammenwirken. Mit dem Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (JMStV) besteht eine einheitliche rechtliche Grundlage für den Jugendmedienschutz (vgl. Knappenberg 2008, S. 56; Ring 2009, S. 13). Als zentrale Aufsichtsstelle für die Einhaltung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages fungiert die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM); sie wurde am 2. April 2003 auf Basis von § 14 Absatz 2 Satz 1 JMStV ins Leben gerufen. Die jeweiligen Landesmedienanstalten sind damit weiterhin dafür zuständig, dass sich bei ihnen zugelassene Fernseh- und Radioanbieter an die Bestimmungen des JMStV halten (bei Telemedien greift das Sitzlandprinzip; vgl. Seufert/ Grundlach 2012, S. 247); die KJM unterstützt sie jedoch dabei und gilt deshalb als »wanderndes« Organ (vgl. Cole 2005, S. 466; Ehrlichmann 2007, S. 33). Der KJM gehören zwölf Sachverständige an, die alle fünf Jahre neu bestimmt werden. Das sind im Einzelnen sechs Direktoren von Landesmedienanstalten, vier Angehörige der obersten Landesbehörden und zwei Angehörige der obersten Bundesbehörde für den Jugendschutz. Als Vorsitzenden wählen die Mitglieder einen der Direktoren der Landesmedienanstalten. Innerhalb der KJM gibt es verschiedene Arbeitsgruppen, die spezielle Fragestellungen, etwa zu Jugendschutzrichtlinien oder den Telemedien, bearbeiten. Die Geschäftsstelle der KJM in Erfurt übernimmt organisatorische Aufgaben. Beispielsweise um inhaltliche Belange und Öffentlichkeitsarbeit kümmert sich die KJM-Stabsstelle mit Sitz in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) in München (vgl. Braml 2012, S. 6; KJM 2011b, S. 11). Die KJM arbeitet ferner mit jugendschutz.net sowie der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) zusammen. Jugendschutz.net kontrolliert die Angebote der Telemedien und setzt die KJM oder ggf. Selbstkontrolleinrichtungen davon in Kenntnis, wenn mediale Angebote möglicherweise gegen den JMStV verstoßen. Bevor die BPjM ein Telemedien-Angebot indiziert, ist es Aufgabe der KJM dazu Stellung zu nehmen; im Gegenzug kann die KJM selbst Anträge auf Indizierung bei der BPjM stellen (vgl. KJM 2011b, S. 12; Seufert/ Grundlach 2012, S. 247). <?page no="272"?> 4.3 Medienforschung 273 Abb. 11: Jugendmedienschutz in Deutschland Die KJM überwacht, dass Medienangebote im bundesweiten privaten Rundfunk sowie im Internet dem Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) entsprechen. Besteht ein Verdacht auf Verstoß gegen den JMStV, leitet sie ein Prüfverfahren ein (auf potenzielle Verstöße können, neben Landesmedienanstalten oder jugendschutz.net, z. B. auch Bürger durch ihre Beschwerden hinweisen; vgl. KJM 2012, S. 15). Dafür sichtet zunächst eine fünfköpfige Prüfgruppe der KJM das entsprechende Angebot und gibt eine Entscheidungsempfehlung ab. Zudem wird der jeweilige Anbieter von der zuständigen Landesmedienanstalt angehört (um strafrechtlich relevante Inhalte kümmert sich die Staatsanwaltschaft). Abschließend fällt ein Prüfausschuss der KJM die Entscheidung, ob bezüglich eines Medienangebotes ein Verstoß vorliegt und welche Maßnahmen ergriffen werden (das kann z. B. einen Bußgeldbescheid sein). Die betroffene Landesmedienanstalt setzt diese Maßnahmen letztlich um (vgl. Braml 2012, S. 6; KJM 2011b, S. 136). Des Weiteren legt die KJM Sendezeiten von Medienbeiträgen bzw. Angeboten fest (bei denen das Jugendschutzgesetz (JuSchG) nicht greift) sowie Ausnahmen von der Altersstufenfreigabe gemäß JuSchG. Außerdem überprüft und genehmigt sie Verschlüsselungssowie Vorsperrungstechniken. Sie erkennt ferner (technische) Jugendschutzprogramme an und - gemäß dem Prinzip der »regulierten Selbstregulierung« - Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle. Jegliche Anerkennung kann sie erforderlichenfalls auch zurücknehmen oder widerrufen (vgl. Braml 2012, S. 6; KJM 2011b, S. 11; Seufert/ Grundlach 2012, S. 247f ). Eine solche Anerkennung haben seit 2003 die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e. V. (FSF), seit 2005 die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e. V. (FSM) und seit 2011 die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK.online) sowie die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft online (FSK.online). Für Mitglieder anerkannter Selbstkontrolleinrichtungen (wie etwa FSF, USK etc.) ist die KJM lediglich eingeschränkt zuständig; sie gibt also Verantwortung ab und greift z. B. nur dann ein, wenn eine Selbstkontrolleinrichtung vereinbarte Bewertungsrichtlinien überschreitet (vgl. KJM 2011a, S. 10f; Seufert/ Grundlach 2012, S. 248f ). (eigene Darstellung in Anlehnung an KJM k. A., KJM 2011b, S. 12. Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) (Hrsg.) (k.-A.): Organigramm. http: / / www.kjm-online.de/ files/ pdf1/ kjm_organigramm_UskFskOnline1.pdf; Stand: 26.04.2013) Entsendung Entsendung Entsendung Oberste Bundesbehörde für den Jugendschutz zwei Mitglieder Landesmedienanstalten sechs Direktoren Oberste Landesbehörden für den Jugendschutz vier Mitglieder KJM 12 Mitglieder jugendschutz.net BPjM USK.online FSM FSF FSK.online organisatorische Anbindung Zusammenarbeit Anerkennung <?page no="273"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 274 Eine grundlegende Herausforderung der KJM besteht darin, dass sich der Jugendmedienschutz stets zwischen konträren Interessen bewegt: So gelten Jugendschutz und der Schutz der Menschenwürde einerseits als Rechtsgüter mit Verfassungsrang. Auf der anderen Seite steht das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (vgl. Weigand 2012, S. 3). Weitere Informationen zu diesem Thema sind u. a. den Onlineauftritten der erwähnten Jugendschutzinstitutionen und Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle zu entnehmen (z. B. www.fsf.de). Dies gilt natürlich auch für die KJM (www.kjm-online.de), die ebenfalls Materialien für den Jugendmedienschutz erarbeitet und bereitstellt. Pädagogische Programmberatung für Eltern bietet FLIMMO (www.flimmo.de) an. EU und Rundfunk: Fernsehrichtlinie - Richtlinie Audiovisuelle Mediendienste Für öffentlich-rechtliche und private Fernsehveranstalter und andere Mediendiensteanbieter in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) gelten auch Bestimmungen, die die EU erlässt. Von besonderer Bedeutung ist die 1989 verabschiedete und 1997 modifizierte EU-Fernsehrichtlinie, die im Jahr 2007 in eine Richtlinie für Audiovisuelle Mediendienste erweitert wurde. Primäres Ziel beider Richtlinien war bzw. ist es, nationalstaatliche Regelungen für Fernsehen und audiovisuelle Mediendienste zu harmonisieren. Fernsehen wird aus EU-Sicht seit einem 1974 gefällten Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) als Dienstleistung gesehen. »Durch einheitliche Mindeststandards sollten fairer Wettbewerb und funktionierender Binnenmarkt für diese Dienstleistung hergestellt und somit der freie Empfang von Fernsehprogrammen in Europa gewährleistet werden« (Dörr/ Wiesner 2009, S. 544). EU-Fernsehrichtlinie: Die in schwierigen Verhandlungen nach vielen Jahren 1989 verabschiedete EU-Richtlinie »Fernsehen ohne Grenzen« (vgl. dazu Holtz-Bach 2006) bezog sich »lediglich auf traditionelle Fernsehsender und hieß entsprechend EG-Fernsehrichtlinie« (Puppis 2010, S. 128). Ihr Kern war bereits damals das »Sendestaatsprinzip«. Dieses sollte die »ungehinderte Verbreitung eines Fernsehprogrammes« dadurch gewährleisten, »dass jeweils derjenige Staat die Kontrolle über ein Angebot übernimmt, aus dem dieses gesendet wird« und der auch »die Einhaltung der Richtlinienvorschriften sicherstellt« (Holtz-Bacha 2007, S. 114). Weitere Bestimmungen betrafen die Förderung der Verbreitung und Herstellung von Fernsehprogrammen (europäische Produktionen), Quoten für europäische Produktionen, Regeln für Werbung und Sponsoring sowie für Formen der Werbung (z. B. Unterbrechung der Werbung) und Werbezeiten, Regelungen zum Schutz von Minderjährigen (Jugendschutz) sowie das Recht auf Gegendarstellung (vgl. dazu Gruber 1995, S. 42-50; Holtz-Bacha 2006, S. 108-140). Für Teleshopping galten eigene Bestimmungen, Schleichwerbung war verboten, ebenso »Werbung für Zigaretten, Tabakerzeugnisse und verschreibungspflichtige Medikamente« (Gruber 1995, S. 47). In der Neufassung der Richtlinie von 1997 wurde das Sendestaatsprinzip präzisiert als Niederlassungsprinzip, die Regelungen für Teleshopping wurden liberalisiert, der Schutz der Minderjährigen erweitert (vgl. Holtz-Bacha 2007, S. 114). Eine neue, sog. »Listenregelung« ermöglichte den EU-Mitgliedsstaaten, »Listen mit Ereignissen von besonderer Bedeutung aufzustellen, die im frei empfangbaren Fernsehen zu zeigen sind« (ebd.). Richtlinie Audiovisuelle Mediendienste (AVMD): Die AVDM-Richtlinie von 2007 bzw. 2010 hat das Regelwerk der EU-Fernsehrichtlinie neuen Entwicklungen angepasst. Digitalisierung und Konvergenz ermöglichen es, »Kommunikationsinhalte auf verschiedenen Übertragungswegen zu verbreiten und somit die Empfänger auf beliebigen Endgeräten mit einem umfassenden Informations- und Unterhaltungsangebot zu versorgen. Dieser Entwicklung muss das Recht schon deshalb Rechnung tragen, um Wettbewerbsverzerrungen zwischen klassischen Fernsehdiensten und sonstigen Mediendiensten zu vermeiden« (Dörr 2009, S. 54). Die AVMD-Richtlinie ist daher von zwei Prinzipien gelei- <?page no="274"?> 4.3 Medienforschung 275 tet: jenem der Technologieneutralität sowie der abgestuften Regelungsdichte. Die Technologieneutralität bezieht sich auf die Übertragungsbzw. Empfangsmodalitäten, nämlich lineare und nichtlineare. Unter linearen Mediendiensten werden klassische Fernsehprogramme für den zeitgleichen Empfang von Sendungen auf der Grundlage eines Sendeplans verstanden (vgl. Art. 1, Ziffer e AVMD). Mit nichtlinearen Mediendiensten sind Angebote gemeint, die von einem Mediendiensteanbieter dem Nutzer zum individuellen Abruf bei selbstgewähltem Zeitpunkt aus einem festgelegten Programmkatalog bereitgestellt werden (vgl. Art 1, Ziffer g AVMD). Video-on-Demand-Angebote z. B. sind solche Dienste; Onlineausgaben von Zeitungen »werden von der Richtlinie aber nicht erfasst« (Puppis 2010, S. 128). Aus der abgestuften Regelungsdichte folgt, »dass Regelungen für Abrufdienste [also nichtlineare Angebote - Ergänzung H. P.] nur in dem Umfang vorgeschrieben werden, wie es zur Wahrung wesentlicher öffentlicher Interessen notwendig ist: Jugendschutz, Verbraucherschutz, Gesundheitsschutz sowie Förderung der kulturellen Vielfalt« (Medienbericht Bundesregierung 2008, S. 139). Traditionelles lineares Fernsehen unterliegt bezüglich des Jugend- und Verbraucherschutzes »weiterhin strengeren Regelungen« (Dörr/ Wieser 2009, S. 545), die sich neu entwickelnden Abrufdienste »müssen nur einige Basisregeln befolgen« (ebd.). Die AVMD hält weiter am Sendestaatsprinzip fest (vgl. w. o.), der Richtlinie zufolge gelten für alle audiovisuellen Mediendienste verbindlich (hier nach Puppis 2010, S. 129) das Verbot der Aufstachelung zu Hass aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion oder Staatsangehörigkeit (Art 6 AVMD) sowie Beschränkungen und Verbote für kommerzielle Kommunikation, also Werbung und Sponsoring (u. a. Verbot von Tabakwerbung). Für klassische Fernsehsender (lineare Dienste) gelten folgende Vorschriften (vgl. ebd.): Vorgaben für die Übertragung von Großereignissen (Art. 14 und 15 AVMD) einschließlich Kurzberichterstattung, Quoten für europäische Inhalte und für europäische Inhalte unabhängiger Produzenten (Art. 16-18), die Regulierung von Fernsehwerbung, insbesondere Werbedauer und Unterbrechung (Art. 19-26 AVMD), Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (Art. 27 AVMD) sowie das Recht auf Gegendarstellung (Art 28 AVMD). Video-on- Demand-Angebote (also nichtlineare Dienste), »welche die Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen könnten, dürfen für diese nicht frei zugänglich sein« (ebd., mit Bezugnahme auf Art. 12 AVDM). Auch die AVDM dient der Angleichung nationaler Regulierung als »Voraussetzung für einheitliche Wettbewerbsbedingungen in der ganzen EU« (ebd.). Die Regeln der Richtlinie stellen Mindeststandards dar, EU-Mitgliedsländer können für ihr Hoheitsgebiet strengere Bestimmungen erlassen (sog. Inländerdiskriminierung; vgl. Puppis 2010, S. 130). Die Ende November 2007 vom Europäischen Parlament beschlossene Richtlinie musste von den EU-Mitgliedsländern bis Ende November 2009 in nationales Recht umgesetzt werden. 2010 erfuhr sie eine geringfügige formale Modifikation. Sie enthält weitgehend identische Regelungen zu: Sendestaatsprinzip, Schutz der Menschenwürde, Kommerzielle Kommunikation, Sponsoring und Produktplatzierung, Förderung europäischer Werke und deren Herstellung, Recht auf Kurzberichterstattung, Fernsehwerbung und Teleshopping, Jugendschutz, Recht auf Gegendarstellung. Sonderbestimmungen für audiovisuelle Abrufdienste gelten erneut auch für den Jugendschutz (Art. 12 AVDM), außerdem sollen bereitgestellte audiovisuelle Mediendienste »die Produktion europäischer Werke und den Zugang hierzu fördern« (Art 13 AVMD). Die »Richtlinie 2010/ 13/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste)«, so ihr voller Wortlaut, kann als pdf unter http: / / eurlex.europa.eu/ im Volltext abgerufen werden. Mit dem bundesdeutschen Rundfunkwesen (Hörfunk, Fernsehen), seinen Strukturen, Märkten und seiner Regulierung, befassen sich u. a. kompakt und übersichtlich Wolfgang Seufert und Hardy <?page no="275"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 276 Gundlach in ihrem Buch über »Medienregulierung in Deutschland« (2012, S. 204ff) sowie Klaus Beck in seiner Publikation »Das Mediensystem Deutschlands« (Beck 2012, S. 178-159). 4.3.5.3 Die »neuen Medien« in Deutschland Die Bezeichnung »neue Medien« ist in Wirklichkeit schon recht alt. Immer nämlich, wenn neue Medien oder auch nur neue Medientechniken aufkamen, tauchte der Begriff »neue Medien« auf. Das war schon so, als das Radio öffentlich eingeführt wurde (in Deutschland 1923) oder als sich das Fernsehen verbreitete (in Deutschland in den 1950er- und 1960er-Jahren). In den ausgehenden 1970er-Jahren wurde die Bezeichnung »neue Medien« erstmals regelrecht inflationär gebraucht. Damals fanden das Kabelfernsehen, der Direktsatellitenrundfunk sowie die sog. Teletexte (Videotext, Bildschirmtext und Kabeltext) allmählich öffentliche Verbreitung. De facto handelte es sich bei diesen »neuen Medien« nicht wirklich um neue Medien, sondern um neue Medientechniken, genauer gesagt um neue Verteiltechniken für schmal- und breitbandige Rundfunkdienste. Allenfalls kann man sagen, dass Videotext, Bildschirmtext und Kabeltext neue Medienanwendungen darstellten. Richtig jedoch ist, dass durch Kabel- und Satellitenrundfunk der UKW-Frequenzknappheit im terrestrisch verbreiteten Rundfunkwesen (Hörfunk wie Fernsehen) ein Ende bereitet wurde und es via Kabel und Satellit möglich geworden ist, zahlreiche Hörfunk- und Fernsehprogramme in technisch recht guter Qualität zu verbreiten (vgl. Ratzke 1984). Den Gedanken, dass neue Medien (oft) gar keine neuen Medien waren, griff jüngst Michael Schmolke für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts mit einem »unscharfen Blick ins 21. Jahrhundert« auf (Schmolke 2012). Zu den nachfolgenden Ausführungen eine Vorbemerkung: Im Abschnitt über computervermittelte Kommunikation (vgl. Kap. 3.3) wurden zum Teil bereits Aspekte angesprochen, die auch Gegenstand dieses Kapitels sein könnten. Auf sie wird hier folglich weitgehend ebenso verzichtet wie auf Themen(-bereiche), die in den Abschnitten über die klassischen Medien, v. a. im Abschnitt Rundfunk, erörtert wurden. Multimedia, Digitalisierung, Datenkompression Mit »Multimedia« erfährt der Begriff »neue Medien« auch eine neue Bedeutung. Es handelt sich dabei, wie erwähnt, um die Verschmelzung (Konvergenz) von Telekommunikation, Computer, Unterhaltungselektronik und Rundfunk (i. S.-von Hörfunk und Fernsehen). Technische Voraussetzung dafür ist die Digitalisierung, also die Verschlüsselung elektronischer Signale in Form binärer Zeichen an Stelle analoger Übertragung (elektrische bzw. elektronische Transformation der Schwingungsanzahl bzw. -breite von Licht- und Schallwellen). Die mit der Digitalisierung verbundene elektronische »Datenkompression« verringert den Kapazitäts- und Speicherbedarf elektromagnetischer Signale beträchtlich, sodass die eingesparte Kapazität zur Vermehrung elektronischer Dienstleistungen und Programmangebote genutzt werden kann (vgl. Pape 1997, S.-113ff; Wilke 2009b, S. 330f ). Durch die einheitliche digitale Codierung können ehemals getrennte Endgeräte wie Computer, Telefon/ Handy, Fax, Radio- und TV-Apparat sowie CD-Player zusammenwachsen. Aus dieser technischen Konvergenz ergibt sich eine mannigfaltige inhaltliche Konvergenz, die neue Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten zur Folge hat. Um diese Möglichkeiten voll nutzen zu können, sind 1) entsprechende Übertragungswege erforderlich wie hochleistungsfähige Glasfaserkabel mit ISDN-Fernmeldenetz (Integrated Services Digital Network, also die Möglichkeit, auf einem Basisanschluss mehrere getrennte Dienste in Betrieb zu nehmen), DSL-Technik (Digital Subscriber <?page no="276"?> 4.3 Medienforschung 277 Line für gewöhnliche Kupferkabel - rascher, preiswerter), VDSL (Very High Speed Digital Subscriber Line) und natürlich auch digitale Kommunikationssatelliten. Deren erster, der Astra 1 E, »wurde im Oktober 1995 ins Weltall geschossen« (Wilke 2009b, S. 330), mittlerweile sind zahlreiche weitere gefolgt, über die weltweit tausende von Fernsehkanäle bedient bzw. übertragen werden (vgl. ebd.). Ebenso benötigt man 2) multimedial taugliche Endgeräte, wie sie seit geraumer Zeit am Markt sind. Zum Teil können aber auch herkömmliche Geräte entsprechend aufbzw. umgerüstet werden; für sie benötigt man für den Empfang digitaler Fernsehsignale einen Decoder (auch: Set-Top-Box), der die digital übermittelten Signale in Analoge transformiert. Auch der Mobilfunk ist von der Konvergenz erfasst: »Das Handy wird zum Datenterminal«, die UMTS-Technologie (Universal Mobile Telecommunication System) brachte »eine wesentliche Beschleunigung. […] Die Entwicklungen in diesem Kommunikations- und Mediensektor bedürfen ohnehin eines hohen Maßes an Koordination. Technische Standards müssen wegen ihrer Kompatibilität (auch international) festgelegt werden« (Wilke 2009b, S. 331). Die etappenweise erfolgte Umstellung von analoger auf digitale Technik ist sowohl im Telekommunikationsbereich wie auch beim (terrestrischen) Fernsehen per Antenne abgeschlossen, Digitales Fernsehen (Digital Video Broadcasting - DVB) kann über verschiedene Wege übertragen werden: terrestrisch (DVB-T), via Kabel (DVB-C) oder Satellit (DVB-S) sowie (künftig) auch mobil (DVB- H). Durch sog. Datenkompression können im Vergleich zum analogen TV mit dem DVB-Standard mehr Fernsehprogramme pro Sendekanal übertragen werden (Digitales Fernsehen-irt 2013). Das digitale Radio (Digital Audio Broadcasting - DAB), in Bayern und Sachsen-Anhalt bereits 1999 in den Regelbetrieb übergeführt (tendenz 2/ 2012, S. 11), kommt eher mühsam auf die Beine. Dies hat u. a. auch mit technischen Übertragungsstandards - DAB, DABplus - und deren Finanzierung zu tun (vgl. tendenz 2/ 2012, Riegler 2012; Bauer 2012). Immerhin aber gingen im August 2011 zunächst 13 Radioprogramme »bundesweit in einem eigenen Sendernetz in der Übertragungsnorm DABplus auf Sendung. Die ARD brachte ihrerseits alle ihre Hörfunkwellen in den bestehenden DAB-Landesnetzen in die Luft, wechselte Kanäle, erhöhte Sendeleistungen und ergänzte das Angebot mit exklusiven Digitalprogrammen« (Gongolsky 2012, S. 6; siehe dazu auch die Tabelle »Digitalradio im Überblick«, a. a. O., S. 7). Wichtig für die Durchsetzung des programmlichen Mehrwerts von Digitalradio am Markt sind neben einem überzeugenden inhaltlichen Angebot bessere Klangqualität und sinkende Verbreitungskosten (vgl. Schneider S. 2012, S. 3); ebenso aber auch preiswerte DAB-fähige Radioempfangsgeräte. Im Handel sind bereits auch Hybridgeräte erhältlich, die DABplus und Internetradio empfangen können (vgl. Gongolsky 2012, S. 7). Dem Thema Digitalradio ist schwerpunktmäßig Heft 2/ 2012 der Zeitschrift tendenz gewidmet. Internet Das Internet ist de facto kein Medium im klassischen Sinn des Wortes. Es stellt vielmehr die Basis für eine vielfältige Reihe von Anwendungs- und Nutzungsmöglichkeiten dar. Dieser »interconnected set of networks« ist ein weltweiter, dezentraler Verbund von Computern, Workstations und Servern, die per Telefon oder über andere Datenleitungen zusammengeschlossen sind (vgl. z. B. Kaiser 1996; Bleicher 2010). Die Rechner kommunizieren miteinander über ein standardisiertes, elektronisches Datenübertragungsprotokoll. Dieses TCP/ IP-Protokoll (Transmission Control Protocol/ Internet Protocol) bildete zugleich die Basis, auf der die unterschiedlichen Anwendungen bzw. Dienste des Internets aufsetzen (vgl. Bleicher 2010; Kaiser 1996). Keimzelle des Internets war ursprünglich ein in den 1960er-Jahren von der US-Regierung geschaffenes, atombombensicheres militärisches Netzwerk (ARPA-Net) mit dezentral aufgestellten, miteinander kommunizierenden Rechnern: fällt ein <?page no="277"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 278 Rechner aus, übernimmt ein anderer dessen Funktion. In den darauf folgenden beiden Jahrzehnten kamen universitäre Netze hinzu, wobei die dezentrale Struktur der Rechnerverbünde gewahrt blieb. Seither haben sich unzählige weitere universitäre, staatliche, kommerzielle und private Netzwerke diesem Rechnerverbund angeschlossen und sind somit selbst ein Teil des Internets (vgl. Bleicher 2010; Kreuzberger 1997). Das geradezu explosionsartige Wachstum des Internets hat Anfang der 1990er-Jahre begonnen, und zwar mit der Entwicklung massenattraktiver Anwendungen wie WWW, E-Mail, Datentransfer, Newsgroups, Chats u. a. m. Mit dem Web 2.0 sind weitere interaktive Kommunikationsanwendungen dazu gekommen. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich soziale Netzwerke, Blogs und Mikroblogs, Kommentarfunktionen, Tweeds etc. Der Begriff Internet steht im alltagssprachlichen Gebrauch meist auch für das World Wide Web (WWW) und hat sich in diesem Begriffsverständnis weitum eingebürgert. Im Herbst 2001 hat es weltweit 350 Mio. Internetnutzer (korrekt: WWW-Nutzer) gegeben, das entsprach damals 5,8 Prozent der Weltbevölkerung (vgl. Eimeren/ Gerhard/ Frees 2001, S.-382). 2012 sollen es bereits 2,4 Mrd. Internetbzw. WWW-Nutzer gewesen sein (Internet 2012), also ein Anteil von gut einem Drittel der Weltbevölkerung. Der Statistik von Internet World Stats vom Juni 2012 zufolge verteilten sich die Nutzer zu 44,8 Prozent auf Asien, 21,6 Prozent auf Europa, 11,4 Prozent auf Nordamerika (USA, Kanada), 10,6 Prozent auf Lateinamerika, 7 Prozent auf Afrika, 3,7 Prozent auf den Mittleren Osten und 1 Prozent auf Ozeanien/ Australien (Internet World Stats 2012). Das World Wide Web (WWW) ist der populärste Teil des Internets - ein Dienst, dessen Funktionsweise auf der Hypertextstruktur basiert, über die Dokumente miteinander verlinkt werden können. Stets einfacher zu bedienende grafische Benutzeroberflächen ermöglichen dem User, quasi von Link zu Link, von Dokument zu Dokument zu surfen und im Webangebot sorglos zu wühlen. Zu den besonderen Kennzeichen des WWW gehört neben seiner Hypertextstruktur v. a. auch seine Multimedialität, also die Integration von Texten, Tönen, Bildern, Grafiken und Animationen innerhalb eines Dokuments. Innerhalb des WWW gibt es eine unübersehbare Anzahl kommerziell wie nichtkommerziell nutzbarer Onlinedienste und anderer Angebote und Dienstleistungen. Nahezu alle Zeitungen und Zeitschriften, Hörfunk- und TV-Sender sind mit Onlineauftritten im WWW vertreten. Kommerziell genutzte Anwendungen des WWW sind u. a. im Teleshopping (elektronischer Einkauf ), im Electronic Commerce (elektronischer Handel) sowie im Homebanking (Abwicklung von Bankgeschäften, Konto- und Umsatzabfragen etc.) u. a. m. zu sehen. Im World Wide Web gibt es eine nach wie vor täglich wachsende, nicht mehr quantifizierbare Fülle von Onlineangeboten. Für die einen stellt das Web folglich ein Informationsparadies dar, für die anderen droht es zur Weltmüllhalde zu verkommen. Qualitativ hochwertige Angebote sind nur einen Mausklick von wenig bis nicht brauchbaren Angeboten entfernt. Ein großer Vorteil nichtkommerzieller wie kommerzieller Onlinedienste ist in der nutzerfreundlichen Strukturierung ihrer Angebote zu sehen. Viele Onlineauftritte von Medienunternehmen haben sich zu großen Onlineportalen entwickelt, über die nicht nur aktuelle Nachrichten und Informationen abgerufen, sondern über die auch Waren eingekauft, Reisen gebucht und z. B. kommunale Dienstleistungen online in Anspruch genommen werden können. Im nichtkommerziellen Bereich helfen dem User Suchmaschinen (wie Google, Yahoo, Bing, T-Online, etc.) beim Surfen durch den Informations-, Unterhaltungs-, Waren- und Geschäftsdschungel des WWW. Im Abschnitt über computervermittelte Kommunikation des vorliegenden Buches werden Kommunikationsmöglichkeiten und -anwendungen des Internets erläutert (siehe dazu Kap. 3.3.). Einen gut lesbaren, wohldosierten Überblick über das Profil des Internets bietet u. a. Joan Christin Bleicher (2010) mit dem Bändchen »Internet«. Gut lesbare Überblicke finden sich weiters in Frank Hartmanns Bändchen »Multimedia« (Hartmann 2008). Über »Online-Kommunikation«, so der Titel, erteilt u. a. Sabina Misoch Auskunft (Misoch 2006). Dem »Web 2.0« sind etwa wissenschaftliche Publikationen <?page no="278"?> 4.3 Medienforschung 279 von Miriam Meckel und Katarina Stanoevska-Slabeva (2008), von Anja Ebersbach et al. (»Social Web«, 2011) sowie von Jan Schmidt (»Das neue Netz«, 2009) gewidmet, von dem auch eine Publikation über »Weblogs« (2006) stammt. Es empfiehlt sich, in diese und andere Quellen Einsicht zu nehmen. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf Onlinezeitungen und damit verbundene Aspekte sowie an deren Ende auch auf rechtliche Aspekte zu Multimedia und Onlinemedien. Onlinezeitungen und -zeitschriften Onlineausgaben von Zeitungen und Zeitschriften gibt es bereits seit Anfang der 1990er-Jahre. Vorläufer dieser elektronischen Ausgaben waren in den btx-Zeitungen zu sehen, wie sie zu Beginn der 1980er-Jahre aufkamen, aber nicht erfolgreich waren (vgl. Bär 1997, S.-229 bzw. Tonnemacher 1999, S.-64). Eine wichtige technische Voraussetzung war die in Deutschland ab 1975 erfolgte Einführung elektronischer Redaktionssysteme in Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen (vgl. Weischenberg 1978 und 1982), mit deren Hilfe es möglich war, die von Journalisten elektronisch erfassten Texte auch elektronisch zu speichern und zu archivieren (wofür Computer mit extrem hohen Speicherkapazitäten eingesetzt werden mussten). Die Digitalisierung schließlich stellte den zweiten wichtigen Entwicklungsschritt dar. Onlineausgaben von Zeitungen gab es zunächst bei Internetprovidern, fast zeitgleich folgten aber eigenständige Onlineausgaben unterschiedlicher nationaler Provenienz. 1995 waren 78 US-amerikanische Zeitungen mit Onlineausgaben im Web vertreten, in Deutschland haben im gleichen Jahr Die Welt, der Berliner Tagesspiegel, die Schweriner Volkszeitung, die tageszeitung (taz) und Der Spiegel erste Onlineausgaben ins WWW gestellt (vgl. Bär 1997, S.-231). Heute gibt es in Deutschland kaum eine Tageszeitung (und kaum eine Zeitschrift mehr), die nicht mit einer Onlineausgabe im Web vertreten ist. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger beziffert die Zahl der Onlineangebote zur Jahresmitte 2012 mit insgesamt 661 (die Zahl der URLs mit 414; siehe Zeitungen 2012/ 13, S. 413). Mit der netzeitung war von 2000 bis 2009 in Deutschland auch eine Onlinezeitung vertreten, die kein Printprodukt im Rücken hatte. (www.netzeitung.de ist nur noch ein automatisiertes Nachrichtenportal, das auf externe Quellen verweist). Die deutschen Zeitungsverleger standen zur Zeit des Aufkommens von Onlinezeitungen (Mitte der 1990er-Jahre) dem neuen Medium - teils zumindest - skeptisch gegenüber. Dahinter standen u. a. Bedenken, mit Onlineauftritten könnten die gedruckten Zeitungen möglicherweise kannibalisiert werden. Schließlich erkannten Zeitungs- und Zeitschriftenverleger aber, dass ihnen in den kommerziellen wie nichtkommerziellen Onlinediensten anderer Anbieter beträchtliche Konkurrenz erwächst: Viele dieser Dienste boten bereits in den Anfangsjahren Nachrichten, (zugekaufte) redaktionell gestaltete Inhalte sowie Service-Leistungen an - Domänen, die bislang von Printprodukten wahrgenommen und angeboten wurden. Zudem versuchten auch branchenfremde Onlineanbieter, sich über Werbung zu finanzieren. Aus diesen und weiteren Gründen begannen Presseverlage, sich mit Onlineauftritten im Web zu engagieren (vgl. Riefler 1995, 1996; Röper 1998; Gutting 1997; Höflich 1998; Breyer-Mayländer 1999, S.-171): • Zunächst ging (und geht) es um den Erhalt und den Ausbau des Stammgeschäftes, nämlich die Bereitstellung von Inhalten und deren Mehrfachverwertung (u. a. für andere Onlineanbieter), um zusätzliche Erträge zu erwirtschaften (vgl. Gutting 1997, S.-180). • Es ging (und geht) des Weiteren auch um die Sicherung des Kerngeschäftes, nämlich den Anzeigenmarkt. In Gefahr waren und sind v. a. Rubrikenanzeigen wie der Stellen- und Arbeitsmarkt, der Kraftfahrzeugmarkt sowie der Immobilienmarkt. Im Internet gab es rasch Angebote branchenfremder Anbieter (wie Jobagenturen, Kfz- und Immobilienringe), die dieses Angebot ins Web <?page no="279"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 280 exportierten. Es war daher zu befürchten, dass Werbegelder an den Zeitungsverlagen vorbei ins WWW fließen. Die Intention der Verlage war und ist es daher, diese Gelder über Onlineableger des Printproduktes möglichst abzufangen (vgl. Riefler 1996, S.-159) oder mit anderen, branchenfremden Anbietern Kooperationen einzugehen. • Drittens ging (und geht) es um neue Werbe- und Anzeigenformen. Onlineauftritte eröffneten die Möglichkeit und Notwendigkeit, neue Werbung zu erschließen, da es Vertriebserlöse (Paid Content) im World Wide Web, von Ausnahmen abgesehen, lange nicht gab. Solche neuen Werbeerlöse deckten und decken in vielen Verlagen die ihnen entstehenden Kosten für ihre Onlinepräsenzen immer noch nicht (vgl. Kap. 4.3.5.4; vgl. Gutting 1997, S.-180; Breyer-Mayländer 1999, S.-171). • Ziel der Verlage war (und ist) es viertens, junge Leser für das Printprodukt über den Onlineauftritt zu gewinnen, zumal nachgewiesen ist, dass v. a. junge Menschen zunehmend weniger Zeitung lesen, aber starke Onlinenutzer sind. Es lag (und liegt) folglich nahe, junge Menschen über jugendadäquate Onlinemedien wie Onlinezeitungen, E-Papers sowie über Applikationen für mobile Endgeräte für die Printausgabe (doch noch) zu begeistern und z. B. über (kostenlose) Schnupper-Abonnements das Printprodukt zu bewerben (vgl. Gutting 1997, S.-179; Höflich 1998, S.-114). • Nicht zuletzt sind es aber auch Image-Gründe gewesen, die die Presseverlage dazu bewogen, Onlineausgaben herauszubringen. Sie wollten damit unter Beweis stellen, dass auch sie moderne Medien sind. Es ging und geht ihnen um die symbolische Präsenz der Zeitung in einem elektronischen Umfeld, das sich auch für Marketing-Zwecke eignet und über das vielleicht auch die Leser-Blatt-Bindung zusätzlich verstärkt werden kann. Zweifellos ist es ein großer Vorteil für die gedruckte Zeitung, Image und Kernkompetenz der Printausgabe auf Onlineprodukte übertragen zu können (vgl. Höflich 1998, S.-114; Riefler 1996, S.-159f ). Onlinezeitungen und weitere (auch mobile) Angebote können für sich übrigens Vorteile nutzen, die generelle Merkmale und Möglichkeiten des World Wide Web darstellen und an anderer Stelle bereits erörtert wurden wie: Globalität, Multimedialität, Hypertextualität, Interaktivität, Aktualität und unbegrenzte Speicherkapazität (vgl. Kap. 4.1.3.4). Übertragen auf Onlinezeitungen und andere digitale Produkte heißt dies konkret: Sie können (das technische Equipment freilich vorausgesetzt) von jedem Ort der Welt ins Netz gestellt und abgerufen werden (Globalität). Es ist möglich, die Texte der Onlinezeitungen multimedial, also mit Text, Bild, Ton, Video, Grafik und Animation, zu gestalten (Multimedialität) und mit anderen Texten und Dokumenten im Web zu verlinken (Hypertextualität). Die Onlinezeitungsnutzer haben die Möglichkeit, von den interaktiven Elementen des Webs wie E-Mails, Chats, Postings, Tweets u. Ä. Gebrauch zu machen und auf die Kommunikatoren der Zeitung spontan zu reagieren (Interaktivität). Onlinezeitungen und ähnliche digitale Angebote können jederzeit aktualisiert werden, es gibt keinen Redaktionsschluss und keine Andruckzeiten (Aktualität). Nicht zuletzt gibt es im World Wide Web keine Platzprobleme: Die geradezu unendlichen Speicher der WWW-Server hebt die quantitative Beschränkung aller bisherigen analogen Medien auf (unbegrenzte Speicherkapazität). Weder der druckbare Umfang der Zeitung noch der Papierpreis spielt beim Webauftritt eine Rolle. Dies bedeutet, dass in Onlinezeitungen Inhalte Platz finden können, die in der gedruckten Ausgabe nicht enthalten sind, und dass Inhalte problemlos gespeichert bzw. archiviert und (allenfalls gegen Entgelt) weiter verwertet werden können (vgl. Gutting 1997, S.-180). Zu den bislang immer noch nicht zufrieden stellend gelösten Problemen gehört die Finanzierung von Onlinezeitungen (vgl. Kap. 4.3.5.4). Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind sie in der großen Mehrzahl immer noch Zuschussbetriebe. Es liegt dies daran, dass Geschäftsmodelle, wie sie sich im Printgeschäft über Jahrzehnte entwickelt haben - im wesentlichen Vertriebs- und Werbeerlöse - im WWW kaum funktionieren (vgl. Breyer-Mayländer 1999, S.-171). Vor allem gab es oftmals den Vertriebserlös (noch) nicht, denn in aller Regel herrscht(e) im WWW weitgehend das Marktprin- <?page no="280"?> 4.3 Medienforschung 281 zip »content is free« (vgl. Breyer-Mayländer 1999, S.-171). Gleichwohl versuchen die Presseverlage in jüngster Zeit, allmählich auch diese Einnahmequelle zu erschließen. Große Hoffnungen setzen sie in Applikationen für den Empfang auf mobilen Endgeräten wie Smartphones, iPads, anderen Tablets bzw. ähnlichen Geräten (siehe z. B. Bauer et al. 2012; Zeitungen 2011/ 12 sowie Zeitungen 2012/ 13). Die Onlineauftritte der deutschen Tageszeitungen nahmen sich zu Beginn der Entwicklung sehr unterschiedlich aus. Und es hat durchaus ernst zu nehmende Versuche gegeben, Typologien von Onlinezeitungen zu erstellen (vgl. etwa Roth 2005). Es ist aus Platzgründen hier nicht möglich, sie zu erläutern; sie sind jedoch bei Pürer/ Raabe mit Bezugnahme auf die jeweiligen Autoren im Überblick dargestellt (Pürer/ Raabe 2007, S. 437-441). Angesichts der Dynamik des WWW, der auch die Onlineauftritte der Tageszeitungen unterliegen, sind solche Typologien allerdings rasch überholt. Dass die Printausgabe im Verhältnis 1: 1 ins Web übernommen wird, kommt, wenn überhaupt, nur noch selten vor. Synergien zwischen Print- und Onlineredaktionen werden zunehmend genutzt und sind in vielen Medienunternehmen durch die Implementation neuer Redaktionstechnik und Arbeitsorganisation - Stichwörter: Newsroom, Newsdesk (vgl. Kap. 4.1.3.4) - auch gängige Praxis. Ziel ist es, alle »Ausspielwege«, die zur Verfügung stehen, zu bedienen: Print, E-Paper, Onlinezeitung, mobile Dienste und Applikationen (sowie, sofern vorhanden, auch angeschlossene Radio- oder TV-Sender) (Bauer et al. 2012; Kansky 2012). Verständlicherweise unterscheiden sich die Onlineauftritte der großen, überregional verbreiteten Tageszeitungen und die der national verbreiteten Zeitschriften von jenen regionaler und lokaler Tageszeitungen. In aller Regel gilt es, die Printmarke ins Internet zu übertragen und als aktuelle Site zu platzieren. Dabei wird auch die Regional- und Lokalkompetenz der Verlage herausgestellt - auch für den Onlinezeitungsmarkt und ähnliche Angebote scheint die alte Formel »All business is local« zu gelten (vgl. Langer 2012a, Langer 2012b). Zahlreiche Name Summe Visits 1. Bild.de 224.817.775 2. SPIEGEL online 175.181.212 3. FOCUS online 50.353.417 4. COMPUTERBILD.de 50.136.042 5. DIE WELT 43.125.523 6. Süddeutsche.de 35.785.850 7. Kicker online 32.261.264 8. ZEIT online 26.342.646 9. FAZ.net 24.685.294 10. Stern.de 21.189.254 11. TV Spielfilm.com 17.930.984 12. Handelsblatt.com 13.578.111 13. Express online 12.631.454 14. PC-Welt 12.160.788 15. DerWesten 11.531.249 inklusive Zeitschriften (für Dezember 2012) ivw-online.de 20.04.2013) Abb. 12: Top 15 der deutschen Onlinezeitungen (12/ 2012) <?page no="281"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 282 Verlage mit einem Onlineangebot haben auch ihre Rubrikenmärkte im Netz, wobei sie u. a. auch (regionale oder nationale) Kooperationen z. B. mit Kfz- und Immobilienringen sowie mit Jobbörsen eingingen (vgl. Vogel 2001b, S.-596). Der Weg von der Druckerpresse zum Web-Server wird von Holger Rada (1999) gut dargestellt. Neben Einzelauftritten von Zeitungen im WWW gibt es regionale Portale, die von mehreren Zeitungen gemeinsam betrieben werden. Sie stellen Angebote dar, die dem User neben aktuellen Nachrichten und Informationen vielfältige Serviceleistungen, Spaß, Spiel-, Sport- und Freizeitangebote sowie Onlinebuchungs- und Einkaufsmöglichkeiten bieten, ebenso auch interaktive Möglichkeiten der Rückkopplung wie E-Mail und Kommentarfunktionen. Die Entwicklung von der Onlinezeitung zum Onlinekiosk ist seit langem im Gange, und das zum Multimedia-Unternehmen mutierte Zeitungsverlagshaus gleicht im Web einem großen virtuellen Konsumtempel, der Informations-, Unterhaltungs-, Bildungs-, Dienstleistungs- und Warenangebote aller Art bereithält (vgl. Klettke 1998, S.-272; Wagner 1998, S.-209; Riefler 2000). Zunehmend von Bedeutung erscheint die Einbindung sozialer Netzwerke wie etwa Facebook, Twitter und Google+, deren Mitglieder u. a. auch für Nachrichtenverbreitung und damit für »traffic« auf Onlineseiten sorgen. Social Media stellen Herausforderungen und Potenziale für Zeitungsverlage dar (vgl. Hoffmeister 2011), aber durchaus auch rechtliche Fallstricke (Schwenke 2012; Borowski 2013). Andreas Vogel hat 2012 dargestellt, wie die großen deutschen Medienkonzerne Springer, Burda, Holtzbrinck, Gruner+Jahr, Bauer, DuMont Schauberg, Madsack, WAZ-Gruppe, Südwestdeutsche Medienholding und Ippengruppe Online als Geschäftsfeld und Vertriebskanal der Pressewirtschaft nutzen und sich neben Print über digitale Strategien ein zweites Standbein zu verschaffen suchen (Vogel 2012b). Die Tageszeitungen stehen mit ihren Online-Engagements aber auch in Konkurrenz zu den gleichfalls tagesaktuellen Onlineauftritten der Rundfunkanstalten. Letztere haben den Vorteil, dass sie auf digitalisierte Audio- und Videodokumente zurückgreifen können und sie damit - leichter als die Zeitungen - Möglichkeiten der Multimedialität in ihren Onlineausgaben auszuschöpfen vermögen. Insbesondere die Onlineauftritte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF bzw. einzelner ihrer Sender und/ oder Programme sind den Zeitungsverlegern, aber auch den privaten Rundfunkveranstaltern deshalb ein Dorn im Auge. Wiederholt wurde und wird seitens der Verleger und privaten Rundfunkbetreiber verlangt, dass sich ARD und ZDF in ihren Onlineangeboten auf programmbegleitende Informationen beschränken und keine (gebührenfinanzierte) »elektronische Presse« betreiben sollen. Die Kontroverse hat in der medienpolitischen Diskussion bereits vor Jahren auf EU-Ebene schließlich dazu geführt, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands alle ihre digitalen Angebote dem »Drei-Stufen-Test« unterziehen müssen (vgl. Kap. 4.3.5.2). Besonders umstritten war zuletzt die inhaltlich wie formal technisch hoch professionell gestaltete und millionenfach abgerufene Applikation der »Tagesschau« (ARD) für den Empfang auf mobilen Endgeräten. Im Frühjahr 2013 ist das ZDF mit einer »heute«-Applikation gefolgt. Es bleibt vorerst wohl abzuwarten, ob es in dieser strittigen Thematik noch zu einer ›politischen‹ Lösung kommt. Bald nach dem Aufkommen erster Onlinezeitungen ist die Frage aufgetaucht, ob dieses neue Medium die gute alte gedruckte Tageszeitung möglicherweise verdrängt. Die Frage stellt sich angesichts rückläufiger Zeitungsauflagen und -reichweiten sowie auch angesichts des stets geringer werdenden Anteils der Zeitungen am Gesamtwerbeaufkommen immer wieder neu (vgl. Kap. 4.3.5.4) und ist wohl schwer zu beantworten. Zeitungen, die auf Qualität setzen, wird es weiter geben. Gegenüber anderen Medien hat die gedruckte Tageszeitung nach wie vor nicht zu übersehende Vorteile. Sie stellt ein in aller Regel sorgfältig geschnürtes und gut gegliedertes Informationspaket dar, das viele unserer Interessen bedient und uns dabei hilft, uns in einer zunehmend komplexen Umwelt zurecht zu finden. Sie ist (und bleibt wohl auch) für die Leser nach wie vor die Informationsquelle Nummer eins für regionale und lokale Nachrichten. Die Tageszeitung kann Hintergrundinformationen bie- <?page no="282"?> 4.3 Medienforschung 283 ten und stellt so etwas wie ein »soziales Register« dar. Sie ist ein untechnisches und auf Grund ihrer einfachen Transportabilität ein vielseitig disponibles, ja mobiles Medium, das nahezu überall und sehr einfach genutzt und erforderlichenfalls auch leicht archiviert werden kann. Zudem verfügt es, wie Klaus Schönbach (1995) richtig feststellt, nicht nur über die »Ästhetik des Schriftlichen«, sondern auch über die »Dezenz des Schriftlichen«. Rechtliche Aspekte von Multimedia Mit dem Aufkommen von multimedialen Diensten und Onlineangeboten war in Deutschland zunächst nicht klar (bzw. umstritten), wer von den Kompetenzen her für die rechtliche Regelung zuständig war: der Bund oder die Länder. 1996 kam es schließlich zu einem Kompromiss und einer »Abgrenzung der Zuständigkeiten«: an die Allgemeinheit gerichtete Dienste (wie etwa Onlinezeitungen) sollten von den Ländern, Dienste für die Individualkommunikation vom Bund geregelt werden (vgl. Fechner 2006, S. 309). Es entstanden in der Folge der zwischen den Bundesländern vereinbarte Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV) sowie das vom Bund erlassene Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG). Der Mediendienste-Staatsvertrag war die Rechtsgrundlage »für die an die Allgemeinheit gerichteten Informations- und Kommunikationsdienste (Mediendienste), also jene, die dem herkömmlichen Rundfunkbegriff zuzuordnen sind« wie Teleshopping, Teletexte und Abrufdienste (Wilke 2009b, S. 357). Die Dienste waren anmeldefrei. Das vom Bund erlassene Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz enthielt drei Gesetzeskomplexe: 1) das Teledienstegesetz (Regelung von allen zur individuellen Nutzung bestimmten Telediensten wie Onlinedienste, Telespiele, E-Mail, Kaufangebote etc.); 2) das Teledienstedatenschutz-Gesetz (mit Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten, zu Jugendschutz und Urheberschutz); sowie 3) das Signaturgesetz (Gleichstellung elektronisch verschlüsselter Signaturen mit handschriftlich geleisteten Unterschriften und deren Anerkennung als Beweismittel) (vgl. Wilke 2009b, S. 356f ). Mit März 2007 trat das neue, vom Bund erlassene Telemediengesetz (TMG) in Kraft. Es löste »das Teledienstegesetz, das Teledienstedatenschutzgesetz und teilweise den Mediendienste-Staatsvertrag ab« (Wilke 2009b, S. 357). Darin wurde »die frühere Unterscheidung zwischen Telediensten und Mediendiensten aufgehoben und durch den Begriff ›Telemedien‹ ersetzt« (Fechner 2012, S. 353). Das Telemediengesetz enthält Bestimmungen (hier in Analogie zu Fechner 2012, S. 354-371) zum Herkunftslandprinzip, zu Informationspflichten der Anbieter, zur Verantwortlichkeit der Anbieter 1) für eigene Informationen, 2) Durchleitung von Informationen/ Zugangsvermittlung, 3) Zwischenspeicherung/ Caching, 4) Speicherung/ Hosting und 5) sonstigen Haftungsfragen einschließlich Störerhaftung, zum Datenschutz sowie zu Spam-Mails. Inhaltliche Anforderungen der Telemedien werden jedoch weiterhin »von den Ländern, und zwar im Staatsvertrag für ›Rundfunk- und Telemedien‹ mitgeregelt« (Fechner 2012, S. 352; Hervorhebung H. P.). Dieser Staatsvertrag enthält u. a. »Regelungen zu den ›journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten«, also den Onlinemedien (Beck 2012, S. 275), zu Impressumspflicht, journalistischer Sorgfaltspflicht, Recht auf Gegendarstellung, Datenschutz sowie Trennung von Werbung und journalistischem Inhalt (vgl. ebd.). Ebenso enthält der Vertrag Vorschriften für Telemedienangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten: erlaubt sind nur journalistisch-redaktionelle Inhalte, »die keine flächendeckende Lokalberichterstattung sowie keine Werbung und Sponsoring enthalten« (Beck 2012, S. 175). Verboten sind u. a. auch »Kleinanzeigenportale, Produktbewertungs- und soziale Kontaktportale bzw. Partnervermittlungsportale, Branchenregister, Wetten sowie Routenplaner. Musik-, Foto- und Videodownloads sowie Spiele, Chats und Foren müssen einen konkreten Sendungsbezug haben und redaktionell begleitet sein« (Beck 2012, S. 276). Weiters enthält das Ver- <?page no="283"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 284 tragswerk Vorschriften zur »Bereitstellung von Rundfunksendungen und -beiträgen in Onlinemediatheken: Die Sendungen und darauf bezogene ergänzende Inhalte können sieben Tage lang, bei bestimmten Sportereignissen nur 24 Stunden lang zur Nutzung bereitgehalten werden. Lediglich zeit- und kulturgeschichtliche Inhalte können unbefristet online stehen. Alle anderen Telemedienangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müssen vorher einen sog. Drei-Stufen-Test durchlaufen« (ebd.; vgl. dazu auch S. 265f in diesem Buch). Im Zusammenhang mit der Regelung der hier erwähnten Rechtsfragen erscheint es sinnvoll, auch das Telekommunikationsgesetz (TKG) von 1996 zu erwähnen. »Es normierte u. a. Vorschriften zur Markt-, Zugangs- und Entgeltregulierung sowie zum Kunden- und Datenschutz« (Wilke 2009b, S.-356). Das TKG ist eine Folge der Aufhebung des Postmonopols der Deutschen Telekom zu Jahresbeginn 1998. Das Gesetz soll »die Versorgung der Bevölkerung mit der Telekommunikation sicherstellen«, zugleich aber auch »Wettbewerb zwischen neuen Anbietern und dem übermächtigen ehemaligen Monopolisten« entstehen lassen« (ebd.). 4.3.5.4 Zur Finanzierung der Medien Fragen zu wirtschaftlichen Aspekten des Medienwesens gehören seit den Anfängen zeitungskundlicher Forschung zum Gegenstand der frühen Zeitungs- und späteren Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Dabei wurden verständlicherweise zuerst ökonomische Fragen des Pressewesens aufgegriffen, zumal sich die Funkmedien Radio und Fernsehen erst später entwickelten. Medienwirtschaftliche Publikationen zu den Medien Film oder auch zu den neuen elektronischen Medien der 1970er- und 1980er-Jahre wie Kabelrundfunk, Satellitenrundfunk, Tonträger wie CDs und DVDs etc. folgten. Es ist nicht möglich, auf sie hier alle einzugehen. Vielmehr sei zunächst auf Buchpublikationen aus jüngerer Zeit zum Thema hingewiesen, wobei auch hier eine Auswahl erforderlich erscheint. Zu ihnen gehören u. a. eine Einführung in die Medienökonomie von Andrea Beyer und Petra Carl (zuletzt 2012), die Medienökonomie (Print, Fernsehen und Multimedia) von Hanno Beck (zuletzt 2011), die Grundfragen der Medienwirtschaft von Matthias Schumann und Thomas Hess (zuletzt 2009) sowie die Medienökonomik von Marie Luise Kiefer (zuletzt 2005) mit ihrer theorieorientierten, kommunikationswissenschaftlichen Perspektive. Eine »Neue Medienökonomik«, so der Titel, liegt auch von Michael Hutter (2006) vor. Schon einige Zeit (1999) zurück liegen die beiden Bände von Jürgen Heinrich über Medienökonomie 1 (Mediensystem, Zeitung, Zeitschrift, Anzeigenblatt - zuletzt 2001) sowie Medienökonomie 2 (Hörfunk, Fernsehen). Mit der Ökonomie des Spielfilms beschäftigt sich Michael Gaitanides (2001). Mit neuen Erlösmodellen für Zeitungsverlage z. B. befasst sich kompakt und gut verständlich Sandra Huber (2007). Eine umfassende Internetökonomie liegt vor von Ralf Peters (2010), ein gleichlautender Titel von Axel Zerdick et al. (2001); eine Ökonomie des Internets (ebenfalls umfassend angelegt) stammt von Hanno Beck und Aloys Prinz (1999). Lexika gibt es von Insa Sjurts (Gabler Lexikon Medienwirtschaft, zuletzt 2011); sowie Gabler Kompakt-Lexikon Medien (2006). Kurze Überblicksdarstellungen zum Thema Medienökonomie stammen von Werner A. Meier et al. (2010), Josef Trappel (2004), Gabriele Siegert (2003) und Johannes Ludwig (2003). Ökonomischen Perspektiven zum Internet bietet Bernd W. Wirtz (zuletzt 2011). Mit Internetökonomie, deren Grundlagen und Strategien aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive befassen sich in einem Überblicksbeitrag Leyla Dogruel und Christian Katzenbach (2010). Zum Thema Medienökonomie gibt es unterschiedliche theoretische Zugänge, die - recht übersichtlich, kompakt und mit weiterführenden Literaturhinweisen versehen - von Werner Meier et al. (2010, S. 244-253) dargestellt werden: der neoklassische Zugang, der betriebswirtschaftliche Zugang, der Zugang über Neue Politische Ökonomie und Neue Institutionenökonomik, der <?page no="284"?> 4.3 Medienforschung 285 wirtschaftsethische Zugang, der industrieökonomische Zugang, der soziologische bzw. politökonomische Zugang sowie schließlich der kapitalismuskritische Zugang. In jüngster Zeit befassen sich mehrere Autoren mit dem Thema »Finanzierung des (Qualitäts-)Journalismus« (Kiefer 2011a, 2011b; Ruß-Mohl 2011; Stöber 2011; Lobigs 2013). Nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, dass der Zeitschrift MedienWirtschaft Beiträge zu ökonomischen bzw. wirtschaftlichen Themen zu Print, Hörfunk, Fernsehen, Telekommunikation und Online entnommen werden können. Medienökonomische Gesamtdarstellungen erweisen sich insofern als relativ schwierig, als sich zahlreiche Presseverlagshäuser spätestens ab dem ausgehenden 20. Jahrhundert zu modernen Medienkonzernen weiterentwickelt haben, die sowohl im Bereich der Print-, als auch der Funk-, als auch der Onlinemedien tätig sind und z. B. auch die sozialen Netzwerke für sich entdeckt haben. Zudem gibt es crossmediale und internationale Verflechtungen zwischen Print- und Funkmedienkonzernen (mit bisweilen oftmals wechselnden Anteilen bzw. Beteiligungsverhältnissen), sodass es sich nicht selten als schwierig erweist, die jeweils geltenden Beteiligungsverhältnisse einigermaßen aktuell festzuhalten. Für den deutschen Sprachraum ist in diesem Kontext auf mehr oder weniger regelmäßige Veröffentlichungen von Horst Röper, Helmut Diederichs und Andreas Vogel zu verweisen, die v. a. in der Zeitschrift Media Perspektiven Beiträge über crossmediale Verflechtungen sowie Konzentrationsvorgänge im Medienwesen publizieren (zuletzt etwa Röper 2012a sowie Vogel 2012a und 2012b). Aktuelle pressestatistische Daten (publizistische Einheiten, (redaktionelle) Ausgaben, Verlage als Herausgeber, Auflagen) publiziert regelmäßig der Pressestatistiker Walter J. Schütz (zuletzt 2012a und 2012b; vgl. Kap. 4.3.5.1). Um sich einen kompakten Überblick über wichtige Besonderheiten von Medienprodukten zu verschaffen, die für medienökonomische Überlegungen generell von Bedeutung sind, erscheint es u. a. sinnvoll, sich die »Besonderheiten des Medienbereichs« zu erschließen, wie sie u. a. von Andrea Beyer und Petra Carl mit Bezugnahme auf zahlreiche Autoren gut lesbar dargestellt werden (Beyer/ Carl 2012, S. 11-22). Auch hier kann eine in sich abgerundete Darstellung einer Medienökonomie nicht geleistet werden. Stattdessen soll lediglich in wesentlichen Grundzügen die Finanzierung der Print-, Funk- und Onlinemedien erörtert werden. Zunächst erfolgt dies für die Tageszeitungen, dann für den Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen). Ausführungen über die Finanzierung von Onlinemedien sollen die Darstellung abrunden, ehe das Problem des Marktzutritts in gesättigten Medienmärkten noch kurz gestreift wird. Vorweg ist weiter festzuhalten, dass über die Finanzierung der Printmedien sowie von Hörfunk und Fernsehen seit langer Zeit doch recht zuverlässige Daten vorliegen. So wurden die Zeitungsverleger mit dem Pressestatistikgesetz von 1975 verpflichtet, dem Bundesamt für Statistik (Wiesbaden) neben Daten über Anzahl und Titel der verlegten Zeitungen und Zeitschriften, über die Rechtsform des Verlagsunternehmens, die Zahl der Mitarbeiter etc. auch ihre Kosten- und Erlösstrukturen bekannt zu geben. Seit 1985 veröffentlichen die Zeitungsverleger diese Daten sowie teils sehr detaillierte Informationen über die wirtschaftliche Lage der Zeitungen auch in den jährlich erscheinenden Zeitungsjahrbüchern des BDZV (z. B. Zeitungen 2012/ 13). Auch von den dem Gemeinwohl verpflichteten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten liegen ähnliche Daten v. a. zur Programm- und Hörerstruktur sowie zu den Kosten und Erlösen bzw. insgesamt zur Finanzgebarung vor, die den jährlich erscheinenden ARD- und ZDF-Jahrbüchern entnommen werden können (z. B. ARD- Jahrbuch 2010; ZDF-Jahrbuch 2011) Für den privaten Rundfunk sind ähnliche Daten den Jahrbüchern der Landesmedienanstalten zu entnehmen (zuletzt etwa dem ALM-Jahrbuch 2011/ 12). Auf viele dieser Daten kann auch online zugegriffen werden, so z. B. über den Onlineauftritt des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), des Verbandes Deutscher Zeitschriften (VDZ), aller ARD-Anstalten, des ZDF und des Deutschlandradios sowie über die Onlineauftritte der für den privaten Rundfunk zuständigen Landesmedienanstalten unter »die landesmedienanstalten« oder <?page no="285"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 286 einzelner Landesmedienanstalten selbst (z. B. Bayerische Landeszentrale für neue Medien - BLM). Auch die Onlineauftritte der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten, der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) sowie des Bundeskartellamtes (wirtschaftliche Konzentration) enthalten umfangreiches Datenmaterial (vgl. w. u.). Insgesamt gibt es zur Finanzierung der Massenmedien in Deutschland ein relativ hohes Maß an Datentransparenz. Für die Zeitungen und Zeitschriften ist weiterhin zu erwähnen, dass ihre Auflagen (die gedruckte, die verbreitete und die verkaufte) bereits seit 1949 kontinuierlich von der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) ermittelt werden. Seit Mitte der 1950er- Jahre werden des Weiteren regelmäßig Daten zur Reichweite der Zeitungen und Zeitschriften sowie der Hörfunk- und Fernsehprogramme erhoben. Dabei gelangen auch unterschiedliche Umfrage- und Messverfahren zum Einsatz, die von je verschiedenen Forschungseinrichtungen bzw. Auftraggebern durchgeführt werden (vgl. Kap. 4.4.1). Zu erwähnen sind u. a.: die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e. V. (agma) mit Sitz in Frankfurt, die jährlich die Media Analyse erhebt; die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) sowie die Allensbacher Computer- und Technikanalyse (ACTA), die vom Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt werden; die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung AGF, in deren Auftrag von der GfK (der Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung) elektronisch die Fernsehreichweiten ermittelt werden; die Arbeitsgemeinschaft Online- Forschung AGOF; oder die ARD/ ZDF-Onlinestudie, die jährlich die Nutzung der Onlinemedien abfragt. Hinzu kommen weitere Studien und Institutionen, die in Kapitel 4.4.1 detailliert dargestellt werden. Nicht zuletzt ist auf den Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) mit Sitz in Berlin zu verweisen, der jährlich für alle Medien das Werbeaufkommen sowie seine Verteilung auf die einzelnen Medien bzw. Werbeträger eruiert. Publiziert werden die Ergebnisse in den ebenfalls jährlich erscheinenden ZAW-Jahrbüchern. Daten zur Auflage und Reichweite der Medien sind u. a. deshalb wichtig, weil auf ihrer Basis Streupläne für Werbebotschaften (Anzeigen, Spots, Banner etc.) erstellt werden und der sog. 1.000-Leser- Preis (Kosten einer Zeitungs- oder Zeitschriftenanzeige je tausend Leser oder eines TV-Spots je tausend Zuschauer) ermittelt werden kann. Preise schlagen auf der Kostenseite der werbenden Unternehmen und auf der Erlösseite der Medienbetriebe zu Buche. Dabei gilt in aller Regel, dass die Zeitungsanzeige, der Hörfunkbzw. TV-Werbespot für reichweitenstarke Medien absolut gesehen zwar höher, bezogen auf je 1.000 Leser, Hörer oder Zuschauer, also relativ betrachtet, jedoch niedriger ist. Zur Finanzierung der Zeitungen Presseerzeugnisse (sofern sie nicht kostenlos verbreitete Anzeigenbzw. Offertenblätter oder Gratistageszeitungen sind) werden in marktwirtschaftlichen Systemen in aller Regel auf zwei Märkten abgesetzt, nämlich auf dem Markt der Leser und auf dem Markt der Anzeigenkunden (vgl. Schütz 2009, S. 537). Daher ist auch vom »Koppelprodukt« Zeitung die Rede. Auf dem Lesermarkt verfolgt der Zeitungsverleger publizistische Ziele wie Information, Kommentierung, Bildung, Unterhaltung, Service etc., um einen möglichen ökonomischen Erfolg - den Erwerb der Zeitung durch den Leser im Abonnement oder Einzelverkauf - zu erzielen. Im Hinblick auf den Markt der Anzeigen »stehen all jene Bemühungen im Vordergrund, mit denen versucht wird, das Medium Zeitung der Werbewirtschaft als effizienten Werbeträger und als Kontaktmedium für Werbebotschaften zu ›verkaufen‹« (Pürer/ Raabe 1996a, S.-204). Beide Märkte, Leser- und Anzeigenmarkt, sind »wirtschaftlich eng miteinander verflochten und hängen voneinander ab: »Eine große Zahl von Lesern bzw. ein spezifischer Leserkreis ist Voraussetzung für hohe Anzeigenerlöse, da der Anzeigenpreis weitgehend <?page no="286"?> 4.3 Medienforschung 287 von der allgemeinen oder spezifischen Reichweite des Presseorgans abhängig ist; ein großes Anzeigenaufkommen ermöglicht niedrige Bezugspreise bzw. ein verbessertes redaktionelles Angebot, das wiederum zusätzliche Leser anzieht« (Schütz 2009, S.-537; Hervorhebung i. Orig.). Der wirtschaftliche Erfolg von Printmedien ist also auflagen- und reichweitenabhängig. Gleichzeitig wird deutlich, dass Zeitungen auf zweierlei Weise miteinander im Wettbewerb stehen, da sie nicht nur um Leser, sondern auch um die Anzeigenkunden miteinander konkurrieren. Zu diesem intramediären Wettbewerb kommt dann noch der intermediäre Wettbewerb der Tageszeitungen mit Hörfunk, Fernsehen und Onlinemedien hinzu, bei dem es primär um die Konkurrenz mit Werbekunden geht (vgl. Pürer/ Raabe 1996a, S.-206 und 2007, S. 300-302). Die wichtigsten betriebswirtschaftlichen Bestimmungsgrößen sind auch im Zeitungswesen in den Kosten- und Erlösrelationen zu sehen. Daher sollen diese nachfolgend auch erörtert werden. Kosten im Zeitungswesen Unter Kosten versteht man alle Aufwendungen, die dem Presseunternehmen bei der Printmedienproduktion (also bei der Herstellung der Zeitung) entstehen. Es sind dies Kosten für die technische Herstellung (v. a. Druck), Papier, Redaktionskosten, Vertriebskosten, Kosten für die Anzeigenakquisition sowie für die Verwaltung. Bei den Kosten ist weiterhin zu unterscheiden zwischen fixen und variablen Kosten. Im Jahr 2011 verhielt sich die Kostenstruktur bei den Abonnementzeitungen in Westdeutschland wie folgt: 25,6 Prozent entfielen auf die Herstellung (Druck, Papier), 24,2 Prozent auf die Redaktion, 24,7 Prozent auf den Vertrieb, 15,5 Prozent auf die Anzeigenakquisition sowie 10,2 Prozent auf die Verwaltung (vgl. Keller/ Eggert 2012, S.-61, Schaubild 4). Fixe Kosten sind betriebliche Aufwendungen, deren Höhe vom Umfang des hergestellten Produkts weitgehend unabhängig sind (sich also nicht mit der Zunahme des Umfangs des hergestellten Produkts verändern). Dazu gehören z. B. Aufwendungen für den Bezug von Agenturen und Bilderdiensten, Post- und Telekommunikationsgebühren, Instandhaltungskosten technischer Einrichtungen, aber auch großteils Personalkosten (Gehälter, Löhne, Sozialleistungen) sowie Abschreibungen für Investitionen und Aufwendungen (vgl. Schütz 2009, S. 555). Variable Kosten hängen hingegen in ihrer Höhe von der sich verändernden Menge des herzustellenden Produkts ab, also z. B. von einem v. a. am Wochenende veränderten größeren Seitenumfang sowie von einer veränderten Auflage (also größere Stückzahlen). Solche variablen Kosten fallen daher v. a. im Bereich Druck (Papier, Farbe), teilweise noch im Bereich Satz sowie im Vertrieb an. Die Höhe fester und variabler Kosten schwanken je nach Presseerzeugnis erheblich. »Sieht man von den Umfangs- und Qualitätsunterschieden ab, gilt grundsätzlich: je niedriger die Auflage, desto höher die Festkosten und die Gesamthöhe der Stückkosten (der Kosten je Exemplar)« (vgl. Schütz 2009, S. 555f; Hervorhebung i. Orig.). <?page no="287"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 288 Abb. 13: Kostenstruktur der Abonnementzeitungen in Westdeutschland 2011 (in Prozent) Als kostenintensivster Bereich erweisen sich noch alle Aufwendungen, die mit der technischen Herstellung der Zeitung zu tun haben, also vorwiegend Druck und Papier sowie - wenn überhaupt, dann nur noch in geringem Ausmaß - die Satzkosten. Sie waren und sind der Grund, weswegen Rationalisierungsmaßnahmen im Zeitungsgewerbe immer schon auf den technischen Bereich abgezielt haben: Mitte der 1970er-Jahre z. B. machten die Kosten für die technische Herstellung mehr als 40 Prozent aus. Um v. a. die Satzkosten (Texterfassung) zu verringern, wurden, wie bereits ausgeführt, Mitte der 1970er-Jahre elektronische Systeme der Zeitungsherstellung eingeführt. Damit konnte die besonders kostenintensive Texterfassung, also Arbeiten, die früher von Setzern ausgeführt wurden, aus dem Bereich der Technik in die Redaktionen verlagert werden. Dort verfassen die Journalisten ihre Texte auf immer hochleistungsfähigeren Computern, die auch die stark automatisierte Weiterverarbeitung der Texte bewerkstelligen (vgl. Weischenberg 1978 und 1982; Pürer 1986). Was den Vertrieb der Zeitungen betrifft, so ist zwischen Abonnement und Einzelverkauf zu unterscheiden. Beim Abonnement entscheidet sich der Leser, die Zeitung über einen bestimmten Zeitraum regelmäßig zu beziehen. Es hat für den Verleger den Vorteil, »dass er auf längere Zeit mit einem festen Bezieherkreis rechnen und die Druckauflage auf den Bedarf abstimmen [kann]« (Schütz 2009, S. 546). Dadurch kann die Zahl der sog. »Remittenden«, d. h. die Zahl der an den Verlag zurückgehenden, unverkauften Einzelexemplare gering gehalten werden (was auch einen bewussteren Umgang mit der Ressource Papier zur Folge hat). Der Anteil der Remittenden steigt bei Abo-Zeitungen »selten auf über zwei Prozent Anteil an der Gesamtauflage« (Schütz 2009, S. 546). Für den Leser besteht der Vorteil des Abonnements darin, dass er das Produkt Zeitung billiger erhält als beim täglichen Einzelkauf. Zu Fluktuationen beim Abonnement kommt es durch Abbestellungen wegen Wohnortwechsels, Unzufriedenheit mit dem Blatt, Todesfälle etc. Der Verlag muss versuchen, diese Abo-Fluktuation durch Marketingmaßnahmen zur Erhaltung des Abonnentenkreises auszugleichen (vgl. Gaßdorf 1986, S 19ff). Dies erweist sich angesichts der Kostenlos(un)kultur bei vielen Onlinemedien als zunehmend schwieriger, sodass Zeitungsverlage versuchen, durch Bezahlschranken für Onlineangebote Erlöse zu erwirtschaften. Dies ist kein leichtes Unterfangen (vgl. w. u.). Das Abonnement wird dem Leser übrigens vorwiegend über die (verlagseigene) Hauszustellung (oftmals über Vertriebsgemeinschaften mehrerer Zeitungen) vor die Haustüre gebracht; dadurch ist die von den Lesern besonders geschätzte Verfügbarkeit der »Zeitung am Frühstückstisch« gewährleistet. In entlegeneren Gebieten, wo die Hauszustellung sehr hohe Kosten verursachen würde, erfolgt die Zeitungszustellung immer noch durch den Postzeitungsdienst; dieser erfüllt damit auch eine wichtige demokratiepolitische Funktion, indem er den Lesern weitab von (dichteren) Siedlungsgebieten die Möglichkeit zur Information sowie zur politischen Meinungs- und Willensbildung durch das Medium Zeitung bietet. Herstellung Redaktion Anzeigen Vertrieb Verwaltung 25,6 % 24,2 % 15,5 % 24,7 % 10,2 % Gesamtkosten 100 % (Zeitungen 2012/ 13. Hrsg. vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Berlin, S. 61; Rundungsdifferenz) <?page no="288"?> 4.3 Medienforschung 289 Der Einzelverkauf erfolgt überwiegend über Pressegrossisten, die die Zeitungen an die Verkaufsstellen wie Zeitungskioske, Bahnhofsbuchhandlungen, Papierwarengeschäfte, Tabakwarenläden, Supermärkte etc. zustellen. (Kosten-)Nachteil für den Verleger ist, dass bei dieser Vertriebsform ein Zwischenhandel anfällt und Verlage keine individuellen Konditionen gegenüber Pressegroßhändlern aushandeln können. Die Bauer Media Group will sich diese Freiheit gegenüber dem Pressegrosso- Verband gerichtlich erstreiten. Das Landgericht Köln hat Bauer zwar in erster Linie Recht gegeben, der Bundesverband Presse-Grosso legte gegen den Beschluss jedoch Berufung ein. Die Bundesregierung hat ohnehin angekündigt, das Grosso-System zur Not gesetzlich zu schützen (Presse-Grosso 2012), da über die Tätigkeit der Pressegrossisten Versorgungslücken beim Absatz v. a. der Abonnementzeitungen geschlossen werden können (vgl. Schütz 2009, S. 546). »Der Einzelverkauf ist für Straßenverkaufszeitungen besonders wichtig, zumal er für sie oft die beinahe ausschließliche Vertriebsform darstellt. Die Boulevardblätter werben daher auch täglich mit sich überbietenden Schlagzeilen um den Leser bzw. Einzelkäufer. Der Anteil der Remittenden bei Boulevardzeitungen »von knapp 20 bis über 30 Prozent der Auflage ist […] normal« (ebd.). Bei den deutschen Tageszeitungen nahm sich das Verhältnis von Abonnement- und Einzelverkauf 2005 wie folgt aus: Regional- und Lokalzeitungen (und damit das Gros der bundesdeutschen Abo- Presse) werden zu etwa 92 Prozent im Abonnement und zu etwa 6 Prozent im Einzelverkauf vertrieben. Der Rest entfällt auf sonstigen Verkauf sowie auf Bordexemplare in Flugzeugen u. Ä. (Pürer/ Raabe 2007, S. 291 mit Bezugnahme auf Keller 2005). Straßenverkaufszeitungen finden ihren Absatz zu rund 95 Prozent im Einzelverkauf und nur zu rund 3 Prozent im Abonnement. (Die Bild-Zeitung, Deutschlands auflagenstärkste Straßenverkaufszeitung mit einer laut IVW, 3. Quartal 2012 verkauften Auflage von knapp 2,7 Mio. Exemplaren, konnte lange Zeit gar nicht im Abonnement bezogen werden). Bei den überregional verbreiteten Tageszeitungen (bzw. richtiger: bei Tageszeitungen mit dem Anspruch überregionaler Verbreitung wie etwa SZ, FAZ, Die Welt, FR, etc.) beträgt das Verhältnis von Abonnement-Vertrieb und Einzelverkauf etwa 64 Prozent zu 17 Prozent, knapp 19 Prozent werden im Sonderverkauf einschließlich Bordexemplare vertrieben (vgl. ebd.). Bezüglich des Vertriebs der Zeitungen ist noch auf den Verkauf über Zeitungsständer zu verweisen, wie er in (Groß-)Städten zu beobachten ist. Diese »stummen Verkäufer« leben weitgehend von der Zahlungsmoral des entnehmenden Publikums, sofern - wie etwa bei den Zeitungsautomaten der Süddeutschen Zeitung - die Entnahme des Zeitungsexemplares nicht etwa an den Geldeinwurf vorab gebunden ist und sich erst dann der Automat öffnet. Ergänzt wird der Zeitungsvertrieb des Weiteren durch verlagseigene Abendverkäufer, die in (Groß-)Städten druckfrische Exemplare der Ausgabe vom folgenden Tag in Lokalen, an Zugängen zu U- und S-Bahnen, an Haltestellen von Trambahnen und Busstationen sowie an anderen öffentlichen Plätzen an die Leserin bzw. den Leser zu bringen versuchen. Im Bereich des Vertriebs genießt die bundesdeutsche Presse (ähnlich wie Zeitungen in vielen anderen Ländern) um ihrer öffentlichen Aufgabe willen in zweierlei Hinsicht eine indirekte staatliche Förderung: zum einen durch den günstigen Tarif des Postzeitungsdienstes; zum anderen durch die Tatsache, dass die Vertriebserlöse einem niedrigeren Mehrwertsteuersatz - derzeit 7 Prozent - unterliegen (vgl. Schütz 2009, S. 551f ). Erlöse im Zeitungswesen Den Kosten der Zeitungsproduktion und -distribution stehen die Erlöse des Zeitungsgewerbes gegenüber. Mit den Erlösen sind die dem Medieninhaber oder Presseverlag durch den Verkauf des Produkts zufließenden Mittel gemeint, die sich im Wesentlichen aus den Vertriebserlösen (Leser), <?page no="289"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 290 den Anzeigenerlösen sowie den Beilagenerlösen zusammensetzen. Beilagen sind den Zeitungen beigefügte, von Dritten in Auftrag gegebene Druckwerke wie Prospekte u. Ä., sodass die Zeitung nur als Trägermedium fungiert. Teile der werbungtreibenden Wirtschaft wie z. B. die Lebensmittelbranche oder die Elektronikbranche (wie Saturn-Hansa, Mediamarkt u. Ä.) sind längst dazu übergegangen, neben oder anstelle von teuren Zeitungsanzeigen auf den preiswerteren Beilagentransport mit separat gedruckten Prospekten bzw. Anzeigen umzustellen. Die bundesdeutschen Tageszeitungen wiesen für das Jahr 2011 einen Umsatz von 8,5 Mrd. Euro auf, wobei hier Umsätze aus anderen Geschäftszweigen (vgl. w. u.) vieler Verlagshäuser nicht berücksichtigt sind (vgl. Keller/ Eggert 2012, S. 42). Die höchsten Umsätze wurden von den Tageszeitungen mit den höchsten Auflagen erreicht (Keller/ Eggert 2012, S. 84-85, Tab. 1d und 1e). Generell gilt, dass der Umsatz eines Presseunternehmens immer auch »von der Zahl der verlegten Objekte, von der Auflagenhöhe sowie von der Zahl der produzierten Text- und Anzeigenseiten bestimmt wird« (Schütz 1989, S.-316). Die Herausgabe mehrerer Objekte innerhalb eines Presseunternehmens ermöglicht meistens 1) eine bessere Kapazitätsauslastung der Produktionsmittel (v. a. im Druckbereich) und 2) des Vertriebs (wenn mehrere Zeitungen über die Hauszustellung angeliefert werden); 3) die Inanspruchnahme akquisitorischer Vorteile (gemeinsame Anzeigentarife, Anzeigensplitting, Kombitarife für Anzeigen in mehreren Produkten des gleichen Hauses) sowie nicht zuletzt 4) auch eine bessere Risikoverteilung (z. B. Verlustausgleich bei wenig erfolgreichen Einzelprodukten innerhalb eines Verlagshauses). Entsprechend den beiden Märkten, auf denen Zeitungen abgesetzt werden, setzen sich die Erlöse im Zeitungsgewerbe vorwiegend aus Vertriebserlösen (Einnahmen durch den Verkauf der Zeitung im Abonnement oder Einzelverkauf ) sowie aus den Anzeigenerlösen (Werbeentgelte) zusammen. Hinzu kommen Erlöse aus dem Transport von Fremdbeilagen. Für Abonnementzeitungen - also den weitaus größten Teil der bundesdeutschen Tageszeitungen - liegen Angaben in Form von Durchschnittswerten zu den Erlösrelationen vor. Im Jahr 2011 generierten die Abonnementzeitungen in Westdeutschland 52,8 Prozent ihrer Erlöse aus dem Vertrieb (Abo, Einzelverkauf ), 40,1 Prozent aus Anzeigen sowie 7,1 Prozent für den Transport von Fremdbeilagen (vgl. Keller/ Eggert 2012, S. 61, Schaubild 4). Der Anteil der Tageszeitungen am (Netto-)Gesamtwerbeaufkommen 2011 (18,93 Mrd. Euro) betrug knapp 3,56 Mrd. Euro, das entspricht einem Anteil von gut 19 Prozent (vgl. ZAW-Jahrbuch 2012, S. 20f ). Abb. 14: Erlösstruktur der Abonnementzeitungen in Westdeutschland 2011 (in Prozent) Erlöse Alte Bundesländer Vertrieb Anzeigen Fremdbeilagen 52,8 % 40,1 % 7,1 % Gesamterlös 100 % Mehr als die Hälfte der Erlöse der Abonnementzeitungen in Westdeutschland stammt damit aus dem Vertrieb, 47,2 Prozent zusammen aus Anzeigeneinnahmen und Beilagentransport. Anzeigenerlöse können erwirtschaftet werden: 1) aus der (überregionalen) Werbung für Markenartikel, Konsumgüter und Dienstleistungen, 2) aus der vielfältig ausgeprägten Regional- und Lokalinsertion (Zeitungen 2012/ 13. Hrsg. vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Berlin, S. 61) <?page no="290"?> 4.3 Medienforschung 291 des örtlichen Gewerbes, 3) aus Rubrikenanzeigen (Arbeitsmarkt-/ Stellenanzeigen, Immobilienanzeigen, Kfz-Anzeigen und Veranstaltungsanzeigen) sowie 4) aus Familien- und (privaten) Kleinanzeigen. »Anzeigenraum kann innerhalb des gleichen Objekts zu unterschiedlichen Preisen verkauft werden: Geschäftsanzeigen und Markenartikelanzeigen zum Normaltarif; Stellengesuche und -angebote, Familienanzeigen und private Kleinanzeigen zu ermäßigten Preisen. Erlöse aus dem Anzeigengeschäft vermindern sich auch um die tariflichen Wiederholungs- und Mengenrabatte, um Provisionen (für Werbungsvermittler) […] und Skonti« (Schütz 2009, S. 553). Für farbige Anzeigen und Platzierungswünsche sind entsprechende Zuschläge zu entrichten. Dies gilt auch für Anzeigen in Form von Zeitungsummantelungen. Der Anzeigenpreis richtet sich bei Tageszeitungen weitgehend nach der Höhe der verkauften Auflage und der tatsächlichen Verbreitung - er steigt folglich mit wachsender Auflage und Reichweite. Relativ aber, d. h. bezogen auf die Multiplikation und Verbreitung der geschalteten Anzeige, vermindert sich dieser Betrag, der entweder auf je 1.000 Stück der verkauften Auflage zu beziehen ist (sog. Tausenderpreis) oder auf je 1.000 Leser einer Zeitung (sog. Tausend-Leser-Preis). Der Tausenderpreis bzw. der Tausend-Leser-Preis ist folglich bei auflagenstarken Blättern bzw. bei solchen mit großen Reichweiten niedriger (vgl. Zohlnhöfer 1989, S.-46ff). Aus diesem Grund hat im Falle von zwei (oder mehr) konkurrierenden Tageszeitungen das Objekt mit der höheren Auflage und Reichweite Wettbewerbsvorteile. Außerdem kann die Anzeigen-Auflagen-Spirale in Gang kommen: Je höher die Auflage und Reichweite einer Tageszeitung, umso günstiger ist der Tausenderpreis für eine Anzeige in dieser Zeitung. Je günstiger der Tausenderpreis, desto mehr Werbekunden kann die Zeitung gewinnen, umso höher ist das Werbeaufkommen und umso größer sind die Anzeigenerlöse. Diese Erlöse stellen ihrerseits eine Voraussetzung für niedrigere Bezugspreise, für Investitionen und Produktverbesserungen dar. Ein solchermaßen verbessertes Blatt kann - unter wirtschaftlich normalen Bedingungen (vgl. w. u.) - höhere Auflagen und Reichweiten erreichen. Mit diesem Prozess kommt eine Entwicklung in Gang, die die größeren Zeitungen am Anzeigenmarkt begünstigen (Anzeigen-Auflagen-Spirale nach oben) und die kleineren benachteiligen (Anzeigen-Auflagen-Spirale nach unten) kann (vgl. Zohlnhöfer 1989, S.-47-51; vgl. Schütz 1989, S.-321f; vgl. Pürer/ Raabe 1996a, Abb. auf S.-216; Pürer/ Raabe 2007, S. 295f; vgl. Schütz 2009, S. 552f ). Solche Vorgänge waren v. a. in der Phase der Pressekonzentration in Westdeutschland sowie nach der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern (vgl. Kap. 4.3.5.1) zu verzeichnen und haben vielfach zu Lokalmonopolen geführt. Die jeweils aktuellen Preise für Anzeigen in Tageszeitungen und andere Mediadaten sind dem Onlineauftritt »Die Zeitungen« unter http: / / www.die-zeitungen.de/ tarife/ pdf-preislisten.html zu entnehmen. Es lohnt sich, dort Nachschau zu halten. Das seit mehreren Jahren beobachtbare Verhältnis aus Vertriebs- und Anzeigenerlösen bei den westdeutschen Abonnementzeitungen nahm sich für Jahrzehnte ganz anders aus. Zwischen Mitte der 1970er-Jahre und der Jahrtausendwende - also für den Zeitraum von 25 Jahren - erwirtschafteten die Zeitungen (über die Jahre durchschnittlich gerechnet) rund 35 Prozent ihrer Erlöse aus dem Vertrieb und 65 Prozent aus Anzeigenerlösen und Beilagentransport (vgl. Schütz 2009, S. 550, Tab. 3). Für die Käufer der Zeitungen war dies insofern von Vorteil, als die Vertriebspreise infolge der Querfinanzierung des redaktionellen Teils durch ein hohes Anzeigenaufkommen sehr günstig gehalten werden konnten. Freilich wurden die Zeitungen (und auch andere Medien) dadurch konjunkturabhängig, zumal die werbungtreibenden Unternehmen (in aller Regel) prozyklisch werben: In konjunkturell guten Zeiten sind deren Werbetats hoch, sodass mehr ge- und beworben wird; in konjunkturell schlechten Zeiten ist das Gegenteil der Fall. Diese Abhängigkeit schlug auf die Zeitungen ab etwa 2001/ 02 mit voller Wucht durch, als neben die damals aufkommende, schwere (erste) konjunkturelle Krise auch noch eine strukturelle Krise trat: nämlich das Abwandern v. a. von Rubrikenanzeigen (Immobilien, Arbeitsmarkt, KfZ) in branchen- <?page no="291"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 292 fremde Onlineportale ins Internet (vgl. Kap. 4.3.5.1). Nach einer nur kurzen, eher mäßigen Erholung schlitterten die Zeitungen ab etwa 2009 in die zweite Krise mit Anzeigen- und Auflagenverlusten, aus der sie sich gegenwärtig mühsam herauszuarbeiten und neue Erlöse zu erschließen versuchen. Große Hoffnungen setzen sie u. a. in Bezahlschranken für bislang kostenlos zu nutzende digitale Medienangebote wie z. B. Onlinezeitungen, E-Papers und Applikationen für mobile Endgeräte. Patentrezepte dafür gibt es nicht. Jedes Verlagshaus muss mit Blick auf seinen Zeitungstyp (Abo-, Boulevard), auf interne (Redaktionen, Ressorts) und externe Strukturen (z. B. Zahl der lokalen Ausgaben, Abonnenten-Struktur, neue Zielgruppen), auch mit Blick auf die Konkurrenz, sein Preisbzw. Bezahlmodell für mobil verkaufte, digitale Zeitungsinhalte finden. Vor allem müssen auch junge Zielgruppen gewonnen werden, die - was die Onlinemedien betrifft - bislang weitestgehend in einer Gratiskultur aufgewachsen sind. Die Voraussetzungen, Bezahlmodelle zu finden, sind prinzipiell gut, zumal Content zweifellos zur Kernkompetenz der Zeitungsverlage gehört. Zahlreiche Beiträge dazu sind den BDZV-Jahrbüchern ab 2010 sowie u. a. der ebenfalls vom BDZV herausgebrachten Publikation »Alles Digital. Zeitungen im Crossmedia-Zeitalter« (Bauer et al. 2012) zu entnehmen. Die jüngere Entwicklung im Bereich der Printmedien macht deutlich, dass bewährte, langjährige Geschäftsmodelle nicht mehr reichen, um Zeitungsverlage in Zukunft voll ausreichend zu finanzieren. Deren Anteil am Gesamtwerbeaufkommen ist, wie aus Abb. 15, S. 293, ersichtlich, seit 1980 ständig zurückgegangen und hat sich - relativ gesehen - seither mehr als halbiert. Infolge des Auflagenrückgangs verringern sich auch die Vertriebserlöse, die durch vorsichtig erhöhte Vertriebspreise (Abo-, Einzelverkauf ) einigermaßen stabil gehalten werden können. Neue Geschäftsmodelle müssen folglich erprobt werden. Einen gut lesbaren Überblick über bisherige und neue Modelle bietet Sandra Huber (u. a. mit Bezugnahme auf Friedrichsen 2007 und Wirtz 2006) mit ihrer Publikation »Neue Erlösmodelle für Zeitungsverlage« (Huber 2007): Sie unterscheidet mit Blick auf die Zahl der bearbeiteten Märkte zunächst zwischen 1) Monoerlösmodell, bei denen sich ein Printmedium nur aus einer Quelle finanziert (wie z. B. Gratisanzeiger, Gratistageszeitungen); 2) dualem Erlösmodell (wie dies z. B. bei entgeltlich verbreiteten Zeitungen oder Zeitschriften durch Vertriebs- und Anzeigenerlöse der Fall ist; schließlich 3) multiplem Erlösmodell, bei dem neben klassischen Erlösquellen wie Vertrieb und Werbung bei Zeitungen zusätzliche Erlöse aus weiteren Produkten generiert werden können, so etwa aus Content, aus dem Verkauf von Kundendaten an Unternehmen anderer Branchen, aus Dienstleistungen wie Content- und Serviceproviding etc.). Im Weiteren übernimmt sie das generelle Basisgeschäftsmodell im Internet nach Bernd Wirtz mit den Geschäftsbereichen Content, Commerce, Context und Connection (Wirtz 2006, zuletzt Wirtz 2011, S. 681ff). Huber konzentriert sich im Weiteren auf den Erlösbereich Content und die sich ergebenden Synergien zwischen Print und Internet sowie Print und Mobile. Ausführungen über weitere Erlösquellen durch verlagsnahe Zusatzprodukte (Bücher, CD-ROMs, DVDs), verlagsferne Zusatzprodukte (die Zeitung als Handelshaus mit Diversifikation und Markendehnung, ohne die Marke zu beschädigen), Crossmedia (gemeint sind Effekte von Crossmedia-Werbung) und noch andere Erlösquellen (die Zeitung als Veranstalter, Vorteilsclubs, Webauktionen und Sonderwerbeformen) ergänzen das Bouquet potenzieller Erlösquellen von Zeitungsverlagen. Freilich bleibt vorerst (immer noch) abzuwarten, ob mittels zusätzlicher Erlöse aus den genannten Quellen die Verluste der Tageszeitungen bei den Werbeerlösen kompensiert werden können. Einen bislang so nicht bekannten Weg der Finanzierung von Printmedien beschreitet der Bauer- Verlag (Hamburg) seit Januar 2013 mit einem neuen Abo-Modell (vgl. Bartl 2013). Die Rede ist von einem Prepaid-Modell, dem Prepaid-Lesen der Zeitschriften Bravo, InTouch, TV Movie etc. Es ist dies ein neues Abo-Modell, das mit Gutscheinen arbeitet. »Zeitschriften sollen dabei ›Lesespaß ohne Vertragsbindung und mit voller Kostenkontrolle‹ bieten. Die Gutscheinkarten sind zum Preis von 25 Euro erhältlich. Der Kartenbesitzer kann sich bei Freischaltung des Guthabens im Internet ent- <?page no="292"?> 4.3 Medienforschung 293 scheiden, welche Zeitschrift er lesen will, und erhält diese so lang frei Haus, bis das Guthaben aufgebraucht ist. Mit jeder gelieferten Ausgabe verringert sich das Guthaben um den entsprechenden Kioskpreis des Wunschmagazins. Das Restguthaben könne jederzeit erstattet werden« (Bartl 2013). Dieses neue Abo-Modell »gilt für alle Magazine der Bauer Media Group […], ein vergleichbares Angebot gibt es derzeit in der Branche nicht« (ebd.). Gutscheine gibt es anfangs an den Tankstellen der Marke ARAL mit ihren großen Tankstellennetz, ebenso in und um Hamburg in den Filialen der Drogeriemarktkette Budnikowsky. Die Zeitschriftengutscheine sollen im Weiteren jedoch »breit über den Einzelhandel vertrieben« werden (ebd.). »Unter www.prepaid-lesen.de wird das neue Abo-Modell auch unabhängig vom Kauf eines Zeitschriften-Gutscheins im Handel angeboten. Dort entscheiden sich Interessierte zunächst für die Zeitschrift ihrer Wahl und danach für ein Leseguthaben. Zur Wahl stehen Guthaben von 20, 30, 40 und 50 Euro« (ebd.). Mit dem neuen Modell »will die Bauer Media Group einem Trend Rechnung tragen, den die Telekommunikationsbranche gesetzt hat« (ebd.). Vor allem junge Leute, die immer weniger bereit sind, »langfristige Bindungen einzugehen«, sollen mit dem Modell angesprochen werden (ebd.). Abb. 15: Entwicklung des (Netto-)Werbeaufkommens und seine Verteilung auf die Werbeträger in Deutschland in Prozent (1980, 1990, 2000 und 2010) Medium 1980 1990 1 2000 2010 Gesamt (in Mrd. Euro) 8,96 12,55 23,29 18,75 Tageszeitungen Wochen- und Sonntagszeitungen Zeitungssupplements Publikumszeitschriften Fachzeitschriften Anzeigenblätter Fernsehen Hörfunk Direktwerbung Online Sonstiges 3 42,7 % 1,7 %- 16,4 % 8,4 %- 9,0 % 3,2 % 10,7 %- 8,1 % 32,9 % 1,4 % 0,9 % 12,5 % 7,9 % 8,0 % 11,3 %2 3,6 %2 12,2 %2 - 9,3 % 2 28,2 % 1,2 % 0,3 % 9,6 % 5 % 4 7,7 % 20,2 % 3,1 % 14,5 % 0,7 % 10 % 4 19 % 1 % <1 % 8 % 5 % 11 % 21 % 4 % 16 % 5 % 10 % 1 in der Rubrik Tageszeitungen nur bedingt, in den Positionen Wochen- und Sonntagszeitungen, Publikumszeitschriften mit den Vorjahren nicht vergleichbar, da die Erhebungsbasis 1988 strukturell bereinigt wurde 2 inkl. Werbeaufwendungen in den neuen Bundesländern; seit 1992 für alle Medien 3 Verzeichnis-Medien, Außen- und Filmtheaterwerbung 4 Zahlen standen nur gerundet zur Verfügung; gilt insgesamt auch für 2010. Aus der Tabelle ist jeweils der Anteil der einzelnen Mediengattungen am Netto-Gesamtwerbeaufkommen ersichtlich (also ohne Produktionskosten der Zeitungs- und Zeitschriftenanzeigen, der Hörfunk- und TV-Spots sowie der Banners etc.). Geringfügig abweichende Werte auf jeweils 100 Prozent sind rundungsbedingt. (Pürer, Heinz/ Raabe, Johannes (1996a): Medien in Deutschland. Band 1: Presse. Konstanz, S. 222 [für die Jahre 1980 und 1990]. ZAW-Jahrbuch (2001): Werbung in Deutschland 2001. Bonn, S. 21 [enthält Daten für das Jahr 2000]. Zeitungen 2001: Hrsg. vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Berlin, S. 80/ 81. [enthält Daten für das Jahr 2000]. ZAW-Jahrbuch (2011): Werbung in Deutschland 2011. Berlin, S. 19 [in Prozent gerundet, enthält Daten für das Jahr 2010]) <?page no="293"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 294 Zur Finanzierung des Rundfunks Rundfunk lässt sich aus verschiedenen und durchaus vielfältigen Quellen finanzieren (vgl. Stuiber 1998, S.-921ff; Berger 2008, S. 12ff; Beyer/ Carl 2012, S. 153ff), so u. a.: • aus Pflichtbzw. Zwangsabgaben zu Gunsten des öffentlich-rechtlichen, gemeinwohlverpflichteten und gemeinwirtschaftlichen Rundfunks in Form von Gebühren, Beiträgen oder Entgelten; • aus öffentlichen Haushalten, also aus Steuermitteln. Aus Staatsfinanzen finanzierte Rundfunkanstalten laufen allerdings einer staatlichen Einflussnahme Gefahr; • aus Leistungsentgelten der Zuhörer oder Zuschauer, wie dies z. B. beim sog. Abonnementfernsehen, dem Pay-TV, der Fall ist. Das können Entgelte für Programmpakete, für den Bezug eines Kanals (Pay per Channel) oder auch nur für eine gesehene Sendung (Pay per View, Video-on- Demand) sein; • aus Leistungsentgelten der werbetreibenden Wirtschaft in Form von Spotwerbung, Sponsoring, Bartering und Product-Placement. Spotwerbung ist allgemein bekannt und braucht hier nicht erörtert zu werden. Beim Sponsoring kann zwischen »Sende-Sponsoring« (»Diese Sendung widmet Ihnen …«) und »Ereignis-Sponsoring« (»Diese Veranstaltung widmet Ihnen …«) unterschieden werden. Unter Bartering versteht man den Tausch von Fernseh- oder Hörfunkproduktionen gegen Werbezeit (z. B. »Diese Sendung präsentiert Ihnen …«). Dabei produziert z. B. ein Unternehmen, das einen Markenartikel herstellt, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Hörfunk- oder Fernsehsendungen und stellt diese einem Rundfunkveranstalter zur Verfügung. Als Gegenleistung stellt der Rundfunkveranstalter dem Unternehmen kostenlos Werbezeit zur Verfügung. Beim Product-Placement werden gegen Entgelt gezielt Marken (wie etwa Automobile), Produkte (wie etwa Parfüms) oder Dienstleistungen (wie etwa Versicherungsgeschäfte) in den natürlichen Handlungsablauf z. B. eines TV-Films eingebettet. Ihr werbender Charakter wird dem flüchtigen Durchschnittsbürger oftmals gar nicht bewusst (sodass diese Form der Werbung als besonders subtil anzusehen ist); • aus sog. Transaktionsfernsehen, wie es z. B. von Teleshoppingkanälen bekannt ist (bezahlt wird nicht für die Sendung, sondern für das gekaufte Produkt), ebenso von telefonbasierten Mehrwertdiensten mit kostenpflichtigen Telefonanrufen (für die Teilnahme an Gewinnspielen, Ted- Abstimmungen, Kandidaten-Hotlines, Erotik-Lines etc); • aus Split-Screen-Werbung (Werbeeinblendungen auf einem Teil des Bildschirms; zulässig, sofern die Werbung vom Programm eindeutig getrennt ist); • aus der Verwertung von Programmen und Senderechten in Form von Programmverkäufen, Lizenzierung (Überlassung oder Abtretung von Senderechten) sowie Merchandising (Verkauf von Rechten aus den Programmen eines Programmveranstalters an einen anderen) gegen entsprechendes Entgelt; • aus Merchandising bzw. Licensing, also der Verwertung von Figuren, Markenzeichen, Titeln etc. in eigener Regie oder als Lizenzvergabe an andere Unternehmen; • aus freiwilligen Leistungen in Form von Spenden, Mitgliedsbeiträgen oder Stiftungen. (Kleinere) Radio- oder Fernsehveranstalter, die z. B. von Trägervereinen finanziert werden und sich als Bürgermedien verstehen, sind oft auf solche freiwilligen Leistungen angewiesen. Daneben gibt es weitere Finanzierungsformen bzw. Ausdifferenzierungen, die bei Stuiber (1998), Berger (2008) und Beyer/ Carl (2012) nachgelesen werden können. Der Anteil des Mediums Fernsehen am (Netto-)Gesamtwerbeaufkommen 2011 (18,93 Mrd. Euro) betrug mit 3,98 Mrd. Euro insgesamt 21 Prozent (ZAW-Jahrbuch 2012, S. 18ff); der weitaus überwiegende Teil davon - knapp 3,7 Mrd. Euro oder 93 Prozent - entfiel auf das private Fernsehen (ebd.). Gegenstand der nachfol- <?page no="294"?> 4.3 Medienforschung 295 genden Ausführungen ist die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen und des privaten Rundfunks in Deutschland. Zur (Misch-)Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Der öffentlich-rechtliche Rundfunk finanziert sich in Deutschland im Wesentlichen aus Teilnehmergebühren bzw. -beiträgen (vgl. w. u.), zu einem nur noch kleinen Teil aus Werbeerlösen sowie - ebenfalls zu geringen Teilen - aus Programmverwertung bzw. Programmrechteverkauf. Angesichts des zunehmend härter werdenden Wettbewerbs um Programmrechte (für Sportübertragungen, Spielfilme, Serien, Shows, Formate etc.) mit privaten Fernsehveranstaltern gestaltet sich die Finanzplanung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zunehmend schwieriger (vgl. Stuiber 1998, S.-925ff; Donsbach/ Mathes 1997; Kiefer 1997; Altendorfer 2001, S.- 155ff). Da zudem die Ausstattung der Haushalte mit Rundfunkempfangsgeräten gesättigt und Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeitlich eng begrenzt ist (vgl. w. u.), können für ARD und ZDF erforderliche Mehreinnahmen in aller Regel nur noch über Gebührenerhöhungen bzw. Anpassungen erzielt werden. Freilich stellt die Rundfunkgebühr einen »politischen Preis« dar (vgl. Hoffmann-Riem 1991, S. 9): Er muss sich einerseits daran orientieren, was den Gebührenzahlern zumutbar ist, andererseits aber auch nach den Handlungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegenüber der privaten Konkurrenz (z. B. Erwerb von Sendrechten) richten. Diese Rechte sind u. a. auch wegen des härter werdenden Wettbewerbs durch das zunehmend aufkommende Privatfernsehen ab Mitte der 1980er-Jahre sowohl für Sportübertragungen (z. B. Olympische Spiele, Weltmeisterschaften, Europameisterschaften) wie auch für Spielfilme und nicht zuletzt auch für prominente Protagonisten (Künstler, Schauspieler, Moderatoren, Präsentatoren etc.) in den zurückliegenden 30 Jahren beträchtlich teurer geworden (vgl. Berger 2008, S. 14f ). Den weit überwiegenden Hauptanteil der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks machen die Gebühren (seit 2013: Beiträge) aus. Die (alte) Rundfunkgebühr setzte sich bis 2012 aus einer Grundgebühr (5,76 Euro) und einer Fernsehgebühr (12,22 Euro) zusammen, in Summe also 17,98 Euro. Für internetfähige Computer in Haushalten und Betriebsstätten war ab 2007 eine Grundgebühr zu entrichten, da mit ihnen Hörfunk- und Fernsehprogramme empfangen werden können; dies jedoch nur, wenn nicht bereits für andere Geräte im Haushalt oder Betrieb bereits Gebühren bezahlt wurden (vgl. Berger 2008, S. 12f ). Die Gesamterträge beliefen sich laut Gebühreneinzugszentrale (GEZ) im Jahr 2011 auf etwas mehr als 7,533 Mrd. Euro. Davon entfielen auf die ARD knapp 5,52 Mrd. Euro (das entspricht knapp zwei Drittel), auf das ZDF etwas mehr als 1,82 Mrd. Euro (das entspricht knapp einem Drittel) sowie 193,4 Mio. Euro (gut 2,5 Prozent) auf das Deutschlandradio. 1,9 Prozent erhalten die 14 Landesmedienanstalten, die für die Organisation des privaten Rundfunks zuständig sind (vgl. Kap. 4.3.5.2). Detaillierte Informationen und Daten über den Gebührenbzw. Beitragseinzug und die Verteilung auf die Rundfunkanstalten sind dem Onlineauftritt der GEZ (www.gez.de) zu entnehmen (GEZ 2011), seit 2013 dem Beitragsservice von ARD und ZDF (www.rundfunkbeitrag.de). Die (endgültige) Festlegung der Höhe der Rundfunkgebühr bzw. des Rundfunkbeitrags erfolgt bundesweit einheitlich durch die Rundfunkkommission der Länder (in der die Ministerpräsidenten der Länder und Bürgermeister der Freien Hansestädte vertreten sind) und werden durch Gebührenstaatsverträge der Länder festgeschrieben. Dabei bedienen sich die Länder seit 1975 der damals geschaffenen »Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten« (KEF). Diese setzt sich derzeit aus 16 unabhängigen Sachverständigen zusammen, darunter sind Wirtschaftsprüfer, Betriebsprüfer, Rundfunkrechtler, Medienwirtschaftler/ -wissenschaftler, Sachverständige der Lan- <?page no="295"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 296 desrechnungshöfe sowie ein Rundfunktechniker. Um Unabhängigkeit zu wahren, werden »die Mitglieder der KEF von den Ministerpräsidenten [der Länder - Ergänzung H. P.] jeweils für die Dauer von fünf Jahren berufen« (Seufert/ Gundlach 2012, S. 234). Die Gebührenfestsetzung erfolgt in einem dreistufigen Verfahren, das wie folgt abläuft (vgl. Seufert/ Gundlach 2012, S. 233-235, hier S. 235): • Die Rundfunkanstalten (ARD, ZDF, Deutschlandradio) melden ihren Finanzbedarf an und legen ihre Zahlenwerke der KEF vor (Bedarfsanmeldung). • Die KEF überprüft unter fachlichen Gesichtspunkten (im Hinblick auf rechtliche Bestimmungen des Rundfunkauftrags, mit Blick auf Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Effizienz etc.), ob der gemeldete Finanzbedarf gerechtfertigt ist (Bedarfsfeststellung). • Der von der KEF errechnete Gebührenvorschlag stellt die Grundlage der Entscheidung der Ministerpräsidenten der Länder dar, die ihn an die Landesregierungen bzw. -parlamente zur Abstimmung weiterleiten (politische Festsetzung). Die Rundfunkkommission der Länder kann - z. B. mit Blick auf die Sozialverträglichkeit des Gebührenvorschlags - vom Vorschlag der KEF abweichen, muss dies aber entsprechend begründen. Rundfunkgebühren bzw. seit 2013: Rundfunkbeiträge) werden in aller Regel für die Dauer von vier Jahren festgelegt. Im Jahr 2004 kam es im Zusammenhang mit der Festlegung der Rundfunkgebühr zu einem Konflikt zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und der Rundfunkkommission der Länder. Er hatte folgenden Hintergrund: Die Rundfunkanstalten forderten eine Gebührenerhöhung von 2,04 Euro. Die KEF schlug eine Erhöhung von 1,09 Euro vor. Die Medienkommission bzw. Ministerpräsidenten der Länder genehmigten jedoch nur eine Beitragserhöhung von 0.88 Euro und legten diese den Länderparlamenten zu Abstimmung vor. Sie begründeten ihr Abweichen vom Vorschlag der KEF mit erforderlichen Einsparungen, die durch Strukturmaßnahmen innerhalb der Anstalten und bei Programmen erzielt werden sollten. Die ARD und in der Folge auch das ZDF, die einen unzulässigen politischen Eingriff in das Gebührenfestsetzungsverfahren sahen, waren mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden und riefen das Bundesverfassungsgericht an. Dieses gab in seinem Gebührenurteil vom 11. September 2007 (Gebührenurteil BVerfG 2007) der Klage der Rundfunkanstalten Recht, wonach die von der KEF abweichende Länderentscheidung mit der Rundfunkfreiheit nicht vereinbar sei, »gleichwohl eine rückwirkende Gebührenerhöhung [für die Periode 2005-2008, Ergänzung H. P.] ausscheide« (Seufert/ Gundlach 2012, S. 235). Zum Vorgang selbst liegen Publikationen vor (u. a. Eifert 2007; Scheel 2007), denen Einzelheiten zu diesem »Rundfunkgebührenstreit« entnommen werden können. Eingezogen wurden die Gebühren bzw. Beiträge von der »Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten« (kurz GEZ), die seit 2013 »Beitragsservice« heißt (vgl. w. u.). Die Rundfunkgebühr war in Deutschland bis 2012 von jeder Person zu entrichten, die ein Rundfunkempfangsgerät bereit hielt (vgl. Stuiber 1998, S.-925ff; Kiefer 1997; Altendorfer 2001, S.-155ff; Berger 2008, S. 12f ). Unmittelbar nach der Wiedervereinigung haben für die neuen Bundesländer etwas niedrigere Rundfunkgebühren gegolten als für die alten Länder (zumal in der ehemaligen DDR die Rundfunkgebühr in Höhe von zehn DDR-Mark sehr niedrig war). Seit 1995 gelten in Westwie Ostdeutschland die gleichen Gebührensätze. Der Aufbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den neuen Bundesländern wurde zwischen 1992 und 1994 aus dem Gebührenaufkommen in den alten Bundesländern - 1 DM der monatlichen Gebühr - unterstützt (vgl. Berger 2008, S. 16). Seit 2013 wird die gerätebezogene Rundfunkgebühr durch einen einheitlichen Rundfunkbeitrag abgelöst (vgl. Kirchhof 2010; Färber/ Lücker 2011; Stern et al. 2012; Eicher 2012). Der Beitrag ist von jedem Haushalt zu entrichten und deckt z. B. die privaten Autos mit ab; für Zweitwohnungen ist ein eigener Rundfunkbeitrag zu zahlen. Für Unternehmen und Gewerbetriebe wie Mietwagenfirmen, Beherbergungsbetriebe, Hotels etc. gibt es eigene Regelungen. Ein wesentlicher Grund (unter <?page no="296"?> 4.3 Medienforschung 297 anderen Gründen) für die Umstellung auf eine Haushaltsabgabe ist, dass Hörfunk- und Fernsehprogramme inzwischen auch über Computer und mobile Endgeräte wie Handys, Smartphones und Tablets empfangen werden können (und nicht etwa nur über klassische Radio- und TV-Empfangsgeräte). Der Beitrag macht (vorerst weiterhin) 17,98 Euro aus, eine Differenzierung in Grund- und Fernsehbeitrag gibt es nicht mehr. Eingezogen werden die Rundfunkbeiträge vom »Beitragsservice«, der früheren Gebühreneinzugszentrale GEZ. Informationen dazu können unter www.rundfunkbeitrag.de online abgerufen werden. Die Einführung des haushaltsbezogenen Rundfunkbeitrages ist im 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag festgeschrieben, der mit 1. Januar 2013 in Kraft trat. 2014 soll der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag evaluiert werden. Von Bedeutung sein wird, »dass die Akzeptanz der öffentlich-rechtlichen Programme dieses Modell auch weiterhin trägt« (Eicher 2012, S. 621). Mit dem Thema befassen sich auch Hanno Beck und Andrea Beyer (2013). Nicht unerwähnt bleiben soll, dass sich um die Jahreswende 2012/ 13 eine in der Öffentlichkeit heftig geführte Debatte über die Umstellung von der alten gerätebezogenen Gebühr auf den neuen Haushaltsbeitrag entfachte. Überhaupt gerät der öffentlich-rechtliche Rundfunk - dies sei hier eingeschoben - zunehmend in die Kritik. Eine äußerst kritische Analyse legte Hans-Peter Siebenhaar (2012) mit seiner Publikation »Die Nimmersatten. Die Wahrheit über das System ARD und ZDF« vor. Umfassendes Informations- und Datenmaterial über die Rundfunkgebühren bzw. -beiträge sind dem Onlineauftritt der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) unter www.kef-online. de zu entnehmen. Es lohnt sich, darin Einsicht zu nehmen. Die Rundfunkgebühren (bzw. -beiträge) sind um die Jahrtausendwende vonseiten der EU unter beträchtlichen Druck geraten. Deren Wettbewerbskommission sieht bzw. sah in dieser Finanzierungform nämlich eine unzulässige »Beihilfe«. Dies hatte zu einem langwierigen Konflikt zwischen der EU und der Bundesrepublik Deutschland geführt. Anlass war eine 2003 eingebrachte Beschwerde des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) bei der EU. Der VPRT rügte die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als wettbewerbsverzerrend und klassifizierte sie als unzulässige staatliche Beihilfe (i. S. v. Art. 87 Abs. 1 EGV). Den Öffentlich-Rechtlichen seien keine Grenzen gesetzt, besonderen Anstoß nahm der VPRT an deren Online-Engagement (vgl. Peters, T. M. 2009, S. 1; Dörr 2007; Wiedemann 2005). Der Konflikt drohte beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu landen, was möglicherweise die gesamte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - nicht nur in Deutschland - zur Folge gehabt hätte. Im sog. Beihilfe-Kompromiss erklärte sich Deutschland namens der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten u. a. dazu bereit, den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu präzisieren und die Onlinebzw. Telemedienangebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio dem Drei-Stufen-Test zu unterziehen (vgl. Kap. 4.3.5.2, S. 265f ). Für die Erwirtschaftung des Werbeaufkommens sind die einzelnen Rundfunkanstalten über ihre »Werbetöchter« selbst zuständig. Dabei sind ihnen jedoch Grenzen gesetzt. So gilt im Fernsehen für ARD und ZDF (bereits seit den 1960er-Jahren) eine zeitliche Begrenzung für klassische Werbung von je 20 Minuten pro Tag; außerdem darf im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nur bis 20.00 Uhr geworben werden. An Sonn- und Feiertagen ist Werbung nicht gestattet, auch dürfen die »Dritten Fernsehprogramme« nicht beworben werden. In den öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogrammen der ARD ist Werbung im Ausmaß von max. 90 Minuten täglich zugelassen; nicht alle Radio-Programme werden jedoch beworben. Von jenen 3,98 Mrd. Euro Werbeeinnahmen, die das Medium Fernsehen insgesamt (öffentlich-rechtlich, privat) im Jahr 2011 in Deutschland erzielten, entfielen nur noch 283 Mio. Euro auf ARD und ZDF; dies entspricht einem Anteil von sieben Prozent (ZAW 2012; Möbus/ Heffler 2012). Informationen über die Finanzgebarung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und vieles andere mehr sind den von ARD und ZDF herausgegebenen Jahrbüchern zu entnehmen (das ARD- Jahrbuch erscheint seit 2011 nur noch in digitaler Form). Zahlreiche Informationen liegen auch online <?page no="297"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 298 abrufbar vor unter: www.ard.de/ intern/ sowie zdf-jahrbuch.de. Zur Finanzgebarung innerhalb der föderalistisch strukturierten ARD ist festzuhalten, dass die in ihr versammelten neun Landesrundfunkanstalten »weder rechtlich noch faktisch einen Finanzverbund dar[stellen]« (ARD-Jahrbuch 2010, S. 307). Daher erstellt sie keinen Jahresabschluss, »in dem eine Rechnungslegung über ihre Finanzen erfolgt. Nur ihre Mitglieder, die rechtsfähigen Landesrundfunkanstalten (LRA), machen einen Jahresabschluss in Analogie zu gewerblichen Unternehmen« (Berger 2008, S. 84). Die ARD nimmt jedoch statistische Zusammenfassungen von Erträgen und Aufwendungen der Landesrundfunkanstalten vor (vgl. Berger 2008, S. 84; siehe auch ARD-Jahrbuch 2010, S. 307ff). Daten zu den Rundfunkfinanzen der ARD-Anstalten sind online abrufbar unter: www.ard.de/ intern). Für das zentralistisch strukturierte ZDF liegen solche Jahresabschlüsse vor (vgl. ZDF-Jahrbuch 2011 mit dem Haushaltsabschluss 2010 und dem Haushaltsplan 2011). Der Finanzierungsanteil des ZDF aus Werbung ist auf unter zehn Prozent zurückgegangen. Die jeweils aktuellen Daten sind, wie erwähnt, auch online abrufbar. Zur Finanzierung des privaten Rundfunks Der private Rundfunk finanziert sich in aller Regel aus Werbung und Werbenebenformen sowie - etwa im Falle des Abonnementfernsehens von »Sky« - aus Teilnehmerentgelten. Abonnenten erhalten einen Decoder, der das Programm entschlüsselt und zugänglich macht. Eine Finanzierung privater Rundfunkveranstalter aus der Rundfunkgebühr bzw. seit 2013 aus dem Rundfunkbeitrag ist in Deutschland laut Rundfunkstaatsvertrag nicht gestattet. Wie jedoch bereits erwähnt, erhalten die 14 Landesmedienanstalten für die Organisation und Beaufsichtigung des privaten Rundfunks einen kleinen Teil, nämlich 1,9 Prozent der Rundfunkgebühr. Bei der Finanzierung privaten Rundfunks wird oftmals übersehen, dass dessen Errichtung mit (in aller Regel privatem) Kapitaleinsatz verbunden ist. »Denn wer privaten Rundfunk veranstalten will, muss zuallererst eigenes Geld in die Hand nehmen, um das aufzubauen, woraus später im Zuge der Werbeerlöse Rendite geschöpft wird« (Stuiber 1998, S.-954). So hatten in Deutschland z. B. die meisten privaten, national empfangbaren Fernsehveranstalter Anlaufverluste in dreistelliger DM- Millionenhöhe, im Falle von SAT.1 oder dem (nicht mehr existenten) digitalen DF1 bzw. Premiere World sogar in DM-Milliardenhöhe angehäuft (vgl. Stuiber 1998, S.-956). Damit wird deutlich, welche Risiken mit der Veranstaltung von privatem Rundfunk, v. a. mit privatem Fernsehen, verbunden sind. »Das investierte Kapital muss durch Werbeerlöse erst noch verdient werden, ehe Gewinne abgeschöpft werden können« (Stuiber 1998, S.-955). Angesichts der Vielfalt von in Deutschland bundesweit empfangbaren werbefinanzierten Fernsehprogrammen ist der Wettbewerb um TV-Werbung sehr groß. Über die größten Positionen im Werbemarkt verfügen die beiden großen Fernsehanbieter RTL und ProSiebenSAT.1. Der Fernsehveranstalter RTL hat 1996 mit seinen Nettowerbeeinnahmen erstmals die 2-Milliardengrenze (DM) überschritten (vgl. ZAW-Jahrbuch 1997, S.-233) und war in der Bundesrepublik übrigens der erste TV-Sender, der - nach vielen Jahren von Anlaufverlusten - Gewinne erwirtschaftete. Von jenem Anteil, den das Medium Fernsehen im Jahr 2011 mit einem Werbeaufkommen in Höhe von 3,98 Mrd. Euro in Deutschland erzielte, entfielen 93 Prozent (knapp 3,7 Mrd. Euro) auf die privaten Fernsehveranstalter (ZAW 2012). Bestimmungen für Werbung sind im Rundfunkstaatsvertrag für öffentlich-rechtlichen wie privaten Rundfunk geregelt. Was die Dauer der Werbung betrifft, so gelten für den privaten Rundfunk wesentlich großzügigere Bedingungen als für den öffentlich-rechtlichen (der ja Pflichtgebühren bzw. -beiträge einheben darf ). In privaten Rundfunkprogrammen, Hörfunk wie Fernsehen, darf laut <?page no="298"?> 4.3 Medienforschung 299 Rundfunkstaatsvertrag Werbung das Ausmaß von maximal 20 Prozent der täglichen Sendezeit nicht überschreiten (was durchschnittlich etwa 12 Minuten Werbung pro Stunde bedeutet). Allgemeine Grundregeln für Werbung in Hörfunk und Fernsehen wurden in Deutschland im Rundfunkstaatsvertrag von 1991 festgelegt und seither in einigen Novellen präzisiert. Sie gelten für öffentlich-rechtlichen wie privaten Rundfunk gleichermaßen. So darf Werbung nicht irreführen sowie den Interessen von Kindern und ihrer Unerfahrenheit nicht schaden. Das Programm darf inhaltlich und redaktionell von Werbung und Werbetreibenden nicht beeinflusst werden. Werbung muss als solche erkennbar und von anderen Programmteilen getrennt sein (vgl. z. B. Dritter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 26. August und 21. September 1996). Zur Finanzierung von Onlinemedien Bevor es nachfolgend um Möglichkeiten der Finanzierung von Onlinemedien, bzw. um die Finanzierung digitaler Angebote von Printverlagen geht, seien einleitend dazu einige Bemerkungen zur Internetökonomie vorangestellt. In aller Regel handelt es sich dabei um digitale Güter. In der analogen Medienwelt »waren Medieninhalte gewöhnlich fest an ein bestimmtes Trägermedium gebunden: die Nachrichten auf Zeitungspapier, der Film auf Zelluloid, das Musikalbum auf Vinyl. Durch diese Kopplung des immateriellen Guts (Inhalt) an ein bestimmtes Trägermedium haben Medien- und Kommunikationsunternehmen die Marktfähigkeit ihrer Produkte gesichert« (Dogruel/ Katzenbach 2010, S. 109). Der Medienunternehmer konnte und kann über den Träger »sein Produkt kontrollieren und verkaufen; andere Strategien der Vermarktung sind die Kopplung von Inhalten und Werbung oder die Verschlüsselung der Signale wie etwa beim PayTV […]« (ebd.). In der digitalen Medienwelt ist dies anders: »Digitalisierung und Vernetzung führen nun dazu, dass diese feste Zuordnung einer bestimmten Information zu einem bestimmten Medium verschwimmt. Bei analogen, materiellen Trägermedien sind Inhalt und Medium kaum voneinander zu trennen, jeder Formatwechsel und jede Kopie ist mit großem Aufwand (Kosten) und oft auch Qualitätseinbußen verbunden. Im digitalen Bereich sind Reproduktion und Formatwechsel hingegen problemlos: Kopien sind praktisch kostenlos und unterscheiden sich nicht vom Original; das Gleiche gilt für das Überführen von einem Format (z. B. CD-Titel) in ein anderes (mp3-Datei). Diese Desintegration durchläuft - unterstützt durch Digitalisierung und Vernetzung - inzwischen die gesamte Wertschöpfungskette bis zum Kunden. […] Eine Folge der Entkopplung von Medien und Inhalt für Medienunternehmen ist, dass sie die Kontrolle und Verbreitung ihrer Inhalte teilweise verlieren und damit potenziell auch die Erlöse« (Dogruel/ Katzenbach 2010, S. 109f ). Ein gängiges, von jedem Internetnutzer beobachtbares Beispiel: Wer mit Hilfe von Suchmaschinen das Internet durchforstet, stößt bei den Suchergebnissen in aller Regel auch auf Beiträge aus Onlinezeitungen. Weder die Suchmaschinenbetreiber noch die Nutzer müssen dafür - zumindest gegenwärtig noch - bezahlen. Die Verlegerverbände (BDZV, VDZ) und einige große Printunternehmen wie Hubert Burda Media werfen insbesondere dem marktdominierenden Suchdienst Google vor, mit Verlagsinhalten Werbeerlöse zu erzielen, an denen die Produzenten der Inhalte (in erster Linie: die Verlage) nicht beteiligt werden. Sie forderten daher seit einigen Jahren von der Politik ein sog. Leistungsschutzrecht: ein Gesetz, das Suchmaschinenbetreiber und andere Newsaggregatoren zur Zahlung einer Lizenzgebühr für die Nutzung längerer Textpassagen verpflichtet. Das Leistungsschutzrecht wurde im März 2013 von Bundestag und Bundesrat mehrheitlich beschlossen, ist aber unter den betroffenen Akteuren und Organisationen (Medienunternehmen, Verleger- und Journalistenverbände, Internetaktivisten u. a. m.) heftig umstritten (vgl. u. a. Meiritz/ Reißmann 2013; Schwenke 2013; Boie/ Höll 2013; Freude/ Tillmann 2013). Während Gegner auf Rechtsunsicherheiten hinweisen, <?page no="299"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 300 die Informationsfreiheit im Internet gefährdet sehen und befürchten, dass die Urheber (also die im eigentlichen Sinne produzierenden z.T. auch freiberuflich tätigen Journalisten) geschwächt werden, begrüßt der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger das Gesetz: »Das Recht ermöglicht den Zeitungen und Zeitschriften selbst zu entscheiden, unter welchen Bedingungen ihre Inhalte von Suchmaschinen und Aggregatoren zu gewerblichen Zwecken verwendet werden dürfen« (BDZV 2013). Andere vertrauen auf Selbstregulierungsmechanismen (z. B. hat Süddeutsche.de längst selbst »die Regeln festgelegt, wie andere Seiten und Dienste Artikelausschnitte der Webseite nutzen dürfen - sie […] legen im Kern drei Sätze als Grenze fest. Aggregatoren wie-Rivva-wurde zugesichert, dass sie weiter Snippets nutzen dürfen«, süddeutsche.de 2013). Ob sich das Leistungsschutzrecht in der verabschiedeten Form angesichts zahlreicher Unschärfen auch tatsächlich bewähren wird, ist ungewiss. Ebenso haben zahlreiche Verlage damit begonnen, für vom User direkt bei ihnen als Inhalteanbieter online abgerufene Inhalte (wie etwa E-Paper, Onlinezeitung, Applikation) ein Entgelt zu verlangen. Ob sich dieses Geschäftsmodell weitum durchsetzt, bleibt angesichts der langjährigen Kostenlos(un)kultur im Internet für mediale Produkte digitaler Art vorerst noch abzuwarten (vgl. w. u.). Weitergehende Ausführungen zu dieser Thematik sind u. a. dem Überblicksbeitrag über »Internetökonomie« von Leyla Dogruel und Christian Katzenbach zu entnehmen (Dogruel/ Katzenbach 2010, darin zahlreiche Verweise auf weiterführende Literatur). Mit »Journalismus im digitalen Wertschöpfungsprozess« befasst sich auch kompakt und anschaulich Claudia Mast (2007). Das Umfeld des Journalismus wandelt sich im sich verändernden Mediensystem, journalistische Produkte sind medienunabhängig verfügbar (lösen sich von ihren medienspezifischen Bindungen), die Digitalisierung eröffnet neue Gestaltungsdimensionen, die Koordinaten der journalistischen Arbeit verschieben sich (dazu anschaulich Mast 2007, S. 224-230), Crossmedia ist ein Gebot der Stunde (ebd., S.- 228-230). Von Bernd W. Wirtz stammt, wie erwähnt, ein Internetbasisgeschäftsmodell (vgl. Wirtz 2011, S. 681) für den Business-to-Consumer-Bereich, das zum Teil auch auf im Internet engagierte Medienunternehmen anwendbar ist. Es umfasst die Bereiche Content, Commerce, Context und Connection (vgl. ebd.). Für Zeitungsverlage, die im Internet engagiert sind, kann man im Wesentlichen auf vier Erlösquellen verweisen (vgl. dazu etwa Pürer/ Raabe 2007, S. 441f mit Bezugnahme auf zahlreiche Autoren - vgl. Kap. 10, Fußnote 76; siehe auch Breyer-Mayländer 1999; Riefler 2000, 2001a, 2001b; Beyer/ Carl 2012): • Erlöse aus Inhalten: Dies können Gebühren in Form eines Abonnements für das Onlineangebot einer Zeitung sein (Onlinezeitung, E-Paper), Gebühren für individualisierte Informationsservices in Form mobiler Dienste (Kurznachrichten, Wetter, Sportergebnisse etc.) sowie in jüngster Zeit v. a. Gebühren für den Empfang von Applikationen auf mobilen Endgeräten wie iPhones, Smartphones, iPads etc. Wie erwähnt, setzen viele Zeitungsverlage in dieses Geschäftsfeld, bei dem unterschiedliche Wege beschritten werden (vgl. w. u.), große Hoffnungen. Dem Online- Auftritt des BDZV sind aktuelle Angaben darüber zu entnehmen, wie viele und welche Tageszeitungen Paid-Content-Angebote bereitstellen (www.bdzv.de/ zeitungen-online/ paidcontent) und welches Bezahlmodell zur Anwendung gelangt. Erlöse für Inhalte können weiters durch Gebühren für den Zugang zu Archiven und Datenbanken oder durch Weiterverkaufen bzw. Lizenzieren von Inhalten (Syndication) an Onlineauftritte anderer Unternehmen erzielt werden (vgl. Riefler 2000, 2001b, 2002, 2010). • Erlöse aus Werbung: Dies kann Werbung in Form von Bannern, Skyscrapers, Popups, Flyouts, LayerAds, Interstitials, Werbevideos, Werbe-Emails, Targeting, Schlüsselwortbzw. Keyword- Advertising oder Permission Marketing und Partnerprogrammen (Affiliates) sein (vgl. Beyer/ Carl 2012, S. 171f ). Die Konkurrenz für die Onlineauftritte von Zeitungen ist im Bereich Werbung groß, da sich auch zahlreiche andere Websites über Onlinewerbung finanzieren (oder mitfinanzieren). Insbesondere sind hier auch für Deutschland die vier großen Player Google, Apple, Amazon <?page no="300"?> 4.3 Medienforschung 301 und Facebook zu erwähnen. Diese »Big Four« »dominieren mehr als die Hälfte des digitalen Werbemarkts« (Kansky 2012, S. 152). Der Anteil der Onlinewerbung am Gesamt(netto)werbeaufkommen in Deutschland im Jahr 2011 (insgesamt 18,93 Mrd. Euro) machte 990 Mio. Euro (also knapp eine Milliarde) aus; dies entsprach einem Anteil von 5 Prozent (ZAW-Jahrbuch 2012, S. 19-21; vgl. auch Zeitungen 2012/ 13, S. 48-51). Zu berücksichtigen dabei ist, dass vom ZAW nur Werbung in Onlinediensten erfasst wird. Werbung in Internetsuchmaschinen oder etwa Rubrikenportalen ist dabei nicht berücksichtigt (vgl. Keller/ Eggert 2012, S. 49). Erlöse können auch durch Website-Sponsoring erzielt werden. • Erlöse aus E-Commerce: Darunter versteht man Erlöse, die ein Verlag als »Intermediär« in Form von Provisionen einnimmt. Dies kann auf dreifache Weise erfolgen, nämlich: 1) indem der Verlag die eigene Site an Onlinehandelsunternehmen für einen festen Betrag untervermietet; 2) indem ein Verlag für Online-Einkäufe, die von seiner Site aus getätigt werden, Provisionen erhält; sowie 3) über eigene Shopping Malls im Rahmen des eigenen Onlineauftritts (vgl. Riefler 2000, S.-177). • Erlöse aus Internetservices: Damit sind Erlöse aus Dienstleistungen gemeint, die ein Zeitungsverlag für andere erbringt wie Access-Providing und Service-Providing (vgl. Ziegler/ Becker 2000, S.- 166). Beim Access Providing stellt der Zeitungsverlag gegen Entgelt für (Privat-)Kunden den Internetzugang her (womit er Kundenbeziehungen aufbauen und Nutzerstrukturen entschlüsseln kann). Beim Service-Providing tritt der Verlag insofern als Dienstleister auf, als er z. B. für Unternehmen, Behörden, Ämter und andere Institutionen in der Region gegen Entgelt den Eintritt in die Internetwelt ermöglicht und für externe Kunden den Webauftritt entwickelt, gestaltet und laufend betreut (Homepage-Hosting). Die vergleichsweise größten Erlöse erzielen die Zeitungsverlage mit ihren Onlineauftritten im Internet mit Onlinewerbung. Sie reichen jedoch in den meisten Häusern nicht aus, um die Onlineauftritte zu finanzieren (sodass diese aus Erlösen aus dem Zeitungsgeschäft Print mitfinanziert werden). Daher setzen die Zeitungsverlage, wie erwähnt, große Hoffnungen in Erlöse, die aus dem Verkauf von Inhalten generiert werden können. Da Inhalte in Onlinezeitungen von den Usern weitestgehend kostenlos genutzt werden können, ist dies ein schwieriges Unterfangen. In jüngerer Zeit haben sich im Wesentlichen »fünf verschiedene Geschäftsmodelle zur Finanzierung digitaler Inhalteerstellung entwickelt« (Waller 2012, S. 175): das (nach wie vor rein werbefinanzierte) Free-Modell, das Metered- Modell, das Freemium-Modell, das harte Paywall-Modell sowie Spendenmodelle. Dazu im Einzelnen (vgl. Waller 2012, S. 175ff): • Das rein werbefinanzierte Geschäftsmodell Free-Modell ist »nur für Online-Portale wirtschaftlich nachhaltig, die nationale Reichweitenführer sind. Denn nur diese werden bei den meisten nationalen Werbekampagnen gebucht. […] Für regionale und lokale Portale ist das Free-Modell somit i. d. R. kein strategisch sinnvoller Ansatz, weil eine nachhaltige Finanzierung allein durch Werbeerlöse unrealistisch ist« (Waller 2012, S. 176). • Das Metered-Modell als Bezahlmodell baut darauf auf, »dass loyale Vielnutzer grundsätzlich bereit sind, ein Abonnement abzuschließen, weil sie bereits vom Wert des Inhalteangebots überzeugt sind« (Waller 2012, S. 177). Das Modell ist »tendenziell die beste Option für trafficstarke Portale, die eine hohe Anzahl an Unique Usern und loyalen Nutzern haben, die soziale Medien für das Marketing ihrer bezahlpflichtigen Angebote mit allen erstellten Contents uneingeschränkt nutzen wollen und die dauernd ein ausreichend breites Inhalteangebot liefern, das Nutzer zum regelmäßigen Besuch animiert und welches idealer Weise durch Links zu Archiv und verwandten Inhalten so tief ist, dass die Website eine hohe Stickyness (konsumierte Contents pro Besuch) aufweist« (ebd.). Das Modell kommt z. B. bei der New York Times zum Einsatz. <?page no="301"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 302 • Beim Freemium-Modell handelt es sich um eine Kombination aus »traffic-generierenden ›Free- Bereichen‹ und montarisierbaren Premium-Segmenten« (ebd.; daher Freemium). Es basiert auf einer Bezahlschranke, »die nur solche Inhalte bezahlpflichtig macht, die aus Sicht des Medienunternehmens so exklusiv bzw. nutzwertig ist, dass Nutzer bereit sind, für diese zu bezahlen, weil sie keine andere Möglichkeit haben, kostenlos an diesen aus ihrer Sicht relevanten Content zu bekommen. Das ist der Bereich von Premium-Inhalten« (ebd.). Die Freemium-Onlineportale z. B. »von ›Berliner Morgenpost‹, ›Hamburger Abendblatt‹ und der zum Madsack-Konzern gehörenden Zeitungen setzen dabei auf die Exklusivität lokaler Themen« (ebd.). • Das Modell Harte Paywall, das bei Onlineportalen zum Einsatz gelangt, verzichtet »zum größten Teil auf das Marketingpotenzial von Google- und Social-Media-Traffic sowie die Kraft von kostenlosen ›Leseproben‹, die in der Offline-Welt üblich sind. Der prominenteste Vertreter dieser Philosophie ist aktuell die ›London Times‹. […] Die letzten veröffentlichten Zahlen weisen circa 120.000 zahlende Abonnenten aus - und damit hat die ›Times‹ etwa 25 Prozent digitale Neukunden gewonnen. Das ist ein erstaunlicher Erfolg, der ohne Google- und Facebook-Traffic erzielt wurde« (Waller 2012, S. 178). • Spenden-Modelle bei Onlineportalen und Blogs »funktionieren entsprechend den bekannten Marketingmechanismen für Non-Profit-Organisationen. Flattr ist ein Dienst, der dieses Geschäftsmodell unterstützt. In Deutschland ist taz.de die bekannteste Seite, die sich u. a. über Spenden finanziert« (Waller 2012, S. 179). Gregor Waller weist darauf hin, dass die meisten Websites, »die eine Bezahlschranke einführen, […] von einem einmaligen Rückgang der Nutzerzahlen von zehn bis 15 Prozent [berichten]«. Tägliche Unique User seien »die wichtigste Größe für bezahlpflichtige Portale« (ebd.). Wichtig erscheint hier ferner der Hinweis, dass es (derzeit zumindest) keine Patentlösung(en) für Bezahlmodelle im Internet gibt. Jedes Zeitungsunternehmen muss für sich das richtige Modell für das Geschäft mit digitalen Inhalten finden. Dies auch deshalb, weil die Bereitschaft, für Inhalte im Internet zu zahlen, zwar allmählich zu wachsen scheint, aber immer noch nicht sonderlich ausgeprägt ist. Katja Riefler (2002) verweist auf vier Prüfsteine für erfolgreiche Bezahlinhalte: 1) Ist der infrage kommende Inhalt, den man entgeltlich anbieten möchte, anderswo kostenlos erhältlich? 2) Ist die entgeltlich angebotene Information die bevorzugte Quelle für diese Art von Information? 3) Erhalten die zahlenden User durch die Nutzung unmittelbare Vorteile? 4) Hat der User in der Art des zu bezahlenden Inhalts oder seiner Verbreitung im Internet einen speziellen Nutzen? Und Christian Breunig (2005) sieht Erfolgsfaktoren für Bezahlinhalte in deren Exklusivität, Qualität und Nutzfreundlichkeit. Für die Preisgestaltung von online vermittelten Inhalten sind weiters Marktdurchdringung und Akzeptanz digitaler Zahlungsmittel bei den Usern wichtig. Voraussetzung dafür sind Micro- oder Macro-Payment-Systeme. Wichtige Qualitätskriterien für solche Bezahlsysteme sind: 1) Sicherheit der Nutzung, 2) günstige Kosten sowie 3) Reklamationsmöglichkeiten. »Sicherheit ist der am meisten ausschlagegebende Faktor: Das Problem des Missbrauchs persönlicher Daten muss ausgeschlossen, die Übertragungssicherheit von PIN und Kartennummer gewährt und der Erfolg des Zahlungsvorgangs sichergestellt sein« (Pürer/ Raabe 2007, S. 443 mit Bezugnahme auf Stroborn et al. 2002). Mit Fragen der Monetarisierung von Onlineinhalten befasst sich u. a. Florian Bauer mit seinem Beitrag »Gratis ist tabu - Preisstrategien beim E-Publishing« (Bauer 2011) sowie z. B. auch Christian Meiers Sammelband »Erlösmodelle im E-Publishing« (Meier 2011). Das Bändchen enthält Beiträge von prominenten Medienpraktikern über die Frage, wie sich Medien auf Tablets und Smartphones neu erfinden können. Einer Anfang Februar 2013 veröffentlichten Studie des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (BITKOM) zufolge soll die Zahlungsbereitschaft für Applikationen steigen: 33 Prozent der 1004 repräsentativ befragten Smartphone-Besit- <?page no="302"?> 4.3 Medienforschung 303 zer bzw. -nutzer geben an, »hin und wieder« kostenpflichtige Apps zu kaufen, 5 Prozent geben an, dies »regelmäßig« zu tun. 45 Prozent installieren nur kostenfreie Apps, 17 Prozent geben an, keine zusätzlichen Apps zu installieren. Insgesamt installieren 83 Prozent der Smartphone-Besitzer zusätzliche Programme, das entspricht mehr als 21 Mio. Deutschen (BITKOM 2013). In Apps wird laut BITKOM ein wesentlicher Grund für den Smartphone-Boom gesehen (ebd.). »Viele der kleinen Programme erleichtern den Alltag, im Büro wie in der Freizeit« (ebd.). Im Dezember 2013 gab der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) an, dass 70 Zeitungen kostenpflichtige Internetangebote auf ihren Websites installiert haben, 71 Prozent davon in der Freemium-Variante. Zwei Drittel der Verlage »setzen auf ein Online-Abo, das im Durchschnitt acht Euro pro Monat kostet […]. Darüber hinaus bieten immer mehr Häuser auch ein Digital-Abonnement bestehend aus komplettem Online-Zugang und E-Paper an, das durchschnittlich 19,39 Euro teuer ist« (BDZV intern 2013b, S. 1). Zum Problem des Marktzutritts in gesättigten Medienmärkten In gesättigten Medienmärkten, deren es zahlreiche im europäischen Raum gibt und zu denen auch Deutschland gehört, erweisen sich Marktzutritte im Bereich der klassischen Medien - also neuer Tageszeitungen und Zeitschriften, neuer Hörfunkprogramme oder gar Fernsehveranstalter - als sehr schwierig und kostenintensiv. Marktzutritte finden ja stets auf jenen beiden Märkten statt, auf denen die bereits vorhandenen Medien um Marktanteile kämpfen, nämlich auf dem Publikumsmarkt sowie auf dem Werbemarkt. Im Regelfall stehen Neugründungen damit vor folgenden Problemen (vgl. Kopper 1983; Pürer/ Raabe 1996, S.- 229f ): 1) Zunächst ist für einen Marktzutritt ein hoher Kapitaleinsatz erforderlich, dessen Höhe davon abhängt, um welchen Marktzutritt (Zeitung, Zeitschrift, Radio, TV) es sich handelt. 2) Es ist für den Newcomer sehr schwer, auf einem gesättigten Medienmarkt die dort vorhandenen Medienbindungen des Publikums aufzubrechen. 3) Für den oder die neu in den Markt Eintretenden fehlen in aller Regel Reichweiten- und Mediennutzungsdaten und damit auch konkurrenzfähige Grundlagen für Anzeigenbzw. Werbeaufträge; auch die Kalkulation für Anzeigen in Zeitungen und Werbespots in Hörfunk und Fernsehen gestaltet sich damit schwierig. 4) Wichtig für Marktzutritte im klassischen Medienbereich ist jedenfalls, Marktstudien durchzuführen, um Marktnischen zu entdecken, die inhaltlich noch besetzt werden können. 5) Außerdem bedarf es genauer Analysen darüber, wann der sog. Break-Even-Point erreicht wird - jener Zeitpunkt also, an dem die Erlöse die Kosten decken (und wann allmählich mit Gewinnen gerechnet werden kann). 6) Nicht zuletzt erwächst den klassischen Medien im Internet zunehmend erhebliche Konkurrenz. In den zurückliegenden fünfzehn Jahren waren auf dem deutschen Tageszeitungsmarkt einige Neugründungen erfolgreich, darunter u. a. jene der Financial Times Deutschland (FTD; gegründet 2000, im Dezember 2012 eingestellt), der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS; gegründet 2001) sowie der Titel Die Welt kompakt (im Tabloid-Format; gegründet 2004 als Welt kompakt). Andere Versuche scheiterten entweder rasch wie etwa jener des Spiegel-Verlags mit der Tageszeitung Der Tag oder auch der Versuch, eine Sporttageszeitung mit dem Titel Der Sport-Tag am Printmarkt zu platzieren; oder aber Neugründungen hielten sich nicht sonderlich lange am Markt wie etwa Gratistageszeitungen oder preiswerte Tabloid-Formate für ein jüngeres Publikum. Auch dem Versuch, eine individualisierte Tageszeitung mit dem Titel niiu auf dem Printmarkt zu etablieren, war kein langer Erfolg beschieden. Der Titel erscheint als digitale Applikation für den Empfang auf mobilen Endgeräten seit April 2013 (vgl. Kap. 4.3.5.1). Im Bereich der Zeitschriften liegen die Dinge anders. Dort herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, Markteintrittschancen sind v. a. bei Publikumszeitschriften niedriger als bei Zeitungen, <?page no="303"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 304 »deren Etablierung auch aufgrund des engermaschigen Erscheinungsturnus mit hohen Investitionskosten verbunden ist« (Beck et al. 2010, S. 58). Auskunft über Entwicklungen im Zeitschriftenbereich gibt das jährlich erscheinende VDZ-Jahrbuch. Im Jahr 2010 z. B. standen in der Gattung Publikumszeitschriften insgesamt 130 Markteintritten zusammen 71 Marktaustritte gegenüber. Das ergibt in der Bilanz ein Plus von 59. Aus jüngster Zeit erscheinen u. a. die erfolgreich platzierten Zeitschriftentitel Landlust und Landleben erwähnenswert (ein Zeitschriftentyp zwischen Special-Interest-Zeitschrift und Publikumszeitschrift). Abgrenzungen zwischen verschiedenen Gattungen von Zeitschriften sind ohnedies jeweils schwierig (vgl. Pürer/ Raabe 2007, S. 21-23). Das Internet stellt ein eigenes Phänomen für sich dar. Es ermöglicht eine Vielzahl von neuen und alten Medienanwendungen und integriert bekanntlich auch neue Formen der Individual-, Gruppen- und Massenkommunikation. Beobachtbar ist auch, dass alte (Zeitung, Zeitschrift, Radio und Fernsehen) wie neue Medien (das Internet samt allen seinen Medienanwendungen) vorerst noch (? ) komplementär und parallel genutzt werden, wobei die jüngere Generation stark online-affin ist (vgl. u. a. Mögerle 2009; Ridder/ Engel 2010a; Ridder/ Engel 2010b; Frees/ Fisch 2011; Eimeren/ Ridder 2011; Best/ Breunig 2011; Peiser 2006, 2012). Die zu Presse und Rundfunk (Radio, Fernsehen) vergleichsweise »geringen Gründungskosten im Internet ermöglichen Markteinstiege auch von Branchenfremden« (Röper 2012a, S. 271). Es bleibt angesichts der ungewöhnlichen Dynamik des Internets mit seinen zahlreichen Angeboten, Plattformen, neuen sozialen Netzwerken etc. abzuwarten, ob sich weiterhin das (nicht gänzlich) unumstrittene Riepl’sche Gesetz als richtig erweist, wonach neue Medien die alten nicht verdrängen, aber in ihrer Struktur und Funktion verändern (vgl. Riepl 1913). »Alte« Medien bestehen weiter, wenn sie sich gleichsam auf Stärken besinnen, die den »neuen« Medien nicht zu eigen sind (vgl. u. a. Lerg 1981; kritisch Peiser 2006 und 2008). Der Beitrag »Wie stark verdrängen oder ergänzen sich (neue und alte) Medien« (Seufert/ Wilhelm 2013) konnte hier leider nicht mehr berücksichtigt werden, soll aber nicht unerwähnt bleiben. 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Es geht also auch um die Interaktionen und das Beziehungsgeflecht zwischen Medien, Gesellschaft und Kultur. Nutzungs-, Verarbeitungs- und Wirkungsvorgänge sind dabei jedoch fließend und lassen sich nicht trennscharf voneinander abgrenzen. Mit Medienrezeption bezeichnet man im Allgemeinen jenen Vorgang, bei dem sich ein Mensch mit einer publizistisch vermittelten Aussage auseinandersetzt. Erfasst wird damit also der Akt konsumierender Mediennutzung, insbesondere der klassischen Massenmedien Tageszeitung und Rundfunk, von der die Inhalte produzierende Mediennutzung im Zeitalter des ›Mitmachnetzes‹ begrifflich zu trennen ist (vgl. Kap. 3.3.4). Die rezeptive Auseinandersetzung mit Medieninhalten kann von recht unterschiedlicher Qualität sein. Sie kann von einem flüchtigen Überfliegen der Medienbotschaft über die Nutzung als Hintergrundkulisse bis hin zu einer eingehenden Auseinandersetzung reichen, in deren Verlauf die Medienbotschaft verstanden und in den Wissensbestand des Rezipienten (also des Lesers, Hörers, Zuschauers und Users) integriert wird. Rezeption als aktive Auseinandersetzung mit einer Medienbotschaft kann an eine konkrete Medienbotschaft und eine bestimmte Rezeptionssituation gebunden sein, wenn etwa die Anmutung formaler und inhaltlicher Merkmale der Botschaft oder die Verständlichkeit der Information untersucht wird. Beforscht wird aber auch die Nutzung ganzer Medien oder Gattungen unabhängig von einzelnen Situationen. Dabei werden z. B. Phänomene fokussiert wie die Motive der Fernseh- oder Internetnutzung, das Image von Tageszeitungen oder die Umstände, das Ausmaß und die Intensität der Nutzung einzelner Radiosender. Wie der Begriff »Medienrezeption« ist auch der des »Rezipienten« weit gefasst: Minimalkriterium ist der flüchtige Kontakt mit der Medienbotschaft, etwa das Anlesen eines Zeitungsartikels, das Nebenbeihören eines Radiosenders oder das nur teilweise Mitverfolgen einer TV-Sendung. Was unter einem Rezipienten zu verstehen ist, wird in der Medienforschung von Fall zu Fall und je nach Forschungsinteresse pragmatisch definiert; die content-produzierenden Personen werden zur Abgrenzung auch mit anderen Begriffen wie Partizipienten oder Produser gefasst (vgl. Kap. 3.3). Dabei sollte jedoch kein falscher Eindruck entstehen: Mit Rezipieren ist jedenfalls nicht »das Empfangen von Aussagen durch einen passiv ›rezipierenden‹ Empfänger« gemeint (Maletzke 1998, S.-55). Eine solche Vorstellung gilt als überholt. Der Empfänger im Prozess der Massenkommunikation greift aktiv in diesen Prozess ein: »[E]r wählt aus, prüft, verwirft; und oft setzt er den Medieninhalten auch Widerstand entgegen. Dieses Konzept vom aktiven Rezipienten hat die Lehre von der Massenkommunikation grundlegend verändert« (ebd.). Rezipienten im Prozess öffentlicher Kommunikation sind also Personen, die sich originärpublizistisch oder massenmedial vermittelten Inhalten mehr oder weniger bewusst zuwenden und im Kontext dieser Zuwendung die vermittelten Botschaften wahrnehmen, verstehen und darauf reagieren. Die Summe der Empfänger publizistischer Aussagen bezeichnet man allgemein als Publikum, wobei grundsätzlich zwischen Präsenzpublikum und dispersem Publikum zu unterscheiden ist. Ein Präsenzpublikum ist zur gleichen Zeit und am gleichen Ort versammelt, um sich der gleichen Kommunikation auszusetzen. Beispiele hierfür sind: das Kinopublikum in einer bestimmten Vorstellung; die Zuhörer einer öffentlichen Rede bei einer (Partei-)Versammlung oder bei einer Demonstration auf der Straße; durchaus auch die Teilnehmer an einem Gottesdienst, die einer Predigt folgen; oder etwa auch die Besucher einer Theateraufführung. Ein disperses Publikum hingegen hat ausschließlich <?page no="323"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 324 die Zuwendung zu ein und demselben Medieninhalt gemeinsam. Örtlich und zeitlich sind die Rezipierenden voneinander getrennt, und auch die jeweiligen Empfangs-, Motivations- und Situationsbedingungen können sich stark unterscheiden. Ein disperses Publikum bzw. disperse Publika können sein: die Leser einer konkreten Zeitung oder Zeitschrift, die das Medium zu einem von ihnen selbst bestimmten Zeitpunkt (beim Frühstück oder am Abend, in der Straßenbahn auch über Smartphone oder Tablet-PC) lesen; die Hörer eines Radioprogramms, die dieses Programm an einem von ihnen bestimmten Ort (zu Hause, im Auto, beim Joggen etc.) hören; oder die an unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Situationen sich befindenden Zuschauer einer Fernsehsendung, die das Programm z. B. alleine, mit einem Partner, im Kreis der Familie etc. nutzen. Mediatheken im Internet ermöglichen den Abruf und damit die Nutzung von Hörfunk- und Fernsehsendungen auch zeitversetzt zum Ausstrahlungszeitpunkt. Ein disperses Publikum stellen daher ebenso Onlineuser dar, die zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten aus unterschiedlichen Motiven auf Webangebote zugreifen. Im Sammelbegriff werden die Publika der Massenkommunikation auch mit dem Begriff Öffentlichkeit bezeichnet (vgl. Kap. 3.2). Das Forschungsfeld Rezipient/ Wirkung lässt sich grosso modo in drei größere Forschungsfelder unterteilen: • in die Mediaforschung, die in aller Regel das quantitative Ausmaß der Nutzung eines oder mehrer Medien ermittelt (Reichweitenforschung; Kap. 4.4.1); • in die Rezeptionsforschung, die Motive und Erwartungen, Gewohnheiten und Modi, Ausmaß und Intensität etc. der Mediennutzung zu ergründen versucht (Kap. 4.4.2); sowie • schließlich in die Medienwirkungsforschung, die sich mit den unterschiedlichen und vielfältigen individuellen und sozialen Folgen von Massenkommunikation befasst (Kap. 4.4.3). Diese drei Felder sollen nachfolgend im Einzelnen umrissen werden. 4.4.1 Mediaforschung (Reichweitenforschung) Nina Springer, Helena Bilandžić und Heinz Pürer Die Mediennutzungsforschung dient dazu, Daten über Publika und Nutzungshäufigkeiten von Medien zu ermitteln. In erster Linie sind dies die Reichweiten von Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunkbzw. Fernsehprogrammen und Onlineangeboten sowie die Zusammensetzung der Publika hinsichtlich ihrer soziodemografischen Struktur nach Alter, formaler Bildung, Geschlecht, Einkommen, Beruf etc. In Deutschland werden dazu laufend Untersuchungen von Medienunternehmen und der werbungtreibenden Wirtschaft mit den unterschiedlichsten Methoden und Schwerpunkten durchgeführt. Diese Daten sind in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung (vgl. Siegert 1993, S.-123ff; Angermann/ Diem/ Pürer 1996, S.-467; Meyen 2004, S. 53ff; Frey-Vor/ Siegert/ Stiehler 2008, S. 33ff): • Sie dienen der werbungtreibenden Wirtschaft für die Entwicklung von Streuplänen für Werbebotschaften in Zeitungs- und Zeitschriftenanzeigen, Hörfunk- und Fernsehspots sowie Werbung in Onlinemedien. Dabei geht es v. a. darum, diese Planung so zu optimieren, dass Werbung möglichst präzise an die anvisierten Zielgruppen eines Produkts herangeführt wird und sog. Streuverluste vermieden werden. • Sie kommen den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen, den Hörfunk- und Fernsehveranstaltern sowie den Anbietern von Onlinemedien für die Festlegung von Preisen für Anzeigenwerbung in Printmedien, für Werbespots in Hörfunk und Fernsehen sowie für Werbebanner und andere Werbeformen im WWW zugute. Gleichzeitig haben sie Bedeutung als Marketing-Instrument und <?page no="324"?> 4.4 Rezipientenforschung 325 für Service-Leistungen für die werbungtreibende Wirtschaft: Sie geben Auskunft darüber, welche Publika mit Werbebotschaften erreicht werden. • Sie sind für die Medienschaffenden (wie Journalisten und Programmplaner) wichtig, um sich zumindest ein grobes Bild über das Publikum machen und die Daten für die inhaltliche und formale Optimierung ihres Medienproduktes verwenden zu können. Insofern sind die Daten auch ein Indikator für den Publikumserfolg eines Medienprodukts und dienen damit der Erfolgskontrolle. • Nicht zuletzt profitieren aber auch akademische Forscher z. B. im Bereich Medien- und Kommunikationswissenschaft, Soziologie, Bildungsforschung und Pädagogik von den Daten der Nutzungsforschung, die ihnen wertvolle Basisdaten zu Lese-, Hör-, Seh- und Nutzungsgewohnheiten, deren Entwicklungen, Veränderungen und Trends liefert. Reichweiten und Kontakthäufigkeiten können freilich keine Aussagen über die Intensität der Mediennutzung oder gar über ihre Wirkung bei den Nutzern machen. Nicht selten geht die Mediennutzungsforschung daher über die Ermittlung bloßer Nutzungs- und Strukturdaten hinaus. So werden in vielen Studien auch Wünsche, Erwartungen und Interessen des Publikums erhoben, ebenso die Anmutung einzelner Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften, von Sendungen in Hörfunk und Fernsehen sowie über das Image von Medienprodukten. Medienforschung für diesen Zweck wird dann als redaktionelle Publikumsforschung bezeichnet, die nicht zuletzt auch dem redaktionellen Marketing zugute kommt (vgl. Kap. 4.1.3.2). Dahinter steckt dann allerdings auch die Idee eines nicht ganz zweckfreien »Audiencemaking[s]« (Ettema/ Whitney 1994; vgl. Hasebrink 2008). Für die einzelnen Medien existieren je eigene Forschungszweige, für die sich jeweils spezifische Forschungsmethoden und Standardstudien entwickelt haben. Insgesamt können dabei drei Typen von Studien unterschieden werden, und zwar: • traditionelle Reichweitenanalysen, die versuchen, den Anteil der Bevölkerung zu bestimmen, der eine Publikation nutzt; • (v. a. bei auflagenkleineren Printmedien) Nutzerschaftsanalysen z. B. in Form von Abonnentenbefragungen mit dem Ziel der Bestimmung von deren Werbewert; und • Typologien, die Zielgruppen oder Nutzer nach anderen als soziodemografischen Merkmalen beschreiben und diese zu homogenen Gruppen nach persönlichen Einstellungen, Konsumverhalten oder Mediennutzung gruppieren. Sie finden sich in unterschiedlicher Weise in den nachfolgend im Einzelnen beschriebenen Studien zur Leserschafts-, Hörer-, Fernsehsowie zur Userforschung im Internet wieder. Da alle Medien gleichermaßen etwas über ihr Publikum in Erfahrung bringen wollen, aber auch zunehmend um die knappe Aufmerksamkeit des Publikums konkurrieren und die werbungtreibende Wirtschaft auch Interesse an vergleichbaren Daten hat, haben sich in vielen Ländern (so auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz) Medienbetriebe zusammengeschlossen, um gemeinsame Studien zu betreiben. Beispiel für einen solchen Zusammenschluss ist die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e. V. (agma), die sich als größte Werbeträgeranalyse in Deutschland präsentiert und an deren methodischen Vorgehen bzw. Messverfahren und Kennwerten sich die meisten anderen Studien orientieren. Die agma wird von rund 250 Unternehmen aus der Medien- und Werbewirtschaft getragen. Mittlerweile müssen Daten zu so vielen Medien erhoben werden, dass eine Abfrage aller in Deutschland verfügbaren Medien den Befragten nicht mehr zuzumuten ist. Daher wird seit 1987 an Stelle einer sog. »Single-Source-Erhebung« (alle Befragten werden zur Nutzung aller interessierenden Medien befragt) eine sog. »Multiple-Source-Erhebung« angewandt. Die Arbeitsgemeinschaft publiziert eine jeweils eigene Media-Analyse (MA) für »Online«, »Radio«, »Pla- <?page no="325"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 326 kat«, »Tageszeitung« und »Zeitschriften/ Wochenzeitungen« (zu denen auch »Lesezirkel« und »Kino« gezählt werden); die Daten der einzelnen Erhebungstranchen werden, ergänzt um die Daten des AGF/ GfK-Fernsehpanels, für die MA Intermedia fusioniert (vgl. agma 2012a, b, g). Im Folgenden sollen die wichtigsten Verfahren der Leserschaftsforschung (Zeitung und Zeitschrift), Hörerschaftsforschung (Radio), Zuschauerforschung (Fernsehen) sowie der Userforschung (Internet) in groben Zügen dargestellt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass viele der Untersuchungen inzwischen Daten für verschiedene Medien ausweisen, wie es beim Partnerschaftsmodell der MA Intermedia der Fall ist. Zum heutigen Zeitpunkt (Stand: 2012/ 13) zeitigt die Gliederung entlang einzelner Gattungen noch eine sinnvolle Struktur. Die konvergierende Medienlandschaft wird jedoch eine Umstellung von medienbasierten auf inhaltsbasierte Messungen erforderlich machen; wie sich das auf die Stuktur der Mediaforschung auswirken wird, bleibt abzuwarten. Als weitere intermediär vergleichende Studie wird die »Langzeitstudie Massenkommunikation« aufgrund ihrer Bedeutung für die Dokumentation des Mediennutzungs- und Bewertungsverhaltens seit den 1960er-Jahren in einem eigenen Abschnitt vorgestellt (vgl. Kap. 4.4.1.5). 4.4.1.1 Leserschaftsforschung Für die Leserschaftsforschung kann in Deutschland auf die nachfolgend genannten und methodisch sich unterscheidenden Studien und Datenquellen verwiesen werden: Die IVW Die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V. (IVW) verfolgt bereits seit 1949 das Ziel, vergleichbare und objektiv erhobene Unterlagen über die Verbreitung von Werbeträgern zu beschaffen und bereitzustellen. Die IVW führt keine eigentlichen Leserschaftsstudien durch, sondern veröffentlicht vierteljährlich stichprobenartig überprüfte Auflagen-Listen (IVW-Listen) von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen sowie (seit 1997) von Zugriffen der User auf Internetangebote. Die IVW gibt also u. a. regelmäßig bekannt, wie viele Exemplare eines Printerzeugnisses gedruckt (Druckauflage), verbreitet (verbreitete Auflage) sowie - im Abonnement oder Einzelverkauf - tatsächlich abgesetzt wurden (Verkaufsauflage). Seit dem zweiten Quartal 2012 werden dazu auch E-Paper-Verkäufe gezählt. Diesen Angaben kann man nicht entnehmen, wie viele Leser oder Mitleser etwa eine Zeitung oder Zeitschrift hat und welche Merkmale die Leserschaft trägt. Werbeplaner können an den Daten der IVW aber bemessen, was sie eine Anzeige bezogen auf 1.000 Käufer (nicht Leser! ) einer Zeitung oder Zeitschrift kostet (sog. Tausenderpreis) (vgl. IVW 2012a, b; Unger et al. 2004, S. 79). Die Media-Analyse (MA Pressemedien und MA Tageszeitungen) Seit 1954 veröffentlicht die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e. V. (agma) Daten zur Printmediennutzung in Deutschland. Die MA-Berichte basieren auf zwei etwa je sechs Monate umfassenden Erhebungszeiträumen (sog. Wellen). In diesen werden von beauftragten Marktforschungsunternehmen jeweils rund 19.500 Interviews geführt. Ein Bericht enthält folglich die Antworten von 39.000 Befragten - immer aus der Welle, die bereits im vorangegangenen Bericht verwendet wurde sowie aus der Welle, die neu erhoben und zum ersten Mal analysiert wurde (»rollierendes System«, agma <?page no="326"?> 4.4 Rezipientenforschung 327 2012c). Die Länge der Erhebungszeiträume soll saisonale Effekte der Mediennutzung ausgleichen. Zum Einsatz kommen seit 2012 nur noch Computer Assisted Self Interviews (CASI), bei denen die Befragten nach einer Einweisung durch Interviewer ihre Antworten auf einem Laptop per Touchscreen selbst eingeben. Diese werden aus der deutschsprachigen Wohnbevölkerung ab 14 Jahren (die also auch in Deutschland lebende Ausländer einschließt) nach einer Zufallsstichprobe mithilfe des Adress-Random-Verfahrens gezogen (vgl. agma 2012d; Möhring/ Schlütz 2010, S. 33f ). Mit Gedächtnisstützen wie Titelkarten, die Logos von Zeitungen und Zeitschriften zeigen, werden Bekanntheit und Nutzung von Printmedien abgefragt. Den Befragten werden zur Entlastung der Interviews jedoch nur zwei Drittel der Titelkarten vorgelegt (für die Tageszeitungen z. B. im Schnitt zwölf Karten) und die Angaben im Anschluss fusioniert (»Titelsplit«; Burda News Group 2009a). Insgesamt erheben die MA Pressemedien bzw. MA Tageszeitungen in Deutschland Daten zu rund 180 Zeitschriften und Wochenzeitungen, 700 (regional-variierenden) Tageszeitungsausgaben sowie zu etwa 40 Titeln der konfessionellen Presse (vgl. Burda News Group 2009). Die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) Ursprünglich mit Vorgängern der Media-Analyse verbunden, veranstaltet das Institut für Demoskopie in Allensbach (Bodensee) wegen methodischer Differenzen seit 1959 eine eigene jährliche Befragung zu Mediennutzung und Konsumgewohnheiten. Im Unterschied zur Media-Analyse stellt die AWA eine Single-Source-Erhebung dar; ihr liegt auch keine Random-Stichprobe, sondern eine Quotenstichprobe auf Basis des Mikrozensus zu Grunde (vgl. Kauermann/ Küchenhoff 2011, S. 9). Die Ergebnisse der AWA (2012) fußen zudem auf der mündlich-persönlichen Befragung von rund 27.100 Personen bundesweit. Diese wird, wie die Erhebung der Media-Analysen, in zwei jeweils etwa sechs Monate langen Wellen durchgeführt. Grundgesamtheit ist ebenfalls die deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahren in Privathaushalten. Abgefragt werden an die 240 Einzeltitel und Belegungseinheiten. Im Vergleich zur Media-Analyse erhebt die AWA aber mehr Daten zum generellen Konsumverhalten der Befragten. Die Besonderheit der Studie liegt v. a. in der Beschreibung der Faktoren für den Kauf und Konsum von Produkten sowie in der Einschätzung der Marktpotenziale von Produkten. Zielgruppen können damit nach psychologischen Kriterien definiert werden (vgl. AWA 2012; Schneller 2012; Meyen 2004, S. 86ff). Die VerbraucherAnalyse (VA) Auch die 1982 erstmals gestartete VerbraucherAnalyse gliederte sich in die Reihe der großen Markt- Media-Studien ein. Bei der VA handelte es sich um eine Single-Source-Untersuchung der Medienhäuser Bauer und Springer. Es gab zwei Ausgaben: Die »VA Klassik« (Zufallsstichprobe aus der deutschsprachigen Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren, über 32.000 Befragte) und die »VA Jugend« (die Daten eines ebenfalls über Zufallsstichprobenziehung realisierten Samples von über 33.000 Befragten enthielt, weil sie zusätzlich die Altersgruppe der 12bis 13-Jährigen mit einbezog; diese VA berücksichtigte allerdings nur jugendrelevante Themen und Medien). In einer Kombination aus mündlicher und schriftlicher Befragung nach ebenfalls ›rollierendem‹ Feldmodell wurden neben soziodemografischen Daten auch Angaben zum Medienverhalten (für 160 Zeitschriften und etwa 60 Rabatt-Kombinationen sowie etwa 50 Tageszeitungen bzw. Belegungseinheiten), zum Konsum und zu Kaufabsichten (für über 650 Produktbereiche mit etwa 1.800 Marken), aber auch zu ›qualitativen Merkmalen‹ (wie Freizeit- und Informationsinteressen oder persönlichen Einstellungen) erhoben. <?page no="327"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 328 Ursprünglich bildete die VA nur die Gattungen Printmedien und Kino ab, dazu kamen Fernsehen, Hörfunk und Plakat, seit 2009 auch Onlinewerbeträger. Die Ausweisung der Reichweitendaten der VA wurde außerdem an die Kennwerte (›Währung‹) der Media-Analyse angepasst (vgl. Burda News Group 2011a; Axel Springer Mediapilot 2012; VA 2012a, b; Frey-Vor/ Siegert/ Stiehler 2008, S. 38ff). Die VA wurde v. a. für die Marketing- und Werbeplanung genutzt, da sie sowohl Mediennutzungsals auch Konsumdaten erhob. Ebenso wie die MA und die AWA ermöglichte diese Untersuchung die Analyse von Zielgruppen (z. B. anhand der Sinus- oder SIGMA-Milieus) und die Erarbeitung von Werbe-Streuplänen. Die VA versuchte aber, statt einer tiefer gehenden Analyse nur weniger Produkte möglichst viele Produkte im Überblick zu berücksichtigen, sodass eine vergleichende Analyse für sehr viele Zielgruppen- und Produktkombinationen möglich war (vgl. Burda News Group 2011). Seit 2012/ 13 geht die VA gemeinsam mit der »Typologie der Wünsche« in der neuen Markt-Media- Studie »best for planning« (b4p) auf (vgl. Abschnitt Lebenswelt-/ Lifestyle-Typologien). Grundgesamtheit, Stichprobe und Feldmodelle entsprechen der MA-Pressemedien (vgl. b4p.de). Spezielle Zielgruppenanalysen Es gibt des Weiteren Studien, die spezielle Zielgruppen abfragen. Dies ist etwa erforderlich, wenn deren Fallzahl bei herkömmlichen Untersuchungen zu klein ausfällt oder eine spezielle Auswahl von Publikationen abgefragt wird. Beispiele hierfür sind die Brigitte KommunikationsAnalyse, die speziell Frauen in den Blick nimmt, die KidsVerbraucherAnalyse (KidsVA) sowie die JIM-Studie (JIM ist das Akronym für Jugend, Information, [Multi-]Media), die Leseranalyse Entscheidungsträger (LAE) oder die Leseranalyse Medizinischer Fachzeitschriften (LA-MED). Eine Übersicht mit Kurzsteckbriefen der Studien liefert das Fachmagazin W&V Online (2012). Lebenswelt-/ Lifestyle-Typologien Da soziodemografische Variablen (wie Alter, Geschlecht, formale Bildung, Einkommen etc.) für sich alleine wenig Erklärungskraft besitzen und traditionelle soziale Strukturen zusehends auseinander brechen, werden soziodemografische Leserstrukturen zunehmend durch Life-Style- oder Lebenswelt-Typologien ersetzt und ergänzt. Solche Typologien gruppieren Verbraucher z. B. nach psychologischen Merkmalen (wie Einstellungen, Werthaltungen, Motive), da Personen mit ähnlichen Präferenzen mit großer Wahrscheinlichkeit auch ähnliche Konsumentscheidungen treffen (Haas/ Brosius 2006; Burda News Group o. J. a). Muster der Mediennutzung werden z. B. in der MedienNutzerTypologie (MNT) unterschieden, eine Klassifizierung aus dem Jahr 1998, die 2006 aktualisiert wurde. Die justierte MedienNutzerTypologie 2.0 (MNT 2.0) differenziert »Junge Wilde«, »Zielstrebige Trendsetter«, »Unauffällige«, »Berufsorientierte«, »Aktiv Familienorientierte« (in der MNT 2.0 neu hinzugekommen), »Moderne Kulturorientierte«, »Häusliche«, »Vielseitig Interessierte«, »Kulturorientierte Traditionelle« und »Zurückgezogene« (Oehmichen 2007; vgl. zur MNT 98 auch Hartmann/ Neuwöhner 1999). Typologien wie diese stellen eine weitere detailliertere Beschreibung von (potenziellen) Zielgruppen dar, mit deren Hilfe Mediaplanung optimiert sowie Marketingmaßnahmen gut entwickelt werden können (vgl. Buß/ Neuwöhner 1999; Oehmichen 1999, 2007). Eine der wichtigsten Werbeträgeranalysen zur Beschreibung »psychographische[r] Marktsegmente« (Burda News Group 2009b) war bisher die jährlich erscheinende Typologie der Wünsche Intermedia (TdW), die zuletzt vom Institut für Medien- und Konsumentenforschung (IMUK) erstellt wurde, einem Ableger der Burda Media AG. Jährlich wurden hierfür rund 10.000 (gemäß <?page no="328"?> 4.4 Rezipientenforschung 329 Adress-Random-Verfahren zufällig ausgewählte) Personen in einem mündlichen Interview nach Konsumgewohnheiten und Mediennutzung sowie nach verschiedensten Einstellungen zu Privatleben, Beruf etc. befragt. Das Institut wurde jedoch Anfang 2012 abgewickelt, weil die Medienhäuser Burda, Springer, Gruner+Jahr sowie Bauer ihre Marktforschungsaktivitäten nun zu einer gemeinsamen Markt-Media-Studie bündeln: »best for planning« wird die Typologie der Wünsche sowie die VerbraucherAnalyse ersetzen. Erste Ergebnisse lagen im Herbst 2013 vor (vgl. Burda News Group 2009b; Pimpl 2012). Kennwerte der Reichweiten- und Leserschaftsforschung In der Reichweiten- und Leserschaftsforschung gibt es Kennwerte, anhand derer es möglich ist, Mediaplanung vorzunehmen und Zielgruppen zu bestimmen. Die wichtigsten sind (vgl. agma 2012e, g; Burda News Group o. J. b, c, d; Pürer/ Raabe 2007, S. 311f; Hess 1996, S.-121ff): • Die Leser: alle Personen, die eine Ausgabe einer Zeitung oder Zeitschrift ›gelesen oder durchgeblättert‹ haben (so die agma). Aus dieser Formulierung (»… oder geblättert«) geht hervor, dass es bei Nutzungsstudien oftmals gar nicht so sehr um das wirkliche Lesen, sondern nur um Kontakte geht, insbesondere um mögliche Kontakte des Lesers mit Anzeigen. Es handelt sich also eher um ein »weiches« Leser-Kriterium (auch wenn dies die Auftraggeber der Studien nicht gerne hören). • Struktur der Leserschaft: Sie gibt Aufschluss über bestimmte, meist soziodemografische Merkmale der Leserschaft wie Alter, Bildung, Geschlecht, Einkommen, Nutzung anderer Medien etc. Aus der Struktur der Leserschaft kann man ersehen, wie die Nutzerschaft eines Printmediums charakterisiert ist und welche Kaufkraft sie hat. • Reichweite: Sie bringt zum Ausdruck, wie viele Personen mit einer Publikation erreicht werden. Die national verbreitete Bild-Zeitung z. B., mit ihren 28 Regionalausgaben die auflagenstärkste Straßenverkaufszeitung Deutschlands (erreicht gemäß IVW 4/ 2012 wochentags eine Verkaufsauflage von rund 2,6 Mio., davon 26.781 E-Paper), hatte der Media-Analyse 2012 (Presse II) zufolge eine bundesweite Reichweite von 12,31 Mio. Lesern, das entspricht 17,5 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung über 14 Jahre. Bei nicht national verbreiteten Blättern etwa - und dies sind in Deutschland die weit überwiegende Mehrzahl der meist regional oder lokal verbreiteten Tageszeitungen - ist es nur sinnvoll, die Reichweite für das jeweilige (Haupt-)Verbreitungsgebiet einer Tageszeitung (samt allen ihren Ausgaben) anzugeben. Folgende vier Reichweitenmaße sind für Werbetreibende von Belang: Die Einzelreichweite gibt die Reichweite einer Werbeschaltung in einem Werbeträger an (z. B. durch den Leser pro Ausgabe). Wird einmal zeitgleich in mehreren Medien inseriert, so wird die Nettoreichweite berechnet. Diese entspricht der Anzahl der Personen, die mindestens einmal Kontakt mit der Anzeige hatten. Jede Person zählt dabei nur einmal, unabhängig von der tatsächlichen Kontakthäufigkeit - daher ist die Nettoreichweite immer kleiner als die aufaddierten Einzelreichweiten. Berechnet man hingegen die Reichweite einer Mehrfachbelegung (also der Werbeschaltung in mehreren Ausgaben eines Werbeträgers hintereinander), so spricht man von kumulierter Reichweite. Kombinierte Reichweiten werden dementsprechend von mehreren Schaltungen in mehreren Werbeträgern erreicht. • Mit Lesehäufigkeit wird (unabhängig von Lesedauer und -Intensität) angegeben, wie viele Ausgaben einer Zeitung oder Zeitschrift innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls von einem Leser genutzt wurden. • Der Kenntwert Leser pro Nummer (LpN) bildet die Gesamtzahl der ermittelten Leser eines Printprodukts in einem Erscheinungsintervall ab und wird mittels Befragung erhoben. Dabei wird nicht nach der Nutzung einer bestimmten Ausgabe gefragt, sondern nach der Nutzung irgendei- <?page no="329"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 330 ner Ausgabe im Erscheinungsintervall (bei Tageszeitungen ein Tag, bei wöchentlich erscheinenden Periodika sieben Tage, bei Monatszeitschriften vier Wochen). Der Grund für dieses Verfahren liegt darin, dass es zu aufwändig wäre, eine bestimme Ausgabe nachzuverfolgen, da eine Ausgabe i. d. R. länger als nur innerhalb eines Erscheinungsintervalls gelesen wird. So werden v. a. Wochenzeitungen, Illustrierte und Zeitschriften auch über Lesezirkel vertrieben und liegen daher oftmals weit länger als nur ein Erscheinungsintervall auf. • Der Kennwert Leser pro Ausgabe (LpA) gibt Auskunft über die durchschnittliche Größe der Leserschaft (also über die Reichweite) und wird aus der Lesehäufigkeit und den LpN-Angaben berechnet. Die unterschiedliche Lesehäufigkeit der Leser wird zur Berechnung unterschiedlich gewichtet: Je mehr Ausgaben einer Publikation ein Leser in den letzten zwölf Erscheinungsintervallen genutzt hat, umso höher ist seine individuelle Wahrscheinlichkeit, als Leser pro Ausgabe gezählt zu werden. Unabhängig vom Zeitpunkt der Befragung wird ein Leser, der alle zwölf Ausgaben einer Monatszeitschrift gelesen hat, in jedem Fall als Leser identifiziert. Jemand, der nur eine Ausgabe gelesen hat, hat demnach eine Chance von 1 : 12 als Leser erfasst zu werden und geht mit geringerem Gewicht in den Durchschnittswert ein. • Mit Leser pro Exemplar wird das Verhältnis von Reichweite zu Auflage beschrieben: Die Anzahl der Personen, die durchschnittlich ein Exemplar eines Titels lesen (also Käufer und alle Mitleser). • Der weiteste Leserkreis sind alle Personen, die mindestens eine Ausgabe innerhalb der letzten zwölf Erscheinungsintervalle gelesen oder durchgeblättert haben. Die Zahl zwölf kommt hier ins Spiel, weil es auch monatlich erscheinende Periodika gibt, deren Nutzung übers Jahr gesehen erfasst wird. Sie kann entsprechend auf Medien mit anderem Erscheinungsrhythmus übertragen werden: Für Tageszeitungen z. B. umfasst das Intervall 14 Tage. • Der Kernleser ist ein regelmäßiger Leser, für den eine Nutzungswahrscheinlichkeit von 0,83 bis 1,0 berechnet wurde. Geringere Wahrscheinlichkeiten weisen häufige Leser (0,59 bis 0,82), Gelegenheitsleser (0,42-0,58), seltene Leser (0,25-0,41) und ganz seltene Leser (0,01-0,24) auf. • Der Kennwert Leser pro werbungführende Seite bringt die Wahrscheinlichkeit des (mindestens kurzen Blick-)Kontaktes eines Lesers mit einer werbungführenden Seite einer Ausgabe zum Ausdruck. Als werbeführend gilt eine Seite, wenn mindestens 25 Prozent ihrer Fläche mit Anzeigen belegt ist, Rubrikanzeigen werden dabei allerdings nicht berücksichtigt. • Der Tausend-Kontakt-Preis TKP gibt an, wie viel es kostet, 1000 Kontakte in einer Zielgruppe zu erreichen. Der Kennwert erlaubt einen einfachen und schnellen Vergleich konkurrierender Titel bzw. den Vergleich über verschiedene Mediengattungen hinweg. Daher ist er für Werbeplaner wichtig, um finanzielle Werbemittel möglichst günstig einzusetzen. Methodische Probleme Bei allen Studien, in denen die Befragung als Methode angewandt wird, ergeben sich ähnliche Probleme: Befragte sollen ihr eigenes Medienverhalten rekonstruieren und dem Interviewer vermitteln. Oftmals sind sie dazu aber nicht oder nur in eingeschränktem Ausmaß in der Lage (z. B. überfordert die Frage nach der Häufigkeit des Lesens in den letzten zwölf Monaten nicht selten ihr Gedächtnis), oder sie wollen ihr tatsächliches Medienverhalten nicht offenbaren. So kann z. B. die Frage nach der Lektüre einer weniger renommierten Publikation beim Befragten ein Antwortverhalten auslösen, das von »sozialer Erwünschtheit« geprägt ist: Es wird dann eine Antwort gegeben, von der angenommen wird, dass sie bei anderen Menschen - und damit auch beim Interviewer - auf Akzeptanz stößt (vgl. Schnell/ Hill/ Esser 2008, S.-355f; vgl. Kap. 6.3.1.1). <?page no="330"?> 4.4 Rezipientenforschung 331 Zudem kann mit herkömmlichen Befragungen zur Zeitungs- und Zeitschriftennutzung eine sehr wichtige Art der Information nicht erhoben werden, nämlich: welche und wie viele Seiten einer bestimmten Publikation tatsächlich gelesen bzw. welche Anzeigen beachtet werden. Das gilt ebenso für die IVW-Kennwerte, die den bloßen Kauf einer Publikation bemessen, obwohl die Kontaktqualität bei einem Printmedium vom Durchblättern und flüchtigen Überfliegen bis hin zum mehrfachen, gründlichen Lesen reichen kann. Um Angaben über die Kontaktqualität zu erhalten, muss daher Zusatzforschung betrieben werden. Das geschieht meist über die Erhebung weiterer Daten wie etwa der Aufgeschlossenheit gegenüber Werbung (die etwas über die Bereitschaft zur Beachtung von Werbung anzeigt), über das Produktinteresse sowie über die Bindung an eine Publikation. Diese wiederum kann ermittelt werden, indem der Leser z. B. gefragt wird, ob er sich bemüht, jede Ausgabe zu bekommen oder auch ob er die Publikation vermissen würde, wenn er sie längere Zeit nicht erhalten könnte (vgl. Koschnick 2003, S.-1521f; R. Schulz 1997). Auch kommen Copytests für einzelne Ausgaben in Frage: Beim Copytest gehen Interviewer eine Ausgabe der getesteten Publikation mit dem Befragten Seite für Seite durch; die Befragten sollen jeweils angeben, welche Inhalte sie auf Grund der Lektüre wiedererkennen. Dabei hängen die Ergebnisse klar von der Gedächtnisleistung der Teilnehmer ab (vgl. Hess 1996, S.-68ff; Frey-Vor/ Siegert/ Stiehler 2008, S. 135f; Burda News Group 2009d). Aus diesem Grund wird die agma den Copytest künftig durch das »MediaScan«-Verfahren ersetzen, für das 1.200 Personen zwei Wochen lang einen Barcode-Scanner bzw. ein Smartphone bekommen und während der Rezeption zur Erhebung einsetzen (vgl. Schwegler 2012). Ein ähnliches Verfahren zur Ermittlung der Kontaktqualität ist der 2004 vom Schweizer Medienberater Carlo Imboden entwickelte Readerscan (auch »ReaderScan«). Mit einem elektronischen Stift markieren (scannen) rund 120 ausgewählte Leser während der Lektüre, was sie gerade lesen bzw. wo sie ausgestiegen sind. Die Daten werden anschließend an ein Rechenzentrum übermittelt und dort ausgewertet. Die Redaktion erhält die Auswertung am Tag nach der Veröffentlichung in Form einer Lesequote (ähnlich wie bei der elektronischen Quotenermittlung beim Fernsehen) und erfährt, »welche Artikel in welcher Reihenfolge und bis zu welcher Zeile gelesen wurden« (Burda News Group 2009c). Readerscan-Untersuchungen ergaben, dass dem Lokalen und dem Sport wohl weniger Beachtung eingeräumt wird als bisher angenommen (vgl. Pürer/ Raabe 2007, S. 313f ). Allerdings ist das Verfahren nicht ohne Kritik geblieben. Ein wesentlicher Punkt ist, dass die Messung nicht - wie etwa bei der Quotenermittlung für das Fernsehen - passiv im Hintergrund abläuft, sondern aktive Teilnahmebereitschaft voraussetzt, an der die Leser nach einer Zeit die Lust verlieren (vgl. Burda News Group 2009c). Anstelle einer Messung über Selbstauskünfte lässt sich das Mediennutzungsverhalten auch über Beobachtungen erfassen. Bei Blickregistrierungsgeräten z. B. übernimmt ein Apparat die Aufzeichnung des rezeptiven Sehverhaltens. Eyetracking-Apparate zeichnen den Blickverlauf einer Versuchsperson beim Lesen bzw. Betrachten einer Publikation auf und können so Aufschluss darüber geben, bei welchen Beiträgen und Anzeigen der Leser wie lange verweilt und folglich darüber aufklären, welche Aufmachung »ins Auge sticht« und welche nicht. Die Erhebungssituation von Eye- Tracking-Studien ist (ähnlich wie beim Readerscan) ziemlich, aber doch nicht vollständig natürlich (vgl. Burda News Group 2009d; Duchowski 2007; Geise 2011). 4.4.1.2 Hörerschaftsforschung Die Hörerschaftsforschung dient ebenso wie die Leserschaftsforschung einerseits der werblichen Vermarktung von Produkten, Konsumgütern und Dienstleistungen im Radio, andererseits aber auch der Programmoptimierung. Auch hier haben sich einige Standardstudien etabliert, die in regelmäßigen Zeitabständen für eine ganze Gruppe von Sendern die Hörfunknutzung erheben. Im Fol- <?page no="331"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 332 genden werden nicht nur solche Standardstudien kurz vorgestellt, sondern auch Arten der sog. »Adhoc-Forschung«, die die einzelnen Rundfunkunternehmen selbst zur Evaluation ihres Programms betreiben (van Eimeren 1995). Die Media-Analyse (MA Radio) Die Media-Analyse erhebt, wie schon kurz erwähnt, jährlich auch die bundesweite Hörfunknutzung aller Radioprogramme im Tagesablauf des Vortages (viertelstundengenau). Das sind derzeit über 400 via Antenne, Satellit, Kabel, Internet oder Handy empfangbare Sender (vgl. Gattringer/ Klingler 2011). In der Funkmedientranche der MA wird eine repräsentative Stichprobe von rund 65.000 Personen der deutschsprachigen Bevölkerung ab zehn Jahren befragt; seit der MA Radio 2000 erfolgt dies nicht mehr in Face-to-face-Interviews, sondern mittels computergestützter Telefoninterviews (Computer Assisted Telefone Interviews - CATI) (vgl. Klingler/ Müller 2000; Müller 1999; agma 2012f ). Dieses Verfahren, bei dem nicht erreichte Teilnehmer der Stichprobe automatisch immer wieder angewählt werden, schöpft schwer erreichbare Zielgruppen (v. a. jüngere mobile Personen und Berufstätige) besser aus, verringert auch Interviewereinflüsse, wie sie bei Face-to-face-Interviews auftreten können, und erlaubt zudem eine bessere Kontrolle der Interviewer (vgl. Müller 1999; vgl. Kap. 6.3.1.4). Eine weitere wesentliche methodische Neuerung ist die Anpassung des Bezugszeitraums für die Nutzungswahrscheinlichkeiten. Bislang ging der ausgewiesene Zeitraum von »Montag bis Samstag«, mit der MA Radio 2011 (I) wurde er auf »Montag bis Freitag« verkürzt, daher lassen sich Samstag und Sonntag nun auch separat auswerten. Grund für die Neuerung war die Einsicht, dass sich die Radionutzung an Werktagen von der an Wochenendtagen unterscheidet. Damit ist die ›Durchschnittsstunde 6.00 bis 18.00 Uhr‹ auf Basis der Werktage die neue »agma-Standardwährung und vergleichender Leistungswert« (Gattringer/ Klingler 2011, S. 443). Die MA Radio stellt, wie auch die anderen Media-Analysen für die jeweiligen Mediengattungen, die Leitwährung für Programmplaner und -verantwortliche dar (Gattringer/ Klingler 2011, S. 442). Weitere grundsätzliche Details zur Methodik der Media-Analyse wurden bereits erörtert und gelten ebenso für die MA Radio. Hörfunk-Trends Zusätzlich zur Media-Analyse werden v. a. Untersuchungen zur regionalen und lokalen Radionutzung durchgeführt. Sie ermöglichen eine genaue Analyse auch reichweitenschwacher Sender. Als Beispiel kann die »Funkanalyse Bayern« genannt werden, die im Auftrag der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und unter finanzieller Beteiligung bayerischer Rundfunkanbieter durchgeführt wird. Die Funkanalyse liefert Reichweitendaten und Informationen zur qualitativen Beurteilung der bayerischen Rundfunkprogramme sowie Daten zur Online(Radio-)Nutzung. Radiohören wird auch hier viertelstundenweise für den Tagesablauf des gestrigen Tages erhoben. Im Jahr 2012 bestand die für Bayern repräsentative Stichprobe aus insgesamt 22.300 Personen ab zehn Jahren. 1999 wurde die Datenerhebungsmethode bei dieser Studie ebenfalls von der Face-to-face-Befragung auf computergestützte Telefoninterviews (CATI) umgestellt (vgl. BLM 2001, 2012). <?page no="332"?> 4.4 Rezipientenforschung 333 Qualitative Untersuchungen: Nutzungs-, Inhalte- und Formatanalysen In sog. »qualitativen« Untersuchungen werden die in »quantitativen« Studien erhobenen Nutzungsdaten mit Informationen zu Nutzungsmotiven und Interessen der Zielgruppen ergänzt. Der Terminus »qualitativ« bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass interpretative oder verstehende Forschung betrieben wird, sondern bezeichnet lediglich den Umstand, dass die Art und Weise der Rezeption, ihre »Qualität« sowie ihre Begleitumstände erforscht werden. Uli Gleich hat für den ARD-Forschungsdienst (2011) verschiedene Studien aus der Rezeptionsforschung gesichtet und ein aktuelles Kompendium zur »Bedeutung des Radios im Alltag« erstellt. Demnach hat das Radio beim Publikum nach wie vor einen hohen Stellenwert, die wenigsten wollen auf diesen täglichen Begleiter verzichten. Das »Onlineradio entwickelt sich dazu offensichtlich parallel und ergänzend« (Gleich 2011, S. 617), wird durch die neuen Übertragungswege zunehmend auch mittags und abends gehört. Je nach Situation erfüllt das Medium unterschiedlichste Funktionen - ist z. B. Informationslieferant, Unterhalter oder Mittel zur Stimmungskontrolle (ebd.). Von vielen Sendern werden in Eigenregie auch inhaltliche Evaluationen einzelner Programme oder Sendungen aus Sicht der Hörer durchgeführt. Damit sollen Stärken und Schwächen ermittelt, Programmoptimierungen konzipiert und in die (Radio-)Praxis umgesetzt werden. Gängige Methoden sind Gruppendiskussionen, halbstandardisierte Befragungen und Studiotests, bei denen Testhörer mit konkreten Sendungen konfrontiert werden und über diese Sendungen diskutieren oder ihre Meinung und Verbesserungsvorschläge dazu äußern können (vgl. van Eimeren 1995). Schließlich werden von vielen Radiosendern Analysen der eigenen und der Konkurrenzprogramme vorgenommen, die z. B. die Moderationsstile, den Wort-Musik-Anteil oder die Farbe der Musik sowie den Musikgeschmack des Publikums erheben. Dies dient v. a. der genaueren Profilierung und Darstellung des eigenen Programms, ebenso aber auch der Kontrolle von Maßnahmen zur Anpassung des Programms an seine Zielgruppen (vgl. van Eimeren 1995; Frey-Vor/ Siegert/ Stiehler 2008, S. 332ff; Schramm 2008, S. 136ff; Kleinsteuber 2012, S. 214-216). Kennwerte der Hörerschaftsforschung Auch in der Hörerschaftsforschung gibt es Kennwerte, deren Kenntnis v. a. für Mediaplaner wichtig ist (vgl. agma 2012h; Gattringer/ Klingler 2012): • Die Hördauer pro Tag ist die in Minuten und/ oder Sekunden gemessene (gesamte) Zeit, die die deutschsprachige Wohnbevölkerung ab zehn Jahren im Durchschnitt pro Tag mit Radiohören verbringt. • Die Verweildauer gibt an, »wie lange ein Hörer im Durchschnitt einen Sender hört» (Gattringer/ Klingler 2012). • Der weiteste Hörerkreis eines Programms umfasst alle Personen, die dieses Programm innerhalb der letzten 14 Tage gehört haben. • Mit Hörer gestern (oder: Hörer pro Tag) sind alle Personen gemeint, die an einem durchschnittlichen Tag (d. h. »gestern«, also am Vortag der Befragung) während mindestens eines vorgegebenen Zeitsegments ein bestimmtes Programm gehört haben, und zwar unabhängig davon wie lange. Wird z. B. das Radiohören im Tagesablauf in Viertelstundenreichweiten erhoben, so fallen alle Befragten in die »Hörer gestern«-Gruppe, die mindestens eine Viertelstunde Radio gehört haben. Damit wird die Tages- oder Nettoreichweite des Hörfunks erfasst. • Der Tausend-Kontakt-Preis spielt auch bei der Mediaplanung Hörfunk eine wichtige Rolle (vgl. Kennwerte der Leserschaftsforschung). <?page no="333"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 334 Methodische Probleme Praktisch alle Verfahren der Radionutzungsforschung basierten bis Anfang der 2000er-Jahre auf einem Selbstbericht der befragten Hörer anhand von Tagebüchern, in denen die Radionutzung protokolliert wurde. Da Radiohören oftmals eine Nebenbei-Tätigkeit ist, der die Radiohörer keine besondere Beachtung zukommen lassen (vgl. z. B. Koch 2010), wurde nicht zu Unrecht immer wieder die Frage der Validität, also der Gültigkeit der Ergebnisse der Befragungen, aufgeworfen (vgl. Kap. 6.2.1). Ähnlich wie bei der Messung der Fernsehnutzung sind also auch hier passive Messverfahren ideal, die das Hörverhalten ohne Zutun der Hörer objektiv messen. Das erledigen nun sog. »Radiometersysteme«. Solche Geräte messen nicht am Empfangsgerät, dem Radio, sondern am ›Empfänger‹ selbst: Sie sind, wie z.-B. die sog. »Mediawatch«, einer Armbanduhr vergleichbar, also relativ klein und portabel. Während der »Portable People Meter« aus den USA eine in den Radiowellen enthaltene Senderkennung decodieren und speichern kann, zeichnet die »Mediawatch« (GfK) Geräusche über ein Mikrofon auf. Bei der GfK werden währenddessen alle Rundfunkprogramme aufgezeichnet, um einen Abgleich zu ermöglichen. Vorteil solcher Verfahren gegenüber Befragungen ist die valide, exakte und unaufdringliche Messung des Hörverhaltens. Dabei kann auch die Radionutzung außer Haus, etwa im Auto oder im Kaufhaus, erfasst werden. Lediglich die Erfassung der Radionutzung mittels Kopfhörer ist dabei nicht möglich (vgl. Koschnick 2004; Hackenbruch 2012). 4.4.1.3 Zuschauerforschung Auch die Zuschauerforschung hat in den Anfängen die Fernsehnutzung mittels Umfrage oder auch Tagebuchverfahren ergründet. Beim Tagebuchverfahren mussten die Befragten ihre Fernsehnutzung anhand eines vorgegeben Schemas (mit Zeitleisten und aufgelisteten TV-Sendern) einem Tagebuch vergleichbar eintragen. Sehr bald jedoch wurden elektronische (»telemetrische«) Messverfahren entwickelt, die ständigen Verbesserungen unterzogen wurden und werden, daher inzwischen gut ausgereift sind und die TV-Nutzung elektronisch recht präzise erfassen (vgl. AGF 2012a; Buß 1998; Buß/ Darschin 2004; Buß/ Gumbl 2008, S. 159; Darkow 1995; Engel 2008, S. 84; Frey-Vor/ Siegert/ Stiehler 2008, S. 91f; Wiedemann 1985). Die GfK-Fernsehforschung In Deutschland stellt die GfK-Fernsehforschung das Standardinstrument für kontinuierliche Fernsehforschung dar. Die Abkürzung GfK steht für Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung, die das Messgerät entwickeln ließ und die seit vielen Jahren im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) die Untersuchung durchführt. Die AGF ist ein Zusammenschluss von öffentlich-rechtlichen (ARD, ZDF) und privaten Senderfamilien (Mediengruppe RTL, ProSieben- Sat1 Media AG) in Deutschland. Die Daten der Fernsehnutzung können von den der AGF angehörenden TV-Sendern sowie von Lizenznehmern verwendet werden. Das GfK-Panel besteht gegenwärtig aus 5.000 Haushalten (oder etwa 10.500 Personen im Alter ab drei Jahren). Diese Haushalte wurden in einer Voruntersuchung nach einem kombinierten Quoten-/ Random-Verfahren ausgewählt: Interviewer müssen sich zunächst um Haushalte bemühen, die bestimmten Quotenvorgaben entsprechen. Finden die Interviewer an ihren Wohnorten keine entsprechenden Haushalte, wählen sie weitere zufällig nach »fester Begehungsvorschrift« (AGF 2012c) aus. Die Quotenpläne enthalten Vorgaben für Geschlecht, Haushaltsgröße und Altersklassen, Emp- <?page no="334"?> 4.4 Rezipientenforschung 335 fangsebenen (Kabel, Satellit, Terrestrik, IPTV), Bundesland bzw. Regierungsbezirke etc., sodass die Panelhaushalte ein verkleinertes Abbild der Grundgesamtheit der 36 Mio. Fernsehhaushalte in Deutschland ergeben und in diesem Sinne als repräsentativ anzusehen sind (vgl. Buß/ Gumbl 2008, S.-152f; AGF 2012b). Um deren Fernsehnutzung zu erfassen, nutzt die AGF verschiedene Messverfahren, wobei das Messgerät »TC score« derzeit am häufigsten (in über 95 Prozent der Panelhaushalte) eingesetzt wird und die beste Präzision liefert. »TC score« wird direkt an das Fernsehgerät angeschlossen und erhebt Informationen über die verfügbaren TV-Kanäle, die Empfangsebene, über Bildformateinstellungen oder Programmplatzbelegungen, registriert aber auch alle Vorgänge der Nutzer am Gerät selbst sekundengenau: Ein-, Aus- und Umschalten, die Verweildauer bei einem Kanal, Videorekorder- und Videotextnutzung. Selbst zeitversetzte Nutzung über digitale Aufzeichnungsgeräte kann mithilfe des Geräts »präzise auf den Austrahlungszeitpunkt« referenziert werden (AGF 2012d). Der »TC score« verfügt über integrierte Schnittstellen, sodass auch der Einsatz weiterer Messmodule möglich wird, falls nicht über ein herkömmliches Gerät ferngesehen wird, sondern z. B. über eine TV-Karte am PC, über IPTV oder das Handy. Für jedes der bis zu 16 Haushaltsmitglieder (Vater, Mutter, Kind 1, Kind 2 etc.) gibt es eine Taste auf der zugehörigen Fernbedienung, mit der es seine Anwesenheit vor dem Fernseher durch Tastendruck »anmelden« und »abmelden« kann; für bis zu 16 Gäste, über die die Fernsehnutzung außer Haus rekonstruiert wird, existieren spezielle Gästetasten. Unterstützen Haushalte den »TC score« aus technischen oder persönlichen Gründen nicht (AGF 2012e; Mantel 2012), so kommt meist, z. B. bei der Nutzung von IPTV, das Verfahren des »Audiomatching« zum Zuge, »bei dem Tonsignale am Fernseher als Audiomuster abgegriffen und mit Audiomustern von rund um die Uhr an einem Server aufgezeichneten Sendern« verglichen werden (AGF 2012d). Dank »leistungsfähiger Rechnersysteme und Verfahren zur pattern recognition« funktioniert die Erkennung mit dem »TC UMX« Messgerät recht zuverlässig (ebd.). Die Fernsehnutzungsdaten werden aus den Haushalten jeweils in der Nacht (zwischen 3.00 und 5.00 Uhr) per Telefonleitung automatisch in die GfK-Zentrale übermittelt. Klappt die Übermittlung in der ersten Nacht nicht (was nur in etwa zwei bis vier Prozent der Haushalte der Fall ist), so wird der Abruf in den folgenden Nächten erneut versucht. Die bei der ersten Übermittlung empfangenen Daten sind dennoch als vorläufig gewichtete Daten bereits am folgenden Morgen ab 8: 30 Uhr für die Mitglieder der AGF und für die Lizenznehmer verfügbar (vgl. AS&S 2012; Buß/ Gumbl 2008, S. 161). Die AGF muss (ebenso wie andere Organisationen der Mediaforschung) der Medienkonvergenz Rechnung tragen; Fernsehen wird inzwischen nicht mehr nur linear über ein TV-Gerät, sondern auch zeitversetzt (z. B. über Mediatheken im Internet) und in neuen Abrufmodi (mobil via Smartphone, online über Live-Streams) genutzt. Die AGF treibt daher die Einführung einer sog. »Konvergenzwährung« voran, einer einheitlichen Währung für die verschiedenen Ausstrahlungs- und Abrufwege. Zur Messung wurde ein neues Panel aufgebaut, dessen Daten dann per Datenfusion mit dem GfK-Panel zusammengeführt werden können, um die Nutzung in allen Ausspielkanälen zugleich abzubilden (vgl. Engel/ Müller 2008; Krei 2012; Paperlein 2011; Voß 2012; Pohlmann 2013). Die Validität der Messung durch das GfK-System ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen und unterliegt demnach auch einer ständigen Begleitforschung (vgl. Buß/ Gumbl 2008, S.-152ff, 170ff; Engel/ Müller 2008; Engel 2008). Die Strukturdaten des Panels werden jährlich überprüft, um den Ist-Zustand hinsichtlich der Quotenvorgaben mit dem Soll-Zustand (basierend auf der Media- Analyse und damit auf dem Mikrozensus) zu vergleichen. Anhand dieses Abgleichs erhält die GfK auch Informationen darüber, wie die erhobenen Paneldaten für die Auswertung zu gewichten sind. Da sich die Panelhaushalte durch Zuzug und Auszug, Geburten und Todesfälle, Kauf neuer Empfangsgeräte etc. ständig verändern, muss die GfK aber auch kontinuierlich nachsteuern und jährlich etwa 20 Prozent (also 1.000) Haushalte verabschieden bzw. neu anwerben (vgl. Buß/ Gumbl 2008, <?page no="335"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 336 S.-154ff). Zudem werden die telemetrisch erhobenen Daten auch stets mit extern ermittelten Daten abgeglichen: In »Coincidental Checks« wird bei einer Stichprobe der dem Panel angehörenden Haushalte per Telefon nachgefragt, ob zum Zeitpunkt des Anrufs gerade ferngesehen wurde, welches Programm lief, und von welchen Personen es gesehen wurde etc. Den Befragten wird gesagt, man habe gelegentlich Probleme mit der Datenübertragung und überprüfe daher die Messvorgänge; tatsächlich wird aber kontrolliert, ob die Teilnehmer sich am Messgerät auch angemeldet haben, falls sie fern sehen (oder umgekehrt nicht angemeldet sind, sollten sie angegeben haben, das nicht zu tun) (vgl. Klemm 2010, S. 581). Die Interviewauskünfte werden sodann mit den Meter-Daten verglichen. Die Übereinstimmung beider Daten (»Koinzidenz«) betrug bei der letzten Untersuchung 90,7 Prozent (vgl. Klemm 2012, S.-582f ). In externen Coincidental Checks wird zusätzlich eine vom Fernsehpanel unabhängige Stichprobe gezogen und telefonisch nach ihrer Fernsehnutzung (zu bestimmten Zeitpunkten) befragt. Die Unterschiede zwischen diesen Werten und den GfK-Daten sind ebenfalls nur geringfügig (vgl. Buß/ Gumbl 2008, S.- 171; AGF 2012f ). Nicht zuletzt werden die Daten selbst im Hinblick auf ihre Plausibilität kontrolliert: Wenn etwa in einem dem TV-Panel angehörenden Haushalt sich ein Haushaltsmitglied noch nie (per Fernbedienung) angemeldet hat, löst dies einen Kontrollanruf der GfK aus, ob die Person noch im Haushalt wohnt (vgl. Buß 1998, S.-803f ). Kennwerte der Zuschauerforschung Wie bei der Nutzung von Print- und Hörfunkmedien gibt es auch in der Fernsehzuschauerforschung Kennwerte (vgl. AGF 2012g; Burda News Group o. J. f, g, 2010, 2011b; Meyen 2004, S. 96), deren Kenntnis für Medienforscher, Mediaplaner und Programmschaffende wichtig ist: • Seher (einer Sendung) sind Personen, die diese Sendung mindestens eine Minute ununterbrochen angesehen haben. Bis 1999 wurde hierfür der Begriff »Nettoreichweite« verwendet, 1999 jedoch durch »Seher« ersetzt. • Die Sehdauer gibt an, wie lange ein Teilnehmer des Fernsehpanels innerhalb eines bestimmten Zeitraumes im Schnitt ferngesehen hat. Die Gesamtzahl der vom gesamten Panel gesehenen Minuten wird hierzu durch die Gesamtzahl aller Personen des Panels geteilt. • Die Verweildauer ist dementsprechend die Sehdauer nur jener Personen, die tatsächlich im entsprechenden Zeitraum ferngesehen haben. • Die Sehbeteiligung (auch »durchschnittliche Personenreichweite« genannt) bringt den Anteil jener Personen (absolut in Mio. oder relativ in Prozent) zum Ausdruck, die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes einen bestimmten Sender, eine bestimmte Sendung, einen Werbeblock etc. sehen. Dabei werden die Personen nach der Dauer, die sie im Zeitintervall beim betrachteten Sender verbringen, gewichtet. D. h.: Eine Person, die eine Sendung von Anfang bis Ende gesehen hat, bekommt bei der Sendungsreichweite ein höheres Gewicht als eine, die nur zwei Minuten dabeigeblieben ist. • Die Einschaltquote oder Haushaltsreichweite ist dementsprechend die durchschnittliche Sehbeteiligung der Haushalte (in Prozent). Dieser Kennwert stammt aus der Zeit vor 1975, als die Fernsehnutzung in Deutschland noch mit solchen Telemetern (Tammeter, Teleskomat) gemessen wurde, die die Fernsehnutzung nur auf Haushalts-, nicht aber auf Personenebene erheben konnten. Da die neueren Generationen der GfK-Meter auch die Erfassung der einzelnen Nutzer ermöglichen, ist die Sehbeteiligung der gängige Kennwert geworden. Weisen die Fachpresse oder Sender TV-Quoten aus, so nutzen sie zusätzlich zur Sehbeteiligung häufig auch die Marktanteile als Vergleichsbasis (vgl. z. B. Horizont.net 2012). <?page no="336"?> 4.4 Rezipientenforschung 337 • Der Marktanteil eines Senders gibt an, wie viel Prozent derer, die zu einem bestimmten Zeitpunkt fernsehen, diesen Sender sehen. Dieser Kennwert wird mithilfe der Sehdauer errechnet: Dazu wird der relative Anteil der Sehdauer des Senders an der Gesamtsehdauer aller Sender zu einer bestimmten Zeit berechnet. Beispiel: Im Jahr 2012 betrug die Sehdauer pro Person insgesamt 222 Minuten täglich. Marktführer ZDF hatte daran mit 12,6 Prozent den größten Anteil. Der Marktanteil kann natürlich ebenso für einzelne Sendungen berechnet werden (als Beispiel vgl. Horizont.net 2012). • Als werberelevante Zielgruppe wurde bislang die Zielgruppe der 14bis 49-Jährigen definiert. Obwohl diese Definition seit Jahren in der Kritik steht, ist die werberelevante Zielgruppe neben der Gesamtreichweite für die Mediaplanung eine relevante Messgröße. Der frühere RTL-Chef Helmut Thoma hatte diese (willkürliche) Zielgruppendefiniton einst ins Leben gerufen, um sich für die Werbetreibenden gegen die damals übermächtigen öffentlich-rechtlichen Sender abzugrenzen. Damit »dem demographischen Wandel Rechnung« (Schwegler 2013) getragen werde, erweiterte die Kölner Sendergruppe zum Frühjahr 2013 die Definition um die 50bis 59-Jährigen (vgl. ebd.; Overkott 2012; Schröder 2012; Sendlmeier 2010; Lückerath 2008). Die andere große Sendergruppe ProSiebenSat.1 kommuniziert seither in »Relevanzzielgruppen«, die für die Sender unterschiedlich ausfallen (vgl. SevenOne Media 2013). RTL-Zuschauer sind den GfK-Daten 2012 zufolge im Schnitt 47 Jahre, Sat1-Zuschauer fünf Jahre älter und ProSieben-Zuseher mit 35 Jahren deutlich jünger; das Publikum des Ersten (ARD) wie auch des ZDF kommt auf 60 Jahre. • Der Tausend-Kontakt-Preis spielt auch in der Mediaplanung Fernsehen eine wichtige Rolle (vgl. Kennwerte der Leserschaftsforschung). Methodische Probleme Die Validität, also die Gültigkeit der Messergebnisse der elektronischen Fernseh(nutzungs-)forschung, wird oft in Zweifel gezogen: Die Teilnehmer müssen sich in den GfK-Haushalten, wie dargestellt, mittels Knopfdruck auf der TV-Fernbedienung individuell am System an- und abmelden und damit bekunden, ob sie zusehen oder nicht. Dieses »Push-Button-Verfahren« bedeutet für die Teilnehmer am GfK-Panel einen relativ hohen Aufwand und setzt auch ihre Kooperationsbreitschaft voraus. Es kann daher vorkommen, dass Fernsehteilnehmer des GfK-Panels, wenn sie den Fernsehraum kurzfristig verlassen, sich nicht abmelden, oder dass das eine oder andere Familienmitglied sich gar nicht anmeldet. Solches Verhalten führt verständlicherweise zu Messfehlern, denen die Fernsehforscher z. B. mittels der erwähnten telefonischen Coincidental-Checks beizukommen versuchen (vgl. Klemm 2010). Daher wurden passive Verfahren der Fernsehnutzungsmessung entwickelt, bei denen die Anwesenheit der Teilnehmer vor dem Fernseher ohne deren Zutun - z. B. über Sensoren - registriert wird. Als für die kommerzielle und regelmäßig durchgeführte Mediaforschung gescheitert gelten können Videoverfahren: Personen, die vor dem TV-Gerät sitzen, werden (vom Fernsehgerät aus) mit einer Videokamera gefilmt oder mit einem Fotoapparat in sehr kurzen Zeitabständen fotografiert, sodass nachvollziehbar ist, wer wie lange vor dem Fernsehgerät sitzt, wie aufmerksam zusieht und (bei einer Videoaufzeichnung auch: ) was sie dabei sprechen. Solche Messverfahren bedeuten jedoch einen nicht unerheblichen Eingriff in die Privatbzw. Intimsphäre der Nutzer. Außerdem müssen die Videoaufnahmen erst einmal in eine analysierbare Form gebracht werden, was (v. a. bei einer großen Stichprobe) arbeitsaufwändig und sehr teuer ist. Solche Verfahren haben sich in Deutschland gegenüber dem GfK-Meter wohl schon deshalb nicht durchgesetzt, weil die Daten ja sehr rasch (am nächsten Morgen) verfügbar sein müssen (vgl. Koschnick 2003, S.-2070ff). <?page no="337"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 338 Zum anderen wurde - analog zur Radionutzungsforschung - an der Entwicklung sog. »passiver People-Meter« gearbeitet. Die Messgeräte, die wie Armbanduhren getragen werden, nehmen den rezipierten (Fernseh- oder Radio-)Sender auf. Zugleich werden die Rundfunk-Programme in den GfK-Datenzentren gespeichert und können dann mit den Daten aus den Messgeräten abgeglichen werden. Der Vorteil solcher Geräte liegt im geringeren Aufwand für die Teilnehmer bei gleichzeitig sehr genauer Messung; auch kann die Fernsehnutzung außer Haus erfasst werden (vgl. Hackenbruch 2012; Koschnick 2003, S.-2073f ). Bei einer Umstellung auf neue Erhebungstechniken treten allerdings immer wieder technische Probleme auf; so mussten aufgrund von Messfehlern z. B. die TV-Quoten für November 2012 neu berechnet werden (vgl. Nötting 2012). Aussagen über die Kontaktqualität, darüber also, wie viel Aufmerksamkeit einem gesehenen Programm zuteil wurde, ermöglichen jedoch weder die GfK-Panelnoch die »Mediawatch«-Daten. Diese Aufmerksamkeit kann bekanntlich durch psychische Abwesenheit oder durch Nebentätigkeiten (vgl. z. B. Ericsson 2012) erheblich beeinträchtigt sein. Kontaktqualität muss über Zusatzforschung ermittelt werden. Dies kann beispielsweise durch experimentelle Forschung geschehen (vgl. z. B. eine Studie der United Media AG 2010 zur Wirkung von TVversus Onlinewerbung). 4.4.1.4 Internetnutzer-Forschung Während die ›klassischen‹ Massenmedien in den letzten Jahren deutliche Einbrüche in den Werbeumsätzen hinzunehmen hatten, wächst der Werbemarkt im Internet noch immer kontinuierlich (vgl. Schubert 2008, S. 223; Nielsen 2012; BVDW 2012; ZAW 2012). Da sich aber besonders viele Dienste im World Wide Web über Werbung finanzieren, ist die Konkurrenz groß; die Betreiber sind somit auch darauf angewiesen, die Kontakte der User mit einzelnen Angeboten zu messen sowie die Nutzerschaft in ihren relevanten (Ziel-)Gruppen zu erfassen. Im Wesentlichen kann dies auf zwei Arten geschehen: durch (1.) technische Messungen mittels »Logfile-Analysen« und durch (2.) Messungen, die auf sozialer Interaktion basieren (vgl. Fisch 2004, S. 15; Welker/ Wünsch 2010, S.-490f ). (1.) Technische Messungen lassen sich wiederum in serverseitige und clientseitige Verfahren unterteilen: Zum einen werden Nutzeraktionen clientseitig gemessen, indem auf dem Rechner des Nutzers Cookies abgespeichert werden, oder es werden die automatisch von den Host-Servern aufgezeichneten Zugriffe der Nutzer analysiert (vgl. ebd., S. 490f; Kaczmirek 2008, S. 240; Werner 1999, S.-214ff). Zum anderen kann man (2.) die Nutzer »online« befragen oder konventionelle Telefonbzw. Face-to-face-Befragungen repräsentativer Bevölkerungsstichproben durchführen - bevölkerungsrepräsentative Befragungen schließen User wie Nicht-User mit ein und ermöglichen damit vergleichende Analysen (vgl. Bandilla 1999; Bronold 1999; Welker/ Wenzel 2007, S.-52ff; van Eimeren/ Frees 2012). Unter anderem stehen die nachfolgend genannten Datenquellen und Studien zur Verfügung (für einen ausführlichen Überblick vgl. Kaczmirek & Raabe 2010): Die IVW Für die WWW-Nutzung existiert in Deutschland seit 1997 ein standardisiertes Messmodell, das zunächst von der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) organisiert und weiterentwickelt wurde - seit September 2002 wird die Messung von der INFOnline-GmbH für die IVW durchgeführt. Ähnliche Verfahren gibt es auch in vielen anderen Ländern, z.- B. in Österreich und in der Schweiz. Die IVW setzt verbindliche Definitionen für Kennwerte der Kontaktmessung im WWW fest und übt damit für den Onlinebereich eine Standardisierungs- <?page no="338"?> 4.4 Rezipientenforschung 339 funktion aus. Die Zugriffe auf Onlineangebote werden kontinuierlich bei angeschlossenen Anbietern über die Kennwerte Page Impressions und Page Visits (seit Ende 2009 ergänzt um den Kennwert »Kategorien-Visit«, s. u.) gemessen. Auf diese Weise ist die Kontaktmessung über verschiedene Onlineangebote hinweg vergleichbar. Seit Sommer 2013 weist die IVW die Nutzungsdaten nach stationären und mobilen Websites (MEW) getrennt aus und prüft auch die gemessene Nutzung von Apps. Analog zu den bislang gängigen Kennwerten der Impressions und Visits werden bei Apps und MEW Mobile Impressions und Mobile Visits erfasst (vgl. IVW o. J.). Diese Daten gehen auch in die AGOF mobile facts ein (s. u.) (Schröder 2013a, b). Die WWW-Nutzung wird grundsätzlich über automatisch von den Servern erstellte Protokolle zum Datenabruf gemessen: Jeder Aufruf einer Datei jedes einzelnen Nutzers hinterlässt eine Datenspur in den Logfiles des benutzten Servers. Somit lässt sich die Nutzung jedes einzelnen Webangebots vollständig, sozusagen in einer »Vollerhebung ohne Verzerrungen« (vgl. Werner 1999, S.-214), abbilden (vgl. IVW 2012c). Während das Verhalten der Internetnutzer durch solche Logfile-Analysen recht gut abgebildet werden kann, fehlen jedoch die für Werbetreibende so relevanten Informationen zur soziodemografischen Struktur der Nutzerschaft von Onlinemedien. Die Forschung bedient sich daher häufig auch Methodenkombinationen; ein gutes Beispiel für ein entsprechendes Multi- Methoden-Design bietet die Studie »internet facts« der AGOF (vgl. Welker/ Wünsch 2008, S. 500ff). Die AGOF internet facts Die Studie »internet facts« der Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung e. V. (AGOF) liefert Reichweite- und Strukturdaten für alle relevanten Onlineangebote. Methodisch basiert die »internet facts«-Studie auf einem Drei-Säulen-Modell: Die erste Säule bildet die technische Messung der Nutzung durch die IVW, wie sie zuvor beschrieben wurde; diese wird ergänzt durch eine OnSite-Befragung, die Informationen über die Internetnutzerschaft ab zehn Jahren und die von ihnen verwendeten PCs liefert (zweite Säule); die dritte Säule bildet eine bevölkerungsrepräsentative Telefonbefragung, die Basisdaten zur Internetnutzung und Nichtnutzung ermittelt und somit das Verhältnis der Userschaft zur Gesamtbevölkerung abbildet. Die Telefonbefragung ermittelt personenbeschreibende Informationen zur Bildung von Zielgruppen: Neben soziodemografischen und psychografischen Daten gehören dazu auch Marktbzw. Branchendaten. Die »internet facts« liefert mit diesem Multi-Methodenansatz ein Bild des »Unique User«: Welche Personen stecken hinter den (von der IVW gemessenen) Zugriffen? Zur Klärung werden idealtypische Nutzerprofile derjenigen Nutzer erstellt, von denen Daten aus der technischen Messung wie auch aus der Onlinebefragung vorliegen (Profiling). Anschließend werden die soziodemografischen Daten dieser idealtypischen Nutzer auf diejenigen Nutzer projiziert, von denen ein korrespondierendes Nutzungsverhalten über die IVW-Erhebung vorliegt (Modeling). Mit diesem Design erfüllte die »internet facts« alle Anforderungen an einen bis dahin fehlenden Marktstandard. AGOF und agma einigten sich Ende 2007 nach einem monatelangem Streit über die Reichweitenmessung deutscher Onlineangebote darauf, dass die agma die Hoheit über den Reichweitenteil der »internet facts« bekommt. Unter dem Dach der agma wird seitdem in der AG Online geklärt, wie die Erhebungsmethode der Reichweitenstudie aussehen muss, damit sie den agma-Stempel verdient (vgl. Buda News Group 2009e; AGOF 2012a, b). Seit Herbst 2010 verantwortet die AGOF darüber hinaus die Studie »mobile facts«, die Daten zu Reichweiten und Strukturen mobiler Angebote ausweist und damit zur »Etablierung einer Mobile-Reichweitenwährung im Markt« beiträgt (AGOF o. J.). <?page no="339"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 340 Die ARD/ ZDF-Onlinestudie Die ARD/ ZDF-Onlinestudie wird seit 1997 jährlich im Auftrag von ARD und ZDF durchgeführt. Bis 2000 wurden zwei unabhängige repräsentative Stichproben (Internetnutzer und Internet-Nichtnutzer) gebildet, seit 2001 gibt es jedoch nur noch eine Stichprobe, die für die deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahren in Haushalten mit Telefonfestnetzanschluss steht. Für die Studie werden per CATI (Computer Assisted Telefone Interviews) 1.800 Personen befragt. Da die Studie als Langzeituntersuchung konzipiert ist, umfasst sie zur Vergleichbarkeit mit vorhergehenden Jahrgängen (1.) einen weitgehend konstanten Standardteil zu Häufigkeit und Dauer der Nutzung, sowie (2.) einen variablen Part, der aufgrund der Dynamik des Internets regelmäßig angepasst wird. Ermittelt werden etwa, welchen Stellenwert die einzelnen Medien für die Bevölkerung haben, welche Dienste oder Inhalte im Internet (inklusive des sog. ›Web 2.0‹) wie oft und über welchen Zugang (z. B. via Smartphone) abgerufen werden. In den vergangenen Jahren wurde zudem auch die Nutzung zeitversetzter Audio- und Videoinhalte in den Fokus genommen. Analog zur MedienNutzer- Typologie (vgl. Kap. 4.4.1.1) wird im Rahmen der ARD/ ZDF-Onlinestudie seit 2004 auch eine OnlinenutzerTypologie erstellt (vgl. van Eimeren/ Frees 2012, S. 364f ). Demnach lassen sich Gruppen aktiv-dynamischer Internetnutzer (»Junge Hyperaktive«, »routinierte Infonutzer«, »junge Flaneure«, »E-Consumer«) von selektiv-zurückhaltenden Nutzern (»Randnutzer«, »Selektivnutzer«) unterscheiden. Letztere gehen online nur wenige und gewohnte Pfade und bleiben in der Nutzung weit hinter dem potenziell verfügbaren Angebot zurück, stellen aber immerhin 43 Prozent der Internetnutzer. Die Resultate der ARD/ ZDF-Onlinestudie werden jährlich in der Fachzeitschrift Media Perspektiven veröffentlicht (vgl. van Eimeren/ Frees 2012; Busemann/ Gscheidle 2012; Klumpe 2011, 2012). Die ACTA Das Institut für Demoskopie in Allensbach führt seit 1997 einmal pro Jahr die Allensbacher Computer- und Technikanalyse (ACTA) durch. Neben der Nutzung von Computern, Internet und Mobilfunk (inklusive internetfähiger Endgeräte), fragt sie auch die Nutzung von Unterhaltungselektronik oder digitaler Foto- und Videotechnik ab (etwa zum 3-D-Fernsehen oder zur Nutzung der »Cloud« für das Speichern und Abrufen von Inhalten). Damit ist die ACTA in erster Linie ein Instrument der Marktforschung und Streuplanung. Grundgesamtheit der ACTA ist die deutschsprachige Bevölkerung im Alter von 14 bis 69 Jahren in Privathaushalten. Für die ACTA 2012 wurden rund 9.000 repräsentativ ausgewählte Personen mündlich-persönlich befragt (vgl. ACTA 2012a, b). Die W3B Die W3B-Studie ist eine vom Consulting-Unternehmen »Fittkau & Maaß« durchgeführte Meinungsumfrage im Internet, W3B steht dabei für WWW (=W3)-Befragung. Die Teilnehmer treffen selbst die Entscheidung über das Ausfüllen eines Fragebogens - es handelt sich mithin um selbstselektierte Samples. Die Stichprobengrößen variieren daher und sind abhängig davon, wie viele Internetnutzer die Aufforderung zur Teilnahme wahrnehmen; nach eigenen Angaben von W3B erreichen die Befragungen meist Fallzahlen von etwa 100.000 Personen. Seit Ende 2012 werden die Stichproben jedoch »internet-repräsentativ quotiert und gewichtet«, und zwar nach Alter, Geschlecht und Bundesland (Fittkau & Maaß 2012a). Die Teilnehmer werden u. a. gefragt nach ihrem Internetnutzerverhalten, ihrer Soziodemografie, nach Kommunikation und Werbung/ E-Commerce im WWW. <?page no="340"?> 4.4 Rezipientenforschung 341 In den W3B-Berichten werden auch Ergebnisse zu spezifischeren Fragestellungen dargestellt, wie etwa Daten zur Nutzung von social oder mobile Web, zu Kaufentscheidungen und der Nutzung von Reise-Websites oder Webshops (vgl. Fittkau & Maaß 2012a, b, o. J.). Kennwerte der Internetnutzer-Forschung Die wichtigsten Kennwerte der Kontaktmessung im Internet, die für die Mediaplanung herangezogen werden können, sind (vgl. IVW 2001; Burda News Group o. J. h, 2009f; AGOF 2012c): • Page Impressions (früher auch Page Views genannt) messen die Anzahl der Sichtkontakte mit einer HTML-Seite (Seitenaufrufe). Sie sind Indikatoren für die Nutzung einzelner Seiten eines Angebots. • Eine Abfolge von Seitenaufrufen (Page Impressions) desselben Users wird als Clickstream bezeichnet. Über die Protokollierung der IP-Adresse sind die Streams einzelnen Usern zuordenbar. Clickstreams stellen die Wege der User im Webangebot dar und ergeben die Page Visits eines Angebots. • Ein Page Visit ist dementsprechend ein zusammenhängender Nutzungsvorgang (Besuch) eines WWW-Angebots von einem User. Da dieser Kennwert deutlich weniger manipulierbar ist als die Anzahl von Klicks, stieg die Bedeutung gegenüber den Page Impressions; die IVW weist folglich nur noch Visits auf der Überblicksseite der gelisteten Angebote aus. • Der Kennwert Kategorien-Visit gibt an, wie viele und welche inhaltlichen Kategorien eines Angebots (wie redaktioneller Content, User-generierter Content oder E-Commerce) während des zusammenhängenden Nutzungsvorgangs (»Visit«) genutzt werden. • Unique Visitor ist die hochgerechnete Anzahl der Besucher, die ein Onlineangebot innerhalb eines bestimmten Zeitraums besucht haben. Jeder Besuch wird jedoch nur einmal gezählt. Besucher können natürliche (registrierte) Personen oder zugreifende Rechner sein. Handelt es sich dabei um eine Person, spricht man von »Unique User«; handelt es sich um einen Rechner (bzw. Internetbrowser, der durch einen Cookie wiedererkannt wird), spricht man von »Unique Client«. • Der Weiteste Nutzerkreis des Internets/ eines Internetangebots wird berechnet aus denjenigen Nutzern, die in einem bestimmten Zeitraum mindestens einmal das Internet bzw. -angebot genutzt (also eine Nutzungswahrscheinlichkeit größer als null) haben. • Die View Time ist die Verweildauer eines Users auf einer Website und ein (wenn auch sehr grober) Indikator dafür, wie sehr ihn der Content dieser Seite interessiert. Zur Bestimmung wird die Zeit zwischen erstem und letztem Zugriff auf die Seite gemessen. • Der Tausend-Kontakt-Preis spielt auch in der Online-Mediaplanung eine wichtige Rolle (vgl. Kennwerte der Leserschaftsforschung). Methodische Probleme Internetnutzungsforschung basiert, wie z. B. die W3B-Studien, häufig auf Onlinebefragungen - eine Erhebungsmethode, die sich v. a. aufgrund geringer Kosten zunehmender Beliebtheit erfreut (vgl. Welker/ Wünsch 2010, S. 488; Petersen 2010, S. 14ff). Das größte Problem dieses Befragungsmodus besteht jedoch in der Rekrutierung (vgl. Starsetzki 2007; Maurer/ Jandura 2009; Jandura/ Meyen 2010): Soll eine bevölkerungsrepräsentative Befragung zur Internetnutzung und Nichtnutzung erfolgen (wie es die ARD/ ZDF-Onlinestudie zum Ziel hat), so kann sie nicht allein auf einem Onlinebefragungsmodus basieren, da immer noch fast ein Viertel der Deutschen nicht über das Internet erreicht werden können (vgl. van Eimeren/ Frees 2012). Sollen Internetnutzer befragt wer- <?page no="341"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 342 den, so kommt der Befragungsmodus dieser Zielgruppe aufgrund der einfachen Handhabbarkeit jedoch vielleicht sogar entgegen. In diesem Fall kann auf zwei Arten rekrutiert werden: Links zu Fragebögen lassen sich entweder über E-Mail(-verteiler) oder für alle Internetnutzer öffentlich auf Webseiten zugänglich machen. Im zweiten Fall muss der Hinweis auf die Befragung vom (zu befragenden) User erst gefunden werden, was von der individuellen Nutzungsintensität und -häufigkeit (sowie von den Bewerbungsmaßnahmen des durchführenden Instituts) abhängt. Eine Verzerrung in Richtung Vielnutzer ist somit wahrscheinlicher und die Repräsentativität der Ergebnisse dadurch infrage gestellt (vgl. Bandilla 1999, S.-12; Hauptmanns 1999, S.-24; Welker/ Wünsch 2010, S. 504ff). Da eine Zufallsauswahl Voraussetzung für eine repräsentative Stichprobe ist, können offene Umfragen wie auch Umfragen, die auf selbstrekrutierte Freiwilligen-Panels (»Access Panel«) zurückgreifen, keine repräsentativen Ergebnisse zeitigen (vgl. Welker/ Wünsch 2012, S. 504ff). Verfahren, die nicht auf Selbstrekrutierung basieren, können jedoch verallgemeinernde Schlüsse prinzipiell zuzulassen: Etwa wenn die Grundgesamtheit bekannt ist (wie z. B. bei einem Angebot, für das eine organisierte Form der Registration existiert und entsprechende Daten mit der Registrierung erhoben werden) und ein entsprechender E-Mail-Verteiler existiert (vgl. Welker/ Wünsch 2012, S. 505f ). Wird der Link zum Fragebogen oder der Fragebogen selbst über E-Mail verschickt, so kann sich das Problem stellen, dass unerwünschte Fragebogensendungen einen ähnlichen Stellenwert wie Werbe-Mails (»Spam«) haben und ungeöffnet vom Empfänger gelöscht werden. Hinzu kommen eine oft geringere Ausschöpfungsquote (vgl. Vehovar et al. 2008) und ein zunehmender Überdruss der Befragten aufgrund gehäufter Anfragen verbunden mit dem Misstrauen gegenüber der Verwendung und Speicherung persönlicher Daten (vgl. Engel 2010, S. 43f; Daschmann/ Hartmann 2005, S. 252). Auch verstößt das Posten von Hinweisen auf Befragungen in Foren oder über Newsletter i. d. R. gegen deren Verhaltenskodizes (»netiquetten«) und entsprechende Mitteilungen werden oft automatisch herausgefiltert. (vgl. Starsetzki 2007, S. 79) In aller Regel ist die Nutzerschaft von Foren relativ klein und konsistent in ihren Einstellungen bzw. Interessen (vgl. Beck 2006, S. 224; Dahlgren 2001), sodass man über sie ohnehin nur einen Bruchteil der gesamten Internetnutzerschaft erreicht und sie somit keine wirklich günstige Anlaufstelle für Befragungen darstellen (vgl. Hauptmanns 1999, S.-24). Zugleich stellen sich damit auch Fragen nach der Qualität der Daten, die der Forscher erhält: Die Ausfüllsituation ist nicht kontrollierbar und daher auch nicht nachprüfbar, wie ernsthaft die gegebenen Antworten sind. Empirischen Befunden zufolge antworten Menschen in Onlinebefragungen außerdem eher ihrem idealen Selbstbild entsprechend, d. h. Eigendarstellungen werden unbewusst geschönt (vgl. Taddicken 2008; zusammenfassend z. B. Möhring/ Schlütz 2010, S. 134ff). Operieren Umfragen abgekoppelt von der konkreten Nutzungssituation, so können die Befragten mit Fragen nach der Intensität der Auseinandersetzung mit bestimmten Inhalten einfach überfordert sein. Aus diesem Grund werden von der Marktforschung vereinzelt auch in experimentellen Designs die Rezeptionsqualitäten untersucht, z. B. die Wahrnehmung und Wirkung von Onlinewerbeformen (vgl. United Internet AG 2010). Auch die Forschung zur Nutzerfreundlichkeit (Usability) von Websites ist unter die Zusatzforschung zur Kontaktqualität zu subsumieren (vgl. Sarodnick/ Brau 2006; Planung & Analyse 2010). Hierbei können neben Eye-Tracking-Verfahren, die bereits im Abschnitt Leserschaftsforschung angesprochen wurden, auch Mouse-Tracking-Verfahren eingesetzt werden: Probanden vollziehen mit dem Zeiger der Computer-Maus ihren Blickverlauf nach und eine Software zeichnet diese Bewegungen auf. Obwohl Eye-Tracking-Apparate exakter messen, »bieten die Mouse-Tracks einen ersten Überblick über die, von den Probanden aktiv erfasste, Struktur und Sequenz ihrer visuellen Aufmerksamkeitsverteilung auf dem Stimulus« (Geise 2011) und für bestimmte Fragestellungen eine forschungsökonomische Alternative. Kommunikationsmöglichkeiten im Internet lassen neue (nutzergenerierte) Inhalte entstehen, die (im Gegensatz zu Befragungen, Beobachtungen oder Experimentaldesigns) nichtreaktive Erkennt- <?page no="342"?> 4.4 Rezipientenforschung 343 nisse über Onlinenutzer und ihr Nutzungsverhalten liefern können; allerdings bedarf es dazu neuer Kennwerte und Erhebungsverfahren. In jüngster Zeit werden z. B. Diskussionen darüber geführt, wie Reichweiten und Relevanz von Social-Media-Angeboten zu erheben sind. In der akademischen Onlineforschung wird darüber hinaus auch diskutiert, inwiefern die Selbstoffenbarungen der Nutzer in sozialen Netzwerken dazu geeignet sind, auch inhaltsanalystisch untersucht zu werden, um Rückschlüsse auf die Soziodemografie, Gebrauchsweisen oder Motive der Nutzer zuzulassen (vgl. z. B. Taddicken/ Bund 2010). Für die kommerzielle Marktforschung scheint diese Erhebungsmethode (noch) zu teuer. Auch stellen sich datenschutzrechtliche Fragen, Sensibilität und eine besondere Vorsicht sind bei der Erhebung und Analyse der Daten unerlässlich (Taddicken/ Bund 2010, S. 187). 4.4.1.5 Die »Langzeitstudie Massenkommunikation« Unter den intermediär vergleichenden Mediennutzungsstudien ragt die Langzeitstudie Massenkommunikation heraus. Sie wird seit 1964 im Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands durchgeführt. Ihr Ziel war ursprünglich, den Wettbewerb der Medien untereinander v. a. im Hinblick auf die Vermittlung politischer Information zu untersuchen. Insbesondere ging es um die Frage, ob das (damals) relativ neue Medium Fernsehen die etablierten Medien Hörfunk und Zeitung verdrängt bzw. ersetzt (Substitution) oder ob sich die Angebote von Zeitung, Radio und Fernsehen gegenseitig ergänzen (Komplementarität). Durch die Wiederholung der Studie mit einem im Wesentlichen unveränderten Befragungsinstrument in den Jahren 1970 und 1974 konnte die Substitutionshypothese damals widerlegt werden, womit die ursprüngliche Forschungsfrage beantwortet war (vgl. Berg/ Kiefer 1996, S.-18f ). Die Studie wurde dennoch weitergeführt, nunmehr mit dem Ziel, die Entwicklung von Mediennutzung und Gesellschaftswandel in Deutschland zu beschreiben. Seither fanden jeweils in Abständen von fünf bis sechs Jahren immer wieder Befragungen statt. Insgesamt geschah dies bisher in zehn Befragungswellen, zuletzt im Jahr 2010. Es wurde jeweils eine repräsentative Stichprobe von anfangs 2.700 (im Jahr 1964), ab 1990 ca. 6.000 (gesamt-)deutschen Staatsbürgern ab 14 Jahren mündlichpersönlich befragt. Mit der Welle im Jahr 2000 wurde das Erhebungsverfahren auf CATI umgestellt und mit der Welle 2010 die Grundgesamtheit (der Media-Analyse entsprechend) auf die deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahren ausgedehnt. Das Mediennutzungsverhalten wurde zu Beginn mit der Tagebuchmethode erhoben und der Tagesablauf des Vortages in Viertelstundenintervallen mit den wichtigsten Tätigkeiten, darunter die Mediennutzung, rekonstruiert (vgl. Berg/ Kiefer 1996, S.-18ff; Best et al. 2009). Inzwischen wird die Mediennutzung nur noch abgefragt, seit der 2000er Welle gehört auch die Internetnutzung dazu. Hier einige zentrale Ergebnisse (vgl. Eimeren/ Frees 2011): Wesentliche Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Mediennutzung waren einerseits der technische und organisatorische Wandel der deutschen Medienlandschaft seit Mitte der 1980er-Jahre (Einführung von privatem Hörfunk und Fernsehen), andererseits die weitreichende gesellschaftliche Veränderung mit der deutschen Wiedervereinigung und die rasante Entwicklung des Internets in den 1990er-Jahren. Nach einer Phase der stagnierenden Fernsehnutzung in den 1980ern wurde seit Beginn der 1990er-Jahre regelmäßiger und zeitintensiver ferngesehen; die Position als reichweitenstärkstes Medium behauptete das Fernsehen auch bis zur letzten Welle 2010 mit durchschnittlich rund 220 Minuten täglicher Nutzungsdauer. Trotzdem hat die Bindung an das Medium Fernsehen abgenommen. Das zeigt sich z. B. bei der Beantwortung der »Inselfrage« - welches Medium die Befragten, müsste man sich für eines entscheiden, auf eine Insel mitnähmen. Seit 15 Jahren sinkt der Anteil derer, die sich für den Fernseher entscheiden würden, kontinuierlich (von 55 auf 32 Prozent), und seit 2010 liegt mit dem Internet erstmalig ein anderes Medium vorn, wenn auch nur mit <?page no="343"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 344 einem Prozentpunkt (nämlich 33 Prozent). Zurückzuführen ist das wohl v. a. auf den All-in-one-Charakter des World Wide Web. Die Hörfunknutzung stagniert der Langzeitstudie zufolge allerdings seit 1995. Nach einem kurzen Hoch im Jahr 2005 mit 221 Minuten nahm die Nutzungsdauer wieder deutlich auf 187 Minuten pro Tag ab, auch die Reichweite sank kontinuierlich von 85 Prozent im Jahr 2000 auf 79 Prozent in 2010. Ebenso muss die Tageszeitung seit Jahren deutliche Verluste sowohl in Reichweite wie auch in Nutzungsdauer verkraften. Was die Glaubwürdigkeit der Medien betrifft, so liegt die Tageszeitung jedoch inzwischen knapp vor dem Fernsehen, das seit 1990 einen Glaubwürdigkeitsverlust hinnehmen muss (vgl. Berg/ Kiefer 1996, S.-265ff). Möglicherweise - dies ist aber nur eine vorsichtige Vermutung - ist der Glaubwürdigkeitsverlust des Mediums Fernsehen auf die Einführung privaten Fernsehens ab Mitte der 1980er-Jahre mit seinen eher breitenwirksam und unterhaltungsorientiert angelegten Massenprogrammen zurückzuführen. Das Internet punktet insbesondere im Hinblick auf Modernität (59 Prozent) und Vielseitigkeit (47 Prozent), die Zeitung im Hinblick auf Sachlichkeit (43 Prozent). 4.4.1.6 Daten zur Mediennutzung 2011/ 2012 Nach der Erörterung von Verfahren zur Ermittlung der Reichweite bzw. Nutzung der Massenmedien sollen im Folgenden einige ganz wenige ausgewählte Eckdaten zur Mediennutzung in Deutschland 2012 dargelegt werden. Sie entstammen für die Zeitungs- und Radionutzung der Media-Analyse, für die Fernsehnutzung der GfK-Fernsehforschung 2011 und für die Onlinemedien der AGOF sowie der ARD/ ZDF-Onlinestudie 2012. Zeitungsnutzung Der Media-Analyse 2012 zufolge beträgt die Reichweite der Tageszeitungen in Deutschland exakt zwei Drittel: 66,6 Prozent der repräsentativ Befragten (ab 14 Jahre) geben an, täglich zu einer Zeitung zu greifen; das entspricht 46,8 Mio. Lesern (siehe dazu Dolder et al. 2012). Die regionalen/ lokalen Tageszeitungen, quantitativ die meisten, verfügen über eine Reichweite von 53,3 Prozent (oder 37,4 Mio. Leser), die Straßenverkaufszeitungen kommen auf 20,6 Prozent (14,5 Mio. Leser) und die Zeitungen mit dem Anspruch überregionaler Verbreitung auf 5,9 Prozent (4,2 Mio. Leser). In der jüngsten Altersgruppe, den 14bis 19-Jährigen, wird am wenigsten Zeitung gelesen (36,5 Prozent), unter den über 70-Jährigen am meisten (79,6 Prozent). »Die Kernleserschaft der Regionalzeitungen findet sich in kleineren und mittleren Städten«, jene der Boulevardzeitungen »v. a. in Großstädten«, die überregionalen Zeitungen finden ihre Zielgruppe v. a. unter Selbständigen, Freiberuflern, leitenden Angestellten/ Beamten, besser Gebildeten und in Haushalten mit hohem Netto-Einkommen (Dolder et al. 2012, S. 124f ). Im Zusammenhang mit der Nutzung der Tageszeitung erscheint es angebracht, auch einen Blick auf die Reichweiten der Internetangebote zu werfen. Den AGOF internet facts 2012/ III zufolge erreichen die Onlineausgaben der Tageszeitungen 38,6 Prozent Unique-User unter den über 14-Jährigen (rund 27 Mio. Personen). Die höchste Nutzungsintensität im Netz wird »bei den 14bis 29-Jährigen registriert« (das sind 61,9 Prozent dieser Altersgruppe), gut vertreten als Unique User sind auch die 30bis 49-Jährigen (Dolder et al. 2012, S. 127). Rechnet man Printnutzung, Onlinenutzung und auch die zunehmende Nutzung von Applikationen, wie sie von den Zeitungen angeboten werden, dazu, so hat dieses zusammengehörende Medienensemble noch nie über so hohe Reichweiten verfügt. <?page no="344"?> 4.4 Rezipientenforschung 345 Zeitschriftennutzung Auch die Zeitschriftennutzung sei hier kurz angesprochen. Die Zeitschriften wiesen der MA 2012 zufolge eine Gesamtreichweite von 92,7 Prozent auf. Diese Mediengattung ist jedoch ungewöhnlich vielfältig; es ist daher nicht möglich, hier auf die Reichweiten einzelner Gruppen innerhalb der Gattung einzugehen. Am häufigsten werden Publikumszeitschriften genutzt, deren Titelanzahl und v. a. Auflage innerhalb der Gruppe der Zeitschriften einen besonderen Platz einnimmt (vgl. 4.3.5.1). »Die nach wie vor hohe Nutzung von Publikumszeitschriften belegt eindrucksvoll, dass Zeitschriften das Potenzial haben, sich im stürmischen Umfeld sprunghaft wachsender Medienangebote nachhaltig zu behaupten« (Christian Goedecke in Karle 2013, S. 1). Für alle Zeitschriftensegmente gilt, dass »[B]ei einem immer breiteren Medienangebot […] die Relevanz eines Titels darüber [entscheidet], ob er im Relevant Set des Lesers einen festen Platz behält« (Goedecke in Karle 2013, S. 2). Radionutzung Der Media-Analyse 2012/ II zufolge beträgt die Tagesreichweite des Radios 77,8 Prozent (Gattringer/ Klingler 2012). Die durchschnittliche Hördauer macht 187 Minuten aus, die Verweildauer 240 Minuten (Gattringer/ Klingler 2012, S. 411). Am längsten und am häufigsten wird Radio in den Altersgruppen der 40bis 49-Jährigen sowie der 50bis 59-Jährigen gehört. Während der Woche liegen die Tagesreichweiten sowie Hör- und Verweildauer etwas höher als am Wochenende, an Werktagen beginnt die Nutzung auch früher und steigt steiler an. Das Radio ist ein Tagesmedium (»Daytime Medium«), nach 18 Uhr sinkt die Nutzungskurve deutlich ab (vgl. Gattringer/ Klingler 2012, S.-416). Im Alltag der Deutschen wird das Radio sowohl im Haus (56 Prozent) wie auch außer Haus (43-Prozent) genutzt. Die konkrete Nutzung ist zielgruppenspezifisch und auch abhängig von der persönlichen Lebenssituation: Bei den unter 50-Jährigen/ Berufstätigen/ in der Ausbildung Befindlichen überwiegt die Außer-Haus-Nutzung. Die zunehmende Etablierung mobiler Zugangswege (z. B. Smartphones) führt insbesondere bei jungen Menschen zu Nutzungsverschiebungen: Die Außer- Haus-Nutzung steigt an, die Verweildauer nimmt jedoch ab (vgl. Gattringer/ Klingler 2012, S.-413- 415). Das Radio ist auch ein typisches Begleitmedium, das während des Essens, beim Autofahren und auch bei/ während der Arbeit genutzt wird. Im Schnitt nutzen Hörer vier Programme innerhalb von zwei Wochen, Jüngere haben mehr Programme im Hör-Repertoire als Ältere. Pro Tag werden 1,6 Programme genutzt, bezüglich der täglichen Nutzung bleiben 61,1 Prozent der Hörer den Tag über bei einem Sender; mit steigendem Alter steigt die Sendertreue an. UKW-Radioempfang bleibt die Regel, die Radionutzung im Internet und die Nutzung reiner Webradios steigt gegenüber den Vorjahren leicht an. Hier ist die rasante Entwicklung mobil nutzbarer Smartphones von Bedeutung. Öffentlich-rechtliche Radiosender werden vergleichsweise stärker genutzt (Tagesreichweite Montag bis Sonntag 36,67 Mio. Hörer) als Privatradios (32,06 Mio. Hörer). Das Radio ist nach wie vor »integraler Bestandteil des Alltags« (Gattringer/ Klingler 2012, S. 422). Fernsehnutzung Das Fernsehen erfreut sich anhaltender Beliebtheit: Mit 225 Minuten täglich erreicht der Fernsehkonsum in Deutschland im Jahr 2011 einen neuen Höchststand (vgl. Zubayr/ Gerhard 2012, S. 118), durchschnittlich sind 78 Sender empfangbar. Steigerungen der Fernsehnutzung sind zu allen Tageszeiten und in allen soziodemografischen Gruppen zu messen. Die Altersspezifität der Nutzungsge- <?page no="345"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 346 wohnheiten bleibt jedoch bestehen: Je älter, desto größer die Tagesreichweite und Sehdauer. Unter 50-Jährige nutzen eher RTL, ProSieben und Sat.1, ältere Zuseher eher öffentlich-rechtliche Programme (einschließlich der Dritten Programme). Auch 2011 sahen Ostdeutsche durchgehend länger fern als Westdeutsche (im Durchschnitt täglich 50 Minuten). Marktführer bei den Sendern ist 2011 erneut RTL (14 Prozent Marktanteil), gefolgt von ARD (12,4 Prozent) und ZDF (12,1 Prozent). Die Dritten Programme sind 2011 wieder unter die 13-Prozent-Marke gefallen, relativ betrachtet ist dies aber immer noch ein guter Wert. In der Prime Time (19 bis 23 Uhr) dominieren die öffentlichrechtlichen Programme. Die Marktführerschaft von RTL ist in den Randzeiten (z. B. mit Scripted Reality) und bei der Konzentration auf einige wenige Unterhaltungssendungen (»DSDS«, »Bauer sucht Frau« u. Ä.) festzustellen. 2011 wurden Nachrichtensender wie n-tv oder Phoenix etwas stärker nachgefragt, was vermutlich auch mit der Nuklearkatastrophe in Japan im März 2011 zu tun hat. Insgesamt zwei Drittel des Fernsehkonsums entfallen nach wie vor auf sechs Anbieter: ARD, ZDF, die Dritten Programme, RTL, Sat.1 und ProSieben. Unter den meistgesehenen Sendungen dominieren Sportereignisse (z. B. Frauenfußball-WM, Boxen) und Unterhaltungssendungen mit besonderem Anlass (z. B. Gottschalk-Abschied bei »Wetten, dass…«, »Eurovision Song Contest« aus Deutschland). Erfolgreiche Formate im jeweiligen Genre bleiben die »tagesschau«, der »Tatort« sowie Castingshows. Erwähnenswert erscheint, dass der Absatz von Fernsehgeräten im Jahr 2011 bei mehr als neun Mio. lag; dies ist vermutlich auf die zunehmende Marktdurchdringung mit Flachbildschirm-Geräten zurückzuführen. Internetnutzung 53,4 Mio. (oder 76 Prozent) der Deutschen sind 2012 online - damit liegt Deutschland im europaweiten Vergleich im Mittelfeld. Die nach wie vor festzustellenden Steigerungsraten werden auf die Etablierung einfach zu bedienender Endgeräte (z. B. Tablets), kostengünstigere und schnellere Verbindungen und auf die Möglichkeit der mobilen Internetnutzung zurückgeführt (vgl. van Eimeren/ Frees 2012). Die größten Zuwachsraten sind in der Gruppe der ab 50-Jährigen festzustellen. Insgesamt sind aber immer noch 40 Prozent der Internetnutzer sog. Rand- oder Selektivnutzer, Personen also, die das Netz noch nicht fest in ihren Alltag integriert haben und die nur wenige Angebote im Web nutzen. Während Anwendungen wie E-Mail, Informationssuche und Onlineshopping generationsübergreifend genutzt werden, bleibt das sog. Web 2.0 v. a. für Jüngere interessant: Die Gruppe der ›Digital Natives‹, der unter 35-Jährigen, nutzt das Internet (und darin Web-2.0-Anwendungen) häufiger als die übrigen Generationen. Die Haltung dabei ist jedoch »passiv-konsumierend«: Man konsumiert Inhalte anderer und pflegt private Kontakte, stellt jedoch selbst kaum Inhalte in die breite (Netz-)Öffentlichkeit (vgl. Kap. 3.3.4). Der Trend bei den Endgeräten geht zur mobilen Nutzung: 58 Prozent mittels Laptop, 22 Prozent mittels Handys oder Smartphones, jedoch nur 4 Prozent mittels Tablet-PC. Wirklich mobile Nutzung (i. S. von unterwegs) ist v. a. für Jüngere und Männer interessant. Das Internet wird nach wie vor primär zur Kommunikation (E-Mail) und Informationssuche (Suchmaschinen) genutzt; eine Stagnation bzw. leichte Abnahme ist bei der Nutzung audiovisueller Formate bzw. Angebote festzustellen. TV-Programme werden im Internet kaum angesehen. Communitys werden von einem Drittel der Anwender v. a. zur Kontaktpflege genutzt (weniger zu Informationszwecken). Größte Rolle bei der Onlineinformationssuche spielen weiterhin tagesaktuelle News (für 35 Prozent der Nutzer) und Serviceinformationen wie Wetter und Verkehr (54 Prozent). Der Stellenwert regionaler Informationen (51 Prozent) nahm im Vergleich zu früher deutlich zu. Die Onlineinformation ist dabei meist Ergänzung zu traditionellen Medienangeboten. Durch die mobilen Nutzungsmöglichkeiten ist auch eine Parallelnutzung von Internet und TV gestiegen, der zeit- <?page no="346"?> 4.4 Rezipientenforschung 347 versetzte Onlineabruf von Fernsehsendungen (z. B. Mediatheken) bleibt vorerst jedoch gering. Die Autoren erwarten diesbezüglich jedoch für die Zukunft - auch bedingt durch neue technische Entwicklungen - einen Anstieg. Aktuelle Daten zur Mediennutzung sind der Zeitschrift Media Perspektiven (für Fernseh-, Radio- und Online-Nutzung) sowie den Jahrbüchern des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger BDZV (für die Tageszeitungen - z. B. »Zeitungen 2012/ 13«) und des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ - z. B. »VZD-Jahrbuch 2012«) zu entnehmen. Auch kann es lohnend sein, deren Onlineauftritte (www.bdzv.de; www.vdz.de) zu besuchen. Basisdaten zur Mediennutzung sind in aller Regel auch dem Online-Auftritt der IVW (www.ivw.de) sowie der AGOF (www.agof.de) zu entnehmen. Dies gilt auch für die Onlineauftritte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD (www.ard.de; www.zdf.de oder etwa auch www.br.de), der privaten Fernsehanbieter (z. B. www.rtl.de oder www.prosieben.de ) sowie der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich KEK (www.kek-online.de). 4.4.2 Rezeptionsforschung Helena Bilandžić Die Rezeptionsforschung ist das akademische Gebiet der Kommunikationswissenschaft, das im Gegensatz zur (angewandten, kommerziellen) Publikumsforschung über die reine Beschreibung der Mediennutzung hinausgeht und theoretische Erklärungen liefern möchte für die Nutzung sowie die Auseinandersetzung und das Erleben von Medienbotschaften. Genauer gesagt beschäftigt sie sich mit folgenden Fragen: • Wie wählen Menschen Medienbotschaften aus? (Selektionsforschung, vgl. Kap. 4.4.2.1) • Warum wählen Menschen bestimmte Medieninhalte und -produkte aus und andere nicht? (Selektionserklärungen, vgl. Kap. 4.4.2.2) • Wie erleben Menschen die Rezeption in der kommunikativen Phase? (Rezeptionsqualität, vgl. Kap. 4.4.2.3) • Wie ist Medienrezeption in soziale Strukturen und den Alltag eingebettet? (soziale Bedeutung der Medienrezeption, vgl. Kap. 4.4.2.4) • Wie werden Medienbotschaften wahrgenommen und verarbeitet? (Verarbeitung von Medieninformation, vgl. Kap. 4.4.2.5) Die Rezeptionsforschung kennt, wie im Übrigen auch alle anderen Gebiete der Sozialforschung, zwei grundsätzliche Herangehensweisen: Zum einen die deduktiv-nomologische Forschungstradition, bei der der Untersuchungsgegenstand (Rezipient/ Medienbotschaft) in einzelne Merkmale zerlegt wird, die in erklärende und zu erklärende Variablen eingeteilt werden können. Erklärungen für Phänomene der Realität werden aus allgemeinen Gesetzen abgeleitet (daher »deduktiv«; Deduktion = Ableitung) (Friedrichs 1980, S. 65f; Prim/ Tillmann 1989). Alle anderen Merkmale werden vernachlässigt, weil sie in theoretischer Hinsicht nicht relevant sind. Ziel ist, vom Einzelfall zu abstrahieren und allgemeine Erklärungen und Gesetzmäßigkeiten zu finden (daher »nomologisch«; griech. nomos = Gesetz). Zum anderen gibt es »interpretative« (oder »qualitative«, »verstehende«) Ansätze. Hier besteht der Erkenntnisgewinn darin, den Untersuchungsgegenstand ganzheitlich zu erfassen, d. h. ohne Zergliederung in vom Forscher vorbestimmte Merkmale und unter Berücksichtigung des sozialen und <?page no="347"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 348 politischen Kontexts. Die Sichtweisen und subjektiv relevanten Sachverhalte der handelnden Menschen fließen explizit in die Erklärung von sozialem Handeln ein und nicht nur vom Forscher vorbestimmte Aspekte (Kelle 1997, S.-47). Erkenntnisse werden im Nachvollzug und im Verstehen von sozialen Sachverhalten gewonnen. Es werden keine standardisierten, sondern qualitative Instrumente verwendet, z. B. offene Befragungen, bei denen Menschen sich in ihren eigenen Worten zu einem Problem oder Thema äußern können. Die Auswertung erfolgt i. d. R. ebenfalls über qualitative Verfahren wie etwa die Interpretation oder die qualitative Inhaltsanalyse (vgl. Kap. 6). Im folgenden Abschnitt sollen beide Richtungen in einem integrativen inhaltlichen Überblick berücksichtigt werden. 4.4.2.1 Selektionsforschung Nicht alle publizierten Informationen werden von allen Rezipienten genutzt, die von einer Botschaft angesprochen werden sollen. Einem sehr großen Medienangebot steht eine vergleichsweise geringe Kapazität des Publikums an Zeit und Rezeptionsbereitschaft gegenüber. Rezipienten müssen also aus der Vielzahl der angebotenen publizistischen Produkte immer auswählen. Welche Produkte dabei ausgewählt werden und auf welche Weise die Auswahl erfolgt, ist Gegenstand der Selektionsforschung (vgl. Bilandžić 2004; Hartmann 2009; Schweiger 2007). Wolfgang Donsbach teilt Selektionsentscheidungen der Rezipienten danach ein, auf welche Einheit des Medienangebotes sie sich beziehen und findet vier Ebenen (vgl. Donsbach 1989, S.-393ff): 1) Zunächst können Menschen entscheiden, ob sie überhaupt Medien nutzen oder sich anderen Beschäftigungen widmen. 2) Rezipienten müssen sich für ein bestimmtes Medium entscheiden, entweder intermediär als Entscheidung zwischen den verschiedenen Mediengattungen Fernsehen, Hörfunk, Zeitung etc., oder intramediär als Entscheidung für ein bestimmtes Medienprodukt innerhalb einer Mediengattung, z. B. ARD, ZDF, RTL etc. 3) Ferner steht eine Entscheidung für ein bestimmtes redaktionelles Angebot - einen Artikel, Kommentar, eine Glosse, ein Bild - an. 4) Innerhalb eines redaktionellen Angebots selegiert der Rezipient einzelne Informationen, denen er Aufmerksamkeit widmet, sie ganz oder teilweise rezipiert und eventuell auch im Gedächtnis behält. Diese vier Ebenen stellen die möglichen Ansatzpunkte einer Medienentscheidung dar, nicht aber tatsächliche »Phasen«, die bei jeder Rezipientenentscheidung durchlaufen werden. Eine Rezipientin kann sich z. B. aus Mangel an Alternativen vor den Fernseher setzen, muss sich dann aber für einen Sender und eine Sendung entscheiden. Sie kann per Abonnement täglich eine Zeitung bekommen und sie gewohnheitsmäßig zum Frühstück in die Hand nehmen - sie wird sicherlich nicht jeden Tag von neuem überlegen, ob sie nicht besser spazieren gehen oder Radio hören sollte. Selektion ist Voraussetzung für Medienwirkung; wenn eine Information nicht ausgesucht und rezipiert wird, kann sie auch nicht wirken - aus diesem einfachen Grund hat auch die Wirkungsforschung (vgl. Kap. 4.4.3) Erkenntnisinteresse an Publikumsselektionen. Manche Wirkungsansätze integrieren explizit Konzepte des selektiven Medienumgangs und erklären so Abschwächungen oder Verstärkungen von Medieneffekten. Ein Beispiel dafür ist die Theorie der kognitiven Dissonanz, die davon ausgeht, dass Menschen sich nur Medieninhalten zuwenden, die ihrer eigenen Meinung entsprechen, mit dem Ziel, unangenehme innere Spannungszustände von vornherein zu vermeiden (Festinger 1978; vgl. Kap. 5.2.3.3). Die frühe Kommunikationsforschung hat mit selektiver Nutzung und Wahrnehmung den sog. Verstärkereffekt der Massenmedien erklärt: Medien vermögen Lazarsfeld, Berelson und Gaudet (1944/ 1960) zufolge kaum bestehende Meinungen zu verändern, wohl aber zu verstärken. Im Folgenden sollen theoretische Vorstellungen und empirische Forschungsergebnisse zur Selektion anhand der vier Ebenen von Donsbach (1989) dargestellt werden. <?page no="348"?> 4.4 Rezipientenforschung 349 Selektionsebene der Mediennutzung und ihrer Alternativen Auf der ersten Ebene muss zunächst einmal die Entscheidung für oder gegen Mediennutzung im Vergleich zu alternativen Handlungen und Beschäftigungen getroffen werden: Gehe ich z. B. spazieren oder bleibe ich daheim und sehe mir einen Film im Fernsehen an? Dies determiniert wohlgemerkt noch nicht, welches Medium und welcher Inhalt genutzt werden; die Verfügbarkeit oder Nichtverfügbarkeit alternativer Handlungen kann aber durchaus die konkrete Medienhandlung beeinflussen. Sind etwa außerhäusige Aktivitäten durch fortgeschrittenes Alter oder Vereinsamung eingeschränkt, so kann die Mediennutzung als Beschäftigung in den Vordergrund rücken. Tatsächlich ist etwa die Fernsehnutzung bei Älteren höher als bei Jüngeren (Mares/ Woodard 2006; Zubayr/ Gerhard 2012). Dabei sind die Erklärungen des Fernsehkonsums bei älteren Personen durchaus differenziert: Eintritt in die Rente, Veränderungen in der Beweglichkeit und in der Haushaltszusammensetzung können Fernsehnutzung sowohl intensivieren als auch abschwächen (van der Goot/ Beentjes/ Van Selm 2012). Die Verfügbarkeit nichtmedialer Handlungsalternativen ist demnach ein Faktor. Ferner ist von Bedeutung, ob eine andere Handlungsalternative die Mediennutzung überhaupt ersetzen kann: Keine Alternativen gibt es, wenn ein bestimmter Nutzen nur über Massenmedien zu erzielen ist. So bekommt man einen Überblick über die wichtigsten aktuellen Nachrichten nur in den Medien. Der zweite Aspekt, der bei der Auswahl auf dieser ersten Ebene zum Tragen kommt, ist also der Grad der funktionalen und inhaltlichen Einzigartigkeit massenmedialer Botschaften. Selektionsebene des Mediums und Medienprodukts Auf der zweiten Ebene findet eine Selektion jenes Mediums statt, das rezipiert wird. Möchte ich Zeitung lesen, Radio hören oder fernsehen? Möchte ich ARD, RTL oder SAT 1 sehen? Die Auswahl kann in Abhängigkeit von den Motiven des Rezipienten erfolgen: So kann die Zeitung genutzt werden, um ausführliche politische Informationen zu erlangen, während das Radio der Nebenbei-Unterhaltung dient. Natürlich ist es gerade die Ebene des Mediums und des Medienproduktes, an der eine gewohnheitsmäßige Nutzung ansetzt; man denke nur an das regelmäßige Einschalten des Fernsehers um 19 oder 20 Uhr, um die Nachrichten zu sehen, oder an die tägliche Lektüre der Tageszeitung am Frühstückstisch etc. Faktoren wie Image, Glaubwürdigkeit, Kompetenzzuschreibung oder politische Tendenz des Medienproduktes können hier auswahlrelevante Faktoren darstellen (Donsbach 1989, S.-394). Selektionsebene des redaktionellen Angebots Unterhalb der Ebene des Mediums findet eine Selektion eines redaktionellen Programmangebots statt - welcher Artikel in einer Zeitung wird gelesen, welche Fernsehsendung wird gesehen? Diese Auswahlstufe erhielt bisher die umfassendste Aufmerksamkeit der Kommunikationsforschung. Auswahlmodelle Carrie Heeter hat ein umfassendes Modell zum Selektionsverhalten beim Fernsehen vorgelegt, das auch auf Selektionsentscheidungen bei anderen Medien übertragen werden kann (Heeter 1988). Ebenso wie das Fernsehen einzelne thematisch und formal unterschiedliche Sendungen anbietet, <?page no="349"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 350 enthalten Zeitungen und Zeitschriften eine Vielzahl von relativ eigenständigen Einheiten in Form von Beiträgen und Artikeln. Um eine Auswahl zu treffen, verschaffen sich Rezipienten erst einmal einen Überblick über das Angebot, indem sie etwa die Zeitung durchblättern, sich das Inhaltsverzeichnis einer Zeitschrift anschauen oder das Fernsehprogramm vom ersten bis zum letzten Kanal »durchscannen«. Solche Orientierungsstrategien werden von Carrie Heeter in ihrem Modell zusammengetragen und klassifiziert. Heeter unterscheidet in Anlehnung an das Modell der Informationsverarbeitung von Richard R. Shiffrin und Walter Schneider (1977) zunächst zwischen automatischer und kontrollierter Verarbeitung: Automatische Verarbeitung bedeutet, dass die Optionen in der Reihenfolge geprüft werden, in der sie vorgegeben sind (Heeter 1988, S.- 14). Beim Fernsehen schalten Rezipienten im automatischen Modus vom ersten im Fernseher programmierten Kanal bis zum letzten. Bei Zeitungen und Zeitschriften blättern sie die Seiten von vorne nach hinten durch. Kontrollierte Verarbeitung hingegen bedeutet, dass die Optionen in einer geordneten, absichtsvollen Reihenfolge geprüft werden. So können bei Zeitungen und Zeitschriften erst einmal die Lieblingsrubriken geprüft werden und dann erst die restlichen Seiten.Das Suchrepertoire der Rezipienten ist erschöpfend, wenn das Suchmuster alle oder fast alle Optionen mit einbezieht; es ist begrenzt, wenn nur bestimmte Optionen überhaupt als Auswahlgrundlage in Betracht gezogen werden (ebd.). Ein Fernsehzuschauer weist ein erschöpfendes Suchmuster auf, wenn er alle Kanäle vom ersten bis zum letzten anwählt, um das Programmangebot zu evaluieren. Begrenzt wäre es dann, wenn er z. B. nur die Kanäle 1 bis 20 anwählt oder nur seine vier Lieblingssender. Bei Zeitungen und Zeitschriften liegt ein erschöpfendes Suchrepertoire vor, wenn alle Teile und Seiten nach interessanten Beiträgen »gescannt» werden. Rainer Mathes fand z. B. heraus, dass die Mehrheit der Leser eine Zeitung zunächst komplett durchblättert, sie von »A bis Z« »scannt«, ehe sie sich einem einzelnen Beitrag widmet (Mathes 1995, S.-72). Weiter können Selektionsentscheidungen nach der Strategie der Evaluation beschrieben werden: Zum einen können Rezipierende alle Optionen prüfen und dann zu derjenigen zurückkehren, die ihnen am besten erscheint; oder aber sie bleiben bei der ersten akzeptablen Option (Heeter 1988, S.-14). Die Modellvorstellung des Selektionsprozesses von Heeter ist dynamisch, da Nutzer die Bewertung einer Option im Laufe der Rezeption revidieren und sich einer anderen Option zuwenden können, anstatt die einmal ausgewählte bis zum Schluss zu verfolgen (Heeter 1988, S.- 15). Revisionen kann man z. B. bei der Fernsehnutzung beobachten, wenn eine Sendung nicht von Anfang bis Ende verfolgt wird, sondern die Rezeption mittendrin abgebrochen oder mehrere Sendungen parallel verfolgt werden (Heeter/ Greenberg 1988). Bei der Printnutzung findet sich die Reevaluation darin wieder, dass Leser den Anfang eines Artikels anlesen, dann aber weiterblättern, um sich anderen Beiträgen zu widmen. Die Nutzung von Printmedien ist sogar in hohem Maße von Reevaluation geprägt. Fast die Hälfte aller Zeitungsartikel, die Beachtung finden, wird nur teilweise gelesen. Unterstützt wird dieses Verhalten durch den umgekehrt pyramidenartigen Aufbau von Zeitungsartikeln, der die wichtigsten Informationen an den Anfang stellt. Im Vergleich dazu wird nur ein knappes Fünftel der Artikel ganz gelesen (Graber 1988, S.-97). Wolfgang Schweiger (2001) unterscheidet in seinem »Ablaufmodell der Mediennutzung« zwischen Selektions- und Rezeptionsphasen. In den Selektionsphasen werden Medieninhalte ausgewählt und kurz evaluiert, ob sie den eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen entsprechen. Wenn die Prüfung positiv ausfällt, beginnt die eigentliche (kontinuierliche) Rezeption. Helena Bilandžić (2004) differenziert die Evaluation in einem Schnellmodus (auf das Fernsehen bezogen: beim schnellen Umschalten), in dem in rascher Folge Entscheidungen über die Brauchbarkeit eines Angebotes getroffen werden von der erweiterten Evaluation, in der man sich aktiv und näher mit dem Angebot auseinandersetzt. <?page no="350"?> 4.4 Rezipientenforschung 351 Alle genannten Strategien hängen wesentlich von früheren Erfahrungen mit dem Medium ab. Eine kontrollierte Verarbeitung und ein begrenztes Suchrepertoire setzen z. B. voraus, dass der Rezipient sich schon mit dem Medium vertraut gemacht hat und über gewisse Präferenzen verfügt. Diese Erfahrungen und Präferenzen münden im Laufe der Zeit in Mediengewohnheiten. Besonders intensiv standen selektive Fernsehnutzungsstrategien im Zentrum des Interesses der Selektionsforschung. Mit der Vervielfachung des Fernsehprogrammangebots durch neue Sender und digitale Übertragungstechniken haben Zuschauer immer mehr Möglichkeiten der Auswahl. Die Fernbedienung bietet eine bequeme Möglichkeit, das Programm durch Umschaltungen zu evaluieren, auszuwählen und abzuwählen. Dieses Verhalten ist als »individuelle Fernsehnutzung« und Zusammenstellung von »Fernsehmenüs« zum Gegenstand intensiver Forschung geworden (Hasebrink/ Krotz 1993 und 1996; Krotz 1994). Folgende jeweils unterschiedliche Funktionen können Umschaltungen erfüllen (Heeter/ Greenberg 1988; Niemeyer/ Czycholl 1994): • Flipping (»Durchblättern«): Umschaltungen am Fernseher, die zu Beginn der Fernsehrezeption einen Überblick über das laufende Angebot verschaffen sollen. • Switching (»Umschalten«): Im laufenden Fernsehprogrammangebot wird durch Umschalten nach weiteren Angeboten gesucht, um ein besseres Programm zu finden. • Hopping (»Hüpfen«): Gleichzeitiges Verfolgen mehrerer Sendungen am Fernseher, indem immer wieder nacheinander zwei oder mehr Kanäle für einige Zeit per Fernbedienung angewählt werden. • Scanning (»Absuchen, Überfliegen«): Evaluation des verfügbaren Fernsehprogrammangebots durch Umschaltungen. • Grazing (»Weiden, Grasen«): Schnelle Umschaltungen durch das laufende Fernsehprogrammangebot, um eine interessante Sendung oder ein interessantes Bruchstück zu finden (wird oft synonym zu Scanning und Switching verwendet). • Zapping (»Abknallen, Fertigmachen«): Vermeiden von Fernsehwerbung z. B. durch Umschalten oder Verlassen des Raumes. Diese sechs Kategorien sind in der angewandten Nutzungsforschung geläufig: Programmbetreiber haben natürlich Interesse daran, den Umfang der Werbevermeidung zu kennen und auf Basis dieser Kenntnisse Gegenstrategien zu entwickeln, insbesondere dann, wenn Werbung die einzige Finanzierungsquelle eines Fernsehsenders darstellt. In der Regel wird ein großer Aufwand betrieben, um die Zuschauer im Fluss des eigenen Programms zu halten. Dieser optimale »audience flow« wird erreicht, wenn man die einmal gewonnenen Zuschauer im Programm hält und bei Übergängen von einer Sendung zur nächsten möglichst wenige verliert. Dafür setzen die Sender diverse Strategien ein (Adams 1993): Um die Zuschauer zum Sehen zu motivieren, werden die Themen einer Sendung am Anfang oder vor einer Werbepause in einem Kurzüberblick dargestellt (Eastman et al. 1997). Nicht selten treten solche »Teaser« sogar in Form von eigenen Kurztrailern auf. Auch ist es üblich, ganze Programmblöcke mit ähnlichen Sendungen zu belegen: Etwa drei Arztserien am Stück, die Sitcom- Schiene oder der Talkshow-Nachmittag. Eine weitere Strategie liegt darin, während des Abspanns in einem geteilten Bildschirm bereits die nächste Sendung anzukündigen. Spielfilme und Serie beginnen häufig nicht mit einem Vorspann, sondern gleich und unmittelbar mit der Handlung (»cold start«), was die Zuschauer möglichst schnell involvieren soll (Eastman et al. 1995). Dieses originär angewandte Forschungsinteresse erklärt die theoretische Unvollständigkeit der Konzepte Hopping, Zapping, Switching etc. sowie die Heterogenität der logischen Ebenen: So erklärt nur Zapping, warum Zuschauer selektiv handeln, indem impliziert wird, dass Werbung als Inhalt unbeliebt ist. Bei den anderen Selektionsformen, die eine Programm-im-Programm-Selektion, also werbeunabhängige Umschaltungen (Niemeyer/ Czycholl 1994), beinhalten, liegt die Erklä- <?page no="351"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 352 rung keineswegs auf der Hand. Es steckt vermutlich eine Suche nach etwas Besserem darin; wie aber dieses »Bessere« aussieht und wie man getätigte Selektionen erklären und prognostizieren kann, bleibt ungewiss. Für eine wirkliche Erklärung müssen zusätzliche Konzepte herangezogen werden, die sich nicht nur auf Verhalten beziehen, sondern auch auf die Absichten, Bedürfnisse, Interessen, Gewohnheiten, Themenpräferenzen und sonstige selektionsrelevante Merkmale des Zuschauers. So kann man alternativ zur Suche nach etwas »Besserem« das Selektionsverhalten auch als Vermeidung ungeliebter Inhalte deuten (Fahr/ Böcking 2005). Methodisch stößt diese Forderung nach Erklärungen auf große Probleme: Die Handlungserklärung besteht aus dem beobachtbaren Verhalten (also Selektion) und den verursachenden Aspekten (Absichten, Bedürfnisse etc.). Mit der Methode der Beobachtung kann nur der erste Teil, mit der Befragung nur der zweite Teil erhoben werden. Um die Handlungserklärungen der Dynamik der Rezeption anzupassen, müssen 1) Methodenkombinationen angewandt werden und 2) Untersuchungen in der konkreten Rezeptionssituation, während der Rezeption selbst, stattfinden. Damit rückt die kommunikative Phase (Rezeptionsphase) in den Vordergrund der Forschung. Nur so können Umentscheidungen und Reevaluationen wirklich erforscht werden, ebenso wie die Veränderungen, denen der Zuschauer im Laufe der Rezeption unterliegt, wenn sich etwa seine Stimmung ändert, er seinen Informationsbedarf gestillt hat, müde geworden ist etc. Peter Vorderer (1992) z. B. erhebt parallel zur Fernsehnutzung das Involvement der Zuschauer, also das Ausmaß an Ich-Beteiligung. Im Abstand von einer Minute wurden Probanden während der Rezeption eines Films durch einen Piepston aufgefordert, ihr »Mitleben im Film« zu spezifizieren. Sie konnten sich auf einer Skala von »gar nicht im Film mitleben« bis »sehr intensiv im Film mitleben« einordnen (Vorderer 1992, S.-218f ). Vorderer erklärt den Abbruch der Filmrezeption mit einem niedrigen Involvement (1992, S.-233). Helena Bilandžić und Bettina Trapp (2000) erheben fernsehrezeptionsbegleitende psychische Prozesse mithilfe des lauten Denkens und erklären Auswahl und Abbruch mit Aspekten der psychischen Akivität wie z. B. Exploration, Erwartungen, Bewertungen und Assoziationen. Werner Wirth und Michael Brecht (1999) untersuchen die Nutzung des WWW mit einer Kombination aus Beobachtung und lautem Denken. Der Fokus auf die kommunikative Phase stellt eine aktuelle Entwicklung der Rezeptionsforschung dar und spiegelt sich in einer Vielzahl empirischer Studien zu diesem Bereich (vgl. Rössler/ Gehrau/ Kubisch 2002). Bisher wurden v. a. Aspekte des Verhaltens erörtert und wie sich Orientierungs- und Evaluationsstrategien im Verhalten der Zuschauer manifestieren. Der eigentliche Evaluationsprozess aber wurde noch nicht behandelt. Wie die Evaluation der zur Verfügung stehenden Optionen tatsächlich ausfällt oder welche Sendung gesehen und welcher Artikel gelesen wird, ist u. a. von weiteren individuellen Merkmalen der Rezipienten und von sozialen Faktoren abhängig. So kann die Suche nach bestimmten Effekten der Mediennutzung, etwa ein gewünschter Nutzen oder die Regulierung der Stimmung, rezeptionsleitend sein (vgl. Kap. 4.4.2.3). Auch die Herstellung von Rezeptionserlebnissen, die als angenehm empfunden werden, kann als (impliziter, nichtbewusster) Bewertungsmaßstab für Selektionsentscheidungen dienen. Dies ist etwa der Fall, wenn Zuschauer wegen ihrer Lieblingsfiguren eine Sendung immer wieder sehen (parasoziale Interaktion) oder einen persönlichen Bezug zum Medienangebot herstellen können (Involvement) (vgl. Kap. 4.4.2.3). Soziale Faktoren werden selektionsleitend, wenn z. B. eine Fernsehsendung nur verfolgt wird, weil auf diese Weise ein konfliktloses Beisammensein der Familie ermöglicht wird (vgl. Kap. 4.4.2.5). In den genannten Ansätzen ist die Verbindung zwischen Selektion und erwartetem Effekt oder Rezeptionsqualität »idiosynkratisch«, d. h. sie hängt ganz stark von der individuellen Interpretation des Inhalts ab. Nachrichten können ja durchaus als unterhaltend, Spielfilme als informativ empfunden werden; den Hobbyangler involviert eine Sendung über die neuesten Köder und Haken, während das gleiche Thema die Hobbygärtnerin überhaupt nicht tangiert. Neben diesen individuellen <?page no="352"?> 4.4 Rezipientenforschung 353 Faktoren, die bestimmen, welche Medienbotschaft als relevant oder interessant empfunden wird, existieren auch überindividuelle Botschaftsmerkmale, die bei allen Menschen gleichermaßen eine Auswahl begünstigen, indem sie die Aufmerksamkeit gegenüber der Botschaft erhöhen. Diese Mechanismen gehören zur Selektionsebene der einzelnen Information und werden im Folgenden dargestellt. Selektionsebene der einzelnen Informationen Rezipienten können schließlich aus einem redaktionellen Angebot auch einzelne Informationen selegieren und auch überdauernd im Gedächtnis behalten. 1 Die Selektion einzelner Informationen für die Rezeption ist von Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsprozessen bestimmt. Theoretische Vorstellungen solcher Prozesse finden sich in der kognitiven Psychologie und werden in zunehmendem Maße auch in der Kommunikationswissenschaft auf die Verarbeitung von Medieninformationen angewandt. Annie Lang (2000, 2009) liefert ein solches Modell für die Fernsehrezeption, das auf allgemeineren kognitionspsychologischen Theorien aufbaut (vgl. Shiffrin/ Schneider 1977; Kahnemann 1973). Sie geht von zwei grundlegenden Annahmen aus: • Menschen verarbeiten Informationen, indem sie Umweltreize (darunter Medienbotschaften) wahrnehmen, sie in mentale Repräsentationen umwandeln und sie unter bestimmten Umständen auch wiedergeben können. • Die Fähigkeit zur Informationsverarbeitung ist begrenzt. Es werden mentale Ressourcen benötigt, die aber nur in begrenztem Ausmaß verfügbar sind. Der Aufmerksamkeitsprozess läuft dann folgendermaßen ab: Eine Botschaft muss zunächst die sensorischen Rezeptoren (Auge, Ohr etc.) ansprechen. Sie gelangt in sensorische Speicher, die spezifisch für jeden Sinn und in ihrer Kapazität fast unbegrenzt sind. Allerdings dauert die Speicherung nur sehr kurze Zeit an; wenn eine Information nicht zur weiteren Verarbeitung ausgewählt wird, geht sie verloren. Aus all der eingehenden Information aus dem sensorischen Speicher muss also eine Selektion erfolgen, damit sie für den darauf folgenden Prozess der Encodierung, der Schaffung einer mentalen Repräsentation des physikalischen Stimulus, bereitsteht. Diese Selektion kann kontrolliert oder automatisch erfolgen. Eine kontrollierte Selektion erfolgt dadurch, dass ein Rezipient seine Konzentration absichtsvoll auf eine Botschaft richtet, z. B. weil er einen Nachrichtenbeitrag zu einem bestimmten Thema sehen oder einen Film verfolgen will. Eine automatische Selektion erfolgt nichtintentional und unbewusst; die Aufmerksamkeit wird von Merkmalen der Medienbotschaft unwillkürlich angezogen. Lang führt aus, dass es zwei Arten von Stimuli gibt, die automatische Selektionsprozesse auslösen: Zum einen sind dies Informationen, die relevant für die Ziele und Bedürfnisse des Rezipienten sind; zum anderen Informationen, die auffällig sind, sich stark von der Umgebung abheben, sich verändern oder unerwartet auftauchen (Lang 2000). Auch für das Zeitungslesen sind solche Reize identifiziert worden, die unabhängig von der individuellen Interpretation regelmäßig Aufmerksamkeit auslösen. Hier sind es v. a. Layoutbestandteile, die entscheidend bestimmen, in welcher Reihenfolge Leser Artikel, Designelemente und Fotos in einer Zeitung beachten und rezipieren. Soweit Leser nicht gezielt nach bestimmten Elementen suchen, die sie z. B. gewohnheitsmäßig lesen, wie etwa Kolumnen, Cartoons etc., haben sie keine festen Punkte für den Einstieg in eine Seite. Vielmehr bestimmen visuelle Gestaltungsmerkmale, welchen Teilen 1 Das selektive Speichern von Information gehört zu den kognitiven Wirkungen von Medienbotschaften (d. h. Wirkungen, die das Wissen und Denken von Rezipienten betreffen) und werden im Kapitel 4.4.3 im Detail dargestellt. <?page no="353"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 354 einer Seite sich die Leser zuerst widmen: So werden Bilder vor Textteilen beachtet, mehrfarbige Bilder vor einfarbigen, Überschriften vor Fließtext (Garcia/ Stark 1991, S.-30f; Barmettler 1996, S.-275; Kroeber-Riel/ Weinberg 1998, S.-253ff). Begleiten solche formalen Merkmale wie Überschriften, Bilder, Grafiken einen Artikel, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch der Artikel beachtet und gelesen wird (Donsbach 1989, S.-395; Donsbach 1991; Graber 1988, S.-250). Auch inhaltliche Merkmale können überindividuell eine Selektion begünstigen: Nachrichtenfaktoren, wie sie aus der Kommunikatorforschung her bekannt sind, zeigen den Nachrichtenwert an, der einem Ereignis zugeschrieben wird. Sie können auf der Rezipientenseite einen guten Teil der Selektionsentscheidungen erklären, z. B. können Merkmale wie »Überraschung« und »Faktizität« die Beachtung eines Zeitungsartikels begünstigen (Donsbach 1991; Eilders 1997). Rainer Mathes etwa entwickelt ein mehrstufiges Modell der Zeitungsnutzung (Mathes 1995): Die erste Selektionsstufe ist die bloße Beachtung des Beitrags (Ansehen), die zweite die Nutzung von Kurzinformationen wie Überschrift oder Vorspann und die dritte die ausführliche Lektüre. Auch Doris A. Graber (1988) findet diese Mehrstufigkeit in ihrer Untersuchung zur Zeitungsrezeption wieder: Leser »scannen« die Zeitung nach Schlüsselworten, die ein individuell interessantes Thema anzeigen oder aber Relevanzanzeichen aus ihrer sozialen Umgebung enthalten, wenn das Thema z. B. Gesprächsstoff im Freundeskreis ist oder viel öffentliche Aufmerksamkeit erhält. Dies führt dann zu einer ausführlicheren Rezeption. 4.4.2.2 Gesuchte und erhaltene Wirkungen als Selektionserklärung Motive und Gratifikationen der Mediennutzung In den 1960er-Jahren entwickelte sich die Frage, welche Medieninhalte vom Publikum ausgewählt werden, außerhalb der Wirkungsforschung zu einer Perspektive mit eigenständigem Erkenntnisinteresse. Einer der Pioniere der Gratifikationsforschung, Elihu Katz, beschrieb diesen Wandel in der wissenschaftlichen Tagesordnung als Abkehr von der Frage »Was machen die Medien mit den Menschen« (»medienzentriert«, stellvertretend für die Wirkungsforschung) und Zuwendung zur Frage »Was machen die Menschen mit den Medien? « (»publikumszentriert«, stellvertretend für die Gratifikationsforschung) (Katz 1959, S.-2). Mit diesem »Paradigmenwechsel« ist keineswegs eine vollständige Revolution aller wissenschaftlichen Maßstäbe gemeint, etwa in dem Sinne, dass bisher verfolgte Fragen obsolet werden. Er bringt lediglich das Aufkommen einer Fragestellung mit eigenständiger Existenzberechtigung zum Ausdruck. Als grundlegende Veränderung wird das Bild der Rezipienten und ihrer Rolle im Kommunikationsprozess genannt: In den »medienzentrierten Ansätzen« begnügt sich die »Masse der Rezipienten - die Zuschauer, Hörer, Leser - […], ziel-, absichts- und interessenlos auf die Botschaften der Medien zu warten, um dann ›reagieren‹ zu können« (Renckstorf 1989, S.-317). In den »publikumszentrierten Ansätzen« hingegen handeln Rezipienten sinnvoll und zielgerichtet, indem sie unter Kenntnis ihrer Bedürfnisse und der entsprechenden Mittel gezielt Medien zu ihrem Vorteil nutzen. Diese Eigeninitiative und Emanzipation brachte dem Publikum in diesen Ansätzen das Attribut »aktiv« ein. Das publikumszentrierte Modell stellt kein geschlossenes theoretisches Programm dar, sondern besteht vielmehr aus einer Vielzahl von Ansätzen, die allerdings die folgenden theoretischen Prämissen gemeinsam haben (Renckstorf 1989, S.-319): 1) Das aktive Bild des Publikums: Das Publikum wählt aus dem Medienangebot zielgerichtet Inhalte aus, die ihm vor dem Hintergrund seiner subjektiv wahrgenommenen Interessen als nützlich erscheinen. <?page no="354"?> 4.4 Rezipientenforschung 355 2) Die Ziele und Absichten des Publikums stehen im Vordergrund und nicht diejenigen des Kommunikators. 3) Die Zuwendung zu Medienangeboten ist das zu erklärende Konzept und nicht deren Wirkung. Unter diesen Ansätzen können im Wesentlichen zwei Richtungen identifiziert werden: Die eine Richtung steht in der Tradition der funktionalen Analyse der Soziologie und bestreitet den größten Teil der Gratifikationsforschung. Vertreter sind die Klassiker des Uses-and-Gratifications-Approach: Katz, Blumler, Rosengren, Wenner, Palmgreen. Die andere Richtung modelliert den Rezipienten und sein Medienverhalten mithilfe des Symbolischen Interaktionismus und ist v. a. in Deutschland als »Nutzenansatz« verbreitet, mit seinen Hauptvertretern Renckstorf und Teichert. Der Uses-and-Gratifications-Approach Im Uses-and-Gratifications-Approach erklären grundlegende Bedürfnisse und Motive des Publikums selektive Mediennutzung. Verschiedene Ansätze innerhalb dieser Forschungsrichtung behandeln mit jeweils unterschiedlichem Schwerpunkt einen oder mehrere der folgenden Punkte (Katz/ Blumler/ Gurevitch 1974, S.-20): 1) die sozialen und psychologischen Ursprünge von 2) Bedürfnissen, die 3) Erwartungen generieren in Bezug auf 4) Massenmedien oder andere Quellen, die 5) zu unterschiedlichen Nutzungsmustern führen (oder anderen Tätigkeiten), die 6) Bedürfnisbefriedigung (»need gratification«) und 7) andere Konsequenzen nach sich ziehen. Elihu Katz, Jay G. Blumler und Michael Gurevitch (1974, S.-21f ) haben fünf Prämissen des Ansatzes formuliert: 1) Das Publikum ist aktiv: Es wird angenommen, dass ein großer Teil der Mediennutzung zielgerichtet ist und von den Erwartungen an Medieninhalte bestimmt wird. Aktivität ist ausschließlich als Selektivität konzipiert, nicht als kognitive Konstruktivität (Krotz 2001, S.-74). 2) Potenzielle Medienwirkungen werden durch die Selbstbestimmung des Rezipienten begrenzt: Einseitige Wirkungsvorstellungen, dass sich Medieninhalte linear auf die Meinungen und Einstellungen des Publikums auswirken, werden aufgehoben angesichts der Tatsache, dass der Rezipient über Rezeption oder Nichtrezeption entscheidet. 3) Medien konkurrieren mit anderen Quellen der Bedürfnisbefriedigung: Bedürfnisse selbst determinieren noch nicht, welche Mittel dafür eingesetzt werden müssen. Massenmedien sind daher nur eine Möglichkeit von vielen, eine »funktionale Alternative« (da sie die gleiche Funktion erfüllen), um Bedürfnisse zu befriedigen. 4) Menschen sind sich ihrer Interessen und Motive soweit bewusst, dass sie darüber Auskunft geben können oder sie zumindest, wenn sie in verständlicher Form vorgegeben sind, wiedererkennen können. 5) Die Publikumsorientierungen werden unter Rückbezug auf deren eigene Begrifflichkeiten untersucht - Urteile über die kulturelle Wertigkeit von Massenkommunikation seitens der Forscher sollten mit Rücksicht auf diese Zielsetzung außen vor bleiben. <?page no="355"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 356 In der empirischen Forschung stand das Zusammentragen und Prüfen der verschiedenen Gratifikationen in Bezug auf bestimmte Medien oder Medieninhalte immer im Vordergrund. Zwei Motivlisten haben durch ihren umfassenden Charakter besondere Bedeutung erlangt: McQuail/ Blumler/ Brown 1972 sowie Greenberg 1974. McQuail, Blumler und Brown z. B. entwickelten ihren Katalog in einer Gruppendiskussion und prüften ihn daraufhin in einer quantitativen Befragung. Sie fanden dabei die Dimensionen »Ablenkung/ Zeitvertreib«, »persönliche Beziehungen«, »persönliche Identität« und »Kontrolle der Umgebung« (McQuail/ Blumler/ Brown 1972, S.-155). Das Eskapismus-Konzept nimmt eine besondere Stellung in der Gratifikationsforschung ein: Es postuliert, dass Menschen Spannungen, die aus ihrer täglichen Rollenausübung in der Gesellschaft resultieren, mit dem Konsum eskapistischer Medieninhalte zu kompensieren versuchen (Katz/ Foulkes 1962). Solche Medieninhalte sind i. d. R. fiktional und lenken von der eigenen Situation insofern ab, als dass sie eine ganz eigene Welt darstellen. Die Menschen erhalten aus dem Medienkonsum kompensatorische Gratifikationen (vgl. Schenk 2007, S.-682). Während zu Anfang der Gratifikationsforschung noch keine Unterscheidung zwischen den Bedürfnissen, die zum Medienkonsum antreiben, und den Resultaten der Nutzung, also den befriedigten Bedürfnissen, gemacht wurde, wurde diese Unterscheidung mit dem GS/ GO- Modell eingeführt (Palmgreen/ Wenner/ Rayburn 1980). Dabei steht GS für »gratifications sought« (gesuchte Gratifikationen) und GO für »gratifications obtained« (erhaltene Gratifikationen). Die Differenz zwischen gesuchten und erhaltenen Gratifikationen kann zum einen den Programmmachern anzeigen, wie bedarfsgerecht das angebotene Programm ist; sie kann zum Zweck der Programmoptimierung im Sinne einer Anpassung an die Bedürfnisse des Publikums eingesetzt werden. Zum anderen können Selektionen von Mediennutzern damit prognostiziert werden: Die Differenz zwischen gesuchten und erhaltenen Gratifikationen kann verwendet werden, um die wahrgenommene Nützlichkeit einzelner Programme aus der Sicht eines individuellen Rezipienten vergleichbar zu machen. In theoretischer Hinsicht hat dasjenige Programm mit der geringsten Diskrepanz auf allen Gratifikationsdimensionen die höchste Chance, ausgewählt zu werden (Palmgreen/ Wenner/ Rayburn 1980). Eine weitere Präzisierung erhielt das GS/ GO-Modell mit dem Einbezug von Entstehungsfaktoren für die gesuchten Gratifikationen. In Anlehnung an die Erwartungs-Werttheorie von Fishbein/ Ajzen (1975) entwickelten Philip Palmgreen und J. D. Rayburn das Erwartungs-Bewertungs- Modell gesuchter und erhaltener Gratifikationen (Palmgreen 1984; Palmgreen/ Rayburn 1982 und 1985; Rayburn/ Palmgreen 1984). In diesem Modell entstehen die gesuchten Gratifikationen einerseits aus der subjektiven Erwartung, dass das betrachtete Medienobjekt eine bestimmte Eigenschaft besitzt oder eine bestimmte Folge nach sich zieht und andererseits aus der affektiven Bewertung dieser Eigenschaft oder Folge (Palmgreen/ Rayburn 1985, S.-63). Palmgreen und Rayburn nennen folgendes Beispiel für eine Konstellation aus Erwartung, Bewertung und gesuchten Gratifikationen: Wer »Informationen über aktuelle Themen und Ereignisse« positiv bewertet und auch erwartet, dass das Fernsehen solche Information bieten kann, wird motiviert sein, solche Informationen auch beim Fernsehen zu suchen. Welche Gratifikationen dann tatsächlich vom Fernsehen erhalten werden, hat eine Rückwirkung auf die Erwartungen und beeinflusst somit die folgenden Selektionsprozesse (Palmgreen/ Rayburn 1985, S.-64f ). Insbesondere an den beiden zuletzt dargestellten Modellen kristallisiert sich ein wichtiger Kritikpunkt an der Uses-and-Gratifications-Forschung heraus: Es stellt ein »rationalistisches« Konzept des menschlichen Verhaltens dar; in theoretischer Hinsicht kann man an Rational-Choice-Theorien in Psychologie und Soziologie anknüpfen (vgl. Simon 1993; Esser 1990 und 1999). Der Mensch, so wird angenommen, analysiert seine Bedürfnisse und evaluiert verfügbare Auswahloptionen (z. B. Mediennutzung vs. andere Tätigkeit, Fernsehen vs. Radio, ARD vs. RTL, Leitartikel vs. Feature, Schlagzeile vs. Artikel); aus diesen Optionen wählt er diejenige aus, von der er sich unter den gegebenen <?page no="356"?> 4.4 Rezipientenforschung 357 Umständen und mit seinem momentanen Kenntnisstand am meisten Nutzen verspricht. »Rationales Handeln« ist in diesem Kontext nicht als objektiv nutzenbringendstes Handeln zu sehen, sondern als subjektiv vernünftiges, das aus subjektiver Sicht nach Maßgabe bestimmter Handlungsmaximen den größten Nutzen verspricht. Bereits die Prämisse, dass die Rezipienten sich ihrer Bedürfnisse bewusst sind, ist problematisch. Weiterhin erscheint zweifelhaft, ob die treibenden Handlungsmaximen wirklich konstant bleiben und in jeder Situation gleichermaßen handlungsleitend wirken; Erwartungen, Bewertungen und gesuchte Gratifikationen werden als stabil und langfristig gültig betrachtet, was situative Faktoren aus der Handlungserklärung ausschließt (z. B. konkreter Informationsbedarf nach der Bundestagswahl, Müdigkeit, Stimmung). Warum jemand die Rezeption einer Sendung abbricht, ist mit langfristigen Präferenzen nicht erklärbar. In rationalen Handlungstheorien wird angenommen, dass die Handelnden über die verfügbaren Alternativen informiert sind und diese gründlich gegeneinander abwägen. Dieser aufwändige und zeitintensive Prozess ist bei einer alltäglichen und eher unwichtigen Handlung wie der Mediennutzung nicht sehr wahrscheinlich. Schließlich ist es nicht anzunehmen, dass nur außerhalb der Rezeption liegende Nützlichkeitserwägungen die Rezeption anleiten. Spieltheoretische und kulturtheoretische Ansätze verneinen eine ausschließlich externe Motivation und sehen den Grund für Mediennutzung in einem Rezeptionsvergnügen, einem spielerischen Motiv. Medienrezeption wird dabei als ästhetische Erfahrung oder kulturelle Handlung begriffen, die ihren Sinn in sich selbst hat und nicht erst in den Folgen (vgl. Vorderer 1992, S.-31). Wie andere Hobbys und Freizeitbeschäftigungen macht die Mediennutzung Spaß und bereitet Genuss - in diesem Sinne ist Medienrezeption ein Kommunikationsvergnügen (communication-pleasure; Stephenson 1967, S.-45f ). Ein anderes Handlungskonzept wendet sich gegen den beträchtlichen Aufwand in rationalen Modellen, der für das Informiertsein und die Entscheidung anfällt, sowie gegen eine stabile Handlungsmaxime: Das Framing-Konzept (vgl. Kap. 4.4.3.2) sieht kurzfristige Handlungsziele vor, die situativ vom Handelnden definiert werden; je nach Situation werden andere Handlungen als angemessen betrachtet (Esser 1990). So ist es möglich, dass ein Zuschauer nach einem harten Arbeitstag Ablenkung in einer Fernsehkomödie sucht, nach einem entspannten Sonntag aber einen anspruchsvollen Kunstfilm bevorzugt. Auch Umentscheidungen sind mit dem Framing gut erklärbar: Der aktuelle Frame wird in Interaktion mit den Fernsehinhalten ständig überprüft, revidiert oder neu definiert (vgl. Bilandži´ c 2002; auch Renckstorf [1989] berücksichtigt die Situationsdefinition in seinem theoretischen Entwurf ). 2 Der Nutzenansatz Der Nutzenansatz, von Will Teichert und Karsten Renckstorf in den 1970er-Jahren entwickelt, versucht den Grundgedanken eines aktiven Publikums mit dem Handlungsmodell aus der soziologischen Theorie des Symbolischen Interaktionismus weiterzuentwickeln (Renckstorf 1973 und 1989; Teichert 1972 und 1973). Der Ansatz stellt somit keine bloße Übertragung des Uses-and-Gratifications-Ansatzes ins Deutsche dar, sondern eine explizite theoretische Neuorientierung. Der wesent- 2 Die »klassischen« Anwendungsgebiete frametheoretischer Ansätze in der Kommunikationswissenschaft sind jedoch außerhalb der Rezeptionsforschung zu finden: Frames können journalistische Nachrichtenselektion sowie die Art der Darstellung erklären. Die Berichterstattung wiederum kann Rezipienten als Interpretationsrahmen dienen und die Bewertung der dargestellten Ereignisse sowie das Verhalten beeinflussen (Framing-Effekt; vgl. Iyengar 1991; Scheufele 1999; Scheufele/ Brosius 1999). <?page no="357"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 358 liche Unterschied ist, dass »Aktivität« wesentlich weit reichender konzipiert ist als im Sinne einer Selektivität, wie sie der Uses-and-Gratifications-Ansatz postuliert. Vielmehr wird der Rezipient auch im Sinne einer »kognitiven Konstruktivität« aktiv: Der Mediennutzer weist einer Medienbotschaft eine bestimmte Bedeutung zu, interpretiert sie, erst dann erlangt sie für ihn eine Relevanz und wird verstanden. »Jedenfalls stellen die von den Medien angebotenen Aussagen und Inhalte keine ›Stimuli‹ per se dar, sondern - interpretationsbedürftige - ›Objekte‹, die […] sorgsam wahrgenommen, thematisiert und diagnostiziert werden« (Renckstorf 1989, S.-330). In diesem Sinne ist der Kommunikator zwar der objektive Produzent einer Botschaft, der Rezipient aber sein subjektiver Gegenpart, zumal erst dessen Bedeutungszuweisungen die relevante Botschaft generieren (Renckstorf 1989, S.-331 und 1973, S.-190). Dies ist eine der Grundfesten der Theorie der Symbolischen Interaktion: Menschen orientieren sich in ihrem Handeln und Denken nicht an den physikalischen Reizen selbst, sondern an der Interpretation, die sie den physikalischen Reizen zuschreiben. Die Interpretation ist dabei nicht willkürlich von Individuum zu Individuum verschieden, sondern orientiert sich an den Konventionen und dem gemeinsamen Wissensvorrat der Gesellschaft (Renckstorf 1989, S.-330f ). Ein weiterer wichtiger Aspekt, der eng mit der Interpretationsleistung zusammenhängt, ist die Situationsdefinition: Der Mensch nimmt laufend eine Diagnose seiner aktuellen Situation vor (Renckstorf 1989: 330): Was ist zu tun? Was ist zu entscheiden? Welche Möglichkeiten gibt es? Damit ist ein großes Problem der Usesand-Gratifications-Forschung behoben: Dem Rezeptionsprozess wird eine Dynamik zugestanden, die Umentscheidungen des Rezipienten auf theoretischer Ebene zulässt und erklärbar macht. Die Diagnose der Situation erlaubt es, neben einer bewussten und ausführlichen (»rationalen«) Beschäftigung mit einem Medieninhalt auch eine routinemäßige, schnelle Verarbeitung vorzusehen, wenn nämlich die Situation geläufig ist und in diesem Sinne ein »unproblematisches Problem« darstellt (Renckstorf 1989, S.-329f ). Stimmung Ein weiterer Effekt, den Rezipienten durch die Mediennutzung zu erreichen versuchen, ist die Regulierung ihrer Stimmung. Die »Mood-Management«-Hypothese postuliert, dass Stimmungen gezielt durch Selektion von Medieninhalten in einem für das Individuum angenehmen Bereich gehalten oder gebracht werden (Zillmann 1988a und 1988b; Zillmann/ Bryant 1984). Zu Grunde liegt die hedonistische Annahme, dass Menschen grundsätzlich danach streben, schlechte Stimmungen zu beseitigen und gute Stimmungen aufrechtzuerhalten. Menschen würden sich internen und externen Stimuli so aussetzen, dass schlechte Stimmungen minimiert und gute maximiert werden (Zillmann 1988a, S.-328). Stimmungen hängen im Mood-Management-Konzept stark mit der physiologischen Erregung zusammen. Eine hohe Erregung, z. B. durch Angst, Wut oder Überstimulation, hat für das Individuum Stress zur Folge. Zu niedrige Erregung, »Unterstimulation«, wird als Zustand der Langeweile erlebt. Menschen empfinden beide Extreme als aversiv und streben danach, die Erregung in einen mittleren, angenehmen Bereich zu bringen, indem im einen Fall (Stress) das Wahrnehmen weiterer erregungssteigernder Reize vermieden wird und im anderen Fall (Langeweile) erregende Reize aktiv gesucht werden (Zillmann 1988a, S.- 332f ). Wird das Fernsehen als Mittel der Stimmungsregulierung benutzt, so würden sich gelangweilte Menschen demnach eher anregenden Medieninhalten (z. B. Thriller, Erotikfilme) zuwenden, während gestresste Menschen eher reizarme Inhalte bevorzugen (z. B. Tierdokumentationen). <?page no="358"?> 4.4 Rezipientenforschung 359 Dieses Verhalten muss den Menschen nicht bewusst sein: Zunächst ist es Zufall, welchen Reizen (z. B. welchem Fernsehprogramm) ein Mensch in guter oder schlechter Stimmung ausgesetzt ist. Wird dabei zufällig eine schlechte Stimmung gelindert, so wird eine Gedächtnisspur angelegt, die es wahrscheinlicher macht, dass ein ähnliches Fernsehprogramm wieder genutzt wird (Zillmann 1988b, S.-148). Um die Mood-Management-Annahme zu prüfen, wurden i. d. R. Laborexperimente durchgeführt, in denen eine Experimentalgruppe gestresst (z. B. durch Zeitdruck bei Rechenaufgaben oder unlösbare Aufgaben) und eine andere in den Zustand starker Unterforderung versetzt wurde (z. B. durch monotone Tätigkeiten). Die Probanden durften im Anschluss fernsehen und sich eine Sendung frei aussuchen. Die verfügbare Auswahl an Programmen wurde ohne Wissen der Probanden von einem Videorekorder eingespeist und enthielt anregende und beruhigende Sendungen (Zillmann 1988a, S.-333). In vielen solcher und ähnlicher Experimente konnte der Effekt stabil bestätigt werden (für einen Überblick vgl. Zillmann 1991). Die Mood-Management-Hypothese wurde ergänzt durch Ansätze, die ebenfalls eine stimmungsbasierte Selektion annehmen, aber die hedonische Annahme relativieren, dass Menschen immer nach angenehmen Stimmungen trachten. So kann mit Hilfe von Medien die Stimmung den Anforderungen der Situation entsprechend angepasst werden (»Mood Adjustment«, Knobloch 2003; Knobloch-Westerwick/ Alter 2006); auch negative Emotionen können unter bestimmten Umständen von Rezipienten angestrebt werden (»sad film paradox« und »eudaimonic motivations«, Hofer/ Wirth 2012; Oliver 1993; Oliver/ Bartsch 2010; Oliver/ Raney 2011; Wirth/ Hofer/ Schramm 2012). 4.4.2.3 Rezeptionsqualität Involvement Die Intensität, mit der sich ein Rezipient mit der Medienbotschaft auseinandersetzt, kann sehr unterschiedlich ausfallen. Ein Konzept, das diese Intensität beschreiben kann, ist das Involvement-Konzept (für einen umfassenden Überblick s. Wirth 2006). Involvement drückt die Betroffenheit des Rezipienten von der Medienbotschaft oder seine Ich-Beteiligung aus (Donnerstag 1996, S.-48). Ein hohes Involvement liegt vor, wenn Rezipienten viele Verbindungen zwischen der Medienbotschaft und ihrem eigenen Leben herstellen können (Krugman 1965, S.-355; Levy/ Windahl 1985, S.-112). Dies ist dann möglich, wenn ein Thema ihnen persönlich wichtig erscheint oder ganz konkrete Konsequenzen für das eigene Leben hat (Petty/ Cacioppo 1981, S.- 107). Involvement kann einerseits die Erklärung für die Selektion von Medieninhalten sein, da Medienbotschaften umso eher rezipiert werden, wenn sie die eigene Person betreffen. Andererseits kann auch die Wirkung der Medienbotschaft modifiziert werden: Je involvierter der Rezipient bei der Rezeption ist, umso besser wird die Information verarbeitet und später auch erinnert (Donnerstag 1996, S.-142). Ursprünglich aus der Konsumentenpsychologie stammend, erreichte das Involvement-Konzept in den 1980er-Jahren auch die Kommunikationswissenschaft, wo es als selektionsauslösendes Motiv in Uses-and-Gratifications-Modelle eingebaut wurde (Donnerstag 1996, S.-24f ). Krugman (1965) bezieht das Involvement-Konzept auf Werbewirkung. Er geht davon aus, dass Werbung tendenziell unerwünscht ist und nicht involviert. Information, die nicht involviert, wird nur schlecht behalten und kann daher keinen direkten Effekt zeitigen, etwa eine positive Einstellung zum Produkt oder sogar den Kauf. In Krugmans »Low-Involvement-Modell« hingegen erfolgt durch eine Werbebotschaft zunächst eine graduelle Veränderung in der Wahrnehmungsstruktur, d. h. dass sich Konsumenten der Exi- <?page no="359"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 360 stenz des beworbenen Produktes bewusst werden. Dieses oberflächliche Wissen über das Produkt wird dann in einer konkreten Konsumsituation aktiviert - es kommt zum Kauf. Eine Einstellung, die in klassischen Modellen der Werbewirkung immer vor einer Verhaltensänderung kommt, wird erst nach dem Kauf ausgebildet (Krugman 1965, S.-355). Petty und Cacioppo integrieren das Involvement-Konzept in ein Informationsverarbeitungsmodell und erklären den Einfluss unterschiedlicher Verarbeitungsmodi auf Einstellungsveränderungen nach der Medienrezeption: Ist der Rezipient vom Thema involviert, so investiert er mehr Mühe, die Botschaft zu verstehen, sich mit den Argumenten auseinander zu setzen, kurz: sie zu elaborieren. Dies ist die »zentrale Route« bei der Verarbeitung. Hier spielen die Argumente der Botschaft und inhaltliche Aspekte eine große Rolle, ob jemand seine Einstellung ändert oder nicht. Die »periphere Route« hingegen wird genommen, wenn der Rezipient wenig involviert ist; Information wird nur oberflächlich verarbeitet, Argumente werden nicht wirklich abgewogen. Von Bedeutung sind hier eher nichtinhaltliche Faktoren wie die Anzahl der Argumente, die Attraktivität des Kommunikators, visuelle und akustische Darstellung oder Mimik (Petty/ Cacioppo 1981 und 1986). Parasoziale Interaktion und parasoziale Beziehungen Ebenfalls die Rezeptionsqualität betrifft die »Interaktion« mit Medienpersönlichkeiten, insbesondere mit Fernsehpersonen. Donald Horton und Richard Wohl entwickelten das Konzept der Parasozialen Interaktion bereits 1956. Es geht davon aus, dass die Wahrnehmung von Fernsehpersonen ähnlich abläuft wie die Wahrnehmung echter Menschen im realen Umfeld. Folglich sind auch die Reaktionen auf Fernsehpersonen ähnlich und können vergleichbare soziale Folgen haben. Insbesondere das Fernsehen mit seiner spezifischen Angebotsweise ist geeignet, Prozesse der parasozialen Interaktion hervorzurufen (Horton/ Wohl 1956, S.-215ff). Sendungen und Genres, die dem Zuschauer explizit ein Rollenangebot zur »Interaktion« machen, sind hier besonders hervorzuheben: Nichtfiktionale Sendungen wie Shows oder Nachrichten stellen Moderatoren und Sprecher (»personae«) in den Vordergrund, die die Zuschauer ausdrücklich als solche ansprechen und überhaupt ihr gesamtes kommunikatives Handeln auf sie ausrichten (Horton/ Wohl 1956, S.- 216). Reagiert der Zuschauer mit einer adäquaten Rollenübernahme, geht er also dieses »Interaktionsangebot« ein, findet parasoziale Interaktion statt (Gleich 1997, S.-38). Im Prinzip funktioniert dies auch bei fiktionalen Sendungen, auch wenn hier eine direkte Ansprache des Zuschauers nicht stattfindet. Dennoch kann man sagen, dass die »Bedürfnisse, Wünsche und Motive, Einstellungen, Erwartungen und Normen [der Rezipienten] implizit mitgedacht sind« (Gleich 1997, S.-60) und die Zuschauer durch die Beobachtung der medial vermittelten sozialen Situation in eine parasoziale Interaktion treten. Wiederholte Erlebnisse parasozialer Interaktion können, wenn sie für die Zuschauer befriedigend verlaufen sind, in die Entstehung parasozialer Beziehungen münden. Die »gemeinsamen« Erlebnisse und das geteilte Wissen lassen beim Zuschauer die Illusion entstehen, dass er die Fernsehperson wie eine Person seines natürlichen Umfeldes kennt (Horton/ Wohl 1956, S.-228). Uli Gleich modelliert den Zusammenhang zwischen parasozialen Interaktionen und Beziehungen in einem Kreis-Prozess-Modell parasozialer Beziehungen; er nimmt an, dass der aktuelle Zustand einer Beziehung von vorhergehenden Interaktionen bestimmt ist und gleichzeitig die folgenden Interaktionen determiniert (Gleich 1997, S.-73f ). Von der parasozialen Interaktion, die während der Rezeption stattfindet, unterscheidet man länger andauernde, auch außerhalb der Rezeptionssituation existierende parasoziale Beziehungen (Vorderer 1998). Tilo Hartmann, Holger Schramm und Christoph Klimmt (2004) legen das »Zwei-Ebenen-Modell parasozialer Interaktionen« vor, das parasoziale Interaktion als einen Prozess während der Rezep- <?page no="360"?> 4.4 Rezipientenforschung 361 tion betrachtet, der in seiner Intensität variieren kann. Zunächst einmal müssen die Medienpersonae wahrgenommen werden; dabei werden sie sozialen Kategorien zugeordnet und nach verschiedenen Kriterien bewertet (z. B. Attraktivität). Diese erste Bewertung bestimmt, ob Rezipienten eine parasoziale Interaktion mit den Medienpersonae eingehen. Dabei kann die Intensität zwischen zwei Polen variieren: Der Low-Level-PSI mit einer wenig intensiven Beschäftigung mit der Medienpersona und der High-Level-PSI mit einer intensiven Auseinandersetzung. Unterhaltung und Rezeptionsgenuss Gegen die Ansicht, dass allein »äußere« Gründe für Medienrezeption verantwortlich sind, richten sich Positionen, die das Unterhaltungserleben und das Vergnügen während der Rezeption in den Vordergrund stellen. Die Cultural Studies, die einen kultursoziologischen und kritischen Ansatz der Medienrezeption darstellen (Morley 1992; Fiske 1987) und sich als alternativer Ansatz zur gängigen Wirkungsforschung verstehen, thematisieren Rezeptionsvergnügen ausführlich. Im Prozess der Rezeption wird der Rezipient als gleichberechtigter Akteur neben dem »Text« (als Oberbegriff für kulturelle Artefakte, unabhängig davon, ob in Bild, Ton oder Schrift; vgl. Krotz 1995, S.-249) und seinem Produzenten gesehen: Ein Medieninhalt muss erst von einem Rezipienten interpretiert werden, bevor er eine Rolle in der Rezeption spielen kann. Diese Interpretation (»Lesart«) ist aber nicht bei jedem Leser gleich: Ein Text kann ein bestimmtes Verständnis oder eine Interpretation der enthaltenen Information (»Lesart«) nahe legen, sie jedoch nicht völlig determinieren. Stuart Hall unterscheidet drei Lesarten: Eine dominante, die der Interpretation des Kommunikators entspricht; eine oppositionelle, bei der der Rezipient den Text entgegengesetzt zur dominanten Position liest; sowie eine verhandelte, bei der der Leser zwar die dominante Lesart anerkennt, in bestimmten Fällen aber dennoch oppositionell decodiert (Hall 1980, S.-136f ). Rezeption wird stets als in die Alltagskultur eingebettet gesehen: »Das Lesen eines Textes in einer Zeitung ist zwar auch Informationsaufnahme, aber eben auch ein dramatischer und ritualisierter Akt […], in dem gesellschaftliche, kulturelle und subkulturelle Normen und Werte thematisiert und reproduziert werden« (Krotz 1995, S.-249). John Fiske (1987) betont insbesondere die Möglichkeit oppositioneller Lesarten und geht von einem aktiven Publikum aus, das, statt sich der dominanten Lesart anzuschließen, sich seine eigene Bedeutung aus den Medientexten konstruiert. Der Text sei dafür ausreichend offen, polysemisch, und erlaube eine »semiotic democracy« (Fiske 1987). In diesem Widerstand aber liegt nach Fiske das eigentliche Vergnügen, das es dem Zuschauer erlaubt, den »hegemonialen Diskursen« zu entkommen (Hepp 1998, S.-102). Bei seiner Konzeptualisierung von Vergnügen greift Fiske auf Überlegungen von Roland Barthes zurück: Dieser unterscheidet zwischen »plaisir« (Vergnügen) und »jouissance« (Genießen). Mit plaisir ist eine Art intellektuelles Vergnügen am Text gemeint. Der Leser ist vertraut mit den relevanten kulturellen Mustern und erkennt diese oder seine Variationen im Text wieder, was das Gefühl des plaisir hervorruft. Auf diese Wiese kann z. B. die Machart eines Textes Vergnügen bereiten. Im Gegensatz dazu ist die jouissance ein außerordentliches, unmittelbares und »körperliches« Erleben von Lust am Text, ohne kulturelle Voraussetzungen. Beispiele dafür sind Emotionen wie etwa Angst, Wut, Schmerz (Hepp 1998, S.-101f ). Aus einer völlig anderen, psychologischen Tradition stammt die Forschung zum Phänomen »Spannung« und, damit zusammenhängend, Rezeptionsgenuss (für einen Überblick siehe Vorderer 1997). Dolf Zillmann sieht Spannung als eine Erfahrung der Unsicherheit, die durch die empathische Teilnahme am Schicksal der Protagonisten entsteht. Voraussetzung für das Auftreten von Spannung ist dabei, dass der Protagonist dem Publikum sympathisch erscheint und der positive Ausgang zumindest unsicher ist (Zillmann 1996). Nach Noel Carroll entsteht Spannung nicht wegen der Fernseh- <?page no="361"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 362 figuren, sondern in erster Linie durch die Moral einer Geschichte: Spannung entsteht dann, wenn die Rezipienten befürchten, das »Gute« könnte verlieren und das »Böse« gewinnen (Carroll 1996). Damit sind die Bedingungen für Spannung in zwei verschiedenen Ansätzen beschrieben; warum Rezipienten sich aber diesem eigentlich belastenden Erlebnis aussetzen wollen, das mit Angst, zumindest mit Stress verbunden ist, kann durch einen weiteren Ansatz Zillmanns erklärt werden: Er übertrug den Excitation-Transfer-Ansatz, der aus der Gewaltforschung bekannt ist, auf die Spannung. Während der Rezeption wird der Zuschauer physiologisch aktiviert; diese unspezifische Aktivierung wird nicht von vornherein als ein bestimmtes Gefühl empfunden, sondern muss erst vom Zuschauer interpretiert werden. Mündet der Film in ein positives Ende, so empfindet der Zuschauer dies als Erleichterung. Die restliche Aktivierung, die zu diesem Zeitpunkt noch vorhanden ist, wird dann ebenfalls als positives Gefühl interpretiert - die Erregung wird »verlagert« (daher excitation transfer) wodurch das Gefühl stärker ausfällt, als es von einer nicht erregten Ausgangsposition möglich wäre (Zillmann 1983). Im letzten Jahrzehnt hat sich auch eine rege Forschungstätigkeit um das Unterhaltungserleben und das »Enjoyment« (Rezeptionsgenuss) entwickelt (siehe z. B. Bryant/ Vorderer 2006; Nabi/ Krcmar 2004; Shrum 2004; Tan 2008; Vorderer/ Klimmt/ Ritterfeld 2004). Enjoyment wird grundsätzlich verstanden als eine genussvolle, positive Reaktion auf Mediennutzung (Raney 2003), die sich aus der Wahrnehmung von formalen und inhaltlichen Merkmalen sowie den eigenen kognitiven und affektiven Reaktionen auf die Medienbotschaft speist (Bilandžić/ Busselle 2011; Nabi/ Krcmar 2004; Raney 2003). Nicht alle Medieninhalte eignen sich für Enjoyment, etwa traurige oder ernste Formate. Bei solchen Inhalten spricht man bei einer positiven Beurteilung eher von »Appreciation« (z. B. Oliver/ Bartsch 2010), einer Würdigung oder Wertschätzung. Transportation und Präsenz Wie Involvement stellen auch Transportation und Präsenz intensive Medienerlebnisse dar. Im Unterschied zu ersterem jedoch gibt es bei Transportation und Präsenz nicht notwendigerweise einen Ich- Bezug oder eine persönliche Relevanz. Transportation beschreibt die völlige Versunkenheit in einen Medieninhalt, der gekennzeichnet ist von einem lebhaften, unmittelbaren Erleben der präsentierten Ereignisse, Personen und Orte. Das eigene Selbst und die Umwelt sind dabei ausgeblendet. Transportation ist der spezifische Zustand bei der Rezeption von Geschichten - Büchern, Filmen, Serien, etc. (Green/ Brock 2000, 2002). Die mentale Kapazität wird auf die Ereignisse der Narration fokussiert; die Rezipienten reagieren emotional auf die Figuren und die Handlung und konstruieren lebhafte mentale Bilder aus der Textvorlage der Geschichte. Transportation begünstigt Lernen von Fakten aus der Geschichte und die Veränderung von Einstellungen (zum Überblick siehe Bilandžić/ Busselle 2013; Glaser/ Garsoffky/ Schwan 2009). Vor allem das emotionale narrative Erleben ist für Effekte wichtig (Busselle/ Bilandžić 2009). Präsenz hingegen stammt aus der Forschung zur virtuellen Realität, zu computervermittelter Kommunikation und Videospielen (Bracken/ Skalski 2010) und drückt die Wahrnehmung aus, in einer medienvermittelten Umgebung anwesend zu sein, ohne ein dazwischengeschaltetes Medium (»being there« oder auch »perceptual illusion of nonmediation«, Lombard/ Ditton 1997). Präsenz kann viele Facetten haben, die das Konzept auch in die Nähe andererer Erlebensarten wie Transportation bringen; im Kern befindet sich jedoch die klar definierte Variante als »räumliche Präsenz« (»spatial presence«) (Hartmann et al. im Druck; Hofer et al. 2012; Schubert 2009; Wirth et al. 2007). Gängige Modelle, wie Präsenz entstehen kann, betonen die alternative Wahrnehmung von Hinweisreizen aus der Umwelt und der medienvermittelten Umgebung. Da Menschen nur in einer <?page no="362"?> 4.4 Rezipientenforschung 363 der beiden Umgebungen handeln können, müssen sie eine auswählen, in der sie agieren und Reize verarbeiten können. Diese Auswahl manifestiert sich in einer Wahrnehmungs- und Interpretationshypothese, die ständig überprüft wird. Präsent ist man dann, wenn keine inkonsistenten Hinweisreize wie etwa Umgebungsgeräusche der Hypothese widersprechen, dass man im virtuellen Raum präsent sei (Slater 2002; Slater/ Steed 2000). Ähnlich argumentieren Werner Wirth et al. (2007), die die Selbstlokalisation (Wahrnehmung, in der medienvermittelten Welt anwesend zu sein) und die wahrgenommenen Handlungsmöglichkeiten als grundlegende Dimensionen der räumlichen Präsenz sehen. In einer Medienumgebung wird zunächst einmal ein räumliches Situationsmodell konstruiert - eine mentale Vorstellung von der räumlichen Beschaffenheit. Die reale und die mediale Umgebung konkurrieren nun darum, den primären Referenzrahmen zu stellen, also den dominanten Interpretationsrahmen für die Wahrnehmung. Wenn das mentale Modell der medialen Umgebung dominant ist, wird Präsenz empfunden. 4.4.2.4 Medienrezeption, Kultur, Alltag Kultursoziologische Ansätze vertreten die Ansicht, dass die Medienrezeption nicht kontextlos als Interaktion zwischen Rezipient und Medieninhalt betrachtet werden kann. Medien sind Teil des Alltags und in diesen Alltag eingebettet (Krotz 1995, S.-247f ). Ein viel zitiertes Beispiel des Kulturwissenschaftlers Hermann Bausinger verdeutlicht dies: In einer von Bausinger beobachteten Familie sieht die Mutter mit dem Sohn gemeinsam fern. An der Sendung ist sie nicht interessiert - das gemeinsame Fernsehen bietet ihr aber die Möglichkeit, mit dem Sohn zusammen zu sein und zu kommunizieren (Bausinger 1984). Eine solche Einbettung der Medienrezeption in den Alltag und die umgebende Kultur nehmen die Cultural Studies vor (Morley 1992; Ang 1991; vgl. Kap. 5.3.3). Livingstone und Das (2013) heben als ein Wesensmerkmal der kulturorientierten Rezeptionsforschung hervor, dass die Interpretation von Rezipienten nicht aus der Kenntnis der Medienvorlage alleine abgeleitet werden kann, denn Sinn wird erst im und durch den Menschen generiert; zudem ist die Interpretation situationsspezifisch und sozial verankert. Grundlegend ist also diese konstruktive Sichtweise der Rezeption: Ein Text (ein mediales Produkt) wird zunächst vom Rezipienten vor dem Hintergrund seines kulturellen Wissens und seiner Erfahrungen interpretiert; »der emittierte Text ist nur ein Vorprodukt, eine Art aktualisierte Konserve, und erst der ›gelesene‹ und wie auch immer verstandene Text ist in der Rezeptionsforschung von Bedeutung, denn darin konstituiert er sich erst als soziale Tatsache« (Krotz 1995, S.-249). Dies hat den Satz »Texts are made by their readers« geprägt (Krotz 1997, S.-75). Die Interpretation des Textes ist jedoch nicht völlig frei: Der Text ist zwar offen, legt jedoch immer eine bestimmte Bedeutungskonstruktion nahe; Hall spricht in seinem Encoding/ Decoding-Modell von »preferred readings« (Hall 1980, S.-134). Auch Morley verwirft die »naive Vorstellung von einer vollständigen Offenheit von Texten« (Morley 1996, S.-47). Die Kultur wird in diesem Ansatz nicht als Hochkultur verstanden, sondern weiter gefasst als »›whole way of life‹, also das symbolisch Geprägte und Prägende des gesellschaftlichen Lebens« (Krotz 1995, S.-247). Die Interpretation von Texten ist durch die so verstandene Kultur maßgeblich geprägt (was die interpretative Freiheit weiter einschränkt): »Leser und Leserinnen beziehen sich auf gesellschaftliche Diskurse […], sie zitieren diese gewissermaßen als Interpretationsfolie und rezipieren den Text dadurch« (Krotz 1995, S.-78). Die doppelte Artikulation von Medien ist dabei ein entscheidender Gedanke: Zum einen steht das Medium für einen Inhalt, dessen Bedeutung von Menschen konstruiert und ausgehandelt werden kann, zum anderen ist es auch ein Objekt, dessen Präsenz die räumliche Struktur des Wohnbe- <?page no="363"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 364 reiches verändert und den Status einer Person indizieren kann, also im weitesten Sinne zwischenmenschliche Beziehungen tangiert (Livingstone 2007; Silverstone 1994). Besonderes Augenmerk legten die kulturell orientierten Ansätze auf die Veränderungen in der Medienlandschaft und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen, im Wesentlichen den Übergang von einer Massengesellschaft (und Massenmedien) zu einer Netzwerkgesellschaft (und vernetzter, partizipativer Kommunikation) (Livingstone 2012). Mit der Aufhebung der strikten Rollenteilung von Kommunikator und Rezipient durch die Möglichkeiten des Web 2.0 kamen auch Zweifel an der Kategorie des Publikums auf - ob das Publikum nun tot ist (Jermyn/ Holmes 2006) oder seine Aktivität in der Mischkategorie »produsage« zwischen production und usage (Bruns 2008) aufgeht. Ridell (2012) schlägt in der Tradition von Fiske (1992) vor, die Rollenbezeichnungen gänzlich zu verlassen und stattdessen die Tätigkeit zu betonen - »audiencing« (lesen, sehen, hören) finde immer noch statt, wenn sich jemand einen Artikel auf einem Newsportal durchliest oder ein Video auf YouTube ansieht. Die strukturanalytische Rezeptionsforschung stellt einen ähnlich konstruktivistischen und kulturgebundenen Ansatz dar: In einer Rezeptionssituation setzt sich ein Rezipient, der in eine soziale Situation eingebettet ist und über ein bestimmtes individuelles Vorwissen und Erfahrungen verfügt, mit einem medialen Angebot auseinander. Dabei interessiert v. a., welche Aspekte des Alltags in die Rezeption eingebracht (z. B. Auswahl von Angeboten, die mit der eigenen Lebenssituation in Verbindung stehen) und welche wiederum aus der Rezeption in den Alltag eingebracht werden (Anwendung von medialen Konfliktlösungsmustern im Alltag) (Charlton 1997, S.-22ff). In diesem Sinne wird untersucht, welche Rolle Medien für die Lebensbewältigung und Identitätsbildung spielen (Aufenanger 1994, S.-403). Mit diesem Forschungsinteresse steht die strukturanalytische Rezeptionsforschung am Schnittpunkt zwischen Rezeptions- und Wirkungsforschung. 4.4.2.5 Verarbeitung von Medieninformationen Kognitionspsychologische Grundlagen Die aktive Auseinandersetzung des Rezipienten mit der Medienbotschaft sowie die menschliche Informationsverarbeitung sind ein weiteres zentrales Gebiet der Rezeptionsforschung. Eine Medienbotschaft wird durchaus nicht von allen Menschen in der gleichen Weise und auch nicht unbedingt in der vom Kommunikator intendierten Bedeutung verstanden; das Verstehen einer Medienbotschaft ist, wie erwähnt, ein aktiver, konstruktiver Prozess, bei dem der Rezipient die Information aus der Medienbotschaft mit seinem Vorwissen verknüpft, sie auf diese Weise versteht und in den eigenen Wissensbestand integriert. Die Zuteilung von Aufmerksamkeit, die Wahrnehmung sowie die Informationsverarbeitung durch den Rezipienten hängen einerseits von der Beschaffenheit des Reizes ab und andererseits von den Voraussetzungen, die der Rezipient mitbringt, etwa den Vorerfahrungen, Erinnerungen, thematischen Vorlieben und Interessen (Castells/ Green 1995). Diese Interaktion kennzeichnet ganz allgemein die Informationsverarbeitungsperspektive (Anderson 2007; Lang 2009; Solso/ MacLin/ MacLin 2008). Grundlegend für alle diese Prozesse ist der Abgleich des neuen Reizes mit bereits bekannten und im Gehirn gespeicherten Informationen. Neu eintreffende Reize werden nicht eins zu eins im Gedächtnis abgelegt, sondern erfahren eine Reihe von Modifikationen. Zunächst findet eine Encodierung statt, die »Übersetzung eintreffender Reizenergie in einen einzigartigen neuralen Code, den das Gehirn verarbeiten kann« (Zimbardo 1995, S.-314). Ein Erkennen und Verstehen des Reizes ist <?page no="364"?> 4.4 Rezipientenforschung 365 dadurch möglich, dass die mentale Repräsentation des Reizes mit bereits bestehenden Mustern im Gedächtnis verglichen wird. Dieser Vorgang wird Klassifikation genannt. Ein prominentes Modell, wie solche Klassen ähnlicher Information organisiert sind, ist die Schematheorie (Bartlett 1932). Schemata bezeichnen kognitive Strukturen, die zusammenhängendes Wissen zu einem thematischen Bereich oder Konzept vereinfacht repräsentieren; sie dienen dazu, einkommende Information zu selektieren, zu interpretieren (handlungsanleitende Funktion) und zu speichern (Speicherfunktion) (Brosius 1991; Banyard/ Hayes 1995, S.-135). Wissensstrukturen weisen Verbindungen zueinander auf, sodass das menschliche Gedächtnis als ein Netzwerk von Bedeutungseinheiten gesehen werden kann (Ballstaedt et al. 1981, S.- 23f ). Ein Abruf aus dem Gedächtnis aktiviert die entsprechenden Knotenpunkte des Wissens. Werden Knoten häufig zusammen aktiviert, so werden die Verbindungen zwischen ihnen gestärkt und die Erinnerung eines Konzepts bei Abruf des anderen wahrscheinlicher gemacht (Fiske/ Taylor 1991, S.-297). Es gibt in einem solchen Modell des Gedächtnisses als assoziatives Netzwerk keine strenge Unterscheidung zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis: Das Kurzzeitgedächtnis (auch »Arbeitsspeicher« genannt) besteht aus den gerade aktivierten Erinnerungen. Das Langzeitgedächtnis besteht aus den nichtaktivierten Erinnerungen. Je mehr jemand über die gerade rezipierte Botschaft nachdenkt, umso mehr Verbindungen werden zwischen der neuen und der bereits gespeicherten Information gemacht (Lang 2000, S.-49f ). Die Prozesse, die zwischen dem Reiz und allen Wissensbeständen des Rezipienten ablaufen, können grob in »Top-down-Prozesse« und »Bottom-up-Prozesse« unterteilt werden (Neisser 1976, S.-21f ). Bei Top-down-Prozessen wird die Wahrnehmung von höheren Prozessen, wie z. B. dem Vorwissen, geleitet. Bei Bottom-up-Prozessen wird die Wahrnehmung von Reizcharakteristika geleitet. Die Wahrnehmung jedoch wird nicht ausschließlich vom einem dieser Prozesse bestimmt; vielmehr findet eine Interaktion aus beiden statt, bei der sich der Schwerpunkt von einem zum anderen Prozess dynamisch verlagern kann (Cassells/ Green 1995, S.-77f ). Nachrichtenrezeption Ein wichtiges Anwendungsgebiet der Informationsverarbeitung ist die Forschung zur Rezeption von Nachrichten. Der Umgang mit Medieninhalten kann ähnlich wie die Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen der uns umgebenden Realität modelliert werden. Auch hier ist eine Eins-zu-Eins-Abbildung der Information (Nachrichten) im Rezipienten unrealistisch. Nachrichten treffen immer auf einen Rezipienten, der über ein gewisses Weltwissen und individuelle Interessen verfügt; die Wahrnehmung neuer Inhalte erfolgt stets vor dem Hintergrund dieser »semantischen Strukturen«, in denen das Wissen über unsere Umwelt und ihre Funktionsweise organisiert ist (Brosius 1995, S.-101). Ein Beispiel für solche semantischen Strukturen sind Schemata. Doris A. Graber (1988) hat die Schematheorie für die Untersuchung der Nachrichtenrezeption nutzbar gemacht. Sie identifiziert vier Hauptfunktionen von Schemata: 1) Sie bestimmen, welche Informationen wahrgenommen, verarbeitet und gespeichert werden. 2) Neue Information wird mit ihrer Hilfe organisiert und bewertet und in die bestehende Wissensstruktur eingebettet. 3) Verstehen wird nicht zuletzt durch Inferenzen ermöglicht, die aus der Kombination von Stimulus und im Schema organisiertem Wissen gemacht werden können. 4) Schemata sind schließlich auch nützlich, um die Handlungsrelevanz einer Mitteilung abzuschätzen und eine angemessene Reaktion zu finden, da auch solche Informationen im Schema enthalten sind (vgl. Graber 1988, S.-29). <?page no="365"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 366 Schemata helfen Rezipierenden, so Graber, mit der täglichen Informationsflut umzugehen. Ergebnisse, die besagen, dass von 15 bis 18 Nachrichtenmeldungen in einer Sendung nur eine so behalten wird, dass sie in irgendeiner Form wiedergegeben werden kann, seien vor einem schematheoretischen Hintergrund auch als nicht so schwerwiegend zu bewerten, wie sie auf den ersten Blick erscheinen: Viele Meldungen werden ignoriert, da es sich dabei um die Wiederholung früherer Meldungen handelt. Überdies selegieren die Rezipienten nur die wichtig erscheinende Information, um sie in die bestehenden Wissensvorräte zu integrieren. Es ist in diesem Sinne wichtiger, den Kern eines Problems zu verstehen als einen vollständigen Bericht über die rezipierten Nachrichten liefern zu können (Graber 1988, S.-250). Hans-Bernd Brosius entwirft das Modell der Alltagsrationalität der Nachrichtenrezeption. Es wird der begrenzten Kapazität der Rezipienten zur Informationsverarbeitung und ihrer Tendenz zur Vereinfachung mentaler Prozesse gerecht (Brosius 1995). Zunächst einmal geht Brosius davon aus, dass Menschen sich i. d. R. in einem Zustand geringer Involviertheit den alltäglichen Nachrichten zuwenden, da die Themen auf wenig Interesse stoßen und nur wenige persönliche Bezüge gemacht werden können (Brosius 1995, S.- 120f ). Daher wird eine vollständige, gründliche Verarbeitung der Nachrichteninformationen unwahrscheinlich. Menschen verarbeiten Informationen erstens konzeptgesteuert mithilfe von Schemata und wählen somit bestimmte Informationen zur Wahrnehmung und zum Behalten je nach individuellem Vorwissen und Einstellungen aus (Brosius 1995, S.-127f ). Zweitens benutzen sie beim Bewerten und Beurteilen der wahrgenommenen Information, was letztendlich zur Ausbildung einer Meinung und zur Persuasion beiträgt, ebenfalls keine umfassende Prozedur, sondern wenden Heuristiken an. Das sind Entscheidungshilfen oder Faustregeln, die diesen Prozess vom zeitlichen und mentalen Aufwand her verkürzen (Brosius 1995, S.-107). Rezipienten entscheiden in diesem Modell von Fall zu Fall, ob sie bei einer Nachricht eher die ausführliche, »wissenschaftlich-rationale« Verarbeitung oder eine »alltagsrationale«, verkürzte und weniger aufwändige Prozedur ansetzen. Brosius findet in Experimenten zum Modell der Alltagsrationalität heraus, dass Rezipienten v. a. diejenige Information zu einer Urteilsbildung heranziehen, die durch auffällige Merkmale der Botschaft akzentuiert ist, etwa durch Bebilderung - hier insbesondere emotionale Bilder - oder durch die Verwendung von Fallbeispielen (Brosius 1995, S.-302). Die schematische Verarbeitung bewirkt, dass Einzelheiten einer Nachricht nicht gespeichert werden und die »komplexe Ansammlung von Einzelninformationen in eine einfache und regelhafte Verallgemeinerung überführt« wird. Auch findet die Urteilsbildung nicht erst nach der vollständigen Rezeption einer Nachricht statt, sondern schon während der Informationsaufnahme (Brosius 1995, S.-303). Die Low-Involvement-Verarbeitung von Nachrichten konnte ebenfalls bestätigt werden: Nur bei außergewöhnlichen Ereignissen oder subjektiv besonders wichtigen Themen widmen Rezipienten ihre volle Aufmerksamkeits- und Gedächtniskapazität den Nachrichten; nach Brosius bedeutet dies jedoch nicht, dass geringe Involviertheit zu geringen Medieneinflüssen führt, sondern nur zu subtileren Beeinflussungen (Brosius 1995, S.-304f ). Diese Forschungsrichtung hat in der Kommunikationswissenschaft enorme praktische Relevanz: Auf Basis dieser Erkenntnisse können konkrete Regeln für Journalisten und Medienschaffende entwickelt werden, wie eine Medienbotschaft gestaltet werden sollte, damit sie leicht verständlich ist und von den Rezipienten in der vom Kommunikator intendierten Weise verstanden wird. <?page no="366"?> 4.4 Rezipientenforschung 367 4.4.3 Medienwirkungsforschung Friederike Koschel und Helena Bilandžić Im Unterschied zur Rezeptionsforschung untersucht die Medienwirkungsforschung weiter reichende Konsequenzen der Mediennutzung - Konsequenzen, die nicht etwa nur an eine einzelne Botschaft, ein Medium oder eine bestimmte Rezeptionssituation gebunden sind. Unter Wirkungen oder Folgen im weitesten Sinne des Wortes versteht man alle Veränderungen bei Individuen und in der Gesellschaft, die - meist in Interaktion mit anderen Faktoren - auf Medienbotschaften zurückzuführen sind. Beim einzelnen Individuum können dies Folgen auf das Wissen, das Denken, das Fühlen und das Handeln als personale und soziale Wesen sein. Damit sind auch jene Bereiche individueller Wirkungen angesprochen, auf die allgemein verwiesen wird und die entweder für sich oder auch in Verbindung mit- und zueinander ergründet werden: Wirkungen auf Kenntnisse und Wissen, auf Einstellungen und Meinungen, auf Gefühle und Empfindungen sowie auf Handlungen und Verhaltensweisen. Die Medienwirkungsforschung lässt sich übrigens nicht eindeutig von der Rezeptionsforschung abgrenzen. Oft werden Erlebnisweisen, wie sie die Rezeptionsforschung beschreibt, zur Erklärung von Medienwirkungen herangezogen. Die empirische Medienwirkungsforschung untersucht im Allgemeinen kausale, also ursächliche Einflüsse der Medien auf Menschen und Gesellschaft. Die Medienbotschaft wird dabei als ursächliche (erklärende, unabhängige) Variable betrachtet; Veränderungen bei den Rezipienten oder der Gesellschaft als Folge (zu erklärende, abhängige Variable). Das einfachste Modell, das diese kausale Beziehung beschreiben kann, ist das Stimulus-Response-Modell (S-R-Modell). Es setzt den Reiz (z. B. Fernsehgewalt) gesetzhaft in Beziehung zur Reaktion (aggressives Verhalten): Das Auftreten des Reizes löst dem S-R-Modell zufolge immer die gleiche Reaktion bei allen Menschen aus. Dieses »Gesetz« wird weder durch intervenierende Variablen (individuelle Merkmale wie z. B. Erziehung, Persönlichkeit, Bildung) eingeschränkt, noch durch Absichten und Wünsche des Menschen (z. B. Absicht, einen Konflikt ohne Gewalt zu lösen). Da individuelle Unterschiede zwischen Menschen existieren und der Mensch nicht zuletzt auch willentlich eine Handlung ausführen oder sie unterlassen kann, ist das Stimulus-Response-Modell als Erklärungsansatz für Medienwirkungen nicht adäquat. Es kann allenfalls als basales Kausalmodell begriffen werden, das zwar keinen eigenen Erklärungswert hat, aber nützlich ist, um empirische Forschungsrichtungen und auch konkrete empirische Studien zu evaluieren (zum Stimulus-Response-Modell und seiner Rezeption im Fach vgl. Brosius/ Esser 1998). Die Medienwirkungsforschung stellt angesichts der Fülle vorliegender empirischer Studien ein inzwischen schwer überschaubares Forschungsfeld dar. Es erweist sich daher als relativ schwierig, dieses Feld zu systematisieren und zu strukturieren. Zudem gibt es auch hier Theorien bzw. Theorieansätze unterschiedlicher Reichweite und Güte. Neuere Versuche, die Medienwirkungsforschung übersichtlich und systematisch aufzuarbeiten, liegen von Michael Schenk (2007) und Heinz Bonfadelli und Thomas Friemel (2011) vor; in englischer Sprache sind unentbehrliche Begleiter die Handbücher von Jennings Bryant und Mary Beth Oliver (2009) sowie Robin Nabi und Mary Beth Oliver (2009). In diesem Kapitel wird das Feld der Medienwirkungsforschung in vier Teilgebiete untergliedert, nämlich: 1) Wirkungen auf Einstellungen und Verhalten (Kap. 4.4.3.1), 2) auf Kenntnisse und Wissen (Kap. 4.4.3.2), 3) auf Werte und Weltbilder (Kap. 4.4.3.3) sowie 4) integrative Wirkungsvorstellungen (Kap. 4.4.3.4). Nicht alle in diese Gebiete fallenden Wirkungsansätze werden nachfolgend erörtert. So werden eher mikroperspektivisch angelegte Wirkungstheorien wie die Persuasionsforschung (Überzeugungskommunikation) in Kapitel 5.2.2 und sog. konsistenztheoretische Modelle in <?page no="367"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 368 Kapitel 5.2.3 abgehandelt. Die Theorie der Schweigespirale, ein Erklärungsversuch der Entstehung von öffentlicher Meinung, enthält das Kapitel 5.2.7. Fragen der Wirkung von Gewaltdarstellungen in den Massenmedien sind Gegenstand der Ausführungen in Kapitel 5.3.2. Diese und noch andere Wirkungsaspekte werden im folgenden Abschnitt daher nur kurz angesprochen und an geeigneter Stelle jeweils mit entsprechenden Querverweisen auf die anderen Kapitel versehen. 4.4.3.1 Wirkungen auf die Einstellung und das Verhalten Ihren Ursprung nahm die Medienwirkungsforschung mit dem Erstarken der Massenmedien Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Frage, inwieweit Menschen in ihren Einstellungen durch Werbung oder Propaganda beeinflusst werden können und inwieweit Massenmedien die Menschen auch in ihrem Verhalten so manipulieren können, dass sie ein bestimmtes Produkt kaufen, eine Partei wählen oder die Gewalttaten einer fiktiven Medienperson nachahmen, bestimmte die frühe kommunikationswissenschaftliche Forschung. Einstellungen bzw. Einstellungsänderungen sind Gegenstand der Persuasionsforschung. Eine Forschergruppe um Carl Hovland hat systematisch Faktoren untersucht, die eine »Überredung« durch massenmediale Botschaften fördern oder verhindern können. Solche Faktoren sind bei Kommunikator (z. B. Glaubwürdigkeit), Botschaft (z. B. ein- oder zweiseitige Argumentation) und Rezipient (z. B. Bildung) gleichermaßen zu finden (vgl. z. B. Hovland/ Janis/ Kelly 1953). Resultat dieser Studien ist ein systematischer Katalog von Wirkungsfaktoren, der auch als Gestaltungsgrundlage für persuasive Kommunikation - etwa Werbung - dienen kann (vgl. Kap. 5.2.2). In der Wahlforschung geht es um die Frage, wie Medienberichterstattung Menschen in ihrer politischen Meinung und ihrem Wahlverhalten beeinflusst. Aus diesem Bereich stammt eine klassische Studie der Kommunikationsforschung: Anfang der 1940er-Jahre führten Lazarsfeld, Berelson und Gaudet begleitend zu den amerikanischen Präsidentschaftswahlen eine Studie durch, die einen indirekten Einfluss der Massenmedien fand: Die Forscher stellten fest, dass Massenmedien die Wähler nicht unmittelbar und direkt in ihren politischen Ansichten betreffen, sondern eher über aktivere Menschen, die in vielerlei Kontakten zu Menschen ihres sozialen Umfeldes stehen, sich in größerem Maße über Massenmedien informieren und häufig um Rat gefragt werden (Meinungsführer). Informationen fließen nun von den Massenmedien zu den Meinungsführern und von dort zu den weniger aktiven Segmenten der Bevölkerung (Zwei-Stufen-Fluss der Kommunikation; Lazarsfeld/ Berelson/ Gaudet 1944, 1960). Ein anderer Ansatz beschäftigt sich mit dem Entstehen der öffentlichen Meinung und der Rolle der Medien dabei: Die Theorie der Schweigespirale von Elisabeth Noelle-Neumann geht davon aus, dass Menschen Angst vor sozialer Isolation haben und sie in öffentlichen Situationen aus diesem Grund eher schweigen, wenn sie sich mit ihrer Meinung über ein aktuelles, gesellschaftlich relevantes Thema in der Minderheit wähnen. Die Medien vermögen dieser Theorie zufolge, den Menschen einen Eindruck von den Mehr- und Minderheitsmeinungen in der Bevölkerung zu vermitteln und haben auf diese Weise einen starken Einfluss auf die öffentliche Meinung, d. h. die Meinung, die in der Öffentlichkeit geäußert werden kann, ohne sich zu isolieren (vgl. Kap. 5.2.7). Ein zweifelsohne brisantes und populäres, aber recht disparates Forschungsgebiet stellt die Gewaltforschung dar. Die Frage, ob massenmediale Gewaltdarstellungen die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft erhöhen und zu Nachahmungstaten anregen, ist Gegenstand unzähliger Studien. Konkurrierende und widersprüchliche Thesen und Theorien zeigen, dass einfache Erklärungen in diesem komplexen Bereich scheitern müssen (vgl. Kap. 5.3.2). <?page no="368"?> 4.4 Rezipientenforschung 369 4.4.3.2 Wirkungen auf das Wissen Anfang der 1970er-Jahre entstanden mehrere Forschungsansätze, die sich mit kognitiven Wirkungen, d. h. Wirkungen auf das Wissen, beschäftigen. Bisher hatte man vorwiegend untersucht, inwiefern massenmediale Inhalte eine Veränderung der Einstellung und des Verhaltens der Rezipienten bewirken können. Dabei musste man erkennen, dass Medieninhalte allenfalls ein Faktor unter vielen sind, die Einstellungen und Verhalten beeinflussen. Langjährige, gewachsene Einstellungen, von Routinen und Gewohnheiten geprägtes Verhalten sowie die stabilisierende Kraft des sozialen Kontextes sorgten dafür, dass Medien nur einen geringen Anteil an ihrem Zustandekommen haben, ja möglicherweise nur bestehende Zustände verstärken, nicht aber neue herbeiführen können (zur Verstärkerthese vgl. Klapper 1960). Im Folgenden werden drei Ansätze vorgestellt, die sich mit kognitiven Medieneffekten auseinandersetzen: Die Diffusionsforschung fragt nach den Prozessen, wie sich Neuigkeiten in sozialen Gruppen verbreiten und angenommen werden. Einen Schritt weiter geht die Wissenskluft-Hypothese, die konkrete Bedingungen für den Wissenserwerb durch Massenmedien nennt: Personen mit einem höheren sozioökonomischen Status und höherer Bildung eignen sich mehr Wissen schneller an als Personen mit niedrigerem sozioökonomischen Status und niedrigerer Bildung. Einer der wichtigsten Ansätze der Kommunikationswissenschaft beschäftigt sich ebenfalls mit kognitiven Wirkungen: Die Agenda-Setting-Hypothese nimmt an, dass die Medien den Menschen zwar nicht in seinen Meinungen beeinflussen können, wohl aber bestimmen, was die wichtigen Themen einer Gesellschaft sind und worüber geredet wird. Die Menschen lernen also aus den Massenmedien, welche Themen zurzeit relevant sind. Die gesellschaftliche Brisanz dieser These liegt darin, dass diese Wahrnehmung grundlegend für die politische Meinungsbildung des Einzelnen ist, z. B. wird eine Partei als modern und wertvoll wahrgenommen, wenn sie die »wichtigen Themen der Zeit« aufgreift. Obwohl also Agenda Setting ein Modell der beschränkten Medienwirkungen darstellt, können Massenmedien auch hier weit reichende Konsequenzen haben (vgl. Kap. 5.1.2.5). Diffusionsforschung Die Diffusionsforschung beschäftigt sich mit der Frage, wie Informationen, Nachrichten und Innovationen sich in einer Gesellschaft verbreiten, welche Kanäle dabei genutzt werden und auf welche Weise sich neues Wissen in der Gesellschaft in verändertem Verhalten niederschlägt. Dabei schließt die moderne Diffusionsforschung an das »Two-Step-Flow«-Modell (vgl. u. a. Berelson/ Lazarsfeld/ McPhee 1954) und in seiner Weiterentwicklung an das »Multi-Step-Flow«-Modell an, wie es u. a. Karsten Renckstorf (1970) dargestellt hat: Das ursprüngliche Modell des Zwei-Stufen-Flusses der Massenkommunikation nimmt an, dass eine mediale Botschaft in einem ersten Schritt von sog. Meinungsführern aufgenommen wird, die diese Information verarbeiten und dann in einem zweiten Schritt an Mitglieder von sozialen Gruppen, denen sie selbst angehören, weitergeben. In diesem Modell diffundiert eine Botschaft demnach über »Relaisstationen« in ein soziales System. Dies bedeutet, dass 1) bestimmte Rezipientengruppen früher von einer Neuigkeit erfahren als andere, die ihrerseits 2) neue Informationen nicht über die Massenmedien, sondern nur mittels interpersoneller Kommunikation rezipieren. In Hinblick auf die Wirkungschancen der Massenmedien ist das »Two- Step-Flow«-Modell das erste, das über eine direkte Wirkung der Medien auf Einstellungen und Verhalten hinausgeht und der interpersonellen Kommunikation eine hohe persuasive Kraft beimisst. Diese recht lineare Vorstellung des Informationsflusses wird in der Annahme eines »Multi-Step-Flow of Communication« differenzierter modelliert: Das Modell nimmt an, dass bereits im ersten Schritt <?page no="369"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 370 der Informationsdiffusion mediale Botschaften nicht nur von Meinungsführern rezipiert werden, sondern ein Teil auch direkt zu anderen Mitgliedern einer sozialen Gruppe gelangt. Auf einer zweiten Stufe, der Phase der interpersonellen Kommunikation, geben deshalb nicht nur die Meinungsführer Informationen aus den Massenmedien an die Mitglieder einer sozialen Gruppe weiter; auch die Opinion Leader selbst erhalten neue Informationen. Der interpersonalen Kommunikation wird also in diesem Modell nicht mehr der überragende Stellenwert wie im »Two-Step-Flow«-Modell beigemessen; sie hat im Meinungsbildungsprozess nur noch eine ergänzende Funktion (vgl. Renckstorf 1970, S.-325). Diese Forschungsrichtung, die sich mit der Frage befasst, wie Kommunikationsstrukturen in sozialen Systemen bzw. Gruppen entstehen, über welche Kanäle neue Botschaften in diese Systeme gelangen und dort weiterverarbeitet werden, wird in der Netzwerkforschung bzw. der Soziometrie aufgegriffen und weiterentwickelt (siehe hierzu insbesondere Schenk 1995, Friedrichs 1980). Im Weiteren wollen wir uns im Zusammenhang mit Ansätzen der Medienwirkungsforschung mit dem Diffusionsprozess von Nachrichten im engeren Sinn befassen. Diffusion kann zunächst als ein Prozess beschrieben werden, in welchem eine Neuigkeit über verschiedene Kanäle und über einen gewissen Zeitraum hinweg an die Mitglieder eines sozialen Systems kommuniziert wird. In dieser knappen Definition sind bereits die wesentlichen Elemente enthalten, die bei der Entfaltung dieses Forschungsstranges analysiert werden müssen: 1) die Nachricht bzw. Innovation, die diffundiert; 2) die verschiedenen Kommunikationsmodi, mittels derer die Neuigkeiten transportiert werden; 3) die Rezipienten bzw. Mitglieder eines sozialen Kontextes, für die die Nachrichten bestimmt sind sowie 4) das dynamische, zeitliche Element des Diffusionsprozesses (vgl. schematische Darstellung des Diffusionsprozesses bei Rogers 2003, S.-11). Abb. 16: Diffusionsforschung: Kategorisierung von Übernehmern einer Innovation auf der Grundlage der relativen Adaptionen nach Rogers 4. Zentrale Forschungsfelder der Kommunikationswissenschaft 364 Abbildung 19: Diffusionsforschung: Kategorisierung von Übernehmern einer Innovation auf der Grundlage der relativen Adaptionen nach Rogers Die Diffusionsforschung lässt sich in zwei Zweige gliedern. Man kann grob unterscheiden zwischen der Forschung, die sich (a) mit der Informationsverbreitung von Ereignissen beschäftigt, und derjenigen, die (b) den Prozess der Übernahme einer technischen Innovation beschreiben will, unterscheiden. Zu Fragen der Informationsverbreitung, die im Bereich der Medienwirkungsforschung zu verorten sind, würde man beispielsweise untersuchen, wie (schnell) sich die Nachricht vom Terroranschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 verbreitet hat: Waren es eher die Massenmedien wie das Fernsehen, denen die Rezipienten die Neuigkeit entnahmen, oder erfuhren die Menschen von dem Ereignis eher durch das persönliche Gespräch? Und wer, welche sozialen Gruppen, erfuhren als Erste, welche eher später von diesem Ereignis? Die Frage nach der Diffusion von technischen Innovationen tangiert eher die Nutzer einer Innovation: Welche Menschen nutzen Innovationen wie etwa das Handy oder das Internet als Erste, wie kann man die Gruppe der Nachzügler beschreiben? Und warum gelingt es manchen Neuerungen überhaupt nicht, sich in einer Gesellschaft oder sozialen Gruppe durchzusetzen? Diese Forschungsrichtung entstand bereits Anfang des 20. Jahrhunderts, als sich Wissenschaftsbereiche wie die Soziologie oder die Pädagogik als empirische Wissenschaften entwickelten. Wir finden allerdings auch Studien aus dem Bereich der Volkswirtschaftslehre, der Geografie und später vor allem aus dem Marketing. Die Studien beschäftigten sich mit Fragen wie 11 : Quelle: Kunczik, Michael; Zipfel, Astrid (2001): Publizistik. Ein Studienbuch. Köln, Wien, Weimar, S. 334 (nach Rogers, Everett [1962]: Diffusions of Innovations. New York, London, S. 162) (Kunczik, Michael; Zipfel, Astrid (2001). Publizistik. Ein Studienbuch. Köln/ Wien/ Weimar, S. 334 [nach Rogers, Everett, 1962: Diffusion of Innovations. New York, London, S. 162]) <?page no="370"?> 4.4 Rezipientenforschung 371 Die Diffusionsforschung lässt sich in zwei Zweige gliedern. Man kann grob unterscheiden zwischen der Forschung, die sich 1) mit der Informationsverbreitung von Ereignissen beschäftigt, und derjenigen, die 2) den Prozess der Übernahme einer technischen Innovation beschreiben will. Zu Fragen der Informationsverbreitung untersuchten z. B. Martin Emmer, Christoph Kuhlmann, Gerhard Vowe und Jens Wolling (2002), wie sich die Nachricht vom Terroranschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 verbreitet hat und über welche Medien welche Segmente der Bevölkerung erreicht wurden. Die Frage nach der Diffusion von technischen Innovationen tangiert eher die Nutzer einer Innovation: Welche Menschen nutzen Innovationen wie etwa das Handy oder das Internet als Erste, wie kann man die Gruppe der Nachzügler beschreiben? Und warum gelingt es manchen Neuerungen überhaupt nicht, sich in einer Gesellschaft oder sozialen Gruppe durchzusetzen? Beispiele zum Mobiltelefon finden sich etwa bei Thilo von Pape (2008), und bei Werner Wirth, Thilo von Pape und Veronika Karnowski (2008), Beispiele zum Internet bei Luis Andres, David Cuberes, Mame Diouf und Tomas Serebrisky (2010). Die Diffusionsforschung entstand bereits Anfang des 20. Jahrhunderts, als sich Wissenschaftsbereiche wie die Soziologie oder die Pädagogik als empirische Wissenschaften entwickelten. Wir finden allerdings auch Studien aus dem Bereich der Volkswirtschaftslehre, der Geografie und später v. a. aus dem Marketing. Sie beschäftigten sich mit Fragen wie (vgl. Rogers, 2003): • Wie werden Innovationen in der Landwirtschaft, wie etwa neue Anbaumethoden, von den Landwirten anbzw. übernommen? • Wie (schnell) verbreiten sich neue pädagogische Lehr- und Lernmethoden innerhalb eines Lehrerkollegiums? • Unter welchen Bedingungen verändern Ärzte ihre Verschreibungspraxis von Medikamenten? • Wie setzen sich neue Dienstleistungen, z. B. Reservierungssysteme über das Internet, bei den Kunden durch? Diese Forschungsrichtungen berücksichtigen eher randständig die Frage nach dem Einfluss der Massenmedien bei diesen Prozessen. Die Typologien und Verlaufsformen, unter denen die verschiedenen Diffusionsprozesse ablaufen, sind jedoch auch für die Medienwirkungsforschung relevant: Everett M. Rogers (2003, S.- 281) beschreibt fünf verschiedene »Übernehmer«-Typen innerhalb eines definierten sozialen Systems: 1) sog. Innovatoren, die sich durch einen hohen und dauerhaften Medienkonsum auszeichnen und ständig auf der Suche nach Informationen über (technische) Neuigkeiten sind. Innovatoren sind risikofreudig, d. h. sie verlassen sich nicht auf Erfahrungen oder Erprobungen einer technischen Neuigkeit durch ihr soziales Umfeld, sondern exponieren sich - z. B. in der Mode. Nicht zuletzt deshalb sind sie »Grenzgänger«, die kommunikative Kontakte zu mehreren sozialen Gruppen unterhalten. Die weiteren Übernehmer-Typen beschreibt Rogers als 2) frühe Übernehmer, 3) frühe Mehrheit, 4) späte Mehrheit und 5) die Nachzügler. Diese Typen werden von Rogers nicht weiter definiert; lediglich der Zeitpunkt der Übernahme bzw. das veränderte Verhalten ordnet sie einer der genannten Kategorien zu. Im Überblick erhält man eine Adoptionsfunktion, die mit einer Normalverteilung abgebildet werden kann (vgl. Rogers 2003, S.-281). Dies trifft auch für die Darstellung des Innovations-Entscheidungsprozesses zu. Rogers (2003, S.-168ff) unterscheidet fünf Stufen der Übernahme, wobei zu jedem Zeitpunkt neue und zusätzliche Information gesucht wird: Auf einer ersten Stufe erlangt das Individuum (bzw. eine definierte soziale Gruppe) erstmals Wissen über eine technische Neuigkeit, was auf der zweiten Stufe eine (positive oder negative) Einstellung bezüglich dieser Neuigkeit produziert. Sodann erfolgt drittens eine Entscheidung zur Befürwortung oder Ablehnung der Neuerung, was bei einer positiven Entscheidung viertens zur Verhaltensänderung, sprich Übernahme, führt, die allerdings - fünftens - von <?page no="371"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 372 den Individuen bzw. der sozialen Gruppe überprüft wird; denn immerhin ist möglich, dass man mit der Neuerung nicht zufrieden ist oder die Übernahme zu kognitiven Dissonanzen führt, die abgebaut werden sollen. Der Forschungszweig zur Diffusion von Nachrichten beschäftigt sich mit der Verbreitung von Ereignissen, insbesondere Krisenereignissen, in definierten sozialen Systemen: Wie und in welchem Zeitraum erfahren welche Rezipienten von einer Neuigkeit? Die theoretische Verortung der Forschung basiert auf demokratietheoretischen Erwägungen, die nach der Rolle und den Funktionen, insbesondere der Informationsfunktion, der Massenmedien in unserer Gesellschaft fragen. Auf diesen normativen Gesichtspunkten aufbauend versucht die Diffusionsforschung v. a. die Frage zu beantworten, welche Faktoren identifiziert werden können, die 1) die Diffusionsgeschwindigkeit und 2) die Diffusionsrate beeinflussen. Man will wissen, warum sich manche Ereignisse sehr schnell, andere langsamer verbreiten und warum manche Ereignisse nahezu alle Mitglieder eines sozialen Systems erreichen, von anderen wiederum nur ein Teil erfährt. 3 Dabei stehen die verschiedenen Typen der Massenkommunikationsmittel, die Rolle der interpersonalen Kommunikation, die individuelle Mediennutzung und der Einfluss von Nachrichtenfaktoren im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Wie sich eine Nachricht verbreitet, wurde von amerikanischen Sozialforschern erstmals in den 1940er-Jahren untersucht, als man wissen wollte, wie die Menschen über den Tod ihres Präsidenten Theodore Roosevelt erfuhren (vgl. DeFleur 1987, S.- 109, der in diesem Aufsatz ähnliche Studien zwischen 1945 und 1985 im Überblick darstellt). Als zentrales Ergebnis findet man dort wie auch in weiteren Studien zur Diffusion von Nachrichten, dass die zugeschriebene Wichtigkeit eines Ereignisses den Verbreitungsgrad und die Schnelligkeit der Verbreitung gleichermaßen beeinflusst (vgl. Perse 2001, S.-63). Die Datenerhebung zu diesem Phänomen erfolgt so, dass 1) festgestellt werden muss, wann und in welchen Medien ein Ereignis erstmals publiziert wurde. Dabei spielt die angenommene Wichtigkeit keine Rolle. Sodann werden 2) Rezipienten nach ihrem Kenntnisstand zu dem Ereignis, wo sie sich zum Zeitpunkt der Ersterscheinung aufhielten und durch welches Medium sie von diesem Ereignis erfuhren, befragt. Diese Befragung wiederholt man mehrfach, um die Intervalle des Diffusionsprozesses zu bestimmen. Im Resultat erhält man sowohl Daten zur Bedeutung der verschiedenen Kommunikationsmodi für die Diffusion einer Nachricht als auch zur Geschwindigkeit, mit der sich Botschaften in der Bevölkerung verbreiten und wie viele Menschen von einem bestimmten Ereignis überhaupt erfahren. Steigt die Diffusionsrate sehr schnell an, kann man Rückschlüsse auf die Wichtigkeit des Ereignisses ziehen. Karl E. Rosengren (1987) hat diesen Prozess, der anlässlich der Ermordung des damaligen schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme für elf verschiedene Länder untersucht wurde, zusammenfassend dargestellt. Dabei zeigt sich, dass in den nordischen Ländern, also Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland, innerhalb von zwölf Stunden nahezu jeder Kenntnis über dieses Ereignis hatte, während zu diesem Zeitpunkt im restlichen Europa sowie in Japan etwa die Hälfte der Bevölkerung, in den USA lediglich rund dreißig Prozent von der Ermordung wussten. Die »Sättigungsgrenze« der Diffusionsrate wurde in diesem Fall durchschnittlich nach etwa 20 Stunden erreicht; sie lag wie erwähnt in den nordischen Ländern bei hundert Prozent, während sie in den USA bei rund zwei Dritteln verharrte. Diese Unterschiede deuten auf den Nachrichtenwert hin, den das Ereignis in einem gegebenen System hat sowie auf die Distanz bzw. die (politische) Relevanz, die Schweden für seine europäischen Nachbarn bzw. die USA repräsentiert. 3 Dass man diese zentralen Fragen immer auf eine definierte Gruppe beziehen muss, liegt auf der Hand: Manche Ereignisse sind eben nur für bestimmte Gruppen wichtig und werden deshalb nur in deren Umfeld publiziert. Dass im Bayerischen Wald vorgestern ein kapitaler Hirsch erlegt wurde, interessiert vermutlich nur das nähere Umfeld, sodass diese Meldung nur in der örtlichen Presse zu finden sein wird, ein Münchner also von diesem Ereignis in aller Regel kaum erfahren wird. <?page no="372"?> 4.4 Rezipientenforschung 373 Der Vergleich zwischen zwei oder mehreren Diffusionsprozessen kann die relative Wichtigkeit eines Ereignisses und die (politischen) Auswirkungen, die ihm zugeschrieben werden, verdeutlichen. In den 1960er-Jahren wurde von Richard W. Budd und Kollegen (1966) untersucht, wie schnell sich die Nachricht von der Absetzung Nikita Chruschtschows, dem damaligen Generalsekretär der KPdSU, in den USA durchsetzte. Tatsächlich verbreitete sie sich wie ein Lauffeuer: Nach weniger als acht Stunden war die Nachricht bei nahezu fünfundneunzig Prozent der amerikanischen Bevölkerung »angekommen«, was für die enorme zugeschriebene Wichtigkeit spricht, die ein derartiges Ereignis auf die weltpolitische Lage mitten im Kalten Krieg haben würde. Am selben Tag wurde unter dem damaligen Präsident Lyndon B. Johnson in den USA der Stabschef des Weißen Hauses, Walter Jenkins, wegen homosexueller Betätigung aufgegriffen und in Gewahrsam genommen - ein für das prüde Amerika unerhörter Skandal. Trotzdem hatten während der ersten acht Stunden lediglich die Hälfte der Amerikaner von diesem Ereignis Kenntnis. Das Ereignis konnte weder eine ähnlich hohe Diffusionsgeschwindigkeit noch -rate wie der »Chruschtschow-Fall« erzielen: Offensichtlich hatte letzterer für die Amerikaner eine höhere Wichtigkeit als der Fall Jenkins (vgl. Budd/ McLean/ Barnes 1966). Durch welches Medium werden die Rezipienten zuerst von einer Neuigkeit informiert? Ist es eher das Fernsehen, das Radio, eine Tageszeitung, ein Onlinemedium, oder sind es persönliche Kontakte? Bei dieser Frage spielen die Tageszeit, zu der ein Ereignis stattfindet, journalistische Routinen und die individuellen Nutzungsgewohnheiten eine entscheidende Rolle. Diese Faktoren bestimmen mit, wie schnell sich Informationen verbreiten können. Als prominentes Beispiel kann hier der Golfkrieg Anfang der 1990er-Jahre genannt werden. Bradley S.-Greenberg und seine Mitarbeiter (1993) konnten zeigen, dass habitualisiertes Medienverhalten die Diffusionsgeschwindigkeit und -rate gut erklären. Sie interviewten Rezipienten aus den vier amerikanischen Zeitzonen und fanden heraus, dass zum Zeitpunkt des ersten Bombardements der US-Truppen auf den Irak an der Ostküste knapp siebzig Prozent der Bevölkerung von dem Ereignis durch das Fernsehen erfuhren, während es an der Westküste lediglich fünfzig Prozent waren: An der Ostküste war es halb sieben Uhr abends, an der Westküste früher Nachmittag; an der Ostküste waren die Menschen bereits zu Hause und nutzten den Fernseher, an der Westküste arbeitete die Mehrheit noch. Dort waren es dann eher persönliche Kontakte, durch die man von den kriegerischen Handlungen erfuhr. Zum Einfluss redaktioneller Routinen konstatiert der schwedische Medienforscher Karl E. Rosengren (1987), dass zum Zeitpunkt der Ermordung Olof Palmes, die sich um Mitternacht zutrug, alle schwedischen Redaktionen geschlossen waren, weshalb erst eineinhalb Stunden nach dem Anschlag die erste Meldung über die Massenmedien verbreitet werden konnte; die meisten Menschen in Schweden schliefen, sodass in den allerersten Stunden nach dem Ereignis die Diffusionsgeschwindigkeit in Japan höher war als in Schweden. Der Zeitpunkt, zu dem ein Ereignis stattfindet sowie tageszeitliche Routinen von Kommunikatoren und Rezipienten sind offensichtlich Faktoren, die den Kommunikationsmodus sowie die Diffusionsgeschwindigkeit gerade in der ersten Phase gut erklären. Das Internet bricht die starren zeitlichen Abfolgen der traditionellen Massenmedien natürlich auf. Bei einer Untersuchung der Diffusion der Nachricht über die Anschläge vom 11. September konnte man eine schnelle Diffusion in allen Gesellschaftssegmenten finden, aber besonders bei Jüngeren, Höhergebildeten, Männern und Erwerbstätigen. Das Internet war die schnellste, das Fernsehen die häufigste Informationsquelle, wobei auch die interpersonelle Kommunikation eine große Rolle spielte (Emmer/ Kuhlmann/ Vowe/ Wolling 2002). Je wichtiger ein Ereignis ist, desto weniger spielen die Merkmale der Rezipienten bei Diffusionsgeschwindigkeit und -rate eine Rolle (vgl. Perse 2001, S.-69). Zwar nehmen sozioökonomische Faktoren und Persönlichkeitsmerkmale Einfluss; die Tagesroutinen der Rezipienten scheinen allerdings insbesondere die sozioökonomischen Merkmale in ihrer Erklärungskraft zu überlagern. So erfuhren junge Menschen vom Tod Olof Palmes früher als ältere, was vermutlich daran lag, dass <?page no="373"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 374 sie abends länger ausgehen. Dabei kann man davon ausgehen, dass Geschlecht und Tagesroutine im Durchschnitt vermutlich keine voneinander unabhängige Variablen sind. Interessant erscheint eine etwas jüngere Forschungsrichtung, die nach der Rolle von affektiven Persönlichkeitsvariablen bei der Verbreitung von Neuigkeiten in sozialen Gruppen fragt. Sind z. B. ängstliche Menschen, die von einem katastrophalen Ereignis erfahren, eher geneigt dieses weiterzuerzählen, weil sie Schutz suchen und auf diese Weise zu einer erhöhten Diffusionsgeschwindigkeit und -rate beitragen? (u. a. Kubey/ Peluso 1990; Riffe/ Stovall 1989). Für die Zukunft wird man annehmen können, dass soziale Medien wie Facebook und Twitter die Diffusion von Nachrichten wesentlich beschleunigen. Die Wissenskluft-Hypothese Wie stets in der empirischen Sozialforschung, so reflektiert auch die Medienwirkungsforschung nicht nur den innerwissenschaftlichen Fortschritt, sondern auch gesellschaftspolitische Strömungen. Gerade bei der Hypothese zur Entstehung von Wissensklüften kann man zeigen, dass empirische Kommunikationsforschung (auch) gesellschaftspolitisch motiviert und inspiriert ist. Ebenso wie sich z. B. die Persuasionsforschung aus dem Bestreben heraus entwickelte, die Wirkung politischer Propaganda im Zweiten Weltkrieg zu verstehen und zu kontrollieren, fragte man nun in den 1970er-Jahren nach den Bedingungen, wie politisches Wissen der Menschen entsteht und sich in der Gesellschaft verteilt. Der »Bildungsoptimismus«, der sich etwa in Deutschland anhand der Reformen des Schulsystems verdeutlichen lässt, zeigt sich auch im Forschungsansatz zur Wissenskluftperspektive. Die zentrale (gesellschaftspolitische) Zielsetzung, Bildungschancen und politische Partizipation für alle Bevölkerungsschichten mithilfe der Massenmedien gleichermaßen zu verbessern und auszugleichen, wird in dieser Forschungsperspektive kritisch aufgegriffen und hinterfragt. Das sich permanent ausweitende, medial vermittelte Informationsangebot erreicht nicht alle Bevölkerungsschichten gleichmäßig und führt v. a. nicht zu einem gleichmäßig verteilten Wissen, so die Vermutung. Die Massenmedien können deshalb unter demokratietheoretischen Aspekten möglicherweise auch dysfunktionale Konsequenzen für eine Gesellschaft haben. Die Forschergruppe, die sich erstmals mit diesem Thema befasst, formuliert dies entsprechend: »As the infusion of mass media information into a social system increases, segments of the population with higher socioeconomic status tend to acquire this information at a faster rate than the lower status segments, so that the gap in knowledge between these segments tend to increase rather than decrease« (Tichenor/ Donohue/ Olien 1970, S.-159). Phillip J. Tichenor et al. postulierten aufgrund von Sekundäranalysen, dass der Zusammenhang zwischen Bildung und Wissenserwerb dazu führt, dass sich höher Gebildete bei der Aneignung von politischem und wissenschaftlichem Wissen einen uneinholbaren Vorsprung verschaffen. Politische, medienvermittelte Information, die in ein Sozialsystem diffundiert, so die zentrale These, wird von Bevölkerungssegmenten mit höherem Sozial- und Bildungsniveau schneller aufgenommen als von Gruppen mit vergleichsweise geringerem Bildungsniveau, so dass sich die Wissenskluft zwischen den sozialen Gruppen tendenziell vergrößert. Somit wendet sich die Hypothese der Minnesota-Gruppe um Tichenor gegen idealistische Medientheorien, die »vom informierten und darum auch mündigen Bürger ausgehen« (Bonfadelli 1994, S.-73). Die (formale) Bildung nimmt in dieser ursprünglichen Fassung der Wissensklufthypothese eine zentrale Rolle ein. Tichenor et al. begründeten den Zusammenhang zwischen der formalen Bildung (als Indikator des sozioökonomischen Status‹) und dem Wissenserwerb mit fünf Faktoren, die einerseits die Aneignung von Wissen begünstigen und sich andererseits aus (besserer) Bildung ableiten: Höher Gebildete verfügen 1) über bessere Lese- und Verstehensfertigkeiten (»communication skills«); sie haben 2) auf Grund ihrer früheren Mediennutzung ein höheres Vorwissen (»stored knowledge«); sie diskutieren 3) in ihrem Bekanntenkreis eher über politische Themen, die zum Wissensvorsprung <?page no="374"?> 4.4 Rezipientenforschung 375 beitragen (»relevant social contact«); und sie gehen 4) insgesamt zielführender mit den Medien um, sodass diese selektive Nutzung zu einer besseren Aufnahme und Erinnerung politischer Informationen führt (»selective exposure, acceptance, and retention of information«), was gesellschaftspolitisch auf »einen demokratisch bedenklichen kommunikativen Privilegierungs- und Benachteiligungszusammenhang« hindeute (vgl. Saxer 1988, S.-279). Dabei nahmen die Autoren damals 5) zusätzlich an, dass den Printmedien, insbesondere den Tageszeitungen, eine Sonderrolle zukommt: Printmedien würden für besser Gebildete produziert, demnach sei die Themenauswahl auf die Bedürfnisse dieser Lesergruppen zugeschnitten; dies führe in der Konsequenz zu immer mehr politischem und wissenschaftlichem Wissen bei den höher Gebildeten im Vergleich zu den weniger Gebildeten. Die Ausgangshypothese macht somit mehrere implizite und explizite Annahmen, die von der Forschung zu einem späteren Zeitpunkt aufgegriffen und differenzierter betrachtet wurden: 1) Der Wissens(ab)stand zwischen Privilegierten und Unterprivilegierten nimmt beständig zu. 2) Der Zusammenhang zwischen Bildung und Wissen ist kausal: Wenig Bildung führt zu wenig Wissen, viel Bildung zu viel Wissen. 3) Der mediale Informationsfluss in die sozialen Systeme bewirkt stets das Phänomen der Wissenskluft. 4) Die Wirkung der medial vermittelten Botschaften ist in den jeweiligen Bildungssegmenten homogen: Der Zugang zur Information, die Nutzung und Verarbeitung von Botschaften sowie die zugeschriebene Relevanz der Informationen ist bei den Mitgliedern einer Gruppe konstant. So eingängig und auf den ersten Blick plausibel die Aufstellung der Wissenskluft-Hypothese erschien, so war sie doch von Beginn an der wissenschaftlichen Kritik ausgesetzt. Diese setzte v. a. an der Vernachlässigung mediatisierender Faktoren an, wie etwa themenbezogenes Interesse oder Motivation, die auf Bildung und Wissen einwirken können. Genauso problematisch erscheint die Fokussierung auf den Faktor »formale Bildung« als zunächst einzige erklärende Variable für die Entstehung von Wissensklüften. Weiterhin wird kritisiert, dass zentrale Begriffe wie Wissen, Informationsfluss oder sozioökonomischer Status nicht hinreichend definiert und theoretisch verankert wurden, vielmehr in der Ursprungshypothese Information implizit mit dem Konstrukt Wissen synonym gebraucht wurde. Außerdem wurde angemerkt, dass das Medium Fernsehen völlig unberücksichtigt bleibt (zu den Kritikpunkten im Einzelnen vgl. Bonfadelli 1994 und Wirth 1997). Im Jahr 1975, nachdem Tichenor und Kollegen eigene Querschnittstudien durchgeführt hatten, reformulierten und differenzierten sie ihre These zur Wissenskluft und nahmen damit Abstand von der impliziten Vorstellung, Wissensklüfte seien gleichmäßig hinsichtlich Themen, Zeitverlauf und sozialen Gruppen verteilt. Sie finden heraus, dass sich Wissensklüfte wieder schließen können, wenn die Publizität zu bestimmten Themen abnimmt. Umgekehrt entstehen Wissensklüfte zwischen den höher und weniger Gebildeten erst gar nicht, wenn ein Thema besonders konflikthaltig oder von besonderem öffentlichen Interesse für eine Region ist. Folgerichtig konnten sie zeigen, dass in kleinen, sozial homogenen Gemeinden bzw. Gruppen Wissensklüfte weniger zu erwarten sind als in großen, heterogenen (Donohue/ -Tichenor/ Olien 1975, S.-21). James Ettema und Gerald Kline (1977) befassten sich erstmals mit motivationalen Aspekten bei der Entstehung von Wissensklüften. In ihrer alternativen Hypothese, auch Differenzhypothese genannt (vgl. Wirth 1997, S.- 34), ersetzten sie den bis dahin zentralen Faktor Bildung durch individuelles Interesse: »As the infusion of mass information into a social system increases, segments of the population motivated to acquire that information and/ or for which that information is functional tend to acquire the information at a faster rate than those not motivated or for which it is not functional, so that the gap in knowledge between these segments tend to increase rather than decrease« (Ettema/ Kline 1977, S.-188). Damit verließen diese Autoren die »rezipientenbezogene Dimension des Sozialen« (Bonfadelli 1994, S.- 78), betonten vielmehr allgemeine Persönlichkeitsmerkmale jenseits von Schichtzugehörigkeit und Bildungsdifferenzen, die zu differenzieller Informationsaufnahme führen. Nun konn- <?page no="375"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 376 ten erstmals auch abnehmende bzw. gleich bleibende Wissensklüfte erklärt werden (vgl. Horstmann 1991, S.- 29). Man konnte zeigen, dass unter bestimmten Umständen der (zeitliche) Wissensvorsprung von Privilegierten verschwindet. Diese sog. Decken- oder Ceilingeffekte treten auf, wenn das Faktenwissen zu einem Thema nicht beliebig vermehrbar ist, also von den Rezipienten keine zusätzliche Hintergrundinformation eingeholt werden kann. In diesen Fällen haben die zunächst weniger Informierten die Chance, Faktenwissen »nachzuholen«, sodass sich im Zeitverlauf eine Wissenskluft wieder schließt. Wissensunterschiede bleiben gleich (klein), wenn auf Grund der Thematik Motivation bzw. Interesse als wesentliche Faktoren zur Erklärung von Informationsaufnahme identifiziert werden können (z. B. Europawahlen, vgl. Horstmann 1991; fettarme Ernährung, vgl. Viswanath et al. 1993). Auch wenn die Differenzhypothese »makrostrukturelle Bezüge ausblendet, demokratietheoretisch angreifbar ist und zudem den Blick auf näher liegende und differenziertere Zusammenhänge verstellt« (Wirth 1997, S.-40), so richtet sich nun das Forschungsinteresse zunehmend auf die intervenierenden Variablen, mediatisierende Prozesse und die Frage, inwiefern diese den Einfluss von Bildung und sozioökonomischem Status beim Wissenserwerb verstärken oder mindern. 4 Einstellungs- und Verhaltensvariablen wie Lebensstile, Mediennutzung allgemein oder politische Partizipation fließen nun als unabhängige Variablen in die Wissenskluftforschung ein. Betrachtet man die empirische Forschung zur Wissenskluft-Hypothese, so fällt v. a. die Vielfältigkeit der methodischen und theoretischen Herangehensweisen auf. Bonfadelli bezeichnet sie als »dispers und disparat zugleich«, […] »weil es sich nicht um ein explizit ausformuliertes und geschlossenes theoretisches System handelt, sondern eher um eine Perspektive, die auf verschiedenste Wirkungsphänomene anwendbar ist« (Bonfadelli 1985, S.-72). In der Summe wird deutlich, dass Wissensklüfte zwar ein empirisch vorfindbares Phänomen darstellen; allerdings wird nicht klar, »ob sie als Ausdruck sozial-kultureller Defizite zu verstehen sind, oder ob diese unterschiedlichen Kultur- und Kommunikationsmuster als Folge andersartig geprägter Lebensanforderungen und Lebensweisen entstanden sind« (Bonfadelli 1994, S.-231). Wissenskluftforschung bezogen auf das Individuum befasst sich folgerichtig mit dem Einfluss intervenierender Faktoren, die auf den Zusammenhang zwischen Bildung und Wissen wirken können. Hierbei kann man zunächst im Sinne der Differenzhypothese zwischen transsituationalen Faktoren (die im weitesten Sinn zu den sozioökonomischen Variablen zu zählen sind) und den situationalen Variablen (in erster Linie motivationale Faktoren, wie man sie aus der Uses-and-Gratification-Forschung kennt) unterscheiden. Wissensunterschiede können einerseits durch extramediale Faktoren nivelliert werden: Persönliche Betroffenheit, interpersonale Kommunikation oder themenbezogenes Interesse gleichen bildungsbedingte Benachteiligungen aus, weil eine entsprechende Aktivierung verstärkte Medienzuwendung und Informationsaufnahme zur Folge hat, wie dies ja auch in transaktionalen Wirkungskonzepten empirisch wie theoretisch dargelegt werden konnte (vgl. Kap. 4.4.3.4). Es zeigt sich jedoch andererseits, dass sowohl diesen motivationalen Faktoren als auch den Schichtungsvariablen zugleich eine zentrale Bedeutung bei der Erklärung des Zusammenhangs zukommt (vgl. z. B. Lovrich/ Pierce 1984; Viswanath et al. 1993; im Überblick: Wirth 1997); weder die transsituationalen Faktoren wie Schulbildung noch situationale Variablen wie etwa politisches Interesse können separat einen Wissenszuwachs erklären. Offenbar ist es das Zusammenspiel zwischen diesen Aspekten, das sowohl die unterschiedliche Informationsrezeption als auch den unterschiedlichen Wissenszuwachs erklärt. Dieses Phänomen hat Werner Wirth (1997) ausführlich untersucht. Er fand Hinweise, dass die Informationsrezeption häufig mit einem gleich bleibenden Bündel von Einflussfaktoren erklärt werden kann: Politisches Interesse, 4 Einen synoptischen Überblick vermittelt Bonfadelli (1994, S.-33f ), wobei er die Hauptkategorien Sozialsystem, Mediensystem - Informationsfluss, Inhalte - Themen, Nutzung und Rezeption identifiziert. <?page no="376"?> 4.4 Rezipientenforschung 377 Orientierung an den Printmedien, politische Expertise sowie eine aufmerksame und informationsorientierte Rezeption politischer Fernsehinhalte sind als »Syndrom« bildungsabhängig (vgl. Wirth 1997, S.-297). Diese »Basismotivationen« findet man unabhängig von einem bestimmten Thema bei den höher gebildeten Bevölkerungssegmenten. Rogers (1976) prägte in diesem Zusammenhang den Begriff des »Knowledge-Gap-Effect«, der den Einfluss individueller Einstellungen und Verhaltensweisen auf unterschiedliches Wissen betont. Das »kommunikative Potenzial« eines Rezipienten, das sich grob gesprochen aus Merkmalen der Persönlichkeit, der sozialen Position sowie der sozialen Struktur, in der sich Menschen bewegen, entwickelt, entscheide über den Erwerb von sozialen Werten und die generelle Disposition zur Informationsaneignung. Es ist demnach denkbar, dass besser Gebildete im Verlauf ihrer Sozialisation nicht nur ihre kognitiven Fähigkeiten schulen, und sich dabei einen »Vorsprung« erarbeiten, sondern sich Werte zu Eigen machen, die sie als »mündige« und informierte Staatsbürger auszeichnen: Informiert zu sein, auch wenn man bestimmte Informationen nicht unmittelbar praktisch nutzen kann, ist bei besser Gebildeten nicht nur ein Wert an sich, sondern führt im Zusammenhang mit der Wissenskluftforschung tatsächlich zu Unterschieden in der Informationsrezeption, die auf Bildungsunterschiede zurückzuführen sind. Als weiterer, wichtiger Einflussfaktor erweist sich die Art der Mediennutzung, wie dies ja schon in der Ursprungshypothese als Annahme formuliert wird. Dabei gilt als gesichert, dass 1) die Printmedien die informationsreicheren im Vergleich zum Fernsehen sind, sowie 2) weniger gebildete Bevölkerungsschichten mehr fernsehen als höher Gebildete. Wenig eindeutig sind dagegen die empirischen Befunde: Das Lesen von Printmedien wie Tageszeitungen kann, muss aber nicht, Wissenslücken weniger gebildeter Bevölkerungssegmente ausgleichen. Ebenso gibt es disparate Befunde zu der These, das Fernsehen sei ein »Knowledge Leveler« (Tichenor/ Donohue/ Olien 1970, S.- 170). Die Annahme besagt, dass geringer Gebildete von ihrem erhöhten TV-Konsum profitieren und auf Grund des spezifischen Medienkonsums Wissensunterschiede mit der Zeit ausgleichen können. Dagegen fand Bonfadelli (1994) in einer eigenen Panelstudie heraus, dass sich Wissenslücken eher verstärken. Das Fernsehen hat allerdings bei der Informations- und Wissensvermittlung dann einen hohen Stellenwert, wenn es sich um Themen von allgemein hohem Interesse handelt, die »mediumsspezifisch« sind, wie etwa Fernsehdebatten von Wahlkämpfern (vgl. u. a. Drew/ Weaver 1991). Dass sich in diesem Zusammenhang keine eindeutigen Trends abzeichnen, kann man nach Wirth (1997, S.- 54f ) unter Umständen mit angebotsbedingten, nutzungsbedingten und rezeptionsbedingten Wissensklüften erklären. Angebotsbedingte Wissensklüfte können entstehen, wenn bestimmte Informationen nicht in allen Medientypen gleichermaßen vorfindlich sind. Wenn ein bestimmter Medientyp wie etwa das Fernsehen von weniger Gebildeten genutzt wird, haben diese Segmente keine Chance an Informationen zu kommen, die ausschließlich oder vorwiegend in den Qualitätszeitungen thematisiert werden. Nutzungsbedingte Wissensklüfte tangieren die Nutzungsintensität: Höher gebildete Segmente nutzen bestimmte Informationsangebote häufiger als weniger Gebildete, sodass sie insgesamt mehr Informationen aufnehmen, verarbeiten und in Wissen übersetzen können, was zu rezeptionsbedingten Wissensklüften führen kann. Offenbar rezipieren besser Gebildete informationsorientierter und mit höherer Aufmerksamkeit als weniger Gebildete, die sich eher unterhaltungsorientierten Inhalten zuwenden. Hier sei noch einmal auf die Relevanz des Begriffes »Wissen« hingewiesen: Legt man einen eher normativ orientierten Wissensbegriff zu Grunde, so nimmt es nicht Wunder, dass Menschen mit einem niedrigeren sozialen Status »schlecht« abschneiden, weil möglicherweise das Wissen, das abgefragt wird, für sie überhaupt nicht relevant ist (systematisch erforscht hat dies Wirth 1997). In der neugeordneten Medien- und Kommunikationslandschaft stellt sich die Frage, ob durch das Internet Wissensklüfte eher vergrößert oder verringert werden und es nun auch eine »Digital Divide« gibt (z. B. Mossberger/ Tolbert/ Stansbury 2003; Norris 2001; Zillien 2009). Klüfte zwischen Bevöl- <?page no="377"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 378 kerungssegmenten könnten vergrößert werden durch eine unterschiedliche Verfügbarkeit des Internets in verschiedenen sozialen Gruppen, aber auch durch die Nutzung unterschiedlicher Inhalte. Der Zugang zum Internet und die Nutzung an sich steigen - zumal in Deutschland - immer weiter an und erreichen mittlerweile auch viele Bevölkerungsschichten, die anfangs in der Annahme des Internets zögerlich waren (Mende/ Oehmichen/ Schröter 2013; van Eimeren/ Frees 2012). Dennoch ist der Prozess nicht abgeschlossen; einige Gruppen sind etwa von der mobilen Internetnutzung nahezu abgeschnitten (Mende/ Oehmichen/ Schröter 2013), andere wieder von der Produktion im Web 2.0 (»digital production gap«, vgl. Schradie 2011). Auch Unterschiede in der Nutzung von Inhalten sind nicht abgeschafft (Mende/ Oehmichen/ Schröter 2013), auch wenn das Internet insgesamt an Bedeutung für politische Information und Prozesse gewonnen hat (Emmer/ Vowe/ Wolling 2011; Emmer/ Seifert/ Wolling 2010). Agenda Setting Einer der wohl am häufigsten zitierten Sätze der Medienwirkungsforschung lautet: »The Press ›may not be successful much of the time in telling people what to think, but it is stunningly successful in telling its readers what to think about‹« (Cohen 1963, S. 13; kursiv i. Orig.). Dabei war es nicht der Autor selbst, der die Annahme populär machte, sondern Maxwell E. McCombs und sein Kollege, die erstmals formulierten, dass die Medien die Themenagenda setzen und auf diese Weise mitbestimmen, worüber die Rezipienten nachdenken (vgl. McCombs/ Shaw 1972). Die Autoren stehen dabei in der Tradition der amerikanischen Wahlforschung, die mit der »Wahlstudie« von Paul Lazarsfeld, Bernard Berelson und Hazel Gaudet (1944/ 1960) ihren Anfang nahm. Egal nun, ob man nach Veränderungen der Einstellung und des (Wahl-)Verhaltens fragt, wie dies Lazarsfeld et al. taten und mit ihren Ergebnissen das Postulat einer schwachen Medienwirkung auf die Tagesordnung setzten, oder ob man kognitive Medienwirkungen untersucht, wie dies in der Agenda-Setting-Forschung geschieht: Ausgangspunkt der Wahlforschung innerhalb der Medienwirkungsforschung ist die Feststellung, dass Kandidaten ihrem (Wahl-)Publikum vorwiegend über die Medien, nur in seltenen Fällen über direkten Kontakt, vorgestellt und vertraut werden. Tatsächlich ist gerade das Wissen über politische Sachverhalte eine Art »Second-Hand-Wissen«, das die Menschen den Massenmedien entnehmen (vgl. Lang/ Lang, 1966). Mit dieser Grundannahme formulierten McCombs und Shaw (1972) erstmals die These, dass die Massenmedien ihre Rezipienten nicht nur über bestimmte Themen informieren, sondern durch Informationsmenge und -platzierung die Wichtigkeit eines Themas vorgeben. In den Köpfen der Rezipienten entsteht auf diese Weise eine Prioritätenliste von wichtigen und weniger wichtigen Themen, die auf Mediennutzung zurückzuführen ist. Die Autoren argumentieren, dass das Publikum, bzw. die Wählerinnen und Wähler, von den Medien lernen. Im Falle eines Wahlkampfes nehmen die Menschen die Wichtigkeit von Themen so wahr, wie sie in den Massenmedien betont werden. Die Medien hätten zwar wenig Einfluss auf die Richtung und die Intensität von politischen Einstellungen, würden jedoch die Agenda eines Wahlkampfes bestimmen und auf diese Weise nahe legen, welche Themen vordringlich und welche weniger wichtig seien (vgl. McCombs/ Shaw 1972, S.-177). Die Themen und Argumente, die von den Massenmedien mehr oder weniger stark in den Vordergrund gerückt werden, werden von den Rezipienten, so die Vorstellung, gewissermaßen eins zu eins übernommen. Die Autoren vermuten demnach eine starke Medienwirkung, denn die Massenmedien geben vor, über welche Inhalte wir nachdenken. Diesen Gedanken findet man bereits bei Walter Lippmann (1922), der annahm, dass Menschen sich wegen mangelnder Primärerfahrungen ein vereinfachtes Bild der Welt auf Basis der Realitätsdarstellung in den Massenmedien konstruieren. <?page no="378"?> 4.4 Rezipientenforschung 379 Um ihre These zu überprüfen, interviewten die Autoren im Herbst 1968, während der Wahlkampfphase um die amerikanische Präsidentschaft, hundert zufällig aus Wählerlisten ausgesuchte Personen in Chapel Hill. Die Befragten waren unentschlossene Wähler, von denen man vermutete, dass sie sich besonders aufmerksam und intensiv den Medieninhalten zuwenden würden. Die Schlüsselfrage, die der Studie von Trenaman und McQuail entnommen war (vgl. McCombs/ Shaw 1972, S.-178) lautete: »What are you most concerned about these days? That is, regardless of what politicians say, what are the two or three main things which you think the government should concentrate on doing something about? « (kursiv i. Orig.). Um die Medieninhalte zu erheben, führten die Forscher eine Inhaltsanalyse der wichtigsten Tageszeitungen sowie zweier Nachrichtensendungen aus dem Befragungszeitraum durch. Die Ergebnisse brachten zunächst eine Überraschung. McCombs und Shaw fanden heraus, dass die Medien hinsichtlich das Wahlkampfes weniger über Inhalte als über den Wahlkampf selbst berichteten: »Wer wird gewinnen? « 5 war das überragende »Thema« der Medien, und die Autoren bemerken spitzzüngig: »This may give pause to those who think of campaign news as being primarily about the issues.« (McCombs/ Shaw 1972, S.- 179). Als Nächstes identifizierten die Autoren Themen bzw. Argumente 6 , die sich im Schwerpunkt den Kandidaten der verschiedenen Parteien zuordnen lassen: Den demokratischen Bewerbern ließen sich eher außenpolitische Themen zuordnen, während die Themen Recht und Sicherheit, also eher Innenpolitisches, den unabhängigen Kandidaten sowie den Republikanern zugeschrieben wurden. Der statistische Zusammenhang nun, den die Autoren zwischen diesen Medien-»Issues« und der wahrgenommenen Issue-Wichtigkeit der Befragten ermittelten, war positiv und ausgesprochen hoch. Die Interpretation der Forscher war eher vorsichtig. Sie fanden zwar ihre Hypothese im Trend bestätigt, keinesfalls jedoch valide überprüft. Sie empfahlen, weitere Studien anzustellen, die auf Individualebene sowohl persönliche (Vor)-Einstellungen als auch individuelle Mediennutzung mit erheben sollten (vgl. McCombs/ Shaw 1972, S.-184f ). Entgegen späterer Kritik am methodischen Vorgehen ist den Autoren also durchaus die eingeschränkte Aussagekraft von Aggregatdaten, die miteinander korreliert werden, bewusst. Sie interpretierten ihre nahezu perfekten statistischen Zusammenhänge allerdings als einen guten Hinweis darauf, dass die Massenmedien tatsächlich einen Einfluss auf die Themenstrukturierung der Rezipienten und Wähler haben, wobei die Argumentation von McCombs und Shaw v. a. auf die Plausibilität des Ausgangsarguments abhob: Wähler hätten auch in der persönlichen Kommunikation in aller Regel keine Chance, Argumente und Einschätzungen der Politiker direkt und unvermittelt aufzunehmen und zu beurteilen. Vielmehr würde auch die »Folgekommunikation« überwiegend auf der Berichterstattung der Massenmedien beruhen: »For most, mass media provide the best - and only-- easily available approximation of ever-changing political realities« (-McCombs/ Shaw 1972, S.-185), sodass die Massenmedien mehr oder weniger exklusiv die Themen und Themenstrukturen der öffentlichen Diskussionen vorgäben. Mit der »Chapel-Hill-Studie« war der Startschuss für eine bis heute andauernde intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung gegeben, nämlich um die Frage, ob und unter welchen Umständen die Medien vorgeben, über was Menschen nachdenken. Nach gut vierzig Jahren Agenda-Setting- Forschung zählt man über 400 empirische Studien (McCombs/ Reynolds 2009) und gilt die Grund- 5 Unter dem Begriff »Horserace« (wer hat die Nase vorne) ist dieses Phänomen bis heute bei Politikern gefürchtet - hier zu Lande z. B. aufgegriffen im »Politbarometer«, das regelmäßig in den großen Tageszeitungen abgedruckt und kommentiert wird und u. a. die Beliebtheit von Politikern sowie die berühmte »Sonntagsfrage« präsentiert. 6 Hier stoßen wir auf ein Übersetzungsbzw. ein semantisches Problem. Der englische Begriff »issue« ist mit dem deutschen Wort »Thema« nur unvollständig bezeichnet (vgl. dazu sehr ausführlich und luzide: Eichhorn 1996, S.-15f, wobei er an dieser Stelle den deutschen Begriff »öffentliche Streitfrage« vorschlägt); außerdem - darauf wollen wir hier jedoch nur hinweisen - ist nicht exakt definiert, geschweige denn valide operationalisiert, was genau unter dem Begriff zu verstehen ist. <?page no="379"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 380 these als gut bestätigt (Wanta/ Ghanem 2007; McCombs 2004; Perse 2001). Warum kann man nun das Phänomen nicht immer, oder nur unter bestimmten Umständen identifizieren? Die Agenda- Setting-Forschung entwickelt sich - wie dies bei empirischer Forschung oftmals der Fall ist - »auf den Schultern der Alten«, d. h.: Der einfache, so plausible Zusammenhang zwischen Medien- und Publikumsagenda, der anfangs angenommen und tatsächlich gefunden wird, erscheint den wissenschaftlichen Nachfolgern methodisch wie theoretisch zu simplifizierend, sodass sich empirische Forschung und theoretischer Unterbau im Verlauf der Zeit immer stärker ausdifferenzieren (zum Überblick vgl. Maurer 2010, McCombs 2004 und Rössler 1997). Dies betrifft zunächst das Wirkungsmodell, auf dem Agenda-Setting-Prozesse beruhen. Die ersten Konzeptionen kommen, wenn auch noch wenig differenziert, von McCombs (1977). Er schlägt drei Wirkungsmodelle vor: • Das Priorities-Modell nimmt an, dass sowohl bei den Medien als auch auf Rezipientenseite »natürlicherweise« eine Rangordnung von Themen existiert. Agenda-Setting-Effekte würden in diesem Modell bedeuten, dass das Publikum die Rangordnung der Medien übernimmt. • Das Awareness-Modell postuliert, dass die Betonung bestimmter Themen durch die Massenmedien das Publikum auf diese Themen aufmerksam macht, wobei hier noch nicht dargestellt wird, unter welchen Bedingungen Aufmerksamkeit überhaupt erheischt wird. • Das Salience-Modell stellt einen konzeptionellen Zusammenhang zwischen der Menge der Berichterstattung und der wahrgenommenen Wichtigkeit beim Publikum her. Zwar erscheint plausibel, dass die Häufigkeit, mit der ein Thema berichtet wird, einen Hinweis auf dessen Wichtigkeit zulässt. Allerdings kann man nicht davon ausgehen, dass für alle Rezipienten alle Themen dieselbe Wichtigkeit einnehmen, sodass bereits in diesem einfachen Wirkungsmodell intervenierende Persönlichkeitsvariablen kontrolliert werden müssen. Einer der wichtigsten Einwände gegen die ersten Studien ist methodischer Art: Mit Querschnittsuntersuchungen, die ja die Agenden der Massenmedien und des Publikums zu einem bestimmten Zeitpunkt erheben, kann keine Richtung des Zusammenhangs, also kein kausales Verhältnis, nachgewiesen werden, das ja bei der Interpretation der Ergebnisse im Sinne eines Wirkungsverhältnisses zumindest implizit angenommen wird. Tatsächlich kann bei Daten von Querschnittsuntersuchungen auch eine Wirkungsrichtung vermutet werden, die von einer Publikumszur Medienagenda deutet. In keinem Fall lässt sich jedoch mit derlei Untersuchungsanlagen der dynamische Prozess des Agenda Setting beschreiben, »weil die zeitliche Struktur, also die Zeitverzögerung zwischen Veränderungen in der Berichterstattung und Veränderungen in der Themenstruktur der Rezipienten, nicht beschrieben werden kann« (Brosius 1994, S.- 273). Heute findet man keine Untersuchungen mehr vor, die sich ausschließlich auf Daten eines Erhebungszeitpunktes stützen; vielmehr ist man bestrebt (was allerdings stets eine Frage von Zeit und Geld ist), mehrere Querschnittsmesspunkte mit longitudinalen Studien zu verknüpfen, um sowohl die Entwicklung eines Themas als auch die Themenkonkurrenz zu einem definierten Zeitpunkt darstellen zu können. Die erste Längsschnittuntersuchung unternahm G. Ray Funkhouser (1973). Er verglich die Entwicklungen von Medien- und Publikumsagenden für mehrere Themen getrennt, die in den 1960er-Jahren auf der Tagesordnung standen. Dabei fand er heraus, dass die Häufigkeit der Berichterstattung zu einem Thema zwar einen starken Einfluss auf die Wahrnehmung, nicht so sehr aber auf die Einstellungen des Publikums im Zeitverlauf hatte. Wie entscheidend die Wahl der Untersuchungsanlage die Ergebnisse beeinflusst, konnten Hans-Bernd Brosius und Hans Mathias Kepplinger (1990) nachweisen. Sie unterzogen Medien- und Publikumsdaten einmal diversen Querschnittsanalysen und einer Längsschnittanalyse. Ein Vergleich der Ergebnisse erbrachte, dass Agenda-Setting-Effekte, die sich in den Querschnittsanalysen zeigten, in der Längsschnittanalyse nicht mehr nachgewiesen werden konnten. <?page no="380"?> 4.4 Rezipientenforschung 381 Bereits in ihrer ersten Studie erhoben McCombs und Shaw Persönlichkeitsmerkmale, von denen sie einen intervenierenden Einfluss auf die Mediennutzung vermuteten (McCombs/ Shaw 1972, S.-185f ). Neben formaler Bildung und allgemeinem politischen Interesse erfassten sie auch den kognitiven Stil ihrer Befragten, weil sie glaubten, dass dieser mitbestimmen könnte, wie Rezipienten Informationen zu bestimmten Themen sammeln. Kognitiven Stil operationalisierten sie als »salience of affect«, also als emotionale Bedeutung, die ein Respondent einem Issue bzw. einem Kandidaten zuerkannte. Dafür ließen sie die Befragten offene Sätze zu den Kandidaten schriftlich beenden und codierten diese Antworten als »sehr emotional« bis »überhaupt nicht emotional«. Es zeigte sich zwar kein Zusammenhang zwischen kognitivem Stil und den beiden anderen erhobenen Persönlichkeitsmerkmalen der Befragten, wohl aber hängen scheinbar die Suche nach Information und kognitiver Stil zusammen. Befragte, die das für sie wichtigste Thema auch sehr emotional bewerteten, hatten in den letzten vierundzwanzig Stunden deutlich weniger die Massenmedien nach weiteren Informationen zu diesem Thema abgesucht als solche Befragte, die ihr wichtigstes Thema eher sachlich beschrieben. Dies trifft sowohl auf politisch Interessierte als auch eher Uninteressierte zu. Der kognitive Stil scheint außerdem die interpersonelle Kommunikation zu fördern. Die Ergebnisse deuten zumindest in die Richtung, dass das individuelle kommunikative Verhalten von Rezipienten die Mediennutzung und in der Folge vermutlich auch die Stärke von Agenda-Setting-Effekten beeinflusst. Einen großen Stellenwert nimmt in späteren Studien das sog. Orientierungsbedürfnis (»Need for Orientation«) der Rezipienten ein, das in der Ursprungsstudie nur intuitiv berücksichtigt wurde: McCombs und Shaw hatten ja nur diejenigen Wähler in ihrer Befragung berücksichtigt, die (noch) unentschlossen waren und von denen sie offensichtlich vermuteten, dass sie ein besonders großes Informationsbedürfnis hätten. Auch wenn die Erkenntnislage zu diesem zentralen Konstrukt durchaus als disparat bezeichnet werden kann, so lässt sich doch im Trend feststellen, dass »Need for Orientation« sowohl die Mediennutzung als auch die interpersonelle Kommunikation beeinflusst (vgl. u. a. Rössler 1997, S.-186); beide Kommunikationsmodi haben dann im zweiten Schritt einen Einfluss auf die Stärke von Agenda-Setting-Effekten beim Rezipienten. Während man frühzeitig die Bedeutung intervenierender Variablen auf Rezipientenseite erkannte, gibt es bis heute keinen festen »Kanon« inhaltsorientierter intervenierender Variablen. Problematisch sind zunächst die verschiedenen Definitionen und Auswahlkriterien der Themen: Was ist ein Thema? Und welche Themen müssen für eine Studie ausgewählt werden? Da sowohl über die Definition als auch die Operationalisierung wenig Einigkeit herrscht, sind die Ergebnisse der Studien vielfältig. Als gesichert gilt allerdings, dass die Stärke von Agenda-Setting-Effekten offensichtlich von der »Aufdringlichkeit« eines Themas abhängt. Agenda Setting scheint insbesondere bei denjenigen Themen aufzutreten, die die Rezipienten nicht direkt in ihrer sozialen Umwelt wahrnehmen können (vgl. dazu u. a. Iyengar et al. 1982; Weaver et al. 1981; Zucker 1978). Wenn dagegen Sachverhalte direkt erfahren werden, wie dies etwa bei Inflation, wahrnehmbar als gestiegene Preise im Supermarkt oder an der Tankstelle oder Arbeitslosigkeit, wahrnehmbar in der eigenen Familie oder der Nachbarschaft, der Fall ist, brauchen die Rezipienten keine Berichterstattung der Massenmedien, um das Thema als wichtig einzustufen. Agenda-Setting-Effekte sind dann kaum zu finden, weil den Rezipienten alternative Informationsquellen zur Verfügung stehen. Eine Innovation in der Agenda-Setting-Forschung bildete die Studie von Lutz Erbring, Edie N. Goldenberg und Arthur N. Miller (1980), die erstmals sowohl intervenierende Publikumsvariablen als auch externe Daten zur tatsächlichen Ereignislage in die Analyse aufnahmen. Sie nahmen an, dass die »Real World Cues« einen Einfluss auf die wahrgenommene Wichtigkeit von Themen haben. Sie konnten nachweisen, dass die Publikumsagenda lediglich beim Thema »Kriminalität«, nicht jedoch bei den Themen »Arbeitslosigkeit«, »Inflation« und »Rassenprobleme« signifikant von der Medien- <?page no="381"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 382 agenda bestimmt wird. Daraus schließen sie, dass die Rezipienten unabhängig von ihrer Mediennutzung eine persönliche Agenda entwickeln. Sie schlagen ein »Audience-Effects«-Modell vor, »which assumes that media coverage interacts with the audiences’ pre-existing sensitivities to produce changes in issue concern« (Erbring et al. 1980, S.-45). Der Zusammenhang zwischen Medien- und Publikumsagenda im Verhältnis zur tatsächlichen Ereignislage ist bis heute vielfach untersucht worden, denn er ist nicht zuletzt unter demokratietheoretischen Erwägungen hoch relevant. Dabei rücken die Funktionen der Massenmedien, die ihnen in unserer Gesellschaft zugeschrieben werden, in den Mittelpunkt der Überlegung: »As a general functional requirement of society, agenda-setting is practically indispensable« (McCombs 1981, S.-136). Den Massenmedien wird in dieser Sichtweise eine Thematisierungs- und Strukturierungsfunktion zugewiesen, die für die Gesellschaft einen integrierenden Aspekt beeinhaltet. »Die Medien definieren den inhaltlichen Rahmen, innerhalb dessen die soziale Realität kollektiv wahrgenommen wird, und formen damit die Basis für soziales Handeln« (Rössler 1997, S.-19). Die negative Konnotation, die häufig implizit mit dem Begriff Medienwirkung verbunden wird, muss demnach in diesem Zusammenhang abgelehnt werden. Gerade diejenigen Realitätsausschnitte, die für die meisten Menschen direkt nicht erfahrbar, für eine funktionierende Demokratie jedoch essenziell sind - wie etwa der gesamte Bereich der Politik - werden erst über die Medien erfahr- und begreifbar. Zu problematisieren ist in diesem Zusammenhang allerdings, inwiefern und in welchen Grenzen Abweichungen in der Berichterstattung von der sozialen Realität erwünscht oder nicht hinnehmbar sind. Da die reale Ereignislage in den Medien nicht eins zu eins abgebildet werden kann, müssen die Journalisten auswählen, Schwerpunkte setzen, Themen auch wieder von der Tagesordnung nehmen, wenn andere nachrücken. Einige prominente Beispiele zeigen, dass es in diesem Bereich Verschiebungen zwischen tatsächlicher Ereignislage und Medienberichterstattung gibt. Bertram Scheufele und Hans-Bernd Brosius (2001) untersuchten die Berichterstattung zu PKK- und Kurdengewalt sowie fremdenfeindlichen Straftaten. Es zeigte sich, dass die Berichterstattung über diese Thematik in den Massenmedien immer noch ein »major issue« war, als sich die tatsächliche Ereignislage bereits wieder beruhigt hatte, in der Folge allerdings auf der Grundlage der Berichterstattung neuerlich entfacht wurde. Wie stark die Thematisierungsfunktion der Massenmedien wirkt, konnten Dearing und Rogers (1996) belegen. Ein Fernsehbericht über die Hungerkatastrophe in Äthiopien »biblischen Ausmaßes«, der im Oktober 1984 während einer Nachrichtensendung auf NBC ausgestrahlt wurde, trat eine Welle von nie da gewesener Hilfsbereitschaft los bis hin zum berühmten Rockkonzert von Bob Geldorf. Menschen, die sich normalerweise nicht für politische Nachrichten interessierten, nahmen über einen langen Zeitraum hinweg Anteil an diesem Thema und beurteilten es als persönlich wichtig. Durch die Berichterstattung wurde demnach im Sinne einer Initialzündung erreicht, dass Menschen politisch aktiv wurden. Einen weniger positiven Effekt wiesen Hans Mathias Kepplinger und Herbert Roth (1978) angesichts der sog. Ölkrise nach. Eine Analyse der Wirtschaftsberichterstattung aus dieser Zeit offenbart, dass sich in der Folge der kontinuierlichen und konsonanten Berichterstattung über die Probleme der Abhängigkeit vom Energielieferanten Öl - Anlass war ein Beschluss der OPEC zur zukünftigen Marktsteuerung - ein problemkonformes Verhalten in der Bevölkerung durchsetzte: Die panikartigen Benzin- und Heizölkäufe führten zu einem Angebotsengpass, der zu einer realen Lage führte, die den Namen Ölkrise verdiente. Dabei handelte es sich weniger um eine Öl-, denn um eine Informationskrise. Die hier vorgenommene zusammenfassende Darstellung zeigt bereits, dass sich der konzeptionelle Zugang zum Phänomen des Agenda Setting im Zeitverlauf stark ausgeweitet hat. Heute werden v. a. kognitive Ansätze modelliert, die davon ausgehen, dass die Themensetzung der Medien nicht nur die wahrgenommene Wichtigkeit beim Publikum beeinflusst, sondern in der Folge auch weitergehende Einschätzungen über Sachverhalte bzw. Personen hervorruft. Shanto Iyengar und <?page no="382"?> 4.4 Rezipientenforschung 383 Kollegen haben mehrfach gezeigt, dass die Schwerpunktsetzung der Medien auf bestimmte politische Bereiche wie etwa die Außen- oder Wirtschaftspolitik bei den Rezipienten zu einer allgemeinen Bewertung der politischen Führung führt. Dabei fungieren die thematisierten Sachverhalte sozusagen als »Schätzmaß«. So wurde etwa Präsident George Bush sen. stark im Zusammenhang mit außenpolitischen Themen (Erster Golfkrieg) beurteilt, während es bei Präsident Reagan ökonomische Sachverhalte waren, mittels derer die Wähler ihn beurteilten (vgl. Iyengar/ Simon 1993; Iyengar/ Kinder 1987). Dieser Priming-Effekt lenkt also die Aufmerksamkeit der Rezipienten auf bestimmte, von den Medien besonders betonte Aspekte. Die Medien legen gewissermaßen nahe, nach welchen Kriterien (politische) Personen beurteilt werden sollen. Wichtig bei diesem Vorgang ist v. a., dass diese »Vorinformationen«, die ja zunächst in keinem direkten Zusammenhang mit der Darstellung einer Person stehen, von den Rezipienten besonders leicht abgerufen werden können, wenn sie häufig wiederholt werden. Auf diese Weise entsteht ein festes Schema, nach dem wie im dargestellten Fall die Präsidenten Reagan oder Bush beurteilt werden. Agenda Setting muss in diesem Modell als das erste Phänomen »einer mehrstufigen Medienwirkungskette, die bei einfachen Wahrnehmungen und Gewichtungen von Themen beginnt und bei weitergehenden Einstellungs- und Meinungsänderungen endet« gesehen werden (Brosius 1997, S.-280). Über die grundlegende These der Vermittlung von Themenwichtigkeit hat sich auch das »Second- Level-Agenda-Setting« etabliert: Hier werden nicht nur die Themen, sondern auch die Eigenschaften der Themen oder Objekte in einer Agenda organisiert und priorisiert (McCombs 1997, 2005; Ghanem 1997). Damit lernt das Publikum über die Themenwichtigkeit hinaus auch, welche Eigenschaften, Aspekte und Attribute bei einem Thema wichtig sind. Es gibt bereits zahlreiche Hinweise darauf, dass auch Attribute vermittelt werden, etwa von Politikern (Coleman/ Banning 2006; Golan/ Wanta 2001; Kiousis 2005). Eine kompakte, gut lesbare Einführung über Agenda Setting liegt von Marcus Maurer (2010) vor. Framing Das Framing-Konzept hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zu einem festen Bestandteil der Wirkungsforschung etabliert. Als Frames (wörtlich: Rahmen) bezeichnet man »Interpretationsmuster […], die helfen, neue Informationen sinnvoll einzuordnen und effizient zu verarbeiten« (Scheufele 2003, S. 46) oder anders ausgedrückt ›Sinnhorizonte‹ von Akteuren, die gewisse Informationen hervorheben und andere ausblenden« (Matthes 2007, S. 18, kursiv im Orig.). Z. B. kann die hervorgehobene Information eine bestimmte Sichtweise auf oder eine Ursache für ein Problem vermitteln, eine moralische Bewertung vornehmen oder Lösungsvorschläge machen (Entman 1993, S. 52). Wie Nachrichten und andere mediale Inhalte gerahmt werden, hat ganz entscheidende Konsequenzen dafür, wie die im Rahmen enthaltene Information wahrgenommen und interpretiert wird. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für die Macht der Rahmung lieferten Simon und Jerit (2007), die ein Experiment zur Wahrnehmung der Abtreibungsdebatte in den USA durchführten. Sie stellten fest, dass das Wort »Baby« statt »Fötus« in einem Text zu einer speziellen umstrittenen Abtreibungsmethode bewirkte, dass die Probanden einem Verbot der Methode eher zustimmten. Die Texte waren dabei bis auf die Wörter »Baby« und »Fötus« identisch - das Auswechseln eines Wortes hatte also den Text um die Abtreibungsmethode für verschiedene Interpretationen geöffnet. Man muss beachten, dass sich ein Teil der Framing-Forschung nicht mit Wirkungen auseinandersetzt, sondern mit der Produktionsseite, also damit, wie Frames zustande kommen und wie sie im öffentlichen Diskurs ausgeprägt sind. Dies wird als »Frame Building« bezeichnet (Scheufele 1999). Das Gegenstück, das Bestandteil der Wirkungsforschung ist, kann man unter »Frame Setting« fas- <?page no="383"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 384 sen; es geht der Frage nach, wie die einmal gesetzten Frames der Berichterstattung auf Wahrnehmung und Interpretation des Publikums wirken (Scheufele 1999). Obgleich es einige Parallelen des Framing zu anderen Ansätzen der Wirkungsforschung gibt, kann man sie theoretisch und empirisch gut unterscheiden. David Tewksbury und Dietram A. Scheufele (2009) grenzen Framing von einer bloßen Informationsvermittlung ab, indem sie sagen, dass ein Nachrichtenbeitrag zwar aus Informationen über ein Problem besteht, aber erst der Frame diese Informationen zu einem kohärenten Ganzen macht und eine bestimmte Perspektive auf die dargestellte Information nahelegt. Tewksbury und Scheufele (2009) sehen auch einen entscheidenden Unterschied zur Persuasionsforschung, die sich im Gegensatz zum Framing nur mit der Wirkungsseite beschäftigt und sich vorwiegend mit persuasiver (gezielt zur Veränderung produzierten) Kommunikation auseinandersetzt. Die wichtigste Unterscheidung aber, die zu treffen ist, besteht in der Abgrenzung zum Agenda Setting. Vince Price und David Tewksbury (1997) sehen Agenda Setting als das Produkt der Zugänglichkeit (»accessibility«) eines Konzeptes, oder in diesem Fall, eines Themas, im Gedächtnis: Je häufiger ein Konzept wahrgenommen wird, umso leichter kann man es später aus dem Gedächtnis abrufen. Wird nun ein Thema häufig in den Massenmedien aufgegriffen, so erhöht sich seine Zugänglichkeit bei den Rezipienten; bei abgeforderten Urteilen über die wichtigsten Themen der heutigen Zeit (Agenda Setting), fallen einem dann gerade die Themen schneller ein, die zugänglicher sind, weil sie in den Massenmedien viel Aufmerksamkeit bekommen. Framing muss hingegen über eine reine Zugänglichkeit hinausgehen und tiefere Bedeutungsverarbeitung miteinbeziehen, um die Wahrnehmung und Interpretation von Themen beeinflussen zu können (Price/ Tewksbury 1997; Nelson/ Clawson/ Oxley 1997; Tewksbury/ Scheufele 2009; Scheufele/ Tewksbury 2007). Beim Framing gehe es eher um die »Anwendbarkeit« (applicability): Frames bringen bestimmte Informationen, etwa Ursachen, Folgen, Bewertungen etc., in eine feste Verbindung mit einem Thema und machen sie in diesem Sinne »anwendbar« für das Thema (Price/ Tewksbury 1997; Nelson/ Clawson/ Oxley 1997; Tewksbury/ Scheufele 2009). Tatsächlich gibt es bereits Hinweise darauf, dass eher das Schaffen von Anwendbarkeit für Framingeffekte wichtig ist als die Zugänglichkeit (Brewer/ Gross 2005; Nelson/ Clawson/ Oxley 1997). In ähnlicher Weise lässt sich Framing auch von Second-Level-Agenda-Setting abgrenzen, da neben der Zugänglichkeit von Attributen tiefergehende kognitive Prozesse der Bedeutungsverarbeitung am Werke sind (Weaver 2007). Die Grundthese des Frame-Setting, dass Rezipienten von den Medienframes der Berichterstattung beeinflusst werden, ist gut belegt (für ausführliche Synthesen siehe Dahinden 2006; Matthes 2007, 2011; Scheufele 2003; Tewksbury/ Scheufele 2009). 4.4.3.3 Wirkungen auf Wertvorstellungen und Weltbilder Nicht nur Wissen, Einstellungen und Verhalten unterliegen einem medialen Einfluss, sondern auch tiefer liegende Wertvorstellungen und Weltbilder. Werte und Normen einer Gesellschaft werden u. a. durch Massenmedien transportiert, vom Publikum rezipiert und unter bestimmten Umständen angeeignet. Die Sozialisationsforschung untersucht, inwieweit Massenmedien Werte und Normen vermitteln können und dem Individuum dabei Handlungsorientierungen innerhalb der Gesellschaft bieten (vgl. Kap. 5.3.1). <?page no="384"?> 4.4 Rezipientenforschung 385 Kultivierungsforschung Die Kultivierungsforschung widmet sich einer ähnlich langfristigen Art von Medienwirkung: Die Kultivierungshypothese besagt, dass Zuschauer durch eine intensive Fernsehnutzung die Welt so wahrnehmen, wie sie im Fernsehen dargestellt wird (Morgan/ Shanahan 2010; Morgan/ Shanahan/ Signorielli 2009). Dabei sind die »kulturellen Indikatoren« - das sind Elemente in der Fernsehbotschaft, die unsere Kultur widerspiegeln - wirksam und prägen das Weltbild (Gerbner/ Gross 1976; Gerbner et al. 1978; Shanahan/ Morgan 1999; Weimann 2000). Das Fernsehen spielt eine herausragende Rolle unter den Medien, da es als »chief creator of synthetic cultural images« (Gross/ Morgan 1985, S.-223) fungiert. Solche kulturellen Indikatoren können dargestellte Verhaltensmuster sein (z. B. Gewalt) oder bestimmte Merkmale der Gesellschaft (z. B. Anteil von Frauen oder Minoritäten an der Gesamtbevölkerung, oder Anteil von Rechtsanwälten, Richtern, Polizisten an allen Berufstätigen; vgl. Morgan/ Shanahan/ Signorielli 2009). Der angenommene Einfluss auf die Wahrnehmung der Zuschauer betrifft im Unterschied zur Sozialisation nicht spezifische und problemorientierte Muster des Verhaltens und Denkens, sondern greift tiefer und setzt bei der Enkulturation an (vgl. Gross/ Morgan 1985, S.-223). Dies ist der Prozess, in dem der Mensch von Geburt an die Grundzüge der eigenen Kultur erlernt und dadurch ein Mitglied dieser Kultur wird (Fuchs-Heinritz et al. 1994, S.-167; vgl. Kap. 5.3.1.2). Im ersten Schritt zur Erforschung von Kultivierungseffekten werden die häufigsten, stabilsten und genreübergreifenden Muster des Fernsehinhalts mithilfe der »message system analysis«, einer Inhaltsanalyse des fiktionalen Fernsehprogramms, erfasst. Merkmale, die über alle Genres und Sendezeiten hinweg am häufigsten auftauchen, sind für die regelmäßigen Zuschauer unausweichlich (Morgan/ Shanahan/ Signorielli 2009). George Gerbner richtet sein Augenmerk auf Themen, deren Fernsehdarstellungen deutlich von der Realität abweichen. Um Diskrepanzen zwischen Fernsehwelt und realer Welt zu identifizieren, greift er auf Datenarchive wie etwa Kriminalstatistiken zurück. In einem zweiten Schritt werden aus den Merkmalen der sozialen Realität, die einerseits die Fernsehwelt und andererseits die reale Welt kennzeichnen, Fragen konstruiert und in Befragungen verwendet. Oftmals wurden auch Sekundäranalysen von USA-weiten Umfragen verwendet, soweit darin Sachverhalte abgefragt wurden, die im Fernsehen »verzerrt« dargestellt werden. Dieser zweite Schritt, der in der Befragung besteht und den Einfluss des Fernsehens auf die Zuschauereinstellungen sowie auf deren Verhalten untersucht, wird als cultivation analysis bezeichnet (Morgan/ Signorielli 1990, S.-15). Gewalt und Verbrechen eignen sich in besonderem Maße zur Kultivierungsanalyse, da Fernsehwelt und Realität in diesem Bereich stark auseinander klaffen: Die Fernsehwelt ist wesentlich gewalttätiger als die reale Welt. George Gerbner und Larry Gross (1976) finden in ihrer message system analysis, dass zwei Drittel aller Fernsehfiguren in der Prime Time in Gewalt verwickelt sind, während Polizeistatistiken eine jährliche Rate von 0,41 Vorfällen pro 100 Personen für das Jahr 1973 anzeigen. Befragte wurden nach ihrer Einschätzung gefragt, wie viele Menschen in einer Woche in Gewalt verwickelt sind: »eher 1 zu 10« (was die Fernsehantwort widerspiegelt) oder »eher 1 zu 100«. 39 Prozent aller Wenigseher gaben hier die »Fernsehantwort«, aber 52 Prozent aller Vielseher. Die Befragten wurden auch um eine Einschätzung gebeten, wie viele Personen im Bereich der Aufklärung und Verfolgung von Verbrechen arbeiten. Wieder waren es mehr Vielseher (59 Prozent) als Wenigseher (50 Prozent), die die Fernsehantwort »5 Prozent aller Berufstätigen« gaben an Stelle der Reale-Welt- Antwort »1 Prozent aller Berufstätigen«. Vielseher hegen auch eher eine »Mean-World-Ansicht« und stimmen Items zu wie z. B. »Die meisten Leute nutzen ihre Mitmenschen aus, wenn sie dazu Gelegenheit haben« oder »Im Umgang mit anderen Menschen kann man nicht vorsichtig genug sein« (Gerbner/ Gross 1976). <?page no="385"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 386 Es gibt zwei Arten von Effekten, die Fernsehen auf Vielseher haben kann: einerseits Effekte auf das Faktenwissen und andererseits auf Einstellungen. Das Faktenwissen (Urteile erster Ordnung, firstorder-beliefs) bezieht sich auf die Schätzung von Häufigkeiten, mit denen bestimmte Ereignisse vorkommen, die sowohl im Fernsehen als auch in der Realität auftreten, z. B. Einschätzung des Gewaltrisikos, Anteil von Berufsgruppen in der Verbrechensaufklärung. Allgemeine Einstellungen zur Welt (Urteile zweiter Ordnung, second-order-beliefs) können aus der Fernsehinformation geschlossen werden und haben kein messbares Äquivalent, weder in der Fernsehwelt noch in der Realität (z. B. Mean- World-Ansicht, Angst vor Verbrechen). Zuschauer würden Angst vor Verbrechen demnach nicht aus dem Fernsehen lernen, sondern aus der Vielzahl von dargestellten Gewalttaten schließen, dass man in dieser Welt Angst haben muss (vgl. Hawkins/ Pingree 1990, S.- 49). Im Gegensatz zur früheren Annahme, dass sich die Second-Order-Beliefs aus den First-Order-Beliefs ableiten, geht man heute eher davon aus, dass die beiden Urteilstypen durch verschiedene Prozesse unabhängig voneinander zustande kommen (Shrum 2004; Shrum/ Lee/ Burroughs/ Rindfleisch 2011). Das Fernseh-Weltbild wird verstärkt, wenn sich die Erfahrungen aus der realen und medialen Welt decken, wenn z. B. ein Zuschauer die hohe Kriminalitätsrate, die er im Fernsehen beobachtet, in seiner Wohngegend bestätigt sieht (»Resonanzeffekt«; Morgan/ Signorielli 1990, S.-21). Häufiges Fernsehen vermag nach Gerbner Unterschiede in den Weltbildern zwischen Zuschauern zu nivellieren: Gruppen, die sich in ihren Ansichten normalerweise deutlich unterscheiden, wie etwa hoch und niedrig Gebildete oder Liberale und Konservative, nähern sich einander an, wenn sie viel fernsehen (»Mainstreaming-Effekt«; Morgan/ Signorielli 1990, S.-22). In der ursprünglichen Fassung der Kultivierungsforschung erschließen Gerbner und seine Kollegen den kultivierenden Einfluss des Fernsehens über den Umfang der Nutzung. Ob dabei die inhaltsanalytisch gemessenen kulturellen Indikatoren tatsächlich rezipiert wurden oder etwa nur nichtfiktionale Sendungen, wird nicht unterschieden. Hinter dieser Vorgehensweise steckten zwei Prämissen (Potter 1993, S.-570): 1) Gerbner nahm an, dass die Fernsehinhalte insofern homogen sind, als die Massenproduktion von Sendungen ein schlüssiges Set von Bildern und Botschaften hervorbringt. Er vermutete sogar, dass sich diese Übereinstimmung über verschiedene Genres hinweg, auch über nichtfiktionale wie Nachrichten, erstreckt. Grund dafür sei die Tatsache, dass das Fernsehen auf ein größeres Publikum angewiesen sei und daher seine Inhalte auf die Werte und Normen der Masse ausrichte ( Morgan/ Shanahan/ Signorielli 2009 ). 2) Weiterhin ging Gerbner davon aus, dass die Nutzung des Fernsehens unselektiv und ritualisiert erfolgt. Nutzungsmuster richten sich weniger nach Inhalten als nach dem Tagesablauf. Insofern spielt es keine Rolle, welche Genres und Sendungen Vielseher bevorzugen: Sie werden stets mit denselben Mustern von Inhalten konfrontiert sein. Dies ist überhaupt erst die Voraussetzung für Kultivierung: Nur die repetitive, langfristige und konsistente Nutzung weit verbreiteter Muster kann in Kultivierungseffekte münden (Morgan/ Shanahan/ Signorielli 2009). Beide Annahmen sind in einer Fernsehumgebung unter den heutigen Vielkanalbedingungen nicht mehr aufrecht zu erhalten. Zum einen sind weit reichende Unterschiede in der Dichte kultureller Indikatoren zwischen einzelnen Sendungen und Genres gut belegt, v. a. was Gewaltdarstellungen betrifft (Unterschiede in der Gewaltmenge zwischen Sendern, Genres und Sendezeiten: z. B. Gerbner/ Gross 1976 und Gerbner et al. 1978; auch Art und Begleitumstände der Gewalt differieren in verschiedenen Genres: Greenberg et al. 1980; Potter et al. 1997 und Groebel/ Gleich 1993). Zum anderen unterscheiden sich Zuschauer hinsichtlich ihrer gesuchten Gratifikationen, Themeninteressen oder Genrepräferenzen und wählen ihr Fernsehprogramm auch danach aus, anstatt konsequent das Programm eines beliebigen Senders zu erfassen (z. B. Heeter 1988; Hasebrink/ Krotz 1996). <?page no="386"?> 4.4 Rezipientenforschung 387 In letzter Zeit hat die Ablehnung dieser beiden Prämissen Gerbners zu verschiedenen Neuorientierungen in der Kultivierungsforschung geführt: Zunehmend wird die Art der Sendung in die Überlegungen, wie Zuschauer kultiviert werden, miteinbezogen; v. a. das Genre als griffige Kategorie für ähnliche inhaltliche Ausrichtung wurde intensiv erforscht (Bilandžić & Busselle 2012) und hat in einer ganzen Reihe von Untersuchungen auch auf dieser Ebene Zusammenhänge zum Fernsehkonsum demonstrieren können (z. B. Beullens/ Van den Bulck 2008; Hawkins/ Pingree 1980, 1981a; Lee/ Niederdeppe 2011; Nabi 2009; Potter 1993; Potter/ Chang 1990; Roßmann 2002; Segrin/ Nabi 2002; Yang/ Oliver 2010). Neuere Forschung versucht, über das Replizieren von Zusammenhängen zwischen Fernsehkonsum und Weltbildern hinaus zu gehen und widmet sich der Frage, warum Kultivierungseffekte eigentlich auftreten - und erforscht damit die Mechanismen, die der Kultivierung zu Grunde liegen. So legen z. B. Hawkins/ Pingree (1981b und 1982), Potter (1991) und Tapper (1995) Modelle vor, die auf Lern- und Urteilsbildungstheorien der (Sozial-)Psychologie beruhen. Alle drei Modelle gehen davon aus, dass sowohl mediale als auch reale Informationen in einem einheitlichen Langzeitspeicher im Gedächtnis gespeichert werden - dies ist jedoch problematisch, da die Zuschauer beim Sehen fiktionaler Sendungen nicht über die reale, sondern die mediale Welt lernen und eine Übertragung von Erkenntnissen über die eine auf die andere Welt nicht ohne Weiteres stattfinden muss. Der Schluss von erlerntem Faktenwissen über die Fernsehwelt auf Faktenwissen und Einstellungen über die reale Welt konnte empirisch nicht konsistent nachgewiesen werden (Hawkins/ Pingree/ Adler 1987; Potter 1988). L. J. Shrum (zusammenfassend: 2007) basiert seine Sichtweise auf die Prozesse der Kultivierung auf Konzepten und Erkenntnissen der psychologischen Social-Cognition-Forschung. Er sieht jeweils unterschiedliche Prozesse für Urteile erster und zweiter Ordnung vor. Das Zustandekommen der Urteile erster Ordnung beschreibt das »Accessibility Model« (Shrum 2004, 2009; Shrum/ Lee/ Burroughs/ Rindfleisch 2011). Es geht davon aus, dass häufiges Fernsehen bestimmte, im Medium überrepräsentierte Phänomene durch wiederholte Aktivierung leichter zugänglich macht. Wenn Befragte nun aufgefordert werden, eine Häufigkeits- oder Wahrscheinlichkeitseinschätzung abzugeben, wird kein aufwändiger Prozess veranlasst, um alle möglichen Beispiele für das abgeforderte Urteil zu sammeln und zu evaluieren. Vielmehr betrachten Menschen, wenn sie ein Kultivierungsurteil abgeben sollen, nur eine kleine Stichprobe ihres Wissens, was gegenüber einer ausführlichen Such- und Entscheidungsprozedur Zeit und Mühe spart (»Heuristik«, Fiske/ Taylor 1991, S.-381ff). Eine heuristische Verarbeitung wird durch die Befragungssituation begünstigt, weil die Befragten nur wenig involviert sind und sie i. d. R. möglichst schnell hinter sich bringen wollen (Shrum 1997, S.- 351). Wenn also Befragte nach einer Einschätzung von Urteilen erster Ordnung gebeten werden, urteilen sie auf Basis der Information, die ihnen schnell und ohne Mühe einfällt; das sind bei Vielsehern eben die Beispiele, die durch den hohen Fernsehkonsum leichter zugänglich sind, wodurch die Urteile in Richtung Fernsehwelt verzerrt werden. Dieser Prozess findet erst statt, wenn das Urteil abverlangt wird, daher auch die Bezeichnung »offline«-Urteil, weil es eben nicht während der Rezeption gebildet wird. Das »Online Process Model« (Shrum 2007, 2009; Shrum/ Lee/ Burroughs/ Rindfleisch 2011) beschäftigt sich mit Urteilen zweiter Ordnung wie z. B. Einstellungen und Werthaltungen. Im Gegensatz zu den Urteilen erster Ordnung werden die Urteile zweiter Ordnung während der Rezeption (»online«) gebildet. Der Prozess erfolgt kontinuierlich und meist auch »natürlich«, d. h. ohne äußeren Anreiz wie etwa die Befragung. Weil der Prozess während der Rezeption stattfindet, sind auch die Faktoren dieses Effektes in der Situation zu suchen. Beispielsweise kann erhöhte Aufmerksamkeit (Shrum/ Burroughs/ Rindfleisch 2005) und narrative Transportation die Effekte zweiter Ordnung verstärken (Shrum/ Lee/ Burroughs/ Rindfleisch 2011). Im Gegensatz dazu reagieren Effekte erster Ordnung auf die Bedingung und Instruktionen während der Befragung (nicht während der <?page no="387"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 388 Nutzung): Wenn etwa das Involvement mit der Aufgabe (Abgabe korrekter Urteile) erhöht wird, verschwinden Kultivierungseffekte (Shrum 2001). 4.4.3.4 Integrative Wirkungsvorstellungen Integrative Wirkungsmodelle beziehen nicht nur einige Arten von Wirkung oder einige intervenierende Variablen mit ein, sondern versuchen, den Kommunikationsprozess umfassend zu erklären. So sind diese Modelle auch keine reinen Wirkungsmodelle, sondern sind vielseitig auch auf Rezeptionsprozesse oder gesellschaftliche Wirkungen anzuwenden. Einen solchen Ansatz vertritt die Cultural-Studies-Forschung (vgl. Kap. 5.3.3). Das dynamisch-transaktionale Modell Auch transaktionale Ansätze sind in diesem Sinne integrativ. Das dynamisch-transaktionale Modell wurde Anfang der 1980er-Jahre von Werner Früh und Klaus Schönbach vorgelegt (Früh/ Schönbach 1982; Schönbach/ Früh 1984; Früh 2001a). Es konzipiert Medienwirkungen als einen Prozess zwischen Kommunikator und Rezipient, der von beiden Seiten gleichermaßen beeinflusst wird. Sowohl die Wirkabsichten des Kommunikators, die Merkmale der Botschaft als auch die Ziele und Wünsche, Vorwissen und Interessen des Rezipienten bestimmen, wie Medienrezeption und -wirkung ausfallen. Daher bezeichnen die Autoren ihr Modell auch als eine Integration von Wirkungs- und Rezipientenperspektive (Früh/ Schönbach 1982, S.-28). Eine grundlegende Annahme des dynamisch-transaktionalen Modells ist, dass die Medienbotschaft nicht als physikalischer Reiz in den Kommunikationsprozess eingeht, sondern erst vom Rezipienten in seiner Bedeutung interpretiert werden muss. Der »Stimulus hat keine fixe Identität« (Früh/ Schönbach 1982, S.-38) und erlangt sein eigentliches Wirkungspotenzial erst durch eine aktive Bedeutungszuweisung durch den Rezipienten. Dieses Zusammenspiel der »objektiven« Vorgaben der Medienbotschaft (also ihren auditiven, visuellen und textlichen Merkmalen) und der aktiven Bedeutungszuweisung durch den Rezipienten wird als Inter-Transaktion bezeichnet (Früh/ Schönbach 1982, S.- 28ff). Während der Rezipient die Botschaft selegiert (zur Rezeption auswählt), und elaboriert (mit eigenem Wissen anreichert), kann die Medienbotschaft den Rezipienten stimulieren und manipulieren. In einem konventionellen Wirkungsprozess würde man die Medienbotschaft als unabhängige Variable betrachten. Beispielsweise beeinflussen etwa dem Kultivierungsansatz zufolge die kulturellen Indikatoren (unabhängige Variable) das Weltbild von Zuschauern (abhängige Variable). Dynamisch-transaktional betrachtet sind es nicht die kulturellen Indikatoren, die wirken, sondern erst die individuellen Interpretationen der kulturellen Indikatoren durch die Rezipienten. In dieser Betrachtungsweise ist somit die unabhängige Variable nicht völlig unabhängig, sondern wird von all dem beeinflusst, was die Interpretationsleistung des Rezipienten bestimmt, also etwa seinem Vorwissen, der Aufmerksamkeit und seinem Interesse. Da erst das Ergebnis, die interpretierte Botschaft, das »Wirkungspotenzial« ergibt, reden die Autoren auch von einer Aufhebung der strikten Trennung von unabhängiger und abhängiger Variable (Früh/ Schönbach 1982, S.-38). Die aktive Bedeutungszuweisung selbst besteht im Modell aus zwei Komponenten: einerseits aus dem Wissen, das der Rezipient über die Welt oder einen spezifischen Themenbereich hat, und andererseits aus der Aktivation, einer Art von Bereitschaft zur Informationsaufnahme. Das Zusammenwirken von Wissen und Aktivation stellt die Intra-Transaktion dar (Früh/ Schönbach 1982, S.-30). <?page no="388"?> 4.4 Rezipientenforschung 389 Die Grundgedanken des dynamisch-transaktionalen Ansatzes sind einfach und stützen sich im Kern auf drei Grundannahmen (Früh 2001a, S.-16ff): 1) Transaktionen wirken als spezielle Art der Beziehung zwischen den betrachteten Elementen. Sie stellen Wechselwirkungen dar, bei denen sich die beteiligten Komponenten nicht nur gegenseitig beeinflussen, sondern sich auf Grund dieser Wechselwirkungen auch selbst verändern. Dabei können keine linearen Wirkungen mit linearen Rückantworten nachverfolgt werden; beides erfolgt vielmehr simultan (Früh/ Schönbach 1982, S.-30). 2) Dynamik verweist auf die Dimension der Zeit und betont somit die Prozessualität von Medienrezeption und -wirkung. 3) Eine molare oder ökologische Perspektive sieht die Vorgänge der Massenkommunikation eingebettet in den Lebenskontext des Individuums sowie gesellschaftliche, politische und andere Zusammenhänge. Dies macht das Modell auf viele Forschungsrichtungen anwendbar, z. B. die Gewaltforschung (Früh 2001b), die Wissenskluftforschung (Wirth 1997), Nachrichtenrezeption (Schlimbach 2007), Unterhaltung (Früh/ Schulze/ Wünsch 2002; Wünsch 2006) und in anderen Kontexten (Wirth/ Stiehler/ Wünsch 2007; Wünsch/ Früh/ Gehrau 2008). Der dynamisch-transaktionale Ansatz kann als »Denkmuster [begriffen werden], das noch vor jeder gegenstandsbezogenen Theorie anzusiedeln ist« (Früh 2001a, S.-11). Der Vorteil des Modells, auf viele Gegenstände anwendbar zu sein, ist gleichzeitig ein Nachteil, da ohne die Hinzunahme weiterer Theorien keine Hypothesen abgeleitet werden können. Transaktionale Modelle haben in den Sozialwissenschaften bereits einige Tradition. Als Konzept zur Erklärung menschlicher Handlungen wurde es bereits 1949 von John Dewey und Arthur F. Bentley ausgearbeitet (Dewey/ Bentley, 1949/ 1960). Transaktion wurde dort als ganzheitlicher Prozess des Zusammenwirkens von Umwelt und Mensch gesehen, den man im Unterschied zu einer Interaktion nicht in Einzelteile zerlegen kann. In der Transaktion interpretieren die Menschen laufend die sie umgebenden Umweltreize, verändern sich dabei selbst und dadurch auch die künftigen Interpretationen (Eichhorn 2000, S.-31). Dean C. Barnlund legte 1970 ein transaktionales Modell der Kommunikation vor und formulierte darin sieben Postulate (vgl. Barnlund 1970, S.-87ff): 1) Die Entwicklung von Bedeutung: Nicht die Dinge unserer Welt an sich tragen von alleine Bedeutung, vielmehr wird diese ihnen von Menschen zugeschrieben oder gegeben. Dies erfolgt nicht als Reaktion auf oder als Interaktion mit Stimuli der Umwelt, sondern in einer Transaktion, bei der der Mensch Bedeutungen »erfindet« und zuschreibt, um seine Ziele zu verwirklichen. 2) Kommunikation ist dynamisch und verändert sich von Augenblick zu Augenblick nach eigenen inneren Gesetzmäßigkeiten. 3) Kommunikation ist kontinuierlich: Sie hat keinen Anfang und kein Ende, ist eher eine »Bedingung des Lebens«. 4) Kommunikation ist zirkulär: Vergangenes Tun kann eine Reaktion auf vorheriges sein, und jenes wieder der Stimulus zu neuem Tun - so ist jedes Tun teilweise unabhängige und teilweise abhängige Variable. Hier versagen lineare Modelle, weil sie eine klare Trennung zwischen unabhängiger und abhängiger Variable verlangen. 5) Kommunikation ist unwiederholbar: Im Gegensatz zu einfachen Reiz-Reaktions-Mechanismen, bei denen durch den gleichen Reiz auch die gleiche Reaktion ausgelöst wird, kann sich Kommunikation nicht noch einmal in der genau gleichen Form wiederholen, oder durch die gleichen Umweltreize ausgelöst werden. Dies hat seinen Grund darin, dass Kommunikation als Prozess Eigengesetzlichkeiten hat, die verhindern, dass Umweltreize immer gleich wirken (Barnlund nennt dies »element of caprice«; Barnlund 1970, S.-92). <?page no="389"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 390 6) Kommunikation ist irreversibel: Sie kann nicht rückgängig gemacht werden, in dem Sinne etwa, wie ein Eiswürfel zu Wasser wird und dann wieder eingefroren werden kann. Das, was sich durch die Kommunikation verändert hat, kann nicht wieder entfernt werden. 7) Kommunikation ist komplex, nicht nur wegen der eben genannten Merkmale, sondern auch wegen der Vielzahl möglicher kommunikativer Zwecke, sozialer Kontexte und Botschaftsformen. Im Vergleich zu den früheren transaktionalen Modellen sieht Wolfgang Eichhorn die Bedeutung des dynamisch-transaktionalen Modells von Früh/ Schönbach weniger in den auch früher bereits berücksichtigten Elementen der Transaktion und Dynamik, sondern eher in seinem integrativen Charakter, der etwa intra- und interpersonale Transaktionen in einem Modell zusammenführt und eine Anbindung an quantifizierende Methoden ermöglicht (Eichhorn 2000, S.-36). Literatur ACTA (2012a): Übersicht. http: / / www.ifd-allensbach.de/ acta/ konzept/ uebersicht.html (04.09.12). ACTA (2012b): Methode ACTA 2011. http: / / www.ifd-allensbach.de/ acta/ konzept/ methode.html (04.09.12). Adams, William J. 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Ruben (Hrsg.): Communication Yearbook, 2, Brunswick, S. 225-240. <?page no="408"?> 409 5 Kommunikationswissenschaft als trans- und interdisziplinäre Sozialwissenschaft Wie in der Einleitung erwähnt, wird die Kommunikationswissenschaft auch im deutschen Sprachraum aus einem sozialwissenschaftlichen Verständnis heraus trans- und interdisziplinär betrieben. Zugänge an Gegenstände der Kommunikationswissenschaft aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven sind damit aber nicht grundsätzlich neu. Den Ausführungen über die Entwicklung der Fachgeschichte (vgl. Kap. 2) kann man entnehmen, dass sich bereits im Vor- und Umfeld der Etablierung der wissenschaftlichen Zeitungskunde Staatswissenschaftler, Nationalökonomen, Historiker, Soziologen, Germanisten, Juristen, Theologen etc. mit Fragen und Themen des Zeitungswesens sowie des Journalismus befassten. Die gegenwärtige sozialwissenschaftliche Ausrichtung ist in der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft seit den 1960er-Jahren vorzufinden (wiewohl es bereits in den 1950er-Jahren empirische Forschung gab - vgl. Löblich 2009). Damals kam es zur empirisch-sozialwissenschaftlichen Wende (vgl. Kap. 2.9) und es begannen weitgehend aus dem angloamerikanischen Raum kommende soziologische, psychologische sowie politologische Konzepte und sozialwissenschaftliche Methoden in die deutschsprachige Publizistikwissenschaft einzufließen. So reiht sich die deutschsprachige Kommunikationswissenschaft gemeinsam mit der Politikwissenschaft, der Soziologie und der Psychologie in den Kanon der Sozialwissenschaften ein; sie bedient sich zur Klärung ihrer Fragestellungen mehrheitlich auch empirischer Methoden. Nachfolgend sind einige ausgewählte, wichtige Aspekte der Kommunikationswissenschaft aus politologischer, psychologischer und soziologischer Perspektive Gegenstand der Ausführungen, ehe in Kapitel 6 die sozialwissenschaftlichen Methoden und Forschungstechniken erörtert werden. 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft Unter politologischen Aspekten beschäftigt sich die Kommunikationswissenschaft mit Kommunikationspolitik sowie mit Politischer Kommunikation. Beim Thema Kommunikationspolitik geht es vorwiegend um politische und rechtliche sowie - etwa im Zusammenhang mit Presse- und Medienkonzentration - auch um wirtschaftliche Themen der Massenmedien, Gegenstand sind aber etwa auch funktionale Fragen der Massenmedien und des Journalismus. Das Fach bedient sich zur Klärung dieser Themen- und Fragestellungen v. a. der Politikwissenschaft, der Rechtswissenschaft und der Wirtschaftswissenschaften (vgl. Tonnemacher 2003, S.-15). Auf dem Forschungsgebiet Politische Kommunikation geht es u. a. um die Relevanz politischer Kommunikation in Demokratien, um die Akteure politischer Kommunikation, um das Verhältnis von Politik und Medien, um politische Medienwirkungen sowie um das Thema Medialisierung politischer Akteure. <?page no="409"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 410 5.1.1 Themenfeld Kommunikationspolitik Zunächst zum Thema Kommunikationspolitik ganz allgemein als Teilforschungsfeld der Kommunikationswissenschaft. In dessen Zentrum stehen Aspekte, die mit der rechtlich-politischen Ausgestaltung von gesellschaftlicher Kommunikation, insbesondere von klassischen Massenmedien und Onlinemedien zu tun haben. Dazu gehören neben der Klärung wichtiger Begriffe u. a. folgende Themen: Typologien vorfindbarer Mediensysteme, Kommunikationsgrundrechte, Organisationsformen von Massenmedien sowie Funktionen der Massenmedien. 5.1.1.1 Kommunikationspolitik, Medienpolitik, Media Governance Im Zusammenhang mit dem allgemeinen, noch nicht näher bestimmten Fachterminus Kommunikationspolitik sollen eingangs drei Begriffe kurz erörtert werden, die um dieses Thema konfigurieren, nämlich: Kommunikationspolitik, Medienpolitik und Media Governance aus einer kommunikationswissenschaftlichen Perspektive. Mit dem Begriff Kommunikationspolitik werden im übergreifenden Sinne alle Aktivitäten staatlicher Institutionen bezeichnet, die sich auf die Regelung des Prozesses der gesellschaftlichen Kommunikation richten (vgl. Glotz/ Pruys 1981, S.- 117; Schreiber 1983, S.- 419; Tonnemacher 2003, S. 19-21). Kommunikationspolitik versucht, das Verhältnis von Staat, Gesellschaft, Telekommunikation und Massenkommunikation rechtsverbindlich zu regeln (vgl. Kepplinger 1994, S.-116). In demokratischen Systemen ist Kommunikationspolitik neben der Regelung von Telekommunikation primär auf Medienkommunikation bezogen. In totalitären Systemen wie etwa dem Nationalsozialismus oder dem Kommunismus bezog sich Kommunikationspolitik neben Massenmedien und Telekommunikation auch auf die Observation zwischenmenschlicher Kommunikation durch Spitzelsysteme und Denunziation. In der DDR etwa war das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) mit Aufgaben der Observation befasst, im nationalsozialistischen Dritten Reich war es die Geheime Staatspolizei (Gestapo). Kommunikationspolitik stellt also alles zielgerichtete und normbestimmte Handeln im Hinblick auf ein bestehendes oder zu schaffendes Ordnungsgefüge im Bereich der Information und Kommunikation dar (vgl. Tonnemacher 2003, S. 21). Mit Blick auf die »Konvergenz von Massenmedien und Telekommunikation, und damit auch [die] Herausforderungen durch Internet und Mobilkommunikation« erscheint es sinnvoll, diesen Begriff (wieder - vgl. w. u.) als übergeordneten Terminus zu verwenden (vgl. Puppis et al. 2010, S. 274). Im Zeitalter von grenzüberschreitender Medienkommunikation wie Satellitenrundfunk, Multimedia, Onlinekommunikation, Digitalisierung und Konvergenz erweist sich Kommunikationspolitik national wie international als zunehmend schwieriger zu regelnde, komplexe Materie. Den Begriff Kommunikationspolitik gibt es als Fachterminus auch in der Betriebswirtschaft. Er wird dort allerdings in einem ganz anderen Sinn verstanden und verwendet: Im Bereich des Marketings versteht man unter Kommunikationspolitik »die Gestaltung sämtlicher auf den Markt zielender Kommunikationsbeziehungen eines Unternehmens« (vgl. Kepplinger 1994, S.- 117). Dazu gehören Absatzwerbung, Direktmarketing, Sponsoring, Product-Placement, Verkaufsförderung und Public Relations für Produkte und Dienstleistungen. Unter Medienpolitik versteht man zweierlei. Zum einen ist in Medienpolitik jener Teilaspekt von allgemeiner Kommunikationspolitik zu sehen, der sich speziell und konkret mit der Rechtsstellung, den Organisationsformen, den Funktionen sowie mit der personellen und materiellen Ausstattung von Presse, Rundfunk und anderen Massenmedien im klassischen Sinne befasst(e) (vgl. Roegele 1973; Ronneberger 1986). Medienpolitik als Teilbereich der Kommunikationspolitik »bezieht sich sowohl <?page no="410"?> 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 411 auf Strukturen und Anbieter als auch auf Prozesse und Inhalte öffentlicher Kommunikation« (Puppis/ Jarren 2005, S. 239). Konkrete Bereiche bzw. Formen der Medienpolitik können sein (vgl. Puppis/ Jarren 2005, S. 239f ): Medienordnungspolitik (z. B. duale Rundfunkordnung), Medieninfrastrukturpolitik (z. B. Förderprogramme für Verbreitungstechnologien wie Kabel, Satellit, DVB; aber auch etwa die öffentliche Subvention des Zeitungsvertriebs); Medienorganisationspolitik (Rundfunk- und Telekommunikationsbehörden); Personalpolitik (Besetzung von Positionen in Aufsichtsgremien und Regulierungsbehörden); sowie schließlich Programm- und Informationspolitik (z. B. Aufgabenteilung im dualen Rundfunksystem). Zum anderen versteht man unter Medienpolitik aber auch die Bemühungen von Regierungen, Verbänden, gesellschaftlichen Institutionen, (wirtschaftlichen) Organisationen sowie politischen und kulturellen Lobbys, Einfluss auf die Massenmedien auszuüben (vgl. Roegele 1973; Ronneberger 1986; Schreiber 1983). Als ein Beispiel unter anderen können hier immer noch die Einflussversuche von politischen Kräften, gesellschaftlichen Institutionen und Interessensgruppen sowie anderen Akteuren auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten genannt werden. Solche Versuche erfolgen in aller Regel über deren pluralistisch zusammengesetzte Kontrollorgane: In den Rundfunk- und Verwaltungsräten wird seitens deren Mitglieder immer wieder versucht, v. a. auf Personal-, aber auch auf Programm-, Technik- und wirtschaftliche Entscheidungen interessenspolitisch einzuwirken. Versucht man dennoch, zwischen Kommunikationspolitik und Medienpolitik zu unterscheiden, so meint Kommunikationspolitik eher abstraktes staatliches Einwirken durch Gesetze, Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsurteile, Verordnungen etc.; Medienpolitik meint die konkrete, bisweilen von Partikularinteressen geprägte praktische Umsetzung kommunikationspolitischer Zielvorstellungen wie z. B. in Deutschland die Errichtung und Ausgestaltung öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunkveranstalter und deren Nebeneinander in Form von Medien- und Rundfunkstaatsverträgen oder auch die Liberalisierung des Telekommunikationssektors ab Mitte der 1990er-Jahre. Weitere (Grundsatz-)Entscheidungen mit Blick auf Presse, Rundfunk, Onlinemedien, publizistische Infrastruktur und institutionelle Rahmen werden übersichtlich von Gerhard Vowe dargestellt (2007) und an vielen Stellen auch im Rahmen der Ausführungen über Medienstrukturen in Deutschland im vorliegenden Buch angesprochen (vgl. Kap. 4.3). Mit Medienregulierung in Deutschland, ihren Zielen und Konzepten sowie mit medienspezifischen Regulierungsmaßnahmen befassen sich ausführlich Wolfgang Seufert und Hardy Gundlach (2012). Demokratische Kommunikationspolitik dient dem Schutz, der Erhaltung und der Weiterentwicklung der Kommunikations- und Medienfreiheit, um ein konkurrierendes Angebot von Informationen und Meinungen im Wettbewerb der Massenmedien zu fördern und zu gewährleisten. Dabei wird die Kommunikationsfreiheit als Individualrecht mit Sozialwirkung gesehen und - wie alle anderen Grundrechte - als Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat (vgl. Maaßen/ Decker 1983). Die Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte, egal ob es sich um politische, ökonomische, kulturelle oder soziale Phänomene handelt, erweist sich in komplex ausdifferenzierten, modernen Gesellschaften als zunehmend schwierig. Das politische System erreicht mit Formen herkömmlicher staatlich-hierarchischer Regulierung eher nur noch bedingt seine Ziele. Dies hat zur Suche nach alternativen Regulierungsmechanismen geführt (vgl. Puppis/ Jarren 2005, S. 254). Möglichkeiten dazu eröffnet der Governance-Ansatz. Darunter ist »ganz allgemein der Prozess der Aushandlung und die Form der Ausübung von Macht in der Gesellschaft zu verstehen« (Trappel 2007, S. 254). Das Konzept »beschreibt eine Form des Regierens, die eine große Anzahl von Betroffenen in der Entscheidungsfindung anhört und deren Anliegen nach Massgabe auch berücksichtigt« (ebd.). Die »staatszentrierte Perspektive«, so Otfried Jarren, »wird aufgegeben« (Jarren 2007, S. 284). Renate Mayntz zufolge meint Governance »das Gesamt aller nebeneinander stehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte: von der institutionalisierten zivilgesellschaftlichen Selbstregulierung über <?page no="411"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 412 verschiedene Formen des Zusammenwirkens staatlicher und privater Akteure bis hin zu hoheitlichem Handeln staatlicher Akteure« (Mayntz 2009, S. 15). Die Governance-Perspektive ist auch in der Kommunikationswissenschaft vorzufinden. Hier umfasst Media Governance Formen der Regulierung von Medienorganisationen und massenmedialer öffentlicher Kommunikation durch das Zusammenwirken staatlicher Akteure mit öffentlichen Akteuren, gesellschaftlichen Organen, Einrichtungen der Zivilgesellschaft und auch privaten Akteuren (vgl. Polenz 2007, S. 161). Hinzu kommen Akteure auf europäischer Ebene (z. B. EU, Europarat) sowie internationale bzw. globale. »Damit erweitert Governance staatliche Regulierung sowohl horizontal als auch vertikal« (Puppis 2010, S. 60; siehe dazu auch Donges 2007). Eine horizontale Erweiterung der Medienregulierung i. S. von Media Governance ist z. B. gegeben, wenn private Akteure wie etwa Medienorganisationen anstelle des Staates regulieren, also eine Form der Selbstregulierung vorliegt. Dies bedeutet, dass private Akteure Regeln für die eigene Branche setzen, deren Einhaltung durchsetzen und Regelungsverstöße auch sanktionieren (vgl. Puppis 2010, S. 62). Beispiele dafür sind (nationale) Presse- und Medienräte wie der Deutsche Presserat oder weitere Selbstkontrolleinrichtungen wie etwa die Freiwillige Selbstkontrolle Film (FSK), die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) oder auch die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) u. a. m. Alle hier erwähnten Selbstkontrolleinrichtungen verfügen über Onlineauftritte, denen wichtige Informationen über diese Institutionen und ihr Wirken zu entnehmen sind (z. B. www.fsk.de). Von Co-Regulierung wird gesprochen, wenn staatliche Akteure Rahmenbedingungen vorgeben und die betroffene Branche verpflichten, sich innerhalb des Rahmens selbst zu regulieren (vgl. Puppis 2010, S.-61). Ein Beispiel dafür in Deutschland ist in der Regelung des Jugendmedienschutzes zu sehen, bei dem auch von »regulierter Selbstregulierung« die Rede ist (vgl. S. 272-274). Eine vertikale Erweiterung von Media Governance ist gegeben, wenn neben (national-)staatliche Medienregulierung weitere Akteure wie etwa die Europäische Union, der Europarat, die OSZE u. a. m. treten. Den Wandel von rein staatlich-hierarchischer Regulierung (Government) zum Nebeneinander bzw. Miteinander staatlich-hierarchischer, öffentlicher und nichtstaatlicher Regelung (Governance) kann man mit Renate Mayntz »allgemein als Wandel vom Interventionsstaat zum ›kooperativen‹ Staat« interpretieren (Mayntz 2009, S. 11). In herkömmlichen Verfahren wurden Regulierungsentscheidungen »von einzelnen dazu legitimierten Personen oder Institutionen getroffen«, in Governance-Verfahren erarbeiten die Betroffenen entweder gemeinsam Regulierungsentscheidungen »oder sie werden von den Entscheidungsverantwortlichen in den Prozess einbezogen« (vgl. Trappel 2007, S. 256). Einen kompakt gehaltenen Überblick über Akteure der Medienregulierung vermittelt Manuel Puppis (2010) in seinem Lehrbuch »Einführung in die Medienpolitik«. Ein idealtypisches Media- Governance-Modell ist Hannes Haas und Cornelia Wallner (2007) zu entnehmen, die bezüglich der Ziele von Governance drei Ebenen ansprechen: die Gegenstandsebene (Regulierungsgegenstand), die Strukturebene (Akteurskonstellationen) sowie die prozedurale Ebene (Umsetzung). Josef Trappel (2007) schließlich fasst zusammen, was unterschiedlichen Governance-Ansätzen gemein ist: die Mitwirkung gesellschaftlicher Gruppen und partizipative Formen der Entscheidungsfindung; die Berücksichtigung des öffentlichen Interesses; die Transparenz der Entscheidungsfindung; die Rechenschaftspflicht (Wahrnehmung der Verantwortung) sowie Berichtspflichten gegenüber Anspruchsberechtigten (Trappel 2007, S. 255f ). <?page no="412"?> 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 413 5.1.1.2 Typologien von Mediensystemen Kommunikations- und Medienpolitik (im oben erwähnten Sinne) sind in aller Regel »getragen von normativ getränkten Denkmustern, was Medien leisten sollen, wie sie organisiert sein sollen und welche Entwicklung sie nehmen sollen« (Vowe 2007, S. 76). Unter Mediensystemen versteht man »die Gesamtheit von Ordnungen und Strukturen, die Medien in einem definierten Raum - zumeist ein Staat - charakterisieren« (Kleinsteuber 2005, S. 275). Es gibt einige (mehr oder weniger überzeugende) Versuche, Mediensysteme zu klassifizieren bzw. zu typologisieren. Ulrich Saxer z. B. modifizierte die von Frederick Siebert et al. (1956) entwickelte Typologie (Saxer 2002; siehe auch Jarren/ Meier 2002). Sie enthält vier idealtypische Grundformen der Institutionalisierung von Medien: die (wirtschafts-)liberale, die demokratisch-kontrollierte, die autoritäre sowie die totalitäre (Saxer 2002, S. 1-14, insbesondere S. 4-13). Die einzelnen (nicht immer trennscharf voneinander abzugrenzenden) Typen werden anhand der fünf Parameter Eigentumsverhältnisse, Steuerung und Kontrolle, Ziele der Medien, normative Erwartungen an Medien sowie institutionelle Rechtfertigung der Medien charakterisiert (siehe dazu Jarren/ Meier 2002, S. 13; vgl. auch Künzler/ Jarren 2010, S. 224). Der Typologie zufolge kann das Mediensystem der Bundesrepublik Deutschland zwischen ›wirtschaftsliberal‹ und ›demokratisch kontrolliert‹ eingeordnet werden: Es gibt u. a. neben privatwirtschaftlich organisierten auch öffentlich-rechtliche Medien mit festgelegten Funktionsaufträgen. Das Mediensystem der DDR (1949-1989) erscheint rückblickend dem totalitären Typ zuordenbar. Daniel Hallin und Paolo Mancini (2004) unterscheiden zwischen dem Polarized Pluralist Model, dem Democratic Corporatist Model sowie dem Liberal Model und ordnen Länder der westlichen Industrienationen jeweils einzelnen Modellen zu (Hallin/ Mancini 2004; vgl. auch Hallin/ Mancini 2003, S. 11ff; siehe Künzler/ Jarren 2010, S. 225f ). Jens Tenscher (2008) fügte diesen drei Modellen das transformatorische bzw. osteuropäische Modell hinzu, um auch die zur Demokratie transformatierten Länder des ehemaligen sozialistischen Ost- und Südosteuropas einordnen zu können. Deutschlands Mediensystem findet sich bei Hallin/ Mancini unter dem demokratisch-korporatistischen Modell. Autoritäre und totalitäre Mediensysteme, wie es sie z. B. im Nationalsozialismus sowie in kommunistischen bzw. sozialistischen Ländern gab (und gibt), können den Typologien von Hallin/ Mancini (2004) und Tenscher (2008) nicht zugeordnet werden. Eine noch weiter ausdifferenzierte Typologie stammt von Roger Blum (2005) in seinen Bausteinen zu einer Theorie der Mediensysteme. Sein pragmatischer Differenz-Ansatz unterscheidet zwischen sechs Medienmodellen (Blum 2005, S. 9-10): dem atlantisch-pazifischen Liberalismus-Modell (z. B. USA); dem südeuropäischen Klientel-Modell (z. B. Italien); dem nordeuropäischen Service- Public-Modell (z. B. Deutschland); dem osteuropäischen Schockmodell (z. B. Russland); dem arabisch-asiatischen Patriotenmodell (z. B. Ägypten); sowie dem asiatisch-karibischen Kommandomodell (z. B. China). Nicht fehlen soll hier der Hinweis darauf, dass solche Typologien eher statisch sind und den Wandel von Mediensystemen wenig berücksichtigen (können) (vgl. Künzler/ Jarren 2009). Insofern ist die vergleichende Mediensystemforschung (siehe u. a. Thomaß 2007; Künzler/ Jarren 2009; Kleinsteuber 2003) eine wichtige Aufgabe der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft; dies v. a. auch infolge der Dynamik, die das Internet auch in die Mediensysteme und -strukturen bringt. Die Transformation der ehemals sozialistischen Länder nach der großen Wende im Osten und Südosten Europas 1989/ 91 bot damals ein besonders reichhaltiges und interessantes Forschungsfeld (vgl. u. a. Thomaß/ Tzankoff 2001; Hadamik 2004; Stegherr/ Liesem 2010). <?page no="413"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 414 5.1.1.3 Organisationsformen von Massenmedien Je nach Einbindung der Massenmedien in das politische System sind auch unterschiedliche Organisationsformen (nicht Rechtsformen) der klassischen Massenmedien vorzufinden. In den pluralistischen Demokratien haben sich im Wesentlichen zwei Grundmodelle herausgebildet, nämlich das wirtschaftliche Konkurrenzmodell sowie das administrative Kooperationsmodel (vgl. Kepplinger 1994, S.-119). Privatwirtschaftlich operierende Medien »Beim wirtschaftlichen Konkurrenzmodell bieten private Unternehmer Informationen, Meinungen, Unterhaltung zum Kauf an. Der Käufer [Leser, Hörer, Zuschauer, User - Ergänzung H. P.] entscheidet mit seiner Kaufentscheidung über den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmers und regelt so über die Nachfrage das Angebot. Das Angebot kann, weil es sich an der Nachfrage orientieren muss, als Spiegel der Interessen, Meinungen und Einstellungen in der Bevölkerung betrachtet werden« (Kepplinger 1994, S.-119). Dieses wirtschaftliche Konkurrenzmodell liegt (von Ausnahmen wie Betriebs-, Kunden- und Verbandszeitschriften etc. abgesehen) allen privatwirtschaftlich verfassten Medien zu Grunde. Sie agieren und funktionieren wie andere kommerziell geführte Unternehmen auch (Angebot und Nachfrage entscheiden über Erfolg oder Misserfolg), und daher ist oft von privat-kommerziellen Medienunternehmen die Rede. In Kapitel 4.3.4 wurde schon auf wichtige Merkmale solcher Medien hingewiesen, und auch ihre Finanzierungsformen wurden bereits erörtert (vgl. Kap. 4.3.5.4). Von den genannten wenigen Ausnahmen abgesehen ist der gesamte Printmedienmarkt in Deutschland privatwirtschaftlich verfasst. Seit 1984 gibt es, wie erwähnt, auch privat-kommerziell organisierte Hörfunk- und Fernsehprogramme (vgl. Kap. 4.3.5.2). Es wird allgemein angenommen, dass viele Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen sowie zahlreiche privat-kommerzielle Hörfunk- und Fernsehveranstalter mit ihren vielfältigen Produkten und Programmangeboten Garanten für ein außenplurales Medienangebot, für publizistischen Wettbewerb und für Meinungspluralismus sind. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass privatwirtschaftlich organisierte Medien infolge des zunehmenden Wettbewerbs zu publizistischer und/ oder ökonomischer Konzentration sowie crossmedialer Verflechtung (Print/ Radio/ Fernsehen/ Online) tendieren: dadurch kann Vielfalt wieder eingeschränkt werden. Über diese Verflechtungen bundesdeutscher Medien geben in regelmäßigen Abständen erscheinende Veröffentlichungen z. B. in der Zeitschrift Media Perspektiven Auskunft (vgl. z. B. Röper 2012; Vogel 2012). Durch immer wieder wechselnde Beteiligungsverhältnisse ist es schwierig, den jeweils aktuellen Stand solcher Verflechtungen zu vermitteln. Für das Rundfunkwesen weist die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) die Beteiligungsverhältnisse sowie medienrelevante Märkte aus. Sie sind dem Onlineauftritt der KEK zu entnehmen (www.kek-online.de). Öffentlich-rechtlich organisierte Medien Das administrative Kooperationsmodell liegt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu Grunde: »Beim administrativen Kooperationsmodell werden auf der Grundlage von rechtlichen Regelungen Kontrollorgane geschaffen, in denen alle relevanten sozialen Gruppen entsprechend ihrer gesellschaftlichen Bedeutung vertreten sind. Kontrollorgane haben u. a. die Aufgabe, darüber zu wachen, dass die Berichterstattung ein Mindestmaß an Ausgewogenheit besitzt. Auch in diesem Fall kann man <?page no="414"?> 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 415 die Berichterstattung als Spiegel der Interessen, Meinungen und Einstellungen der Bevölkerung betrachten« (Kepplinger 1994, S.- 119f ). Ausführungen über Einrichtung und Organisationsmerkmale öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten (vgl. Kap. 4.3.5.2) sowie über deren Finanzierung (vgl. Kap. 4.3.5.4) wurden ebenfalls bereits abgehandelt. Der dem Gemeinwohl und zum Binnenpluralismus verpflichtete öffentlich-rechtliche Rundfunk, wie es ihn im gesamten deutschen Sprachraum und in anderen Ländern gibt, hatte als Medientyp in Europa die 1927 errichtete British Broadcasting Corporation (BBC) zum Vorbild. Der Grundgedanke war damals, das Rundfunkwesen einer öffentlichen Anstalt zu überantworten, die gleichsam treuhänderisch nationale Interessen wahrnimmt, einer öffentlichen Daseinsvorsorge (»Public Service«) dient und daher mit einem kulturellen Programmauftrag ausgestattet wurde. Bei der Wiedererrichtung des Rundfunks in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg standen durchaus verschiedene Modelle zur Disposition (vgl. Kap. 4.3.5.2). Schließlich wurde nach der Übergabe der von den Besatzungsmächten errichteten Rundfunkanstalten an die deutsche Hoheitsverwaltung dem öffentlich-rechtlichen Modell der Vorzug eingeräumt. Die 1950 gegründete »Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland« (ARD) sowie das 1961 gegründete (und 1963 in Betrieb gegangene) »Zweite Deutsche Fernsehen« (ZDF) sind typische, öffentlich-rechtlich verfasste Medienbetriebe. Wie erwähnt, unterscheiden sie sich voneinander dadurch, dass die ARD eine föderalistische Binnenstruktur aufweist (mit derzeit neun Landesrundfunkanstalten), das ZDF hingegen (Standort Mainz) eine zentralistische (lediglich mit Landesstudios in den Bundesländern). Das private Fernsehen mit seinen massenattraktiven Programmen stellt eine zweifellos ernste Konkurrenz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dar (vgl. Kap. 4.3.5.2). Dieser hält z. B. mit allen seinen TV-Programmen seit Jahren einen Marktanteil von über 40 Prozent am gesamten TV-Markt in Deutschland (siehe Zubayr/ Gerhard 2013). Öffentlich-rechtliche Radiosender werden vergleichsweise stärker genutzt (Tagesreichweite Montag bis Sonntag 36,67 Mio. Hörer) als Privatradios (32,06 Mio. Hörer) (Gattringer/ Klingler 2012, S. 422). Die (medien-)politische Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird in Zukunft davon abhängen, ob es ihm gelingt, in der Gunst des Publikums weiter zu bestehen, ohne seinen genuin öffentlich-rechtlichen Auftrag zu vernachlässigen. Freie (nichtkommerzielle) Medien Neben privaten und öffentlich-rechtlich organisierten Medien gibt es in pluralistischen Systemen einen Medientyp, der in gängige Organisationsmodelle kaum einzuordnen ist. Gemeint sind vorwiegend lokale Kleinmedien, die von allen jenen politischen und ökonomischen Zwängen frei sein wollen, durch die privat-kommerzielle oder öffentlich-rechtliche Medien gekennzeichnet sind. Diese »freien Medien« sind vorwiegend als sog. »freie Radios« bekannt geworden, aber auch Teile der alternativen Zeitschriftenpublizistik sind zu ihnen zu zählen, sofern es sie noch gibt. »Freie Medien« beanspruchen für sich Unabhängigkeit von gesellschaftlicher Kontrolle und ökonomischen Interessen. Sie sind daher auch nicht gewinnorientiert, sondern finanzieren sich aus Mitgliedsbeiträgen, Abonnements, Veranstaltungen, Spenden sowie aus »unverdächtiger Werbung«. »Freie Medien« fordern für ihre Finanzierung Unterstützung durch die öffentliche Hand, ohne dass daraus jedoch Abhängigkeiten resultieren. Um Unabhängigkeit zu gewährleisten, organisieren und verwalten sich »freie Medien« selbst. Ihr gesellschaftspolitisches Ziel ist es, Hilfsmittel für die Artikulation und Selbstorganisation politischer, gesellschaftlicher, sozialer und kultureller Interessen zu sein (vgl. Weichler 1987; Osterchrist 1994). Organisatorisch sind bei »freien Medien« u. a. Genossenschaftsmodelle bekannt, bei denen man Anteile erwerben kann, sowie basisdemokratische Modelle, bei denen die Mitglieder die Inhalte und <?page no="415"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 416 die Programmpolitik entscheiden sowie den publizistischen Betrieb koordinieren. Technischer und journalistischer Standard der »freien Medien«, ob Radios oder Zeitschriften (bzw. vereinzelt auch Fernsehen), sind im Regelfall nicht immer sonderlich hoch, da ihre Inhalte bzw. ihr Programm u. a. auch von journalistischen Laien geplant, gestaltet und produziert wird. Exkurs: Totalitär organisierte Medien Totalitär organisierte Medien sind im deutschen Sprachraum historisch aus dem Nationalsozialismus sowie aus der DDR bekannt. Sie waren jeweils Teil des Herrschaftssystems, stellten also den verlängerten Arm von Partei und Staat dar. Folgende Gemeinsamkeiten können für totalitär organisierte Medien benannt werden (vgl. Kepplinger 1994; Wilke 1994; Holzweißig 1989, 1991, 1997; Abel 1968; Pürer/ Raabe 1996, S.-63ff und S.-351ff; Geißler 1986; Frei/ Schmitz 1989; Kirkamm 1992): • Sie sind in das Prinzip der Gewaltenkonzentration eingebunden und von den Exekutivorganen weisungsabhängig (Kepplinger 1994; Wilke 1994; Geißler 1986). • Sie stellen Führungs- und Kampfinstrumente dar und nehmen nach innen Steuerungsfunktionen, nach außen Repräsentationsaufgaben wahr (Kepplinger 1994; Wilke 1994; Geißler 1986). • Nachrichten werden in totalitär organisierten Mediensystemen zentral gelenkt und über Presseanweisungen von Regierung und Partei (oft über staatliche Nachrichtenagenturen) an die Medien weitergeleitet (Kepplinger 1994; Wilke 1994; Holzweißig 1991, 1997). • Die Ausbildung der Journalisten sowie der Berufszugang zu den Medien sind staatlich geregelt bzw. kontrolliert. Die Medienschaffenden sind der Regierung bzw. der Partei gegenüber verpflichtet (Blaum 1980; Holzweißig 1989; Frei/ Schmitz 1989; Kirkamm 1992). • Totalitär organisierte Medien unterliegen der staatlichen Lizenzpflicht (die es im Nationalsozialismus nicht gab) sowie der Kontingentierung von Papier-, Satz- und Druckkapazitäten (diese erfolgte im Nationalsozialismus erst im Krieg). In sozialistischen Systemen hat die staatliche Post zudem in aller Regel das Beförderungsmonopol für Printmedien (Holzweißig 1989; Pürer/ Raabe 1996; Wilke 1994). • Totalitär organisierte Medien verfolgen eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Der Nationalsozialismus berief sich dabei auf seine Rasse und den dem (deutschen) Volk angeborenen Führungsanspruch, der Sozialismus (bzw. Kommunismus) verfolgte die Egalisierung der ökonomischen Verhältnisse und die damit verbundene Aufhebung der Klassenunterschiede (Glotz/ Pruys 1981). • Totalitär organisierte Medien unterliegen der Aufsicht durch Staat und Partei. Medienlenkung erfolgt durch täglich ergehende detaillierte Inhaltsdirektiven, strenge Sprachregelungen sowie durch Anweisungen für Aufmachung, Platzierung, Illustration und Gestaltung der Beiträge in Printwie in Funkmedien (Wilke 2007; Abel 1968; Holzweißig 1991, 1997; Pürer/ Raabe 1996). • Totalitäre Medien werden vom Staat finanziell direkt oder indirekt unterstützt. Zeitungsabonnements und Rundfunk-Teilnehmerentgelte sind nicht teuer, um ihren Bezug bzw. ihren Empfang jedem Bürger zu ermöglichen und um optimale Verbreitungsbedingungen für die staatlich gesteuerte Information zu schaffen (Wilke 1994; Holzweißig 1989; Pürer/ Raabe 1996). Totalitär organisierte Medien folgen einem politischen Willen und lassen kaum Informations- oder Meinungspluralismus zu (am ehesten noch in politikfernen Bereichen der Berichterstattung). Durch bis ins Detail geregelte, von den Medienschaffenden strikt einzuhaltende Presseanweisungen (vgl. Wilke 2007) erübrigen sich weitgehend Maßnahmen der Vor- und Nachzensur (vgl. Holzweißig 1991 und 1997). Die in den Dienst von Partei und Staat gestellten Medien stellen Vollzugsorgane dar <?page no="416"?> 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 417 und dienen nicht nur der Festigung, sondern v. a. der Aufrechterhaltung des politischen Systems. Der ideologische Kampf wird nicht nur über Informationsinhalte ausgetragen, sondern erstreckt sich auf alle Bereiche der Berichterstattung, insbesondere auch auf bildende und kulturvermittelnde Medienangebote sowie - oftmals in subtiler Weise - auch auf den Bereich der medienvermittelten Unterhaltung. Art und Weise der Medienlenkung im Nationalsozialismus (Drittes Reich) und im Kommunismus (DDR) waren ideologisch zwar unterschiedlich begründet, wiesen in der politischen Praxis jedoch (teils) verblüffende Ähnlichkeiten auf. Dies galt insbesondere für den gesamten Modus der Pressebzw. Medienanleitung und die dazu benutzten Kanäle (vgl. Pürer/ Raabe 1996, S.-63ff, S.-351ff; vgl. auch Wilke 2007). Die Medienlenkung erfolgte im Dritten Reich im Wesentlichen über vier Ebenen (vgl. Hale 1965; Abel 1968; Frei/ Schmitz 1989; Pürer/ Raabe 1996, S.-64ff; Pürer/ Raabe 2007, S. 82ff): eine institutionelle, eine rechtliche, eine wirtschaftliche sowie eine inhaltliche. Auf der institutionellen Ebene ist das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda zu erwähnen. Es verschaffte sich über die Reichskulturkammer, einer Zwangsorganisation, der auch Print- und Funkjournalisten angehörten, Durchgriff auf Presse und Rundfunk. Auf der rechtlichen Ebene reglementierte das Schriftleitergesetz die Tätigkeit der Medienschaffenden (Journalisten, Programmgestalter, Verleger), die auf den Staat verpflichtet wurden. Über wirtschaftliche Maßnahmen verschaffte sich die NSDAP das Monopol im Bereich der Presse, von der zuerst die Linkspresse, dann die sonstige Parteipresse sowie schließlich die konfessionelle Presse (und die Generalanzeigerpresse) ausbzw. gleichgeschaltet wurde. Die inhaltliche Anleitung der Medien (vgl. Wilke 2007) erfolgte über tägliche Pressekonferenzen der Reichsregierung mit genau festgelegten und von den Medienschaffenden strikt zu beachtenden inhaltlichen und formalen Direktiven. Die Medienlenkung verlief fernschriftlich und fernmündlich über eine staatliche Agentur, das »Deutsche Nachrichtenbüro« (DNB). Wichtige Informationen zur Anleitung der Massenmedien in der Deutschen Demokratischen Republik finden sich in Kap. 4.3.5.1 des vorliegenden Buches. 5.1.1.4 Die Kommunikationsgrundrechte Die verfassungsrechtliche Ordnung der meisten demokratischen Staaten, so auch jene der Bundesrepublik, orientiert sich an unumstößlichen Grundwerten. Als oberster Wert gilt die Würde des Menschen, die im Zentrum des Menschenrechtskerns steht. Zu ihm gehören die Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, die Freiheit der Person, das Prinzip der Gleichbehandlung aller Individuen, die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit sowie nicht zuletzt die Informations- und Meinungsfreiheit. Alle diese Grundrechte stellen Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat dar und sollen die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt schützen (vgl. Fechner 2012, S. 22; vgl. Maaßen/ Decker 1983). Neben Informations- und Meinungsfreiheit sowie Pressefreiheit (vgl. Fechner 2012, S. 19ff) gehören des Weiteren die Versammlungsfreiheit und das Demonstrationsrecht, die Vereinigungsfreiheit sowie das Petitionsrecht zu den Kommunikationsgrundrechten. Dazu im Einzelnen: Informations- und Meinungsfreiheit Oberste Kommunikationsgrundrechte sind in der Informations- und Meinungsfreiheit zu sehen. In der Bundesrepublik Deutschland sind sie in Art. 5 des Grundgesetzes festgehalten und haben damit Verfassungsrang. Dort heißt es: <?page no="417"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 418 »1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. 2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. 3) Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung«. Die durch die Verfassung geschützte Informations- und Meinungsfreiheit umfasst zunächst zwei wichtige Komponenten, nämlich: eine gebende und eine nehmende: Die gebende Komponente besteht darin, dass der Einzelne die Möglichkeit hat, seine Meinung frei zu äußern, zu vertreten, zu verbreiten sowie weiterzugeben. »Der Schutz der Meinungsfreiheit soll […] nicht nur dem Einzelnen grundsätzlich die aktive Teilhabe am Prozess der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung ermöglichen, sondern auch gleichzeitig einen freien Austausch und die Auseinandersetzung der Meinungen in der freiheitlichen Demokratie gewährleisten. Insofern ist ›Meinungsfreiheit‹ als umfassende Rede- und Mitteilungsfreiheit zu verstehen« (Pürer/ Raabe 1996, S.-264 mit Bezugnahme auf Branahl 1992, S.-17). Dieser Schutz der Meinungsfreiheit umfasst insbesondere auch Meinungsäußerungen im Sinne wertender Stellungnahmen, wie sie z. B. v. a. in Presse und Rundfunk in Form von Glossen, Kommentaren oder Leitartikeln, in Leserbriefen, Flugblättern und Flugschriften ihren Ausdruck finden (vgl. Branahl 1992, 2006). In der Onlinekommunikation erleichtern und ermöglichen, wie erwähnt, Chats, Foren, Blogs und Tweets Möglichkeiten des Einzelnen, an der Meinungsfreiheit aktiv teilzuhaben. Die nehmende Komponente ist in dem Recht zu sehen, »sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten« (Art. 5 GG, Abs.-1). Dies bedeutet nicht nur, »frei und ungehindert Informationen anderer entgegennehmen zu können, sondern auch, sich durch das Aufsuchen von Informationsquellen aktiv zu informieren« (Pürer/ Raabe 1996, S.-265 mit Bezugnahme auf Gädeke 1990, S.-139). Das Recht der Informationsfreiheit steht, wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, jeder Person, also auch ausländischen Mitbürgern zu. Es hat eine individuelle und eine demokratische Komponente. Informationsfreiheit ermöglicht es dem Einzelnen, seinen Wissensdurst zu stillen, ohne vom Staat daran gehindert zu werden (individuelles Abwehrrecht). Die Informationsfreiheit schafft aus demokratietheoretischer Sicht »zugleich mit der Meinungsfreiheit die Voraussetzung dafür, dass ein rational fundierter Prozess öffentlicher Meinungs- und Willensbildung möglich wird« (Branahl 1992, S.- 19; Branahl 2006). Diese nehmende Komponente hat durch das 2006 in Kraft getretene Informationsfreiheitsgesetz eine besondere Stärkung erhalten (Fechner 2012, S. 45-48). Pressefreiheit Während bei Informations- und Meinungsfreiheit (Art. 5, Abs. 1, Satz 1) das Gewicht eher auf der individualrechtlichen Seite liegt, steht bei der in Art. 5, Abs. 1, Satz- 2 des Grundgesetzes gewährleisteten Freiheit der Massenmedien der demokratiepolitische Aspekt im Vordergrund: Die Freiheit der Massenmedien ist für den sozialen und politischen Prozess freiheitlich-demokratischer Ordnungen konstitutiv. Durch die Pressefreiheit soll sichergestellt werden, dass die Massenmedien ihre Rolle als Medium und Faktor im Prozess der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung wahrnehmen können. Somit kommt den Massenmedien eine dienende Funktion zu. Ihre wesentlichen Aufgaben sind (hier nach Pürer/ Raabe 1996, S.-167 in Anlehnung an Gädeke 1990, S.-234): <?page no="418"?> 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 419 • »die Bildung öffentlicher Meinung zu ermöglichen und damit gleichzeitig die Voraussetzung für die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte zu schaffen; • ihre Kontrollfunktion gegenüber Staat, Regierung und deren ausführenden Organen wahrzunehmen sowie • zwischen den Bürgern und den Trägern staatlicher Zuständigkeit als Vermittler zu wirken« (Hervorhebung i. Orig.). Damit sind bereits wichtige Leistungen der Massenmedien in demokratischen Systemen angesprochen. Voraussetzung für ihr Funktionieren ist, dass die Massenmedien staatsunabhängig organisiert sind und in ihnen nach Möglichkeit alle gesellschaftlichen Gruppen und geistigen Richtungen zu Wort kommen. Im Wesentlichen ist diese Vielfalt in der Bundesrepublik Deutschland durch die binnenplurale Organisation öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten sowie durch die außenplurale Vielfalt im ausdifferenzierten Presse- und Rundfunkwesen privatwirtschaftlicher Natur gegeben (auch wenn, wie erwähnt, bei den privat-kommerziellen Medien sowohl im Printwie auch im Funkmedienbereich eine unübersehbare Tendenz zur Bildung marktbeherrschender Konzerne feststellbar ist). Das Internet eröffnet durch seine vielfältigen Publikationsmöglichkeiten dem Einzelnen in besonderer Weise, von allen diesen Rechten Gebrauch zu machen - wiewohl das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Differenziertere Auskunft über die hier erwähnten Rechte sind u. a. Fricke (2010) und Fechner (2012) zu entnehmen. Weitere Kommunikationsgrundrechte Dem Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit sowie der verfassungsrechtlich garantierten Pressefreiheit sind weitere Kommunikationsgrundrechte zur Seite gestellt, die für die Verwirklichung politischer Meinungs- und Willensbildung unerlässlich sind. Es sind dies, wie erwähnt, die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) sowie das Petitionsrecht (Art. 17 GG). Mit der Versammlungsfreiheit wird dem Bürger das Recht garantiert, an Versammlungen und Demonstrationen teilzunehmen. Das bedeutet zugleich auch die Möglichkeit, die Vermittlungsinstanz der Massenmedien zu umgehen, die eigene Meinung unmittelbar in die öffentliche Diskussion einzubringen und sich direkt ein Urteil zu bilden. Geschützt wird durch die Versammlungsfreiheit auch die mit der Teilnahme an einer Versammlung oder Demonstration zum Ausdruck gebrachte Haltung (vgl. Maaßen/ Decker 1983, S.-56). Die Vereinigungsfreiheit garantiert das Grundrecht, Vereine zu bilden. Vereine zeichnen sich im Unterschied zu Versammlungen durch das Kriterium der Dauerhaftigkeit sowie durch die organisierte Willensbildung aus. »Vereine bzw. Vereinigungen dienen i. d. R. dazu, politische oder andere für die Gemeinschaft relevante Meinungen und Interessen zu bilden (bzw. zu artikulieren), zu verbreiten und sie auch der Gesellschaft oder staatlichen Organen gegenüber zu vertreten« (Pürer/ Raabe 1996, S.-266 in Anlehnung an Maaßen/ Decker 1983, S.-57). Das Petitionsrecht schließlich gesteht dem Bürger die Möglichkeit zu, »sich einzeln oder in Gesellschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden« (so der Wortlaut in Art. 17 GG). Es räumt allen Bürgern die Möglichkeit ein, sich ohne Zwischenträger - z. B. mit einem offenen Brief oder eben einer Petition - unmittelbar an die Verantwortlichen im Staat zu wenden (Maaßen/ Decker 1983, S.-57). <?page no="419"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 420 Grenzen und Schranken der Kommunikationsgrundrechte Aus Art. 5 des Grundgesetzes geht auch hervor, dass die Informations- und Meinungsfreiheit nicht grenzenlos ist. Sie findet gemäß Art. 5 Abs. 2 GG »ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre«. Das bedeutet, dass es Rechtsgüter gibt, die mit der Pressefreiheit kollidieren können. Im Einzelfalle ist daher durch eine sorgfältige Güterabwägung der zu schützenden Interessen gewissenhaft zu prüfen, welchem Recht - hier öffentliches Interesse, dort z. B. schutzwürdige Interessen einer Person (Persönlichkeitsschutz) - der Vorzug einzuräumen ist. Bei inkriminierten Verstößen der Pressefreiheit gegen gleichwertige (oder höhere) Rechtsgüter liegt es an den Gerichten, Recht zuzuerkennen. Schutzwürdige Rechtsgüter gegenüber der Pressefreiheit können neben allgemeinen Gesetzen v. a. sein (vgl. zusammenfassend Pürer/ Raabe 2007, S. 340-342; siehe auch Branahl 2006; Fricke 2010; Fechner 2012): • Gemeinschaftsinteressen wie: der Schutz der äußeren Sicherheit des Staates; der Schutz des inneren Friedens; der Schutz der öffentlichen Sicherheit; die Gefährdung des demokratischen Staates durch Propaganda für rechtswidrige Organisationen oder die Verunglimpfung des Staates und seiner Organe. • Im Weiteren gibt es der Pressefreiheit gegenüber zu schützende Individualinteressen wie: den Persönlichkeitsschutz und das Recht der persönlichen Ehre; den Schutz religiöser Gesinnung oder Weltanschauung sowie den Schutz der Gesundheit, der Sittlichkeit und der Moral. • Mit den Bestimmungen zum Schutz der Jugend sollen schließlich Gefahren abgewendet werden, wie sie entstehen können, wenn Gewalttaten oder Verbrechen glorifiziert werden, Rassenhass provoziert und Krieg verherrlicht sowie z. B. sexuelle Vorgänge in grob schamverletzender Weise dargestellt werden (Pornografie) und zu Fehlentwicklungen führen können. • Der Schutz der persönlichen Ehre gegenüber der Informations- und Meinungsfreiheit wird hergeleitet aus dem Schutz der Würde des Menschen, die, wie erwähnt, im Zentrum des Menschenrechtskerns steht. Gemäß Art. 1 GG ist sie unantastbar, und alle staatliche Gewalt ist verpflichtet, sie zu achten und zu schützen. Dies gilt insbesondere auch für Geisteskranke und ebenso für Personen, die sich schwerer Gesetzesverletzungen schuldig gemacht haben (vgl. Hubmann 1967). Das Recht der Massenmedien Die Rechtsgrundlagen der Massenmedien sind in zahlreichen demokratischen Staaten, so auch in der Bundesrepublik Deutschland, auf eine große Zahl von Gesetzesmaterien verteilt (vgl. Fechner 2012). In Deutschland ist dies u. a. auch bedingt durch die föderale Struktur der Bundesrepublik. Zu den wichtigsten nationalen Gesetzen und anderen Rechtsmaterien gehören u. a.: • das Grundgesetz • Urteile des Bundesverfassungsgerichts • die Verfassungen der einzelnen Länder • die Landespressegesetze • die Landesrundfunkgesetze (öffentlich-rechtlicher Rundfunk) • die Landesmediengesetze (privater Rundfunk) • Staatsverträge der Länder in Rundfunkangelegenheiten • das Telemediengesetz (TMG) • das Telekommunikationsgesetz <?page no="420"?> 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 421 • medienrelevante zivil- und strafrechtliche Bestimmungen • das Kartellgesetz (Medienfusionskontrolle) • das Fernmelderecht • das Urheberrecht • das Betriebsverfassungsgesetz (mit seinen Tendenzschutzbestimmungen) • die Tarifverträge • Betriebsvereinbarungen • das Standesrecht (kodifizierte, aber nicht rechtsverbindliche Grundsätze bzw. Richtlinien für die journalistische Arbeit des Deutschen Presserates) • u. a. m. In Ergänzung zu diesen nationalen Rechtsgrundlagen sind darüber hinaus supranationale und internationale Übereinkünfte und Rechtsmaterien zu erwähnen, die wichtige Voraussetzungen für die Presse- und Informationsfreiheit auf internationaler Ebene darstellen. Dazu gehören u. a.: • die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen • die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarates • der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Menschenrechtspakt der Vereinten Nationen) • das Internationale Post- und Telekommunikationsabkommen der International Television Union ITU (Fernmeldeverkehr) • die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, insbesondere der »Korb 3« der KSZE-Schlussakte (Helsinki 1975) • die UNESCO-Mediendeklaration • die EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste (zuvor Fernsehrichtlinie) • das Übereinkommen des Europarates über grenzüberschreitendes Fernsehen • u. a. m. Kommunikationsrecht ist in gesetzliche Normen gegossene Kommunikationspolitik. Dieses ist für Deutschland, wie die vorstehende Auflistung von Gesetzesmaterien zeigt, auf Länderebene, Bundesebene, Europaebene (EU) und globaler Ebene (UNO, ITU) verteilt. Infolge der Kulturhoheit der Länder (Art. 70 GG) liegt in Deutschland die Gesetzgebungsbefugnis für Medienangelegenheiten grundsätzlich bei den einzelnen Bundesländern, wie etwa die Länderverfassungen, die Landespressegesetze, die Landesrundfunkgesetze, die Landesmediengesetze sowie die Staatsverträge der Länder zeigen. Es gibt daneben aber auch Gesetzgebungsaufgaben des Bundes. Er ist u. a. zuständig für das Postwesen und die Telekommunikation, für die Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung von Medien (Kartellrecht); für die Deutsche Welle als Rundfunkanstalt des Bundesrechts, für elektronische Signatur sowie Frequenzversteigerungen. Eine wichtige Einrichtung des Bundes stellt die Bundesnetzagentur dar. Deren vielfältige Aufgaben sind dem Onlineauftritt www.bundesnetzagentur.de zu entnehmen. Gute Überblicke über die in Deutschland geltenden, auf verschiedene Rechtskomplexe aufgeteilten Bestimmungen zum Recht der Massenmedien und des Journalismus sowie medienrelevante zivil- und strafrechtliche Bestimmungen enthalten u. a. Ernst Frickes »Recht für Journalisten« (2010) sowie das von Frank Fechner publizierte und regelmäßig aktualisierte Lehrbuch »Medienrecht« (2012). Es lohnt sich, für weitere Vertiefungen der Materie dort nachzusehen. <?page no="421"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 422 5.1.1.5 Funktionen der Massenmedien Jene Funktionen, die die Massenmedien in einem politischen System erbringen, sind mit der jeweiligen Gesellschaftsform und der Rechtsordnung eng verknüpft. In totalitären Systemen sind dies andere als in offenen demokratischen Gesellschaften, in Entwicklungsländern können es andere sein als in hoch entwickelten Industrienationen. Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen Funktionen der Massenmedien in modernen pluralistischen Systemen, wie es die meisten mittel-, süd-, west- und nordeuropäischen Staaten sowie auch viele ost- und südosteuropäische Reformländer sind. Diese Funktionen erscheinen aus politologischer Perspektive als den Massenmedien mehr oder weniger normativ zugewiesene Aufgaben, aus soziologischer Perspektive als beobachtbare Leistungen der Massenmedien für die Gesellschaft und ihre Mitglieder. Die meisten der im Folgenden genannten Funktionen sind jedenfalls gesetzlich nicht vorgeschrieben. Allenfalls kann man darauf verweisen, dass in manchen Ländern und ihren Verfassungen von der »öffentlichen Aufgabe« der Presse und der anderen Massenmedien direkt oder indirekt die Rede ist: Die Medien stellen in demokratischen Staaten zweifellos unverzichtbare Instrumente dar, um unabhängig von staatlichen Einflüssen Öffentlichkeit über bedeutende Vorgänge in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur herzustellen und den politisch-weltanschaulichen Diskurs zu reflektieren; insofern spielen die Massenmedien für die (politische) Willensbildung eine wichtige Rolle. So heißt es z. B. in § 3 des Landespressegesetzes von Baden-Württemberg: »Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe, wenn sie in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt.« Die Massenmedien - keine »Vierte Gewalt« In diesem Zusammenhang ist in der wissenschaftlichen und medienpolitischen Diskussion immer wieder von den Medien als einer »Vierten Gewalt« die Rede (z. B. Bergsdorf 1980; Riese 1984; von Graevenitz et al. 1999; Wilke 2012). Gemeint ist damit, dass die Massenmedien gegenüber dem Gesetzgeber (Legislative), der Regierung und den ausführenden Organen (Exekutive) sowie den Instanzen der Rechtsprechung (Judikative) wichtige Kontrollaufgaben erfüllen sollen. Dabei sind die Massenmedien jedoch nicht als Vierte Gewalt, als »Publikative« anzusehen: Weder geht dies aus den Verfassungs- oder Landespressegesetzen hervor, noch verfügen dazu viele Medienschaffende über die erforderliche Kompetenz. Allenfalls ließe sich in Anlehnung an Rousseau von einer »vierten Säule« des Staates sprechen (Pürer 2002, S. 278), zumal die Massenmedien (trotz Internet) immer noch sehr wichtige Träger der öffentlichen Meinung sind und »besonders berufen erscheinen, gegenüber dem Machtstreben der den Staatsapparat beherrschenden Parteiengruppen [sowie dem Herrschaftsstreben mächtiger Wirtschafts-, Gewerkschafts- und anderer Interessensverbände - Ergänzung H. P.] das gesunde Gegengewicht zu bilden« (Löffler 1984, S.-248; siehe auch Pürer/ Raabe 1996, S.-260, Fußnote 359). In diesem Kontext ist nicht zu übersehen, dass Teile der Massenmedien - v. a. die großen Presse- und Medienkonzerne - selbst mächtige Institutionen darstellen, die ihrerseits (im Schutz der »öffentlichen Aufgabe«) Machtinteressen vertreten und daher selbst der Kontrolle bedürf(t)en (Pürer 2002, S. 279). Diese Kontrolle darf in demokratischen Staaten aus Gründen der Pressefreiheit jedoch nicht inhaltlicher Natur sein, sondern tangiert den Bereich publizistischer und/ oder ökonomischer Vormachtstellung, um demokratiegefährdende Medienübermacht zu verhindern. Für Deutschland ist in diesem Kontext z. B. die Pressefusionskontrolle zu erwähnen, die im Rahmen des Kartellrechtes geregelt ist (vgl. Pürer/ Raabe 1996, S.-139f; Pürer/ Raabe 2007, S. 136f; Lerche 1971; Thiel 1992); sowie die Konzentrationskontrolle für den privaten Rundfunk auf der Basis des sog. »Zuschauer-Marktan- <?page no="422"?> 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 423 teilsmodells«, die seit 1997 im Medienstaatsvertrag geregelt ist und für die Landesmedienanstalten seitens der KEK, der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich, wahrgenommen wird (vgl. Stuiber 1998, S.-668-673; vgl. dazu auch Kap. 4.3.5.2, S. 270ff, im vorliegenden Buch). Diese Formen der Medienkontrolle sind zu unterscheiden von Formen der freiwilligen Selbstkontrolle, der sich die Massenmedien mehr oder weniger bereitwillig und effektiv unterziehen. Im Bereich der Presse (und seit 1996 auch bei den Onlinezeitungen) findet diese Selbstkontrolle in Deutschland über den 1956 von Verleger- und Journalistenverbänden gegründeten Deutschen Presserat statt, der seine Spruchpraxis penibel dokumentiert, ständig weiterentwickelt und jährlich veröffentlicht (vgl. z. B. Deutscher Presserat - Jahrbuch 2012), Sein Ehrenkodex umfasst 16 Ziffern bzw. Richtlinien, die auf Anstand und Verantwortungsbewusstsein im Journalismus abzielen; seine Sanktionsmöglichkeiten bestehen aus öffentlichen und nichtöffentlichen Rügen sowie aus Missbilligungen und Hinweisen, die in aller Regel aber ohne Konsequenzen bleiben (vgl. Wiedemann 1994, 1996; Pürer/ Raabe 2007, S. 365-376). Die öffentlich gerügten Printmedien sollten die an sie ausgesprochenen öffentlichen Rügen auch zeitnah veröffentlichen. Wie sonderbar sie dies oft tun - »Verstecken, verschleiern, verschieben« -, ist einem lesenswerten Aufsatz auf der Basis empirischer Ergebnisse von Ilona Ammann und Martin Anetzberger (2013) zu entnehmen. Im Bereich des Fernsehens gibt es Jugendschutzrichtlinien öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten (vgl. u. a. Wirth 2005 mit Blick auf das ZDF) sowie die 1993 von privaten TV-Anbietern ins Leben gerufene Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), u. a. mit Empfehlungen für Ausstrahlungszeiten und evtl. Schnittauflagen für fiktionale Programme im Sinne des Jugendschutzes (etwa im Hinblick auf Gewaltdarstellungen und Pornografie - vgl. Kap. 4.3.5.2, S. 272-274, im vorliegenden Buch). Die bereits 1949 gegründete Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) wiederum befasst sich u. a. mit Prädikationen und Empfehlungen von Filmen hinsichtlich ihrer Eignung für bestimmte Altersgruppen (Kinder und Jugendliche). Dabei wird u. a. geprüft, ob Inhalte gegen das Sittengesetz, die Menschenwürde, die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder das friedliche Zusammenleben der Völker verstoßen. Die seit 1997 bestehende, von Medienverbänden und Unternehmen errichtete Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) verfügt nicht nur über einen Verhaltenskodex für Anbieter und Vermittler von Onlineprodukten. »Sie stellt eine jedem Bürger offen stehende Beschwerdestelle für jugendgefährdende und strafbare Inhalte im Internet und in Onlinediensten dar. Außerdem fördert sie das Angebot entsprechender technischer Sperrungsmöglichkeiten« (Kunczik/ Zipfel 2001, S.- 211). Der 1972 vom Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft gegründete Deutsche Werberat versucht, »auf der Grundlage der allgemeinen Gesetze, der werberechtlichen Bestimmungen, eigener Verhaltensregelungen zu Spezialbereichen […] und in der Gesellschaft herrschender moralischer Auffassungen Missstände in der Werbung aufzufinden und abzustellen« (Kunczik/ Zipfel 2001, S.-211f ). Ein Selbstkontrollorgan der PR-Branche ist im Deutschen Rat für Public Relations zu sehen (vgl. Avenarius 2005). Zu verweisen ist des Weiteren auf die Kontrolle Unterhaltungssoftware (USK, u. a. Alterskennzeichnung von Computerspielen) sowie auf die DT-Control - Interessensgemeinschaft Selbstkontrolle elektronische Datenträger im Pressevertrieb. Auskunft über die genannten Einrichtungen erteilt das Handbuch Medienselbstkontrolle (Baum et al. 2005), zudem verfügen sämtliche Einrichtungen über Onlineauftritte, denen wichtige Informationen über das Wirken der Selbstkontrolleinrichtungen zu entnehmen sind (z. B. www.presserat.de). Was konkret die Aufgaben der Massenmedien betrifft, so sind verschiedene, mehr oder weniger normative Funktions- und Leistungskataloge entwickelt worden wie: die Herstellung von Öffentlichkeit (Informationsfunktion); Kritik und Kontrolle des soziopolitischen, -ökonomischen und -kulturellen Geschehens (sog. Wächter- oder Watchdog-Funktion); die Ermöglichung sozialer Interaktion und Integration (Sozialisationsfunktion); die Vermittlung von Bildung und Kultur; die Wahrnehmung der Unterhaltungsfunktion; die Dienstleistungsfunktion; sowie nicht zuletzt die <?page no="423"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 424 Werbefunktion (vgl. u. a. Bergsdorf 1980). Es sind dies sehr allgemein gehaltene Aufgaben, weswegen es sinnvoll erscheint, im Folgenden eine etwas differenziertere Funktionsbeschreibung vorzunehmen. Dies erfolgt in Anlehnung an Roland Burkart (1998, S.-368ff), dessen umsichtig erarbeiteter Funktionskatalog (soziale, politische, ökonomische Funktionen, Informationsfunktion) hier um Leistungen für den Einzelnen ergänzt wurde (vgl. auch Pürer/ Raabe 1996, S 309 sowie Pürer/ Raabe 2007, S. 379). Als wichtigste Aufgabe der Massenmedien erscheint dabei die Informationsfunktion. Im Weiteren sollen Leistungen der Massenmedien erörtert werden, die aus Bedürfnissen der Gesellschaft und ihrer Teilsysteme, wie des politischen und des ökonomischen Systems, resultieren. Nicht zuletzt sind aber auch Bedürfnisse des Einzelnen nicht zu übersehen. Die Informationsfunktion Eine der zentralen Leistungen der Massenmedien ist in der Informationsfunktion zu sehen. Für die Politologen Rudolf Wildenmann und Werner Kaltefleiter ist sie die »ursprünglichste Funktion der Massenmedien« (Wildenmann/ Kaltefleiter 1965, S.-15). Sie entzieht sich einer genaueren Zuordnung, da die Massenmedien sowohl im Hinblick auf das soziale, politische und ökonomische System als Ganzes Informationsleistungen ebenso erbringen wie für gesellschaftliche Gruppen oder einzelne Mitglieder der Gesellschaft (vgl. Burkart 1998, S.-391ff). Die Bedeutung der Informationsfunktion für den Einzelnen wie für das System liegt dabei in der Erweiterung des Kenntnisstandes im Bereich der Sekundärerfahrung, also bei Wissen und Erfahrung, die wir nicht primär aus dem direkten Umgang mit unserer unmittelbaren Umwelt gewinnen können. Die Massenmedien prägen, soweit es keine Möglichkeit der Primärerfahrung gibt, »den Erkenntnisstand unserer Gesellschaft« und »die ›Bilder in unseren Köpfen‹« in entscheidendem Maße (Schulz 1974, S.-57). Die Kenntnis dessen, was außerhalb unserer persönlichen Erfahrungswelt liegt, ist laut Burkart von Bedeutung für die öffentliche Debatte und Willensbildung, für die gesellschaftliche Integration und auch für Prozesse der Kapitalverwertung (Burkart 1998, S.-396). Neben den klassischen Massenmedien Presse, Radio und TV sind für die Informationsfunktion auch viele Onlineangebote von Bedeutung, sofern sie von professionellen Anbietern stammen. Die Informationsfunktion bildet folglich die Grundlage für alle übrigen Leistungen der Massenmedien (und wird im Weiteren daher auch wiederholt angesprochen). Aus ihrer fundamentalen Bedeutung heraus ergeben sich auch die (normativen) Ansprüche an die Qualität massenmedialer Informationsvermittlung, nämlich die Postulate nach Vollständigkeit, Objektivität und Verständlichkeit (vgl. Wildenmann/ Kaltefleiter 1965, S.- 15; vgl. Burkart 1998, S.- 396ff). Auch wenn - zu Recht-- eingewendet werden kann, dass diese Postulate de facto nicht erfüllbar sind, können sie für die journalistische Arbeit als Orientierungsrahmen gelten. Mit Vollständigkeit ist (möglichst) umfassende Information gemeint, nicht nur Themenvielfalt, sondern auch Vielfalt der zu Wort kommenden gesellschaftlichen Gruppen. Unter Objektivität versteht man eine möglichst unverzerrte, faktengetreue Berichterstattung aus möglichst vielen Blickwinkeln, auch die Trennung von Nachricht und Meinung. Die Forderung nach Verständlichkeit schließlich postuliert eine Aufbereitung der Information, die auch von Nichtexperten, also von Laien verstehbar ist und die ihre Bedeutung im gesellschaftlichen Kontext erkennen lässt, ohne jedoch dass die dargestellten Sachverhalte durch grobe Vereinfachung verzerrt werden. Aus der Perspektive desjenigen, für den die Massenmedien bestimmte Funktionen erfüllen (sollen), lassen sie sich auch als »Bedürfnisse« des gesellschaftlichen Gesamtsystems an das Kommunikationssystem begreifen (vgl. Burkart 1998, S.-368ff). Insbesondere ist zu verweisen auf Bedürfnisse der <?page no="424"?> 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 425 Gesellschaft allgemein, auf Bedürfnisse des politischen Systems, des ökonomischen Systems sowie schließlich auf Bedürfnisse des Einzelnen in der Gesellschaft. Funktionen für die Gesellschaft Was die Leistungen der Massenmedien für die Gesellschaft allgemein betrifft, so ist der klassische Bereich der Funktionen der Massenmedien angesprochen. Zu ihnen gehören sowohl politische als auch soziale Funktionen. Als die wichtigsten politischen Funktionen gelten: • die Herstellung von Öffentlichkeit, durch die die Massenmedien einen Austausch der Informationen zwischen den Organisationen und Institutionen und den Bürgern ermöglichen sollen, womit sie zugleich Transparenz schaffen (auch Artikulationsfunktion genannt; vgl. Ronneberger 1974, S.-199; Starkulla 1963, S.-562ff); • die politische Sozialisation und Integration, welche die Medien für die einzelnen Staatsbürger im Hinblick auf Einübung und Aktualisierung der Rolle des Einzelnen als Staatsbürger (wie Wähler, Parteimitglied, Opponent, Demonstrant) zu erbringen hat (vgl. Ronneberger 1971, S.-50, und 1974, S.-201); • Kritik- und Kontrollaufgaben im Sinne einer Rundumkontrolle v. a. im Hinblick auf politische Entscheidungen (Normenfindung und Normenkontrolle) sowie hinsichtlich der Transparenz des ökonomischen und kulturellen Systems (einschließlich der Massenmedien selbst); • die politische Bildungsfunktion, die einen Beitrag zur Fähigkeit des Einzelnen leisten soll, politische Informationen aufzunehmen und zu verstehen, und die auch zur politischen Meinungs- und Urteilsbildung befähigen soll (vgl. Ronnebeger 1974, S.-204). Neben diesen gleichsam normativ-manifesten Funktionen ist auf soziale Funktionen zu verweisen, die als latente Funktionen erscheinen: • die Sozialisationsfunktion, die zum einen Normen- und Wertevermittlung innerhalb der Gesellschaft und zum anderen die Vermittlung von Denkformen und Verhaltensweisen für die Einzelnen in der Gesellschaft umfasst, und die sich (indirekt) aus dem Gesamtangebot der Medien erschließt (vgl. Hess 1969, S.-284; Ronneberger 1971; Saxer 1974,2012; vgl. Kap. 5.3.1); • die Funktion der sozialen Orientierung, mit der durch Vermittlung von Umweltkenntnissen ein Zurechtfinden in der immer unüberschaubarer werdenden Umwelt des Einzelnen in modernen hochzivilisierten Gesellschaften ermöglicht werden soll (vgl. Ronneberger 1971); • sowie schließlich die Rekreationsfunktion, verstanden als gesellschaftlicher Anspruch an die Massenmedien, einen Beitrag zur Entlastung und Zerstreuung ihrer Gesellschaftsmitglieder zu leisten (Ronneberger 1971, S.-50; Saxer 1974, S.-32). Funktionen für das politische System Für das politische System erfüllen Presse und Rundfunk insofern wichtige Aufgaben, als dass sie einerseits Öffentlichkeit über politische Entscheidungen bereits im Vorfeld ihrer Entstehung schaffen, andererseits aber auch das politische System, insbesondere die darin Handelnden, mit Informationen über Stimmungen in der Bevölkerung versorgen. Daraus resultieren Bedürfnisse des politischen Systems an die Massenmedien, nämlich (vgl. Ronneberger 1971, S.- 52f und 1978, S.- 103; Bergsdorf 1980, S.-75ff): <?page no="425"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 426 • das Unterrichtungsbedürfnis, mit dem das politische System selbst informiert werden will im Blick auf Meinungs-, Einstellungs- und Verhaltensveränderungen innerhalb der Bevölkerung sowie bei gesellschaftlichen Funktionen und Organisationen (die Artikulationsfunktion der Medien, die Informationsvermittlung von »unten« nach »oben«); • das Mitteilungsbedürfnis des politischen Systems bzw. der darin Handelnden gegenüber der Öffentlichkeit im Hinblick auf politische Entscheidungen, Programme, Nah- und Fernziele (die Informationsvermittlung von »oben« nach »unten«); • das Akzeptanzbedürfnis bzw. die Notwendigkeit der Unterstützung des politischen Systems, die nur durch eine öffentlich wirksame politische Selbstdarstellung erreicht werden kann; sowie schließlich • internationale Kommunikationsbedürfnisse im Blick auf die Außenbeziehungen des politischen Systems, zumal die »Medien-Diplomatie« in der internationalen Kommunikation seit Jahren doch eine immer wichtiger werdende Rolle spielt. Die Massenmedien erfüllen die genannten Bedürfnisse in unterschiedlicher Weise. Teils beschränken sie sich auf (nachrichtliche) Vermittlungsaufgaben und würdigen Vorgänge in Politik und Gesellschaft kritisch in Kommentaren, Glossen und Leitartikeln; teils ergreifen sie selbst politisch Partei, besonders wenn sie politischen Gruppen weltanschaulich nahe stehen oder - wie dies z. B. bei parteigebundenen Zeitungen der Fall ist (sofern es sie noch gibt) - ihnen zugehörig sind. Es ist dies alles legitim. Wichtig für den Mediennutzer ist aber zu wissen, mit welchem Medium er es zu tun hat, damit er für sich die (politische) Position des jeweils genutzten Mediums weltanschaulich einschätzen sowie erforderlichenfalls (ideologie-)kritisch beurteilen kann. In zahlreichen demokratischen Ländern gibt es daher Bestimmungen, wonach Presse und Rundfunk ihre weltanschauliche Position (z. B. Blattlinie bei Printmedien) transparent machen müssen. Dies erfolgt bei Printmedien in aller Regel in den Impressa (meist zu Jahresende oder Jahresbeginn). Funktionen für das ökonomische System Mit den ökonomischen Funktionen sind alle jene Leistungen der Massenmedien gemeint, »welche diese im Hinblick auf die gesellschaftliche Umwelt als ökonomisches System erbringen« (Burkart 2002, S. 397). Gemeint sind vorwiegend privatwirtschaftlich erbrachte Leistungen in kapitalistischen Systemen, die der unmittelbaren (gegeben durch die Existenz der Medien) oder der mittelbaren (durch die von Medien produzierten Inhalte) Kapitalverwertung dienen (vgl. Burkart 2002, S. 397f ). Als zentrales Bedürfnis des ökonomischen Systems nennt der Soziologe Horst Holzer die sog. Zirkulationsfunktion. Gemeint ist damit, dass die Massenmedien zur »Aktivierung der Ware-Geld-Beziehungen« beitragen und dadurch den Warenumschlag beschleunigen. Sie tun dies auf zweierlei Weise: Als Werbeträger für kommerzielle Anzeigen bzw. Werbespots informieren sie über das Warenangebot, wecken Konsumwünsche und regen zum Kauf an. Sie erfüllen die Zirkulationsfunktion aber auch in der Vermittlung redaktioneller Inhalte v. a. in der Wirtschaftsberichterstattung, in der neben Informationen über Produkte und Dienstleistungen auch über aktuelle Trends und Entwicklungen im Konsumverhalten informiert wird und dabei seitens der Medien auch normsetzend gewirkt werden kann (vgl. Holzer 1973, 1975, 1994; vgl. Burkart 1998, 2002). Insgesamt kann man von einer »absatzökonomischen Funktion« zur Stabilisierung des wirtschaftlichen Systems sprechen (Burkart 2002, S. 399ff mit Bezugnahme auf Holzer 1994, S. 203). <?page no="426"?> 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 427 Funktionen für den Einzelnen Nicht zuletzt ist auf Leistungen der Massenmedien zu verweisen, die aus Bedürfnissen des Einzelnen gegenüber Zeitung, Radio und Fernsehen beruhen - Leistungen also, die die Individuen von den Massenmedien erwarten (vgl. Pürer/ Raabe 1996, S.-309f und 2007, S. 376). Denis McQuail hat aus empirischen Studien, die Motiven der Mediennutzung auf den Grund gegangen sind, die folgenden Bedürfnisse ausfindig gemacht (vgl. McQuail 1983; Schulz 1997, S.-164f ): • das Bedürfnis nach Information, d. h. Unterrichtung über relevante Ereignisse aus dem lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Geschehen, Ratsuche in praktischen Fragen, die Befriedigung von Neugier sowie der Wunsch nach Reduktion von Unsicherheit durch Wissen; • das Bedürfnis nach persönlicher Identität wie die Bestärkung persönlicher Werthaltungen, die Suche nach Verhaltensmodellen, die Identifikation mit anderen (in den Medien) sowie die Selbstfindung; • das Bedürfnis nach Integration und sozialer Interaktion, wobei die Medien ein (soziales) Wir- Gefühl erzeugen oder gar mangelnde Sozialkontakte kompensieren helfen sollen, der gemeinsame Medienkonsum oder das Gespräch über Medieninhalte soziale Kontakte fördern und soziale Empathie und die Annahme (eigener) sozialer Rollen ermöglichen soll; • das Unterhaltungsbedürfnis, das sich aufgliedert in Wünsche nach Zerstreuung und Entspannung, Wirklichkeitsflucht und Ablenkung von (Alltags-)Problemen, Verminderung der Langeweile, kulturelle und ästhetische Erbauung, sexuelle Stimulation sowie emotionale Spannung und Entlastung. Die Vielzahl der hier genannten Leistungen bzw. Funktionsanforderungen können von den verschiedenen Medien nicht in gleicher Weise erfüllt bzw. gewährleistet werden. Vor allem für die gesamtgesellschaftlich relevanten und das aktuelle Tagesgeschehen übergreifende Sozialisations- und Orientierungsfunktionen fällt es äußerst schwer, die jeweiligen Leistungsstärken der verschiedenen Medien exakt auszuloten und zu benennen. Aber auch im Hinblick auf Information, Meinungsbildung und Unterhaltung lassen sich die Funktionen der Massenmedien nicht exklusiv entweder den Print- oder den Funkmedien zuordnen: Zu verschieden sind innerhalb der Mediengruppen (Zeitung, Zeitschrift, Radio, Fernsehen, Internet) die einzelnen Typen, die seitens ihrer Leser, Hörer, Zuschauer und User auch aus unterschiedlichen Motiven heraus genutzt werden. Allenfalls kann man darauf verweisen, dass die klassische Tageszeitung und die Wochenzeitungen bzw. politischen Magazine eher als Hörfunk und Fernsehen in der Lage sind, Information (welcher Art auch immer) differenzierter aufzubereiten und mit Hintergrund auszustatten. Unbestritten ist wohl auch, dass die Stärke von Radio und Fernsehen (neben der aktuellen Information) in der Unterhaltung liegt. So verfügen die einzelnen Medien zwar über je unterschiedliche Leistungsstärken; aus ihnen jedoch exklusive Funktionen herleiten zu wollen, ist schwer möglich. Dies gilt in besonderer Weise auch für das Internet mit seinen längst unüberschaubaren, zahlreichen Angeboten. 5.1.2 Themenfeld politische Kommunikation Philip Baugut, Nayla Fawzi, Thomas Zerback Unter politologischen Aspekten stellt das Forschungsfeld politische Kommunikation das zweite Teilgebiet dar, das hier erörtert werden soll. Nach Hinweisen auf den Begriff folgen Ausführungen über die Bedeutung politischer Kommunikation in Demokratien, über die Akteure politischer Kommu- <?page no="427"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 428 nikation, über das Verhältnis von Politik und Medien, über Wirkungen politischer Kommunikation sowie über die Medialisierung der Politik. 5.1.2.1 Zum Begriff politische Kommunikation Trotz zahlreicher Bemühungen zu bestimmen, was politische Kommunikation ist, gibt es bislang keine einheitliche Festlegung des Begriffs (vgl. u. a. Jarren/ Donges 2011; Reinemann/ Zerback 2013; Schulz 2008a) und keinen klar umrissenen Forschungsgegenstand (vgl. Kleinsteuber 2005). Dies nicht zuletzt deshalb, weil sich Autoren unterschiedlicher fachlicher Herkunft (im Wesentlichen Politologen und Kommunikationswissenschaftler) mit diesem Teilgebiet befassen (vgl. Jarren/ Donges 2011). Die amerikanische Kommunikationswissenschaftlerin Doris A. Graber (2005) hat jedoch einen Kern von Gemeinsamkeiten unter Definitionsversuchen ausfindig gemacht. Sie umschreibt politische Kommunikation wie folgt: »The field of political communication, […], encompasses the construction, sending, receiving, and processing of messages that potentially have a significant direct or indirect impact on politics« (Graber 2005, S. 479). Grundlage dieses Verständnisses von politischer Kommunikation ist demnach ein einfacher Kommunikationsprozess, als Weg von der Entstehung einer politischen Botschaft bis hin zu ihrer Rezeption, der seine politische Dimension erst erhält, wenn von der Botschaft zumindest eine Wirkung auf die Politik anzunehmen ist. Unter Politik wird im Allgemeinen die Vorbereitung, Durchsetzung und Implementation kollektiv bindender Entscheidungen über gesellschaftliche Ressourcen, Werte oder Macht verstanden (Kevenhörster 2008, S. 15). Aus dem angloamerikanischen Raum stammt eine weitere Differenzierung, die sowohl in der deutschsprachigen Politikwie auch Kommunikationswissenschaft übernommen wurde: die Unterscheidung von Politics, Polity und Policy. Politics steht für eine prozessorientierte Perspektive auf die Politik (z. B. auf politische Verfahren, wie z. B. Gesetzgebungsverfahren). Polity betrifft den strukturellen und normativen Rahmen, in dem Politik stattfindet (z. B. in Form von Parteien, Interessengruppen und Rechtsnormen), und Policy bezieht sich schließlich auf die eigentlichen politischen Inhalte, wie z. B. gesellschaftliche Probleme und deren politische Lösung (Kevenhörster 2008, S.-27-31). Eine so verstandene politische Kommunikation findet folglich zwischen mehreren Akteursgruppen statt, darunter Politiker und Parteien ebenso wie Bürger, (organisierte) Interessengruppen und Massenmedien (vgl. Kap. 5.1.2.3). Politikbezogene Wirkungen als kennzeichnendes Element politischer Kommunikation können alle drei genannten Dimensionen von Politik betreffen und in ihrer Art (kognitiv, affektiv, konativ) sowie auf der Ebene ihres Auftretens (Mikro-, Meso,- Makrowirkungen) sehr unterschiedlich ausfallen (vgl. Kap 5.1.2.5 und 5.1.2.6). Für alle Effekte politischer Kommunikation gilt ferner, dass sie nicht intendiert sein müssen, sondern auch unbeabsichtigt auftreten können. Und auch intendierte Wirkungen, die ausbleiben, fallen unter den politischen Kommunikationsbegriff. Außerdem sind Wirkungen denkbar, die erst indirekt, also z. B. vermittelt über interpersonale Quellen entstehen (Krause/ Gehrau 2007). Zusätzlich existieren Effekte, die ohne konkrete Botschaft entstehen. Dazu gehören z. B. Reaktionen politischer Akteure auf vermutete zukünftige Berichterstattung. Sie spielt im Rahmen der Diskussion über die Medialisierung der Politik eine wichtige Rolle (vgl. Kap. 5.1.2.5). Ein solches Vorwegnehmen medialer Reaktionen kann nachweislich ebenfalls Auswirkungen auf das politische Handeln haben (vgl. Reinemann 2010). Folgt man obigen angestellten Überlegungen, so ist politische Kommunikation also nicht immer bereits in den frühen Phasen des Kommunikationsprozesses als solche erkennbar, sondern, wie manche Fälle zeigen, erst dann, wenn sich ihre Effekte auf die Politik eingestellt haben (Reinemann/ Zerback 2013, S. 441). <?page no="428"?> 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 429 5.1.2.2 Relevanz politischer Kommunikation in Demokratien Die zentrale Rolle der Kommunikation für Politik ist unstrittig (Jarren/ Donges 2011, S. 21; Schulz 2008b, S. 13). Dies gilt sowohl für interpersonal wie auch - und das in immer größerem Maße - für die massenmedial vermittelte politische Kommunikation. In modernen, ausdifferenzierten Gesellschaften ist insbesondere Letztere gleichermaßen Einflussfaktor und Bestandteil politischer Prozesse (politics), Strukturen (polity) und Inhalte (policy), sie durchdringt somit alle drei Dimensionen von Politik (Marcinkowski 1993, S. 13). Ihre Relevanz ergibt sich dabei aus der Tatsache, dass sie die Funktionsbedingungen von Politik prägt: Erstens trägt sie zur Formulierung bzw. Artikulation und Vermittlung politischer Probleme und Argumente und somit auch zur politischen Meinungsbildung bei, zumal die Bevölkerung nur in seltenen Fällen direkten Kontakt zu Politikern und Parteien hat und diese hauptsächlich medienvermittelt wahrnimmt. Sie ermöglicht zweitens die Aggregation verschiedener Meinungen und Interessen, indem die jeweiligen Akteure ihre Positionen kommunikativ bündeln. Schließlich drittens fördert sie die Legitimation politischer Entscheidungen, indem diese diskutiert, dargestellt, erklärt und gerechtfertigt werden können (Jarren/ Donges 2011, S. 25-28). Das Wissen um die Bedingungen, Strukturen und Abläufe politischer Kommunikation ist somit auch für das Verständnis von Politik essentiell. Und da die Politik allgemeinverbindliche Entscheidungen trifft, die die Gesellschaft als Ganzes oder Teile davon betreffen, ergibt sich die besondere Bedeutung politischer Kommunikation (Reinemann/ Zerback 2013, S. 439). Massenmedial vermittelte politische Kommunikation hat in den vergangenen Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen - eine Entwicklung, die auch auf die Expansion des Mediensystems zurückzuführen ist. Neue, weit diversifizierte mediale Angebote (wie z. B. im Bereich der Onlinemedien), Technologien (wie z. B. Digitalisierung) und Nutzungsformen (wie z. B. mobile Nutzung oder Rückkoppelungsmöglichkeiten) erreichen den Großteil der Bevölkerung und sind damit auch für das politische System wichtiger geworden. Zum anderen schreiben politische Akteure den Massenmedien eine große Wirkmächtigkeit zu, und zwar sowohl auf die Bevölkerung (Cohen et al. 2008), als auch auf andere politische Akteure (z. B. Kepplinger 2009a). Beides führt dazu, dass sich die Politik der massenmedialen Logik anpasst und die Medienberichterstattung in sämtlichen Phasen des politischen Prozesses zu berücksichtigen versucht, und dies nicht nur auf Ebene der Darstellung von Politik, sondern auch bei ihrer Herstellung (Reinemann 2010; Sarcinelli 2009). Auch die Versuche, das Verhältnis zwischen Politik und Medien mittels politischer PR zu professionalisieren, sind Resultat dieser Bedingungen und Wirkungsvorstellungen (vgl. Kap. 5.1.2.6). Dass mittlerweile größere Wirkungschancen für politische Kommunikation bestehen, wird auch innerhalb der Forschung vermutet, u. a. weil die Parteibindung der Bürger kontinuierlich abnimmt (party dealignment) (Dalton 1984; Schmitt-Beck/ Schrott 1994) und diese in der Folge anfälliger für kurzfristige Einflüsse werden (z. B. Wahlkampagnen). 5.1.2.3 Akteure politischer Kommunikation Politische Kommunikation lässt sich sowohl aus einer Prozessperspektive als auch aus einer Akteursperspektive beschreiben. Im Folgenden sollen die wichtigsten Akteure politischer Kommunikation anhand ihrer Ziele und Funktionen im demokratischen Prozess dargestellt werden. Grundsätzlich kann man zwischen individuellen Akteuren (z. B. ein Politiker), kollektiven Akteuren (z. B. eine Bürgerinitiative) und korporativen Akteuren (z. B. ein Ministerium) unterscheiden. Korporative Akteure heben sich von kollektiven u. a. durch ihre hierarchische Organisationsstruktur ab (vgl. Mayntz/ Scharpf 1995, S. 49-50). <?page no="429"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 430 Charakteristisch für Demokratien ist die Form bzw. der Prozess der politischen Willensbildung »von unten nach oben«. Daher kann man zunächst Bürger und politische Entscheidungsträger einander gegenüberstellen. Dazwischen lässt sich ein sog. ›intermediäres System‹ ausmachen, das der Vermittlung zwischen Politik und Zivilgesellschaft dient. Zu diesem System gehören erstens Interessengruppen wie Verbände, Bürgerinitiativen und soziale Bewegungen (vgl. Jarren/ Donges 2011, S. 130). Diese greifen Probleme und (Partikular-)Interessen der Bürger auf, um sie schließlich gegenüber politischen Entscheidungsträgern zu artikulieren. Zweitens gehören zum intermediären System die politischen Parteien. Diese weisen insofern eine größere Nähe zum politischen Entscheidungszentrum auf, als sie die Übernahme politischer Verantwortung anstreben, indem sie sich zur Wahl stellen. Drittens sind auch Massenmedien Intermediäre, indem sie Akteuren aus Politik und Zivilgesellschaft ein Forum bieten. Die von Medien hergestellte Öffentlichkeit erfüllt nach Friedhelm Neidhardt (1994, S. 8-9) idealerweise neben der Transparenzfunktion (Offenheit für gesellschaftliche Gruppen, Themen und Meinungen) eine Validierungsfunktion (argumentative Auslese der besten Argumente) sowie in der Folge eine Orientierungsfunktion (akzeptierte ›öffentliche Meinungen‹). Zu beachten ist in diesem Kontext, dass Medienunternehmen (oft) selbst politische Ziele verfolgen. Insofern können sie auch als »politische Akteure« bezeichnet werden (vgl. Pfetsch/ Adam 2008). Zum politischen Entscheidungszentrum gehören Parlament (Fraktionen bzw. Mandatsträger) und die politische Administration (Regierung, Ministerien, Verwaltungsbehörden etc.). Infolge von Wahlen sind Parlament und Regierung zur Ausübung von Politik legitimiert. Zugleich wird von ihnen erwartet, dass sie ihre Politik öffentlich darstellen, indem sie diese transparent machen und politische Entscheidungen begründen, wozu sie sich auch der Medien bedienen (Sarcinelli/ Tenscher 2008). Zur Stabilisierung und Professionalisierung ihrer Beziehungen zur Öffentlichkeit greifen politische Akteure auf interne und externe Politikvermittlungsexperten (z. B. Dienstleister wie PR-Agenturen) zurück (vgl. Tenscher/ Esser 2008; Tenscher 2003; Röttger/ Zielmann 2012). Diese PR-Akteure bilden damit »Grenzstellen und Brücken zwischen politischen Organisationen einerseits und deren internen und externen Umwelten andererseits« (Tenscher/ Esser 2008, S. 460), zu denen - auch im Zeitalter des Internets - insbesondere die Massenmedien gehören. 5.1.2.4 Zum Verhältnis von Politik und Medien Zum Verhältnis von Politik und Medien existieren zahlreiche theoretische Ansätze (Überblick z. B. bei Baugut/ Grundler 2009, S. 103-143). Diese lassen sich erstens danach unterscheiden, ob sie eher eine Makro- oder eine Mikroperspektive einnehmen, also eher system- oder akteurstheoretisch angelegt sind. Zweitens lassen sich Ansätze, die nach der Übermacht einer der beiden Seiten (Medien oder Politik) fragen, von jenen abgrenzen, welche die wechselseitige Abhängigkeit von Politik und Medien betonen. Drittens können deskriptive Ansätze von normativen unterschieden werden. Die theoretischen und empirischen Arbeiten lassen sich drei verschiedenen Paradigmen zuordnen: dem Gewaltenteilungsbzw. dem damit verwandten Autonomieparadigma, dem Instrumentalisierungsparadigma sowie dem Symbioseparadigma (vgl. Sarcinelli 2011, S. 125). Dazu im Einzelnen: Das Gewaltenteilungsparadigma betrachtet das Verhältnis von Politik und Medien aus einer Makroperspektive. Es betont, dass die Medien von der Politik unabhängig sein sollen, um ihrer öffentlichen Aufgabe als Kritiker und Kontrolleure von Legislative, Exekutive und Judikative nachkommen zu können (vgl. Sarcinelli 1991, S. 473). In diesem Zusammenhang ist immer wieder von den Medien als einer »Vierten Gewalt« die Rede - eine Metapher, die höchst fragwürdig ist, da Medien diese Aufgabe verfassungsrechtlich nicht zugewiesen ist und selbst der Beobachtung bedürften. Während das Gewaltenteilungsparadigma die Autonomie des Mediensystems gegenüber dem politischen <?page no="430"?> 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 431 System postuliert, wird diese im Autonomieparadigma aus einem systemtheoretischen Blickwinkel lediglich nüchtern beschrieben. Nach Niklas Luhmann (1984) sind Politik und Massenmedien selbstreferenzielle, geschlossene und damit autonome Funktionssysteme. Politik dient der Herstellung kollektiv verbindlicher Entscheidungen, Medien ermöglichen Funktionssystemen die Selbst- und Fremdbeobachtung (vgl. Marcinkowski 1993, S. 148). Die in einer funktional differenzierten Gesellschaft notwendigen Austauschbeziehungen zwischen beiden Systemen werden nicht als Beeinträchtigung ihrer Eigenständigkeit gesehen, da Systeme entsprechend ihrer Eigenlogik selbst darüber entscheiden, ob bzw. wie sie auf Umweltreize reagieren. Begriffe wie »Steuerung« oder »Determination« sind dem Autonomieparadigma daher fremd, mit diesem lässt sich das Verhältnis von Politik und Medien nicht unter Machtgesichtspunkten beschreiben. Dagegen fragt das Instrumentalisierungsparadigma ebenso makrowie mikroanalytisch nach »Übermacht« im Verhältnis von Politik und Medien (vgl. Sarcinelli 2011, S. 123). Die »Übermacht« der Politik gegenüber den Medien kann auf zwei Wegen zustande kommen: Einerseits kann über Medienpolitik in die Autonomie des Mediensystems eingegriffen werden, andererseits kann die Politik über intensive und professionelle Öffentlichkeitsarbeit die Medienberichterstattung beeinflussen. Medienpolitische Eingriffe thematisiert die sog. Instrumentalisierungsthese (vgl. Schatz 1982; Langenbucher/ Lipp 1982). Diese geht davon aus, dass das politische System von Seiten der Bürger einem Legitimationsdruck ausgesetzt ist und sich vom »Zugriff auf die Massenmedien […] eine verbesserte Kontrolle über den Problemzufluß und -bestand und gleichzeitig kostengünstigere Legitimationsverfahren« (Schatz 1982, S. 18) verspricht. Dies wird z. B. immer wieder bei wichtigen parteipolitisch motivierten Personalentscheidungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk deutlich. Während medienpolitische Einflussversuche rechtlich und auch politisch problematisch sein können, vermag die Politik mittels professioneller Öffentlichkeitsarbeit Medienberichterstattung auf legitimem Weg zu steuern. Intensiv diskutiert wurde in diesem Zusammenhang die sog. Determinationsthese (vgl. Kap. 4.1.2.3), der zufolge PR, wie von Baerns (1985) in einer viel beachteten Studie festgestellt, Themen und Timing der Berichterstattung unter Kontrolle habe (vgl. u. a. auch Löffelholz 2004; Riesmeyer 2007). Wie erfolgreich Politik-PR ist, hängt jedoch von verschiedenen Randbedingungen ab, z. B. von der redaktionellen Linie einer Zeitung (z. B. Kepplinger/ Maurer 2004). Die Versuche der Politik, Medienberichterstattung zu beeinflussen, weisen gleichzeitig auf die Macht der Medien hin. Der sog. Dependenzansatz sieht die Abhängigkeit der Politik von den Medien durch deren Expansion sowie durch abnehmende Parteibindungen in der Bevölkerung bedingt. Vertreter, die von einer »Übermacht« der Medien ausgehen (z. B. Kepplinger 1998; Meyer 2001), unterscheiden sich darin, wie weit dieser mediale Einfluss auf die Herstellung und Darstellung von Politik reicht. Thomas Meyer (2001, S. 6) spricht gar von einer »Kolonisierung der Politik durch die Medien«, indem »die dem Mediensystem eigentümlichen Regeln auf das politische System übergreifen und dessen eigentümliche Regeln dominieren oder gar außer Kraft setzen«. Die Abhängigkeit der Medien resultiert z. B. in symbolische Politik (vgl. Plasser 1985, S. 15) sowie »Personalisierungs- und Popularisierungstendenzen moderner Politikvermittlung« (Tenscher 2003, S. 63). Dies wird überwiegend kritisch gesehen, wie bereits die Titel der Publikationen anzeigen (z. B. Kepplinger 1998) Über das Machtverhältnis zwischen Politik und Medien geben empirische Untersuchungen Aufschluss, in denen Politiker (oder ihre ›Sprecher‹) einerseits und Journalisten andererseits nach der Wahrnehmung von wechselseitigen Einflüssen gefragt werden (z. B. Pfetsch/ Mayerhöffer 2011; Kepplinger 2009b; Marx 2009; Baugut/ Grundler 2009; Pontzen 2006). In quantitativen Studien sind sich Bundestagsabgeordnete und Hauptstadtjournalisten relativ einig, dass der Einfluss der Medien auf die Politik größer ist als umgekehrt (Kepplinger 2009b, S. 310). Allerdings zeigen qualitative Befunde, dass der Status der Akteure deren Interaktionen und Einflussmöglichkeiten maßgeblich prägt (z. B. Baugut/ Grundler 2009, S. 220). <?page no="431"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 432 Auch wenn wissenschaftliche Untersuchungen bezüglich des Instrumentalisierungsparadigmas teils brisante Erkenntnisse an den Tag bringen, so folgt die jüngere Forschung primär dem differenzierteren Symbiose-Paradigma (z. B. Baugut/ Grundler 2009; Tenscher 2003; Jarren/ Röttger 1999). Dieses betrachtet aus einer Mikroperspektive die Interdependenz von Politik- und Medienakteuren. Beide Seiten sind am Tausch von Information gegen Publizität interessiert und daher voneinander abhängig: Politiker ›brauchen‹ Journalisten insbesondere zur öffentlichen Verbreitung ihrer Botschaften in den Medien, Journalisten ›brauchen‹ Politiker, um im Medienwettbewerb an möglichst exklusive politische Informationen zu gelangen. So entsteht ein von milieuspezifischen Rollen und Interaktionsregeln geprägtes Handlungssystem, das die Aufrechterhaltung der politischen Kommunikation gewährleistet (Blumler/ Gurevitch 1995, S. 41). Dieses Handlungssystem lässt sich empirisch über Befragungen der politischen und medialen Akteure erschließen. In den letzten Jahren erfolgte dies häufig auf Basis des »Konzepts der politischen Kommunikationskultur« (Pfetsch 2013; Pfetsch/ Mayerhöffer 2011; Burgert 2010; Pfetsch 2003). Dahinter steht die Annahme, dass die Handlungsorientierungen (Ziele, Normen, Werte etc.) von Politik- und Medienakteuren mit bestimmten Strukturen des Medien- und politischen Systems korrespondieren (vgl. Pfetsch/ Maurer 2008). Daher lassen sich politische Kommunikationskulturen auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene beschreiben und miteinander vergleichen. Dies kann anhand verschiedener Merkmalsdimensionen erfolgen, zu denen z. B. die normativ sensible Frage von Nähe und Distanz zwischen Politikern und Journalisten gehört. Indikatoren für Nähe können neben gemeinsamen politischen Überzeugungen und engen Kooperationen beim Tausch von Information gegen Publizität auch Freundschaften zwischen beiden Seiten sein. So stimmen in der deutschen Hauptstadt 44 Prozent der Parlamentskorrespondenten der Aussage zu, es gebe »mehr Freundschaften zwischen Politikern und Journalisten, als die Öffentlichkeit ahnt« (Kepplinger/ Maurer 2008, S. 177). Zwischen einzelnen Ländern bestehen aber teilweise erhebliche Unterschiede. Ein Beispiel: Während in Großbritannien über 60 Prozent der Politikjournalisten mit mindestens einem Politiker befreundet sind, gibt dies in Dänemark nur etwa jeder Zehnte an (Dalen/ Aelst 2012, S. 519). Vergleichende politische Kommunikationsforschung ist herausgefordert, derartige Unterschiede über jene Rahmenbedingungen zu erklären, unter denen Politiker und Journalisten arbeiten (vgl. Schulz 2008a). Politische Kommunikationskulturen lassen sich auch dadurch charakterisieren, welche Bedeutung die informelle Kommunikation zwischen Politikern und Journalisten hat (vgl. Lesmeister 2008; Baugut/ Grundler 2009; Hoffmann 2003). So gibt es im politischen Berlin eine Reihe mehr oder weniger stark institutionalisierter Hintergrundgespräche, in denen sich Politiker und Journalisten vertraulich austauschen. Diese Kontaktform dient nicht nur der Vermittlung komplexer politischer Zusammenhänge, zugleich geht es auch um Beziehungspflege und das Spiel mit Informationen, von denen sich Politiker und Journalisten einen Vorteil im politischen bzw. medialen Wettbewerb erhoffen. Da zahlreiche Hauptstadtjournalisten unter starkem Wettbewerbs- und Aktualitätsdruck stehen, kommt es immer wieder zu Indiskretionen, die Konflikte mit Politikern hervorrufen. Dies führt dazu, dass Politiker mit brisanten Hintergrundinformationen äußerst vorsichtig umgehen, indem sie deren Weitergabe auf Vieraugengespräche mit Vertrauensjournalisten einflussreicher Medien beschränken. Dies begünstigt eine »journalistische Zweiklassengesellschaft« (Baugut/ Grundler 2009, S. 342). 5.1.2.5 Medienwirkungen auf die Bevölkerung Obwohl zwischen Politikern, Medien und Bevölkerung zahlreiche Wirkungsbeziehungen und -richtungen denkbar sind, lag der Schwerpunkt der politischen Kommunikationsforschung - insbesondere zu Beginn - v. a. auf der Frage nach dem politikbezogenen Einfluss der Massenmedien auf die <?page no="432"?> 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 433 Bevölkerung. Entsprechende Untersuchungen (sehr früh z. B. Lazarsfeld et al. 1944) fanden meist zu Wahlkampfzeiten statt und zielten darauf ab, die Rolle der Massenmedien für die Bildung politischer Einstellungen und Wahlentscheidungen näher zu beleuchten. Die Konzentration wissenschaftlicher Forschung auf Wahlkämpfe ist in jüngster Zeit zwar etwas zurückgegangen, allerdings bilden sie aus mehreren Gründen immer noch einen beliebten Forschungskontext (Graber 2005). Erstens handelt es sich dabei um bereits im Vorfeld terminierte Zeiträume, was die Planbarkeit empirischer Untersuchungen erleichtert (Schönbach 1998). Zweitens forcieren die politischen Akteure innerhalb des Wahlkampfs ihre politische Kommunikation beträchtlich. Das gilt nicht nur für die Parteien und Kandidaten, deren Kampagnen in dieser Zeitspanne ihren Höhepunkt erreichen (Brady et al. 2006; Holtz-Bacha 2003), sondern auch für die Medien, die dem Wahlkampfgeschehen einen Großteil ihrer politischen Berichterstattung widmen (Wilke/ Reinemann 2006). Drittens handelt es sich bei Wahlen in aller Regel um Ereignisse von großer politischer und gesellschaftlicher Relevanz, da über die zukünftige politische Führung eines Landes, eines Bundeslandes oder einer Kommune entschieden wird. Versuche, über die Wirkungen politischer Kommunikation auf die Bevölkerung valide Aussagen zu treffen, erfordern zunächst, deren Ursachen in den Blick nehmen. Diese lassen sich grosso modo in drei Gruppen einteilen: Zum einen beschäftigt sich die Forschung mit den Wirkungen, die sich aus der bloßen Existenz von Medien ergeben. Entsprechende Studien betrachten z. B. die Folgen der Einführung neuer Medien(angebote), wie z. B. jene des Privatfernsehens (Peiser 2000) oder des Internets (Boulianne 2009); oder sie vergleichen die Auswirkungen politischer Kommunikation in unterschiedlich organisierten Mediensystemen (Curran et al. 2009) auf politisches Wissen, Interesse oder Partizipation. Etwas spezifischer und näher an den eigentlichen Medieninhalten sind Untersuchungen zu verorten, die sich mit der Nutzung bestimmter Mediengattungen, Formate oder auch einzelner Sendungen beschäftigen und diese als Ursache für Effekte politischer Kommunikation betrachten. Hier geht es z. B. um die Auswirkungen von informierenden (Eveland/ Scheufele 2000) oder unterhaltenden (Hollander 2005) Formaten oder die Nutzung von Printmedien bzw. Fernsehen (Chaffee/ Frank 1996). Andere Untersuchungen befassen sich mit Effekten einzelner Sendungen oder Beiträge. Dazu gehören z. B. Studien zu den Wirkungen von TV-Duellen (Benoit et al. 2003; Maurer/ Reinemann 2003, Reinemann/ Maurer 2007) oder Late-Night-Shows mit politischem Bezug (Hollander 2005). Die dritte Ursachengruppe umfasst schließlich konkrete inhaltliche Merkmale, deren Wirkung i. d. R. experimentell, aber durchaus auch im Rahmen von Feldstudien untersucht wird. Wichtig sind in diesem Zusammenhang v. a. solche Arbeiten, die strukturelle Merkmale politischer Berichterstattung als Ursache von Medieneffekten untersuchen. Solche Studien gehen z. B. der Wirkung der Berichterstattungsintensität über bestimmte Themen, Akteure oder andere inhaltliche Aspekte nach (Iyengar/ Simon 1993; Scheufele 2000), ihrer allfälligen Konsonanz, Fokussierung bzw. Ambivalenz (Mutz/ Martin 2001; Peter 2004), auch ihrem Tenor (Kepplinger/ Maurer 2005); oder sie betrachten Effekte formaler Gestaltungsmerkmale, wie z. B. Umfang oder Platzierung einzelner Beiträge (z. B. Seibold 2002). Wirkungen politischer Kommunikation kann man zudem anhand verschiedener Aspekte differenzieren (Potter 2011). Zu den wichtigsten gehört die Art des Effekts, wobei man Wirkungen auf Kognitionen (z. B. politisches Wissen oder Bewertungen), Emotionen und Verhalten (z. B. Wahlverhalten, politische Partizipation) unterscheidet. Zudem können die Effekte auf verschiedenen Ebenen stattfinden, also das Individuum (Mikroebene), Gruppen bzw. Organisationen (Mesoebene) oder die Gesellschaft insgesamt (Makroebene) betreffen. Überblickt man die bisherige Forschung zu den Wirkungen politischer Kommunikation auf die Bevölkerung, so dominieren Untersuchungen, die auf Individualebene angesiedelt sind und sich auf politische Einstellungen bzw. politisches Verhalten konzentrieren. Theoretisch sind diese Arbeiten stark vom sozialpsychologischen Ansatz des <?page no="433"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 434 Wahlverhaltens geprägt (auch: Ann-Arbor-Modell oder Michigan-Ansatz), der versucht, die individuelle Richtung der Stimmabgabe zu erklären. In seiner aktuellsten Form (vgl. Miller/ Shanks 1996, S.- 192) berücksichtigt der Ansatz insgesamt acht, für die Wahlentscheidung relevante Einflussfaktoren und ordnet diese zeitlich und kausal. Dabei handelt es sich im Einzelnen um: 1) soziodemografische Merkmale, 2) Parteiidentifikation, 3) politische Prädispositionen, 4) Einstellungen zu aktuellen gesellschaftlichen Problemen, 5) Wahrnehmung der aktuellen eigenen Situation und des Zustands der Gesellschaft, 6) rückblickende Beurteilung der Regierungsarbeit, 7) Bewertung der Persönlichkeit der Kandidaten und 8) Erwartungen an die kommende Regierung. Das Modell hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auch als Grundlage für die Wirkungen politischer Kommunikation auf Individualebene als nützlich erwiesen, da seine Einzelbestandteile nicht nur Determinanten der Wahlentscheidung darstellen, sondern ihrerseits medialen Einflüssen unterliegen. In diesem Zusammenhang geht eine Reihe von Studien der Frage nach, inwiefern die mediale Darstellung beeinflusst, wie die Bevölkerung die agierenden politischen Kandidaten wahrnimmt (Kepplinger/ Maurer 2005). Gleiches gilt für die Einschätzung der Wichtigkeit aktueller politischer Themen und Probleme (Agenda Setting) (Scheufele/ Tewksbury 2007) oder einzelner Kandidateneigenschaften und wie stark diese als Konsequenz in die Gesamtbewertung der Kandidaten (Maurer/ Reinemann 2007) bzw. in die Wahlentscheidung (Druckman 2004) einfließen (sog. Priming- Effekte). Auch der mediale Einfluss auf die Vorstellungen der Bürger vom aktuellen Zustand eines Landes und von den realen Gegebenheiten sind Gegenstand empirischer Forschung (Kultivierung, Wissen; vgl. Cohen/ Weimann 2000). Ferner finden sich auch Untersuchungen zu Medieneffekten auf die politische Sozialisation (Shah et al. 2009) sowie grundlegende Einstellungen zum politischen System, z. B. zur Politikverdrossenheit und Demokratiezufriedenheit (z. B. Maurer 2003), aber auch zum politischen Interesse (Boulianne 2011). Neben der Wahlentscheidung hat die Forschung jüngst außerdem auch andere Formen politischer Partizipation in den Blick genommen, also z. B. untersucht, wie sich massenmedial vermittelte politische Kommunikation auf die Häufigkeit politischer Diskussionen oder andere Aktivitäten auswirkt (Boulianne 2009). Außerdem rückt in Modellen, die versuchen, die kommunikations- und politikwissenschaftliche Perspektive zu verbinden, auch die Wahrnehmung des herrschenden Meinungsklimas als medial beeinflusster Einflussfaktor in den Fokus (Dahlem 2001). In diesem Zusammenhang wurde zwar schon seit längerem die Wirkung von Umfragedarstellungen auf das Wahlverhalten untersucht (Schoen 2002), andere Meinungsklimaindikatoren fanden allerdings vergleichsweise selten Berücksichtigung (Noelle-Neumann 1974). Gerade politikbezogene Medienwirkungen sind eher selten zu beobachten. Dies hat vermutlich zwei Hauptgründe: Einerseits sind Effekte oft nur mit relativ hohem methodischem Aufwand nachweisbar (Brady/ Johnston 2006); anderseits liegt es aber auch daran, dass politikbezogene Medienwirkungen meist von bestimmten Voraussetzungen abhängig sind. So hat wissenschaftliche Forschung auf Rezipientenwie auch auf Medienseite einige intervenierende Faktoren identifiziert, die die Effekte politischer Kommunikation fördern, aber auch hemmen können. Den wohl wichtigsten Faktor stellt die individuelle Parteiidentifikation dar, die als langfristig stabile affektive Bindung an eine bestimmte politische Partei (Schoen/ Weins 2005) sowohl die Selektion als auch die Interpretation politischer Medieninhalte beeinflusst (Conover 1984). Demnach wenden sich Personen eher solchen Medieninhalten zu, die ihren eigenen politischen Einstellungen entsprechen, weshalb sie seltener mit gegenläufigen Inhalten in Kontakt kommen (bereits Lazarsfeld et al. 1944). Die Parteiidentifikation prägt ferner die Einstellungen zu Kandidaten sowie die thematischen Positionen der Wähler, wodurch das Potenzial für Medienwirkungen nochmals kleiner wird (Schoen/ Weins 2005). Allerdings zeigen Längsschnittstudien, dass sich die Parteibindungen der Bevölkerung zunehmend abschwächen (Schmitt-Beck/ Schrott 1994), was sich auch in einer wachsenden Anzahl von Wechselwählern (Schoen 2005) sowie von Personen zeigt, die ihre Wahlentscheidung erst kurz vor dem Wahl- <?page no="434"?> 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 435 termin treffen (McAllister 2002; Reinemann et al. 2011). Beide Entwicklungen dürften das Potenzial für Medienwirkungen erhöhen (Maurer/ Reinemann; Zerback/ Jandura 2012). Ebenfalls von großer Bedeutung ist das persönliche politische Involvement einer Person, das sich aus einer motivationalen (politisches Interesse) und einer kognitiven Komponente (politisches Wissen) zusammensetzt (Krosnick/ Brannon 1993). Allerdings wirkt sich das Involvement auf verschiedenen Stufen des Wirkungsprozesses durchaus unterschiedlich aus: So nutzen politisch hoch involvierte Personen politische Medieninhalte stärker, was zumindest das Potenzial für Wirkungen erhöht (Maurer et al. 2013). Auch gelingt es solchen Personen aufgrund bestehender Wissensstrukturen, sich weiteres politisches Wissen schneller und effektiver anzueignen. Hingegen zeigen sie sich weniger anfällig gegenüber persuasiven Botschaften. Auf inhaltlicher Seite haben sich v. a. Kumulation (Häufung) und Konsonanz (Übereinstimmung) als strukturelle Merkmale der politischen Berichterstattung als wichtige Verstärker von Medienwirkungen erwiesen. Ein einheitlicher Tenor über viele Medien hinweg schränkt die Selektionsmöglichkeiten der Rezipienten ein und erhöht so das Wirkungspotenzial der Berichterstattung (Noelle- Neumann 1973; Peter 2003). Ferner lässt sich zeigen, dass sich eine (moderate) Wiederholung der gleichen Botschaft positiv auf deren Glaubwürdigkeit auswirkt (Koch/ Zerback 2011, 2013), was ihr Wirkungspotenzial ebenfalls erhöht. Als letzte wichtige Gruppe von Wirkungsbedingungen kann schließlich der politische situationale Kontext gelten. So bestehen z. B. in jedem Wahlkampf spezifische Konstellationen von Kandidaten, Parteien, gesellschaftlichen Problemlagen etc., die Medienwirkungen mehr oder weniger wahrscheinlich machen (Roessing 2007). Auch spezifische Ereignisse, wie z. B. die Oderflut im Wahljahr 2002, können über ihre mediale Darstellung wahlentscheidende Wirkungen entfalten (Kepplinger/ Roessing 2005). 5.1.2.6 Medialisierung politischer Akteure Während Medienwirkungen auf die Bürger umfangreich erforscht sind, haben Medienwirkungen auf politische Akteure erst in jüngster Zeit Aufmerksamkeit erhalten. Zwar stellen politische Akteure nur eine relativ kleine Gruppe dar, allerdings kann deren Handeln weitreichende gesellschaftliche Folgen haben; mögliche Medienwirkungen auf politische Akteure sind somit von hoher Relevanz. Insbesondere im Zuge der Diskussion über eine ›Medialisierung‹ von Politik erhielten die politischen Akteure zunehmend mehr Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Forschung. Dies gilt auch für politische Akteure im weiteren Sinne (Unternehmen, Verbände, NGOs etc.). Der Fokus der nachfolgenden Ausführungen liegt allerdings auf Politikern und deren Parteien. Für den Begriff Medialisierung finden sich unterschiedliche Zugänge in der dazu vorliegenden wissenschaftlichen Literatur (siehe hierzu auch Saxers (Lebens-)Werk »Mediengesellschaft« 2012, S.-259-291). Selbst der Begriff wird uneinheitlich verwendet: ›Mediatisierung‹ und ›Medialisierung‹ werden teils zwar noch synonym gebraucht; aufgrund der Verwendung von ›Mediatisierung‹ in der Geschichtswissenschaft hat sich in Politik- und Kommunikationswissenschaft aber der Begriff Medialisierung durchgesetzt. Die Unterschiede im Verständnis von Medialisierung liegen insbesondere im jeweils zugrunde liegenden Medienbegriff. Während einerseits die Folgen öffentlicher, massenmedial vermittelter Kommunikation im Mittelpunkt stehen (z. B. Schulz 2004; Strömbäck 2008; Meyen 2009), liegt andererseits ein breiterer Kommunikationsbegriff zugrunde, der auch interpersonale Kommunikation umfasst (z. B. Krotz/ Hepp 2012). Ferner definiert die eine Sichtweise Medialisierung als Bedeutungsgewinn der Medien, d. h. ein Wandel bzw. Prozess wird untersucht, während die andere Perspektive Medialisierung als eher rein statische, medienvermittelte Wahrnehmung <?page no="435"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 436 politischer Prozesse betrachtet (vgl. bei Reinemann 2010). Dafür existiert allerdings bereits der Begriff mediation (vgl. dazu ausführlicher bei Strömbäck 2008, S. 229-231). Für die folgenden Überlegungen wird auf die Definition von Carsten Reinemann (2010, S. 282) zurückgegriffen, der unter Medialisierung einen Prozess sozialen Wandels versteht, der zu einem Bedeutungsgewinn von Massenmedien, massenmedialer Berichterstattung und/ oder der massenmedialen Logik für die Wahrnehmungen und Handlungen von Bürgern, Medien und/ oder politischen Akteuren führt. Die Differenzierung zwischen der Bedeutung der Massenmedien, deren Berichterstattung und der Medienlogik verdeutlicht die Besonderheiten, mit welchen die Medialisierungsim Vergleich zur Medienwirkungsforschung umzugehen hat. Zunächst einmal sind Politiker nicht nur »normale« Rezipienten, sondern stehen selbst auch als Protagonisten bzw. politische Akteure im Fokus der Berichterstattung (vgl. dazu das Konzept reziproker Effekte; Kepplinger 2007). Die Medialisierungsforschung untersucht somit keinen linearen Prozess, vom Ereignis bis zur Rezeption, wie dies in der klassischen Medienwirkungsforschung meist der Fall ist. Politische Akteure stehen nämlich sowohl am Anfang als auch am Ende dieser Kette. Sie sind Ursache für Medienberichte, sie initiieren Ereignisse; sie nutzen aber - wie andere Rezipienten auch - die Berichterstattung. Des Weiteren spielen bei politischen Akteuren indirekte Medienwirkungen eine Rolle, z. B., indem Politiker sich an der Medienlogik orientieren oder Berichterstattung bereits im Vorfeld antizipieren und so ihr Handeln danach ausrichten. Bereits Vorstellungen, die politische Akteure von der Wirkung der Medien etwa auf die Bürger oder auf ihre Karriere haben, können zu Medienwirkungen auf sie selbst führen (Meyen 2009). Medialisierung von Politik kann somit nicht ausschließlich kausal erklärt werden, da die zeitliche Reihenfolge von Ursache und Wirkung nicht zutreffen muss; es müssen auch finale Erklärungen herangezogen werden (vgl. ausführlicher bei Kepplinger 2008). Zur Analyse von Medienwirkungen auf die Politik bieten sich verschiedene Analyseraster an: z. B. der Mehrebenenansatz und der prozessorientierte Ansatz. Dem Mehrebenenansatz zufolge lässt sich zunächst zwischen Medienwirkungen auf Mikro-, Meso- und Makroebene unterscheiden (vgl. Reinemann/ Zerback 2013): Auf der Mikroebene können Medienwirkungen auf die politischen Akteure selbst verortet werden. Wie bei den klassischen Rezipienten können Effekte auf Emotionen, Kognitionen, Einstellungen und Verhalten auftreten, wobei aufgrund der besonderen Rolle von politischen Akteuren die beiden letzteren von höherer Relevanz sind. Aus zeitlicher Perspektive lässt sich zudem zwischen pro-aktiven, inter-aktiven und re-aktiven Effekten unterscheiden (vgl. Kepplinger 2007). Pro-aktive Effekte bezeichnen Wirkungen zukünftiger Berichte auf die politischen Akteure, d. h. es geht um deren Handeln, welches die Berichterstattung antizipiert bzw. wie sie sich an den Medien orientieren. Diese umfassen z. B. eine Orientierung an der Medienlogik bei der Auswahl von (politisch zu kommunizierenden) Themen (z. B. Pontzen 2006, S. 93) oder bei der politischen Entscheidungsfindung (z. B. Davis 2007, S. 188). Dabei spielen bekannte Wahrnehmungsphänomene wie der Third- Person-Effekt eine bedeutende Rolle. Studien zeigen, dass Politiker von einem stärkeren Einfluss der Medien auf andere Personen ausgehen als dies bei normalen Bürgern der Fall ist (z. B. Johansson 2004; Dohle/ Vowe 2010) und dass der vermutete mediale Einfluss auf die Bürger das Verhalten von Politikern mit prägt (z. B. die Parlamentsaktivitäten; vgl. Cohen et al. 2008). Inter-aktive Effekte umfassen Wirkungen, die während dem Kontakt mit Medien auftreten, z. B. wenn Politiker vor der Kamera stehen. Als re-aktive Wirkungen werden die postkommunikativen Effekte bezeichnet, die nach der Nutzung der Berichterstattung bei politischen Akteuren auftreten (Kepplinger 2007, S. 280f ). Auf der Mesoebene werden die Folgen der Medialisierung für politische Organisationen und Institutionen untersucht (z. B. Donges 2008). Dabei geht es insbesondere um innerorganisatorische Veränderungen als Reaktion auf den Bedeutungsgewinn der Medien; dieser besteht beispielsweise in einem Anstieg der Professionalität der Kommunikation, einer Vergrößerung der PR-Abteilungen <?page no="436"?> 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 437 oder einer Zunahme an externer PR-Beratung (z. B. Pontzen 2006, S. 98-101, 120-128; Tenscher 2003). Auf Makroebene geht es um die Auswirkungen der Medialisierung auf das politische System selbst. Politikerbefragungen zeigen dabei durchgängig, dass der wahrgenommene Einfluss der Medien auf die Politik deutlich über dem »Soll-Wert« liegt, also für zu hoch gehalten wird (vgl. z. B. Hoffmann 2003; Weßels 2005; Kepplinger 2009b). Hier wird auch untersucht, ob sich die Strukturen des politischen Prozesses verändern oder ob politische Institutionen zu Gunsten der Medien an Einfluss verlieren. So nehmen Politiker z. B. einen Bedeutungsverlust des Parlaments wahr (vgl. Pontzen 2006, S.-111). Eine prozessorientierte Perspektive zur Analyse der Medialisierung von Politik bietet die Politikfeldanalyse mit ihren Phasenmodellen. Auf Basis des ›Policy-Cycles‹ lässt sich untersuchen, welche Rolle die Medien in den einzelnen Phasen (politische) Problemartikulation/ Agenda Setting, Politikformulierung, (politische) Implementation und (politische) Evaluation spielen. Otfried Jarren und Patrick Donges (2011) haben in diesem Zusammenhang ein hilfreiches Modell vorgestellt, welches den Medieneinfluss in den ersten Phasen der Problemartikulation/ des Agenda Setting als sehr hoch einschätzt, in den folgenden Phasen Programmentwicklung, Implementation und Evaluation dagegen als (sehr) gering beschreibt. Insbesondere in Bezug auf den Medieneinfluss auf das Policy-Agenda- Setting ist die Forschungslage recht umfangreich. In einer Metaanalyse von 19 Policy-Agenda-Setting-Studien konnten zwölf Studien einen starken, drei Studien einen schwachen und vier Studien keinen Medieneinfluss auf das politische Agenda Setting finden (vgl. Walgrave/ Aelst 2006, S. 91). In Deutschland gelten die Medien ebenfalls als einflussreiche Agenda Setter (vgl. Wittkämper et al. 1986; Pfetsch 1993; Fuchs/ Pfetsch 1996; Marx 2009; Ausnahme Maurer 2011). Auch wenn in der wissenschaftlichen Literatur häufig kritisiert wird, dass es kaum empirische Befunde hinsichtlich der Rolle der Medien während der Politikformulierung gibt (z. B. Koch-Baumgarten/ Voltmer 2009; Sarcinelli 2011), zeigen Studien zunehmend einen Medieneinfluss auf Verhandlungen auf, z. B. indem Medien den Entscheidungsdruck auf die Verhandlungsteilnehmer erhöhen oder die Kompromissfindung erschweren (vgl. z. B. Linsky 1986; Davis 2007; Baugut/ Grundler 2009). Eine Zunahme von Indiskretionen während Verhandlungen seitens der politischen Akteure wird darüber hinaus als Ursache für einen gestiegenen Medieneinfluss auf Verhandlungen genannt (Baugut/ Grundler 2009; Spörer-Wagner/ Marcinkowski 2010). Die Bedeutung der Medien im politischen Prozess zeigt sich auch daran, dass die Medien für die politischen Akteure in allen Phasen des politischen Prozesses wichtige politische Funktionen erfüllen. Zu nennen ist zum einen eine Informationsfunktion: Politiker nutzen die Medienberichterstattung, um sich über die öffentliche Meinung, andere politische Akteure, politische Ereignisse etc. zu informieren (Wittkämper et al. 1986; Koch-Baumgarten/ Voltmer 2009). Zum anderen erfüllen die Medien auch eine strategische Funktion, indem Politiker versuchen, über die Medienagenda die eigenen Themen auf die politische Agenda zu setzen, öffentliche Unterstützung für die eigenen politischen Ziele zu erhalten oder politische Entscheidungen zu beeinflussen (z. B. Wittkämper et al. 1986; Marx 2009). Dabei kommt insbesondere der politischen Öffentlichkeitsarbeit eine hohe Bedeutung zu. Eine Ausnahme hinsichtlich des Forschungsstandes stellt das Politikfeld Außenpolitik dar (vgl. z. B. Wittkämper et al. 1986); hier wurde mit Blick auf militärische Interventionen der Einfluss der Medien unter dem Stichwort CNN-Effekt untersucht. Allerdings werden die Studien insbesondere im Hinblick auf ihre methodische Vorgehensweise kritisch betrachtet (vgl. Ammon 2001; Robinson 2002; Gilboa 2005; Hammerschmidt 2007). <?page no="437"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 438 Literatur Abel, Karl-Dietrich (1968): Presse im NS-Staat. Berlin. Amman, Ilona; Anetzberger, Martin (2013): Verstecken, verschleiern, verschieben. Zum Umgang der Presse mit öffentlichen Rügen des Deutschen Presserates. In: Springer, Nina et al. (Hrsg.): Medien und Journalismus im 21. Jahrhundert. 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Der Begriff »Wirkungen« ist zudem in der Massenkommunikationsforschung, wie erwähnt, nicht gänzlich unumstritten. Er unterstellt bisweilen - v. a. im umgangssprachlichen Gebrauch und Verständnis - einen in der Tendenz eher einseitigen, aktiv (Kommunikator bzw. Medienbotschaft) - passiven (Rezipient) Vorgang, wobei Wirkung implizit mit der negativen Bedeutung des Begriffs »Beeinflussung« einhergeht. An Stelle des Begriffs »Wirkungen« ist daher auch die Bezeichnung »Folgen« (consequences) von Medienkommunikation vorzufinden (vgl. z. B. Six 1982, S.-23; vgl. Merten 1991, 1994; Merten 1999, S.-223ff). Mit »Folgen« ist nämlich mehrerlei gemeint, und dies trifft den Kern der Sache auch besser: Folgen für das Individuum, Folgen für die Menschen in ihrer alltäglichen Lebenswelt, Folgen für die Gesellschaft (vgl. Hunziker 1988, S.-22ff). Die beiden Begriffe werden im Weiteren daher synonym gebraucht. Wenn es unter psychologischer Perspektive also primär um individuelle Wirkungen von Kommunikation geht, so meint man damit Wirkungen im Bereich der Kenntnisse und des Wissens, der Einstellungen und der Meinungen, der Gefühle bzw. Emotionen sowie der Handlungen und Verhaltensweisen: Die Massenmedien vermitteln uns permanent neue Daten, Fakten und Informationen, die wir in unsere Wissensstrukturen aufnehmen und integrieren (Kenntnis, Wissen). Sie machen uns z. B. mit politischen Meinungen vertraut, die wir akzeptieren, ablehnen oder denen wir indifferent gegenüberstehen (Einstellungen, Meinungen). Sie zeigen uns oder wecken in uns Gefühle, wenn in Nachrichtensendungen etwa über das Elend flüchtender Menschen aus Kriegsgebieten berichtet wird oder wenn wir in Spielfilmen zu Tränen gerührt werden (Gefühle, Emotionen). Und sie veranlassen uns vielleicht, infolge überzeugender Berichterstattung an einer Demonstration gegen Ausländerfeindlichkeit teilzunehmen oder ein in einer Anzeigenwerbung geschickt beworbenes Produkt zu kaufen (Handeln, Verhaltensweisen). Über viele dieser Wirkungen gibt auch Kap. 4.4.3 Auskunft. Wie so viele andere Fachgebiete der Kommunikationswissenschaft umfasst auch die psychologisch ausgerichtete Wirkungsforschung ein weites und nur schwer zu überblickendes Forschungsfeld (das auch die Rezeptionsforschung tangiert - vgl. Kap. 4.4.2). Darin ist wohl auch der Grund zu sehen, weswegen kaum Überblicksdarstellungen existieren. Sehr wohl gibt es aber Bemühungen, psychologische Fragen im Kontext von Medienwirkungen generell zu erörtern (vgl. etwa Bonfadelli 1999; Jäckel 1999; Kunczik/ Zipfel 2001; Schenk 2002, 2007), wobei hier ein solcher Überblick nicht geleistet werden kann. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich vielmehr auf die Darstellung einiger mikrotheoretischer Ansätze sowie einer Makrotheorie (die Schweigespirale). Zuvor werden einige Begriffe geklärt, die in der psychologischen Medienwirkungsforschung eine wichtige Rolle spielen wie der zentrale Begriff »Einstellung« und die mit ihm zusammenhängenden Begriffe »Vorurteil« und »Stereotyp«. <?page no="448"?> 5.2 Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 449 5.2.1 Relevante Begriffe Heinz Pürer, Wolfgang Eichhorn Der Einstellungs-Begriff stellt in der psychologischen Forschung generell einen Schlüsselbegriff dar. Im Zusammenhang mit Kommunikation und v. a. mit Massenkommunikation stellt sich die Frage, inwiefern medial übermittelte Botschaften in der Lage sind, Einstellungen zu bilden, zu verfestigen, abzuschwächen, zu verändern etc. Die Persuasionsforschung, die Bedingungen der Überzeugungskommunikation auf den Grund geht, war es, die sich bereits in den 1950er-Jahren eingehend damit befasst hat (vgl. Kap.-5.2.2). Im Folgenden wird daher versucht, den Einstellungsbegriff sowie mit ihm einhergehende weitere Begriffe (»Vorurteil«, »Stereotyp«) kurz zu klären. 5.2.1.1 Einstellungen Einstellungen, so Ulrike Six, »sind aus Beobachtungen erschlossene Konstrukte [eines Menschen - Ergänzung H. P.], durch die Vorstellungen über Merkmale oder Verhaltensweisen von Umweltobjekten (Individuen, Gruppen, Nationen, aber auch von Sachverhalten - wie Ideen und Programmen - oder Situationen) bezeichnet werden« (Six 1982, S.-18). Einstellungen prädisponieren die selektive Ausrichtung des Denkens, Erkennens, Wahrnehmens, Urteilens, Wertens und Verhaltens (vgl. Silbermann 1982, S.-74). Der Kommunikationswissenschaftler Michael Schenk unterscheidet mit Bezug auf den Psychologen Erwin Roth (Roth 1967) vier Bestimmungskriterien für Einstellungen: • Einstellungen sind hypothetische Konstrukte, d. h. sie werden aus konsistentem Verhalten erschlossen. • Einstellungen sind gegenstandsbezogen, d. h. Gegenstand von Einstellungen ist all das, was Inhalt des subjektiven Erlebens eines Einstellungsträgers ist. • Einstellungen werden im Laufe der individuellen (Lern-)Geschichte erworben, sie entstehen unter dem Einfluss konkreter persönlicher Erfahrungen. • Einstellungen stellen ein System dar, das die psychische Einheit von Kognition, Emotion und Motivation repräsentiert (vgl. Schenk 1987, S.-35f ). Der Begriff Einstellung wird umgangssprachlich nicht selten synonym für den Begriff »Meinung« gebraucht- - und umgekehrt. In der sozialpsychologischen Forschung ist die Notwendigkeit einer konzeptionellen Differenzierung umstritten: So behandelt z. B. Manfred M. Bergman (1998) die Begriffe synonym, Stuart Oskamp und P. Wesley Schultz (2004) sehen dagegen die Notwendigkeit, zwischen den Konzepten zu unterscheiden. Häufig wird argumentiert, Einstellungen (attitudes) seien tiefer in der Persönlichkeit des Menschen verankert, daher auch stabiler und besäßen eine stärkere Motivationskraft für das Handeln - im engeren Sinne manifestieren sich Einstellungen in evaluativen Äußerungen, die sich auf Personen, Objekte, Gruppen und Symbole beziehen. Meinungen (opinions) stellen eher oberflächliche Stellungnahmen mit einem begrenzten evaluativen Charakter dar, die relativ leicht verbalisierbar sind und relativ geringe Motivationskraft für das Handeln haben (vgl. Maletzke in Graumann 1972, S.-1530). Meinungen gelten daher auch als leichter zu beeinflussen als Einstellungen. Die Einstellungsforschung zeichnet sich durch einen beträchtlichen Perspektivenreichtum aus. Im Folgenden geht es primär um soziale Einstellungen, zumal diese den Umgang mit und das Verhältnis zu unseren Mitmenschen prägen. Folgende Charakteristika sozialer Einstellungen lassen sich <?page no="449"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 450 zusammentragen (Six 1982, S.-18f ): Da Einstellungen aus der Erziehung resultieren sowie aus Wissen und Beobachtungen erschlossene Konstrukte sind, haben sie individuelle und soziale Komponenten. Einstellungen stellen ein psychisches System dar, durch das der Einstellungsträger soziale Reize bewusst oder unbewusst »zu ordnen (Kategorisierung), zu interpretieren, [zu deuten - Ergänzung H.-P.] und zu bewerten (Evaluierung) versucht« (ebd.). Einstellungen sind nicht angeboren, sondern in ihrer Entstehung, Richtung und Ausprägung abhängig von direkten und indirekten Erfahrungen eines Individuums mit Einstellungsobjekten. Für die Bildung und Ausprägung von Einstellungen sind Einflüsse durch Primär- (Elternhaus bzw. Familie) und Sekundärgruppen (im Kindergarten, in der Schule, am Ausbildungs- und Arbeitsplatz etc.) von Bedeutung. Einstellungen gegenüber verschiedenen Objekten stehen zueinander in Beziehung, bilden also ein Einstellungssystem. Sie bestehen aus einer jeweils verschiedenartigen Kombination mehrerer Elemente, nämlich der kognitiven, der affektiven und der konativen Komponente: • Mit der kognitiven Komponente meint man das Wissen eines Individuums um einen Gegenstand, ein Objekt, eine Person oder eine Sache. • Unter der affektiven Komponente versteht man Gefühle und Empfindungen gegenüber einem Objekt oder einer Person. Solche Gefühle und Empfindungen können positiv, negativ oder indifferent sein. • Mit der konativen Komponente ist die Handlungs- oder Verhaltensbereitschaft gegenüber Einstellungsobjekten gemeint. Dabei muss eine grundsätzliche Handlungsbereitschaft nicht zwingend zu einer tatsächlichen Ausführung der Handlung führen. Die drei Komponenten bilden ein System und stehen untereinander in Beziehung. Einstellungen erfüllen für ihre »Träger« bestimmte Funktionen (vgl. Katz 1960). Die Wissensfunktion dient »der kognitiven Orientierung in der komplexen Umwelt« und erleichtert »die Interpretation und Einordnung von Umweltreizen«. Die Anpassungsfunktion dient »der Anpassung an die jeweiligen Lebensbedingungen und somit der Maximierung von Belohnungen und der Minimierung von Bestrafungen aus der Umwelt«. Die Abwehrfunktion dient »dem Schutz vor einem allzu negativen Selbstbild und der Abwehr von Schuldgefühlen, innerpsychischen Konflikten und Selbstkritik […]«. Die Selbstdarstellungsfunktion dient »der Selbstdarstellung gegenüber der Umwelt« und trägt somit auch zur Imagebildung bei. Die Abgrenzungsfunktion dient einerseits der Abgrenzung gegenüber Außengruppen; andererseits fördern Einstellungen, die man mit anderen teilt, »das Gefühl der Zusammengehörigkeit und gegenseitige Sympathie.« Mit der Steuerungs- und Rechtfertigungsfunktion ist gemeint, dass Einstellungen einerseits »der Steuerung von Verhaltensweisen dienen«, andererseits aber auch »der nachträglichen Rechtfertigung von Verhaltensweisen vor der eigenen Person […], indem die Einstellungen dem eigenen ausgeführten Verhalten angepasst werden« können (Six 1982, S.-18f ). Die hier genannten Funktionen von Einstellungen sind z.T. eng miteinander verbunden »und wesentlich für ein Verständnis von sozialen Einstellungen im Alltag«, bzw. auch für die »Bedeutsamkeit von Einstellungen in zwischenmenschlicher wie massenmedialer Kommunikation« (Six 1982, S.-19). Heinz Bonfadelli weist bezüglich der Bildung von Einstellungen darauf hin, dass Einstellungen gelernt werden. Für die Bildung der kognitiven Komponente spielt die direkte Konfrontation mit dem Einstellungsgegenstand im Rahmen der persönlichen Sozialisation eine Rolle. Dabei sind neben dem persönlichen Erfahrungsraum auch interpersonal vermittelte Erfahrungen (durch Freunde, Familienmitglieder etc.) von Bedeutung. Bei der Formung der kognitiven Komponente durch soziale Wahrnehmungsprozesse ist die Kategorienbildung von Relevanz: »Sie wird notwendig, weil die aufgenommene Information nicht umfassend und undifferenziert im Gedächtnis gespeichert werden kann: <?page no="450"?> 5.2 Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 451 Informationsreduktion durch Selektion« (Bonfadelli 1999, S.-92). Dabei führt zu starke und nicht an der Realität orientierte Informationsreduktion zur Bildung von Stereotypen (vgl. Kap. 5.2.1.2). Bei direkter Erfahrung wird die selektive Informationsverarbeitung und Kategorienbildung durch bestehende Prädispositionen einer Person gesteuert - es erfolgt eine sog. schemageleitete Assimilation der primären Erfahrungen an bestehende Wissensstrukturen. (vgl. Kap. 5.2.5.1). Dagegen ist die indirekte und z. B. medial vermittelte Erfahrung »vorgängig durch die jeweilige Informationsquelle strukturiert. Dies ist bei neuen Einstellungsgegenständen von Relevanz, weil Medien als Informationsquellen nicht nur die Inhalte, sondern ebenfalls die kognitive Strukturierung der Wissensinhalte beeinflussen« (Bonfadelli 1999, S.- 92). Die affektive Komponente »besteht aus positiven bzw. negativen Emotionen gegenüber dem Einstellungsobjekt.« Schließlich ist die Entwicklung der Verhaltenskomponente »an das Vorhandensein von bestehenden sozialen Normen geknüpft: Sollvorstellungen über richtiges oder falsches Verhalten. Diese sind jedoch unterschiedlich ausgeprägt und können sich von Gruppe zu Gruppe unterscheiden: Die Beziehung der drei Einstellungskomponenten untereinander scheint mit dem Alter zunehmend konsistenter zu werden« (Bonfadelli 1999, S.-93). Die Beziehung zwischen der emotionalen, kognitiven und konativen Komponente wird in verschiedenen theoretischen Ansätzen unterschiedlich modelliert. Größere Popularität erlangte die »Theory of Reasoned Action« - später erweitert und modifiziert zur »Theory of Planned Behavior« - von Martin Fishbein und Icek Ajzen (1975, 2010), die die Rolle von Einstellungen für die Durchführung von Handlungen in den Kern der Betrachtung stellt. Wie der Name andeutet, sehen Fishbein und Ajzen den Menschen als rational handelndes Wesen, das in der Lage ist, Kontrolle über sein Verhalten auszuüben. Grundlagen des Handelns sind individuelle verhaltensbezogene Einstellungen im Zusammenspiel mit subjektiven Normen, die zunächst zu einer Verhaltensintention und schließlich zum konkreten Handeln führen. Die Verknüpfung individueller und sozialer Komponenten erscheint insbesondere für die Medienwirkungsforschung attraktiv (z. B. eröffnet sie neue Interpretationsmöglichkeiten für das verhaltensändernde Potenzial der öffentlichen Meinung, wie es z. B. durch die Theorie der »Schweigespirale« - vgl. Kap. 5.2.7 - postuliert wird). Eine gewisse Schwäche der Theorie ist ihre zu ausgeprägte Betonung der Rationaliät menschlichen Handelns und einer entsprechenden Übergewichtung der kognitiven Komponente. Richard O. Bagozzi (1992) versuchte, den Ansatz durch zusätzliche Elemente zu ergänzen, die eine emotionale Bewertung von Handlungen und ihren Konsequenzen integrieren. Im Zusammenhang mit dem Einstellungsbegriff und einer auf diesen Aspekt ausgerichteten Kommunikationsforschung ist auf zwei weitere Begriffe - »Stereotyp« und »Vorurteil« - zu verweisen. 5.2.1.2 Stereotyp Unter einem Stereotyp versteht man die Äußerung einer auf verhältnismäßig wenige Orientierungspunkte verminderten, längerfristig unveränderten und trotz neuer oder sogar gegenteiliger Erfahrungen verfestigten, starren Einstellung. Das Stereotyp hat die Form eines Urteils, das 1) in ungerechtfertigt vereinfachender und verallgemeinernder Weise und 2) in gefühlsmäßig wertender Tendenz bestimmten Personen und Gruppen Eigenschaften oder Verhaltensweisen zu- oder aberkennt. Stereotype sind also harte, feste Gepräge - Bilder in uns über andere. Es sind immer die gleichen, also »typischen« Bilder, die sich in aller Regel auf Personen (»der Medienkanzler Schröder«, »der Pop- Titan Bohlen«), Personengruppen (»die BMW-Fahrer«, »die Journalisten« etc.) und nationale Gruppen beziehen (»die Österreicher«, »die Preußen«, »die Juden« etc.). Feindbilder sind ein Sonderfall von Stereotypen - jener Sonderfall, in dem das feste Bild so negativ besetzt ist, dass es in uns Abwehrbereitschaft, Feindseligkeit und Aggression auslöst. (Die Presse-Karikatur arbeitet übrigens <?page no="451"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 452 in starkem Maße mit Stereotypen und stellt somit ein gut geeignetes bildliches Mittel zur Darstellung von Stereotypen dar). Charakteristisch für Stereotypen ist also, dass sie nur in groben Umrissen gezimmert sind und nur eine geringe Quantität an Informationen aufweisen; dass sie bewertend sind, d. h. über ihr Objekt und Subjekt anonyme und ungenaue Beurteilungen enthalten; und dass sie sich an psychologischen und äußerlichen Charakteristika orientieren und affektgeladen sind (vgl. Silbermann 1982, S.-431). 5.2.1.3 Vorurteil Ein Vorurteil ist ein Urteil über Sachverhalte, Sachzusammenhänge, Gegenstände, Personen oder Personengruppen, das falsch ist oder zumindest beträchtliche Unstimmigkeiten aufweist - ein Urteil, das sich trotz bestehender Möglichkeiten einer Korrektur, d. h. einer Überprüfung seiner Richtigkeit entzieht. Bei einem Vorurteil sind 1) der urteilenden Person bereits vorhandene Informationen und Erklärungen zum Gegenstand des Urteils entweder noch nicht ausreichend bekannt, oder sie werden 2) von ihr nicht in jenem Maße berücksichtigt, wie es ein sachgerechtes Urteil erfordert. Oft werden solche Informationen zur Richtigstellung einfach nicht wahrgenommen, und es besteht eine psychisch-geistige Sperre gegen die Aufnahme oder Berücksichtigung von Informationen, die mit dem Vorurteil nicht vereinbar sind. Ulrike Six verweist auf weitere wichtige Aspekte zum Vorurteil (Six 1982, S.-20, Hervorhebungen i. Orig.): • Vorurteile weisen nicht nur affektive (z. B. negative Bewertungen) und konative (diskriminierende Verhaltensweisen), sondern auch kognitive Komponenten auf. Als solche sind 1) »die vereinfachende Kategorisierung von Objekten (z. B. das Einordnen von Personen in ein ›Schubladensystem‹ nach ihrer ethnischen Zugehörigkeit)«, 2) »die an sozialen Normen orientierte Bewertung der Objekte«, 3) die »zur Urteilsverzerrung beitragende Übergeneralisierung« sowie 4) »die damit verbundene Überakzentuierung« zu nennen. • Vorurteile werden durch kognitive Prozesse gesteuert, »sie steuern aber auch ihrerseits wieder kognitive Prozesse, wie z. B. die selektive Wahrnehmung von Informationen über Vorurteilsobjekte und die Anpassung (Umdeutung) von Informationen an bestehende Vorurteile.« • Vorurteile werden - anders als Einstellungen - »mehr durch indirekte als durch direkte Erfahrungen mit Umweltobjekten erworben; ihre Existenz gründet selten auf dieser empirischen Basis und ist selbst bei Vorliegen widersprechender Informationen stark resistent gegen Änderungsversuche.« • Die Änderungsresistenz von Vorurteilen hängt u. a. damit zusammen, »dass Vorurteile durch ihre starke Orientierung an sozialen Normen ständige Bekräftigung durch Personen der Eigengruppe erfahren.« Zu erwähnen sind des Weiteren aber auch Abgrenzungstendenzen gegenüber Fremdgruppen und die Aufwertung der eigenen Gruppe (»ideologischer Kitt«). • Nicht zuletzt aber schützen Vorurteile »vor Unsicherheit und Selbstkritik der Eigengruppe und rechtfertigen [leider - Ergänzung H. P.] Diskriminierungen und Aggressionen gegenüber Fremdgruppen« (Six 1982, S.-29). Vorurteile finden oftmals ihren Ausdruck in Stereotypen - man denke z. B. nur daran, wie Journalisten in Spielfilmen dargestellt werden. In der Bundesrepublik Deutschland sind, um ein anderes Beispiel zu nennen, Vorurteile gegenüber den Bürgern im jeweils anderen Teil Deutschlands vorzufinden: »die arroganten und besserwisserischen ›Wessis‹«, »die larmoyanten und unzufriedenen ›Ossis‹«. Eine berechtigte Frage der Medienwirkungsforschung ist nun, inwieweit die Massenmedien - <?page no="452"?> 5.2 Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 453 nicht zuletzt infolge des Zwanges zu Vereinfachungen - Vorurteile und Stereotypen schaffen, prägen und verfestigen oder umgekehrt Vorurteile relativieren und zu ihrem Abbau beitragen (können). 5.2.1.4 Einstellungsänderungen Doch zurück zum Begriff Einstellungen. In der Einstellungsforschung geht es v. a. darum, welche durch die Umwelt hervorgerufenen Einflüsse sich auf bereits bestehende Einstellungsstrukturen auswirken können und wodurch Einstellungsänderungen zu Stande kommen. Bonfadelli verweist auf vier Typen von Einstellungsänderungen (vgl. Bonfadelli 1999, S.-93), nämlich: • auf die »Meinungsbildung als Neubildung von Einstellungen, wenn gegenüber bestimmten Einstellungsobjekten noch keine verfestigten Einstellungen vorhanden sind. Der Umwelteinfluss als direkte oder indirekte, medial vermittelte Erfahrung ist in diesen Fällen eher groß«; • auf die »Verstärkung bestehender Einstellungen durch Information, die zu den vorhandenen Strukturen konsistent ist. Einstellungen werden so aktiviert und auch verfestigt«; • auf die »Abschwächung bestehender Einstellungen, wenn Medienaussagen sich wiederholen, aber die Erwartungen des Rezipienten [Einstellungsträgers - Ergänzung H.- P.] nicht ganz erfüllen. Neue Informationen können bestehende Kognitionen differenzieren, was zur Abschwächung der affektiven Komponente, mit der Zeit sogar zu einem Einstellungswandel führen kann«. • Eine totale »Änderung bestehender Einstellungen ist relativ selten und durch Medienaussagen nur schwer herbeizuführen.« Eine Möglichkeit z. B. könnte sein, dass Veränderungen in der kognitiven Komponente durch neue Informationen (neue Einsichten also) eine Änderung der affektiven Komponente nach sich ziehen. Es können aber auch neue und affektiv belohnende Erfahrungen mit einem Einstellungsgegenstand zu einer Änderung der kognitiven Komponente führen. »Die Beeinflussbarkeit der bestehenden Einstellung hängt von der Funktion ab, die sie für die Person hat« (Bonfadelli 1999, S.-93, Hervorhebungen i. Orig.). Die Frage, welche Faktoren Einstellungsänderungen hervorrufen können, wurde aus unterschiedlichen Perspektiven behandelt (vgl. z. B. Kap. 5.2.2 und 5.2.3). John T. Cacioppo, Richard E. Petty und Steven L. Crites (Cacioppo et al. 1994) gruppieren die unterschiedlichen Ansätze danach, ob eine Einstellungsänderung durch eine intensive Verarbeitung neuer Informationen zustande kommt (zentrale Verarbeitungsroute), oder ob die Änderung durch eher zufällige und oberflächliche Stimuli ausgelöst wurde (periphere Route). Die Voraussetzung für die Verarbeitung über die zentrale Route ist ein hohes Involvement des Individuums und die kognitive Kapazität zur Verarbeitung der Informationen. In ihrem »Elaboration Likelihood Model« argumentieren Richard E. Petty und John T. Cacioppo (1986), dass, abhängig von den Umständen, eine der beiden Routen ausgewählt wird. Das Modell hat insbesondere in der Werbewirkungsforschung eine große Akzeptanz erfahren, da es eine Erklärung dafür liefert, warum für verschiedene Produkttypen unterschiedliche Kommunikationsstrategien angemessen sind. <?page no="453"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 454 5.2.2 Kommunikation und Persuasion Heinz Pürer, Wolfgang Eichhorn Die psychologisch orientierte Wirkungsforschung ist bereits in den 1940er-Jahren Fragen auf den Grund gegangen, wie mithilfe von Überredungskommunikation (Persuasion) Einstellungsänderungen beim Rezipienten herbeigeführt werden können. Für die politische Kommunikation (Wahlkommunikation, Propaganda) sowie für die Werbekommunikation (Absatzbemühungen für Konsumgüter, Produkte und Dienstleistungen) waren und sind Antworten auf diese Fragen von besonderer Relevanz. Eine bedeutende Rolle spielte in diesem Zusammenhang eine Forschergruppe um den US-amerikanischen Sozialpsychologen Carl I. Hovland von der Yale Universität (vgl. u. a. Hovland et al. 1953). Er gehörte mit seinem »Yale Communication and Attitude Change Programm« zu den Protagonisten dieser Forschungsrichtung. Die kommunikationswissenschaftliche Forschung hat von Hovlands Arbeiten zweifellos profitiert, steht seinen vielfältigen und anerkennenswerten Bemühungen heute jedoch etwas zurückhaltender gegenüber (vgl. Schenk 1987, Burkart 1998, Jäckel 1999, Kunczik/ Zipfel 2001). Seine v. a. in den 1950er-Jahren, also vor mehr als einem halben Jahrhundert (! ) entwickelten Forschungsdesigns waren von einem Ursache-Wirkungs-Denken geprägt, dem die moderne Kommunikationswissenschaft so nicht mehr folgt. Zudem handelte es sich bei der großen Mehrzahl der Studien um sog. Laborstudien mit experimentellem Design (vgl. Kap. 6.3.4). Unbestritten und verdienstvoll ist aber, dass die Gruppe um Hovland versucht hat, potenzielle Faktoren für die Wirkung von Überzeugungskommunikation ausfindig zu machen. Dazu gehören Faktoren, die nicht nur beim Kommunikationsstimulus (Aussage), sondern auch beim Kommunikator (bzw. bei der Quelle) sowie beim Rezipienten und seinem sozialen Umfeld liegen (können). Die Arbeiten von Hovland et al. sind als »Yale-Studies« bzw. als »wissenschaftliche Rhetorik« (so Hovland selbst) in die kommunikationswissenschaftliche Wirkungsforschung eingegangen. Die Hauptfaktoren des Wirkungsprozesses, wie Hovland et al. sie ermittelten, sind dem Überblickswerk von Michael Schenk »Medienwirkungsforschung« (2002, S.-443; 2007) zu entnehmen (vgl. auch Kunczik/ Zipfel 2001, S. 295). Mit Überredungs- oder Überzeugungskommunikation bzw. Persuasion wird der gezielte Versuch verstanden, durch kommunikative Stimuli »die Einstellung eines Individuums gegenüber sich selbst, gegenüber anderen Personen, Objekten und Sachverhalten zu bilden bzw. zu ändern und damit auch sein Verhalten zu beeinflussen« (Koeppler 2000, S.-15). Dies setzt voraus, dass die Botschaft die Aufmerksamkeit des Rezipienten findet, von ihm aufgenommen und verstanden sowie nicht zuletzt auch akzeptiert wird. Hovland et al. fanden heraus, dass erfolgreiche Persuasion sowohl auf Merkmalen des Kommunikators, der medialen Botschaft als auch auf jenen der Rezipienten beruht. Merkmale der Aussage bzw. Botschaft Für die Wirksamkeit einer Aussage kommen inhaltliche wie formale Merkmale (Gestaltung) zum Tragen. Im Wesentlichen ging und geht es den Persuasionsforschern u. a. um die Klärung folgender Fragen: Wie soll in nach Überzeugung strebender Kommunikation argumentiert werden: einseitig oder zweiseitig? Wie soll die Anordnung der Argumente erfolgen: Soll innerhalb der Anordnung der Argumente deren Überzeugungskraft schrittweise gesteigert (climax) oder gesenkt (anticlimax) werden? Welche Form der Schlussfolgerung soll gewählt werden: eine indirekte (implizite) oder eine direkte (explizite)? Welche Rolle spielen Appelle, bzw. Angst und Furcht auslösende Appelle? <?page no="454"?> 5.2 Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 455 Zu den genannten Fragenkomplexen liegt eine große Zahl von Studien vor, die v. a. in den Jahren zwischen 1949 und 1961 entstanden (und auf zahlreiche, zum Teil schwer zugängliche Quellen verteilt sind). Mehrere Autoren haben versucht, die beinahe unzähligen Ergebnisse in Überblicken zusammenzufassen. Zu verweisen ist insbesondere auf die Arbeiten von Arthur R. Cohen (1964), Frank Bledjian (1969), Franz Dröge, Rainer Weißenborn und Henning Haft (Dröge et al. 1973), Michael Schenk (1987, 2002, 2007), Harry C. Triandis (1975) sowie Michael Kunczik und Astrid Zipfel (2001, Neuauflage 2005). Merkmale des Kommunikators bzw. der Quelle In der zwischenmenschlichen Kommunikation wie auch in der Massenkommunikation ist im Hinblick auf mögliche (Persuasions-)Effekte nicht nur von Bedeutung, was (Inhalt) und wie (Form) etwas kommuniziert wird, sondern auch wer (Kommunikator) eine Botschaft vermittelt bzw. aus welcher Quelle sie stammt. Daher sind für die Wirkung von Kommunikation Merkmale und Eigenschaften wichtig, die dem Kommunikator vom Rezipienten zugeschrieben werden wie Glaubwürdigkeit (insbesondere Kompetenz bzw. expertness und Vertrauenswürdigkeit bzw. trustworthiness), Attraktivität (auch physische) und Ähnlichkeit (zwischen Rezipient und Kommunikator). Persönlichkeitsmerkmale des Rezipienten In der Persuasionsforschung setzte sich des Weiteren die Erkenntnis durch, dass neben dem Kommunikationsstimulus (Aussage) und dem Kommunikator (bzw. der Quelle) auch Merkmale des Rezipienten für Überzeugungskommunikation eine Rolle spielen. Als Persönlichkeitsfaktoren erwiesen sich die intellektuellen Qualitäten des Rezipienten (also Intelligenz, Bildung), Faktoren der Motivation sowie positive oder negative Voreinstellungen gegenüber den kommunizierten Inhalten. Auch der soziale Kontext der Rezipienten ist für Überzeugungskommunikation von Bedeutung. Kritik an den Yale-Studies Die »Magic Keys of Communication and Persuasion« (Hovland et al. 1953) sind nach Ansicht der Persuasionsforscher also 1) in Merkmalen und Eigenschaften des Kommunikators, 2) im Inhalt, 3) in der Präsentationsform des Inhalts, 4) in den Persönlichkeitsmerkmalen der Rezipienten sowie 5) in der Einbindung der Rezipienten in soziale Gruppen zu sehen (vgl. auch Jäckel 1999, S.-145). Obwohl die Yale-Studies also mehrere Faktoren ausfindig gemacht haben, die für die Wirkung von Überzeugungskommunikation von Bedeutung sein können, sind die Arbeiten der Gruppe um Hovland von Kritik nicht verschont geblieben. Diese Kritik ist freilich vor dem Hintergrund zu sehen, dass die wissenschaftlichen Arbeiten der Persuasionsforscher lange zurückliegen und heute ein anderer (Er-) Kenntnisstand existiert, der (zum Teil zumindest) auf den Arbeiten von Irving L. Janis et al. aufbauen kann. Insofern relativiert sich diese Kritik. Zum einen entzündete sich diese Kritik an der Künstlichkeit der Laborsituation. Diese lässt den realen sozialen Kontext, in welchem Kommunikation normalerweise vor sich geht, unberücksichtigt. Außerdem gilt der festgestellte kausale Zusammenhang zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen jeweils nur unter den konkret vorliegenden Bedingungen der Laborsituation. Fraglich bleibt, ob sich die in der künstlichen Situation des Labors gewonnenen Erkenntnisse »auch auf <?page no="455"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 456 natürliche Kommunikationssituationen übertragen lassen« (Jäckel 1999, S.-144). Auch die selektive Wahrnehmung der Versuchspersonen ist im Labor wesentlich eingeschränkt. »Normalerweise wählen die Menschen aus, was sie sehen, hören oder lesen wollen; die Versuchspersonen im Laboratorium sind aber ein ›captive audience‹, ein ›gefangenes Publikum‹. Sie sehen, hören, lesen, erleben, was man ihnen vorsetzt - egal ob es sie interessiert oder nicht« (Noelle-Neumann 2000, S.-528). Im Zusammenhang mit dieser Kritik ist aber einzuräumen, dass Hovland selbst ein Auseinanderklaffen von Ergebnissen der Wirkungsforschung im Labor (relativ starke Wirkungen) und in Feldstudien (äußerst geringe Wirkungen) aufgefallen ist (vgl. Hovland 1959). Zum Zweiten: Die Yale-Forscher bezogen sich explizit auf lerntheoretische Konzepte, auf Überlegungen also, wonach sich Einstellungen von Menschen durch Lernprozesse ändern. Der vom Kommunikator präsentierte Stimulus stellt diesem Konzept zufolge ein Schlüsselelement im Prozess der Einstellungsänderung dar. »Er muss einen Anreiz zur Akzeptierung durch das Individuum haben, weil sich das Verhalten an Belohnungen ausrichtet. Das Ausmaß der Anreize oder (symbolischen) Belohnungen, die mit dem Kommunikationsinhalt verbunden sind, motiviert die Einstellungsänderung, sofern sie als Belohnung auch perzipiert werden« (Bonfadelli 1999, S.-96, Hervorhebungen i. Orig.). Diese Anreize wurden zu wenig berücksichtigt bzw. untersucht, sodass viele Arbeiten der Hovland-Gruppe theorielos erscheinen (vgl. Schenk 1987, S.-97) und zudem mit einem wenig differenzierten Einstellungsbegriff operieren. Auch im Hinblick auf diese Kritik ist einzuwenden, dass Hovland et al. einräumen, nicht versucht haben zu wollen, »eine formale Theorie des Persuasionsprozesses zu bilden, sondern dass es ihnen eigentlich nur um die Isolation von Schlüsselvariablen ging, um so überhaupt einen Anfang für die spätere Erstellung von Theorien zu machen« (Schenk 1987, S.-97 mit Bezug auf Hovland et al.1953; Schenk 2007, S. 131). 5.2.3 Konsistenztheoretische Ansätze Susanne Wolf Auch die Konsistenztheorien haben den Einfluss von Kommunikation auf Einstellungsänderungen zum Gegenstand. Im Unterschied zum Forschungsprogramm der Hovland-Gruppe steht hier jedoch nicht der Kommunikationsstimulus im Zentrum des Forschungsinteresses, sondern es sind die kognitiven Strukturen des Rezipienten und die Mechanismen, »die zwischen dem Empfang einer Botschaft und einem möglichen Einstellungswandel liegen« (Kunczik/ Zipfel 2001, S.-308). Besondere Aufmerksamkeit wird der Voreinstellung, der präkommunikativen Einstellungsstruktur der Rezipienten, in ihrer Bedeutung für Überredungskommunikation und Einstellungswandel gewidmet. Während die Yale-Studies primär stimulusorientiert verfuhren, sind die konsistenztheoretischen Ansätze also primär response-orientiert. Alle Konsistenztheorien (wie das Balance-Modell, das Kongruenz-Modell und die Theorie der kognitiven Dissonanz) gehen von der Annahme aus, dass dem Individuum im Rahmen seines Lebensvollzuges ein Streben nach Harmonie und innerem Gleichgewicht innewohnt (vgl. Burkart 1998, S.-203). Menschen sind in aller Regel bestrebt, ihre persönlichen, gegenüber unterschiedlichen Umweltobjekten wie Personen, Gegenständen, Sachverhalten etc. vorhandenen Einstellungen untereinander sowie persönliche Einstellungen und persönliche Verhaltensweisen miteinander in Einklang zu bringen und im Einklang zu halten. Dieser Zustand der inneren Übereinstimmung (kognitives Gleichgewicht) und der Vereinbarkeit von Denken, Fühlen und Handeln wird als Konsonanz, Konsistenz oder Kongruenz bezeichnet. Kognitives Ungleichgewicht dagegen, innere Dissonanzen, Inkon- <?page no="456"?> 5.2 Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 457 gruenzen und Inkonsistenzen also, werden vom Individuum als unangenehmer psychischer Spannungszustand empfunden, der nach Aufhebung drängt. Die Rezeption von inkonsistenten Aussagen bzw. Botschaften führt beim Rezipienten folglich zu Anpassungsmechanismen in Bezug auf Einstellungen, Gefühle und Verhaltensweisen, um inneres Gleichgewicht wiederherzustellen. Zur Erklärung solcher Anpassungsmechanismen gibt es unterschiedliche Theorien, nämlich das »Balance-Modell«, das »Kongruenz-Modell« sowie die »Theorie der kognitiven Dissonanz«. Diese drei Ansätze sollen im Folgenden erläutert werden. Gegenstand weiterer Ausführungen soll auch sein, welche informationellen »Strategien« Rezipienten entwickeln, um Dissonanzen und Inkonsistenzen abzubauen (vgl. ausführlich dazu Schenk 2007, S. 138ff). 5.2.3.1 Das Balance-Modell Der amerikanische Psychologe Fritz Heider beschreibt in seinem Balance-Modell (1946) die Beziehungen von Personen zu anderen Personen und zu ihrer Umwelt. Er beschäftigt sich in diesem Kontext mit »der Entwicklung und Stabilisierung der interpersonalen Wahrnehmung« (Bonfadelli 1999, S.-100 mit Bezugnahme auf Heider 1946; Schenk 2007, S. 142ff). Vereinfacht wird diese Wahrnehmung mithilfe der folgenden drei Elemente dargestellt (s. Grafik): Eine Person (P) hat zu einer anderen Person (O) und zu einem sozialen Objekt aus seiner Umwelt (X) eine Beziehung. Dabei ist P in der Lage, auch die Beziehung von O zu X wahrzunehmen und einzuschätzen. Ein konsistenter, balancierter Zustand liegt vor, wenn sich P, O, und X mögen, die drei Beziehungen also positiv (+) sind; oder aber, wenn zwei der Beziehungen negativ (-) sind: d. h., P mag O, aber nicht X, und O mag X auch nicht; P und O sind sich also einig bezüglich ihrer Beziehung zu X. Das Gleichgewicht der kognitiven Struktur von P wird gestört, wenn ein Element das Beziehungsvorzeichen ändert, z. B. wenn O X plötzlich doch mag. Nach Heider führt dieses Ungleichgewicht zu Einstellungsänderungen: eines oder mehrere Vorzeichen wechseln, bis die Balance wieder hergestellt ist. Hier wird in aller Regel die Form des geringsten Widerstandes gewählt, wobei die Relation P - O größere Bedeutung hat als P - X, beide aber wichtiger sind als O - X. Balancierte Zustände hingegen sind gegenüber Einstellungsänderungen resistent, da das Individuum dazu tendiert, sein kognitives System im Gleichgewicht zu halten (vgl. Bonfadelli 1999, S.-100). Dazu ein Beispiel: Ein von einem Studenten (P) geschätzter Hochschullehrer (O) lobt ein Buch (X), das der Student (P) ebenso als gut befindet - die kognitive Struktur von P ist ausbalanciert. Kritisiert O jedoch das Buch X negativ, wird P - wahrscheinlich - seine positive Einstellung zum Buch X korrigieren (Zur Brauchbarkeit des Modells bezüglich Medienwirkungen siehe Kepplinger 1985). P O X +/ - +/ - +/ - <?page no="457"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 458 5.2.3.2 Das Kongruenz-Modell Während Heider sich besonders mit der interpersonalen Wahrnehmung beschäftigte, bezieht sich das Kongruenz-Modell von Charles Osgood und Percy Tannenbaum (1955) explizit auf die Massenkommunikation. Kann die Frage nach einer Einstellungsänderung bei Heider nur mit ja oder nein beantwortet werden, so erlaubt dieses Modell zudem genaue Aussagen über Richtung und Ausmaß von Einstellungsänderungen (vgl. auch Schenk 2007, S. 145ff). Elemente des Modells in der obigen Grafik sind die präkommunikative Einstellung einer Person (P) zu einer Informationsquelle (S) und zu einem sozialen Objekt oder Sachverhalt (O), über das S eine wertende Aussage macht. Plädiert nun z. B. die Bild-Zeitung (S) für die Pflege von Traditionen (O) und bewertet eine Person (P) Bild-Zeitung und Traditionspflege positiv, liegt bei P Konsistenz bzw. Kongruenz vor. Lehnt P jedoch die Pflege von Traditionen ab, ergibt sich ein inkongruenter Zustand: Es passt nicht in die kognitive Struktur von P, dass sich S positiv über die Traditionspflege äußert. Dieser Spannungszustand wird nun dadurch ausgeglichen, dass P seine Einstellung zu S und O ändert. Art und Ausmaß der Einstellungsänderung ermitteln Osgood und Tannenbaum, indem sie auf einer Skala von -3 (sehr negativ) bis +3 (sehr positiv) die Intensität der Einstellungen von P zu S und O zu bestimmen versuchen (S O wird nur durch +/ - bestimmt). Dabei ist der Druck auf die Änderung einer Einstellung umso größer, je weniger extrem diese ausgeprägt ist. Die stärker ausgeprägte Einstellung hat quasi mehr »Durchsetzungsvermögen«, wodurch sie die schwächer ausgeprägte Einstellung deutlich auf ihre Seite (der Skala) zieht. Die extremere hingegen muss als Ausgleich nur einen kleinen »Schritt« in die andere Richtung machen, damit die »Einstellungsbilanz«, also die kognitive Struktur von P wieder im Gleichgewicht ist. Bezogen auf das oben genannte Beispiel bedeutet das: Die leicht negative Einstellung von P zur Pflege von Traditionen sorgt für eine minimale Verschlechterung seiner Einstellung gegenüber der extrem positiv bewerteten Quelle Bild-Zeitung (S), die Einstellung gegen die Traditionspflege wird von der positiven Quelle deutlich geändert und verbessert. Osgood und Tannenbaum ermitteln den genauen Grad der Einstellungsänderung mithilfe mathematischer Formeln, wie sie bei Bonfadelli (1999, S.-101) dargestellt sind. Kongruenz kann aber auch durch die Abwertung einer Informationsquelle hergestellt werden. Bei politischen Diskussionen, Wahlkämpfen z. B., ist dies eine übliche Reaktion. So ändern überzeugte Anhänger einer Partei ihre Einstellung gegenüber dieser Partei nicht, wenn eine eigentlich positiv bewertete Quelle diskrepante Ansichten zu dieser Partei äußert. Die Anhänger zeigen eine gesteigerte Widerstandskraft, die Glaubwürdigkeit der Quelle wird dabei einfach abgewertet, wodurch der sog. »Bumerang-Effekt« in Kraft tritt (vgl. Kuncik/ Zipfel 2001, S.-309f ). P S O +3 … -3 +3 … -3 +/ - <?page no="458"?> 5.2 Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 459 5.2.3.3 Die Theorie der kognitiven Dissonanz Für die Kommunikationsforschung am wichtigsten geworden ist die Theorie der kognitiven Dissonanz von Leon Festinger (zuerst 1957, in deutscher Sprache 1968). Dieser Ansatz bietet Erklärungen für die Auswahl (Selektion) von Medieninhalten durch die Rezipienten. Kognitive Dissonanz ist dabei wieder als psychischer Spannungszustand aufzufassen. Ein häufig genanntes Beispiel ist in jenem des Rauchers zu sehen, der um die gesundheitsschädigende Wirkung des Rauchens von Zigaretten weiß, aber dennoch raucht. Kognition und Verhalten eines Menschen stehen nicht in Einklang miteinander, es entsteht eine innere Dissonanz. Ebenso wie bei den bereits erläuterten Konsistenzmodellen stellt sich an dieser Stelle wieder die Frage nach den möglichen Anpassungsmechanismen, die zur Reduktion der Dissonanz ablaufen (vgl. Festinger 1968, S.-27-38; ebenso Schenk 2007, S. 148ff; Bonfadelli 1999, S. 107). Festinger weist dabei zunächst auf eine Verhaltensänderung hin. Bezogen auf das eingangs genannte Beispiel bedeutet dies: Der Raucher gibt das Rauchen auf. Dissonanzreduktion kann auch durch die Änderung der psychischen und physischen Umwelt erreicht werden. Wie man sich vorstellen kann, ist dies jedoch nicht immer möglich. Denkbar ist weiterhin die Verringerung der Bedeutung dissonanter Elemente (»Differenzierung«). Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht interessieren v. a. die Möglichkeiten zur Dissonanzreduktion, die das (mediale) Informationsverhalten von Personen erklären können. Nach Festinger sucht jemand, der Dissonanz empfindet, 1) aktiv nach Informationen, die die Dissonanz reduzieren, also konsonanzsteigernd sind, und vermeidet 2) Informationen, die zur Erhöhung der Dissonanz führen (Selective Exposure). Angewendet auf das Raucherbeispiel bedeutet das: Informationen, die das Rauchen als weniger gefährlich einstufen, wird der Raucher suchen. Dagegen wird er Informationen meiden, die einen Zusammenhang zwischen Tabakkonsum und Lungenkrebs vermitteln. Weitere Forschungen haben ergeben, dass Individuen sich nicht nur selektiv bestimmten Inhalten der Massenmedien zuwenden (Selective Exposure), sondern diese oft auch nur selektiv wahrnehmen. Denn sollten Rezipienten doch einmal inkonsistente Inhalte aufgenommen haben, werden diese so lange verzerrt, bis sie zur bestehenden Einstellung passen (Selective Perception). Außerdem erinnern sich Rezipienten häufig nur an solche Informationen, die mit ihren Einstellungen übereinstimmen (Selective Retention). Selektion, gezielte Auswahl also, als Schutzschild gegen inkonsistente Informationen, gegen Beeinflussung der Rezipienten durch Medieninhalte? Kunczik und Zipfel zufolge konnte diese Vorstellung in zahlreichen nachfolgenden Studien nicht belegt werden (vgl. Kuncik/ Zipfel 2001, S.-314). Anzumerken ist außerdem, dass sich das Konzept der selektiven Informationsnutzung von Festinger nur auf Situationen bezieht, in denen Rezipienten bereits Dissonanz empfinden. Es bleibt also z. B. offen, ob sich Menschen auch im Falle von Konsonanz selektiv verhalten. Wolfgang Donsbach hat in seiner 1991 erschienenen Publikation »Medienwirkung trotz Selektion« (Donsbach 1991, S.- 55f ) folgende Bilanz aus den Forschungsresultaten zur dissonanztheoretischen Selektionsforschung gezogen (vgl. auch Kunczik/ Zipfel 2001, S.-314): • Das Streben nach Konsonanz und die Vermeidung von Dissonanz spielen bei der Zuwendung zu Informationen eine eigenständige Rolle. • Ursachen für Informationsselektion sind jedoch auch Nützlichkeit, Attraktivität, und Vertrautheit von Informationen sowie Interesse und Neugier des Rezipienten. Die Bedeutung des Dissonanz-Faktors wurde überschätzt. • Rezipientenmerkmale wie Ängstlichkeit oder Selbstvertrauen, Informationsmerkmale wie Dissonanzstärke und Glaubwürdigkeit wirken als intervenierende Variablen. <?page no="459"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 460 • Wichtigste Randbedingungen sind die Relevanz der Informationen für den einzelnen Rezipienten, er muss sich außerdem für seine Handlungs- und Wahrnehmungsentscheidungen verantwortlich fühlen. • Die Suche nach konsonanten Informationen konnte eher belegt werden als die Vermeidung dissonanter Informationen. Abschließend bleibt festzuhalten, dass ebenso wie den Ergebnissen der Yale-Studies auch den Erkenntnissen der drei Konsistenztheorien aus heutiger Sicht eher mit Vorsicht zu begegnen ist. Zwar beziehen die Modelle und Theorien den Rezipienten und seine Dispositionen mehr in die Überlegungen ein und verfügen über einen differenzierteren Einstellungsbegriff. Dennoch beruhen auch sie größtenteils auf Laborexperimenten, in denen auch widersprüchliche Ergebnisse erzielt wurden (vgl. Burkart 1998, S.-205). Interessant sind die Konsistenztheorien jedoch allemal, insbesondere für die psychologische Forschung. Ein sorgfältig zusammengestellter Forschungsüberblick dazu findet sich bei Michael Schenk (vgl. Schenk 2007, S. 138ff). 5.2.4 Mediating Factors Die Arbeiten des amerikanischen Sozial- und Kommunikationsforschers Joseph T. Klapper hatten großen Einfluss auf die Vorstellung, wonach die Massenmedien relativ wirkungslos sind. Seine wichtigsten Erkenntnisse hat er in der 1960 publizierten Veröffentlichung »The Effects of Mass Communication« (vgl. Klapper 1960; siehe auch Klapper 1968), der mehrere andere Publikationen vorausgegangen sind, zusammengefasst. Im Unterschied zu anderen Forschern seiner Zeit wich er von der Auffassung ab, wonach Massenmedien eine hinreichende Ursache von Wirkungen seien; vielmehr sah er in den Massenmedien Einflussfaktoren, die in aller Regel nur zusammen mit anderen Einflüssen wirken. Klapper berücksichtigte in seinen Arbeiten mögliche Wirkungen von Massenmedien, wie sie bereits dargestellt wurden. Darunter befanden sich auch die Erkenntnisse, wonach Medien zum Aufbau bzw. zur Neubildung von Einstellungen beitragen können, ebenso aber auch zur Verstärkung bestehender Einstellungen, zu deren Abschwächung und - in eher seltenen Fällen - zu deren totalem Wandel. Nach Durchsicht verschiedener Studien gelangte er zum Schluss, dass die Verstärkung bestehender Einstellungen durch Massenmedien am häufigsten auftritt (Verstärker-Hypothese), am seltensten ein Wandel. Den Grund dafür sah Klapper in verschiedenen intervenierenden Faktoren, die die direkte Beeinflussung des Empfängers durch die Medien beeinträchtigen. Er nennt sie »mediating factors«. Auf fünf solcher Faktoren ist hinzuweisen, wie Rainer Geißler (1981) mit Bezugnahme auf Klapper (1960, 1967, 1973) zusammenfasst: 1) Prädispositionen, also Voreinstellungen der Rezipienten zu bestimmten Inhalten und daraus folgende Auswahlprozesse (nämlich selektive Zuwendung, selektive Wahrnehmung und selektive Erinnerung). 2) Die Einbindung der Rezipienten in (soziale) Gruppen (wobei relativ stabile Gruppennormen einen Einstellungswandel behindern). 3) Die interpersonale Verbreitung von Medieninhalten (die Tatsache also, dass in der interindividuellen Kommunikation über Medieninhalte gesprochen wird, diese Kommunikation sich eher zwischen Gleichgesinnten vollzieht und daher auch eher verstärkend wirkt). <?page no="460"?> 5.2 Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 461 4) Meinungsführerschaft (damit ist, wie dargelegt, gemeint, dass Medienkommunikation nicht direkt wirkt, sondern über sog. Meinungsführer in der Gruppe. Diese verhalten sich besonders gruppenkonform, woraus eine eher stabilisierende Wirkung auf bestehende Einstellungen resultiert). 5) Die Struktur der Massenmedien in einer freien Marktwirtschaft (d. h. Massenmedien sind als gewinnorientierte Unternehmen auf möglichst viele Empfänger angewiesen; sie passen sich den Ansichten ihres Publikums an und vermeiden nach Möglichkeit abweichende Ansichten). Führt Massenkommunikation bei Rezipienten dennoch zu einem Wandel bestehender Einstellungen, so sind nach Klapper bei diesen Personen entweder die mediatisierenden Faktoren unwirksam (sodass Medien doch direkt auf die Rezipienten wirken), oder die mediatisierenden Faktoren wirken selbst auf eine Veränderung hin. Im Kontext von mediating factors ist auch vom »widerspenstigen Publikum« die Rede (Jäckel 1999; 2011, S. 73ff). 5.2.5 Kognitive Psychologie Wolfgang Eichhorn In den 1970er-Jahren hielt die »kognitive Wende« Einzug in den Bereich der Kommunikationswissenschaft. Nachdem kein Beweis für eine starke Wirkung der Medien auf Einstellungen und Verhalten erbracht werden konnte, konzentrierte sich die Forschungstätigkeit stärker auf die Informationsfunktion der Medien. Um die Prozesse, die bei der Informationsverarbeitung und beim Lernen aus Massenmedien ablaufen, besser beschreiben zu können, griffen die Kommunikationsforscher auf Erkenntnisse aus der kognitiven Psychologie zurück. Wenn wir Massenkommunikation primär als Informationsübertragung betrachten, liegt es nahe, sich mit den Bedingungen zu beschäftigen, die Einfluss auf die Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen nehmen. Auf theoretischer Ebene hatten dies z. B. Claude Shannon und Warren Weaver (1949) oder Colin Cherry (1957) versucht. Ein Merkmal dieser frühen theoretischen Überlegung ist die Vorstellung einer »objektiv« vorliegenden Information, die im Rezeptionsprozess encodiert, gespeichert, übertragen und abgerufen wird. Angesicht der Tatsache, dass die zur Verfügung stehende Information aufgrund der Beschränkungen der menschlichen kognitiven Fähigkeiten nicht vollständig wahrgenommen und gespeichert werden kann, lässt sich aus dieser Konzeption die Fragestellung ableiten, auf welche Weise Information quantitativ reduziert und qualitativ transformiert wird und welche Faktoren dazu beitragen (eine »realistische« Perspektive). Die Analysen konzentrieren sich daher auf die Eigenschaften des kognitiven Apparats und Eigenschaften der Medienbotschaften, die dazu führen, dass Informationen besser oder schlechter wahrgenommen, behalten und reproduziert werden. Dieser datenorientierte Ansatz passt zu einer Sichtweise, die Kommunikationsprozesse in objektiv beschreibbare Stimuli und durch psychologische und soziale Faktoren determinierten Reaktionen aufteilt. Ein Beispiel für die Umsetzung dieser Denkweise in Ansätzen der Kommunikationsforschung ist z. B. die Theorie der wachsenden Wissenskluft (vgl. Kap. 4.4.3.2). Einen Versuch, ein datenorientiertes Modell der Informationsverarbeitung für die Rezeption von Massenkommunikation zu entwickeln, findet sich z. B. bei Annie Lang (2000), die die Bedingungen beschreibt, unter denen die Encodierung, Speicherung und der Abruf von Informationen beim Rezipienten massenmedialer Botschaften ablaufen. In den 1980er-Jahren traten in der Psychologie »theorieorientierte« Ansätze in Konkurrenz zu den »datenorientierten«, die im Einklang mit der Verschiebung der Perspektive von den »mächtigen Medien« zum »mächtigen Publikum« standen und der »realistischen« eine »konstruktivistische« Perspektive gegenüberstellen. Sie gehen davon aus, dass die menschliche Informationsverarbeitung über <?page no="461"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 462 Mechanismen verfügt, die eingehende Informationen aktiv selektieren, in bestehende Wissensbestände eingliedern und so auf der Grundlage interner kognitiver Strukturen mit der Hilfe externer Daten ein Bild der Wirklichkeit konstruieren. 5.2.5.1 Schematheorie Kognitive Schemata (Rumelhart 1980) sind mehr oder weniger stark abstrahierte Modelle der Umwelt. Wenn Informationen aufgenommen werden, zu denen ein Schema existiert, so müssen nicht alle Details der neuen Daten verarbeitet werden, es genügt, das entsprechende Schema zu aktivieren (und evtl. abweichende Daten zu verarbeiten). Während diese Verarbeitungsform für eine schnellere und effizientere Form der Verarbeitung sorgt, kann sie auch dazu führen, dass die Wahrnehmung verzerrt wird, wenn sie nicht dem vorliegenden Schema entspricht. Wenig differenzierte Schemata können, bei gleichzeitig geringer Motivation, den Mehraufwand für eine detailliertere Verarbeitung neuer Informationen zu leisten, also zu einem stereotypen Bild bestimmter Wirklichkeitsbereiche führen. Bestehende Schemata sind meistens bis zu einem gewissen Grad diskrepant zu externen Informationen, was dazu führt, dass abweichende Informationen entweder abgelehnt oder in das Schema eingebaut werden müssen. Der Schema-Begriff wurde v. a. im Bereich der politischen Kommunikation angewandt (vgl. Brosius 1991). Er eignet sich z. B. dazu, zu erklären, wie Rezipienten Images von politischen Kandidaten oder Themenkategorien entwickeln (vgl. Lau 1986), abgrenzen und Bedeutung zuweisen, ein wesentlicher Baustein zur Erklärung individueller Agenda-Setting-Effekte (vgl. Eichhorn 1996). Eng mit dem Schema-Begriff verwandt ist das Konzept des »kognitiven Scripts« (vgl. Abelson 1976): Auch hier liegt eine Schematisierung vor, die aber den Ablauf dynamischer Prozesse, z. B. von Handlungsabläufen, betrifft. Eine Vielzahl von Handlungen sind in einer Kultur so weit institutionalisiert, dass ihr Ablauf bestimmten Regeln folgt: Eine Gerichtsverhandlung beginnt mit der Anklageverlesung, darauf folgen die Beweisaufnahme, Schlussplädoyers und die Urteilsverkündung. Existiert ein entsprechendes Skript, muss man sich die Abfolge von Handlungen und Ereignissen nicht mehr explizit merken, sondern die Details nur noch den Phasen des Skripts zuordnen. Dies erleichtert die kognitive Verarbeitung. Bezogen auf Medieninhalte bedeutet dies, dass medial vermittelte Darstellungen, die verbreiteten Skripts folgen, leichter zu verarbeiten sind. 5.2.5.2 Framing Eng verwandt, aber nicht deckungsgleich mit dem Begriff des kognitiven Schemas ist der des kognitiven Frames (vgl. Kap. 4.4.3.2). Framing wird in der Kommunikationswissenschaft häufig als Ergänzung des Agenda-Setting-Konzepts diskutiert: Es geht nicht mehr um das »what to think about« sondern um das »how to think about something«. Framing besitzt sowohl Wurzeln in der Soziologie (Goffman 1974; Gamson 1989), als auch in der kognitiven Psychologie. In der psychologisch orientierten Variante (Kahneman/ Tversky 1984) geht es zunächst darum, dass Entscheidungen davon abhängen können, in welcher Art und Weise die Information über die Konsequenzen der Entscheidung formuliert werden. In der erweiterten Form geht es um die Art und Weise, in der Fakten und Themen mit Deutungsmustern verknüpft werden. Man könnte sagen, ein Frame ist eine besondere Form eines Schemas, das dazu geeignet ist, wahrgenommene Informationen mit komplexen Interpretationsmustern zu versehen. Da derartige Interpretationsmuster i. d. R. sozialer Natur sind, ist das <?page no="462"?> 5.2 Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 463 Frame-Konzept geeignet, eine Brücke zwischen individueller Informationsverarbeitung und der sozialen Einbettung des Individuums zu schlagen, eine Spielart der »sozialen Konstruktion von Realität«. 5.2.5.3 Priming Ein weiteres Konzept der kognitiven Psychologie, das im Rahmen der »kognitiven Wende« Eingang in die Medienwirkungsforschung fand, ist das kognitive »Priming«. Bei der Verarbeitung von Umwelteinflüssen wird auf bestimmte Wissenseinheiten im Gedächtnis mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit zugegriffen, wenn sie entweder häufiger in der Vergangenheit oder kürzlich aktiviert wurden. Beschränken wir diesen Effekt auf die Verarbeitung von Medieninformationen, sprechen wir von Medien-Priming (für einen Überblick vgl. Peter 2002). Dabei können Priming-Effekte bewusst oder unbewusst ablaufen und unterschiedliche Formen annehmen: So lassen sich z. B. perzeptuelles Priming, das sich auf die Form eines Objekts und konzeptionelles Priming, das sich auf dessen Bedeutung bezieht, unterscheiden. Im Bereich der Medienwirkungsforschung wurde Priming v. a. in drei Bereichen untersucht: der politischen Kommunikationsforschung (vgl. z. B. Krosnick/ Kinder 1990), der Bildung von Stereotypen (Hansen 1989) und der Gewaltforschung (Bushman 1989, im Überblick Peter 2002, S. 26ff). Für den politischen Bereich wurden Priming-Effekte z. B. als eine Erweiterung von Agenda Setting analysiert. Durch die wiederholte Wahrnehmung eines politischen Issues wird dieses bevorzugt als Maßstab bei der Beurteilung einer Partei oder eines Politikers herangezogen. Im Bereich der Medienunterhaltung können stereotype Darstellungen - z. B. von Geschlechterrollen - dazu führen, dass eben diese Stereotypen als Grundlage für die Erklärung geschlechtspezifischen Verhaltens verwendet werden (ohne dass die beurteilende Person das Stereotyp bewusst als gültig akzeptieren müsste). Einschränkend muss gesagt werden, dass Priming nicht notwendigerweise automatisch abläuft - der entsprechende Prime muss als passend zum später beurteilten Verhalten eingestuft werden. 5.2.6 Emotionspsychologie Wolfgang Eichhorn Medieninhalte sprechen nicht nur die Ratio des Menschen an, sondern auch seine Emotionen. In seiner frühen Studie zum Kinofilm untersuchte der Psychologe Hugo Münsterberg (1916) den Zusammenhang zwischen den Inhalten von Filmen, ihrer Gestaltung und den während der Rezeption hervorgerufenen Emotionen. Der Erfolg der neuen Medien Radio und Film rief unter Politikern, Akademikern und auch in der Bevölkerung Befürchtungen der moralischen Korrumpierung - insbesondere der Jugend - hervor. In einer der ersten groß angelegten kommunikationswissenschaftlichen empirischen Studien, den »Payne Fund Studies« (Lowery/ DeFleur 1995), wurden Inhalte, Nutzung und Wirkung von Filmen einer Analyse unterzogen - u. a. die möglicherweise schädlichen Auswirkungen des Mediums Kinofilm auf die Emotionen Jugendlicher (vgl. Malin 2009; Dysinger/ Ruckmick 1933). Ebenso gab das Potenzial politischer Propaganda der Sozialwissenschaft Anlass zur Besorgnis (Lasswell 1927). Auch im Kontext der frühen Uses-and-Gratifications-Studien spielen Emotionen eine Rolle (Herzog 1944): Sie identifizierten das Ausleben von Emotionen als eine zentrale Funktion der Nutzung von Seifenopern. Aus der Perspektive des Kommunikationsforschers sind Emotionen in mehrerlei Hinsicht interessant: In der präkommunikativen Phase beeinflussen sie das Selektionsverhalten, in der Rezeptions- <?page no="463"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 464 phase (kommunikative Phase) prägen Sie das Medienerlebnis, in der postkommunikativen Phase sind sie Gegenstand der Untersuchung von Medienwirkungen. Die notwendige theoretische Fundierung für die Erforschung dieser Fragen bietet die Emotionspsychologie, die Definitionen für das Wesen, die Genese und den Wandel von Emotionen bereitstellt. Auch im Bereich der Emotionspsychologie finden sich eine Vielzahl von Ansätzen und Definitionen. Wolfgang Schönpflug (2000) führt dies darauf zurück, dass die Psychologie die in der Kulturgeschichte im Laufe von Jahrhunderten entstandenen Konzepte aufgriff und weiterentwickelte. Paul R. Kleinginna und Anne M. Kleinginna (1981) identifizieren vier Komponenten von Emotionen: affektiv, kognitiv, konativ und physiologisch. Die theoretischen Ansätze unterscheiden sich darin, wie stark sie die einzelnen Komponenten gewichten und wie sie sie miteinander verknüpfen. Teilweise wird die kognitive Komponente separat behandelt - als Faktor, der zur Entstehung von Emotionen beiträgt, ebenso wie die konative Komponente, die als das Resultat von Emotionen angesehen werden kann. Unter der Vielzahl von Theorie-Klassifikationen machen Holger Schramm und Werner Wirth (2006, S. 27f ) drei Theoriegruppen aus, über die in der Literatur der größte Konsens herrscht: Ansätze, die die physiologische Erregung in den Mittelpunkt stellen (z. B. Schachter/ Singer 1962), kognitiv orientierte Ansätze (»cognitive appraisal«, z. B. Scherer 1990) und evolutionsbiologisch orientierte Ansätze. Je nach theoretischer Orientierung gibt es eine Vielzahl von Definitionen, eine der etablierten Arbeitsdefinitionen stammt von Keith Oatley und Jennifer M. Jenkins (1996), in der Übersetzung von Jürgen H. Otto, Harald A. Euler und Heinz Mandl (Otto et al. 2000b, S. 16): »1) Eine Emotion wird üblicherweise dadurch verursacht, dass eine Person - bewusst oder unbewusst - ein Ereignis als bedeutsam für ein wichtiges Anliegen (ein Ziel) bewertet […] 2) Der Kern einer Emotion sind Handlungsbereitschaft (readiness to act) und das Nahelegen (prompting) von Handlungsplänen; eine Emotion gibt einer oder wenigen Handlungen Vorrang, denen sie Dringlichkeit verleiht. So kann sie andere mentale Prozesse oder Handlungen unterbinden oder mit ihnen konkurrieren […] 3) Eine Emotion wird gewöhnlicherweise als ein bestimmter mentaler Zustand erlebt, der manchmal von körperlichen Veränderungen, Ausdruckserscheinungen und Handlungen begleitet oder gefolgt wird.« 5.2.6.1 Emotionen bei der Zuwendung zu Medien Die frühen Ansätze zur Erforschung der Rolle der Emotionen bei der Mediennutzung wurden in den folgenden Jahrzehnten nicht weiter verfolgt, andere Interessen dominierten. Obwohl zentrale Konzepte wie »Einstellung« oder »Motiv« emotionale Komponenten beinhalten, war Emotion im engeren Sinne selten Gegenstand der Forschung. Noch im Jahr 2006 sprachen Holger Schramm und Werner Wirth in einem Überblicksaufsatz von einem »vernachlässigten Forschungsfeld«. Trotzdem gibt es eine Reihe von Forschungsarbeiten in diesem Feld. Den größten Bekanntheitsgrad dürfte der Mood-Management-Ansatz haben (Zillmann 1988; Knobloch-Westerwick 2006). Anders als der Uses-and-Gratifications-Ansatz, der dem Rezipienten die Fähigkeit zuschreibt, Medieninhalte bewusst auszuwählen, um bestimmte Ziele zu erreichen, betont Mood Management die emotionale Komponente der Rezeption. Die Auswahl medialer Angebote erfolgt hier mehr oder weniger bewusst, um bestehende Stimmungen zu verstärken oder abzuschwächen (vgl. Kap. 4.4.2.2; siehe Greenwood/ Long 2008). <?page no="464"?> 5.2 Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 465 5.2.6.2 Emotionen bei der Medienrezeption In der Kommunikationsphase stellt sich die Frage, wie Emotionen das Rezeptionserleben beeinflussen. Hier ist z. B. der Excitation-Transfer-Ansatz (Zillmann 1971) relevant, der beschreibt, wie die in den Medien dargestellten Emotionen sich auf den Rezipienten übertragen. Ebenfalls in diesen Bereich fallen Arbeiten, die sich mit dem Erzeugen von Spannung in Filmen oder TV-Serien beschäftigen. Im postkommunikativen Bereich stehen die - möglicherweise längerfristigen - emotionalen Wirkungen im Fokus. Ein großes Forschungsfeld ist hier die Gewaltforschung. In der Tradition der Gerbnerschen Kultivierungsforschung (vgl. Kap. 4.4.3.3) eröffnet sich eine weitere Perspektive. Der Einfluss von Emotionen auf die Medienrezeption ist eng verknüpft mit der unterhaltenden Funktion von Massenmedien. So ist der Begriff des »pleasure« ein Schlüsselbegriff in den Cultural Studies. Einige Ansätze (z. B. Vorderer 2004) bauen ein mehrdimensionales Unterhaltungskonstrukt um das Konzept der Emotion auf. Ein Großteil der Forschung hat sich daher mit Unterhaltungsangeboten befasst, v. a. in Bezug auf Genres, die eine spezifische Emotion in den Mittelpunkt stellen, z. B. Liebesfilme, Action (Furcht), Krimis (Spannung). Ein Grund für die stärkere Berücksichtigung von Emotionen in der Medienforschung liegt sicher in der Veränderung der Medienlandschaft - insbesondere im Bereich Fernsehen. Einerseits ist mit dem »Affektfernsehen« eine neue »Quasi-Gattung« eingeführt worden, die z. B. Talkshows, Realitysoaps oder Castingshows umfasst. Die Gemeinsamkeit liegt in dem Versuch, den Zuschauer über Emotionen anzusprechen, emotional aufgeladene Momente zu schaffen und zu Empathie anzuregen. Ein weiterer Trend lässt sich in der öffentlichen Darstellung von Politik finden: Hier wird über Inszenierungen, eine stärkere Emotionalisierung und Personalisierung der Versuch unternommen, die Wähler stärker über ihre Emotionen anzusprechen - eine Strategie, die perfekt auf die Logik und Präsentationsformen audiovisueller Medien zugeschnitten ist. Es ist daher naheliegend, auch bei der Untersuchung politischer Kommunikation den emotionalen Aspekt stärker in den Vordergrund zu rücken. Studien vor diesem Hintergrund zeigen, dass z. B. die Erinnerungsleistungen bei der Rezeption von Nachrichten durch die Präsenz emotional aufgeladener Medieninhalte beeinflusst wird. Kang Namkoong, Timothy K. F. Fung und Dietram A. Scheufele (Namkong et al. 2012) zeigen, dass die emotionale Haltung zu einem Präsidentschaftskandidaten den Zusammenhang zwischen der Nutzung von Nachrichtenmedien und politischer Partizipation beeinflusst. Eine positive emotionale Wahrnehmung der Kandidaten kann also die politische Partizipation fördern. Joanne M. Miller (2007) identifiziert negative Emotionen als einen entscheidenden interventierenden Faktor zwischen Medienberichterstattung und der Wichtigkeitseinschätzung von Themen. George E. Marcus, W. Russel Neuman und Michael B. MacKuen (Marcus et al. 2000) schlagen eine neue Betrachtungsweise politischer Kommunikationsprozesse vor, die nicht einfach auf rationalen Entscheidungen aufbaut, sondern kognitive Verarbeitungsprozesse und Emotionen integriert: Negative Emotionen führen zu einer intensiveren und gründlicheren Informationsverarbeitung. Direkte emotionale Gratifikationen sind meist hedonistischer Natur, beschränken sich also auf positive Stimmungen und Gefühle, und sind nur von kurzer Dauer. Um zu erklären, warum Rezipienten auch aus negativen Emotionen Gratifikationen erhalten können, wurde das Konzept der Meta- Emotion (vgl. Bartsch et al. 2008) eingeführt, eine Art übergeordneter emotionaler Ebene (vgl. auch Oliver 1993). Anne Bartsch (2012) argumentiert, dass Emotionen indirekt weitergehende Gratifikationen sozialer und kognitiver Natur haben können. Damit lässt sich z. B. die Attraktivität »negativer« Emotionen erklären, die zu einer stärkeren parasozialen Bindung an die betroffenen Figuren führen können. Damit geht die emotionale Wirkung von Medienangeboten über eine kurzfristige »Belustigung« hinaus und wirkt in das Alltagsleben des Rezipienten hinein. <?page no="465"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 466 5.2.7 Konformitätsdruck - die Theorie der Schweigespirale Im Kontext sozialpsychologischer Fragen von Medienwirkungen ist auch die Theorie der Schweigespirale zu erwähnen (vgl. Noelle-Neumann 1980, 1996). Diese von der deutschen Publizistikwissenschaftlerin und Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann begründete Makro-Theorie stellt auch einen Erklärungsversuch der Entstehung von öffentlicher Meinung dar (vgl. Noelle-Neumann 1974, 1977). Die Theorie bzw. der Theorieentwurf ist, wie noch dargelegt werden wird, wissenschaftlich durchaus nicht unumstritten. Sie wird hier ausführlich erörtert, weil sie zu jenen wenigen aus dem deutschen Sprachraum stammenden kommunikationswissenschaftlichen Arbeiten gehört, die nicht nur in Deutschland (vgl. z. B. Deisenberg 1986; Donsbach/ Stevenson 1986; Donsbach 1987; Scherer 1990; Fuchs et al. 1992), sondern auch im angloamerikanischen Raum aufmerksam rezipiert und kritisch gewürdigt wurden (vgl. Glynn/ McLeod 1984; Salmon/ Kline 1985; Lasorsa 1991; Salmon/ Glynn 1996; Glynn et al. 1997). Auch für den asiatischen Raum existieren Studien zur Schweigespirale (vgl. Tokinoya 1989, 1996). 5.2.7.1 Das Grundkonzept Die Theorie der Schweigespirale baut auf sozialpsychologischen Beobachtungen zum Verhalten von Menschen in öffentlichen Situationen, publizistikwissenschaftlichen Überlegungen zur Rolle der Massenmedien bei der Meinungsbildung sowie philosophiegeschichtlichen Erkenntnissen zum Begriff der öffentlichen Meinung auf. Die Darstellung des Zusammenhangs psychologischer, kommunikationswissenschaftlicher und sozialer Aspekte begründet eine Theorie, die den Prozess öffentlicher Meinungsbildung erklären und empirisch nachweisen will. Die Kernthese dabei lautet, dass Menschen, die glauben, die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung hinter sich zu haben, tendenziell eher bereit sind, sich öffentlich zu ihrer Meinung zu bekennen als diejenigen, die glauben, eine abweichende Meinung zu vertreten. Der Prozess läuft, vereinfacht dargestellt, wie folgt ab (vgl. Noelle- Neumann 1980): • Öffentliche Meinung versteht Noelle-Neumann als »soziale Haut«, die die Gesellschaft im Innersten zusammenhält. Diese »soziale Haut« versinnbildlicht Integration, Zusammenhalt und Ausgleich zwischen den Individuen. • Menschen streben nach Harmonie und wollen in der Gesellschaft nicht im sozialen Abseits stehen. Sie befürchten gesellschaftlich isoliert zu werden (Isolationsfurcht), wenn sie eine vermeintlich »unpassende«, sozial nicht anerkannte Meinung zu einem brisanten, sozial oder politisch aufgeladenen Thema äußern. • Menschen sind in der Lage, Meinungsverteilungen in der Bevölkerung recht genau wahrzunehmen. Obwohl ihnen kein Analyseinstrument wie etwa der professionellen Meinungsforschung zur Verfügung steht, können sie, so Noelle-Neumann, mit einer Art intuitiv-mentalem »quasistatistischem Wahrnehmungsorgan« feststellen, welche Meinung zu einem relevanten Thema überwiegt bzw. sich in der Minderheit befindet. Dabei stehen den Menschen die direkte und die indirekte - durch die Medien vermittelte - Umweltbeobachtung als Quelle zur Verfügung. • Menschen, die meinen, mit ihrer persönlichen Auffassung zu politisch oder gesellschaftlich relevanten und in der öffentlichen Diskussion befindlichen Themen mit der vermuteten Mehrheitsmeinung (in Gesellschaft und Massenmedien) übereinzustimmen, weisen tendenziell eine zunehmende Bereitschaft auf, sich in der Öffentlichkeit zu äußern (und sei es nur im Rahmen von Diskussionen am Arbeitsplatz oder im Bekanntenkreis). <?page no="466"?> 5.2 Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 467 • Personen hingegen, die glauben, mit ihrer persönlichen Meinung zu solchen Themen mit der vermuteten Mehrheitsmeinung nicht übereinzustimmen, tendieren eher dazu, ihre Meinung in der Öffentlichkeit nicht zu artikulieren. Sie schweigen oder vertreten in der Öffentlichkeit (und sei es nur in einer Gruppe) mitunter sogar eine gegenteilige, nämlich die vermutete Mehrheitsmeinung, um sich von den Mitmenschen nicht zu isolieren. • Eine konsonante, also in einer bestimmten Meinungsrichtung dominante Berichterstattung der Medien zu einem aktuellen Thema kann sich von der tatsächlichen Meinungsverteilung in der Bevölkerung unterscheiden. Aufgrund ihrer indirekten Umweltwahrnehmung, also der täglichen Mediennutzung, glauben die Menschen jedoch an die Dominanz der in den Medien vertretenen Meinung und verfallen zunehmend in Schweigen, weil sie glauben, einer Minderheitsmeinung anzugehören - obwohl sie doch möglicherweise in der Mehrheit sind. Die schweigende Mehrheit wird gewissermaßen von den Medien als Minderheitsmeinung marginalisiert. Der Eindruck der Mehrheitsmeinung wieder, die de facto jedoch nur von einer Minderheit vertreten wird, entsteht lediglich dadurch, weil ihre Vertreter die Rückendeckung der Medien haben und sich lautstark äußern. Durch »die Tendenz zum Reden der einen und zum Schweigen der anderen« kommt ein »Spiralprozess« in Gang, »der eine Meinung immer fester und fester als herrschende Meinung etabliert« (Noelle-Neumann 1979, S.-173). Im Unterschied zu anderen Medienwirkungstheorien, wie sie u. a. vorstehend sowie in Kap. 4.4.3 abgehandelt wurden, stellt die Theorie der Schweigespirale einen komplexen Entwurf einer (Makro-) Theorie dar. Ihre genuinen sozialpsychologischen, kommunikationswissenschaftlichen und gesellschaftstheoretischen Überlegungen hat Wolfgang Donsbach mit Bezugnahme auf Noelle-Neumanns Publikationen bereits 1987 kompakt zusammengefasst (vgl. Donsbach 1987, S.-324). (Sozial-)Psychologisch relevant sind die Beobachtungen über das Konformitätsverhalten von Menschen in Gruppensituationen bzw. in Situationen des Umwelt- und Gruppendrucks. Solomon Asch (1952) hat dies bereits in den 1950er-Jahren experimentell untersucht (vgl. auch Noelle-Neumann 1980, S.-59ff). Konformitätsverhalten bzw. Isolationsangst ist nicht nur eine Angst vor der Absonderung, sondern auch eine Furcht vor dem Zweifel an der eigenen Urteilsfähigkeit. Daraus resultieren Redebereitschaft oder Schweigetendenz und - unter Einbeziehung des Zeitfaktors - der damit verbundene spiralartige Prozess. Die sog. Rede- oder Schweigebereitschaft von Personen wurde von Noelle-Neumann empirisch mithilfe des sog. »Eisenbahntests« ermittelt (vgl. Noelle-Neumann 1980). Er geht wie folgt vor sich: Die Versuchspersonen werden zunächst nach ihrer eigenen Meinung zu politisch kontrovers diskutierten Themen befragt (z. B. Tempobegrenzung auf deutschen Autobahnen). Daran schließt die Frage nach der Einschätzung der Mehrheitsmeinung zu diesem Thema (Tempobegrenzung) in der Bevölkerung sowie ggf. nach der vermuteten zukünftigen Entwicklung der Meinungsverteilung in der Bevölkerung an. Schließlich folgt die Frage an die Versuchsperson, ob sie bereit wäre, im Rahmen einer Eisenbahnfahrt sich im Abteil mit einem Mitreisenden zu unterhalten, der eine zur eigenen Meinung gegenteilige Ansicht vertritt, um dessen Standpunkt näher kennen zu lernen. In mehreren Befragungen zu unterschiedlichen Themen zeigte sich bei solchen Eisenbahntests im demoskopischen Interview eine deutliche Redebereitschaft bzw. Schweigetendenz der verschiedenen Meinungslager. Personen, die sich auf der Seite der Mehrheit sahen, (bzw. siegessicher waren bezüglich der Zukunftsentwicklung der von ihnen vertretenen Position), erwiesen sich als redebereiter als Personen, die sich in der Minderheit sahen bzw. auf der Verliererseite wähnten. Diese tendierten eher zum Schweigen (vgl. Noelle-Neumann 1996, S.-33ff). Kommunikationstheoretisch von Bedeutung ist, dass für die Umweltbeobachtung dem Individuum im Wesentlichen zwei Quellen zur Verfügung stehen: »die direkte Umweltbeobachtung im sozialen <?page no="467"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 468 Kontext und die indirekte Beobachtung über die Inhalte der Massenmedien. Während die direkte Beobachtung dem Individuum v. a. Eindrücke vermittelt, mit welchen Meinungen man sich in der Öffentlichkeit isolieren kann, geben die Medieninhalte v. a. Eindrücke davon, wie die Mehrheit denkt« (Donsbach 1987, S.-324). Die besondere Einflusskraft der Medieninhalte resultiert laut Noelle- Neumann aus den beiden Faktoren Konsonanz und Kumulation mit damit verbundenen Effekten (Noelle-Neumann 1973). Mit Konsonanz ist die inhaltlich oftmals übereinstimmende Berichterstattung vieler Medien gemeint. Sie resultiert aus den identischen Auswahlkriterien der Journalisten (z. B. Nachrichtenfaktoren, vgl. Kap. 4.1.2.1) sowie aus der Tatsache, dass die Journalisten eine relativ homogene Berufsgruppe darstellen, die sich stark an sich selbst (und nicht am Publikum) orientiert. Die Folge sei eine Medienkultur, die von der Realkultur abweiche und zu einem »doppelten Meinungsklima« führen kann. Ein solches kann Noelle-Neumann zufolge »nur entstehen unter ganz besonderen Umständen, nur dann, wenn das Meinungsklima der Bevölkerung und die vorherrschende Meinung unter Journalisten auseinander fallen« (Noelle-Neumann 1980, S.-242) und Personen je nach Mediennutzung ein unterschiedliches Meinungsklima wahrnehmen (vgl. Noelle- Neumann 1996, S.-243). Mit Kumulation ist gemeint, dass die Menschen den Medien ständig ausgesetzt sind und ihre weitgehend identische Berichterstattung permanent auf das Medienpublikum einwirkt. Dem Medium Fernsehen, für Noelle-Neumann ein »getarnter Elefant« (vgl. Noelle-Neumann 1977), wird dabei besondere Bedeutung zugeschrieben. Es habe 1) auf Grund seiner höheren Aktualität die Möglichkeit, Themen (vor der Zeitung) zuerst zu bewerten; es verfüge 2) v. a. wegen seiner Bilder über hohe Glaubwürdigkeit und vermittle Authentizität (Miterleben des Empfängers); und es reduziere 3) die Selektionsmöglichkeiten des Nutzers (man muss - z. B. auch und v. a. in Nachrichtensendungen - dem Programmablauf, den einzelnen Meldungen, folgen - man kann Fernsehen »nicht umblättern«). Konsonanz und Kumulation führen zu einem Effekt, nämlich zu der vom Rezipienten über die Medien wahrgenommenen Realitätsvorstellung (vgl. Noelle-Neumann 1973). Die Massenmedien sind Noelle-Neumann zufolge in der Lage, Realitätsvorstellungen zu prägen sowie Ideen, Ereignissen und Personen Öffentlichkeit zu verleihen, und zwar nur mit denjenigen Zügen, die ihnen die Medien zuschreiben. Unter Einfluss der Medienberichterstattung - besser: des Medientenors als journalistische Darstellung des Meinungsklimas zu einem kontroversen Thema in der Medienberichterstattung - lässt sich der Prozess der Schweigespirale wie folgt beschreiben: »Der Medientenor beziehungsweise die Veränderung des Medientenors läuft der Veränderung der Einschätzung des Meinungsklimas durch die Bevölkerung voraus. Die Veränderung der Einschätzung des Meinungsklimas läuft der Änderung der eigenen Einstellungen voraus. Das Verhalten - Redebereitschaft - folgt der Einschätzung des Meinungsklimas in einer Interaktion, die den Spiralprozess hervorbringt« (Noelle-Neumann 1996, S.-359). Noelle Neumann verweist allerdings auf drei (Rand-)Bedingungen, die gegeben sein müssen, damit der Prozess der Schweigespirale in Gang kommen kann: 1) Es muss sich um Meinungs- und Einstellungsbereiche handeln, die im Fluss sind, bei denen ein Wandel stattfindet. 2) Es muss sich um Meinungen handeln, die eindeutig moralisch belegt sind und bei denen die Auseinandersetzung nicht um die rational richtige oder falsche, sondern um die moralisch gute oder schlechte Position geführt wird. 3) Es muss sich um Prozesse handeln, in denen die Massenmedien eine identifizierbare Position einnehmen (vgl. Noelle-Neumann 1980, S.- 91ff, S.- 229ff, S.- 244ff; siehe auch Noelle-Neumann 1996, S.-366ff). Nicht zuletzt ist auf gesellschaftstheoretische Überlegungen zu verweisen. So kann man im System der permanenten Umweltbeobachtung der Menschen (der direkten wie der medial vermittelten) und der »Bestrafung« von Abweichlern durch soziale Isolation eine wichtige Funktion zur Stärkung des sozialen Verbandes sehen: Erst ein Mindestmaß an Konformität sowie an Verpflichtung auf gemeinsame Normen und Werte unter den Gesellschaftsmitgliedern führt nämlich zu jener Integration, <?page no="468"?> 5.2 Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 469 die Gesellschaft überhaupt erst möglich macht (vgl. Donsbach 1987, S.- 326). In der öffentlichen Meinung sieht Noelle-Neumann, wie erwähnt, eine »soziale Haut«, die das Gesamtsystem zusammenhält. Noelle-Neumann versteht öffentliche Meinung als »wertgeladene, insbesondere moralisch aufgeladene Meinungen und Verhaltensweisen, die man - wo es sich um fest gewordene Übereinstimmung handelt, z. B. Sitte, Dogma - öffentlich zeigen muss, wenn man sich nicht isolieren will; oder bei im Wandel begriffenem ›flüssigem‹ Zustand öffentlich zeigen kann, ohne sich zu isolieren« (Noelle-Neumann 1983, S.-141; Hervorhebung i. Orig.). Elisabeth Noelle-Neumann legt mit der Schweigespirale einen komplexen theoretischen Ansatz zur Erklärung der Wirkung der Massenmedien vor. Er zeichnet sich durch folgende Merkmale bzw. Ansprüche aus (und zwar unabhängig davon, ob bzw. inwieweit diese auch überzeugend umgesetzt bzw. eingelöst werden): 1) Er möchte nicht mehr entweder nur auf Mikro- oder auf Makro-Prozesse fokussieren, sondern trachtet danach, beides zu verbinden. 2) Er stellt von der Untersuchung der Wirkung auf das einzelne Individuum um auf die Analyse der Wirkung im Hinblick auf die Gesellschaft. 3) Er setzt nicht allein auf die Beobachtung kurzfristiger Wirkungseffekte, sondern möchte längerfristige Wirkungen in den Analysebereich mit aufnehmen. 4) Er gibt eine statische Betrachtungsweise explizit auf zugunsten der Beobachtung dynamischer Prozesse der Massenkommunikation (vgl. Schulz 1982). 5.2.7.2 Empirische Überprüfung Die empirische Überprüfung ihres Theorieentwurfs - bzw. besser und richtiger: einzelner seiner Komponenten - nahm Elisabeth Noelle-Neumann hauptsächlich anhand politischer Themen vor. Wichtige Anstöße dazu erhielt sie u. a. aus (zunächst nicht erklärbaren) Umfrageergebnissen im Vorfeld der deutschen Bundestagswahlen von 1965 und 1972. Damals wichen, je näher der Wahltermin jeweils rückte, beabsichtigtes Wahlverhalten einerseits und vermutete Siegererwartung andererseits voneinander ab. Erst im letzten Moment kam es bei beiden Wahlgängen, so die Erklärung von Noelle- Neumann, zu einem »Mitläufereffekt«, zu einem »Last-Minute-Swing«, bei dem das Meinungsklima bezüglich der allgemeinen Siegeserwartung schließlich auf das Wahlverhalten durchschlug (1965 gingen CDU/ CSU als Sieger aus den Wahlen hervor, 1972 war es die SPD). Noelle-Neumann sah im Wahlverhalten einen auf das öffentliche Meinungsklima zurückzuführenden Ausdruck der Isolationsfurcht, die bei einem Teil der Wähler jeweils zur Anpassung an die vermutete Mehrheitsmeinung führte (vgl. Noelle-Neumann 1991, S.-258 und 1996, S.-16ff). Ein solches Umschlagen des Meinungsklimas versucht Noelle-Neumann auch am Beispiel der Bundestagswahl vom 3. Oktober 1976 (mit den Spitzenkandidaten Helmut Schmidt, SPD, und Helmut Kohl, CDU) nachzuweisen, die zu Gunsten der damals regierenden SPD/ FDP-Koalition entschieden wurde (vgl. Noelle-Neumann 1980, S.- 228ff). In repräsentativen Bevölkerungsumfragen (»Wer gewinnt die Wahl? «) im Vorfeld der Wahl war innerhalb von sechs Monaten unter den Befragten ein Rückgang der Siegeserwartungen für die CDU/ CSU um 11 Prozentpunkte und ein entsprechender Anstieg der Siegeserwartungen für die SPD/ FDP um 12 Prozentpunkte zu verzeichnen. Nach Medienkonsum durchgeführte Auswertungen ergaben, dass sich diese Verschiebung in den Siegeserwartungen bei Personen, die viel fernsahen, wiederspiegelte, während Personen, die wenig fernsahen, CDU/ CSU und SPD/ FDP in der Siegeserwartung gleichauf sahen. Der Grund für den Wechsel im Meinungsklima unter den Vielnutzern wurde von Noelle-Neumann beim Fernsehen vermutet, das mit seiner Berichterstattung ein Klima zu Gunsten der SPD erzeugte und das von den Zuschauern so wahrgenommen wurde. Dem Phänomen wurde von Noelle-Neumann mit einer Umfrage unter Journalisten im Juli 1976 über den zu erwartenden Wahlausgang sowie über die <?page no="469"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 470 Wahlabsicht nachgegangen. 76 Prozent der befragten Journalisten erwarteten einen Wahlausgang zu Gunsten der SPD/ FDP-Koalition, aber nur 33 Prozent der Gesamtbevölkerung (und 80 Prozent der Journalisten äußerten eine Wahlabsicht zu Gunsten SPD/ FPD, jedoch nur 50 Prozent der Bevölkerung). Mögliche Schlussfolgerung: Da die große Mehrheit der Journalisten einen Wahlsieg der SPD/ FDP-Koalition wollte, sahen sie die Welt gleichsam mit »sozial-liberalen Augen« und gaben diese Sicht über die Fernsehberichterstattung weiter. Als Zwischenfazit kann an dieser Stelle darauf verwiesen werden, dass Noelle-Neumann über ihre Umfragen im Wahlkampf zur Bundestagswahl 1976 in der Bevölkerung sowie unter den Journalisten ein »doppeltes Meinungsklima« feststellte: jenes in der Bevölkerung, das ein offenes Rennen zwischen den beiden großen politischen Blöcken (CDU/ CSU, SPD/ FDP) sah; sowie jenes im Fernsehen mit einer Siegeserwartung von SPD/ FDP. Personen, die sich dem Medium Fernsehen stärker zuwandten, wurden - so die Vermutung - in ihrer persönlichen Einschätzung unsicher. Dies habe zu einer Verschlechterung der Siegeschancen der CDU/ CSU geführt (vgl. Noelle-Neumann 1980, S.-234f ). Noelle-Neumann hat den Journalisten keine offenkundige Manipulation von Nachrichteninhalten unterstellt, wollte aber dennoch einen Beweis dafür, dass Fernsehjournalisten ihre Einstellungen möglicherweise in versteckten Botschaften weitergeben. Der u. a. auch zu Rate gezogene amerikanische Medienforscher Percy Tannenbaum schlug vor, eine Umfrage unter deutschen TV-Kameraleuten durchzuführen, um herauszufinden, mit welchen optischen Mitteln der Darstellung von Personen, bzw. von Politikern, es möglich ist, positive oder negative Effekte zu erzeugen. Kameraaufnahmen von Personen in Augenhöhe (Frontansicht), so das Ergebnis einer solchen Umfrage, wirken für den Dargestellten eher vorteilhaft (sympathisch, ruhig, ungezwungen); starke Draufsicht (also Vogelperspektive) oder Untersicht (Froschperspektive) wirken unvorteilhaft und vermitteln eher Antipathie, Schwäche und Leere (vgl. Noelle-Neumann 1980, S.-235f ). In diesen Ergebnissen schien nun der Schlüssel für das Umschlagen des Meinungsklimas gefunden zu sein. Hans Mathias Kepplinger führte eine Inhaltsanalyse der gesamten TV-Berichterstattung von ARD und ZDF über den Wahlkampf zur Bundestagswahl 1976 (zwischen 1. April und 3. Oktober) auf die verwendeten optischen Mittel durch (vgl. Kepplinger 1980). Erst bei der Analyse der optischen Darstellung der Spitzenkandidaten wurden Unterschiede deutlich: Helmut Schmidt (SPD) wurde nur 31-mal aus der ungünstigen Frosch- oder Vogelperspektive gezeigt, Helmut Kohl (CDU) hingegen 55-mal (Unterschied: 24). Auch bei einigen anderen Elementen, die für das vermittelte Klima von Bedeutung sind (wie Beifall, Haltung der Zuhörer, Unmutsbekundungen, Buh-Rufe etc.) sowie bei der intensiver wirkenden Halbtotale oder Großaufnahmen und bei der distanzierter wirkenden Totale wurden einige Unterschiede zu Gunsten der Darstellung von SPD/ FDP deutlich (vgl. Noelle-Neumann 1980, S.-237ff). Peter Winterhoff-Spurk fasst in diesem Kontext zusammen: »Stark vereinfacht wäre also im Wahljahr 1976 die Schweigespirale (besser: das Umschlagen des Meinungsklimas, H. P.) wie folgt zu Stande gekommen: Die Kameramänner wie ihre journalistischen Kollegen sind mehrheitlich der SPD/ FDP-Koalition zugeneigt und vom Wahlsieg dieser Gruppierung überzeugt. Demzufolge bilden sie ihre Sicht der politischen Welt in einer bestimmten, für die von ihnen favorisierte Gruppe positiveren Weise ab: Der SPD-Spitzenkandidat (Helmut Schmidt - Ergänzung H. P.) wird seltener in der ungünstigen Frosch- oder Vogelperspektive gezeigt, für positive Publikumsreaktionen wird die intensivere Halbtotale oder Großaufnahme gewählt und negative Reaktionen werden kaum wiedergegeben. Vielseher rezipieren diese optischen Darstellungsmittel als einen Wandel im Meinungsklima, dem sie sich anschließen, um auf der Seite der nun (von ihnen so gesehenen) Mehrheit zu bleiben. So entschieden letzten Endes bei der Bundestagswahl vom 3. Oktober 1976 die Kameraleute des Fernsehens die Wahl, die mit einer Differenz von rund 350.000 Stimmen (bei 38 Mio. Wählern) zu Gunsten der Koalitionsparteien ausging« (Winterhoff-Spurk 1999, S.-120). <?page no="470"?> 5.2 Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 471 5.2.7.3 Diskussion Die Behauptung, das Fernsehen habe die Bundestagswahl von 1976 entschieden, war verständlicherweise nicht nur von wissenschaftlicher, sondern auch von medienpolitischer Brisanz: Just dem zu Ausgewogenheit und Unabhängigkeit verpflichteten öffentlich-rechtlichen Fernsehen (damals gab es noch keine privaten TV-Sender) wurde immerhin vorgehalten, wahlentscheidenden Einfluss zu Gunsten einer politischen Partei (hier der SPD) ausgeübt zu haben. Wenn nämlich die optischen Darstellungsmittel des Fernsehens wirklich derart nachhaltig die Image-Bildung von Politikern beeinflussen können und bis in die Wahlkabine hineinreichende Folgen haben, so ist es nicht verwunderlich, wenn die politischen Parteien in noch stärkerem Ausmaß als bisher über die entsprechenden Kontrollorgane (wie Rundfunk- und Verwaltungsräte) auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Einfluss nehmen wollen (vgl. Winterhoff-Spurk 1986, S.-116). So hat sich denn auch die ordnungspolitische Diskussion über das Rundfunkwesen verschärft und auch eine Debatte über die Objektivität der Medien und des Journalismus entwickelt (vgl. Bentele/ Ruoff 1982). Gleichzeitig ist aber auch teils heftige (und im Ton bisweilen unangemessene) Kritik an den von Noelle-Neumann und Hans Mathias Kepplinger vorgelegten Studien zur Bundestagswahl geübt worden (vgl. Kiefer 1977; Atteslander 1980; Merten 1983 und 1985). Unter anderem wurde bezweifelt, dass 24 über ein halbes Jahr verteilte Kameraeinstellungen derartige Wirkungen zeitigen können und bemängelt, dass allein von der Fernsehnutzung auf Einstellungsänderungen geschlossen wurde; Wahlentscheidungen aber seien relativ stabile Werturteile. Bezugsgruppen der Befragten, die im Kontext politischer Kommunikation von Relevanz sind, seien, so ein weiterer Kritikpunkt, ebenso unzureichend berücksichtigt worden wie die für Medieneffekte nicht unbedeutenden Persönlichkeitsfaktoren der Befragten. Die behauptete Konsonanz der Berichterstattung sei empirisch nicht nachgewiesen; (dem Fernsehen wurde inhaltlich Ausgewogenheit attestiert, die Printmedien bzw. deren Wahlberichterstattung und deren Nutzung durch das Publikum sind nicht ergründet worden). Es sei problematisch, von der Einschätzung des Wahlausganges und von den Parteipräferenzen der Journalisten bzw. Kameraleute auf das Handeln der Journalisten zu schließen. Die Stichprobe der befragten Journalisten sei mit 100 Personen (darunter nur 20 Fernsehjournalisten) sehr klein gewesen. Klaus Merten versuchte auch, anhand einer Reanalyse der ihm zur Verfügung stehenden Daten einige der vorgelegten Befunde zu relativieren und zu korrigieren (vgl. Merten 1983). Ungeachtet dieser auf den konkreten Fall (Bundestagswahl 1976) bezogenen Kritik wurde die Theorie der Schweigespirale generell wissenschaftlich intensiv diskutiert, zumal Elisabeth Noelle- Neumann zur Schweigespirale weitere Arbeiten vorgelegt hat (vgl. Noelle-Neumann 1996). Es ist nicht möglich, diese kritische Diskussion hier gänzlich wiederzugeben. Wolfgang Donsbach hat dies bereits 1987 auf der Basis von damals vorhandenen wissenschaftlichen Arbeiten versucht (vgl. Donsbach 1987, S.-331ff), weitere Beiträge von anderen Autoren sind zwischenzeitlich gefolgt (vgl. Scherer 1990; Gerhards 1996; Glynn et al. 1997; Kunczik/ Zipfel 2001, S.-379-384; Scherer et al. 2006; Roessing 2011). Einige der wichtigsten Aspekte dieser Diskussion seien aber herausgegriffen. Sie kreisen vorwiegend um die Isolationsfurcht, die damit zusammenhängende Rede- und Schweigebereitschaft sowie um die Frage nach der Fähigkeit zur Wahrnehmung des Meinungsklimas durch das Publikum. Bezüglich der über den sog. Eisenbahntest ermittelten Bekenntnisbereitschaft (Reden oder Schweigen), die laut Noelle-Neumann beim Menschen hoch ist, wenn seine Isolationsfurcht niedrig ist (und umgekehrt), wird die Validität dieses Messinstruments hinterfragt. Einige Autoren bevorzugen daher andere bzw. abgewandelte Verfahren zur Messung der Redebereitschaft (vgl. Shamir 1997, Gonzenbach 1992). Im Rahmen von Umfragen erbrachte empirische Überprüfungsversuche deuten darauf hin, »dass die Kommunikationsbereitschaft in solchen Situationen weniger durch soziale als vielmehr psychische Faktoren bestimmt ist« (Fuchs et al. 1991, S.-22). Eine Rolle dafür spielen das politische <?page no="471"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 472 Interesse, die subjektiv empfundene Wichtigkeit des Themas sowie der Glaube, den Kommunikationspartner auch beeinflussen zu können. Für Rede- oder Schweigetendenzen ist auch die jeweilige Art von Öffentlichkeit von Bedeutung. Die unmittelbare Bezugsgruppe (also eine nur kleine und vertraute Öffentlichkeit) übt diesbezüglich einen größeren Einfluss auf das Individuum aus als die anonyme (große) Öffentlichkeit; d. h. die Menschen sind in ihrer unmittelbaren Bezugsgruppe durchaus bereit, ihre von der wahrgenommenen Mehrheitsmeinung der Öffentlichkeit abweichende Position zu äußern (vgl. Scheufele/ Moy 2000). Es gibt sogar Hinweise darauf, dass sich bei Personen, die sich im Einklang mit ihrer Bezugsgruppe, aber im Widerspruch zur vermuteten Mehrheitsmeinung befanden, die Redebereitschaft verstärkt hat (vgl. Oshagan 1998). Eindeutige wissenschaftliche Aussagen zu dieser komplexen Teilkomponente der Schweigespirale werden allerdings, und dies ist unbedingt zu beachten, durch uneinheitliche Operationalisierungen von Öffentlichkeit in verschiedenen Studien erschwert (vgl. Scheufele/ Moy 2000). Zur Messung der Redebereitschaft liegen auch weitere Studien vor (vgl. Shami 1997; Gonzenbach 1992). Bezüglich der Isolationsfurcht räumt Noelle-Neumann selbst ein, dass diese von Person zu Person unterschiedlich ist. Jürgen Gerhards weist darauf hin, dass der Anteil von Personen, die sich in einer Kommunikationssituation entsprechend den Annahmen der Schweigespirale verhalten, eher gering ist (vgl. Gerhards 1996). Er ermittelte unter den von ihm für die Bundesrepublik repräsentativ Befragten fünf Redebzw. Schweigetypen: die »Anpasser« (reden nur, wenn die im Eisenbahnabteil vertretene Meinung ihrer eigenen entspricht - nur 3,5 Prozent der Befragten); die »Missionare« (verhalten sich genau entgegengesetzt - 5,2 Prozent der Befragten); die »Reder« (wollen ihre Ansicht in allen Situationen äußern - knapp 39,2 Prozent der Befragten); die »Schweiger« (bekunden grundsätzlich keine Bereitschaft, ihre Meinung zu äußern - 30,9 Prozent der Befragten); sowie schließlich die »Inkonsistenten« (schwanken zwischen Rede- und Schweigebereitschaft - 21,2 Prozent). Eine der Mehrheitsposition entgegengesetzte Einflussnahme auf die öffentliche Meinung kann Gerhards zufolge nur von den »Redern« und den »Missionaren« ausgehen. Auch Helmut Scherer zieht die Redehemmung von Personen, die sich in der Minderheit sehen oder wähnen, in Zweifel. Nach seinen Ergebnissen im Kontext einer Untersuchung zur Volkszählung von 1987 (pro und contra) neigte jene Gruppe von Befragten am meisten zum Schweigen, die sich weder der Minderheit noch der Mehrheit zuordnen ließ (vgl. Scherer 1992). Auch er stellte einen »Missionarseffekt« fest und fand darüber hinaus heraus, dass die Identifikation mit einem Thema für die Redebereitschaft entscheidender war als die Mehrheitswahrnehmung. Michael Schenk und Patrick Rössler wiederum konstatieren in Übereinstimmung mit weiteren Untersuchungen Noelle-Neumanns, dass die Persönlichkeitsstärke für von der Mehrheit abweichende Meinungen von Bedeutung ist. Menschen mit hoher Persönlichkeitsstärke beschreiben sich öfter als von der Mehrheitsmeinung abweichend; Personen mit niedriger Persönlichkeitsstärke sehen sich eher in Übereinstimmung mit der öffentlichen Meinung (vgl. Schenk/ Rössler 1997). Die den Menschen eigene Fähigkeit zur Wahrnehmung von Mehrheits- und Minderheitsverhältnissen in der Meinungsverteilung der Öffentlichkeit (von Noelle-Neumann, wie erwähnt, als »quasistatistisches Wahrnehmungsorgan« bezeichnet) wird von einigen Autoren in Frage gestellt. Die amerikanischen Medienforscher James Fields und Howard Schuman z. B. verweisen vielmehr auf die »Looking-Glass-Hypothese«, die die Kausalitätsrichtung der Schweigespirale umkehrt (vgl. Fields/ Schumann 1976). Sie besagt, dass die bereits vorhandene Einstellung einer Person gegenüber einem Thema die Einschätzung des Meinungsklimas beeinflusst (und nicht etwa umgekehrt das von der Person wahrgenommene Meinungsklima die Einstellung); was eher zu einer verzerrten Wahrnehmung führen kann (vgl. auch Taylor 1982; Salmon/ Kline 1985; Scherer 1992). Ein anderes Phänomen verzerrter Wahrnehmung kann vom »Third-Person-Effekt« ausgehen, demzufolge Menschen annehmen, dass die Medien andere Menschen stärker beeinflussen als sie selbst (vgl. Davison 1986 <?page no="472"?> 5.2 Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 473 und 1996; Brosius/ Engel 1997; Wolf 2008). Michael Kunczik und Astrid Zipfel verweisen auf eine Arbeit von Diana Mutz (1989), die den Third-Person-Effekt »insofern mit der Schweigespirale verbunden [hat], als sie folgenden Zusammenhang vermutet: die Menschen, die andere Personen durch die Massenmedien für beeinflussbarer halten als sich selbst, dürften annehmen, dass die Aussagen, die in den Medien dominieren, die breite Öffentlichkeit beeinflussen und zur Mehrheitsmeinung werden. Dies wiederum werde die Redebereitschaft derer, die eine abweichende Position vertreten, verringern« (Kunczik/ Zipfel 2001, S.-384 mit Bezugnahme auf Mutz 1989). Kritik an der Schweigespirale wird weiterhin daran geübt, dass in mehreren Studien Noelle-Neumanns Inhaltsanalysen über die Gewichtung der vermeintlichen Meinungsverteilung in den Medien fehlen (vgl. Burkart 1998, S.-264). Damit ist das Problem angesprochen, dass - wie etwa bei der Studie von 1976 - aus der Befragung von Journalisten (oder Kameraleuten) bzw. aus Untersuchungen zu deren (mutmaßlich relativ homogenen) politischen Einstellungen auf die Wirkung von Inhalten geschlossen wird, ohne dass geklärt wird, ob sich solche Einstellungen durch entsprechende Tendenzen in den journalistischen Produkten niederschlagen. Grundsätzlich ist solcher Kritik zuzustimmen. Es sei jedoch auf ein Beispiel verwiesen, in welchem für den Zeitraum von 1977 bis 1988 sowohl Daten aus Inhaltsanalysen als auch aus Bevölkerungsumfragen vorhanden waren: nämlich Noelle- Neumanns Analyse zur öffentlichen Meinungsbildung über die Atomenergie in Deutschland (vgl. Noelle-Neumann 1991, hier S.-272ff). Aus Inhaltsanalysen bundesdeutscher Printmedien ging damals hervor, dass - bei starkem negativem Medientenor - die Berichterstattung über die Kernkraft ab den 1980er-Jahren stark anstieg. Zugleich konnte demoskopischen Umfragen entnommen werden, dass die Befürworter der Kernenergie deutlich abnahmen, die Gegnerschaft der Kernenergie im gleichen Zeitraum deutlich zunahm. Zugleich ging das Meinungsklima zu Gunsten der Kernenergie (pro) auffällig zurück, die Einschätzung der Gegnerschaft (contra) nahm deutlich zu. Noelle-Neumann folgert daraus, dass ein beträchtlicher Teil der bundesdeutschen Bevölkerung seine Einstellungen an das wahrgenommene, vom Medientenor beeinflusste Meinungsklima anpasste. Erneut wurde die Redebereitschaft mithilfe des Eisenbahntests (Bereitschaft, im Rahmen einer längeren Eisenbahnfahrt im Abteil für bzw. gegen die Kernenergie zu sprechen) ermittelt: Diese nahm im Untersuchungszeitraum bei Gegnern der Kernenergie auffällig zu. Noelle-Neumann fand in der Untersuchung allerdings auch Befürworter der Kernenergie heraus, die - obwohl sie sich in der klaren Minorität befanden und den Meinungsdruck gegen sich hatten - eine beobachtbare Bereitschaft zu reden zeigten (also offenbar resistent waren). Noelle-Neumann bezeichnet diese Gruppe als »harten Kern« bzw. »Avantgarde«. Der Gruppe wird von Noelle-Neumann die Fähigkeit zuerkannt, durch ihre Redebereitschaft den öffentlichen Meinungsbildungsprozess wieder in Bewegung zu bringen, möglicherweise sogar in eine andere Richtung (vgl. Noelle-Neumann 1991, S.-274). Zurückkommend und bezogen auf Phänomene der politischen Kommunikation sei weiterhin noch die grundsätzliche Frage angesprochen, ob das Fernsehen in der Lage ist, Wahlen zu entscheiden. Winfried Schulz versucht darauf eine Antwort zu geben (vgl. Schulz 1994). Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die von Schulz unterbreiteten Überlegungen aus dem Jahr 1994 stammen, einer Medienepoche also, in der in Deutschland auch das 1984 zugelassene private Fernsehen etabliert war und sich gegenüber den 1970er-Jahren generell ein Wandel im Mediensystem vollzogen hatte. Von diesem Medienwandel war - durch Neugründungen im Bereich der politischen Magazine (Stichwort Focus) sowie der Wochenzeitungen (Stichwort Die Woche, Wochenpost sowie zahlreiche Programmzeitschriften) - auch der Printsektor betroffen. Schulz stellt den imageprägenden Charakter des Fernsehens, seine Instrumentalisierung durch die Politik und seine Bedeutung als Quelle der ersten Information für das Publikum (wie übrigens auch für die Journalisten) absolut nicht in Frage. Er verweist jedoch im Hinblick auf die Meinungsbildung der Bürger auch 1) auf den hohen Stellenwert der Zeitungs- und anderen Printmediennutzung sowie 2) auf die große Bedeutung persön- <?page no="473"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 474 licher Gespräche in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis sowie am Arbeitsplatz. Zudem finde 3) seit der Einführung privaten Rundfunks (Radio, Fernsehen) im dualen Rundfunksystem mit seinen vielen Programmen eine Fragmentierung des Publikums statt und es werde das Fernsehen - trotz seiner zahlreichen Informationsprogramme auf öffentlich-rechtlichen wie privaten Kanälen - zunehmend unterhaltungsorientiert genutzt (vgl. Schulz 1994). Wie diese und andere (hier nicht erwähnte) Stimmen zeigen, findet um die Theorie der Schweigespirale eine intensive wissenschaftliche Diskussion statt und haben Noelle-Neumanns Studien zu zahlreichen weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen geführt. Die Rezeption des Modells im Inland wie im Ausland sowie entsprechende Überprüfungsversuche sind beträchtlich, die Ergebnisse erweisen sich bisweilen als uneinheitlich und widersprüchlich. Außerdem sind »bislang nur einzelne Komponenten, nicht jedoch alle psychologischen, kommunikationstheoretischen und soziologischen Elemente der Schweigespirale gemeinsam einer Überprüfung unterzogen worden« (Kunczik/ Zipfel 2001, S.-379 in Anlehnung an Donsbach 1987). Da es sich um einen »Makro-Ansatz unter Einbeziehung einer Vielzahl von Variablen und des Zeitfaktors« handelt, ist die Theorie, wie Wolfgang Donsbach anmerkt, auch kritikanfällig (Donsbach 1987, S.-340). Elisabeth Noelle-Neumann selbst meint, dass sich die Theorie der Schweigespirale »nicht in vertraute Denkweisen und Kategorien« einpasst, »und sie ist angreifbar, weil sie unfertig ist« (Noelle-Neumann 1986, S.-312). Es bleibt also abzuwarten, wie dieser Theorieentwurf weiterentwickelt wird. So stellt sich die Frage, inwieweit das Internet eine Rolle für die Weiterentwicklung der Theorie der Schweigespirale spielt: Das Monopol der (traditionellen) Massenmedien auf Vermittlung des Stimmungsbildes scheint in Zeiten des Web 2.0 (teils zumindest) aufgehoben. Da Kommunikation im Netz zudem auch anonym stattfindet, vermuten einige Autoren eine Abnahme der Isolationsfurcht und eine damit verbundene Zunahme der Redebereitschaft im Netz (vgl. Emmer/ Wolling 2010; Brosius/ Haas 2011). Jüngere Studien scheinen diesen Zusammenhang zunächst zu bestätigen (vgl. Mayer-Uellner 2003; Waymer 2007; Ho/ McLeod 2008). Allerdings lassen sich auch bei der Analyse von Diskursverläufen im Netz »erste Hinweise auf Schweigespiralprozesse« feststellen (Schweiger/ Weihermüller 2006, S.-556). Ein Lehrbuch über die Schweigespirale, mit ihr verbundene Themen und Kritik sowie über verwandte Ansätze liegt von Thomas Roessing (2011) vor, ein guter Überblick findet sich auch bei Michael Schenk (2007). 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Allein Blicke ins Inhaltsverzeichnis des »Handbuches Mediensozialisation« (Vollbrecht/ Wegener 2010), des Sammelbandes »Mediensozialisationstheorien« (Hoffmann/ Mikos 2010) sowie ins »Handbuch Sozialisationsforschung« (Hurrelmann et al. 2008) verdeutlichen, wie zahlreich unterschiedliche Zugänge aus verschiedenen Disziplinen wie Soziologie, Psychologie, Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft und Pädagogik zu dieser Thematik sind: in welcher thematischen Breite und Vielfalt empirische Studien dazu vorliegen, im Rahmen welcher sozialen und institutionellen Kontexte das Thema erörtert wird, welche Medienbezüge von Bedeutung sind, welche Diskurse geführt werden können und auch welche Ansätze sozialisationsbedingter Medienarbeit es gibt. Dies alles kann hier nicht erörtert werden, sodass notgedrungen eine Auswahl von Themen und Aspekten stellvertretend für andere zu treffen ist. Von Bedeutung erscheint u. a.: • der Stellenwert der Massenmedien für die Integration des Einzelnen in die Gesellschaft - also das, was man in der Fachsprache als »Sozialisation durch Massenkommunikation« bezeichnet (vgl. Kap. 5.3.1). Gemeint ist die Leistung der Massenmedien als Vermittler gesellschaftlicher Normen, kultureller Werte und sozialer Verhaltensweisen für Sozialwerdung und gesellschaftliche Integration. • Nicht einfach zu beurteilen ist in diesem Kontext auch, welche Zusammenhänge es zwischen Gewaltdarstellungen in den Massenmedien und der Gewalt in der Gesellschaft oder ihren Teilgruppen gibt. Daher ist diesem Themenfeld ebenfalls ein eigener Abschnitt gewidmet (vgl. Kap. 5.3.2). • Angesprochen ist aber auch allgemein das Verhältnis von Gesellschaft, Massenmedien und Kultur - eine Betrachtungsweise, der insbesondere wissenschaftliche Bemühungen von Repräsentanten der Cultural Studies auf den Grund gehen (vgl. Kap. 5.3.3). Es ist dies eine Forschungsrichtung, die sich dem Verhältnis Medien - Kultur - Gesellschaft aus einer gleichermaßen gesellschaftskritischen wie gesellschaftsintegrativen Perspektive widmet. Diese drei Themenbereiche sind Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen. Deren Schwerpunkt liegt auf dem Gebiet Sozialisation durch Massenkommunikation, und hier wieder mit Blick auf das Medium Fernsehen sowie auf die neuen Medien mit besonderer Berücksichtigung von Kindern und Jugendlichen. Mediensozialisation, dies sei bereits hier ergänzend erwähnt, ist freilich ein lebenslanger Prozess, der auch bei erwachsenen Menschen über alle Lebensphasen hinweg zu beobachten ist (vgl. Kübler 2010, S. 23f ). Der verhältnismäßig lange währende Vorgang der Aneignung von Onlinemedien und ihrer Anwendungen in verschiedenen Altersgruppen in den beiden zurückliegenden Jahrzehnten ist ein gutes Beispiel dafür. (Darüber geben u. a. die jährlich durchgeführten ARD/ ZDF-Onlinestudien Auskunft). 5.3.1 Sozialisation durch Massenkommunikation Dem Thema Sozialisation durch Massenkommunikation widmet die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft seit den frühen 1970er-Jahren besondere Aufmerksamkeit. 1971 gab der Politik- und Kommunikationswissenschaftler Franz Ronneberger den Sammelband »Sozialisation durch Massenkommunikation - Der Mensch als soziales und personales Wesen« (Ronneberger 1971) heraus. Ihm entstammt auch ein Beitrag von Gerhard Wurzbacher, der den Prozess der Sozialisation »als komplexe <?page no="480"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 481 Wechselwirkung zwischen Individuum, Gesellschaft und Kultur mit dem Ziel der Integration des Einzelnen in Gesellschaft und Kultur« sieht (vgl. Wurzbacher 1971, S.-22). In diesem Prozess spielen auch die Massenmedien eine wichtige Rolle, wie auch Heinz Bonfadelli (1981) vermerkt: »Für viele soziale Bereiche, mit denen der Einzelne keine direkten Erfahrungen machen kann, sind sie die einzigen Informationsquellen« (Bonfadelli 1981, S.-252). Und für viele Lebensbereiche der Gesellschaft vermitteln sie »sinnhafte Interpretations- und Erklärungsraster, die das einzelne Gesellschaftsmitglied übernehmen kann« (ebd.). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass zahlreiche Medieninhalte, v. a. solche des Fernsehens und in jüngerer Zeit auch des Internets, umstritten sind (wie etwa die Fülle an gewalthaltigen oder an Pornografie grenzende Angebote in den klassischen wie neuen Medien). 5.3.1.1 Begriffliche Grundlagen Bevor das Thema Sozialisation durch Massenkommunikation konkret angesprochen wird, seien eingangs wichtige Begriffe geklärt, die mit dem Thema Sozialisation generell in Verbindung zu bringen sind: • Als Sozialisation bezeichnet man allgemein jenen natürlichen oder gesteuerten Prozess, während dessen ein Individuum in die Gesellschaft hineinwächst (vgl. Hunziker 1988, S.-106). Im Verlauf dieses Prozesses lernt und erwirbt das Individuum bewusst und unbewusst in der Gesellschaft vorhandene Normen, Werte, Rollen und Verhaltensweisen. Es wird damit »zum eigenständigen, handlungsfähigen personalen und sozialen Wesen«, wie der Soziologe Wolfgang Weiß (1986, S. 269) recht treffend beschreibt. Das engere soziale Umfeld, v. a. der Familienverband sowie das soziale Milieu, in welchem Menschen heranwachsen, spielen dabei eine bedeutende Rolle (vgl. Hurrelmann 2006, S. 127ff sowie 239ff). Auch das Erziehungs- und Bildungssystem ist von Bedeutung (vgl. Hurrelmann 2006, S. 187ff). In einem weiteren Sinn versteht man unter Sozialisation auch den Austausch von gesellschaftlichen Normen, Werten und Rollen zwischen Gruppen, Institutionen und Organisationen sowie - in jüngerer Zeit - z. B. auch über soziale Netzwerke. • Sozialisation im engeren Sinn ist, wie Gerhard Wurzbacher sagt, ein lebenslang andauernder »Vorgang der Führung, Betreuung und Prägung des Menschen durch die Verhaltenserwartungen und Verhaltenskontrollen seiner Beziehungspartner« (vgl. Wurzbacher 1963, S.-12). Diese Partner sind zunächst die Eltern und Geschwister, im Weiteren Institutionen wie Kindergarten, Schule und Ausbildung, Bezugsgruppen Gleichaltriger (peers), schließlich Berufskollegen, Freunde und (Lebens-)Partner - sowie nicht zuletzt auch die klassischen und neuen Massenmedien, die uns lebenslang eher mehr als weniger intensiv begleiten. Sozialisation sollte jedoch nicht als normativer Prozess gesehen werden (vgl. w. u.), sondern als »ein lebenslanger Vorgang der Verarbeitung von inneren und äußerem Anforderungen an die Persönlichkeitsentwicklung«, eine »wechselseitige Beziehung zwischen der Persönlichkeits- und der Gesellschaftsentwicklung« (Hurrelmann 2006, S. 20). Neben dem übergeordneten Begriff »Sozialisation« sind zudem weitere Begriffe zu erwähnen, die auf Teilaspekte des Vorganges der Sozialisation verweisen. Es sind dies die Fachbegriffe »Enkulturation« und »Personalisation« bzw. »Individuation« sowie »Integration«: • Unter Enkulturation versteht man die »Aneignung oder Verinnerlichung von Erfahrungen, ›Gütern‹, Maßstäben und Symbolen der Kultur zur Erhaltung, Entfaltung, Differenzierung und Sinngebung der eigenen Existenz sowie der Gruppenexistenz« (Wurzbacher 1963, S.-12). Enkulturation »umfasst diejenigen Sozialisationsvorgänge, die die Übertragung allein von evaluativen Verhaltenselementen, also von Wertorientierungen und Sinndeutungen beinhalten« (Neidhardt <?page no="481"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 482 1971, S.-4; vgl. auch Hurrelmann 2006, S. 18). Enkulturation bedeutet Daniel Süss zufolge, »dass ein Individuum die Symbolsysteme einer Gemeinschaft zu interpretieren und aktiv einzusetzen lernt. Diese umfassen verbale und nonverbale Konventionen, Sitten und Bräuche einer Kultur. Sozialisanden erwerben die Kulturtechniken einer Gesellschaft wie Schreiben und Rechnen. In modernen Mediengesellschaften gehört auch die Kompetenz zur Nutzung der Medien und ihrer Zeichensysteme dazu« (Süss 2006, S. 266). • Personalisation wiederum meint die Ausbildung und Anwendung der Fähigkeit des Menschen zu seiner Integration in den sozialen und kulturellen Pluralismus (vgl. Wurzbacher 1963, S.-12ff). »Personalisation«, so Friedhelm Neidhardt, »ist der Sozialisation […] nachgeschaltet. Sie ist ein mögliches Ergebnis, dann nämlich, wenn die Sozialisation den Aufbau relativ stabiler Persönlichkeitssysteme mit relativ konsistenten Verhaltensdispositionen fördert« (Neidhardt 1971, S.-4). In Enkulturation und Personalisation (bzw. Individuation) sind folglich »distinkte Teilprozesse eines einzigen übergeordneten Prozesses der ›sozial-individualen Integration‹« zu sehen (Neidhardt 1971, S.-4). • Im Zusammenhang mit Sozialisation spricht der Kommunikationssoziologe Peter Hunziker noch besonders den Aspekt der Integration an. Er versteht darunter im Wesentlichen »das Bewusstsein der Zugehörigkeit der Individuen, Gruppen und Organisationen zu übergeordneten Sozialgebilden und letztlich auch zur Gesamtgesellschaft« (Hunziker 1988, S.- 106). Von Bedeutung ist dabei »die Identifikation mit den elementaren kollektiven Grundwerten des relevanten sozialen Umfeldes. […] Integration befähigt die Gesellschaftsglieder zu gegenseitigem Verständnis und trägt zur geordneten gesellschaftsinternen und -externen Konfliktregelung bei« (ebd.). Die Massenmedien, so Hunziker weiter, erbringen wesentliche Integrationsleistungen. So werde z. B. durch »umfassende Information, die alle bedeutsamen Standpunkte und Meinungen zum Ausdruck bringt, […] Transparenz bezüglich der Gemeinsamkeiten und Divergenzen [in der Gesellschaft - Ergänzung H. P.] hergestellt« (ebd.). Wie bereits erwähnt, stellt der Vorgang Sozialisation einen vielschichtigen, dynamischen Prozess dar, in dessen Verlauf es u. a. um die Übertragung, die Verinnerlichung, den Erwerb und die Ausprägung von »Rollen«, »Normen«, »Werten« und »Verhaltensweisen« geht (vgl. auch Süss 2006, S.-266) sowie um damit allenfalls verbundene Sanktionen bzw. Konsequenzen. Diese oftmals auch in der Alltagssprache gebrauchten Begriffe sollen nachfolgend in ihrer wissenschaftlichen Bedeutung geklärt werden: • Unter (sozialer) Rolle versteht man ein »Bündel normativer Verhaltenserwartungen, die von einer oder mehreren Bezugsgruppe(n) an Inhaber bestimmter sozialer Positionen heran getragen werden« (Peuckert 1986b, S.-252). Diese Verhaltenserwartungen richten sich zwar an ein Individuum, beziehen sich aber auf die soziale(n) Position(en), den »Status«, den ein Individuum einnimmt (vgl. ebd.). Ein solcher Rollenträger kann z. B. ein Schüler sein, der Klassensprecher ist. An ihn werden Erwartungen als Schüler herangetragen (von den Lehrpersonen einerseits und von den Eltern andererseits), aber auch drittens von der Schulklasse, die der Klassensprecher den Lehrern und der Schule gegenüber vertritt. Oftmals ist eine einzelne Person also Träger mehrerer Rollen zugleich. Mit einem Rollensatz (set of roles) bezeichnet man daher die Gesamtheit aller sich ergänzenden Teil-Rollen, die mit einer Person verbunden sind (vgl. Peuckert 1986b, 252f ). • Normen, auch soziale Normen, sind »mehr oder weniger verbindliche, allgemein geltende Vorschriften für menschliches Handeln. Soziale Normen legen implizit fest, was in spezifischen und sich wiederholenden [sozialen - Ergänzung H. P.] Situationen geboten oder verboten ist und können als Spezifikationen allgemeiner sozio-kultureller Wertvorstellungen aufgefasst werden« (Peuckert 1986a, S.- 217). Soziale Normen werden im Sozialisationsprozess von den Menschen ver- <?page no="482"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 483 innerlicht und durch Sanktionen abgesichert (vgl. ebd.). Soziale Normen erfüllen verschiedene Funktionen. 1) Sie sind Voraussetzungen für soziales Miteinander in einer Gesellschaft ganz generell. Mit ihrer Anerkennung und praktischen Durchsetzung gewährleisten sie die Vereinheitlichung sozialer Handlungsabläufe, ohne die soziales Leben in komplexen Gemeinschaften nicht möglich ist. 2) Soziale Normen entlasten auf diese Weise das Individuum vom Zwang, in jeder Situation neue, situationsgerechte Handlungsweisen entwerfen zu müssen. Damit ist die dritte Funktion angesprochen: 3) Sie geben dem Einzelnen also Verhaltenssicherheit im Umgang mit seiner sozialen Umwelt, weil sie die gesellschaftlich anerkannten und erwarteten Gewohnheiten, Sitten und Bräuche repräsentieren und für das Anknüpfen neuer sozialer Beziehungen wichtig sind (vgl. Böttcher 1979, S.-108). Zwar findet man soziale Normen nicht 1: 1 in kodifizierter Form wieder; jedoch bilden sie die Grundlage für die Verfassung und die Gesetze, die sich eine Gesellschaft gibt. Somit ist das Recht die staatlich gesetzte Norm, die in Kodizes festgehalten ist und von staatlichen Sanktionsinstanzen garantiert wird. Ebenso wie der Sozialisationsprozess als Ganzes sind auch soziale Normen einem ständigen Wandel unterworfen. • Werte sind »allgemeine, grundlegende Vorstellungen des Wünschenswerten, die die Wahl von Handlungsarten und Handlungszielen beeinflussen« (Peuckert 1986f, S.- 373f ). Werte »steuern zwar in gewisser Weise das menschliche Verhalten; auf Grund ihrer Allgemeinheit sind sie aber nur die generellsten Wegweiser sozialen Handelns und liefern auch keine direkten Verhaltensanweisungen« (ebd.). Werte sind immer aufs Engste mit einer spezifischen Gesellschaft verbunden und damit kulturspezifisch. Allgemein unterscheidet man, wie Rüdiger Peuckert ausführt, zwischen Grundwerten und Bereichswerten. Grundwerte sind höchste, in aller Regel nicht weiter hinterfragbare Werte; sie hängen oft eng mit dominierenden Glaubensvorstellungen, Weltanschauungen und Herrschaftsverhältnissen einer Gesellschaft zusammen. Solche Werte sind z. B. Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, Ordnung, Nächstenliebe, Achtung, Liebe, Treue u. a. m. Sie sind auf Grund ihres leeren und formelhaften Charakters, der oftmals mehrere Deutungen zulässt, als Legitimationsgrundlage vielseitig verwendbar. Werte sind auch keine ewigen, unveränderlichen Tatsachen, sondern jeweils an einen gesellschaftlichen Kontext gebunden. Bereichswerte wieder bilden sich auf einer den Basiswerten untergeordneten Ebene; sie schlagen sich in den einzelnen Lebensbereichen oder Subsystemen der Gesellschaft (Politik, Wirtschaft, Familie, Freizeit, Medien etc.) nieder und werden dort akzentuiert und präzisiert (vgl. Peuckert 1986f, S.- 374f ). Der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu beobachtende Wertewandel (oder zumindest die Werteverschiebung) soll Ronald Inglehart zufolge vorwiegend durch den Generationenwechsel bedingt gewesen sein. Inglehart (1979), dessen Thesen nicht unumstritten waren, stellte Ende der 1960er-Jahre in einer vergleichenden Studie in sechs westeuropäischen Ländern fest, dass die ältere, in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten (Nachkriegszeit, Wiederaufbau, Schaffung von Wohlstand) aufgewachsene Generation materialistische Werte wie Leistung, Pflichterfüllung, Lebensstandard, Erfolg und Ansehen betonte. Hingegen wendete sich die bereits im Wohlstand aufgewachsene jüngere Generation (insbesondere höherer sozialer Schichten) zunehmend postmaterialistischen Werten wie Selbstentfaltung, Autonomie und partizipatives Engagement zu. Postmaterialistische Werte entstehen Inglehart zufolge erst dann, wenn die materialistischen Bedürfnisse hinreichend befriedigt sind (vgl. Peuckert 1986f, S.-376 mit Bezugnahme auf Inglehart 1979; vgl. dazu auch Klages/ Kmieciak 1984). • Verhalten ist eine v. a. in der Psychologie gebräuchliche allgemeine Bezeichnung für alle Aktivitäten eines menschlichen Organismus. Der Begriff wird sowohl fachwie umgangssprachlich oftmals auch synonym für Handeln verwendet (vgl. Gukenbiehl 1986, S.-355f ). Für Max Weber ist Handeln ein spezifisches menschliches Verhalten (egal ob äußeres oder innerliches Tun, Dulden oder Unterlassen), »wenn und sofern der Handelnde damit einen subjektiven Sinn verbindet« <?page no="483"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 484 (vgl. Weber 1980, S.-11). Abweichendes Verhalten (»Devianz«) ist ein Verhalten, das mit geltenden Normen und Werten nicht übereinstimmt und daher in Konflikt gerät bzw. geraten kann. Verhaltensverstöße gegen festgelegte Normen sind kriminelles Verhalten (Erwachsene) oder delinquentes Verhalten (Jugendliche) (vgl. Peuckert 1986e, S.-357-359). • Sanktionen sind »Reaktionen auf Abweichungen von erwarteten Verhaltensregelmäßigkeiten« (Peuckert 1986c, S.-256). Durch Sanktionen »wird demonstriert, dass das als abweichend angesehene Verhalten nicht [oder nicht so ohne Weiteres-- Ergänzung H. P.] hingenommen wird« (Peuckert 1986c, S.-256f ). Der Begriff »Sanktionen« wird in Soziologie und Psychologie seit geraumer Zeit umfassender definiert, nämlich im Sinne positiver und negativer Sanktionen. Positive Sanktionen bestehen in der Belohnung besonders konformen Verhaltens; negative Sanktionen bedeuten Bestrafung abweichenden bzw. nichtkonformen Verhaltens. Als Mittel der Verhaltenssteuerung dienen beide Sanktionsformen dem Zweck, Verhaltenskonformität zu erzielen oder zu wahren (vgl. Peuckert 1986c, S.-257). Rollen im Prozess der Sozialisation Bezüglich der am Vorgang der Sozialisation beteiligten Akteure ist des Weiteren auf zwei zu unterscheidende Rollenkomplexe zu verweisen, nämlich auf den des Sozialisators und den des Sozialisanden: • Der Sozialisator (also z. B. Vater, Mutter, Lehrer, Freund, Vorgesetzter, Partner) demonstriert, vermittelt (und oktroyiert vielleicht auch) Werte, Normen, Rollen, Verhaltensweisen; und er übt ggf. zudem Druck durch Belohnung und Bestrafung auf den Sozialisanden aus. • Der Sozialisand (z. B. das Kind, der Bruder, die Schwester, der Schüler, der Lehrling etc.) lernt, indem er (bewusst oder unbewusst) Wertorientierungen, Normenbindungen, Rollenerwartungen und Verhaltensweisen übernimmt. Es wäre jedoch nicht richtig, den Vorgang der Sozialisation als einen einseitigen Akt der Übertragung vom Sozialisator auf den Sozialisanden zu sehen. Sozialisation spielt sich vielmehr im Rahmen sehr komplexer Interaktionsprozesse zwischen beiden ab. Daher lässt sich das Verhalten von Sozialisatoren gegenüber dem Verhalten der Sozialisanden und umgekehrt nicht in der Dimension aktiv (der Sozialisator) - passiv (der Sozialisand) zuverlässig differenzieren. Der Sozialisand kann den Sozialisationsprozess auf seine Weise beeinflussen bzw. auf mindestens dreierlei Weise kontrollieren, wie Friedhelm Neidhardt ausführt: »1) Das Ausmaß der Einwirkung eines Sozialisators auf einen Sozialisanden hängt davon ab, ob Letzterer dazu neigt, Interaktionen mit dem Sozialisator zu verstärken oder abzubauen. Ein Schulkind kann die Sozialisationseinflüsse Gleichaltriger mindern, indem es seinen Spielgruppen fernbleibt; es kann gegenüber seinen Eltern ›abschalten‹. 2) Die Art des Verhaltens eines Sozialisators ist vom Sozialisanden dadurch mitbestimmt, dass das Verhalten des Sozialisators Teil einer Verhaltenssequenz ist, in welcher der Part des einen eine Antwort auf die Stimuli des anderen darstellt. Lehrer reagieren auf ihre Schüler, und die Eltern verändern sich mit ihren Kindern und durch sie. 3) Der Sozialisationserfolg, den der Sozialisator schließlich erreicht, hängt nicht zuletzt von den Wertorientierungen, Normbindungen, Gefühlen und Kenntnissen ab, die der Sozialisand vorher gelernt hat und in die Situation mitbringt. Nach Maßgabe der schon übernommenen Verhaltensdispositionen und in Abhängigkeit vom Ausmaß des durch vorangegangene Lernprozesse erreichten Personalisierungsgrades verwirft, adaptiert und korrigiert der Sozialisand das vom Sozialisator Angesonnene oder exemplarisch Demonstrierte […]« (Neidhardt 1971, S.-5). In der primären Sozialisation (Kindheit) erworbene persönliche Wertorientierungen, Normbindungen und Verhal- <?page no="484"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 485 tensweisen können für solche Reaktionen in der sekundären Sozialisation (ab dem Schulalter und später) maßgebend sein. Sozialisationsphasen Damit sind die Sozialisationsphasen bzw. -stadien angesprochen, die in der begrifflichen Analyse zu erwähnen, im Alltag als Lebensabschnitte jedoch nicht trennscharf voneinander abzugrenzen sind. Hans-Dieter Kübler nimmt bezüglich der Sozialisationsphasen mit Bezugnahme auf Dieter Baacke (1989) folgende Einteilung vor: die primäre Sozialisation, »die [in aller Regel - Ergänzung H. P.] mit der Mutter/ Kind-Dyade beginnt und sich dann auf beide Eltern, die Geschwister, endlich die Familie erstreckt« und in der sich das Kind »mit der Ausbildung seiner essentiellen Fähigkeiten von Kognition, Sprache und Sozialkompetenz den familiären Intim- und Nahbereich« erobert und konstruiert (Kübler 2010, S. 23); die sekundäre Sozialisation in Kindergarten, Schule und später Berufsausbildung bzw. Studium, in der »formelle und gesellschaftliche Sozialisationsanforderungen repräsentiert und vermittelt [werden], die abstraktere öffentliche und kognitive Qualifikations- und Sozialitätskomponenten herausbilden« (Kübler 2010, S. 24); schließlich die »tertiären Zonen und Phasen«, in denen die Jugendlichen in den modernen Industriegesellschaften zu »Individualisierung und Identitätsfindung«, zur »begrenzten Ablösung von Elternhaus und Schule und deren Maximen« finden (ebd.; Hervorhebung H. P.). Die Massenmedien agieren Kübler zufolge »quer in Raum und Zeit als Sozialisationsagenten […], weshalb man von einer Art hybrider Sozialisation sprechen könnte« (ebd., Hervorhebung i. Orig.). Süß ordnet die Massenmedien hingegen den tertiären Sozialisationsinstanzen zu (Süß 2006, S. 266). 5.3.1.2 Zur Bedeutung familiärer Sozialisation Das Thema Sozialisation umfasst alleine für sich ein weites Forschungsfeld: familiäre Sozialisation, Sozialisation in der Schule und in Jugendbzw. Gleichaltrigengruppen (peers), Sozialisation in Beruf und Partnerschaft, Politik und Gesellschaft, Massenmedien und die von ihnen ausgehenden Sozialisationsleistungen, Sozialisation im Alter - nicht alles kann hier behandelt werden. Bevor im Weiteren Fragen der Mediensozialisation erörtert werden, sei wenigstens ein wichtiger Bereich angesprochen, der für die soziale Prägung jeder Person sehr wichtig ist: die primäre Sozialisation in der Familie mit ihren personenhaften und intimen Sozialbeziehungen. Elternhaus und Familie verlieren als Sozialisationsinstanz zwar an Bedeutung, weil zahlreiche Aufgaben an Pflegemütter, Kinderkrippen, Kindergarten und Schule abgetreten werden und auch die Medien schon sehr früh in die kindliche Entwicklung eindringen. Gleichwohl ist unbestritten, dass durch die intimen und personenhaften Sozialbeziehungen des Kindes im Familienbzw. im elterlichen Partnerschaftsverband die Fundamente für die Entwicklung der Persönlichkeitsstruktur und die Verhaltensdispositionen des Einzelnen gelegt werden (vgl. Geißler 1983, S.-328): • Intelligenz, Aggressivität und geistiges Interesse entwickeln sich zu einem großen Teil in den ersten Lebensjahren. • Dispositionen zu abweichendem Verhalten (»Devianz«), zu Kriminalität und Verwahrlosung sind bereits im sechsten Lebensjahr vorhanden. • Die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder werden nachweislich stark durch die sprachliche Kompetenz der Eltern und durch familiale Kommunikationsstrukturen geprägt. Diese sprachlichen <?page no="485"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 486 Fähigkeiten stellen für die Anteilnahme an gesellschaftlichem Geschehen sowie für den späteren Sozialerfolg in Schule und Beruf eine wichtige Voraussetzung dar. Familiäre Sozialisation ist ein in starkem Maße schichtspezifischer Vorgang, in dessen Verlauf sich gesellschaftlich relevante Persönlichkeitsmerkmale herausbilden, wie autoritäre und autonome Charaktereigenschaften. In unteren sozialen Schichten wird nicht zuletzt auf Grund 1) weniger partnerschaftlicher Beziehungen zwischen den Elternteilen, 2) einer stärker geschlechtsspezifischen Rollentrennung sowie 3) stärkerer machtbezogener Sanktionen die Herausbildung autoritärer Charaktermerkmale begünstigt; in mittleren und oberen Schichten eher der autonome Charakter. Diese Persönlichkeitsmerkmale prägen das Denken, Fühlen und Verhalten: Sie sind für die weitere soziale Entwicklung des Einzelnen von Bedeutung, weil sie auf alle (späteren) Lebensbereiche durchschlagen. In diesem Kontext sind z. B. Verhaltensmodelle, wie sie v. a. in Fernsehfilmen für Kinder beobachtbar sind, für die Sozialwerdung von Relevanz: Sofern diese Modelle in der elterlichen Erziehung grundgelegt wurden, bieten sie dem Kind nämlich Identifikationsmöglichkeiten mit dargestellten Personen und Handlungen (vgl. Geißler 1983; Hüther 1975). Mediensozialisation hat übrigens viel mit familiärer Sozialisation zu tun, zumal es bezüglich Medienzuwendung und Medienkompetenz milieubedingte familiäre Zusammenhänge gibt. Andreas Lange und Ekkehard Sander resümieren auf der Basis wissenschaftlicher Literatur drei Aspekte zum Thema Mediensozialisation in der Familie: 1) Mediensozialisation ist in das Familiensystem und in die alltägliche Lebensführung integriert, kann nicht isoliert betrachtet werden. 2) die »milieuspezifische Ausformung von Familie als Sozialisationskontext« spielt eine Rolle (Lange/ Sander 2010, S. 180; Hervorhebungen i. Orig.). 3) Durch die rasante Medienentwicklung wie etwa das Web 2.0 entstehen neue sozialisatorische Anforderungen an die Familie. Die Autoren plädieren daher für Medienkompetenz als integralem Bestandteil der Erziehungskompetenz. 5.3.1.3 Medien als Sozialisationsinstanzen Wie bereits dargelegt, lassen sich Medien als Sozialisationsinstanzen betrachten. Das gilt insbesondere für das Fernsehen. Es vermittelt fiktiv oder real Muster für Realitätswahrnehmung - seien es Berufs- oder Geschlechtsrollenbilder, seien es Kauf- und Konsumgewohnheiten, Generationen- oder Nationenbilder, sei es Kunst und Kultur, Angst und Gewalt etc. Es gibt kaum einen Lebensbereich, der nicht durch die Medien repräsentiert ist, und für Heinz Bonfadelli sind die Massenmedien daher auch »definers of social reality« (Bonfadelli 1981, S.-252). Daher erscheint es verständlich, dass den Massenmedien, und im Besonderen dem Fernsehen, im Hinblick auf (potenziell) sozialisierende Leistungen Aufmerksamkeit zuteilwird. Dass die Menschen von den Massenmedien Leistungen erwarten, die sozialisierender Natur sind, geht u. a. aus Befragungen über Erwartungen und Gründe der Mediennutzung sowie damit verbundener Gratifikationen hervor - Gratifikationen, die auf Grund von Mediennutzung seitens der Rezipienten von den Medien erwartet werden. Aus dem bereits erwähnten Nutzungs- und Gratifikationenkatalog von Denis McQuail (1983) sind solche Leistungen ersichtlich. Gemeint sind v. a. solche Leistungen der Massenmedien, die Bedürfnisse nach persönlicher Identität sowie nach Integration und sozialer Interaktion erfüllen. Solche Bedürfnisse sind (vgl. McQuail 1983, S 82f; ebenso Schulz 1997, S 164f ): • Bestärkung der persönlichen Werthaltungen; • Suche nach Verhaltensmodellen; • Identifikation mit anderen (in den Medien); • Selbstfindung und Identität; <?page no="486"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 487 • sich in die Lebensumstände anderer hineinversetzen können (soziale Empathie); • sich mit anderen identifizieren können und ein Gefühl der Zugehörigkeit zu haben; • eine Grundlage für Gespräche und soziale Interaktion erhalten; • Hilfe bei der Annahme sozialer Rollen finden; • Kontakt zur Familie, zu Freunden und zur Gesellschaft finden. Um solche potenziell sozialisierenden Leistungen der Massenmedien zu verstehen, seien folgende Bemerkungen zur medialen Sozialisationssituation angebracht, auf die u. a. Bonfadelli (1981, S. 64ff), Saxer (1988), Schramm/ Hartmann (2010) sowie Süss/ Hipeli (2010) verweisen. Sie machen deutlich, warum Medien wie das Fernsehen in der Lage sind, sozialisierende Leistungen zu erbringen: • Hauptcharakteristikum der Rezeptionssituation in der Massenkommunikation, so Heinz Bonfadelli (1981), ist ihre doch vorwiegende Einbettung in den Freizeitkontext bzw. in periphere Freizeit-/ Arbeitskontexte (z. B. Zeitunglesen beim Frühstück, während der Fahrt in Bus oder U-Bahn zu Schule oder Arbeitsplatz, in Arbeitspausen; Radiohören neben Arbeiten, die keine volle Konzentration erfordern; Fernsehen hauptsächlich nach der Arbeit frühabends und abends; Onlinemedien, wann immer sich Gelegenheiten dazu ergeben). »Während man sich der interpersonalen Sozialisationssituation in der Familie oder Schule meist nicht aus völlig freiem Willen aussetzt und die soziale Kontrolle entsprechend hoch sein kann, wendet man sich den Massenmedien aus eigenen Motiven zu« (Bonfadelli 1981, S.-64). Dies führt neben einer informationsorientierten (z. B. Zeitunglesen) eine doch deutlich unterhaltungsorientierte Erwartungshaltung (Radio, Fernsehen, auch Onlinemedien) nach sich - und damit »eine geringe Kontinuität der Zuwendung und Aufmerksamkeit wie ein praktisch kaum vorhandenes Sanktionspotenzial« (ebd.). D.h. in der medialen Rezeptionssituation fehlen »anleitende« Mitteilungen und Direktiven, wie sie z. B. in familiären oder schulischen (sowie auch beruflichen) Sozialisationssituationen oft vorkommen und beim Sozialisanden Lernprozesse und Veränderungen im Verhalten oder in der Wahrnehmung verlangen (vgl. Bonfadelli 1981, S.-64ff). • Dem Medium Fernsehen wird im Rahmen der Sozialisationsforschung - trotz mittlerweile weit verbreiteter Onlinemedien, denen ein eigener Abschnitt gewidmet ist (vgl. w. u.) - immer noch besondere Aufmerksamkeit zuteil. Dies v. a. deshalb, weil Fernsehen (und Film) als hauptsächlich visuelles Medium stärker als andere klassische Medien Möglichkeiten der parasozialen Interaktion eröffnet: Die emotionalen Beziehungen zwischen dem Zuschauer und den (fiktionalen) Personen im Fernsehen entsprechen in der Fernsehwirklichkeit relativ stark der Face-to-face-Interaktion - v. a. in Fernsehserien, Talkshows und anderen moderierten Sendungen, bei denen Personen im Zentrum stehen, die den Fernsehzuschauer wie in einer normalen Gesprächssituation anzusprechen scheinen. Dadurch kann beim Zuschauer (v. a. in Serien mit den immer wiederkehrenden Personen und den von ihnen gespielten Rollen) ein Gefühl persönlicher Nähe und Intimität entstehen. So entspricht Fernsehen einem Prozess der parasozialen Interaktion mit realen oder fiktionalen Personen des Bildschirms (vgl. Bonfadelli 1981, S.- 214f ). Diese parasoziale Interaktion unterscheidet sich dennoch in typischer Weise von der Alltagswirklichkeit. Sie ist nämlich - im Unterschied zu zwischenmenschlichem Handeln und Verhalten von Angesicht zu Angesicht - durch keine persönlichen Verpflichtungen, keinen physischen und psychischen Aufwand, keine Verantwortung und keine sozialen Zwänge und Risiken gekennzeichnet, erlaubt aber emotionales Engagement und Scheinintimität (vgl. Bonfadelli 1981, S.-215f ). Mit dem Thema parasoziale Interaktion haben sich u. a. auch Holger Schramm und Tilo Hartmann (2010) befasst, die die Rolle von parasozialen Interaktionen (PSI) und Beziehungen (PSB) mit Medienfiguren analysiert haben und diese beiden Konzepte mit jenem der Identitätsbildung und -entwicklung verbinden. Parasoziale Interaktion wird mit Bezugnahme auf Tilo Hartmann et al. (2004) als asymmetrische <?page no="487"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 488 Interaktionsform charakterisiert, da in ihr keine wechselseitige Koorientierung zwischen Rezipient und Medienfigur (Persona) existiert (wie dies sonst in alltäglichen Interaktionen der Fall ist). Schramm/ Hartmann gehen von der Grundannahme aus, dass man mit einer ›anwesenden‹ Person nicht nicht parasozial interagieren kann. In einem Modell (Schramm/ Hartmann 2010, S. 214 mit Bezugnahme auf Hartmann et al. 2004, S. 43) unterscheiden sie zwischen perzeptiv-kognitiven, affektiven und konativen Teilprozessen. Dem perzeptiv-kognitiven Teilprozess gehören Persona bezogene Informationsaufnahmen an, ebenso Verstehen der Situation und Handlungen der Person, Verknüpfungen der Aussagen/ Handlungen von Persona mit eigenen Gedächtnisinhalten, Bewertung der Persona und ihrer Handlungen, Überlegungen über die nächste Zukunft der Persona und die Herstellung eines Bezugs zwischen Persona und Selbst. Zum affektiven Teilprozess gehören Sympathie/ Antipathie, Empathie/ Counterempathie und Emotionsauslösung (Ansteckung, Induktion). Zum konativen Teilprozess gehören nonverbale Verhaltensweisen wie z. B. Gesten, (para-)verbale Verhaltensweisen und Verhaltensabsichten. Als zentral für die Identitätsarbeit stellen Hartmann und Schramm den sozialen Vergleich zwischen dem Rezipienten und der Persona heraus. Vergleiche mit eigenen Fähigkeiten, Eigenschaften und Handlungen können abwärts gerichtet sein (und zu einer Selbstverweigerung führen); oder sie können aufwärtsgerichtet sein, »was entweder zu einer Selbstwertminderung führt (nämlich bei Erkenntnis der eigenen Mängel) oder auch eine Selbstwertsteigerung zur Folge haben kann, wenn sich die Rezipient/ inn/ en nämlich der positiv beurteilten Medienperson zugehörig fühlen« (Schramm/ Hartmann 2010, S. 213 mit Bezugnahme auf Cialdini et al. 1976). Eine Monografie zum Thema parasoziale Interaktion liegt u. a. vor von Tilo Hartmann (2010). • Fernsehen kann, aus vielerlei Gründen, Identifikation mit real (in Nachrichtensendungen und Talk- und Liveshows etc.) oder fiktiv (in Spielfilmen und Serien etc.) agierenden Personen am Bildschirm ermöglichen und »Lernen am Modell« zur Folge haben. Dieses läuft nach Albert Bandura (1979) wie folgt ab: 1) Zunächst erweckt ein Modellverhalten beim Zuschauer Aufmerksamkeit. Im Weiteren 2) erfolgt beim Zuschauer die kognitive Verarbeitung und Erinnerung an das Modellverhalten, dem 3) eine reale Umsetzbarkeit des Verhaltens folgt. Schließlich 4) entscheiden motivationale Verstärkungsprozesse darüber, welche Verhaltensweisen tatsächlich umgesetzt werden (vgl. Bandura 1979). Daniel Süss und Eveline Hipeli (2010) zufolge können wir »Gedanken und Handlungsstile von Personen lernen, denen wir nie [persönlich - Ergänzung H. P.] begegnet sind, sondern die wir nur im Fernsehen, im Internet oder in anderen Medien beobachten. Medien versorgen Menschen mit Identifikationsmöglichkeiten und Geschichten, welche - zusammen mit Realerfahrungen - eine Basis für reflexive Identitätskonstruktion bilden […]. Als förderlich für ein soziales Lernen am Modell gilt eine intensive Beziehung zu diesem. Während Identifikation und Imitation dazu dienen, einem medialen Vorbild möglichst nahe zu sein, ist es die parasoziale Interaktion, die eine partnerschaftliche Auseinandersetzung mit dem medialen Vorbild beschreibt« (Süss/ Hipeli 2010, S. 195). • Schließlich sei noch darauf verwiesen, dass Medienkommunikation »in umfassender Weise Zeit und Umwelt von Personen [strukturiert]« (Saxer 1988, S.-214; Hervorhebung i. Orig.). Sie prägt Zeit- und Raumvorstellungen und wirkt auf die Lebensgestaltung ein. Davon ist nicht nur, aber v. a. der Bereich Freizeit (einschließlich Freizeitgestaltung und -orientierung) betroffen. Beispielsweise werden Einteilung und Struktur des Alltags durch unsere Mediennutzungsgewohnheiten nicht unwesentlich mitbestimmt. Alle Medien sind daran beteiligt, besonders aber das Fernsehen, wenn wir uns z. B. für das Ansehen bestimmter Sendungen die Zeit frei halten und dadurch Sozialkontakte einschränken oder andere Inhouse- oder Outdoor-Aktivitäten dem klassischen Fernsehen unterordnen. <?page no="488"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 489 Das Sozialisationspotenzial der drei Mediengattungen - Printmedien, AV-Medien, Multimedia/ Onlinemedien - wird von Ulrich Saxer (2012, S. 418f ) in dessen Grundlagenwerk über die »Mediengesellschaft« idealtypisch umrissen. Es lohnt sich, dies nachzulesen. Monokausale Schlussfolgerungen - hier (z. B. im Fernsehen) ein medialer Verhaltensstimulus in Form einer bestimmten Rolle, dort (beim Zuschauer) eine entsprechende Wirkung in Form der Nachahmung der Rolle oder der Internalisierung von gezeigten Verhaltensweisen - sind nicht statthaft. Von dieser ursprünglichen Wirkungsannahme im Sinne der Übertragung bzw. bewussten oder unbewussten Übernahme von im TV gezeigten Normen, Rollen, Handlungen und Verhaltensweisen auf den Zuschauer ist man in der Kommunikationswissenschaft längst abgerückt. Dieses einfache Denkmuster wurde abgelöst durch differenziertere Sichtweisen, die berücksichtigen, dass auch andere Faktoren den medialen Prozess der Sozialisation beeinflussen können. Anzusprechen ist u. a. das Denk- und Reflexionsvermögen des Fernsehzuschauers, das es ihm in vielen Situationen ermöglicht, die im Medium vermittelten Inhalte auf seine eigenen Handlungsentwürfe und seine Interessen zu beziehen und zu hinterfragen (vgl. Bonfadelli 1981, S.-160). Dennoch ist nicht zu übersehen, dass das Medium Fernsehen in den Sozialisationsprozess immer früher eindringt: Kinder ab drei Jahren sehen regelmäßig fern (vgl. Feierabend/ Erk 2000; ebenso Feierabend et al. 2013, S. 147). Das bedeutet, dass Kinder schon in sehr frühen Jahren an Stelle von und neben Primärerfahrungen mit Sekundärerfahrungen (Erfahrungen bzw. Wirklichkeit »aus zweiter Hand«, nämlich des Fernsehens) konfrontiert werden, deren Überprüfung bzw. Korrektur für das Kind oft nicht möglich ist - es sei denn, die Eltern oder andere Erziehungsberechtigte helfen ihm durch anschließende Gespräche dabei. Generell verbreiten die Massenmedien, bzw. das Fernsehen, täglich eine Fülle von Normen, Werten und Verhaltensweisen, die in Rollenangeboten und Verhaltensmustern ihren Ausdruck finden. Dazu gehören neben den bereits erwähnten Geschlechts- und Berufsrollenbildern sowie der Anwendung von physischer und psychischer Gewalt eine Fülle von alltäglichen Sozialtechniken in Beruf und Freizeit einschließlich geschlechtsspezifischer Verhaltensweisen und Sexualtechniken. Im Folgenden werden die Ergebnisse ausgewählter empirischer Studien, die mit Sozialisation durch Massenmedien im weiteren oder engeren Sinn zu tun haben, vorgestellt. Es geht vorwiegend um die bewusst ausgewählten Themenbereiche Kinder und Fernsehen sowie Jugend, Peers und Medien, insbesondere auch um Jugend und neue Medien. Dem Thema Gewalt und Medien ist ein anschließend eigener, größerer Abschnitt gewidmet (vgl. Kap. 5.3.2). Ein nicht unerheblicher Teil der wissenschaftlichen Literatur zum Thema Sozialisation erbringt nicht immer direkte empirische Belege für sozialisationswirksame Effekte durch Massenkommunikation. Bisweilen wird indirekt von konsumierten Programmen, Sendungen und Formaten auf sozialisierende Effekte geschlossen. Oftmals erscheint dies durchaus plausibel. Andererseits entsteht dadurch bisweilen der Eindruck, dass manche Autoren einem einfachen Ursache-Wirkungs-Denken folgen, was hier aber nicht unterstellt werden soll (und wovon man, wie erwähnt, in der Kommunikationswissenschaft seit langer Zeit abgerückt ist). 5.3.1.4 Kinder und Fernsehen Zur Mediennutzung von Kindern Vom Medium Fernsehen geht für Kinder laut KIM-Studie (Kinder und Medien) 2012 nach wie vor große Faszination aus: Fernsehen ist - nach dem Spielen und Treffen mit Freunden - die beliebteste Freizeitaktivität, »und nichts deutet darauf hin, dass sich hieran in absehbarer Zeit etwas ändert; 79 <?page no="489"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 490 Prozent der Sechsbis 13-Jährigen sehen jeden Tag oder fast jeden Tag fern, für 57 Prozent ist das Fernsehen das Medium, auf das sie am wenigsten verzichten könnten« (Feierabend et al. 2013, S. 147). Die Bandbreite von gerne gesehenen Sendungen ist hoch: zu ihnen gehören Gute Zeiten, schlechte Zeiten, Die Simpsons, DSDS, Hannah Montana oder Spongebob. »Insgesamt zeigt sich eine breite Mischung aus Kinder- und Erwachsenenprogramm« (ebd.). Zu den beliebtesten Sendern gehören KIKA (der Kinderkanal von ARD und ZDF) und Super RTL (je 26 Prozent), RTL (13 Prozent), ProSieben (8 Prozent). Auch NICK und RTL II werden genannt (jeweils 6 Prozent), ebenso Sat.1 und Viva (jeweils 2 Prozent). Knapp ein Viertel sagt aus, schon Inhalte gesehen zu haben, die nicht für Kinder geeignet sind; »16 Prozent sahen im Fernsehen schon Dinge, die ihnen Angst gemacht haben, und 11 Prozent wurden mit für sie unangenehmen Bildern konfrontiert« (Feierabend et al. 2012, S. 147): nämlich Horror, Gewalt und Sex. Die im Kontext der in der KIM-Studie 2012 befragten Haupterzieher schätzen die tägliche TV-Nutzung der Kinder auf rund 90 Minuten, also 1,5 Stunden. Auch andere Medien werden laut den Aussagen der 1220 befragten Kinder genutzt: das Radio von etwas mehr als 50 Prozent, ebenso Computer und Internet. Mädchen greifen häufiger zum Buch (59 Prozent) als Jungen (39 Prozent). Jungen treiben häufiger Sport und spielen auch häufiger als Mädchen am Computer, an der Spielkonsole oder im Internet. Die Computernutzung nimmt mit steigendem Alter zu, Facebook, YouTube und schülerVZ sind die Lieblingsseiten im Netz (Feierabend 2013, S. 14). Auch Suchmaschinen werden genutzt. 44 Prozent der Internetnutzenden sind Mitglied einer Community, die Anmeldung erfolgt etwa mit zehn Jahren. Für die Mediennutzung der Kinder ist das Medienverhalten der Eltern von Bedeutung (»Vorbildfunktion«). Insgesamt dominiert bei der Mediennutzung von Kindern das Fernsehen; es bleibt - trotz der Konkurrenz des Internets - wichtigstes Medium (vgl. Feierabend et al. 2013, S. 152). Den Angaben von Haupterziehern zufolge beginnen Kinder mit durchschnittlich drei Jahren fernzusehen (vgl. Feierabend et al. 2013, S. 147). Kinder wachsen in Haushalten mit üppiger Geräteausstattung auf: Fernsehen, Radio, Handy, Computer, Internetzugang, Spielkonsolen, Tablet-PCs und Zeitung. Der Gerätebesitz der Kinder steigt mit dem Alter an (vgl. Feierabend et al. 2013, S. 143). Mit den Medienensembles, dem Medienzugang und der Mediennutzung von Kindern in der frühen Kindheit (Kinder unter sechs Jahren) hat sich u. a. Claudia Wegener befasst (2010), mit jenen der mittleren bis späten Kindheit (6bis 13-Jährige) Mareike Strotmann (2010). Fernsehen - kindliche Entwicklung - sozialisierende Einflüsse Welche Rolle spielt das Fernsehen für die kindliche Entwicklung und welche potenziell sozialisierenden Einflüsse gehen von ihm aus? Diese und ähnliche Fragen sollen im Folgenden anhand international vergleichender wie nationaler Studien wenigstens im groben Überblick erörtert werden. So hat eine 1994 veröffentlichte, international vergleichende Analyse von 1.500 Studien über Kinder und Medien in den 1980er- und frühen 1990er-Jahren folgende Resultate erbracht (vgl. Groebel 1994): • Bereits Kleinkinder (Babys) wachsen in Räumen mit TV-Ausstattung auf, haben also schon sehr früh Kontakt mit dem Fernsehen. Offenbar üben bewegte Bilder am TV-Schirm bereits auf die Kleinsten einen besonderen Reiz aus. Sehhäufigkeit und -dauer steigen spätestens vom dritten Lebensjahr bis zum Schulalter kontinuierlich an. • Was das Verstehen von Fernsehinhalten betrifft, so können Kinder mit zunehmendem Alter immer besser abstrahieren und die Absichten von Fernsehinhalten erkennen (also z. B. zentrale Sendungsinhalte von peripheren unterscheiden, Geschichten in größere Einheiten aufteilen sowie Realität und Fiktion auseinander halten). <?page no="490"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 491 • Die formalen Darstellungsweisen sind für das Verstehen von Fernsehinhalten von Bedeutung: Jüngere Kinder beziehen ihr Urteil über Fernsehfiguren aus deren Aussehen, ältere Kinder aus dem tatsächlichen Verhalten der Fernsehfiguren. Kinder bis zum sechsten Lebensjahr verarbeiten Fernsehinhalte anders als Erwachsene. Erst etwa ab dem siebten bis neunten Lebensjahr haben Kinder ihre Fähigkeit so weit entwickelt, dass ein ähnliches Verständnis von Fernsehsendungen zwischen Kindern und Eltern vorausgesetzt werden kann. • Die soziale Umgebung spielt beim TV-Konsum eine wichtige Rolle. Gespräche der Eltern mit den Kindern über das Gesehene beeinflussen Verstehens- und Verarbeitungsprozesse positiv, sind aber leider selten. Oft sitzen Kinder alleine vor dem Bildschirm. • Die international am häufigsten genannten Gründe für den TV-Konsum von Kindern sind Ablenkung und Vermeidung von Langeweile. Fernsehen dient bereits den Kindern als »Stimmungsmanagement« (Mood-Management) zur Herstellung von innerem Gleichgewicht. Biologische Dispositionen und Rollensozialisation wirken dabei zusammen. Dies erklärt, warum Knaben Action-Filme bevorzugen (höhere Risikobedürfnisse), Mädchen hingegen Shows, Serien und Musik. • Das Alter stellt einen entscheidenden Faktor für Programmpräferenzen dar, und man kann von einem sog. Drei-Phasen-Modell sprechen: Die Jüngsten sehen am liebsten vermenschlichte Tiere, wie sie in Comics, Cartoons und Vorschulserien gezeigt werden. Die Spielkomponente überwiegt (ähnlich wie dies etwa bei den Teletubbies der Fall war). Schulkinder wenden sich Helden zu, die ihnen als Vorbilder für die Rollensozialisation dienen können. Teenager haben ein meist ausgeprägtes Interesse an Sitcoms, Jugend- und Beziehungsfilmen. • Eltern sind Vorbilder für spätere Medienpräferenzen der Kinder (und damit der späteren Erwachsenen). Vielsehende Eltern haben meist vielsehende Kinder; insofern besitzen Eltern eine Vorbildfunktion, die Kinder passen sich an die Sehgewohnheiten der Eltern an. Mit dem eigenen TV-Gerät im Kinderzimmer beginnt das Vielsehen. Vielsehen schädigt das Sozialverhalten, geschädigtes Sozialverhalten fördert das Vielsehen. • Kinder entwickeln intensive Beziehungen zu Personen bzw. Figuren, die sie aus dem Fernsehen kennen. Ende der 80erbzw. Anfang der 90er-Jahre waren dies im deutschen Sprachraum z. B. Alf und Pumuckl. Diese Figuren boten den Kindern u. a. die Möglichkeit, sich stellvertretend den Wunsch nach all den Verhaltensweisen zu erfüllen, die eigentlich verboten sind, wie: frech zu sein; Dinge besser zu wissen als Erwachsene; die Situation zu kontrollieren. • Bezüglich der Wirkungen des Fernsehens auf das Wissen der Kinder ist die Unterscheidung notwendig zwischen Faktenwissen und prozeduralem Wissen. Faktenwissen bezieht sich auf die Kenntnis von Personen, Daten, Bildern. Prozedurales Wissen entspricht den angemessenen kognitiven Prozessen, um Probleme lösen oder richtig auf die Hintergründe schließen zu können. Kinder, die verschiedene Medien nutzen, verfügen oftmals auch über ein höheres Faktenwissen als Kinder, die wenige Medien bzw. nur das Fernsehen nutzen. Vielseher sind schlechter in der Lage, differenzierte Probleme zu lösen als Wenigseher (wobei Kinder mit starker Fernsehnutzung tendenziell häufiger aus eher niedrigen Bildungsschichten stammen). Aus in Deutschland durchgeführten Untersuchungen zur Fernsehnutzung von Kindern gehen Resultate hervor, die die dargelegten Ergebnisse aus international vergleichend analysierten Untersuchungen im Wesentlichen bestätigen (vgl. Klingler/ Windgasse 1994). Die Medienforscherin Sabine Jörg versucht in diesem Kontext die Frage zu beantworten, was Fernsehen für die kindliche Entwicklung bedeutet (vgl. Jörg 1994): <?page no="491"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 492 • Märchen z. B. sind recht gute Mittel für Angstbewältigung: Sie führen zunächst durch ein »Tal der Angst und Verlassenheit«, um dann neue Hoffnungen zu eröffnen; belohnt wird in aller Regel, wer durchhält. Heute bieten sich den Vorschulkindern Bilderbücher, (bisweilen durchaus noch) Kassetten, Videos bzw. DVDs als Alternativen an. Sie können beliebig oft abgespielt und wiederholt werden; die gleichlautenden Geschichten bieten dem Kind bei wiederholter Nutzung Sicherheit; das Kind weiß, was kommt. • Das Fernsehen ist für das Ausleben der menschlichen Gefühlspalette, insbesondere aller Arten von Lust und Unlust, wichtig. Dies gilt auch für Kinder, v. a. für die Angstbewältigung. Kinder sind auf Grund moderner Lebensgewohnheiten (Berufstätigkeit beider Elternteile) oftmals alleine. Daher hilft das Fernsehen den Kindern einerseits, das Alleinsein bzw. Verlassenheitsängste zu mildern. Kinder wähnen sich beim Fernsehen in menschlicher Nähe, es dient als Surrogat des zwischenmenschlichen Beisammenseins. Die gesprochene Sprache verheißt menschliche Nähe, und diese Nähe brauchen Kinder, um ihre Lebensangst zu bezwingen. • Allerdings unterdrückt Fernsehen bei Kindern Ängste und Aggressivität nur, es hat sozusagen »aufschiebende Wirkung«. Hinzu kommt, dass Fernsehen bei Kindern neue Ängste und damit Aggressionen verstärken kann. In solchen Situationen wäre es wichtig, dass Kinder im Anschluss an gesehene Sendungen die Möglichkeit haben, mit Bezugspersonen zu sprechen. Ist dies nicht der Fall, kommt es zu einer Angst-Aggressions-Spirale, die zu den uns bekannten Verhaltensweisen führt: Fernseh-Gewalt - Kinder-Gewalt. • Neben der Angst benennt Sabine Jörg (in Anlehnung an Bruno Bettelheim) eine weitere Bedingung, die Sozialisation entscheidend mit prägt: die Muße. Es ist dies jene Zeit, in der Kinder ihren eigenen Gedanken nachhängen können, was für die Entwicklung der Kreativität notwendig ist. Die modernen Lebensbedingungen berauben die Kinder jedoch der Muße. Und die viele Zeit, die Kinder vor dem Fernsehapparat (und in jüngerer Zeit auch mit Onlinemedien und Spielekonsolen) verbringen, verändert folglich insgesamt ihre Entwicklung - und damit sie selbst: Beiläufig lernen sie einen Umgang mit Lebenszeit, bzw. auch mit Langeweile kennen, die - als unangenehm erlebt - produktive Prozesse zu ihrer Überwindung in Gang setzt; Langeweile wird gleichsam »durch Knopfdruck« verscheucht. Die Rückkehr aus der Fernsehwelt [und in jüngster Zeit wohl auch aus der Welt der Onlinemedien - H. P.] hinterlässt jedoch Gefühle der Leere, wenn das Kind anschließend mit niemandem über das Gesehene sprechen kann. • Solche Gespräche wären aber wichtig, und dies aus mehreren Gründen: Durch sie 1) lernen die Kinder ihre Gefühle zu bewerten (v. a. auch ihre Ängste), zumal Fernsehen ein starkes Instrument zur Gefühlssteuerung darstellt; 2) lernen sie eher das Wertesystem der Eltern zu übernehmen; 3) finden die Kinder (v. a. nach dem Ansehen von moralisch aufgeladenen Inhalten) eher emotionalen Halt; 4) tritt die Fantasie eher als Mittlerin zwischen Wunsch und Wirklichkeit auf; 5) differenzieren sie das Gesehene und lernen, was sie vom Gezeigten glauben und nicht glauben sollen. Die vorstehenden Ausführungen lassen sich ergänzen durch Claudia Wegeners Überlegungen zu den Medien als Instrument der Weltaneignung (Wegener 2010, S. 130f ). Kinder seien ab etwa »dem 3. Lebensjahr in der Lage, Medienhandeln als solches zu verstehen, dramaturgisch einfache Geschichten nachzuvollziehen und sich selbst zu diesen in Beziehung zu setzen« (Wegener 2010, S. 130). Wichtig dafür sei, dass sich Kinder »an zentralen Figuren als Handlungsträger orientieren können und die dargebotenen Inhalte an die Lebenswelt der Kinder anknüpfen« (ebd.). Dadurch würden »Medien zu Bedeutungsträgern und können in die kindliche Auseinandersetzung mit sich und der Umwelt eingebunden werden. Grundlage dieser Auseinandersetzung sind i. d. R. die Entwicklungsthemen des Alters. […] So interessieren sich jüngere Kinder dann besonders für medial vermittelte Geschichten, ›wenn sie eigene Erfahrungen ordnen, benennen bzw. bebildern‹« (Wegener <?page no="492"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 493 ebd. mit expliziter Bezugnahme auf Charlton 2007, S. 33). »Der Konflikt zwischen Kleinsein und Großsein spielt hier eine Rolle, damit verbunden ist der Wunsch nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit, andererseits aber auch die Angst vor dem Alleinsein und die Sorge, nicht geliebt zu werden und sich von relevanten Bezugspersonen trennen zu müssen« (Wegener 2010, S. 130). Wegener zufolge suchen Kinder in den Medien »solche Inhalte, die zu ihren eigenen Sorgen, Ängsten und Konflikten in Beziehung stehen«. Medien erfüllen hier die Funktion, »neue Handlungsmuster aufzuzeigen und damit Handlungsalternativen, wenn auch nur imaginär, zu erschließen« (Wegener ebd. mit impliziter Bezugnahme auf Charlton 2007). Jüngere Kinder, so Wegener, würden »ihre Wünsche und Ängste auf Medienfiguren [übertragen]« und bezögen »diese in ihr alltägliches Handeln ein« (ebd.). Das Kind sei »in dieser Phase zwar durchaus in der Lage, Sachverhalte und Gegebenheiten nachzuvollziehen und zu verstehen«, Lücken im intellektuellen Entwicklungsprozess aber würden »mit eigenen Phantasien gefüllt, die sich auch aus den Medien und ihren Inhalten speisen« (ebd.); das Kind beseele die Dinge, hauche ihnen seinen Willen ein und gebe ihnen eine Bedeutung (vgl. Wegener mit Bezugnahme auf Rogge 2002, S. 51). Solchermaßen »imaginierte Gefährten« könnten dem Kind »Beistand leisten und Unterstützung gewähren. Möglich ist aber auch, dass Medienphänomene mit Ängsten besetzt werden oder diese evozieren und die starken Helden den furchtbaren Monstern gegenüber stehen. In welcher Weise Medieninhalte jüngere Kinder tatsächlich ängstigen, ist aus dem Medienangebot selbst nur schwer vorherzusagen« (Wegener 2010, S. 130). Die Autorin weist abschließend auf den Konsens in der Wissenschaft, dass »medienbezogene Ängste gemindert werden, wenn Medieninhalte gemeinsam mit einer Bezugsperson gesehen, besprochen und verarbeitet werden können« (Wegener 2010, S. 131). Mediensozialisation bei sozial benachteiligten Heranwachsenden Die Mediennutzung von Kindern hängt nicht unwesentlich vom familiären Umfeld sowie dessen sozioökonomischem und sozialökologischen Hintergrund ab (vgl. Paus-Hasebrink 2009, S. 20). Ingrid Paus-Hasebrink nahm sich dieser Thematik an und untersuchte in einer Langzeit-Panelstudie die Mediensozialisation bei sozial benachteiligten Kindern und Heranwachsenden in Österreich. Die Studie erstreckte sich über einen Zeitraum von 2005 bis 2007 (Erstprojekt) sowie von 2010 bis 2012 (Folgeprojekt) mit jeweils zwei Erhebungswellen. Im Mittelpunkt stand die Untersuchung des Medienumgangs sozial benachteiligter Kinder vor dem Hintergrund des allgemeinen Medienwandels über die Jahre des Aufwachsens der Kinder - und dies mit Blick auf die alltägliche Lebensführung ihrer Familien. An der Erststudie (2005-2007) waren zwanzig, an der Folgestudie (2010-2012) noch 17 der ursprünglich zwanzig Familien mit sozialer Benachteiligung (u. a. niedriger Bildungsgrad, Armutsgefährdung sowie spezielle Familienkonstellation, etwa alleinerziehend bzw. Kinderreichtum) beteiligt. Wesentlicher Teil des Projekts waren aber auch Literaturanalysen zur theoretischen Fundierung sowie eine Sekundärauswertung der EU Kids Online Daten. Ein wichtiges Ergebnis des Erstprojekts (zwanzig Familien, Kinder vom Kindergarten bis zur Grundschule) unter anderen Ergebnissen: Fernsehen ist als (relativ) kostengünstige Freizeitbeschäftigung das »Leitmedium - beliebt sind crossmedial vermarktete fiktionale Zeichentrickangebote«, v. a. Anime-Serien wie Pokemon, Yu-Gi-Oh, Dragonball. »Zu diesen Angeboten gesellen sich neben dem Fernsehen andere Angebote, wie etwa Video- und Computerspiele« (Paus-Hasebrink 2009, S.-22). Ergebnis der zum Kontext vorgenommenen Literaturanalyse war u. a., dass Kinder aus Familien mit sozial höherem Status das Fernsehen »zeitlich vergleichsweise moderater nutzen als gleichaltrige Kinder aus Familien mit einem niedrigen sozialen Status« (ebd.). Bei sozial besser gestellten Kindern finden auch öffentlich-rechtliche Angebote wie »Sendungen des Kinderkanals KI.KA sowie <?page no="493"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 494 informationsorientierte Angebote wie z. B. Die Sendung mit der Maus« (ebd.) größeren Anklang. Bücher spielen in sozial benachteiligten Haushalten »nur dann eine Rolle, wenn sie in einem crossmedial vermarkteten Kontext stehen, d. h., wenn es neben dem Ausgabemedium Buch noch weitere, zumeist früher auf dem Markt platzierte Angebote gibt« (Paus-Hasebrink 2009, S. 23). Computer spielen in sozial benachteiligten Familien v. a. zum Zeitpunkt des Schuleintritts der Kinder eine Rolle, bei Jungen haben Computerspiele einen hohen Stellenwert. Eltern sozial benachteiligter Kinder sind sich bewusst, »dass Kinder möglichst früh lernen sollten, kompetent mit dem Computer umzugehen; so sind sie bemüht, ihren Kindern zumindest auf die ihnen mögliche Weise - dies bedeutet insbesondere technisch - gleiche Startbedingungen zu schaffen« (ebd.). Allerdings findet eine notwendige erzieherische Begleitung infolge von Überforderung und mangelnder Kompetenz nicht statt (vgl. ebd.). Vorschnelle Urteile verbieten sich, ein Blick auf die familiäre Gesamtsituation ist erforderlich. Freilich kommt bei Kindern »aus sozial benachteiligten Familien […] erschwerend hinzu, dass ihr gesamter Alltag bestimmt wird durch die prekäre soziale Lage, in der sich ihre Familien befinden; sie stellt das Fundament für die Lebensführung in den Familien dar« (vgl. ebd.). Infolge eines unausgewogenen, in sich inkohärenten (Medien-)Erziehungsverhaltens »haben Medienangebote sowie spezielle, zumeist crossmedial vermarktete Medienfavoriten als Sozialisationsfaktoren für die Kinder hohe Bedeutung: Nicht selten überlassen die überforderten Eltern bzw. alleinerziehende Mütter mehr oder weniger bewusst, häufiger jedoch unreflektiert und zuweilen auch entgegen eigenen Plänen und Bekundungen, den Medien […] den von ihnen auszufüllenden Erziehungsraum. Insgesamt zeigt sich, dass sich die Eltern nur wenig für die Fernsehbedürfnisse ihrer Kinder interessieren und dass sie die gemeinsame Fernsehnutzung nach eigenen Bedürfnissen situativ organisieren« (ebd.).Weitere Resultate sind, dass Kinder aus sozial schwächeren Familien »mit zunehmendem Alter häufiger allein gelassen werden« (Paus-Hasebrink 2009, S. 24), eine fördernde Medienerziehung fehlt fast in allen zwanzig untersuchten Familien. Dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien in besonderer Weise mit der sich wandelnden Medienlandschaft konfrontiert sind, »schlägt sich auch in einer hohen Zahl von (konvergenten) Mediengeräten, Sendern und Programmen nieder, sodass ihre Kindheit als ›Medienkindheit‹ bezeichnet werden muss. Die Sozialisation dieser Kinder erfolgt in starkem Maße durch die Medien und wird nur wenig durch andere Sozialisationsinstanzen moderiert« (ebd.). 5.3.1.5 Jugend und Medien Zur Altersbegrenzung von Jugend Zum Thema Jugend und Medien, bzw. Jugend und Fernsehen, liegen ebenfalls einschlägige Studien vor. Bezüglich der nach Altersstufen vorgenommenen Einordnung und Definition von Jugend werden dabei teils unterschiedliche Maßstäbe angelegt (vgl. Eimeren/ Maier-Lesch 1997). Die Altersbegrenzung reicht einmal von 12 bis 19 Jahre, dann von 13 bis 20, von 13 bis 24 (etwa die »Shell-Studien«) sowie von 13 bis 29 Jahre. Es liegt dies daran, dass der biologische und kognitive Reifungsprozess einerseits immer früher beginnt, andererseits die Phase der Jugend auf Grund längerer Ausbildungszeiten weiter nach hinten verschoben wird. Hinzu kommt, dass es einen Bedeutungsverlust traditionell wichtiger Statuspassagen wie Heirat und Gründung eines Haushalts gibt. Eine pragmatische Einordnung des Jugendalters ist jedoch in der Spanne 12 bzw. 13 bis 19 Jahre zu sehen: die Phase beginnt mit dem Austritt aus dem Kindheitsalter (12 bis 13 Jahre) und endet mit dem Eintritt ins junge Erwachsenenleben (etwa 19 Jahre). Auch die »JIM-Studie 2012 - Jugend, Information, (Multi-) Media« untersucht die Mediennutzung bei 12bis 19-Jährigen (vgl. Jim 2012, S. 4). Die Jugendphase <?page no="494"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 495 stellt zudem eine »doppelt geprägte biografische Zeit« dar: »Subjektive Bedürfnisse auf der einen, der individuellen Seite, stehen Erwachsenwerden und Identitätsfindung auf der anderen, der gesellschaftlichen Seite gegenüber. Dies schlägt sich auch im Zugang zu und Umgang mit den Medien nieder« (Gerhards/ Klingler 2001, S.-65). Zu Medienbesitz und Mediennutzung Jugendlicher Jugendliche in Deutschland zwischen 12 und 19 Jahren wachsen in Haushalten mit breitem Medienrepertoire auf (vgl. JIM 2012, S. 6), die Jugendlichen verfügen selbst über zahlreiche Medien- (geräte). »Vier von fünf Jugendlichen haben einen eigenen Computer/ Laptop und einen MP3- Player. Dank WLAN im Haushalt können 87 Prozent vom eigenen Zimmer aus ins Internet gehen. Ein eigenes Handy ist seit Jahren Standard, inzwischen besitzt aber fast jeder Zweite ein Smartphone« (nur sieben Prozent einen eigenen Tablet-PC) (JIM 2012, S. 62). Einen eigenen Fernseher im Zimmer haben 60 Prozent der Jugendlichen, auch Radiogeräte, Digitalkameras und feste oder tragbare Spielkonsolen gehören zum Medienbesitz vieler Jugendlicher (vgl. JIM 2012, S. 8). »Die häufigsten Medientätigkeiten der Jugendlichen sind mit je 91 Prozent regelmäßiger Nutzung Handy, Internet und Fernsehen. Etwa vier Fünftel nutzen zumindest mehrmals pro Woche Radio und MP3-Player. Zwei Fünftel lesen [eigenen Angaben zufolge - Ergänzung H. P.] regelmäßig Bücher und Tageszeitungen, jeder dritte Jugendliche zählt zu den regelmäßigen Computer- und Konsolenspielern (offline). E-Books spielen derzeit bei Jugendlichen noch keine Rolle, nur zwei Prozent nutzen diese Möglichkeit regelmäßig. Nach der Wichtigkeit der jeweiligen Medien befragt, hat die »höchste Relevanz das Musikhören und die Nutzung des Internets« (für jeweils etwa neun von zehn Jugendlichen recht wichtig). »Für vier Fünftel ist das Handy von besonderer Bedeutung, je gut die Hälfte sprechen sich für Radio, Fernseher und Bücher aus. Computerspiele haben für fast zwei Drittel der Jungen hohe Relevanz, bei den Mädchen liegt dieser Anteil nur bei 29 Prozent« (JIM 2012, S. 62). Musik ist für Jugendliche wichtig: 78 Prozent geben an, regelmäßig Radio zu hören, und zwar - trotz digitaler Möglichkeiten - »überwiegend über ein stationäres (analoges) Gerät« (JIM 2012, S. 63). Handy und Computer werden noch eher wenig zum Radiohören genutzt. Das Fernsehen ist nach wie vor ein wichtiger Alltagsbegleiter, »die tägliche Nutzungsdauer liegt nach eigener Einschätzung bei durchschnittlich 111 Minuten«; es »dominiert die klassische Nutzung über ein Fernsehgerät« (ebd.). Die TV-Internetnutzung ist noch gering. Beliebtester Programmanbieter ist bei den Jugendlichen Pro- Sieben (mehr als die Hälfte), gefolgt von RTL (15 Prozent). Auch RTL2 (5 Prozent), Sat.1, Viva und NICK (jeweils 3 Prozent) werden genannt. Das ERSTE/ ARD und ZDF, also öffentlich-rechtliche TV-Veranstalter, rangieren abgeschlagen: Sie werden von jeweils nur 2 Prozent genannt (vgl. JIM 2012, S. 25). Scripted Reality Formate »finden v. a. bei Jugendlichen mit formal geringerem Bildungshintergrund Zuspruch« (JIM 2012, S. 63). Hohe Alltagsrelevanz hat für Jugendliche auch das Internet: Nach eigener Schätzung sind Jugendliche pro Tag 131 Minuten im Netz, der mobile Zugang spielt zunehmend eine Rolle. »Knapp die Hälfte der Zeit, die Jugendliche im Netz verbringen, nutzen sie zur Kommunikation über soziale Netzwerke, per Mail oder Chat« (JIM 2012, S. 63), 79 Prozent mehrmals pro Woche, 81 Prozent nutzen Facebook. Das Versenden von Nachrichten und Chats mit anderen Mitgliedern des Netzwerks sind »die am häufigsten genutzten Funktionen innerhalb einer Community« (JIM 2012, S. 64). 87 Prozent der Nutzer von Communitys geben an, »ihre Profildaten mit der Privacy-Option vor dem öffentlichen Zugriff zu schützen« (ebd.). Die durchschnittliche Anzahl der Freunde in der Community beträgt 272, insofern ist »die Privatheit […] relativ zu bewerten«. 42 Prozent der Befragten zählen sich im Bereich der Computer-, Konsolen- und Online-Spiele »zu den regelmäßigen Spielern«, <?page no="495"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 496 v. a. Jungen und junge Männer (63 Prozent), bei den Mädchen nur 20 Prozent (vgl. ebd.). Indem das Handy ein »Alltagsbegleiter« der Jugend ist, eröffnet sich auch »eine relevante Option, das Internet zu nutzen« (JIM 2012, S. 65). Smartphone (47 Prozent) und Internetflatrates (34 Prozent) machen diese Möglichkeit für Jugendliche attraktiv. Zwei Fünftel der Befragten gehen mit dem Smartphone regelmäßig ins Netz, zu den wichtigsten Applikationen zählt der Zugang zu sozialen Netzwerken, auch der Instant Messenger sowie Computerspiele-Apps sind attraktiv: »Durchschnittlich haben die App-Nutzer 23 solcher Programme auf ihrem Handy installiert« (ebd.). Der JIM 2012 ist ferner zu entnehmen, dass sich Jugendliche regelmäßig mit Freunden in der Freizeit treffen (80 Prozent) und regelmäßig Sport betreiben (rund drei Viertel). Auch Aktivitäten mit der Familie werden unternommen (jeder Vierte, mehrmals pro Woche), ein Fünftel macht selbst Musik. »Zwei Drittel der Jugendlichen sind in einem Sportverein, 57 Prozent haben eine feste Clique, die sich regelmäßig trifft, etwa jeder Fünfte ist in einer kirchlichen Gruppe oder in einem Musikverein oder Chor organisiert. Jeder Zehnte engagiert sich für soziale Zwecke oder für die Umwelt« (JIM 2012, S. 62). Da die »neuen Medien«, die gar so neu ja nicht mehr sind, für Jugendliche, wie dargelegt, von großer Bedeutung sind, seien zum Thema Mediensozialisation und Jugend Studien vorgestellt, die sich mit dem Thema befassen. Junge Menschen und neue Medien Jugendliche und junge Erwachsene haben sich das Internet rasch erschlossen. Seit ihrem Beginn haben sie von den Medienanwendungen im Internet Gebrauch gemacht und nutzen auch neue Möglichkeiten, die das WWW bietet. Dies geht neben der JIM u. a. auch aus der seit 1997 jährlich durchgeführten ARD/ ZDF-Onlinestudie hervor. Die junge und jüngere Generation wird daher nicht zu Unrecht als besonders internetaffin bezeichnet. Angela Tillmann (2010) beschäftigt sich in ihrem Beitrag »Computer und Internet - Multimediasozialisation« mit diesem Phänomen. Für die Identitätsfindung bei Jugendlichen ist Tillmann zufolge neben anderen Medien eben gerade auch das Internet von Bedeutung, zugleich ist dessen Nutzung mit Herausforderungen verbunden. Mit Problemen können v. a. auch partizipative Nutzungsangebote und -weisen verbunden sein. Dies gilt u. a. für den Umgang mit dem Datenschutz, für die Achtung von Persönlichkeits- und Urheberrechten, für leicht zugängliche problematische Webangebote (wie Pornografie und Gewalt), für die Glaubwürdigkeit von Webinhalten sowie für E-Commerce und E-Shopping (vgl. Tillmann 2010, S. 260). Die Nutzung von Internetangeboten hängt u. a. von Alter, Geschlecht, Bildung und kulturellem Hintergrund ab, und auch die Art der Nutzung variiert: So können multimediale Angebote situativ, kommunikativ, ich-bezogen und multifunktional genutzt werden (vgl. Tillmann 2010, S. 267). Für Kinder »fungiert das Internet in erster Linie als Unterhaltungsmedium« mit der Nutzung von Kinderseiten und Onlinespielen, bei Jugendlichen »rückt die Kommunikation in den Vordergrund« (Tillmann 2010, S. 262 mit Bezugnahme auf JIM- und KIM-Studien). Bezüglich der Geschlechter »wird deutlich, dass Jungen mit wenigen Ausnahmen ein breiteres Spektrum zeigen als Mädchen und das Internet intensiver nutzen« (ebd.). Die Anwendungsmöglichkeiten der Internetnutzung stellen Sozialisationsräume dar. »Jungen und Mädchen finden im Internet zahlreiche Möglichkeiten, sich zu orientieren und als ›männlich‹ oder ›weiblich‹ zu inszenieren bzw. positionieren (doing gender) - auch über ihren Körper, der bis heute der zentrale Austragungsort bei der Suche nach Identität ist« (Tillmann 2010, S. 263). Mädchen »präsentieren sich in Communities oder auf privaten Homepages häufiger mit Fotos und Videos« (ebd.). Sie experimentieren mit missverständlichen, auf Erwachsene anstößig wirkenden Posen, oft nur leicht bekleidet, lasziv und romantisch wirkend. Sie »positionieren sich ›weiblich‹ und fühlen sich <?page no="496"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 497 damit spielerisch in eine heterosexuell und zweigeschlechtlich organisierte Gesellschaft ein« (ebd.). Sie »wissen, dass ein attraktiver, dem Schönheitsideal entsprechender Körper ein ›Türöffner‹« sein und möglicherweise »eine berufliche Perspektive bieten kann« (Stichwort Castingshows) (ebd.). Im Chat und in Blogs schwingt dies mit. Auch Jungen nutzen das Internet »als Erprobungsraum zur Konstruktion ihrer Identität« und positionieren sich (ähnlich wie außerhalb des Netzes) »über ihre Technikaffinität als ›männlich‹« (Tillmann 2010, S. 264). Sie demonstrieren Stärke und Durchsetzungsfähigkeit, sportliche Aktivität, emotionale Unberührtheit und raumgreifende Handlung (vgl. ebd.). Sowohl Computerspiele wie auch Multiplayer-Spiele »bieten für sie ein attraktives Tätigkeits- und Experimentierfeld. Am beliebtesten sind Shooter- und Action-Spiele […]. Der symbolisierte Körper bzw. Avatar beweist sich in aggressiven Auseinandersetzungen und lernt, reaktionsschnell auf Veränderungen oder virtuelle Bedrohungssituationen zu reagieren« (ebd.). Möglichkeiten zur Konstruktion von Männlichkeit »finden Jungen auch über die Anlage von Profilen in Communities« (ebd.). Jugendliche fasziniere im Internet auch »die neuen Möglichkeiten zur Peer-Kommunikation. Peers stellen Entwicklungs- und Autonomieräume dar, die viele Möglichkeiten des Experimentierens und auch des widerständigen Verhaltens gegenüber gesellschaftlichen Erwartungen eröffnen« (ebd.) und die »Abnabelung von den Eltern bzw. Erwachsenen« (Tillman 2010, S. 265) begünstigen können. Soziale Netzwerke fungieren u. a »als Flirt- oder Partnerschaftsbörse«, auch wird das Internet »für jugendkulturelle Aktivitäten und Vergemeinschaftungen in den Dienst genommen« (ebd.). Schließlich generieren Jugendliche im Internet auch »ihre eigenen Themen und schaffen sich ihre kommunikative Umwelt«, womit »die medialen Erfahrungswelten der beiden Generationen weiter auseinander [klaffen]« (ebd.). Wichtig für Jugendliche ist weiterhin die Selbstpräsentation, die nicht etwa in einer Parallelwelt stattfindet, sondern bei der gesellschaftliche Diskurse aufgegriffen werden (vgl. Tillmann 2010, S. 265). Auch wenn, wie dargelegt, allmählich Bewusstsein im Umgang mit persönlichen Daten aufkommt, erscheint Forschung im Bereich des Datenschutzes, bzw. bezüglich des Umganges Jugendlicher mit Daten anderer (z. B. Verletzung der Persönlichkeitsrechte etwa durch Cybermobbing und Cyberbullying), wichtig. Eine Herausforderung für Forschung stellen auch die Möglichkeiten dar, die sich durch Multimedialität ergeben, etwa durch die Verbreitung von Bildern oder die (Wieder-)Veröffentlichung von geschütztem Material ohne das Einverständnis betroffener Personen (vgl. Tillmann 2010, S. 266). Zu ergründen ist z. B. auch der Stellenwert der Nutzung von Pornografie und Gewalt im Internet, ebenso auch bezüglich der Frage nach der Glaubwürdigkeit von Netzinhalten. Die »nicht-linearen multimedialen Angebote und vielfältigen Dienste« des Internets, so Tillmann, »sind im Alltag von Jugendlichen [längst - H. P.] angekommen« (Tillmann 2010, S. 267). Eine Studie zur Bedeutung von (Internet-)Pornografie in der Lebenswelt von Jugendlichen hat Petra Grimm (2010) vorgelegt. Ihre Ergebnisse zeigen u. a., dass Pornografie zum Internetalltag der Jugendlichen gehört. Die Einstellungen zu pornografischen Skripts reichen »von einer unreflektierten Befürwortung bis hin zu einer kritischen Haltung« (Grimm 2010, S. 5). Jungen nennen für die Nutzung pornografischer Inhalte die Hauptmotive »Lernen/ Wissensgewinn (v. a. über Sexualität und den weiblichen Körper)« sowie »sexuelle[n] Erregung« (ebd.). Bei Jüngeren fungieren Kenntnisse über Pornos »als symbolisches Kapital in der Peergroup« (mitreden können) (ebd.).Kinderpornografie und extreme Varianten der Pornografie werden abgelehnt. Mädchen kommen zwar in Berührung mit pornografischen Inhalten, »lehnen diese aber ab und finden sie ›eklig‹ bzw. abstoßend« (ebd.); die Schwelle zur Pornografie liegt bei Mädchen niedriger (ebd.). Wirkungsrisiken können laut Grimm u. a. sein: sexueller Leistungsdruck bei Jungen, Perfektionsdruck hinsichtlich ihres Körperbildes bei Mädchen; durch die Vielzahl pornografischer sexueller Modelle »kann das Individuelle und Persönliche in der Sexualität und die Entwicklung eigener sexueller Fantasien auf der Strecke bleiben« (Grimm 2010, S. 7); Frauen- und Männerbild können negativ geprägt werden; die Wertewelt <?page no="497"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 498 der Jugendlichen kann durch Pornografie negativ beeinflusst werden (vgl. ebd., Abb. 4). Der Autorin erscheint »eine sexualpädagogische und medienpädagogische Offensive in Bezug auf das Thema Internetpornografie notwendig« (Grimm 2010, S. 8). Jürgen Fritz (2010) thematisiert die Spielesozialisation durch Computerspiele bei Kindern und Jugendlichen. Auf der Basis empirischer Daten aus KIM- und JIM-Studien resümiert er, dass insbesondere jüngere und männliche Personen viel Zeit in virtuellen Spielwelten verbringen (vgl. Fritz 2010, S. 269f ). Entscheidend für die Nutzung der Spiele erscheint, dass jeder Spieler/ jede Spielerin ein geeignetes Computerspiel findet, »das einen angemessenen Beitrag zum eigenen Mood Management leisten kann: einen ›Mister feel good‹, der hilft, in eine gute Stimmung zu kommen« (Fritz 2010, S.-271). Im Sozialisationsprozess haben Computerspiele u. a. folgende Funktionen: Stärkung des Selbstbewusstseins bzw. der Selbstbestimmung, Ablenkung, Entspannung, Verdrängung bzw. Kompensation negativer Erfahrungen, Abgrenzung vom Elternhaus oder auch Kontakt und Austausch mit Gleichaltrigen. Fritz weist darauf hin, dass Computerspiele Produkte unserer Gesellschaft sind und somit auch gesellschaftlich vorgegebene Strukturen und Werthaltungen enthalten (vgl. Fritz 2010, S.- 274f ). Ein Lehrforschungsprojekt an der Fachhochschule Köln, abgeschlossen 2008, hat u. a. ergeben, »dass die Zehnjährigen in beeindruckender Weise in der Lage waren, den aktuellen Spielprozess zu verbalisieren und zu kommentieren. Sie waren in der Lage, die impliziten Regeln eines Geschicklichkeitsspieles rasch zu erfassen und ihr spielerisches Handeln darauf abzustimmen. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Kompetenzentwicklung von Jungen und Mädchen konnten bei unserer Stichprobe nicht festgestellt werden« (Fritz 2010, S. 273). Dem Thema Handy - mobile Sozialisation widmen sich Joachim Höflich und Georg Kircher (2010). Mobile Medien, und damit insbesondere das Handy, »sind Teil einer umfassenden Mediatisierung des Alltags« (Höflich/ Kircher 2010, S. 278). Dieses Multifunktionsgerät ist wesentlich mehr als ein Telefon: »Es ist mitunter ein Apparat zum Versenden von Texten, ein Kalender, Notiz- und Telefonbuch, ein Wecker, ein Fotoapparat, ein Radio oder sogar Fernseher« (ebd.). Im Folgenden steht gleichwohl das Handy in seiner Funktion als Telefon im Mittelpunkt. Und mit Blick auf Telefonsozialisation ist »die Aneignung der mit der Nutzung des Mediums verbundenen Rahmen« gemeint (Höflich/ Kircher 2010, S. 279, Hervorhebung i. Orig.). (Dieser Rahmen ist ein anderer, wenn das Handy etwa als Radio verwendet wird). Rahmen haben u. a. auch etwas mit Regeln zu tun, »die spezifizieren, welches Handeln als adäquat oder nicht adäquat zu beurteilen ist« (ebd.). Im Falle des Telefons gehören dazu »prozedurale Regeln, die die Art und Weise des Telefonierens umschreiben (Gesprächseröffnung, Redewechsel, Gesprächsbeendigung)« (ebd.). Das alte Telefon hat eher Orte miteinander verbunden, »das Mobiltelefon [stellt] eine Verbindung zwischen Personen her - und man erwartet, dass bei einem Anruf eine ganz bestimmte Person den Anruf annimmt« (ebd.), und dass auch nur diese Person eine etwa schriftlich übermittelte Botschaft liest (vgl. ebd.). Das Mobiltelefon ist somit »ein persönliches Medium. […] Aus diesem persönlichen Moment heraus entwickelt sich nahezu eine besondere Medienabhängigkeit« (ebd., Hervorhebung i. Orig.). Man fühlt sich ohne Handy »von der Welt abgeschnitten. Durch den persönlichen Charakter wird das Telefon zu einem Identitätsmarker. Es steht nachgerade für eine soziale Einbindung und Nähe, wenngleich damit immer auch ein gewisser Zwang und eine gewisse Kontrolle einhergehen« (Höflich/ Kircher 2010, S.-280). Die beiden Autoren verweisen darauf, dass mit dem Mobiltelefon »das private Telefonieren den häuslichen Schutz [verlässt]«, Privates öffentlich wird und damit auch »die Regeln einer öffentlichen Kommunikation tangiert [werden]«, da wir mobiles Telefonieren oft auch vor anderen Menschen, vor einem Publikum tun (Höflich/ Kircher 2010, S. 280, Hervorhebung i. Orig.). Dadurch kann mobiles Telefonieren im öffentlichen Raum »in vielfältiger Weise zur Verletzung von Intimitätsregeln führen« (ebd.). Anwesende Dritte sind »potenzielle Mithörer, die unter Umständen unerwünschte Einblicke in das Private erlangen« (ebd.). Solche Telefonate können als aufdringlich empfunden werden, »wenn <?page no="498"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 499 nicht sogar eine Belästigung darstellen« (ebd.). Zum mobilen Telefonieren gehört daher ein Sinn für den Ort des Telefonierens, also dafür, »wo ein Telefonat eher angebracht ist und wo nicht […]. Letzteres fällt unter die Rubrik Medienregeln, die eingedenk der lokalen Variabilität des Medieneinsatzes nicht nur besagen, welches Medium für welchen Zweck zu verwenden sei, sondern auch, wo dies auf adäquate Art und Weise zu erfolgen hat« (ebd., Hervorhebung i. Orig.). Zu einer besonderen Unart, mobil zu telefonieren (dies sei hier ergänzend mit Nachdruck vermerkt - H. P.), gehören u. a. Telefonate in öffentlichen Verkehrsmitteln, in denen Dauertelefonierer (vermutlich begünstigt durch Flatrates) vor anderen Mitreisenden u. a. ihre privat-intimen Probleme und Beziehungskisten austauschen oder Geschäftsreisende (bisweilen teils vertraulich anmutende) Firmenangelegenheiten erörtern. Der JIM-Studie 2012 zufolge besitzen in Deutschland knapp 97 Prozent der 12bis 19-Jährigen ein Mobiltelefon (JIM 2012, S. 8). Mobile Kommunikation ist im Unterschied zur älteren Generation für Kinder und Jugendliche »von Beginn ihrer Sozialisation an alltäglich« (Höflich/ Kircher 2010, S. 282). Primäre Nutzungsmotive des Handys sind »die Pflege sozialer Kontakte und die Organisation des Alltags. Das Mobiltelefon bietet die nötige flexible Kommunikation, um z. B. Termine kurzfristig zu vereinbaren, zu ändern oder abzusagen« (ebd.). Es dient der Realisierung der individuellen Kommunikationsabsichten. Die Entwicklung einer eigenen Kurzsprache verdeutlich, »wie sehr mobile Kommunikation zu einem Gemeinschaft stiftenden Element im Leben Heranwachsender geworden ist« (Höflich/ Kircher 2010, S. 282). Dies wird im öffentlichen Diskurs (vgl. dazu Thurlow 2007) teils skeptisch gesehen, zumal davon ausgegangen wird, »dass die Kommunikation in Kürzeln zu Lasten einer differenzierten Ausdrucksweise Jugendlicher geht« (Höflich/ Kircher 2010, S. 282 mit Bezugnahme auf Thurlow 2007). Ein Thema ist auch die »Abschottung von der elterlichen Kommunikation, da die stark auf Assoziationen und Abkürzungen beruhende Chat- und SMS-Sprache für Erwachsene oft miss- oder unverständlich bleibt« (ebd.). Nicht übersehen werden sollte in diesem Zusammenhang, »dass gerade der kreative Umgang mit Sprache und das Anpassen textbasierter Kommunikation an die technischen Vorgaben eine Leistung ist, die deutlich macht, wie sehr Jugendliche sich mobile Medien angeeignet und verstanden haben, diese zum Teil ihrer alltäglichen Jugendkultur zu machen« (ebd.). Eine andere Seite des Handys sei gleichwohl nicht übersehen: Kinder und Jugendliche sind durch die permanente Erreichbarkeit übers Handy für ihre Eltern gut kontrollierbar. Michael Feldhaus (2004) hat herausgefunden, dass von Eltern mobile Kommunikation zu Erziehungszwecken eingesetzt wird und eingeräumten Freiheiten wie längere Ausgehzeiten eine soziale Kontrolle gegenüber steht (vgl. Höflich/ Kircher 2010, S. 283, mit Bezugnahme auf Feldhaus 2004; das Handy gleichsam als »mobile elterliche Nabelschnur«). Anbieter sog. Trackingdienste eröffnen Eltern auch die Möglichkeit, »unbemerkt vom Kind dessen aktuellen Standort zu erfragen, sofern dieses sein Handy eingeschaltet hat« (ebd.). Das Medium Handy bietet Jugendlichen Freiheiten, die mit Regeln sowie Verpflichtungen bei dessen Nutzung einhergehen. Wenn beides in einem stimmigen Verhältnis steht, »ist eine Normalisierung im Umgang mit mobilen Medien möglich.« Höflich/ Kircher weiter: »Eine Balance zwischen beidem zu schaffen, ist eine Anforderung, der sich jugendliche Nutzer in ihrer Entwicklung stellen müssen, wobei sie sicherlich auf ein Entgegenkommen Erwachsener angewiesen sind« (ebd.). Den ›neuen‹ Medien in ihrer Bedeutung für Heranwachsende und Jugendliche widmen sich u. a. auch Jan Schmidt et al. (2011) in ihrer Publikation »Heranwachsen mit dem Social Web: Zur Rolle von Web-2.0-Angeboten im Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen« sowie Ralf Vollbrecht (2013) mit dem Band »Mediensozialisation im Jugendalter« mit Blick auf die neuen digitalen Medien (aus einer pädagogischen Perspektive). Mit der Rolle von Radio, Musikfernsehen sowie Internet für die Sozialisation von Jugendlichen befassen sich auf der Basis empirischer Studien Klaus Boehnke und Thomas Münch (2005) in ihrer Publikation »Jugendsozialisation und Medien«. <?page no="499"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 500 Medienpersonen als Sozialisationsagenten bei Jugendlichen Im Rahmen des DFG-Forschungsprojekts »Medienbeziehungen und Identitätskonstruktion im Jugendalter« wurde der Stellenwert populärer Medienpersonen in ihrer Bedeutung für jugendliche Fans und deren Identitätsbildung erforscht (vgl. Wegener 2007). Da Medien Bestandteil des alltäglichen Lebens sind, kann davon ausgegangen werden, dass auch Medienfiguren als Sozialisationsagenten fungieren können. Für das Projekt wurden unterschiedliche Ansätze aus verschiedenen Teildisziplinen zusammengeführt, das Forschungsprojekt war breit angelegt (Sekundärauswertung einer Repräsentativbefragung von mehr als 3000 Jugendlichen, qualitative Inhaltsanalyse der Zeitschrift Bravo, Onlinebefragung jugendlicher Fans sowie qualitative Befragung von Fans mittels Leitfadeninterview). In der 2005 durchgeführten Onlinebefragung von Personen im Alter zwischen 12 und 25 Jahren - um deren Ergebnisse geht es hier - wurden die Befragten um Angaben nach ihrem Fan-Verhalten gebeten. Als Medienpersonen und Vertreter der Popular Culture standen Britney Spears, Robbie Williams, Eminem und Jeanette Biedermann im Vordergrund. Es zeigte sich, dass diese Medienpersonen unterschiedliche Identitätsfelder (soziale Beziehungen; Arbeit und Leistung; persönliche Werte) repräsentieren und den Jugendlichen damit Projektionsflächen bieten. Claudia Wegener resümiert: »Als Agenten der Sozialisation bieten Medienpersonen Jugendlichen […] die Möglichkeit, in Interaktion mit der medial gesetzten Umwelt auch zum Produzenten eigener Entwicklung zu werden. Damit stellt sich Mediensozialisation nicht als Geworfen-Sein in strukturelle Zusammenhänge dar, sondern muss vielmehr als Potenzial Jugendlicher begriffen werden, den sozialen Kontext, der wiederum auf den Jugendlichen selbst zurückwirken kann, eigenständig zu erweitern« (Wegener 2007, S. 199). Daniel Süss und Eveline Hipeli weisen darauf hin, dass v. a. für Jugendliche das Fernsehen »für soziale Vergleiche, z. B. mit Figuren in Soap Operas und Talkshows und für die Anschlusskommunikation« noch immer »wichtig [ist]« (Süss/ Hipeli 2010, S. 142). Zur Sozialisationsrelevanz der Medien im Selbstfindungsprozess von Jugendlichen liegt der von Lothar Mikos et al. (2009) herausgegebene Sammelband »Mediennutzung, Identität und Identifikation« vor. Medien, Freunde , Sport Im Hinblick auf ihre Freizeitgestaltung setzen die Jugendlichen weitgehend auf drei Säulen (vgl. van Eimeren/ Maier-Lesch 1997, S. 592ff): auf die Medien, die Freunde (»peer group«, also Angehörige derselben Gruppe) und den Sport. 1) Zunächst zu den Medien: Fernsehen, Musikhören, Computerspiele und in jüngster Zeit v. a. die Beschäftigung mit dem Computer und verwandten Medienensembles (vgl. w. o.) nehmen breiten Raum ein (vgl. w. u.). 2) Die Freunde (Peergroup) sind für die Jugendlichen nach wie vor wichtiger Erlebnis- und Artikulationsraum zum Erlernen und Erproben sozialer Verhaltensweisen - »aber auch zur Abgrenzung gegenüber der Erwachsenenwelt, die in vielen Aspekten dieser Altersphase als nicht erstrebenswert gilt« (Eimeren/ Maier-Lesch 1997, S. 593). Zugleich ist die Peergroup eine wichtige Informationsquelle von Jugendlichen, um sich über Aktuelles vielfältiger Art auf dem Laufenden zu halten. »Mit Beginn des Jugendalters gewinnt die Gleichaltrigengruppe für die Herausbildung von Einstellungen und Meinungen immer mehr an Bedeutung. Die Peergroup übernimmt nun teilweise die Funktion, die vorher die Eltern hatten« (Eggert 2001, S. 81). Wichtig für Jugendliche sind v. a. »Zugehörigkeit, Anerkennung, gemeinsames Erleben, geteilte Erfahrungen, ähnliche Weltbezüge und der Schutz- und Erprobungsraum der Clique« (Lüders 2012, S. 14). In jüngster Zeit dienen auch die sozialen Netzwerke vielfältigem Austausch unter Peers (vgl. Ferchhoff 2010). Kommunikations- und Interaktionsformen unterscheiden sich hinsichtlich der Gruppenzusammensetzung (reine Mädchengruppen vs. reine Jungengruppen <?page no="500"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 501 vs. gemischte Gruppen). Medienbezogene Dimensionen können auch für die Entstehung und den Zusammenhalt von Peergroups eine wichtige Rolle spielen. Weiterhin kommt informellen Strukturen, z. B. der Selbstinszenierung durch Konsum- und Freizeitverhalten oder Musik eine »quasi-formale Bedeutung« zu (vgl. Ferchhoff 2010, S. 197). Für die Identitätsfindung, insbesondere der Möglichkeit, verschiedene Rollen auszuprobieren, bieten virtuelle Welten neue Spielräume: »Immerhin hat sich in den letzten Jahren die Besiedelung der Freundeszentralen durch das Internet etwa qua Facebook, Myspace, schülerVZ, studiVZ, StayFriends und wer-kennt-wen.de enorm beschleunigt. In diesen neuartigen Freundesnetzen treffen sich die Jugendlichen permanent online - v. a. mit denjenigen Gruppen und Freunden, die sie auch schon aus dem echten Leben kennen, um sich noch enger dauerpräsent zusammenzuschließen, immerhin eine autonome Jugendkultur in dem Sinne, dass die eigenen Jugendgemeinschaften den ratlosen Eltern und Pädagogen entzogen werden - eine garantiert erwachsenenfreie Zone« (Ferchhoff 2010, S. 199; vgl. auch Grgic/ Holzmayer 2012, S. 20f ). 3) Unter den Freizeitaktivitäten allgemein rangiert laut JIM 2012 der Sport (nach Freunde treffen) an zweiter Stelle (vgl. JIM 2012, S. 9). Für rund drei Viertel der Befragten stellt er eine wichtige, nonmediale Freizeitaktivität dar. Einer 2012 publizierten Studie zufolge zählen zu den häufigsten Sportarten im Jugendalter »Fußballspielen, Laufen und Fahrradfahren, aber auch Fitness, Reiten, Skaten und sogar die Trendsportart ›Parcouring‹, eine Art Hindernislauf. […] Jungen (85 Prozent) treiben deutlich häufiger Sport als Mädchen (75 Prozent). Jugendliche mit niedrigem sozioökonomischem Status sind etwas seltener sportlich aktiv« (Grgic/ Holzmayer 2012, S. 19). Mit der Bedeutung von Sport für die Sozialisation befasst sich u. a. auch Andreas Hoffmann (2008), wo es auch weiterführende Literaturhinweise gibt. In seinem Werk »Mediensozialisation von Heranwachsenden« bietet Daniel Süss (2004) einen fundierten Überblick über theoretische Grundlagen der Mediensozialisationsforschung. Mit dem Thema Sozialisation bzw. Mediensozialisation befasst sich grundlegend auch Ulrich Saxer (2012, S.-410-490) in seiner lesenswerten Publikation »Mediengesellschaft«. Aktuelle allgemeine Theorien der Mediensozialisation sind dem im Frühjahr 2013 erschienenen Band »Mediensozialisation. Theorie und Empirie zum Erwerb medienbezogener Dispositionen« von Benjamin Krämer (2013) zu entnehmen - eine innovative Studie, die hier im Einzelnen nicht mehr berücksichtigt werden konnte. Nur so viel: Der Autor stellt zunächst theoretisch dar, »wie die gesellschaftliche Position und der Lebensverlauf einer Person dazu führen, dass sie kognitive, emotionale, wertungs- und verhaltensbezogene Dispositionen erwirbt, die dann Mediennutzung strukturieren. Darauf aufbauend führt er mittels einer quantitativen empirischen Studie medienbezogene Haltungen von Befragten auf die Eigenschaften von Sozialisationsinstanzen wie Familie, Schule und Arbeit sowie auf typische Lebensverlaufsmuster zurück« (so die Inhaltsbeschreibung am Umschlagtext des Buches). 5.3.1.6 Politische Sozialisation und Massenmedien Heinz Pürer, Philip Baugut Mit politischer Sozialisation wird allgemein die Gesamtheit politikbezogener Lernprozesse in Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter bezeichnet (vgl. Bonfadelli 1998, S.-344). Sie ist als »Teilprozess der allgemeinen Sozialisation« (Rippl 2008, S. 443) ein lebenslang andauernder Vorgang, in dessen Verlauf von einem Individuum politische Grundeinstellungen erworben, weiterentwickelt und durchaus auch verändert werden können. Die ältere Sozialisationsforschung war auf die abgegrenzten Lebensphasen (Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter) fixiert, die jüngere Sozialisationsforschung hingegen betont »die Offenheit des Sozialisationsprozesses als lebenslanges Lernen« (Bonfadelli 1998, S. 344). <?page no="501"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 502 Und so erweist sich auch »die Entwicklung der politischen Persönlichkeit als ein äußerst komplexer, lebenslanger und offener Prozess im Spannungsfeld verschiedenster sozialer Instanzen« (ebd.). Die Auseinandersetzung mit politischer Sozialisation ist grundsätzlich stark normativ geprägt. So stellt sich in demokratischen Systemen »die Frage nach der Herausbildung eines demokratischen Charakters« (Bonfadelli 1998, S. 342; Hervorh. im Orig.) im Prozess der politischen Sozialisation. Bezogen auf Massenkommunikation ist in diesem Zusammenhang von Interesse, welchen Beitrag die Massenmedien zur politischen Sozialisation leisten. Naheliegend ist die Annahme, dass die Massenmedien »beim Erlernen der Staatsbürgerrolle mitwirken, indem sie politisches Wissen, Motive, Einstellungen, Handlungsmodelle, Normen und Wertorientierung vermitteln« (Schulz 1997, S.-108). Schließlich sind Massenmedien rund um die Uhr präsent und vermitteln eine Fülle von Sekundärerfahrungen aus allen Lebensbereichen, insbesondere aus der Welt der Politik. Dies gilt nicht nur, aber v. a. für das Medium Fernsehen, das gerade im Bereich der Berichterstattung über das Geschehen auf höheren politischen Ebenen das - auch von jüngeren Bevölkerungsgruppen - am meisten genutzte Medium ist (vgl. Mende et al. 2012, S. 6; AWA 2011b). Laut JIM-Studie besaßen 2012 sechzig Prozent der 12bis 19-Jährigen ein eigenes Fernsehgerät, neun von zehn nutzten das Fernsehen mindestens mehrmals pro Woche (Feierabend et al. 2012). Neben seiner hohen Reichweite und extensiven Nutzung ist auch die (bisweilen vermeintliche) Authentizität des Fernsehens ein Merkmal, das beträchtliche Sozialisationseffekte erwarten lässt (vgl. Schulz 1997, S. 140). Hier zeigt sich, dass man die politische Sozialisationsforschung mit der Kultivierungsforschung in der Tradition George Gerbners verbinden kann (vgl. Kap. 4.4.3.3 zur Kultivierungsforschung). Die Massenmedien sind gleichwohl nur eine mögliche Sozialisationsinstanz, auch in der realen Erfahrungswelt wie in der Schule, der Familie oder unter Gleichaltrigen (peers) werden politische Weltbilder geformt (vgl. Hyman 1959). Es ist davon auszugehen, dass diese Instanzen der politischen Sozialisation wiederum Einflüssen der Massenmedien unterliegen (vgl. McLeod/ Shah 2009). Somit kann man von indirekten Medieneffekten auf die politische Sozialisation sprechen. Die Wirkungsbeziehungen zwischen Medien und anderen Sozialisationsinstanzen sind jedoch oftmals wechselseitig: Politische Diskussionen »im Familien- und Freundeskreis stimulieren die Informationssuche in den Massenmedien, und die Mediennutzung regt wiederum familiäre Diskussionen an. Nach ähnlichen Wechselbeziehungen vollzieht sich die Aneignung politischen Wissens und politischer Einstellungen« (Schulz 1997, S.-112). Es existieren zahlreiche Untersuchungen, die mediale und nichtmediale Sozialisationsinstanzen miteinander vergleichen und zu dem Ergebnis kommen, die Medien seien die wichtigere Quelle politischer Information (z. B. Patzelt 1988; Schulz 2011, S. 168). Bei Vergleichen von medialen und nichtmedialen Sozialisationsinstanzen stellt sich jedoch immer die Frage, in welcher Hinsicht diese vorgenommen werden und ob diese überhaupt möglich sind. Die Medien unterscheiden sich insbesondere dadurch von anderen Sozialisationsinstanzen, dass sie keine spezifischen Erziehungsziele verfolgen und keine persönliche Interaktion ermöglichen (Rippl 2008, S. 452). Die dargestellten Wirkungsmöglichkeiten von Massenmedien werfen die Frage auf, welche Ansprüche an diese zu stellen sind. Aus demokratiepolitischer Perspektive soll politische Sozialisation durch Massenmedien v. a. der politischen Aufklärung der Staatsbürger dienen. So ist in Deutschland das Grundgesetz »am normativen Leitbild des mündigen, d. h. in öffentlichen Belangen selbständig handlungskompetenten Staatsbürgers orientiert« (Pöttker 1996, S.-149). Art. 5 des Grundgesetzes garantiert Informations- und Meinungsfreiheit, die durch unabhängige Massenmedien gewährleistet werden soll. Horst Pöttker sieht bei dem Versuch, das Ziel der Vermittlung öffentlicher Handlungskompetenz (Aufklärung) genauer und konkreter zu bestimmen, drei verschiedene Teilziele legitimer politischer Sozialisation durch Massenmedien in westlichen Demokratien, nämlich: Sachwissen/ Information; Partizipationsbereitschaft/ Politisierung sowie Kritik und Kontrolle/ Konfliktbereitschaft (vgl. Pöttker 1996, S.-150f ). Dazu im Einzelnen: <?page no="502"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 503 Sachwissen/ Information: Politische Handlungskompetenz der Staatsbürger erfordert Grundkenntnisse in Bereichen staatlicher Regulierung. In komplexen Gesellschaften ist jedoch nur ein kleiner Ausschnitt der Realität der unmittelbaren Erfahrung des einzelnen Menschen zugänglich. Daher stellt sich den Massenmedien die Aufgabe, fehlende unmittelbare Erfahrung zu ersetzen (Pöttker 1996, S. 150). Folglich sind »die Vermittlung von Sachwissen und Komplexitätsüberbrückung« (ebd.) essenzielle Bestandteile des massenmedialen Auftrags. Partizipationsbereitschaft/ Politisierung: Politische Handlungskompetenz erfordert nach Pöttker (1996, S. 150) neben der Fähigkeit auch die Motivation, sich an der staatlichen Willensbildung zu beteiligen. Daher sollen die Massenmedien in demokratischen Systemen die Partizipationsbereitschaft der Rezipienten fördern. Massenmedien obliegt es daher, einerseits zu zeigen, dass der in komplexen Gesellschaften der unmittelbaren Wahrnehmung weitgehend entzogene Bereich der staatlichen Regulierung die Lebenswirklichkeit der Bürger berührt. Andererseits gilt es zu zeigen, dass die Handlungsweisen der Bürger politisch relevante Folgen haben (Pöttker 1996, S.- 150). Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang etwa mit Blick auf die europäische Krise, dass 58 Prozent der deutschen Bevölkerung »oft das Gefühl [haben], dass man selbst mit Interesse und Engagement politisch nichts bewirken kann« (Köcher 2012). Kritik und Kontrolle/ Konfliktbereitschaft: Ein wichtiges Teilziel der Aufklärung durch Massenmedien schließlich ist die Kontrolle derjenigen, die die Herrschaft ausüben. Diese Kontrolle erfolgt nicht zuletzt dadurch, dass Kritik an politischen Absichten und Entscheidungen öffentlich gemacht wird. »Der dabei angestrebte Sozialisationseffekt ist eine grundsätzlich skeptische Einstellung der Rezipienten gegenüber staatlicher Macht und ihren Trägern« (Pöttker 1996, S.- 151). Dabei kann freilich nicht übersehen werden, dass viele Massenmedien - v. a. große Medienkonzerne - selbst Machtinteressen verfolgen und daher ebenso der Kontrolle bedürfen. Neben dieser Betrachtung aus dem Blickwinkel der politischen Kommunikationsforschung gibt es noch andere disziplinäre Zugänge zum Thema politische Sozialisation. Aus psychologischer Perspektive z. B. ist die Herausbildung der politischen Identität oder Persönlichkeit von Interesse; aus soziologischer Perspektive die Frage, was politische Sozialisation zur Integration in die Gesellschaft bzw. ins politische System leistet. Politische Sozialisation wird dabei als lebenslanges politisches Lernen gesehen. »Dieser Lernprozess wird zudem nicht mehr nur einseitig als Anpassung und passive Übernahme gesellschaftlicher Rollenverpflichtungen thematisiert, sondern als Interdependenzbeziehung im Sinne einer aktiven Auseinandersetzung oder gar als produktives Spannungsverhältnis zwischen Individuum und gesellschaftlichen [bzw. politischen - Ergänzung H. P.] Sozialisationsinstanzen verstanden (Bonfadelli 1998, S. 344). Dieser Perspektivwechsel kennzeichnet inzwischen auch den Blick auf Politik, die nicht mehr nur staatsbezogen, sondern sich als »Gesamtheit aller ordnenden Einrichtungen und Prozesse der Gesellschaft« (S. 344) verstehen lässt. Im Rahmen seiner politischen Sozialisation »wächst der Mensch in die Gesellschaft im Allgemeinen und in die Politik im Speziellen hinein, erlernt die für die Rolle des politischen Bürgers wesentlichen Normen und Verhaltensmuster und eignet sich die damit zusammenhängenden kognitiven Elemente der (politischen) Kultur an« (Bonfadelli 1998, S.-345). Nachfolgend seien einige Ergebnisse zum Thema politische Sozialisation und Massenkommunikation vorgestellt. Sie sind angesichts der zahlreichen disziplinären Zugänge notgedrungen kursorisch, lückenhaft und unvollständig (vgl. Bonfadelli 1998). Sie beruhen im Wesentlichen auf den Veröffentlichungen von Winfried Schulz (2011), Bernd Schorb (2008) und Heinz Bonfadelli (1998), die ihrerseits auf relevante Ergebnisse aus der einschlägigen Forschung zum Thema verweisen (vgl. dazu auch die bei Schulz und Bonfadelli weiterführenden Literaturhinweise): <?page no="503"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 504 • Seit den 1960er-Jahren ist ein genereller Anstieg des politischen Interesses in der Wahlbevölkerung in der BRD festzustellen. Seit den 1980er-Jahren kam es allerdings zu keiner bedeutenden Niveauverschiebung mehr. Nach einer Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2012 sind 56 Prozent der Bevölkerung politisches interessiert, 37 Prozent sind ›nicht besonders‹ interessiert, 7 Prozent ›gar nicht‹ interessiert (Institut für Demoskopie Allensbach 2012). Im Osten Deutschlands liegt das politische Interesse insgesamt etwas niedriger. Aufgrund der DDR-Vergangenheit und des Systemwechsels liegen hier spezifische Sozialisationserfahrungen vor, die sich in einer ausgeprägten Unterhaltungsorientierung zu äußern scheinen (vgl. Meyen 2004, S. 166). • Die Generation der 18bis 29-Jährigen in Deutschland ist unterdurchschnittlich an Politik interessiert, wie die Allbus-Umfragen zeigen. Problematisch erscheint, dass das politische Interesse bei unter 25-Jährigen heute wesentlich niedriger liegt als noch Mitte der 1990er-Jahre, und dies insbesondere für diejenigen mit niedrigem sozioökonomischen Status gilt (AWAa 2011). • Am staatlichen Charakter von Politik, d. h. an Strukturen und dem Handeln der Regierenden haben Jugendliche eher wenig Interesse, stärker interessieren sie sich für spezielle politische Inhalte (Schorb 2008, S 157). So ist bei jüngeren Menschen eine hohe Sensibilität für konkrete politische Probleme (z. B. Krieg, Umweltschutz, Atomenergie etc.) festzustellen (vgl. Bonfadelli 1998, S.-347). • Kinder und Jugendliche kommen heute relativ früh mit dem näheren und weiteren politischen Geschehen in Kontakt - hauptsächlich über die Nutzung der elektronischen Medien Fernsehen und Hörfunk. Die gezielt politikorientierte Nutzung der Medien, bzw. der Zeitung, bildet sich aber erst allmählich im Entwicklungsablauf heraus (vgl. Bonfadelli 1998, S.-348). • Unter den Jugendlichen besteht nach Schorb eine »Informationskluft« zwischen »Nahsichtigen« und »Weitsichtigen« (Schorb 2008, S. 162-163). Letztere haben eine ausgeprägte Sensibilität für die gesellschaftliche Relevanz von Themen und nutzen ein breites Spektrum an seriöser Information. Dagegen ist für die ›Nahsichtigen‹ primär das relevant, was in ihren Augen einen unmittelbaren Bezug zu ihrem Alltag hat und in boulevardesken Medieninhalten gesucht wird (ebd.). • Wie Kinder und Jugendliche politische Informationen in den Medien nutzen und verarbeiten, hängt stark vom »Anregungsmilieu« der Familie bzw. Eltern ab (Schorb 2003). • Politische Mediennutzung ist v. a. eine Frage des Alters. Die Nutzung politischer Information in Fernsehen und Tagespresse steigt zwar stetig mit dem Lebensalter, jedoch deuten Langzeitvergleiche darauf hin, dass die heute jüngere Generation später nicht die Nutzungsintensität der heute älteren Generation aufweisen wird (Schulz 2011, S. 169). • Politisches Interesse hängt einerseits von zahlreichen Individualmerkmalen wie etwa Alter und Bildung ab. Andererseits beeinflusst auch die soziale Umgebung (z. B. die demokratische Reife eines Landes) das politische Interesse. Fraglich ist, in welchem Maße die Struktur des politischen Medienangebots das politische Interesse stimuliert. Immerhin lässt sich zeigen, dass in Deutschland mit der Ausbreitung des Fernsehens in den 1960er-Jahren auch das politische Interesse zunahm (Peiser 1999). Nach Ansicht von Winfried Schulz war dies jedoch »eine historisch einmalige Situation« (Schulz 2011, S. 208). Der Anstieg des politischen Interesses sei auf die Neuigkeit des Mediums Fernsehens sowie auf den damaligen Wandel der politischen Kultur zurückzuführen (ebd). In welchem Maße unterschiedliche Mediengattungen politisches Interesse stimulieren oder gar verstärken, ist in jüngeren Studien erforscht worden. In den USA sind es insbesondere Fernsehnachrichten, die das politische Interesse jener verstärken, die ohnehin schon politisch interessiert sind (Boulianne 2011). • Der Bildungsgrad hängt eng mit politischem Interesse und so auch mit der politischen Mediennutzung sowie dem politischen Wissen zusammen. Diese Zusammenhänge behandelt die For- <?page no="504"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 505 schung zur Wissenskluft, die von der Hypothese ausgeht, dass der sozioökonomische Status die zentrale Ursache von Wissensklüften zu sein scheint (vgl. Kap. 4.4.3.2). Für die politische Sozialisationsforschung sind auch Befunde zum Zusammenhang zwischen Medien- und Politikverdrossenheit relevant (hierzu im Überblick Schmitt-Beck/ Voltmer 2007). Im Sinne der sog. Malaise-Hypothese zeigen einige Studien, dass die intensive Nutzung des Fernsehens verglichen mit anderen Mediengattungen eher zur Politikverdrossenheit beiträgt (Schulz 2011, S. 206). Dies könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass politische Inhalte im Fernsehen eher oberflächlich, d. h. nicht ausreichend kontextualisiert rezipiert und verarbeitet werden. Allerdings hängen Medieneffekte bezüglich Politikverdrossenheit stark von Prädispositionen der Rezipienten sowie von politischen Kontextfaktoren ab (Schulz 2011, S. 206-207). 5.3.2 Gewalt und Massenmedien Ein weiteres Teilgebiet der medialen Sozialisationsforschung stellt das Thema Massenmedien und gesellschaftliche Gewalt dar. Die Vorstellung, wonach medienvermittelte Gewalt zu (noch) mehr Gewalt in der Gesellschaft führt, ist weit verbreitet und im Prinzip auch nicht so ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Allerdings ist eine differenzierte Sichtweise erforderlich. Dem Medium Fernsehen wurde (und wird) im Kontext dieser Debatte nicht zuletzt im Hinblick auf seine vergleichsweise größere Authentizität, Realitätsnähe und Suggestivkraft besondere Aufmerksamkeit wissenschaftlicher Forschung zuteil (vgl. u. a. Kunczik/ Zipfel 2006); in jüngerer Zeit widmet sich die Wissenschaft auch der Gewalt in Computer- und Onlinespielen, ebenso dem Suchtpotenzial von Computerspielen und Internetangeboten (vgl. Friedrich 2013, S. 402f; siehe auch www.onlinesucht.de). Bereits Kinder erhalten viel Gewalt durch Angebote im Fernsehen vermittelt. Sie können dabei viele Methoden sehen und zudem auch kennen lernen, wie man andere Menschen durch die Anwendung von physischer (und psychischer) Gewalt verletzen und erniedrigen kann. Oftmals wird violentes, also gewalttätiges Verhalten auch als erfolgreiches Mittel zu Erreichung persönlicher und sozialer Ziele dargestellt; und in vielen im Fernsehen und in Filmen (sowie auch in Onlineangeboten) gezeigten Situationen erscheint Gewalt als sozial akzeptiert und wird zudem nicht selten auch belohnt (vgl. Bonfadelli 1981, S.-259f ). Problematisch ist in diesem Zusammenhang, wenn Gewalt zur Durchsetzung gesellschaftlich anerkannter Ziele wie Recht und Gerechtigkeit legitimiert (ebd.; vgl. auch Kunczik/ Zipfel 2006, S. 46) oder wenn - wie in problematischen Computer- und Onlinespielen - Gewaltanwendung interaktiv eingesetzt wird und geübt werden kann, um bestimmte Ziele zu erreichen. Insgesamt gibt es zum Thema »Gewalt und Medien« so viele Studien, dass nachfolgend - wie auf vielen anderen Gebieten der Kommunikationswissenschaft - nur ein Ausschnitt zur Thematik dargeboten werden kann. Zunächst wird das zunehmend unübersichtliche Feld der Mediengewaltforschung als interdisziplinäre Herausforderung skizziert, bevor die zentralen theoretischen Ansätze, die Methodik sowie die Schlüsselvariablen in der Mediengewaltforschung zur Sprache kommen. Darüber hinaus erhalten gegen Ende dieses Abschnitts auch neuere Perspektiven auf Mediengewalt, z. B. das Thema Cybermobbing, Aufmerksamkeit. Ausführungen zur Medienethik, die im Gewalt-Kontext unverzichtbar erscheinen, sowie das Mehrebenenmodell der Mediengewaltforschung (vgl. Brosius et al. 2010) runden dieses Kapitel ab. <?page no="505"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 506 5.3.2.1 Theorienvielfalt der Mediengewaltforschung Zum Thema Gewalt und Medien lagen Mitte der 1990er-Jahre weltweit an die 5.000 wissenschaftliche Studien vor (vgl. Früh 1995), und bisweilen ist es schwierig, diese Studien psychologischer, kommunikationswissenschaftlicher, pädagogischer, soziologischer, philologischer, filmwissenschaftlicher und auch kriminologischer Herkunft (vgl. u. a. Brosius/ Schwer 2008, S. 35ff) eindeutig zuzuordnen: »Zwar stimmen Forschende insgesamt überein, dass regelmäßiger und exzessiver Mediengewaltkonsum die Wahrscheinlichkeit aggressiven Verhaltens erhöht und damit prinzipiell negative Wirkungen hat. Wie stark solche Medieneffekte bei einzelnen Rezipientengruppen jedoch ausfallen, dazu ist die empirische Befundlage unübersichtlich. Die verschiedenen Forschungsstränge und Ergebnisinterpretationen lassen sich nur schwer zu einem klar konturierten Bild zusammenfügen, welches eindeutige Antworten erlauben würde. Das liegt zum einen am Gegenstand selbst, der an der Schnittstelle verschiedener Disziplinen liegt« (Friedrich 2013, S. 402), zum anderen an der »zersplitterten Befundlage durch bestimmte Entwicklungen der Theorienbildung« sowie an der methodisch unterschiedlich vorgehenden »empirischen Mediengewaltforschung« (ebd.; vgl. auch Kunczik/ Zipfel 2006, Brosius et al. 2010). Theoretische Ansätze der Gewaltforschung Zum Thema Gewalt und Medien gibt es zahlreiche Thesen, Theorien und Modelle, die in der wissenschaftlichen Literatur vorzufindenden Kataloge unterscheiden sich nicht wesentlich. Michael Kunczik beobachtet das Feld der Medien-Gewaltforschung weltweit seit vielen Jahren. Seinem regelmäßig aktualisierten Buch über »Gewalt und Medien« , das sich dem Thema u. a. auch historisch annähert, sind die wichtigsten Thesen bzw. Gewalttheorien an Beispielen relevanter (empirischer) Studien im Einzelnen zu entnehmen (siehe Kunczik/ Zipfel 2006, S. 79-193). Anschauliche Abbildungen sowie eine umfassende Methodendiskussion ergänzen die Ausführungen. Von Katja Friedrich stammt eine kompakte, anhand wichtiger Kriterien (Wirkungsdauer, Wirkungsmechanismus, kognitive Ebene, emotionale/ physiologische Ebene sowie Verhaltensebene) aufgeschlüsselte und geordnete Übersicht zentraler Theorien (Friedrich 2013, S. 404-405, Tab. 1), von denen viele auch bei Kunczik/ Zipfel (2006) sowie auch bei Brosius et al. (2010) vorzufinden sind. Die Kernaussagen dieser Thesen und Theorien werden nachfolgend in enger Anlehnung an Kunczik/ Zipfel (2006) und Friedrich (2013) in groben Skizzen umrissen: • Theorie der Wirkungslosigkeit: Mediengewalt zieht auf der individuellen Ebene (außer in pathologischen Fällen) keine Wirkung nach sich; • Katharsisthese: Mediengewaltkonsum als Möglichkeit, den menschlichen Aggressionstrieb in der Phantasie auszuleben; Miterleben von Gewalt vermindert Aggressionsbereitschaft (kurzfristige Effekte) • Inhibitionsthese: Nutzung von Mediengewalt löst Angst aus, Angst hemmt Aggressionsbereitschaft; • Desensibilisierungs-/ Habitualisierungsthese: regelmäßiger Mediengewalt-Konsum reduziert kognitive und emotionale Reaktionen auf reale Gewalt; emotionale Abstumpfung; • Arousal: Excitation-Transfer-Ansatz: Mediengewalt löst (neben anderen Inhalten) unspezifische emotionale Erregungszustände aus, die nachfolgendes Verhalten beeinflussen können; • Stimulationsthese: Gewaltdarstellungen können (bei zuvor frustrierten Personen) emotionale Erregung bewirken und zumindest kurzfristig zu Aggressionsbereitschaft führen; <?page no="506"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 507 • Kultivierungsthese: wiederholter Mediengewalt-Konsum führt zu verzerrten Realitätsvorstellungen; chronische Verfügbarkeit violenter Konstrukte im Gedächtnis; ruft Angst hervor, Opfer eines Verbrechens zu werden; Misstrauen gegenüber Umwelt; • Gewaltdarstellungen und Angstauslösung: Angst als (kurzfristige) Folge des Konsums v. a. gewalthaltiger Medieninhalte (v. a. bei Kindern, teils auch jungen Erwachsenen; u. a. Ess- und Schlafstörungen); • Copycat-/ Werther-Effekt: Nachahmung medial verbreiteter (realer wie fiktiver) Gewalttaten und Suizide (als Lösungsstrategie für Probleme); Imitation, Nachahmungstaten; • Priming: Mediengewalt-Konsum erhöht temporär die Verfügbarkeit aggressiver Schemata, dadurch Interpretation des Verhaltens anderer als aggressiv und feindselig; Aktivierung feindseliger und aggressiver Schemata erhöht Wahrscheinlichkeit aggressiven Verhaltens; • Skript-Theorie: Schlüsselreize können mentale Routinen bzw. Programme (Skripts) aktivieren, die (bei Kindern) aggressives Verhalten als Problemlösungsstrategien vorsehen; (Modell der Informationsverarbeitung, das Elemente der Lerntheorie und des Priming-Ansatzes verbindet); • Soziale Lerntheorie, sozial-kognitive Theorie: Erlernen aggressiver Verhaltensmuster; kurzfristig: Beobachtungslernen, Imitation; langfristig: Internalisierung aggressiver Wissensstrukturen, Einstellungen und Verhaltensskripte, generalisierte Nachahmung; • Rechtfertigung von Verbrechen: Mediengewalt als Rechtfertigung für Verbrechen und Aggressivität; Rationalisierungstechniken, um sich als Aggressor günstiges Selbstbild zu bewahren; Schutz vor Selbstvorwürfen und Vorwürfen anderer für Ausführung einer Tat; • General Aggression Model (GAM): Rezeption von Mediengewalt prägt kurz- und langfristig aggressive Kognitionen und führt kurzfristig zu höherer Erregung und aggressiven Gefühlszuständen; aggressive Wissensstrukturen erhöhen kurz- und langfristig die Wahrscheinlichkeit aggressiven Verhaltens. • Kognitiv-physiologischer Ansatz: komplexes Modell mit Verbindung von Nutzungs- und Wirkungsperspektive von Mediengewalt, Berücksichtigung inhalts- und personenbezogener Aspekte; Wirkungsbandbreite von Gewaltrechtfertigung bis zu Gewaltablehnung, von Angst bis zu unterhaltender Spannung, von politischer Entfremdung bis zu gesteigertem Selbstbewusstsein; Mehrzahl der festgestellten Wirkungen von Spielfilmgewalt folgt der Logik negativen Lernens (rezipierte Gewaltmodelle werden kritisch reflektiert, Folge eher Abschwächung statt Stärkung von Violenz); Opferperspektive Ausgangspunkt für Wirkungsprozesse; »Wirkungspotpourri der Spielfilmgewaltrezeption« (Grimm 1999, S. 706). Weitergehende Ausführungen mit zahlreichen Hinweisen auf Autoren und deren einschlägige Studien zu den einzelnen Thesen bzw. Theorien und Modellen finden sich bei Kunczik/ Zipfel (2006). Zur Katharsis-These haben jüngst Hans-Bernd Brosius und Sonja Kniependorf einen Beitrag vorgelegt (Brosius/ Kriependorf 2012). In jüngerer Zeit wird der Desensibilisierungsthese sowie v. a. dem General Aggression Model (GAM) mit dem darin beschriebenen kognitiven und emotional-physiologischen Wirkprozessen wissenschaftliche Aufmerksamkeit zuteil (Friedrich 2013, S. 403 und S. 406; vgl. auch Brosius et al. 2010, S. 34, Abb. 3). Die wissenschaftliche Forschung ist (neben Psychologisierung) v. a. durch Spezialisierung geprägt, mit »detaillierten Theorien zu spezifischen Phänomenen und Medienwirkungsprozessen auf kognitiver, affektiver und physiologischer Ebene« (Friedrich 2013, S. 406). Über deren Zusammenspiel und Einflussgrößen sowie deren relatives Gewicht bei der Entstehung von Mediengewalteffekten ist immer noch eher wenig bekannt. Im GAM wird in Verbindung mit einer sozialisationstheoretischen Perspektive ein Ansatzpunkt gesehen, »um die vielfältigen Einflussfaktoren und theoretischen Ansätze in einer umfassenderen Perspektive zusammenzuführen. Das GAM integriert <?page no="507"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 508 Kerngedanken der wichtigsten Erklärungsansätze mit Fokus auf kognitive, affektive und physiologische Verarbeitungsprozesse in ein gemeinsames Modell. Seine Basis bilden lerntheoretische Annahmen, Informationsverarbeitungsmodelle, die kognitiv-neoassoziationistische Theorie, die Skript- Theorie und der Excitation-Transfer-Ansatz« (Friedrich 2013, S. 406f ). Das GAM, so Kunczik/ Zipfel, »drückt die im Grunde nicht neue Idee aus, dass aggressive Medieninhalte Aggressionen steigern können, indem sie Rezipienten zeigen, wie man Gewalt ausübt, indem sie aggressive Kognitionen prägen, indem sie die Erregung steigern oder indem sie einen aggressiven Gefühlszustand hervorrufen« (Kunczik/ Zipfel 2006, S. 184). Das mehrere Theorien integrierende Modell fußt auf der Annahme, »dass die Ausübung von Gewalt v. a. auf dem Lernen, der Aktivierung und der Anwendung aggressionsbezogener, im Gedächtnis gespeicherter Wissensstrukturen basiert« (Kunczik/ Zipfel 2006, S.-183). Nähere Ausführungen zum General Aggression Modell sowie weiterführenden Literaturhinweisen sind Kunczik/ Zipfel (2006, S. 183-187) zu entnehmen. In den hier erwähnten Katalogen von Thesen zur Wirkung von Mediengewalt wird in besonderer Weise die Theorie des Beobachtungslernens von Albert Bandura (1962, 1964, 1979, 2001) angesprochen. Kunczik/ Zipfel führen Banduras Überlegungen und Studien als Bezugsrahmen zur Einordnung von Forschungsbefunden detailliert aus (Kunczik/ Zipfel 2006, S. 149-168, zusammenfassend S. 164, Abb. 2). Von Eveline Hipeli und Daniel Süss (2013) stammt eine gut lesbare, kompakte Darstellung der Lerntheorie mit Blick auf das Einflusspotenzial medialer Vorbilder. Andreas Fahr sieht die lerntheoretischen Überlegungen zur »mittel- und langfristigen Wirkung von Gewaltdarstellungen« gleichsam »quer zu den genannten Wirkungstheorien« (Fahr 2006, S. 86). Die Lerntheorie stellt ein komplexes Konstrukt dar. Wichtig zu erwähnen ist hierzu, dass der Denkfehler nicht begangen werden darf, von Medieninhalten »direkt auf Wirkungen zu schließen« (Kunczik/ Zipfel 2006, S. 157). Bei Fahr sind kompakt jene Faktoren beschrieben, die gegeben sein müssen, damit ein Handlungsmuster »gelernt und in geeigneten Situationen ›angewandt‹« wird (Fahr 2006, S. 86, nachfolgend etwas verkürzt): (1) Ähnlichkeit von realer und medialer Situation; (2) Ähnlichkeit von Modell und Beobachter; (3) Erfolg des Modells (Belohnung); (4) Vorhandensein von Möglichkeiten und Mitteln (wie etwa Waffen); (5) Ausschaltung/ Reduktion aggressionshemmender Faktoren (wie etwa Bestrafung oder Schuldgefühle); (6) Umfang und Qualität von Bekräftigung/ fehlender Sanktionierung aggressiven Verhaltens in der persönlichen Geschichte der Person; (7) geringe Kompetenz, mit Erregung/ Frustration umzugehen; (8) soziale Isolation, niedriges Selbstwertgefühl (vgl. Fahr ebd.). Für »Art und Umfang des Erlernens von aggressivem Verhalten« ist »in erster Linie […] das unmittelbare soziale Umfeld […] verantwortlich. An zweiter Stelle, folgt die Gesellschaft/ Subkultur, in der die Personen leben und mit deren Werten und Normen sie konfrontiert sind. Erst an dritter Stelle folgen schließlich die massenmedial angebotenen aggressiven Modelle. Für die Gesamtgesellschaft ist der Zusammenhang zwischen Mediengewalt und echter Gewalt als gering einzuschätzen. Etwa ein bis vier Prozent späteren aggressiven Verhaltens kann durch den vorherigen Konsum von Mediengewalt erklärt werden. Für einzelne Subgruppen kann unterdessen ein durchaus starker sich selbst verstärkender Zirkel von Mediengewalt und aggressiven Handlungen/ Einstellungen/ Fantasien vermutet werden« (ebd.). <?page no="508"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 509 5.3.2.2 Methoden der Mediengewaltforschung Zum methodischen Einsatz gelangen Beobachtungen und Befragungen - zum Teil als Korrelationsstudien, zumTeil als Experimente - daneben Metaanalysen und auch Inhaltsanalyen. Dazu jeweils kurz im Einzelnen: Am häufigsten sind Experimentaldesigns vorzufinden, um Kausalzusammenhänge unter Kontrolle verschiedener Drittvariablen nachzuweisen (Friedrich 2013, S. 408). Auch kommen psychophysiologische Messverfahren, darunter etwa auch bildgebende Verfahren aus der Neurowissenschaft, hinzu, um kognitive und emotionale Prozesse während der Rezeption von Mediengewalt direkt zu erfassen (ebd.). Viele dieser Studien stellen Laboruntersuchungen im experimentellen Design dar. Dabei werden in eigens für diese Zwecke eingerichteten Räumen die Versuchspersonen Gewaltstimuli (z. B. in Form von Filmen) ausgesetzt und (z.T. vor sowie) nach der Rezeption befragt (z. B. nach ihren Meinungen, Einstellungen, Verhaltensdispositionen). Zum Einsatz kommen aber auch Beobachtungen während (z. B. physiologische oder affektive Reaktionen) oder nach (z. B. Verhalten) der Rezeption. Oftmals waren und sind die Teilnehmer solcher Studien nur studentische Gruppen, sodass die Generalisierung mancher Ergebnisse nicht unproblematisch ist. Gleichwohl sind zahlreiche dieser Untersuchungen für den Erkenntnisfortschritt in der Wirkungsforschung über Gewalt in den Medien, v. a. im Fernsehen, von großer Bedeutung gewesen. Zu Einschränkungen experimenteller Vorgehensweisen siehe Friedrich 2013, S. 409 (vgl. Kap. 6.3.4). Nichtexperimentelle Untersuchungsanlagen sind zu sehen 1) in »Inhaltsanalysen, mit denen Forschende aufgrund von Häufigkeiten und Darstellungsformen der Gewaltakte das Gefährdungspotenzial der Medieninhalte einschätzen« (Friedrich 2013, S. 409 mit Bezugnahme auf Grimm et al. 2005, von denen eine Untersuchung von Gewaltdarstellungen im Fernsehen unter besonderer Berücksichtigung ihres Realitätsbzw. Fiktionsgrades vorliegt). Freilich kann allein aufgrund inhaltsanalytischer Ergebnisse nicht auf Wirkungen bei Rezipienten geschlossen werden, da »die Wirkung von Fernsehinhalten von deren Wahrnehmung abhängt und diese wiederum je nach Rezipient unterschiedlich ausfallen kann« (Kunczik/ Zipfel 2006, S. 53); entscheidend ist, »wie Gewalt wahrgenommen wird« (ebd., S. 59 mit Bezugnahme auf Früh 2001 - vgl. w. u.; Hervorhebung H. P.). Deutlich aussagekräftiger sind 2) Befragungen und Korrelationsstudien, wobei zur Analyse »langfristiger, kumulativer Mediengewaltwirkungen […] Paneldesigns zum Einsatz [kommen]« (Friedrich 2013, S. 409). Dies können »kurze Zeiträume (zwei bis fünf Jahre) mit häufigen Messzeitpunkten« sein (ebd.) oder sich über viele Jahre erstreckende Zeiträume mit nur wenigen Messungen innerhalb dieser Zeitspanne (vgl. ebd., S. 409f ). »Die Stärke von Langzeitstudien liegt darin, regelmäßige Mediengewaltnutzung im Kontext von personalen und sozialen Faktoren zu untersuchen und damit die relative Bedeutung von Mediengewalt im Zusammenhang mit anderen Einflussgrößen besser einschätzen zu können« (Friedrich 2013, S. 410). Ein Nachteil von Befragungen ist u. a. in der Verlässlichkeit von Selbstauskünften der Probanden zu sehen (vgl. ebd.). Das Ziel von Meta-Analysen wieder ist es, »Befunde zu einzelnen Hypothesen, Methoden, Effektarten und Mediengattungen zusammenzuführen und zu prüfen, wie robust die Ergebnisse sind und welche durchschnittliche Effektstärke Mediengewaltdarstellungen zuzusprechen ist« (ebd.). Über weitere Forschungsmethoden geben u. a. Kunczik/ Zipfel (2006, S. 195ff) Auskunft. Als Problem der Mediengewaltforschung erweist sich generell, dass Mediengewalt »uneinheitlich konzeptionalisiert« wird und »keine konsentierte Definition« vorliegt (Friedrich 2013, S. 402; vgl. dazu auch Kunczik/ Zipfel 2006, S. 21). Dies erschwert Ergebnisvergleiche unterschiedlich angelegter Studien erheblich. Unterscheiden kann man zwischen realer und fiktiver Gewalt, physischer und psychischer Gewalt, verbaler und körperlicher Gewalt, zwischen intentionaler und nichtintentionaler Gewalt, zwischen individueller und kollektiver Gewalt, zwischen manifester und latenter Gewalt u. a. m. (vgl. Kunczik/ Zipfel 2006, S. 22 mit weiterführenden Literaturhinweisen). Auch kann man <?page no="509"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 510 Mediengewalt nach der Form der Darstellung systematisieren, »etwa nach der Sichtbarkeit und Grausamkeit schädigender Handlungen, der Betonung für die Konsequenzen für Opfer und Täter oder der Heroisierung des Aggressors« (Friedrich 2013, S. 402). Werner Früh (2001) unterscheidet in seiner Gewalttypologie zwischen personaler Gewalt, antisozialer Gewalt, institutioneller Gewalt, kultureller Gewalt, subversiver Systemgewalt sowie assimilierter Alltagsgewalt (vgl. Früh 2001, S. 58-63). Kunczik/ Zipfel verstehen unter Gewalt (bzw. Aggression) »die beabsichtigte pyhsische und/ oder psychische Schädigung einer Person, von Lebewesen und Sachen durch eine andere Person« (Kunczik/ Zipfel 2006, S. 23). Für Andreas Fahr (2006) bedeutet Gewaltdarstellung die »Bezeichnung für die mediale Präsentation physischer, psychischer oder struktureller Gewalt« (Fahr 2006, S. 85) und er unterscheidet prinzipiell »zwischen der Darstellung fiktionaler Gewalt (z. B. in Filmen) und realer Gewalt (z. B. in Nachrichten)« (ebd.). Was die Struktur von Gewaltdarstellungen betrifft, so ist Fernsehgewalt Kunczik/ Zipfel zufolge »mit der maskulinen Rolle verbunden und wird zwischen Fremden ausgeübt. Gewalt kann für das Opfer zwar tödlich sein, ist aber nur selten schmerzhaft. Gewalt wird von den als gut und als schlecht charakterisierten Protagonisten erfolgreich als Instrument zur Erreichung von Zielen und zur Lösung von Konflikten eingesetzt. Insgesamt wird gewalthaltiges Verhalten als normale, alltägliche Handlungsstrategie gezeigt, auf die auch moralisch integere Individuen ohne Skrupel zurückgreifen. Im Fernsehen werden Handlungsmodelle angeboten, die demonstrieren, wie mit Hilfe illegitimer Mittel (Gewalt) als legitim anerkannte Ziele (Wohlstand, Macht, Prestige, Gerechtigkeit) erreicht werden« (Kunczik/ Zipfel 2006, S. 46). 5.3.2.3 Schlüsselvariablen für Mediengewalteffekte In der aktuellen Diskussion über Mediengewalt stellt sich auf Basis der empirischen Befundlage »nicht mehr die Frage, ob Mediengewalt negative Auswirkungen hat, sondern wie Mediengewaltreaktionen zustande kommen« (Friedrich 2013, S. 411; Hervorhebung i. Orig.). In der Forschung wird zwischen vier Faktorenbündeln unterschieden, »welche die Stärke und Reichweite von Medieneffekten bedingen: Charakteristika der Medieninhalte, situative Einflussfaktoren [aufseiten der Rezipienten - Ergänzung H. P.], soziale Bedingungen [aufseiten der Rezipienten - Ergänzung H. P.] sowie Persönlichkeitsmerkmale [des Rezipienten - Ergänzung H. P.]« (Friedrich 2013, S. 411f ). Dazu im Einzelnen: Bezüglich der Inhalte (und Darstellungsformen) stand für lange Zeit »das Wirkpotenzial audiovisueller Medien im Vordergrund der Forschung« (Friedrich 2013, S. 412), also Film und Fernsehen. Seit einigen Jahren rücken Computerspiele verstärkt in den Blickpunkt der Forschung: »Vergleichende Studien von Filmen und Computerspielen zeigen, dass Egoshooter, Echtzeitstrategiespiele und Online-Rollenspiele eine andere inhaltliche Qualität zeigen als gewalthaltige Filme« (ebd.): • Audiovisuelle Medieninhalte scheinen ein aggressionsförderndes Wirkpotenzial in »attraktiven Tätern, gerechtfertigter und plastisch dargestellter Gewaltanwendung, realitätsnahen und humorvollen Darstellungen sowie der Verharmlosung von Konsequenzen, der Belohnung aggressiver Handlung beziehungsweise dem Ausbleiben von Sanktionen« zu haben (ebd.). • Was Computerspiele betrifft, »wenden sich Forschende neben Egoshootern v. a. den Massively Multiplayer Online Role Playing Games zu. Das Wirkpotenzial solcher Spiele sehen sie in der Belohnungsstruktur, der Interaktivität und dem singuläre Spielepisoden überdauernden sozialen Charakter« (ebd.). Es gibt Hinweise aus empirischen Studien, »dass der Grad der Identifikation mit Protagonisten Mediengewalteffekte verstärkt« (ebd. mit Hinweis auf Huesmann et al. 2003) Auch situative Einflussgrößen aufseiten der Rezipienten scheinen die Stärke der Wirkungen zu prägen. »Dazu zählen negative emotionale Zustände wir Ärger, Stress, Frustration oder Erregung. Aus sozia- <?page no="510"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 511 lisationstheoretischer Perspektive nehmen Forschende zeitlich begrenzte Stimmungsschwankungen in der Adoleszenzphase in den Blick« (ebd. mit Bezugnahme auf Slater et al. 2004). Einflussfaktoren des sozialen Umfeldes sind in den »durch das Elternhaus vorgegebenen Lebensbedingungen« zu sehen, in der »elterlichen Regulierung von Mediengewaltnutzung«, in »devianten Freundeskreisen und deren Normen«, in der »Entfremdung von Freunden und Familie« sowie in der »Viktimisierung im Schulkontext« (ebd. mit Bezugnahme auf Slater et al. 2004). Personenmerkmale, »welche die Stärke der Mediengewaltwirkungen moderieren« werden besonders intensiv erforscht: Zu den wichtigsten Eigenschaften zählen Aggressivität (trait aggressiveness), eine ausgeprägte Neigung zu Sensation Seeking, leichte Erregbarkeit, geringe Empathie und Frustrationstoleranz sowie ein instabiles Selbstwertgefühl« (ebd., mit besonderem Verweis auf Gunter 2008 sowie Anderson/ Buschmann 2002). Dabei werden unter Aggressivität als Charakterzug »mehrere Dispositionen subsummiert« wie »aggressive Verhaltensskripte, die Tendenz, Feindseligkeit zuzuschreiben (hostile attribution bias) und aggressive Einstellungen wie etwa die Akzeptanz von Gewalt als legitime Handlungsoption« (ebd.). Weitere Personenvariablen werden in Verhaltensauffälligkeiten wie Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS), in oppositionellem Trotzverhalten und einem gestörten Sozialverhalten gesehen (vgl. Friedrich 2013, S. 413 mit Bezugnahme auf Grimes et al. 2004). Intervenierende Faktoren sind weiterhin zu sehen in Geschlecht und Alter. Bezüglich des Geschlechts gelten Jungen »generell« als gefährdeter als Mädchen, »weil sie gewalthaltige Medienangebote häufiger nutzen« (ebd.). Kriminologen sehen den Geschlechterunterschied »nicht nur in der stärkeren Präferenz für Mediengewalt […], sondern auch in höheren Delinquenzraten unter männlichen Heranwachsenden« (ebd. mit Bezugnahme auf Raithel/ Mansel 2003). Eindeutig ist die Forschungslage aber nicht. Bezüglich des Alters »gewinnt eine entwicklungspsychologische Perspektive an Bedeutung, welche nicht nur die kognitiven Verarbeitungsfähigkeiten verschiedener Altersstufen berücksichtigt, sondern Mediengewaltwirkungen unter Rückgriff auf Entwicklungsphasen im Sozialisationsprozess erforscht und Personenmerkmale, situative Einflüsse sowie soziale Bedingungen in einem Risk and Protective Factor Approach zusammenführt« (ebd. mit Verweis auf Kirsh 2003). Wie sein Name sagt, berücksichtigt dieser Ansatz nicht nur Risikomerkmale, »sondern auch Schutzfaktoren, in denen Forschende die Widerstandsfähigkeit vieler Heranwachsender gegenüber starken Mediengewalteffekten und schwerwiegenden Aggressionen begründet sehen« (ebd.) und die erst jüngst in den Blickpunkt der Forschung geraten wie »eine effektive Selbstregulierung, enge Beziehungen zu Bezugspersonen sowie ein stabiles soziales Netz« (Friedrich 2013, S. 414). Der Risk and Protective Factor Approach »basiert auf einem multikausalen Wirkmodell: Aggressives Verhalten wird nicht durch eine singuläre Ursache bedingt, sondern auf eine Gemengelage von Mediengewaltkonsum, situativen Voraussetzungen, sozialen Bedingungen und Persönlichkeitsmerkmalen zurückgeführt. Je mehr Risikofaktoren Heranwachsende dabei in sich vereinen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie später durch schwerwiegende aggressive Handlungen auffallen. Und je mehr Schutzfaktoren sie besitzen, desto unwahrscheinlicher ist es, dass diese Individuen spätere schwere Aggressionen entwickeln werden« (ebd.). Bezüglich des Einflusspotenzials der erwähnten Variablen gehen die Meinungen von Forschern auseinander. Zwei Interpretationsmuster, so Katja Friedrich mit Bezugnahme auf Anderson (2008), seien zu unterscheiden. »Der ersten Perspektive liegt die Auffassung zugrunde, dass gewalthaltige Medienangebote für psychisch gesunde, in geordneten sozialen Verhältnissen heranwachsende Kinder und Jugendliche kein ernsthaftes Gefährdungspotenzial besitzen. […] Anders sieht es bei Individuen mit psychischen Auffälligkeiten und sozial schwachem Hintergrund aus: Bei solchen Heranwachsenden wird regelmäßiger und exzessiver Mediengewaltkonsum als ernstzunehmender Risikofaktor gesehen, der im Zusammenspiel mit psychischen Auffälligkeiten und negativen Einflüssen des sozialen Umfeldes Aggressionen verstärken kann« (Friedrich 2013, S. 414). Ansatz eins hält <?page no="511"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 512 Reichweite und Stärke von Mediengewalt für den großen Teil der Rezipienten für begrenzt (Ausnahmen: psychisch gestörte Individuen). Ansatz zwei holt weiter aus, nämlich: »dass jede Nutzungsepisode von Mediengewalt kognitive Spuren im Gedächtnis hinterlässt, die sich im Zeitverlauf verstärken und im Zusammenspiel mit anderen Risikofaktoren gravierende aggressive Verhaltensweisen prägen« (ebd.). Gewaltmedienkonsum löst diesem Ansatz zufolge »prinzipiell bei allen Rezipienten negative Wirkungen aus. […] Wie stark diese Effekte ausfallen, hängt von der Konstellation anderer Risiko- und Schutzfaktoren ab, aber in jedem Fall sind negative Wirkungen zu erwarten« (ebd.). 5.3.2.4 Ausgewählte empirische Studien Wie eingangs erwähnt, liegen tausende von empirischen Studien zum Thema Gewalt und Medien vor (vgl. Früh 1995). Angesichts dieser Fülle sind nachfolgend nur einige wenige ausgewählte empirische Studien stellvertretend für viele andere zum Thema Gewalt und Medien Gegenstand der Ausführungen, um zumindest die Breite des Forschungsspektrums sichtbar zu machen. Gewalt aus der Sicht der Rezipienten Einen innovativen Weg, dem Thema Gewalt und Fernsehen auf den Grund zu gehen, wählte der deutsche Kommunikationswissenschaftler Werner Früh (1995, 2001). Auf der Basis des dynamischtransaktionalen Ansatzes (vgl. Kap. 4.4.3.4) und dem diesem Ansatz zugrunde liegenden Rezeptionsmodell, wonach Medienbotschaft und Publikumswahrnehmung in wechselseitiger, dynamischer Abhängigkeit stehen, entwickelte Früh einen neuen Gewaltbegriff. Dieser Begriff wird nicht aus der Sicht des Forschers hergeleitet, sondern aus der Wahrnehmung der Rezipienten (vgl. Früh 1995, S.- 173f ). Als Gewaltdarstellung gilt in diesem Sinn die interpretierte normative Gewalt, d. h. das, was jeder Zuschauer für sich als gewalttätig einstuft, und zwar: 1) in Abhängigkeit von dargestellter Gewaltabsicht (bewusst/ unbewusst); 2) der Richtung von Gewalt (Personen/ Sachen); 3)-dem Realitätsbezug (real/ fiktional); 4)-dem Gewalttyp (physische/ psychische Gewalt); 5)-der Intensität von Gewalt (Ausführlichkeit und Länge der Darstellung/ Humor als Relativierung); 6)-dem Legitimationspotenzial (Gesetz, Norm, Konvention); 7)-dem Tätertyp sowie 8)-der Folgenschwere von Gewalt. Um herauszufinden, was die Menschen als Gewalt wahrnehmen und wie sie das tun, hat Früh eine experimentelle Versuchsanordnung gewählt. Er führte aus dem Fernsehprogramm von ARD, ZDF, RTL, SAT.1 und ProSieben zusammengeschnittene Filmbzw. TV-Sequenzen aus Nachrichtensendungen und Spielfilmen mit zahlreichen unterscheidbaren Gewalt- und Schadensvarianten Versuchspersonen vor (in der Summe 921). Die in Gruppen aufgeteilten Versuchspersonen hatten u. a. die Möglichkeit, auf einer Skala zwischen 1 und 100 jede Gewaltszene nach ihrer subjektiv empfundenen Gewalthaftigkeit einzustufen (methodische Details siehe Früh 1995 sowie 2001). Die dabei zustande gekommenen Bewertungen der Versuchspersonen erbrachten folgendes Bild (vgl. Früh 1995, S.-178ff): • Direkt dargestellte Gewalt wird deutlich gewalthaltiger identifiziert als verbal berichtete Gewalt. • Physische Gewalt wird stärker wahrgenommen als psychische Gewalt. • Reale Gewalt wird etwas gewalthaltiger gesehen als fiktionale Gewaltdarstellungen. • Je stärker das Ausmaß des Schadens durch Gewalt gezeigt und je brutaler und detailreicher Gewalt dargestellt wird, desto gewalthaltiger wird Gewalt bzw. werden Schädigung eingestuft. • Darstellungsmittel wie Zoom, Zeitlupe und Musik vermitteln Zuschauern insgesamt den Eindruck, Gewalt sei in stärkerem Maße vorhanden als dies »objektiv« der Fall ist. <?page no="512"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 513 • Humor reduziert die Gewaltwahrnehmung v. a. im lustigen Kontext. Humoristisch verfremdete Gewalt gegen Sachen wird kaum als solche wahrgenommen. • Zeichentrickdarstellungen reduzieren die Gewaltwahrnehmung stark, können sie jedoch nicht gänzlich tilgen. • Gewalthaltigkeit aus Vorgängen des normalen Lebensvollzugs (z. B. Zerstörung einer Bierdose, Anbrennen von Speisen am Herd etc.) wird mitunter nicht als gewalthaft wahrgenommen. • Jüngere Personen unter 35 Jahren sehen weniger Gewalt in den gezeigten Gewaltsequenzen als ältere. • Frauen schätzen Mediengewalt als gewalthafter ein als Männer. • Als kaum gewalthaltig werden schädigende Handlungen gegen sich selbst und gegen das eigene Eigentum wahrgenommen. • Auch wird nicht als gewaltträchtig aufgefasst, ob Menschen infolge der mutwilligen Zerstörung der Umwelt zu Schaden kommen oder unter sozialem Zwang und wirtschaftlich bedingten widrigen Lebensumständen zu leiden haben. • Die formale Bildung spielt für die Einschätzung von Gewalt keine Rolle. Früh meint v. a., für Wirkungsstudien den tatsächlich wirksamen bzw. zumindest wahrgenommenen Stimulus zielgruppenspezifisch bestimmt zu haben (vgl. Früh, ebd.). Eine Gesamtdarstellung seiner umfassenden Untersuchungen zu diesem Thema ist der 2001 erschienenen Publikation »Gewaltpotenziale des Fernsehangebots. Programmangebot und zielgruppenspezifische Interpretation« zu entnehmen (vgl. Früh 2001). Für Früh entsteht »Gewalt im Medienangebot erst durch die Interpretation der Rezipienten« (Früh 2001, S. 213). Das Forschungsdesign seiner Studie bestand aus vier Stufen (vgl. Früh 2001, S. 67f; siehe auch Kunczik/ Zipfel 2006, S. 57f ): 1) einer Rezeptionsstudie, »in der ein breites Spektrum verschiedenartiger Gewaltszenen vom Publikum zielgruppenspezifisch nach den kognitiven und affektiven Wahrnehmungsdimensionen Gewalthaltigkeit, Angsterregung, Mitgefühl, Faszination und intellektueller Nutzen (Multieffektmodell) beurteilt wurde«. 2) Einer Inhaltsanalyse aus den fünf reichweitenstarken, national verbreiteten Fernsehprogrammen ARD, ZDF, RTL, SAT.1, ProSieben zwischen 16 und 24 Uhr im Jahr 1996 »mit demselben Kategoriensystem […] wie die evaluierten Gewaltszenen in der Rezeptionsstudie«. 3) Einer Fusion der Befunde aus Rezeptionsstudie und Inhaltsanalyse, »bei der das zielgruppenspezifische Stimuluspotenzial ermittelt wurde.« Sowie schließlich 4) einer Gewichtung der »zielgruppenspezifisch evaluierten Medienstichprobe mit den tatsächlichen Einschaltquoten der Zielgruppen im betreffenden Zeitraum« (Früh 2001, S. 67). Hier nur einige ganz wenige ausgewählte, grobe Ergebnissplitter: Ein hoher Gewaltgehalt fand sich in der Prime Time von 20.00 bis 21.00 Uhr, Spielfilme enthielten die meisten Gewaltvarianten (Inhaltsanalyse). Kindersendungen inklusive Zeichtentricksendungen sowie Shows und Quizsendungen enthielten den Rezipienten zufolge am wenigsten Gewalt, in den Nachrichtensendungen wurde besonders viel Gewalt wahrgenommen, ebenso im Genre Sport (Rezipientenurteile). Die Gewichtung der inhaltsanalytisch gewonnen Gewaltwerte mit den Wahrnehmungswerten der Rezipienten (bzw. der Zielgruppen) und der Verrechnung mit den Einschaltquoten der verschiedenen Programme ergab für den Sender ProSieben die meiste Gewalt (es folgen RTL, SAT.1, ARD und ZDF); berücksichtigt man die Reichweite, so vermittelte RTL die meiste Gewalt. Insgesamt - und dies ist wichtig (! ) - zeichnet Früh unter Anwendung der evaluierten Rezeptionsparameter ein wesentlich differenzierteres Ergebnisbild als es hier aus Platzgründen nachgezeichnet werden kann. Es erscheint daher angeraten, sich dieses Bild selbst in Details zu erschließen (siehe dazu Früh 2001, S.-181ff). Werner Früh resümiert, »daß verschiedene Zielgruppen dasselbe gewalthaltige Fernsehangebot ganz unterschiedlich wahrnehmen und interpretieren« (Früh 2001, S. 214) und dass beim Rezi- <?page no="513"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 514 pienten nicht das wirkt, was der Inhaltsanalytiker interpretiert, »sondern das, was er [der Rezipient - Ergänzung H. P.] selbst als Gewalt interpretiert« (Früh 2001, S. 215). Kulturvergleichende Gewaltforschung Medienwirkungen, insbesondere eben auch jene, die mit dargestellter Gewalt in Verbindung gebracht werden, dürfen den jeweiligen gesellschaftlich-kulturellen Hintergrund nicht ausblenden. Darauf hat u. a. auch Jo Groebel hingewiesen, als er 1988 Ergebnisse einer kulturvergleichenden Studie zum Thema Sozialisation durch Fernsehgewalt veröffentlichte (vgl. Groebel 1988). Sozialisation ist, wie dargelegt, eng verbunden mit dem engeren und weiteren familiären und kulturellen Umfeld, dem Milieu und dem Fernsehen als Kulturträger. Ziel der Untersuchung Groebels war es, im Hinblick auf die kurz- und langfristigen Wirkungen von Gewalt im Fernsehen die Bedeutung der umgebenden Kultur (Elternhaus, Fernsehkonsum, Personen- und Situationsvariablen, sonstige umgebende Kultur, Milieu) in ihrer Wechselbeziehung auf Aggression etwas genauer zu bestimmen. Auf Basis 1) einer Programmanalyse des Fernsehens in den USA, Australien, Finnland, Israel, Niederlande, Deutschland und Polen; 2) einer Befragung von 900 siebenbis elfjährigen Schülern und deren Eltern in diesen Ländern; sowie 3) der Beobachtung von Schülern über drei Jahre hinweg kam Groebel zu folgenden Ergebnissen (vgl. Groebel 1988, S.-476ff): • (Kindliche) Aggression steht in systematischem Zusammenhang mit dem Verhalten der Eltern. Dies zeigt sich interkulturell. Eltern sind zunächst die wichtigste Sozialisationsinstanz. Insgesamt gilt, dass bestrafende und ablehnende Elternreaktionen mit einer höheren Aggression der Kinder korrespondieren. Das aggressive Elternverhalten setzt eine aggressive Interaktion zwischen Kind und Eltern - und später der Umwelt - in Gang. • Gewalt in der konkreten Umwelt (Familie, Spielplatz, Milieu), eine »normative Heterogenität« (stark voneinander abweichende gesellschaftliche Werte) und ein homogenes gewaltbezogenes Fernsehprogramm tragen zu einem reziproken Prozess der Aggressionsentwicklung bei. Bereits früh im Sozialisationsprozess erworbene Aggression ist langfristig mit hoher Konstanz in allen untersuchten Ländern wirksam. Aggression weist universal über die Zeit eine hohe Stabilität auf. • Das Ausmaß der Wirkung von Fernsehgewalt auf aggressives Verhalten ist kulturabhängig. Aggressiver Fernsehkonsum in einer aggressiven Umwelt hat (mit Ausnahme der Versuchspersonen in Australien und den Niederlanden) einen variierend signifikanten Einfluss auf spätere Aggression. Dies gilt insbesondere für Israel und die USA, wo die konkrete Umwelt besonders aggressive Kognitionen erzeugt. Belege für eine langfristige Senkung von Aggression durch Gewaltdarstellungen finden sich in keinem der untersuchten Länder. • Der Anteil der Medien an diesem Prozess hängt von ihrer Dominanz gegenüber anderen Faktoren ab. Er ist kulturspezifisch unterschiedlich hoch, am höchsten in Israel (wo es ein hohes Maß an Alltagsgewalt alleine schon durch den Konflikt mit den Palästinensern gibt) und in den USA. Am wahrscheinlichsten sind aggressive Verhaltenstendenzen dann, wenn alle Sozialisationsfaktoren zusammenwirken und sich damit gegenseitig verstärken: Elternerziehung, Beispiele in der konkreten Umwelt (Milieu), Medienangebot, Fehlen oder Mehrdeutigkeit gegensteuernder kultureller Normen und geringe kognitive Kapazitäten bei den Menschen, um sich von diesen Einflüssen zu lösen (vgl. Groebel 1988, S.-478-479). Weitere kommunikationswissenschaftliche Ergebnisse aus Studien über Gewalt und Medien aus dem deutschen Sprachraum liegen u. a. in dem von Mike Friedrichsen und Gerhard Vowe herausgegebenen Sammelband »Gewaltdarstellungen und Medien« vor (Friedrichsen/ Vowe 1995). <?page no="514"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 515 Computerspiele und Gewalt Seit der Jahrtausendwende, mit dem beginnenden Siegeszug des Internets, sind auch Computerspiele, insbesondere solche mit Gewaltinhalten, Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Erhöhtes wissenschaftliches wie öffentliches Interesse haben »neben dem Aufkommen immer realistischer gestalteter und immer gewalthaltigerer Spiele« (Kunczik/ Zipfel 2006, S. 287) auch Vorfälle in Deutschland wie der Amoklauf eines jugendlichen Massenmörders in Erfurt (2002) und etwa auch ähnlich tragische Vorfälle in Emsdetten (2006) und Winnenden (2009) erweckt. In diesen und anderen Fällen wurde bekannt, dass die »jugendlichen Täter intensive Konsumenten violenter Computerspiele gewesen sind. Insbesondere die sog. Ego-Shooter (erstes Spiel Doom 1993), gewalthaltige Spiele, bei denen der Spieler das Geschehen aus einer Ich-Perspektive wahrnimmt, sind […] in den Fokus des Interesses gerückt« (ebd.). Bezüglich der wissenschaftlichen Forschung in diesem Bereich gibt es »zwar Hinweise auf negative Wirkungen von Computerspielen«, allerdings sind auch auf diesem Feld die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien »noch zu heterogen, zu widersprüchlich und insgesamt mit zu vielen methodischen Mängeln behaftet, um zu eindeutigen Aussagen zu gelangen« (Kunczik/ Zipfel 2006, S. 288; vgl. ebenso Kunczik/ Zipfel 2010). Als Problem erweist sich auch die rasche Veränderung der Spiele sowohl in technischer als auch inhaltlicher Hinsicht, ebenso sind es unterschiedliche Gewaltbegriffe, sofern Gewalt überhaupt definiert wird (vgl. ebd.). Kunczik/ Zipfel weisen zunächst darauf hin, dass man sich mit Nutzungsmotiven der Spiele auseinandersetzen muss und mit Fragen danach, »was den Reiz von Computerspielen ausmacht« (Kunczik/ Zipfel 2006, S. 290). Solche Motive - entweder Selbstangaben von Spielern oder nur aus Spielen hergeleitete Motive - können sein (hier verkürzt nach Kunczik/ Zipfel 2006, S. 290ff): • Strukturelle Kopplung (Bezüge zur Lebenswelt der Nutzer), • Herausforderung, Wettbewerb, Erfolg (etwa im Vergleich zu Mitspielern), • Ausübung von Macht und Kontrolle (interaktiver Charakter), • Identitätsbildung (Erprobung von Identitätsentwürfen durch den interaktiven Charakter der Spiele), • Geselligkeit (durch gemeinsames Spiel, Vermittlung sozialer Gratifikation), • Bekämpfung von Langeweile (wenn andere Möglichkeiten fehlen), • Phantasie (Erfahrungen mit sonst verschlossenen Lebensbereichen), • Eskapismus (Flucht aus dem Alltag), • Stress- und Aggressionsabbau (Wunsch nach Entspannung), • Flow-Erlebnis (emotionaler Zustand, Verschmelzen des Spielers mit dem Spiel). Freilich können »die hier aufgeführten möglichen Motive der Spielenutzung […] von Person zu Person stark variieren« (Kunczik/ Zipfel 2006, S. 293), laut einer Studie von Daniela Schlütz (2002) erwiesen sie sich als »stark situationsabhängig«, und Alleinsein z. B. »förderte eine habituelle Nutzung« (Kunczik/ Zipfel 2006, S. 295 mit Bezugnahme auf Schlütz 2002). Im Vergleich zum Medium Fernsehen »lag die Stärke von Computerspielen v. a. auf affektivem Gebiet« (involvierende Unterhaltung, spielerischer Wettbewerb, eskapistisches Erleben, stimulierende Herausforderung) (Kunczik/ Zipfel 2006, S. 294 mit Bezugnahme auf Schlütz 2002). Kunczik/ Zipfel (2006) führen weiter aus, »dass die bislang in Bezug auf Film- und Fernsehgewalt konstatierten Effekte prinzipiell auch für violente Spiele Gültigkeit besitzen und bei Computerspielen noch wesentlich deutlicher ausfallen dürften« (Kunczik/ Zipfel 2006, S. 295): Computerspiele erfordern mehr Aufmerksamkeit und Aktivität, die emotionalen Wirkungen sind intensiver; Spiele können den Spieler belohnen, es gibt größere Identifikationsmöglichkeiten und die verschiedenen Komponenten des Lernprozesses vollziehen sich gleichzeitig; Verhaltensweisen (u. a. auch Tötungs- <?page no="515"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 516 delikte) können durch Wiederholung trainiert werden. »Computerspiele werden in ihren Gewaltdarstellungen immer realistischer, was Lerneffekte fördern kann. Auch ist die Häufigkeit von violenten Szenen erheblich höher; in vielen Spielen ist Gewalt allgegenwärtig« (Kunczik/ Zipfel 2006, S. 296). Bei ihrer Darstellung von Forschungsergebnissen über mögliche Wirkungen von Computerspielen folgen Kunczik/ Zipfel (2006, S. 297-303) einer von Craig A. Anderson und Brad J. Bushman (2001) vorgenommenen Systematisierung - Erhöhung der Erregung, Förderung aggressiver Kognitionen, Emotionen und aggressiven Verhaltens, Reduktion prosozialen Verhaltens - und verweisen dabei auf zahlreiche Studien. Deren Resultate sind teils unterschiedlicher, bisweilen (nicht zuletzt auch wegen verschiedener methodischer Vorgehensweisen) auch widersprüchlicher Art und können hier aus Platzgründen nicht wiedergegeben werden. Kunczik/ Zipfel nehmen zudem eine Betrachtung der Ergebnisse zahlreicher Studien mit Blick auf verschiedene Wirkungsthesen (vgl. Kunczik/ Zipfel 2006 S. 303-313) sowie auf die Einflussvariablen (Personenvariablen, soziales Umfeld, situative Einflüsse, Inhaltsvariablen) vor (vgl. Kunczik/ Zipfel 2006, S. 313-320). Erneut scheint sich der Risikogruppenansatz zu bestätigen: »Die bislang existierenden Befunde zu Einflussfaktoren, insbesondere zu Personenvariablen und zum sozialen Umfeld, legen es nahe, in der Computerspielähnlich wie in der Fernsehgewaltforschung Problemgruppen besondere Aufmerksamkeit zu widmen«: den High-Risk-Players, »also Personen, v. a. Kinder[n], die für die negativen Einflüsse violenter Computerspiele besonders empfänglich sind« (Kunczik/ Zipfel 2006, S. 320). Von der Computergewaltforscherin Jeanne B. Funk et al. stammen einige Charakteristika, die die Identifikation von High-Risk-Players ermöglichen (vgl. Kunczik/ Zipfel 2006, S. 320f sowie dort vorhandene, weiterführende Literaturhinweise): Geringes Alter (unter elf bis zwölf Jahre); exzessiver Computerspielkonsum; starke Präferenz für violente Spiele; geringe soziale Problemlösungsfähigkeiten; Probleme bei der Gefühlsregulierung; erhöhte Reizbarkeit/ verringerte Frustrationstoleranz; gewalttätige Umgebung. Hinzu kommen laut Gentile/ Anderson (2003) feindselige Persönlichkeit, frühere aggressive Verhaltensweisen, fehlende elterliche Regulierung des Spielverhaltens (siehe Kunczik/ Zipfel 2006, S. 321). Die näheren Erläuterungen zu diesen Charakteristika sind sehr lesenswert. Abschließend sei hier noch der Hinweis vermerkt, dass Kunczik/ Zipfel eine zusammenfassende Bewertung des Forschungsstandes zum Thema vornehmen (vgl. Kunczik/ Zipfel 2006, S. 322-326). Gewalt im Internet Im Zusammenhang mit Computerspielen ist auch das Thema Gewalt im Internet anzusprechen. Forschung darüber gibt es (vgl. w. u.), sie wird erschwert dadurch, »dass mögliche Gefahren des Internets so vielfältig sind wie dessen Inhalte, Dienste und Nutzungsmöglichkeiten« (Kunczik/ Zipfel 2006, S. 327). Auch ist es angesichts der Fülle von Internetinhalten schwierig konkret zu bestimmen, was mit dem »diffusen Schlagwort« ›Gewalt im Internet‹« gemeint ist (vgl. ebd.). Aus den ARD/ ZDF- Onlinestudien (aber auch aus anderen Internetnutzungsstudien) geht seit vielen Jahren hervor, dass v. a. junge und jüngere Menschen besonders internetaffin sind und dieses Medium vergleichsweise sehr stark nutzen; ebenso machen junge/ jüngere Personen v. a. auch von den interaktiven Möglichkeiten des Web 2.0 Gebrauch und nutzen z. B. soziale Netzwerke intensiv. Kunczik/ Zipfel haben auf der Basis vorliegender Forschung Aspekte identifiziert, die teils auch in der öffentlichen Diskussion genannt werden (vgl. Kunczik/ Zipfel 2006, S. 327ff) wie (hier verkürzt): • Gefahren von Gewaltdarstellungen im Internet wie etwa: die gezielte Verletzung und Tötung von Menschen; • Gewaltausübung im Internet u. a. durch violente Onlinespiele; <?page no="516"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 517 • Gefahren durch die Beschaffung anderer violenter Medien via Internet (z. B. durch die Möglichkeit des Herunterladens); • Gefahren, via Internet Opfer von Gewalt zu werden (u. a. durch Chats und Cyberstalking); • Aufrufe zur Gewalt durch rassistische Gruppen und fanatische religiöse Außenseiter; • Anleitungen zur Ausführung violenter Handlungen (wie Anleitungen zum Bau von Waffen und Bomben). Petra Grimm et al. (2008) haben herausgefunden, dass ein Viertel der von ihnen befragten 12bis 19-Jährigen Gewalt im Internet in vielfältiger Form gesehen haben und Kinder sowie Jugendliche »ihre Informationen über solche Seiten v. a. von Freunden oder von der Clique [beziehen]. Gewaltdarstellungen werden hauptsächlich Peer to Peer verbreitet« (Grimm et al. 2008, S. 61). Jungen kommen damit stärker in Kontakt als Mädchen, Realschüler tendenziell eher als andere Bildungsgruppen. Ein Drittel der Jugendlichen hat schon unangenehme Erfahrungen im Internet gemacht. »Hauptsächlich genannt werden dabei sexuelle Anspielungen/ Belästigungen«, wobei v. a. Mädchen von »unangenehmen Erfahrungen berichten« (Grimm et al. 2008, S. 62). Es ist aus Platzgründen nicht möglich, hier ausführlich auf weitere Ergebnisse der Studie von Grimm et al. (2008) einzugehen, die sich mit gewalthaltigen Inhalten im Internet aus der Sicht von Jugendlichen, mit der Wahrnehmung und Verarbeitung von Internetgewalt, mit Zugängen, Verbreitung und Rezeptionssituation, mit Motiven zur Nutzung violenter Inhalte, mit Cybermobbing/ -bullying sowie mit Schutzmaßnahmen der Jugendlichen vor dem Entdecktwerden befasst haben. Es lohnt sich, all dies im Einzelnen nachzulesen. Auf zwei Phänomene sei in diesem Kontext jedoch verwiesen: Cybermobbing/ -bullying und Happy Slapping. Cybermobbing (auch Cyberbullying; Tyrannisieren) stellt eine besondere Form des Schikanierens und Verleumdens im Internet dar. Der Psychologe Frank Ropertz sieht Cybermobbing »als Verletzung und Belästigung von Personen mittels Nutzung neuer Informations- und Kommunikationsmedien wie E-Mails, Handy und verleumderischer bzw. beleidigender Webseiten« (Ropertz 2006, S.-12), wobei oft auch die Verbreitung von Gerüchten und Angstmacherei im Spiel ist (vgl. Jäger et al. 2007, S. 8). Im Unterschied zu (normalem) Mobbing, das eher in begrenztem Raum und nur zu bestimmten Zeitpunkten stattfindet und bei dem das Oper »im Zuhause einen Zufluchtsort hat, kann Cybermobbing jederzeit und überall stattfinden« (Fawzi 2009, S. 34); für das Opfer ist es wesentlich schwieriger, »sich dem Mobbing zu entziehen« (ebd.). Opfer und Täter, so Nayla Fawzi, stehen »nicht in direktem Kontakt«, die Täter agieren vom Computer aus mit Nicknames und Pseudonymen. Das Opfer weiß oft nicht, »von wem das Mobbing ausgeht«, es kann den oder die Täter nicht identifizieren und ihm daher »auch nicht aus dem Weg gehen (falls es sich nicht um eine Onlinebekanntschaft handelt)« (ebd.). Cybermobbing erreicht oft zudem sehr einfach »eine größere Zahl von Zuschauern« (ebd.), die aber in aller Regel keine Möglichkeiten haben, »in die Handlung einzugreifen und dem Opfer zu helfen« (ebd.). Als Mobbing-Kanäle dienen Internet- und Handyanwendungen wie Video-/ Fotoplattformen, Homepages, Weblogs, Foren, Newsgroups, Social Communitys, E-Mails, Chats, Onlinespiele, Videokonferenzen, Internettelefonie und Instant Messenger; beim Handy SMS, MMS, Anruf und Video (siehe dazu Fawzi 2009, S. 34ff, vgl. auch S. 36, Tab.-2). Ausprägungen des Cybermobbings können sein (hier nach Grimm et al. 2008, S. 229): Flaming (Beleidigung), Harassment (Belästigung), Denigration (Anschwärzen, Gerüchte verbreiten) Impersonation (Auftreten unter falscher Identität), Outing (Bloßstellung), Trickery (Betrügerei), Exclusion (Ausschließen, Ausgrenzen), Cyberstalking (fortwährende Belästigung, insbesondere auch sexuelle, und Verfolgung sowie Bedrohung) sowie Cyberthreats (offene Androhung oder Ankündigung von Gewalt). Grimm et al. führen aus (vgl. S. 230ff), wie von ihnen untersuchte Jugendliche die erwähnten Ausprägungen von Cybermobbing beurteilen. Es lohnt sich, dies nachzulesen. <?page no="517"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 518 Happy Slapping (fröhliches Schlagen), so Petra Grimm et al. »ist originär mit der Handygewaltproblematik verknüpft. [Oftmals grundlose - Ergänzung H. P.] Schlägereien werden mit dem Handy gefilmt, die Videos werden dann entweder direkt (z. B. via Bluetooth) auf andere Handys weitergeleitet oder ins Internet gestellt. In letzterem Fall werden die Bilder der Opfer nicht nur im engeren sozialen Umfeld verbreitet, sondern einer anonymen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Aus Sicht des Opfers bedeutet dies eine mediale Manifestierung seines Opferstatus« (Grimm et al. 2008, S.-103). Motive für Happy Slapping sind in der »Suche nach Anerkennung in der Clique (Geltungsmotiv)« sowie im »Erleben von außeralltäglichen Kicks (Erlebnismotiv)« zu sehen (Cyberbullying 2013, S.-2). Grimm et al. haben in ihrer repräsentativen Befragung von Jugendlichen ermittelt, »dass knapp die Hälfte der Jugendlichen, die Gewalt im Internet kennen, schon einmal Prügelvideos mit ihnen unbekannten Leuten gesehen haben«, 12 Prozent gaben an, Prügelbzw. Klopp-Videos mit Akteuren zu kennen, »die ihnen bekannt sind« (ebd.). Mit Prügel- oder Kloppvideos werden von internetvertrauten Chattern solche auf YouTube und MyVideo assoziiert (Grimm et al. 2008, S. 104). Aus Gruppeninterviews ging hervor, dass junge Leute »kritisch bis ablehnend« v. a. auf Videos reagieren, »in denen extreme Schlägereien zwischen Jugendlichen gezeigt werden. Die Nähe zu ihrer Alltagswelt bzw. ihnen vertraute Settings (z. B. schulischer Kontext, Mobbing oder Schulhofschlägereien) sowie die Drastik der Prügeleien sind relevante Kriterien für ihre negative Bewertung von Videos« (Grimm et al. 2008, S. 105). Die hier wiederholt erwähnte Studie von Grimm et al. (2008) enthält über die empirischen Ergebnisse hinaus auch Ausführungen zum Handlungsbedarf aus Sicht des Jugendschutzes (vgl. S. 283ff) sowie zur rechtlichen Einordnung gewalthaltiger Internetangebote (vgl. S. 293ff). Mit der eher populärwissenschaftlichen Publikation »Tatort Internet« (Volkmer/ Singer 2008) liegt ein lesenswertes »Handbuch gegen Rufschädigung, Beleidigung und Betrug im Internet« (so der Untertitel) vor. Zur medienethischen Verortung von Mediengewalt Im Zusammenhang mit Gewalt und Medien seien noch kurz medienethische Aspekte angesprochen. Deren Relevanz wird u. a. in den stets (öfter) wiederkehrenden öffentlichen Diskursen zum Thema Mediengewalt sichtbar. Für Thomas Bohrmann (2010) lässt sich Gewalt als ein »omnipräsentes gesellschaftliches Phänomen« nicht aus der Welt verbannen, sie sei real (in Nachrichtenformaten) und fiktiv (in Filmen und Fernsehserien) auch in den Medien vorzufinden (Bohrmann 2010, S. 420). Bohrmann zufolge fragt eine strukturethische Betrachtung der Medienethik »nach den konkreten medialen Handlungsbereichen innerhalb der Gesellschaft«, er sieht »vier Ebenen der medienethischen Verantwortung«: (1) die Ebene der Rahmenordnung, deren oberstes Prinzip Offenheit und Kommunikationsfreiheit seien (Art. 5 GG), die jedoch nicht schrankenlos sei. Sie könne »in zweifacher Weise begrenzt werden: zum einen aus der Perspektive einer prinzipiellen Illegitimität medialer Produkte; zum anderen aus der Perspektive des Jugendschutzes«; (2) eine Ethik des Inhalts bzw. der Produktion, »die die Verantwortung der Produzenten betont« und die eine »Grundnorm für die inhaltliche Legitimität medialer Gehalte« erarbeitet. Hier spielen staatliche Normen wie etwa das Jugendmedienschutzgesetz eine Rolle; (3) eine Ethik der Distribution, die »die institutionalisierte Selbstkontrolle« berücksichtigt wie KJM, BPjM, FSK, FSF, USK etc. (vgl. Kap. 4.3.5.2); sowie (4) die Ebene der Medienrezeption, für die die Stärkung der Medienkompetenz wichtig ist (Bohrmann 2010, S. 421f ). Diese Medienkompetenz »sollte als Bildungsziel in der gegenwärtigen Mediengesellschaft fest verankert sein« (Bohrmann 2010, S. 422). Ein Sammelband mit zahlreichen Beiträgen über neue Herausforderungen für Ethik und Computerspiele liegt von Petra Grimm und Rafael Capurro (2010) vor. <?page no="518"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 519 5.3.2.5 Anforderungen an künftige Mediengewaltforschung Wie eingangs zu diesem Abschnitt vermerkt, befassen sich mehrere wissenschaftliche Disziplinen mit Mediengewaltforschung. In jüngster Zeit wird daher interdisziplinäre Zusammenarbeit gefordert (vgl. u. a. Friedrich 2013, Brosius/ Schwer 2008 sowie Brosius et al. 2010). Hans-Bernd Brosius und Katja Schwer (2008) haben in einer umfassenden Analyse die Deutungshoheit von wissenschaftlichen Disziplinen bezüglich Mediengewaltforschung ermittelt, ebenso die wissenschaftsinterne und öffentliche Debatte über das Thema. Vereinfacht dargestellt können die Forschungsschwerpunkte der Medienpsychologie tendenziell eher auf der Mikro-Ebene (Individuum; Erleben von Gewalt, Verhalten), die der Medienpädagogik tendenziell auf der Meso-Ebene (Sozialisation; soziale Bedeutung von Mediengewalt, Bezugsgruppen, Medienkompetenz) und die der Kommunikationswissenschaft auf mikro-, meso- und makroanalytischer Ebene (Individuum, Medieninhalte, Gesellschaft; hoher Anteil an Sekundärforschung und Meta-Analysen) verortet werden (Brosius et al. 2010, S. 12). U. a. auch auf dieser Basis haben Hans-Bernd Brosius, Roland Mangold und Katja Schwer (Brosius et al. 2010) ein Mehrebenen-Modell der Mediengewaltforschung entwickelt (vgl. Abb. 17, S. 520): Um künftig effizienter und transbzw. interdisziplinär vergleichbare Forschung mit Blick auf Mediengewalt und ihre Wirkungen betreiben zu können, bedarf es zunächst einer Systematisierung der wirkrelevanten Faktoren (Brosius et al. 2010, S. 21ff): erstens »die verschiedenen Mediengattungen und -genres sowie spezifische Medieninhalte und -darstellungen.« Eine zweite zentrale Komponente stellen Rezipientenmerkmale dar, »durch die die Wirkung von Medieninhalten moderiert wird«, also Alter, Bildung, Geschlecht, psychische Dispositionen. Einen dritten wirkrelevanten Faktor sehen die Autoren im sozialen Umfeld, das »einen entscheidenden Einfluss darauf [hat], wie stark Rezipienten von violenten Medieninhalten beeinflussbar sind«: soziale Normen der Gesellschaft, Familie und Schule, Zugehörigkeit des Individuums zu verschiedenen Gruppen und (sozialen) Netzwerken (Peers, Fan-Groups etc.). Weiterhin muss ein Mehrebenenmodell den Autoren zufolge drei Analyse- Ebenen integrieren, nämlich Makro-, Meso- und Mikro-Ebene (Brosius et al. 2010, S. 27ff, hier S. 29): 1) auf der Makro-Ebene »steht der gesellschaftliche Kontext von gewalthaltigen Medienangeboten im Mittelpunkt« (wie die gesellschaftliche bzw. soziale Reichweite von Mediengewalt u. a. m.) (ebd.); 2) auf der Meso-Ebene steht »die Stärke und Reichweite des Einflusses auf spezifische Zielgruppen im Mittelpunkt«. Untersucht werden u. a. »die soziale Bedeutung von gewalthaltigen Medienangeboten für Kinder und Jugendliche in ihrer primären sozialen Umwelt sowie Konsequenzen der Nutzung von Mediengewalt für die Sozialisation« (ebd.); 3) auf der Mikro-Ebene sind »psychologisch orientierte Forschungsansätze anzusiedeln, die v. a. die individuell unterschiedliche Stärke von Medienwirkungen untersuchen.« Auf dieser Ebene »entfalten Drittvariablen […] erst ihr Potenzial, da sie die Empfänglichkeit einzelner Individuen für Mediengewalt entscheidend prägen« (ebd.). Die Autoren erklären im Weiteren detailliert das Mehrebenenmodell mit seinen zu berücksichtigenden Faktoren, eine visualisierte Darstellung bzw. Systematisierung der Forschungsfelder mit den drei Säulen 1) Medien, 2) Gesellschaft und Individuum sowie 3) Medienwirkungen rundet die Ausführungen zum Mehrebenenmodell anschaulich ab (vgl. Brosius et al. 2010, S. 45, Abb. 6). Der Band enthält ferner - oft mit Bezügen zum Modell - Ausführungen zu zahlreichen weiteren Aspekten der Mediengewaltforschung, insbesondere auch zu methodischen Standards und Defiziten. Die Autoren vermerken, dass das von ihnen »skizzierte theoretische Modell […] nicht als eine Art ›theory of everything‹ der Mediengewaltforschung verstanden werden darf« (Brosius et al. 2010, S. 28; Hervorhebung i. Orig.). Es habe - in Anlehnung an Bertram Scheufeles Medienwirkungsmodell (2008) - vielmehr »eine heuristische Funktion, um bislang selten miteinander verbundene Forschungsfelder der Mediengewaltforschung zu systematisieren« (ebd.). <?page no="519"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 520 Abb. 17: Mehrebenenmodell der Mediengewaltforschung (Brosius et al. 2010) - Systematisierung der Forschungsfelder Input-Faktoren aus der Umwelt (gesellschaftliche Integration, Sozialisation, Normen der Gesellschaft, Familie, peer group) Input-Faktoren der Person (Charaktereigenschaften, gegenwärtiger psych. Zustand, Alter, Geschlecht, kognitive Strukturen & Fähigkeiten) Gesellschaft & Individuum Gesellschaftliche Medienwirkungen: Reichweite Gruppenspezi sche Medienwirkungen: Stärke Individuelle Medienwirkungen: Stärke Medienwirkungen • Mediensystem • Medienpolitik • Industrie • Publikumsansprüche Medien Umwelt der Medien: Input-Faktoren: Gewalt in den Medien • Mediengattung • Genres der Mediengattung • Sendungen: Inhalt & Darstellung (Gewaltgehalt) Mikro- und Meso-Ebene: Selektion gewalthaltiger Medienangebote • Nutzungsmotive • Nutzungssituation Mikro- und Meso-Ebene: individuelle & soziale moderierende Faktoren • Konsonanzstreben, Konformitätsdruck • Entwicklungsaufgaben Mikro-Ebene - Rezeptionsprozesse: • Kognitiv: sozial-kognitives Lernen, Schema-Theorie, Priming • Emotional: Angst, Unterhaltung, Frustration & Ärger • Physiologisch: Arousal, Stimulation • Kurzfristige Wirkungen: Gesellschaftliche Diskurse nach Schlüsselereignissen (zyklisch, kurze Lebensdauer der medialen Aufmerksamkeit) • Langfristige Wirkungen: kumulative, subtile Wirkungen, gesellschaftliche Funktionen der Diskussion • Kurzfristige Wirkungen: Anerkennung, Abgrenzung, Hierarchie der Gruppe u. a. • Langfristig: Entwicklungsaufgaben; soziale Identität mit eigenen Normen u. a. • Kurzfristige Wirkungen: Erregung, Aggressivität, kurzfristige Veränderung von Bewertungsschemata u. a. • Langfristig: aggressive Verhaltensskripts, Absenken der Aggressivitätshemmschwelle u. a. (Brosius, Hans-Bernd et al. (2010): Ein Mehrebenenmodell der Mediengewaltforschung. Grundlagen für eine interdisziplinäre Untersuchung der Wirkung von Mediengewalt. Baden-Baden, S. 45.) <?page no="520"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 521 5.3.3 Theorie und Praxis der Cultural Studies Rudi Renger, Jeffrey Wimmer Cultural Studies sind ein inter- und transdisziplinärer Forschungs- und Analyseansatz, dessen namhafte Vertreter sich bis heute häufig gegen eine klare inhaltliche Bestimmung ihrer Forschungsperspektive zur Wehr setzen. Als sperriges Konstrukt, das sich auf unterschiedliche und zum Teil miteinander konkurrierende intellektuelle Strömungen bezieht, weist es darüber hinaus auch eine Vielzahl von mehr oder weniger (in)konsistenten Erkenntnisobjekten auf. So werden Cultural Studies auf der einen Seite in einem relativ klar umrissenen Verständnis als »eine bestimmte Art der Kontextualisierung und Politisierung intellektueller Praxis« (Grossberg 1994, S.-12) gesehen, während die Frage, »what cultural studies really is«, auf der anderen Seite »for all times and places« als unspezifizierbar gilt (Nelson et al. 1992, S.-3). Über die Jahrzehnte ihrer Entwicklung hinweg haben Cultural Studies aber mittlerweile eine deutliche Linie entwickelt, weshalb sich auch ein bestimmter fester Kern beschreiben lässt, der sie gegenüber anderen theoretischen und methodischen Paradigmen durchaus abgrenzbar macht. Plastisch kann der Ansatz auf der Basis des von Lawrence Grossberg (1997) eingeführten Bildes einer Straßenkreuzung (crossroad) beschrieben werden: Cultural Studies sind demnach ein inter- und transdisziplinäres Projekt, das sich sowohl aus dem Blickwinkel von Akteuren als auch Strukturen gut zur Analyse von kulturellen Distinktionen und Bedeutungssystemen eignet. Eine präzisere Herangehensweise schlägt Andreas Hepp vor. Zur Bewältigung des höchst schwierigen Unterfangens, den Ansatz zu definieren, würden sich seiner Ansicht nach zwei Möglichkeiten anbieten, nämlich 1) eine wissenschaftsgeschichtliche Definition sowie 2) eine inhaltliche Beschreibung (vgl. Hepp 1999, S.-14ff). Dazu im Einzelnen: Wissenschaftsgeschichtliche Definition In diesem Rahmen stellen sich Cultural Studies als ein kulturtheoretischer Ansatz mit einer britischen Gründungsgeschichte dar, die seit den 1980er-Jahren in eine US-amerikanische Erfolgsgeschichte mündete. Für die Entwicklung waren mehrere Faktoren verantwortlich: 1) In den 1950er- und v. a. in den folgenden 1960er-Jahren vollzog sich ein Wandel der Geistes- und Sozialwissenschaften als akademische Forschungs- und Lehrgegenstände; 2) innerhalb der Studentenschaft gab es gravierende soziale Umschichtungen und 3) die Schnittstellen zwischen den Universitäten einerseits und der Kultur- und Medienindustrie andererseits wurden starken Veränderungen unterworfen. In diesem Umfeld erregten Ende der 1950erbzw. Anfang der 1960er-Jahre die Arbeiten von Williams, Hoggart und Thompson zur Kultur der englischen Arbeiterklasse einige Aufmerksamkeit. Fortsetzung fanden diese Studien v. a. in der Forschungsarbeit des 1964 gegründeten »Centre for Contemporary Cultural Studies« (CCCS) an der Universität von Birmingham. Vorstände dieser zentralen Keimzelle für die Weiterentwicklung des Ansatzes waren Richard Hoggart, Stuart Hall und Richard Johnson. Darüber hinaus zählen die meisten der Mitglieder des CCCS zu den bis heute bekanntesten Vertretern der Cultural Studies - so z. B. Dorothy Hobson, Angela McRobbie, David Morley, Paul Willis, Colin Sparks u. a.; aber auch Lawrence Grossberg als ehemaliger Stipendiat. Es wäre jedoch falsch, Cultural Studies als eine Schule zu konzeptionalisieren, die sich ausschließlich in Birmingham entwickelt hat. Ebenso notwendig erscheint es, auf eine Reihe von Ungleichzeitigkeiten und Brüche ihrer Entwicklung hinzuweisen. Entsprechend hält Andreas Hepp ein zweites Vorgehen für sinnvoll, um Cultural Studies nicht nur als ein historisch, geografisch und politisch- <?page no="521"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 522 gesellschaftlich verortetes Unternehmen darstellen zu können (siehe Hepp 2010, S. 16ff). Dabei geht es zum einen um den Gegenstand, mit dem sich der Ansatz beschäftigt, zum anderen insbesondere aber um die spezifische Forschungspraxis und methodologische Basis. Inhaltliche Definition In ihrer Theoriefindung vertreten Cultural Studies ein offenes, wenn nicht eklektisches Prinzip. Diese Arbeits- und Denkweise mag einerseits in der Frühgeschichte des Ansatzes begründet sein, wo in erster Linie historische, literaturwissenschaftliche, soziologische und politische Grundlagen die Ausgangsbasis waren. Andererseits wollen Cultural Studies aber auch als interdisziplinäres Feld begriffen werden, in dem unterschiedliche wissenschaftliche Herangehensweisen miteinander konvergieren. In diesem Sinne hat Stuart Hall den Ansatz (Foucault folgend) - als ein ganzes Set von diskursiven Formationen bezeichnet (Hall 1992, S.-278); bzw. - wie Lawrence Grossberg ergänzt - von kontextuell spezifischen theoretischen und institutionellen Formationen (Grossberg 1994, S.-19). In Anlehnung an Grossberg kann vom Cultural Studies Approach auch als ein auf soziale Veränderung zielendes »Projekt« gesprochen werden, das Medien und Mediennutzung als kulturelle Alltagsphänomene kritisch betrachtet (Grossberg 1994, S.-18). Diese Metapher weist nicht zuletzt darauf hin, dass sich der Ansatz als Forschungspraxis in einem kontinuierlichen Prozess stets neu definieren muss. Während Grossberg fünf wichtige Schlagwörter zur inhaltlichen Beschreibung der Cultural Studies liefert (Grossberg 1994, S.-20ff), sieht Tony Bennett den Ansatz in sechs zentralen Merkmalen definiert (Bennett 1998, S.-53ff). Beide Entwürfe lassen sich zu einer Liste von sieben Punkten zusammenfassen (vgl. auch Hepp 2010, S. 19ff): • Radikale Kontextualität meint, dass kein kulturelles Produkt und keine kulturelle Praxis außerhalb des (sozial-, politisch-, historisch-)kontextuellen Zusammenhangs fassbar sind, in dem sie stehen. Der Kontext kann eng gefasst sein (z. B. eine Schule, an der xenophobe Zustände herrschen) oder sehr weit (z. B. die neoliberalistische Wirtschaftsordnung). • Das Theorieverständnis der Cultural Studies bleibt deshalb stets auf den Kontext bezogen, zu dessen Erfassung sie entwickelt wurde; der Wert der Theorie bemisst sich daran, inwieweit sie geeignet ist, das Verständnis von bestimmten Kontexten zu verbessern. • Den Ansatz kennzeichnet ein interventionistisches Moment, das auch auf den politischen Charakter der Cultural Studies verweist. Nicht die zweckfreie Wissensproduktion ist das Ziel, sondern die Produktion von Wissen, auf dessen Basis die Lösung aktueller sozio-kultureller Probleme ermöglicht werden könnte. Es geht also auch um einen präsenten Verwertungszusammenhang analytischen Wissens, das eine bestimmte politische bzw. praktische Relevanz aufweisen muss. • Die Interdisziplinarität resultiert v. a. daraus, dass das primäre Erkenntnisobjekt der Cultural Studies - die Kultur - nicht in den methodisch-theoretischen Grenzen einer einzigen Disziplin erfasst werden kann. Cultural Studies weisen in der Analyse von gelebter Erfahrung des Alltags, deren Manifestationen in Texten (im weitesten Sinn) sowie von sozialen Strukturen, die all das prägen, aber auch über viele Disziplinen hinaus; sie sind demnach transdisziplinär angelegt. • In der Bewertung der Cultural Studies sind bestimmte Formen von Kultur immer mit der Organisation und Ausführung von Macht verstrickt. Die Wirkungsweise des Projektes erstreckt sich deshalb von der Rolle der Kultur in der Reproduktion von sozialen Klassenstrukturen (Cultural Studies im engeren Sinn) über die gesellschaftliche Organisation und Konstruktion von Geschlecht (Gender Studies; Gay and Lesbian Studies) bis zur Untersuchung von rassistischen Machtstrukturen (Race Studies; Colonial Studies). <?page no="522"?> 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft 523 • Für Cultural Studies besteht Kultur nicht nur aus Texten, Bedeutungen und ihren institutionellen Bedingungen, sondern sie fungiert im Prozess der Produktion, Verteilung und Wirkung selbst als Institution, d. h. als Netzwerk von sozial-materiellen und sozial-semiotischen Beziehungen. • Zuletzt ist der Ansatz durch seine Selbstreflexion charakterisiert, die konsequent und kontinuierlich in der wissenschaftlichen Analyse- und Schreibpraxis vollzogen wird. Forschungsgegenstand und Forschungspraxis Das zentrale Forschungsobjekt der Cultural Studies ist die Kultur, verstanden auf der einen Seite als Lebensweise (whole way of life), die Ideen, Verhalten, Gewohnheiten, Sprachen, Institutionen und Machtstrukturen umfasst; auf der anderen Seite als ein weites Feld von kultureller Praxis, das sich in künstlerischen Formen, Texten, Architektur etc. zeigt. Damit werden insbesondere jene Kulturbereiche fokussiert, die bis zu diesem Zeitpunkt in wissenschaftlicher Analyse ausgespart blieben: Unterhaltung, Freizeitgestaltung, Konsumverhalten etc. In jüngeren Untersuchungen geht es v. a. um die Globalisierung der Medien und transkulturelle Kommunikation sowie um Technologieentwicklung und den Wandel von Medienkultur, die sich in einem widersprüchlichen und sich kontinuierlich vollziehenden Kreislauf der Kultur konkretisiert (du Gay et al. 1997), d. h. auf den miteinander verbundenen Ebenen von Medienproduktion, Repräsentation, Aneignung, Identifikation und Regulation in ihrer Gesamtheit. Den knapp skizzierten Grundannahmen der Cultural Studies folgend beschreibt eine kulturorientierte Mediatisierungstheorie den komplexen Metaprozess des sozialen Wandels, der in den medialen Kommunikationspraktiken der Menschen angesiedelt ist und auch dort entspringt (Krotz 2007). Medien prägen die alltägliche Lebenswelt nicht nur im Moment ihrer Nutzung, sondern auch in längerfristiger Hinsicht durch ihre Kommunikationsprozesse und -inhalte, die wiederum die Auffassung der Lebenswelt verändern. Aus personaler Perspektive stellen sie Sozialisierungs- und Identitätsangebote dar und prägen das kommunikative Handeln der Menschen insgesamt (Krotz 1998, S.-112f ), so dass Alltag und Medienalltag bzw. Sozialisation und Mediensozialisation analytisch kaum mehr trennbar sind. Tanja Thomas und Friedrich Krotz (2008, S. 28) verdeutlichen, dass sich Fragen der Mediennutzung und Medienwirkung nur im Kontext der damit verbundenen alltagskulturellen (Deutungs-)Praktiken in ganzheitlicher Weise erfassen lassen: »Medien sind von daher als soziale und kulturell gerichtete Institutionen, als Inszenierungsmaschinen und Erlebnisräume immer technisch entwickelte Angebote, die von den Menschen mit der Konsequenz einer zunehmenden Ausdifferenzierung ihrer Medienumgebungen genutzt und eben institutionalisiert werden, was dann umgekehrt auf Habitus, auf Kreativität und Deutung von Handlungen und Inhalten zurückwirkt« (Thomas/ Krotz 2008, S. 28). Kommunikationsmedien entfalten daher aus Sicht der Cultural Studies weniger eine spezifisch fassbare Wirkkraft, sondern vielmehr eine als umfassend zu bezeichnende Prägkraft, die nichtsdestotrotz in einem hohen Maße kontextuell zu fassen und eben nicht auf eine spezifische Medienlogik und deren ›direkte‹ Wirkungen reduzierbar ist (vgl. Hepp 2011). Eine Differenz zur klassischen Kommunikationswissenschaft liegt im interpretativ-qualitativen Methodenverständnis der Cultural Studies begründet. Ethnografische Methoden, teilnehmende Beobachtung, (Tiefen-)Interviews (Befragung), Gruppendiskussionen und die semiotische Analyse von Medieninhalten werden miteinander verbunden. Die Untersuchungsdesigns sind v. a. aus zwei Beweggründen interpretativ und sinnverstehend angelegt: 1) Die Beschreibung von Alltagskultur kann immer nur eine Beschreibung einer konkreten Form vieler möglicher und verschiedener Formen von Alltagskulturen sein. 2) Die beobachtbaren kulturellen Bedeutungen gelten nicht für alle Teilnehmer eines bestimmten Geschehens in gleicher Weise. Besteht für Grossberg das methodolo- <?page no="523"?> 5 Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft 524 gische Verfahren der Cultural Studies in der »Artikulation«, d. h. der theoriegebundenen Deskription (und Dekonstruktion) der Beziehungen eines komplexen Textes zur Vorstellungswelt seiner Leser (Grossberg 1994, S.-26), so ließe sich dieses Verfahren auch pauschal als Diskursanalyse bezeichnen. Rezeption der Cultural Studies im deutschen Sprachraum Im deutschsprachigen Raum wurden Cultural Studies lange Zeit als eine Art von Zauberdisziplin verklärt. Dass die grundlegenden Arbeiten der britischen, amerikanischen und australischen Kulturanalytiker erst mit Beginn der 1990er-Jahre systematisch rezipiert wurden, hat hauptsächlich zwei Gründe: Zum einen wurden die Analysen von Massenkultur hier zu Lande jahrzehntelang vom theoretischen Gedankengebäude der Kritischen Theorie bzw. der Frankfurter Schule dominiert; zum anderen sind auch soziokulturelle Unterschiede auf einer nationenspezifischen Ebene für die schleppende Aufarbeitung der Cultural Studies verantwortlich. Denn weder die britische Erfahrung von gesellschaftlichen Klassenstrukturen noch die amerikanische Erfahrung der Populärkultur sind in dieser Ausprägung für Deutschland typisch, meint etwa Lothar Mikos (1997, S.-160). Im Zusammenhang einer verstärkten Rezeption wurden verspätet auch Versuche gestartet, den Ansatz unter dem Dach der Kommunikationswissenschaft zu subsumieren (z. B. Jäckel/ Peter 1997; vgl. dazu grundlegend auch Schwer 2005). Mittlerweile kann der Ansatz der Cultural Studies innerhalb der deutschsprachigen Medienforschung und Kommunikationswissenschaft als etabliert angesehen werden. Neben einer Reihe von theoretischen wie empirischen Studien (z. B. Hartmann 2004; Renger 2000; Wimmer 2013), Übersetzungen von Originaltexten (z. B. Bromley et al. 1999; Fiske 2000) und einführenden Werken (z. B. Hepp 2010; Hepp/ Winter 2008; Hepp et al. 2009) haben sich auch verschiedene Buchreihen bei renommierten Verlagen etabliert (z. B. »Medien - Kultur - Kommunikation« im VS oder »Critical Media Studies« im Transcript Verlag). Literatur Anderson, Craig A.; Bushman, Brad J. (2001): Effects of violent video games on aggressive behavior, aggressive cognition aggressive affect, physiological arousal, and prosocial behavior: A meta-analytic review of the scientific literature. In: Psychological Science 22: 2001, S. 353-359. Anderson, Craig A.; Bushman, Brad J. (2002): Human Aggression. 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Dabei wird im Allgemeinen unterschieden zwischen der erfahrungsbasierten (= empirischen) Sozialforschung im engeren Sinn, die sich qualitativer und quantitativer Methoden bedient, und weiteren Denkschulen wie z. B. der Hermeneutik, die sich mit der Auslegung von Texten und dem Verstehen beschäftigt und dabei ganzheitlicher ausgerichtet ist. Ausgehend von einem sozialwissenschaftlich orientierten Selbstverständnis des Faches werden in diesem Abschnitt jene empirischen Forschungstechniken und -strategien vorgestellt, derer sich die Kommunikationswissenschaft bedient, um ihre Lehr- und Forschungsfragen aufzuarbeiten. Was im Folgenden nicht geleistet wird, sind Reflexionen zu Paradigmen (Denkschulen) und damit zu wissenschaftstheoretischen Erwägungen über die Methoden der Sozialwissenschaften. Die Logik der Forschung, also die Frage nach den Ursprüngen sozialwissenschaftlichen Forschens und den dieser Logik angemessenen Vorgehensweisen, wird nur kurz thematisiert. Gleiches gilt für Überlegungen zur Statistik, also zu jenen mathematischen Prüfverfahren, die im Kontext der Anwendung quantitativer empirischer Methoden zur Auswertung der Daten herangezogen werden. Zu beidem wird nachfolgend, an geeigneter Stelle, auf weiterführende Literatur verwiesen. Doch zurück zu den Methoden der empirischen Sozialforschung, die in einer sozialwissenschaftlich ausgerichteten Kommunikationswissenschaft angewendet werden. Die wichtigsten Erhebungsmethoden der empirischen Kommunikationsforschung sind: • Befragung • Inhaltsanalyse • wissenschaftliche Beobachtung. Das wissenschaftliche Experiment, das auch in der Kommunikationswissenschaft zum Einsatz kommt, ist keine Methode im klassischen Sinn, sondern eine Untersuchungsanordnung. Man unterscheidet also zwischen experimentellen und nichtexperimentellen Untersuchungsanordnungen. Die Methoden der Kommunikationsforschung - Befragung, Inhaltsanalyse und Beobachtung - können demnach auch im Rahmen einer experimentellen Untersuchungsanordnung eingesetzt werden. Dies wäre z. B. der Fall, wenn zwei Gruppen von Befragten einen Fragebogen ausfüllen müssten, in dem lediglich die Reihenfolge von zwei Fragen vertauscht ist. Wenn sich nach der Auswertung der Fragebögen herausstellt, dass sich beide Gruppen in der Beantwortung dieser beiden Fragen systematisch unter- <?page no="531"?> 6 Empirische Forschungstechniken 532 scheiden, kann man folgern, dass die Reihenfolge der Fragen einen Effekt auf die Beantwortung hat. Man hätte in diesem Fall eine Befragung im Rahmen eines wissenschaftlichen Experiments durchgeführt (Noelle-Neumann/ Petersen 2005, S.-469f ). Die streng kontrollierte Variation einzelner Faktoren erlaubt zudem den Nachweis kausaler Zusammenhänge. Demnach wäre die Reihenfolge der Fragen die Ursache, das daraus resultierende Antwortverhalten die Wirkung. An diesem Beispiel erkennt man bereits, dass das Experiment sich v. a. zum Testen von Hypothesen eignet (und daher v. a. in standardisierten quantitativen Forschungsdesigns zum Zug kommt). Die drei Erhebungsmethoden (Befragung, Inhaltsanalyse, Beobachtung) werden in quantitativen und qualitativen Forschungsprojekten gleichermaßen eingesetzt. Die gängigsten Varianten werden im Anschluss an die einführenden Bemerkungen zu quantitativer und qualitativer Methodenlehre vorgestellt. 6.1 Einführung in die quantitative Sozialforschung 6.1.1 Allgemeine Anforderungen und Gütekriterien Unter einer empirischen Methode versteht man allgemein das Verfahren, wie Daten erhoben werden. Oder konkreter formuliert: Empirische Methoden bzw. Forschungstechniken sind Vorgehensweisen, durch deren systematische Anwendung im Rahmen eines festgelegten Forschungsplans wissenschaftliche Fragestellungen beantwortet werden sollen. In dem Begriff »Forschungstechnik« sind per Definition vier wesentliche Aspekte enthalten: 1) das Postulat der Wissenschaftlichkeit 2) die Forderung nach systematischer Anwendung 3) eine festgelegte, in der Wissenschaft zustimmungsfähige Vorgehensweise 4) die Beantwortung einer oder mehrerer Forschungsfragen. 1) Das Postulat der Wissenschaftlichkeit beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Wissenschaft und Alltagsverstand. Eine sich sozialwissenschaftlich und empirisch verstehende Kommunikationswissenschaft will gültige Aussagen über Fragen zur sozialen Realität machen. Dies können z. B. Fragen nach den Ursachen für Wahlergebnisse durch Medienberichterstattung, nach Motiven des individuellen Fernsehkonsums oder nach den Themenstrukturen und -agenden von Tageszeitungen sein. All dies sind zunächst Fragen, mit denen sich Menschen auch »privat« befassen. Sie diskutieren das letzte Wahlergebnis, fragen, was die Freunde gestern im Fernsehen angeschaut oder ob sie heute schon die Zeitung gelesen haben. Worin liegt nun der Unterschied zwischen Alltagsverstand und wissenschaftlicher Betrachtung? Der sog. Alltagsverstand, die subjektive Meinung einer einzelnen Person, ist ein willkürlicher, partikularer Aspekt aus vielen ebenfalls existierenden Meinungen. Er hat zwar für die Person, vielleicht für eine Gruppe von Freunden (sog. Peergroups) Relevanz; keineswegs kann jedoch eine singuläre Meinung allgemein relevante Aussagen über »die Gesellschaft«, »den Fernsehzuschauer« oder »die Qualitätszeitungen« machen. Einzelne, spontan beobachtete Meinungen genügen dem Postulat der Wissenschaftlichkeit i. d. R. nicht (vgl. Brosius et al. 2012, S. 7f ). Wissenschaftliches Vorgehen erfordert einen systematischen Plan (s. Punkt-2), muss in allen Schritten transparent und dadurch intersubjektiv nachvollziehbar sein und nach Regeln erfolgen, die in der wissenschaftlichen Teildisziplin zustimmungsfähig sind (s. Punkt 3). <?page no="532"?> 6.1 Einführung in die quantitative Sozialforschung 533 2) Die Forderung nach systematischer Anwendung einer Methode bedeutet, dass z. B. bei einer standardisierten (quantitativen) wissenschaftlichen Befragung nicht irgendwelche Fragen gestellt werden, die dem Interviewer spontan in den Sinn kommen, sondern dass systematisch aus Theorie und Forschungsstand hergeleitete und konsequent aufeinander folgende Fragen allen zu Befragenden in gleicher Weise gestellt werden. Nur so können bei der Auswertung die Antworten miteinander verglichen werden. Systematische Anwendung bedeutet bei einer wissenschaftlichen Befragung ebenfalls, dass nicht »irgendwer« befragt wird, sondern Personen, die systematisch ausgewählt wurden. Die Forderung nach Systematik ist demnach eine Forderung nach • planvoller Entwicklung eines Erhebungsinstrumentes (z. B. eines Fragebogens), • planvoller Auswahl der Untersuchungseinheiten (z. B. die Befragung von Münchner Studierenden), • planvoller Durchführung der Erhebung (z. B. festgelegter Ablauf, Regeln über die Rahmenbedingungen), • planvoller Analyse der Daten und der Ergebnisdarstellung. 3) All dies gilt selbstverständlich auch für wissenschaftliche Inhaltsanalysen, bei denen vom Forscher festgelegt werden muss, welche Medien und welche Beiträge der zu untersuchenden Fragestellung zufolge zu analysieren sind. Ebenso ist bei einer Beobachtung vorzugehen. Dabei gilt stets, dass sich alle Schritte auf das Forschungsinteresse beziehen und im Forschungsbericht transparent gemacht werden müssen. Insofern gilt als weiteres Postulat die Befolgung einer festgelegten Vorgehensweise, die intersubjektiv nachvollziehbar und dadurch fachlich zustimmungsfähig wird. Wieder am Beispiel der Befragung dargestellt heißt dies, dass etwa die Fragen eines Fragebogens nur dann sinnvoll konzipiert werden können, wenn man zuvor die Aufgabenstellung und Zielsetzung der geplanten wissenschaftlichen Studie genau definiert (vgl. Kap. 6.1.2). 4) Eine wesentliche Voraussetzung allen Forschens ist die gesellschaftliche Relevanz des Themas. Die Kommunikationswissenschaft entwickelt entweder eigene Fragestellungen, die der Gesellschaft relevantes Wissen bereit stellen können (z. B. indem sie etwas zu Problemlösungen beitragen), oder bearbeitet Themen, die entweder Teil der öffentlichen Diskussion sind oder die als gesellschaftlich relevante Themen von einem Auftraggeber zur wissenschaftlichen Analyse vergeben werden. Die belastbare Beantwortung solcher Fragestellungen ist der einfachste Nenner, wissenschaftliches Forschen zu beschreiben. Egal, mit welcher Methode man seine Frage beantworten möchte: Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozess folgt letztlich immer einer (möglichst sparsamen) Struktur (vgl. Kap. 6.1.2). Aussagen der quantitativ ausgerichteten empirischen Sozialforschung sind letztendlich immer probabilistischer Natur: Man kann nicht von Gesetzmäßigkeiten sprechen (z. B. dass Fernsehgewalt auf alle Menschen gleich wirkt), sondern nur von bestimmten Wahrscheinlichkeiten, unter denen Ursache-Wirkungs-Beziehungen gelten: »Wenn Rezipienten relativ viel gewalthaltige Medieninhalte nutzen, ist die Chance, dass sie danach selbst aggressiver sind, […] größer als bei solchen Rezipienten, die wenig Gewalt sehen« (Brosius et al. 2012, S. 26). So individuell wie die Menschen sind, die auf eine Befragung antworten, so variantenreich werden auch die Datensätze, die in der Sozialwissenschaft erhoben werden. Probabilistische Forschung produziert daher immer Aussagen mit Varianz: Unter bestimmten Bedingungen reagieren bestimmte Personen auf Gewaltdarstellungen in den Medien stärker als andere. »Es mag Menschen geben, die von Gewaltdarstellungen im Fernsehen überhaupt nicht beeinflusst werden, und es mag jene geben, die im Sinne einer Nachahmung aggressiv reagieren«. Diese Varianz »geht letztlich […] letztlich auf den Untersuchungsgegenstand, mit dem man sich vorwiegend beschäftigt, zurück: den Menschen. Menschen sind komplex organisiert […]« (ebd.). Ideal und »Ziel bleibt natürlich die Annäherung <?page no="533"?> 6 Empirische Forschungstechniken 534 an nomothetische [gesetzmäßige] Aussagen, also starke Zusammenhänge zu finden, die mit großer Wahrscheinlichkeit zutreffen« (ebd.). Woran kann man erkennen, ob die Ergebnisse einer Untersuchung belastbar sind? In der quantitativen Forschung wird die Güte der Untersuchungsergebnisse an der Reliabilität sowie Validität einer Messung bewertet: Die Reliabilität bezeichnet die Zuverlässigkeit der Messung bzw. des Messinstruments: Wiederholt man den Messvorgang am gleichen Messobjekt, ohne dass sich dieses in der Zwischenzeit verändert hat, sollte man dasselbe Ergebnis erhalten - und zwar unabhängig vom Messenden; außerdem sollte das Messinstrument möglichst robust gegen unbewusste und bewusste Einflüsse des Untersuchten sein. Ein gutes Beispiel für ein reliables Messinstrument ist ein Metermaß: Die Messung eines ausgewachsenen Menschen mittels Metermaß an zwei aufeinanderfolgenden Tagen sollte - jeweils zum selben Zeitpunkt des Tages korrekt ausgeführt - identische Ergebnisse erzielen. Eine Messung muss außerdem gültig (»valide«) sein. Das ist sie, wenn sie genau das misst, was gemessen werden soll. Um beim Beispiel zu bleiben: Ein Meterstab ermöglicht eine valide Messung der physischen Größe eines Menschen, wenn darauf die Längenabstände korrekt abgebildet sind. Validität bezieht sich also auf die inhaltliche Richtigkeit sowie sachlogische Gültigkeit. Die Methodenliteratur (vgl. z. B. Brosius et al. 2012, S.-54f; Schnell et al. 2011, S. 146ff) unterscheidet drei Arten von Validität: 1) Inhaltsvalidität (Stehen die erhobenen Merkmale tatsächlich für das in Frage stehende Konstrukt? Besteht Intelligenz also tatsächlich aus emotionaler, mathematischer und sprachlicher Fähigkeit? Und misst mein Verfahren genau diese Fähigkeiten? ); 2) Kriteriumsvalidität (Sind die erhobenen Daten im Vergleich zu einem anderen Messkriterium gültig? Man könnte das Resultat des Intelligenztests eines Schülers z. B. mit dem Urteil seines Lehrers (= Kriterium) abgleichen); 3) Konstruktvalidität (Sind alle relevanten Aspekte des zu messenden Gegenstands vollständig erfasst? Erfasst also ein Intelligenztest, der emotionale, mathematische und sprachliche Fähigkeiten erhebt, tatsächlich alle Aspekte des Konstrukts »Intelligenz« oder gibt es Aspekte, die fehlen [z. B. räumlich-visuelle Fähigkeit]? ). . Die beschriebenen Postulate und Gütekriterien leiten den gesamten Forschungsprozess an. Sie sind die unabdingbaren Grundlagen und Rahmenbedingungen für alle Entscheidungen, die der Forscher während eines Forschungsprojekts treffen muss. Im Folgenden soll der Prozess für Forschungsprojekte, die dem quantitativen Paradigma folgen, detaillierter beschrieben werden. 6.1.2 Der Forschungsablauf im Überblick In Abbildung 18 sind die einzelnen Schritte des wissenschaftlichen Forschungsablaufes im quantitativen Paradigma in groben Zügen dargestellt (vgl. z. B. Schnell et al. 2011, S. 3ff; Brosius et al. 2012, S. 14ff). In der Praxis laufen die einzelnen Stufen häufig zeitlich nebeneinander ab und stellen sich wesentlich differenzierter dar als in diesem schematischen Überblick. Das Prinzip jedoch ist letztlich immer dasselbe: Zunächst muss ein gesellschaftlich relevantes Problem in eine wissenschaftliche Fragestellung überführt werden (Stufen 1 und 2), denn sie ist später die Voraussetzung für eine systematische Ergebnisdarstellung. Genauso wichtig sind eine präzise Definition der relevanten Begriffe (z.B. »Gewalt«) und ihre Einordnung in das vorhandene theoretische Wissen über sie (Stufen 3 und 4). Der Forscher greift also auf Theorien und Ansätze der Kommunikationswissenschaft und erforderlichenfalls einschlägiger Nachbarwissenschaften zurück, um seinen Untersuchungsgegenstand wissenschaftlich einzuordnen. In dieser Phase der theoretischen Aufbereitung kristallisiert sich bereits die Wahl der besten Methode heraus (Stufe 5), mit der an ausgewähltem Untersuchungsmaterial die <?page no="534"?> 6.1 Einführung in die quantitative Sozialforschung 535 theoretisch begründete Fragestellung empirisch überprüft werden soll. Es kann vorkommen, dass zwei oder mehrere Methoden angewendet werden müssen, um eine Forschungsfrage zu beantworten. Von der Forschungsfrage hängt ebenfalls ab, ob man eine Vollerhebung durchführen kann oder (falls die Grundgesamtheit zu groß ist) auf welches Auswahlverfahren (Stufe-7) zurückgegriffen werden muss, um eine sinnvolle Stichprobe für die Untersuchung zu erhalten. Nachdem die Erhebungsinstrumente (Stufe-6) - also ein Fragebogen, ein Codebuch (Inhaltsanalyse) oder ein Beobachtungsschema - entwickelt und vor der eigentlichen Untersuchung getestet wurden sowie eine Stichprobe gezogen wurde, kann die Feldphase beginnen (Stufe-8). Hierunter versteht man bei einer Befragung die Durchführung der Interviews, bei einer Inhaltsanalyse die Codierung - das ist die systematische Erfassung bestimmter Merkmale von Texten mithilfe eines Codebuchs - und bei der wissenschaftlichen Beobachtung die Erhebung von Verhalten, z. B. das Umschaltverhalten von Fernsehzuschauern mittels elektronischem Messgerät, dem GfK-Meter (vgl. Kap. 4.4.1.3). In der Feldphase erhebt der Forscher mit seinen Mitarbeitern demnach die Daten, die später in der Datenanalyse (Stufe-9) Abb. 18: Der wissenschaftliche Forschungsablauf im Überblick Abfolge Allgemein Beispiel 1. Stufe Phänomen, öffentliche Diskussion oder Identifikation eines Problems innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses (Grundlagenforschung, Theorie(weiter)entwicklung), Auftragsvergabe »Die Fernsehsender zeigen zu viel Gewalt, und das ist schädlich für unsere Kinder.« 2. Stufe Überführung des Problems bzw. des Auftrags in eine wissenschaftliche Fragestellung Vergleich gewalthaltiger Medieninhalte zwischen ARD, ZDF, RTL, ProSieben und SAT.1 Welche Medieninhalte gewalthafter Natur werden in den Sendern gezeigt? 3. Stufe Überführung der allgemeinen Fragestellung in ein exakt definiertes theoretisches Konstrukt Definition von »gewalthaltigem Medieninhalt« 4. Stufe Begründung durch eine/ mehrere kommunikationswissenschaftliche Befunde, Thesen, Entwicklung von Arbeitshypothesen für das eigene Forschungsvorhaben Ergebnisse zur Gewaltforschung Ergebnisse zu Untersuchungen über Gewalt im Fernsehen »Es existiert kein Unterschied hinsichtlich der Menge an gezeigter Gewalt zwischen öffentlichrechtlichen und privaten Fernsehsendern.« 5. Stufe Auswahl der Methode zur Überprüfung der Hypothese(n) Quantitative Inhaltsanalyse 6. Stufe Entwicklung der Erhebungsinstrumente Konstruktion eines Kategoriensystems zur Erstellung eines Codebuchs 7. Stufe Auswahlverfahren Festlegung und Ziehung einer Stichprobe (Auswahl der zu untersuchenden Sendungen) 8. Stufe Durchführung Erhebung der ausgewählten Medieninhalte anhand des Codebuches 9. Stufe Datenanalyse Statistische Analyse der gewonnenen Daten 10. Stufe Darstellung der Ergebnisse, Beantwortung der Forschungsfrage(n), Forschungsbericht (für Auftraggeber), Rückbezug zur Theorie z. B.: Die analysierten Sender unterscheiden sich/ unterscheiden sich nicht. Schlussfolgerungen z. B. im Lichte der Debatte über gesellschaftlichen Auftrag der TV-Veranstalter (öffentlichrechtlich/ privat) (eigene Darstellung) <?page no="535"?> 6 Empirische Forschungstechniken 536 mit adäquaten statistischen Verfahren ausgewertet werden. Entscheidend ist, dass die Forschungsergebnisse in der abschließenden Darstellung - einem Forschungsbericht, einem wissenschaftlichen Aufsatz oder einer Abschlussarbeit - auf das relevante Problem und die dahinter liegende Theorie rückbezogen werden. Jeder dieser Vorgänge und jede Entscheidung, die im Laufe des Forschungsprozesses getroffen wurde, muss im anschließenden Bericht begründet und transparent gemacht werden, um für den Leser intersubjektive Nachvollziehbarkeit herzustellen. Die Ergebnisse angewandter Kommunikationsforschung können in aller Regel zwar immer nur einen kleinen Teil zu Problemlösungen in der Gesellschaft beitragen. Wissenschaft kann in diesem begrenzten Rahmen jedoch helfen, z. B. mit Vorurteilen aufzuräumen und die öffentliche Diskussion etwa zum Thema »Mediengewalt« zu versachlichen. Aufgabe der Wissenschaft ist es, 1) auf Grund eines allgemein nachvollziehbaren, transparenten Vorgehens, 2) der systematischen Bearbeitung der einzelnen Schritte und 3) einer begründeten Auswahl der Untersuchungseinheiten Ergebnisse zu liefern, die eine allgemeinere Gültigkeit besitzen als eine individuell-subjektive Einschätzung zu einem Thema durch eine beliebige einzelne Person oder durch die Betrachtung eines beliebigen einzelnen Falls. Dabei muss die Betrachtung eines Einzelfalls nicht zwangsläufig unwissenschaftlich sein. Insbesondere die qualitative Forschung untersucht weniger »Fälle« in großer Tiefe und leitet hieraus Beschreibungen und Deutungen für zu Grunde liegende Phänomene ab (vgl. Kap. 6.2). Auf Basis dieser oft reichhaltigen Beschreibungen lassen sich jedoch keine statistisch-repräsentativen Aussagen ableiten. Die quantitative Forschung ermöglicht das durch die Logik des Auswahlverfahrens. 6.1.3 Auswahlverfahren Ähnlich wie in den anderen Sozialwissenschaften hat man es auch in der empirischen Kommunikationsforschung bei vielen Studien mit dem Problem großer Grundgesamtheiten zu tun. Das gilt für alle Lehr- und Forschungsfelder des Faches: Es wäre z. B. viel zu zeit- und kostenaufwändig, alle rund 48.000 hauptberuflich tätigen Journalisten Deutschlands nach ihrem Berufsverständnis zu befragen (Kommunikatorforschung). Auch erscheint es unmöglich, alle bundesdeutschen Zeitungen mit ihren rund 1.500 Ausgaben über einen bestimmten Zeitraum auf sämtliche Inhalte hin zu untersuchen (Medieninhaltsforschung). Vor ähnlichen Problemen steht der Forscher, wenn er die Strukturen aller in Deutschland vorhandenen Medienbetriebe (Print, Rundfunk, Online) beschreiben möchte (Medienstrukturforschung) oder die bundesdeutsche Bevölkerung zu ihrem Mediennutzungsverhalten befragen will (Mediennutzungsforschung). Und erst recht ist es ausgeschlossen, allen in Deutschland beobachtbaren individuellen und sozialen Folgen (Wirkungen) der Medienberichterstattung auf den Grund zu gehen. Immer müssen in der empirischen Sozialforschung, wenn man große Grundgesamtheiten untersuchen will, statistische Verfahren zur Anwendung gelangen, mit deren Hilfe es möglich ist, von einer relativ kleinen Auswahl (Stichprobe) auf die Grundgesamtheit zu schließen (vgl. Brosius et al. 2012, S. 57-78). Wer z. B. Aussagen über die wahlberechtigte Bevölkerung Deutschlands machen möchte, legt damit eine Grundgesamtheit (auch: Population) fest. In Abhängigkeit vom Forschungsinteresse wird also definiert, über welche Population eine wissenschaftliche Aussage gemacht werden soll. Eine Grundgesamtheit kann - etwa im Falle der Bevölkerung Deutschlands - sehr groß sein, kann sich aber auch auf zeitlich und räumlich enger umgrenzte »Elemente« beschränken, wie z. B. eine Schulklasse in einem bestimmten Schuljahr. Wenn eine Inhaltsanalyse durchgeführt werden soll (vgl. Kap. 6.3.2), schöpft man die zu untersuchenden Texte oder Fernsehausschnitte ebenfalls aus einer definierten Grundgesamtheit, z. B. alle Ausgaben einer Tageszeitung aus einem bestimmten Zeit- <?page no="536"?> 6.1 Einführung in die quantitative Sozialforschung 537 abschnitt. Damit ist bereits angedeutet, dass der Forscher - wiederum in Abhängigkeit vom Forschungsgegenstand - entweder die komplette Grundgesamtheit oder nur Teile aus ihr befragen, beobachten oder inhaltsanalytisch untersuchen kann. Man spricht deshalb auch von Voll- oder Teilerhebungen. Im Falle der in Kapitel 4.4.1.5 beschriebenen »Langzeitstudie Massenkommunikation« handelt es sich z. B. um eine Teilerhebung. Man befragt nur einen kleinen Ausschnitt der gesamten Bevölkerung (hier im Jahr 2010: 4.503 Personen) und überträgt die Ergebnisse aus dieser Stichprobe auf die Grundgesamtheit. Wenn man dann z. B. in dieser Stichprobe ermittelt, dass die Befragten durchschnittlich vier Stunden am Tag fernsehen, schließt man auf das Fernsehnutzungsverhalten der Bevölkerung insgesamt. Diese Aussage ist nur dann erlaubt, wenn die Stichprobe ein verkleinertes, strukturgleiches Abbild einer Grundgesamtheit ist. Warum nun ist ein Repräsentationsschluss von der Stichprobe auf die Gesamtpopulation zulässig? Möglich wird dies durch die Logik des Auswahlverfahrens: Für eine repräsentative Bevölkerungsumfrage wird die Stichprobe i. d. R. mittels Zufallsauswahl gezogen. Von einer Zufallsstichprobe spricht man, wenn jedes Element der Grundgesamtheit dieselbe Chance hat, in eine Stichprobe aufgenommen zu werden. Nur dann darf man im statistisch korrekten Sinn Ergebnisse einer Teilmenge auf die Gesamtpopulation übertragen. Durch das Zufallsprinzip bei der Auswahl nähert sich die Struktur der Stichprobe derjenigen der Grundgesamtheit an. Natürlich kann es bei derartigen Ziehungen auch Abweichungen geben, etwa dass Frauen im Verhältnis zu ihrer tatsächlichen Verteilung in der Bevölkerung unter- oder überrepräsentiert in der Stichprobe auftauchen. Diese Abweichung sinkt jedoch mit der Größe der Stichprobe: Auf Grund des Gesetzes der Großen Zahl kann man davon ausgehen, dass die Ergebnisse einer Stichprobe (z. B. Mittelwerte oder Verteilungen) mit vielen Elementen mit hoher Wahrscheinlichkeit nahe am wahren Wert, also der tatsächlichen Verteilung in einer gegebenen Grundgesamtheit, liegen. Eine Stichprobe muss also ausreichend groß gewählt werden, um sich seiner Schätzung sicher zu sein. Fällt die Stichprobe zu klein aus, ist die Möglichkeit, einen »falschen« - d. h. einen vom wahren Wert abweichenden - Wert zu schätzen, größer. Diese Erkenntnis der Statistik ist sowohl für die Wissenschaft als auch für die angewandte Marktforschung äußerst wichtig. In beiden Fällen kommt es nämlich darauf an, möglichst genaue Aussagen darüber zu ermitteln, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Einstellung in der Grundgesamtheit vorhanden ist, etwa bei einer (politischen) Wahlabsicht oder bei der Einschätzung eines neuen Produktes (vgl. Kap. 6.1.1). In den Sozialwissenschaften wurden im Wesentlichen zwei methodisch-statistische Verfahren entwickelt, diese Problematik zu bewältigen. Zum einen sind dies die zufallsgesteuerten Auswahlverfahren (Random-Verfahren), zum anderen ein Spezialfall der bewussten Auswahlverfahren, das Quotenverfahren. Mit einer Stichprobe, die nach dem Zufallsprinzip gezogen wurde, bildet sich am ehesten die wahre Verteilung von Merkmalen einer Grundgesamtheit in einer Stichprobe ab. Das einfachste und zugleich mathematisch korrekte Auswahlverfahren ist die »einfache« oder auch uneingeschränkte Zufallsauswahl. Will man z. B. eine Stichprobe der Einwohner einer Großstadt ziehen, müsste man aus einem vollständigen Register aller Elemente (gemeldete Bewohner) aus der Grundgesamtheit (die Großstadt) per Zufallsgenerator ziehen. Alternativ kann man nach einer festgelegten Auswahlregel (»ziehe jedes 7. Element, beginne mit C«) vorgehen, um eine ausreichend große Teilmenge auswählen. In diesem Fall spricht man von einer systematischen Zufallsauswahl. Neben dem Prinzip der Zufallsauswahl kennt die empirische Sozialforschung weitere Verfahren, Stichproben zu ziehen. Will man z. B. einen möglichen Zusammenhang zwischen sozialem Verhalten und extrem hohem Fernsehkonsum erforschen, würde eine Zufallsstichprobe ohne zusätzliche Spezifizierung wenig Sinn machen, da man sehr viele Personen »ziehen« müsste, um irgendwann eine hinreichend große Menge an Vielsehern zusammen zu haben. Außerdem ist man ja nicht an dem Anteil von Extremsehern in der Bevölkerung interessiert, sondern speziell am Verhalten dieser Teilpopulation. Man würde in derartigen Fällen eher Personen bewusst auswählen, die von sich <?page no="537"?> 6 Empirische Forschungstechniken 538 sagen, dass sie regelmäßig sehr viel fernsehen. Man erhält eine Stichprobe typischer Fälle oder extremer Fälle. Die Ergebnisse haben dann zwar nur Gültigkeit für genau diese Stichprobe. Kann man allerdings gewährleisten, dass die Fälle tatsächlich »typisch« sind oder zufällig aus der Grundgesamtheit aller Extremseher gezogen wurden, sind auch solche Befunde (für diese Gruppe) repräsentativ. Der Begriff repräsentativ ist also keinesfalls deckungsgleich mit »bevölkerungscharakteristisch«, obgleich er im Alltagssprachgebrauch oft synonym verwendet wird. Ein weiteres, bekanntes Verfahren bewusster Auswahl ist das sog. Quotenverfahren. Beim Quotenverfahren werden ausgewählte bekannte Merkmale einer Grundgesamtheit 1: 1 auf die Stichprobe übertragen. Diese Merkmale sind i. d. R. soziodemografische, also Alter, Geschlecht, Wohnort, Einkommen, formale Bildung oder Beruf. Voraussetzung für die Ziehung einer Stichprobe nach dem Quotenverfahren ist die genaue Kenntnis der Verteilung dieser Merkmale in der Grundgesamtheit. Die Daten dazu liefern die statistischen Landes- und Bundesämter, die sie wiederum durch Zensus bzw. Mikrozensus erhalten. Man weiß dann z. B., wie viele berufstätige Frauen, die älter als 50 Jahre sind, in einem bestimmten Bundesland leben. In der Stichprobe muss dann genau dieser Anteil berufstätiger Frauen über 50 im Bundesland vertreten sein. Die Befragten werden demnach nicht zufällig, sondern nach einem Quotenplan bewusst ausgewählt. Der Vorteil einer Quotierung ist, dass die Stichprobe hinsichtlich der quotierten Merkmale zu 100 Prozent ein strukturgleiches Abbild der Grundgesamtheit darstellt. Während man bei zufallsgesteuerten Auswahlverfahren auch davon ausgehen kann, dass die Verteilung aller Merkmale in der Stichproben denen in der Grundgesamtheit entspricht, besteht der Nachteil der Quotenstichprobe darin, dass eben nur die Verteilung der quotierten soziodemografischen Merkmale der Verteilung in der Grundgesamtheit entspricht. Von allen anderen Merkmalen, insbesondere denjenigen, die bei einem Forschungsvorhaben untersucht werden sollen, kennt man im Unterschied zu einer Auswahl nach dem Zufallsprinzip die Verteilung in der Grundgesamtheit nicht. Gerade weil bei Quotenverfahren keine uneingeschränkte Zufallsauswahl angewendet wird, kann es also passieren, dass die zu untersuchenden Merkmale in der Stichprobe systematisch verzerrt abgebildet sind. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass die Ergebnisse von Marktforschungsinstituten, die mit Quotenverfahren ihre Stichprobe realisieren, nicht grundsätzlich »realitätsferner« sind als diejenigen, die per Zufallsauswahl ziehen. Hinzu kommt, dass es beim Quotenverfahren keine (sichtbaren) Stichprobenausfälle gibt - die beim Zufallsverfahren etwa aufgrund der fehlenden Erreichbarkeit mancher Elemente auftreten - weil beim Quotenverfahren so lange weiter rekrutiert wird, bis die Quoten erfüllt sind. 6.1.4 Wahl der Methode Gemeinsam ist allen empirischen Forschungstechniken, durch planmäßiges und systematisches Vorgehen Daten und Informationen über die Vielfalt gesellschaftlicher Phänomene sowie individueller und sozialer Meinungen und Einstellungen, Handlungen und Verhaltensweisen auf intersubjektiv nachvollziehbare Weise zu erhalten. In aller Regel können beim empirischen Forschen nur kleine Ausschnitte sozialer Realität erfasst werden. In der Kommunikationswissenschaft können dies z. B. sein: die Berufsgruppe der Journalisten (Kommunikatorforschung); die Berichterstattung von Medien über ein bestimmtes Thema (Medieninhaltsforschung); Medienstrukturen wie z. B. die Struktur der bundesdeutschen Regional- und Lokalzeitungen (Medienstrukturforschung); die Zeit, die Kinder täglich vor dem Fernseher verbringen (Mediennutzungsforschung); Meinungen der Fernsehzuschauer über und ihr Erleben von Reality-TV (Rezeptionsforschung); die Wirkung von Werbebotschaften auf das Kaufverhalten (Wirkungsforschung). <?page no="538"?> 6.1 Einführung in die quantitative Sozialforschung 539 Der Forscher greift also aus der Vielfältigkeit eines komplexen Problems einen Aspekt gemäß seines Forschungsinteresses heraus. Insofern ist die Auswahl des Untersuchungsgegenstandes »subjektiv«, was jedoch nicht mit »beliebig« verwechselt werden darf. Denn der Forschungsablauf selbst sowie die (Ein-)Stellung des Forschers zu seinem Untersuchungsgegenstand sind von professioneller Distanz gekennzeichnet. Hier wird gefordert, dass sich der Forscher bei seiner Untersuchung nicht von persönlichen Vorlieben leiten lassen darf, die einen verzerrenden Einfluss auf die Ergebnisse haben könnten. Vielmehr soll er sich als neutraler Beobachter verstehen, der nach wissenschaftlich festgelegten Regeln systematisch und methodisch korrekt vorgeht. Dies ist »Objektivität« im wissenschaftlichen Sinn und wird durch intersubjektive Nachvollziehbarkeit sichergestellt. Das bedeutet im quantitativen Paradigma, dass eine Studie zu jedem beliebigen Zeitpunkt und von jedem beliebigen Forscher exakt repliziert werden können muss und dass dazu alle Schritte der Analyse transparent und in sich logisch vorliegen und dokumentiert werden (vgl. Kap. 6.1.2). Der überwiegende Teil der Lehr- und Forschungsfragen der Kommunikationswissenschaft hat öffentliche und zwischenmenschliche Kommunikation zum Gegenstand (vgl. Kap. 3). Die Methoden der empirischen Sozialforschung finden in den verschiedenen Forschungsfeldern, also der Kommunikator-, der Medieninhalts-, der Medienstruktur-, der Mediennutzungs-, der Rezeptions- und der Wirkungsforschung, ihre Anwendung. Dabei eignet sich nicht jede Methode für jede Fragestellung (z. B. weil Texte nicht befragt werden können). So legt bereits die Fragestellung die Wahl der Methode nahe (vgl. Abb. 19). Abb. 19: Die Wahl der Methode hängt von der Fragestellung ab Forschungsfeld mögliche Methode Beispiel Kommunikatorforschung Befragung von Journalisten zum Thema Nachrichtenauswahl Inhaltsanalyse journalistischer Inhalte zu Kriterien der Nachrichtenauswahl Beobachtung der Arbeitsbeziehungen von Journalisten in Redaktionen Medieninhaltsforschung Inhaltsanalyse i. d. R. massenmedial verbreiteter Texte in Print, TV, Internet etc. (z. B. zu Themenstrukturen) Medienstrukturforschung Inhaltsanalyse von Onlinenachrichtenangeboten zum Einsatz interaktiver Features (die Nutzerpartizipation ermöglichen) Mediennutzungsforschung Befragung zum Mediennutzungsverhalten, zu Motiven der Mediennutzung Beobachtung zum Messen von Einschaltquoten; habitualisierter TV-Nutzung Rezeptions- und Wirkungsforschung Befragung zur Anmutung und Bewertung von Medienprodukten, Erinnerung an TV-Werbung Beobachtung zu Merkmalen von Botschaften, die Blicke fangen, in Angst versetzen etc. (Blickregistrierung; psychophysiologische Messungen) Nicht selten findet man in der empirischen Kommunikationsforschung die Kombination mehrerer Methoden zur Klärung einer Forschungsfrage vor. Man spricht dann von einem »Methodenmix« oder auch von »Triangulation«. Und oftmals erfordert eine Fragestellung auch, für ihre Beantwor- (eigene Darstellung) <?page no="539"?> 6 Empirische Forschungstechniken 540 tung externe Informationen zusätzlich zu den eigenen Daten heranzuziehen - z. B. Gesetzestexte oder volkswirtschaftliche Kennwerte zur Darstellung wirtschaftlicher Verflechtungen von Medienkonzernen in der Medienstrukturforschung. Für jede Methode bzw. Forschungsstrategie benötigt man konkrete und je eigene Erhebungsbzw. Messinstrumente, die der Forscher entwickeln muss. Es sind dies in der quantitativen Forschung: für die Befragung ein Fragebogen für die Inhaltsanalyse ein Codebuch (mit Codebogen) für die klassische Beobachtung ein Beobachtungsschema (mit Protokollbogen) für die apparative Beobachtung Technisches Beobachtungsequipment Diese Methoden bzw. Forschungstechniken werden später in ihren quantitativen wie auch qualitativen Umsetzungen beschrieben (vgl. Kap. 6.3). Dabei handelt es sich um Verfahren, wie sie in der empirischen Sozialforschung generell, also auch in der Soziologie, der Psychologie, der Pädagogik oder den Politikwissenschaften, eingesetzt werden. In diesem Sinn hat die Kommunikationswissenschaft kein »eigenes« Methodenwerkzeug geschaffen. Allenfalls kann man festhalten, dass im Laufe langjähriger Forschung insbesondere die Methode der Inhaltsanalyse von der Kommunikationswissenschaft verbessert und weiterentwickelt wurde. 6.2 Einführung in die qualitative Sozialforschung Neben quantitativen standardisierten Methoden finden in der Kommunikationswissenschaft auch qualitative Methoden Anwendung. Methoden qualitativer Sozialforschung sind deutlich heterogener, weil sie nicht bzw. nur zu einem begrenzten Grad standardisiert sind. Im hier vertretenen Verständnis qualitativer Forschung bedient diese sich ebenfalls wissenschaftlicher Methoden der Erkenntnisgewinnung, die systematisch und intersubjektiv nachvollziehbar zur Beantwortung von einer oder mehreren Forschungsfragen eingesetzt werden (vgl. Kap. 6.1.1). Allerdings gründet qualitative Forschung generell auf anderen erkenntnistheoretischen Grundannahmen. Folglich unterscheidet sich an einigen Stellen auch die konkrete Umsetzung der in Kap. 6.1.1 beschriebenen Aspekte. Um Wiederholungen zu vermeiden, werden hier nur die Unterschiede dargestellt. Dies bedeutet aber nicht, dass die Anwendung quantitativer und qualitativer Methoden unvereinbar wäre, im Gegenteil: Sie ergänzen sich, weil sie zu anderen Fragestellungen passen oder die gleiche Fragestellung aus anderen Perspektiven beleuchten können. Qualitativ Forschende wollen verstehen, sinnhaft nachvollziehen und das Typische (also nicht das Häufige) finden. Es geht hier um Sinnzusammenhänge statt um Korrelationen (wenn auch kausale Thesen mittels qualitativer Forschung entwickelt werden können), und darum, den Kern (also das Wesentliche) eines Phänomens zu erkennen. Viele Forscher arbeiten daher quantitativ und qualitativ (in der Praxis muss sich also Erkenntnistheorie nicht unmittelbar oder gar unüberbrückbar durchschlagen). Auch dieser Abschnitt will nur einen Überblick vermitteln und kann aufgrund der gebotenen Kürze nicht den Anspruch erheben, ein Methoden-Lehrbuch zu ersetzen. Daher sei hier auf die vielfältige wissenschaftliche Literatur verwiesen, die es über qualitative Methodenlehre, insbesondere auch speziell für die sozialwissenschaftlich ausgerichtete Kommunikationswissenschaft, bereits gibt (z. B. Meyen et al. 2011; Lamnek 2010; Mayring 2002, 2010; Gläser/ Laudel 2010; Flick et al. 2007; Mikos/ Wegener 2005). <?page no="540"?> 6.2 Einführung in die qualitative Sozialforschung 541 6.2.1 Allgemeine Anforderungen und Gütekriterien Auch mithilfe qualitativer Methoden sollen gesellschaftlich relevante wissenschaftliche Fragestellungen beantwortet werden; insofern wird an sie ebenfalls der Anspruch gestellt, gültige Aussagen über Fragen zur sozialen Realität zu machen und dabei wissenschaftlich und systematisch vorzugehen, um belastbare Antworten zu finden (vgl. Kap. 6.1.1). Allerdings zielt qualitative Forschung auf ein anderes Erkenntnisinteresse: Mithilfe qualitativer Verfahren soll nicht statistisch überprüft oder getestet, sondern entdeckt werden. Qualitative Methoden finden z. B. auf Gebieten Anwendung, über die noch nicht viel geforscht wurde (Exploration), und helfen dabei, komplexe Zusammenhänge überhaupt erst zu erkennen (die man anschließend auch mithilfe standardisierter Untersuchungen statistisch testen kann). Qualitative Forschungstechniken sind aber keineswegs nur vorstudien- oder nachfassungstauglich. Richtig gesampelt ermöglichen qualitative Untersuchungen ebenfalls »Aussagen, die über das konkrete Untersuchungsobjekt hinausweisen und deshalb verallgemeinerbar sind« (Meyen et al. 2011, S. 12; vgl. Kap. 6.2.2). Da qualitative Forschung entdecken will, müssen ihre Instrumente flexibel auf den Untersuchungsgegenstand reagieren können (also un- oder maximal teilstandardisiert konzipiert sein). Das bedeutet aber nicht, dass qualitative Forschung beliebig und hoch subjektiv abläuft und es keinen Diskurs darüber gibt, was gute qualitative Forschung ausmacht. Auch hier können allgemeine Regeln formuliert werden, um die Güte von Forschungsprojekten und ihrer Befunde zu identifizieren (vgl. z. B. Steinke 2007). In der einschlägigen Literatur finden sich verschiedene Kataloge mit Prinzipien qualitativer Forschung, aus denen sich solche Gütekriterien ergeben (vgl. zusammenfassend Meyen et al. 2011, S. 30ff); wir wollen uns hier v. a. auf die für die Kommunikationswissenschaft entwickelten Kriterien beziehen. Meyen et al. (2011) z.-B. formulieren folgende zwei Postulate (aus denen sich die unten genannten Gütekriterien ableiten lassen): • Kein Wissen ohne Subjekt: Es gibt keine objektive Erkenntnis, vielmehr werden »Denkinhalte« (Wissen) immer durch die Person und Biografie des »Denkenden« (Meyen et al. 2011, S. 33) beeinflusst (der wiederum nicht unabhängig von der Gesellschaft und dem herrschenden Zeitgeist existiert). Da Wissen einen Gegenstand, auf den es bezogen ist, nicht einfach reflektiert, sondern ihn erst konstruiert, wird klarer, warum der Forscher nicht aus dem Erkenntnisgewinnungsprozess ausblendbar ist (wie dies im quantitativen Paradigma postuliert wird). Vielmehr ist der Forschende in der Erkenntnistheorie des qualitativen Paradigmas an dessen Konstruktion aktiv beteiligt (z. B. durch die Interaktion mit Interviewten oder Beobachteten bei der Datenerhebung). • Kein Wissen ohne Theorie: Kontextfreies Wissen gibt es nicht; um Informationen zu verstehen, müssen wir sie in einen Kontext (Vorwissen) einbetten können. Zugleich hängt vom Vorwissen (z. B. einer Theorie) ab, »wie sich die Wirklichkeit präsentiert« (ebd.). Theorien, die Forschung anleiten, entscheiden dann wiederum, wie die Forschenden den Untersuchungsgegenstand strukturieren und damit auch, welche Daten sie sammeln und zu welchen Ergebnissen sie kommen. Während das erste Postulat unter qualitativen Forschern wohl relativ unstrittig ist, wurde das zweite - die Frage nach der Rolle theoretischer Vorannahmen - lange diskutiert. Steht theoriegeleitetes Vorgehen der Anforderung entgegen, dem Untersuchungsgegenstand ›offen‹ gegenüber zu treten? Barney Glaser und Anselm Strauss z. B. forderten von qualitativ Forschenden, am besten ohne die Aufarbeitung von (theoretischen oder empirischen) Vorarbeiten an einen Untersuchungsgegenstand heranzutreten, um Theorien zu diesem Gegenstand überhaupt erst unvoreingenommen entwickeln zu können (vgl. Glaser/ Strauss 1967). Folgt man dem oben aufgestellten Postulat, dass es kein Wissen ohne Theorie geben kann, so ist diese Forderung zum einen nicht umsetzbar - schließlich verfügen wir immer über alltägliches Vorwissen, sonst wären wir recht orientierungslos. Zum anderen ist sie auch nicht logisch, da Vorwissen für die Interpretation einer Situation immer notwendig <?page no="541"?> 6 Empirische Forschungstechniken 542 ist (vgl. Meinefeld 2007). Viele qualitativ arbeitende Sozialforscher orientieren sich deshalb an theoretischen Vorarbeiten, die ihnen helfen, ›ihren‹ Gegenstand zu dimensionieren (Meyen et al. (2011, S.- 35) nennen das auch »kategoriengeleitetes Vorgehen«); zugleich versuchen sie aber auch immer dafür bereit zu sein, sich während des Forschungsprozesses von der empirischen Welt in ihren Vorannahmen ›irritieren‹ zu lassen, um neue Aspekte zu entdecken (vgl. Steinke 2007, S. 327). Aus den beiden oben explizierten Postulaten lassen sich Gütekriterien ableiten, die zum einen Forschende bei der Konzeption und Verwirklichung eigener Projekte anleiten sollen, und zum anderen den Lesern bei der Beurteilung helfen können, ob die präsentierten Ergebnisse auch belastbar sind (Meyen et al. 2011, S. 47): • »Zuverlässigkeit: intersubjektive Nachvollziehbarkeit; • Gültigkeit: Stimmigkeit von Fragestellung, Theorie, Methode und Ergebnissen; • Übertragbarkeit: Generalisierbarkeit; • Werturteilsfreiheit: keine normative Beurteilung.« Wird eine Beurteilung der Erkenntnisse vorgenommen, so muss sie immer getrennt von der Beschreibung und Interpretation des Gegenstands erfolgen. Meyen et al. (2011, S. 47f ) schlagen fünf Strategien vor, um den vier genannten Gütekriterien Rechnung zu tragen: • Nähe zum Gegenstand (bedient die Kriterien der Zuverlässigkeit und Gültigkeit): Erhebungs- und Auswertungsmethoden sind dem Gegenstand angemessen. Verhalten wird also am besten beobachtet, Meinungen werden durch Selbstauskünfte erfasst und Aussagen über Medienberichterstattung inhaltsanalytisch erhoben. Nähe heißt aber auch: Der Forscher soll sich bemühen, in den Kontext (z. B. in die Lebenswelt eines Beobachteten) einzutauchen, allerdings die nötige Distanz zu wahren, um zu einer eigenen Deutung der Resultate gelangen zu können. • Dokumentation des Forschungsprozesses (zielt auf Zuverlässigkeit): Gerade weil Instrumente nicht standardisiert, sondern auf den Gegenstand ›maßgeschneidert‹ sein müssen, ist darauf zu achten, beim Abfassen des Forschungsberichts so gut wie nur möglich Transparenz über das konkrete Vorgehen herzustellen. Der gesamte Forschungsprozess wird offengelegt, um intersubjektive Nachvollziehbarkeit herzustellen. Das erfolgt v. a. durch das Beschreiben und Begründen jeder einzelnen Entscheidung (Methodenwahl, Sampling, Auswertungsverfahren etc.). • Selbstreflexion (zielt auf Zuverlässigkeit, Gültigkeit, Werturteilsfreiheit): Der Forscher macht sich bewusst, welche Vorannahmen (Alltagsbzw. wissenschaftliche Theorien) ihn anleiten, und welche Grenzen der Erkenntnis sich hieraus ergeben. Er versucht sich darüber klar zu werden, wie er zum Untersuchungsgegenstand steht. Im Forschungsbericht wird diese (theoretische, methodische) Selbstreflexion offengelegt. • Reflexion der Entstehungsbedingungen (zielt auf Gültigkeit, Übertragbarkeit): Auch hier geht es darum, Limitationen (im Projektbericht) aufzuzeigen - und zwar jene, die durch die Entstehungsbedingungen auftreten und der Erkenntnis ebenfalls Grenzen setzen: Welche Ressourcen sind verfügbar? In welchem Umfeld entsteht die Studie (Zeitgeist)? Gibt es bestimmte Interessen(-skonflikte) (z. B. Auftraggeber, Untersuchungspersonen)? Wie wurden die Informationen erhoben? • Interpretation in Gruppen (zielt auf Gültigkeit, Zuverlässigkeit): Kollaboratives Arbeiten schützt vor zu viel Subjektivität - Projektpartner sind kritische Korrektive, dieselbe Funktion kann auch ein Kandidatenseminar für Studierende oder die Fachgesellschaft für Forschende übernehmen (z. B. auf Tagungen). <?page no="542"?> 6.2 Einführung in die qualitative Sozialforschung 543 6.2.2 Der Forschungsablauf im Überblick Der Ablauf auch qualitativer sozialwissenschaftlicher Forschung entspricht zu Beginn dem in Kapitel 6.1.2 vorgestellten Vorgehen: Ein gesellschaftlich relevantes Problem wird in eine wissenschaftliche Fragestellung überführt (Stufe 1 und 2), relevante Begriffe werden definiert und mithilfe einer »dimensionalen Analyse« (Wegener/ Mikos 2005, S. 172) in das vorhandene theoretische Wissen eingeordnet (Stufe 3 und 4). Da in der Praxis häufig mit dem Forschungsgegenstand schon klar ist, ob ihm qualitative oder quantitative Methoden am ehesten gerecht werden, verzichtet man bei qualitativem Vorgehen üblicherweise schon bei der Bearbeitung der Theorie(n) und des Forschungsstands auf die Formulierung von Hypothesen zugunsten offener Forschungsfragen. Grund dafür ist die Annahme, dass die Formulierung von Hypothesen das Denken bei explorativer Forschung von vornherein zu stark einschränken könnte (vgl. Lamnek 2010, S. 19f ). Hypothesen können vielmehr Ergebnis qualitativen Arbeitens sein. Fällt die Entscheidung also auf eine qualitative Methode oder eine Kombination qualitativer Methoden (Stufe 5), gestaltet sich der Forschungsprozess nun etwas anders als der des quantitativen Paradigmas. Das Forschungsproblem und die sich daraus ergebende(n) Forschungsfrage(n) bestimmen zwar zunächst auch hier die Entwicklung der Erhebungsinstrumente (Stufe 6) und das Auswahlverfahren der Teilnehmer (bei Befragung, Beobachtung) oder der Inhalte (bei Inhaltsanalysen). In der qualitativen Forschung wird jedoch zumeist anders gesampelt, nämlich durch eine theoretische Auswahl während der Erhebungsphase (vgl. Kap. 6.2.3). Da hierbei das Sample idealerweise während der Analyse noch ergänzt wird, verläuft der Forschungsprozess nicht geradlinig, sondern spiralförmig (vgl. Meyen et al. 2011, S. 54). Die Stufen 7 bis 9 werden immer wieder nacheinander durchlaufen, bis die sog. theoretische Sättigung als erreicht gelten kann (vgl. 6.2.3). Ebenso können sich die Erhebungsinstrumente während des Samplings verändern (was einen Pretest - vgl. Kap. 6.3 - aber nicht überflüssig macht! ). So kann z. B. von einem Interviewten ein Aspekt immer wieder angesprochen werden, den man als Forscher zu Beginn der Untersuchung nicht bedacht hat (oder umgekehrt auch Aspekte nicht zur Sprache kommen, die man zunächst als relevant erachtet hat). Qualitative Forscher lassen sich immer vom Feld, das ergründet werden soll, ›irritieren‹ - sei es hinsichtlich der theoretischen Vorannahmen oder hinsichtlich der erstellten Instrumente (vgl. Steinke 2007, S. 327). Weil qualitative Forschung nicht zählen, sondern entdecken und verstehen will, geht es um das Aufdecken aller oder der typischen Merkmale, und nicht um die numerische Häufigkeit ihres Vorkommens. 6.2.3 Auswahlverfahren Da qualitative Forschung zum einen vielfach Anwendung findet, wenn ein Gegenstand exploriert werden soll, und qualitative Forschungsprojekte zum anderen durchaus zum Anspruch haben, auch verallgemeinerbare Erkenntnisse zu produzieren, sampeln Forschende zumeist nach dem Verfahren der theoretischen Auswahl (vgl. Meyen et al. 2011, S. 68-71). Es bietet sich hierbei an, Kriterien aus der Theorie und dem Forschungsstand abzuleiten, denen ein Einfluss auf den zu ergründenden Untersuchungsgegenstand unterstellt werden kann. Diese Kriterien leiten dann die Suche nach Teilnehmern (Befragungen, Beobachtungen) oder Medienangeboten (Inhaltsanalysen) an (Meyen et al. 2011, S. 68). Der Kriterienkatalog kann im Prinzip aussehen wie ein Quotenplan, wie er bereits in Kapitel 6.1.3 besprochen wurde (vgl. auch Meyen et al. 2011, S. 69). In diesem Fall steht das Sample oft schon zu Beginn der Untersuchung fest. Der Kriterienkatalog kann aber auch während der Erhebung im Feld sukzessive erweitert und modifiziert werden, um auf den Untersuchungsgegenstand (also auf die bereits gewonnenen Erkennt- <?page no="543"?> 6 Empirische Forschungstechniken 544 nisse aus Interviews, Inhaltsanalysen oder Beobachtungen) zu reagieren. Die Kriterien sollten in ihren Ausprägungen entweder maximal variantenreich durch die zu untersuchenden Texte oder Personen im Sample repräsentiert werden (Prinzip der maximalen Kontrastierung), damit zum Ende der Analyse der Gegenstand in all seinen Facetten abgebildet wurde. Oder es sollten möglichst ähnliche Texte, Situationen etc. analysiert werden, um das ihnen (möglicherweise) zugrundeliegende gemeinsame Muster zu erkennen und zu vervollständigen (Prinzip der minimalen Kontrastierung; vgl. Keller 2010, S. 222). Die erhobenen Informationen werden so lange durch das Hinzunehmen neuer Interviews oder Inhalte ergänzt, bis schließlich keine neuen Informationen durch weitere Datenerhebung (Interviews, Beobachtungen, Inhaltsanalysen) hinzukommen. In diesem Fall tritt theoretische Sättigung ein und der Forscher kann das Sampling beenden (vgl. Merkens 2007; Meyen et al. 2011, S. 53ff). 6.2.4 Wahl der Methode Qualitative Methoden eigenen sich besonders für solche Forschungsprobleme, die auf ›inhaltliche Tiefe‹ abzielen, die in standardisierten Untersuchungen zugunsten der Vergleichbarkeit und Handhabbarkeit der Daten reduziert werden muss. Qualitative Verfahren sind aus diesem Grund immer un- oder maximal teilstandardisiert und produzieren üblicherweise eine große Menge an Daten bzw. Text (schließlich müssen auch hier Interviews in ein Textdokument überführt, d. h. transkribiert werden, um sie adäquat auswerten zu können). Erhebung und Management qualitativer Daten fordern daher gutes Training z. B. durch Methodenübungen im Studium (vgl. Meyen et al. 2011, S. 12ff). Ganz konkret können qualitative Methoden gut auf Fragestellungen angewandt werden, die mit einem warum/ wieso, wie oder welche eingeleitet werden: Wie sehen Journalisten ihre Berufsrolle (Kommunikatorforschung - Befragung); wie berichten Medien über Menschen mit Migrationshintergrund (Medieninhaltsforschung - Inhaltsanalyse); wieso/ warum nutzen Menschen bestimmte Medien (Mediennutzungsforschung - Befragung, kombiniert mit Beobachtung); wie verarbeitet das Publikum von Onlinenachrichtenangeboten in Nutzerkommentaren Deutungsrahmen (also Frames bzw. Framebestandteile), die durch die Berichterstattung transportiert werden (Rezeptionsforschung - Inhaltsanalyse) - um nur einige Beispiele für die einzelnen Forschungsfelder des Fachs zu nennen (vgl. Abb. 19). Auch für qualitative Forschung gilt, dass die Fragestellung die Methode bereits nahelegt. Wie schon in Kapitel 6.1.4 anhand von Beispielen gezeigt, werden Inhaltsanalysen - auch qualitative - eingesetzt, um Texte zu bearbeiten, und mittels (un- oder teilstandardisierten) Beobachtungen menschliche Verhaltensweisen zu erfassen. Im qualitativen Paradigma steht v. a. der Begriff (wissenschaftliches) ›Interview‹ für die Datenerhebungstechnik, die Einschätzung und Meinungen von Menschen erhebt. Interviews werden auch teilweise mit zwei oder mehreren Personen geführt (vgl. Meyen et al. 2011, S. 85). Im ersten Fall spricht man vom ›Paarinterview‹, im zweiten Fall wird dieses Interview v. a. als (Gruppen-)Diskussion eingesetzt (dabei tritt die Interaktion zwischen Interviewten und Interviewer zurück, um Interaktionen zwischen den einzelnen Interviewten Raum zu geben) (vgl. dazu Kap. 6.3.1.3). Qualitative Datenerhebungs- und Auswertungsstrategien entstanden und entstehen, wie bereits erwähnt, immer in Bezug auf einen konkreten Untersuchungsgegenstand. Daher empfiehlt sich für den Forscher oder Studierenden, bereits vorliegende konkrete Studien danach zu sichten, wie dort die entsprechenden Forschungstechniken entwickelt oder angepasst und eingesetzt wurden. In den folgenden Kapiteln können aus Platzgründen nur die gängigsten qualitativen Verfahren beschrieben werden: Lehrbücher oder Dokumentationen von Forschungsprojekten (idealerweise Dissertationen, die das methodische Vorgehen sehr genau offenlegen, da sie der Qualifikation dienen) stellen die Verfahren oft weit differenzierter dar. Folgende Erhebungsinstrumente entsprechen den bereits für quantitative Forschung dargestellten: <?page no="544"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 545 für die Befragung ein Leitfaden/ eine erzählgenerierende Fragestellung für die Inhaltsanalyse ein Kategoriensystem für die klassische Beobachtung ein Beobachtungsschema bzw. ein Protokollbogen (ergänzt durch ein Beobachtungstagebuch) 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sind jene empirischen Forschungstechniken, wie sie auch in der empirisch arbeitenden Kommunikationswissenschaft Anwendung finden: die Befragung, die Inhaltsanalyse und die Beobachtung. Abschließend kommt auch das Experiment zur Sprache, das keine Methode im klassischen Sinn, sondern eine Untersuchungsanordnung darstellt. Befragung, Beobachtung und Inhaltsanalyse werden mit Blick auf quantitative (= standardisierte) wie qualitative (= teilbzw. unstandardisierte) Vorgehen erörtert. 6.3.1 Die Befragung Von allen wissenschaftlichen Methoden und Forschungsstrategien ist die Befragung, auch wissenschaftliches Interview genannt, die gebräuchlichste und bekannteste. Wer kennt nicht die »Hitlisten« zur Beliebtheit von Politikern, die auf repräsentativen Bevölkerungsumfragen beruhen oder ist nicht selbst schon einmal am Telefon, per Briefpost oder online zu einem (wissenschaftlichen) Interview gebeten worden? Kaum eine andere Methode der empirischen Sozialforschung ist im Laufe ihrer Anwendung weiter entwickelt worden als die Befragung. So weiß man z. B., dass die Reihenfolge der Fragen im Fragebogen einen Einfluss auf das Antwortverhalten der Interviewten haben kann; oder, um ein anderes Beispiel zu nennen, dass die Befragungssituation zwischen Interviewer und Befragtem die Art der (im qualitativen Interview) erhobenen Informationen mitbestimmt bzw. (bei der standardisierten Befragung) das Ergebnis »verzerren« kann. Insbesondere hier - also in der Beurteilung der sozialen Situation des Interviews - unterscheiden sich die beiden Paradigmen: Während zur Erhebung quantitativer Daten in Interviews auch die Interviewsituation standardisiert sein muss, um Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten, nimmt das qualitative Paradigma an, dass es immer eine individuelle soziale Situation zwischen Forscher und Interviewtem geben wird, die bestenfalls die Generierung von Informationen unterstützt - z. B. indem durch ein anregendes Gespräch Wissen beim Befragten aktualisiert wird, das durch die Beschäftigung mit einem Kontext erst wieder an die Oberfläche tritt (vgl. Lamnek 2010, S. 20f; Gläser/ Laudel 2009, S. 146f ). Auch hier zeigt sich wieder: beide Verfahren verfolgen unterschiedliche Ziele. Quantitative Verfahren reduzieren Informationen, um zu vergleichen und dadurch zu erklären, qualitative Verfahren sollen zusätzliche Informationen generieren um zu verstehen. Im Folgenden wird die Forschungstechnik der Befragung bzw. des wissenschaftlichen Interviews vorgestellt, die Entwicklung eines Fragebogens bzw. Leitfadens erörtert, es werden die verschiedenen Befragungsarten dargestellt sowie einige Fallstricke dieser Methode aufgezeigt. <?page no="545"?> 6 Empirische Forschungstechniken 546 6.3.1.1 Allgemeines zur Befragung Befragungen werden im Rahmen der Kommunikationswissenschaft insbesondere in der Kommunikator-, der Medienstruktur- und der Rezipientenforschung (Mediennutzungs-, Rezeptions- und Wirkungsforschung) angewandt. Mithilfe dieser Forschungsmethode kann man z. B. folgende Fragestellungen beantworten, wie sie aus Abbildung 20 ersichtlich sind. Abb. 20: Typische Einsatzgebiete der Befragung Forschungsfeld Forschungsfragen Kommunikatorforschung »Unterscheiden sich Rollenverständnisse von Journalisten aus Onlineredaktionen von denen der Tageszeitungs-Journalisten? « »Welche Informationsquellen nutzen Journalisten? « Medienstrukturforschung »Welche Strategie verfolgen Medienunternehmen in Bezug auf ihr Engagement im World Wide Web? « (Paid Content, Apps etc.) Rezipientenforschung (Mediennutzungs-, Rezeptions- und Wirkungsforschung) »Haben Menschen, die viel fernsehen, ein anderes Weltbild als Menschen, die wenig fernsehen? « »Wie wirkt sich die Themensetzung der Printmedien auf politische Kenntnisse der Menschen aus? « Ganz allgemein lässt sich die Befragung als eine Forschungsmethode beschreiben, mit welcher unter der Maßgabe einer wissenschaftlichen Zielsetzung und einer systematischen Vorgehensweise Wissen, Kenntnisse, Einstellungen, Meinungen (sowie sozioökonomische Daten) von Befragten (in standardisierten Untersuchungsdesigns: nach einem festgelegten Schema) schriftlich oder mündlich erhoben werden (vgl. Noelle-Neumann/ Petersen 2005). Diese Beschreibung umfasst explizit die folgenden wesentlichen Kriterien: • Die Befragung gründet auf einer wissenschaftlichen Zielsetzung bzw. Fragestellung. • Darauf aufbauend wird ein Forschungsplan entwickelt, der systematisch, d. h. Schritt für Schritt und für jedermann nachvollziehbar, erarbeitet und abgearbeitet werden muss (vgl. Abb. 18). Für qualitative Forschungsprojekte verläuft dieser Prozess mit dem Eintritt in die Feldphase meist spiralförmig (vgl. Kap. 6.2.2). • Will das Forschungsprojekt repräsentative Aussagen (z. B. über den Medienkonsum) machen, so wird der Fragebogen vollständig standardisiert sein und nach einem festgelegten Schema abgearbeitet werden (allerdings kann er natürlich auch vereinzelt offene Fragen für unstrukturierte Antworten der Befragten enthalten). Man spricht dann auch von einem vollständig standardisierten Interview. In der qualitativen Sozialforschung bedient man sich hingegen teilbis unstandardisierter Interviews, bei denen entweder nur eine einzige erzählgenerierende Frage festgelegt ist (z. B. bei narrativen Interviews) oder ein Leitfaden eingesetzt wird. Hier geht es darum, den Befragten frei zum Thema des Interviews sprechen zu lassen und eine natürliche Gesprächsführung zu praktizieren. (eigene Darstellung) <?page no="546"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 547 • Mittels eines wissenschaftlichen Interviews erhält man verbale Daten (Informationen) von Befragten, die (auch bei mündlichen Interviews) in schriftlicher Form niedergelegt und weiterverarbeitet werden. • Mittels Befragung erhält der Forscher in aller Regel Informationen über Einstellungen und Meinungen, nicht jedoch unmittelbar über das (tatsächliche) Verhalten der Befragten. Gerade dieser letzte Punkt bedarf näherer Betrachtung: Die Befragung ist die Methode der Wahl, wenn es um die Erhebungen von Meinungen und Einstellungen geht. Häufig werden Befragungen aber auch dazu eingesetzt, Verhalten zu erheben (z. B. die Abfrage von Mediennutzungsverhalten in der Mediaforschung; vgl. Kap. 4.4.1). Das ist gängige Praxis, weil Beobachtungen, die Verhalten am genauesten erfassen, langwierig und aufwendig sind - sowohl für den Forscher wie auch für die Untersuchungsteilnehmer. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass die Erhebung von Verhalten mittels Befragung ungenauer ist, weil das Verhalten von den Befragten erinnert werden muss. Zudem antworten Menschen dabei - bewusst oder unbewusst - nicht immer ehrlich, weil manches Verhalten (z. B. der Konsum von Boulevardblättern oder -formaten) stigmatisiert ist. Verzerrende Effekte wie das hier beschriebene sozial erwünschte Antwortverhalten sollen im Folgenden detaillierter beschrieben werden. Verzerrende Effekte im Interview Ein Problem der Befragung ist, dass eine Auskunft im Interview nicht unmittelbar mit Meinungen, Einstellungen oder tatsächlichem Verhalten des Interviewten korrespondieren muss (vgl. Atteslander 2008, S.-110ff). Angenommen, ein Forscherteam interessiert sich für den möglichen Zusammenhang zwischen dem Konsum gewalthaltiger Filme und physischer Gewalt in der Familie. Es wählt aus der deutschen Bevölkerung Familien mit zwei Kindern aus und führt mündliche Befragungen in den Haushalten durch. Nachdem zunächst die Fernsehgewohnheiten abgefragt werden, kommt der Interviewer zu der Frage an den Vater oder die Mutter: »Es soll ja in den besten Familien vorkommen, dass einem ab und zu die Hand ausrutscht. Sagen Sie, passiert Ihnen das gelegentlich auch? « Ob der Interviewer auf diese Frage eine wahre Antwort erhält, ist fraglich, und die Ergebnisse einer derartigen Befragung werden vermutlich nicht gültig sein. Denn Züchtigung von Kindern ist in unserer Gesellschaft ein Thema, über das im Allgemeinen nicht offen gesprochen wird. Es ist also zu vermuten, dass der Interviewer hier Antworten erhält, die sozial erwünscht sind: Die Befragten passen - bewusst oder unbewusst - ihr Antwortverhalten den gesellschaftlich allgemein akzeptierten Wertvorstellungen an. Was jedoch gravierender ist: Man würde mit einer solchen Befragung nicht das wahre Verhalten der Eltern, sondern ihre Einstellungen und Meinungen über ihr Verhalten, also verbalisiertes Sozialverhalten, abfragen. Wenn es also darauf ankommt, heikles soziales Verhalten direkt zu erheben, muss der Forscher eher eine Beobachtung durchführen, bei dem die Teilnehmer in aller Regel nicht wissen, dass sie beobachtet und Daten von ihnen erhoben werden (vgl. dazu Kap. 6.3.3) - was aber ethische Probleme mit sich bringen kann. Neben dem Problem der sozialen Erwünschtheit kennt die Methodenforschung weitere Faktoren, die sich verzerrend auf die Ergebnisse von standardisierten Befragungen auswirken können. Interviewer müssen also auf derartige Effekte vorbereitet sein und Forscher müssen sie bei der Konstruktion und Auswertung möglichst berücksichtigen. Hier eine Auswahl (vgl. Brosius et al. 2012, S. 85-90; Möhring/ Schlütz 2010, S. 49ff, 104ff; Scholl 2009, S. 209ff): <?page no="547"?> 6 Empirische Forschungstechniken 548 Abb. 21: Verzerrende Effekte im standardisierten Interview Effekt Wirkung Soziale Erwünschtheit Befragte antworten gemäß erlernten gesellschaftlich akzeptierten Normen/ Werte, nicht gemäß ihren wahren Einstellungen. Konsistenzeffekte Befragte wollen ein stimmiges Bild von sich vermitteln: Beantworten Fragen so, dass sie »zusammenpassen«, aber nicht notwendig ihre wahren Meinungen zeigen. Ausstrahlungseffekte Die in einem Interview behandelten Themen oder die Art der Fragestellung beeinflussen das weitere Antwortverhalten. Die in Abbildung 21 dargestellten Effekte kommen bei qualitativen Interviews ebenfalls zum Tragen (vgl. Gläser/ Laudel 2009, S. 142ff). Allerdings können Ausstrahlungseffekte hier nicht nur die erwähnten problematischen, sondern auch positive Effekte zeitigen: Im Interview soll ein Gespräch entstehen, das den Befragten z. B. dabei hilft, Routinen zu erinnern (man denke nur an Mediennutzung im Alltag, die auch habitualisiert oder nebenbei ablaufen kann); es fällt uns oft schwer, über ein solches Verhalten sofort und kategorisiert Auskunft zu geben. Im qualitativen Interview können Ausstrahlungseffekte deshalb dazu genutzt werden, solch ›verborgenes‹ Wissen (wie Routinehandlungen) zu aktualisieren. Interviewerschulung Die erfolgreiche Durchführung einer Befragung ist von zentraler Bedeutung: Wie erreicht der Interviewer, dass ein Interview nicht vorzeitig abgebrochen wird? Wie verhält man sich an der Haustür oder im Wohnzimmer der befragten Personen? Wie behandelt man Einwände oder Kritik? Wie minimiert man den Einfluss des Interviews auf das Antwortverhalten (quantitative Befragung) oder wie macht man ihn sich eventuell zu Nutze (qualitatives Interview)? Wie bringt man ein Gespräch in Gang, will man ein Leitfadeninterview führen? All dies sind Fragen, die in der Interviewerschulung angesprochen und trainiert werden müssen (vgl. Noelle-Neumann/ Petersen 2005, S.-318f; Hermanns 2007; Hopf 2007). Die Schulungen, die von durchführendem Forschungsinstitut zu Institut unterschiedlich intensiv ausfallen, haben im Vorfeld quantitativer Befragungen v. a. zum Zweck, • Verhalten, Auftreten und Umgangsformen der Interviewer zu standardisieren und professionalisieren, • Fehlerquellen zu minimieren und • ungeeignete Interviewer frühzeitig zu erkennen und nachzuschulen oder nicht einzusetzen. Die Vorbereitung der Interviewer (bzw. für kommerzielle Institute auch: die Pflege des Interviewerstammes) ist einerseits eine kosten- und zeitaufwändige Maßnahme. Andererseits lohnt sie sich aber, weil gut geschulte und motivierte Interviewer zur Verbesserung der Ergebnisse wesentlich beitragen. Nicht zuletzt hängt das Renommee eines Forschungsinstitutes, sei es ein privat geführtes oder von der öffentlichen Hand getragenes, letztlich von der Qualität seiner Interviewer ab. (eigene Darstellung) <?page no="548"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 549 Interviewschulungen im Vorfeld qualitativer Untersuchungen zielen auf andere Punkte ab (vgl. Herrmanns 2007; Hopf 2007). Qualitative Interviews erfordern von Interviewern eine deutlich höhere inhaltliche Kompetenz, als zur Durchführung standardisierter Interviews nötig ist. Insbesondere zwei Schlüsselqualifikationen müssen außerdem geübt werden, die eine inhaltliche Kompetenz bereits voraussetzen: Interviewer benötigen ein Zuhör- und Interpretationsvermögen. Während des Interviews müssen Interviewer in der Lage sein einzuschätzen, • wann es inhaltlich angemessen ist, vom Leitfaden abzuweichen, • an welchen Stellen es erforderlich ist, intensiver nachzufragen, und • an welchen Stellen es von Bedeutung ist, nur sehr unspezifisch zu fragen und den Befragten breitere Äußerungsmöglichkeit einzuräumen. Insbesondere ungeübte Interviewer neigen aus Angst und Unsicherheit dazu, im Interview am Leitfaden ›festzukleben‹ (z. B. ihn immer wieder zu thematisieren: »diese Frage hatten wir schon«, oder: »jetzt sind wir mit diesem Teil durch«, Hopf 2007, S. 359), oder einen dominierenden Kommunikationsstil anzunehmen (aus Sorge, die Befragten könnten eine Frage nicht verstehen, werden sogleich Beispiele und Interpretationen an die Frage angehängt. Solches kann suggestiv auf die Befragten wirken). Ganz davon abgesehen kommt dem Interviewer die wichtige Rolle zu, eine möglichst angenehme Gesprächsatmosphäre zu schaffen, in der sich der Befragte öffnen kann. Der Interviewer sollte folglich eine offene und anregend-passive Gesprächstechnik praktizieren (vgl. Lamnek 2010, S. 325). 6.3.1.2 Konzeption von Befragungen Grundsätzlich gilt: Nur wer richtig fragt, erhält auch gültige Antworten. Um richtig fragen zu können, ist es hilfreich, sich über das Forschungsvorhaben dezidiert im Klaren zu sein. Richtiges Fragen betrifft zunächst die Art der Fragen: Soll man »offen« oder »geschlossen« fragen? Die Lehre von der Frage Offene Fragen sind solche, die eine freie, unstrukturierte Antwort ermöglichen. Will man zu einem Forschungsgegenstand Hintergrundinformationen vom Befragten einholen oder ist der Forscher an der Einschätzung komplexer Sachverhalte interessiert, werden offene Fragen eingesetzt. In aller Regel werden dann die sog. W-Fragen verwendet, z. B. »Welche Medien begleiten Sie durch den Tag? «, »Weshalb bevorzugen Sie Tageszeitungen gegenüber dem Fernsehen? «. Als geschlossene Fragen bezeichnet man hingegen diejenigen, die mindestens zwei (»ja«, »nein«) oder mehrere Antwortmöglichkeiten vorgeben, aus denen der Befragte die zutreffenden Antworten auswählen soll. Geschlossene Fragen werden vor allem in standardisierten Befragungen eingesetzt, z. B. bei Fragen nach den soziodemografischen Merkmalen, also bei den Fragen nach Geschlecht, Einkommen, formaler Bildung, Alter etc. - aber auch dann, wenn ein sog. »isoliertes Merkmal«, z. B. die Parteienpräferenz für eine Wahl, erhoben werden soll. Im Fragebogen ist dann zu der Frage: »Welche Partei würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Wahl wäre? « ein Antwortschema mit allen wählbaren Parteien vorgegeben sowie die Kategorien »weiß nicht« und »wähle nicht«. Der Befragte braucht die entsprechende Antwort dann nur anzugeben bzw. anzukreuzen. Diese Fragentypen werden z. B. beim deutschen »Politbarometer« verwendet, das einmal im Monat Auskunft über die Beliebtheit von Politikern, Wahlabsichten und allgemeine politische Meinungstrends in der deutschen Bevölkerung gibt. <?page no="549"?> 6 Empirische Forschungstechniken 550 Neben der Art der Fragestellung hat die Frageformulierung zentralen Einfluss auf die Güte der Antworten (vgl. Noelle-Neumann/ Petersen 2005, S.-93ff). So soll man z. B. • auf optimale Verständlichkeit der Fragen achten, • keine Fachausdrücke verwenden, • kurze Sätze gebrauchen, • immer nur einen Aspekt pro Frage abfragen, • doppelte Verneinungen vermeiden, • keine Suggestivfragen stellen, • (bei geschlossenen Fragen) vollständige Antwortkategorien anbieten. Konstruktion von Fragebögen und Leitfäden Die Konstruktion eines Befragungsinstruments ist weit umfangreicher und komplexer als es ein wissenschaftlicher Laie vielleicht vermutet. Es kommt nicht nur darauf an, eine Frage adäquat zu formulieren, sondern, ausgehend von einer zentralen Forschungsfrage, die richtigen Fragen (bei standardisierten Befragungen auch: in der richtigen Reihenfolge) zu stellen. In aller Regel muss die zentrale Forschungsfrage zunächst in ihre relevanten Dimensionen zerlegt werden. Dies geschieht unter Hinzuziehung theoretischen Vorwissens, das zu einem bestimmten Untersuchungsgegenstand vorhanden ist (vgl. Abb. 18). In der Fragebogentheorie (im quantitativen Paradigma) nennt man diesen Prozess die Entwicklung von sog. Programmfragen - das, was man eigentlich wissen möchte. Meistens sind diese Programmfragen nicht geeignet, direkt an die Befragten gestellt zu werden, weil sie den Untersuchungsgegenstand nur »grob« in seine Hauptdimensionen zerlegen und oft zu abstrakt sind. Der zentrale Schritt hin zur »eigentlichen« Frage erfolgt mit der »Übersetzung« dieser Programmfragen in die Testfragen, die »den Wortlaut [der Frage] enthält, wie sie einheitlich an die Befragten gerichtet wird« (Noelle-Neumann/ Petersen 2005, S.- 93f ). In dieser Phase kommt es v. a. auf Vollständigkeit an, d. h. die Fragen müssen alle Dimensionen abdecken, die zur Beantwortung der Forschungsfrage notwendig sind. Möchte man z. B. eine Befragung zur Gewalt (das Phänomen) in der Familie oder der Gesellschaft durchführen, so müssen physische, psychische und strukturelle Gewalt (die Dimensionen des Phänomens) unterschieden und adressiert werden. All diese Schritte müssen auch qualitative Forschungsprojekte bei der Leitfadenerstellung durchlaufen, allerdings verzichtet man hier üblicherweise auf Begrifflichkeiten aus dem quantitativen Paradigma und spricht stattdessen von Leitfragen, die im Leitfaden in Form von Schlüsselfragen und Eventualfragen abgebildet werden. Schlüsselfragen sollten zur Vergleichbarkeit (allerdings nicht notwendiger Weise in derselben Formulierung) jedem Befragten gestellt werden, Eventualfragen dienen dem Nachhaken (Riesmeyer 2007a, S. 227). Hinsichtlich der Fragetypen kann man zunächst grob fünf Varianten unterscheiden (vgl. Brosius et al. 2011, S. 94-96; Meyen et al. 2011, S. 93; dezidiertere Unterscheidungen bei Scholl 2009, S. 147ff): • Wissensfragen, • Sachfragen, • Einstellungs- und Meinungsfragen • Verhaltensfragen sowie • Motivfragen Wissensfragen, also z. B. die nach einem amtierenden deutschen Minister, sind zwar bei manchen Untersuchungen unerlässlich, jedoch heikel: Sie können beim Befragten nämlich (zumal dann, wenn er die Frage nicht beantworten kann) Widerstand hervorrufen, was bis zum Abbruch des Interviews <?page no="550"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 551 führen kann. In qualitativen Interviews stellt man diese Art Fragen üblicherweise Experten (Experteninterviews), die bestimmtes Fach- oder Verfahrenswissen haben, das der Interviewer nicht ohne Weiteres in der Literatur recherchieren kann (Praxiswissen). Sachfragen sind solche, die jeder Befragte ohne lange nachzudenken beantworten kann. Sie dienen häufig zur Filterung des Fragebogens (s. unten): »Verfügen Sie über einen Fernsehapparat? « wäre solch eine Sachfrage. Auch bei qualitativen Interviews können Sachfragen als Filterfragen eingesetzt werden, um Aspekte eines Leitfadens gar nicht erst anzureißen, sofern der Leitfaden mehrere Aspekte (der Mediennutzung z. B.) behandelt und einzelne davon nicht relevant sind (z. B. weil eine Befragte aus Prinzip keinen Fernsehapparat besitzt - Fragen zum Fernsehverhalten werden dann erst gar nicht angesprochen). Einstellungs- und Meinungsfragen werden insbesondere dann eingesetzt, wenn man etwas über das Selbstverständnis des Befragten, seine Stellung zur Gesellschaft, zu Freunden, zum politischen System und ähnlichen Dimensionen erfahren möchte: »Sind Sie eher für oder gegen die Zulässigkeit eines Schwangerschaftsabbruches? «, »Wie stehen Sie dem Länderfinanzausgleich gegenüber? « und ähnliche Fragen gehören in diese Kategorie. Mittels Verhaltensfragen will der Forscher etwas über das Verhalten der Menschen erfahren; es ist jedoch mittels Befragung (wie oben erwähnt) nur schwer zu erheben. Menschen tendieren nämlich im Allgemeinen dazu, ihr Verhalten zu rationalisieren, indem sie ihrem Verhalten Ursachen zuschreiben, die ihnen plausibel erscheinen oder die sie bereit sind, Fremden gegenüber preiszugeben. Dies müssen jedoch nicht die »wahren« Verhaltensweisen sein, sei es aus Unwissenheit, fehlendem Reflexionsvermögen oder Scham. Insbesondere bei moralisch aufgeladenen Themen (z. B. Umgang mit Straftätern) oder sozialen Tabuthemen (z. B. Sexualität) ist davon auszugehen, dass die »Lügenrate« hoch sein kann. Diese Aufzählung kann um Motivfragen ergänzt werden, die insbesondere für qualitative Untersuchungen relevant sind und auf die Erhebung von Beweggründen abzielen (»Erinnern Sie sich, warum Sie sich bei sueddeutsche.de angemeldet haben? «; »Wenn ein Freund sie fragt, was Sie im sued-café auf sueddeutsche.de machen, was erzählen Sie ihm? «) (vgl. Meyen et al. 2011, S. 93). Im quantitativen Paradigma sind Testfragen für die im Sinne des Forschungsanliegens vollständige Datenerhebung zentral, machen allerdings noch keinen kompletten Fragebogen aus. Erst die Strukturierungsfragen verleihen einem standardisierten Fragebogen ein kohärentes Bild. So ist es z. B. entscheidend, den richtigen Einstieg ins Interview zu finden, damit die Befragten »warm« werden und »bei der Stange« gehalten werden können. Bei Strukturierungsfragen unterscheidet man zwischen (vgl. Brosius et al. 2012, S. 96-99): • Eisbrecherfragen, die den Einstieg in das Interview erleichtern sollen und den Befragten »aufwärmen«. Man fragt i. d. R. nach Dingen, die für die spätere Analyse nicht relevant sind, den Befragten jedoch auflockern und interessieren sollen. Typische Eisbrecherfragen sind etwa solche nach der Meinung zum Fernsehprogramm, Modetrends und ähnlich unverfänglichen Themen, zu denen jeder eine Meinung hat und äußern kann. • Überleiterfragen, die eine Dimension thematisch beenden und zur nächsten führen, geben dem Befragten Orientierung. Sie zeigen ihm, dass nun ein Bereich abgeschlossen ist und ein nächster beginnt. Diese Fragen beginnen zumeist mit Formulierungen wie »Wir haben uns in den letzten zehn Minuten mit Ihren Fernsehgewohnheiten beschäftigt; kommen wir nun (zuletzt) zu Fragen rund um das Radio […]« • Trichter- und Filterfragen vermeiden, dass Fragen vorgelegt werden, die ein Befragter nicht beantworten kann, weil sie für ihn nicht zutreffen. Wer etwas über die Benutzung von Smartphones erfahren möchte, muss in einer vorgeschalteten Frage klären, ob der Befragte überhaupt Smart- <?page no="551"?> 6 Empirische Forschungstechniken 552 phones nutzt. Im Fragebogen steht dann i. d. R. eine Anweisung, die dem Interviewer sagt, an welcher Stelle im Fragebogen weitergemacht werden muss, wenn ein Befragter diese Frage mit »nein« beantwortet. • Kontrollfragen können insbesondere bei sensiblen Themen Auskunft darüber geben, ob der Befragte konsistent antwortet. Dazu wird an zwei unterschiedlichen Stellen im Fragebogen mithilfe alternativer Formulierungen nach demselben Aspekt gefragt. Als Beispiel: Zur Erhebung der politischen Einstellung wird zunächst nach der Partei gefragt, die anlässlich der letzten Wahl gewählt wurde; zu einem späteren Zeitpunkt soll der Befragte dann Auskunft darüber geben, wie sympathisch ihm die entsprechende Partei ist. Eine Sonderstellung nehmen die Fragen nach den soziodemografischen Merkmalen einer Person oder eines Haushalts ein. Sie dienen bei der Datenanalyse häufig dazu, die Befragten zu gruppieren, beantworten aber i. d. R. alleine keine Forschungsfragen und sind deshalb keine Testfragen, können jedoch auch nicht als Strukturierungsfragen bezeichnet werden. Generell stehen sie am Ende einer standardisierten Befragung, weil man annimmt, dass die Befragten diese Antworten auch dann noch geben werden, wenn sie schon erschöpft sind und eigentlich »keine Lust« mehr haben. Außerdem ist die Abbrecherquote bei solchen Fragen insbesondere am Anfang hoch, da Befragte einem unbekannten Interviewer etwa nicht unmittelbar bei Gesprächsbeginn ihr Gehalt oder ihr Alter mitteilen möchten. Im qualitativen Paradigma haben Fragen und der Leitfaden häufig eine andere Funktion. In biografischen Studien z. B. wird oft mit narrativen Interviews gearbeitet, in denen die Befragten anhand nur einer festgelegten, erzählgenerierenden Frage zu einer völlig freien Erzählung animiert werden sollen (vgl. z. B. Hopf 2007, S. 355f; Tilemann 2005, S. 293). Diese Interviewform gilt daher als Prototyp für unstandardisierte Interviewverfahren. Auch die meisten Leitfaden-gestützten Untersuchungen setzen Fragen nur dazu ein, um ein Gespräch anzuregen. Der Leitfaden sichert dann durch die Schlüsselfragen, dass alle Aspekte (die sich aus der dimensionalen Analyse ergeben haben, vgl. Kap. 6.2.2) in den Interviews angesprochen werden. Solche qualitativen Interviews leben davon, dass der Interviewer sich auf den Interviewten einlässt, damit dieses Gespräch zustande kommt. Der Interviewer muss dazu in der Lage sein, die Struktur des Leitfadens zu verlassen, um auf die Antworten des Befragten zu reagieren; er soll Nachfragen stellen und nicht an den Leitfaden-Fragen ›festkleben‹ - sie eher als Beispielfragen begreifen - und die Fragen (ad-hoc) so formulieren, dass sein Gegenüber sie ›versteht‹ (ein Teenager spricht beispielsweise in der Regel anders als ein Pensionär) (vgl. Lamnek 2010, S. 320f ). Gesprächsablauf wie auch Gesprächsführung sind also nicht standardisiert: Obwohl sich der Forscher bei der Konstruktion eines Leitfadens bereits Gedanken über den ›natürlichen‹ Gesprächsverlauf und damit die Frageabfolge macht, muss sich der Interviewer während des Interviews nicht an diese Abfolge halten. Dennoch kann ein Leitfaden üblicherweise in drei Teile zerlegt werden: Einstieg: Eine einfache Frage zur Person bietet sich zum Einstieg in das Interview an, da sie leicht beantwortet werden kann und erzählungsgenerierend wirkt. (Der Befragte könnte etwa denken, der Interviewer erwarte knappe Antworten, damit er sein Interview schnell in der Tasche hat und zum nächsten Interviewten fahren kann - was nicht im Interesse des qualitativ Forschenden ist.) Andererseits helfen leichte Einstiegsfragen, das Eis zwischen Forscher und Befragtem zu brechen und sie erheben bereits Informationen über die Biografie (und Soziodemografie) des Befragten, damit die weiteren Antworten bei der Datenauswertung und -interpretation auch ›einsortiert‹ werden können (Beispiel: »Erzählen Sie mir ein bisschen was von sich. Beschreiben Sie doch einmal, wie ein normaler Tag bei Ihnen abläuft.«) (vgl. Gläser/ Laudel 2009, S. 147f ). Der Hauptteil umfasst alle relevanten Fragen zum Forschungsthema und wird nach inhaltlich zusammengehörenden Aspekten/ Sinneinheiten (Themenblöcke) gegliedert, um dem Befragten das <?page no="552"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 553 Antworten zu erleichtern. Wie jedoch bereits gesagt: Diese Struktur kann und muss unter Umständen verlassen werden, da sich das Erhebungsinstrument den Schilderungen der Befragten (in Inhalt und Struktur/ Verlauf ) anpassen sollte (vgl. Gläser/ Laudel 2009, S. 146). Den Abschluss sollte in jedem Fall eine offene Abschlussfrage bilden, die es dem Befragten ermöglicht, für ihn relevante Aspekte noch anzubringen, sofern sie aus seiner Sicht noch nicht (ausführlich genug) im Interview zur Sprache kamen (z. B.: »Damit wäre ich mit dem Interview zu Ende. Gibt es von Ihrer Seite aus noch etwas, was Sie gerne sagen möchten? «) (vgl. Gläser/ Laudel 2009, S. 149). Eine Befragung sollte - wie jede andere empirische Erhebung auch - immer erst nach erfolgtem Pretest starten. Dazu werden einzelne ausgewählte Personen - die der Zielgruppe der Untersuchung angehören - gebeten, an der Befragung teilzunehmen, bevor diese ›ins Feld geht‹. Die Pretester werden anschließend gebeten zu beurteilen, ob die Frageformulierungen (bei einem standardisierten Fragenbogen auch: die Antwortvorgaben) eindeutig, verständlich (und vollständig) sind, ob der Fragebogen oder der Interview-Leitfaden aus ihrer Sicht alle relevanten Aspekte des Themas bzw. Gegenstandsbereichs abdeckt etc.; bei einem Leitfaden erhält der Forscher auch ein Gespür dafür, ob die Anordnung der Themenblöcke und Fragen Sinn ergibt. Nach dem Pretest sollte das Erhebungsinstrument anhand der Anregungen der Pretester einer sorgfältigen, finalen Prüfung unterzogen werden, bevor die Erhebung starten kann. 6.3.1.3 Befragungsformen Wissenschaftliche Interviews können in verschiedenen Formen und in verschiedener Art und Weise durchgeführt werden. Bezüglich der Formen unterscheidet man ganz grundlegend je nach Art des Interviewablaufs zwischen vollständig standardisierten, teilstandardisierten und unstandardisierten Interviews - wobei die Grenzen durchaus fließend sein können. Insbesondere für qualitative Verfahren, die ja immer am konkreten Forschungsgegenstand entwickelt wurden und werden, existieren zwischen den Polen ›teilstandardisiert‹ und ›unstandardisiert‹ eine ganze Reihe unterschiedlicher Interviewformen, weshalb in diesem Bereich geradezu »babylonisches Sprachengewirr« herrscht (Lamnek 2010, S. 302; zum Überblick vgl. ebd.; Hopf 2007; Mikos/ Wegener 2005). Wir konzentrieren uns aufgrund der gebotenen Kürze auf die gängigsten Verfahren (vgl. Abb. 22) und verweisen für eine detailliertere Beschreibung speziellerer Varianten auf entsprechende Methodenliteratur. Abb. 22: Charakteristika der wichtigsten Interviewformen Interviewform Strukturierungsgrad Auswahlverfahren Frageform vollständig standardisiert hoch (Fragebogen) Zufallsauswahl geschlossen teilstandardisiert mittel (Leitfaden) theoretische Auswahl offen (vereinzelt geschlossen) unstandardisiert niedrig (z. B. erzählgenerierende Einstiegsfrage) theoretische Auswahl offen (eigene Darstellung) <?page no="553"?> 6 Empirische Forschungstechniken 554 Vollständig standardisiertes Interview Das vollständig standardisierte Interview zeichnet sich dadurch aus, dass die Fragen, die Fragenfolge und der -ablauf detailliert festgelegt sind. Auch das, was der Interviewer bei mündlichen Interviews tun und sagen darf, ist auf einem solchen Fragebogen genau vermerkt. So darf der Interviewer nicht einfach eine Frage weglassen, die Abfolge verändern oder Anweisungen vorlesen, die nur für ihn bestimmt sind. Die Standardisierung betrifft darüber hinaus sein Auftreten gegenüber dem Befragten während des Interviews, umfasst also die komplette Durchführung. Ziel vollständig standardisierter Interviews ist es, unter für alle zu Befragenden möglichst gleich bleibenden Bedingungen ganz bestimmte, ausgewählte Merkmale von Personen zu erheben. Der Forscher ist in einem solchen Fall nicht am Befragten als komplexes Individuum mit all seinen persönlichen Facetten interessiert, sondern an Merkmalen und Ausprägungen, die er - der Forschungsfrage entsprechend - abfragen, auswerten und erklären will (Beispiele vgl. Abb. 23). Abb. 23: Beispiele für die Definition von Merkmalen und ihren Ausprägungen Merkmalsträger Merkmal Ausprägungen Person tägliche Radionutzungsdauer in Stunden 1) unter 1 Stunde 2) 1-2 Stunden 3) 2-3 Stunden 4) über 3 Stunden Person TV-Sendernutzung 1) ARD in Minuten 2) ZDF in Minuten 3) RTL in Minuten 4) Pro7 in Minuten etc. Haushalt monatliches Brutto-Einkommen 1) unter 1.000 Euro 2) 1.000-1.499 Euro 3) 1.500-1.999 Euro 4) 2.000-2.499 Euro etc. Haushalt Ausstattung mit elektronischen Medien 1) Fernseher (ja/ nein) 2) Radio (ja/ nein) 3) PC (ja/ nein) etc. Zeitungsartikel Thema (Ressort) 1) Politik 2) Wirtschaft 3) Sport etc. Eine in der Kommunikationswissenschaft bekannte Studie, bei der vollständig standardisierte Interviews zum Einsatz kommen, ist die »Langzeitstudie Massenkommunikation«, die seit fast fünfzig Jahren im Auftrag von ARD und ZDF durchgeführt wird (vgl. Kap. 4.4.1.5). Die Studie zielt darauf ab, das Mediennutzungsverhalten der deutschen bzw. deutsch sprechenden Bevölkerung zu analysieren (ergänzend werden auch ihre Alltagsaktivitäten wie Schlafen, Essen, Kinderbetreuung, Erwerbs- und Hausarbeit erhoben). Vollständig standardisierte Befragungen wie diese kommen also insbe- (eigene Darstellung) <?page no="554"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 555 sondere dann zum Einsatz, wenn man bestimmte Informationen über eine große Population - hier die »deutsch sprechende Bevölkerung im Alter ab 14 Jahren« benötigt. In aller Regel handelt es sich dann um Gegenstandsbereiche, die bereits gut erforscht und theoretisch verortet sind. Wenn man also, wie dies bei der »Langzeitstudie Massenkommunikation« der Fall ist, Aussagen zum Mediennutzungsverhalten machen möchte, erhebt man nur bestimmte Merkmale, wie Nutzungsdauer, Senderwahl oder Ähnliches, und erfragt diese Merkmale entweder offen (z. B. in Minuten) oder kategorisiert (ja/ nein; unter 1 Stunde/ 1-2 Stunden/ 2-3 Stunden/ über 3 Stunden etc.). Die Art der Abfrage bestimmt dabei, mithilfe welcher statistischer Rechenoperation(en) die Daten schließlich ausgewertet werden können: Eine offene Abfrage von Zahlenwerten (wie z. B. dem Alter) ermöglicht beispielsweise die Bildung von Mittelwerten, eine kategoriale Abfrage eine Analyse auf Basis von Gruppen (vgl. z. B. Küchenhoff et al. 2006; Backhaus et al. 2011). Darüber muss während der Erstellung eines Fragebogens folglich bereits nachgedacht werden. In den Sozialwissenschaften kommen zur Unterstützung der Rechenoperationen z. B. die Analyseprogramme SPSS, R oder MPlus zum Einsatz (vgl. z. B. Brosius 2011; Janssen/ Laatz 2007; Geiser 2011). Teilstandardisiertes Interview (Leitfadeninterview) Einen Platz zwischen vollständig standardisierter und unstandardisierter Befragung nimmt das mit Hilfe eines Leitfadens teilstandardisierte Interview ein. Der Grad der Strukturierung variiert hier je nach Forschungsinteresse; am nächsten an vollständig standardisierte Interviewverfahren kommen aber sicherlich leitfadengestützte Experteninterviews heran (vgl. Gläser/ Laudel 2009). Wie bei vollständig standardisierten Interviews ist auch bei der leitfadengestützten Befragungsform festgelegt, welche Aspekte im Interview angesprochen werden sollen. »Offen« ist ein Leitfadeninterview jedoch in zweierlei Hinsicht. Zum Ersten bezieht sich Offenheit auf die Freiheitsgrade des Interviewers. Während bei einer vollständig standardisierten Befragung jedes Detail festgelegt ist, hat der Interviewer bei jeder Form der leitfadengestützten Befragung weitaus mehr Spielräume. Fragen im Leitfaden müssen hier nicht exakt befolgt werden, sondern stellen Beispielformulierungen dar. Der Interviewer hat also die Möglichkeit, sich in der Frageformulierung auf den Interviewten einzustellen, je nach Verlauf des Interviews zusätzliche Fragen zu stellen, nachzufragen, auf eine bestimmte Äußerung des Interviewten zurückzukommen etc. Zum Zweiten meint Offenheit die Art der Fragestellung: Es gibt zwar auch in Leitfadeninterviews mitunter Bereiche, die mit geschlossenen Fragen abgefragt werden können, generell sind aber offene Fragestellungen vorzuziehen, um dem Interviewten zu ermöglichen, sich so ausführlich wie er möchte - eben offen - aus seiner Perspektive zu äußern. Dabei dürfen natürlich nicht einfach die Forschungsfragen an die Befragten weitergereicht werden (z. B.: »Warum nutzen Menschen Medien? «). Sozialwissenschaftliche Forschungsfragen zielen meist auf die Erhebung bestimmter ›Konstrukte‹, die zwar ›da‹ sind, aber nicht einfach direkt gemessen werden können (wie z. B. Motive, Intelligenz oder auch Politikverdrossenheit). Konstrukte müssen daher operationalisiert werden, also in hinreichend alltagsbezogene Frageformulierungen übersetzt werden, damit die Befragten überhaupt antworten und die benötigten Informationen liefern können. Der Forscher überlegt sich bei der Konstruktion des Leitfadens dann, welche Fragen inhaltlich sinnvoll aneinander anschließen - auch wenn diese Struktur während des Interviews verlassen werden kann. Für acht bis 15 Fragen sollte, je nach Komplexität des Gegenstands, bis zu eine Stunde Interviewzeit anberaumt werden (vgl. Gläser/ Laudel 2009, S. 144). Leifadeninterviews haben den Vorteil, dass das Interview durch das flexiblere Frage-Antwort- Schema einer alltäglichen Gesprächssituation recht nahe kommt und im Hinblick auf die soziale Wirklichkeit aussagekräftiger ist als ein vollständig standardisiertes Interview, bei dem die Befragten <?page no="555"?> 6 Empirische Forschungstechniken 556 ihre Einstellungen, Meinungen etc. in vorgegebene Kategorien einsortieren müssen. Da die teilstandardisierte Erhebungsmethode den Befragten viel Spielraum bei der Beantwortung von Fragen lässt, können die Befragten zudem deutlich mehr Kontextinformationen übermitteln als in der standardisierten Umfrageforschung. Zugleich verlangt das Leitfadeninterview dem Interviewten wesentlich mehr ab als die vollständig standardisierte Variante: Ungeübte Interviewer neigen z. B. bei der Rekrutierung von zu Befragenden zu vagen Absprachen, um sich keinen »Korb« zu holen, geben daher zu kurze Zeiträume für die Dauer an und setzen sich selbst und den Befragten dadurch unter Zeitdruck. Während bei vollständig standardisierten Befragungen eher formal geschulte Interviewer zum Einsatz kommen, benötigt man bei Leitfadeninterviews i. d. R. Interviewer, die den Hintergrund des Forschungsvorhabens besonders gut kennen (vgl. Lamnek 2010, S. 323f ). Denn nur dieses Knowhow erlaubt es ihnen, relevante Fragen spontan stellen zu können, den Leitfaden flexibel zu handhaben etc. Diese Befragungsform ähnelt folglich eher einem Gespräch von Experte (der Forscher) zu Experte (der Befragte - aufgrund fachlicher Expertise oder weil es z. B. um seine eigene Mediennutzung geht, für die er folglich immer als Experte gelten kann), als einem »Abfragen« von Antworten. Eine nicht zu unterschätzende Herausforderung aller teilstandardisierten Interviews stellt auch deren Auswertung dar. Alle Formen qualitativer Interviews können mit Techniken der Inhaltsanalyse ausgewertet werden (vgl. Kap. 6.3.2). Während man es bei quantitativen Befragungen i. d. R. mit Auszählungen von Häufigkeiten oder der Berechnung von Mittelwerten zu tun hat, existieren bei diesem offenen Befragungstyp a priori entweder keine oder nur sehr generelle Merkmalskategorien, die aus der Theorie abgeleitet wurden und denen man die (offenen) Antworten - also umfangreiche Textmengen - zuordnen muss (kategoriengeleitetes Vorgehen nach Löblich 2008; vgl. auch Mayring 2010, S. 67ff, 92ff). Je nach Erkenntnisinteresse werden die Kategorien erst nachträglich bei der Auswertung gebildet (z. B. wenn die Extraktion von Mediennutzungsmotiven Ziel der Untersuchung ist) oder zumindest im Laufe der Auswertung differenziert, verbessert oder ausgeweitet (z. B. wenn man zunächst aus dem Forschungsstand bekannte Motivkategorien zur Auswertung heranzieht und diese durch Aussagen der Interviewten ausdifferenziert und ergänzt) (vgl. Pfaff-Rüdiger 2007; ähnlich auch bei Mayring 2010). Dadurch erweisen sich teilstandardisierte Interviews zwar als sehr auswertungsintensiv, sind aber offen für neue Perspektiven und Erkenntnisse, an die der Forscher zuvor möglicherweise nicht gedacht hatte. Hinsichtlich der Repräsentativität der Aussagen der Befragten ähneln sich alle Formen qualitativer Interviews: Natürlich können Ergebnisse qualitativer Forschungsprojekte keine statistische Repräsentativität für sich beanspruchen. Allerdings geht es bei teil- und unstandardisierten Interviews wie auch bei Gruppendiskussionen gar nicht um die Erhebung repräsentativer Verteilungen. Vielmehr geht es in erster Linie um die Sammlung, Beschreibung, Systematisierung und um das Verstehen von kommunikationswissenschaftlich relevanten (komplexen) Phänomenen. Trotzdem nehmen qualitative Forschungsprojekte, die sich am Verfahren des theoretischen Samplings orientieren, für sich in Anspruch, verallgemeinerbare Ergebnisse zu produzieren (vgl. Meyen et al. 2011, S. 67ff). Dazu wird häufig ein weiterer Auswertungsschritt vorgenommen: die Typologisierung - also die Gruppierung von Befragten zu Typen, die bestimmte Merkmale gemeinsam haben und sich dabei von anderen Gruppen (Typen) deutlich unterscheiden (Meyen et al. 2011, S. 181ff; Kelle/ Kluge 2008, S.-83ff). Das Verfahren der Typologisierung hilft dabei, Strukturen im Interviewmaterial zu entdecken (vgl. Kap. 6.3.2.2). <?page no="556"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 557 Unstandardisiertes Interview Als gutes Beispiel für ein unstandardisiertes Interview kann das von Fritz Schütze entwickelte narrative Interview dienen, das insbesondere in der Biografieforschung eingesetzt wird (beispielhaft zur Erforschung von Sozialisation und Mediengebrauch). Der Interviewer, der in solchen Befragungen häufig identisch mit dem Forscher ist, greift hier zunächst auf eine (für alle Befragten vorher festgelegte) erzählgenerierende Frage zurück. Der Befragte soll durch diese Frage zu einer »Stegreiferzählung« veranlasst werden, bei der er nicht unterbrochen wird und deren Ende er selbst bestimmt. Üblicherweise signalisiert das eine »Koda«, wie z.-B.: »So, das war’s erstmal« (Tilemann 2005, S. 293f; vgl. auch Schütze 1983, S. 285). Daran schließt sich ein narrativer Nachfrageteil an, bei dem einzelne Aspekte der Erzählung, die möglicherweise nicht oder nur unzureichend ausgeführt wurden, durch eine erneute Erzählaufforderung vertieft werden können (hierzu notiert der Interviewer sich während der Erzählung des Befragten Stichpunkte). Erst nachdem die Erzählung des Befragten hinreichend beleuchtet wurde, stellt der Interviewer/ Forscher weitere (›externe‹) Nachfragen, die ihm für das Erkenntnisinteresse darüber hinaus relevant erscheinen (vgl. ebd.; Hopf 2007, S. 355ff). Der Interviewverlauf wird dabei deutlich stärker vom Befragten vorgegeben, der seine eigenen Schwerpunkte setzen kann. Wenn man etwa im Laufe der Datenerhebung die Hypothese entwickelt, dass das Mediennutzungsverhalten im Zusammenhang mit der kindlichen Sozialisation steht, wird man dem Befragten viel Spielraum bei der Schilderung seiner Kindheit lassen, um größtmögliche Detailgenauigkeit zu erreichen. Zudem erhält der Forscher durch diese wenig strukturierten Erzählsituationen recht authentische Einblicke in die alltäglichen Lebensumstände des Befragten. Im Vergleich zu den anderen Befragungsformen erzielt man sicher die beste Genauigkeit, wenn es um den Realitätsgehalt der Antworten geht. Die Befragten verhalten sich im Interview - ein gewisses Vertrauensverhältnis vorausgesetzt - so natürlich wie in einem Gespräch »unter Freunden oder Bekannten«. Die Freiräume sind hier für Interviewer und Befragten also am größten. Auch die Transkripte unstandardisierter Interviews können mithilfe qualitativer Inhaltsanalysen ausgewertet werden, wie oben im Abschnitt zu Leitfadeninterviews beschrieben (für Vorgehen, die zur Auswertung narrativer Interviews eingesetzt werden können vgl. z. B. Schütze 1983, S.-285ff; Glinka 2003, S. 25-40; Küsters 2009, S. 72ff). Darüber hinaus gelten auch für Projekte, die sich unstandardisierter Interviews bedienen, die oben bereits für Leitfadeninterviews thematisierten Überlegungen zur Verallgemeinerbarkeit der Befunde. Gruppendiskussion Werden mehrere Personen gleichzeitig befragt, geschieht dies häufig in einem Gruppendiskussionssetting. Eine Gruppendiskussion ist »ein Gespräch mehrerer Teilnehmer zu einem Thema, das der Diskussionsleiter benennt«, das oft unter Laborbedingungen stattfindet und dazu dient, »Informationen zu sammeln« (Lamnek 2010, S. 372, 379). Gruppendiskussionen werden v. a. in der (kommerziellen) Markt- und Meinungsforschung eingesetzt; methodisch-theoretisch ist diese Befragungsvariante allerdings »zaghaft ausgearbeitet« worden und »fristet« eher ein »Schattendasein« (Lamnek 2010, S. 372). Die Gruppendiskussion wurde v. a. aus Kritik an der standardisierten Einzelbefragung heraus entwickelt. Ausgangspunkt war die Annahme, dass individuelle Meinungen und Einstellungen nicht einfach so existieren (also in standardisierten Einzelinterviews erhebbar sind), sondern sich erst in sozialen Kontexten (Gesprächen, Diskussionen) entwickeln: Dezidierte Meinungen und Einstellungen werden dem Einzelnen »häufig erst während der Auseinandersetzung mit anderen <?page no="557"?> 6 Empirische Forschungstechniken 558 Menschen deutlich« (Pollock 1955, S. 32). Der Mensch benötige »eine argumentative Front«, gegen die er Stellung bezieht (Lamnek 2010, S. 383). Öffentliche Meinungen seien daher eigentlich nur in der direkten Diskussion und Argumentation beobachtbar (vgl. Pollock 1955, S. 21f ). Vor allem differente, konträre Ansichten kommen hierbei deutlich zum Ausdruck (vgl. Meyen et al. 2011, S.-60), z. B. wenn ein Thema stark polarisiert bzw. starke Relevanz für die Teilnehmer hat (Wilhelm-Fischer 2008, S. 145). Die Beobachter - im Falle der Gruppendiskussionen sind das die Forscher - können aus Diskussionen verschiedene Erkenntnisse ziehen (Lamnek 2010, S. 379): • Erkundung von Meinungen und Einstellungen der Teilnehmer in der Gruppensituation; • Erkundung der den Meinungen und Einstellungen zugrundeliegenden Bewusstseinsstrukturen der Teilnehmer; • Ermittlung der Meinungen und Einstellungen der gesamten Gruppe; • Gruppenprozesse, die zur Bildung bzw. Veränderung einer bestimmten individuellen oder Gruppenmeinung führen; • die Erforschung gruppenspezifischer Verhaltensweisen; • Feststellung öffentlicher Meinung(en), die in der Gruppendiskussion aktualisiert werden. Gruppendiskussionen verlangen Fingerspitzengefühl bei der Rekrutierung: Die betreffenden Personen müssen ein gewisses Interesse am (und damit auch Vorwissen über den) Gegenstand der Diskussion mitbringen, damit sie nicht in Schweigen verfallen (etwa weil sie das Thema nicht betrifft oder sie im wahrsten Sinne des Wortes »keine Ahnung davon haben« und sich folglich auch gar nicht zu Wort melden wollen). Auch ist auf die soziale Zusammensetzung der Gruppe zu achten, damit die einzelnen Teilnehmer nicht gehemmt sind sich zu äußern (vgl. z. B. Gerhards 1996; Lamnek 2010, S. 403). Es empfehlen sich daher für ein Projekt mehrere Diskussionen mit entsprechend homogen zusammengesetzten Teilnehmergruppen, die sich allerdings gemäß dem Prinzip maximaler Kontrastierung (vgl. Kap. 6.2.3) voneinander deutlich unterscheiden sollten (z. B. in der Soziodemografie: etwa eine Gruppe mit jüngeren und eine mit älteren Teilnehmern). Da Gruppendiskussionen zumeist in einem entsprechend ausgestatteten Diskussionsraum stattfinden (etwa damit Videoaufzeichnung zur späteren Auswertung ermöglicht wird), müssen die Teilnehmer auch entsprechend motiviert sein, zum ›Ort des Geschehens‹ zu kommen. Hat man die Rekrutierung zufriedenstellend über die Bühne gebracht, geht es an die eigentliche Datenerhebung. In Gruppendiskussionen wird häufig ein Leitfaden verwendet, um das Gespräch zu strukturieren (s. o.) und die für das Forschungsproblem relevanten Aspekte im Blick zu haben. Zum Einstieg liefert der Moderator (bzw. Forscher) eine gesprächsstimulierende Frage. Kommt daraufhin kein Gespräch zustande, sollte ein pointiertes oder polarisierendes Statement folgen. Wichtig ist (insbesondere zu Beginn), dass es nicht zu einer Diskussion bzw. einem Dialog zwischen dem Moderator und einzelnen Teilnehmern kommt, sondern dass die Teilnehmer miteinander interagieren. Läuft die Diskussion, soll der Moderator daher zurückhaltend agieren, um nicht zu sehr auf das Gespräch einzuwirken; er kann die Teilnehmer aber zugleich auch zu bremsen versuchen, falls sie zu sehr vom Thema abdriften und (je nach Perspektive) auch Schweiger zur Teilnahme motivieren. Stockt die Diskussion, so muss der Moderator das Gespräch z. B. durch polarisierende Fragen oder Statements am Laufen halten (Lamnek 2010, S.-399ff). Nach dem Ende der Erhebungsphase können die Diskussionen transkribiert und wie Leitfaden- oder unstandardisierte Interviews mithilfe qualitativer Inhaltsanalyseverfahren ausgewertet werden (vgl. Kap. 6.3.2.2; ausführlicher auch Lamnek 2010, S. 409ff). Arten »natürlicher Gruppendiskussionen« finden sich zunehmend im Internet (z. B. Foren, Nutzerkommentare). Die Kommunikate der Teilnehmenden können ebenso inhaltsanalytisch ausgewertet werden. Eine Diskussion im Netz weist allerdings »eine eigene Art der Gruppendynamik« (Lamnek, 2010, S. 425) und Kommunikationsform auf. Scheinbar fehlender Konsensdruck und <?page no="558"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 559 geringer erscheinende Sanktionsmöglichkeiten führen zu ›unbekümmerten Äußerungen der eigenen Meinung‹, die Teilnehmer wollen insbesondere im Chat die eigene Position aufzeigen und sich von der Meinung anderer abgrenzen. Die Beiträge der Diskutanten werden daher eher in Frage gestellt und kritisch kommentiert (vgl. Erdogan 2001, S. 9f; Lamnek 2010, S. 425f ). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Entscheidung darüber, welche Form des Interviews als Forschungstechnik gewählt wird, ganz wesentlich vom Untersuchungsgegenstand und von der konkreten Forschungsfrage abhängt. Darüber hinaus spielen Gesichtspunkte wie die Verfügbarkeit des zu befragenden Personenkreises, die Größe dieser Gruppe sowie finanzielle und zeitliche Aspekte eine wichtige Rolle, wenn es um die Wahl des angemessenen Befragungstypus geht. 6.3.1.4 Befragungsmodi Wissenschaftliche Interviews können in verschiedenen Modi durchgeführt werden. Grundsätzlich unterscheidet man zwei Formen: die mündliche und die schriftliche Befragung. Beide können in unterschiedlichen Formen erfolgen: die mündliche Befragung in Form der Face-to-face-Befragung oder als Telefoninterview; die schriftliche Befragung in Form einer postalischen oder internetgestützten Umfrage (mithilfe eines Onlinefragebogens bzw. über Chats mittels sog. Instant Messenger). Jede der nachfolgend erläuterten Versionen hat Vorzüge und Nachteile. Im Folgenden werden die Verfahren in ihren wichtigsten Aspekten kurz dargestellt (vgl. u. a. Scholl 2009; Brosius et al. 2012, S. 103ff; Opdenakker 2006). Face-to-face-Interviews Eine seit langem vielseitig eingesetzte sowie gut entwickelte Form des wissenschaftlichen Interviews ist die persönliche Befragung (Face-to-face-Befragung). Dabei stellt der Interviewer (z. B. anhand eines Fragebogens oder Leitfadens) Fragen an den Interviewten und hält dessen Antworten im Fragebogen oder mittels Aufzeichnungsgerät fest. Diese mündliche Form des Interviews kommt v. a. zum Einsatz, wenn • der Befragte detailliert Auskunft über sein Leben, seinen Alltag und seine individuellen und persönlichen Meinungen, Gedanken, Gefühle, Motive etc. geben soll (wie dies v. a. in Leitfadeninterviews oder narrativen Interviews der Fall ist); • die Interviews zeitaufwändig sind; • der Einsatz von unterstützendem visuellem Material wie Karten, Abbildungen o. Ä. erforderlich ist, das dem Befragten als Hilfestellung zur Beantwortung bestimmter Fragen vorgelegt wird (diese Unterstützung besteht mittlerweile bei Onlinebefragungen ebenfalls recht komfortabel); • Rückfragen zum Verständnis der Fragen möglich sein sollen; • ein Vertrauensverhältnis zwischen Interviewer und Interviewtem zur Validität der Antworten beitragen kann und soll. Eine Besonderheit beim Face-to-face-Interview stellt die soziale Situation dar, in der sich Interviewer und Befragter befinden. Während der Befragte z. B. in computergestützten Interviews den Fragebogen selbstständig und meist allein ausfüllt, sieht er sich in Face-to-face-Befragungen einer ihm zunächst unbekannten Person, dem Interviewer, gegenüber. Ihm soll er - je nach Befragungsthema und -gegenstand - antworten und u. U. recht private Dinge anvertrauen. Deshalb ist für diese Art der Befragung, bei der Interviewer und Befragter eine persönliche Beziehung aufbauen, die Inter- <?page no="559"?> 6 Empirische Forschungstechniken 560 viewerschulung von besonderer Bedeutung. Der Interviewer muss in der Lage sein, einerseits ein Vertrauensverhältnis zum Gegenüber aufzubauen, andererseits aber auch eine gewisse Distanz und Neutralität zu wahren. Insbesondere bei den standardisierten Interviewformen hat das Postulat der Neutralität hohes Gewicht. Hier ist es besonders wichtig, dass die Situation, in der das Interview geführt wird, bei allen Befragten möglichst immer gleich, d. h. »konstant« abläuft. Ist dies nicht gewährleistet, können durch allzu affirmatives oder ablehnendes Interviewerverhalten verzerrte und damit ungültige Ergebnisse produziert werden (vgl. Kap. 6.3.1.1). Der Zwang, der durch die soziale Situation bei Face-to-face-Interviews herrscht, kann jedoch auch Vorteile haben. So ist gut belegt, dass Befragte diese Art der Befragung nicht so schnell abbrechen. (Bei schriftlich-postalischen Befragungen landet der Fragebogen nicht selten im Papierkorb, bei telefonischen Interviews kann der Befragte, auch wenn dies nicht gerade den Umgangsformen entspricht, den Hörer auflegen, wenn er nicht mehr weitermachen will.) Auch die Interviewdauer (insbesondere bei qualitativen Interviews) spielt eine Rolle. Es ist gute und gängige Praxis, dem Befragten die voraussichtliche Dauer schon vorher ehrlich mitzuteilen, sodass er sich auf diese Zeit und die damit verbundene Situation einstellen kann. Zusammengefasst gelten als wichtigste Vorteile der Face-to-face-Befragung für standardisierte Umfragen (vgl. Brosius et al. 2012, S. 103ff): • eine geringe Verweigerungs- und Abbruchquote und damit eine hohe Stichprobenausschöpfung (was wichtig für die Repräsentativität der Ergebnisse ist); • die Möglichkeit, mit vielfältigen Unterstützungen (wie etwa Medien, Karten, Vorlagen etc.) zu arbeiten. Die Face-to-face-Befragung hat für standardisierte Umfragen aber auch Nachteile, deren sich ein Forscher oder Forscherteam bewusst sein muss und die bereits oben angeklungen sind: • Sie ist mit hohen Kosten zunächst für die Interviewerschulung, v. a. aber für die persönlich durchzuführenden Interviews verbunden (Zeit- und Fahrtkosten). Es kann vorkommen, dass Interviewte mehrmals aufgesucht werden müssen, weil sie der Interviewer (trotz Terminvereinbarung) nicht antrifft. • Es kann zu Fälschungen kommen, wenn Interviewer auf Basis der Erfahrungen von bereits durchgeführten Befragungen (und der Kenntnis der Antworten) zu einem Thema sog. »Luftinterviews« produzieren, d. h. wenn sie einige oder mehrere zu Befragende gar nicht mehr aufsuchen, sondern Fragebögen selbst ausfüllen. • Die Stichprobenziehung ist zeit- und kostenintensiv, wenn die Teilnehmer per Random-Route- Verfahren ausgewählt werden. Darunter versteht man die Adressenermittlung von zu Befragenden, die nach einem genau vorgeschriebenen Prozedere ablaufen muss. Der Interviewer erhält z. B. den Auftrag, zwanzig Adressen zu ermitteln. Dabei wird ihm der genaue Startpunkt (»Beginnen Sie in der Bahnhofstraße 1«) und die genaue Route, die er abgehen soll, vorgegeben (»Wenden Sie sich an der ersten Straße nach rechts. Gehen Sie drei Hausnummern in der Straße entlang. Klingeln sie beim zweiten Haushalt dieser Adresse. Sollte es nur einen Haushalt geben, nutzen sie diesen.«) (detailliert dazu: Noelle-Neumann/ Petersen 2005, S.-245ff). Im qualitativen Paradigma gelten Face-to-face-Interviews als Königsweg. Hier liegen Vor- und Nachteile eng beisammen; zunächst die Vorteile (vgl. Hopf 2007; Hermanns 2007; Flick 2007; Lamnek 2010; Gläser/ Laudel 2009): • Mündliche Befragungstechniken eignen sich immer am besten dazu, spontane Reaktionen einzufangen. • Face-to-face-Interviews ermöglichen auch - wie keine andere Interviewmethode - dichte Informationen über die Befragten zu erheben (z. B. nonverbale Signale wie Mimik, Gestik, Stimme; v. a. <?page no="560"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 561 ermöglichen sie aber auch einen Einblick in die Lebenswelt der Befragten, sofern das Interview etwa an dessen Wohn- oder Arbeitsort stattfindet. Diese Informationen sollten direkt nach dem Interview in einem sog. Postskript festgehalten werden und können später bei der Auswertung zur Interpretation der erhobenen Informationen herangezogen werden). • Der Interviewer erhält außerdem weitreichende Möglichkeiten, eine angenehme Interviewatmosphäre zu schaffen. Als Nachteile (aus Forschersicht, gegenüber anderen Techniken) lassen sich im Wesentlichen folgende Punkte benennen: • Face-to-face-Interviews sind die aufwändigsten Interviews (bzgl. Fahrtzeit und Reisekosten sowie Transkriptionsaufwand - häufig führt eine Stunde Aufnahme zu fünf bis sechs Stunden Transkriptionsarbeit). • Sie verlangen dem Interviewer am meisten ab. Er muss sich hier mit allen Sinnen deutlich mehr auf das Geschehen im Interview konzentrieren und sowohl die Antworten des Befragten wie auch den Leitfaden, sofern das Interview teilstandardisiert ist, im Blick behalten. Auch fällt es ungeübten Interviewern schwer, Schweigen auszuhalten (das durchaus auf ein Nachdenken des Interviewten zurückzuführen ist oder von ihm auch dramaturgisch eingesetzt wird). Häufig interpretiert der Interviewer diese Reaktion als ›Frage nicht verstanden‹ und schiebt Antwortbeispiele nach, die suggestiv wirken können. • Zugleich kann die Nähe auch zu Interviewereffekten führen - soziale Erwünschtheit kommt bei dieser Erhebungsmethode am ehesten zum Tragen, zumal dieser Modus auch die größten Spielräume für Selbstdarstellung (auf beiden Seiten) bietet. Telefonische Interviews Zu den mündlichen Interviews zählen auch telefonische Interviews. In der standardisierten Umfrageforschung werden diese heute durchweg mit Computerunterstützung durchgeführt (daher auch CATI genannt: Computer Assisted Telephone Interviews). Sie kommen in der standardisierten Umfrageforschung v. a. dann zum Einsatz, wenn man schnell repräsentative Ergebnisse über ein relevantes Thema erzielen will, wie dies z. B. bei Telefonumfragen zur Ermittlung der Wahlabsicht der Fall ist und die »Sonntagsfrage« gestellt wird (»Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahlen wären, wen würden Sie wählen …«). In der Praxis laufen diese Befragungen so ab, dass in einem Studio eine große Zahl Telefoninterviewer sitzen und ausgestattet mit einem PC die ihnen per Computer zugewiesenen Telefonnummern abarbeiten. Die Telefonanlage wählt computergesteuert die ausgewählten Nummern der zu Befragenden an, bis diese sich melden, und leitet sie dann an einen Interviewer weiter. Dieser sieht am Bildschirm die Fragen, die er an den Befragten richtet, und gibt die erhaltenen Antworten direkt in den Computer ein. Die eingegeben Daten werden unmittelbar in eine Datenbank überführt und gespeichert, sodass sie rasch zur Auswertung zur Verfügung stehen. Für standardisierte Telefoninterviews, v. a. für sog. »Blitzinterviews«, eignen sich in aller Regel eher einfache Fragen, wie etwa die nach der Wahlabsicht. Anders als im persönlichen Face-to-face-Interview, lassen sich Befragte telefonisch nur für eine eher kurze Zeit »bei der Stange« halten. Als »Daumenregel« für standardisierte Befragungen wird mit maximal zwanzig Minuten gerechnet - immer abhängig vom Thema und vom zu erwartenden Commitment der anvisierten Stichprobe. Nach dieser Zeit steigt die Abbrecherquote stark an. Trotzdem hat sich dieser Befragungsmodus v. a. in den großen Umfrageinstituten zunehmend durchgesetzt (vgl. Kap. 4.4.1), nicht zuletzt infolge ständig verbesserter technischer Voraussetzungen bei Hard- und Software in den computerunterstützten <?page no="561"?> 6 Empirische Forschungstechniken 562 Verfahren. Zudem sind die Telefongebühren seit der Liberalisierung des Telekommunikationswesens vergleichsweise niedrig. Zusammenfassend lassen sich zwei zentrale Vorteile telefonischer Interviews benennen: • Schnelle und effektive Durchführung (kurze Befragungsdauer für die Interviewten, durch Computerunterstützung sofortige und weitgehend fehlerfreie Generierung des Datensatzes) und - damit verbunden - • geringe Kosten. Nicht übersehen sollte man bei standardisierten telefonischen Befragungen jedoch ein Problem, das sich bei der Ziehung von Stichproben ergibt: Samples sollten nicht allein auf Basis von Telefonverzeichnissen gezogen werden (z. B. jede siebente Nummer im Telefonbuch), da sich Anschlussinhaber zunehmend nicht mehr in Telefonverzeichnisse eintragen lassen und/ oder zum Teil nur noch über Mobiltelefone verfügen. Heute greift man daher v. a. auf Verfahren zurück, bei dem Telefonnummern zufällig generiert werden (z. B. Random Digit Dialing (RDD) oder Randomized Last Digit (RLD) bzw. modifizierte Verfahren, die auf diesen beruhen; vgl. Gabler/ Häder 2002; Schnell et al. 2011, S.-282ff). Darüber hinaus existieren inzwischen auch Ansätze, wie man neben Festnetzanschlüssen auch Mobiltelefone bei telefonischen Befragungen berücksichtigen kann (vgl. z. B. Häder/ Häder 2009). Ein großes Problem wissenschaftlich hochwertiger Befragungen besteht aber v. a. in der massiv gestiegenen Überforschung der Bevölkerung insgesamt, der gefühlten Omnipräsenz von Aufforderungen zu »Votings« sowie der zunehmenden Tarnung von Marketing- und Verkaufsaktionen als »Befragung«. Da es die (einfachen) technischen Möglichkeiten im Prinzip jedem technisch halbwegs Begabten erlauben, Befragungen zu »konzipieren« und online zu stellen, werden Internetnutzer und Telefonbesitzer mit Aufforderungen zu Votings, Zufriedenheitsbefragungen, Marktforschungsinteressen etc. regelrecht bombardiert. Die nicht selten laienhafte Qualität solcher »Befragungen« hat das Image von Befragungen insgesamt stark beschädigt. Hierunter hat auch die wissenschaftliche Forschung massiv zu leiden, die mit zunehmend geringerem Commitment, geringeren und damit verzerrten Ausschöpfungsquoten und eingeschränktem Involvement beim Beantworten der Fragen umgehen muss. Zentrale Nachteile telefonischer Befragungen, die zu Problemen mit der Repräsentativität und Qualität der Daten führen können, sind folglich: • Zugangshürden, die sich aus dem Befragungsmodus ergeben (ein Telefon muss vorhanden sein); • das Fehlen des visuellen Kanals (kein Einsatz von visuellen Hilfsmitteln möglich, die die Erinnerung stützen); • eine mögliche Überforderung der Befragten (durch die Art der Fragestellung oder die Antwortmöglichkeiten); • geringes Commitment und • höhere Abbruchquoten. Auch qualitative Interviews können prinzipiell per Telefon durchgeführt werden. In der Praxis kommt diese Erhebungstechnik am ehesten in leitfadengestützten Interviews zum Zuge und v. a. dann, wenn die Erhebung nonverbaler Signale (Mimik, Gestik) für den Forschungsgegenstand eine untergeordnete Rolle spielt. Vorteilhaft sind qualitative Telefoninterviews v. a. dann (vgl. Opdenakker 2006), • wenn die Thematik sensibel bzw. heikel und eine ›visual anonymity‹ der Datenerhebung zuträglich ist, • die Befragten weiter entfernt leben und/ oder • über wenig freie Zeit verfügen. <?page no="562"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 563 Insbesondere Experten sind mitunter schlecht für persönliche Treffen verfügbar und eher zu Telefoninterviews bereit. Zum einen dauern Telefonate im Normalfall kürzer als Face-to-face-Interviews, weil man sich auf »Wesentliches« (das Gesprächsanliegen Betreffende) konzentriert, außerdem lassen sie sich schneller in den (Arbeits-)Alltag integrieren. Damit einher gehen aber auch Nachteile, z. B. dass • Telefongespräche weniger Kontextinformationen mitliefern und • die Interviewsituation vom Interviewer kaum beeinflusst werden kann (z. B. wenn die Kollegen beim Interview mit einem Journalisten häufig stören und beim Befragten dadurch Stress auslösen). • Auch die Zeit- und Kostenersparnis bezieht sich vor allem auf die An- und Abreise, transkribiert werden muss das erhobene Material trotzdem noch. • Die Anforderungen an den Interviewer sind außerdem ähnlich hoch wie beim Face-to-face- Gespräch, allerdings müssen nur auditive Informationen verarbeitet werden. Telefonische Interviews können auch internetgestützt durchgeführt werden (sog. Internettelefonie oder Voice over Internet Protocol - kurz: VoIP). Internettelefonie ermöglichen z. B. Instant-Messenger-Dienste, die oft auch Videotelefonie unterstützen. Verfügen alle Interviewteilnehmer (Interviewer, ein oder mehrere Befragte) zudem über sog. Webcams (in den Computer eingebaute oder externe Kameras), können mündliche Videointerviews geführt werden. In diesem Fall lassen sich nonverbale Signale besser einfangen, zugleich ist die ›visual anonymity‹ aufgehoben. Schriftlich-postalische Befragungen Die Wahl der Interviewform und insofern auch die Wahl des Interviewmodus hängen neben der konkreten Forschungsfrage vom zu befragenden Personenkreis sowie von den zur Verfügung stehenden zeitlichen und finanziellen Mitteln einer Studie ab. Manche Vorteile, wie sie beim Telefoninterview schon besprochen wurden, greifen auch bei der schriftlich-postalischen Befragung, die sich insgesamt eher für standardisierte Umfragen, und hier besonders dann eignet, • wenn der Personenkreis für ein mündliches Interview schwer zu erreichen ist (und zeitlich flexible Beantwortung ermöglicht werden soll), • wenn Anonymität von Vorteil ist und • wenn Informationen von den Befragten verlangt werden, die sie nicht unmittelbar präsent haben. Einmal angenommen, eine repräsentative Auswahl von deutschen Politikern (z. B. Mitgliedern des Bundestages) soll zu ihrer Mediennutzung befragt werden. Es ist angesichts des Zeitdrucks, unter dem Politiker üblicherweise arbeiten, schwer, mündliche Interviews durchzuführen. Außerdem wären die Kosten für mündlich in der gesamten Republik durchzuführende Interviews sehr hoch. Hier empfiehlt sich der Einsatz des schriftlich-postalischen Interviews mit weitgehend standardisiertem Fragebogen und nur wenigen offenen Fragen. Der schriftlich-postalische Befragungsmodus gibt dem Befragten zudem die Chance, den Zeitpunkt und Ort der Bearbeitung selbst zu wählen und so den Fragebogen in aller Ruhe ausfüllen zu können. Die schriftlich-postalische Umfrage hat aber auch Nachteile: • Der Zeitfaktor ist zu bedenken: Der Fragebogen muss versandt und den Interviewten eine Frist zum Rücksenden eingeräumt werden. Außerdem müssen zur Auswertung solcher Befragungen die Antworten manuell in den Computer eingegeben werden. <?page no="563"?> 6 Empirische Forschungstechniken 564 • Für den Forscher ist nicht überprüfbar, wer den Fragebogen tatsächlich ausgefüllt bzw. beantwortet hat (der befragte Politiker selbst, vielleicht aber auch einer seiner Mitarbeiter). In so einem Fall wäre die Gültigkeit der Erhebung beeinträchtigt. • Oft ist die Rücklaufquote bei schriftlich-postalischen Interviews sehr niedrig, so dass die Stichprobe, die man am Ende der Befragung erzielt, zu klein oder durch Selbstselektion zu verzerrt sein kann, um Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit ziehen zu können (vgl. Kap. 6.1.3). Um die Rücklaufquote zu verbessern, ist es daher angebracht, dem Fragebogen ein mit der Adresse des Forschers/ des Forschungsinstituts versehenes Rückantwortkuvert beizufügen und dieses zum Postversand auch frei zu machen. Schriftliche Umfragen erfordern in aller Regel auch telefonische Nachfassaktionen. Diese sind zeitaufwändig und kosten Geld. Auf Grund der Rücklaufkontrolle (etwa in Form der Nummerierung der Fragebögen) ist dem Forscher allerdings bekannt, wer den Fragebogen schon zurückgesendet hat. Es entspricht der Ethik des Forschers, diese Rücklaufkontrolle nicht mit den Antworten der Befragten in Verbindung zu bringen und dadurch die Antworten anonym zu halten. Internetgestützte (schriftliche) Befragungen mittels Onlinefragebogen Eine Variante der (standardisierten) schriftlichen Befragungen sind Befragungen mittels Onlinefragebogen. Dabei wird der Fragebogen für einen bestimmten Zeitraum online verfügbar gemacht. Über einen Link zum Fragebogen - der auf entsprechenden Seiten gehostet oder auch via E-Mail (z. B. an die Teilnehmer von Mailing-Listen) distribuiert werden kann - gelangen die Teilnehmer zur Befragung und können die Beantwortung unmittelbar am Bildschirm selbst vornehmen. Dieser Umfragemodus erfreut sich großer Beliebtheit, bietet er doch einige Vorteile: • Er spart Zeit- und Geld: Die Antworten können normalerweise ohne Übertragungsfehler in ein Datenauswertungsprogramm überführt werden und stehen damit sehr rasch zur Verfügung. • Auch stehen im Onlinefragebogen Mechanismen bereit, die die Validität der Messung erhöhen können. So kann der Befragte etwa darauf hingewiesen werden, wenn er vergessen hat, ein Feld auszufüllen, oder z. B. Text in ein Feld eingetragen hat, in dem nur Zahlen zulässig sind. • Zudem lässt sich eine automatische Filterführung programmieren, die für den Befragten irrelevante Optionen ausblendet und somit das Bearbeiten des Fragebogens erleichtert. • Durch automatische, zufallsgesteuerte Rotation von Fragen und Items können Reihenfolgeeffekte reduziert oder vermieden werden, wie sie bei telefonischen Befragungen auftreten können. (Primacy- oder Recency-Effekte ergeben sich dadurch, dass Objekte am Anfang und am Ende einer Liste gegenüber den mittleren Positionen in der Erinnerung systematisch bevorzugt werden.) • Das Einbinden von grafischen Elementen, Videos oder Hörproben erweitert das Anwendungsspektrum der Onlinebefragung gegenüber anderen Modi ebenfalls. • Mobile internetfähige Endgeräte wie Smartphones und die zunehmende Abdeckung mit Flatrates erlauben darüber hinaus die Befragung telefonisch oder postalisch schwer erreichbarer Zielgruppen. (Dieser Vorteil wird allerdings mit einem eher niedrigen Involvement beim Ausfüllen und zuweilen eingeschränkter Gestaltungsmöglichkeiten erkauft.) Die Befragungsart hat allerdings noch weitere gewichtige Nachteile: Zunächst bereiten internetgestützte Befragungen dieselben Probleme wie der schriftlich-postalische Befragungsmodus (s. oben). Darüber hinaus sind noch lange nicht alle Menschen regelmäßig im Internet ›unterwegs‹ und/ oder geübt im Umgang mit entsprechender Technik (vgl. z. B. van Eimeren/ Frees 2012). <?page no="564"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 565 Der Befragungsmodus kann eine Teilnahmebarriere darstellen, weil der Fragebogen an einem Bildschirm eigenständig ausgefüllt werden muss und im Ablauf auch recht unflexibel ist - weil man im Normalfall nicht einfach so vor und zurückblättern kann bzw. auch nicht alle Fragen auf einmal im Blick hat. Ältere Personen können sich z. B. schwer tun mit diesem Befragungsmodus, bleiben durch die Zugangshürden ausgeschlossen und sind deshalb in Studien unterrepräsentiert. Hinsichtlich der Strukturgleichheit von Stichprobe und Grundgesamtheit muss man bei internetgestützten Befragungen also Abstriche in Kauf nehmen. Häufig ist die Grundgesamtheit auch unbekannt, so dass keine zufallsgesteuerte Stichprobe gezogen und ihr Rücklauf kontrolliert werden kann. Die zunehmend beobachtbare Praxis, einfach einen Link ins Internet, etwa auf einer Social-Network-Seite, zu platzieren und um Aufruf und Weiterleitung der Befragung zu bitten (sog. »Schneeballverfahren«), produziert jedoch ein Convenience-(Verfügbarkeits-)Sample, dessen Aussagekraft deutlich eingeschränkt ist, da es für keine Grundgesamtheit steht. Wie oben bereits angemerkt, stellt sich auch hier das Problem der Selbstselektion: Der Umstand, dass Teilnehmer an Befragungen gemäß ihren eigenen Bedürfnissen und Vorerfahrungen entscheiden, ob sie sich beteiligen oder nicht, gefährdet die Interpretation der Ergebnisse, da die Auswahlwahrscheinlichkeit von individuellen Merkmalen der Befragten wie Zeit, Interesse am Thema und Ähnlichem, abhängt. Man spricht hier auch von »systematischen Stichprobenausfällen«. Selbstselektion ist allerdings kein spezifisches Problem der Onlinebefragung, sondern tritt bei allen Arten von Befragungen auf. Natürlich existieren mittlerweile auch Ansätze zum systematischeren Sampling von Teilnehmern an internetgestützten Befragungen (vgl. für einen Überblick z. B. Fielding et al. 2008, S. 175ff). Internetgestützte (schriftliche) Befragungen mittels Chat oder E-Mail Qualitative Forschungsprojekte, die sich z. B. mit der Internetnutzung beschäftigen, haben in den vergangenen Jahren einen neuen Befragungsmodus getestet: internetgestützte (schriftliche) Befragungen zumeist über Instant-Messenger-Dienste wie z. B. Skype oder per E-Mail (vgl. Opdenakker 2006; Meyen et al. 2011, S. 86ff). Chatinterviews eignen sich sogar zur Durchführung von Gruppendiskussionen (vgl. Lamnek 2010, S. 420ff). Internetgestützte schriftliche Interviews haben einige Vorteile, wie sie auch für Telefoninterviews bereits beschrieben wurden: • weit entfernt lebende Personen lassen sich gut erreichen; • ebenso Menschen, die aufgrund spezieller Lebensumstände (z. B. durch körperliche Einschränkungen) schwer für persönliche Treffen zugänglich sind (Lamnek 2010, S. 421); • außerdem sichern diese Interviewvarianten eine ›visual anonymity‹, die erleichtern kann, dass Befragte sich öffnen. »Eine Kontrolle der eigenen Gestik und Mimik ist nicht notwendig, physische Attraktivität spielt keine Rolle, und es werden in geringerem Maße implizite Persönlichkeitstheorien, basierend auf dem körperlichen Erscheinungsbild generiert« (Prickarz/ Urbahn 2002, S. 64; vgl. auch Opdenakker 2006). Nicht einmal die Stimme kommt zum Tragen. Nachteilig ist jedoch, dass (vgl. Meyen et al. 2011, S. 86, 111) • die Befragungsmodi deutlich weniger Kontextwissen über die Befragten erheben (Wohnverhältnisse, materielle Situation etc.) und • keine nonverbalen Signale erfassen können. • Voraussetzung für eine Datenerhebung ist außerdem, dass die Beteiligten so viel Erfahrung mit Instant-Messenger-Diensten oder im E-Mail-Verkehr haben, um ein Gespräch überhaupt ins Laufen zu bringen (vgl. Meyen/ Pfaff-Rüdiger 2009, S. 32). Die Interviewmodi kommen daher v. a. Menschen entgegen, die oft im Internet in Echtzeit mit anderen kommunizieren. <?page no="565"?> 6 Empirische Forschungstechniken 566 • Jedoch zeigt die Erfahrung, dass die Befragten sich wesentlich mehr Zeit nehmen müssen, da die Interviews doppelt so lange dauern können (ebd.). • Weiterhin kommen die Befragten durch das stete Schreiben beim Chatinterview auch weniger in einen »›Flow‹, da das Tippen und Lesen mehr Zeit in Anspruch nehmen und Antworten und Fragen zum Teil parallel laufen« (Meyen/ Pfaff-Rüdiger 2009, S. 32). • Dieser motorische und kognitive Mehraufwand führt dazu, dass Informationen verdichtet und »Äußerungen manchmal wenig ausführlich oder gar nicht begründet« werden (Prickarz/ Urbahn 2002, S. 68), was einer Exploration entgegenstehen kann (Lamnek 2010, S. 426). Es liegt am Interviewer, daran zu denken nachzuhaken bzw. an der Interviewerschulung darauf vorzubereiten. • Für die Datenerhebung via E-Mail gilt ähnliches: Die Befragten müssen sich mehr Zeit nehmen, außerdem unter Umständen immer wieder an die Beantwortung erinnert werden, da empfohlen wird, nicht alle Fragen auf einmal zu versenden, sondern lieber »blockweise« zu arbeiten, um den Befragten nicht zu ermüden und Nachfragen zu ermöglichen (vgl. Bampton/ Cowton 2002). • Während das Chatinterview durch Synchronität ähnlich spontane Antworten produziert wird wie ein Face-to-face-Interview, werden Antworten beim E-Mail-Interview sicherlich gründlicher durchdacht. • Beide Techniken ermöglichen auch nur rudimentäre Äußerungen von Gefühlszuständen (durch sog. Emoticons) (vgl. Kap. 3.3.5; Bampton/ Cowton 2002; Opdenakker 2006). Michael Meyen und Senta Pfaff-Rüdiger (2009, S. 34) kommen nach eigenen Erfahrungen mit Chatinterviews zu dem Schluss, dass Chats »ähnlich viele Informationen wie persönliche Interviews« liefern und diese »in der Internetnutzungsforschung eingesetzt«, aber am besten mit den klassischen Befragungsformen kombiniert werden sollten (vgl. Meyen et al. 2011, S. 86ff). Auch Roberta Bampton und Christopher Cowton sehen in E-Mail-Interviews v. a. eine sinnvolle Ergänzung (vgl. Bampton/ Cowton 2002). Sicherlich bieten diese Befragungsvarianten sich nicht für jedes Forschungsinteresse an. Auch dass das Material sich quasi von ›selbst‹ transkribiert (bzw. der Transkriptionsaufwand vom Interviewer an den Interviewten weitergereicht wird) kann kein hinreichender Grund zur Wahl dieser Modi sein; zumal die intensive Beschäftigung mit den Interviewinhalten während der Transkription schon ein erster wichtiger Schritt ist, das erhobene Material in seiner Tiefe kennen zu lernen. Auch das spricht für eine Kombination eines schriftlichen Erhebungsmodus insbesondere mit Face-to-face-Interviews. 6.3.2 Die Inhaltsanalyse Eine zweite, in der Kommunikationswissenschaft häufig angewendete Methode, ist die Inhaltsanalyse. Sie hat in dieser Disziplin einen besonderen Stellenwert, denn sie ist jene Methode, mit deren Hilfe kommunikative Inhalte vielfältiger Art erhoben und analysiert werden können. In der Kommunikationswissenschaft werden sowohl quantitative wie auch qualitative Varianten vielfältig eingesetzt. Im Folgenden werden die Einsatzgebiete von Inhaltsanalysen, ihre methodische Entwicklung, sowie die verschiedenen Varianten, die in der Forschungspraxis zum Einsatz kommen, beschrieben. 6.3.2.1 Allgemeines zur Inhaltsanalyse Die Inhaltsanalyse ist jene empirische Forschungsmethode, die in der Kommunikationsforschung selbst entwickelt wurde (vgl. Mayring 2010, S. 26). Inhaltsanalysen können nicht nur auf schrift- <?page no="566"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 567 lich fixiertes Material angewendet werden; sie nahmen dort jedoch ihren Ursprung. Analysierbare Inhalte können z. B. sein: • Texte, Fotos, Abbildungen und sonstige Illustrationen von Print- und Onlinemedien; • Sendungsinhalte aus Hörfunk- und Fernsehprogrammen; • Werbebotschaften aus Presse, Rundfunk, Internet; • Inhalt, Dramaturgie und Gestaltung von Spielfilmen; • Content von Onlinemedien, Blogs, Chats, Forenbeiträge; • Manuskripte öffentlicher Reden, Sitzungsprotokolle, Gesetzestexte; • offene Äußerungen von Befragten bei Befragungen; • u. a. m. In der empirischen Kommunikationsforschung werden Inhaltsanalysen v. a. in der Medieninhaltsforschung eingesetzt. »Kommunikationswissenschaftliche Untersuchungen analysieren vielfach die Berichterstattung über bestimmte Ereignisse (z.-B. Kriege, Gipfeltreffen, Wahlen), über bestimmte Themen (z. B. Umwelt, Technik, Gewalt), über bestimmte Länder oder Weltregionen, über einzelne Personen oder Bevölkerungsgruppen (Politiker, Frauen, Ausländer, Jugendliche etc.). Bei der Analyse von Nachrichten geht es etwa oft um Fragen der Genauigkeit (accuracy), der Verzerrung (bias) oder der Konstruktion von Wirklichkeit« (Schulz 2009, S.-45ff). Die Inhaltsanalyse eignet sich aber auch zur Kommunikatorforschung, z. B. wenn es Ziel eines Forschers ist, besondere Merkmale im Kommunikationsstil von Moderatoren von Talkshows zu erfassen, den Redestil und Wortgebrauch öffentlicher Redner zu analysieren oder politische Haltungen von Redakteuren zu indizieren. Dabei ist nicht nur an die Äußerungen professioneller Kommunikatoren zu denken. Auch nutzergenerierte Inhalte im Internet werden zunehmend intensiv inhaltsanalytisch untersucht. Aus Abbildung- 24 gehen typische Einsatzgebiete hervor. Abb. 24: Typische Einsatzgebiete der Inhaltsanalyse Forschungsfeld Forschungsfragen Kommunikatorforschung »Wie rahmen (framen) politische Redakteure verschiedener redaktioneller Linien den Nahostkonflikt? « »Wie werden die in der Onlineberichterstattung transportierten Deutungsrahmen (Frames) in Nutzerkommentaren bearbeitet? « Medieninhaltsforschung »Wie unterscheiden sich die außenpolitischen Themensetzungen national verbreiteter deutscher, österreichischer und schweizerischer Tageszeitungen? « »Wie berichten die großen deutschen Fernsehsender ARD, ZDF, RTL, SAT.1 und ProSieben in ihren Nachrichtensendungen über den Umweltskandal X? « »Wie wird in ausgewählten regionalen Tageszeitungen Deutschlands über Minderheiten berichtet? « Die Inhaltsanalyse findet nicht nur auf aktuelle Texte und andere Kommunikate der Gegenwart Anwendung. Sie eignet sich auch besonders gut für medienhistorische Forschung, u. a. auch für die Ergründung des Stellenwertes von Medien für die Geschichtsschreibung. Insbesondere aber können Zeitungs- und Zeitschriftentexte Aufschluss über die politische, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Realität der Vergangenheit geben und somit Entwicklungen über die Zeit hinweg nachzeich- (eigene Darstellung) <?page no="567"?> 6 Empirische Forschungstechniken 568 nen. So gesehen ist man mithilfe der Inhaltsanalyse (mit gewissen Einschränkungen) in der Lage, von Texten auf soziale Phänomene zu schließen. Das gilt selbstverständlich im Besonderen für aktuelle und zeitgenössische Texte und andere Medienbotschaften, deren Analyse gut auf gesellschaftliche Gegebenheiten verweisen kann. Fragestellungen für Inhaltsanalysen sind daher sehr vielfältig: Sie können politisch oder wirtschaftlich begründet sein. Sie können sich, wie dies etwa in der Gender- Forschung der Fall ist, auch der Frage widmen, wie unterschiedlich Männer und Frauen in den Massenmedien oder der Werbung dargestellt werden. Auf Grund dieser Inhaltsanalysen lassen sich dann Rückschlüsse auf den sozialen Kontext, z. B. auf die Rolle der Frauen in der Gesellschaft, ziehen. Nicht selten schöpfen inhaltsanalytisch gewonnene Ergebnisse aus der Kombination mit anderen empirisch ermittelten Daten ihre besondere Aussagekraft. Dies ist z. B. in der Agenda-Setting-Forschung der Fall. Dort werden den inhaltsanalytisch ermittelten Daten zur Themensetzung der Massenmedien Daten aus Umfragen zur wahrgenommenen Bedeutung von Themen der Bevölkerung gegenübergestellt: Dabei wird versucht herauszufinden, ob es kausale Zusammenhänge zwischen der Themenstruktur der Medien (Medienagenda) und den von Rezipienten für wichtig gehaltenen Themen (Publikumsagenda) gibt (vgl. Kap. 4.4.3.2). Entwicklung und Definition der Methode Hermeneutische Verfahren der Textauslegung (z. B. zur Rechts- oder Bibeldeutung) gibt es schon sehr lange - ihre Wurzeln reichen zurück bis zur Antike. Inhaltsanalysen im Sinne empirischer Sozialforschung werden im deutschen Sprachraum seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eingesetzt. (Weiter-)Entwickelt wurden inhaltsanalytische Verfahren allerdings insbesondere in den 1920er-Jahren in den USA. Zunächst konzentrierte man sich dabei auf die »systematische Auswertung großer Textdatenmengen der sich entfaltenden Massenmedien (Radio, Zeitungen)« (Mayring 2007, S. 469). Mit dem Aufkommen von Film und Fernsehen wurde das Verfahren auch auf die Analyse von Bewegtbild-Material ausgeweitet. Die inhaltsanalytisch ausgerichtete Kommunikationsforschung erhielt durch die politische Entwicklung, insbesondere den Zweiten Weltkrieg, Aufschwung. Vor allem in der Propaganda-Forschung fanden Inhaltsanalytiker ein viel beachtetes Tätigkeitsfeld. Qualitative inhaltsanalytische Verfahren empirischer Sozialforschung kamen erst deutlich später zum Einsatz; ausschlaggebend für ihre Entwicklung seit den 1960er-Jahren war methodische Kritik an standardisierten Verfahren, die nach Meinung der Kritiker latente Sinnstrukturen und den Textkontext vernachlässigten, außerdem in ihrer Analyselogik linguistisch zu wenig fundiert waren (vgl. Mayring 2007, S. 469f ). Von der Einführung privaten Rundfunks ging ein weiterer Impuls für sozialwissenschaftliche Inhaltsanalysen aus. Seither werden auch Studien erarbeitet, in denen v. a. Fernsehprogramme inhaltsanalytisch vergleichend untersucht werden - dies betrifft nicht nur, aber v. a. Vergleiche der Programme öffentlich-rechtlicher Sender mit jenen privater Veranstalter (vgl. Merten 1994; Krüger 1992, 2012). Mit dem Aufkommen des Internets in den 1980er-Jahren, ist auch dieser Botschaftsträger zunehmend in den Fokus von Inhaltsanalysen genommen worden. Dies ist nicht nur auf die angestiegene Bedeutung via Internet verbreiteter Botschaften zurückzuführen, sondern auch auf die elektronische Speicherleistung, Verfügbarkeit und Analysierbarkeit kommunikationswissenschaftlich relevanter Inhalte. Die methodologische Entwicklung der Inhaltsanalyse lässt sich an den Definitionen ablesen, die für diese Forschungstechnik in den vergangenen sechzig Jahren erarbeitet wurden. Die wohl bekannteste ist jene des amerikanischen Kommunikationsforschers Bernard Berelson aus dem Jahr 1952. Für ihn war die Inhaltsanalyse (content analysis) »a research technique for the objective, syste- <?page no="568"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 569 matic, and quantitative description of the manifest content of communication« (Berelson 1952, S.-18). Die hier zum Ausdruck kommenden Postulate der Objektivität sowie der quantitativen Beschreibung haben laut Werner Früh (2007, S. 27) »in der Vergangenheit mehr Verwirrung gestiftet als zur Klärung beigetragen«, weshalb wir heutzutage anstelle von Objektivität (die als normativ-positivistisches Ideal ohnehin nicht erreicht werden kann) besser von intersubjektiver Nachvollziehbarkeit sprechen (vgl. auch Rössler 2010, S. 22f ): Wir erinnern uns (vgl. Kap. 6.1.1 und 6.1.2): Unter intersubjektiver Nachvollziehbarkeit versteht man, dass der Forscher seine untersuchungsleitenden Fragestellungen theoretisch begründet, alle untersuchungsleitenden Begriffe sorgfältig definiert und sein Vorgehen von der Konzeption bis zur Auswertung und Ergebnispräsentation transparent macht. Die Operationalisierung der Fragestellung, also ihre forschungstechnische Umsetzung in ein Kategoriensystem bzw. Codebuch, muss plausibel und nachvollziehbar sein. »Intersubjektiv überprüfbar ist eine Inhaltsanalyse dann, wenn die Untersuchung in allen Phasen, insbesondere in der Phase der Datenerhebung (Codierung), so gut dokumentiert ist, dass sie - wenigstens im Prinzip - wiederholbar ist« (Schulz 2009, S.-52). Eine solche Wiederholung (auch: Replikation) muss zu denselben Ergebnissen führen, wenn ein anderer Forscher dasselbe Untersuchungsmaterial unter gleichen Untersuchungsbedingungen (Anwendung des gleichen Kategoriensystems bzw. Codebuchs) erneut analysiert. Unter dem Kriterium der Systematik versteht man, dass sämtliche in eine inhaltsanalytische Untersuchung einbezogenen Daten (seien es nun verbale oder visuelle) »unter gleichen Gesichtspunkten und in gleicher Weise analysiert werden. […] Das Analyseverfahren muss auf das gesamte zu untersuchende Material vollkommen einheitlich angewandt werden. […]. Zur Systematik gehört auch, dass die zu analysierenden Mitteilungen nicht beliebig, sondern nach einem genau festgelegten Plan entsprechend der Untersuchung ausgewählt werden« (Schulz 2009, S.-52). Die Forderung nach Quantifizierung des manifesten Inhalts bedeutet, dass die Häufigkeiten der zu untersuchenden Texte bzw. Textelemente mithilfe eines systematisch erarbeiteten Kategoriensystems mit eindeutig definierten Kategorien und Ausprägungen - die in einem Codebuch festgehalten sind - erfasst werden. Die Ausprägungen müssen trennscharf voneinander abgegrenzt sein, damit die zu erhebenden Texte oder Textelemente bei der Codierung eindeutig zugeordnet werden können. Diese Forderung ist selbstverständlich unter dem Gesichtspunkt zu sehen, dass die Inhaltsanalyse zunächst als quantitative Erhebungsmethode entwickelt wurde, qualitative (sozialwissenschaftliche) Inhaltsanalysen sind erst später in der Auseinandersetzung mit dieser Form der Datenerhebung entstanden. Aus heutiger Sicht ist auch die Vorstellung Berelsons (1952) weitgehend überholt, Inhaltsanalysen dürften und könnten lediglich den manifesten Inhalt von Medienbotschaften erheben. Dies würde eine enorme Einschränkung bedeuten, denn alle a priori uneindeutigen bzw. abstrakten Begriffe mit zunächst latentem Bedeutungsgehalt müssten bei einer solch engen Sichtweise aus dem Fokus der Forschung herausfallen: »Gewalt«, »Rassismus«, »Motivation« - all diese Konstrukte, mit denen sich die empirische Kommunikationsforschung befasst, sind weder unmittelbar greifbar noch a priori eindeutig, eben nicht manifest. Inhaltsanalytiker gehen also heute davon aus, dass eindeutige operationale Definitionen von Kategorien geeignet sind, auch latente Inhalte von Texten bzw. Textmerkmalen systematisch und intersubjektiv nachvollziehbar zuordnen zu können. So definiert z. B. der Kommunikationswissenschaftler Klaus Merten die Inhaltsanalyse als »eine Methode zur Erhebung sozialer Wirklichkeit, bei der von Merkmalen eines manifesten Textes auf Merkmale eines nichtmanifesten Kontextes geschlossen wird« (Merten 1995, S.-59). Solche Schlussfolgerungen werden Inferenzen genannt. Bei der Inferenz wird unterstellt, dass es eine Korrespondenz zwischen Merkmalsausprägungen eines Textes und sozialer Wirklichkeit gibt, man also »unter bestimmten Bedingungen […] davon ausgehen [kann], dass Inhalte soziale Wirklichkeit reflektieren bzw. repräsentieren« (Merten 1995, S.-111). <?page no="569"?> 6 Empirische Forschungstechniken 570 Für den Kommunikationswissenschaftler Werner Früh ist die Inhaltsanalyse daher »eine empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen, meist mit dem Ziel einer darauf gestützten interpretativen Inferenz auf mitteilungsexterne Sachverhalte« (Früh 2011, S. 27). Früh vermeidet nicht nur das problematische Attribut »manifest«; er enthält sich auch der expliziten Unterscheidung von quantitativer und qualitativer Inhaltsanalyse. Dessen ungeachtet ist die Unterscheidung quantitativ/ qualitativ für den Forschungsprozess und das Erkenntnisinteresse nicht unerheblich. Quantitative Inhaltsanalysen unterscheiden sich von qualitativen Inhaltsanalysen oft durch das Erkenntnisinteresse sowie die konkret anzuwendende Forschungstechnik. Bei einer quantitativen Inhaltsanalyse werden medial verbreitete Kommunikationsinhalte auf ganz bestimmte, vom Forscher a priori klar definierte Merkmalsausprägungen hin untersucht, meistens mit dem Ziel, ihr Auftreten und ihren Umfang zu zählen (also zu quantifizieren). Dies können etwa inhaltliche Merkmale (z. B. die Themen der Lokalberichterstattung zweier konkurrierender Lokalzeitungen) sowie formale Merkmale (also z. B. Platzierung, Umfang, Darstellungsform, Illustration etc. der Beiträge der Lokalberichterstattung beider Zeitungen) sein. Diese Merkmale werden bei einer quantitativen Inhaltsanalyse den zutreffenden Kategorien des Kategoriensystems zugeordnet. Man erfasst also primär das Auftreten von inhaltlichen und formalen Textmerkmalen und berechnet anschließend beispielsweise die Häufigkeitsverteilung. Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Man würde mit der quantitativen Untersuchung der Lokalberichterstattung zweier konkurrierender Lokalzeitungen herausfinden, inwiefern sich diese Berichterstattung inhaltlich (z. B. Gewichtung unterschiedlicher Themen) und formal (Arten ihrer Aufmachung, Gestaltung etc.) unterscheidet. Wissenschaftliche Untersuchungen, die sich qualitativer inhaltsanalytischer Verfahren bedienen, nehmen eine andere Perspektive - ggf. auf die gleiche Fragestellung - ein. In aller Regel werden keine großen Textmengen auf einzelne, zuvor genau definierte Merkmale hin untersucht. Vielmehr werden vom Umfang her weniger Kommunikate in ihrer Komplexität und Argumentationsführung analysiert sowie dazu oft der historische und gesellschaftspolitische Kontext bei der Interpretation mit herangezogen. Bei qualitativen Analysen lautet z. B. die Antwort auf die Frage »Wie berichten deutsche Nachrichten über das Thema Islam? « also nicht: ›In Nachrichtensendung A kommen dreimal mehr Vertreter muslimischer Religion zu Wort als in der Nachrichtensendung B‹, sondern etwa ›Am Beispiel der ARD-Sendung Tagesschau kann gezeigt werden, dass in vielen Darstellungen demonstrierender Muslime auch Kinder zu sehen sind, die dadurch als Opfer fundamentalistischer Indoktrination erscheinen. Einige verwendete Schlüsselbilder leisten problematischen Assoziationen Vorschub, z. B. das Schlüsselbild von Muslimen im Gebet, das nicht nur dazu eingesetzt wird, muslimisches Gemeindeleben zu illustrieren, sondern auch dazu, fundamentalistische Aktivitäten zu bebildern‹ (Die Befunde sind der Mediendiskursanalyse von Tim Karis (2013) entnommen). Diese beispielhafte Unterscheidung zeigt, dass qualitative Analysen wenig darüber aussagen können, wie häufig (im Sinne eines exakten numerischen Gewichts) bestimmte Aussagen in der Berichterstattung auftauchen. Vielmehr erheben qualitative Verfahren, welche Aussagen überhaupt in der Berichterstattung vorkommen und in welchem Sinnzusammenhang (bzw. Deutungsmuster) sie typischerweise stehen. Die analytische Tiefe und Komplexität der journalistischen Darstellung kann dabei sehr detailliert herausgearbeitet werden. Ein weiteres wichtiges Unterscheidungskriterium zur quantitativen Inhaltsanalyse besteht häufig - wenngleich nicht zwingend - darin, dass letztere immer (explizit oder zumindest implizit) theoriegeleitet und insofern hypothesenprüfend, also deduktiv vorgeht, während eine qualitative Inhaltsanalyse ihren Fokus auch auf der empiriegeleiteten Kategorienbildung haben kann, also induktiv, hypothesengenerierend angewendet wird (vgl. Schmidt/ Zurstiege 2000, S.-42f). Während man also in einer quantitativen Inhaltsanalyse bestimmte a priori definierte Merkmale (von Texten, Bildern, Sendungen etc.) mittels Kategoriensystem »misst«, <?page no="570"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 571 kann man eine qualitative Inhaltsanalyse auch dazu nutzen, dieses Kategoriensystem überhaupt erst zu entwickeln. Wir kommen darauf später noch zu sprechen. In der Forschungspraxis zeigt sich immer wieder, dass gerade bei komplexeren Studien sowohl Elemente der qualitativen als auch der quantitativen Inhaltsanalyse verwendet werden, sodass die strenge Unterscheidung zwischen beiden Verfahren eher analytischer denn praktischer Natur ist. So kommt es z. B. relativ häufig vor, dass zunächst ein Kategoriensystem theoriegeleitet entwickelt wird, welches dann unter Zuhilfenahme des vorliegenden Textmaterials um weitere Kategorien empiriegeleitet ergänzt wird (vgl. Früh 2011, S.-153ff). Oder neben einer umfangreichen quantitativen Inhaltsanalyse zu einem bestimmten Thema wird ein Teil des Materials qualitativ hinsichtlich seiner Argumentationsstrukturen untersucht. Inhaltsanalysen sind also ganz offensichtlich ein flexibles Instrument der Datenerhebung und -auswertung. Von einer einfachen Frequenzanalyse (z. B. die Auszählung einzelner Themen einer Ausgabe einer Tageszeitung) über Beschreibungen von Text- und Programmstrukturen bis hin zu komplexen Sprach- oder Text/ Bild-Analysen, kann die empirische Kommunikationsforschung Medieninhalte systematisch erfassen und in einer Weise interpretieren, dass Rückschlüsse auf soziale Kontexte oder sogar die Kommunikatoren möglich werden. Angesichts neuer Medienumgebungen wie des Internets sehen sich inhaltsanalytisch arbeitende Forscher vor neue methodische Herausforderungen gestellt. Während die traditionellen Medieninhalte wie etwa aus Zeitungen, Radio oder aus dem Fernsehen in weitgehend statischer oder linearer Form vorliegen, sind Onlineinhalte multimedial, schnelllebig, flüchtig und häufig uneinheitlich präsent aufgrund der dynamischen und personalisierbaren Abrufbarkeit der Inhalte. Zuweilen ist schon die genaue Definition der Analyseeinheit - früher schlicht ein Zeitungsartikel, ein TV-Nachrichtenbeitrag oder eine Hörfunksendung - kaum mehr möglich, da zeitliche Veränderungen des Kommunikats, Linktiefen, individuell-personalisierte Präsentationen etc. eine solche Definition massiv erschweren. Auch das inhaltliche Analysespektrum erweitert sich von klassischen journalistischen Inhalten hin zu Beiträgen, die von Nutzern generiert sind (sog. User-generated Content), und eröffnet somit weitere Forschungsfelder für Kommunikationswissenschaftler (vgl. Kap. 3.3.4). Die Herausforderung der Forscher besteht also darin, Instrumente und Verfahren zu entwickeln, die sowohl der Forschungsfrage als auch einer völlig veränderten von Webseite zu Webseite gar unterschiedlichen medialen Präsenz der Inhalte gerecht werden. 6.3.2.2 Konzeption von Inhaltsanalysen Wie eingangs erwähnt, lassen sich im Prinzip kommunikative Inhalte jedweder Art inhaltsanalytisch untersuchen. Insofern spielt es zunächst keine Rolle, in welcher Form das Ausgangsmaterial vorliegt. Dies kann ein Film ebenso sein wie eine Nachrichtensendung oder Texte und Fotos aus Printmedien. Diese Ausgangsmaterialien werden bei ihrer Untersuchung in ihre relevanten Merkmale zerlegt und entweder inhaltlich bzw. gemäß ihrer Aussage reduziert, um zu Kategorien zu gelangen, oder bereits zuvor entwickelten Kategorien und deren Ausprägungen systematisch zugeordnet. Wie jeder wissenschaftlichen Forschung muss auch jeder Inhaltsanalyse zuerst eine theoretisch begründete Forschungsfrage zu Grunde gelegt werden. Im Falle der inhaltsanalytisch vergleichenden Untersuchung zweier konkurrierender Lokalzeitungen müsste der sozialwissenschaftlich arbeitende Forscher theoretisch fragen und begründen, warum sich die beiden Zeitungen (vermutlich) unterscheiden, und er müsste seine theoretische(n) Annahme(n) in eine Forschungsfrage überführen. Diese Forschungsfrage wird in aller Regel in mehrere Teilfragen oder Hypothesen unterteilt. Erst <?page no="571"?> 6 Empirische Forschungstechniken 572 dann fällt die Entscheidung über das konkret zu wählende inhaltsanalytische Vorgehen. Dazu beschreiben wir im Folgenden zunächst dieses Vorgehen bei quantitativen Inhaltsanalysen, anschließend beziehen wir uns auf qualitative Projekte. Aufgrund der gebotenen Kürze behandeln die folgenden Abschnitte vor allem textanalytische Verfahren (über Analysetechniken visueller Kommunikation informiert z. B. Lobinger 2012, S. 219ff). Quantitative Inhaltsanalysen Fällt die Wahl auf eine quantitative Inhaltsanalyse - weil Verteilungen erhoben und verglichen werden sollen - muss der Forscher zunächst festlegen, 1) welche Texte der Analyse unterzogen werden sollen. (In unserem Beispiel würden dies alle Texte sein, die im Lokalteil der beiden Tageszeitungen erscheinen.) Ebenso muss er begründen und bestimmen, 2) über welchen Zeitraum die zu analysierenden Medien bzw. Texte zu untersuchen sind. Durch 1) und 2) wird also die Grundgesamtheit bestimmt. Schließlich muss er 3) begründen, ob (über den zu untersuchenden Zeitraum) eine Vollerhebung vorgenommen werden soll oder nur eine Teilerhebung, also eine Auswahl von Texten innerhalb des gewählten Zeitraumes (= Stichprobe). Parallel dazu oder im Anschluss daran setzt die eigentliche inhaltsanalytische Forschungsarbeit ein, nämlich die Kategorienbildung, die Definition der Kategorien und Ausprägungen sowie die Anfertigung eines Codebuchs samt Schlüsselplan. Bei eher einfachen quantitativen Struktur- oder Frequenzanalysen fallen folgende Arbeitsschritte an, die aber im Wesentlichen auch für anspruchsvollere Analysen gelten (vgl. dazu auch Früh 2011): • Formulierung der Forschungsfrage; Definition von Grundgesamtheit und Stichprobe; • erste Sichtung des zu analysierenden Materials (um bei unserem Beispiel zu bleiben: die Lokalteile der zwei zu untersuchenden Lokalzeitungen anhand einiger Exemplare der beiden Zeitungen); • Entwicklung eines Kategoriensystems und Definitionen der einzelnen Kategorien und -ausprägungen unter Berücksichtung von Theorie und zu analysierendem Material; • Entwicklung eines Codebuches mit operationalen Definitionen und genauen Anweisungen für die Codierung. Bei der Codierung hilft auch ein Schlüsselplan, der die Kategorien und ihre Ausprägungen noch einmal kompakt darstellt. Aus den Codieranweisungen im Codebuch muss exakt hervorgehen, wie die Beiträge den Kategorien bzw. ihren Ausprägungen zuzuordnen sind; • Schulung der Codierer (das sind jene Personen, die anhand von Schlüsselplan und Codebuch die zu analysierenden Beiträge den zutreffenden Kategorien bzw. -ausprägungen zuordnen, also die Erhebungsarbeit durchführen); • Durchführung eines Pretests mit einem kleinen Teil des Untersuchungsmaterials, um zu prüfen, ob Kategoriensystem, Codebuch und Schlüsselplan eine eindeutige Zuordnung der zu erhebenden Beiträge und ihrer Merkmalsausprägungen erlauben. Die zu prüfende Übereinstimmung der Codierungen mehrerer Codierer hinsichtlich des gleichen Materials nennt man auch »Reliabilität« - Zuverlässigkeit - der Messung. Sie muss möglichst hoch sein. Erforderlichenfalls müssen das Kategoriensystem, das Codebuch und der Schlüsselplan nachjustiert sowie Codierer nachgeschult werden (vgl. Kap. 6.1.1); • Durchführung der Analyse, d. h. Codieren der Beiträge und ihre Zuordnung zu den Kategorien- (ausprägungen) durch die Codierer, ggf. erfolgen im Laufe des Projekts bzw. nach Abschluss der Codierung weitere Reliabilitätsprüfungen. Die eigentliche Analyse ist also der letzte Schritt nach einem wichtigen, mehrstufigen Vorverfahren. Besondere Sorgfalt muss bei der Erarbeitung des Kategoriensystems aufgewendet werden: Die Entwicklung des Kategoriensystems (mit den zugehörigen Kategoriendefinitionen im Codebuch) ist näm- <?page no="572"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 573 lich das Herzstück jeder Inhaltsanalyse. Bereits Berelson verweist darauf, dass die Inhaltsanalyse mit den Kategorien steht oder fällt (»Content analysis stands or falls by its categories«-- Berelson 1952, S.-147). Nach Werner Früh kann die Bildung der Kategorien sowohl theoriegeleitet als auch empiriegeleitet erfolgen (vgl. Früh 2011, S. 153ff). Bei der theoriegeleiteten Kategorienbildung entwickelt der Forscher sein Kategoriensystem auf der Grundlage bewährter Theorien und Modelle bzw. bereits durchgeführter Inhaltsanalysen; bei der empiriegeleiteten Kategorienbildung erarbeitet sich der Forscher seine Kategorien aus dem vorliegenden Textmaterial. Für jede Entwicklung eines Kategoriensystems müssen Anforderungen erfüllt sein, damit das Schema valide ist - also gültige Ergebnisse zu Tage fördern kann (vgl. Holsti 1969, S. 95; Merten 1995, S.-98f; Früh 2011, S. 82ff; Rössler 2010, S. 100ff; Kap. 6.1.1): • Das Kategoriensystem muss den wissenschaftlichen Untersuchungsgegenstand adäquat widerspiegeln. • Das Kategoriensystem muss im Sinne der Hypothesen und zentralen Definitionen vollständig sein; die zu messenden Merkmalsausprägungen von Kommunikaten müssen also vollständig in einem Kategoriensystem dargestellt sein. • Alle Kategorien und Ausprägungen müssen eindeutig definiert werden. • Die Kategorienausprägungen müssen sich wechselseitig ausschließen, sie dürfen sich inhaltlich nicht überschneiden. • Da Kategorienausprägungen auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen Probleme bei der Auswertung verursachen oder sich überschneiden können, sollten die Ausprägungen nicht auf unterschiedlichen »Sinn«-Ebenen gemessen werden. Würde man etwa als Merkmal ›Aktualität der Berichterstattung‹ erfassen wollen, so wäre eine Erfassung des Publikationsdatums ohne die Erfassung des Ereignisdatums nicht ausreichend, um eine Aussage über Aktualität zu treffen und damit nicht valide. Eine Erfassung in drei sehr groben Ausprägungen ›sehr aktuell‹, ›mäßig aktuell‹ und ›gar nicht aktuell‹, wäre wiederum sehr vage und daher vermutlich nicht reliabel. Bei der inhaltsanalytischen Kategorienbildung ist folglich auf die Vollständigkeit der Kategorien sowie auf die Trennschärfe zwischen Kategorienausprägungen zu achten. Eine Kategorie ist dann vollständig, wenn alle ihre Bedeutungsaspekte, theoretisch und empirisch begründet, festgelegt wurden (vgl. etwa das obige Beispiel zu den drei Dimensionen von Gewalt - physische, psychische und strukturelle - in der Befragung, Kapitel 5.3.2.2 und 6.3.1.2). Trennscharf sind Ausprägungen einer Kategorie, wenn die Ausprägungen in ihrer Bedeutung eindeutig von den anderen abgegrenzt sind. So wären etwa die Ausprägungen der Kategorie Gewalt in physische, psychische, strukturelle und brutale Gewalt nicht trennscharf. Um bei der Codierung eine verlässliche Zuordnung der zu untersuchenden Beiträge, Texte oder Textelemente zu den Kategorien bzw. ihren Ausprägungen zu ermöglichen, erarbeitet der Forscher zu jeder Kategorie eine präzise operationale Definition. Mit den operationalen Definitionen werden Begriffe messbar gemacht. Die Kategoriendefinitionen sowie die operationalen Definitionen werden mit anderen Anleitungen für den oder die Codierer im Codebuch festgehalten. Das Codebuch ist also vergleichbar mit einer Gebrauchsanleitung für die Codierer und das Äquivalent zum Fragebogen bei der Befragung. Je mehr Sorgfalt und Mühe der Forscher für die Kategoriendefinition sowie die operationalen Definitionen aufwendet, desto eindeutiger ist für die Codierer die Zuordnung des zu analysierenden Materials und desto verlässlicher und valider sind auch die Ergebnisse der Untersuchung. Alle Kategorien mit sämtlichen Ausprägungen werden zur einfachen Handhabung im sog. Schlüsselplan in einer festgelegten Reihenfolge zusammengefasst. Im Rahmen der Inhaltsanalyse werden verschiedene Untersuchungseinheiten festgelegt, die von der Auswahleinheit über die Analyseeinheit zur Codiereinheit und Kontexteinheit reichen (vgl. z. B. Rössler 2010, Früh 2011). Die Aus- <?page no="573"?> 6 Empirische Forschungstechniken 574 wahleinheiten bezeichnen alle Objekte, die aus dem gesamten Spektrum des Materials (der Grundgesamtheit) zur weitergehenden Analyse - also Codierung - ausgewählt wurden. Möchte man etwa die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zum Thema »Religion und Kirche« der Jahre 1993 und 2013 untersuchen und zieht hierzu eine Stichprobe von einer Ausgabe pro Woche, so ergeben sich 52-x-2-x-2-=-208 Auswahleinheiten. Die Analyseeinheiten bezeichnen dann alle Elemente innerhalb der Auswahleinheiten, auf die das Kategoriensystem angewendet wird. Dies können etwa Beiträge, Aussagen, Anzeigen, Akteure oder auch Bilder sein. Die Analyseeinheit des zu untersuchenden Materials ist also jenes Element (=-Merkmalsträger), für das bei der Codierung eine Einstufung in Kategorien (=-Merkmale) vorgenommen wird. Ein Merkmal, das für die Beantwortung der Forschungsfrage bedeutsam ist und daher festgehalten wird, ist die Codiereinheit. Codiereinheiten werden durch die Kategorien adressiert (z. B. Tendenz des Beitrags, Parteizugehörigkeit des Akteurs, Größe des Bildes etc.) für die jeweils eine oder mehr Ausprägungen festgehalten - codiert - werden (z. B. positiv/ negativ/ neutral; SPD/ CDU/ FDP/ Grüne; cm 2 ). Man unterschiedet hier zwischen formalen (z. B. Größe eines Artikels, Dauer eines Beitrags, Erscheinungsdatum etc.) und inhaltlichen (z. B. Thema des Beitrags, auftretende Akteure, Bewertung der Akteure u. a.) Kategorien. Die Kontexteinheit ist schließlich ein Hilfskonstrukt, das die Einheit bezeichnet, die zu Hilfe genommen werden darf, um zu einer korrekten Codierung zu gelangen. Soll der Codierer z. B. festhalten, wie ein Politiker bewertet wird, so »darf« er hierzu den gesamten Beitrag (=-Kontext) heranziehen. In der Codiererschulung werden die Codierer mit dem Forschungsprojekt, dem Schlüsselplan und v. a. mit dem Codebuch vertraut gemacht. Wichtigstes Ziel bei dieser Schulung ist die übereinstimmende Codierung im Prinzip gleicher Inhalte: Die Codierer müssen neben der korrekten Identifikation der Analyseeinheiten für ein und denselben Text dieselben Ausprägungen der Kategorien zuordnen. Gelingt dies, spricht man von hoher Intercoderreliabilität - das Instrument ermöglicht eine zuverlässige Messung. Weist derselbe Codierer bei erneuter Codierung des gleichen Textes auch wieder die gleichen Ausprägungen der Kategorien zu, so steht dies für eine hohe Intracoderreliabilität. Erinnern wir uns (vgl. Kap. 6.1.1): Mit Reliabilität (Verlässlichkeit) bezeichnet man allgemein die Fähigkeit einer Messung, unter gleichen Anwendungsbedingungen und den gleichen Untersuchungsgegenständen stets zu gleichen Ergebnissen zu gelangen. Übertragen auf die Forschungstechnik der Inhaltsanalyse bedeutet dies: Mehrere Personen analysieren unabhängig voneinander mit dem gleichen Codebuch das gleiche Untersuchungsmaterial. Gelangen sie zu (weitgehend) gleichen Ergebnissen, so kann man annehmen, dass das angewendete methodische Erhebungsinstrument reliabel, also verlässlich ist. Stellt man nun beim Pretest (oder im weiteren Ablauf des Projekts) fest, dass die Reliabilitäten niedrig sind, so müssen die Kategoriendefinitionen, die operationalen Definitionen und andere Codieranleitungen überprüft und erforderlichenfalls verbessert bzw. korrigiert werden. Das heißt, Kategorien und Ausprägungen müssen abgeändert, modifiziert, differenziert oder neu hinzugefügt werden. Erst wenn die Codierungen übereinstimmen, darf die eigentliche Codierung des Untersuchungsmaterials beginnen. Der Übereinstimmungsgrad kann mithilfe von Formeln errechnet werden. Am geläufigsten sind Krippendorffs alpha (vgl. Krippendorf 2004) oder die (etwas tolerantere) Codiererübereinstimmung nach Holsti, die mit Werten zwischen 0 (= keine Übereinstimmung) und 1 (= vollständige Übereinstimmung) die Verlässlichkeit des Messinstruments anzeigen (vgl. Holsti 1969). Die Verlässlichkeit eines Codebuchs ist abhängig von der Komplexität des Untersuchungsmaterials, von der Genauigkeit der Kategoriendefinitionen, vom Erklärungsgrad der Zuordnungsregeln sowie von der Ausbildung der Codierer. Gelangen die unabhängig voneinander messenden Personen zu abweichenden Ergebnissen, so ist das Messinstrument einer Prüfung zu unterziehen bzw. sind Nachschulungen für die Codierer vorzunehmen. Reli- <?page no="574"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 575 abilität und Validität (s.o.) sind in der empirischen Sozialforschung zentrale Qualitätskriterien, die vom Forscher - trotz größtem Bemühen - nicht immer hundertprozentig realisiert werden können. Qualitative Inhaltsanalysen Es gibt eine ganze Reihe von textanalytischen Verfahren (z. B. Semiotik, Hermeneutik, Diskursanalyse), die nichtstandardisiert vorgehen und somit dem qualitativen Paradigma zugerechnet werden. Diese Verfahren wurden in geisteswissenschaftlichen Fächern (z. B. Philosophie, Literatur- und Geschichtswissenschaft) entwickelt und werden teilweise auch zur Untersuchung von Medieninhalten eingesetzt (vgl. Meyen et al. 2011, S. 139f ). Von diesen Verfahren findet in der Sozialwissenschaft insbesondere die Diskursanalyse Beachtung. Die sozialwissenschaftliche Diskursforschung beschäftigt sich »mit dem Zusammenhang zwischen Sprechen/ Schreiben als Tätigkeit bzw. sozialen Praktiken der (Re) Produktion von Sinnsystemen/ Wissensordnungen, den darin eingebundenen sozialen Akteuren, den diesen Prozessen zugrundeliegenden Regeln und Ressourcen sowie ihren Folgen in sozialen Kollektiven« (Keller 2011, S. 8; vgl. auch das Beispiel auf S. 570 zum »Mediendiskurs Islam«, Karis 2013). Ähnlich hierzu legen Vertreter der Cultural Studies mit der sog. Medienanalyse ein »empirisches Programm« vor, um die »machtgeprägten Prozesse der Konstruktion kultureller Bedeutung konkret zu untersuchen« (Hepp 2010, S. 15) (vgl. Kap. 5.3.3). Dieses Programm stützt sich ebenfalls auf Diskurssowie auf Produktanalysen (die nicht nur nach den einzelnen Produkten, sondern gleichzeitig nach »den Kontexten und Praktiken der Produktion und Konsumtion fragen«, Hepp 2010, S.-47; vgl. ebd., S. 113ff). Aufgrund der gebotenen Kürze können wir auf diese Techniken nicht näher eingehen und konzentrieren uns auf zentrale Verfahren, die als »qualitative Inhaltsanalysen« bezeichnet werden (vgl. Meyen et al. 2011). In der Kommunikationswissenschaft werden häufig solche Verfahren zur systematischen Textanalyse eingesetzt, die die Stärken der quantitativen Inhaltsanalyse (Theorie-/ Regelgeleitetheit, Strukturiertheit durch Kategorienanwendung, Gütekriterien) nutzten, um qualitative Analyseschritte (Kategorienentwicklung, Kategorienanwendung) methodisch kontrolliert durchführen zu können und die Stärken der oben erwähnten qualitativen Verfahren (Berücksichtigung des Kontexts, der Stilmittel, der Zusammenhänge zwischen Sprache, gesellschaftlichen Strukturen und Interessen) ausspielen zu können (vgl. Meyen et al. 2011; Mayring 2007). Während die quantitative Inhaltsanalyse ausschließlich eine Datenerhebungsstrategie ist, können qualitative Verfahren entweder als Erhebungsstrategie (z. B. für Medieninhalte) oder als Auswertungsstrategie (z. B. für Interviewtranskripte) eingesetzt werden. Grundsätzlich gibt es zwei Analyseschritte in qualitativen Inhaltsanalysen: die deduktive Kategorienanwendung und die induktive Kategorienentwicklung. Dazu im Einzelnen: Bei der deduktiven Kategorienanwendung werden vorher festgelegte, theoretisch begründete Auswertungsaspekte (Kategorien) an das Material herangetragen. Ähnlich wie bei der quantitativen Inhaltsanalyse wird ein systematisches Gerüst (das Kategoriensystem) theoriegeleitet erstellt. Das erleichtert nicht nur dem Forscher die Strukturierung und Beurteilung einzelner Denkschritte, sondern macht diese dem Leser auch zugänglich (vgl. Löblich 2008; Meyen et al. 2011, S. 139ff). Im Gegensatz zur quantitativen Inhaltsanalyse stehen die Ausprägungen der einzelnen Kategorien jedoch nicht schon vor der Erhebung fest, sondern sind deren Ergebnis. Dem Kategoriensystem kommen zwei Funktionen zu: • Das Kategoriensystem stellt im Hinblick auf die Forschungsfrage ein theoretisches Gliederungsprinzip dar und unterteilt den komplexen Forschungsgegenstand in inhaltlich abgrenzbare Dimensionen. Das Kategoriensystem ergibt sich folglich aus einer vorgeschalteten ›dimensionalen Analyse‹ (vgl. Kap. 6.2.2); <?page no="575"?> 6 Empirische Forschungstechniken 576 • Mit einem Kategoriensystem können Texte oder Interviewtranskripte systematisch durchgearbeitet und dabei die relevanten Informationen herausgefiltert werden. Kategoriensysteme bestehen üblicherweise aus wenigen Analysedimensionen (Hauptkategorien), die sich jeweils in einzelne Kategorien (und eventuell in Unterkategorien) auffächern. Mit diesen Kategorien (bzw. Unterkategorien) wird der zu analysierende Textkorpus ausgewertet; dabei werden die von den Kategorien definierten Merkmale des Untersuchungsgegenstandes in ihrer jeweiligen Ausprägung erfasst. Da qualitative Verfahren am besten anhand von Beispielen erklärt werden können, auch hierzu ein Beispiel aus der Forschungspraxis: Maria Löblich (2008) führte eine qualitative Inhaltsanalyse mithilfe deduktiver Kategorienanwendung durch, um zu analysieren, wie sich in der geisteswissenschaftlich orientierten deutschsprachigen Publizistikwissenschaft in den 1960er-Jahren eine empirisch-sozialwissenschaftliche Umorientierung vollzog. Dazu zerlegte sie den Forschungsgegenstand »Wandel der Publizistikwissenschaft« mithilfe des fachgeschichtlichen Forschungsstands und wissenschaftssoziologischer Theorien zunächst in zwei Analysedimensionen: Wissenschaftssoziologische Ansätze konstatieren, dass der Wandel einer Disziplin sich in Fachdebatten niederschlägt, die durch Akteure im Fach geführt werden. Unter Bezugnahme auf theoretisches Vorwissen ›zergliederte‹ Löblich diese beiden Dimensionen Fachdebatte und Akteure weiter in Kategorien. Dabei halfen ihr »erkenntnisstrukturierende Fragen« (Löblich 2008, S.-446). Solche Fragen könnten auf den Gegenstand bezogen z. B. lauten: Welcher Erkenntnistheorie hingen die Fachvertreter an? Welche Forschungsgegenstände bearbeiteten sie und welcher Methoden bedienten sie sich dabei? (= Fachverständnis), welche wissenschaftlichen Positionen wurden diskutiert und welche kommunikativen Strategien verfolgten die Teilnehmer dieser Debatte? (= Argumente, rhetorische Mittel), wer arbeitete mit wem zusammen? (= Zitationsmuster, Koautorenschaft). In Klammern stehen jeweils die sich aus der Fragestellung ergebenden Kategorien. Manche Kategorien sind dabei noch sehr allgemein (z. B. Fachverständnis) und bedürfen einer Spezifizierung: Die Fragen zeigen, dass unter das Fachverständnis verschiedene Aspekte fallen, wie z. B. Erkenntnistheorie, Forschungsgegenstände, Methoden. Diese Aspekte können solche sehr allgemeine Kategorien als Unterkategorien handhabbar machen. Deduktive Kategorienanwendung bietet sich z. B. an, wenn eine theoretische Idee existiert, die der Forscher auf einen neuen Gegenstand anwenden möchte. Bei theoriegeleiteter qualitativer Forschung werden Kategorien also deduktiv aus einem theoretischen Ansatz abgeleitet; das Kategoriensystem kann jedoch induktiv - aus dem Material heraus - um weitere Kategorien ergänzt werden. Das Vorgehen induktiver Kategorienentwicklung kommt zur Anwendung, wenn Kategorien das Ergebnis einer Untersuchung - oder des ersten Schrittes - sein sollen (z. B. weil das Vorwissen begrenzt ist und/ oder die qualitative Inhaltsanalyse Kategorien und deren Ausprägungen nah am Material entwickeln soll). Induktive Kategorienentwicklung verlangt eine systematische Reduktion der Textinhalte, die i. d. R. anhand mehrerer Schritte erfolgt (vgl. Mayring 2010). Das Verfahren eignet sich gut zur Analyse qualitativer Interviews, daher beziehen sich die Ausführungen hier lediglich auf Interviewtranskripte. Generell ist das Verfahren mithilfe der folgenden idealtypisch formulierten Schritte aber auch auf jede beliebige Art von Textmaterial anwendbar: 1) Festlegung des Materials: Ausgewertet werden nur Stellen, in denen sich der Interviewpartner bewusst und explizit zum Gegenstand äußert. 2) Paraphrasierung inhaltstragender Textstellen: Dabei wird versucht, die Aussagen der Interviewten (unter Zuhilfenahme von alltäglichen Deutungsmustern und theoretischem Vorwissen) mit eigenen Worten wiederzugeben. Dies setzt ein Verstehen der zu paraphrasierenden Interviewaussage voraus. 3) Bestimmung des angestrebten Abstraktionsniveaus: Die Paraphrasen werden unter diesem Abstraktionsniveau generalisiert. <?page no="576"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 577 4) Erste Reduktion durch Selektion und Streichen bedeutungsgleicher Paraphrasen. 5) Zweite Reduktion durch Bündelung, Konstruktion, Integration von Paraphrasen auf dem angestrebten Abstraktionsniveau. 6) Strukturierung: Zusammenstellung der neuen Aussagen als Kategoriensystem. Dabei werden logisch zusammenhängende Aussagen gruppiert. 7) Rücküberprüfung des zusammenfassenden Kategoriensystems am Ausgangsmaterial. Auch für qualitative Untersuchungen bietet es sich an, gleichermaßen auf theoriegeleitete Kategorienanwendung und empiriegeleitete Kategorienentwicklung zurückzugreifen; schließlich ist theoretisches Vorwissen oft schon in großem Umfang vorhanden, soll aber auf konkrete Gegenstände angewendet werden, um sie ›detailgetreuer‹ zu beschreiben. Wie eine Kombination der beiden Analyseschritte in der Forschungspraxis aussehen kann, soll an einem Beispiel aus der Kommunikationswissenschaft beschrieben werden (vgl. Pfaff-Rüdiger 2007): In einem Forschungsprojekt zum »subjektiven Sinn von Medienangeboten« im Alltag ihrer Nutzer (vgl. Pfaff-Rüdiger/ Meyen 2007) untersuchte das Forscherteam mithilfe von qualitativen Interviews sowohl die Mediennutzung von Personen in besonderen Lebenssituationen (Personen mit Essstörungen, Deutsche auf Bali, Internet im Ruhestand) als auch die Nutzung spezieller Formate (z. B. ›Sex and the City‹, taz oder Neues Deutschland). Zur Auswertung der Interviews wurden folgende Schritte vollzogen (vgl. Pfaff- Rüdiger 2007): • Rückbesinnung auf theoretische Vorannahmen: Basierend auf dem Forschungsstand und zugrundeliegenden theoretischen Annahmen werden Analysedimensionen und Kategorien gebildet, die im Material erwartet werden, auf die sich aber die Suche nach Motiven der Mediennutzung nicht beschränken sollte. • ›Close Reading‹: Das Interviewmaterial (Transkripte) wird intensiv und wiederholt gelesen. Dabei sollte geprüft werden, ob die Aussagen des Interviewpartners verstanden werden. Das Close-Reading dient dazu, wichtige Passagen zu identifizieren; außerdem sind erste Ideen für die systematische Analyse festzuhalten (z. B. Themen des Interviews, Themenaspekte oder Anmerkungen zur Kommunikationssituation). Die theoretischen Kategorien behält man dabei im Kopf. • Paraphrasierung: Die Paraphrasierung dient dazu, die Gedanken des Forschers aus dem Prozess des ›Close Reading‹ auszuarbeiten und das Transkript weiter auf dessen inhaltlichen Kern zu verdichten. Bei der Paraphrasierung von Interviewaussagen werden sinnvollerweise drei Schritte vollzogen: Die Aussagen werden sprachlich und inhaltlich reduziert sowie verallgemeinert (also auf eine höhere Abstraktionsebene gehoben). • Thematische Strukturierung: Es werden Oberbegriffe für die Zusammenfassungen aus der Paraphrasierungsphase gesucht. Dabei verlässt man die Chronologie der Aussagen der Befragten und gliedert diese neu nach logisch zusammenhängenden Aspekten (z. B. Mediennutzungs-Motiven). Es ist möglich, dass die thematische Gliederung des Interviewleitfadens sich auch in den Themen der Auswertung widerspiegelt, denn Leitfaden und Auswertung basieren auf denselben theoretischen Vorüberlegungen; allerdings sollte der Forscher sich nicht darauf beschränken und offen sein für neue Aspekte (Motive), die im Material auftauchen können. Um den Lesern zu beschreiben, was die aus Paraphrasierung und thematischer Strukturierung entstehenden Abstraktionen bedeuten, sollten (Beispiel-)Zitate aus dem Material gesammelt werden. • Einzelfallanalyse: Besonders charakteristische Befragte können genauer analysiert werden. Diese Analyse erleichtert dem Leser das Verständnis für die Personen und hilft ihm, die Zuordnung zu den einzelnen Typen (s.-u.: Typologisierung) zu verstehen. Die Rekonstruktion der thematischen Struktur (s. o.) ist bereits ein erster Schritt; durch Kontextuierung (s. u.) entsteht dann im zweiten Schritt schließlich ein Porträt der Befragten - am besten in Form eines kurzen Texts, der auf <?page no="577"?> 6 Empirische Forschungstechniken 578 die wesentlichen Charakteristika eines Befragten eingeht (Soziodemografie, Lebens-/ Arbeitswelt, Mediennutzungsmotive). Diese Porträts bilden eine gute Grundlage um zu entscheiden, welchem Typ der jeweilige Befragte zugeordnet werden kann. • Typologisierung: Der Mensch versucht ständig, die wahrgenommene Umwelt in typische, ihm bekannte Muster einzuteilen, um Komplexität zu reduzieren und neue Erfahrungen sinnvoll verarbeiten zu können. Strukturen bieten immer (Erwartungs-)Sicherheit und Orientierung. Ziel von Interviewstudien ist daher nicht selten, die Befragten bezüglich bestimmter Merkmale zu typologisieren. Ein Typus steht dabei für eine Gruppe von Personen, die bestimmte Merkmale gemeinsam haben (bzw. in der Ausprägung der Merkmale ähnlich und von den anderen Typen verschieden sind) (vgl. Weber 1922, S. 190ff; Kelle/ Kluge 2008, S. 83ff). Typologien verfolgen zwei Ziele: 1) typische Handlungs- oder Deutungsmuster innerhalb einer Gruppe (eines Typs) zu identifizieren und 2) Einflussfaktoren auf ein bestimmtes Handlungsmuster herauszuarbeiten: Woran liegt es, ob ein Mensch ein bestimmtes Medienangebot nutzt? • Kontextuierung: Dies ist ein Auswertungsschritt, der eigentlich immer parallel zu den gesamten bisher erläuternden Schritten läuft. Kontextualiserung dient dazu, unklare oder interessante Interviewpassagen genauer zu untersuchen, z. B. durch den Rückbezug auf andere Passagen oder externe Informationen (Mayring nennt diese Vorgehensweise auch ›Explikation‹). Dahinter steckt die Idee, dass Ausschnitte aus einem Gespräch immer innerhalb ihres Kommunikationszusammenhangs betrachtet werden müssen (und daher die Art der Entstehung der Ergebnisse bei der Analyse auch reflektiert werden muss). Informationen zum Befragten können sich z. B. auch aus der Interviewsituation ergeben (Wohnsituation, familiäres Umfeld) - die Erhebungssituation sollte daher immer nach dem Interview notiert (d. h. in einem sog. Postskript festgehalten) werden. Da der qualitative Forschungsprozess sich oft erst richtig verstehen lässt, wenn man die Details schon kennt, wird an dieser Stelle nochmals kurz zusammengefasst, wie die einzelnen Arbeitsschritte einer (sozialwissenschaftlich ausgerichteten) qualitativen Inhaltsanalyse ablaufen können (vgl. Meyen et al. 2011, S. 145): 1) Zunächst wird das Forschungsproblem formuliert und die Entscheidung für die theoretische Fundierung getroffen. 2) Bei deduktiver Kategorienanwendung wird darauf aufbauend ein vorläufiges Kategoriensystem entwickelt, bei ausschließlich induktiv-kategorienentwickelndem Vorgehen kann eine vorgeschaltete dimensionale Analyse bei der thematischen Strukturierung helfen. 3) Anschließend muss für beide Verfahren der Untersuchungszeitraum und das Untersuchungsmaterial (Mediengattung; Medienangebot; konkrete Beiträge) festgelegt werden. 4) Bei deduktiver Kategorienanwendung wird das vorläufige Kategoriensystem während eines ersten Analysedurchgangs (z. B. während des ›Close Readings‹) durch induktiv aus dem Material gewonnene Kategorien ergänzt. 5) Der gesamte Textkorpus wird daraufhin mithilfe dieses Kategoriensystems analysiert und ausgewertet, indem die einzelnen Textbausteine nun den einzelnen Hauptdimensionen bzw. Kategorien zugeordnet werden. 6) Soll die Inhaltsanalyse Kategorien induktiv entwickeln, wird das Textmaterial paraphrasiert, generalisiert, reduziert und anschließend thematisch strukturiert, um zum Ergebnis eines Kategoriensystems zu gelangen, das dann auf einen größeren Textkorpus (z. B. im Rahmen einer quantitativen Inhaltsanalyse) angewendet werden kann. 6.3.2.3 Computerunterstützte und automatisierte Inhaltsanalysen Ebenso wie bei Befragungen hat der Computer Einzug bei der Methode der Inhaltsanalyse gehalten. Heute werden nicht etwa nur die Codierungen direkt in ein entsprechendes Programm eingegeben, was die Weiterverarbeitung präziser und v. a. schneller macht. In der quantitativen Inhalts- <?page no="578"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 579 analyse nehmen Computer zum Teil sogar eine deutlich wichtigere Rolle ein, indem sie automatisch Codierungen vornehmen (daher spricht man häufig von ›automatisierter Inhaltsanalyse‹) (vgl. Brosius et al. 2012, S. 161ff; Scharkow 2012). Generelle Voraussetzung für den Einsatz derartiger Software ist eine digital vorliegende Version des Untersuchungsmaterials. Mittlerweile stehen Archive mit Volltext vieler großer Tageszeitungen in dieser Form zur Verfügung, sodass computerunterstützte und automatisierte Inhaltsanalysen leichter durchführbar sind. Bei quantitativen Inhaltsanalysen ist der Einsatz solcher Software besonders sinnvoll, wenn etwa einzelne Begriffe gezählt werden sollen (wenn also die Codiereinheit nur ein einzelnes Wort umfasst, etwa zur Beantwortung der Fragestellung »Wie häufig kommt der Begriff ›Finanzkrise‹ in der Berichterstattung der FAZ zwischen 2003 und 2013 vor? «). Dabei muss vorausgesetzt werden können, dass der Begriff eindeutig ist und in dieser Eindeutigkeit einen zu untersuchenden Sachverhalt gut beschreibt. Ein bekanntes Beispiel der amerikanischen Kommunikationswissenschaft sind Untersuchungen zur Tendenz der Wirtschaftsberichterstattung, bei denen das Wort »Rezession« in allen landesweit verbreiteten Tageszeitungen über einen bestimmten Zeitraum hinweg gezählt wurde. Dem lag die berechtigte Vermutung zu Grunde, dass die häufige Erwähnung des Wortes eine eher schlechte, die seltene Benutzung eine eher günstige Wirtschaftslage widerspiegeln würde. Der Indikator »Rezession« bildet also das Konstrukt »Wirtschaftslage« ab. Der Begriff selbst hat einen eindeutigen, eng umgrenzten Bedeutungsraum und wird nur in bestimmten Kontexten verwendet (vgl. Stevenson et al. 1994). Schwieriger und gravierend aufwändiger wird der Einsatz dieser Programme, wenn die theoretischen Konstrukte komplexer bzw. die Bedeutung von Begriffen bzw. Indikatoren nicht auf einen Bedeutungsaspekt zu reduzieren sind (zu »monosemieren«) oder aber mehrdeutig sein können (z. B. der Begriff »fett«). Dann zählt der Computer möglicherweise unterschiedliche Dinge. Zwar bieten die erwähnten Programme Zusatzfunktionen an, die z. B. das Wort im Kontext zeigen. Für die korrekte Zuordnung benötigt man allerdings i. d. R. zusätzlich einen vernunftbegabten »Zähler« bzw. bei teilautomatisierten Inhaltsanalysen eine sehr elaborierte Codieranweisung. Der Computer erkennt nämlich die Bedeutung von Texten nicht, sondern nur die Anordnung einer Buchstabenkombination, die in aller Regel ein Wort ergibt. Damit er diese Wörter erkennen kann, muss vom Forscher ein umfangreiches Wörterbuch angelegt werden, das alle relevanten Wörter für die Auszählung erfasst. Das Wörterbuch kann dabei sowohl aus einzelnen Wörtern als auch aus Wortfolgen bestehen (z. B. deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, Physikerin aus Templin etc.), die dann als gleich interpretiert werden. Dieser Vorgang der Lexikalisierung ist mit der operationalen Definition einer Ausprägung bei der konventionellen Inhaltsanalyse vergleichbar. Komplexere Verfahren sind mittlerweile nicht mehr nur in der Lage, Begriffe zu zählen, sondern auch durch Regeln verbundene Begriffe zu finden, die eine weitreichendere Bedeutung indizieren. Die Entwicklung solcher Systeme, die zudem trainierbar und damit in Grenzen »lernfähig« sind, schreitet rasant voran (vgl. z. B. Scharkow 2012). Die Beantwortung von Fragestellungen auf komplexerem semantischen Niveau ist derzeit allerdings eine der zentralen Baustellen der Forschung in diesem Bereich. Auch zur Unterstützung qualitativer Inhaltsanalysen existiert mittlerweile eine Reihe von Softwarepaketen, die allerdings stets nur dem Datenmanagement dienen können, da automatisierte Inhaltsanalysen (bislang) keinen interpretativen Zugang zum Material ermöglichen (Mayring 2010, S.-111). Hier werden nicht elektronisch gespeicherte Textmengen durch den Computer »gejagt« und den Begriffen des Wörterbuches automatisch zugeordnet. Der Computer hilft vielmehr bei der Kategorisierung bzw. Gruppierung von Bedeutungs- und Sinnzusammenhängen individueller, kleiner Textmengen - etwa von Interviews. Was bei der herkömmlichen qualitativen Inhaltsanalyse per Hand geschehen musste, wird nun im Computer elektronisch verwaltet und übersichtlich am Bildschirm dargestellt. Der Vorgang der Kategorienbildung selbst - entweder deduktiv nach theore- <?page no="579"?> 6 Empirische Forschungstechniken 580 tischen Erwägungen oder induktiv am vorliegenden Textmaterial - muss freilich nach wie vor vom Forscher bzw. seinen Codierern vorgenommen werden, da die Software (noch) keine Möglichkeit bietet, Sinn und Bedeutung von Text(en) automatisch zu erfassen und zuzuordnen (Bos/ Tarnai 1998; Mayring 2010). In der Kommunikationswissenschaft am bekanntesten sind die Softwareprogramme Atlas.ti und MAXQDA (vgl. z. B. Kuckartz 2010). 6.3.3 Die Beobachtung Die dritte zentrale Methode der empirischen Kommunikationsforschung ist die wissenschaftliche Beobachtung. Sie unterscheidet sich in ihrem systematischen und planmäßigen Vorgehen wesentlich von der individuellen und zufälligen Alltagsbeobachtung. Die wissenschaftliche Beobachtung ist die einzige Methode der empirischen Kommunikationsforschung, mit deren Hilfe es gelingt, (soziales) Verhalten direkt zu erfassen, also zu jenem Zeitpunkt, zu dem es auch tatsächlich stattfindet. Darin unterscheidet sich diese Methode insbesondere von der Befragung, bei der ja nur die Erinnerung an und die Einstellungen und Meinungen über (soziales) Verhalten zu einem Zeitpunkt gemessen wird, zu dem es nicht stattfindet und insofern das Problem aufgeworfen werden muss, ob verbalisiertes und De-facto-Verhalten tatsächlich übereinstimmen (vgl. Kap. 6.3.1.1). Gleichwohl erlaubt die zunehmende Verbreitung von mobilen Endgeräten - z. B. Smartphones - zumindest die Erhebung von verhaltensnahen Daten mittels mobiler Befragung. Im Folgenden werden die Einsatzgebiete von Beobachtungen sowie die verschiedenen Varianten, die in der Forschungspraxis zum Einsatz kommen, beschrieben. Da es ethisch problematische Beobachtungsmodi gibt, werden zum Abschluss auch die Probleme beschrieben, mit denen Erhebungen mittels Beobachtung behaftet sein können. 6.3.3.1 Allgemeines zur Beobachtung In der Kommunikationswissenschaft wird die Beobachtung vorwiegend in der Kommunikator-, Mediennutzungs- und Rezeptionsforschung angewendet. Wenn z. B. in der Kommunikatorforschung die Handlungen von Redakteuren in einer Redaktion untersucht werden sollen, so stellt die Beobachtung dazu eine geeignete Forschungstechnik dar (vgl. Rühl 1969; Dygutsch-Lorenz 1971; Hienzsch 1990; Quandt 2005; Riesmeyer 2007b; Springer/ Wolling 2008). In der Mediennutzungsforschung eignet sie sich z. B. dazu, das Umschaltverhalten von Fernsehzuschauern mittels elektronischer Aufzeichnung zu ermitteln (vgl. Bilandžić 1998; vgl. auch Kap. 4.4.1.3) oder - um ein anderes Beispiel zu nennen - zu beobachten, wie sich Kinder verhalten, nachdem sie einen Film gesehen haben, in dem gewalthaltige Handlungen vorkommen (vgl. Böhme-Dürr 1988). Aus Abbildung 25 sind typische Einsatzgebiete der wissenschaftlichen Beobachtung beispielhaft ersichtlich. <?page no="580"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 581 Abb. 25: Typische Einsatzgebiete der wissenschaftlichen Beobachtung Forschungsfeld Forschungsfragen Kommunikatorforschung »Wie verhalten sich Redakteure in ihrem Arbeitsumfeld? « »Wie wirkt sich die Gestaltung des Arbeitsplatzes auf die Nachrichtenselektion von Journalisten aus? « »Wie läuft crossmediales Arbeiten in Zeitungsredaktionen ab? « Mediennutzungsforschung »Welches Umschaltverhalten ist bei gemeinsamen Fernsehabenden zu beobachten? « »Wie häufig nutzen Menschen tagsüber ihr Smartphone? « Rezeptionsforschung »Wie erleben Zuschauer emotionalisierende Filme? « »Wie überzeugend sind Kanzlerkandidaten in Fernsehduellen? « In der empirischen Kommunikationsforschung lässt sich die wissenschaftliche Beobachtung allgemein beschreiben als eine Methode, die Aspekte menschlicher Handlungen und Reaktionen systematisch, planvoll und intersubjektiv nachvollziehbar sinnlich direkt oder apparativ erfasst - solange diese weder sprachlich vermittelt sind noch auf Dokumenten basieren (vgl. Gehrau 2002, S. 23ff). Diese Definition enthält die folgenden, für wissenschaftliches Vorgehen wichtigen Kriterien: • Wissenschaftliches Beobachten setzt - wie alle zuvor diskutierten Verfahren - ein systematisches Vorgehen voraus. Dieses basiert immer auf theoretisch begründeten Annahmen, aus denen das methodische Vorgehen systematisch hergeleitet wird (vgl. Kap. 6.1.1 sowie 6.2.1). Das Erkenntnisinteresse des Forschers spielt eine zentrale Rolle für die Entwicklung des Beobachtungsschemas und der anzuwendenden Form der Beobachtung. • Wissenschaftliches Beobachten verlangt nach planmäßigem Vorgehen: Der Forscher erarbeitet ein Beobachtungsplan bzw. -schema, in welchem die räumlichen und zeitlichen Beobachtungseinheiten, insbesondere die zu messenden Verhaltenseinheiten der zu Beobachtenden sowie die Hilfsmittel zur Aufzeichnung der Beobachtungen genau festgehalten sind. (Das Beobachtungsschema entspricht also dem Kategoriensystem bzw. Codebuch bei der Inhaltsanalyse oder dem Leitfaden bzw. Fragebogen beim Interview.) • Das methodische Vorgehen bei der wissenschaftlichen Beobachtung muss so angelegt sein, dass es schlüssig, nachvollziehbar und transparent ist. Dies gilt, wie erwähnt, auch für Inhaltsanalyse und Befragung. Eindeutig handelt es sich um eine Beobachtung, wenn Handlungen und Reaktionen von Untersuchungsteilnehmern sinnlich direkt erfasst werden. Bei aufgezeichnetem Material (z. B. Videomaterial) ist dies nur dann der Fall, wenn das Material zum Zweck der Beobachtung selbst aufgezeichnet wurde (z. B. zur Unterstützung der Erfassung und Protokollierung). Handelt es sich um Archivmaterial oder um massenmedial veröffentlichtes Material, das nicht zum Zweck der Beobachtung entstanden ist, so werden diese Daten mittels einer Inhaltsanalyse erhoben und ausgewertet, selbst wenn darin Verhalten und Reaktionen von Personen dokumentiert werden (vgl. Gehrau 2002, S. 26). Gegenstand von Beobachtungen können schließlich nicht nur sichtbare (also sinnlich wahrnehmbare) Handlungen, sondern auch Körperreaktionen sein, sofern sie apparativ messbar sind (z. B. physiologische Messungen, Messungen von Blick- oder Pupillenreaktionen) (vgl. ebd.). (eigene Darstellung) <?page no="581"?> 6 Empirische Forschungstechniken 582 6.3.3.2 Konzeption von Beobachtungen Wie bei jeder anderen Methode auch ist die Entwicklung des Erhebungsinstrumentes das Herzstück der Untersuchung. Im Falle der wissenschaftlichen Beobachtung spricht man von einem Beobachtungsschema, das für teil- oder vollstandardisierte Beobachtungsstudien zunächst die räumlichen und zeitlichen Beobachtungseinheiten festlegt und, analog zur Entwicklung des Kategoriensystems und der Definition der Analyseeinheiten im Codebuch bei der Inhaltsanalyse, die zu erhebenden Verhaltenseinheiten definiert. Ebenso wie bei der Inhaltsanalyse steht vor jeder eigentlichen Erhebung die intensive Schulung des Beobachters, um in erster Linie sicherzustellen, dass durch selektive Wahrnehmung und Erinnerungsfehler keine relevanten Verhaltenssequenzen übersehen werden. Mit dem Einsatz moderner Technik kann dies allerdings gut bewerkstelligt werden. Dazu zwei Beispiele: • Die telemetrische Beobachtung der Fernsehnutzung findet im natürlichen Umfeld des Beobachteten mittels technischer Apparate statt: Ein Messgerät (das sog. GfK-Meter) hält sämtliche Ein-, Um- und Ausschaltvorgänge jeder Person, die dem GfK-Panel angehört, sekundengenau fest (vgl. Bilandžić 1998; vgl. Kap. 4.4.1.3). In diesem Fall ist also das Messinstrument sozusagen der Beobachter. • Übernehmen menschliche Beobachter die Protokollierung, so können Beobachtungsfehler vermieden werden, indem z. B. Videokameras benutzt werden. Anhand der Videoaufzeichnungen können die relevanten Verhaltenssequenzen dann detailgenau analysiert werden (vgl. Böhme- Dürr 1988). Ist der Einsatz technischer Geräte aus forschungsethischen oder forschungspraktischen Gründen nicht möglich, so muss der Beobachter anhand seines Beobachtungsschemas selbst »messen« und dazu vom Forscher entsprechend geschult werden. Umso wichtiger ist daher, dass das Beobachtungsschema es dem Beobachter formal, zeitlich, technisch und inhaltlich ermöglicht, alle relevanten Verhaltenssequenzen und Interaktionen der zu Beobachtenden festzuhalten. 6.3.3.3 Beobachtungsvarianten Wissenschaftliche Beobachtungen finden als Datenerhebungsverfahren in verschiedenen Varianten Anwendung und können anhand von Paaren veranschaulicht werden. Volker Gehrau (2002, S.-27ff) unterscheidet z. B. folgende Varianten: Erhebung durch interne oder extern beauftragte Beobachter (beobachtet der Forscher selbst oder wird ein externer Beobachter beauftragt? ), Selbst- oder Fremdbeobachtung (beobachtet der Forscher sich selbst oder jemand anderen? ), Beobachtung mit oder ohne Stimulus (wird das zu beobachtende Verhalten künstlich beeinflusst? ), direkte oder indirekte Beobachtung (wird das Verhalten selbst oder dessen Resultate erfasst? ), unvermittelte versus vermittelte Beobachtung (wird das beobachtete Verhalten aufgezeichnet? ). Die Beobachtungsvarianten lassen sich also nach der Rolle des Beobachters, nach der Beobachtungssituation sowie nach Erhebungsverfahren differenzieren. Grundlegender thematisiert werden sollen an dieser Stelle aber nur fünf zentrale Paare (vgl. Gehrau 2002; Greve/ Wentura 1997): • Beobachtungen in natürlicher (»Feld«-) oder künstlicher (»Labor«-)Umgebung; • Beobachtungen mit offener oder verdeckter Messung; • teilnehmende oder nichtteilnehmende Beobachtung; • standardisierte oder unstandardisierte Beobachtung; • manuelle oder automatische Beobachtung. <?page no="582"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 583 Beobachtungen im »Feld« versus Beobachtungen im »Labor« Zunächst unterscheidet man danach, ob eine Beobachtung im Feld oder im Labor durchgeführt wird. Mit der Beobachtung im Feld ist gemeint, dass sie an vom Forscher unveränderten, lebensweltlich-alltäglichen Orten stattfindet, an denen Menschen sozial agieren. Dies kann ein Kaufhaus ebenso sein wie ein öffentlicher Platz, das heimische Wohnzimmer, ein Hörsaal an der Universität, ein Klassenzimmer oder - wie im Falle der eingangs erwähnten Redaktionsbeobachtung-- eine Zeitungs-, Radio-, Fernseh- oder Onlineredaktion. Die Wahl des Ortes hängt vom Untersuchungsziel ab, das ein Forscher verfolgt: Wer die mobile Gerätenutzung von Studenten beobachten möchte, wird vermutlich eine Beobachtung im Universitätsgebäude, einem Hörsaal oder der Mensa durchführen. Er wird also einen Ort für seine Feldstudie wählen, an dem sich die zu beobachtenden Personen ganz natürlich verhalten. Die Natürlichkeit der Situation ist demnach der große Vorteil einer solchen Vorgehensweise. Selbstverständlich kann es dabei vorkommen, dass unvorhersehbare Ereignisse die Beobachtung derart stören, sodass die Ergebnisse unbrauchbar werden und die Beobachtung ggf. wiederholt werden muss, was bei singulären Ereignissen zuweilen gar nicht mehr möglich wäre. Als Labor bezeichnet man dagegen eine künstlich erzeugte und kontrollierte Umgebung, in welche die Untersuchungspersonen gebeten werden, um die Beobachtung durchführen zu können. Damit sich diese möglichst »normal« verhalten, werden diese Labore natürlichen Lebenssituationen nachempfunden: Dies wird etwa bei Studien zum Medienrezeptionsverhalten gemacht, bei denen man die Probanden - meist aus untersuchungstechnischen Gründen - nicht zu Hause untersuchen will oder kann. Damit im Labor die Stimmung nicht allzu künstlich erscheint, wird das Ambiente eines Wohnzimmers nachgestellt: ein Sofa, ein Couchtisch und eine Stehlampe, gedämpftes Licht und Teppichboden werden installiert; ebenso sind ein TV-Gerät und andere Medien vorhanden. Eine Laboruntersuchung hat grundsätzlich den Vorteil, dass man - anders als im Feld - Einflüsse kontrollieren bzw. ausschalten kann, was insbesondere bei experimentellen Untersuchungsanordnungen eine wichtige Rolle spielt (vgl. Kap. 6.3.4). Der Nachteil einer Laborbeobachtung liegt allerdings in der Künstlichkeit der Situation, was unter Umständen gravierende Auswirkungen auf die Validität der Ergebnisse haben kann, weil sich die Menschen im Labor unter Beobachtung anders verhalten als in ihrer gewohnten Umgebung. Im Falle der Medienrezeption im Labor könnte sich z. B. ihr Umschaltverhalten in der Weise ändern, dass sie weniger häufig und zu anderen Sendern schalten als zu Hause. Bei Untersuchungen unter solch künstlichen Bedingungen leidet daher oft die externe Validität - während die interne Validität steigt (vgl. Kap. 6.3.4.3). Offene versus verdeckte Beobachtung Wissenschaftliche Beobachtungen können offen oder verdeckt durchgeführt werden. Bei der offenen Beobachtung ist den Beobachteten bekannt, dass sie Gegenstand einer Beobachtung sind (und ggf. was beobachtet wird). So können etwa in einer Kommunikatorstudie Journalisten bei ihrer Arbeit in der Redaktion beobachtet werden. Es wäre nicht verwunderlich, wenn sich ein beobachteter Journalist z. B. in Telefonaten mit seinen Kontakten zunächst nicht so ungezwungen verhält wie sonst, sondern evtl. einen etwas förmlicheren Ton anschlägt. Der Forscher muss daher meist einen Vorlauf in Kauf nehmen, bis sich die Untersuchungspersonen an die Situation gewöhnt haben. Eine Nachbefragung kann Aufschluss darüber geben, ob der Beobachtete - zumindest aus seiner Sicht - im Großen und Ganzen natürlich gehandelt hat. Bei der verdeckten Beobachtung wissen die Beobachteten demgegenüber nicht, dass sie Gegenstand einer Beobachtung sind. Verdeckte Beobachtungen liegen z. B. vor, wenn Mediennutzungs- <?page no="583"?> 6 Empirische Forschungstechniken 584 situationen über nicht sichtbar montierte Kameras oder auch über sog. One-Way-Windows im Labor oder auf öffentlichen Plätzen beobachtet werden. Selbstverständlich muss bei solchen Untersuchungen immer gewährleistet sein, dass sie in einem ethisch korrekten Rahmen ablaufen und die beobachteten Personen spätestens nach der Beobachtung über Hintergründe und Zielsetzungen der Studie aufgeklärt werden. Im Prinzip stellt auch die Verfolgung von Nutzungsverhalten im Internet eine verdeckte Beobachtung der User dar - soweit sie nicht darüber informiert werden, dass ihr Verhalten protokolliert wird. Teilnehmende Beobachtung versus nichtteilnehmende Beobachtung Mit der Teilnahme oder Nichtteilnahme des Forschers an einer Beobachtung wird die Stellung des Beobachters zum Gegenstand der Beobachtung zum Ausdruck gebracht: »Die teilnehmende Beobachtung ist die geplante Wahrnehmung des Verhaltens von Personen in ihrer natürlichen Umgebung durch einen Beobachter, der an den Interaktionen teilnimmt und von den anderen Personen als Teil ihres Handlungsfeldes angesehen wird.« (Friedrichs 1985, S.-288). Dabei ist besonders, dass aktive Teilnahme oder auch nur passive Anwesenheit des Beobachters Auswirkungen auf das Verhalten der Beobachteten haben kann. Bei der teilnehmenden, passiven Beobachtung ist der Forscher bzw. wissenschaftliche Beobachter zwar anwesend, greift jedoch nicht zielgerichtet oder verändernd in den Untersuchungsprozess ein. Er versucht vielmehr, verzerrende Einflüsse durch seine Anwesenheit zu vermeiden und bemüht sich, möglichst viele und tief gehende Informationen zu sammeln. Bei der aktiv-teilnehmenden Beobachtung befindet sich der Beobachter innerhalb der zu beobachtenden Gruppe und nimmt an ihren Interaktionen teil, während er seine Beobachtungen aufzeichnet. Redaktionsbeobachtungen können z. B. auf beiderlei Arten durchgeführt werden. Bei einer aktiv-teilnehmenden Redaktionsbeobachtung schlüpft der Beobachter selbst in die Rolle eines Redakteurs, arbeitet in der Redaktion mit und beobachtet zugleich. Bei der passiv-teilnehmenden Beobachtung befindet sich der Beobachter in der Redaktion, beschränkt sich jedoch darauf, sie zu beobachten. Ein - wenn auch nicht wissenschaftliches - Ergebnis einer aktiv-teilnehmenden Redaktionsbeobachtung ist das vom Journalisten Günter Wallraff (1977/ 2012) publizierte Buch »Der Aufmacher. Der Mann, der bei BILD Hans Esser war«. Wallraff hatte vier Monate unter dem Decknamen Hans Esser als Reporter in der Hannoveraner BILD-Redaktion gearbeitet und aus seiner Sicht über die Recherchemethoden der Boulevardzeitung geschrieben. Bei der nichtteilnehmenden Beobachtung hingegen wird relevantes Verhalten ›von außen‹ beobachtet (z. B. durch ein One-Way-Window, s. o.) (vgl. Lamnek, 2010). Standardisierte Beobachtung versus unstandardisierte Beobachtung Bei der standardisierten Beobachtung wird die zu beobachtende Situation bzw. das zu untersuchende Verhalten von Personen oder Gruppen mittels eines exakt ausgearbeiteten und vorgetesteten Beobachtungsschemas erfasst. Darin sind alle Beobachtungskategorien und -einheiten (z. B. Interaktionen), die Beobachtungs(zeit)intervalle sowie die Hilfsmittel zur Aufzeichnung der Beobachtungen a priori festgelegt. Diese Form der Beobachtung setzt beim Forscher eine genaue Vorstellung der zu beobachtenden Situation voraus, die er zuvor z. B. durch unstandardisiertes Beobachten ermittelt haben kann. Standardisierte Beobachtungen dienen meist der Hypothesenprüfung (vgl. Greve/ Wentura 1997). Die unstandardisierte Beobachtung ist dagegen eine Forschungstechnik, bei der eine zu untersuchende Situation frei (d. h. in eigenen Worten des Beobachters) protokolliert wird. Da diese Art der Beobachtung üblicherweise explorativen Charakter hat und den (bislang wenig bekannten) Forschungsgegenstand möglichst ganzheitlich erfassen will, wird das Ziel der Beobachtung i. d. R. sein, möglichst alle Geschehnisse (Handlungen, Reaktionen, Interaktionen) zu erfassen. Der Beobachter <?page no="584"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 585 wird dabei vor dem Problem stehen, gleichzeitig beobachten und (schriftlich) erfassen zu müssen, sofern keine technischen Hilfsmittel (z.- B. Videokameras) eingesetzt werden können. Als Lösung wird vorgeschlagen, sich auf die Beobachtung zu konzentrieren und im Nachhinein ein Verhaltensprotokoll zu erstellen (vgl. Gehrau 2002, S. 37f ). Eine gründliche Schulung sollte dem Beobachter dann helfen, Relevantes im Nachhinein auch wirklich zu erinnern und Unwichtiges zu vergessen (vgl. ebd.). Die Entscheidung, was protokolliert wird, hängt aber in jedem Fall stark vom Beobachter ab. Die Vorteile beider Varianten, der standardisierten und der unstandardisierten Beobachtung, kann die teilstandardisierte Beobachtung vereinen. Hilfestellung beim Selektieren der Handlungen (in relevant/ nicht relevant) bietet auch hier ein (je nach Erkenntnisinteresse mehr oder weniger elaboriertes) Beobachtungsschema (vgl. das Beispiel in Meyen et al. 2011, S. 130). Zum Beobachtungsschema sollte ein Codebuch erstellt werden, das »neben den Definitionen für die Beobachtungskategorien die Abkürzungen [enthält], die ›im Feld‹ benutzt werden« (ebd.). Die Kategorien des Codebuchs können induktiv (z.- B. aus einer vorangehenden unstandardisierten Beobachtung) entwickelt wie auch deduktiv (aus Theorie und Forschungsstand heraus) abgeleitet worden sein. Im Beobachtungsschema werden dann die Beobachtungsfälle (üblicherweise die einzelnen Handlungen) nummeriert und notiert (vgl. Meyen et al. 2011, S. 131). Ergänzend dazu kann ein Beobachtertagebuch geführt werden: In diesem werden Episoden, Vorkommnisse, Informationen etc. sofort festgehalten, für die im Beobachtungsschema keine Spalte vorgesehen ist, die aber bei der Ergebnisdarstellung und Interpretation hilfreich sein könnten. Darüber hinaus können in einem Gedächtnisprotokoll - das nach der Beobachtungshandlung erstellt wird - außerdem die Beobachtungssituationen und das eigene Handeln und Wahrnehmen reflektiert werden (vgl. Meyen et al. 2011, S.- 132). Meyen et al. (ebd.) empfehlen darüber hinaus, eine »flankierende Dokumentation« nicht zu vergessen (darin enthalten: alles Mögliche an Informationsmaterial über das Beobachtungsfeld wie Gebäude- und Bürogrundrisse für Redaktionsbeobachtungen, Fotografien, Werbebroschüren etc.). Manuelle Beobachtung versus automatische Beobachtung Protokolliert der Beobachter nicht manuell (was in den vorangegangenen Abschnitten bereits beschrieben und problematisiert wurde), sondern übernimmt die Aufzeichnung ein Apparat, so spricht man von einer automatischen Beobachtung. Solche Beobachtungsverfahren finden am häufigsten in der quantitativ-empirischen Sozialforschung Anwendung. Technische Messungen bzw. technikunterstützte Verfahren wurden bereits oben angesprochen, als die Protokollierung des Fernsehnutzungsverhaltens mittels GfK-Meter erläutert wurde (vgl. Kap. 4.4.1.3). Beobachtungen finden heute zunehmend auch in virtuellen Räumen statt. Hier hat sich der Forschungszweig der Web- Analytics etabliert, der vielfältige Techniken umfasst, die Wege und das Handeln der Nutzer im Internet zu verfolgen. Ein gängiges Verfahren ist das sog. Nutzertracking, bei dem durch einmalige Kennzeichnung eines Nutzers (sowohl mit als auch ohne seine explizite Zustimmung) dessen Seitenaufrufe sowie Aktionen erfasst werden können. Man weiß also, was ein getrackter Nutzer sieht, was er kauft oder abonniert, was er herunterlädt, wo und wie er sich kommunikativ beteiligt. Diese Informationen macht sich in erster Linie die Werbeindustrie zunutze, die aus diesem Verhalten schließt, welche Art von Werbung diesen Nutzer ansprechen und zum Kauf anregen könnte, und welche Art von Inhalten ihn erneut auf die Seite lockt, um geldwerte Klicks zu generieren. Es bleibt jedoch zu berücksichtigen, dass diese Maßnahmen datenschutzrechtlich und forschungsethisch nicht unbedenklich bzw. nur dann seriös sind, wenn die Nutzer über das Tracking in Kenntnis gesetzt sind und dieses zulassen. <?page no="585"?> 6 Empirische Forschungstechniken 586 Aber nicht nur die Werbeindustrie profitiert von den technischen Möglichkeiten des Nutzertrackings im Netz. Auch Sozialforscher können etwa durch die Aufzeichnung der Handlungen von Mitgliedern einer Onlinecommunity deren soziale Interaktionen ergründen. Dies kann beispielsweise mithilfe der Analyse von Likes und Shares geschehen bzw. über die Häufigkeit einer Beteiligung bis hin zur Analyse der Inhalte ihrer Äußerungen reichen. Die Grenze zur Inhaltsanalyse ist dabei allerdings fließend (vgl. Meyen et al. 2011, S. 121f ). Ähnlich der TV-Reichweitenmessung oder der Protokollierung von Clickstreams registrieren im Bereich der Rezeptionsforschung Real-time-Response-Systeme (RTR) über einen längeren Zeitraum hinweg bei einer vorgegeben Frequenz (i. d. R. einmal pro Sekunde) »Responses« von Mediennutzern. Diese können Ausdruck ihrer momentanen Meinungen, Gefühle, Bewertungen etc. sein. Die Responses werden von modernen RTR-Systemen nicht dichotom protokolliert - wie etwa bei der TV-Reichweitenmessung (Person sieht fern/ sieht nicht fern), sondern werden abgestuft (ordinal bzw. quasi-metrisch) gemessen. So geben Rezipienten beispielweise mittels eines Schiebereglers auf ihrem Smartphone während der zur Untersuchung stehenden Situation kontinuierlich Auskunft darüber, wie ihnen eine TV-Sendung, ein Hörfunkprogramm oder eine Live-Darbietung gerade gefällt. Da man solche Verfahren auch als »eindimensionale Introspektion« während der Rezeption bezeichnet (Biocca/ Anderson 1988), könnten sie im Prinzip auch der Methode der - apparativ gestützten - Befragung zugeordnet werden. Solche Verfahren liefern Verlaufsdaten, sodass der Prozess - etwa der Medienrezeption - in seiner Dynamik und nicht nur mit einer einzelnen Messung wie bei einer Befragung abgebildet werden kann. Da beim Einsatz von RTR-Verfahren Rezipienten wenig Zeit haben, über ihre Wahrnehmungen zu reflektieren, kann diese Erhebungsmethode das Problem sozial erwünschter Reaktionen und Rationalisierungen mildern. Die Urteile erfolgen weniger reflektiert, unterliegen geringerer kognitiver Kontrolle und bilden eher spontane Urteile ab (z. B. Karnowski/ Fahr 2014). Da sich die Befragten parallel zum gerade verfolgten Ereignis dem Messverfahren widmen müssen, kann diese Ablenkung allerdings auf Kosten der Validität der Messung gehen. Das Verfahren wurde beispielsweise von Carsten Reinemann et al. (2007, 2003) in Laborsettings zur Erhebung von Zuschauerbewertungen deutscher TV-Kanzlerduelle eingesetzt und kam jüngst auch in Pilotprojekten einer Münchner Arbeitsgruppe außerhalb des Labors zur Anwendung. So untersuchten etwa Bernhard Goodwin und Hannah Früh (2012) das unterschiedliche Präsenzerleben eines Horrorfilms in seiner 3D- und seiner 2D-Version im Kinosaal. Veronika Holler (2012) folgte dem gleichen Setting und beobachtete die Bewertung von 2D- und 3D-Versionen der gleichen Werbespots, ebenfalls im Kino. Apparativ gestützte Messungen können auch im Rahmen der psychophysiologischen Rezeptionsforschung eingesetzt werden. Hier werden etwa nonverbale (Mimik, Gestik), paraverbale (Parasprache, Prosodie) oder physiologische Phänomene mithilfe technischer Apparate protokolliert und mit psychologischen Phänomenen wie Aktivierung, emotionalem Erleben, Aufmerksamkeit, Informationsverarbeitung u. a. in Verbindung gebracht. Die in der Rezeptionsforschung am häufigsten erfassten physiologischen Parameter sind Herzschlag, Blutdruck, peripheres Blutvolumen, elektrodermale Aktivität (Hautleitfähigkeit), neuroelektrische Aktivität (Elektroenzephalografie [EEG]), Muskelaktivität (Elektromyografie [EMG]), Augenbewegungen (Elektrookulografie [EOG] oder Blickregistrierung) sowie Pupillenreflexe (vgl. zusammenfassend Fahr 2013). Im Gegensatz zu Datenerhebungsverfahren wie der Befragung, kann die Beobachtung physiologischer Parameter als direkter, unmittelbarer und hinsichtlich bestimmter Erscheinungen des Erlebens »objektiver« gelten. Psychophysiologische Erhebungen sind zum Teil weniger reaktiv als Befragungen oder anwesende menschliche Beobachter und erfordern kein Erinnerungsvermögen oder besondere Verbalisierungsfähigkeiten auf Seiten der Untersuchungsteilnehmer. Abgesehen von der Aufdringlichkeit und damit Reaktivität mancher technischer Apparate (im Extremfall das Spielen eines Videospiels im Kernspintomografen; vgl. Weber et al. 2006) sind die Reaktionen durch die Testpersonen auch kaum <?page no="586"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 587 kontrollierbar. Dies ist z. B. bei Studien zum emotionalen Erleben von Medieninhalten vorteilhaft. Viele Menschen haben Schwierigkeiten, ihr emotionales Erleben (nach der Rezeption) angemessen zu beschreiben, vielfach ist es ihnen auch gar nicht (mehr) bewusst. Dies hängt in erster Linie damit zusammen, dass Rezeptionsemotionen aus sehr kurzfristigen und äußerst volatilen Reaktionen bestehen, die häufig nach der Darbietung nicht mehr erinnert, falsch erinnert bzw. falsch beschrieben werden. Zudem werden Äußerungen zu persönlichem Erleben oft auch zugunsten der sozialen Erwünschtheit oder der Selbstdarstellung verzerrt (vgl. Kap. 6.3.1.1). Psychophysiologische Erhebungsverfahren können diesen Störfaktoren entgegenwirken und vergleichsweise unverfälschte Reaktionen protokollieren. Resultat solcher Erhebungen sind darüber hinaus Zeitreihen, die eine detaillierte Betrachtung des Prozesses der Medienrezeption erlauben und als wichtige Ergänzung zu konsolidierten bzw. rationalisierten ex-post Befragungsergebnissen angesehen werden können. Medienwirkung und -rezeption können durch solche Verfahren also in ihrem unmittelbaren Entstehungskontext beobachtet werden. Wenn folglich unmittelbare und spontane Reaktionen von Belang zur Beantwortung der Forschungsfrage sind, bieten sich die diskutierten Verfahren als Ergänzung zur klassischen Befragung oder Beobachtung an. Sie werden allerdings mit einem hohen apparativen Aufwand sowie der Notwendigkeit detaillierter Kenntnisse und Erfahrungen mit den Verfahren und ihrer Auswertung erkauft. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Reichhaltigkeit, die insbesondere physiologische Messungen bieten, konzeptuell und phänomenologisch auf deutlich niedrigerem Niveau angesiedelt sind als etwa Daten von klassischen Beobachtungen oder Befragungen. Wenn letztere etwa das Konstrukt Einstellung gegenüber einer Person detailliert zu erheben in der Lage sind, kann mittels physiologischer Verfahren allenfalls spontane Zuwendung, Ablehnung oder die Allokation kognitiver Ressourcen indiziert werden. Ähnliches gilt für kognitive Prozesse wie etwa Lernen, Gewöhnung oder Prozesse des emotionalen Erlebens. Die hier dargestellten Differenzierungspaare schließen einander nicht aus, sondern sind in der Beobachtungspraxis je nach theoretischer Ausgangslage des Forschers, nach Aufgabenstellung, Untersuchungsgegenstand und Untersuchungssituation entsprechend kombinierbar. 6.3.3.4 Probleme der Beobachtung Beobachtungen zielen auf die Erhebung von »Handlungen, Beziehungen zwischen Menschen sowie […] die Strukturen und Kontexte, in denen sie sich bewegen« (Meyen et al. 2011, S. 121). Beobachtungen geben daher per se keinen Aufschluss über den diesen Handlungen zugrundeliegenden subjektiven oder praktischen Sinn (Bewertungen, Motive, die dazu führten etc.); zumindest sofern diese Interpretationen nicht in der Erhebungssituation von den Beobachteten selbst mitgeliefert werden (z. B. in einem an die Rezeptionssituation anschließenden Tischgespräch einer beobachteten Familie). Beobachtungen werden daher oft mit anderen Methoden, insbesondere mit Formen der Befragung bzw. Verbalisation, kombiniert. Eine Befragungsstrategie, die bei der Beobachtung häufig zum Tragen kommt, ist das Laute Denken (vgl. Bilandžić 2005): Der Beobachtete wird gebeten, während der beobachteten Tätigkeiten seine Gedanken laut auszusprechen (oder deren Aufzeichnung zu kommentieren: Was fühlt er gerade, was denkt er? ). In der methodologischen Reflexion über die Forschungstechnik der Beobachtung werden außerdem folgende Probleme angesprochen, die das Erhebungsinstrument, den Forscher (bzw. den Beobachter) im Rahmen der Erhebungssituation und den zu Beobachtenden selbst betreffen können (vgl. Atteslander 1995, S.-125-127; 2008, S. 95-99): • Das Problem der Leistungsgrenze (insbesondere der standardisierten) Beobachtung: Jedes beobachtete Verhalten wird durch Faktoren ausgelöst bzw. mitbeeinflusst, die in der Beobachtungssituation wirken. Es stellt sich die Frage, ob die vom Forscher festgelegten Beobachtungskategorien <?page no="587"?> 6 Empirische Forschungstechniken 588 die Komplexität der jeweiligen Beobachtungssituation erschöpfend erfassen, ob das Beobachtungsschema alle in der Situation auftretenden Interaktionen, Handlungen und Verhaltensweisen vollständig erfassen kann. Hier sind demnach Probleme der Vollständigkeit und Trennschärfe des Messinstrumentes angesprochen, wie sie schon bei der Methode der Inhaltsanalyse dargestellt wurden (vgl. Kap. 6.3.2.2). • Damit ist verbunden: Das Problem des Feldzugangs. Schlüsselpersonen oder sog. Gatekeeper, die z. B. in Organisationen über die Zustimmung zur Beobachtung entscheiden, können Einfluss auf die Teilnehmerauswahl und die Vorstellungen vom Beobachtungsfeld nehmen. (vgl. Wolff 2007). • Das Problem, wie Zufallskonstellationen, also nicht vorhersehbare, die Beobachtungssituation beeinflussende Faktoren erkannt und zum Zeitpunkt der Erhebung bewältigt werden können. • Das Problem des Einflusses des Beobachters auf die Datenerhebung: 1) In diesem Zusammenhang kennt man v. a. den Einfluss selektiver Wahrnehmung: Auf Grund der Kapazitätsgrenzen des Beobachters werden nur bestimmte, nicht jedoch alle Aspekte sozialen Verhaltens erfasst. Welche Aspekte erfasst werden, regeln v. a. Vorannahmen (Theorien, Forschungsstand, Alltagsbeobachtungen). 2) Erwartungseffekte/ hypothesenkonforme Erhebung: Auf Grund seines Vorwissens erhebt der Beobachter v. a. Handlungen oder Reaktionen, die er erwartet. 3) Ausstrahlungseffekte, Halo-Effekte: Soziale Handlungen werden nicht so kategorisiert und interpretiert wie sie auftreten, sondern wie sie mit dem Gesamteindruck übereinstimmen, den der Beobachter von der sozialen Situation oder der handelnden Person hat. 4) Emotionale Beteiligung: Dieser Effekt tritt v. a. bei teilnehmenden Beobachtungen auf, die über einen längeren Zeitraum laufen und in denen der Forscher bewusst oder unbewusst soziale Bindungen eingeht. Emotionale Beteiligung kann alle zuvor genannten Wahrnehmungseffekte verstärken. • Das Problem des Einflusses des Beobachters auf die Beobachteten, also eines abweichenden Verhaltens der Beobachteten auf Grund der Tatsache, dass sie beobachtet werden - v. a. in der offenen, teilnehmenden Beobachtung. Die Problematik, dass es aufseiten der Beobachteten zu solch reaktivem Verhalten kommen kann, wurde wiederholt angesprochen. Man versteht darunter, dass sich eine Person auf Grund einer Untersuchungssituation anders verhält, als sie sich normalerweise in einer vergleichbaren alltäglichen Situation verhalten würde. Das Problem ist auch aus der Methode der Befragung bekannt (Stichwort: sozial erwünschtes Antwortverhalten; vgl. Kap. 6.3.1.1). • Darüber hinaus können forschungsethische Probleme auftauchen: 1) Eigenbestimmungsrechte Beteiligter können verletzt werden (z. B. eine Verletzung des Postgeheimnisses, wenn der Beobachter Journalisten bei der Arbeit über die Schulter sieht). 2) Verdeckte Beobachtungen bedeuten immer eine gewisse Täuschung der betroffenen (womöglich unfreiwillig) Teilnehmenden. Für verdeckte Beobachtung bedarf es daher immer einer stichfesten Legitimation. 3) Wird in Organisationen beobachtet, können immer Mitarbeiter tangiert werden, deren Einverständnis nicht eingeholt wurde (weil z. B. die Chefetage über solche Anfragen entscheidet). Die Auswertung und Darstellung von Beobachtungsdaten erfordern daher immer einen sorgfältigen Umgang mit den ermittelten Informationen. Dass der Methode der wissenschaftlichen Beobachtung in dieser Einführung vergleichsweise wenig Platz eingeräumt wird, hat seinen Grund. In der empirischen Kommunikationswissenschaft kommt sie noch eher selten zum Einsatz. Dies liegt neben dem großen Aufwand, den eine Beobachtungsstudie (in Zeit und Geld bemessen) verursacht, in erster Linie an den Fragestellungen des Fachs. In der überwiegenden Mehrzahl will die empirische Kommunikationsforschung Aussagen über Nutzung und Wirkung von Massenmedien auf die Bevölkerung machen; Fragestellungen zu individu- <?page no="588"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 589 ellen Verhaltensweisen, die mit der wissenschaftlichen Beobachtung hervorragend erhoben werden können, sind eher in der Minderzahl. Eine Ausnahme bildet dabei - wie erwähnt - die Redaktions- und Kommunikatorforschung sowie die Mediennutzungs- und Rezeptionsforschung. 6.3.4 Das Experiment Experimente spielen in der empirischen Kommunikationsforschung unterschiedliche Rollen. So haben sie in der qualitativen kommunikationswissenschaftlichen Forschung bisher keinen großen Platz eingenommen. In Lehrbüchern taucht das experimentelle Design entweder nur kurz (z. B. Mayring 2002; Mikos/ Wegener 2005; Lamnek 2010) oder - abgesehen von Erwähnungen - gar nicht erst auf (z. B. Flick et al. 2007; Meyen et al. 2011). Das hat sicherlich damit zu tun, dass qualitative Forschung per se Hypothesen über Zusammenhänge und Unterschiede nicht prüfen, sondern überhaupt erst entwickeln will und die Erhebung unter Laborsituationen (»künstlich«) nicht den paradigmatischen Vorstellungen qualitativ Forschender entspricht (vgl. Gehrau/ Bilandžić 2005). Im Folgenden wird daher lediglich auf quantitativ-standardisierte Experimentaldesigns (ihre Einsatzgebiete, Varianten, Durchführung) eingegangen, da Experimente in der quantitativ ausgerichteten Kommunikationswissenschaft eine wichtige Rolle spielen. 6.3.4.1 Allgemeines zum Experiment »Frauen sind technisch unbegabter als Männer«, »wenn ich eine Schmerztablette nehme, vergeht mein Kopfweh«, »zu viel Fernsehen schadet Kindern«. Von welchem Lebensbereich auch immer die Rede ist - das alltagspsychologische Wissen, das wir von früher Kindheit an durch Erfahrung erwerben und das uns hilft, das Leben zu strukturieren und zu bewältigen, ist eine Ansammlung von Erfahrungen und (Vor)Urteilen, die vergleichsweise unsystematisch und ungeprüft »in der Welt« sind. Sie bringen - wissenschaftlich gesprochen - eine sog. Kovariation zum Ausdruck: das mehr oder weniger enge gemeinsame Auftreten zweier Phänomene, die als Ursache (Tablette) und Wirkung (keine Kopfschmerzen mehr) interpretiert werden. Wir unterstellen mit der Aussage zwar, dass es sich bei diesem Verhältnis um ein kausales handelt, prüfen jedoch oft nicht, ob etwa auch andere Einflüsse wie frische Luft und Ruhe die Kopfschmerzen vertrieben haben. Das wissenschaftliche Experiment ist die Forschungstechnik, mit deren Hilfe wir in der Lage sind, kausale Zusammenhänge bzw. Ursache-Wirkungs-Verhältnisse nachzuweisen. Dabei wird man im Unterschied zu den Naturwissenschaften im Bereich der Sozialwissenschaft kaum auf eindeutig deterministische Zusammenhänge treffen. Das Ziel empirischer (Kommunikations)Forschung, die sich des Experiments bedient, ist vielmehr als eine Annäherung an Kausalzusammenhänge zu beschreiben, deren Sätze probabilistischer Natur sind (vgl. Kap. 6.1.1). Weil wir es in der empirischen Sozialforschung mit Menschen zu tun haben, deren Handlungen immer einer Vielzahl von Motiven, Zwängen etc. unterliegen, können wir selten eindeutig nachweisen, dass ein bestimmtes Verhalten kausal auf einen bestimmten Medienstimulus zurückzuführen ist. Man kann aber im Rahmen berechenbarer Grenzen Wahrscheinlichkeiten angeben, unter denen a zu b führt. Das Experiment legt dazu die Rahmenbedingungen fest, unter denen ein bestimmtes soziales Verhalten unter Einwirkung eines Faktors - der vermuteten Ursache - beobachtet werden kann (vgl. Brosius et al. 2012, S. 199ff). <?page no="589"?> 6 Empirische Forschungstechniken 590 Bis vor einiger Zeit waren wissenschaftliche Experimente eine Domäne der psychologischen und sozialpsychologischen Forschung: Denk- und Wahrnehmungspsychologie, Prozesse interpersoneller Wahrnehmung, Entscheidungstheorie, Aggressionsforschung, lerntheoretische Hypothesen oder Probleme der kognitiven Dissonanz sind fast ausschließlich in Laborexperimenten untersucht worden. Seit etlichen Jahren gehört das wissenschaftliche Experiment als Forschungsstrategie jedoch fest zum Methodenkanon der empirischen Kommunikationsforschung. Die Rezeptions- und Medienwirkungsforschung sind die wichtigsten Forschungsfelder, auf denen das wissenschaftliche Experiment eingesetzt wird. Hier können z. B. folgende Fragestellungen untersucht werden: • Verbessern Tandemspots der Fernsehwerbung die Erinnerungsbzw. Behaltensleistung beim Zuschauer? • Verändern pornografische Medieninhalte die Einstellung von Männern gegenüber Frauen? • Hat die Darbietung auf unterschiedlichen Endgeräten Auswirkungen auf das Nutzungsverhalten von Onlinenachrichtenangeboten? • Machen gewalthaltige Medieninhalte die Zuschauer aggressiv? Wie eingangs bereits erläutert, handelt es sich beim Experiment nicht um eine Methode, Daten zu erheben und auszuwerten, sondern um eine Untersuchungsanordnung. Prinzipiell sind also experimentelle und nichtexperimentelle Untersuchungsanlagen denkbar. So können Befragungen oder Beobachtungen, die Methoden der Datenerhebung sind, im Rahmen experimenteller Untersuchungsanordnungen eingesetzt werden. 1) Experimente, die Befragungen einsetzen, untersuchen z. B., ob die Gestaltung einer Medienbotschaft Auswirkungen auf Urteile der Rezipienten hat. Sophie Lecheler und Claes de Vreese (2011) konnten z. B. zeigen, dass verschieden argumentierende Versionen eines Nachrichtenbeitrags über die ökonomischen Auswirkungen des EU-Beitritts von Rumänien und Bulgarien auch zwei Wochen nach der Rezeption noch einen unterschiedlichen Einfluss auf die Einstellungen der Befragten bezüglich dieses Themas haben. Ebenso können Fragebogenexperimente im Rahmen der Methodenforschung eingesetzt werden, z. B. um herauszufinden, ob die Reihenfolge der Fragen Auswirkungen auf das Antwortverhalten der Befragten hat. Dazu wird ein Teil der Befragten mit einem Fragebogen in der Fragenreihenfolge A, der andere Teil mit einem Fragebogen in der Reihenfolge B interviewt. Signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen würden dann für Reihenfolgeeffekte sprechen. 2) Beobachtungen, die im Rahmen von experimentellen Feldstudien durchgeführt werden, können dabei helfen, das Auswahlverhalten von Rezipienten zu untersuchen. Das geschieht im Rahmen sog. Selective-Exposure-Designs - die zumeist Beobachtungen (häufig in Form apparativer bzw. automatischer Nutzungsmessungen) mit Befragungen in einem experimentellen Design kombinieren (vgl. z. B. Rossmann 2004; Knobloch-Westerwick/ Meng 2009). So können z. B. die Auswirkungen der Gestaltung und Platzierung von Werbeunterbrechungen analysiert werden, um Gründe für Werbevermeidung zu ermitteln (Rossmann 2004). Auch die Einstellung von Menschen zu Organisationen lassen sich mithilfe von Beobachtungen im Rahmen von Experimenten überprüfen. Dazu bedient man sich beispielsweise der Lost-Letter-Technique, die erstmals von Milgram und seinen Mitarbeitern 1965 vorgestellt wurde: Man legt eine Reihe verschlossener, adressierter und frankierter Briefe an verschiedenen Orten wie z. B. auf Bahnhöfen oder Supermärkten so aus, dass sie wie verloren gegangen aussehen. Die auf diesen Briefen genannten Adressaten sind Organisationen unterschiedlicher Art wie Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Umwelt- oder Gesundheitsverbände etc. Die »Finder« dieser Briefe haben bekanntlich mehrere Möglichkeiten: Sie können die Briefe entweder zerreißen, liegen lassen oder bei der Post aufgeben. Anhand der Rücklaufquote der Briefe wird versucht, Rückschlüsse auf das Ansehen der jeweiligen Organisation zu ziehen (Milgram/ Mann/ Harter 1965). Auch 3) Inhaltsanalysen sind im Experiment einsetzbar - etwa wenn Untersuchungsteilnehmer (z. B. Journalistik-Studierende) einmal unter Zeitdruck <?page no="590"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 591 und einmal ohne Zeitdruck (= Faktor-=-Ursache) einen Beitrag recherchieren und schreiben sollen. Die Qualität der Beiträge (=-Wirkung) kann dann inhaltsanalytisch gemessen werden. Auf Grund dieser ersten allgemeinen Überlegungen lässt sich für das Experiment folgende Begriffsbestimmung festhalten (vgl. Brosius et al. 2012, S. 197ff): Ein wissenschaftliches Experiment ist eine Untersuchungsanordnung, mit der Kausalzusammenhänge überprüft werden. Das wissenschaftliche Experiment zeichnet sich durch eine kontrollierte Untersuchungssituation aus, in der die Wirkung einer oder mehrerer »manipulierter« unabhängiger Variable(n) auf eine oder mehrere abhängige Variable(n) systematisch gemessen wird. Die Wirkungen können sich in verändertem Verhalten oder veränderten Einstellungen der Untersuchungspersonen niederschlagen. 6.3.4.2 Konzeption von Experimenten Wesentliche Kennzeichen des wissenschaftlichen Experiments sind 1) die Manipulation der Variablen, deren Wirkung man messen will (unabhängige Variablen oder Faktoren) und 2) die Kontrolle der experimentellen Situation. Beides ist wichtig, um Kausalschlüsse ziehen zu können. Die unabhängigen Variablen - auch »Stimulus« oder »Treatment« genannt - werden bei Experimenten üblicherweise in verschiedenen Ausprägungen variiert (vgl. Abb. 26 mit Beispielen). Abb. 26: Experimentelle Variablen mit möglichen Variationen unabhängige Variable Treatment/ Stimulus Image Brief mit verschiedenen Adressaten Schmerzmittel Tablette, Placebo Werbespotgestaltung Variation des Erotik-Anteils im Werbespot Manipulation bedeutet im Kontext einer experimentellen Versuchsanordnung, dass ein Stimulus gezielt verändert wird, sodass eine mögliche Wirkung, die er auf eine Versuchsperson haben kann, auf diese - und nur auf diese - Veränderung zurückgeführt werden kann. Beispielsweise wird in Werbewirkungsexperimenten, die den Einfluss von erotischen Inhalten auf die Erinnerungsleistung zeigen sollen, vom Forscher ein Werbespot mit offensichtlichen, mäßigen und keinen erotischen Inhaltselementen zusammengestellt. Die inhaltlich unterschiedlich gestalteten Werbespots werden in sonst gleichen Werbeblöcken drei Versuchsgruppen vorgeführt. Anschließend wird untersucht, ob Unterschiede in der Erinnerungsleistung der drei Zuschauergruppen festzustellen sind. Ist dies der Fall, können diese Unterschiede auf den »Erotik-Gehalt« der Spots zurückgeführt werden. Kontrolle heißt in einer experimentellen Anordnung, dass der Forscher alle Bedingungen der Untersuchungsanlage als möglicherweise Einfluss nehmende Rahmenbedingungen genau definiert und kontrolliert. Er muss diese Bedingungen konstant halten - mit dem Ziel, dass sie keinen verzerrenden Einfluss auf das Messergebnis haben. Bei der Kontrolle geht es im Experiment also in erster Linie um die Kontrolle störender Einflüsse in den - und besonders zwischen den - Versuchsgruppen. Wirken soll(en) ausschließlich der gezielt eingeführte Stimulus/ die eingeführten Stimuli. In Abbildung 27 sind einige Beispiele für die Kontrolle von Versuchsbedingungen aufgeführt (vgl. Brosius et al. 2012, S. 201, 212ff, 226f ). (eigene Darstellung) <?page no="591"?> 6 Empirische Forschungstechniken 592 Abb. 27: Beispiele für (die Kontrolle von) Störvariablen Kontrolle der Eigenschaften des Versuchsleiters Kontrolle der technischen, zeitlichen und räumlichen Bedingungen konstantes Verhalten gegenüber Versuchspersonen: Aussehen, Kleidung, Sprache Gleichhaltung von Raumtemperatur, Beleuchtung, Einrichtungsgegenständen, Standort von Möbeln etc. Lern- und Gewöhnungseffekte kontrollieren: Standardisierung der Situation z. B. durch Vorlage einer schriftlichen Instruktion erhöhen Gleichhaltung des Untersuchungszeitpunktes, der Untersuchungsdauer Effekte von Erwartungen des Versuchsleiters an die Untersuchung durch zusätzliche Bildung einer »Erwartungskontrollgruppe« kontrollieren Gleichhaltung der Außenbedingungen (Lärmquellen, Störungen aller Art) Störvariablen haben einen möglichen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen der unabhängigen Variablen (also z. B. ein Werbespot mit viel, wenig oder gar keinem erotischen Inhalt) und der abhängigen Variablen (also etwa die Behaltensleistung). Sie können diesen Zusammenhang verstärken, abschwächen oder systematisch verändern. Je mehr störende Einflüsse auf die Versuchsperson bzw. die Versuchsgruppen wirken, desto weniger genau und weniger sicher lässt sich nachweisen, dass verändertes Verhalten oder veränderte Einstellungen tatsächlich kausal von der unabhängigen Variable verursacht wurden. Zusammenfassend lässt sich also festhalten: Das Prinzip wissenschaftlichen Experimentierens ist die systematische Variation einer oder mehrerer Variablen (Manipulation) und die Messung der auftretenden Effekte bei gleichzeitiger Eliminierung möglicher Störungen durch Drittvariablen (Kontrolle). 6.3.4.3 Zur Generalisierbarkeit experimentell gewonnener Ergebnisse Nachdem die zwei Grundvoraussetzungen eines jeden experimentellen Designs - Manipulation und Kontrolle - dargestellt wurden, soll ein in der Kommunikationsforschung viel diskutiertes Problem erörtert werden: die Generalisierbarkeit experimentell gewonnener Ergebnisse. Das zentrale Anliegen experimenteller Untersuchungsanordnungen ist der Nachweis von Kausalität, also Unterschieden zwischen einer Experimental- und einer Kontrollgruppe, die sich auf die Gabe eines Stimulus zurückführen lassen. Finden solche Experimente im Labor statt, kann moniert werden, dass die gewonnenen Ergebnisse nicht auf eine - wie auch immer geartete - Grundgesamtheit übertragen werden können. Denn die Versuchspersonen verhalten sich möglicherweise im Labor anders als in ihrer natürlichen Umgebung - die externe Validität einer solchen Untersuchung scheint also eingeschränkt. Dieses Argument hat nur dann seine Richtigkeit, wenn man davon ausgehen kann, dass sich Mediennutzer im »Labor« tatsächlich anders verhalten bzw. Medien anders nutzen, verarbeiten und erleben als in ihrer gewohnten Umgebung. Dies mag mitunter zutreffen, da sich die Teilnehmer im Labor in einer sog. forced-exposure-Bedingung befinden und deswegen mehr Aufmerksamkeit z. B. auf Medienbotschaften legen als sie dies zuhause oder unterwegs täten. Dieser Effekt mag sich dann möglicherweise auf das Niveau der Wirkung auswirken (Erotik wirkt möglicherweise bei fokussierter Aufmerksamkeit grundsätzlich stärker als bei niedrigem Involvement) - nicht aber auf den Unterschied zwischen Experimental- und Kontrollgruppe (explizite Erotik wirkt stärker abschreckend als implizite). Der kausale Einfluss - und nur dies ist in erster Linie das Ziel (eigene Darstellung) <?page no="592"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 593 von Experimenten - kann also auch im Labor belegt werden, auf das absolute Niveau dieses Effektes außerhalb des Labors lässt sich daraus nicht unmittelbar schließen. Ein wirkliches Problem entsteht also nur dann, wenn ein Effekt nur im Labor auftritt oder sich in der natürlichen Situation nicht zeigt oder sogar umkehrt. So könnte man die Hypothese aufstellen, dass beiläufig rezipierte Erotik - also etwa zu Hause vor dem Fernseher - zu keiner Ablehnung des Produkts führt, während die Rezeption von erotischer Werbung unter forced-exposure-Bedingungen im Labor zu eben dieser Ablehnung führt, weil man sich dort reflektierter mit der Werbung und ihrem Inhalt auseinandersetzt. Tritt dieser Effekt schließlich nur bei expliziter Erotik und im Labor, nicht jedoch bei gemäßigter auf, so spricht man auch von Konfundierung: Die Wirkung des Stimulus (Erotik) wird in ihrer Wirkung (Bewertung des Spots) systematisch (bei starker anders als bei schwacher) durch die Rezeptionssituation (Labor versus Zuhause) gestört. Solche Konfundierungen können nicht nur als systematische Störung durch Rezeptionssituationen auftreten, sondern auch im Stimulusmaterial selbst angelegt sein. Wenn - um im Beispiel zu bleiben - der Werbespot mit starker Erotik eine Frau als Protagonistin zeigt und der Spot mit schwacher Erotik einen Mann, so wäre die Erotik konfundiert mit dem Geschlecht des Protagonisten. Man könnte nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob die unterschiedliche Bewertung des Spots auf die unterschiedlich starke Erotik oder das Geschlecht des Protagonisten zurückzuführen ist. Um das Problem der Laborsituation abzumildern, werden die Medienforschungslabore so gut wie möglich der natürlichen Rezeptionssituation angepasst; also etwa wie ein heimisches Wohnzimmer mit Couch, gedämpftem Licht, Snacks und Getränken ausgestattet. Hierdurch wird die externe Validität der Experimentalsituation erhöht. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Experimente direkt in der natürlichen Umgebung durchzuführen. Solche Feldexperimente erhöhen die externe Validität, sind aber gleichzeitig anfälliger für Störungen. Die Möglichkeit der Kontrolle wird also mit einem Rückgang der internen Validität erkauft: Die Veränderung in der abhängigen Variablen (»Wirkung«) kann weniger sicher einzig und allein auf die Manipulation der unabhängigen Variablen zurückgeführt werden. Die interne Validität von Experimenten bemisst sich also darin, wie gut es gelingt, alle Störvariablen zu kontrollieren bzw. zu eliminieren. Sie ist in Laborexperimenten i. d. R. recht hoch, da der Forscher hier umfangreiche Möglichkeiten der Kontrolle hat. Interne und externe Validität stehen also in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zueinander: Je höher die externe Validität ist, umso geringer ist i. d. R. die interne. Die zweite Kritik an Laborexperimenten ist auf die Zusammensetzung der Stichprobe fokussiert. Da experimentelle Untersuchungen im Labor sehr teuer und aufwändig sind, werden sie i. d. R. mit vergleichsweise kleinen Stichproben durchgeführt. Darüber hinaus greift insbesondere die akademische Forschung auf Versuchspersonen zurück, die ihnen leicht und »preisgünstig« zur Verfügung stehen: die Studierenden. Nun stellt sich die berechtigte Frage, ob Wirkungen, die bei Studierenden gefunden werden, auch in anderen Teilpopulationen der Gesellschaft (z. B. anderen Altersgruppen, anderen Bildungsmilieus) auftreten. Diese Antwort kann dann mit »ja« beantwortet werden, wenn man plausibel machen kann, dass die untersuchten Wirkungen nicht mit der Bildung, dem Alter etc. systematisch variieren. Häufig handelt es sich bei den untersuchten Einstellungen oder Verhaltensweisen um universelle Variablen, die nicht unmittelbar mit soziodemografischen oder psychologischen Eigenschaften der Versuchspersonen zusammenhängen. Ein gefundener Effekt wird sich dann vermutlich auch in anderen Teilpopulationen zeigen. Wer hingegen sicherstellen möchte, dass eine Wirkung auch in anderen Bevölkerungsgruppen auftritt, muss eine Stichprobe dieser Teilpopulation in sein Labor bitten. <?page no="593"?> 6 Empirische Forschungstechniken 594 6.3.4.4 Typen von Experimenten Ebenso wie bei Befragungen oder Beobachtungen unterscheidet man verschiedene Arten experimenteller Designs: • einfaktorielle versus mehrfaktorielle Designs, • univariate versus multivariate Designs, • Laborversus Feldexperimente, • echte versus Quasi-Experimente. Einfaktorielle Versuchsanordnungen sind solche, bei denen nur eine unabhängige Variable untersucht wird. Diese kann allerdings in mehreren Ausprägungen konstruiert werden. Misst man z. B. die Behaltensleistung von Werbespots mit erotischen Inhalten, so kann man die Intensität der Erotik in den Spots in mehreren Intensitäten variieren und experimentell prüfen, ob in den Gruppen signifikante Unterschiede in der Behaltensleistung der Spots feststellbar sind. Nun ist aber, wie eingangs erwähnt, menschliches Denken oder Verhalten nur sehr selten auf einzelne Ursachen zurückzuführen. Insofern wäre es zu kurz gegriffen, in den Spots nur die »Intensität« der Erotik zu variieren. Denkbar wäre auch, dass die Schnittgeschwindigkeit des Werbespots, die Farben, der Protagonist oder die musikalische Untermalung ebenfalls (oder im Zusammenhang mit der Erotik) für eine bessere Behaltensleistung verantwortlich sind. Führt man also weitere unabhängige Variablen (=-Faktoren) in die Untersuchung ein, spricht man von einem mehrfaktoriellen Design. Diese Untersuchungsanlagen haben den Vorteil, dass sie in ihrer erhöhten Komplexität der sozialen Realität näher kommen. Gleichzeitig erhöht sich jedoch für den Forscher der experimentelle Aufwand, da alle möglichen Ausprägungen der Faktoren miteinander kombiniert werden müssten. Die Untersuchungsdesigns werden also immer aufwändiger. Bei drei Faktoren mit je drei unterschiedlichen Ausprägungen hätte man bereits 3x3x3=27 verschiedene Kombinationen, die getestet werden müssen. Von univariaten Experimenten spricht man, wenn nur eine abhängige Variable (in unserem Beispiel mit den Werbespots die Behaltensleistung von Versuchspersonen), untersucht werden soll. Multivariate Versuchspläne würden z. B. zusätzlich die Stimmung der Versuchspersonen messen oder auch die körperlichen Reaktionen mit untersuchen. Auch hier gilt: Univariate Lösungen sind forschungstechnisch einfacher zu bewältigen, aber auch weniger valide; multivariate Lösungen sind schwieriger zu realisieren und aufwändiger zu berechnen. Die Unterscheidung in Labor- und Felduntersuchungen wurde oben bereits dargestellt. Der Vorteil von Laborexperimenten liegt in der besseren Kontrolle des gesamten Settings. Dies gilt für die Auswahl der Personen sowie für systematische oder zufällige Störungen, die die interne Validität eines Experiments schmälern können. Bei Feldexperimenten ist die externe Validität höher, sie wird aber durch die geringere Kontrollierbarkeit von Störungen und Drittvariablen erkauft. Bei Quasi-Experimenten hat der Forscher keine vollständige Kontrolle über die experimentellen Faktoren, also die unabhängigen Variablen. So werden in Quasi-Experimenten beispielsweise die Versuchsteilnehmer nicht zufällig auf die Experimentalbedingungen aufgeteilt, sondern in der Situation »vorgefunden« oder nachträglich definiert. Hat beispielsweise ein Ortsteil noch keinen Breitband-Internetanschluss, ein anderer Ortsteil ist damit schon versorgt, so ist die Zugangsgeschwindigkeit der quasiexperimentelle Faktor - er wurde nicht aktiv vom Forscher manipuliert und die Personen wurden nicht zufällig auf die beiden Experimentalbedingen aufgeteilt. 6.3.4.5 Zur Durchführung von Experimenten Nach Huber (1995, S.-7-138; 2009, S. 81ff) sind für die Entwicklung eines wissenschaftlichen Experiments die folgenden Arbeitsschritte einzuhalten: <?page no="594"?> 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung 595 1) Formulierung der zentralen Fragestellung 2) Aufstellen der zu prüfenden Hypothesen 3) Operationalisierung 4) Entwicklung des Versuchsplans 5) Planung der Kontrolle der Störvariablen 6) Definition der Versuchspersonen und Auswahlverfahren 7) Überführung der Hypothesen in empirische Vorhersagen 8) Durchführung des Experiments, Messung 9) Auswertung der Daten, Prüfung der Hypothesen 10) Diskussion und Bericht Wie bei den bereits dargestellten Methoden auch, ähnelt dieser Ablauf dem allgemeinen Vorgehen empirischer Kommunikationsforschung. Gleichwohl ist auf einige Besonderheiten zu verweisen: Nach der Entwicklung der Hypothesen, die auf der theoretisch hergeleiteten, zentralen Forschungsfrage beruhen (1 und 2), werden im Rahmen der Operationalisierung (3) die zentralen Begriffe in messbare Variablen überführt und die entsprechenden Ausprägungen definiert. Um bei unserem Beispiel mit dem erotischen Werbespot zu bleiben, der - in einem Laborexperiment - auf zufällig ausgewählte Versuchspersonen einwirkt und deren Behaltensleistung testen soll: • Die unabhängige Variable ist der Grad der Erotik im Werbespot. • Die abhängigen Variablen sind z. B. die Behaltensleistung oder das emotionale Erleben bei den Versuchsgruppen. Die Definition der Variablen bildet stets die Grundlage für die Aufstellung eines Versuchsplanes (4.). Die Standardvariante ist ein einfaktorieller, univariater Versuchsplan. E: M 1 X M 3 K: M 2 M 4 t 1 t 2 Dieser »echte« Versuchsplan zeigt, dass eine unabhängige Variable (X), also z. B. ein Werbespot mit erotischem Inhalt, einer Experimentalgruppe (E) »verabreicht« wird. Die Kontrollgruppe (K) erhält das »Treatment« nicht. Um einen Unterschied zwischen beiden Gruppen nachzuweisen, wird zu einem Zeitpunkt vor der Gabe des Treatments (t 1 ) und einem Zeitpunkt danach (t 2 ) gemessen. Man muss also 4 Messungen (M 1 bis M 4 ) vornehmen. Ein solcher Versuchsplan ergibt für manche Fragestellungen freilich keinen Sinn. So kann man in der Kontrollgruppe nicht die Behaltensleistung an einen Spot messen, den sie nicht gesehen haben (können). Der emotionale Zustand lässt sich dagegen durchaus in beiden Gruppen vorher und nachher messen und somit feststellen, ob erotische Werbung einen Einfluss auf den emotionalen Zustand der Rezipienten hat. Das Problem einer solchen Versuchsanordnung ohne Treatment in der Kontrollgruppe ist offenkundig: Man kann nicht mit Sicherheit sagen, ob sich Unterschiede im emotionalen Zustand auf die Erotik oder schlicht das Sehen »irgendeines« Werbespots oder die Medienrezeption generell zurückführen lassen (Konfundierung, s. o.). Vielleicht fühlt sich die Experimentalgruppe nur deswegen besser, weil sie zwischen t 1 und t 2 ferngesehen hat, während sich die Kontrollgruppe langweilen musste. Idealerweise lässt man also beide Gruppen fernsehen und variiert innerhalb des einen Werbespots ausschließlich den Grad der Erotik. <?page no="595"?> 6 Empirische Forschungstechniken 596 Ein zweifaktorieller Versuchsplan, man spricht auch von einem 2×2-Design, sieht folgendermaßen aus: Y 1 Y 2 X 1 M 1 M 2 X 2 M 3 M 4 Hier misst man zwei Faktoren (die unabhängigen Variablen X und Y) mit je zwei Ausprägungen (sog. Faktorstufen). Zwar erfolgen auch hier vier Messungen - jedoch verzichtet man auf die Vorhermessung (im ersten Beispiel M 1 und M 3 zu t 1 ), um bei den Untersuchungsteilnehmern nicht bereits Assoziationen oder Erwartungen zu wecken. Die Kontrolle der Störvariablen (5.) könnte im vorgestellten Beispiel nun u. a. so aussehen, dass der Versuchsleiter und seine Mitarbeiter für eine konstante Laborsituation sorgen, indem sie Temperatur, Licht, Ausstattung etc. für alle Gruppen gleich gestalten. Die interne Validität könnte aber auch gestört sein, wenn sich die Versuchsgruppen bereits vor der Gabe des Treatments unterscheiden. Für eine Untersuchung der Wirkung von erotischen Werbespots müsste etwa sichergestellt sein, dass in beiden Gruppen Männer und Frauen gleich oft vertreten sind. Wäre dies nicht der Fall, erhielte man mit hoher Wahrscheinlichkeit verzerrte Ergebnisse hinsichtlich der Behaltensleistung, weil Frauen möglicherweise auf erotische Inhalte systematisch anders reagieren als Männer. Da das Geschlecht jedoch nicht das einzige störende Merkmal sein wird, das sich vermutlich auf die Gültigkeit der Ergebnisse auswirkt, sondern auch Merkmale wie die individuelle Mediennutzungsdisposition (z. B. Werbevermeider; Viel-/ Wenigseher), das Alter (Behaltensleistung), im Beispiel auch: die sexuelle oder religiöse Orientierung (Moralvorstellungen), müssen alle Probanden mittels Zufallsauswahl den Gruppen zugeordnet werden (vgl. Kap. 6.1.3). Nur dann ist gesichert, dass die Gruppen vor Gabe des Treatments hinsichtlich der Verteilung aller Merkmale »gleich« sind. Diese zufällige Verteilung der Teilnehmer auf die Versuchsgruppen nennt man Randomisierung. Daneben gibt es ein zweites, wesentlich seltener durchgeführtes Auswahlverfahren, das sog. Matching oder Parallelisieren (vgl. Brosius et al. 2012, S. 225). Dieses Verfahren ist sehr aufwändig und deshalb kostspielig und wird v. a. dann eingesetzt, wenn nicht Gruppen-, sondern Einzelexperimente durchgeführt werden sollen. Ein einfaches Beispiel für Parallelisierung ist die bewusste Zuordnung der Versuchspersonen auf die Gruppen nach ihrem Geschlecht. Ein solches Vorgehen wird man wählen, wenn anzunehmen ist, dass das Geschlecht eine wesentliche Störvariable für ein Untersuchungsergebnis sein kann und daher a priori sichergestellt werden muss, dass in allen Versuchsgruppen gleich viele Männer und Frauen vertreten sind. Die oben erläuterte Randomisierung funktioniert nämlich erst bei einer größeren Stichprobe zuverlässig. Nachdem aus den zentralen Hypothesen die Faktoren entwickelt und operationalisiert wurden, der Versuchsplan steht, die Störvariablen kontrolliert und die Versuchspersonen definiert sind, werden auf dieser Grundlage und unter Einbezug des theoretischen Vorwissens die empirischen Vorhersagen für die Ergebnisse der Untersuchung gemacht (7.). Diese empirischen Vorhersagen formulieren einen kausalen Zusammenhang zwischen unabhängiger (=-Ursache-=-Faktor =-Treatment) und abhängiger Variable (=- Wirkung). Im erwähnten Beispiel würde man also einen Zusammenhang zwischen erotischem Gehalt und Behaltensleistung eines Werbespots prognostizieren: In der Experimentalgruppe, also derjenigen, die den Werbespot mit ausgeprägtem erotischen Inhalt zu sehen bekommt, könnte die Behaltensleistung besser sein als in der Kontrollgruppe, die einen Werbespot ohne bzw. mit geringer erotischer Intensität zu sehen bekam. Gerade in der Werbewirkungsforschung gibt es zahlreiche Studien, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Behaltensleistung <?page no="596"?> 6.4 Zusammenfassung und Ausblick 597 und bestimmten werblichen Formen und Inhalten prüfen und in empirischen Vorhersagen (Hypothesen) formulieren (vgl. dazu etwa Brosius/ Fahr 1998). In die vorbereitende Phase fällt auch die Schulung des/ der Versuchsleiter(s) zum Ablauf des Experiments und zum Einsatz des Erhebungsinstruments. Versuchsleiter sind mit den Codierern einer Inhaltsanalyse oder den Interviewern bei einer Befragung vergleichbar. Sie müssen mit allen Details zum Ablauf des Experiments gut vertraut gemacht werden, damit sie bei der Durchführung des Experiments nicht selbst einen Störfaktor darstellen. Ganz lassen sich Störungen, die von den Versuchsleitern ausgehen, nicht immer ausschalten. So können Merkmale des Versuchsleiters, wie etwa sein Geschlecht, sein Alter, seine Sprache und sein Ausdruck, seine Erscheinung etc. Störvariablen darstellen, wenn der Versuchsleiter den Teilnehmern der Versuchsgruppen Anleitungen und Anweisungen erteilt, Dinge erklärt, die sie im Zusammenhang mit dem Experiment wissen müssen - oder wenn er einfach nur anwesend ist. So könnte man etwa vermuten, dass Männer unter Anwesenheit von Frauen erotische Werbespots anders rezipieren als wenn sie allein oder nur unter Männern sind. Um solche Störvariablen auszuschalten, bedient man sich - neben der eingehenden Schulung der Versuchsleiter und Versuchsleiterinnen - z. B. technischer Hilfsmittel wie Videos, auf denen diese Anleitungen und Anweisungen aufgenommen sind und den Versuchspersonen vorgespielt werden. Auf die eigentliche Durchführung (8.) experimenteller Forschung soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, da diese je nach Untersuchungsdesign stark variieren kann. Die Auswertung und Interpretation der Daten (9.), mit der die zentrale(n) Hypothese(n) gestützt oder widerlegt werden, wird, ebenso wie bei allen wissenschaftlichen Studien auch, in einem Forschungsbericht (10.) niedergelegt und somit der (Fach-)Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Abschließend sei auf ethische Grenzen von Experimenten hingewiesen. Vor allem stellt sich die Frage, was man als Forscher den Versuchspersonen zumuten darf und ob es legitim ist, sie - im wissenschaftlichen Interesse - zu täuschen, um den Einfluss ihrer Erwartungen auf die Ergebnisse zu minimieren (z. B. durch ihr (Antwort-)Verhalten bei der Datenerhebung). Bei sog. Blindstudien im Rahmen medizinischer Wirksamkeitsstudien z. B. wird den Untersuchungsteilnehmern nicht mitgeteilt, ob sie der Experimental- oder der Kontrollgruppe angehören; bei Doppelblindstudien wissen das nicht einmal die Versuchsleiter. Der Forscher muss hier immer eine sorgfältige Güterabwägung vornehmen und prüfen, ob ein wissenschaftliches Interesse den Einsatz experimenteller Designs rechtfertigt, bei denen ethisch-moralische Grenzen einzelner Teilnehmer möglicherweise überschritten werden. Darüber hinaus muss die Anonymität der Teilnehmer gewährleistet sein, die erhobenen Daten dürfen nicht mit personenbezogenen Daten ausgewertet, verfügbar gemacht oder aufbewahrt werden. In jedem Fall müssen die Versuchspersonen nach dem Experiment über Ziel und Inhalt des Experiments aufgeklärt werden, es ist also ein professionelles Debriefing der Versuchspersonen vorzunehmen. 6.4 Zusammenfassung und Ausblick Die in diesem Abschnitt dargelegten Ausführungen können und wollen nur einen ersten Einblick in die wichtigsten empirischen Forschungstechniken bieten, wie sie auch in der Kommunikationswissenschaft angewendet werden. Nähere Informationen über die einzelnen Methoden und ihre konkrete Anwendung in der Forschungspraxis sind der einschlägigen Forschungsliteratur zu entnehmen, auf die entsprechend hingewiesen wurde. Ein speziell für angehende Kommunikationswissenschaftler gedachtes Lehrbuch, das insbesondere quantitative Methoden der empirischen Kommunikationsforschung beleuchtet, ist von Hans-Bernd Brosius, Alexander Haas und Friederike Koschel (Bro- <?page no="597"?> 6 Empirische Forschungstechniken 598 sius et al. 2012) vorgelegt worden; auch das Lehrbuch von Bertram Scheufele und Ines Engelmann (2009) ist speziell auf (quantitativ ausgerichtete) empirische Kommunikationsforschung zugeschnitten und beinhaltet einen Überblick über statistische Auswertungsverfahren. Über qualitative Methoden und ihre Anwendung in der Kommunikationswissenschaft informieren entsprechend der Sammelband von Lothar Mikos und Claudia Wegener (2005) sowie das Lehrbuch von Michael Meyen, Maria Löblich, Senta Pfaff-Rüdiger und Claudia Riesmeyer (Meyen et al. 2011). Allen erwähnten Publikationen kann ebenfalls zahlreiche weiterführende Literatur entnommen werden. Im Überblick (vgl. Abb. 28) lassen sich Leistungsfähigkeit und Anwendungsgebiete der hier abgehandelten empirischen Forschungstechniken abschließend wie folgt darstellen: Abb. 28: Die Forschungstechniken der Kommunikationsforschung Forschungstechnik Leistungsfähigkeit Erfassung von: Primäre Anwendung Befragung verbalisierten Meinungen, Einstellungen und Verhalten Kommunikatorforschung Rezipientenforschung Inhaltsanalyse Form und Inhalt kommunikativer Aussagen Sprachanalysen kommunikativer Aussagen Kommunikatorforschung Medieninhaltsforschung Beobachtung direktem Individual- und Sozialverhalten in Labor- oder Feldsituationen Kommunikatorforschung Mediennutzungsforschung Rezeptionsforschung Experiment Kausalnachweisen in Labor- oder Feldsituationen Rezeptionsforschung Wirkungsforschung Interessante methodische Impulse sind z. B. aus der Onlineforschung zu erwarten: Etwa zur Erhebung und Analyse von »Big Data« (vgl. etwa Jünger/ Keyling 2013 oder das Special Issue des Journal of Communication (64/ 2) in 2014), Netzwerkanalysen (vgl. z. B. Neubarth/ Nuernbergk 2011) u. a. m. Literatur Atteslander, Peter (1995): Methoden der empirischen Sozialforschung. 8. Aufl. Berlin. Atteslander, Peter (2008): Methoden der empirischen Sozialforschung. 12., durchges. Aufl. Berlin. Backhaus, Klaus; Erichson, Bernd; Plinke, Wulff; Weiber, Rolf (2011): Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung. 13., überar. Aufl. Heidelberg u. a. Bampton, Roberta; Cowton, Christopher (2002): The E-Interview. In: Forum Qualitative Sozialforschung 3 (2). http: / / www.qualitative-research.net/ index.php/ fqs/ article/ view/ 848/ 1843 (24.05.13). Berelson, Bernard (1952): Content Analysis in Communication Research. Glencoe. Bilandžić, Helena (1998): Formale Merkmale individueller Fernsehnutzung. 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Univ. Prof. Dr. Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg <?page no="603"?> Anhang 604 Nina Springer, Dr. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität München Jeffrey Wimmer, Dr. Juniorprofessor am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der TU Ilmenau Susanne Wolf, Dr. Unternehmenskommunikation in der Gesundheitsbranche Thomas Zerback, Dr. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität München <?page no="604"?> Abbildungen 605 Abbildungen Abb. 1: Das Lehr- und Forschungsfeld der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Abb. 2: Nachrichtenfaktoren nach J. Galtung und M. H. Ruge (1965) . . . . . . . . . . . . . . . 136 Abb. 3: Nachrichtenfaktoren nach W. Schulz (1976) und J. F. Staab (1990) . . . . . . . . . . . . 137 Abb. 4: Zur Geschichte der Medientechnik (1400-2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Abb. 5: Anzahl der bis 1948 lizenzierten Zeitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Abb. 6: Privatisierung der ehemaligen SED-Zeitungen nach der Entscheidung der Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Abb. 7: Gesamtbild der Tagespresse in Deutschland (März 2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Abb. 8: Die Tagespresse in Deutschland 1954-2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Abb. 9: Die 10 größten deutschen Tageszeitungsverlage (Stand: Frühjahr 2012) . . . . . . . . . 247 Abb. 10: Öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme in Deutschland (2012) . . . . . . . . . . . . . 262 Abb. 11: Jugendmedienschutz in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Abb. 12: Top 15 der deutschen Onlinezeitungen (12/ 2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Abb. 13: Kostenstruktur der Abonnementzeitungen in Westdeutschland 2011 (in Prozent) . . . 288 Abb. 14: Erlösstruktur der Abonnementzeitungen in Westdeutschland 2011 (in Prozent) . . . . 290 Abb. 15: Entwicklung des (Netto-)Werbeaufkommens und seine Verteilung auf die Werbeträger in Deutschland in Prozent (1980, 1990, 2000 und 2010) . . . . . . 293 Abb. 16: Diffusionsforschung: Kategorisierung von Übernehmern einer Innovation auf der Grundlage der relativen Adaptionen nach Rogers . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Abb. 17: Mehrebenenmodell der Mediengewaltforschung (Brosius et al. 2010) - Systematisierung der Forschungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 Abb. 18: Der wissenschaftliche Forschungsablauf im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 Abb. 19: Die Wahl der Methode hängt von der Fragestellung ab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 Abb. 20: Typische Einsatzgebiete der Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 Abb. 21: Verzerrende Effekte im standardisierten Interview . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 Abb. 22: Charakteristika der wichtigsten Interviewformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 Abb. 23: Beispiele für die Definition von Merkmalen und ihren Ausprägungen . . . . . . . . . . 554 Abb. 24: Typische Einsatzgebiete der Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 Abb. 25: Typische Einsatzgebiete der wissenschaftlichen Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . 581 Abb. 26: Experimentelle Variablen mit möglichen Variationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 Abb. 27: Beispiele für (die Kontrolle von) Störvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 Abb. 28: Die Forschungstechniken der Kommunikationsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 <?page no="605"?> Anhang 606 A Adenauer, Konrad 260 Adorno, Theodor W. 47, 48 Ajzen, Icek 451 Allan, Stuart 171 Altmeppen, Klaus-Dieter 160, 171, 208 Ammann, Ilona 423 Andres, Luis 371 Anetzberger, Martin 423 Aristoteles 31, 211 Arnold, Klaus 146, 147 Averbeck, Stefanie 37, 46 B Baacke, Dieter 485 Bagozzi, Richard O. 451 Bandura, Albert 488, 508 Barnlund, Dean C. 389 Barthes, Roland 361 Bartsch, Anne 465 Baschwitz, Kurt 46 Bauer, Florian 302 Baum, Achim 170 Baumert, Dieter Paul 113, 114 Bausinger, Hermann 363 Beavon, Janet 71 Beck, Hanno 284, 297 Beck, Klaus 100, 147, 206, 207, 225, 254, 276 Behmer, Markus 248 Bell, Alexander Graham 215 Bennett, Tony 522 Bentele, Günter 143, 206, 207 Bentley, Arthur F. 389 Berelson, Bernard 378, 568 Bergman, Manfred M. 449 Bernstein, Basil 74 Bettelheim, Bruno 492 Beyer, Andrea 284, 285, 297 Bilandžić, Helena 350, 352 Birkner, Thomas 113, 114 Bledjian, Frank 455 Bleicher, Joan Christin 278 Blöbaum, Bernd 164 Blumers, Marianne 146 Blumler, Jay G. 355 Blum, Roger 147, 413 Böckelmann, Frank 110, 112 Böcking, Tabea 144 Boehnke, Klaus 499 Bohrmann, Hans 42, 47 Bonfadelli, Heinz 24, 367, 450, 481, 486, 487, 503 Born, Michael 149 Bourdieu, Pierre 48, 127, 171 Boventer, Hermann 150, 151 Braun, Ferdinand 217 Breed, Warren 134 Breunig, Christian 302 Brosda, Carsten 111, 156 Brosius, Hans-Bernd 366, 380, 382, 534, 597 Bruck, Peter 166 Brüggemann, Michael 161 Bryant, Jennings 367 Bucher, Hans-Jürgen 170 Bücher, Karl 31, 35, 36, 37, 40, 50, 169 Budd, Richard W. 373 Budzislawski, Hermann 50 Bühler, Karl 73 Burkart, Roland 23, 25, 65, 100, 207, 424 Bußmann, Hadumod 72 Buß, Michael 146 C Cacioppo, John T. 453 Carl, Petra 284, 285 Carroll, Noel 361 Cherry, Colin 461 Christians, Clifford 153 Christiansen, Sabine 127 Chruschtschow, Nikita 373 Cicero 31, 211 Cohen, Arthur R. 455 Cotta, Johann Friedrich 114 Crites, Steven L. 453 Cuberes, David 371 Index Personenindex <?page no="606"?> Personenindex 607 D Daguerre, Louis 212, 216 Dahinden, Urs 147 Debatin, Bernhard 150, 155 d’Ester, Karl 23, 38, 41, 42 Dewey, John 389 Diederichs, Helmut 285 Dierks, Sven 254 Diouf, Mame 371 Dogruel, Leyla 284, 300 Donges, Patrick 437 Donsbach, Wolfgang 129, 130, 132, 170, 348, 459, 467, 471, 474 Dovifat, Emil 23, 38, 40, 41, 42, 43, 45, 46, 150, 169 Dröge, Franz 48, 455 E Eberhard, Fritz 43, 45 Ebersbach, Anja 279 Ehmig, Simone 129 Eichhorn, Wolfgang 390 Eilders, Christiane 136 Eisenstein, Elizabeth I. 214 Emmer, Martin 371 Engelmann, Ines 140 Engesser, Evelin 111, 130 Erbring, Lutz 381 Ettema, James 375 Euler, Harald A. 464 Everth, Erich 36, 40 F Fahr, Andreas 147, 202, 508, 510 Faulstich, Werner 33, 213 Fechner, Frank 421 Festinger, Leon 459 Fields, James 472 Fishbein, Martin 451 Fiske, John 361 Fretwurst, Benjamin 136, 139 Freud, Sigmund 47 Freytag, Johannes 242 Fricke, Ernst 421 Friedrich, Katja 506, 511 Friemel, Thomas N. 367 Fritz, Jürgen 498 Fröhlich, Romy 111, 144 Früh, Werner 24, 193, 388, 510, 512, 569, 570 Fung, Timothy K. F. 465 Funiok, Rüdiger 150, 154 Funkhouser, G. Ray 380 G Gaitanides, Michael 284 Galtung, Johan 135 Ganz-Blättler, Ursula 208 Gaudet, Hazel 378 Gebrüder Lumière 212 Gebrüder Skladanowsky 212 Geißler, Rainer 23, 460 Geldorf, Bob 382 Gerbner, George 385, 502 Gerhards, Jürgen 472 Giddens, Anthony 171 Glaser, Barney 541 Gleich, Uli 333, 360 Goebbels, Joseph 39, 257 Goertz, Lutz 99 Goldenberg, Edie N. 381 Gorbatschow, Michail 231 Görres, Joseph 113, 115 Gottschlich, Maximilian 130, 151, 170 Graber, Doris A. 354, 365, 428 Greenberg, Bradley S. 373 Grimm, Petra 497 Groebel, Jo 514 Grossberg, Lawrence 521 Grossenbacher, René 143 Gross, Larry 385 Groth, Otto 23, 38, 150, 169 Grüll, Felix 147 Grün, Edith S. 37 Gumbl, Harald 146 Gundlach, Hardy 225, 276, 411 Gurevitch, Michael 355 Gutenberg, Johann Gensfleisch zu 33, 212, 214 Guttenberg, Karl-Theodor zu 198 H Haacke, Wilmont 42, 45 Haas, Alexander 597 Haas, Hannes 248, 412 <?page no="607"?> Anhang 608 Habermas, Jürgen 23, 47, 154, 170 Haft, Henning 455 Hagemann, Walter 23, 41, 42, 43, 47, 77, 112 Hagen, Lutz M. 147 Haller, Michael 147 Hallin, Daniel 413 Hall, Stuart 361, 521 Hamann, Johann Georg 34 Hardt, Hanno 48 Hartley, John 171 Hartmann, Frank 278 Hartmann, Johann Ludwig 33 Hartmann, Tilo 360, 487 Hartnack, Daniel 33 Haseloff, Walter 112 Heeter, Carrie 349 Hegel, Friedrich 47 Heider, Fritz 207, 457 Heide, Walther 38, 39 Heine, Heinrich 114 Heinrich, Jürgen 284 Hepp, Andreas 521 Herfurth, Edgar 36 Hertz, Heinrich 215 Hess, Thomas 284 Hipeli, Eveline 488, 500, 508 Hitler, Adolf 256, 257 Hobson, Dorothy 521 Hoffjann, Olaf 144 Hoffmann, Andreas 501 Höflich, Joachim R. 91, 222 Hoggart, Richard 521 Holzer, Horst 48, 74, 169, 426 Hömberg, Walter 23, 49, 100, 111, 114 Honecker, Erich 231 Horkheimer, Max 47 Horton, Donald 360 Hovland, Carl I. 43, 368, 454, 455 Huber, Nathalie 51 Huber, Sandra 284, 292 Hudson, Rock 201 Hugenberg, Alfred 226 Hund, Wulf D. 169 Hunziker, Peter 482 Hutter, Michael 284 I Imboden, Carlo 331 Inglehart, Ronald 483 Iyengar, Shanto 382 J Jackson, Don 71 Jaeger, Karl 37, 169 Janis, Irving L. 455 Jarren, Otfried 411, 437 Jauch, Günther 127 Jenkins, Jennifer M. 464 Jenkins, Walter 373 Johnson, Lyndon B. 373 Johnson, Richard 521 Jonas, Hans 154 Jörges, Hans-Ulrich 127 Jörg, Sabine 491 K Kaltefleiter, Werner 424 Karis, Tim 570 Karmasin, Fritz 130 Karmasin, Matthias 153 Karnowski, Veronika 371 Katz, Elihu 354, 355 Katzenbach, Christian 284, 300 Kepplinger, Hans Mathias 138, 140, 170, 223, 380, 382, 470, 471 Kerner, Johannes B. 127 Kiefer, Marie Luise 251, 284 Kieslich, Günter 44, 47 Kirchhoff-Hund, Bärbel 169 Klapper, Joseph T. 460 Kleinginna, Anne M. 464 Kleinginna, Paul R. 464 Klenk, Christian 254 Klimmt, Christoph 360 Kline, Gerald 375 Knies, Karl 35 Knoche, Manfred 48 Koch, Adolf 36 Köcher, Renate 170 Kohl, Helmut 196, 469 König, Friedrich 212 Koschel, Friederike 597 Krämer, Benjamin 501 <?page no="608"?> Personenindex 609 Kramp, Leif 251 Krotz, Friedrich 90, 523 Krugman, H.E. 359 Kubicek, Herbert 208 Kübler, Hans-Dieter 485 Kuhlmann, Christoph 371 Kummer, Tom 149 Kunczik, Michael 24, 155, 455, 459, 473, 506 Künzler, Matthias 251 Kurth, Karl Oswin 39 Kutsch, Arnulf 37 L Lang, Annie 353, 461 Lange, Andreas 486 Lasswell, Harold D. 19, 43 Lazarsfeld, Paul 43, 47, 378 Lecheler, Sophie 590 Lewin, Kurt 43, 47, 133, 170 Lieske, Sandra 130, 131 Lippmann, Walter 134, 378 Lobigs, Frank 249, 251 Löblich, Maria 44, 598 Löffelholz, Martin 169, 171 Löffler, Franz Adam 34 Löffler, Sigrid 165 Loretan, Matthias 154 Luckmann, Thomas 170 Ludewig, Johann Peter von 34 Ludwig, Johannes 284 Luhmann, Niklas 23, 431 Lumière, Gebrüder 216 Luther, Martin 214 M MacKuen, Michael B. 465 Maier, Michaela 137, 140 Maischberger, Sandra 127 Maletzke, Gerhard 23, 24, 44, 80, 82, 100 Malik, Maja 124 Mancini, Paolo 413 Mandl, Heinz 464 Manheim, Ernst 46 Mannheim, Karl 46 Marconi, Guglielmo 215 Marcuse, Herbert 47 Marcus, George E. 465 Marperger, Jacob 34 Marx, Karl 47, 113 Mast, Claudia 300 Mathes, Rainer 354 Maurer, Marcus 202 Mayntz, Renate 411, 412 McCombs, Maxwell E. 378, 380 McLuhan, Marshall 85, 207 McQuail, Denis 24, 427, 486 McRobbie, Angela 521 Meckel, Miriam 279 Meier, Christian 302 Meier, Klaus 111, 153 Meier, Werner A. 284 Menz, Gerhard 50 Merkel, Angela 195, 197 Merten, Klaus 64, 207, 471, 569 Merz, Carl 134 Metzger, Jan 146 Meyen, Michael 541, 598 Meyer, Kathrin 161 Meyer, Thomas 431 Mikos, Lothar 500, 524, 598 Miller, Arthur N. 381 Miller, Joanne M. 465 Misoch, Sabina 278 Möllmann, Bernhard 149 Morley, David 521 Morse, Samuel 215 Münch, Thomas 499 Münsterberg, Hugo 463 Münster, Hans Amandus 39, 40, 46, 169 Münzer, Gerhard 46 Mutz, Diana 473 N Nabi, Robin 367 Namkoong, Kang 465 Negt, Oskar 47 Neidhardt, Friedhelm 430, 482, 484 Neuberger, Christoph 52, 111, 160, 171 Neuman, W. Russel 465 Neverla, Irene 202 Niepce, Joseph Nicéphore 216 Nipkow, Paul 217 Noelle-Neumann, Elisabeth 24, 44, 45, 170, 368, 466, 469, 471 <?page no="609"?> Anhang 610 O Oatley, Keith 464 Oehmichen, Ekkehardt 146 Oliver, Mary Beth 367 O’Reilly, Tim 95 Osgood, Charles 458 Oskamp, Stuart 449 Östgaard, Einar 135 Otto, Jürgen H. 464 P Palme, Olof 372, 373 Palmgreen, Philip 356 Pape, Thilo von 371 Paus-Hasebrink, Ingrid 493 Peiser, Wolfram 52 Peters, Ralf 284 Petty, Richard E. 453 Peuckert, Rüdiger 483 Pfaff-Rüdiger, Senta 598 Popper, Karl R. 48 Pörksen, Bernhard 111 Pöttker, Horst 132, 146, 502 Prakke, Henk 23, 43, 45, 77 Price, Vince 384 Prinz, Aloys 284 Prokop, Dieter 48 Pross, Harry 208 Prutz, Robert E. 35 Puppis, Manuel 251, 412 Pürer, Heinz 150, 152, 225 Q Quandt, Thorsten 161, 171 Quintilian 31, 211 R Raabe, Johannes 225 Rademacher, Lars 155 Rager, Günther 146, 147, 148 Rau, Harald 149 Rayburn, J. D. 356 Reimers, Karl Friedrich 51 Reinemann, Carsten 436 Renckstorf, Karsten 357, 369 Renger, Rudi 167, 171 Requate, Jörg 114 Riefler, Katja 302 Riepl, Wolfgang 35 Riesmeyer, Claudia 142, 598 Rinsdorf, Lars 241 Roegele, Otto B. 44, 45 Roessing, Thomas 474 Rogers, Everett M. 371 Roloff, Eckart Klaus 44 Ronneberger, Franz 44, 45, 480 Roosevelt, Theodore 372 Röper, Horst 246, 285 Rosengren, Karl E. 372, 373 Rössler, Patrick 147, 472 Roth, Erwin 449 Roth, Herbert 382 Ruge, Mari Holmboe 135 Rühl, Manfred 23, 121, 152, 170 Ruhrmann, Georg 136, 138 Ruß-Mohl, Stephan 145, 147 S Salomon, Ludwig 35 Sander, Ekkehard 486 Saussure, Ferdinand de 73 Saxer, Ulrich 25, 111, 152, 197, 208, 413, 489, 501 Schäfer, Mike S. 202 Schäffle, Albert E. 35 Scharf, Wilfried 45 Schatz, Heribert 146 Schenk, Michael 367, 449, 454, 455, 472 Scherer, Helmut 472 Scheu, Andreas 48 Scheufele, Bertram T. 382 Scheufele, Dietram A. 384, 465 Schicha, Christian 156 Schimank, Uwe 171 Schirmer, Stefan 146, 166 Schlözer, August Ludwig 34 Schmidt-Geiger, Alexander 155 Schmidt, Helmut 469, 470 Schmidt, Jan 279, 499 Schmidt, Siegfried J. 135, 207, 209 Schmid, Ulrich 208 Schneider, Walter 350 Scholl, Armin 111, 124, 171 Schönbach, Klaus 24, 248, 388 Schöne, Walter 37 <?page no="610"?> Personenindex 611 Schönhagen, Philomen 111, 197 Schönpflug, Wolfgang 464 Schorb, Bernd 503 Schramm, Holger 360, 464, 487 Schreiber, Erhard 70 Schröder, Gerhard 196 Schröter, Detlef 111, 197 Schultz, P. Wesley 449 Schulz von Thun, Friedemann 75 Schulz, Wilfried 504 Schulz, Winfried 136, 138, 146, 473, 503 Schuman, Howard 472 Schumann, Matthias 284 Schütz, Alfred 170 Schütze, Fritz 557 Schütz, Walter J. 227, 243, 285 Schwarzkopf, Joachim von 34 Schweiger, Wolfgang 350 Selhofer, Hannes 210 Serebrisky, Tomas 371 Seufert, Wolfgang 225, 275, 411 Shannon, Claude 461 Shiffrin, Richard R. 350 Shrum, L. J. 387 Siebenhaar, Hans-Peter 297 Siebert, Frederick 413 Siegert, Gabriele 284 Six, Ulrike 449, 452 Sjurts, Insa 239, 284 Sparks, Colin 521 Staab, Joachim F. 136, 138 Stapf, Ingrid 153, 155 Steinbacher, Karl 74 Steinmeier, Frank-Walter 197 Stengel, Karin 140 Stieler, Kaspar von 33 Stöber, Rudolf 41, 215 Stocker, Günther 166 Strauss, Anselm 541 Strotmann, Mareike 490 Stuiber, Heinz-Werner 225 Süss, Daniel 208, 482, 488, 500, 501, 508 Szyszka, Peter 144 T Tannenbaum, Percy 458, 470 Teichert, Will 153, 357 Tenscher, Jens 413 Tewksbury, David 384 Thomasius, Christian 34 Thomaß, Barbara 153 Thomas, Tanja 523 Tichenor, Phillip J. 374 Tillmann, Angela 496 Tonnemacher, Jan 160 Tönnies, Ferdinand 46 Trapp, Bettina 352 Trappel, Josef 156, 284, 412 Traub, Hans 38 Triandis, Harry C. 455 Tuchman, Gaye 134 V Vehlow, Bernd 147 Vogel, Andreas 254, 285 Vollbrecht, Ralf 499 Vorderer, Peter 352 Vorkötter, Uwe 246 Vowe, Gerhard 147, 371, 411 Vreese, Claes de 590 W Wagner, Hans 23, 111, 197 Waller, Gregor 302 Wallner, Cornelia 412 Watzlawick, Paul 71, 74 Weaver, Warren 461 Weber, Max 35, 36, 65, 150, 170, 483 Wegener, Claudia 490, 492, 500, 598 Weichert, Stephan 251 Weinberg, Johannes 74 Weischenberg, Siegfried 48, 124, 146, 165 Weise, Christian 33 Weißenborn, Rainer 455 Weiß, Wolfgang 481 Welcker, Carl Theodor 34 Westerstahl, Jörgen 196 Westerwelle, Guido 197 White, David M. 133, 170 Wiedemann, Thomas 47 Wiese, Leopold von 46 Wildenmann, Rudolf 424 Wilke, Jürgen 140, 211, 215, 225 Will, Anne 127 <?page no="611"?> Anhang 612 Willems, Emil 46 Willis, Paul 521 Winterhoff-Spurk, Peter 470 Wirth, Werner 52, 363, 371, 376, 464 Wirtz, Bernd W. 284, 292, 300 Wohl, Richard 360 Wolling, Jens 147, 371 Wulff, Christian 198 Wurzbacher, Gerhard 480, 481 Wyss, Vinzenz 147 Z Zerdick, Axel 284 Zillmann, Dolf 361 Zimmer, Uwe 168 Zipfel, Astrid 24, 155, 455, 459, 473 Zurstiege, Guido 135, 209 <?page no="612"?> Sachindex 613 A Abonnementfernsehen 294, 298 Absolventenbefragung 52 Abwehrrecht 417, 418 Access Providing 301 administratives Kooperationsmodell 414 Affektfernsehen 465 Agenda Building 143 Agenda Setting 141, 142, 369, 378, 434, 437 Awareness-Modell 380 Medienagenda 380, 382 Priorities-Modell 380 Publikumsagenda 380, 382 Salience-Modell 380 Second-Level-Agenda-Setting 383, 384 Agenda-Setting-Effekte 380, 381, 462 Agenda-Setting-Forschung 568 AGF/ GfK-Fernsehpanel 326 Aktualität 156, 222, 280 Allensbacher Computer- und Technikanalyse (ACTA) 286, 340 Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) 286, 327 Alltag 363 Alltagsrationalität 366 Alphabetisierung 115 Altersstufenfreigabe 273 Altverleger 194, 227 analytischer Empirismus 169 Angebotsvielfalt 83 Angst-Aggressions-Spirale 492 Angstbewältigung 492 Antike 211 Anwesenheit 66 Anzeigenaufkommen 35 Applikationen 163, 222, 224, 237, 238, 242, 243, 252, 280, 281, 282, 292, 300, 302 Tagesschau-Applikation 89 Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM) 194 Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGM) 286 Arbeitsgemeinschaft für Kommunikationsforschung (AfK) 123 Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (agma) 286, 325, 326, 332 Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung (AGOF) 339, 347 ARD (Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland) 258, 415 ARD-Finanzausgleich 259 ARD-Strukturreform 264 ARD/ ZDF-Onlinestudie 79, 162, 286, 340, 341, 496 Audience Flow 351 audiencing 364 Aufklärung 211, 220, 502 Auflage Druckauflage 326 verbreitete Auflage 326 Verkaufsauflage 326 Auflagenkonzentration 246 Auslandskorrespondent 111 Aussagenforschung 20 Ausspielwege 252 Ausstrahlungseffekte 548, 588 Auswahl bewusste 537, 538 theoretische 543 Auswahlmodelle 349 Auswahlverfahren 536, 543 Authentizität 468 Autonomieparadigma 431 B Bachelor- und Masterstudiengänge 15, 49, 53, 54, 118 Balance-Modell 456, 457 Bartering 294 Bedürfnisbefriedigung 355 Befragung 43, 47, 352, 509, 523, 531, 539, 544, 545, 598 Face-to-face-Interview 559 Formen der 553 internetgestützte 564 schriftlich-postalische 563 -smodi 559 telefonisches Interview 561 unstrukturiertes Interview 557 vollständig standardisiertes Interview 554 Begabungsideologie 169 Sachindex <?page no="613"?> Anhang 614 Beihilfedebatte 265 Beihilfekompromiss 266 Beobachtung 352, 523, 531, 539, 544, 580, 598 im Feld versus im Labor 583 offene versus verdeckte 583 Probleme der 587 strukturierte versus unstrukturierte 584 teilnehmende versus nichtteilnehmende 584 Varianten der 582 Beobachtungseinheiten 582 Beobachtungsschema 581 Berichterstattung Auslandsberichterstattung 135 Hintergrundberichterstattung 221 Lokalberichterstattung 194 politikferner Bereich der 231 Berliner Funkausstellung 217 Besatzungsmächte 41, 194, 225, 226 Rundfunkpolitik der 257 Besatzungs- und Soldatensender 257 Besatzungszonen 227 Bestands- und Entwicklungsgarantie 267 Beurteilungskompetenz 101 Bevölkerungsumfrage 469, 473 Bezahlinhalte 302 Bezahlmodelle 292, 302 Bezahlschranke 288, 292, 302 Bildungsunterschiede 377 Binnenpluralismus 415 Blindstudie 597 Blockbücher 33 Blog 76, 78, 95, 97, 162, 278, 497 Blogger 110, 163 Blogosphäre 162 Bolognaprozess 15, 49, 54 Bottom-up-Projekt 99 Bottom-up-Prozesse 365 Boulevardmedien 165, 166 Breitbandkabel 212, 218, 266 Brief 76 Buchdruck 33, 78, 79, 211, 212, 214, 220 Bundesamt für Statistik 285 Bundesfernsehanstalt 259 Bundeskartellamt 286 Bundesnetzagentur 421 Bundesrepublik Deutschland 43, 116, 217, 254, 258, 413, 417, 421, 452 Bundestagswahl 197, 201, 469 1976 469, 471 2009 195 Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter (BVDA) 254 Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) 252, 279, 285, 299, 300, 303, 347 Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) 302 Bundesverfassungsgericht 255, 260, 267, 296, 420 Bürger 128, 132, 213, 374, 417, 419, 425, 430, 431, 436, 473, 502 Bürgerjournalist 110 Businessmodell der Verlage 252 C Castingshow 465 CB-Funk 76 Chapel-Hill-Studie 379 Chat 76, 78, 88, 91, 94, 95, 157, 193, 210, 219, 278, 280, 497, 565 Chatinterview 565 Clickstream 341 Codebuch 569, 572, 573 Code-Kompetenz 101 Codieranweisungen 572 Community 96, 99, 496 Computer 91, 100, 158, 218, 221, 222, 490, 212 Computer Assisted Telephone Interviews (CATI) 561 computer literacy 79 Computerrahmen 91 Computerspiele 497, 498, 500, 505 und Gewalt 515 Content 89, 292, 300 Content-Syndication 97 Copytest 331 Co-Regulierung 412 Crossmedia 300 Crossmedia-Verflechtungen 285, 414 Cultural Studies 167, 171, 209, 361, 363, 388, 465, 480, 521, 522, 575 Cybermobbing 497 <?page no="614"?> Sachindex 615 D DABplus 277 Darbietungsformen 188 Datenkommunikation 89 Datenkompression 276, 277 DDR 15, 41, 47, 50, 116, 169, 192, 217, 230, 263, 296, 410, 413, 416, 417 Presse in der 230 Debriefing 597 Deckeneffekt 376 Decoder 277, 298 deduktiv 570 deduktive Kategorienanwendung 575, 578 deduktiv-nomologische Forschung 347 Dependenzansatz 431 Determinationsthese 142, 431 Deutsche Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) 24, 52, 88 Deutsche Presseforschung Bremen 45 Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG) 141 Deutscher Journalisten-Verband (DJV) 114, 121 Deutscher Presserat 49, 117, 150, 151, 196, 202, 412, 421, 423 Deutscher Rat für Public Relations 423 Deutscher Werberat 423 Deutscher Zeitungswissenschaftlicher Verband (DZV) 39, 40 Deutsche Welle 256, 260, 261, 262 Deutungsmuster 462 Differenzhypothese 375 Diffusion 370 von Nachrichten 372 von technischen Innovationen 371 Diffusionsforschung 369 Diffusionsgeschwindigkeit 372, 373 Diffusionsprozess 370 Diffusionsrate 372, 373 Digital Divide 377 digitale Güter 299 digitale Inhalte 252, 253 digitale Märkte 252 digitales Marketing 252 digitales Radio und Fernsehen 218, 277 digitale Technik 116 Digitalisierung 53, 157, 158, 211, 252, 255, 267, 268, 274, 276, 279, 299, 300, 410 Digital Natives 346 Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) 268 Direktsatellitenrundfunk 276 Diskursanalyse 575 Diskursethik 154 diskursive Strategien 166 Distributionsrahmen 91 Doppelblindstudie 597 Drei-Phasen-Modell 491 Drei-Stufen-Test 263, 265, 282, 297 Dritte Programme 259, 261, 297 Drittes Reich 40, 41, 410, 417 Drittvariable 592 Druckmedien 221 Druck(-technik) 212, 213, 214, 220 Akzidenzdruck 220 Flachdruck 220 Hochdruck 220 Tiefdruck 220 DSL-Technik 276 duales Rundfunksystem 194, 207, 254, 267, 411, 474 DVB-Standard 277 dynamisch-transaktionales Modell 388, 389, 390 E E-Book 495 E-Commerce 86, 90, 301 Einblattdrucke 33 Einigungsvertrag 263 Einschaltquote 336 Einstellungen 449 affektive Komponente 450, 451 Änderung von 453, 454, 456, 458 kognitive Komponente 450, 452, 453 Funktionen von 450 konative Komponente 450 Einstellungsforschung 453 Einzeitungskreise 229 Eisenbahntest 467, 471, 473 E-Learning 90 elektronische Produktionssysteme 116 elektronischer Publizist 110, 116 <?page no="615"?> Anhang 616 elektronisches Broadcasting 116 elektronische Speichermedien 79 elektronisch mediatisierte Kommunikation 101 elektronisch mediatisierter Kommunikationsraum 89 Elektronisierung 255 E-Mail 76, 88, 90, 91, 94, 157, 162, 219, 278, 280, 565 E-Mail-Interview 566 Emoticon 99, 193 Emotionalisierung 167, 465 Emotionen 463, 465 Emotionspsychologie 463 empirische Kommunikationsforschung 16 empirische Sozialforschung 531, 545 empirisch-sozialwissenschaftliche Wende 16, 409 Encodierung 353, 364 Encoding/ Decoding-Modell 363 Enjoyment 362 Enkulturation 385, 481 E-Paper 280, 281, 292, 300 Erlöse Anzeigenerlöse 86, 223, 228, 290, 291 aus E-Commerce 301 aus Inhalten 300 aus Internetservices 301 aus Werbung 300 Beilagenerlöse 290 Gebührenerlöse 223 Vertriebserlöse 86, 223, 228, 280, 290, 291 Werbeerlöse 86, 223, 267, 280, 295, 298 Erlösmodelle 292 Erlösrelationen 228 Erster Weltkrieg 36, 115, 216 Erwartungseffekte 588 Eskapismus-Konzept 356 Ethik 149 Berufsethik 121 Gesinnungsethik 118, 150 journalistische 129, 153 Publikumsethik 153 Reflexionsfunktion 155 Steuerungsfunktion 155 Verantwortungsethik 118, 150 EU-Fernsehrichtlinie 274, 421 Europäischer Gerichtshof 274, 297 Europäisches Parlament 275 Europäische Union (EU) 255, 274, 297, 412 Evaluationsstrategien 352 Excitation-Transfer-Ansatz 362, 465 Experiment 43, 589, 598 Durchführung 594 Generalisierbarkeit 592 Kontrolle 591 Laborexperiment 593 Manipulation beim 591 Typen 594 Experimental Approach 43 experimentalpsychologische Forschung 43 Exploration 541 Eye-Tracking 331, 342 F Facebook 64, 95, 191, 219, 222, 252, 282, 301, 490, 495, 501 Fachhochschulstudiengänge 49, 119 Faktor 591 Feedbacks 89 Feindbilder 451 Feldexperiment 593 Fernsehbeirat 259 Fernsehen 79, 100, 189, 190, 217, 220, 221, 225, 255, 257, 270, 285, 334, 377, 385, 386, 468, 469, 470, 471, 473, 495, 500, 502, 212 digitales 212, 277 hoch auflösendes 217 Nutzung durch Kinder 489 und Sozialisation 486, 487, 489, 490 Fernsehjournalismus 115 Fernsehnutzung 270, 345, 350 Fernsehrat 260 Fernsehumgebung 386 Fernseh-Weltbild 386 Film 42, 79, 216, 225, 463 Farbfilm 212, 216 Spielfilm 217 Stummfilm 216 Tonfilm 216 Finanzierung der Medien 284 Finanzierungsformen 252 Flugblatt 37 Flugschrift 37 Foren 90, 94 Format 188 <?page no="616"?> Sachindex 617 Formatradio 190, 216 Forschungsablauf qualitative Forschung 543 quantitative Forschung 534 Forschungstechniken 25, 531, 538, 545 Überblick 598 Fotografie 212, 216 Fragebogenkonstruktion 550 Fragetypen 549 offene und geschlossene Frage 549 Programmfrage und Testfrage 550 Strukturierungsfragen 551 Varianten 550 Frame Building 383 Frames 544 Frame Setting 383 Framing 141, 357, 383, 462 strategisches 144 Frankfurter Schule 23, 48, 524 Freier Deutscher Jugendverband (FDJ) 50, 232 Freiwillige Selbstkontrolle 152, 273, 412 Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) 273, 412, 423 Freiwillige Selbstkontrolle Film (FSK) 273, 412, 423 Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM) 273, 412, 423 Freizeitgestaltung 500 Frequenzknappheit 260, 276 Frosch- und Vogelperspektive 470 Funkmedien 221, 222 G Gatekeeper 134, 159, 162 Gatekeeper-Forschung 133, 134 Gatekeeping 141, 162 Gatewatching 162 Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (GEZ) 296 Generalanzeigerpresse 35, 115 Generallizenz 194 Genre-Lehre 192 Genres 386 Geschäftsmodelle 292, 300 im Internet 301 Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung (GfK) 286 Gesinnungspresse 115 Gesinnungspublizistik 169 geteilter Bildschirm 351 Gewalt 505, 510, 512, 515 fiktionale 512 physische 489, 505, 512 psychische 489, 505, 512 reale 512 Gewaltdarstellungen 24, 368, 385, 386, 423, 480, 507, 510 Gewaltenkonzentration 230, 416 Gewaltenteilung 116, 223, 422, 430 Gewaltforschung 368, 389, 463, 465 kulturvergleichende 514 Mediengewaltforschung 506 Gewalttheorien 506 GfK-Fernsehforschung 271, 334 GfK-Meter 585 GfK-Panel 334 Glasfaserkabel 276 Glaubwürdigkeit 157, 349, 455, 468 Glaubwürdigkeitsverlust 157 Globalisierung 53 Globalität 222, 280 global village 85 Goebbels-Schnauze 257 Golfkrieg 373, 383 Governance 412 Governance-Ansatz 411 Government 412 Gratifikationen 354, 386, 465, 486 erhaltene 356 gesuchte 356 kompensatorische 356 Gratifikationsforschung 354, 356 Gratiskultur 292 Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) 268 Grundgesamtheit 537 Grundgesetz 116, 117, 258, 260, 420, 502 Grundversorgung 207, 267, 270 Gruppendiskussion 557 GS/ GO- Modell 356 Günther-Kommission 228 Gütekriterien empirischer Forschung 532 Gütekriterien qualitativer Forschung 541 Güterabwägung 420 <?page no="617"?> Anhang 618 H Halo-Effekte 588 Handy 277, 297, 346, 495, 498, 499 Hans-Bredow-Institut 44, 45 Happy talk-Format 168 HDTV (High Definition Television) 212, 217 Heavy User 98 Historismus 34 Hörer 333 Hörerschaftsforschung 331 Hörfunk 212, 215, 218, 221, 225, 255, 270, 285 Hörfunknutzung 270, 331 MA Radio 332 Hörfunk-Trends 332 Human Computer Interaction 93 Hybridisierung 210 Hybridmedium 218 Hyperlink 156, 193 Hypertextstruktur 278 Hypertextualität 156, 222, 280 Hypothese 596 I Identifikation 488 Identität 486 Identitätsangebote 523 Identitätsbildung 487, 500 Identitätsfindung 496, 501 I-Faktor 145 Illustrierte 253 Image 349, 471 Impressum 228 Individualisierung 53, 83, 485 Individuation 482 induktiv 570 induktive Kategorienentwicklung 575, 578 Inferenz 569 Informationsbeschaffung 124 Informationsdiffusion 370 Informationsfreiheit 300, 417, 502 Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) 286, 326, 338 Informationsübertragung 461 Informations- und Kommunikationsdienste- Gesetz (IuKDG) 283 Informationsverarbeitung 353, 364, 461 Informationsverbreitung 371 Infotainment 168 Inhaltsanalyse 43, 47, 193, 197, 348, 509, 531, 539, 544, 566, 598 computerunterstützte, automatisierte 578 qualitative 570, 575 quantitative 570, 572 Inkunabeln 213 Innovatoren 371 Institut für Demoskopie (Allensbach) 44, 248, 286, 327, 340 Institut für den Wissenschaftlichen Film 45 Institut für Rundfunkwissenschaft 39 Institut für Zeitungsforschung (Dortmund) 45 institutionentheoretische Ansätze 251 Instrumentalisierungsparadigma 431, 432 instrumentelle Aktualisierung 133, 141 Integration 96, 167, 423, 424, 427, 468, 480, 481, 482, 486 integrative Sozialtheorien 170 Intendant 259, 260, 261 Intentionalität 66 Interaktion 65, 92, 93 aggressive 514 gelingende 143 parasoziale 82, 352, 360, 487 soziale 65, 427, 486 inter-aktive Effekte 436 Interaktivität 92, 94, 98, 157, 222, 280 Mensch-zu-Maschine 94 Mensch-zu-Mensch 95 interdisziplinärer Fachcharakter 19 Intereffikation 142 Intereffikationsmodell 143 Adaptionen 143 Induktionen 143 Intermediär 301, 430 Internationale Presseausstellung Pressa 38 Internationalisierungsbestrebung 239 Internet 158, 191, 210, 220, 249, 277, 299, 304, 373, 377, 419, 474, 490, 495, 212 Interneteuphorie 236 Internetnutzer 341 Internetnutzung 346 Internettelefonie 563 Internetuser-Forschung 338 interpretative Forschung 347 <?page no="618"?> Sachindex 619 intersubjektive Nachvollziehbarkeit 532, 536, 539, 569 Inter-Transaktion 388 Interview -Befragung Interviewerschulung 548 Intra-Transaktion 388 Involvement 352, 359, 362, 435 Involvement-Konzept 359, 360 Low-Involvement-Modell 359 Low-Involvement-Verarbeitung 366 ISDN-Fernmeldenetz 276 Isolationsfurcht 466, 472, 474 Issue Building 143 J Journalismus Akademien für 119 anwaltschaftlicher 128 Ausbildung 117, 125 Ausbildungsdebatte 118 Ausbildungsinhalte 119 Ausdifferenzierung des 115 Boulevardjournalismus 132, 164 crossmedialer 111, 163 Diplomstudiengänge 49, 118 Durchbruch des 115 Enthüllungsjournalismus 128 erschlichener 129 Fehlleistungen des 149 Formierung des 115 -forschung 169 Frauen im 125 Genese des 114 Geschichte des 113 Häppchenjournalismus 159 in Deutschland (Studie) 124 Informationsjournalismus 128, 164 interpretativer 128 investigativer 128 Verhältnis zu PR 141, 142 Determinationsthese 142 Intereffikationsthese 142 Vertrauen in den 132 Wandel des 161 Darstellungsformen 188, 191 Individualethik 150 Professionsethik 151 Katastrophenjournalismus 129 Kompetenzen 120 korrespondierender 113 Kritik- und Kontrollaufgaben des 116, 124, 128 Marketingjournalismus 129 mobiler 111 New Journalism 129 Objektivität im 111, 196 partizipativer 162 populärer Journalismus 167 Präzisionsjournalismus 128 Professionalisierung 118 Public Journalism 129 Qualität 145, 196, 241, 250 Qualitätskriterien 147 Rechtsgrundlage 117 redaktioneller 113 Scheckbuchjournalismus 129 schriftstellerischer 113 Selbstorganisation des 251 Sensationsjournalismus 111, 129, 132, 164 Studium 125 systemreformierender 36 theoretische Konzepte 169 U-Journalismus 165 und Unterhaltung 111 und Verantwortung 150 Journalist 122 Ausbildung 117, 118, 121 Begabungsberuf 117, 121 berufliche Sozialisation 121, 134 Konkretisierungsphase 121 Konsolidierungsphase 121 Rekrutierungsphase 121 Berufsbezeichnung 117, 121 Berufsbild 112, 121, 122, 127 Berufsforschung 112 Berufsgeschichte 113 Berufsranking 131 Berufsrolle 155 Berufsverständnis 121, 127, 129 Berufswirklichkeit 121, 151 Berufszufriedenheit 124, 125, 126 Berufszugang 117, 416 freier 111, 122, 127 Fremdbild 122 Generationswechsel 129 Image 111, 130, 131 <?page no="619"?> Anhang 620 -innen 125 Orientierungsmedien des 124 Parteipräferenzen 126 Rollenverständnis 123, 124, 125, 129 Selbstbild 112, 122, 129 Sonderrechte 117 Sorgfaltspflicht 117 soziale Lage 112 Journalistenenquete 123 Journalistenschule 118 Journalistenstudien 110, 112, 123 Journalistik 50 Jugendkultur 501 Jugendliche 494 Medienbesitz und -nutzung 495 und neue Medien 496 Jugend(medien)schutz 269, 272, 274, 412, 420 -programme 273 K Kabelfernsehen 255, 276 Kabelrundfunk 284 -Pilotprojekt 267 Kalter Krieg 47, 373 Karlsbader Beschlüsse 34, 115 Kartellgesetz 421 kategoriengeleitetes Vorgehen 542 Kategoriensystem 569, 572, 575 Katharsisthese 506 Kernenergie 141 KIM-Studie (Kinder und Medien) 489 kindliche Entwicklung 490 Kino 216 Kirch-Gruppe 270 Kleingruppenforschung 43 Kleinkinder 490 Knowledge-Gap-Effect 377 Knowledge Leveler 377 kognitive Dissonanz 348, 372, 456, 457, 459 kognitive Frames 462 kognitive Konstruktivität 355, 358 kognitive Psychologie 461 kognitiver Prozess 491 kognitiver Stil 381 kognitive Schemata 462 kognitives Gleichgewicht 456 kognitives System 457 kognitive Struktur 451, 457 kognitives Ungleichgewicht 456 kognitive Verarbeitung 488 Kommentarfunktion 89 Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) 268, 272 Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) 268, 271, 286, 347, 414, 423 Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) 286, 295, 297 Kommunikation 31, 64, 65, 80, 92, 389 als Prozess 67 animalische 64 anzeigende 71 Arten von 76 computervermittelte 17, 63, 64, 68, 71, 79, 88, 91, 92, 93, 95, 98, 100, 101, 192, 206, 210, 362 Face-to-face- 17, 65, 67, 76, 77, 81, 93, 206 gesellschaftliche 410 Gruppenkommunikation 76, 91, 210, 218, 219, 304 Humankommunikation 64 im engeren Sinne 64 im weiteren Sinne 64 Individualkommunikation 91, 206, 210, 218, 304 individuelle Wirkungen von 448 intendierte 71 interpersonale 17, 67, 83, 90, 91, 370, 372, 376 interpersonal-öffentliche 97 intrapersonale 67 Many-to-Many- 98 Many-to-One- 98 Massenkommunikation 17, 64, 68, 71, 77, 79, 83, 84, 90, 93, 115, 206, 210, 218, 219, 304, 410 Netzkommunikation 98 nonverbale (nichtsprachliche) 67, 70, 95, 188 öffentliche 31, 76, 77, 78, 92, 109, 141, 162, 211, 213, 323 One-to-Few 98 One-to-Many 98 One-to-One 98 persuasive 32, 368 subanimalische 64 <?page no="620"?> Sachindex 621 technisch vermittelte (Tele-)kommunikation 17 verbale (sprachliche) 67, 70, 74, 77 zwischenmenschliche 64, 67, 68, 69, 70, 77, 82, 83, 92, 95, 215, 223, 410, 450, 455 Kommunikationsformen 67 Kommunikationsgeschichte 18 Kommunikationsgrundrechte 410, 417, 419 Grenzen und Schranken 420 Kommunikations-Kanal 65, 66, 69, 75, 76, 93, 208 auditiver 69, 71, 76, 193 gustatorischer 70 nonverbaler 64 nonverbaler (nichtsprachlicher) 193 olfaktorischer 70 taktiler 70 thermaler 70 verbaler (sprachlicher) 64 visueller 67, 69, 71, 76, 193, 221 Kommunikationspartner 65, 66, 68, 70, 73, 74, 80 Kommunikationspolitik 409, 410, 411 Kommunikationsprozess 66, 67, 73, 85, 206 Kommunikationsraum neuer 90 Kommunikationssatellit 277 Kommunikationssituation 31, 66 Kommunikationsstrukturen 370 Kommunikationswissenschaft 16, 31, 284 psychologische Aspekte 448 soziologische Aspekte 480 kommunikatives Gefälle 66 Kommunikator 74, 100, 109, 162, 191, 220, 223, 448, 455, 456 Laienkommunikatoren 163 Kommunikatorforschung 20, 110, 111, 112, 169, 539, 546, 567, 581, 598 Kommunismus 410, 413, 416, 417 Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten (KDLM) 271 konfessionelle Presse 254 Konformitätsdruck 466, 467 Konfundierung 593 Kongruenz 456, 458 Kongruenz-Modell 456, 458 Konsistenz 456, 458 Konsistenzeffekte 548 Konsistenztheorie 456 Konsonanz 435, 456, 459, 468, 471 Konstruktivismus 197 Kontaktqualität 331, 338 Kontrollthese 87 Konvergenz 88, 211, 274, 276, 410 inhaltliche 157, 276 technische 157, 276 Konzentrationskontrolle 272 im privaten Rundfunk 270 Koppelprodukt 286 Kostenloskultur 300 Kovariation 589 kritische Handlungstheorien 170 Kritische Theorie 47, 48, 171, 524 Kultivierung 434 Kultivierungsanalyse (cultivation analysis) 385 Kultivierungseffekte 385, 387 Mainstreaming-Effekt 386 Resonanzeffekt 386 Kultivierungsforschung 385, 502 Kultivierungsthese 385 Kultur 363, 385, 514 Kultur als Text 361 kulturelle Indikatoren 385, 388 Kulturtheorie 357 Kumulation 435, 468 L Landesmedienanstalten 268, 286, 295 Landesmediengesetze 254, 264, 267, 420, 421 Landespressegesetze 117, 420, 421 Landesrundfunkanstalten 259, 298 Landesrundfunkgesetze 254, 420, 421 Landesverfassungen 117 Langzeitstudie Massenkommunikation 343, 554 Last-Minute-Swing 469 latenter Inhalt 569 Lebenswelt-/ Lifestyle-Typologien 328 legitimistischer Empirismus 170 Leiharbeit 240 Leistungsentgelt 294 Leistungsschutzrecht 299 Leitfadeninterview 555 Lektor 111 Lenin’sche Pressetheorie 50, 230 Lernen am Modell 488 Lesart dominante 361 oppositionelle 361 <?page no="621"?> Anhang 622 verhandelte 361 Leser 329 Leserbedürfnisse 149 Leser-Blatt-Bindung 280 Leserreporter 110, 163 Leserschaftsforschung 326 Lexikalisierung 579 Linguistik 171 Litigation-PR 155 Lizenzpflicht 416 Looking-Glass-Hypothese 472 Lurker 100 M Magazin 189 manifester Inhalt 569 Manipulation 470 Mapping 94 Marketing 148, 410 redaktionelles 148, 149 Zeitungsmarketing 148, 149 Markt Anzeigenmarkt 228, 279, 281, 286, 291 Lesermarkt 228, 286 Medienmarkt 285, 303 Publikumsmarkt 303 Rubrikenmarkt 282 Werbemarkt 298, 303 Zuschauermarkt 270 Medienmarkt 86 Marktanteil 270, 337 Marktbearbeitungsstrategien 239 Markteintritt 239 Marktzutritt 86, 285, 303 Marxismus-Leninismus 15, 41, 50, 51, 171, 192, 230 Mashup 97 Masse 79 Massengesellschaft 364 Massenkommunikation - Kommunikation Massenmedien 189, 198, 207, 211, 214, 364, 368, 378, 436, 460, 461, 481, 486, 501 Funktionen der 422 Kontrollfunktion der 422 Kritik- und Kontrollfunktion - Medien Organisationsformen 223, 414 Recht der 420 Thematisierungs- und Strukturierungsfunktion der 382 und Gewalt 505 Massenpresse 34, 164, 225 Matching 596 materialistische Gesellschaftstheorie 48 materialistische Medientheorie 169 Mauerfall 232 Mediaforschung 324 Media Governance 410, 412 Medialisierung 21, 428, 435 politischer Akteure 435 Media Literacy 101 MediaScan-Verfahren 331 Media-Sharing-Plattform 95 Mediathek 324 Mediating Factors/ mediatisierende Faktoren 460 Mediatisierung 53, 435 Mediatisierungstheorie 523 Medien 206 als Instrument der Weltaneignung 492 analoge 299 audiovisuelle 220 Begriffe 203 Dienstleistungsfunktion der 423 digitale 299 Eigengesetzlichkeiten der 220 elektronische 42 Emotionen und Medien 464 Finanzierung der 284 flüchtige 221 freie 224, 415 Funktionen für das ökonomische System 426 Funktionen für das politische System 425 Funktionen für den Einzelnen 427 gesellschaftliche Funktionen 425 Informationsfunktion der 424 interaktive 98 Konzept der mächtigen 142 Konzept der ohnmächtigen 142 Kritik- und Kontrollfunktion der 419, 422, 425, 503 lineare 222 Macht der 85, 422, 431 Menschmedien 33, 213 Medium 68, 206, 209 <?page no="622"?> Sachindex 623 neue Medien 86, 109, 276, 304 nichtlineare 222 öffentlich-rechtlich organisierte 224, 415 Onlinemedien - Onlinemedien Politik und Medien 430 Prägkraft der 523 primäre 68, 208 privatwirtschaftlich verfasste 223, 224, 414 quartäre 69, 208 Schreibmedien 33, 213 sekundäre 68, 208 Sozialisationsfunktion der 423, 425, 486 statische 221 tertiäre 68, 208 totalitär organisierte 416 traditionelle 191 Unterhaltungsfunktion der 423 Werbefunktion der 424 Medienanalyse 575 Medienangebot 209, 323 außenplurales 414 Medienanwendung 94, 157, 208, 276, 304, 496 Medienbotschaft 323, 347 Mediendienste lineare 275 nichtlineare 275 Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV) 255, 283 Medienerlebnis 464 Medienforschung 20, 206 Medienfreiheit 411 Medienfusionskontrolle 421 Mediengeschichte 18, 211, 225 Mediengewalt 506 Mediengewalteffekte 510 Mediengewalt-Theorien 506 Medieninhalt als Text 361, 363 Medieninhalte 133, 188 Medieninhaltsforschung 188, 193, 200, 539, 567, 598 Medienkindheit 494 Medienkommunikation 410 Medienkompetenz 101, 154 Medienkonvergenz 335 Medienkonzentration 224, 272 Medienkonzerne 282 Medienkritik 87 Medienlenkung 416, 417 Medienlogik 436 Mediennutzer 94, 162, 167, 221, 328, 340, 358, 426, 586, 592 Mediennutzung 81, 344, 347, 349, 354, 464 von Kindern 489 Mediennutzungsforschung 539, 581, 598 Medienökologie 149 Medienökonomie 284 Medienpersonen 500 Medienpolitik 21, 410, 431 Medieninfrastrukturpolitik 411 Medienordnungspolitik 411 Medienorganisationspolitik 411 Programm- und Informationspolitik 411 Medienqualität 147 Medienrat 268, 412 Medienregeln 99, 499 Medienregulierung 225, 411, 412 Medienrezeption 323, 347, 357, 360, 361, 363, 388, 389, 465, 587 Medienselbstkontrolle 155, 423 Mediensozialisation 485, 486, 500, 501 bei sozial benachteiligten Heranwachsenden 493 Medienstaatsvertrag 255, 267 Medienstruktur 193 Medienstrukturforschung 539, 546 Mediensysteme 413 Mediensystemforschung 413 Medientenor 468, 473 Medienunternehmen 206 Medienverweigerung 87, 154 Medienwandel 473 Medienwirkung 21, 85, 348, 448, 464 auf Einstellung und Verhalten 368 auf politische Akteure 435 auf Wertvorstellungen und Weltbilder 384 auf Wissen 369 individuelle 87, 448 politischer Kommunikation 432 soziale 87 Medienwirkungsforschung 367, 436, 448, 452, 463 medienzentrierter Ansatz 354 Medienzugang 410 Meinung 449 Mehrheitsmeinung 466, 472 Minderheitsmeinung 467 Meinungsbildung 453, 466, 473 Meinungsbildungsprozess 370 <?page no="623"?> Anhang 624 Meinungsfreiheit 86, 158, 274, 417, 502 Meinungsführer 368, 369 Meinungsklima 434, 468, 469, 472, 473 doppeltes 468, 470 Meinungsrichtung 467 Meinungsverteilung 467, 472 Meinungsvielfalt 224, 270 Memorandum zur Journalistenausbildung 49, 118 Merchandising 294 metakommunikatives Axiom 71 Methoden 25, 531, 598 qualitative 544 quantitative 538, 539 Methodenpluralismus 54 Methodenwahl 538, 544 Michel-Kommission 228 Mittelalter 213 mobile Dienste 238 mobile Endgeräte 90, 163, 210, 222, 237, 238, 280, 281, 282, 292, 297, 300, 303, 498 Mobilfunk 277 Modifikationsmöglichkeiten 94 Mood-Management 358, 359, 491 Mood-Management-Ansatz 464 Moral 149 Multimedia 276, 410 rechtliche Aspekte von 283 Multimedialität 157, 222, 278, 280, 282 Multimedia-Unternehmen 282 Multiple-Source-Erhebung 325 Multi-Step-Flow-Modell 369 Münchner Schule 41 Muße 492 Must-carry-Verpflichtung 269 N Nachkriegszeit 129, 225, 226, 257, 483 Nachrichtenagentur 147, 215 Nachrichtenauswahl 133, 134 Aktualisierungsmodell 140 Finalmodell 138 Inszenierungsmodell 140 Kausalmodell 138 Selektionsmodell 140 Zwei-Komponenten-Modell 138 Nachrichtenbüro 114 Nachrichtenfaktoren 133, 134, 136, 137, 354, 372 Additivitätshypothese 135 Faktorendimensionen 137 Komplementaritätshypothese 135 kulturabhängige 135 kulturunabhängige 135 Selektionshypothese 135 Verzerrungshypothese 135 Wiederholungshypthese 135 Nachrichtenrezeption 138, 365, 389 Nachrichtenselektion 135 Nachrichtenübermittlung 215 Nachrichtenwert 134, 354, 372 Nachrichtenwerttheorie 133, 134, 138 Nachrichtenwesen 37 Geschichte 113 Nachricht und Meinung 196 narratives Interview 557 Nationalsozialismus 31, 38, 47, 114, 115, 116, 214, 216, 225, 256, 410, 413, 416 nationalsozialistische Presseführung 39 Netiquette 99 Netzwerkforschung 370 Netzwerkgesellschaft 364 News Bias 141 News-Bias-Forschung 134 Newsdesk 163, 241, 281 Newsfeed 97 Newsroom 163, 281 news values 134 normativer Individualismus 169 Nutzenansatz 355, 357 Nutzer 94, 371 Nutzerbeteiligung 163 Nutzercommunitys 96 Nutzerkommentare 78 Nutzerschaftsanalysen 325 Nutzertracking 585 Nutzungsgewohnheiten 189 Nutzungsmuster 386 O Objektivität 128, 424 als journalistischer Anspruch 424 als politischer Anspruch 471 wissenschaftliche 539, 569 offener Kanal 268 öffentliche Aufgabe 422 <?page no="624"?> Sachindex 625 öffentliche Finanzierung 251 öffentliche Kommunikation - Kommunikation öffentliche Meinung 34, 35, 37, 46, 165, 368, 419, 422, 466, 472 öffentliche Rede 32, 37, 40, 77, 188 öffentlicher Rundfunk 254, 256 öffentliches Interesse 420 Öffentlichkeit 32, 77, 116, 161, 211, 213, 214, 223, 251, 425, 430, 468, 472 okkasionelle 32 Öffentlichkeitsarbeit 86, 142 öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme 262 öffentlich-rechtliche Onlineangebote 265 öffentlich-rechtlicher Rundfunk 80, 86, 124, 131, 189, 190, 194, 195, 199, 207, 224, 254, 258, 260, 265, 267, 282, 285, 347, 414, 420, 471 Finanzierung 295 Ökonomisierung 53 Ölkrise 382 Olympische Spiele 217 Onlineangebote 158 Onlinecommunity 98 online first 241 Onlinefragebogen 564 Onlinejournalismus 111, 116, 156 Onlinejournalisten 158, 160 Onlinekommunikation 77, 218, 410 Onlinemedien 122, 159, 192, 207, 220, 222, 224, 250, 255, 283, 285 Charakteristika 156 Finanzierung 299 Onlineportal 278 Onlinezeitschrift 300 Onlinezeitungen und -zeitschriften - Zeitung, Zeitschrift operationale Definition 573 Oralität 32, 211 primäre 213 Organisationsethik 152 organisierende Beteiligte 100 Orientierungsbedürfnis 381 Ostdeutschland 116, 232, 235, 263, 296 Österreich 54, 250 Outsourcing 240 P Page Impressions 341 Page Visit 341 Paid Content 225, 249, 250, 280, 300, 546 Paradigmenwechsel 354 Parallelisieren 596 parasoziale Beziehungen 360 Parteiidentifikation 434 Parteizeitung 115 Partizipationsgewinn 162 Partizipient 323 Pay-TV 218, 223, 269, 294 private Anbieter 269 Programme 270 Penny Press 164 Personalisation 482 Personalisierung 96, 134, 137, 165, 195, 197, 136 Persönlichkeitsentwicklung 481 Persönlichkeitsschutz 86, 149, 420 Persuasionsforschung 368, 374, 384, 449, 454 Petitionsrecht 419 Plattform 269 Pluralismus außenplurales Modell 224 Binnenpluralismus 224 Podcasting 97 Policy 428, 429 Policy-Agenda-Setting 437 Policy-Cycles 437 Political Approach 43 Politics 428, 429 Politik 428, 430, 465 Politikberichterstattung 195 Politikfeldanalyse 437 Politikverdrossenheit 505 Politikvermittlungsexperten 430 politische Beeinflussung 40 politische Handlungskompetenz 503 politische Kommunikation 142, 195, 409, 427, 454, 465, 471, 473 Akteure 429 Begriff 428 politische Kommunikationskulturen 432 politische Rahmenbedingungen 86 Polity 428, 429 <?page no="625"?> Anhang 626 Popular Culture 500 Pornografie 420, 423, 497 Post von der Zeitung 238 Postzeitungsdienst 288 Präsenz 362 Prepaid-Modell 292 Presseförderung, direkte 250 Pressefreiheit 116, 117, 158, 211, 232, 417, 418, 421, 422 Pressefusionskontrolle 229, 422 Pressegrossist 289 Pressegrosso 253 Pressekodex 146, 151, 153 Pressekonzentration 226, 228 Pressestatistikgesetz 229, 285 pressestatistische Zählung 2012 243 Pressestrukturanalyse 194 Pressewesen 226 Pretest 553 Primacy-Effekte 564 Prime Time 385 Priming 463, 507 Priming-Effekt(e) 383, 434, 463 Printjournalismus Finanzierung 250 Printmedien 214, 285 Printverlage 299 Prinzip der maximalen Kontrastierung 544 Prinzip der minimalen Kontrastierung 544 privater Rundfunk 264, 266, 267, 282, 285, 415, 420, 474 Finanzierung 298 Privatisierung 234 pro-aktive Effekte 436 Product-Placement 294 produsage 364 Produser 100, 323 Professionskonzept 251 Profiling 339 Programm 188 Bildungsprogramm 190, 261 Fensterprogramm 271 Informationsprogramm 222, 260, 474 Mischprogramm 189, 216 Spartenprogramm 190, 270 Strukturprogramm 189, 216 Vollprogramm 190, 261, 270 wiederkehrendes 189 Programmabfolge 221 Programmdirektion 259 Programmformat 188, 216 Programmgeschichte 188 Programmgestaltung 267 Programmkonferenz 259 Programmstruktur 189, 194, 221 Propaganda 40, 230, 257, 368, 374, 454, 463 Propaganda-Forschung 43, 568 PR-System 143 Pseudo-Ereignis 140 Public Relations (PR) 141, 158, 410, 431 PR-Akteure 430 Public Value 207 Public Value Test (PVT) 266 Public Viewing 80, 81 Publikationsentscheidung 155 Publikationsmöglichkeit Internet 158 Publikum 354 disperses 77, 80, 81, 82, 323 gefangenes 456 Präsenzpublikum 80, 323 Publikumsbild 124, 126 Publikumsforschung 325 Publikumsinteresse 165 publikumszentrierter Ansatz 354 Publizistik 37, 50, 77, 78 gedruckte 33 medienvermittelte 77 originäre 32, 77 politische 40 Publizistikwissenschaft 16, 18, 34, 38, 47, 77, 284 publizistische Einheiten 227, 243 Publizistische Grundsätze 196 publizistischer Konflikt 141 publizistisches Wettbewerbsverhältnis 222 publizistische Vielfalt 158 Q qualitative Sozialforschung 540 qualitatives Paradigma 544, 552, 560 Qualitätssicherung 147, 162 quantitative Sozialforschung 532 quantitatives Paradigma 534, 551 quasistatistisches Wahrnehmungsorgan 466, 472 Quotenstichprobe 327 Quotenverfahren 537, 538 <?page no="626"?> Sachindex 627 R radikaler Konstruktivismus 138 Radio 79, 115, 189, 216, 218, 221, 257, 270, 331, 463, 495 digitales 277 Radiojournalismus 115 Radionutzung 345 Radio-Stunde-AG 256 Radiotelegrafie 215, 254 Rahmen der (technisch vermittelten) interpersonalen Kommunikation 91 Rahmen öffentlicher Diskurse 91 Random Digit Dialing (RDD) 562 Randomisierung 596 Randomized Last Digit (RLD) 562 Random-Route-Verfahren 560 Random-Stichprobe 327 Random-Verfahren 537 Rational-Choice-Theorie/ rationale Handlungstheorien 356 Rationalisierungsmaßnahmen 288 Readerscan 331 reaktives Verhalten 588 Realismus 197 Realität 138, 140, 385, 386, 490 Darstellung von 140 Interpretation von 138 Medienrealität 138 Realitätsausschnitte 382 Realitätsvorstellung 468 Realitätswahrnehmung 486 soziale 382, 385 Realitysoap 465 Real-time-Response-Systeme (RTR) 586 Recency-Effekte 564 Recht 150 Recht auf Gegendarstellung 274, 275 Redaktion 164, 237, 240 Print- und Onlineredaktion 281 redaktionelle Linie 195, 224 redaktionelle Reorganisation 239 redaktionelles Marketing 148 Redaktionselektronik 116 Redaktionsgeheimnis 117 Redaktionskooperationen 240 Redebereitschaft 467, 472, 473, 474 Redegattungen 31 Festrede 213 Gerichtsrede 31, 211 Lob- und Tadelrede 31 Ratsrede 31, 211 Rede-/ Schweigetypen 472 Reduktion von Dissonanz 459 von Informationen 451 von Unsicherheit 427 Reflexionsthese 87 Reflexivität 66, 72 Regenbogenpresse 253 Reichskulturkammer 257, 417 Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda 39, 40, 257, 261, 417 Reichspresseamt 40 Reichspressegesetz von 1874 115 Reichsrundfunkgesellschaft 226, 256 Reichsrundfunkkammer 40 Reichssender 257 Reichstelegraphengesetz 254 Reichsverband der Deutschen Presse 36, 114 Reichweite 329 Reichweitenanalysen 325 Reichweitenforschung 324 Reichweitenmodell 252 Reihenfolgeeffekte 564, 590 Rekreationsfunktion 425 Relevanz 197 Reliabilität 534, 572 Remittenden 288 Repräsentationsschluss 537, 538 Ressort 188, 248 Restrukturierungsmaßnahmen 237 Rezeption 352, 448, 463, 464, 465 - Medienrezeption, Nachrichtenrezeption Rezeptionsforschung 347, 352, 448, 539, 581, 598 kulturorientierte 363 Rezeptionsgenuss 361 Rezeptionsprozess 461 Rezeptionsqualität 333, 347, 352, 359, 360 Rezipient 100, 189, 221, 223, 323, 379, 381, 448, 455, 457, 459, 488, 512 Rezipientenentscheidung 348 Rezipientenforschung 20, 323, 546, 598 <?page no="627"?> Anhang 628 Rhetorik 31, 211 New Rhetoric 32 wissenschaftliche 25 Richtigkeit 197 Richtlinie Audiovisuelle Mediendienste (AVMD) 274, 421 Riepl’sches Gesetz 304 Risikokommunikation 200 RTL/ Ufa/ Bertelsmann-Gruppe 270 Rubrikenanzeigen 279 Rückkopplung 80, 83, 93 Rundfunk 254, 282, 285 Aufgabenteilung 267 Begriff 255 Finanzierung 294 Rundfunkänderungsstaatsvertrag 255, 266, 268 Rundfunkanstalten 257 Rundfunkbeitrag 269, 296 Rundfunkgebühr 266, 295, 296, 298 Rundfunkkommission der Länder 295 Rundfunkkompetenz 260, 263 Rundfunkordnung (erste, zweite u. dritte) 256 Rundfunkrat 259, 261, 265, 471 Rundfunkstaatsvertrag 255, 270, 298, 420, 421 Rundfunkwesen 254, 263, 275 S Sample Survey Approach 43 Sanktionen 484 Satellitenrundfunk 267, 284, 410 Satzkosten 288 Schemata 365 Schematheorie 462 Schlüsselereignis 201 Schlüsselplan 572 Schrift 72, 78, 211 Schriftlichkeit 32 Schrifttypen 220 Schweigespirale 44, 368, 368, 448, 466, 471 Schweigetendenz 467, 472 Schweiz 54, 250 Schweizerische Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft (SGKM) 54 Second Life 96 Second Screen 84 Sehbeteiligung 336 Seher 336 sekundäre Viktimisierung 155 Selective-Exposure-Design 590 Selektion 348, 463 automatische 353 kontrollierte 353 Mehrstufigkeit 354 selektive Erinnerung 459, 460 selektive Wahrnehmung 83, 452, 456, 459, 460 selektive Zuwendung 459, 460 Ursachen für 459 Selektionsebene 353 Selektionsentscheidung 143, 349, 352, 354 Selektionserklärung 347, 354 Selektionsformen 351 Selektionsforschung 348 Selektionskette 135 Selektionskompetenz 119 Selektionsleistungen 72 Selektionsmöglichkeiten 94 Selektionsphase 350 Selektionsprogramm 158 Selektionsprozess 350, 353, 356 Selektionsstufe 354 Selektionsverhalten 137 Semiotik 73, 171 Sendelizenz 268 Sendeschema 189 Sendestaatsprinzip 274, 275 Service-Providing 301 Shitstorm 95 Single-Source-Erhebung 325 Single-Source-Verfahren 241 Skandalberichterstattung 198 Small Group Approach 43 Smartphone 90, 101, 158, 222, 238, 253, 281, 297, 300, 302, 346 Smartphone-Apps 252 SMS 76, 210, 219 Social Media 84, 191, 212, 219, 222, 252, 282, 343 Social Network Services 88, 98 Social Ratings 96 Social Web 95, 96 Sowjetische Besatzungszone (SBZ) 50 soziale Erwünschtheit 330, 547, 548, 561 soziale Haut 466 soziale Isolation 368, 468 soziale Netzwerke 64, 84, 90, 95, 278, 282, 285, 343, 500 soziale Normen 482 <?page no="628"?> Sachindex 629 Sozialenquete 112, 123 soziale Rolle 482, 487 Sozialisation 21, 85, 425, 481 durch Computerspiele 498 durch Massenkommunikation 480 durch Medien 486 durch Medienpersonen 500 durch neue Medien 496 familiäre 485 im engeren Sinn 481 im weiteren Sinn 481 mobile 498 politische 425, 434, 501, 502, 503 primäre 484, 485 prozess 489 Rollen 484 sekundäre 485 Sozialisand 484, 487 Sozialisator 484 Sozialisationsforschung 502 Sozialisationsinstanz 485, 501, 502 Sozialisationsphasen 485 Sozialisationsprozess 480, 482, 484 Sozialistengesetze 115, 116 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) 50, 230, 232 Spannung 361 Sparte 188 Speicherkapazität 157 Spielkonsole 100 Spieltheorie 357 Split-Screen-Werbung 294 Sponsoring 269, 294, 410 Sprachbarrieren 73, 74 Sprachcode elaborierter 75 restringierter 75 Sprache 68, 72, 75, 211 Appellfunktion 73 Ausdrucksfunktion 73 Chat- und SMS-Sprache 499 Darstellungsfunktion 73 elektronische Parasprache 99 Sprachkompetenz 73 sprachliche Zeichen 73 pragmatische Dimension 73 semantischen Dimension 73 syntaktische Dimension 73 Sprachlichkeit 66 Sprachperformanz 73 Staatskunde 33 Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland 264 Staatswissenschaften 16 standardisierte Umfrage 560 Statistik 33 Stereotyp 448, 451, 452, 463 Stichprobe 537, 538 Stimmung 358 Stimulus 456, 591 Stimulus-Response-Modell 367 Störvariable 592 Strategie der Evaluation 350 Streuplanung 324 Streuverlust 324 Studentenrevolte 47 Studium 52, 118, 125 Publizistik- und Kommunikationswissenschaft 118, 125 Suchmaschine 162, 299 Suchrepertoire 350 Symbiose-Paradigma 432 Symbolischer Interaktionismus 355, 357 Symbolsysteme 482 System ökonomisches 424, 425, 426 pluralistisches 86, 223, 422 politisches 116, 410, 414, 417, 422, 424, 425, 503 soziales 370, 371, 424 sozialistisches 416 totalitäres 410, 422 Systemtheorie 86, 431 funktionalistische Systemtheorien 170 T Tablet 90, 158, 253, 281, 297, 302, 346 Tablet-Nutzerstudie 252 Tabloid 237, 242 Tagging Social Bookmarking 97 Talkshow 465, 500 Tausenderpreis 291 Tausend-Kontakt-Preis 330, 333, 337, 341 <?page no="629"?> Anhang 630 Tausend-Leser-Preis 286, 291, 326 Teaser 351 Technikgebundenheit 158 Technische Konferenz der Landesmedienanstalten (TKLM) 268 Technologieneutralität 275 Teilerhebung 537 Telearbeit 90 Telebanking 90 Telefon 215 Telefonkommunikation 76 Telegrafie 114, 115, 212, 215 Telekommunikation 68, 71, 410 Telekommunikationsgesetz (TKG) 420 Telemedien 256, 265, 283 Telemediengesetz (TMG) 283, 420 Teleshopping 255, 294 Teletext 212, 276, 283 Themenkonkurrenz 380 Themenstrukturierung 379 theoretische Sättigung 543 Theorie der Commons 251 Theorienpluralismus 54 Third-Person-Effekt 472 Top-down-Prozesse 365 Total Quality Management 146, 147 Trägermedium 210 Transaktionen 389 Transaktionsfernsehen 294 transdisziplinärer Ansatz 21, 521 Transportation 362 Treatment 591 TV-Satellit 217 Tweet 78 Two-Step-Flow-Modell 369 U Überblicksmedium 248 Übernehmer-Typen 371 Überzeugungskommunikation 25, 449, 454 Umfrageforschung 43 Umschaltungen 351 UMTS-Technologie 277 Umweltbeobachtung 466, 467 Umweltthemen 200 unbegrenzte Speicherkapazität 280 Unique User 301, 339, 341 Unique Visitor 341 Unterhaltung 165, 167, 189, 190, 216, 346, 361, 427 Untersuchungsanordnung 590 Urbanisierung 115 Urheberrecht 158, 421 USA 47, 168, 373 User 162, 192, 278, 300, 301, 338 User-generated Content 95, 97, 98, 191, 571 Uses-and-Gratifications-Ansatz 355, 357, 359, 464 Kritik 356 Prämissen 355 V Validität 334, 534 externe 592 interne 593 Validitätskriterien 128 Verantwortung 154 verbalisiertes Sozialverhalten 547 Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) 253, 285, 299, 347 Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) 265, 297 Verbraucheranalyse (VA) 327 Vereinigungsfreiheit 419 Verhalten 483, 488 Verhaltenseinheiten 582 Verlage als Herausgeber 228 Verlagskonzentration 246 Verlinkung 192 Versammlungsfreiheit 419 Verstärkereffekt 348 Verstärker-Hypothese 460 Versuchsleiter 597 Versuchsperson 596 Versuchsplan 595 Verticals 252 Verwaltungsrat 259, 260, 261, 268, 471 Vierte Gewalt 116, 128, 422, 430 Videojournalist 110 Video-on-Demand 255, 275, 294 Videotelefonie 563 virtuelle Gemeinschaften 89, 98 virtuelle Vergemeinschaftung 98 virtuelle Welten 95 Visualität 32 Voice over Internet Protocol (VoIP) 563 <?page no="630"?> Sachindex 631 Volksempfänger 257 Vollerhebung 537 Volontariat 49, 117, 118, 124, 125, 161 Vormärz 34 Vorurteil 452 W W3B-Studie 340 Wahlentscheidungen 471 Wahlforschung 368, 378 Wahlkampf 378, 433 Wahlverhalten 368, 378, 434, 469 Wahrhaftigkeit 196 Web 1.0 95, 96 Web 2.0 95, 96, 101, 191, 278, 340, 346, 364, 378, 474, 212 Web 2.0-Dienste 95 beziehungsorientierte Web-2.0-Plattformen 95 inhaltsorientierte Web-2.0-Plattformen 95 Webradio 270 Weimarer Republik 46, 115, 116, 216 Werbeerlöse 237, 249 werberelevante Zielgruppe 337 Werbevermeidung 351 Werbung 269, 274, 294, 295, 297, 298, 300, 324, 368, 454 Werte 483 Wertewandel 483 Westdeutschland 41, 116, 228, 229 Wettbewerb intermediärer 228, 287 intramediärer 228, 287 Wichtigkeit eines Themas 378 relative 373 zugeschriebene 373 Wiedervereinigung 116, 194, 226, 232, 234, 263, 296, 343 Wiki 95, 97 Wikipedia 99 Wirklichkeit 85, 128, 134, 142, 492 Abbild der 85, 196 aus zweiter Hand 489 Bild der 85 Hypothesen von 138 Inszenierung von 141 Konstruktion von 142, 167 Wirkung 66, 367, 368 Wirkungsforschung 20, 354, 539, 546, 598 Wirkungsmodelle 380 wirtschaftliches Konkurrenzmodell 414 Wirtschaftsberichterstattung 199 Wissenschaftlichkeit 532 Wissenskluft 101, 374, 389 angebotsbedingte 377 nutzungsbedingte 377 rezeptionsbedingte 377 Wissenskluft-Hypothese 369, 461 Wissensstruktur 365, 448, 451 Wissensunterschiede 377 Wissensvorrat 358, 366 Wissensvorsprung 376 Wissenszuwachs 376 Wochenschau 216 World Trade Center 371 World Wide Web (WWW) 95, 278, 280, 496 Y Yale-Studies 454, 455, 460 YouTube 95, 191 Z ZAK (Kommission für Zulassung und Aufsicht) 268 Zapping 351 ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen) 259, 415 Zeichenvorrat 67, 74, 83 Zeitreihen 587 Zeitschrift 115, 188, 189, 191, 212, 214, 225, 253, 285, 292, 303 Onlinezeitschrift 279 Publikumszeitschrift 253 Zeitschriftenmarkt 254 Zeitschriftennutzung 345 Zeitschriftenverlage 253 Zeitschriftenwesen 253 Zeitung 38, 148, 189, 191, 207, 214, 221, 225, 231, 243, 285, 300, 212 Abonnement 239, 244, 247, 252, 288, 289, 290 Anzeigen 286, 290 Anzeigen-Auflagen-Spirale 291 Auflagen 244, 248, 288, 292 Aufschwung der 236 Einzelverkauf 289 <?page no="631"?> Anhang 632 Erlöse 249, 289, 292, 300 Erscheinungshäufigkeit 243 Finanzierung 249, 286 Finanzierung von Onlinezeitungen 280, 288, 300 individualisierte Tageszeitung 241 Kosten 287 Krise der 236, 242, 248, 291 Lokalausgaben 243 Onlineableger 250 Onlineauftritt 281 Onlinezeitungen 279, 300 Qualitätszeitungen 195 Reichweite 249 Tageszeitung 227, 242, 248, 282, 285, 289, 303 Vertrieb 288, 291 Zeitungsdichte 244 Zeitungskunde 15, 36, 38, 40, 50 Zeitungsmantel 227 Zeitungsneugründungen 227, 235, 303 Zeitungsnutzung 344, 354 Zeitungsqualität 147 Zeitungsressort 114 Zeitungstitel 115 Zeitungstypen 194 Zeitungswesen 15, 33, 35, 37, 148, 214, 226 Zeitungswissenschaft 16, 31, 36, 37, 38, 39, 40, 46, 50, 284 Zensur 34, 211, 214, 220, 225, 258, 416 Aufhebung der 15, 35, 116 Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) 286 Zeugnisverweigerungsrecht 117 Zielgruppe 190 Zielgruppenanalysen 328 Zufallsauswahl 537 systematische 537 uneingeschränkte 537 Zufallskonstellationen 588 Zusatzprodukt 237, 292 Zuschauerforschung 334 Zuschauermarktanteilsmodell 270 Zuschauertypen Vielseher 385, 386, 469, 491 Wenigseher 385, 491 Zwangsabgaben 294 Zweiter Weltkrieg 41, 214, 216, 217, 225, 257, 415
