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Publizistik- und Kommunikationswissenschaft

Unter Mitarbeit von Philip Baugut, Helena Bilandzic, Wolfgang Eichhorn, Andreas Fahr, Nayla Fawzi, Friederike Koschel, Marcus Maurer, Rudi Renger, Nina Springer, Jeffrey Wimmer, Susanne Wolf und Thoma

0813
2014
978-3-8385-8533-8
978-3-8252-8533-3
UTB 
Heinz Pürer

Heinz Pürer umreißt in seinem Lehr- und Handbuch umfassend und verständlich den Gegenstandsbereich der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Er beschreibt zunächst die Fachgeschichte und führt in wichtige Grundbegriffe ein, nämlich Kommunikation, Massenkommunikation und computervermittelte Kommunikation. Breiten Raum nehmen sodann die wichtigsten Lehr- und Forschungsfelder ein: die Kommunikatorforschung, die Medieninhaltsforschung, die Medien(struktur)forschung sowie die Rezipientenforschung. Schließlich wird das Fach innerhalb der Sozialwissenschaften - neben Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie - kontextualisiert. Abschließend gibt der Autor einen Überblick über die wichtigsten Methoden der empirischen Kommunikationsforschung wie Befragung, Inhaltsanalyse, Beobachtung und Experiment. Das Lehr- und Handbuch richtet sich sowohl an Studienanfänger der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie der Journalistik. Es eignet sich aber auch als Repetitorium für Zwischen- und Abschlussprüfungen in diesen Fächern.

<?page no="1"?> Ausgewählte Kapitel dieses Lehrwerks erscheinen 2015 bei UTB als Einzelbände im Taschenbuchformat: Heinz Pürer, Nina Springer, Wolfgang Eichhorn Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft Heinz Pürer (Hrsg.) Kommunikationswissenschaft als Sozialwissenschaft Heinz Pürer Journalismusforschung Heinz Pürer Medienforschung - Medienstrukturen Helena Bilandžić, Friederike Koschel, Nina Springer, Heinz Pürer Rezipientenforschung Mediennutzung, Medienrezeption, Medienwirkung Nina Springer, Friederike Koschel, Andreas Fahr, Heinz Pürer Empirische Methoden der Kommunikationswissenschaft <?page no="2"?> Heinz Pürer Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Unter Mitarbeit von Philip Baugut, Helena Bilandžić, Wolfgang Eichhorn, Andreas Fahr, Nayla Fawzi, Friederike Koschel, Marcus Maurer, Magdalena Obermaier, Rudi Renger, Nina Springer, Jeffrey Wimmer, Susanne Wolf und Thomas Zerback 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München <?page no="3"?> Prof. Dr. Heinz Pürer war 1986-2012 Ordinarius für Kommunikationswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Im Buch werden bei Berufsbezeichnungen nur die männlichen Formen verwendet. Selbstverständlich sind die weiblichen Formen jeweils mit gemeint. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.ddb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 1. Auflage 2003 2. Auflage 2014 © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2014 Einbandgestaltung und -illustration: Atelier Reichert, Stuttgart Satz: Klose Textmanagement, Berlin Lektorat: Katrina Weißer und Christiane Hörmann, Konstanz Druck: fgb · freiburger graphische betriebe, Freiburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz · Deutschland Tel.: 07531-9053-0 · Fax: 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 8249 ISBN 978-3-8252-8533-3 <?page no="4"?> 5 Inhaltsübersicht 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2 Zur Fachgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . 63 4 Zentrale Forschungsfelder der Kommunikationswissenschaft . . . . . 109 5 Kommunikationswissenschaft als trans- und interdisziplinäre Sozialwissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 6 Empirische Forschungstechniken der Kommunikationswissenschaft 531 <?page no="5"?> 6 Inhalt Vorwort zur 2. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.1 Gegenstand des Faches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.2 Das Lehr- und Forschungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.3 Der transdisziplinäre Charakter des Faches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.4 Theoretische Zugänge und wissenschaftliche Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2 Zur Fachgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.1 Rhetorik der Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.2 Öffentliche Kommunikation im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.3 Dogmatiker und Aufklärer im 17. und 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.4 Das 19. Jahrhundert: Opinionisten, Historiker, Ökonomen, Soziologen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2.5 Wissenschaftliche Zeitungskunde - Zeitungswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.6 Publizistik(-wissenschaft). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.7 Das Fach im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.8 Der Neubeginn nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.9 Von der Publizistikzur Kommunikationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.10 Studentenrevolte und Kritische Kommunikationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . 47 2.11 Die Einrichtung von Diplomstudiengängen für Journalistik . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.12 Das Fach in Ostdeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.13 Neugründungen in den neuen Bundesländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.14 Zur gegenwärtigen Lage des Faches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 <?page no="6"?> Inhalt 7 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3.1 Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3.1.1 Unterscheidung von Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3.1.2 Kommunikation und Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3.1.3 Merkmale von Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3.1.4 Kommunikation - ein komplexer Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.1.5 Kommunikation - ein vermittelter Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3.1.6 Die Kommunikations-»Kanäle« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3.1.7 Exkurs: Man kann nicht nicht kommunizieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3.1.8 Sprache und Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.1.9 Arten von Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3.2 Massenkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.2.1 Schrift - Druck - Funk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3.2.2 »Massen«-Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3.2.3 Massen-»Kommunikation« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3.2.4 Sender und Empfänger in der Massenkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3.2.5 Interpersonale Kommunikation und Massenkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.2.6 Zur Terminologie in der Massenkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3.2.7 Massenkommunikation als gesamtgesellschaftliches Phänomen . . . . . . . . . . . . . . 85 3.3 Computervermittelte Kommunikation (Springer/ Pürer/ Eichhorn) . . . . . . . . . . . . 88 3.3.1 Elektronisch mediatisierter Kommunikationsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3.3.2 Der Computer als Kommunikationsmedium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3.3.3 Interaktivität und computervermittelte Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.3.4 Web 2.0, Social Web und User-generated Content . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.3.5 Virtuelle Vergemeinschaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3.3.6 Neue Begriffe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3.3.7 Neue Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4 Zentrale Forschungsfelder der Kommunikationswissenschaft . . . . . . . 109 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4.1.1 Journalistische Berufsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4.1.1.1 Berufsgeschichte des Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4.1.1.2 Journalismus und politisches System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4.1.1.3 Ausbildung und Sozialisation im Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4.1.1.4 Berufsbild und Berufsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4.1.1.5 Zum Image von Journalisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 4.1.2 Journalisten und Medieninhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4.1.2.1 Theorien zur Nachrichtenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4.1.2.2 Nachrichtenauswahl als »instrumentelle Aktualisierung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 4.1.2.3 Journalismus und Public Relations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 4.1.3 Weitere Themen der Kommunikator-/ Journalismusforschung . . . . . . . . . . . . . . . 144 4.1.3.1 Qualität im Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 <?page no="7"?> Inhalt 8 4.1.3.2 Redaktionelles Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 4.1.3.3 Ethik und Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4.1.3.4 Onlinejournalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 4.1.3.5 Boulevardjournalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 4.1.4 Theoretische Konzepte des Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4.2 Medieninhaltsforschung (Maurer/ Pürer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4.2.1 Medieninhalte, Programme, Formate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4.2.2 Journalistische Darstellungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4.2.3 Analyse von Medieninhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 4.2.3.1 Medieninhaltsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 4.2.3.2 Politikberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 4.2.3.3 Wirtschaftsberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 4.2.3.4 Berichterstattung über Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 4.3 Medienforschung - Medienstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4.3.1 Begriff »Medium« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4.3.1.1 Medien - gesellschaftliche Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4.3.1.2 Medien - (neue) Begriffsdifferenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4.3.1.3 Medium - Dienst(e) - Diensteanbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 4.3.2 Zur Geschichte der Massenmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 4.3.3 Eigengesetzlichkeiten der Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 4.3.4 Organisationsformen der Massenmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 4.3.5 Medienstrukturen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 4.3.5.1 Pressewesen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 4.3.5.2 Rundfunkwesen in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4.3.5.3 Die »neuen Medien« in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 4.3.5.4 Zur Finanzierung der Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 4.4 Rezipientenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 4.4.1 Mediaforschung (Reichweitenforschung) (Springer/ Bilandžić/ Pürer) . . . . . . . . . . 324 4.4.1.1 Leserschaftsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 4.4.1.2 Hörerschaftsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 4.4.1.3 Zuschauerforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 4.4.1.4 Internetnutzer-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 4.4.1.5 Die »Langzeitstudie Massenkommunikation« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 4.4.1.6 Daten zur Mediennutzung 2011/ 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 4.4.2 Rezeptionsforschung (Bilandžić) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 4.4.2.1 Selektionsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 4.4.2.2 Gesuchte und erhaltene Wirkungen als Selektionserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . 354 4.4.2.3 Rezeptionsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 4.4.2.4 Medienrezeption, Kultur, Alltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 4.4.2.5 Verarbeitung von Medieninformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 <?page no="8"?> Inhalt 9 4.4.3 Medienwirkungsforschung (Koschel/ Bilandžić) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 4.4.3.1 Wirkungen auf die Einstellung und das Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 4.4.3.2 Wirkungen auf das Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 4.4.3.3 Wirkungen auf Wertvorstellungen und Weltbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 4.4.3.4 Integrative Wirkungsvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 5 Kommunikationswissenschaft als trans- und interdisziplinäre Sozialwissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 5.1 Politologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 5.1.1 Themenfeld Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 5.1.1.1 Kommunikationspolitik, Medienpolitik, Media Governance . . . . . . . . . . . . . . 410 5.1.1.2 Typologien von Mediensystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 5.1.1.3 Organisationsformen von Massenmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 5.1.1.4 Die Kommunikationsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 5.1.1.5 Funktionen der Massenmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 5.1.2 Themenfeld politische Kommunikation (Baugut/ Fawzi/ Zerback) . . . . . . . . . . . . 427 5.1.2.1 Zum Begriff politische Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 5.1.2.2 Relevanz politischer Kommunikation in Demokratien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 5.1.2.3 Akteure politischer Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 5.1.2.4 Zum Verhältnis von Politik und Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 5.1.2.5 Medienwirkungen auf die Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 5.1.2.6 Medialisierung politischer Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 5.2 Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 448 5.2.1 Relevante Begriffe (Pürer/ Eichhorn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 5.2.1.1 Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 5.2.1.2 Stereotyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 5.2.1.3 Vorurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 5.2.1.4 Einstellungsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 5.2.2 Kommunikation und Persuasion (Pürer/ Eichhorn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 5.2.3 Konsistenztheoretische Ansätze (Wolf ). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 5.2.3.1 Das Balance-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 5.2.3.2 Das Kongruenz-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 5.2.3.3 Die Theorie der kognitiven Dissonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 5.2.4 Mediating Factors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 5.2.5 Kognitive Psychologie (Eichhorn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 5.2.5.1 Schematheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 5.2.5.2 Framing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 5.2.5.3 Priming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 <?page no="9"?> Inhalt 10 5.2.6 Emotionspsychologie (Eichhorn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 5.2.6.1 Emotionen bei der Zuwendung zu Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 5.2.6.2 Emotionen bei der Medienrezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 5.2.7 Konformitätsdruck - die Theorie der Schweigespirale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 5.2.7.1 Das Grundkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 5.2.7.2 Empirische Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 5.2.7.3 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 5.3 Soziologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 5.3.1 Sozialisation durch Massenkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 5.3.1.1 Begriffliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 5.3.1.2 Zur Bedeutung familiärer Sozialisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 5.3.1.3 Medien als Sozialisationsinstanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 5.3.1.4 Kinder und Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 5.3.1.5 Jugend und Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 5.3.1.6 Politische Sozialisation und Massenmedien (Pürer/ Baugut) . . . . . . . . . . . . . . . . 501 5.3.2 Gewalt und Massenmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 5.3.2.1 Theorienvielfalt der Mediengewaltforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 5.3.2.2 Methoden der Mediengewaltforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 5.3.2.3 Schlüsselvariablen für Mediengewalteffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 5.3.2.4 Ausgewählte empirische Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 5.3.2.5 Anforderungen an künftige Mediengewaltforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 5.3.3 Theorie und Praxis der Cultural Studies (Renger/ Wimmer). . . . . . . . . . . . . . . . . 521 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 6 Empirische Forschungstechniken der Kommunikationswissenschaft 531 (Springer/ Koschel/ Fahr/ Pürer) 6.1 Einführung in die quantitative Sozialforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 6.1.1 Allgemeine Anforderungen und Gütekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 6.1.2 Der Forschungsablauf im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 6.1.3 Auswahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 6.1.4 Wahl der Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 6.2 Einführung in die qualitative Sozialforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 6.2.1 Allgemeine Anforderungen und Gütekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 6.2.2 Der Forschungsablauf im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 6.2.3 Auswahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 6.2.4 Wahl der Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 6.3 Techniken empirischer Sozialforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 6.3.1 Die Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 6.3.1.1 Allgemeines zur Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 6.3.1.2 Konzeption von Befragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 6.3.1.3 Befragungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 6.3.1.4 Befragungsmodi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 <?page no="10"?> Inhalt 11 6.3.2 Die Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 6.3.2.1 Allgemeines zur Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 6.3.2.2 Konzeption von Inhaltsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 6.3.2.3 Computerunterstützte und automatisierte Inhaltsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 6.3.3 Die Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 6.3.3.1 Allgemeines zur Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 6.3.3.2 Konzeption von Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 6.3.3.3 Beobachtungsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 6.3.3.4 Probleme der Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 6.3.4 Das Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 6.3.4.1 Allgemeines zum Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 6.3.4.2 Konzeption von Experimenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 6.3.4.3 Zur Generalisierbarkeit experimentell gewonnener Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . 592 6.3.4.4 Typen von Experimenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 6.3.4.5 Zur Durchführung von Experimenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 6.4 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 Anhang Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 Personenindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 Sachindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 <?page no="12"?> 13 Vorwort zur 2. Auflage Das hier vorliegende Lehrbuch ist im Jahr 2003 erstmals erschienen und wiederholt nachgedruckt worden. Es liegt nun in einer völlig überarbeiteten, aktualisierten und erweiterten zweiten Auflage vor. Nach wie vor handelt es sich um das Bemühen, die Lehr- und Forschungsfelder der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft im Überblick darzustellen sowie den trans- und interdisziplinären, deutlich sozialwissenschaftlichen Charakter des Faches auszuweisen. Gegenüber der ersten Auflage ist die Gliederung der Hauptkapitel unverändert: Am Beginn der Ausführungen steht eine Skizze des Faches. Aus ihr wird ersichtlich, dass man sich dem Gegenstand der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft aus unterschiedlichen Perspektiven nähern kann (Kap. 1). Es folgt eine kompakte Fachgeschichte (Kap. 2), ehe im Weiteren wichtige Begriffe erörtert werden, nämlich: Kommunikation, Massenkommunikation und Computervermittelte Kommunikation (Kap. 3). Im Anschluss daran sind die wichtigsten Lehr- und Forschungsfelder Gegenstand der Ausführungen (Kap. 4): die Kommunikator-, die Medieninhalts-, die Medien(struktur)sowie die Rezipientenforschung mit ihren Teilbereichen Media-/ Reichweitenforschung, Rezeptionsforschung und Wirkungsforschung. Kapitel 5 versucht Einblicke in den trans- und interdisziplinären Charakter des Faches zu vermitteln, indem wichtige politologische, psychologische und soziologische Aspekte der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft angesprochen werden. Kapitel 6 schließlich befasst sich mit den sozialwissenschaftlichen, quantitativen und qualitativen empirischen Forschungstechniken, die im Fach Anwendung finden, um offene Fragestellungen zu klären. Neu gegenüber der ersten Auflage sind ein Kapitel über Öffentliche Kommunikation im Mittelalter sowie über die Studentenrevolte und Kritische Kommunikationswissenschaft (im Kapitel zur Fachgeschichte); über das Web 2.0 und User-generated Content sowie Virtuelle Vergemeinschaftung (im Kapitel Computervermittelte Kommunikation); über das Image von Journalisten und die theoretischen Konzepte der Journalismusforschung (im Abschnitt über Kommunikatorforschung); über Politische Kommunikation (im Rahmen der Ausführungen zu den politologischen Aspekten der Kommunikationswissenschaft); über Kognitive Psychologie und Emotionspsychologie (im Kapitel Psychologische Aspekte der Kommunikationswissenschaft). Dem Kapitel über Empirische Forschungstechniken der Kommunikationswissenschaft wurden wichtige grundlegende Überlegungen zur quantitativen und qualitativen Sozialforschung vorangestellt. Ebenso wurde das Kapitel - innerhalb der Darstellung der einzelnen Forschungstechniken - um Ausführungen zu den qualitativen Methoden ergänzt; diese wurden in der ersten Auflage nur randständig angesprochen. Der Grundriss der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, wie er nachfolgend erarbeitet und aufbereitet wird, stellt einen von mehreren möglichen Zugängen zum Fach dar. Insofern wird hier auch keine Denkschule vertreten. Da sich der Gegenstand der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft infolge stets neuer Entwicklungen (u. a. angetrieben durch das Internet) nach wie vor ausweitet, musste auch für das vorliegende Buch eine Auswahl wichtiger Fachinhalte getroffen werden. Dabei stand das Bemühen im Vordergrund, möglichst viele und relevante Aspekte aus zahlreichen Teilgebieten des Faches zu berücksichtigen. Und wenn das Buch den Titel Publizistik- und Kommunikationswissenschaft trägt, so deshalb, weil sich das Fach nicht nur, aber doch vor- <?page no="13"?> Vorwort 14 wiegend mit Formen und Gegenständen öffentlicher, also publizistischer Kommunikation, befasst. Der Einfachheit halber ist in den Ausführungen selbst aber meist nur von Kommunikationswissenschaft die Rede. Sofern im Text nicht anders vermerkt, sind Entwicklungen und Vorgänge im Medienwesen Deutschlands bis zur Jahreswende 2012/ 13 berücksichtigt. Dies gilt auch für die vielen Daten und Fakten, die u. a. im Abschnitt über Medienstrukturen in Deutschland aufscheinen; nur stellenweise konnten noch Ereignisse aus dem Frühjahr 2013 Berücksichtigung finden. An zahlreichen Stellen im Text gibt es Hinweise auf verlässliche Onlinequellen, denen jeweils aktuelle Informationen zum Medienwesen in Deutschland und zu anderen Themen entnommen werden können. Das Fach mit seinen zahlreichen Gegenständen einigermaßen umfassend darzustellen, ist für einen Einzelnen nicht mehr möglich. Dankenswerterweise haben mich bei der Arbeit an diesem Buch Autorinnen und Autoren unterstützt, die einzelne Kapitel oder Subkapitel beigesteuert, miterarbeitet oder überarbeitet und dabei auch auf einen einheitlichen Sprachduktus geachtet haben. Ihre Namen sind im Inhaltsverzeichnis sowie in den Beiträgen jeweils auch ausgewiesen. Für diese Unterstützung danke ich - hier in alphabetischer Reihenfolge - Philip Baugut, Helena BilandŽić, Wolfgang Eichhorn, Andreas Fahr, Nayla Fawzi, Friederike Koschel, Marcus Maurer, Magdalena Obermaier, Rudi Renger, Nina Springer, Jeffrey Wimmer, Susanne Wolf und Thomas Zerback. Ihr derzeitiges berufliches Wirken ist dem Autorenverzeichnis am Ende des Buches zu entnehmen. Für wichtige Hilfs- und Zuarbeiten sowie Literaturabgleiche danke ich Anne-Nikolin Hagemann und Ruth Humer. Benjamin Krämer hat zahlreiche Anregungen für das Kapitel über empirische Forschungstechniken beigesteuert. Nina Springer und Philip Baugut sind mir mit Rat und Tat stets zur Seite gestanden. Seitens des Verlages erwiesen sich Rüdiger Steiner, Katrina Weißer und Christiane Hörmann als hoch kooperative und zuverlässige Ansprechpartner. München, im Juni 2014 Heinz Pürer <?page no="14"?> 15 1 Einleitung Die Kommunikationswissenschaft ist eine verhältnismäßig junge Disziplin. Als Lehrfach gibt es sie in Deutschland erst seit 1916: Damals wurde an der Universität Leipzig das erste Institut für Zeitungskunde eingerichtet. Weitere Institute und Lehrstühle folgten, später auch mit Prüfungs- und Promotionsrecht. Wissenschaftliche Betrachtungen des Zeitungswesens reichen allerdings bis ins 17.-Jahrhundert zurück; sie fallen, wohl nicht zufällig, mit dem Aufkommen der periodischen Presse in Deutschland zusammen. Zu Beginn der Beschäftigung mit dem Zeitungswesen herrschte eine eher kulturpessimistische, dogmatisch-moralisierende Sichtweise vor. Im 18. Jahrhundert zeigte die Epoche der Aufklärung auch Auswirkung auf die Befassung mit dem Zeitungswesen. In der ersten Hälfte des 19.-Jahrhunderts wurde die von den Zeitungen getragene öffentliche Meinung erstmals thematisiert; und die Aufhebung der Zensur im Jahre 1848 führte im Weiteren zu einer raschen Ausdifferenzierung des Zeitungs- und Zeitschriftenwesens. In der Folge beschäftigten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Fachvertreter zahlreicher Disziplinen mit dem Pressewesen: Unter ihnen waren Staatswissenschaftler, Nationalökonomen und Juristen ebenso vertreten wie Historiker, Germanisten, Philosophen und Philologen. Es wuchs die Zahl der Publikationen über das Zeitungswesen; und es stieg auch das Angebot der an deutschen Universitäten und Hochschulen sporadisch durchgeführten zeitungskundlichen Vorlesungen und Seminare. Mit der Gründung zeitungskundlicher Institute ab 1916 aber waren wichtige erste Schritte für die allmähliche Etablierung des Fachs im deutschen Sprachraum getan (vgl. Kap. 2). Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstehende Zeitungskunde verband ihr wissenschaftliches Interesse am Phänomen Presse mit Ausbildungsbestrebungen für Journalisten. An der Wiege der Zeitungskunde, gleichsam in ihrem Entstehungsmilieu, waren im Hinblick auf die inhaltliche Ausrichtung des Faches also zwei Strömungen vorzufinden: einerseits die Forderung nach der Verwissenschaftlichung der Zeitungskunde; andererseits das Postulat nach einer systematischen Ausbildung der Journalisten. Priorität erhielt die Verwissenschaftlichung der Zeitungskunde. Sie entwickelte sich im Laufe ihrer inzwischen knapp einhundertjährigen Geschichte von der Zeitungsüber die Publizistikzur Kommunikationswissenschaft. Dabei weitete sie nicht nur ihren Fachgegenstand ständig aus, sondern sie vollzog auch einen Wandel im methodischen Vorgehen von einer historisch-hermeneutischen Geisteswissenschaft zu einer empirisch verfahrenden Sozialwissenschaft. Erst sechzig Jahre nach der Gründung der Zeitungskunde wurden in Westdeutschland Schritte unternommen, dem stets wiederkehrenden Postulat nach einer akademischen Journalistenausbildung Rechnung zu tragen. So kam es ab 1974 an mehreren westdeutschen Universitäten zur Errichtung von berufsbezogenen Diplomstudiengängen für Journalistik in Form von Grund- oder Aufbaustudiengängen, die im Zuge des sog. Bolognaprozesses in Bachelorund/ oder Masterstudiengänge überführt wurden. (Eine Art Vorläufer solcher Studiengänge ist in einem Journalistischen Seminar zu sehen, das zwischen 1897 und 1912 an der Universität Heidelberg existierte; es verband Vorlesungen über das Presse- und Nachrichtenwesen mit intensiven praktischen Übungen zum Zeitungsjournalismus). Die DDR nahm, was wissenschaftliche Journalistik betrifft, eine andere Entwicklung: Dort wurde bereits Mitte der 1950er-Jahre das Fach auf der Basis des Marxismus-Leninismus in den Dienst der sozialistischen <?page no="15"?> 1 Einleitung 16 Journalistenausbildung gestellt und in den 1960er-Jahren die Sektion Journalistik an der Karl-Marx- Universität Leipzig eingerichtet, ehe sie 1990 im Kontext der deutschen Wiedervereinigung abgewickelt und in der Folge durch neue Studiengänge ersetzt wurde (vgl. Kap. 2.12). Die moderne Kommunikationswissenschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz geht im Wesentlichen auf zwei Stränge zurück: auf die zeitungsbzw. publizistikwissenschaftliche Tradition des deutschen Sprachraumes sowie auf die (journalistikund) kommunikationswissenschaftliche Tradition angloamerikanischer Herkunft. • Die deutschsprachige Zeitungswissenschaft hatte ihrerseits nationalökonomisch-statistische und historische Wurzeln. Sie widmete sich - auch als Publizistikwissenschaft - bis in die 1960er-Jahre in hohem Maße der Journalismus- und Mediengeschichte sowie der Medienstatistik; und sie bediente sich dabei, neben der Statistik, primär geisteswissenschaftlich-hermeneutischer Methoden. Im Mittelpunkt standen Medien und publizistische Persönlichkeiten, ehe in Deutschland ab den 1950er-Jahren auch erste empirische Studien folgten (vgl. Kap. 2.9). • Am Anfang der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Journalismus und Massenmedien in den USA stand eine praktizistische Journalistik, ehe sich die Disziplin - ab Mitte der 1920er-Jahre - mit Fragen der Medienwirkungen beschäftigte. Um diese zu ergründen, bedienten sich (damit befasste) Soziologen, Sozialpsychologen, Psychologen und Politikwissenschaftler bereits damals sozialwissenschaftlicher Forschungsmethoden. Im Mittelpunkt stand - und steht - die empirischanalytische Untersuchung von Kommunikationsprozessen. Diese empirische Kommunikationsforschung, die im deutschen Sprachraum übrigens Vorläufer in den quantitativen Methoden der Staatswissenschaften (also der »Statistik«) hatte, begann ab Mitte der 1960er-Jahre in die deutsche Publizistikwissenschaft einzufließen und zunehmend um sich zu greifen. In diesem Zusammenhang ist von der »empirisch-sozialwissenschaftlichen Wende« (Löblich 2010a, 2010b) in der Publizistikwissenschaft die Rede, die mehrere Ursachen hat und Gegenstand der Ausführungen in Kap. 2.9 ist. Heute ist die Kommunikationswissenschaft ein Fach, das von der Mehrzahl seiner Fachvertreter im empirisch-sozialwissenschaftlichen Sinne verstanden und betrieben wird, ohne hermeneutisch-geisteswissenschaftliches Vorgehen gering zu schätzen oder gar auszugrenzen (vgl. Peiser et al. 2003). Auch ist ein unübersehbares Bemühen um Trans- und Interdisziplinarität zu erkennen. Aus gesellschaftswissenschaftlicher Sicht ist dieses Bemühen beinahe unumgänglich: Das Fach entlehnt ständig Fragestellungen und Kenntnisse aus anderen (Gesellschafts-)Wissenschaften, die sich ihrerseits der Kommunikationswissenschaft bedienen und deren Erkenntnisse für sich nutzbar machen. Zu erwähnen sind v. a. die Soziologie, die Psychologie, die Politikwissenschaft, die Pädagogik, die Werbe- und Wirtschaftswissenschaften, die Informatik sowie die Computerwissenschaft. In jüngerer Zeit gesellt sich eine fachliche Ausrichtung hinzu, die sich »Medienwissenschaft« nennt. Ihre Protagonisten kommen weitgehend aus der Sprach- und Literaturwissenschaft sowie aus der Germanistik und - teilweise zumindest - auch aus der Medienpädagogik; ihren Gegenstand findet sie v. a. in den formalen Angebotsweisen der Massenmedien (die für sie »Texte« sind), in deren kulturellen Leistungen sowie in der Ästhetik der Medien. Die rein historisch orientierte Kommunikationswissenschaft als pure Mediengeschichte rückt etwas in den Hintergrund, wiewohl diese fachliche Orientierung zweifellos ihre ganz großen Verdienste hat: Aus der historischen Genese lassen sich gegenwärtige kulturelle und soziale Phänomene, welcher Art auch immer, besser verstehen und erklären. Dies gilt in Deutschland, trotz - oder gerade wegen - der Zäsur durch den Zweiten Weltkrieg auch und v. a. für Erscheinungen der Massenkommunikation. <?page no="16"?> 17 1.1 Gegenstand des Faches Kommunikation ist ein Phänomen, das alle Bereiche menschlicher Existenz tangiert und durchdringt. Die Kommunikationswissenschaft hat daher einen umfassenden Fachgegenstand, den sie mit anderen Wissenschaften teilt und der in seiner Komplexität und Gesamtheit wohl nie vollständig zu erfassen sein wird. Sie befasst sich - im weitesten Sinne - mit den im gesellschaftlichen Diskurs ausgetauschten Informationen, v. a. mit den über die klassischen Massenmedien und die Onlinemedien vermittelten Botschaften, ihren Entstehungs- und Verbreitungsbedingungen sowie Rezeptionsprozessen. Gegenstand des Faches ist insgesamt also das Phänomen der gesellschaftlichen Kommunikation. Dieses lässt sich allgemein gliedern in: • interpersonale Kommunikation (Face-to-face-Kommunikation); • technisch vermittelte (Tele-)Kommunikation (Telefon, Mobilfunk, SMS, MMS, Sprechfunk, Telex, Teletext, Telefax, Telefoto, Datenfernübertragung etc.); • Massenkommunikation (Print, Radio, Fernsehen, Film/ Kino, Unterhaltungselektronik einschließlich Nachrichtendienste und Nachrichtenwesen) sowie • computervermittelte (On- und Offline-)Kommunikation in ihrer vielfältigen Erscheinung als Individual-, Gruppen- oder Massenkommunikation. Der Lehr- und Forschungsschwerpunkt lag dabei für lange Zeit im weiten Feld dessen, was allgemein als Massenkommunikation bezeichnet wird. Er umfasste also die traditionellen Massenmedien Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen. In exorbitant zunehmendem Maße aber gilt die Aufmerksamkeit des Faches dem, was allgemein als Multimedia/ computervermittelte Kommunikation bezeichnet wird - also infolge der Digitalisierung die Verschmelzung bzw. technische Konvergenz von Telekommunikation, Computer, Unterhaltungselektronik und Medienindustrie in Form der Onlinekommunikation, der interaktiven Medien (einschließlich der Offlinemedien wie CD- ROMs) sowie des digitalen Radios und Fernsehens. Sowohl zwischenmenschliche, mehr aber noch medien- und computervermittelte Kommunikation sind in gesamtgesellschaftliche, soziopolitische Bezüge eingebunden. Daher gilt die Aufmerksamkeit der Kommunikationswissenschaft weniger den Manifestationen originärpublizistisch verbreiteter Kommunikation (wie öffentliche Reden), sondern v. a. der klassischen Massenkommunikation (Zeitung, Zeitschrift, Radio, Fernsehen) sowie der Onlinemedien in ihren vielfältig ausgeprägten Erscheinungsformen. Das Fach befasst sich u. a. mit: • den rechtlichen und politischen Bedingungen, die den Ordnungsrahmen für Kommunikation, Massenkommunikation und computervermittelte bzw. Onlinekommunikation vorgeben; • den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten und wirtschaftlichen Zwängen, unter denen sich (Massen-)Kommunikation und Onlinekommunikation vollziehen; • den unterschiedlichen Organisationsformen, Medienverfassungen und Strukturen, die im System Massenkommunikation und bei den Onlinemedien vorzufinden sind; • den technisch bedingten Funktionsweisen und Eigengesetzlichkeiten der Massenmedien und Onlinemedien, die sowohl für die Gestaltung der über sie vermittelten Botschaften wie auch für Rezeption und Wirkung der vermittelten Kommunikate bzw. Inhalte von Bedeutung sind; • den Medienschaffenden (Kommunikatoren, Journalisten, Programmgestaltern etc.), die die Inhalte und Programme der Massenmedien und Onlinemedien unter je unterschiedlichen Gegebenheiten und Bedingungen produzieren; • den Bedingungen und Prozessen publizistischer Aussagenentstehung, die wesentlichen Einfluss auf jene Wirklichkeit haben, die wir Medienwirklichkeit nennen (und die mit der »realen Wirklichkeit« nicht einfach gleich gesetzt werden kann); <?page no="17"?> 1 Einleitung 18 • den Rezeptionsgewohnheiten und Nutzungsweisen der Medienkonsumenten, also mit dem Publikum der klassischen Massenmedien und der Onlinemedien und der Art und Weise, wie das Publikum Medienbotschaften auswählt, aufnimmt und nutzt; • der Kommunikation in sozialen Netzwerken, in Blogs und Mikroblogs, in Nutzerkommentaren, Postings etc.; • den individuellen Wirkungen und gesellschaftlichen Folgen, die von medienbzw. computervermittelter Kommunikation ausgehen können; • dem Verhältnis von Politik und Medien, d. h. mit Aspekten der Kommunikationspolitik und der politischen Kommunikation, insbesondere mit medialer Politikvermittlung; • Public Relations und Werbung sowie deren Abgrenzung von journalistischer Kommunikation; • der Erforschung von Organisations- und Unternehmenskommunikation; • nicht zuletzt gehören aber auch der Massenkommunikation vorgeschaltete und nachgelagerte Erscheinungen wie etwa das Nachrichtenwesen, die Markt- und Meinungsforschung sowie Marketing und Medienmanagement zum Gegenstand der Kommunikationswissenschaft. Die Zeitungs- und Publizistikwissenschaft der 1950er- und 1960er-Jahre konzentrierte sich in ihren Lehr- und Forschungsbemühungen im Wesentlichen auf die Kernbereiche Presse, Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) und Film sowie - in geringerem Ausmaß - auf originäre Publizistik, deren Bedeutung weiterhin schwindet und damit auch das wissenschaftliche Interesse an ihr. Als hochkomplex erweist sich die Erforschung zwischenmenschlicher (Face-to-face-)Kommunikation, der sich neben der Kommunikationswissenschaft v. a. Sprachforscher, Psychologen, Soziologen und Pädagogen annehmen. Im Gefolge neuer Entwicklungen im Medienbereich weitete die Kommunikationswissenschaft ihren Fachgegenstand verständlicherweise aus. Ihr Interesse gilt neben Presse und Rundfunk seit geraumer Zeit, wie erwähnt, auch den »neuen Medien«, (insbesondere Kommunikation in und mittels Onlinemedien) sowie weiteren bereits angeführten »Materialobjekten«. Wenn sich die Kommunikationswissenschaft also in erster Linie gegenwärtiger und aktueller Phänomene von Individual-, Gruppen- und Massenkommunikation sowie Onlinemedien annimmt, so sollte dies nicht zu einer Vernachlässigung traditioneller Forschungsfelder führen. Dies gilt insbesondere für die historische Kommunikationsforschung: Ihre nicht einfach zu bewältigende Aufgabe ist es, die Mediengeschichte zur Kommunikationsgeschichte weiterzuentwickeln und die bisherige historische Entwicklung der Massenmedien in ihre jeweiligen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Kontexte einzubetten. 1.2 Das Lehr- und Forschungsfeld Die Kommunikationswissenschaft hat also, wie dargelegt, einen umfassenden Untersuchungsgegenstand. Sie stellt somit ein weites (und sich im Zuge der rasanten Entwicklung im Medienbereich immer noch ausweitendes) Lehr- und Forschungsfeld dar. Dies ist wohl der Grund dafür, dass es nur wenige Versuche gibt, ihren komplexen Fachgegenstand modellhaft aufzubereiten, wie dies aus Abb.-1 ersichtlich ist. Das Modell bzw. die Systematik ist in mehr oder weniger modifizierter Form auch in andere Lehrbücher eingeflossen (vgl. Beck 2010, S. 163; vgl. Bonfadelli et al. 2010, S. 6). Solche Modelle bzw. Systematisierungsversuche sind bisweilen auch nicht unproblematisch; nur selten gelingt es nämlich, alle denkbaren Teildisziplinen gebührend zu berücksichtigen. Zudem besteht beim Aufgliedern immer die Gefahr, ein Fach in scheinbar zusammenhangslose Teilbereiche zu zerstückeln. <?page no="18"?> 1.2 Das Lehr- und Forschungsfeld 19 Die nachfolgende Systematik (vgl. Abb. 1) versucht zweierlei: Sie will zum einen die wichtigsten Lehr- und Forschungsfelder der Kommunikationswissenschaft ausweisen; und sie möchte zweitens den trans- und interdisziplinären Charakter des Faches als Sozialwissenschaft aufzeigen und damit deutlich machen, dass man sich dem Gegenstand Kommunikationswissenschaft aus je unterschiedlichen Perspektiven nähern kann. Abb. 1: Das Lehr- und Forschungsfeld der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Als eine unter mehreren Möglichkeiten bietet es sich an, einen solchen Systematisierungsversuch am Beispiel eines vereinfacht dargestellten publizistischen Prozesses vorzunehmen. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass solche Prozesse in soziopolitische, -ökonomische, -kulturelle und technologische Bezüge eingebettet sind. Ausgangspunkt ist folgendes, aus der traditionellen Massenkommunikation stammende Denkmodell (das im Prinzip auch auf Formen computervermittelter Kommunikation anwendbar ist): Ein Journalist (= Kommunikator) berichtet über ein beobachtetes Ereignis in seinem Beitrag (= Aussage) in einer Zeitung oder im Rundfunk (= Medium); er wendet sich dabei an ein Publikum (-=-Rezipienten) und beabsichtigt bzw. erzielt - möglicherweise in anderer als intendierter Weise - eine Wirkung (= Wirkung). Der amerikanische Kommunikationsforscher Harold D. Lasswell hat dieses Modell in seiner bereits 1948 geprägten und weithin bekannten Formel festgehalten (vgl. Lasswell 1948, 37-51): who says communicator what content in which channel medium to whom recipient, audience with what effect effect (eigene Darstellung) PUBLIZISTIK- UND KOMMUNIKATIONSWISSENSCHAFT Kommunikator-Forschung Aussagen-Forschung Medien-(Struktur-)Forschung Rezipienten-/ Wirkungs- Forschung Historische Aspekte (Kommunikationsgeschichte) Soziologische Aspekte Politologische Aspekte Psychologische Aspekte Juristische Aspekte Pädagogische Aspekte Linguistische Aspekte Philosophisch-anthropologische Aspekte Ökonomische Aspekte Technologische Aspekte <?page no="19"?> 1 Einleitung 20 Lasswell fragt also nach den Bestandteilen des Kommunikationsprozesses, den er als System sieht. Zugleich ermöglicht seine Systematik eine Zuordnung einschlägiger Forschungsbereiche der Kommunikationswissenschaft (vgl. Burkart 2002, S. 492ff). Dementsprechend lassen sich in der Kommunikationswissenschaft in einem ersten Schritt die folgenden wichtigen (voneinander nicht immer exakt abgrenzbaren - vgl. w. u.) Forschungsfelder ausfindig machen: Kommunikator-Forschung: hat die Medienschaffenden, die Journalisten, die Programmgestalter etc. in der Massenkommunikation und der computervermittelten Kommunikation, aber auch Kommunikatoren in der Werbe- und Organisationskommunikation etc. in ihrem (engeren oder weiteren) Berufsumfeld zum Untersuchungsgegenstand; Aussagen-Forschung: befasst sich mit den in Massenmedien sowie in Formen computervermittelter Kommunikation (z. B. in Foren, Chats, Blogs, in sozialen Netzwerken, Tweets, mobilen Diensten, Applikationen etc.) sowie in der Werbe- und Organisationskommunikation vorfindbaren Inhalten (Kommunikaten); Medien-Forschung: untersucht die klassischen Massenmedien sowie an Öffentlichkeiten gerichtete Onlinemedien in ihren vielgestaltigen Ausprägungen, in ihren Strukturen und Organisationsformen, in ihren formalen Angebotsweisen, technisch bedingten Eigengesetzlichkeiten und Funktionsweisen; Rezipienten-Forschung: legt den Fokus auf die Nutzer der Massenmedien, die Leser, Hörer, Zuschauer und User, ihre Nutzungsgewohnheiten, Nutzungsmotive und Nutzungserwartungen; Wirkungs-Forschung: versucht, den Folgen von Kommunikation, Massenkommunikation sowie computervermittelter Kommunikation auf den Grund zu gehen, den individuellen wie sozialen Wirkungen - den Wirkungen im Bereich der Kenntnisse und des Wissens, der Einstellungen und Meinungen, des Handelns und der Verhaltensweisen sowie der Emotionen bzw. Gefühle. Keines der hier aufgezählten Lehr- und Forschungsfelder kann jedoch ausschließlich für sich betrachtet werden (s. o.). Da zahlreiche Fragestellungen eines Forschungsfeldes oftmals andere tangieren, ist es sinnvoll, je nach Forschungsfrage andere Feldbereiche mit zu berücksichtigen. Dies lässt sich exemplarisch etwa an der Kommunikatorforschung (am Beispiel der Journalismusforschung) aufzeigen (vgl. Kap. 4.1). Die Zeitungs-, Hörfunk- und Fernsehjournalisten sowie ihre Kollegen in professionell arbeitenden Onlineredaktionen agieren nicht im ›luftleeren Raum‹. Sie sind - je nach Medienbetrieb - eingebunden in eine Redaktion mit in aller Regel hierarchischen Strukturen; sie arbeiten unter spezifischen Bedingungen der Redaktionsausstattung, unter Zeit- und Konkurrenzdruck sowie unter ökonomischen Zwängen und Marktanforderungen; sie gehören Medienunternehmen mit unterschiedlichen Organisationsstrukturen an; sie verfügen über ein mehr oder weniger konkretes Publikumsbild; nicht zuletzt haben sie je unterschiedliche Erziehungsstile und Prozesse der gesellschaftlichen und beruflichen Integration (Sozialisation) erfahren. Kommunikatorforschung wird also im Kern speziellen Berufsfragen (z. B. des Journalismus) auf den Grund gehen; zugleich wird sie (daneben) aber auch andere Aspekte mitergründen - Aspekte, die Bereiche wie z. B. die Aussagen-, Medien- oder Rezipientenforschung tangieren, um sich so ein zuverlässiges und differenziertes Bild über eine untersuchte Kommunikatorengruppe zu machen. Gleiches gilt vice versa für die Erforschung der anderen Bereiche. <?page no="20"?> 21 1.3 Der transdisziplinäre Charakter des Faches Kommunikationswissenschaft wird gegenwärtig primär aus einem sozialwissenschaftlichen Verständnis heraus und oftmals auch transdisziplinär betrieben. Je nach konkreter Fragestellung werden Phänomene individueller und/ oder gesellschaftlicher Kommunikation (»Materialobjekt«) unter je unterschiedlichem Erkenntnisinteresse (»Formalobjekt«) ergründet. Im Folgenden seien exemplarisch und damit ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit einige Fachperspektiven genannt, anhand deren der transdisziplinäre Charakter der Kommunikationswissenschaft, insbesondere der sozialwissenschaftliche, gut deutlich gemacht werden kann (ohne andere Fächer bzw. Perspektiven gering schätzen, vernachlässigen oder ausgrenzen zu wollen): historisch Kommunikations- und Mediengeschichte, nach Möglichkeit unter Berücksichtigung der jeweiligen politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen und technischen Gegebenheiten und Bedingungen; oder: Medien als Geschichtsquelle; nicht zuletzt auch kommunikationstheoretische Fragestellungen fachgeschichtlicher Art; philosophisch-anthropologisch Kommunikation als Grundvoraussetzung menschlicher Existenz sowie individueller und sozialer Entfaltung; medienvermittelte Kommunikation in ihrer Bedeutung für zwischenmenschliche Kommunikation; Ethik der sozialen Kommunikation; soziologisch Massenmedien und ihre Bedeutung für die Gesellschaft: Sozialisation durch Massenkommunikation, Medien als Vermittler von gesellschaftlichen Werten, Normen, Rollen und Verhaltensweisen; aber auch: Merkmale und Modalitäten von Individual-, Gruppen- und Massenkommunikation sowie Kommunikation in sozialen Netzwerken; psychologisch Kommunikations- und Medienwirkungen auf das Individuum, auf sein Wissen, Denken, Fühlen, Handeln bzw. Verhalten; Kommunikations- und Medienpsychologie; politologisch Kommunikations- und Medienpolitik, politische Grundlagen und Strukturen von Massenkommunikation; Politikvermittlung und Massenmedien; Medialisierung der Politik; demokratietheoretische Bedeutung der Massenmedien; Medien, Öffentlichkeit und öffentliche Meinung; politische Rhetorik; ökonomisch Medienökonomie und Medienwettbewerb; Konzentration und Monopolbildung im Bereich der klassischen Massenmedien und der Onlinemedien; volkswirtschaftliche Bedeutung der Massenmedien; betriebswirtschaftliche Grundlagen von Presse, Funk, Fernsehen, Film, »neuen Medien«; Medieninhalte und -programme als wirtschaftliche Güter; pädagogisch Massenmedien als Lehr- und Lerngegenstand in Schule und Erwachsenenbildung; Kinder und Medien; Vermittlung aktiver und passiver Medien- und Computerkompetenz; auch Medienanwendung, Medienverwendung und Unterrichtstechnologie; linguistisch Kommunikation, Massenkommunikation, computervermittelte Kommunikation und Sprache; Massenmedien, Sprachgebrauch und Sprachverhalten; Verstehen und Verständlichkeit in Kommunikation und Massenkommunikation; Massenmedien und Alltags- <?page no="21"?> 1 Einleitung 22 sprache; Sprechakttheorie; Sprache in der computervermittelten Kommunikation und in Onlinemedien; rechtswissenschaftlich Kommunikations- und Medienrecht nationaler, internationaler und supranationaler Art (z. B. nationale Presse- und Rundfunkgesetze, Telemedienrecht, Fernmelderecht; EU-Recht etc.); Medien- und Kommunikationskontrolle (Berührungen zu/ mit politologischen Aspekten) medientechnologisch Telekommunikations- und Medientechnik; Satellitentechnik; Datenkompression, Digitalisierung und Konvergenz; Informatik, Usability-Forschung etc. Zu ergänzen ist dieser Katalog u. a. um kulturwissenschaftliche, kunstwissenschaftliche sowie informationswissenschaftliche Perspektiven; diese gewinnen in der Kommunikationswissenschaft zunehmend Aufmerksamkeit und Bedeutung. Abgrenzungen der hier dargelegten einzelnen Perspektiven sind in aller Regel nicht so einfach möglich, zumal Übergänge in andere Perspektiven und Fächer fließend sein können. 1.4 Theoretische Zugänge und wissenschaftliche Methoden Die Aufarbeitung eines Forschungsfeldes (z. B. Rezipientenforschung) und einer gewählten Perspektive (z. B. die psychologische) kann je nach konkreter Fragestellung bzw. Hypothese und je nach wissenschaftlichem Standort des Forschers aus unterschiedlichen theoretischen Positionen bzw. Theorien heraus erfolgen. Unter Theorien versteht man Begründungszusammenhänge, die eine (in unserem Fall gesellschaftliche) Wirklichkeit - das Ganze - oder nur einen Ausschnitt davon - die Teile - zu erklären versuchen. Dabei kann man aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht zwischen Makro-, Meso- und Mikrotheorien unterscheiden. Makrotheorien zeichnen sich durch eine ganzheitliche Betrachtung eines Materialobjektes (z. B. das Materialobjekt »Kommunikation« oder »Massenkommunikation« oder »Onlinekommunikation« als Ganzes) sowie durch einen hohen Abstraktionsgrad aus und beanspruchen eine »große Reichweite«. Dazu gehören systemtheoretische, konstruktivistische oder etwa kritisch-theoretische Ansätze sowie z. B. Ansätze in der Tradition der Cultural Studies. Mesotheorien beziehen sich auf einen Teilausschnitt des gesellschaftlichen Phänomens Massenkommunikation (z. B. Journalismustheorien, Medientheorien, PR-Theorien, Werbetheorien, Theorien zur Onlinekommunikation etc.) und stellen somit in aller Regel Theorien »mittlerer Reichweite« dar. Mikrotheorien wie etwa jene der Kommunikations- und Medienpsychologie beschränken sich auf ausgewählte, eher klein dimensionierte, gleichwohl hochkomplexe Teilbereiche der Kommunikation und beanspruchen nur »geringe Reichweite«. Dazu gehören z. B. zahlreiche Theorien über individuelle Wirkungen der Massenmedien, also etwa (sozial-)psychologisch begründete Handlungstheorien, der Symbolische Interaktionismus, die Lern- und Verhaltenstheorien, Einstellungstheorien etc. Da es nicht nur in der Kommunikationswissenschaft, sondern generell in den Sozialwissenschaften streng allgemein gültige Theorie-Aussagen (sog. Allaussagen) nicht gibt, wird oftmals nicht von Theorien, sondern richtiger - und bescheidener - von »theoretischen Ansätzen« gesprochen (vgl. Burkart 2002, S. 423). Die internationale Kommunikationswissenschaft verfügt über zahlreiche theoretische Ansätze unterschiedlicher Herkunft, Reichweite und Güte. Auch die deutschsprachige Zeitungs-, Publizistik- und Kommunikationswissenschaft hat zahlreiche solcher Ansätze hervorgebracht. Auf folgende theo- <?page no="22"?> 1.4 Theoretische Zugänge und wissenschaftliche Methoden 23 retische Ansätze kann man verweisen, die sowohl die Entwicklung des Faches im deutschen Sprachraum wie auch die Vielfalt unterschiedlicher theoretischer Zugänge widerspiegeln (hier in etwa in der Chronologie ihres Entstehens): • der (bereits aus den 1930er-Jahren stammende) normative Denkansatz Emil Dovifats (vgl. Dovifat 1968; Pürer 1978; Hachmeister 1987, S. 79ff; Pürer 1998, S. 141f ); • der ursprünglich auf Karl d’Ester sowie Otto Groth (1960) zurückgehende (im Fach wenig rezipierte und diskutierte) zeitungswissenschaftliche Denkansatz, wie er von Hans Wagner vertreten wird und von ihm auch fortentwickelt wurde (vgl. Groth 1960ff; Wagner 1978, 1995a, 1995b; Groth 1995 [Reprint]; Wagner 1997). • der in den 1950er-Jahren formulierte Ansatz der systematischen Publizistik Walter Hagemanns (vgl. Hagemann 1966; Pürer 1978; Hachmeister 1987, S. 130ff; Pürer 1998, S. 142ff; Hemels et al. 2000; Wiedemann 2012); • die in den 1960er-Jahren entstandene funktionale Publizistik Henk Prakkes (vgl. Prakke 1968; Pürer 1978; Hachmeister 1987, S. 230ff; Pürer 1998, S. 145ff; Hemels et al. 2000 sowie v. a. Klein 2006) • der 1963 erstmals veröffentlichte Ansatz Gerhard Maletzkes (vgl. Maletzke 1963; Pürer 1978, 1998, S. 149ff, Wagner 1995b; Burkart 2002, S.-499ff), dessen viel beachtetes Prozessmodell der Massenkommunikation von Roland Burkart und Walter Hömberg im Hinblick auf computervermittelte (Gemeinschafts-)Kommunikation weiterentwickelt wurde (vgl. Burkart/ Hömberg 1998, 2012); • die ideologiekritischen Ansätze aus dem Umfeld der Frankfurter Schule, die Ende der 1960er-/ Anfang der 1970er-Jahre aufgekommen sind (vgl. Enzensberger 1973; Negt 1973; Baacke 1974; Pürer 1978; Glotz 1997; Pürer 1998, S. 163ff; Schicha 2010; aktuell Scheu 2012); • die ebenfalls aus den 1970er-Jahren stammenden materialistischen bzw. neomarxistischen Ansätze (vgl. Holzer 1973; Dröge 1973; Hoffmann 1973; Schreiber 1984; Pürer 1973, 1998, S. 168ff; Holzer 2012; aktuell Scheu 2012); • der demokratietheoretische Ansatz von Rainer Geißler (vgl. Geißler 1973, 1976, 1979; Burkart 2002); • die Ende der 1960er-Jahre erstmals formulierten, vorwiegend auf den Journalismus bezogenen und in der Folge vielfältig im Fach verorteten und weiterentwickelten systemtheoretischen Überlegungen Manfred Rühls (vgl. Rühl 1969, 1980, 1996; Löffelholz 2000; Scholl 2002; Weber 2010a; Saxer 2012) sowie die systemtheoretische Medientheorie Niklas Luhmanns (vgl. Luhmann 1996; zuletzt 2004); • der verständigungsorientierte Ansatz nach Jürgen Habermas (die sog. Theorie des kommunikativen Handelns - vgl. Habermas 1981, 1984, 1990; Burkart 2002; Burkart/ Lang 2012) sowie auch handlungstheoretische Ansätze (vgl. Esser 2007; Reinemann 2007; Bucher 2000); • der in den 1990er-Jahren auf die Kommunikationswissenschaft allgemein sowie auf den Journalismus im Besonderen bezogene (radikale) Konstruktivismus (vgl. Schmidt 1994; Merten 1995, 1999; Weber 1995, 1997; Scholl/ Weischenberg 1998; Scholl 2002; Weber 2010 b); • der auf Journalismus und Medien bezogene organisationstheoretische Ansatz (Altmeppen 2006, 2007; Bruch/ Türk 2007); • der auf Journalismus und Medien bezogene institutionentheoretische Ansatz (Kiefer 2010; Donges 2006; Künzler et al. 2013) • milieu- und lebensstilbezogene Ansätze, insbesondere mit Bezugnahme auf das Kapital-, Feld-, Habitus-Konzept von Bordieu (Raabe 2005, 2007; Hanitzsch 2007, Hradil 2007; Willems 2007; Meyen/ Riesmeyer 2009); • ökonomikorientierte Ansätze (Jäckel 2007, Fengler/ Russ-Mohl 2007, 2005; Just/ Latzer 2010); <?page no="23"?> 1 Einleitung 24 • nicht zuletzt auch allgemeine und spezielle Ansätze mittlerer Reichweite in den Public Relations, wie sie dem »Handbuch der Public Relations« (Bentele et al. 2007; vgl. auch Signitzer 2012) zu entnehmen sind. • Weiter zu erwähnen sind Theorien der Werbung (u. a. Rust 2012), der Medienpädagogik (u. a. Baacke 2012), Theorien der Cultural Studies (u. a. Pirker 2010); sowie etwa auch Feministische Medientheorien (u. a. Moser 2010). Hinzu kommen zahlreiche, mehrheitlich aus dem angloamerikanischen Raum stammende und in die deutschsprachige Kommunikationswissenschaft übernommene theoretische Ansätze unterschiedlicher Reichweite, die sich z. B. auf Prozesse journalistischer Aussagenentstehung (wie die Gatekeeper- und Nachrichtenwerttheorien - vgl. u. a. Galtung/ Ruge 1965; Schulz 1976; Staab 1990; Eilders 1997; Fretwurst 2008; Maier et al. 2010) sowie v. a. auf individuelle und gesellschaftliche Wirkungen bzw. Folgen von Publizistik und Massenkommunikation beziehen (vgl. u. a. Schenk 2007; Bonfadelli 2003,2004; Jäckel 2005; Winterhoff-Spurk 2004). Dazu gehören auch Theorieansätze über Wirkungen von Gewaltdarstellungen in den Massenmedien (vgl. u. a. Kunczik/ Zipfel 2006; Kunczik 2002; Brosius/ Schwer 2008). Bezüglich der zahlreichen in der Kommunikationswissenschaft vorzufindenden Wirkungstheorien soll der Hinweis nicht fehlen, dass die von Elisabeth Noelle-Neumann (1980) entworfene Theorie der Schweigespirale (vgl. Kap. 5.2.7) sowie der von Werner Früh und Klaus Schönbach (1982) entwickelte dynamisch-transaktionale Ansatz (vgl. Kap. 4.4.3.4) Theorieentwürfe deutschsprachiger Provenienz sind, die auch außerhalb Deutschlands, v. a. in der angloamerikanischen Kommunikationswissenschaft, rezipiert und diskutiert werden. Zu vielen der oben erwähnten (sowie zahlreichen hier nicht angesprochenen) Theorien bzw. theoretischen Ansätzen gibt es mehrere Überblicksdarstellungen und Sammelbände (vgl. u. a. Kunczik 1984; Bentele/ Rühl 1993; Bentele/ Beck 1994; Weber 2010c; Burkart/ Hömberg 2012; Rühl 2012). Modelltheoretische Darstellungen sind u. a. z. B. den Publikationen von Roland Burkart (2002), Denis McQuail (2012), Michael Kunczik und Astrid Zipfel (2005) sowie Heinz Bonfadelli et al. (2010) zu entnehmen. Viele theoretische Ansätze sind auch in die Ausführungen mehrerer Abschnitte der vorliegenden Publikation integriert. Aus dem eben Ausgeführten über den Theorienpluralismus des Faches geht hervor, dass es die eine (Gesamt-)Theorie für Kommunikation, Massenkommunikation oder Onlinekommunikation, für Journalismus, PR, Organisationskommunikation oder Werbung etc. nicht gibt. Gerhard Maletzke resümierte 1998 kritisch, dass die Kommunikationswissenschaft von dem Ziel eines empirisch kohärenten Systems von Allgemeinaussagen noch weit entfernt sei. »Gegenwärtig besteht diese Wissenschaft unter dem Aspekt der Theorienbildung aus einer großen Zahl von Einzelsätzen, Hypothesen, Konzepten, die unverbunden und oft untereinander unstimmig auf sehr verschiedenen Abstraktionsebenen im Raum stehen« (Maletzke 1998, S. 102). Dies gilt - teils zumindest - auch heute noch. So heißt es etwa im 2008 verabschiedeten Selbstverständnispapier der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK 2008), dass im Fach »keine alles dominierende Theorie [existiert]«. Die Kommunikationswissenschaft sei vielmehr »durch einen Pluralismus der Theorien, Methodologien und Konzepte geprägt« und leiste »mit ihren Kommunikations- und Medientheorien einen wichtigen interdisziplinären Beitrag. Der im Fach häufig vertretene Typ von ›Theorien mittlerer Reichweite‹ ist mit dem Anspruch verbunden, Aussagen über klar begrenzte Phänomene der Wirklichkeit zu treffen und immer wieder zu prüfen« (DGPuK 2008, S. 3). Ob es angesichts des Theorien- (und übrigens auch des Methoden-)Pluralismus jemals eine einheitliche Theorie von zwischenmenschlicher Kommunikation, Massenkommunikation, Onlinekommunikation, Werbekommunikation etc. geben wird, ist nicht absehbar und z. B. im Hinblick auf Medienwirkungen wohl auch nicht wünschenswert. Man stelle sich vor, es gäbe etwa in der sog. <?page no="24"?> Literatur 25 wissenschaftlichen Rhetorik, wo es um Überzeugungskommunikation geht, empirisch absolut abgesicherte, einschlägige Erkenntnisse über die Wirkung von Argumentationen und Schlussfolgerungen in der (öffentlichen) politischen Kommunikation - der Manipulation der Leser, Hörer, Zuschauer und User wäre Tür und Tor geöffnet. Um zu einer einheitlichen Theorie im Bereich der Kommunikationswissenschaft zu gelangen, ist wohl auch ihr Gegenstandsbereich und ihr Perspektivenreichtum zu umfassend und zu heterogen. Dies brachte dem Fach mitunter den Vorwurf ein, eine eklektizistische Wissenschaft zu sein, die Denkmodelle, Theoreme und Erkenntnisse aus anderen Bereichen übernimmt und in neuer Weise synthetisiert (vgl. Krallmann/ Ziemann 2001, S. 12). Dass dies nicht so sein muss, hat der prominente Schweizer Publizistikwissenschaftler Ulrich Saxer mit seinem 2012 vorgelegten (Lebens-)Werk »Mediengesellschaft« überzeugend unter Beweis gestellt (Saxer 2012). Saxer entwickelt aus kommunikationssoziologischer Perspektive zunächst eine Theorie der Medialisierung (Teil 1), ehe er im Weiteren eine Dimensionenanalyse der Mediengesellschaft vornimmt (vgl. Burkart 2012, S.-64f ). Roland Burkart sieht Saxers Medialisierungstheorie mit den »drei großen Funktionssystemen Politik, Wirtschaft und Kultur« (Saxer 2012, S. 22) »in der Nähe einer Modernisierungstheorie« (Burkart 2012, S. 64). Besonders gewürdigt werden neben vielem anderen »die überwältigende Materialfülle« und »gewaltige Systematisierungsleistung« (Brosius 2013, S. 239; vgl. auch Burkart 2012, S. 64) sowie »akribische Argumentationsführung« (Jäckel 2013, S. 268). Die Klärung theoretisch begründeter wissenschaftlicher Fragestellungen verlangt immer auch den Einsatz geeigneter Methoden bzw. Forschungstechniken. Darunter versteht man wissenschaftliche Verfahrensweisen, durch deren systematische Anwendung im Rahmen eines Forschungsplanes eine offene Fragestellung abgeklärt werden soll. Die Fragestellung bestimmt dabei die Methode (und nicht umgekehrt). In der Kommunikationswissenschaft finden folgende Methoden Anwendung: die historische Methode, die beschreibt und analysiert; der hermeneutisch-interpretative Weg, der phänomenologisch ausgerichtet ist; sowie der Einsatz quantitativer wie qualitativer empirisch-analytischer Verfahren, die heute im Fach überwiegen. Zu den letztgenannten gehören v. a. die quantifizierenden sozialwissenschaftlichen Forschungstechniken der Inhaltsanalyse, der wissenschaftlichen Befragung (Interview), der Beobachtung und experimenteller Designs (vgl. u. a. Brosius/ Koschel/ Haas 2012). Unter den qualitativen Methoden ragen das Intensiv-Interview, Gruppeninterviews, das Expertengespräch, die qualitative Inhaltsanalyse sowie tiefenpsychologische Verfahren heraus (vgl. u. a. Meyen et al. 2011; Mikos/ Wegener 2005; Lamnek 1995a und 1995b). Zu verstehenden und qualitativen Methoden der Kommunikationswissenschaft liegen Studienbücher von Hans Wagner et al. vor (Wagner et al. 1999, 2008) Literatur Altmeppen, Klaus-Dieter (2006): Journalismus und Medien als Organisationen. Wiesbaden. Altmeppen, Klaus-Dieter (2007): Das Organisationsdispositiv des Journalismus. In: Altmeppen, Klaus-Dieter et al. (Hrsg.): Journalismustheorie: Next Generation. Soziologische Grundlegung und theoretische Innovation. Wiesbaden, S. 281-302. Baacke, Dieter (Hrsg.) (1974): Kritische Medientheorien. München. Baacke, Dieter (2012): Theorie der Medienpädagogik. In: Burkart, Roland; Hömberg, Walter (Hrsg.): Kommunikationstheorien. Ein Textbuch zur Einführung. 6. Aufl. Wien, S. 198-219. Beck, Klaus (2010): Kommunikationswissenschaft. 2. Aufl. Konstanz. <?page no="25"?> 1 Einleitung 26 Bentele, Günter; Beck, Klaus (1994): Information - Kommunikation - Massenkommunikation: Grundbegriffe und Modelle der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. In: Jarren, Otfried (Hrsg.): Medien und Journalismus 1. Eine Einführung. Opladen, S. 15-50. Bentele, Günter; Rühl, Manfred (Hrsg.) (1993): Theorien öffentlicher Kommunikation. Konstanz. Bentele, Günter et al. (Hrsg.) (2007): Handbuch der Public Relations. Wissenschaftliche Grundlagen und berufliches Handeln. Mit Lexikon. 2. Aufl. Wiesbaden. Bonfadelli, Heinz (2003): Medienwirkungsforschung I: Grundlagen und theoretische Perspektiven. Konstanz. Bonfadelli, Heinz (2004): Medienwirkungsforschung II: Anwendungen in Politik, Wirtschaft und Kultur. Konstanz. Bonfadelli, Heinz et al. (2010): Einführung in die Publizistikwissenschaft. 3., überarbeitete Aufl. Bern. Brosius, Hans-Bernd (2013): Saxer, Ulrich: Mediengesellschaft. Eine kommunikationssoziologische Perspektive. Rezension in: Publizistik 58: 2013, S. 238-240. Brosius, Hans-Bernd; Schwer, Katja (2008): Die Forschung über Mediengewalt. Deutungshoheit von Kommunikationswissenschaft, Medienpsychologie oder Medienpädagogik? Baden-Baden. Brosius, Hans-Bernd; Koschel, Friederike; Haas, Alexander (2012): Empirische Methoden der Kommunikationsforschung. Opladen. Bruch, Michael; Türk, Klaus (2007): Das Organisationsdispositiv moderner Gesellschaft. In: Altmeppen, Klaus- Dieter et al. (Hrsg.): Journalismustheorie: Next Generation. Soziologische Grundlegung und theoretische Innovation. Wiesbaden, S. 263-280. Bucher, Hans-Jürgen (2000): Journalismus als kommunikatives Handeln. Zum Verhältnis von Systemtheorie und Handlungstheorie. In: Löffelholz, Martin (Hrsg.): Theorien des Journalismus, Wiesbaden, 245-273. Burkart, Roland (2002): Kommunikationswissenschaft. Grundlagen und Problemfelder. Umrisse einer interdisziplinären Sozialwissenschaft. Köln. 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Winterhoff-Spurk, Peter (2004): Medienpsychologie. Eine Einführung. 2., überarb. Aufl. Stuttgart. <?page no="30"?> 31 2 Zur Fachgeschichte Die wissenschaftliche Reflexion über gesellschaftliche Kommunikation beginnt nicht erst etwa mit der Begründung der Zeitungswissenschaft im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Vielmehr setzt die Beschäftigung mit publizistischer Kommunikation im europäischen Raum bereits mit der Entwicklung der Rhetorik in der Antike ein. Ein kräftiger Impuls ging des Weiteren von der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern (1445) sowie in dessen Gefolge vom Aufkommen erster, periodisch erscheinender Zeitungen zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus. Seither verdichtet sich das wissenschaftliche Interesse an den publizistischen Medien kontinuierlich. Mit der Begründung der universitären Zeitungswissenschaft im Jahre 1916 durch Karl Bücher war ein wichtiger Schritt zur Etablierung des Faches getan. Es entfaltete sich anfangs nur langsam und erlitt durch den Nationalsozialismus insofern eine Zäsur, als es politisch vereinnahmt wurde. Der Wiederaufbau nach 1945 ging ebenfalls nur eher zögernd voran. Erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts erhielt es durch die Errichtung neuer Institute, Studiengänge, Lehrstühle und Professuren wichtige Anschubimpulse. Die Kommunikationswissenschaft ist heute - im Vergleich zu den Naturwissenschaften, den technischen Wissenschaften, der Medizin oder der Jurisprudenz - zwar immer noch ein relativ kleines Fach; sie ist aus dem Kanon der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie ästhetisch-künstlerischer Disziplinen jedoch nicht mehr wegzudenken. 2.1 Rhetorik der Antike In der Rhetorik der Antike ist ein erster Versuch zu sehen, öffentliche Kommunikation systematisch zu durchdringen. Die Rhetorik war und ist ein »politisch und ethisch fundiertes Lehrsystem wirksamer öffentlicher Rede« (Bußmann 1990, S.-486). Und sie »bezeugt schon den engen Zusammenhang zwischen politischer Organisation einer Gesellschaft und den Formen ihrer öffentlichen Kommunikation« (Wilke 2000, S. 7). Zu ihren wohl größten Schöpfern gehörten der Grieche Aristoteles (4. Jh. v. Chr.) sowie die Römer Cicero (1. Jh. v. Chr.) und Quintilian (1. Jh. n. Chr.). Sie schufen »die wichtigsten Grundgesetze, Methoden und Techniken der öffentlichen Meinungsbildung und -führung durch das Urmedium aller Publizistik, die menschliche Stimme« (Kieslich 1972, S.-68f ). Die klassische Dreiteilung der Redegattungen in Gerichtsrede (Anklage, Verteidigung), Ratsrede (auf der Polis) sowie Lob- und Tadelrede (z. B. Festrede) geht auf Aristoteles zurück. Er unterschied bereits zwischen Redner, Redeinhalt und Zuhörer, worin man ein einfaches Kommunikationsmodell (Sender, Aussage, Empfänger) erkennen kann (Wilke 2000, S. 6). Die Dreiteilung orientiert sich an den für die Antike relevanten Kommunikationssituationen Gericht, Volksversammlung und Fest. Das umfassende Lehrsystem der antiken Rhetorik bestand, stark verkürzt wiedergegeben, aus mindestens drei Bündeln wichtiger Anleitungen. Es enthielt (vgl. Bußmann 1990, S. 648): • wichtige Elemente der Rede zur Schilderung von Geschehensabläufen (wer, was, wo, wann, wie, warum); - <?page no="31"?> 2 Zur Fachgeschichte 32 • detaillierte Schemata für die Arbeitsphasen des Redners (Stoffsammlung, Gliederung, rednerischer Ausdruck, Einprägen der Rede, Verwirklichung durch Vortrag); sowie • genaue Hinweise auf mögliche Stilarten (schlichter, mittlerer, erhabener Stil) und Stilqualitäten (Sprachrichtigkeit, Verständlichkeit, Angemessenheit, Schmuck). Die Rhetorik wurde vom Altertum über das Mittelalter bis zur Aufklärung an Hochschulen und Akademien als eigenes Fach gelehrt. Das christliche Mittelalter eignete sich das rhetorische Wissen für Bibelauslegung und Predigtlehre an. Renaissance und Humanismus brachten der Rhetorik in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens neue Höhepunkte. Im 18. Jahrhundert erfolgte die Nationalisierung der bis dahin weitgehend lateinisch-sprachigen Rhetorik und es entstanden nationalbzw. muttersprachliche Lehrbücher. Von besonderer politischer Bedeutung war die Rhetorik in der Französischen Revolution sowie im Zusammenhang mit der Entwicklung einer kritischen bürgerlichen Öffentlichkeit (Ueding/ Steinbrink 2005, S. 99f; Ueding 2009, S. 17ff). Im 20. Jahrhundert wird sie als »New Rhetoric« in den USA wieder entdeckt - als Rhetorik der Massenmedien, der politischen Kommunikation und der Werbung mit psychologischem Schwerpunkt. Von ihrer Gegenstandszuordnung als Materialobjekt der Kommunikationswissenschaft gehört die öffentliche Rede in den Bereich der originären Publizistik. In ihren Regeln finden sich nicht nur Gebote für Art, Aufbau, Stil und Form der Rede, sondern auch für die Absicht, mithilfe von Argumentation und Schlussführung in der öffentlichen Rede ein Höchstmaß an (politischer) Überzeugung zu erreichen - also das, was wir heute »persuasive Kommunikation« nennen (vgl. Hovland/ Janis/ Kelly 1953; Koeppler 2000). 2.2 Öffentliche Kommunikation im Mittelalter Die nach dem Ende der antiken Großreiche einsetzende Völkerwanderung führte zum Abhandenkommen materieller, politischer und kultureller Voraussetzungen organisierter gesellschaftlicher Kommunikation, wie es sie im Römischen Reich gab. Erst mit der Herausbildung einer neuen, stabilen Ordnung im Mittelalter »entstanden äußere Bedingungen, unter denen sich […] geordnete Kommunikationsbeziehungen« entwickeln konnten (Wilke 2000, S. 10). Mit der Herausbildung von Zentralgewalten werden »Funktionen, die später auf den modernen Staat übergehen, von korporativen Einrichtungen übernommen […]« (ebd.). Es sind dies Universitäten (damals noch nicht ›universitas literarum‹), Zünfte, christliche Orden, Klöster, städtische ›Magistrate‹ und ›Kanzleien‹ von Königen und Herzögen (Hof, Burg) sowie Bischöfen. Die Kirche hatte dabei eine besondere Stellung: Sie wirkte als übergreifende Gemeinschaft und war ein Bindeglied zwischen den Gesellschaftsschichten, sie war »der eigentliche Raum der Öffentlichkeit» (Wilke 2000, S. 11 mit Bezugnahme auf Benzinger 1970). Sie hatte einerseits besondere Bedeutung als »Trägerin und Ort der Kommunikation« und bediente sich selbst der Mittel der Kommunikation zur Verkündigung (ebd.): Die Kanzel war »Stätte amtlicher Bekanntmachung«, der Kirchplatz »Ort für das persönliche Gespräch oder die Unterredung in der (Klein-)Gruppe« (ebd.). Als Räume »okkasioneller Öffentlichkeit» (ebd.) fungierten Reichstage (von denen die Allgemeinheit eher ausgeschlossen war und man daher kaum von Öffentlichkeit sprechen konnte). Des weiteren Märkte, die neben ihrer wirtschaftlichen Funktion auch eine kommunikative hatten: Spielmänner und Sprecher zogen von Ort zu Ort, um Neuigkeiten in Reim und Lied bekannt zu machen. Sie berichteten auch von politischen Ereignissen und sensationellen Vorfällen. Oralität (mündliche Vermittlung) und Visualität (Bilder) herrschten vor (Wilke 2000, S. 11). Schriftlichkeit gab es v. a. an den Klöstern und (oft aus Klöstern hervorgegangenen) Universitäten, in denen geschrieben und mittels Abschreiben vervielfältigt wurde. Sofern <?page no="32"?> 2.3 Dogmatiker und Aufklärer im 17. und 18. Jahrhundert 33 man überhaupt von Öffentlichkeit(en) sprechen konnte, waren dies sozial voneinander relativ abgegrenzte, differenzierte Kommunikationsräume wie (hier mit Bezugnahme auf Wilke 2000 und Faulstich 1996): Burg und Hof (als Herrschafts-, Macht- und Kulturzentren); Klöster und Universitäten (als Bildungszentren); die Kirche (die quer zu und teils über den anderen Zentren stand) (vgl. Wilke 2008, S. 11); die Städte (in denen sich Verwaltungs- und Handelszentren herausbildeten); Dörfer ( die weitgehend agrarisch strukturiert waren, in denen es aber Handel gab) sowie Marktplätze (die dem Handel und der wirtschaftlichen Grundversorgung dienten). Agenten zur Herstellung von Öffentlichkeit waren kirchliche Lehrer, Prediger, ›Professoren‹, Bibliothekare und sog. Mundpublizisten, die Neuigkeiten von Ort zu Ort brachten: Fahrende, Dichter, (Bänkel-)Sänger, Spielleute. Durch Vervielfältigen (weitgehend) in den Schreibstuben der Klöster und Universitäten entstanden vorwiegend wissenschaftliche, historische und religiöse Texte (sowie auch Bilder). So gab es auch erste Drucke/ Druckwerke (in Form von sog. Blockbüchern mit ganzseitigen Einblattdrucken), ehe gegen 1445 der Buchdruck mit beweglichen Lettern aufkam. Werner Faulstich (1996) sieht im Mittelalter den Übergang von den ›Menschmedien‹ (Sänger, Erzähler, Spiele, ritualisierte Feste etc.) zu den ›Schreibmedien‹ (Blatt, Brief, Buch, aber z. B. auch bemalte Fenster mit zeitbezogenen Darstellungen). Der Funktionsverlust der ›Menschmedien‹ (»primäre Oralität«) zeichnet sich, so Faulstich, gegen Ende des Mittelalters infolge des starken Bevölkerungswachstums, der Zunahme des Wissens sowie der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern ab (vgl. Faulstich 1996, S. 269-272). 2.3 Dogmatiker und Aufklärer im 17. und 18. Jahrhundert Mit der Erfindung des Buchdrucks durch Johann Gensfleisch zum Gutenberg gegen Mitte des 15.- Jahrhunderts verlagerte sich das akademische Interesse von der Rhetorik auf die gedruckte Publizistik. Es waren vornehmlich Pädagogen, (Moral-)Theologen und Politiker, die mehr oder weniger wissenschaftlich über die Zeitungen des 17. Jahrhunderts reflektierten. Groth bezeichnet sie pauschal als Dogmatiker, da sie alle »von bestimmten Dogmen ausgingen, sei es dem absolutistisch-religiösen, sei es dem rationalistischen« (Groth 1948, S.-15). Zu erwähnen sind z. B. der Hofrat und Politiker Ahasver Fritsch sowie der lutherische Geistliche und Superintendent Johann Ludwig Hartmann. Beide richteten sich gegen den Missbrauch der Presse und gegen die Zeitungen als Laster der Zeit (vgl. Groth 1948, S.-17). Diesen kulturpessimistischen Haltungen stehen jedoch auch andere Stimmen gegenüber wie jene Christian Weises oder Daniel Hartnacks. Der Philosoph und Pädagoge Weise, ein Vorreiter der Aufklärung, tritt für die Zeitung ein und will sie zur Ausbildung verwerten (vgl. Groth 1948, S.-17). Der Pädagoge und Pfarrer Hartnack hob u. a. den Nutzen der Zeitungslektüre hervor (vgl. Groth 1948, S.-18). Nicht zu übersehen ist der Literat, Sprachwissenschaftler und Lexikograf Kaspar von Stieler, der für den Übergang von den Zeitungsdogmatikern zu den Aufklärern steht. Aus seiner 1695 verfassten Gelegenheitsschrift »Zeitungs Lust und Nutz« geht, wie der Titel bereits sagt, eine positive Sichtweise des Mediums Zeitung hervor (Stieler 1695; Meyen/ Löblich 2006, S. 73ff). Auf die moralisierenden Zeitungsdogmatiker des Barock »folgten die analysierenden Zeitungstheoretiker der Aufklärung« (Kieslich 1972, S.-70). Die Staatskunde wendete sich als »Statistik« dem Zeitungswesen zu; und auf vielen Ebenen der gehobenen Gesellschaft wurden sog. Zeitungskollegien eingerichtet (vgl. Groth 1948, S.-33). Diese Kollegien sollten die Studierenden anleiten, »die damaligen Zeitungen mit Gewinn zu lesen, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden und aus den mitgeteilten Informationen auf eventuell verschwiegene Hintergründe zu schließen« (Koerber/ Stöber 1994, S.-95). Es entstand eine Zeitungs- und Zeitschriftenkunde, zu deren prominentesten <?page no="33"?> 2 Zur Fachgeschichte 34 Lehrern Jacob Marperger, Christian Thomasius, Johann Georg Hamann, Johann Peter von Ludewig sowie der Begründer der modernen Staatswissenschaft, August Ludwig Schlözer, zählten (vgl. Groth 1948, S. 35ff). Zu den Aufklärern des ausgehenden 18. Jahrhunderts und gleichzeitig zu den ersten »Opinionisten« gehörte auch der Diplomat Joachim von Schwarzkopf (vgl. Schwarzkopf 1795). Er versuchte, »die Entwicklungsbedingungen des Zeitungswesens historisch zu klären, die Zeitungen typologisch zu ordnen, Wirkungsmechanismen zu demonstrieren und Kriterien für eine vernünftige Zeitungs- und Journalismuspolitik zu entwickeln« (Wagner 1997, S.-84). Schwarzkopf schuf laut Koszyk/ Pruys »die Grundlage der Zeitungskunde, wie sie dann in Deutschland bis ins 20. Jahrhundert betrieben wurde« (Koszyk/ Pruys 1976, S.-9). 2.4 Das 19. Jahrhundert: Opinionisten, Historiker, Ökonomen, Soziologen Für das 19. Jahrhundert ist auf mehrere Entwicklungsstadien der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Presse zu verweisen: auf die Zeit des Vormärz und die in ihr wirkenden Opinionisten; auf den Historismus und die aus ihm hervorgegangenen Pressehistoriografen; sowie schließlich auf nationalökonomische und soziologische Betrachtungen des Pressewesens als Folge des Aufkommens der Massenpresse. Mit der Wiedereinführung der 1806 aufgehobenen Zensur als Folge der Karlsbader Beschlüsse von 1819 geriet die Presse in der Zeit des Vormärz unter den Druck politischer Strömungen. Den liberalen und demokratisch gesinnten Opinionisten, die die Presse »als Organ und Spiegel der öffentlichen Meinung» sahen, standen absolutistisch gesinnte Antipoden gegenüber; für sie war die Presse ein »Werk ›subjektiver‹ und ›individueller‹ Geister zur Lenkung oder gar Manipulation der öffentlichen Meinung« (Wagner 1997, S.-84). So forderte der liberale Staatsrechtslehrer und Politiker Carl Theodor Welcker 1830 in einer Petition an die Bundesversammlung die »vollkommene und ganze Preßfreiheit« (Welcker 1830). Auf der anderen Seite stand, gleichsam als »Repräsentant des untergehenden Absolutismus« (Wagner 1997, S.-84), der protestantische Theologe Franz Adam Löffler. Er verfasste 1837 sein umfassendes Werk »Über die Gesetzgebung der Presse. Ein Versuch zur Lösung ihrer Aufgabe auf wissenschaftlichem Wege« (Löffler 1837). Es ist dies ein weitangelegtes System der Presswissenschaft, das u. a. die Wissenschaft des Pressbegriffs, eine Philosophie des Pressrechts und eine Geschichte der Druckerpresse umfasste. Löffler befasste sich auch mit der Bedeutung der Presse für die Entstehung der öffentlichen Meinung, deren soziologische Funktion er erkannte und die durch ihn zum Gegenstand der pressewissenschaftlichen Theorie wurde. Damit war der »entscheidende Schritt vom Medium zu seiner Wirksamkeit in der Gesellschaft getan« (Koszyk/ Pruys 1976, S.-9). Groth sieht in Löfflers Werk das bis dahin »umfangreichste, gründlichste und geschlossenste Werk der Publizistik« und bezeichnet Löffler als den »Begründer« bzw. »Bahnbrecher« der Publizistikwissenschaft (Groth 1948, S.-125). Ein scharfer Kritiker der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Massenpresse ist schließlich in dem Historiker, Publizisten und Politiker Heinrich Wuttke zu sehen. Sein Werk »Die deutschen Zeitschriften und die Entstehung der öffentlichen Meinung« (Wuttke 1866) stellt eine »scharfe Absage an das Bismarcksche System der Korrumpierung der Presse durch das Anzeigenwesen« dar (Koszyk/ Pruys 1976, S.-10; vgl. auch Groth 1948, S.-209-244). Eine wichtige Strömung ist des Weiteren in dem im 19. Jahrhundert aufkommenden Historismus zu sehen. Man versteht darunter die Betrachtung gesellschaftlicher Phänomene unter dem Aspekt <?page no="34"?> 2.4 Das 19. Jahrhundert 35 ihrer historischen Genese. Zu den prominenten Pressehistoriografen gehören Robert E. Prutz und Ludwig Salomon. Prutz veröffentlichte 1845 die erste »Geschichte des deutschen Journalismus«, eine groß angelegte Gesamtgeschichte des deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenwesens bis in die Zeit des Vormärz (Prutz 1845). Von Salomon stammt eine zwischen 1900 und 1906 in drei Bänden veröffentlichte »Geschichte des Deutschen Zeitungswesens« (Salomon 1906); sie galt lange Zeit als Standardwerk, ist inzwischen aber längst überholt. Die 1848 erfolgte Aufhebung der Zensur hatte eine rasche Ausdifferenzierung des Pressewesens sowie eine rapide Vermehrung des Anzeigenaufkommens (v. a. in der sog. Generalanzeigerpresse) zur Folge. Die wirtschaftliche Bedeutung der Zeitungen wurde zunehmend evident. So verwundert es nicht, dass sich Nationalökonomen und frühe Soziologen des Presse- und Nachrichtenwesens annehmen. Von Karl Knies, dem Begründer der modernen Nationalökonomie, stammt zweierlei: eine auf der Ausdifferenzierung des Nachrichtenwesens aufbauende Informationstheorie; sowie eine Theorie der Geschäftsanzeige in ihrer volkswirtschaftlichen Funktion, nämlich die Steuerung von Angebot und Nachfrage durch das Anzeigenwesen (vgl. Knies 1857; Meyen/ Löblich 2006, S. 89ff). Der Soziologe Albert E. Schäffle verweist in seinem Hauptwerk »Bau und Leben des socialen Körpers« (Schäffle 1875; vgl. auch Schäffle 1873) auf die eminente Bedeutung der Pressfreiheit für das Funktionieren der Gesellschaft und sieht in der öffentlichen Meinung die »Reaktion des Publikums«, getragen von »Wertbestimmungen«. Gleichzeitig manifestiert sich für ihn in der Tagespresse ein »Erzeugnis der bürgerlichen, kapitalistischen Epoche« und er verurteilt »Preßkorruption« und »Preßmißbrauch« (Groth 1948, S.-255-282; siehe auch Meyen/ Löblich 2006, S. 109ff). Der Nationalökonom und Begründer der Zeitungskunde, Karl Bücher, war sowohl Zeitungsstatistiker wie auch Zeitungshistoriker. Von ihm stammt eine Fülle zeitungskundlicher und zeitungswirtschaftlicher Veröffentlichungen (vgl. Bücher 1926; Groth 1948, S.-354f ). Die Bedeutung der Zeitung sieht er in ihrer Leistung als Vermittler »zwischen dem Volk und seinen führenden Geistern«, als »Stützorgan der Volkswirtschaft« sowie als »Organ der öffentlichen Meinung«. Der kulturelle Nutzen der Tagespresse ist für ihn unbestritten, ihren Schaden sieht er in ihrer Eigenschaft als »kapitalistische Unternehmung«. Insgesamt betrachtete Bücher die Geschichte des Zeitungswesens als einen Teil der Kulturgeschichte (vgl. Groth 1948, S.-282-296). Zu den Soziologen, die sich der Presse widmeten, gehört auch Max Weber. Er selbst hat zwar kein Werk über die Presse geschrieben; von ihm stammt allerdings ein 1910 erarbeiteter Grundriss zu einer »Soziologie des Zeitungswesens« (Weber 1911, S.- 39-62; vgl. Kutsch 1988a, S.- 5-31; Meyen/ Löblich 2006, S. 145ff), der nie realisiert wurde, sondern einem Professorenstreit zum Opfer fiel (vgl. Obst 1986, S.-45-62). Eine angemessene Würdigung dieses Grundrisses stammt von Siegfried Weischenberg (2012). Speziell dem Nachrichtenwesen widmete sich Wolfgang Riepl in seinem 1913 publizierten Buch »Das Nachrichtenwesen des Altertums« (Riepl 1913). Riepl erarbeitete allgemeine Prinzipien und Gesetze des Nachrichtenverkehrs; von ihm stammt das Gesetz, wonach neu aufkommende Medien die alten nie gänzlich verdrängt, sondern diese gezwungen haben, »andere Aufgaben und Verwertungsgebiete aufzusuchen« (Riepl 1913, S.-5). Riepl erkannte, wie wir heute sagen würden, den Zusammenhang von Kommunikation und gesellschaftlichem Wandel (vgl. Lerg 1977, S.-9-24; und 1986, S.-134). Als Zwischenfazit der Fachgeschichte lässt sich festhalten: Das Erkenntnisinteresse an publizistischen Phänomenen, vorwiegend an der Presse, ist bis zum 20. Jahrhundert »eng verbunden mit den kulturellen und politischen Energien der jeweiligen Zeiten« und es »kumuliert in den Namen nicht weniger weltaufgeschlossener, universaler Gelehrter«; jedoch »führten diese […] von einem persönlichen Engagement durchpulsten Untersuchungen […] nicht dazu, eine selbständige Zeitungsbzw. Publizistikwissenschaft an den deutschen Universitäten durchzusetzen« (Kieslich 1972, S.-71f ). Man <?page no="35"?> 2 Zur Fachgeschichte 36 muss aber einräumen, dass insbesondere in Löffler, Schäffle und Bücher Wegbereiter für die Etablierung der wissenschaftlichen Zeitungskunde zu sehen sind. 2.5 Wissenschaftliche Zeitungskunde - Zeitungswissenschaft Lehraufträge und Seminare für Zeitungskunde gab es an Universitäten und Hochschulen des deutschen Sprachraumes bereits vor der und um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Sie gingen im Wesentlichen auf persönliche Initiativen von Hochschullehrern verschiedener Fachgebiete zurück (vgl. Wagner 1997, S.-133). Auch sind bereits vor der Jahrhundertwende Promotionen über zeitungskundliche bzw. zeitungswissenschaftliche Themen aus verschiedenen Fachgebieten wie Jurisprudenz, Nationalökonomie, Geschichte etc. bekannt (vgl. Jaeger 1926, S.-17ff). Der in Deutschland früheste Versuch, das Fach zu institutionalisieren, geht auf ein »Journalistisches Seminar« an der Universität Heidelberg zurück. Es wurde 1897 von Adolf Koch eingerichtet und bestand bis 1912 (vgl. Jaeger 1926, S.-12; Obst 1986, S.-45ff). Die endgültige Etablierung der Zeitungskunde ist Karl Bücher (vgl. u. a. Bücher 1926) zu verdanken. Er hielt bereits ab 1884 Vorlesungen über das Pressewesen, zunächst in Basel (Schweiz), ab 1892 in Leipzig. Weitere zeitungskundliche Kollegs, Vorlesungen und Seminare von Dozenten unterschiedlicher Herkunft folgten in Heidelberg, Greifswald, Danzig, Darmstadt, Berlin, Köln und München. Die wissenschaftliche Zeitungskunde begann allmählich Fuß zu fassen. Die Etablierung der Zeitungskunde erhielt des Weiteren wichtige Impulse 1) durch den von Max Weber erarbeiteten und vom Deutschen Soziologentag verabschiedeten Plan »Zu einer Soziologie des Zeitungswesens« (vgl. Meyen/ Löblich 2006, S. 145ff; vgl. Weischenberg 2012); 2) durch eine Ausbildungsresolution des Reichsverbandes der Deutschen Presse, die vorsah, dass die Vorbildung von Journalisten durch die Zeitungskunde zu pflegen sei und dass bei der Errichtung von Lehrstühlen für Zeitungskunde Medienpraktiker berücksichtigt werden sollen; 3) durch engagierte Verleger, die ebenfalls Interesse an einer praxisnahen, zeitungskundlichen Vorbildung für Journalisten hatten; nicht zuletzt aber 4) auch durch den Ersten Weltkrieg mit seiner auf die Zeitungen durchschlagenden Propagandamaschinerie. Es wuchs die Erkenntnis, dass es an der Zeit war, sich der Zeitungen und des Journalismus konsequent anzunehmen und für einen »systemreformierenden Journalismus« zu sorgen (Kutsch 1996, S.-8). Karl Bücher verfolgte genau dieses Ziel. Er verfügte aus seiner früheren Tätigkeit bei der Frankfurter Zeitung über Praxiserfahrung und nutzte als Wissenschaftler die Presse als Quelle für seine Forschungen. 1915 warf er der deutschen Presse vor, sie habe sich den Anforderungen des (Ersten Welt-) Krieges nicht gewachsen gezeigt und verfüge über ein beschämend geringes Bewusstsein von ihrer Pflicht zum Dienst an der Wahrheit. Bücher gründete 1916 in Leipzig unter Mitwirkung des Verlegers Edgar Herfurth (»Leipziger Neueste Nachrichten«) das Institut für Zeitungskunde - die erste Einrichtung dieser Art an einer deutschen Universität. Der Nationalökonom Bücher »trat von seiner Professur für Nationalökonomie zurück und widmete sich hinfort der Zeitungskunde« (Jaeger 1926, S.-14). Sein Nachfolger in Leipzig wurde 1926 der Wiener Korrespondent des liberalen Berliner Tagblattes, Erich Everth - der erste ordentliche Professor (Ordinarius) für Zeitungskunde. »Sein Ziel war es […], die Zeitungskunde als eigenständige Disziplin theoretisch zu begründen«, und zwar »als Typ einer modernen Integrationswissenschaft, die eine sozialwissenschaftliche Beziehungs- und Formenlehre umfasste« (Kutsch/ Averbeck o.J.; vgl. Lacasa 2008, 2009). Nach der Leipziger Initiative kam es in relativ rascher Folge zu weiteren Institutsgründungen. Bis 1935 entstanden zehn weitere Institute für Zeitungskunde, Zeitungswissenschaft, Zeitungsforschung (oder wie auch immer sie geheißen haben) in Münster (1919), Köln (1920), Freiburg (1923), München (1924), Nürnberg <?page no="36"?> 2.6 Publizistik(-wissenschaft) 37 (1924), Berlin (1925), Dortmund (1926), Halle (1926), Heidelberg (1927) sowie Königsberg (1935). Daneben gab es an weiteren deutschen Universitäten, Technischen Hochschulen und Handelshochschulen zeitungskundliche Lehrveranstaltungen in Form von Kursen, Seminaren und Vorlesungen. Die wissenschaftliche Zeitungskunde, die Zeitungswissenschaft, hat sich im gesamten deutschen Sprachraum nicht gerade explosionsartig entwickelt: Vielmehr ließ die Ausstattung der Institute mit Personal, Räumen und Sachmitteln zahlreiche Wünsche offen. Dennoch zeigen die Veröffentlichungen der Gründerväter, ihrer Schüler und Doktoranden, dass die »Presseforschung nicht nur Hilfswissenschaft war, sondern selbständiger Forschungsgegenstand« (Kieslich 1972, S.-72). Die wissenschaftliche Zeitungskunde orientierte sich in diesem frühen Stadium vornehmlich an juristischen, nationalökonomisch-statistischen und historischen Fragen. Im Jahr 1926 weist Karl Jaeger (1926) insgesamt 221 Dissertationen nach, die zwischen 1885 und 1922 in Deutschland erarbeitet wurden und die das Zeitungswesen zum Gegenstand hatten. Davon entfielen 74 Arbeiten auf juristische Themen, 73 auf nationalökonomisch-statistische, 34 auf historische, 26 auf germanistische, sieben auf anglistische, sechs auf romanistische sowie eine auf ein philosophisches Thema. Edith S. Grün fand für den (früheren) Zeitraum von 1874 bis 1919 des Weiteren heraus, dass ein Großteil der von ihr bibliografisch ermittelten Pressedissertationen in Deutschland an philosophischen Fakultäten und in der Tradition des Historismus entstanden war. Es handelt sich dabei vorwiegend um biografische Arbeiten über Journalisten und Publizisten sowie um Monografien von Zeitungen und Zeitschriften. Daneben sind - im weitesten Sinne - soziologische Arbeiten zur öffentlichen Meinung, einige deskriptiv-statistische struktur- und inhaltsanalytische Studien sowie Arbeiten über strafrechtlich relevante Themen vorzufinden (vgl. Grün 1986, S.-31-34). 2.6 Publizistik(-wissenschaft) Knapp zehn Jahre nach der Begründung der Zeitungswissenschaft in Deutschland kam von Karl Jaeger, einem Mitarbeiter Karl Büchers, der Vorschlag, die wissenschaftliche Zeitungskunde von ihrem Fachgegenstand her auszuweiten und in Publizistik (-wissenschaft) umzubenennen. Jaeger erkannte in Anlehnung an Walter Schöne (ebenfalls Leipzig), dass die öffentliche Meinung das Zentralproblem der Zeitungslehre darstellt. Die Urzelle der öffentlichen Meinung sah Jaeger jedoch in der Mitteilung - daher müsse jede Form der Mitteilung zum Gegenstand der Wissenschaft gemacht werden. »Das Erkenntnisziel rückt damit von der Zeitung als Ausdrucksmittel des gesellschaftlichen Bewusstseins zur Mitteilung als Ausdrucksmittel des gesellschaftlichen Bewusstseins« (Jaeger 1926, S.-67; vgl. auch Jaeger 2000). Jaeger stellt folglich den Begriff Zeitungswissenschaft in Frage, zumal er das Blickfeld »doch allzu positiv auf die Zeitung allein« umgrenzt, »während all die anderen Mittel, die auf die öffentliche Meinung wirken können, unberücksichtigt bleiben« (Jaeger 1926, S.-67). Jaeger meinte also, dass neben Zeitung und Zeitschrift auch das Flugblatt, die Flugschrift, das Nachrichtenwesen, öffentliche Rede und Verkündigung sowie insbesondere auch die damals in der Anfangsphase steckenden »neuen Medien« Rundfunk (Hörfunk) und Tonfilm zum Untersuchungsgegenstand der Disziplin gehören. »Auf der Suche nach einem Begriffe«, so Jaeger, »der jegliche Möglichkeit der Mitteilung bzw. Meinungsbildung bzw. -beeinflussung in sich schließt, stößt man, als treffendsten, auf den Begriff Publizistik, der jegliche Art der Veröffentlichung, Verkündigung deckt. Für die Wissenschaft von den Formen, Trägern, dem Wesen und den Wirkungen der Mitteilungen sagt man also am besten hinfort: publizistische Wissenschaft« (Jaeger 1926, S.-67) bzw. kurz Publizistik. Die Ideen und das Werk Karl Jaegers haben Arnulf Kutsch und Stefanie Averbeck ausführlich gewürdigt (vgl. Kutsch/ Averbeck 2000; Jaeger 2000; siehe auch Meyen/ Löblich 2006, S. 161ff). Innovatives Ideen- <?page no="37"?> 2 Zur Fachgeschichte 38 gut zur Entwicklung des Faches jenseits der Begrenzung auf Zeitungswissenschaft hat auch Hans Traub in die aufkommende Disziplin eingebracht (vgl. Beck 2009). Mit dem Vorstoß Jaegers war die Ausweitung des Materialobjektes des Faches über die gedruckten Medien hinaus in die Wege geleitet. Nur ein Teil der Fachvertreter folgte jedoch dieser neuen Terminologie. Die Zeitungswissenschaftler Karl d’Ester (München) und Walther Heide (Berlin) sowie der Privatdozent Otto Groth (Frankfurt, später München) haben sich der Programmatik und Terminologie der Publizistikwissenschaft nicht angeschlossen. Für sie hatte der Begriff ›Zeitung‹ nämlich eine andere Bedeutung: Er stand nicht (nur) für das materialisierte Objekt Tages- oder Wochenzeitung, sondern ›Zeitung‹ wurde im Sinne der alten Bedeutung von ›Nachricht‹ aufgefasst - eine Bedeutung, die der Begriff bis in die Zeit Schillers hatte (vgl. Koszyk/ Pruys 1976, S.- 12; Starkulla 1963, S.-160; Wagner 1997, S.-39). Das aufstrebende Fach befasste sich mit Fragen der Terminologie und Systematik. Als Forum dazu diente die 1926 von Karl d’Ester (München) und Walther Heide (Berlin) gegründete Fachzeitschrift »Zeitungswissenschaft«. Auch entstanden zeitungskundliche Publikationen, die bis in die 50er- und 60er-Jahre zu Standardwerken des Faches zählten und die heute mitunter noch als wertvolle Quellen zu verwenden sind. Zu erwähnen sind insbesondere: 1) Emil Dovifats 1931 erstmals erschienene »Zeitungswissenschaft«; deren erster Band stellte eine Allgemeine Zeitungslehre, der zweite Band eine Praktische Zeitungslehre dar (Dovifat 1931). Die nachfolgenden Auflagen von 1937, 1955, 1962 sowie 1976 (letztgenannte unter Bearbeitung von Jürgen Wilke) wurden daher richtigerweise als »Zeitungslehre« publiziert. 2) Otto Groths vierbändige Enzyklopädie »Die Zeitung« (Groth 1928); ihr Autor bezeichnet sie zwar als »System der Zeitungskunde (Journalistik)«, sie stellt aber eher eine Strukturbeschreibung denn einen systematischen Aufriss dar (vgl. Koszyk/ Pruys 1976, S.-12). Groth, ein erfahrener Journalist und Gelehrter, hatte - von zahlreichen Lehraufträgen abgesehen - nie eine feste Stelle als Hochschullehrer inne. Von ihm stammt auch die dreißig Jahre später teils posthum veröffentlichte Periodik »Die unerkannte Kulturmacht« (Groth 1960ff). Dieses in sieben Bänden zwischen 1960 und 1972 herausgebrachte Mammut-Werk sollte, wie ihr Untertitel versprach, eine »Grundlegung der Zeitungswissenschaft« sein, war allerdings zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung wissenschaftsgeschichtlich über weite Strecken überholt (vgl. Lerg 1977, S.-10). Hinzuweisen ist auch darauf, dass die Zeitungswissenschaft eine bedeutende Rolle bei der Vorbereitung der Internationalen Presseausstellung »Pressa« 1928 in Köln einnahm. Mehrere zeitungswissenschaftliche Institute (wie Berlin, Freiburg, Halle, München, Münster) haben dabei mitgewirkt (vgl. Klose 1986). Wissenschaftsgeschichtlich ist schließlich zu vermerken, dass die Zeitungsbzw. frühe Publizistikwissenschaft zur Soziologie sowohl Berührungspunkte suchte wie auch Abgrenzungstendenzen erkennen ließ (vgl. Averbeck 1999). Auch das Verhältnis des Faches zur Praxis blieb ungeklärt. Die Folge war, dass - zur Unzufriedenheit beider Seiten, also der Wissenschaftler wie der Praktiker - »das Fach stets zwischen der jeweils geforderten Praxisbezogenheit einerseits und der eingemahnten Wissenschaftlichkeit andererseits lavierte« (Koszyk/ Pruys 1976, S.-12; vgl. Neff 1986, S.-63-74). 2.7 Das Fach im Nationalsozialismus Von der Gleichschaltung des kulturellen Lebens durch den Nationalsozialismus blieb auch die Zeitungswissenschaft nicht verschont, die schrittweise in die Schulung des Pressenachwuchses einbezogen wurde. Dabei haben viele mitgemacht, viele andere sich aber auch verweigert. Von jenen Fach- <?page no="38"?> 2.7 Das Fach im Nationalsozialismus 39 vertretern und Funktionären, die die Entwicklung des Faches in dieser Zeit wesentlich beeinflussten, seien drei Personen hervorgehoben: Walther Heide, Karl Oswin Kurth und Hans Amandus Münster. Eine wichtige, in zahlreichen Details aber bis heute nicht vollständig geklärte Rolle als Verbindungsglied zwischen Zeitungswissenschaft und nationalsozialistischem Regime spielte Walther Heide. Er kam aus der Deutschen Volkspartei (DVP), war promovierter (Sozial-)Historiker und hatte vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten Aufgaben zunächst in der Presseabteilung der Reichsregierung im Auswärtigen Amt inne, später im innenpolitischen Referat der Reichspressestelle. Für kurze Zeit war er - bereits unter dem NS-Regime - stellvertretender Pressechef der Reichsregierung, wurde jedoch Mitte 1933 zur Disposition gestellt und übernahm Aufgaben auf dem Gebiet der Presse der Auslandsdeutschen und der offiziösen Pressekorrespondenzen. Im Frühjahr 1933 erhielt Heide eine Honorarprofessur für Zeitungswissenschaft an der Technischen Hochschule Berlin, im Sommer 1933 gründete er den »Deutschen Zeitungswissenschaftlichen Verband« (DZV). Es war dies ein privater Verein, der die lokalen zeitungswissenschaftlichen Vereinigungen auf Reichsebene zusammenführte und dessen Präsident Heide wurde (vgl. Bohrmann/ Kutsch 1975, S.-806). Aufgrund Heides politischer Kontakte auf vielen Ebenen war es ihm möglich, die Entwicklung des Faches im Dritten Reich stark zu beeinflussen. Straetz sieht in ihm jene Person, die die Zeitungswissenschaft »in den Dienst der nationalsozialistischen Sache« stellte (Straetz 1986, S.-91). Mit Karl Oswin Kurth und anderen gehörte er auch zu jenen Repräsentanten, die das Fach auf die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Zeitung eingeschränkt wissen wollten (vgl. Benedikt 1986, S.-125-129). Das NSDAP-Mitglied Karl O. Kurth absolvierte das Studium der Zeitungswissenschaft und entfaltete in der nationalsozialistischen Studentenschaft zahlreiche Aktivitäten. Er war u. a. Begründer der ersten »Zeitungswissenschaftlichen Fachschaft« (Leipzig) im Deutschen Reich. Deren wesentliche Aufgaben sah er in der Festlegung des Gegenstandes der Zeitungswissenschaft auf die Presse, in der Ausbildung des journalistischen Nachwuchses sowie in der Ausrichtung der Disziplin nach den Wünschen und Forderungen der nationalsozialistischen Presseführung. 1935 ernannte ihn Walther Heide zum Geschäftsführer des »Deutschen Zeitungswissenschaftlichen Verbandes« (DZV), im gleichen Jahr erhielt er von Heide die Stelle des Hauptschriftleiters des Fachorgans »Zeitungswissenschaft«. Den Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Karriere erreichte er 1942, als ihm für seine loyalen wissenschaftspolitischen Dienste die Leitung des (1939 von Walther Heide gegründeten) Wiener Instituts für Zeitungswissenschaft und die mit ihr verbundene Professorenstelle übertragen wurde (vgl. Kutsch 1981, S.-407). Heide, der »Treuhänder des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda« (Benedikt 1986, S.-120f ) an der Spitze des DZV, nutzte diesen Verband in zweifacher Hinsicht: Einerseits sah er in ihm eine Schaltstelle für den Ausbau des Faches; andererseits betrieb er gemeinsam mit Karl O. Kurth die Einbindung der Zeitungswissenschaft in nationalsozialistische Zielsetzungen. Es gelang ihm »die Anrechnung eines sechssemestrigen Studiums der Zeitungswissenschaft auf das Pressevolontariat« (Koszyk 1997, S.-30), und auch die einheitliche Umbenennung sämtlicher damals bestehender Institute in »Institut für Zeitungswissenschaft« sowie die Einführung eines einheitlichen Lehrplanes ab dem WS 1935/ 36 geht schlussendlich auf Heide zurück (vgl. Straetz 1986, S.-71). Darin wird den »Publizistischen Führungsmitteln« besondere Bedeutung eingeräumt. Heide, ebenso wie Kurth, ein vehementer Warner vor »einer Überfremdung der Disziplin durch Film und Rundfunk« (Straetz 1986, S.-91), erreichte auch, dass alle ab Ende der 1920er-Jahre geschaffenen Rundfunk- und Filmabteilungen an den zeitungswissenschaftlichen Instituten abgebaut werden mussten; Ausnahmen bildeten lediglich Leipzig und Berlin. Die rundfunkwissenschaftliche Arbeit wurde in der Folge 1939 dem in Freiburg i. B. errichteten und 1940 offiziell eröffneten Institut für Rundfunkwissenschaft überantwortet (vgl. Kutsch 1985). Joseph Goebbels, Reichsminister für Volksaufklärung und Pro- <?page no="39"?> 2 Zur Fachgeschichte 40 paganda, stand der Zeitungswissenschaft skeptisch gegenüber und war auch für eine Trennung zeitungswissenschaftlicher und rundfunkkundlicher Arbeit (vgl. Kieslich 1972, S.-73). Zu den Protagonisten der Zeitungswissenschaft im Dritten Reich gehörten primär Fachvertreter der zweiten Generation, unter ihnen auch Hans Amandus Münster, zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter (und empirischer Kommunikationsforscher, wie wir heute sagen würden - vgl. Kap. 2.9) bei Emil Dovifat am Deutschen Institut für Zeitungskunde (DIZ) in Berlin. Münster trat 1933 der NSDAP bei und wurde 1934 auf den Lehrstuhl für Zeitungswissenschaft der Universität Leipzig berufen (er war dort nach Karl Bücher und Erich Everth also der dritte Lehrstuhlinhaber). Münster lieferte sich mit seinen fachlichen Widersachern Heide und Kurth über Jahre hinweg Positionskämpfe über den Gegenstand der Zeitungswissenschaft. Heide und Kurth waren energische Befürworter der Eingrenzung des Faches auf das Materialobjekt Zeitung. Münster hingegen wollte die Disziplin unbedingt auch auf die Medien Rundfunk und Film ausgeweitet wissen. Unter Publizistik verstand er jene Art der Verständigung, Beeinflussung, Aussprache und Mitteilung von Mensch zu Mensch, »die im Dienst eines politischen Beeinflussungswillens wirksam ist« (Kutsch 1981, S.-402). So ist in Münster der engagierteste Verfechter einer Wissenschaft von den politischen Führungsmitteln zu sehen - Publizistik als geistige Gestaltung von einem zentralen Willen her (vgl. Münster 1934). So wurde »die ›Wissenschaft von der Publizistik‹ […] zu einer ›Wissenschaft von der politischen Publizistik‹, deren maßgeblicher Wegbereiter Münster war« (Straetz 1984, S.-79). Trotz aller Unterschiede über die Fachbezeichnung (Zeitungs- oder Publizistikwissenschaft) stimmten Münster und Kurth aber darin überein, dass die Nachricht (Mitteilung) »vornehmlich aus der Perspektive der politischen Beeinflussung« (Kutsch 1981, S.-405) zu sehen ist und dass das Wirkungsziel der Nachricht die »Willensbildung und Willensbeeinflussung«, die »politische Beeinflussung« ist (Kutsch 1981, S.- 405). Nachrichtendarbietung im nationalsozialistischen Sinne hatte der politischen Führung zu dienen, dem Einsatz im geistigen Kampf der Nation. Diesem Ziel verschrieb sich die nationalsozialistische Zeitungs- und Publizistikwissenschaft. Bei weitem nicht alle Zeitungsbzw. Publizistikwissenschaftler schlossen sich dem Regime an. Es gab Fachvertreter, die nicht bereit waren, sich an die Lehrinhalte und die Methodologie einer nationalsozialistisch ausgerichteten Disziplin anzupassen. Sie wurden entweder zwangsbeurlaubt oder in den Ruhestand versetzt (wie Erich Everth, der sich nach der nationalsozialistischen Machtergreifung als Einziger »öffentlich gegen die Presseverbote der neuen Machthaber aussprach« - Kutsch/ Averbeck o.J.), entlassen oder wegen ihrer jüdischen Abstammung aus dem Fach entfernt. Mancher wählte den Weg in die Emigration. Einige Fachvertreter entzogen sich der nationalsozialistischen Verfolgung, indem sie sich auf Arbeitsgebiete - z. B. historische Themen - zurückzogen, die unverdächtig waren (vgl. Kutsch 1984 und 1988b). Mit der Emigration deutscher Zeitungswissenschaftler nach 1933 war zugleich ein Verlust sozialwissenschaftlicher Perspektiven verbunden, wie sie ansatzweise in Deutschland im Entstehen begriffen waren (vgl. Averbeck 2001). Man kann allerdings auch nicht übersehen, dass infolge von Kompetenzüberschneidungen verschiedener Ressorts und Einrichtungen (z. B. Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Deutscher Zeitungswissenschaftlicher Verband, Reichspresseamt, Reichsrundfunkkammer u. a. m.) und daraus resultierender Machtkämpfe die offizielle Linie der nationalsozialistischen (Medien-)Funktionäre gegenüber einer Zeitungswissenschaft bzw. einer Wissenschaft von den publizistischen Führungsmitteln wenig einhellig war (vgl. Straetz 1984, S.-71). Die Medienverantwortlichen des Dritten Reiches hatten ein zumindest ambivalentes Verhältnis zur Zeitungswissenschaft. Sie wollten einerseits durchaus wissen, wie Propaganda und politische Publizistik auf das Publikum bzw. die Öffentlichkeit wirken. Zugleich hegten sie Befürchtungen, die durch die Zeitungs- (und Rundfunk-)Wissenschaft ermittelten Erkenntnisse über Technik, Funktion und Wirkung der Propaganda in öffentlicher Rede sowie <?page no="40"?> 2.8 Der Neubeginn nach 1945 41 mittels Presse, Rundfunk und Film könnten durchschaut und einer größeren Öffentlichkeit bekannt und transparent gemacht werden und sich in der Folge gegen den nationalsozialistischen Staat selbst richten (vgl. Kieslich 1972, S.-73). 2.8 Der Neubeginn nach 1945 Verständlicherweise sollte die Zeitungswissenschaft nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht dort fortsetzen, wo sie 1945 endete bzw. stand (sofern sie noch bestand). Ihre Inhalte waren weitgehend nicht Wissenschaft, sondern vorwiegend verbrämte Ideologie. Das galt auch für andere Fächer. So erscheint es selbstverständlich, dass die »langsam wieder öffnenden Hochschulen unter der Aufsicht der Besatzungsmächte […] angehalten [wurden], sich alle erneut zugelassenen Institute und deren Personal genau anzusehen. […] Die Hochschulen wollten sich zudem von belasteten Fächern und Hochschullehrern trennen. Außerdem waren viele Institute erheblich oder ganz kriegszerstört« (Bohrmann 2002, S. 16). Zahlreiche zeitungswissenschaftliche Professuren, Seminare und Dozenturen wurden geschlossen oder nicht wiedererrichtet, so z. B. Einrichtungen in Halle/ Saale, Greifswald, Hamburg, Berlin (Ost), Heidelberg, Freiburg/ Br., Köln, Aachen, Prag, Wien und Königsberg (Bohrmann 2002, S. 17ff). Zu Wiederbelebungen des Faches kam es dagegen (zunächst) in München (1946), Münster (1946), Leipzig (1946), Heidelberg (1946) und Berlin (1948, Freie Universität Berlin). Als Zentren bildeten sich in Westdeutschland - dies sei hier vorweggenommen - Berlin (Emil Dovifat), München (Karl d’Ester) und Münster (Walter Hagemann) heraus. In der Bundesrepublik wurden die Institute ab 1948 in »Institute für Publizistik« umbenannt; lediglich München hielt - bis 1974 - an der Bezeichnung »Zeitungswissenschaft« fest. (»Zeitung« stand in München als Begriff nicht für das Materialobjekt bzw. Medium Tages- oder Wochenzeitung, sondern in seiner ursprünglichen historischen Bedeutung für Nachricht und »Zeitgespräch der Gesellschaft«. Mit dem Begriff ist der zeitungswissenschaftliche Ansatz der Münchner Schule untrennbar verbunden (Wagner 1965, 1979, 1993, 2007; Aswerus 1993; Eichhorn 2004). In Ostdeutschland bzw. der späteren DDR nahm Leipzig die führende Rolle ein. Das Fach ging dort jedoch seinen eigenen Weg: Es wurde, wie noch ausgeführt werden wird (vgl. w. u.), ab Mitte der 1950er-Jahre erneut in den Dienst einer Ideologie gestellt, und zwar der Journalistenausbildung im Sinne der herrschenden Lehre des Marxismus- Leninismus (Blaum 1979, 1980). Mit der Neu- oder Wiedererrichtung zeitungswissenschaftlicher Institute nach 1945 stellte sich auch die Frage, mit welchen Personen die Professuren besetzt werden sollten. Wie erwähnt, verließen viele das nationalsozialistische Deutschland, wurden vom NS-Regime abgesetzt oder verschrieben sich der NS-Ideologie. Da Vertreter der zweiten Generation von Zeitungswissenschaftlern vergleichsweise stärker mit dem NS-Regime verstrickt waren und daher - sofern sie noch lebten - ihre Karriere nicht fortsetzen konnten, kamen mit Emil Dovifat in Berlin und Karl d’Ester in München Personen der ersten Generation ins Spiel, die weniger belastet schienen. In Münster wurde Walter Hagemann installiert. Das Verhalten bzw. wissenschaftliche Wirken der drei Genannten während des Dritten Reiches wird in der dazu vorliegenden Literatur unterschiedlich bewertet. Der Fach- und Medienhistoriker Rudolf Stöber nimmt eine vermittelnde Position ein. Er meint, der Neuanfang nach 1945 habe mit drei Wissenschaftlern begonnen, »die sich 1933 - 1945 als mehr oder minder ›angepasste Außenseiter‹ durchgeschlagen hatten. Dabei mussten Emil Dovifat und Karl d’Ester um ihre politische Rehabilitation kämpfen. Walter Hagemann hingegen konnte, da er 1933 - 1945 kaum wissenschaftlich tätig war, rasch Karriere machen. […]. Doch knapp 15 Jahre später verlor er aufgrund einer Verknüpfung politischer, wissenschaftspolitischer und privater Umstände seine Pro- <?page no="41"?> 2 Zur Fachgeschichte 42 fessur und floh später in die DDR. Die wechselnden Koalitionen zwischen den drei Protagonisten zeigen ein zutiefst zerrissenes, kleines Fach, das sich zunächst nur mühsam im akademischen Betrieb behaupten konnte« (Stöber 2002, S. 84; vgl. auch Wiedemann 2012). Hans Bohrmann merkt kritisch an, dass Karl d’Ester, Emil Dovifat, Walter Hagemann und (der habilitierte Zeitungswissenschaftler) Wilmont Haacke (vgl. w. u.) »auch die wissenschaftliche Erneuerung des Faches versäumt [haben]« (Bohrmann 2002, S. 31). Insbesondere hätten sie sich (bereits in der Weimarer Zeit) neuen Fragestellungen und Methoden verschlossen, wie sie in anderen philosophischen, wirtschaftssowie sozialwissenschaftlichen Fächern dringlich gefordert wurden. Dadurch sei auch der Aufbruch des Faches »um mehr als anderthalb Jahrzehnte verzögert [worden]« (Bohrmann 2002, S. 32). Umgekehrt räumt Bohrmann ein, dass Hagemanns Beitrag zur Neukonzeption der Publizistik(-wissenschaft) »nach 1945 gar nicht unterschätzt werden [kann]« (Bohrmann 2002, S. 26; vgl. Hagemann 1947; vgl. Wiedemann 2012). Hagemann habe »die erste wissenschaftliche Studie zur Analyse des NS-Mediensystems und dessen politischer Anleitung [veröffentlicht]« und sich in seinen Lehrveranstaltungen auch für elektronische Medien (v. a. das Radio) und den Film interessiert (Bohrmann 2002, S. 26; vgl. Hagemann 1948, 1954; Wiedemann 2012). 1956 wurde das wissenschaftliche Fachorgan Publizistik gegründet. Sein Name sollte insofern Programm signalisieren, als bewusst nicht an die Tradition der 1944 eingestellten Zeitschrift »Zeitungswissenschaft« angeschlossen werden sollte. Die Publizistik entfaltete sich u. a. zu jenem Organ, in welchem auch über das wissenschaftliche Selbstverständnis des Faches reflektiert wurde. Dieses war bis in die beginnenden 1960er-Jahre noch ein weitgehend geisteswissenschaftlich geprägtes Fach, es »überwogen medien- und kommunikatorzentrierte Perspektiven, historische und philologische Methoden sowie ein normatives Fachverständnis« (Löblich 2010a, S. 12). Das Fach stand weiterhin unter Legitimationsdruck. 1960 »empfahl der Wissenschaftsrat [sogar - Ergänzung H. P.], dieses ›Sondergebiet‹ lediglich an den Universitäten Berlin und München zu pflegen« (Huber 2010, S. 27 mit Bezugnahme auf Kutsch/ Pöttker 1997, S. 7). Dazu kam es erfreulicher Weise nicht. 2.9 Von der Publizistikzur Kommunikationswissenschaft Ein Wandel im Selbstverständnis der Publizistikwissenschaft beginnt sich ab Anfang der 1960er- Jahre zu entfalten. Für diesen Wandel steht die Bezeichnung »empirisch-sozialwissenschaftliche Wende« (Löblich 2010a und 2010b). Drei Faktoren - Löblich (2010b, S. 549) sieht in ihnen »Veränderungsdruck aus der Umwelt« - haben dabei im Wesentlichen zusammengewirkt (hier in der Reihung durch H. P.): 1) markante Einflüsse, die von der US-amerikanischen Kommunikationswissenschaft ausgingen; 2) das soziopolitische und -ökonomische Umfeld mit seinen damaligen medialen Veränderungen in Deutschland; sowie schließlich 3) der Generationenwechsel im Fach Publizistikwissenschaft. Dazu im Einzelnen: US-amerikanische Kommunikationsforschung: Diese wandte sich bereits ab den 1920er-Jahren Fragen der Medienwirkungen zu. Initialzündungen kamen aus der Medien- und Konsumindustrie sowie der Politik. Die Zeitungen und kommerziellen Rundfunkanstalten (damals nur Radio) sowie die Werbewirtschaft wollten über die Strukturen ihrer Publika (Leser, Hörer) Bescheid wissen - insbesondere über ihre Konsumvorlieben und Kaufgewohnheiten, um sie entsprechend mit Produkten bewerben zu können. Die Politik und politische Administration wiederum hatten Interesse an Kenntnissen über Wirkungen politischer Kommunikation und Beeinflussung in Presse und Rundfunk im Rahmen von Wahlkämpfen (vgl. Silbermann/ Krüger 1973, S. 38). Auf vier Felder der empirischen Kommunikationsforschung ist in diesem Zusammenhang zu verweisen (vgl. Schramm 1969): <?page no="42"?> 2.9 Von der Publizistikzur Kommunikationswissenschaft 43 1) auf die Umfrageforschung (»Sample Survey Approach») mit Höreranalysen, Wahlkampfanalysen etc.; sie ist mit dem Namen Paul Lazarsfeld verbunden; 2) auf die Propaganda-Forschung (»Political Approach») mit Untersuchungen zum Einfluss politischer Kommunikation - einer ihrer wichtigsten Protagonisten war Harold D. Lasswell; 3) auf die experimentalpsychologische Forschung (»Experimental Approach») mit der Erforschung von Kommunikation und Gesinnungswandel und deren Bedeutung für die wissenschaftliche Rhetorik; an ihrer Spitze stand Carl I. Hovland; sowie 4) auf die Kleingruppenforschung (»Small Group Approach»), die die Erforschung von Kommunikation in Kleingruppen zum Gegenstand hatte; einer ihrer ersten Repräsentanten war Kurt Lewin. Die wichtigsten empirischen Methoden dieser Forschungsrichtungen waren die Befragung, das Experiment und die Inhaltsanalyse. Relevante Literatur der US-amerikanischen Kommunikationsforschung wurde allmählich auch in Deutschland beachtet. Hinzu kam, dass auch die Nachbarwissenschaften, bzw. die Soziologie und die Politikwissenschaft, »ebenfalls auf US-amerikanische Ansätze, analytische Wissenschaftstheorie und quantitative Methoden [rekurrierten]« (Löblich 2010b, S. 550). Medienwandel, Medienpolitik, Forschungswandel: Das Medienwesen unterlag spätestens ab Mitte der 1950er-Jahre in der Bundesrepublik Deutschland einem beachtlichen Wandel: Neben die bereits bestehenden Medien Presse und Hörfunk trat (ab 1952) das Fernsehen; die Mediennutzung stieg an. Ebenso wuchs der Bedarf an journalistischen Arbeitskräften (vgl. Löblich 2010b, S. 549). Daneben vollzog sich im Pressewesen ein beunruhigender Konzentrationsprozess. Dies und anderes mehr »veränderte[n] ab den 1950er Jahren den Forschungsstand der Publizistik- und Zeitungswissenschaft und beförderte[n] die Variation von Forschungsthemen und Methoden […]. Die Medien gewannen in den 1960er Jahren an Bedeutung für Politik und Zeitkritik, Themen wie intermediärer Wettbewerb, Vielfalt und Meinungsmacht wurden öffentlich debattiert […]. Medienorganisationen, Verbände und Medienpolitiker benötigten Forschungsergebnisse, um politische und unternehmerische Entscheidungen zu planen und zu rechtfertigen […]. Verleger und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten begannen verstärkt, Studien in Auftrag zu geben, um sich mit Reichweitenzahlen und Nutzeranalysen im Wettbewerb zu behaupten […]. Ebenso wuchs in der Medienpolitik »der Bedarf an Fakten zur Medienentwicklung« (Löblich 2010b, S. 549). Die publizistikwissenschaftlichen Institute der damaligen Zeit spielten - von Mainz abgesehen (vgl. w. u.) - »kaum eine Rolle als Auftragnehmer […], aber gerade deshalb beobachteten die Fachvertreter sehr genau, was auf dem ›Markt‹ der Medienforschung gefragt war« (ebd.). Löblich resultiert schließlich: »Bedingt durch Veränderungsprozesse bei Medienunternehmen und Medienpolitik, die die Produktion quantitativer Daten sowie sozialwissenschaftliche Fragestellungen förderten, verschoben sich die Selektionskriterien im Fach und begünstigten empirisch-sozialwissenschaftliche Forschungsgegenstände und Methoden« (Löblich 2010b, S. 550). Generationenwechsel in der Publizistikwissenschaft: Ende der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre vollzog sich im Fach ein Generationenwechsel, von dem wichtige Impulse für die sozialwissenschaftlich-empirische Wende ausgingen. In Münster folgte 1960 auf Walter Hagemann der Buchverleger und studierte niederländische Soziologe Henk Prakke. Er hatte sich Anfang der 60er-Jahre der USamerikanischen Kommunikationswissenschaft zugewandt und entwickelte ein Prozessmodell: die »funktionale Publizistik« (Prakke 1968; Pürer 1998, S. 145ff; Meyen/ Löblich 2006, S. 239 ff; Klein 2006). Prakke warb auch »dafür, Kommunikation immer in ›Interdependenz‹ mit der gesellschaftlichen Umwelt zu sehen […]« (Löblich 2010a, S. 142). In Berlin folgte 1961 auf Emil Dovifat der langjährige Intendant des Süddeutschen Rundfunks, Fritz Eberhard. Beide, Prakke und Eberhard, machten »soziologische Denk- und Arbeitsweisen für die Publizistik nutzbar« (Bohrmann 1997, S.-58). Im Mittelpunkt stand der publizistische Prozess. Es gelang Eberhard, den ausgewiesenen Kenner der US- <?page no="43"?> 2 Zur Fachgeschichte 44 amerikanischen Literatur und erfahrenen empirischen Medienforscher des Hamburger Hans-Bredow-Instituts, Gerhard Maletzke (vgl. w. u.) für das Berliner Institut als langjährigen Lehrbeauftragten zu gewinnen (Löblich 2010a, S. 172). Mit Otto B. Roegele wurde 1963 ein erfahrener Journalist und Quereinsteiger (Mediziner, Historiker) nach München berufen, der das Fach ebenfalls gegenüber anderen Disziplinen öffnete. Auf ihn geht u. a. die Anregung zurück, das Fach in »Kommunikationswissenschaft« umzubenennen. 1964 erhielt Franz Ronneberger, ein Jurist und Soziologe mit journalistischen und politischen Erfahrungen, das neu geschaffene Ordinariat für Publizistik und politische Wissenschaft in Nürnberg. Ronneberger profilierte sich nicht nur im Bereich Kommunikationspolitik (vgl. dazu seine- mittlerweile in weiten Teilen überholte - dreibändige Kommunikationspolitik: Ronneberger 1978ff), sondern erschloss auch die Felder Sozialisation durch Massenkommunikation (Ronneberger 1971) sowie Public Relations (Ronneberger/ Rühl 1992). Schließlich wirkte ab 1965 Elisabeth Noelle-Neumann an dem neu geschaffenen Lehrstuhl für Publizistik der Universität Mainz. Sie war promovierte Zeitungswissenschaftlerin und hatte während eines Studienaufenthaltes in den USA die empirische Medien- und Kommunikationsforschung kennen gelernt. U. a. daraus resultierte das später von ihr verfasste Buch »Umfragen in der Massengesellschaft« (Noelle 1963). Als Leiterin des Allensbacher Instituts für Demoskopie war sie erfahrene empirische Medienforscherin. Ihr besonderes Interesse galt der Erforschung von Medienwirkungen, bzw. der öffentlichen Meinung. Es war dies ein Spezialgebiet, auf dem sie Pionierarbeit leistete. Ihre in diesem Kontext erarbeitete Theorie der »Schweigespirale» (Noelle-Neumann 1980) ist zwar nicht unumstritten (vgl. Scherer 1990 und Kap. 5.2.7), wurde aber auch außerhalb Europas, insbesondere in den USA, anerkennend rezipiert (vgl. Salmon/ Glynn 1996). Nicht unerwähnt bleiben darf auch Günter Kieslich, Ordinarius von 1968 bis 1971 am Salzburger Publizistikinstitut. Obwohl ursprünglich selbst Historiker, wandte er sich in Salzburg unverzüglich der empirischen Forschung zu und hielt u. a. auch entsprechende Methodenvorlesungen (vgl. Pürer 1972). Kieslich hat vielfältig empirische Forschung angeregt und legte 1969 eine erste Strukturanalyse der österreichischen Tagespresse vor (Kieslich 1969). Aufgrund seines frühen Todes kam er selbst nicht mehr dazu, die danach erweiterte Forschungsarbeit zur Struktur der österreichischen Tagespresse (Vyslozil/ Pürer/ Roloff 1973) sowie seine wegweisende empirische Studie über die Ausbildung von Volontären an Tageszeitungen in der Bundesrepublik Deutschland (Kieslich 1974, Bearbeitung Eckart Klaus Roloff) selbst zu Ende zu führen. Im Zusammenhang mit der sozialwissenschaftlichen Wende sei hier noch auf den empirischen Medienforscher Gerhard Maletzke verwiesen. Er trug Anfang der 1960er-Jahre »in einer gründlichen Auswertung der nordamerikanischen Fachliteratur« (Bohrmann 1997, S. 59) wichtige Ergebnisse der US-amerikanischen empirischen Kommunikationsforschung zusammen und entwickelte auf ihrer Basis ein in sich stimmiges Prozessmodell der Massenkommunikation mit den Faktoren Kommunikator, Aussage, Medium und Rezipient/ Wirkung, die er in ihrem Zusammenwirken genau beschrieb (vgl. Bohrmann 1997, S. 60; vgl. Maletzke 1963). Seine 1963 erschiene »Psychologie der Massenkommunikation« (Maletzke 1963) war zweifellos eine herausragende fachliche Innovation. Maletzke hat damit (und auch durch seine empirischen Arbeiten am Hamburger Hans-Bredow-Institut für Rundfunkforschung) wesentlich mit dazu beigetragen, »die deutschsprachige Publizistikwissenschaft von einer vorwiegend normativen zu einer auch empirisch arbeitenden Wissenschaft weiterzuentwickeln« (Bentele/ Beck 1994, S. 38). Universitäre Ehren erhielt Maletzke - nach zahlreichen anderen beruflichen Stationen vorwiegend in der Forschung - erst 1983 als Honorarprofessor für Kommunikationswissenschaft/ Journalistik an der Universität Hohenheim (vgl. Fünfgeld/ Mast 1997, S. 359-361; Maletzke 1997; Meyen/ Löblich 2011 und 2006, S. 211ff). Mit dem hier angesprochenen Wandel des Faches und den innerhalb des Faches damals zentral agierenden Protagonisten und deren Strategien befasst sich, wie erwähnt, Maria Löblich (2010a und 2010b). Ihre Analyse umfasst zwar den Zeitraum von 1945 bis 1980, um Veränderungen über einen <?page no="44"?> 2.9 Von der Publizistikzur Kommunikationswissenschaft 45 längeren Zeitraum in den Blick zu bekommen. Hier geht es jedoch vorwiegend um die 1960er-Jahre. Löblich unterscheidet bei ihrer Analyse zwischen dem »empirisch-sozialwissenschaftlichen« und dem »geisteswissenschaftlichen Lager«. Im empirischen Lager verortet sie die Herausforderer, unter ihnen die bereits erwähnten Protagonisten Elisabeth Noelle-Neumann (Mainz), Fritz Eberhard (Berlin), Franz Ronneberger (Nürnberg), Henk Prakke (Münster) sowie Otto B. Roegele (München). »Die Kernvorstellungen im empirisch-sozialwissenschaftlichen Verständnis sind schnell aufgezählt: Orientierung an der USamerikanischen Kommunikationsforschung, am Kritischen Rationalismus oder Positivismus, starkes Methodenbewusstsein, Anwendung quantitativer Verfahren, Formulierung empirisch überprüfbarer Aussagen sowie Gegenwarts- und Anwendungsbezug« (Löblich 2010a, S. 151). Obwohl bei detaillierter Analyse infolge unterschiedlicher persönlicher Auffassungen der Protagonisten »ein explizites, gemeinsames Fachverständnis nicht formuliert wurde […], weil es zu viele persönliche Auffassungsunterschiede gab, bestand das Ergebnis der Fachdebatte im impliziten Konsens, dass die analytischquantitative sozialwissenschaftliche Ausrichtung angesichts der schwierigen Situation des Faches der einzige richtige Weg war. Das empirisch-sozialwissenschaftliche Lager hat sich in der disziplinären Kontroverse durchgesetzt« (Löblich 2010a, S. 151). Die rasche Umsetzung wurde jedoch von Faktoren wie mangelnder Ausstattung der Institute, fehlendem Geld und Stellen für Mitarbeiter sowie Räumen verzögert (Löblich 2010a, S. 152). Als Herausgeforderte sieht Löblich primär Emil Dovifat (Berlin) und Wilmont Haacke, der 1963 auf einen Lehrstuhl für Publizistik in Göttingen berufen wurde, davor jedoch auch schon im Fach wissenschaftlich tätig war. Beide mussten sich in ihrem Fachverständnis durch jenes der Herausforderer angegriffen fühlen, »zuvorderst der ›Nestor‹ des Fachs, Emil Dovifat, aber auch sein Göttinger Kollege Wilmont Haacke. Beide hatten ihre Position der bisherigen geisteswissenschaftlichen Ausrichtung des Faches zu verdanken und diese stand nun auf dem Spiel. Sie versuchten, den gegen ihr Fachverständnis wirkenden Selektionsdruck abzuwehren« (Löblich 2010b, S. 552). Beide seien sich weitgehend einig darüber gewesen, »dass Wirkungsforschung abzulehnen und das Fach als normative Disziplin zu erhalten war« (ebd.). Haacke habe »Ressentiments gegenüber der Umfrageforschung gehabt, Dovifat habe vor einem Rückfall in die ›Werturteilsfreiheit‹ gewarnt: »Normativ musste das Fach aus seiner Sicht nicht zuletzt auch sein, weil es Journalisten Gesinnung und Ethik vermitteln sollte. Die für diese Aufgabe notwendige allgemein verständliche Sprache sah Dovifat von der um sich greifenden Terminologie der analytischen Wissenschaftstheorie bedroht« (Löblich 2010b, S. 552f ). Beide, Dovifat und Haacke, hätten mit »Widerstand und Verweigerung auf die Veränderungen im Fach reagiert« (Löblich 2010b, S. 555). Anders sieht dies mit Blick auf Wilmont Haacke der Göttinger Kommunikationswissenschaftler Wilfried Scharf. Haacke habe in seinem Werk »Publizistik und Gesellschaft« (1970) den empirisch-analytischen Ansatz innerhalb der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft verbunden; dieser Ansatz habe sich »seit den Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts durchgesetzt« (Scharf 2001, S. 69). Der empirische Neuansatz in der Publizistikwissenschaft »wurde auch in der sich langsam entwickelnden Sphäre der Wissenschaftsplanung von Bund und Ländern wahrgenommen« (Bohrmann 1997, S. 60). So empfahl der Wissenschaftsrat 1965, Einrichtungen zu schaffen, die mit universitären Instituten kooperieren sollten: das Institut für den Wissenschaftlichen Film (Göttingen), das Institut für Zeitungsforschung Dortmund, das Hans-Bredow-Institut für Rundfunkforschung sowie die Deutsche Presseforschung Bremen (vgl. Bohrmann 1997, S. 60). Generell darf man sagen, dass die empirisch-sozialwissenschaftliche Wende »als Markstein in der Entwicklung des Fachs, als Fundament des heutigen Selbstverständnisses« und »Voraussetzung für Konsolidierung und Ausbau seit den 1970er Jahren« gilt (Löblich 2010a, S. 13). Der Neuansatz führte zu vielfältiger empirischer Forschung in den Bereichen Kommunikator-/ Journalismusforschung, Medieninhaltsforschung, Medienstruk- <?page no="45"?> 2 Zur Fachgeschichte 46 turforschung, Rezipienten- und Wirkungsforschung. Politologische, soziologische sowie (sozial-) psychologische Denkansätze wurden dabei berücksichtigt. Die zunehmend (und heute vorwiegend) empirisch betriebene Publizistikwissenschaft mutierte allmählich zur Kommunikationswissenschaft (vgl. Kutsch/ Pöttker 1997). Dass sich die Inhalte des Faches infolge der empirisch-sozialwissenschaftlichen Wende tatsächlich gewandelt haben, ist einer Inhaltsanalyse der 1956 gegründeten Fachzeitschrift Publizistik für die Zeiträume 1956 bis 1969 (Zeitraum 1) sowie 1970 bis 1980 (Zeitraum 2) zu entnehmen (Löblich/ Pfaff-Rüdiger 2009). In Form einer Vollerhebung flossen 767 Beiträge in die Analyse ein. Vergleicht man die Entwicklung der fünf wichtigsten Forschungsthemen, so fällt das Forschungsthema »Mediengeschichte« im zweiten Zeitraum gegenüber dem ersten von 24 Prozent der Beiträge auf elf Prozent zurück. Die Forschungsthemen »Fachdiskussion/ -geschichte« steigen von Zeitraum 1 mit zehn Prozent der Beiträge auf 23 Prozent im Zeitraum 2 an. »Journalismus«-Forschung nimmt vom ersten zum zweiten Zeitraum um acht Prozent zu. Dagegen gibt es bei den Themen »Medieninhalte« und »Kommunikationspolitik« wenig Veränderung (Löblich/ Pfaff-Rüdiger 2009, S. 57). Bezüglich der Methodenverwendung fallen »Geisteswissenschaftliche Methoden« im Zeitverlauf von 71 Prozent auf 51 Prozent zurück, »Sozialwissenschaftliche Methoden« steigen von acht auf 22 Prozent an (Löblich/ Pfaff-Rüdiger 2009, S. 59). Die Autorinnen resümieren: Die geisteswissenschaftliche Forschung überwog zwar weiterhin, allerdings war deren Dominanz 1980 »viel weniger ausgeprägt als zu Beginn des Untersuchungszeitraums.« Dagegen hat eine »dramatische Veränderung […] in der Mediengeschichte stattgefunden. Das vormals stärkste Forschungsthema schrumpfte zu einem Randgebiet. Außerdem hat sich gezeigt, dass die Fachvertreter bei der Wahl ihrer Themen sich sehr viel stärker an aktuellen Problemen orientierten, an Themen, zu denen gesellschaftlicher Wissensbedarf bestand. […] Die Jahre 1968/ 69 markierten die Trendwende im Untersuchungszeitraum« (Löblich/ Pfaff-Rüdiger 2009, S. 61). Der Aufbruch des Faches von einer (primär) geisteswissenschaftlichen Disziplin zu einer sozialwissenschaftlichen wird, wie hier dargelegt, allgemein in den 1960er-Jahren verortet. Dies ist uneingeschränkt so nicht richtig. Sozialwissenschaftliches Denken hat es (in Ansätzen zumindest) bereits vor der empirischen Wende gegeben. Es hatte aber im Fach keine mittelbis langfristigen Konsequenzen. Auf folgende Aspekte ist hinzuweisen: Zum einen, dass es bereits in der Zeitungswissenschaft der Weimarer Republik Berührungen mit der (empirischen) Soziologie und soziologischen Perspektiven gab (vgl. Averbeck 1999, 2001; auch Koszyk 1997, S. 38ff). Stefanie Averbeck spricht von immerhin zwanzig Wissenschaftlern, die dem interdisziplinären Milieu zuzurechnen waren, von denen aber viele emigrierten bzw. emigrieren mussten (vgl. Averbeck 2001, S. 7ff). Neben vielen anderen verweist sie insbesondere auf Protagonisten wie Kurt Baschwitz, Karl Mannheim, Gerhard Münzer, Ernst Manheim und Emil Willems. Sie alle hatten nach 1945 jedoch Professuren außerhalb Deutschlands und in anderen Fächern inne, so dass es »keine personelle Kontinuität zwischen dem interdisziplinären Milieu der Weimarer Zeit und der Publizistikwissenschaft der Bundesrepublik [gab]« (Averbeck 2001, S. 16; Hervorhebung i.-Orig.). »Der Anknüpfungspunkt der deutschen Kommunikationswissenschaft nach 1945«, so Averbeck weiter »war die angloamerikanische Literatur« (ebd.). Zum Zweiten soll nicht unerwähnt bleiben, dass Hans Amandus Münster, der von 1934 bis 1945 Ordinarius für Zeitungswissenschaft in Leipzig war und sich in dieser Zeit, wie erwähnt, der nationalsozialistischen Ideologie verschrieb, durch seine früheren Studien bei Leopold von Wiese und Ferdinand Tönnies einen soziologischen und psychologischen Hintergrund hatte. Er interessierte sich besonders für die Erforschung des Verhältnisses von Presse und öffentlicher Meinung. 1931 erarbeitete er - damals noch als Mitarbeiter bei Emil Dovifat in Berlin - eine umfangreiche empirische Studie über »Jugend und Zeitung« mit in Deutschland reichsweit mehreren tausend befragten <?page no="46"?> 2.10 Studentenrevolte und Kritische Kommunikationswissenschaft 47 Jugendlichen zwischen zwölf und zwanzig Jahren. Die Studie, geprägt durch die volkspädagogische Aufgabenstellung des Faches dieser Zeit (Straetz 1984), war v. a. bei Kollegen anderer Disziplinen umstritten. Gleichwohl war sie »die erste und lange Zeit umfangreichste Studie dieser Art« (Straetz 1984, S. 79). Dieser Ansatz der empirischen Rezipientenforschung wurde durch die politischen Ereignisse ab 1933, durch die Berufung Münsters an das Leipziger Institut sowie infolge unterschiedlicher Auffassungen über die Aufgabenstellung der Zeitungsbzw. Publizistikwissenschaft im Nationalsozialismus nicht mehr fortgeführt. Zum Dritten entstanden bereits in den 1950er-Jahren unter Walter Hagemann am Institut für Publizistik der Universität Münster (methodisch-statistisch noch relativ wenig elaborierte) Inhaltsanalysen von Zeitungen und Zeitschriften, ebenso Zeitungs- und Zeitschriftenstatistiken, Befragungen von Zeitungslesern, Film- und Wochenschaubesuchern sowie auch eine Untersuchung zur sozialen Lage des deutschen Journalistenstandes (vgl. Löblich 2009, 2010a, S. 118ff; Hagemann 1956). Auch die von Hagemann-Schüler Günter Kieslich angefertigte Fallstudie »Freizeitgestaltung in einer Industriestadt« (Kieslich 1956) ist z. B. zu erwähnen. Dass Hagemanns Rolle »bei der Umorientierung der Publizistikwissenschaft von einer Geisteswissenschaft zu einer empirischen Sozialwissenschaft bislang nicht wahrgenommen worden [ist]« und weitgehend in Vergessenheit geriet, hat u. a. mit dessen Ausscheiden aus der Universität 1959, mit der Flucht 1961 in die DDR zur Zeit des Kalten Krieges sowie mit dessen Auftreten dort als »Nestbeschmutzer« zu tun (Löblich 2010a, S. 128 mit Bezugnahme auf Schütz 2007, S. 41). Keiner seiner ehemaligen Mitarbeiter und Absolventen »habe da öffentlich als Hagemann-Schüler auftreten und sich selbst gefährden wollen« (ebd.). Mit Leben und Werk Walter Hagemanns befasst sich ausführlich Thomas Wiedemann (2012). Schließlich viertens: Zwei prominente Protagonisten der US-amerikanischen Kommunikationsforschung, nämlich Paul Lazarsfeld und Kurt Lewin, stammten aus Europa. Die beiden Österreicher entzogen sich wegen ihrer jüdischen Herkunft der Verfolgung durch den Nationalsozialismus, indem sie in die USA emigrierten. So ist es durchaus nicht illegitim festzuhalten, dass die empirische Kommunikationsforschung (zum Teil zumindest) gleichsam über Umwege aus dem angloamerikanischen Raum in der deutschsprachigen Publizistikwissenschaft wieder Fuß fasste (vgl. Reimann 1989; Wagner 1997, S. 109). 2.10 Studentenrevolte und Kritische Kommunikationswissenschaft Noch in den 1960er-Jahren stiegen die Studentenzahlen in der Publizistik bzw. Kommunikationswissenschaft an - ein »Ergebnis der neuen Attraktivität des Faches« (Bohrmann 1997, S. 60). Infolge der schlechten Ausstattungen der bestehenden Institute mit zu wenig Lehrenden und zu vielen Studierenden führte dies zu Spannungen, in denen Bohrmann Vorbedingungen für die ab 1968 offen ausbrechende Studentenrevolte sieht (ebd.). Die Publizistikwissenschaft war folglich auch Ziel studentischer Aktionen mit Polemik gegen das Fach, mit Institutsbesetzungen in Mainz, Berlin, Münster und München, mit »Gegenvorlesungen« und anderen Aktionen und Agitationen (vgl. Bohrmann 1997). Die Studentenrevolte basierte, was ihren geistigen bzw. gesellschaftspolitischen Hintergrund betraf, auf Gedankengut der »Kritischen Theorie«. Diese entstand Ende der 1920er-Jahre am Frankfurter Institut für Sozialforschung. Sie ist eine ursprünglich von Friedrich Hegel, Karl Marx und Sigmund Freud inspirierte Gesellschaftstheorie und v. a. mit den Namen Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Herbert Marcuse verbunden (später auch mit Jürgen Habermas, Oskar Negt und anderen). Ihre Bezeichnung »Kritische Theorie» geht auf eine 1937 veröffentliche Aufsatzsammlung Max Horkheimers mit dem Titel »Traditionelle und kritische Theorie« zurück (Horkheimer 1937). <?page no="47"?> 2 Zur Fachgeschichte 48 »Der Philosoph Max Horkheimer fokussierte das Forschungsprogramm der Kritischen Theorie in den dreißiger Jahren auf das Projekt einer interdisziplinär zu erschließenden materialistischen Gesellschaftstheorie, die neben der ökonomischen Analyse der gesellschaftlichen Machtverhältnisse auch eine sozialpsychologische Untersuchung mit Blick auf kulturtheoretische Betrachtungen der Wirkungsweise der Massenkultur umfasste« (Schicha 2010, S. 104). (Da Vertreter der Frankfurter Schule marxistisches Ideengut aufgriffen und neu diskutierten, ist bei Ansätzen der Kritischen Theorie von verschiedenen ihrer Repräsentanten auch von ›neomarxistischen‹ Theorien bzw. Ansätzen die Rede.) Auch die Ende der 1960er-Jahre entstehende »Kritische Kommunikationsforschung« steht in der Tradition der Frankfurter Schule. Ihre Akteure (wie Horst Holzer, Franz Dröge, Dieter Prokop und andere) versuchten, diese Denkrichtung in der deutschen Kommunikationswissenschaft zu etablieren; sie hatte jedoch nicht sonderlich lange Bestand. Eine Ausnahme stellt Jürgen Habermas dar (der übrigens nicht der Kommunikationswissenschaft entstammt, dessen Publikationen für sie jedoch von Bedeutung sind): Seine 1962 erstmals erschienene Publikation »Strukturwandel der Öffentlichkeit« (Habermas 1962) sowie seine »Theorie des kommunikativen Handelns« (1981) finden nach wie vor große Aufmerksamkeit. Um weitere Repräsentanten wie etwa Franz Dröge (u. a. 1973) oder Horst Holzer (u. a. 1971) und andere ist es dagegen sehr still geworden. Mit ihnen befasst sich Andreas Scheu in seiner 2012 publizierten Dissertation »Adornos Erben in der Kommunikationswissenschaft« (Scheu 2012). Die »Kritische Kommunikationsforschung« der 1970er- und 1980er-Jahre verstand sich v. a. als Gegenpol zur empirisch-sozialwissenschaftlichen Perspektive (vgl. Scheu 2012, S. 13). »Die empirischsozialwissenschaftliche Kommunikationswissenschaft […] ist der Perspektive des ›Kritischen Rationalismus‹ und dem Ideal der Werturteilsfreiheit verpflichtet. ›Kritische Kommunikationsforschung‹ hingegen steht in der Tradition […] der ›Kritischen Theorie‹ und sieht sich in der Pflicht, Gesellschaft, Medien und Wissenschaft auf theoretischer Basis herrschaftskritisch zu hinterfragen, normativ zu beurteilen und so aktiv an der Verbesserung gesellschaftlicher Strukturen mitzuwirken. Deutungshoheit im Feld Kommunikationswissenschaft haben die empirisch-sozialwissenschaftlichen Akteure erlangt« (ebd.). Der hinter diesen beiden wissenschaftlichen Positionen stehende Konflikt wurde bereits in den 1960er-Jahren durch Karl R. Popper (Kritischer Rationalismus) und Theodor W. Adorno (Kritische Theorie) ausgetragen. Scheu widmet sich auf der Basis der Theorie sozialer Felder und individueller Akteure nach Pierre Bourdieu Repräsentanten der »Kritischen Kommunikationsforschung«. Dazu beschreibt er die Entwicklung der »Kritischen Kommunikationswissenschaft« der 1970er- und 1980er-Jahre. Er versucht v. a. herauszufinden, »warum die Perspektive und die Akteure, die sie vertreten, aus dem heutigen kommunikationswissenschaftlichen Feld verschwunden zu sein scheinen« (Scheu 2012, S. 14). Exemplarisch führt Scheu dies mit Hilfe von Einzelfallanalysen an den ausgewählten Fachvertretern Horst Holzer, Franz Dröge, Manfred Knoche, Siegfried Weischenberg und Hanno Hardt aus. Er gelangt zu dem Befund, dass die Geschichte der Kritischen Kommunikationsforschung keine reine Verdrängungsgeschichte ist. Vielmehr handelte es sich um einen vielschichtigen Prozess mit unterschiedlichen Einflussfaktoren (vgl. Scheu 2012, S. 269ff, S. 294ff). So hätten es die Protagonisten z. B. versäumt, sich zu vernetzen oder Nachwuchs auszubilden, es habe Abgrenzungen gegenüber »einer ›positivistischen‹, affirmativen empirischen Forschung« gegeben (Scheu 2012, S. 295). Politische Einflüsse hätten z. B. im »Radikalenerlass« (vgl. Scheu 2012, S. 270ff, S. 295) oder in der versuchten Einflussnahme auf Berufungsverfahren gelegen (vgl. ebd.), aber auch im Bedarf nach handlungsrelevantem Wissen und empirischen Daten über Massenkommunikation und Medienwirkungen vonseiten der Politik, Wirtschaft und Medien (Scheu 2012, S. 282, S. 296), den die Vertreter einer Kritischen Kommunikationsforschung »nicht erfüllen wollten« (S. 282, S. 295). <?page no="48"?> 49 2.11 Die Einrichtung von Diplomstudiengängen für Journalistik Ab Mitte der 1970er-Jahre erfolgte an mehreren deutschen Universitäten die Errichtung von Diplomstudiengängen für Journalistik. Ursache und Anlass der Gründungen war auch die von Teilen der Berufspraxis mitgetragene Erkenntnis, dass die traditionellen Wege der Ausbildung von Journalisten vorwiegend in Form eines zweijährigen Volontariats in Zeitungs-, Hörfunk- oder Fernsehredaktionen den gewachsenen Anforderungen an diesen verantwortungsvollen Beruf nicht mehr entsprachen (und übrigens weder davor noch danach jemals auch nur annähernd entsprochen haben bzw. hätten). Eine intensiv von allen Betroffenen - Journalisten, Verleger, Rundfunkanstalten, Berufsverbände, Publizistikwissenschaft - geführte Ausbildungsdebatte machte sich breit (vgl. Aufermann/ Elitz 1975; Publizistik 3-4/ 1974 sowie 1-2/ 1975). Den Anstoß zur Errichtung berufsbezogener Diplomstudiengänge gab schließlich u. a. auch das aus 1971 stammende Memorandum des Deutschen Presserates für einen Rahmenplan zur Journalistenausbildung, an dessen Erarbeitung auch Publizistikwissenschaftler mitwirkten. Darin waren mehrere Möglichkeiten und Wege der Ausbildung von Journalisten festgehalten, zumal der Beruf des Journalisten weiterhin ein prinzipiell frei zugänglicher Beruf bleiben sollte. Wenige Jahre später entstanden Grundstudiengänge für Diplom- Journalistik zunächst in Dortmund (1976) und München (1978), in Eichstätt (1983) und - nach der Wiedervereinigung - auch in Leipzig (1993). Sie boten eine sowohl kommunikationstheoretische wie auch mehrmediale praktisch-handwerkliche Ausbildung und qualifizierten durch verpflichtend zu absolvierende Nebenfächer auch für eine Tätigkeit in einem Ressort. Ausbildungsziel war eine berufsqualifizierende Ausbildung für den Journalismus in Zeitung, Zeitschrift, Radio und Fernsehen (sowie ab Mitte der 1990er-Jahre auch für den Onlinejournalismus). Aufbau- oder Nebenfachstudiengänge wurden errichtet in Stuttgart-Hohenheim (1974), Mainz (1978), Hamburg (1982), Bamberg (1983) und Hannover (1985). Diese Studiengänge vermittelten in aller Regel eine kommunikationswissenschaftliche und praktisch-handwerkliche Ausbildung im Anschluss an ein bereits ganz oder teilweise abgeschlossenes Fachstudium (vgl. Hömberg 1978; Wilke 1987). Neben den an Universitäten eingerichteten Grund-, Aufbau und Nebenfachstudiengängen Journalistik gesellten sich ab Ende der 1990er-Jahre auch Fachhochschulstudiengänge, so z. B. 1997/ 98 der Internationale Studiengang Fachjournalistik an der Hochschule Bremen (Dernbach 2002), die 1999 geschaffenen Studiengänge Journalistik und PR/ Öffentlichkeitsarbeit an der Fachhochschule Hannover (Gröttrup/ Werner 2002) oder der ebenfalls 1999 etablierte Studiengang Technikjournalismus an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg (Deussen 2002). Weitere Fachhochschulstudiengänge, etwa jene an der Fachhochschule Darmstadt für Onlinejournalismus und für Wissenschaftsjournalismus folgten. Die universitären Studiengänge Journalistik wurden im Zuge der sog. Bologna-Reform in Bachelorund/ oder Masterstudiengänge Journalismus/ Journalistik umgestaltet. 2010 gab es solche Studiengänge an den Universitäten Eichstätt und Dortmund (Bachelor) sowie an den Universitäten München und Leipzig (Master). Nähere Informationen über diese Studiengänge sind den jeweiligen Onlineauftritten der sie durchführenden Institute oder Lehrstühle zu entnehmen. Ähnliche praxisorientierte Studiengänge gibt es in modifizierter Weise auch an anderen Universitäten, etwa jenen für »Medien und Kommunikation« an der Universität Passau. Einen anschaulichen Überblick über die Entwicklung der hochschulgebundenen Journalistenausbildung im deutschen Sprachraum aus den zurückliegenden 40 Jahren vermittelte zuletzt in Form einer Textcollage Walter Hömberg (2010). <?page no="49"?> 2 Zur Fachgeschichte 50 2.12 Das Fach in Ostdeutschland Wie bereits erwähnt, verzeichnete die Zeitungsbzw. Publizistikwissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg in Ostdeutschland eine andere Entwicklung: Das Fach wurde erneut in den Dienst einer Ideologie gestellt. Es nahm dabei die Entwicklung von der Publizistikwissenschaft zur Journalistikwissenschaft (vgl. Blaum 1979; 1980; 1985). Das 1916 durch Karl Bücher in Leipzig eingerichtete Institut für Zeitungskunde (später: Zeitungswissenschaft) bestand bis 1945. Es wurde 1946 von Gerhard Menz an der neu etablierten Sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät als Institut für Publizistik wiedererrichtet (vgl. Münster 1956, S.-305-309), fand jedoch nicht die Billigung der SED. So folgte 1948 die Gründung eines gleichnamigen Instituts an der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät unter der Leitung von Hermann Budzislawski. Dieser bemühte sich gemeinsam mit einer Reihe namhafter »antifaschistischer Intellektueller« um einen neuen »antifaschistisch-demokratischen Geist« an der Universität (Schlimper 1996, S.-5). Beide Institute gingen auf in einem 1951 etablierten »Institut für Publizistik- und Zeitungswissenschaft«, das nun - nach der 1950 erfolgten Auflösung der Gesellschaftswissenschaftlichen Institute - der Philosophischen Fakultät angehörte. Diese Gründung entsprach wieder einer ausdrücklichen Forderung der ersten Pressekonferenz des Parteivorstandes der Sozialistischen Einheitspartei (SED) aus dem Jahr 1950, wonach das System »Massenkommunikation« in der damaligen SBZ stärker nach Parteiinteressen auszurichten war (vgl. Blaum 1979, S.-20ff). Das Institut ging 1954 in der nach sowjetischem Vorbild gegründeten »Fakultät für Journalistik« auf. Deren Bemühung bestand darin, auf der Basis der Lehre des Marxismus-Leninismus in Theorie und Praxis die »Formung zuverlässiger Kader« zu betreiben (Schlimper 1996, S.-5). Zudem wurde der Begriff »Journalistik« dem der »Publizistik« bzw. der »Zeitungswissenschaft« vorgezogen, »weil er a) die aktive Einwirkung auf die gesellschaftliche Entwicklung hervorhebe, b) sich nicht nur auf die Zeitung, sondern auch auf andere Instrumente, z. B. den Rundfunk beziehe, c) in der Sowjetunion und anderen Ländern üblich sei und d) sich von der bürgerlichen Tradition abgrenze« (Liebert 1995, S.-7). Die »Fakultät für Journalistik« wurde 1969 erneut reorganisiert. Es entstand die »Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig«, nach wie vor die einzige Einrichtung dieser Art in der DDR, an der nun das Studium der Diplomjournalistik absolviert werden konnte (vgl. Blaum 1979, S.-23f ). Das Studium verzahnte theoretische Kenntnisse, insbesondere des Marxismus-Leninismus mit einer praktisch-handwerklichen Ausbildung auf Basis der Lenin’schen Pressetheorie (vgl. Blaum 1980). Auf ein zweisemestriges Grundstudium (sozialistische Gesellschaftstheorie, wissenschaftliche Arbeitsmethoden, Grundkenntnisse des Journalismus) folgte ein viersemestriges Fachstudium (unmittelbare journalistische Ausbildung in Theorie und Praxis) sowie ein zweisemestriges, medienspezifisches und fachjournalistisches Spezialstudium. Das Studium wurde mit einer Diplomprüfung (wissenschaftliche und praktische Abschlussarbeit) abgeschlossen. Rund 800 Studierenden standen bis an die 80 Lehrende gegenüber. In der DDR konnte in aller Regel nur journalistisch tätig sein, wer entweder das Journalistikstudium absolvierte oder sich an der Fachschule für Journalistik (ebenfalls Leipzig) eine entsprechende Ausbildung aneignete. Der Zugang zum Journalistikstudium war zudem an Voraussetzungen gebunden. So musste jeder Interessent nicht nur das Abitur, sondern auch ein einjähriges Volontariat in einer Presse-, Hörfunk- oder Fernsehredaktion nachweisen. Geschätzt wurden des Weiteren Praxiserfahrungen in einem Produktionsbetrieb, günstigstenfalls ein Facharbeiterbrief. Von Vorteil für die Aufnahme in den Studiengang war auch eine feste Parteibindung sowie ein Engagement im FDJ, dem Freien Deutschen Jugendverband, einer Vorfeldorganisation der SED (vgl. Blaum 1985, S.-87ff). Die »Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig« bestand bis 1990. Nach der Wende versuchte sie einen Neubeginn, der durch die im Dezember 1990 per Dekret verordnete Abwicklung <?page no="50"?> 2.14 Zur gegenwärtigen Lage des Faches 51 jedoch im Ansatz unterbrochen wurde (vgl. Schlimper 1996, S.-5). Von dieser Abwicklung betroffen waren auch zahlreiche Wissenschaftler, die sich in der DDR in besonderer Weise der herrschenden Lehre des Marxismus-Leninismus verschrieben bzw. unterworfen hatten. 2.13 Neugründungen in den neuen Bundesländern Zu einem Neubeginn kam es in Leipzig ab 1991/ 92. Dem vom sächsischen Kultusminister nach Leipzig geholten Gründungsdekan Karl Friedrich Reimers von der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München gelang es, einen Fachbereich Kommunikations- und Medienwissenschaft mit neun planmäßigen Professorenstellen aufzubauen (Reimers 2003). Zentrales Anliegen von Reimers war es, das Fach aus seiner ideologischen Fixierung und politischen Instrumentalisierung herauszulösen und ganz neu für den schöpferischen Wissenschaftspluralismus zu öffnen (vgl. Steinmetz 1997, S.-9; Reimers 2003). Neben Leipzig wurden in den neuen Bundesländern des Weiteren Professuren für Kommunikationswissenschaft, Medienwissenschaft, Journalistik u. Ä. mit je unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten an der Technischen Universität Dresden, an den (teils neu errichteten) Universitäten Erfurt, Greifswald, Halle-Wittenberg, Ilmenau, Jena, Magdeburg und Weimar sowie an der Hochschule für Film und Fernsehen »Konrad Wolf« Potsdam-Babelsberg eingerichtet. Vor allem die Freistaaten Sachsen und Thüringen engagierten sich für die Kommunikations- und Medienwissenschaft überdurchschnittlich (vgl. Ruhrmann et al. 2000, S.-286ff). Die inhaltliche Ausrichtung der neuen Professuren versuchte, dem beobachtbaren Medienwandel gerecht zu werden (vgl. Ruhrmann et al. 2000, S.-292f ). 2.14 Zur gegenwärtigen Lage des Faches Die Kommunikationswissenschaft ist eine nach wie vor nicht gerade üppig ausgestattete Disziplin. Sie hat aber seit 1975 durch die Neu- oder - wie etwa in den neuen Bundesländern - Wiederbegründung von Instituten, Lehrstühlen, Professuren und Studiengängen einen durchaus beachtenswerten Aufschwung genommen (vgl. Ruhrmann et al. 2000). Während in den 1970er-Jahren kommunikationswissenschaftliche »Programme und Postulate« (Stichwort: Professionalisierung der Journalistenausbildung) aufgestellt wurden, folgte in den 1980er-Jahren eine Phase der Institutionalisierung und Etablierung, in den 1990er-Jahren schließlich »Expansion und Differenzierung« (Hömberg 2000, S.-21f ). Diese Entwicklung lässt sich anhand konkreter Zahlen festmachen. 1970 verfügte das Fach in Deutschland über sieben Professorenstellen, 1990 waren es bereits 54 Stellen, im Jahr 2002 insgesamt 85 Professuren (Huber 2010, S 27). Nathalie Huber ermittelte 2007 im gesamtdeutschen Raum 34 kommunikationswissenschaftliche Institute (Kern) sowie 103 Professoren (Huber 2010, S. 115). Da seither an mehreren Instituten noch weitere Professorenstellen eingerichtet wurden, kann man gegenwärtig (2012) von etwa 115 bis 120 Professorenstellen ausgehen. Zu (Auto-)Biografien und Fachverständnis von Professoren liegen mehrere, theoretisch und empirisch teils unterschiedlich angelegte Studien vor (vgl. z. B. Kutsch/ Pöttker 1997; Löblich 2004; Meyen 2004; Meyen/ Löblich 2007, 2008; Scheu/ Wiedemann 2008; Huber 2010; Scheu 2012). Ergebnisse einer Befragung zu den Forschungsleistungen des Faches liegen von Almeppen et al. (2011) vor, einen Vorschlag zu einer Systematisierung des Faches auf empirischer Grundlage stammt ebenfalls von Altmeppen et al. (2013). <?page no="51"?> 2 Zur Fachgeschichte 52 Seinen Aufschwung stellt das Fach aber auch durch seine vielfältigen Forschungsaktivitäten sowie durch eine sich geradezu explosionsartig vermehrende Publikationstätigkeit eindrucksvoll unter Beweis. Darunter befinden sich mittlerweile u. a. zahlreiche Lehr- und Handbücher sowie Lexika (vgl. Wendelin 2008). Solche Publikationen spielen für eine Wissenschaft eine wichtige Rolle: Sie schildern »Leistungen der Vergangenheit«, sorgen für »Tradierung und Reproduktion wissenschaftlichen Wissens«, können auch »als Indikator für Kanonbildung gesehen werden und sind damit für die »kognitive Identität« einer Wissenschaft von Bedeutung (Wendelin 2008, S. 28). Wolfram Peiser et al. ermittelten 2003 Daten »Zur Lage der Kommunikationswissenschaft und ihrer Fachgesellschaft«. 89,2 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass die sozialwissenschaftliche Perspektive wichtig sei, 92,6 Prozent gaben an, eine sozialwissenschaftliche Position zu vertreten (Peiser et al. 2003, S. 320-327). Mit der Berufssituation und den Karrierestrategien des promovierten wissenschaftlichen Nachwuchses im Fach haben sich Werner Wirth et al. 2008 befasst (Wirth et al. 2008); zu Einstiegsmotivation und Arbeitssituation des wissenschaftlichen Nachwuchses liegen Daten und Fakten aus einer 2005 publizierten Studie vor (Wirth et al. 2005). Von Christoph Neuberger stammt eine Synopse von Absolventenbefragungen von Studierenden der Kommunikationswissenschaft (inklusive Journalistik) und der Medienwissenschaft aus den Jahren 1995 bis 2004 (Neuberger 2005). Infolge unterschiedlicher Fragestellungen, methodischer Herangehensweisen, statistischer Auswertungsverfahren sowie Ausweisungen von Ergebnissen sind diese 19 Absolventenstudien nicht oder doch nur sehr eingeschränkt vergleichbar. Neun Befragungen wurden an Journalistik-Studiengängen durchgeführt. Hier einige wenige, tendenziell verallgemeinerbare Ergebnisse: Der »Einfluss des Studiums auf den beruflichen Erfolg beim Start ins Berufsleben [ist] am größten. […]. Die Spannweite des Anteils der Absolventen, die bereits vor dem Examen eine Stellenzusage besaßen, ist recht groß: Sie reicht von einem Fünftel bis zu drei Fünfteln der befragten Abgänger« (Neuberger 2005, S. 87). Und »das alles überragende Kriterium« für Entscheidungsträger im Bewerbungsverfahren »ist die Berufserfahrung. Demgegenüber ist das Studium der Kommunikationswissenschaft oder Journalistik und der weiteren Fächer nachrangig. […]. Auslandserfahrungen und Fremdsprachen werden von den Arbeitgebern relativ hoch eingeschätzt. Dagegen sind das Thema der Abschlussarbeit und die Studiendauer wenig bedeutsam« (ebd.). Weitere Ergebnisse der Studie: »Eine hohe Affinität zwischen Studium und späterem Beruf zeigt sich bei Journalistik- Vollstudiengängen: Hier sind jeweils mehr als 70% der Absolventen im Journalismus untergekommen, also ausbildungsadäquat eingesetzt« (Neuberger 2005, S. 90). Was die Frage der »retrospektiven Bewertung des Studiums mit wachsendem Abstand zum Studienabschluss« betrifft, so scheint sich diese zu ändern. »Denkbar ist, dass die Wertschätzung steigt, weil (neben einem denkbaren ›Nostalgie-Effekt‹) erst im Laufe der Zeit die im Studium erworbenen Qualifikationen im Berufsleben zur Geltung kommen« (ebd.). Christoph Neuberger (2012) hat im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) in Kooperation mit dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) Gütersloh eine erste, bundesweit koordinierte Absolventenbefragung in der Kommunikations- und Medienwissenschaft durchgeführt. Eine Gesamtauswertung liegt vor »für die Abschlussjahrgänge 2006 und 2007 sowie für die Abschlüsse Bachelor, Magister und Diplom« (Neuberger 2012, S. 337; Hervorhebung i. Orig.). Die Befragung basiert auf den Antworten von 651 Absolventen aus 32 Studiengängen an 28 verschiedenen Hochschulen. »Bezogen auf alle an der Befragung beteiligten Studiengänge, über die Angaben über die Gesamtzahl der Absolventen/ -innen vorlagen, betrug der Rücklauf 30,9 Prozent« (Neuberger 2012, S. 338). Bezogen auf die Gesamtzahl der Absolventen (laut Statistischem Bundesamt) von 5768 Fällen für die Jahre 2006 und 2007 beträgt die realisierte Stichprobe 11,3 Prozent der Grundgesamtheit (Neuberger 2012, S. 340). Da in einer »Übergangsphase« befragt wurde (Auslaufen von Diplom- und Magisterstudiengängen, Einführung von Bachelor- und <?page no="52"?> 2.14 Zur gegenwärtigen Lage des Faches 53 Masterstudiengängen), bot dies die Möglichkeit des Vergleichs. Hier die Kernergebnisse (Neuberger 2012, S. 346f; Hervorhebung i. Orig.): • »Uni-Bachelors studieren eher weiter« (Uni-BA-Absolventen mit 57 Prozent in höherem Ausmaß als FH-Absolventen mit nur 15 Prozent). • »Wer erst in einen Beruf geht, ist oft an einem späteren Studium interessiert« (29 Prozent der Bachelor-Absolventen können sich die Aufnahme eines weiteren Studiums vorstellen). • »Risikovermeidung durch Weiterstudium« (wegen mangelnder Akzeptanz des Bachelors in der Praxis, aber auch »um noch Zeit für die Berufsfindung« zu gewinnen. »Die Entscheidung, das Studium fortzusetzen, ist also nicht nur durch ein inhaltliches Interesse am Studium erklärbar, sondern auch dadurch, wie die Chancen auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen werden«). Neuberger betont abschließend, dass die Studie »nur eine Momentaufnahme in einer Übergangsphase« liefert (Neuberger 2012, S. 347). Die Kommunikationswissenschaft versteht sich - das wurde eingangs bereits in ähnlicher Weise erwähnt - »als eine theoretisch und empirisch arbeitende Sozialwissenschaft mit interdisziplinären Bezügen« (DGPuK 2008, Hervorhebung i. Orig.). Ihr Gegenstand sind insbesondere die klassischen Massenmedien, die auf der technischen Plattform Internet aufsetzende Onlinekommunikation und deren vielfältig ausgeprägte Kommunikationsformen und Medienangebote privater, teilöffentlicher und öffentlicher Kommunikation, mit Organisationskommunikation und Public Relations sowie auch mit Werbekommunikation. Das Fach greift in jüngerer Zeit in Forschung und Lehre v. a. »gesellschaftliche Wandlungsprozesse« auf (ebd., Hervorhebung i. Orig.). Von besonderer Bedeutung sind dabei - so das Selbstverständnispapier der DGPuK - »Digitalisierung, Globalisierung, Individualisierung, Mediatisierung und Ökonomisierung» (ebd.). Dazu im Einzelnen: Mit Digitalisierung sind Konvergenz- und Differenzierungsprozesse von Medien und Kommunikationsnetzen angesprochen, die sich auf Medienmärkte, Mediengeschäftsfelder, Medien- und Kommunikationsstrategien, Medienproduktion, Medienprodukte und Medienrezeption auswirken. »Die Grenzen zwischen den Mediengattungen - Hörfunk, Fernsehen, Zeitungen, Zeitschriften, Onlinemedien etc. - beginnen sich ebenso aufzulösen wie die Grenzen zwischen privater, teilöffentlicher und öffentlicher Kommunikation« (ebd.). Mit Globalisierung ist die weltweite Vernetzung angesprochen, von der Medien und Kommunikation geprägt sind und die ihrerseits »Kommunikation und Medien nachhaltig beeinflusst. Produktion, Distribution und Rezeption von Medien erhalten zunehmend grenz- und kulturüberschreitende Dimensionen, die gleichzeitig [zum Teil zumindest, - Ergänzung H. P.] Kulturunterschiede integrieren« (ebd.). In zunehmend individualisierten Gesellschaften, wie wir sie heute weitum vorfinden, »nehmen die Wahl- und Gestaltungschancen der/ des Einzelnen ebenso zu wie die damit verbundenen Risiken. Erklärungsmuster, die bei Konzepten wie ›Masse‹ oder ›Publikum‹ (im Singular) ansetzen, erscheinen immer weniger geeignet, den individualisierten Umgang mit Medien zu fassen« (ebd.). Mit Mediatisierung wird die »zunehmend zeitliche, räumliche und soziale Durchdringung von Kultur und Prozessen der Massenkommunikation« verstanden. Mediatisierung »führt zu Rückwirkungen ›medialer Logiken‹ auf verschiedenste kulturelle und soziale Bereiche« (ebd.), nicht nur - aber insbesondere - Politik, Wirtschaft oder auch Kultur. Und die beobachtbare, zunehmende Ökonomisierung der Medien führt zu einer »Markt- und Wettbewerbslogik« auch solcher gesellschaftlicher Bereiche, »die bislang kaum berührt waren. Dadurch stellt sich verstärkt die Frage, wie öffentliche Aufgaben der Medien und private Interessen vereinbart werden können« (ebd.). <?page no="53"?> 2 Zur Fachgeschichte 54 Das Fach kann an zahlreichen deutschen Universitäten (sowie in Österreich und in der Schweiz) in recht unterschiedlicher Weise, unter unterschiedlichen Fachbezeichnungen (Publizistikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft, Journalistik, Medienwissenschaft etc.) sowie unter ebenso unterschiedlichen inhaltlichen Fachperspektiven an Universitäten, (künstlerischen) Hochschulen, Fachhochschulen sowie Akademien studiert werden. Es gibt geisteswissenschaftlich orientierte, sozialwissenschaftliche, journalistische bzw. journalistikwissenschaftliche sowie ästhetisch-produktiv-gestalterische Studiengänge (vgl. Wirth 2000, S.- 38ff). Die meisten von ihnen wurden in den zurückliegenden Jahren im Zuge des Bolognaprozesses in Bachelorund/ oder Masterstudiengänge umgestaltet. Studienpläne, Studienordnungen und Lehrangebote erweisen sich als heterogen, ebenso deren wissenschaftliche Orientierung. Ihre konkreten Bezeichnungen, Studienziele, inhaltlichen Schwerpunktsetzungen, Adressen und Ansprechpersonen können unter der Rubrik »Service« dem Onlineauftritt der DGPuK entnommen werden (www.dgpuk.de). In Österreich sind publizistikbzw. kommunikations- und medienwissenschaftliche Studiengänge an den Universitäten Klagenfurt, Salzburg und Wien eingerichtet (vgl. Siegert et al. 2000). Daneben existieren mehrere andere hochschulgebundene Formen und Einrichtungen (vgl. Siegert et al. 2000, S.-74f; Kaltenbrunner/ Kraus 2004). Einen aktuellen Überblick über Entwicklung und Lage der Kommunikationswissenschaft in Österreich vermittelt mit Beiträgen zahlreicher Autoren Heft 1/ 2013 der Fachzeitschrift MedienJournal (Kommunikationswissenschaft in Österreich, 2013). In der Schweiz ist das Fach in Basel, Bern, Fribourg, Genf, Lausanne, Lugano, Luzern, Neuchâtel, St. Gallen und Zürich vertreten mit teils unterschiedlichen Ausrichtungen und inhaltlichen Schwerpunkten; diese sind dem Onlineauftritt der Schweizerischen Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft SGKM zu entnehmen: www.sgkm.ch/ medienatlas.html. In einem weit gefassten Sinn lassen sich in Deutschland gegenwärtig »drei auf Kommunikation und Medien bezogene, wissenschaftliche Orientierungen unterscheiden: eine eher sozialwissenschaftlich, eine eher geisteswissenschaftliche sowie eine eher technisch und ästhetisch-gestalterisch ausgerichtete« (DGPuK 2008, Hervorhebung i. Orig.). Die sozialwissenschaftliche Linie, der auch das vorliegende Buch weitgehend folgt, hat sich national wie international unter der Bezeichnung Kommunikationswissenschaft etabliert. Sie befasst sich mit den »sozialen Bedingungen, Folgen und Bedeutungen medialer, öffentlicher und interpersonaler Kommunikation« (ebd.; Hervorhebung i. Orig.). Neben dem bereits erwähnten Theorienpluralismus zeichnet sich das Fach auch durch einen Methodenpluralismus aus. Zur Klärung von wissenschaftlichen (Forschungs-)Fragen gelangen empirische, quantitative und qualitative Verfahren zur Anwendung. Was das mögliche Leistungsspektrum betrifft, so versucht die Kommunikationswissenschaft v. a. dreierlei: Sie möchte 1) »Beiträge zur Aufklärung der Gesellschaft durch Grundlagenforschung« leisten, wobei »das Wechselverhältnis von Kommunikation, Medien und Gesellschaft« im Vordergrund steht. Sie versucht 2) »Problemlösungen für die Medien- und Kommunikationspraxis in Form angewandter Forschung« zu liefern, wobei es u. a. um Mediennutzungsforschung (Print, Radio, TV, Online), Umfrageforschung und Wähleranalysen (politische Kommunikation), Journalismusforschung und auch Medienresonanzanalysen geht. Und sie trägt bei 3) zur Ausbildung für Tätigkeiten im Bereich Medien und Kommunikation. »Kommunikations- und medienwissenschaftliche Studienangebote tragen ganz wesentlich zur Ausbildung für den Mediensektor bei (insbesondere Journalismus, Kommunikationsberatung, Medienforschung, Medienmanagement, Medienproduktion, Werbung und PR)« (DGPuK 2008; Hervorhebung i. Orig.). Durch die Errichtung neuer Institute in den neuen (aber auch alten) Bundesländern, infolge der Ausstattung bestehender Institute mit weiteren Professuren und wissenschaftlichem Personal sowie infolge intensiver Bemühungen um Drittmittel öffentlicher wie privater Geldgeber konnte die Forschungs-, Publikations- und Lehrleistung des Faches erheblich gesteigert werden (vgl. u. a. Alrmep- <?page no="54"?> Literatur 55 pen et al. 2011). Insgesamt stellt die Kommunikationswissenschaft heute eine selbstbewusste Disziplin dar, deren Absolventen im weiten Feld der Medien- und Kommunikationsberufe (auch in krisenhaften Phasen der Wirtschaft) in aller Regel rasch und gut unterkommen. Vielfältige Kontakte mit der und in die Medien- und Kommunikationsbranche, wie sie von den meisten Instituten intensiv gepflegt werden, sowie ein in vielen Instituten sorgfältig betreutes Alumniwesen erweisen sich diesbezüglich für die Studienabgänger als äußerst nützlich. 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Welcher Durchschnittsbürger weiß schon, was im grafischen Gewerbe mit »Hurenkind« gemeint ist, was in der Medizin »intubieren« heißt, was im Tunnelbau der »Kalottenvortrieb« ist oder in der Luftfahrt »abschmieren« bedeutet? Fachbegriffe stellen folglich nichts anderes als Verallgemeinerungen konkreter Phänomene dar. Ihre Funktion besteht darin, v. a. komplexe Sachverhalte nach Möglichkeit vereinfacht - jedoch möglichst nicht verkürzt - zu beschreiben. Daher zeichnet sich die Fach- oder Wissenschaftssprache durch genau definierte Begriffe oder, wo kompakte Definitionen nicht möglich sind, zumindest durch konkrete Begriffsbeschreibungen aus. Es liegt auch im Wesen der Wissenschaft, dass ständig neue Fachbegriffe »generiert«, d. h. aus neuen Erkenntnissen hergeleitet, entwickelt und gebildet werden. Dabei kommt es oftmals zu Fremdwortbildungen und zu Übernahmen aus dem Englischen bzw. Amerikanischen, »zumal ein großer Teil der kommunikationswissenschaftlichen Fachliteratur aus diesem Sprachraum stammt und die internationale Wissenschaftskommunikation (Kongresse und Fachzeitschriften) zur Verbreitung dieser Fachsprache erheblich beigetragen hat« (Bentele/ Beck 1994, S.-16). Auch ist nicht zu übersehen, dass die Kommunikationswissenschaft Begriffe aus anderen Fächern, v. a. aus sozialwissenschaftlichen Disziplinen wie der Soziologie, der Psychologie, der Politikwissenschaft, der (Sozio-)Linguistik oder den Wirtschaftswissenschaften und der Informatik entlehnt bzw. übernimmt. Es ist nicht möglich, nachfolgend alle Fachbegriffe der Kommunikationswissenschaft detailliert aufzuführen und inhaltlich zu klären (schließlich soll hier kein Fachwörterbuch der Kommunikationswissenschaft geschrieben werden). Vielmehr seien einige zentrale Begriffe herausgehoben, deren Kenntnis für das Verständnis des Fachgegenstandes wichtig sind, zumal schon die Fachbezeichnung »Kommunikationswissenschaft« nicht selten zu Missverständnissen führen kann. Als derart zentrale Begriffe erweisen sich die Termini Kommunikation, Publizistik, (klassische) Massenkommunikation sowie computervermittelte Kommunikation. Dem interdisziplinären Charakter des Faches folgend werden dabei neben kommunikationswissenschaftlichen Aspekten auch soziologische, psychologische sowie teils auch (sozio-)linguistische Aspekte angesprochen. Zahlreiche andere Fachbegriffe erfahren ihre Klärung jeweils innerhalb der einzelnen Abschnitte. <?page no="63"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 64 3.1 Kommunikation Kommunikation ist ein sowohl fachwie auch alltagssprachlich verwendeter Begriff mit zahlreichen Bedeutungsgehalten. Bezogen auf soziale, also gesellschaftliche Kommunikation ist er im deutschen Sprachraum über den Begriff Massenkommunikation »bekannt, ja modisch geworden« (Merten 1977, S.- 141). Massenkommunikation wiederum ist die in den 1960er-Jahren aus dem Amerikanischen übernommene Bezeichnung für mass communication. Zweifellos erfuhr der in jüngerer Zeit inflationär verwendete Begriff Kommunikation seine inhaltliche Prägung durch die Kommunikationswissenschaft. Für die deutschsprachige Kommunikationswissenschaft ist von der Übernahme der beiden aus dem Amerikanischen stammenden Begriffe der Impuls ausgegangen, sich neben medienvermittelter Kommunikation auch mit dem komplexen Phänomen zwischenmenschlicher Kommunikation zu befassen. 3.1.1 Unterscheidung von Kommunikation In einer bereits 1977 durchgeführten Analyse von 160 Begriffsbestimmungen über Kommunikation nahm der Münsteraner Kommunikationswissenschaftler Klaus Merten eine hierarchische Unterscheidung von Kommunikation vor. Dabei differenzierte er zwischen subanimalischer, animalischer, Human- und Massenkommunikation (Merten 1977, S.-94ff): • Mit subanimalischer Kommunikation ist die Kommunikation zwischen Organismen gemeint. Dabei geht es um technische oder naturwissenschaftliche Erscheinungen von Kommunikation wie etwa die reziproke Einwirkung zweier magnetischer Substanzen aufeinander oder die Entstehung einer Verbindung aus zwei Molekülen. • Animalische Kommunikation meint Kommunikation zwischen Lebewesen, sei es zwischen Tieren oder zwischen Menschen und Tieren. • Mit der Bezeichnung Humankommunikation ist ausschließlich Kommunikation unter Menschen angesprochen. Ihr besonderes Kennzeichen ist die Verfügbarkeit eines sprachlichen Kanals über und neben anderen - nonverbalen - Kommunikationskanälen. • Massenkommunikation ist Merten zufolge eine besondere Form der Humankommunikation, deren Kennzeichen u. a. darin besteht, dass sie auf technische Medien angewiesen (also indirekt) ist, in aller Regel einseitig abläuft und sich an die Öffentlichkeit richtet. Zu ergänzen ist diese Systematisierung um die • Computervermittelte Kommunikation: Dabei handelt es sich um einen aus der Multimedia-Kommunikation hergeleiteten Begriff. Gemeint sind neue Kommunikationsformen, die durch das Verschmelzen von Telekommunikation, Computerisierung und herkömmlichen elektronischen Massenmedien möglich geworden sind. Die (teilöffentliche) Kommunikation in und mittels sozialer Netzwerke wie Facebook oder auch Twitter sind Beispiele dafür. Summa summarum kann man der hier dargestellten Differenzierung zufolge also zwischen Kommunikation im weiteren sowie im engeren Sinne unterscheiden. Kommunikation im weiteren Sinne meint alle Prozesse der Informationsübertragung und bezieht technische, biologische, psychische, physische und soziale Informationsvermittlungssysteme ein. Unter Kommunikation im engeren Sinn versteht man einen Vorgang der Verständigung und der Bedeutungsvermittlung zwischen Lebewesen (vgl. Maletzke 1963, S.-18). Kommunikation zwischen Menschen schließlich stellt - soziologisch <?page no="64"?> 3.1 Kommunikation 65 betrachtet - eine Form sozialen Handelns dar, das mit subjektivem Sinn verbunden sowie auf das Denken, Fühlen und Handeln anderer Menschen bezogen ist (Weber 1980). 3.1.2 Kommunikation und Interaktion Der Gedanke, wonach soziales Handeln »mit subjektivem Sinn verbunden« sowie »auf das Handeln anderer Menschen bezogen und daran in seinem Ablauf orientiert ist«, geht auf den Soziologen Max Weber zurück (Weber 1980, S.-1). Wenn zwei oder mehr Personen sich »in ihrem gegenseitigen Verhalten aneinander orientieren und sich auch gegenseitig wahrnehmen können« (Jäckel 1995, S.-463), wird dies als Interaktion bezeichnet (ebd.). Interaktion ist also gekennzeichnet durch »Prozesse der Wechselbeziehung bzw. Wechselwirkung« (Burkart 1998, S. 30). Demgemäß soll in Anlehnung an Roland Burkart unter sozialer Interaktion ein wechselseitiges Geschehen zwischen zwei oder mehr Personen verstanden werden, »welches mit einer Kontaktaufnahme beginnt und zu (Re-)Aktionen der im Kontakt stehenden Lebewesen führt« (Burkart 1998, S.-30). Kommunikation kann somit als eine »spezifische Form der sozialen Interaktion« verstanden werden (Graumann 1972, S.- 1110; vgl. auch Burkart 1998, S.-30; Kunczik/ Zipfel 2005, S. 26-30), zumal zwischenmenschliche Kommunikation sich in aller Regel auch durch Wechselseitigkeit auszeichnet. Die Begriffe Kommunikation und Interaktion werden gelegentlich auch synonym verwendet. Dies ist nicht uneingeschränkt zulässig, sondern bedarf einer Differenzierung: Zweifellos stehen die Begriffe Kommunikation und Interaktion zueinander in Beziehung. Mit Kommunikation ist von der Wortbedeutung her jedoch eher Verständigung und sind damit in erster Linie inhaltliche Bedeutungsprozesse gemeint (vgl. Maletzke 1998, S.-43). Interaktion hingegen meint den Charakter und Handlungsablauf sozialer Beziehungen (Jäckel 1995, S.-463; vgl. Graumann 1972, S.-1110ff). Wenn Interaktion folglich als Synonym für soziales Handeln steht, kann Kommunikation als Interaktion vermittels Zeichen und Symbolen bezeichnet werden. Versucht man folglich, eine Definition für zwischenmenschliche Kommunikation von Angesicht zu Angesicht zu finden, die sowohl den formalen Charakter sozialer Beziehungen als auch das Merkmal der Verständigung in sich vereinigt, so kann man Kommunikation einfach definieren als »verbales und/ oder nonverbales Miteinander-in-Beziehung-Treten von Menschen zum Austausch von Informationen« (Pürer 1998, S. 18; Hervorhebung i. Orig.). 3.1.3 Merkmale von Kommunikation In dem hier verstandenen Sinne besteht Kommunikation in einer vereinfachten Vorstellung aus mindestens vier Elementen, nämlich: einem Sender (Kommunikator), einem Kommunikationsinhalt (Aussage, Mitteilung, Botschaft), einem Kanal, über den der Inhalt vermittelt wird (Medium) sowie einem Empfänger (Rezipient). Der Kommunikationsvorgang läuft - vereinfacht dargestellt - so ab, dass der Sender eine Information verschlüsselt (encodiert), sprachlich an den Kommunikationspartner übermittelt und der Empfänger die übermittelte Botschaft erfasst und entschlüsselt (decodiert). Dieser Vorgang bzw. Prozess ist in mehreren Kommunikationsmodellen dargestellt (vgl. z. B. McQuail/ Windahl 1994; siehe auch Bentele/ Beck 1994, S.-21-25; Kunczik/ Zipfel 2005, S. 41-47; Stöber 2008, S.-16-27). Beim Gespräch zwischen zwei oder auch mehr Personen läuft dieser Prozess in aller Regel wechselseitig, also im ständigen Tausch der Rollen von Kommunikator und Rezipient ab. Wechselseitigkeit (Reziprozität) ist in aller Regel also eines der Merkmale von interpersonaler bzw. Face-to-face-Kommunikation (vgl. Merten 1977, S.-75). »Der Status der beiden Kommunika- <?page no="65"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 66 tionspartner und/ oder die soziale Strukturierung der Kommunikationssituation« können jedoch zu einem »kommunikativen Gefälle« zwischen Sender und Empfänger führen, sodass der Kommunikationsprozess bzw. sein dialogischer Charakter nicht zwingend symmetrisch strukturiert sein muss (vgl. Kübler 1994, S.-38). In seiner Analyse von Kommunikationsbegriffen hat Merten neben der Reziprozität weitere Merkmale von (Face-to-face-)Kommunikation ausfindig gemacht. Es sind dies die Merkmale Intentionalität, Anwesenheit, Sprachlichkeit, Wirkung und Reflexivität (Merten 1997; siehe dazu etwa auch Rau 2013, S. 30ff): • Mit dem Charakteristikum Intentionalität ist die Absichtshaftigkeit des Senders und Zielgerichtetheit der Botschaft an den Empfänger gemeint. Intentionalität kann auch gegeben sein, wenn der angestrebte Empfänger möglicherweise nicht reagiert (vgl. Merten 1977, S.-77f ) oder etwas anderes versteht als der Sender. • Das Merkmal Anwesenheit bezeichnet die gegenseitige Wahrnehmbarkeit der Kommunikationspartner in der direkten Interaktion. Diese gegenseitige Wahrnehmbarkeit ist nicht nur im persönlichen Gespräch zwischen zwei Personen gegeben, sondern z. B. auch beim Telefonieren (vgl. Merten 1977, S.-79ff). In dieser - technisch vermittelten - Form der Kommunikation nehmen die beiden Gesprächspartner einander wegen der eingeschränkten Zahl der benutzten Kommunikationskanäle allerdings anders wahr als in der Face-to-face-Kommunikation. • Obwohl wir in vielfältiger Weise auch nonverbal kommunizieren, ist Sprachlichkeit ein sehr wesentliches Merkmal von Kommunikation (vgl. Merten 1977, S.-82). Sprache ist das leistungsfähigste Kommunikationsinstrument und spielt für die Verständigung zwischen zwei oder mehreren Kommunikationspartnern eine eminent wichtige Rolle. • Unter Wirkung sind sämtliche Verhaltensweisen und Erlebnisprozesse zu verstehen, die beim Kommunizieren ablaufen bzw. erfahrbar und beobachtbar sind (vgl. Merten 1977, S.-84ff). • In der Reflexivität, also in der Rückbezüglichkeit, sieht Merten das wichtigste Merkmal von Kommunikation. Reflexivität bezieht sich auf die beiden Kommunikationspartner, und so ist mit Reflexivität die Reflexion von Prozessen in der Kommunikation auf sich selbst gemeint. Merten unterscheidet zwischen Reflexivität in der Zeitdimension, in der Sachdimension sowie in der Sozialdimension (Merten 1977, S.-86-88 sowie S.-161f; vgl. auch Schmidt/ Zurstiege 2007, S. 34-36; Stöber 2008, S. 31f ). Dabei bedeutet Reflexivität in ihrer zeitlichen Dimension die Rückwirkung der Folgen von Kommunikation auf den Kommunikationsprozess selbst. Reflexivität in der sachlichen Dimension meint, »dass Kommunikation jeweils mit dem Kanal bzw. Code operieren kann, der dem sachlichen Anliegen am angemessensten ist. Kommunikation rekurriert mithin auf kulturelle und bewusstseinsmäßige Vorleistungen, kann adäquat Informationen auswählen, aufeinander beziehen, vorantreiben, Traditionen bilden und an Sinnstrukturen anknüpfen. Reflexivität in der sozialen Dimension bedeutet, dass Kommunikation Individuen [für vielleicht auch nur ganz kurze Zeit - Ergänzung H. P.] verbindet, Sozialität stiftet, kognitive Leistungen wie Wahrnehmen, Erwarten und Handeln verlangt bzw. erzeugt und damit letztlich menschliche Identität konstituiert« (Kübler 1994, S.- 18). Gemeint ist, dass Kommunikation zeitlich, sachlich und sozial immer an bereits Vorhandenes »andockt«. So manifestiert sich z. B. in der Frage eines Ortsunkundigen nach einer Straße oder Gasse (zeitliches und sachliches »Andocken«) bei einem - vermeintlich - Ortskundigen ein Mindestmaß an Vertrauen (soziales »Andocken« i. S.-»der kann mir vielleicht helfen«). Kommunikation ist durch ein Mindestmaß an Verständigung, an Gemeinsamkeiten der Gedanken oder Absichten zwischen Sender und Empfänger gekennzeichnet. Sie dient der Verständigung, dem Austausch und der Teilhabe an dem, worüber gesprochen wird. Verständigung liegt dann vor, <?page no="66"?> 3.1 Kommunikation 67 »wenn der Rezipient eine ihm mitgeteilte Aussage so versteht, wie sie vom Kommunikator gemeint ist« (Burkart 1998, S.-75). Dazu bedarf es eines gemeinsamen, übereinstimmenden Zeichenvorrates. Über einen in hohem Maße übereinstimmenden Zeichenvorrat verfügen Kommunikationspartner, die nicht nur die gleiche Sprache sprechen, sondern auch ähnliche oder gleiche Interessen haben sowie ähnliche oder gleiche Erfahrungen, Anschauungen und Werthaltungen (vgl. Merten 1977, S.-47-49). Innere Monologe, Denkprozesse, Selbstgespräche - also das, was wir intrapersonale Kommunikation nennen - kann nicht als Kommunikation im bisher dargelegten Sinn bezeichnet werden. Das Denken ist, wie Plato sagt, das »Selbstgespräch der Seele« und damit zweifellos eine Art kommunikativer Vorgang, aber eben ein intrapersonaler im Gegensatz zur interpersonalen Kommunikation (vgl. Schreiber 1990, S.-249). 3.1.4 Kommunikation - ein komplexer Prozess Der uns so selbstverständlich erscheinende Vorgang von Kommunikation als Prozess ist kein Vorgang, der kausal einfach zu erfassen ist (Merten 1977, S.-53). Vielmehr stellt Kommunikation einen komplexen Sachverhalt dar, in dessen Verlauf Rücksteuerungen und Rückkopplungen sowie ein- und gegenseitige Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den Kommunizierenden eine Rolle spielen. Bei Kommunikation bzw. kommunikativem Handeln wird seitens der Kommunikationspartner Sinn konstruiert, Information generiert und ausgetauscht. Außerdem kommen auch subjektive Auswahlbzw. Selektionsprozesse der Kommunikationspartner zum Tragen (vgl. Bentele/ Beck 1994, S.-32). In der zwischenmenschlichen Kommunikation von Angesicht zu Angesicht (face to face) nehmen die Kommunizierenden abwechselnd die Rolle von Sender und Empfänger, von Kommunikator und Rezipient ein. Dies erfolgt oft »in so rascher Folge und mit Überschneidungen, dass man von einer gewissen Koinzidenz beider Rollen bei beiden Partnern ausgehen kann« (Schulz 1994, S.-147). Dabei handelt es sich weniger um eine Übertragung als vielmehr um einen Austausch von Information. Dieser Austausch von Information bedient sich sprachlicher (verbaler) wie nichtsprachlicher (nonverbaler) Kommunikationsformen. Das Sprachliche manifestiert sich - übrigens in Spreche wie in Schreibe - im Gebrauch von Zeichen bzw. Symbolen. Bei gesprochener Sprache kommen paraverbale Merkmale wie Stimmqualität, Tonfall, Lautstärke, Stimmmelodie, Sprechpausen, dialektische Färbung u. a. m. hinzu. Bei geschriebener Sprache, z. B. im Brief oder auch bei gedruckten Medien, spielen (qualitativ-)formale Merkmale wie Schriftcharakter und Schriftbild eine Rolle. Allen diesen Merkmalen kann der Empfänger Informationen über den Sender entnehmen. Nonverbale Kommunikation bezeichnet »Formen des menschlichen Elementarkontaktes neben und außerhalb der Sprache« (Beth/ Pross 1976, S.-93). Diese nichtsprachliche Kommunikation findet ihren Ausdruck in zahlreichen - (quasi-)formalen - Manifestationen wie Mimik, Gestik, Körperhaltung, Blickkontakt, raumbezogenem Verhalten (räumliche Distanz der Kommunizierenden) etc.; sie werden vorwiegend über den optischen bzw. visuellen Kanal wahrgenommen. Nonverbale Kommunikationselemente sind aber auch in Mitteilungen zu sehen, die durch Geruch, Geschmack, Berührungen und Wärmeempfindungen vermittelt und wahrgenommen werden. Insgesamt kann man also unterscheiden zwischen sprachunabhängigen und sprachabhängigen nonverbalen Elementen (vgl. Kübler 1994, S.-24). Einen Sonderfall stellt die Sprache der (Taub-)Stummen bzw. Gehörlosen dar, die vorwiegend mit Mimik, Gestik und Gebärden operiert. Diese Sprache stellt in Form der Deutschen Gebärdensprache (DGS) übrigens ein eigenes, staatlich anerkanntes Sprachsystem dar. (In manchen Fernsehnachrichtensendungen - leider in viel zu wenigen - werden Personen eingeblendet bzw. gezeigt, die gehörlosen Zusehern das Gesprochene in die Sprache der Gehörlosen übersetzen). <?page no="67"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 68 Mit Blick auf verbale und nonverbale Kommunikation ist zu erwähnen, dass nonverbale Kommunikation durch die verbale nicht abgelöst wird. Vielmehr ergänzen sich beide Kanäle »komplementär zu einer wirksamen Struktur, die in der Bezogenheit aufeinander Leistungen ermöglicht, die keiner der Kanäle allein erbringen könnte« (Merten 1977, S.-82). Es ist jedoch unbestritten, dass jede leistungsfähige Kommunikation, die erinnerbar, multiplizierbar oder zurechenbar sein will, auf Sprache (in gesprochener oder geschriebener Form) aufbaut (vgl. ebd.). Im Unterschied zu nonverbaler Kommunikation befähigt Sprache zur Kommunikation über Personen, Dinge und Gegenstände sowie Sachverhalte »unabhängig von ihrer raum-zeitlichen Gegenwart« (Bergler/ Six 1979, S.-27). Dies gilt übrigens auch für einen beträchtlichen Teil der Kommunikation von Blinden bzw. Nichtsehenden. Für sie muss geschriebene Sprache freilich in einen eigenen materiellen Code transformiert werden, dessen Dekodierung über den Tastsinn erfolgt. 3.1.5 Kommunikation - ein vermittelter Prozess In der Kommunikationswissenschaft versteht man unter zwischenmenschlicher Kommunikation den sich der Sprachen, Zeichen und Symbole bedienenden Austausch von Bedeutungsgehalten zwischen zwei oder mehreren Personen, der auch nichtsprachliche Elemente enthält. Wenn wir uns zum Kommunizieren also z. B. der gesprochenen Sprache bedienen, so ist damit ausgesagt, dass alle menschliche Kommunikation - auch jene von Angesicht zu Angesicht - vermittelt ist. Kommunikation bedarf folglich immer einer Instanz, eines Mittels oder Mediums, mit dessen Hilfe eine Botschaft generiert bzw. artikuliert und »durch das hindurch eine Nachricht übertragen bzw. aufgenommen wird« (Graumann 1972, S.-1182). Der Begriff »Medium« steht daher »sowohl für personale (der menschlichen Person ›anhaftende‹) Vermittlungsinstanzen als auch für jene technischen Hilfsmittel zur Übertragung einer Botschaft« (Burkart 1998, S.-36), wie wir sie aus Telekommunikation (Telefon, Sprechfunk, Fax etc.), Massenkommunikation (Zeitung, Zeitschrift, Radio, Fernsehen) sowie auch aus der computervermittelten Kommunikation (E-Mail, Foren, Instant Messenger etc.) kennen. Menschliche Kommunikation zeichnet sich also durch eine Vielfalt immaterieller wie materieller Vermittlungsformen und -möglichkeiten aus. Von Harry Pross stammt der 1972 unternommene Versuch, diese Vielfalt zu differenzieren. Er unterscheidet zwischen primären, sekundären und tertiären Medien (Pross 1972, S.-10ff): • Primäre Medien sind demzufolge die Medien des »menschlichen Elementarkontaktes«. Dazu gehören die Sprache sowie nichtsprachliche Vermittlungsinstanzen wie Mimik, Gestik, Körperhaltung, Blickkontakt etc. Allen diesen originären Medien ist gemeinsam, dass kein Gerät zwischen den Kommunikationspartnern geschaltet ist »und die Sinne der Menschen zur Produktion, zum Transport und zum Konsum der Botschaft ausreichen« (Pross 1972, S.-145). • Sekundäre Medien sind dann jene, die auf der Produktionsseite technische Geräte erfordern, nicht aber beim Empfänger zur Aufnahme der Mitteilung. Gemeint sind Rauchzeichen, Feuer- und Flaggensignale sowie alle jene Manifestationen menschlicher Mitteilungen, die der Schrift (z. B. öffentliche Inschriften, Brief etc.), des Drucks (Einblattdruck, Flugblatt, Flugschrift, Zeitung, Zeitschrift, Buch, Plakat) oder einer anderen Form der materiellen Speicherung und Übertragung (z. B. Kopie) bedürfen. • Mit tertiären Medien sind alle jene Kommunikationsmittel gemeint, bei denen sowohl aufseiten des Senders (zur Produktion und Übermittlung) wie auch auf Seiten des Empfängers (zur Rezeption) ein technisches Mittel erforderlich ist. Dazu gehören der gesamte Bereich der Telekommunikation (Telefon, Telegrafie, Funkanlagen etc.) sowie v. a. die elektronischen Massenmedien wie <?page no="68"?> 3.1 Kommunikation 69 Radio, Fernsehen, Film, ebenso Videotechniken, in einem weiteren Sinn auch Computer und Datenträger unterschiedlicher Art. • Mit Blick auf die computervermittelte Kommunikation, auf Digitalisierung und Konvergenz, ist diese Typologie dennoch zu erweitern um die quartären Medien (vgl. Burkart 2002, S. 38). Diese bedürfen auf Senderwie Empfängerseite einer Onlineverbindung und vermögen Texte, Töne, Bilder, Grafiken etc. multimedial zu integrieren. »Neu ist außerdem, dass bei diesen Medien die bislang eher starre Rollenzuschreibung in Sender und Empfänger [wie wir sie in der klassischen Massenkommunikation kennen - Ergänzung H. P.] durch interaktive Momente eine gewisse Flexibilität erfährt« (ebd.). Vielfach kann in der computervermittelten Kommunikation (vgl. Kap. 3.3) »ein Aufweichen dieser traditionellen Sender-Empfänger-Beziehung beobachtet werden« (ebd.). Ergänzend zu vermerken ist, dass die »jeweiligen Kommunikationsmittel […] der Mitteilung […] nicht nur dazu [verhelfen], überhaupt in Erscheinung zu treten« (ebd.). Sie bestimmen vielmehr »auch die Form, in der dies geschieht: eine Mitteilung kann gesprochen, geschrieben, gedeutet, gezeichnet (u. Ä.) werden; sie kann darüber hinaus aber auch via Druck oder Funk verbreitet werden« (ebd.; Hervorhebung i. Orig.). Interpersonale Kommunikation von Angesicht zu Angesicht bedient sich der hier dargelegten Differenzierung zufolge primärer Medien. Ihre wichtigsten Kanäle sind verbale und nonverbale Vermittlungsformen. Kommunikation ist demnach erfolgreich, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind: Wenn die zu vermittelnden Gedanken, Absichten oder Bedeutungen - der »immaterielle Bewusstseinsgehalt« eines Kommunikators - in ein kommunizierbares verbales und/ oder nonverbales Zeichensystem umgewandelt werden können; wenn sich die Codes bzw. Zeichen und Chiffren in »physikalische Signale« (optische, akustische, taktile) transformieren lassen und von den Sinnesorganen des Adressaten wahrgenommen werden; sowie wenn der Adressat die empfangenen Zeichen deuten, d. h. decodieren, dechiffrieren und durch Interpretation die vermittelten Inhalte erschließen kann (vgl. Merten 1977, S.-46). 3.1.6 Die Kommunikations-»Kanäle« Nicht nur, aber v. a. in der zwischenmenschlichen Kommunikation kommunizieren wir über mehrere Kanäle. Gemeint sind jene Sinnesmodalitäten, mithilfe derer und über die wir unsere Kommunikationspartner wahrnehmen. Dabei kann zwischen dem auditiven, dem visuellen, dem taktilen, dem olfaktorischen, dem thermalen und dem gustatorischen Kanal unterschieden werden: • Über den auditiven Kanal nehmen wir gesprochene Sprache bzw. Information wahr, wobei paraverbale Komponenten wie Stimmvariation, Sprechgeschwindigkeit und Sprechrhythmus sowie extralinguistische Elemente (wie Lachen, Weinen, Husten, Rülpsen, Gähnen etc.) zugleich mit wahrgenommen werden. • Der visuelle Kanal vermittelt uns die meisten nonverbalen Informationen. Dazu gehören: Mimik (Gesichtsausdruck), Gestik, Körperhaltung, raumbezogenes Verhalten (wie interpersonale Distanz, Annäherungs- und Vermeidungstendenzen) sowie äußere Attribute (Körpergröße, Kleidung, Frisur). Eine wichtige Rolle spielt in der visuellen Kommunikation des Weiteren der Blickkontakt, wie Bergler/ Six unter Bezugnahme auf Koenig festhalten: »Das Auge ›sieht‹ nicht nur, es ›schaut‹ auch ›an‹ und wird umgekehrt selbst angeschaut, es ist Sender und Empfänger zur gleichen Zeit« (Koenig 1970, S.-183). Insofern hat das Auge eine wichtige Intimfunktion für zwi- <?page no="69"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 70 schenmenschliche Kommunikation (vgl. Bergler/ Six 1979, S.-28ff). Der visuelle Kommunikationskanal ist im Hinblick auf die Verarbeitungsgeschwindigkeit den anderen Kanälen überlegen. • Über den taktilen Kanal nehmen wir Körperberührungen wahr. Dazu zählt etwa der Händedruck bei Begrüßungen, Verabschiedungen, Beglückwünschungen, Vertragsvereinbarungen etc. ebenso wie v. a. Körperberührungen in der Intimkommunikation (z. B. zwischen Eltern und Kind oder zwischen zwei Liebenden). • Eng verbunden mit dem taktilen ist der thermale Kanal, über den wir, z. B. beim Händedruck bei einer Begrüßung oder beim Streicheln in der Intimkommunikation, zugleich auch die Körperwärme unseres Kommunikationspartners wahrnehmen. • Der olfaktorische Kanal vermittelt uns Gerüche, die von Kommunikationspartnern ausgehen können und die für das Gelingen oder Misslingen von Kommunikation von Bedeutung sein können (wie etwa der angenehme oder unangenehme Duft von Parfüm, ebenso Transpirations-, Mund- oder anderer Körpergeruch). • Schließlich ist auf den gustatorischen Kanal zu verweisen, der, wie etwa beim Kuss, Geschmacksempfindungen vermittelt. Solche Geschmacksempfindungen können aber auch z. B. von einem guten Essen ausgehen, das einer Kommunikation zuträglich (oder, wenn das Gegenteil der Fall ist, abträglich) sein kann. Die Menschen benutzen ihre Kommunikationskanäle nicht isoliert. Zwischenmenschliche Kommunikation bedient sich zumeist »gleichzeitig mehrerer dieser Kanäle« (Bentele/ Beck 1994, S.-40); und »je mehr Kanäle in der Kommunikation jeweils zusammenwirken, desto höher ist der Grad der Präzision und der Reflexivität der Kommunikation« (Schreiber 1990, S.- 132). Als besonderes Beispiel für Mehrkanalität nennt Erhard Schreiber den Kuss, »bei dem im […] optimalen Fall der taktile (Berührung), gustatorische (Geschmacksempfindungen), olfaktorische (Riechen von Körpergeruch), thermale (Wärmeempfindungen), optische (sektoraler Gesichtsausdruck) und der akustische (›typische‹ Kussgeräusche) Kanal beteiligt sind« (ebd.). Für Bergler/ Six (1979, S.-35) ist Kommunikation »immer die integrierte Einheit verbaler und nonverbaler Kommunikation«. In diesem Kontext verweisen sie auf unterschiedliche Vermittlungsleistungen verbaler und nonverbaler Kommunikation. So vermittelt verbale Kommunikation in erster Linie Tatsachen, Meinungen, Probleme, Sachverhalte. Sie wird nicht ausschließlich, aber primär kognitiv erfasst. Die nonverbale Kommunikation stellt oftmals erst die eigentliche emotionale Beziehung zum Angesprochenen her. Sie wird stark gefühlsbezogen wahrgenommen. Von nonverbaler Kommunikation gehen folglich wichtige Leistungen aus (Bergler/ Six 1979, S. 33; vgl. auch Kunczik/ Zipfel 2005, S. 37f; Schmidt/ Zurstiege 2007, S. 35). »Nonverbale Kommunikation • reguliert unmittelbar soziale Kontakte: Weckt Sympathie (und damit erhöhte Kontaktbereitschaft) oder Antipathie [und damit Verringerung der Kontaktbereitschaft - Ergänzung H. P.]; • bereitet den Zuhörer auf kommende verbale Information vor; • hält das Interesse des Zuhörers wach: Weckt Aufmerksamkeit und Bereitschaft zur weiteren Informationsaufnahme und Kommunikation; • ist die glaubwürdigere Information im Falle auftretender Diskrepanzen zwischen verbaler und nonverbaler Information; • unterstützt die verbale Kommunikation; • ersetzt und ergänzt verbale Kommunikation« (Bergler/ Six 1979, S.-33). Zwischenmenschliche Kommunikation von Angesicht zu Angesicht bedient sich in aller Regel stets mehrerer Kommunikationskanäle. »Nicht isolierte, abstrakte Worte und Sätze werden wirksam, <?page no="70"?> 3.1 Kommunikation 71 sondern die verbalen Elemente werden immer von bestimmten Menschen, mit einem charakteristischen Äußeren, einem spezifischen Attraktivitätswert, in einer spezifischen stimmlichen Artikulation, Stimmlage, mit einer spezifischen Mimik, Gestik etc. vorgetragen. […]. Diesem nonverbalen Verhalten […] kommt im Sinne von sozialen Techniken zentrale Bedeutung für die psychologische Wirksamkeit der eigentlichen Sachinformation zu« (Bergler/ Six 1979, S.-35). Im Unterschied zu Kommunikation von Angesicht zu Angesicht ist technisch vermittelte Kommunikation (Telekommunikation, Massenkommunikation, computervermittelte Kommunikation) von der Zahl der benutzten Kanäle bzw. Sinne betrachtet eingeschränkte Kommunikation. So wird beim Lesen der visuelle Kanal beansprucht; beim Radiohören der auditive; beim Fernsehen, beim Kinofilm sowie teilweise auch in der computervermittelten Kommunikation visueller und auditiver zugleich. In Telekommunikation, Massenkommunikation und computervermittelter Kommunikation gibt es aber keine Berührungen, keine Wärme- oder Geschmacksempfindungen sowie keine Gerüche. Auszunehmen sind allenfalls die Druckmedien: Sie verschaffen ihren Nutzern oftmals auch ein haptisches Erlebnis (und möglicherweise regt neben dem Inhalt auch der vertraute Geruch der Druckfarbe einer Zeitung, einer Zeitschrift oder eines Buches zum Weiterlesen an). 3.1.7 Exkurs: Man kann nicht nicht kommunizieren Von den amerikanischen Kommunikationsforschern Paul Watzlawick, Janet Beavon und Don Jackson stammt u. a. das metakommunikative Axiom, wonach man nicht nicht kommunizieren kann. Es handelt sich dabei um einen nicht beweisbaren Grundsatz von Kommunikation. Begründet wird er von seinen Urhebern wie folgt (vgl. Watzlawick et al. 1990, S.-53ff): Voraussetzung, um von Kommunikation sprechen zu können, sind zwei Systeme: jenes der Informationsabgabe und jenes der Informationsaufnahme. Bei der Informationsabgabe kann wieder zwischen zwei Haupttypen unterschieden werden, nämlich zwischen beabsichtigter (intentionaler) und nicht beabsichtigter (nichtintentionaler). Allein dadurch aber - und nun ist die nicht beabsichtigte Informationsabgabe angesprochen -, dass ein Mensch existiert, sich kleidet, sich im Raum oder in der Zeit bewegt etc., können von anderen Menschen Informationen über die Gestalt, das Aussehen, die Bewegungen, die Zugehörigkeit (z. B. zu einer sozialen Gruppe), den Gemütszustand etc. entnommen werden, ohne dass die Person beabsichtigt, solche Information gezielt über sich abzugeben. Dazu ein Beispiel: Ich fahre in der U-Bahn und nehme bewusst eine sitzende Person mit eingegipstem Bein wahr, die in einem Buch liest und lächelt. Das eingegipste Bein vermittelt bzw. zeigt (scheinbar) eine Verletzung an, das Lächeln (scheinbar) eine freudige Emotion. Bentele/ Beck weisen darauf hin, dass dieses Axiom eine bedeutsame Unterscheidung verwischt, »nämlich die zwischen Verhalten und Kommunikation. Tatsächlich kann jedem beobachteten Verhalten von einem wahrnehmenden Subjekt (oder einem anderen informationsaufnehmenden System) eine Bedeutung beigemessen werden, doch unterscheidet sich dieser Vorgang wesentlich von dem einer bewussten Verständigung« (Bentele/ Beck 1994, S.-20; vgl. Kunczik/ Zipfel 2005, S. 30; Stöber 2008, S. 22; vgl. dazu auch Rau 2013, S.-158ff, insbesondere S. 163ff). Ungeachtet dessen besteht Kommunikation »meist zugleich aus absichtlicher Mitteilung und nichtabsichtlicher Informationsabgabe: Wir teilen nicht nur eine bestimmte Aussage mit, sondern bieten durch unser Kommunikationsverhalten unserem Kommunikationspartner eine Fülle weiterer Informationen, aus denen er Schlüsse ziehen kann« (Bentele/ Beck 1994, S.- 20; vgl. auch Kunczik/ Zipfel 2005, S. 30; Stöber 2008, S. 22f ). Folgerichtig nehmen Beth/ Pross (1976, S.-71ff) die Unterscheidung von intendierter (also beabsichtigter und zielgerichteter) Kommunikation und von anzeigender (oder indizierender) <?page no="71"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 72 Kommunikation vor. Gegenstand der Kommunikationswissenschaft ist »nicht das gesamte Verhalten«, sondern primär »der Mitteilungsaspekt« (Bentele/ Beck 1994, S.-20). 3.1.8 Sprache und Kommunikation In den Sozialwissenschaften besteht Einigung darüber, »als Sprache nur die Verständigung mithilfe von Symbolen zu bezeichnen« (Maletzke 1998, S.-44). Die Sprache »ist das für den Menschen allein typische und bei weitem am höchsten entwickelte Kommunikationsmittel« (Griese 1976, S.-28). Sie entsteht »durch Laute, die sich nach bestimmten Regeln zu größeren sprachlichen Einheiten zusammensetzen und so zu Trägern von Bedeutungen werden« (Döhn 1979, S. 206). Sprache »ist immer Kommunikation, aber sie ist eine Kommunikationsform unter mehreren anderen« (Maletzke 1998, S.-44). In ihrer Leistungsfähigkeit und vielseitigen Verwendbarkeit ist Sprache anderen Kommunikationsformen gegenüber weit überlegen: Der Sprache wohnt die Möglichkeit inne, mit einer endlichen Anzahl von sprachlichen Regeln und Elementen eine unendliche Anzahl von sprachlichen Äußerungen und Bedeutungen auszudrücken. Von der Sprachwissenschaftlerin Hadumod Bußmann stammt der Versuch, Sprache nicht nur aus linguistischer Sicht, sondern als gesellschaftliches Phänomen kompakt zu beschreiben. Sie definiert Sprache als ein »auf kognitiven Prozessen basierendes, gesellschaftlich bedingtes, historischer Entwicklung unterworfenes Mittel zum Ausdruck bzw. Austausch von Gedanken, Vorstellungen, Erkenntnissen und Informationen sowie zur Fixierung von Erfahrung und Wissen« (Bußmann 1990, S.-699). Auf den »kognitiven Charakter« von Sprache (verbaler Kanal) wurde bereits hingewiesen. »Gesellschaftlich bedingt« heißt, dass Sprache in ihrer Ausprägung und Anwendung auf gesellschaftlichen Konventionen (Übereinkünften) beruht. Die im deutschen Sprachraum 1996 durchgeführte (und 2006 nochmals modifizierte) Rechtschreibreform, die de facto auf geänderten gesellschaftlichen Konventionen der Anwendung von Sprache bzw. sprachlichen Zeichen aufbaut, ist ein gutes Beispiel dafür. Im Zusammenhang damit steht der Gedanke, dass Sprache ein historischer Entwicklung unterworfenes Ausdrucksmittel darstellt. Sprache verändert sich im Laufe der Zeit, entlehnt aus anderen Sprachen Begriffe, kreiert (nicht zuletzt durch die Übernahme fachsprachlicher Begriffe in die Umgangssprache) Wortneuschöpfungen und streicht mitunter auch veraltete Ausdrucksformen aus ihrem Begriffsrepertoire. Schrift schließlich stellt die optische Fixierung sprachlicher Laute zu einem Zeichensystem dar und gilt als eine der genialsten Erfindungen des Menschen. Sie »schuf die Möglichkeit, Kommunikationsinhalte zu speichern und in dieser Form auch persönlich Abwesenden und persönlich Unbekannten mitzuteilen« (Hunziker 1988, S.-5), und sie ermöglicht weit besser als mündliche Überlieferung die Speicherung von »Erfahrung und Wissen« und damit auch die soziokulturell so bedeutsame Fixierung von Kulturtradition. Das Grundinventar des (alphanumerischen) Zeichensystems der deutschen Sprache besteht bekanntlich aus 26 (Grund-)Buchstaben (A bis Z) und zehn Ziffern (0 bis 9). Merten verweist im Hinblick auf das Kriterium der Reflexivität von Kommunikation auf die sachlichen, zeitlichen und sozialen Leistungen bzw. Dimensionen von Schrift. So erlaubt Schrift in der sachlichen Dimension »gegenüber mündlicher Weiter- und Wiedergabe eine immens gesteigerte Wiedergabe des Inhalts, entlastet also von subjektiver Verfälschung und konvergiert damit den Interpretationsspielraum« (Merten 1977, S.-140). In der zeitlichen Dimension »erlaubt Schrift die Akkumulation großer Erfahrungsbestände und deren Nutzbarmachung für alles zukünftige Handeln« (ebd.). In sozialer Hinsicht »erlaubt Schrift die Heranführung beliebig vieler und zueinander indifferenter Personen an die fixierbaren Selektionsleistungen, insbesondere die Bindung an die Kenntnis und die Befolgung aufgeschriebener Normen« (ebd.). Merten verweist allerdings auch darauf, <?page no="72"?> 3.1 Kommunikation 73 dass »Schrift […] nicht nur exakte Reproduktion [zulässt], sondern gerade auch wirkungssichere Fälschung« (ebd.). Sprache dient in erster Linie der zwischenmenschlichen Verständigung. Dazu ist es erforderlich, dass von den Kommunikationspartnern die gleichen sprachlichen Zeichen benutzt und identisch interpretiert werden. In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, 1) unter Bezugnahme auf die Semiotik auf die Dimensionen sprachlicher Zeichen zu verweisen; 2) aus psycholinguistischer Sicht kurz die Funktionen von Sprache zu erörtern; 3) den Inhalts- und Beziehungsaspekt von sprachlicher Kommunikation kurz anzusprechen sowie schließlich 4) auch noch kurz zu erörtern, worin Sprachbarrieren begründet sein können. Die Semiotik, die Lehre von den sprachlichen Zeichen, unterscheidet die folgenden drei Dimensionen sprachlicher Zeichen (Morris 1938; Pelz 1975; Kunczik/ Zipfel 2005, S. 33; Stöber 2008, S. 34; Beck 2010, S. 44): die semantische, die syntaktische und die pragmatische Dimension: • Mit der semantischen Dimension ist die Beziehung zwischen den sprachlichen Zeichen und den Gegenständen, d. h. Personen, Sachverhalten, Dingen, Ereignissen etc. gemeint, »auf die sie verweisen, die sie ›be-zeichnen‹ sollen« (Burkart 1998, S.-76). Die Semantik als Zeichenbzw. Wortbedeutungslehre befasst sich folglich mit der Bedeutung sprachlicher Zeichen und Zeichenfolgen (Wörter). • Die syntaktische Dimension meint die Beziehung der Zeichen untereinander. Untersuchungsgegenstand der Syntaktik, der Lehre von den Sprachregeln, sind folglich »die grammatischen Regeln, nach denen sprachliche Zeichen miteinander verknüpft werden können« (ebd.). Sie manifestieren sich u. a. auch in den Satzkonstruktionen sowie im Satzbau. • Die pragmatische Dimension »meint die Beziehung zwischen den Zeichen und ihren Benutzern« (ebd.). Die Pragmatik als ›Lehre von der Zeichenverwendung‹ […] fragt nach der Art und Weise des Gebrauchs sprachlicher Zeichen und Zeichenfolgen« (ebd.). Sie untersucht, was von einem Sprechenden in einer konkreten Kommunikationssituation mit sprachlichen Zeichen und Zeichenkombinationen »gemacht«, wozu sie »benützt« werden (konkrete Anwendung der Sprache durch einen Sprechenden). Im Zusammenhang mit der pragmatischen Dimension der Sprache spielt das Lexikon des Sprachverwenders, seine Sprachkompetenz und seine Sprachperformanz eine wichtige Rolle. Mit Lexikon ist der Wortschatz einer Sprache gemeint, der sich durch neu hinzukommende Wörter, Begriffe und Wortzusammensetzungen ständig verändert. Die Unterscheidung zwischen Sprachkompetenz und Sprachperformanz geht auf Benjamin Lee Whorf zurück (Whorf 1963). Mit Sprachkompetenz ist die allgemeine Kenntnis gemeint, die ein Sprachbenutzer von einer Sprache hat. Mit Sprachperformanz bezeichnet man den tatsächlichen Gebrauch, den ein Sprachbenutzer auf Grund seiner Sprachkompetenz in einer bestimmten Sprechsituation von Sprache macht (d. h. die Fähigkeit, Sprache situationsgerecht anzuwenden). Der schweizerische Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure (1857-1913) schließlich nimmt die Unterscheidung von »langue« und »parole« vor. Langue meint Sprache als statisches System (z. B. das Deutsche, die englische Sprache, das Italienische), parole dagegen Sprechen in konkreten sprachlichen Äußerungen (vgl. Saussure 1931), also einen dynamischen Vorgang. Von dem Psychologen Karl Bühler (1978) stammt die nachfolgende, bereits 1934 entwickelte Systematik der Sprachbzw. Zeichenfunktionen. In Anlehnung an Plato verstand Bühler unter Sprache ein »Werkzeug« (griechisch: »organon«) des Kommunikationsprozesses. Dieses Werkzeug erfüllt für Bühler drei Funktionen, nämlich die Darstellungsfunktion, die Ausdrucksfunktion sowie die Appellfunktion (Bühler 1978, S.-28ff; vgl. auch Stöber 2008, S. 28ff): <?page no="73"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 74 • Mit der Darstellungsfunktion ist die Möglichkeit gemeint, Dinge und Sachverhalte zu beschreiben. Sie ist objektorientiert; im Vordergrund stehen die sprachlich vermittelten Sachverhalte. Das sprachliche Zeichen ist »Symbol für Gegenstände oder Sachverhalte, für die es steht« (Graumann 1972, S.-1197). • Die Ausdrucksfunktion verweist auf die Fähigkeit der Sprache, Gedanken und Empfindungen auszudrücken. Sprachliche Zeichen sind also »Symptom eines inneren Zustandes des Senders« (ebd.). Die Ausdrucksfunktion ist kommunikationsorientiert, sie vermittelt die emotionalen Färbungen des Sprechers. • Die Appellfunktion meint die Möglichkeit, mittels Sprache das Verhalten des Kommunikationspartners beeinflussen zu können. Sie ist rezipientenorientiert. Das sprachliche Zeichen ist »Signal für einen Empfänger« (ebd.). Jede dieser Funktionen kommt bei sprachlicher Kommunikation, insbesondere bei solcher von Angesicht zu Angesicht, zur Geltung. Freilich können in je unterschiedlichen Kommunikationssituationen und je nach physischer und psychischer Verfassung des jeweils Sprechenden einzelne Funktionen überwiegen bzw. etwas stärker zum Ausdruck kommen: 1) Unter Bezugnahme auf Watzlawick sei darauf hingewiesen, dass sprachliche Kommunikation einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt aufweist. Im Inhaltsaspekt manifestiert sich das, was eine Mitteilung enthält. Im Beziehungsaspekt sollte zum Tragen kommen, wie der Sender seine Mitteilung vom Empfänger verstanden wissen will. Gemeint ist, dass der Inhaltsaspekt die ›Daten‹ vermittelt, während der Beziehungsaspekt anweist, »wie diese Daten aufzufassen sind« (Watzlawick et al. 1969, S.-55). Dabei ist das Verhältnis zwischen Inhalts- und Beziehungsaspekt derart, »dass letzterer den ersteren bestimmt« (ebd.). Der Inhalt (was) einer Mitteilung wird primär kognitiv erfasst, der Beziehungsaspekt (wie) primär eher intuitiv und emotiv. 2) Was schließlich Sprachbarrieren betrifft, also Missverstehen und Nichtverstehen, so verweist Burkart (1988) in Anlehnung an Badura (1971) darauf, dass sich beides auf der Sprachebene des Gegenstandes und auf der Sprachebene der intersubjektiven Wahrnehmung der Gesprächspartner abspielen kann. Dazu im Einzelnen: - »Auf der gegenständlichen Ebene liegt ein Nichtverstehen vor, wenn Sprecher und Hörer über unterschiedliche Zeichenvorräte verfügen« (Burkart 1998, S.-84). Dies ist z. B. der Fall, wenn der Sprecher ein Fremdwort verwendet, das der Hörer nicht kennt. - »Ein Missverstehen auf der gegenständlichen Ebene von Kommunikation liegt dagegen vor, wenn beide Kommunikationspartner wohl mehr oder weniger gleiche Zeichenvorräte besitzen, […] wenn beide Kommunikationspartner aber dennoch unterschiedliche Bedeutungen mit den betreffenden Wörtern verbinden« (ebd.). Es entsteht also ein »semantisches« Problem. - »Auf der intersubjektiven Ebene von Kommunikation liegt ein Nichtverstehen dann vor, wenn sprachliche Äußerungen [eines Kommunikators vom Rezipienten - Ergänzung H. P.] gar nicht als solche erkannt werden. Die Gründe dafür liegen im Unvermögen des Empfängers, die sprachlichen Manifestationen überhaupt zu identifizieren« (Burkart 1998, S.-85). - »Ein Missverstehen auf der intersubjektiven Ebene liegt hingegen dann vor, wenn die beiden Kommunikationspartner die gesetzten Sprechakte unterschiedlich interpretieren« (ebd.). Es entsteht also ein pragmatisches Problem, es gibt »Differenzen im Bereich der pragmatischen Zeichendimension zwischen Sprecher und Zuhörer« (ebd.). Sprachbarrieren können aber auch gesellschaftlich bedingt sein. Johannes Weinberg (1975), Basil Bernstein (1972) sowie Horst Holzer und Karl Steinbacher (1972) verweisen in teils unterschiedlicher Art darauf, dass es schichtspezifische Unterschiede in Spracherwerb, Sprachentwicklung und Sprach- <?page no="74"?> 3.1 Kommunikation 75 gebrauch gibt. Mittel- und Unterschicht gebrauchen verschiedene Varianten der gemeinsamen Einheitssprache. So verwendet die Unterschicht eine Sprache, deren Code »restringiert«, also (mehr oder weniger stark) beschränkt ist, die Mittel- und Oberschicht dagegen einen »elaborierten« (also gut entwickelten und erweiterten) Sprachcode. Die Verschiedenartigkeit der beiden Codes kann zu einer gesellschaftlichen Benachteiligung sozial schwacher bzw. niedriger Schichten führen, insbesondere im Hinblick auf den gesellschaftlichen Aufstieg und bei beruflichen Karrieren (vgl. auch Burkart 1998, S.-100-102; vgl. Stöber 2008, S. 35). Vom Hamburger Sprachpsychologen Friedemann Schulz von Thun (1996a, 1996b) stammt ein psychologisch begründetes »Nachrichtenquadrat«, das hier im Zusammenhang mit Sprache noch erwähnt werden soll. Es ist ein »Grundmodell für eine Allgemeine Kommunikationspsychologie« (Schultz von Thun 1996b, S. 16), das u. a auch wesentlich auf Sprache basiert. Im Blickpunkt des Modells steht, »was jemand von sich gibt bzw. was beim anderen ankommt« (Schulz von Thun 1996b, S. 19; Hervorhebung i. Orig.). An einer in der persönlichen Kommunikation übermittelten Nachricht unterscheidet der Autor »vier Seiten […], die immer gleichzeitig mit im Spiele sind: 1) der Sachinhalt, der Informationen über die mitzuteilenden Dinge und Vorgänge enthält; 2) die Selbstkundgabe, durch die der ›Sender‹ etwas über sich mitteilt - über seine Persönlichkeit und über seine aktuelle Befindlichkeit (sei es nun in bewusster Selbstdarstellung oder in mehr oder minder freiwilliger Selbstöffnung und Selbstpreisgabe); 3) der Beziehungshinweis, durch den der Sender zu erkennen gibt, wie er zum Empfänger steht, was er von ihm hält und wie er die Beziehungen zwischen sich und ihm definiert; 4) der Appell, also der Versuch, in bestimmter Richtung Einfluss zu nehmen, die Aufforderung, in bestimmter Weise zu denken, zu fühlen oder zu handeln« (Schulz von Thun 1996b, S. 19f; Hervorhebung i. Orig.). Schulz von Thun zufolge verbindet sich mit diesem Modell »die Erkenntnis, daß ein- und dieselbe Nachricht - oder sagen wir nun besser: Äußerung - viele Botschaften gleichzeitig enthält, welche sich auf die vier Seiten verteilen« (ebd.; Hervorhebung i. Orig.). Explizit ausgesprochen »ist oft nur eine Seite (häufig der Sachinhalt) […] und alle anderen Botschaften [stehen] ›zwischen den Zeilen‹, [sind] aber deswegen keinesfalls weniger bedeutungsvoll und wirksam« (Schulz von Thun 1996b, S.- 20). Das Modell weist teils Gemeinsamkeiten bzw. Ähnlichkeiten mit Aspekten auf, die sich bereits in Bühlers entwickeltem Sprachmodell finden (Darstellungsfunktion, Ausdrucksfunktion, Appellfunktion; siehe auch Beck 2010, S. 45f; Rau 2013, S. 89ff). Nach diesem kurzen Exkurs in Sprachsoziologie und Sprachpsychologie kann resümiert werden, dass Sprache nicht nur für die zwischenmenschliche Verständigung eine wichtige Rolle spielt. Sprache ist vielmehr generell von unübersehbarer soziokultureller Bedeutung (Döhn 1979, S. 207ff): • Sprache ist ein wichtiger Informationsträger, von dem alle anderen Formen der Kommunikation abhängen. • Individuelle wie soziale Kommunikation ist auf Sprache angewiesen, auch wenn Verständigung über andere Kommunikationskanäle erfolgt. • Sprache spielt für die Bewusstwerdung des Individuums eine wichtige Rolle, unser Denken folgt den Regeln der Sprache. • Die Speicherung und Weitergabe von Wissen und neuer Information ist auf Sprache angewiesen. • Nicht zuletzt werden gesellschaftliche und kulturelle Werte durch Sprache vermittelt und tradiert. <?page no="75"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 76 3.1.9 Arten von Kommunikation Kommunikation kann in verschiedenen Arten vor sich gehen: direkt oder indirekt; wechselseitig oder einseitig; privat oder öffentlich sowie in Anwesenheit oder in Abwesenheit (und damit gegenseitig wahrnehmbar oder nicht wahrnehmbar). So verläuft Kommunikation zwischen zwei Personen (Face-to-face) in aller Regel in direkter Interaktion, wechselseitig und privat, wobei eine Vielzahl von Kommunikationskanälen benutzt wird. Die Kommunikationspartner sind gleichzeitig anwesend und gegenseitig wahrnehmbar, wodurch ein hoher Grad an Reflexivität und Reaktion gegeben sowie Rückfragen möglich sind. Kommunikation zwischen zwei Personen von Angesicht zu Angesicht hat eine dyadische oder dialogische Struktur. Dagegen ist unter zeitversetzter und/ oder räumlich getrennter Interaktion bereits ein besonderer Typus von persönlicher Kommunikation zu sehen, auch wenn ihre Dialogstruktur weitgehend erhalten bleibt. Dies ist z. B. bei der Telefonkommunikation, beim Chat im Internet, auch beim Brief sowie bei Kommunikation mittels SMS der Fall. Gruppenkommunikation ist von der dyadischen, interpersonalen Kommunikation abzugrenzen. Sie zeichnet sich durch zweierlei aus. Zunächst ist ihre Kommunikationsstruktur »von der Zahl und den Rollen der einzelnen Gruppenmitglieder« bestimmt (Kübler 1994, S.-21). Und strukturell ist sie v. a. gekennzeichnet »von den Normierungen und Differenzierungen der in der Gruppe herrschenden Konventionen und Handlungsweisen« (ebd.). Zeitversetzte und/ oder räumlich getrennte Kommunikation (wie Brief, Telefonkommunikation, E-Mail, SMS, Chat) schließt von der Kapazität der Kanalübertragung »alle nonverbalen Komponenten wie Mimik und Gestik, überhaupt alle visuellen Kommunikationskomponenten (derzeit noch) aus« und es fehlen »die sensorischen Eindrücke unmittelbarer Anwesenheit (die über den Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinn wahrgenommen werden« (ebd.). Das Telefongespräch stellt eine Form der wechselseitigen Kommunikation dar, die allerdings indirekt verläuft (sie ist technisch vermittelt) und die privaten bzw. quasi-privaten (beruflichen) Charakter hat. Von der Zahl der benutzten Kommunikationskanäle her gesehen ist Telefonkommunikation eine eingeschränkte Form der Kommunikation (sie wird nur auditiv-vokal wahrgenommen). Beim Telefonieren sind die Kommunikationspartner zwar nicht (im Sinne von Angesicht zu Angesicht) anwesend, aber über den auditiven Kanal gegenseitig wahrnehmbar. Telefonkommunikation ermöglicht direkte Rückkopplung. Ähnliches gilt für Kommunikation via CB-Funk. Bei Videotelefonie sowie beim Skypen im Internet sind Mimik und teilweise auch Gestik je nach Perspektive der Kamera in eingegrenztem Maße mitübertragbar (vgl. ebd.). Kommunikation mittels Brief oder E-Mail sowie SMS stellt eine einseitige, indirekte und technisch vermittelte (Papier teils als Träger/ Speicher der Information, der Computer als elektronischer Vermittler) Form der Kommunikation dar. Die Kommunikationspartner sind abwesend, Rückkopplungen nicht unmittelbar möglich. Im Hinblick auf die benutzten Kanäle ist briefliche und E-Mail-Kommunikation auf den visuellen Kanal begrenzt, wobei der visuelle Kanal selbst wieder einer starken Einschränkung unterliegt, zumal der Kommunikationspartner nicht wahrnehmbar ist. In modifiziertem Maße gilt eben Gesagtes auch für Internetchats und Blog-Einträge (inkl. daran anschließender Diskussionsthreads), an denen in aller Regel aber mehr als zwei Personen teilnehmen. Ein Vortrag (oder auch eine Vorlesung oder Rede) ist direkte, einseitige, oftmals technisch vermittelte (d. h. durch ein Mikrofon zumindest verstärkte) und zumeist öffentliche Kommunikation (auch wenn er z. B. nur für eine gezielt ausgewählte, d. h. eingeschränkte Öffentlichkeit gedacht sein sollte). Die Kommunikationspartner sind anwesend und gegenseitig wahrnehmbar (der Kommunikator für die Rezipienten jedoch eher als umgekehrt). Reaktionen und Feedback sind nur in eingeschränktem Maße möglich. <?page no="76"?> 3.2 Massenkommunikation 77 Massenkommunikation im herkömmlichen Sinn (Zeitung, Zeitschrift, Radio, Fernsehen) ist eine Form öffentlicher, indirekter und einseitiger Kommunikation. Sie bedient sich technischer Verbreitungsmittel und wendet sich an ein disperses (d. h. räumlich und/ oder raum-zeitlich verstreutes) Publikum (Maletzke 1963), auch wenn z. B. nur bestimmte Publikumssegmente bzw. Zielgruppen angesprochen werden. Bei den Printmedien (Zeitung/ Zeitschrift) sind die Kommunikatoren für die Rezipienten nicht unmittelbar wahrnehmbar (allenfalls mittelbar durch Autorenfotos); im Hörfunk sind sie dies mit ihrer Stimme, im Fernsehen mit Stimme und Bild (inkl. Mimik, Gestik und Körperhaltung). Rückkopplungen sind in aller Regel nicht möglich, Ausnahmen bilden bei den Funkmedien sog. Call-in-Sendungen bzw. Leserbriefe an und Telefonanrufe in Redaktionen. Klassische Massenkommunikation stellt Inhalte für weiterführende persönliche Kommunikation bereit, kann also in Form der Anschlusskommunikation kommunikationsstiftenden Charakter haben. Onlinekommunikation ist technisch vermittelte, indirekte, teils einseitige (z. B. E-Mail), teils gegenseitige (z. B. Internet Relay Chat), teils private, teils (teil-)öffentliche Kommunikation (z. B. Mailing Lists, Dienstleistungen via Internet oder teil-öffentliche Kommunikation in sozialen Netzwerken). Onlinekommunikation ist überwiegend Kommunikation in Abwesenheit, die Kommunikationspartner können sich gegenseitig meist nicht wahrnehmen, allenfalls imaginieren. Rückkopplungen sind, je nach Kommunikationsangebot und -form, direkt oder nur indirekt möglich (vgl. Kap. 3.3). Kommunikation im bisher geschilderten Sinne ist ein alle Aspekte des sozialen Lebens durchdringender, fundamentaler Prozess. Erst Kommunikation, und zwar sprachliche Kommunikation, ermöglicht das Wachstum, den Erhalt und die Übertragung von Kultur und somit die Kontinuität einer Gesellschaft, ebenso aber auch ihren Wandel. Ohne sprachliche Kommunikation ist organisiertes soziales Leben nicht möglich (vgl. Döhn 1979, S.-107f ). 3.2 Massenkommunikation Der uns so geläufige Begriff »Massenkommunikation« fand in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts Eingang in den deutschen Sprachgebrauch - zunächst fachsprachlich, dann auch umgangssprachlich. Davor (bereits ab Ende der 1920er-Jahre) und daneben bedient(e) man sich für Aussagen und Botschaften, die sich an die Öffentlichkeit richteten, des Begriffes »Publizistik«. Dabei wurde und wird unterschieden zwischen originärer und medial vermittelter Publizistik. Mit originärer Publizistik sind Formen der an eine Öffentlichkeit gerichteten, aktuellen Informationen (welcher Art auch immer) gemeint, die ohne vermittelnde technische Medien auskommen wie etwa die öffentliche Rede bei einer Wahlveranstaltung, die Predigt in der Kirche, aber auch ein Vortrag oder eine Vorlesung vor einer nur begrenzten, relativ kleinen Öffentlichkeit. Medial vermittelte Publizistik meint über technische Medien ablaufende, an eine (wie immer große oder kleine) Öffentlichkeit gerichtete Kommunikation, also Zeitungs-, Zeitschriften-, Hörfunk- oder Fernsehpublizistik. Publizistik impliziert(e) auch, dass es sich um aktuelle Botschaften handelt, mit denen man sich an die Öffentlichkeit wendet. Die Publizistikwissenschaft verstand (und versteht) sich demzufolge auch als die wissenschaftliche Beschäftigung mit öffentlicher Kommunikation; interpersonale Kommunikation privaten oder beruflichen Charakters (Face-to-face) war und ist nicht ihr Gegenstand. Dies geht aus zwei hier beispielhaft vorgestellten Definitionsversuchen über Publizistik hervor. So verstand Walter Hagemann unter Publizistik »die öffentliche Aussage aktueller Bewusstseinsinhalte« (Hagemann 1947, S. 20 und 1966, S. 15; Pürer 1998, S. 142ff; Wiedemann 2012, S. 176ff). Henk Prakke definierte Publizistik »als die Lehre von der zwischenmenschlichen Kommunikation, besonders in ihren öffentlichen Leistungen als Informator, Kommentator und Sozius - und deren gesellschaftlicher Regelung« (Prakke 1968; <?page no="77"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 78 Pürer 1998, S. 145ff). In jüngster Zeit ist der Begriff »Publizistik« fachwie umgangssprachlich allerdings immer seltener anzutreffen. Auch bei den universitären Institutsbezeichnungen ist der Terminus nur noch selten vorzufinden. Es verwundert dies insofern, als auch die moderne Kommunikationswissenschaft sich zwar nicht ausschließlich, aber doch weitestgehend mit Erscheinungsformen öffentlicher und teil-öffentlicher Kommunikation befasst. Doch zurück zum Begriff »Massenkommunikation«. Es handelt sich dabei um die aus dem Amerikanischen ins Deutsche übernommene Bezeichnung von mass communication. Allgemein betrachtet meint man damit in einem sehr weiten Sinne politische, ökonomische, soziale und kulturelle Prozesse, die durch das Vorhandensein von klassischen Massenmedien wie Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen ausgelöst werden und die sich in den Massenmedien selbst widerspiegeln. In einem engeren Sinne versteht man unter klassischer Massenkommunikation von professionellen Medienkommunikatoren (also von Journalisten, Moderatoren, Kommentatoren, Entertainern etc.) öffentlich, indirekt, über technische Medien (Presse, Radio, Fernsehen) und weitestgehend einseitig an eine Vielzahl von Menschen gerichtete Aussagen (informierender, bildender, überredender, werbender oder unterhaltender Natur), die von ihren Empfängern entschlüsselt sowie mit Sinn verbunden und mit Bedeutung versehen werden (Maletzke 1963). Auf zahlreiche Formen computervermittelter, internetbasierter Massenkommunikation trifft diese Beschreibung von Massenkommunikation im klassischen und engeren Sinn nicht bzw. nicht mehr uneingeschränkt zu. Im Onlinejournalismus z. B. ermöglichen interaktive Anwendungen spontane (öffentliche) Rückkoppelungen der Rezipienten an den Kommunikator. So kann, um ein Beispiel zu nennen, etwa der Nutzer (User) einer Onlinezeitung via Kommentarfunktion unmittelbar an den Kommunikator zurückschreiben, womit das Merkmal der Einseitigkeit des (Massen-)Kommunikationsprozesses durchbrochen ist. Sind Nutzerkommentare z. B. im Rahmen von ›Live Reportings‹ auch Gegenstand des Artikels, verändern bzw. ergänzen sie sogar dessen Inhalt zumeist ohne einer redaltionellen Kontrolle zu unterliegen (wie z. B. Leserbriefe; vgl. Singer et al. 2011; Kümpel et al. 2013). Unter dem Schlagwort ›partizipativer Journalismus‹ widmet sich mittlerweile ein ganzes Forschungsfeld der Beschreibung von Mitwirkungsmöglichkeiten des Publikums an der Nachrichtenproduktion (vgl. z. B. Domingo et al. 2008; Bruns 2009). Andere Kommunikations- oder Medienanwendungen im Internet ermöglichen es dem User, sich an Chats oder Forendiskussionen zu beteiligen, selbst Blogs zu führen oder über Tweets ›eigene‹ Kurznachrichten zu verbreiten. Überhaupt kann jeder Internetnutzer, entsprechende Anwender-Kenntnisse vorausgesetzt, grundsätzlich seinen eigenen Onlineauftritt bewerkstelligen und somit selbst zum Sender werden. Über diese interaktiven Möglichkeiten und andere Formen, Merkmale und Grenzen der elektronisch vermittelten Kommunikation gibt Kapitel 3.3 Auskunft. 3.2.1 Schrift - Druck - Funk Was wir heute so selbstverständlich als Massenkommunikation bezeichnen, ist - technisch gesehen - über Jahrtausende schrittweise zunächst über die (Laut-)Schrift, dann über den Buchdruck sowie schließlich über die elektrischen und später elektronischen Medien entstanden (vgl. Hunziker 1988). • So ist »die erste grundlegende medientechnische Errungenschaft in der Gesellschaftsentwicklung« in der »Herausbildung der Laut-Schrift als Fort- und Weiterentwicklung der Sprache« zu sehen. Die Laut-Schrift »schuf die Möglichkeit, Kommunikationsinhalte zu speichern und in dieser Form auch persönlich Abwesenden und persönlich Unbekannten mitzuteilen« (Hunziker 1988, S.-5). Für die Entstehung von Hochkulturen mit städtischen Lebensformen und ausdiffe- <?page no="78"?> 3.2 Massenkommunikation 79 renzierten Funktionsbereichen in Politik, Verwaltung, Produktion und Handel war Schriftlichkeit eine ganz wesentliche Voraussetzung. • Die Erfindung des Buchdrucks in der Mitte des 15. Jahrhunderts veränderte die Qualität schriftlicher Information »insofern, als damit schriftlich fixierte Kommunikationsinhalte massenhaft hergestellt und verbreitet werden konnten« (ebd.). Die geistigen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Folgen dieser technischen Errungenschaft waren gewaltig, kamen zunächst aber jener eher kleinen Elite in der Bevölkerung zugute, die des Lesens (und Schreibens) kundig war. Schätzungen zufolge sollen dies um 1500 rund ein Prozent (in Städten fünf Prozent) der Bevölkerung gewesen sein (Schade 2010, S. 94 mit Bezugnahme auf Schwittala 1999, S. 27). Von Massenmedien und der Ansprache eines Massenpublikums kann erst ab der zweiten Hälfte des 19.-Jahrhunderts gesprochen werden, als Trivialromane in massenhaften Auflagen hergestellt wurden und sich auch die Massenpresse (Zeitungen mit hohen Auflagen) entfaltete. • Die sich im 20. Jahrhundert ausbreitenden elektrischen bzw. elektronischen Medien, im Wesentlichen also Radio und Fernsehen (aber auch Film/ Kino), erleichterten »den Prozess der Massenkommunikation insofern, als sie für den Empfang der Mitteilungen zwar ein technisches Gerät, dafür aber keine über das alltägliche Kommunikationsverhalten hinausgehenden Fähigkeiten voraussetzen« (Hunziker 1988, S.-6). Das Radio erlebte bald nach der Einführung öffentlicher Hörfunksendungen (ab Anfang der 1920er-Jahre) v. a. in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts massenhafte Verbreitung - aus Propagandagründen hatte das nationalsozialistische Regime daran besonderes Interesse und ließ preiswerte, für jedermann erschwingliche Empfangsgeräte produzieren. Das Fernsehen trat seinen Siegeszug ab Ende der 1950erbzw. Anfang der 1960er- Jahre an, nachdem im deutschen Sprachraum bereits in den 1950er-Jahren regelmäßige TV-Programme ausgestrahlt wurden. • Es folgten elektronische Speichermedien (Audio, Video, CDs, DVDs), das digitale Fernsehen und Versuche mit digitalem Radio, bis schließlich gegen Ende der 1990er-Jahre die computervermittelte (Online-)Kommunikation sowie Multimedia neben die klassischen Funkmedien trat und sich seither ungewöhnlich rapide ausbreitet. Die Teilnahme an computervermittelter Kommunikation, in ihren Anfängen mit relativ konstenintensiver Ausstattung verbunden, setzt freilich die Fähigkeit voraus, diese Technik zu bedienen - das also, was man »computer literacy« nennt. Der ARD/ ZDF-Onlinestudie von 2012 zufolge sind mittlerweile 53,4 Mio. (oder 76 Prozent) der Deutschen online (van Eimeren/ Frees 2012). 3.2.2 »Massen«-Kommunikation Was den Begriff Massenkommunikation selbst betrifft, so ist für den europäischen, bzw. für den deutschen Sprachraum v. a. im Hinblick auf den Wortbestandteil »Masse« ein klärender Hinweis erforderlich. Keinesfalls soll der Terminus »Masse« massenpsychologische (Le Bon 1895 bzw. 1950) oder kulturpessimistische Assoziationen (Ortega y Gasset 1930 bzw. 1973) wecken. Weder sind mit »Masse« etwa niedere soziale Schichten, Personen oder Personengruppen gemeint, die sich im kulturpessimistischen Sinne durch Degenerierung und Persönlichkeitsverarmung auszeichnen; noch solche, denen aus einer psychologischen Sicht heraus pauschal und kumulativ bestimmte negative, psychopathische Verhaltensweisen zugewiesen werden würden. Im Wortbestandteil »Masse« ist also kein negativ wertgeladener Terminus zu sehen. Vielmehr ist gemeint, dass sich in der Massenkommunikation die über die Medien vermittelten Aussagen an eine Vielzahl von Menschen richten, die man angemessener als Publikum bezeichnet (vgl. Burkart 1998, S.-166). <?page no="79"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 80 Diese Vielzahl von Menschen, das Publikum, stellt sich dem Kommunikator in der Massenkommunikation freilich als unüberschaubar, heterogen und anonym dar, so Burkart in Anlehnung an Wright 1963: • »›unüberschaubar‹, weil sie zahlenmäßig einen solchen Umfang aufweisen, dass es dem Kommunikator unmöglich ist, direkt (von Angesicht zu Angesicht) mit ihnen zu interagieren; • ›heterogen‹, weil diese Menschen eine Vielzahl sozialer Positionen bekleiden; • und schließlich anonym, weil das einzelne Mitglied der jeweiligen Rezipientenschaft eines Massenmediums dem Kommunikator unbekannt ist« (vgl. Burkart 1998, S.-165). Gerhard Maletzke hat für die Rezipienten der Massenkommunikation folgerichtig den Begriff »disperses Publikum« geprägt (Maletzke 1963, S.-28f ). Er versteht darunter einzelne Individuen, aber auch kleine Gruppen von Menschen, deren verbindendes Charakteristikum (nur) darin besteht, dass sie sich an verschiedenen Orten und ggf. zu unterschiedlichen Zeiten einem gemeinsamen Gegenstand zuwenden - nämlich den Aussagen der Massenmedien. Im Unterschied dazu ist das Präsenzpublikum zu sehen, das 1) räumlich versammelt ist, 2) dessen Interessen in aller Regel identisch, 3) dessen Sinne und Erwartungen weitgehend gleichgerichtet sind und 4) das sich unter identischen technisch und räumlich situativen Bedingungen (z. B. abgedunkelter Raum in Kino und Theater) z. B. bei einer öffentlichen Veranstaltung (z. B. Rede, Vortrag), in der Kirche (Predigt), im Kino (Film), im Theater (Schauspiel) oder bei einem Konzert (Musik) einem gemeinsam geteilten Gegenstand zuwendet. In gewisser Weise gilt dies seit einigen Jahren auch für das sog. ›Public Viewing‹ an öffentlich zugänglichen Plätzen oder Räumen, wo große Ereignisse von allgemeinem Interesse (wie Fußball-Weltmeisterschaften, Olympische Spiele etc.) auf Großbildschirmen gezeigt werden. 3.2.3 Massen-»Kommunikation« Der Wortbestandteil »Kommunikation« bedarf im Kontext von klassischer Massenkommunikation ebenfalls einer Erläuterung. Er suggeriert nämlich die Vorstellung, der Empfänger massenmedial verbreiteter Inhalte könne mit dem Produzenten der Aussage »kommunizieren«. Dies ist aber nicht - oder doch nur in äußerst eingeschränktem Maße - möglich. Massenkommunikation ist nicht an eine Person gerichtet, sondern je nach Medium und Zielgruppe des Mediums 1) entweder an einen breiten Querschnitt der Bevölkerung wie etwa überregional oder regional/ lokal verbreitete Tages- und Wochenzeitungen, Publikumszeitschriften sowie die meisten Programme öffentlich-rechtlicher oder privater Hörfunk- und Fernsehveranstalter; oder 2) nur an einen speziellen Teil der Bevölkerung (wie Fachzeitschriften, Verbandszeitschriften, Special-Interest-Zeitschriften sowie spezielle Zielgruppensendungen in Hörfunk und Fernsehen). Massenkommunikation richtet sich also an eine mehr oder weniger große Öffentlichkeit und ist damit grundsätzlich immer auch öffentlich. Darüber hinaus hat man es in der klassischen Massenkommunikation »in aller Regel mit einer Polarisierung der kommunikativen Rollen zu tun. Es fehlt [weitestgehend - Ergänzung H.- P.] der - für die zwischenmenschliche Kommunikation so typische - Rollentausch zwischen den Kommunikationspartnern« (Burkart 1998, S.-167). Klassische Massenkommunikation schließt die Möglichkeit einer Rückkopplung (Feedback) zwar nicht grundsätzlich aus: Solche Rückkopplungen erfolgen in aller Regel über Telefonanrufe, Leserbriefe, E-Mails an Redaktionen von Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Fernsehen. Rückmeldungen eines Rezipienten der Massenkommunikation sind zumeist aber weniger unmittelbar, und »sie wirken sich auf das Kommunikationsverhalten [wenn überhaupt - Ergänzung H. P.] erst mit Verzögerung aus« (Schulz 1994, S.-147). Dies gilt im Großen und Ganzen auch für Live- oder Call-in-Sendungen in Hörfunk und Fernsehen. Da fin- <?page no="80"?> 3.2 Massenkommunikation 81 det zwar punktuell interindividuelle Kommunikation zwischen einem medialen Akteur (Journalist oder Moderator bzw. Präsentator einer Radio- oder Fernsehsendung) und einem Mitglied des dispersen Publikums vor einer mehr oder weniger großen Öffentlichkeit statt. Dennoch tauschen bei einem solchen Feedback die beteiligten Partner (Medien-)Kommunikator und (Medien-)Rezipient nicht grundsätzlich ihre Rollen. Wohl kann der Rezipient mit dem Kommunikator kommunizieren, »er besitzt jedoch nicht die Rollenmacht des professionellen Kommunikators! So kann er (der Rezipient) z. B. auf den strukturellen Ablauf einer Sendung (infolge eines vorgegebenen Programmrahmens) keinen Einfluss nehmen« (Burkart 1998, S.-164). Auch der Produktionsprozess von Zeitungen und Zeitschriften wird durch Leserbriefe oder E-Mails nicht tangiert. Rückkopplungen von Lesern, Hörern oder Zusehern verharren eben meist auf einem Niveau, welches spätestens dann seine Grenzen erfährt, »wenn die Struktur des Mediums berührt wird« (ebd.). Wechselseitigkeit und Rollentausch, wie sie in der Face-to-face-Kommunikation zwischen den Kommunikationspartnern hauptsächlich vorliegen, stellen in massenkommunikativen Prozessen eher die Ausnahme dar. Klassische Massenkommunikation ist daher in erster Linie Übertragung, nur ganz selten Austausch von Mitteilungen; der Kommunikationsprozess ist weitestgehend einseitig und damit asymmetrisch. Ausnahmen sind allenfalls dann gegeben, wenn Beiträge, die z. B. auf Onlineauftritten von Zeitungen durch User oft angeklickt (und damit meist auch gelesen) werden, auch in Printmedien abgedruckt werden. Doch selbst in solchen Fällen reagiert das klassische Medium Tageszeitung produktionsbedingt mit Verzögerung. Dies gilt auch für Radio- und TV-Sendungen mit Einbindung der Nutzer. 3.2.4 Sender und Empfänger in der Massenkommunikation Für klassische Erscheinungen der Massenkommunikation ist ferner kennzeichnend, »dass sich die an einem solchen Kommunikationsvorgang beteiligten Kollektive hinsichtlich Zusammensetzung, innerem Aufbau und Tätigkeitsweise wesentlich voneinander unterscheiden« (Hunziker 1988, S.-6). So sind die in der Massenkommunikation tätigen Kommunikatoren (Sender) zumeist in komplex aufgebauten Organisationen tätig, die die Produktion von Massenkommunikationsinhalten bewerkstelligen. Die Kommunikatoren (z. B. Journalisten) sind Personen, »die arbeitsteilig sowie unter Einsatz vielfältiger technischer Hilfsmittel und fachlicher Kompetenzen routinemäßig Kommunikationsinhalte hervorbringen« (ebd.). Massenkommunikation bedient sich aufseiten der Sender einer hoch entwickelten Technologie, um in Printmedien wie auch in Funkmedien sowohl die Produktion als auch die Verbreitung der Inhalte zu ermöglichen. Das Publikum, die Rezipienten der klassischen Massenkommunikation »weisen demgegenüber einen […] niedrigen Organisationsgrad auf. Als Mitglieder eines Publikums sind sie zwar gemeinsam der Massenkommunikation ausgesetzt; die Rezeption besorgt aber typischerweise doch jeder für sich, ohne dabei auf breiter Basis mit den Mitrezipienten in Kontakt zu treten« (ebd.). Solche Kontakte finden jedoch oft beim ›Public Viewing‹ statt, das eine modifizierte Form der Rezeption massenmedial verbreiteter Inhalte durch Präsenzpublika ist. Verständlicherweise resultiert aus dieser Asymmetrie im Organisationsgrad und in der Sachkompetenz ein Machtgefälle zwischen Sendern und Empfängern, zumal die Sender den Kommunikationsprozess aktiv gestalten und die Empfänger mehr oder weniger passiv darauf reagieren (wiewohl Mediennutzung durch die Leser, Hörer und Zuseher sehr wohl als ein aktiver Vorgang zu bezeichnen ist). »Dieses Machtgefälle findet seinen Ausdruck darin, dass der Prozess der Massenkommunikation praktisch einseitig verläuft und dass ein Rollentausch zwischen Kommunikatoren und Rezipienten auch bei vorhandenen übertragungstechnischen Möglichkeiten (Zweiwegekommunikation) kaum zu verwirklichen ist. Typisch für [klassische - Ergänzung H. P.] Massenkommunikation ist <?page no="81"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 82 außerdem, dass die Kommunikationspartner sich [in aller Regel - Ergänzung H. P.] nicht persönlich kennen« (Hunziker 1988, S.-7; Hervorhebung i. Orig.). Massenkommunikation ist ferner eine Form der indirekten Kommunikation. Dies resultiert nicht nur aus der Tatsache, dass Massenkommunikation auf technische Medien als Ver- und Übermittlungsinstanzen angewiesen ist. Hinzu kommt nämlich, dass zwischen Kommunikator und Rezipient eine räumliche Distanz (wie z. B. bei Livesendungen in Hörfunk und Fernsehen) sowie eine raumzeitliche Trennung (wie etwa beim Lesen einer Zeitung oder einer aufgezeichneten Fernsehsendung) besteht. Auch von einer Interaktion der Kommunikationspartner kann in der klassischen Massenkommunikation nicht die Rede sein. Sie erscheint allenfalls gegeben, wenn Leser einer gedruckten Zeitung via Telefonanruf oder E-Mail spontan auf einen Beitrag reagieren und ein unmittelbares Feedback vom Verfasser des Zeitungsbeitrages erhalten. Im Kontext von Massenkommunikation kann man noch den Aspekt parasozialer Interaktion ansprechen, wenn etwa ein TV-Zuschauer einen Moderator, Präsentator oder Kommentator einer Sendung auf Grund langjähriger Mediennutzung gut zu kennen meint und dieser ihm vertraut vorkommt (vgl. Merten 1977, S.-145). Von den im deutschen Sprachraum vorhandenen Definitionen über Massenkommunikation ist jene von Gerhard Maletzke am weitesten verbreitet und - trotz mancher Kritik (z. B. Bergler/ Six 1979; Faulstich 1991; Wagner 1998) - auch allgemein anerkannt. Er bezeichnet Massenkommunikation als »jene Form der Kommunikation, bei der Aussagen öffentlich, durch technische Verbreitungsmittel indirekt und einseitig an ein disperses Publikum vermittelt werden« (Maletzke 1963, S. 32; Pürer 1998, S. 149ff). Trotz der Einseitigkeit des Prozessverlaufes sieht Maletzke Massenkommunikation jedoch nicht als ausschließlich lineare Form der Kommunikation vom Kommunikator zum Rezipienten. Vielmehr macht sich der Rezipient auch ein Bild vom Kommunikator und es reagieren viele Rezipienten spontan, indem sie versuchen, »die Einseitigkeit der Massenkommunikation durch Antworten, Anfragen, Beschwerden, Vorschläge etc. zu überwinden« (Maletzke 1963, S. 41). So betrachtet ist Massenkommunikation ein rückgekoppelter Prozess. Zusammenfassend kann man auf folgende Merkmale verweisen, die für traditionelle Massenkommunikation kennzeichnend sind: • Massenkommunikation ist öffentlich. Im Unterschied zur privaten, zwischenmenschlichen Kommunikation ist der Kreis der Adressaten weder eine begrenzte noch eine bestimmte Anzahl von Personen. Jeder kann sich im Prinzip den Aussagen der Massenmedien zuwenden. Es besteht ein räumlicher, zeitlicher oder raum-zeitlicher Abstand zwischen den Kommunikationsteilnehmern. • Massenkommunikation läuft einseitig ab, weil der Fluss der Information - von den bereits erwähnten Ausnahmen abgesehen - weitestgehend nur in eine Richtung erfolgt. Der Adressat bleibt in aller Regel Empfänger, es findet de facto kein Rollenwechsel zwischen Aussagendem und Aufnehmendem statt, wie dies etwa in der zwischenmenschlichen Kommunikation von Angesicht zu Angesicht der Fall ist. Gleichwohl ist Massenkommunikation ein rückgekoppelter Prozess. • Massenkommunikation bedient sich immer technischer Medien, ist also stets vermittelt und übermittelt. Sender und Empfänger sind räumlich, zeitlich oder raum-zeitlich voneinander getrennt; damit ist klassische Massenkommunikation auch indirekt. Als klassische Medien fungieren nach wie vor Zeitung, Zeitschrift, Flugblatt, Plakat, Buch; Hörfunk und Fernsehen; Film sowie Schallplatte, Audiokassette, Videokassette, CD, DVD u. a. m. • In der Massenkommunikation werden als Aussagen bzw. Botschaften unzählig große Mengen von Mitteilungen informierender, kommentierender und unterhaltender Natur vermittelt. Diese Botschaften werden dem Publikum in äußerst vielfältigen formalen, dem jeweiligen Medium angepassten Präsentationsformen an- und dargeboten. • Die Adressaten der Massenkommunikation stellen ein disperses Publikum dar, d. h. eine vielschichtig inhomogene Vielzahl von Menschen, die in aller Regel untereinander keine engeren zwischen- <?page no="82"?> 3.2 Massenkommunikation 83 menschlichen Beziehungen unterhalten, unstrukturiert und unorganisiert sind und sich auch nicht kennen - es sei denn, die Zuwendung zu den Medieninhalten erfolgt z. B. gemeinsam im Familienverband, im Verwandten-, Freundes- oder Bekanntenkreis. 3.2.5 Interpersonale Kommunikation und Massenkommunikation Interpersonale Kommunikation und Massenkommunikation sind »historisch und aktuell miteinander verknüpft. Historisch gesehen kann Massenkommunikation als ein relativ junges Phänomen begriffen werden, das sich entwickelt hat, um bestimmte räumliche, zeitliche oder soziale Grenzen interpersonaler Kommunikation zu erweitern« (Bentele/ Beck 1994, S.- 34). Oftmals sind über die Massenmedien vermittelte Botschaften auch Gegenstand zwischenmenschlicher Kommunikation. Sie können also kommunikationsstiftenden Charakter für interpersonale Kommunikation haben. Allerdings ist in einer Zeit der zunehmenden Ausdifferenzierung des Medienwesens mit immer mehr Angeboten eine Tendenz zur Individualisierung der Mediennutzung verbunden. Daher wird es für den Einzelnen schwieriger, sich in persönlichen Gesprächen über genutzte Medieninhalte auszutauschen. Dies gilt v. a. für das Fernsehen, dessen Angebotsvielfalt an Programmen individualisierte TV- Nutzung ebenso begünstigt wie der Umstand, dass es in zahlreichen Haushalten Zweit- und Dritt- TV-Empfangsgeräte gibt. Auch das Internet mit seiner ungeheuren Angebotsfülle verstärkt den Trend zu individualisierter Bildschirmnutzung. Zwischen interpersonaler Kommunikation und Massenkommunikation gibt es folglich manche Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Zunächst zu den Gemeinsamkeiten: • Die wohl wichtigste Gemeinsamkeit liegt laut Bentele/ Beck (1994) in der Intention, etwas mitzuteilen. Dazu bedarf es, wie bereits erwähnt, eines gemeinsamen Zeichenvorrates. • Ohne interpersonale Kommunikation ist Massenkommunikation undenkbar, zumal die Produktion journalistischer Aussagen »der Kooperation und Kommunikation von Personen [bedarf ], die daran arbeitsteilig zusammenwirken« (Bentele/ Beck 1994, S.-34). • Beide Kommunikationsarten sind, wie Bergler/ Six schreiben, mit bestimmten Reaktionen aufseiten des Rezipienten verbunden und setzen für ihre Wirkung bestimmte Prozesse voraus (vgl. Bergler/ Six 1979, S.-37): So wird die mitgeteilte Information vom Rezipienten selektiv wahrgenommen (attention). Sie muss von diesem decodiert und interpretiert werden (comprehension). Der Rezipient muss sich zu dieser Information ins Verhältnis setzen und ihr eine bestimmte Bedeutung beimessen (identification, yielding). Er muss die Information speichern oder erinnern (retention), sie annehmen oder ablehnen (acceptance), was eine Bestätigung oder Änderung seiner Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen (mit-)auslösen kann (disposition, action). Alle diese Punkte gelten für interpersonale wie Massenkommunikation gleichermaßen. Neben diesen Gemeinsamkeiten ist im Folgenden nun auf Unterschiede zwischen interpersonaler Kommunikation und Massenkommunikation zu verweisen (vgl. Bentele/ Beck 1994, S.-34): • Interpersonale Kommunikation ist ein bi-direktionaler und reflexiver Prozess (Merten 1977); »Massenkommunikation hingegen verläuft überwiegend uni-direktional von einem Sender zu vielen Empfängern« (Bentele/ Beck 1994, S.-34). • Auch wenn es Rückkopplungen durch die Rezipienten in der klassischen Massenkommunikation gibt, bleibt die »institutionalisierte Grenze zwischen professionellen Journalisten und ›aktiven Rezipienten‹ […] bestehen. Es ist deshalb sinnvoll, im Bereich der (klassischen) Massenkommunikation weiter von Kommunikator und Rezipient zu sprechen« (Bentele/ Beck 1994, S.-35). <?page no="83"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 84 • Ein weiterer bedeutender Unterschied zwischen Massenkommunikation und interpersonaler Kommunikation besteht darin, dass Letztere »oftmals auf dauerhaften Sozialbeziehungen [basiert]« (ebd.). • Schließlich ist - noch einmal - darauf hinzuweisen, dass in der traditionellen Massenkommunikation die Produktion der Aussagen in komplex organisierten formalen Organisationen erfolgt und auch erst eine hoch entwickelte Technologie sowohl die Produktion als auch die Verbreitung der Inhalte ermöglicht (Silbermann 1982, S.-25). Übrigens verbinden sich beide Kommunikationsmodi durch computervermittelte (Online-)Kommunikation inzwischen auf interessante Weise: Ein Phänomen, das zunehmend (wenn auch bislang nur langsam) Verbreitung findet, ist das synchrone Verfolgen von und Partizipieren an Social Media Aktivitäten z. B. zu einer TV-Sendung. Bei speziell dafür entwickelten Formaten werden die Zuschauer zum Mitspielen oder Mitraten explizit aufgefordert. Die Live-Kommentierung auf sozialen Netzwerken kann außerdem Aufschluss darüber geben, wie anderen Rezipienten die entsprechende Sendung gefällt. Dies geschieht häufig mittels eines zweiten mobilen Geräts wie eines Tablet PCs oder eines Smartphones (daher auch der dafür geläufige Begriff ›Second Screen‹) (vgl. van Eimeren/ Frees 2012, S. 371). 3.2.6 Zur Terminologie in der Massenkommunikation Es ist wiederholt versucht worden, Kommunikation und Massenkommunikation modellhaft darzustellen (vgl. z. B. Kunczik 1984; Bentele/ Beck 1994; McQuail/ Windahl 1993; Pürer 1998, Kap. 4; Rau 2013, S. 74-88). Die Mehrzahl dieser Modelle zeichnet sich durch die Verwendung einer relativ identischen Terminologie aus. So ist, bezogen auf den Prozess von Kommunikation und Massenkommunikation, oft von Kommunikator, Aussage, Medium, Rezipient und Wirkung die Rede. Die nachfolgend angeführten Bezeichnungen bzw. deren Modifikationen für jede dieser Prozesspositionen findet man in der Mehrzahl dieser Modelle vor. Maletzke hat die wichtigsten Begriffe zusammengefasst (Maletzke 1963, S.-35-37): • Kommunikator: Sender, Journalist, Produzent, Urheber; im Englischen finden sich die Bezeichnungen communicator, source (Quelle), encoder (jemand, der eine Botschaft verschlüsselt, um sie anderen zugänglich zu machen), controller (jene Instanz, die die Letztentscheidung über die Art und Weise der (Nicht)Veröffentlichung einer Information fällt). • Für Aussage steht auch Inhalt, Produkt, Mitteilung, Botschaft, Kommunikat bzw. im Englischen die Bezeichnungen content, message, cue, symbol etc. • Medium: Kanal bzw. im Englischen channel, communication agency (was nicht mit news agency, also Nachrichtenagentur, verwechselt werden darf ). • Rezipient: Kommunikand, Empfänger, Konsument, Nutzer; bzw. im Englischen communicatee, interpreter, decoder, receiver. Für die Summe der Rezipienten stehen Bezeichnungen wie Publikum, Leserschaft, Hörerschaft, Zuschauerschaft bzw. im Englischen audience oder public audience (im Sinne von Leser, Hörer, Zuschauer). • Für Wirkung findet man auch die Bezeichnungen Effekte (effects) und Folgen, wobei zwischen individuellen Wirkungen und sozialen bzw. gesellschaftlichen Wirkungen ebenso zu unterscheiden ist wie zwischen affektiven bzw. emotionalen auf der einen und kognitiven Wirkungen auf der anderen Seite. Eine wichtige Differenzierung ist auch diejenige in kurzfristige Effekte und langfristige Wirkungen von Massenkommunikation. <?page no="84"?> 3.2 Massenkommunikation 85 Unbestreitbar ist, dass Massenkommunikation in modernen Gesellschaften zum Alltäglichen geworden ist und in zahlreiche Bereiche der Gesellschaft, aber auch in das Leben des Einzelnen eindringt. So können Massenmedien zweifellos zu einer beträchtlichen Erweiterung unseres geistigen Horizonts beitragen und uns mit Informationen versorgen, die wir sonst nicht in Erfahrung bringen. Indem sie uns rund um die Uhr Nachrichten und andere Informationen aus aller Welt liefern, wird die Welt gleichsam zum globalen Dorf (zum »global village« wie Marshall McLuhan es bereits in den 1960er-Jahren nannte, vgl. McLuhan 1962). Auch liefern sie einen wichtigen Beitrag dazu, dass wir uns in der immer komplexer werdenden Welt zurechtfinden. Neben Familie und Schule tragen die Massenmedien auch dazu bei, dass der Mensch in seiner Persönlichkeitsentwicklung die in der Gesellschaft vorherrschenden Wertvorstellungen, Normen, Rollen und Verhaltensweisen kennen lernt und - zu seinem eigenen Vorteil und Schutz bzw. zur Integration in die menschliche Gemeinschaft - teilweise oder ganz übernimmt. Massenkommunikation ist also auch Bestandteil jenes Prozesses, den man Sozialisation nennt (vgl. Kap. 5.3.1). Als nicht unproblematisch kann sich in der Massenkommunikation jedoch erweisen, dass viele ihrer Angebote »für das Publikum an die Stelle der Wirklichkeit treten« (Döhn/ Klöckner 1979) und direkte Erfahrung verdrängen. So ist es ein Problem, wenn Rezipienten das für uneingeschränkt wahr halten, was durch die Medien vermittelt wird. Die Massenmedien bzw. die in ihnen arbeitenden Medienschaffenden sind selbst - so wie wir auch - nur Beobachter unserer Umwelt. Nicht zuletzt auf Grund von vielfältigen Auswahlprozessen in der Informationskette vom Ereignis über die Medien bis zum Leser, Hörer oder Zuschauer liefern uns die Massenmedien nicht ein Bild der Wirklichkeit, sondern nur ein konstruiertes - ein mehr oder weniger vollständiges - (Ab-)Bild. Im Zusammenhang mit Wirkungen bzw. Folgen von Massenkommunikation erscheint es sinnvoll zu unterscheiden zwischen der Macht der Medien und der Wirkung der Medien. Die Macht der Medien besteht darin, soziopolitisch relevante Themen aufzugreifen, sie gewichten und bewerten zu können sowie öffentlich bekannt zu machen - und in diesem Kontext z. B. den Rücktritt eines Politikers auszulösen. Diese Macht ist grundsätzlich nichts Schlechtes, sie resultiert aus den Aufgaben, die Journalisten in demokratischen Systemen haben und die sich der Verantwortung, die aus dieser Aufgabe erwächst, bewusst sein soll(t)en (vgl. Pürer 2002). Die Wirkung der Medien hingegen meint anderes. Sie besteht im Allgemeinen darin, dass durch die Medien veröffentlichte, gewichtete und bewertete und vom Rezipienten aufgenommene Sachverhalte in dessen Wissen, Denken, Meinen, Fühlen oder Handeln etwas bewirken - sei es nun Bestärkung, Verfestigung, Abschwächung oder Veränderung vorhandener Kenntnisse, Einstellungen, Gefühle und Verhaltensweisen (vgl. Kap. 4.4.3 sowie 5.2). 3.2.7 Massenkommunikation als gesamtgesellschaftliches Phänomen In einem weiten Sinne haben wir Massenkommunikation eingangs betrachtet als politische, ökonomische, soziale und kulturelle Prozesse, die durch das Vorhandensein von Massenmedien ausgelöst werden und die sich in den Massenmedien selbst wieder finden. Häufig wird eine solche Perspektive in systemischen bzw. systemtheoretischen Betrachtungen von Massenkommunikation verfolgt. Beim Denken in Systemen versucht man, die Beschaffenheit einer Wirklichkeit als Ganzes und als Summe von in Beziehung stehenden Teilen des Ganzen zu erfassen. Wenn also von Massenkommunikation als gesamtgesellschaftlicher Erscheinung die Rede ist, so sind damit nicht nur die am Prozess der Massenkommunikation beteiligten Faktoren (Kommunikator, Aussage, Medium, Rezipient) gemeint, sondern auch die Eingebundenheit von Massenkommunikation in das soziopolitische, sozioökonomische und soziokulturelle Gesamtsystem. Insbesondere sind in diesem Kontext die poli- <?page no="85"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 86 tischen Rahmenbedingungen (vgl. Kap. 5.1.1) sowie die wirtschaftlichen Gegebenheiten (vgl. Kap. 4.3.5.4) zu erwähnen, unter denen sich Massenkommunikation vollzieht. Ebenso gehören dazu aber auch die wechselseitigen Wirkungen der (gesellschaftlichen Teil-)Systeme Politik, Medien und Kultur. Dazu gehören auch die zahlreichen Einflüsse und technischen Möglichkeiten, die das Internet mit seinen vielen Kommunikationsanwendungen hervorbringt und die das gesellschaftliche Leben in vieler Hinsicht beschleunigen. Es ist nicht möglich, alle diese Aspekte hier im Einzelnen umfassend zu erörtern; dies erfolgt in anderen Abschnitten des vorliegenden Buches. Auch wird hier keine Systemtheorie der Massenkommunikation entwickelt. Vielmehr sollen lediglich einige zentrale Gesichtspunkte kurz angesprochen werden. Die politischen Rahmenbedingungen sind primär in den rechtlichen Grundlagen zu sehen, auf deren Basis Massenkommunikation ermöglicht wird. Von herausragender Bedeutung in pluralistischen Systemen ist in erster Linie das Grundrecht auf Informations- und Meinungsfreiheit, das in aller Regel in Grundgesetzen oder Verfassungsbestimmungen, in Medien-, Presse- und Rundfunkgesetzen sowie in zahlreichen anderen Rechtsmaterien festgehalten ist (vgl. Kap. 5.1.1.4). Oberstes Ziel ist es, Medienfreiheit optimal zu gewährleisten, ohne gleichwertige Rechtsgüter von Verfassungsrang (wie z. B. den Persönlichkeitsschutz) zu beeinträchtigen. Rechtliche Regelungen zielen v. a. in konzentrierten Medienmärkten auf die Gewährleistung der Meinungsvielfalt durch publizistischen und ökonomischen Medienwettbewerb ab, erweisen sich in globalisierten Märkten aber als zunehmend schwieriger realisierbar. Im Hinblick auf ihre organisatorische Verfasstheit - private Medien, öffentlich-rechtliche Medien - tangieren gesetzliche Regelungen v. a. je unterschiedliche Formen der (inneren) Kontrolle der Massenmedien durch Aufsichtsorgane. Dies sind in privaten Medien Vorstände und Aufsichtsräte, in öffentlich-rechtlichen Medien sog. Medien-, Rundfunk- und Verwaltungsräte oder auch Hörer- und Zuschauervertretungen (vgl. Kap. 4.3.4 sowie 4.3.5.2). Zu den unübersehbaren politischen Rahmenbedingungen im weiteren Sinne zählen aber auch alle beobachtbaren, wie auch immer motivierten Formen der Einflussnahme auf Journalismus und Massenmedien durch Interventionen politischer, wirtschaftlicher und kultureller Lobbys sowie durch vielfältige Formen der Öffentlichkeitsarbeit. Die wirtschaftlichen Gegebenheiten und ökonomischen Zwänge sind primär in den marktwirtschaftlichen Bedingungen zu sehen, denen auch die klassischen Massenmedien als Kultur- und Wirtschaftsgüter in pluralistischen Demokratien unterliegen. Zu verweisen ist insbesondere auf die beiden Märkte, auf denen sich klassische Medien behaupten müssen, nämlich auf dem Publikums- und auf dem Werbemarkt. Daraus resultieren unterschiedliche Erlösquellen und Finanzierungsformen der Massenmedien (vgl. Kap. 4.3.5.4). Bei den klassischen Printmedien wie Zeitungen und Zeitschriften sind dies - abgesehen von gratis verteilten Printprodukten - in aller Regel primär immer noch Vertriebs- und Anzeigenerlöse, bei den klassischen Funkmedien Radio und Fernsehen sind es Formen der Finanzierung aus Gebührenund/ oder Werbung sowie teils auch Sponsoring. Hinzu kommen, z. B. bei Onlinemedien, auch Möglichkeiten der Finanzierung durch E-Commerce oder auch durch kostenpflichtige Angebote für den Empfang auf mobilen Endgeräten (worin de facto Vertriebserlöse zu sehen sind). Die starke Abhängigkeit von Werbeerlösen macht die Massenmedien generell konjunkturabhängig und führt in einer globalisierten Welt zunehmend zu internationalen Monopol- und Konzernbildungen. Marktzutritte neuer Medien lösen dabei jeweils Wettbewerbsveränderungen in bestehenden Medienmärkten und Verdrängungsängste bestehender Medien aus. Allerdings konnte als Konstante der Kommunikationsgeschichte bislang festgehalten werden, dass »neue« Medien die »alten« Medien in aller Regel nicht verdrängen, sondern (nur) zu Veränderungen in den inhaltlichen Strukturen und gesellschaftlichen Funktionen der »alten« Medien führen, also zu Veränderungen in ihren äußeren Erscheinungsformen und redaktionellen Inhalten sowie <?page no="86"?> 3.2 Massenkommunikation 87 in ihren Leistungen für die Nutzer (Riepl’sches Gesetz). Es bleibt vorerst immer noch abzuwarten, ob sich dieses Gesetz angesichts der gravierenden Veränderungen im Mediensystem durch Onlinemedien bewährt (vgl. Peiser 2008). Was die sozialen und kulturellen Dimensionen von Massenkommunikation betrifft, so handelt es sich um ein sehr unterschiedlich strukturiertes und diskutiertes Feld. Im Allgemeinen ist von komplexen Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft, Medien und Kultur die Rede, und es ist schwer herauszufinden, welcher dieser Bereiche welchen jeweils anderen prägt. Zwei Thesen stehen dabei im Wesentlichen im Widerstreit, nämlich: 1) die These, wonach die Massenmedien die in einer Gesellschaft dominanten Wertvorstellungen und Leitmotive nur widerspiegeln (reflektieren) und nicht etwa prägen (Reflexionsthese); sowie 2) die These, wonach massenmediale Inhalte kulturelle Trends schaffen und prägen und der Wertewandel auf die Medien zurückzuführen ist (Kontrollthese). De facto ist hier insbesondere die komplexe, nicht eindeutig beantwortbare Frage von Wirkungen bzw. Folgen von Massenkommunikation angesprochen. Wenn dabei zwischen individuellen und sozialen Wirkungen unterschieden wird, ist zu bedenken, dass beide Wirkungsbereiche nicht trennscharf voneinander abgrenzbar sind: So können aus langfristigen individuellen Wirkungen soziale Wirkungen resultieren und können diese umgekehrt auf das Individuum zurückwirken. Mit individuellen Wirkungen sind Wirkungen bzw. Folgen von Massenkommunikation im Bereich der Kenntnisse und des Wissens, der Meinungen, Einstellungen und Wertorientierungen, der Emotionen, Gefühle und Stimmungen, sowie der Handlungen und Verhaltensweisen einer Person gemeint. Unter sozialen Wirkungen versteht man die Fülle der in der Gesellschaft beobachtbaren Erscheinungen und Folgen von Massenkommunikation. Selbst Medienverweigerer können sich ihrer nicht ganz entziehen. Besondere Aufmerksamkeit gilt in diesem Zusammenhang u. a. Fragen der politischen Beeinflussung durch Massenmedien (vgl. Kap. 5.1.2.5) sowie der Problematik gewaltdarstellender Inhalte und ihrer Folgen für Individuum und Gesellschaft (vgl. Kap. 5.3.2). Nicht zuletzt ist aber auch die Frage anzusprechen, welches Abbild der Realität uns die Massenmedien vermitteln. Es kann insofern besonders verzerrt sein, als in zahlreichen Medien eine Tendenz zu Konflikt, Sensationalisierung, Skandalisierung, Emotionalisierung, Dramatisierung und Personalisierung vorfindbar ist. Besonderen Angriffen und öffentlicher Kritik ist immer wieder das Fernsehen ausgesetzt: Es fördere den Realitätsverlust der Zuschauer, lasse Politik zur Unterhaltung verkommen, vereinfache in unzulässiger Weise Umweltkomplexität, rege zu gewalttätigen Verhaltensweisen an und begünstige den Verfall der Kulturtechnik Lesen (vgl. Postman 1985; Winn 1979; Mander 1979). Solcher Medienkritik wird nicht zu Unrecht der Vorwurf gemacht, von einem unmündigen, den Medien hilflos ausgelieferten Bürger auszugehen (Maletzke 1988; Huter 1988; Frank et al. 1991). Andererseits sind mögliche negative Einflüsse der Massenmedien auf Kinder und Jugendliche sowie auf Rezipienten mit entsprechenden psychischen Dispositionen nicht so ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Dies gilt insbesondere für Gewaltdarstellungen im Film und Fernsehen sowie in jüngerer Zeit für gewalthaltige Computerspiele (vgl. Kap. 5.3.2). <?page no="87"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 88 3.3 Computervermittelte Kommunikation Nina Springer, Heinz Pürer und Wolfgang Eichhorn Elektrisch bzw. elektronisch vermittelte Kommunikation gibt es schon seit langem; man denke z. B. an Telekommunikation mit Hilfe des Telefons. Mit der Entwicklung des Digitalcomputers wurde in den 1940er-Jahren eine neue Technologie der Informationsvermittlung und -verarbeitung eingeführt, die insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten - im Rahmen der Verbreitung des Internets und digitaler mobiler Telefonie - bestehende Technologien ersetzt und neue soziale Kommunikationsformen etabliert hat. Im weitesten Sinne lässt sich von »computervermittelter Kommunikation« immer dann sprechen, wenn ein Computer in irgendeiner Form in Kommunikationsprozesse eingeschaltet ist (vgl. Santoro 1995, S. 11, zit. in Thurlow et al. 2004, S. 14). In der Kommunikationswissenschaft wird i. d. R. eine engere Definition verwendet, weit verbreitet ist diejenige von John December: »Computer-Mediated Communication is a process of human communication via computers, involving people, situated in particular contexts, engaging in processes to shape media for a variety of purposes« (Dezember 1997). Ähnlich die Definition in der Selbstverständniserklärung der Fachgruppe »Computervermittelte Kommunikation« der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK): »Computervermittelte Kommunikation (CvK) umfasst alle Formen der interpersonalen, gruppenbezogenen und öffentlichen Kommunikation, die offline oder online über Computer(netze) und digitale Endgeräte erfolgen« (DGPuK 2004). Dabei ist anzumerken, dass der Begriff »digitale Endgeräte« heute nicht nur den »klassischen« Computer umfasst, sondern auch Smartphones oder »intelligente« TV-Geräte. Von entscheidender Bedeutung ist die durch die Software zur Verfügung gestellte Schnittstelle, die es dem Nutzer ermöglicht, interaktiv zu kommunizieren. Im Internetzeitalter verschmelzen Möglichkeiten elektronisch vermittelter Individual- und Massenkommunikation. Dabei entstehen neue Kommunikationsmodi (etwa E-Mail und Chat) und -umgebungen (wie Foren und Social Network Services oder virtuelle Rollenspiele). Das Verschmelzen der Endgeräte (wie Telefon, Computer und Fernseher) wird technische Konvergenz genannt. Auf Produzentenseite hat sie Auswirkungen auf: • Inhalte (durchgängige Digitalisierung von Text, Sprache, (Bewegt-)Bild, Grafik), • Medien (Verschwimmen der Grenzen z.-B. zwischen Presse und Fernsehen), • journalistische Rollenbilder und Produktionsroutinen (crossmediales Arbeiten), • Vertriebswege (Verbreitung der Inhalte über das Telefonnetz, Kabel, Satellit und Terrestrik) sowie • Verwaltungs- und Abrechnungsvorgänge. Auf Konsumentenseite (Publika) beeinflusst sie Nutzungsmuster (vgl. Heinrich 1999, S.-79f; Quandt/ Singer 2009). Bezüglich des Begriffes Konvergenz ist ein klärender Hinweis erforderlich. Ursprünglich wurde damit die Angleichung von Programmen unterschiedlicher institutioneller Rundfunkveranstalter bezeichnet bzw. in einem weitergehenden Sinn die Beobachtung zunehmender Übereinstimmung von Organisations- und Arbeitsformen, von Programmierung und Präsentation sowie von Formen und Genres bei öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Sendern (vgl. Meier 1998, S.-31). Historisch betrachtet haben sich die Bereiche Telekommunikation, Computer und Massenmedien zwar weitgehend getrennt voneinander entwickelt. Allerdings verwendeten die klassischen Massenmedien sehr bald die Telekommunikation (z. B. Telegrafie, Telefon, Fax) für die rasche Nachrichtenübermittlung sowie später den Computer für die Informationsverarbeitung (z.-B. elektronische Zeitungsherstellung auf digitaler Basis, elektronisches Broadcasting, digitales Speichern sowie digitales Schneiden von Hörfunk- und Fernsehbeiträgen). Durch fortschreitende Digitalisierung war die Kon- <?page no="88"?> 3.3 Computervermittelte Kommunikation 89 vergenz dieser Bereiche - rückblickend gesehen - also vorprogrammiert und nur noch eine Frage der Zeit (wenn auch nicht immer reibungslos in ihrem Ablauf: Ein gutes aktuelles Beispiel ist der Streit um die Tagesschau-Applikation zwischen Verlegern und der ARD bzw. dem NDR). Das Ergebnis des Zusammenwachsens bzw. Verschmelzens von Informationstechnologie (Computer), Telekommunikation, Massenmedien und elektronischer Unterhaltungsindustrie durch fortschreitende Digitalisierung der Inhalte auf Produktions-, Distributions- und Verwaltungsebene wird häufig als Multimedia bezeichnet (vgl. Trappel 1999, S.- 89; Hartmann 2008, S. 8f ). Multimediale Angebote sind in der Lage, Text, Bild, Ton, Video und Grafik mittels Datenkommunikation zu integrieren (vgl. Jakubetz 2011, S. 19f ). Eine ideale Distributionsplattform dafür bietet das Internet, da durch den Computer alle Formen traditioneller Medienkommunikation realisiert werden können (vgl. Kap. 3.3.1 und 3.3.2). Neu an vielen Angeboten computervermittelter (Massen-)Medienkommunikation sind vor allem die Rückkopplungsmöglichkeiten der Rezipienten (Nutzer) beispielsweise via Kommentarfunktion. Feedbacks waren und sind zwar in der klassischen Massenkommunikation etwa in Form von Leserbriefen oder telefonischen Interventionen auch möglich, abgesehen von Telefonanrufen der Zuschauer oder Zuhörer, die live in die Sendungen geschaltet werden, wirken sich diese Rückmeldungen des Publikums aber - wenn überhaupt - erst mit Verzögerungen auf Kommunikationsprodukte oder deren Produktionsprozess aus. Online erhalten die spontanen, öffentlichen und zumeist uneditierten Rückkopplungen der Rezipienten aber eine neue Qualität der zeitlichen Unmittelbarkeit und der direkten Interaktion mit dem Gegenüber (vgl. Schweiger/ Quiring 2007, Kap. 3.3.3). Im Internet finden die »People Formerly Known as the Audience« (Rosen 2006) sogar Plattformen und Dienste vor, die es ihnen erlauben, selbst zu Produzenten von Angeboten massenmedialen Charakters zu werden - z. B. durch das Betreiben eines Blogs (vgl. Gillmor 2004) (vgl. Kap. 3.3.4). Weil solche Dienste die Rollenverteilung zwischen Sender (professioneller Kommunikator) und Empfänger (Rezipient) in der klassischen Massenkommunikation aufweichen (können), muss die Tauglichkeit der Begriffe ›Rezipient‹ und ›Kommunikator‹, mit denen die Kommunikationswissenschaft bislang operierte, für die Onlinekommunikation in Frage gestellt werden (vgl. Kap. 3.3.6). Es lässt sich allerdings nicht verheimlichen, dass Potenzial und Gebrauchsweisen auch auseinanderklaffen können: Während einige Nutzer von der Möglichkeit, selbst Content zu produzieren, auch regen Gebrauch machen (für die Nutzung der Kommentarfunktion auf Onlinenachrichtenseiten vgl. z. B. Scheiner 2010; Springer 2011, S. 253; Taddicken/ Bund 2010, S. 181), sind die meisten Onlinenutzer (bisher) nur in begrenztem Maße daran interessiert, sich aktiv an der Kommunikation in einer breiten Öffentlichkeit zu beteiligen. Viele beschränken das Kommunizieren auf die Öffentlichkeiten in virtuellen Gemeinschaften (Rheingold 1993), wie sie soziale Netzwerkseiten herzustellen vermögen (vgl. Kap. 3.3.1 und 3.3.5). 3.3.1 Elektronisch mediatisierter Kommunikationsraum Früher war (technisch) vermittelte Kommunikation - ob Telekommunikation oder Massenkommunikation - »auf recht genau umgrenzte Sinnprovinzen […] und abgegrenzte soziale Welten […] beschränkt« (Krotz 1995, S.-446): Man las die Zeitung, sah etwas Bestimmtes im Fernsehen, telefonierte mit jemandem oder arbeitete am Computer. Heute leben wir in einem allumfassenden elektronisch mediatisierten Kommunikationsraum, der zeitgleiche kommunikative Handlungen mit unterschiedlichen Medien ermöglicht: »Man kann […] zu Hause am PC sitzen, online ein Computerspiel spielen, dabei am Telefon mit einem Bekannten sprechen, der auf seinem Bildschirm beobachtet, wie sich das Spiel im Wettkampf mit anderen Beteiligten entwickelt und dies kommentiert, und gleichzeitig läuft in einem Bildschirmausschnitt noch eine Musiksendung von MTV. Ein solcher User steht <?page no="89"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 90 also gleichzeitig in einer Vielfalt elektronisch mediatisierter kommunikativer Bezüge, die bisher im Wesentlichen für sich stattfanden. Ihre Gemeinsamkeit ist, dass es sich um elektronisch mediatisierte Kommunikation handelt, mit was oder wem auch immer« (ebd.). Dabei ist man freilich nicht einmal mehr an den heimischen Telefonanschluss gebunden. Mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablet-PCs ermöglichen einen Internetzugang von (fast) jedem beliebigen Ort aus. Aus der Sicht des Rezipienten, Konsumenten bzw. Users wuchsen mehrere einst voneinander getrennte Kommunikationsformen zusammen und entwickelten sich in direktem Bezug zueinander weiter. Dabei entstanden bzw. entstehen auch nach wie vor neue Kommunikationspotenziale und Dienste, die wiederum neue Kommunikationsformen bzw. -modalitäten erfordern (vgl. Krotz 1995, S.-447). Bereits vor knapp 20 Jahren hat Friedrich Krotz (1995) Merkmale und Konsequenzen aus dieser Entwicklung zusammengefasst - seine Argumentation ist in Grundzügen noch immer gültig, wird an dieser Stelle aber aktualisiert (bzw. erweitert): Markantes Kennzeichen des elektronisch mediatisierten Kommunikationsraumes ist, »dass sich für das kommunizierende Individuum die Kommunikationspartner Mensch, Computer oder massenmedial ausgerichtetes Produkt […] vermischen, dass also die Differenz zwischen technisch vermittelter interpersonaler und mediensowie computerbezogener« kommunikativer Handlung sich reduziert (Krotz 1995, S.-477; Hervorhebung i. Orig.). • Der Kommunikationsraum hat sich zwar »zu einer eigenständigen Totalität von kommunikativem Geschehen« ausgeweitet, »mit eigenen Normen und Werten, eigener Kultur und Institutionen, mit Machtstrukturen und subversiven Elementen« (Krotz 1995, S.- 448). Traditionelle Institutionen bemühen sich jedoch verstärkt, diesen Raum gleichermaßen zu kontrollieren (Stichworte: Datenschutz, Schutz der Privatsphäre, Forenhaftung etc.). • So gut wie alle Arbeitsbereiche sind in diesen Kommunikationsraum integriert. Als Beispiele seien hier Telearbeit, Telebanking, E-Learning, Industrie und Handel (E-Commerce) sowie Werbung genannt. • Der Kommunikationsraum ermöglicht eine Erweiterung der menschlichen Kommunikation insofern, als die möglichen Kommunikationspartner z. B. via E-Mail oder Chat, in Onlineforen (auf der Suche nach Hilfe und Rat), durch ›Freundschaftsanfragen‹ in virtuellen sozialen Netzwerken sowie das Mitspielen in Onlinerollenspielen beliebig vermehrt werden können. Die kommunikativen Praktiken bleiben auch nicht ohne Auswirkungen auf Interessen, Gefühle, kommunikative Erwartungen und Weltwissen der Nutzer - insgesamt also auf Kultur und Gesellschaft, auf Alltag und Individuen (vgl. z. B. Hepp/ Vogelgesang 2008; Krotz 1995, S.-448). • Dieser universelle Kommunikationsraum wird insbesondere durch viele kleinere Kommunikationsforen, wie sie im Internet zu finden sind, konstituiert. In vielen Bereichen sind diese weitgehend entgeltfrei zugänglich, gleichwohl entwickeln sie sich dennoch unter dem »Primat der Ökonomie« (Werbung, E-Commerce, teilweise auch Gebühren). Existiert eine entsprechende Technologie (wie sie z. B. Facebook bietet), können soziale Netzwerke entstehen bzw. abgebildet werden; diese kreieren neue Formen von Öffentlichkeiten, die sich als »persönliche Öffentlichkeiten« (Schmidt 2012) beschreiben lassen. • Im allumfassenden elektronisch mediatisierten Kommunikationsraum verschmelzen Formen technisch vermittelter Individual- (z. B. E-Mail), Gruppen- (Teilnahme an Foren, sozialen Netzwerken) und Massenkommunikation (z. B. Lektüre des Onlineangebots einer Zeitung). Massenkommunikation ist folglich ein Element computervermittelter Kommunikation. Massenkommunikation im traditionellen Sinne wird aber sicher nicht verschwinden: »Sie wird als Spezialfall erhalten bleiben, auf den auch in absehbarer Zukunft ein großer Teil der Kommunikation in diesem Kommunikationsraum entfallen wird« (Krotz 1995, S.-450). <?page no="90"?> 3.3 Computervermittelte Kommunikation 91 Sofern nicht interpersonal bzw. teilöffentlich, also zu zweit oder auch in Gruppen, kommuniziert wird (z. B. Chat, Foren, soziale Netzwerke, Onlinerollenspiele), bleibt die meiste elektronisch mediatisierte Kommunikation eine Kommunikation mit vorgefertigten Produkten und bleibt Handeln im elektronischen Kommunikationsraum auf ein zunehmend differenzierteres Auswählen beschränkt, auch wenn »man selbst leichter eine Mitteilung einbringen kann. […] Eine echte und aktive Gestaltung von Kommunikation wird […] auch weiterhin nur in interpersonaler Kommunikation möglich sein« (Krotz 1995, S.- 455). Repräsentative Studien zeigen ohnehin, dass Internetnutzer nur in begrenztem Maße daran interessiert sind, sich aktiv an der Kommunikation in einer breiten Öffentlichkeit zu beteiligen, und das Kommunizieren zumeist auf ihre persönlichen Öffentlichkeiten beschränken (vgl. Busemann/ Gscheidle 2010, 2011, 2012, S. 382f ). 3.3.2 Der Computer als Kommunikationsmedium Durch die Integration von Computer- und Telefontechnik wuchs die Bedeutung des Computers als Kommunikationsmedium. Über Plattformen und Dienste im World Wide Web ist es Nutzern mithilfe von Computern möglich, neue Formen bzw. Modi der Individual-, Gruppen- und Massenkommunikation zu realisieren. Von Joachim R. Höflich stammt der Versuch, die Anwendungs- und Nutzungsmöglichkeiten des Computers innerhalb sog. Medienrahmen zu verorten. Der (internetfähige) Computer stellt ein Kommunikationsmedium dar, das in sich distinkte, d. h. voneinander klar unterscheidbare Medienrahmen vereint, »die bislang auf separate Medien aufgeteilt waren oder aber so vorher noch nicht bestanden haben. Von einem Medienrahmen soll […] gesprochen werden, wenn ein Medium benutzt und damit eine (gemeinsame) Mediensituation hergestellt wird« (Höflich 1999, S.-45). Unter einem »Computerrahmen« versteht man folglich jene computervermittelte Mediensituation, in die die kommunikativen Handlungen der Nutzer eingebunden sind. Mit Blick auf den Computer als Kommunikationsmedium hat man es mit folgenden voneinander unterscheidbaren Medienbzw. Computerrahmen zu tun: Distributionsrahmen, Rahmen öffentlicher Diskurse sowie Rahmen technisch vermittelter interpersonaler Kommunikation (vgl. Höflich 1998). Im Einzelnen ist Folgendes gemeint (vgl. auch Schweiger/ Quiring 2007): • Im Distributionsrahmen stellt der internetfähige Computer ein Informations- und Abruf-Medium dar. Angesprochen ist das massenmediale Element computervermittelter Kommunikation: Abruf von Informationen, Nachrichten sowie unterschiedlichen Dienstleistungen online (wie etwa E-Commerce und E-Banking). Das ›interaktive Element‹ besteht im Wesentlichen aus Auswahl und Abruf (ist also ein rein technisches Feedback). • Im Rahmen öffentlicher Diskurse ist der internetfähige Computer als Diskussionsmedium zu begreifen, der die Teilhabe an Diskussionsforen, Chaträumen oder sozialen Netzwerken ermöglicht - also an Foren öffentlicher Kommunikation, bei denen die Einseitigkeit massenmedialer Kommunikation aufgehoben ist, der Sender zum Empfänger wird und umgekehrt. Die aktive Teilhabe von Nutzern bzw. Usern ist konstitutiv für solche Foren (wobei es auch passive Leser bzw. User gibt, die oft als »Lurker« bezeichnet werden). • Im Rahmen der (technisch vermittelten) interpersonalen Kommunikation ist im internetfähigen Computer ein Beziehungsmedium zu sehen mit Möglichkeiten zeitgleicher (synchroner) oder zeitverschobener (asynchroner) Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Nutzern, sei es via E-Mail, Chats u. a. m. Hier sind privat genutzte Möglichkeiten computervermittelter Kommunikation angesprochen. <?page no="91"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 92 Der Computernutzer kann zwischen den verschiedenen Rahmen wechseln, ohne zugleich ›aus dem Rahmen‹ der Nutzungssituation zu fallen (Höflich-1999, S.-46). Das heißt zum einen: Von Formen öffentlicher Kommunikation kann in private übergegangen werden, »sodass computervermittelte Kommunikation gleichsam eine ›Vermittlungsform von Öffentlichkeit und Privatsphäre‹ (Flichy 1994, S.-276) darstellt« (Höflich-1999, S.-46). Das bedeutet zum anderen: Mit den unterschiedlichen Rahmen kommen unterschiedliche Momente der Interaktion zum Vorschein. Im Distributionsrahmen ist die Interaktion »auf den Inhalt bezogen«, beim Diskursrahmen »sind Inhalts- und Beziehungsdimension miteinander verwoben, während beim Rahmen computervermittelter interpersonaler Kommunikation […] der Beziehungsaspekt dominiert« (Höflich 1999, S. 46f; Hervorhebung i. Orig.). Durch einen Rahmenwechsel können Inhalts- und Beziehungsaspekte gänzlich ineinander übergehen (vgl. Höflich 1999, S.-46). Damit ist bereits angesprochen, was unter dem Schlagwort Interaktivität verhandelt wird. 3.3.3 Interaktivität und computervermittelte Kommunikation Im Zusammenhang mit elektronisch vermittelter Kommunikation ist immer wieder von »interaktiven« Medien oder Prozessen die Rede. Man kommt in einem Lehrbuch also nicht umhin zu klären, was mit Interaktivität gemeint ist. Der Begriff, wie wir ihn in der Kommunikationswissenschaft verwenden, rekurriert auf den soziologischen Term der Interaktion, der eine Beziehung zwischen anwesenden Personen beschreibt - mit wechselseitiger Kommunikation als einem Bestandteil dieser Beziehung. Darum geht es im Abschnitt 1. Der traditionelle Gegenstand der Kommunikationswissenschaft ist medienvermittelte öffentliche Kommunikation, die (zunächst ganz basal) linear von Sender (Kommunikator) zu Empfänger (Rezipient) verläuft. Auch hier finden Interaktionen zwischen den am Kommunikationsprozess Beteiligten statt, die allerdings z. T. einen anderen Charakter aufweisen, was in Punkt 2 besprochen wird. Das Internet als Kommunikationsplattform bietet das Potenzial, wechselseitige, also interaktive öffentliche Kommunikation zu ermöglichen, und damit die klassische Struktur einer Einwegkommunikation vom Sender zum Empfänger aufzubrechen. Das ist Gegenstand von Abschnitt 3. Dazu im Einzelnen: 1) Interaktion in der zwischenmenschlichen Kommunikation Auf das Element der Interaktion im Kontext zwischenmenschlicher Kommunikation wurde bereits kurz hingewiesen (vgl. Kap. 3.1.2), es soll hier jedoch noch einmal darauf zurückgegriffen werden. Interaktion im hier verstandenen Sinn ist ein aus der Soziologie stammender Begriff. Das Grundmodell, an dem er sich orientiert, »ist die Beziehung zwischen zwei oder mehr Personen, die sich in ihrem Verhalten aneinander orientieren und sich gegenseitig wahrnehmen können« (Jäckel 1995, S.-463). Da eine Interaktion immer ein Gegenüber voraussetzt, klassifiziert Max Weber sie als eine bestimmte Form sozialen Handelns, das »mit subjektivem Sinn verbunden« sowie »auf das Handeln anderer Menschen bezogen und daran in seinem Ablauf orientiert ist« (Weber 1980, S.-1). Interaktion beschreibt folglich einen auf andere bezogenen »Handlungsablauf und die diesen Handlungsablauf konstituierenden Faktoren« (Jäckel 1995, S.-463). Zwischenmenschliche Kommunikation kann somit als eine spezifische Form der sozialen Interaktion verstanden werden: als Interaktion vermittels Zeichen und Symbolen, als Miteinander-in-Beziehung-Treten von Menschen (Interaktion) zum Austausch von Informationen (Kommunikation) mit dem Ziel der Verständigung (bzw. Anschlussfähigkeit). Aus soziologischer Perspektive ist die physische Präsenz, also die gegenseitig wahrnehmbare Anwesenheit der Interagierenden, ein wichtiges Definitionselement (ebd.). Der Informationsaustausch kann verbal und/ oder nonverbal erfolgen und bedient sich in aller Regel aller jener Kommu- <?page no="92"?> 3.3 Computervermittelte Kommunikation 93 nikationskanäle (vgl. Kap. 3.1.6), über die Menschen in der Face-to-face-Kommunikation verfügen. Durch die Anwesenheit der Kommunikationspartner bestehen vielfältige Möglichkeiten der Rückkopplung und gegenseitigen Kontrolle. Ein Fehlen von Rückkopplungsmöglichkeiten und gegenseitiger Kontrolle hingegen steigert die Unverbindlichkeit von Interaktion. Weiterhin ist Reflexivität, also Rückbezüglichkeit, das elementare Kennzeichen der unmittelbaren zwischenmenschlichen Kommunikation (vgl. Merten 1977, S. 161f ): Kommunikation bedarf »einer bestimmten zeitlichen Reihenfolge sowie einer sachlichen und sozialen Bezugnahme« (Neuberger 2007, S.-46). Sie muss also chronologisch stattfinden (die Antwort vor einer Frage zu liefern macht schließlich keinen Sinn), einen Inhalt übermitteln bzw. an den Gegenstand der vorhergehenden Kommunikation anknüpfen (also eine ›vernünftige‹ Antwort auf die Frage geben) und an einen Empfänger (in dem Fall an den Fragesteller) gerichtet sein. Rückzugsmöglichkeiten bedürfen stets sozial akzeptierter Konventionen (z. B. eine angemessene Beendigung eines zwischenmenschlichen Gesprächs - eine Frage zu ignorieren bzw. nicht zu beantworten, empfinden wir als unhöflich). 2) Interaktion in der klassischen Massenkommunikation In der klassischen medienvermittelten Kommunikation sind die Teilnehmer räumlich abwesend und die Mitteilungen bzw. Informationen werden im Wesentlichen einseitig gesendet, vom Kommunikator an den Rezipienten. Dennoch finden Interaktionen zwischen Sendern und Rezipienten statt, weil das Publikum (seien es einzelne Augenzeugen oder auch organisierte Gruppen) immer auch zur Quelle für mediale Inhalte wird (vgl. Wagner 1978, S. 42f ). Wesentlich häufiger jedoch kommt es zu indirekten und imaginären Feedback-Prozessen, weil das Publikum auch auf Medieninhalte reagiert (vgl. Beck 2006, S. 43ff; Maletzke 1963, S. 41; Sutter 1990): Zum ersten bildet der Rezipient sich auf Basis des Medieninhalts ein Bild vom Kommunikator; Früh/ Schönbach (1982; Schönbach/ Früh 1984) verwenden dafür den Begriff Inter-Transaktion. Dieser Prozess ist wechselseitig, weil auch die Sender sich Bilder von den Rezipienten machen, und zwar auf Basis von Rückkoppelungen, die direkt und explizit (nämlich verbal oder textvermittelt) von den Rezipienten zurückkommuniziert werden (man denke z. B. an E-Mails oder Leserbriefe an Redaktionen, Call-Ins, die live in Radio- oder Fernsehsendungen geschaltet werden, oder an Nutzerkommentare auf Onlinenachrichtenseiten). Rückkoppelungen von Rezipienten an die Sender können aber auch indirekt über Konsumentscheidungen vermittelt werden (Kauf bzw. Nutzung) - diese geben allerdings vergleichsweise unspezifische Hinweise auf Präferenzen und Bewertungen der Rezipienten, weil sie sich nicht auf die konkrete Aussage, sondern generell auf den entsprechenden Zeitungs- oder Zeitschriftentitel, die TV- oder Hörfunksendung beziehen. Dasselbe gilt auch für die systematische Mediaforschung (vgl. Kap. 4.4.1), die (meist im Rahmen von Umfrageergebnissen) ebenfalls Publikumspräferenzen und -bewertungen an die Kommunikatoren vermittelt. Auch im Kontext klassischer Massenkommunikation findet also Interaktion und Feedback statt. Feedbackmöglichkeiten sind allerdings medial und zeitlich eingeschränkt (Feedbacks erreichen die Redaktionen häufig über andere Kanäle als Face-to-face: schriftlich, telefonisch oder als Nutzerkommentar; sie sind daher meist zeitversetzt und bleiben oft ohne direkte redaktionelle Reaktion) und teilweise durch Informationsverlust gekennzeichnet (Konsumentscheidungen und Mediaforschung). 3) Interaktion in der computervermittelten Kommunikation Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive bedarf es also keines präsenten menschlichen Gegenübers, damit Interaktionen stattfinden. Das Gebiet computervermittelter Kommunikation ist nicht nur Domäne der Kommunikationswissenschaft, sondern insbesondere auch Gegenstand der Informatik (die sich naturgemäß auf die technischen Aspekte konzentriert) bzw. des Teilbereichs der ›Human Computer Interaction‹ (der auch wahrnehmungs- und kognitionspsychologische Phäno- <?page no="93"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 94 mene einbezieht). Interaktionen bezeichnen hier Kommunikationsprozesse zwischen Mensch und Maschine, bzw. solche zwischen Mensch und Computer. In der Kommunikationswissenschaft adaptierte man einerseits die Begriffsbedeutung aus der Informatik, ergänzte sie jedoch um das Interaktionsverständnis der Soziologie, um ebenso elektronisch vermittelte Interaktionen zwischen Menschen erfassen zu können. In unserem Fach bezeichnet man als Interaktivität folglich das Potenzial eines technischen Mediums oder einer Kommunikationssituation, interaktive (im Sinne von wechselseitige) zwischenmenschliche Kommunikation zu ermöglichen (vgl. Rafaeli 1988, S. 119; Neuberger 2007, S.-43f ). Grundbedingung dafür ist, dass Sender und Empfänger die Rollen wechseln können (so gesehen ist bereits das Telefon ein interaktives Medium). Von Interaktivität ist daher zunächst ganz basal die Rede, wenn 1) ein Medium (eine Maschine, eine technische Anwendung etc.) über die Fähigkeit verfügt, »mit dem Nutzer in einen Dialog zu treten« (Goertz 1995, S.-478; vgl. Rogers 1986, S. 34) - sog. Menschzu-Maschine/ Medium-Interaktivität; und wenn 2) ein Medium über das Potenzial verfügt, wechselseitige »synchrone [z. B. Chat] und asynchrone [z. B. E-Mail-, Foren-] Kommunikation zwischen geografisch getrennten Kommunikationspartnern« zu ermöglichen (Höflich 1994, S.- 391; vgl. Neuberger 2007, S. 43f ) - sog. Mensch-zu- Mensch-Interaktivität. Medien (nicht nur Onlinemedien) unterscheiden sich generell im Hinblick auf ihr kommunikatives Potenzial, also darauf • inwieweit »eine Medienanwendung in der Lage ist, sich auf die individuellen Bedürfnisse der Beteiligten ›einzustellen‹« (Goertz 1995, S.-485) (z. B. durch eine automatisierte Vor-Selektion von Inhalten/ Personalisierung), • inwieweit man als Mediennutzer den Rezeptions- und Kommunikationsprozess beeinflussen kann (z. B. durch Modifikation, Steuerung/ Kontrolle - man denke an verschiedene Kameraperspektiven auf ein Fußballtor) und • ob und auf welche Weise sie gegenseitig aufeinander bezogenes Handeln der Nutzer zulassen. Es ist insofern sinnvoll, Stufen von Interaktivität zu unterscheiden bzw. im Sinne von Rogers (1986) Interaktivität als Kontinuum zu begreifen. Verschiedene Versuche, Klassifizierungen für Mensch- Maschine-Kommunikation vorzunehmen, wurden bereits unternommen (z.- B. Chung/ Yoo 2008, S. 379; Schweiger/ Quiring 2007; Kiousis 2002; McMillan 2002; Goertz 1995; Steuer 1992). Grob zusammenfassend können Faktoren für die Bestimmung des Interaktivitätsgrades einer Medienanwendung diesen Autoren zufolge sein: • der Grad der Selektionsmöglichkeiten (Auswahloptionen); • der Grad der Modifikationsmöglichkeiten (Möglichkeiten der Veränderung von Aussagen durch den Empfänger; also der Grad, zu welchem ihm Kontrolle der Kommunikation möglich ist) (vgl. Kap. 3.3.3); • die Menge des Selektions- und Modifikationsangebotes; • der Grad der Linearität/ Nichtlinearität, also z. B. Bestimmung von Zeitpunkt, Tempo und Abfolge der Rezeption bzw. Kommunikation; sowie • der Grad des Mappings (also der Entsprechung) zwischen Nutzereingabe (z.- B. Suchanfragen) und Systemantwort (angezeigte Ergebnisse). Die von den meisten Deutschen regelmäßig praktizierten interaktiven Kommunikationsmodi in der computervermittelten Kommunikation sind das Bedienen von Suchmaschinen (Mensch-zu- Maschine/ Medium-Interaktivität) und das Versenden bzw. Empfangen von E-Mails (Mensch-zu- <?page no="94"?> 3.3 Computervermittelte Kommunikation 95 Mensch-Interaktivität) (vgl. van Eimeren/ Frees 2012, S. 369). Die (deutschsprachige) Kommunikationswissenschaft interessiert im Hinblick auf Interaktivität weniger die Mensch-Maschine-Dialoge als vielmehr die kommunikativen Möglichkeiten zwischen Menschen mittels Computer, und dabei insbesondere die computervermittelte interpersonal-öffentliche Kommunikation, wie sie z. B. in Diskussionsforen, auf YouTube oder Twitter stattfindet. Diese Form der öffentlichen Kommunikation weist einerseits Ähnlichkeiten mit Face-to-face-Kommunikation unter Anwesenden auf, unterscheidet sich andererseits aber dennoch wesentlich von dieser (vgl. Misoch 2006, S.-56ff): So sind die Partner computervermittelter Kommunikation in aller Regel nur »telepräsent«, d. h. nicht persönlich anwesend und können sich auch gegenseitig nicht bzw. nur sehr eingeschränkt wahrnehmen (Entkörperlichung). Auch sind ihre Interaktionen weder ortsnoch zeitgebunden (Entzeitlichung und Enträumlichung). Entkörperlichung, Entzeitlichung und Enträumlichung führen außerdem zu einer Entkontextualisierung: Da die Kommunikation zeitversetzt stattfinden kann und die Kommunikationsteilnehmer i. d. R. nicht physisch präsent sind, teilen sie üblicherweise keinen »gemeinsamen Kontext oder Handlungshintergrund« (Misoch 2006, S. 60). Zentrale Elemente der gesamten nonverbalen Kommunikation, die in der zwischenmenschlichen Kommunikation eine wichtige Rolle spielen, kommen folglich in der computervermittelten Kommunikation nicht zum Tragen. Kurz: Die interaktiven Möglichkeiten computervermittelter Kommunikation »liegen nicht auf der Ebene direkter sozialer Interaktion« (Sutter- 1999, S.- 297). Dadurch sind wechselseitige Wahrnehmungs- und Kontrollmöglichkeiten (z. B. Mimik, Gestik, Blickkontakt, Tonfall etc.) nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich und somit kann computervermittelte Kommunikation einen unverbindlichen und anonymen Charakter annehmen. Sie erlaubt es, etwa in Chats oder bei der Teilnahme an Onlinerollenspielen, »sich zu maskieren und zu inszenieren« (ebd.). Insbesondere regelmäßig durch das Internet rauschende »Shitstorms« - Stürme der kollektiven Entrüstung über eine Person oder ein Thema, die nicht selten mit groben verbalen Entgleisungen einhergehen - prägen derzeit das Meinungsklima über virtuelle Kommunikation. Dennoch greift auch in der Onlinekommunikation ein gewisser Selbstregulierungsmechanismus, auf den wir in Kapitel 3.3.5 zurückkommen: Da auch im Netz Interaktionen auf Dauer angelegt sein können, müssen Nutzer sich an bestimmte soziale Normen und Verhaltensstandards orientieren, wenn sie Anschlusskommunikation generieren wollen. 3.3.4 Web 2.0, Social Web und User-generated Content Tim O’Reilly (2005) hat zur Unterscheidung der Onlineangebote, die auf klassische Einweg-Kommunikation beschränkt bleiben (publishing), von Angeboten, die interaktive Kommunikation (participation) und Zusammenarbeit ermöglichen, das Begriffspaar »Web 1.0« und »Web 2.0« eingeführt. Natürlich verweist die Kennziffer nicht auf eine neue Versionsnummer des World Wide Web, sondern steht für eine Entwicklungsstufe im Kommunikationspotenzial. Angebote, die mit dem Begriff ›Web 2.0‹ gelabelt werden können, binden Nutzer in die Organisation, Produktion, Gestaltung und Distribution von Inhalten im Internet ein (vgl. O’Reilly 2005; Ebersbach et al. 2008). Ganz grob lassen sich Web-2.0-Dienste bzw. Plattformen in folgende drei Klassen unterteilen (vgl. Stanoevska-Slabeva 2008): 1) inhalts-orientierte Web-2.0-Plattformen ermöglichen einerseits das Erstellen, Verwalten, Konsumieren oder Tauschen von Inhalten. Als Beispiele für diese Kategorie können Blogs, Wikis oder Media-Sharing-Plattformen (wie YouTube oder Flickr) gelten. Eine zweite Klasse bilden 2) beziehungs-orientierte Web-2.0-Plattformen, die die Abbildung und Verwaltung von sozialen Netzwerken (wie Facebook, Xing etc.) ermöglichen. Diese Plattformen werden von den Teilnehmern zur Beziehungspflege genutzt und weisen daher eine enge Rückbindung an realweltliche Gruppen auf. Darüber hinaus existieren 3) virtuelle Welten also Plattformen, die auf <?page no="95"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 96 virtuellen dreidimensionalen Abbildungen der ›realen‹ Welt basieren. Der virtuelle Kommunikationsraum Second Life ist ein gutes Beispiel hierfür. Auch wenn die meisten Web-2.0-Dienste kostenlos angeboten werden: Der Nutzer ›bezahlt‹ immer durch die Daten, die er zur Abmeldung und während der Nutzung preisgibt. Anbieter haben Interesse an diesen Daten, um z. B. personalisierte Anzeigenschaltung verkaufen zu können - das ist für Werbetreibende natürlich deutlich attraktiver, als Streuverluste in Kauf nehmen zu müssen. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass es eine kritische Masse an Nutzern braucht - die eine Plattform kontinuierlich mit Daten füttert, damit diese Plattform ›am Leben‹ bleibt - so wird klarer, dass viele kommerzielle Anbieter ein Interesse haben, Nutzercommunitys aufzubauen und zu erhalten. Freilich gibt es aber auch (aus kommerziellen Gründen initiierte und kommerziell orientierte) virtuelle Gemeinschaften, in denen professionelle Organisatoren dafür sorgen, dass Kommunikation aufrechterhalten bleibt. Plattformen, die online die Herstellung sozialer Strukturen und Interaktionen ermöglichen, werden auch unter dem Sammelbegriff »Social Web« gefasst. Präziser definiert besteht das Social Web aus: • »[…] webbasierten Anwendungen, • die für Menschen • den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und deren Pflege, die Kommunikation und kollaborative Zusammenarbeit • in einem gesellschaftlichen und gemeinschaftlichen Kontext unterstützen sowie • den Daten, die dabei entstehen und • den Beziehungen zwischen Menschen, die diese Anwendungen nutzen« (Ebersbach et al. 2008, S. 31; vgl. auch Hippner 2006). Es finden sich Prinzipien, die alle Social-Web-Services mehr oder weniger einen (vgl. Ebersbach et al. 2008, S. 31; Hippner 2006): • Der Fokus liegt auf den Nutzern und ihrer interaktiven Kommunikation: Während Programme oder Webseiten der Generation Web 1.0 weitgehend produktivitätsorientiert und anonym genutzt wurden, zeichnen sich Angebote im Social Web durch hohes interaktives Potenzial und Personalisierung aus; Nutzungsmuster werden nachvollziehbar. • Möglichst ausgiebige Vernetzung (von Informationen oder Personen): Nicht die einzelnen Informationen, sondern die Struktur, die aus ihrer Verknüpfung entsteht, steht im Zentrum. Durch das In-Beziehung-Setzen von Inhalten wird kollektives Wissen aufgebaut. • Transparenz von Handlungen, Daten und Zusammenhängen: Sichtbarkeit der Teilnehmer, ihrer Beziehungen untereinander und der Bewertungen von Inhalten wird hergestellt, um das menschliche Orientierungsbedürfnis zu befriedigen - zugleich kann der einzelne Nutzer so sein Wissen der Gemeinschaft verfügbar machen. • Selbstorganisation: Anbieter stellen zunächst nur die Plattformen bereit, der Inhalt wird erst durch die Teilnehmer geliefert. Nutzer machen sich auf diese Weise die Plattform zu eigen und konstituieren eine Community, die Verhaltensregeln selbst aushandelt, weil viele Plattformen im Web 2.0 nichtkommerziellen Charakter haben und die Benutzung daher weitgehend unreguliert erfolgen kann (Bottom-up-Gestaltung). • Rückkopplung in Form von »Social Ratings«: Inhalte können bewertet (oder auch kommentiert) werden. Dadurch zeigen die Teilnehmer an, welche Beiträge sie als wertvoll erachten. Durch positive Rückkopplungen erwirbt sich der Produzent digitale Reputation, zugleich wirkt die Gratifikation des positiven Feedbacks verhaltensregulierend. • Die Bedeutung von Integration in die Gemeinschaft: Weil jeder einzelne Teilnehmer in den Aufbau einer Community viel Energie und kostenlose Arbeit steckt, sind Einzelkämpfer und Ab- <?page no="96"?> 3.3 Computervermittelte Kommunikation 97 weichler unerwünscht und werden von der Gemeinschaft selten toleriert; als unerwünschte Verhaltensweise gilt z. B. One-to-One-Kommunikation, stattdessen sollen One-to-Many- (Weblogs) oder Many-to-Many-Kommunikationsmodi (Wikipedia) vorherrschen. Zum Management von Informationen und Beziehungen existieren im Social Web verschiedene ›Werkzeuge‹ (vgl. Hartmann 2008, S. 105ff; Schmidt 2011, S. 29ff): • Content-Syndication: Bereits produzierte Inhalte können in ein anderes Webangebot übernommen und damit mehrfachverwertet werden (z. B. die Einbindung von Kartendiensten in einen Reiseblog). • Mashup: Durch die Rekombination und Mischung bereits produzierter Inhalte (Fotos, Videos, Landkarten etc.) entstehen multimediale Kollagen und damit neue Inhalte. Sucht man z. B. über Google nach einem Produkt oder einer Dienstleistung, bekommt man als Suchergebnis häufig eine Karte mit Markierungen von Standorten eingeblendet, an denen diese Produkte oder Dienstleistungen erhältlich sind - meist inklusive (durch andere Internetnutzer abgegebene) Kundenbewertungen. • Newsfeed: Feed Reader bzw. Aggregatoren informieren über Aktualisierungen von Webseiten, ohne dass man diese aufrufen muss. Die Textnachrichten können in unterschiedlichen technischen Umsetzungen (RSS, RDF, Atom) automatisch bezogen (abonniert) werden. • Tagging/ Social Bookmarking: Nutzer können einen Datenbestand durch Zusatzinformationen etikettieren (englisch: to tag) oder ver-/ beschlagworten. Die Aggregation der individuell vergebenen Schlagworte lässt eigene Ordnungsmuster entstehen (Folksonomies). • Blogging: bezeichnet das Führen eines Blogs durch einen oder mehrere Autoren. Blogs sind relativ regelmäßig aktualisierte Webseiten, auf denen in umgekehrt chronologischer Reihenfolge (Text-, Bild- oder Audio-)Beiträge veröffentlicht werden, die i. d. R. von anderen Nutzern kommentierbar sind. Es gibt mittlerweile eine große Bandbreite an Blogs: Tagebüchern ähnliche private Blogs, kommerziell betriebene Unternehmensblogs (corporate blogs), Bürgerjournalismus-Blogs oder Watchblogs, die häufig mit Hilfe ihrer Leserschaft kritische Firmen- oder Medienbeobachtung betreiben, sowie professionelle journalistische Blogs wie die ›Huffington Post‹, die in Konkurrenz zu traditionellen Massenmedien treten. • Podcasting (Audio-/ Videoblogging): bezeichnet die Produktion von Audio- oder Videodateien, die kostenlos zum Download bereitgestellt werden. • Wikis: Das sind Software-Implementierungen zur kollaborativen Erstellung von Webinhalten. Das aus Perspektive der Kommunikationswissenschaft Neue an Services im Web 2.0 ist v. a., dass es öffentlich-interaktive Kommunikation (Weblogs, Wikis) ermöglicht, die aufgrund ihrer Reichweite massenmedialen Charakter annimmt (vgl. Neuberger 2007, S. 45; Schweiger/ Quiring 2007; Haas/ Brosius 2011). Dafür müssen Internetnutzer heutzutage nicht einmal mehr programmieren oder die technischen Prozesse hinter einzelnen Anwendungen verstehen können - die Zugangsbarrieren sind extrem gesunken und der Rollenwechsel vom Empfänger zum Sender massenmedialer Kommunikation ist wesentlich einfacher zu vollziehen (vgl. Hartmann 2008, S. 98). Die Vielfalt der soeben beschriebenen Werkzeuge zeugt davon. Inhalte, die mit der Hilfe von Nutzern erstellt werden, werden unter den Begriff User-generated Content subsummiert. Die Kommunikationsmöglichkeiten im Web 2.0 ebnen die bisher in der Kommunikationswissenschaft mitgedachte Trennung von Individual- und massenmedial vermittelter Kommunikation zunehmend ein (vgl. Neuberger 2007, S. 43). Wie in diesem Abschnitt gezeigt wurde, kann Netzkommunikation sogar beides zugleich sein: In diesem Fall spricht man von interpersonal-öffentlicher Kommunikation - z. B. dann, wenn Nutzer von Onlinenachrichten die Berichterstattung kommen- <?page no="97"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 98 tieren und sich dabei für andere öffentlich sichtbar streiten (vgl. Brosius/ Haas 2011; Springer 2012). »Interaktivität« unterscheidet folglich die Netzkommunikation von der klassischen Massenkommunikation: In der Netzkommunikation ist es möglich, neben die einseitig gerichtete Einer-an-Viele- Kommunikation (One-to-Many) andere Kommunikation treten zu lassen, nämlich eine One-to- One-, One-to-Few-, Many-to-Many- oder Many-to-One-Kommunikation. Da Interaktivität (ganz gleich in welcher Form) jedoch immer nur Kommunikationspotenzial ist, hängt die Realisation dieses Potenzials natürlich von den jeweiligen Nutzern ab. Auch wenn die Habitualisierung der Web- 2.0-Services und Plattformen voranschreitet, verbleiben Internetnutzer bislang doch fast ausschließlich im passiv-rezeptiven Nutzungsmodus (vgl. Busemann/ Gscheidle 2012). 3.3.5 Virtuelle Vergemeinschaftung Auf Onlineangeboten, die das Bereitstellen von User-generated Content ermöglichen, interagieren Nutzer teilweise wiederholt und dauerhaft, auch ohne einander ›offline‹ zu kennen. Solche virtuellen Gemeinschaften werden auch als Onlinecommunitys bezeichnet (vgl. Taddicken/ Bund 2010, S. 167). Beziehungen zwischen den Community-Mitgliedern können von unterschiedlicher Intensität und die Bindung an die Community daher von unterschiedlicher Bedeutung sein. Nicht selten eröffnen virtuelle Gemeinschaften neue, öffentliche Kommunikationsforen, sodass man für sie auch die Bezeichnung »elektronische Cafés«, oder »elektronische Agora« findet (vgl. Höflich 1995, S.-523). Der Onlineableger der Süddeutschen Zeitung z. B. offeriert den Lesern die Netzwerk-Plattform ›suedcafe‹ zur virtuellen Vergemeinschaftung. Folgende Charakteristika und Merkmale elektronischer Gemeinschaften und ihrer Nutzer lassen sich aufzeigen (vgl. Höflich 1995, S. 523ff; Döring 2003; Beck 2006; Neuberger 2006; Springer 2011, 2012; Taddicken/ Bund 2010; Busemann/ Gscheidle 2012): • Onlinecommunitys finden sich i. d. R. aufgrund eines gemeinsamen Ziels oder Interesses zusammen (vgl. Taddicken/ Bund 2010, S. 169). • Die Community-Forschung bestätigt immer wieder die sog. 90-9-1-Regel (Nielsen 2012): Für den Großteil der Beiträge ist nur ein Prozent der Nutzerschaft verantwortlich; weitere neun Prozent beteiligen sich von Zeit zu Zeit, während der überwiegende Teil von 90 Prozent passiv-rezeptiv bleibt und nur beobachtet. • Mit Ausnahme von Social Network Services kennen sich die Mitglieder virtueller Gemeinschaften in aller Regel nicht persönlich und geben sich weitgehend auch nicht durch ihren realen Namen zu erkennen. Vielmehr nutzen sie Medienidentitäten, die kommunikative Rückbezüge möglich machen. »Inwieweit eine mediale Identität hin zur persönlichen Identität geöffnet wird, ist nicht nur beziehungsspezifisch […], sondern auch abhängig von den Möglichkeiten, wie Medienidentitäten in Foren computervermittelter Kommunikation präsentiert werden können« (Höflich 1995, S.-526). • Statusunterschiede sowie Geschlecht, Alter, ethnische Abstammung, nationale Herkunft, physisches Aussehen etc. spielen in virtuellen Gemeinschaften wenn überhaupt nur eine untergeordnete Rolle. In diesen Communitys herrscht im Hinblick auf Äußerlichkeiten eher eine auf Egalität basierende Geselligkeit. In der Welt der Netzwerke wird der Einfluss nicht »an Reichtum und Macht [gemessen], sondern daran, wie gut man schreibt oder argumentiert« (Höflich 1995, S.-524). • Die Partizipation an virtuellen Gemeinschaften erfordert folglich v. a. die »Fähigkeit, themenbezogen mitreden, oder besser: mitschreiben zu können« (ebd.). Daraus können sich aber auch neue Machtstrukturen ergeben: Heavy User sind nicht selten sehr argumentierfreudig, verfügen über eine hohe Einstellungsstärke und sind damit teilweise - bewusst - auch äußerst streitbar (für ein relativ aktuelles Beispiel vgl. Oetting 2012). Oft haben Vielnutzer bestimmte Sonder- <?page no="98"?> 3.3 Computervermittelte Kommunikation 99 (wie z. B. Administratoren-)Rechte - selbst bei Bottom-up-Projekten wie Wikipedia sind damit nicht alle Teilnehmer gleichberechtigt (vgl. Stegbauer/ Bauer 2008; Cerquitelli et al. 2011, S. 25f; Roessing 2013). • Der Umgangston in virtuellen Gemeinschaften (insbesondere in jenen, die Anonymität gewährleisten) ist daher nicht selten rau. Da die streitlustigen Nutzer oft die aktivsten und damit die geübtesten Diskutanten sind, können sie ungeübte und weniger auseinandersetzungsfreudige Nutzer zum Schweigen bringen und verdrängen, so finden sich in ihrer Meinung recht homogene Grüppchen zusammen. • Dennoch realisieren die Teilnehmer in virtuellen Gemeinschaften ihre Interessen und Kommunikationsabsichten zusammen mit anderen. In vielen dieser Communitys gibt es daher eine »Verpflichtung auf gemeinsame Gebrauchsweisen, seien diese sozio-emotional oder informativsachbezogen motiviert« (Höflich 1995, S.-528; Hervorhebung i. Orig.). Diese beiden Nutzungsmotivklassen (Informationssuche und Bedürfnis nach Beziehungen bzw. Zugehörigkeit und Unterstützung) werden von der Community-Forschung in Untersuchungen zu unterschiedlichsten Gemeinschaften immer wieder bestätigt - darüber hinaus spielen auch Motive des Identitätsmanagements (z. B. Selbstbestätigung und -darstellung) eine bedeutende Rolle. • Die Gebrauchsweisen manifestieren sich in sog. Medienregeln und »stellen eine intersubjektive Grundlage der Medienverwendung dar, die es der handelnden Person ermöglicht, ihre Kommunikationsabsichten erwartbar zu realisieren« (Höflich 1995, S.-529). Solche Medienregeln sind in zahlreichen virtuellen Gemeinschaften in Form von Verhaltenscodes (Netiquetten) festgelegt und beziehen sich auf Form und Ablauf der Kommunikation. Die Regelwerke enthalten nicht nur technische, sondern v. a. auch sozial-kommunikative Anleitungen - Gebote und Verhaltensstandards also, die von den Teilnehmern der jeweiligen Gemeinschaft einzuhalten sind. Weil die Teilnehmer elektronischer Gemeinschaften viel Zeit und Arbeit in den Aufbau einer Community stecken, sind sie i. d. R. an der Einhaltung dieser Standards interessiert und maßregeln Abweichler eigenständig. • Um die dramaturgische Schwäche der Computerkonversation (z. B. ein Fehlen der Mimik und Gestik des Gegenübers) durch eine »elektronische Parasprache« auszugleichen, haben sich in der computervermittelten Kommunikation spezielle Zeichenkomplexe entwickelt. Diese Zeichen (-komplexe) dienen v. a. der interpretationsfördernden Kontextualisierung der schriftlich übermittelten Inhalte. Dazu gehören z. B. Abkürzungen und Akronyme (wie ROFL für ›Rolling on (the) floor laughing‹ - deutsch: sich lachend auf dem Boden kringeln) oder »die als Emoticons bezeichneten emotionsanzeigenden Ikone, wie die sog. Smileys« (Höflich 1995, S.-531), die Stimmungen (Spaß, gute Laune, Fröhlichkeit, aber auch das Gegenteil) vermitteln bzw. das Geschriebene in einen emotionalen Kontext setzen (z. B. Ironie). 3.3.6 Neue Begriffe? Elektronisch mediatisierte Kommunikation eröffnet, wie dargelegt, kommunikative Möglichkeiten, die weder in der traditionellen Telekommunikation noch in der klassischen Massenkommunikation möglich waren. Sie wirken letztlich auch auf die Begrifflichkeiten zurück, die in der Kommunikationsforschung vorzufinden sind. Nicht nur Lutz Goertz meint, dass das bisherige Vokabular (Kommunikator, Rezipient) bei der Übertragung auf interaktive Medien nicht mehr greift (Goertz 1995, S.- 484, vgl. z. B. auch Schweiger/ Quiring 2007). Die Modifikation des Rezipientenbegriffs »wird notwendig, weil der Rezipient nun auch in den Kommunikationsprozess eingreifen kann, also nicht nur ›Aufnehmender‹ ist« (Goertz 1995, S.-484). Kommunikatoren hingegen produzieren im Extrem- <?page no="99"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 100 fall (z. B. als Anbieter einer Plattform für nutzergenerierte Inhalte) im Internet überhaupt keine Aussagen mehr, sondern kontrollieren lediglich den technischen Ablauf der Kommunikation. Für die computervermittelte (Massen-)Kommunikation wurden daher von verschiedenen Autoren folgende Begriffsvorschläge vorgelegt (vgl. u. a. Goertz 1995, S.-484; Weinreich 1998; Schweiger/ Quiring 2007; Bruns 2009): alter Begriff neuer Begriff Rezipienten 1) Beteiligte, Partizipienten, Produser (aktiv) 2) Nutzer (aktiv und passiv-rezeptiv) 3) Lurker (passiv-rezeptiv) Kommunikatoren Organisierende Beteiligte, Anbieter, Produzenten (i. S. v. klassischen Medien, Journalisten) Wie bereits erwähnt ermöglicht Interaktivität einen Rollenwechsel zwischen Sender und Empfänger. Dieses Kommunikationspotenzial kann, muss aber nicht ausgeschöpft werden. Während sich der Begriff ›Nutzer‹ sowohl für die Bezeichnung der aktiven (Inhalte produzierenden) wie auch passiv-rezeptiven Kommunikationsteilnehmer eignet, unterstreichen Begriffe wie ›Beteiligte‹, ›Partizipienten‹ oder ›Produser‹ die aktive Rollenausübung, der Term ›Lurker‹ (von englisch to lurk: sich versteckt halten) bleibt für die ausschließlich passiv-rezeptive Nutzung vorbehalten. Der Gleichklang der beiden Begriffe ›Beteilig-te‹ (im Sinne von aktiven Nutzern) und ›organisierende Beteiligte‹ (als neuer Begriff für Kommunikatoren) soll verdeutlichen, dass beide im Kommunikationsprozess »zumindest theoretisch auf einer Stufe stehen können« (Goertz 1995, S.-484; vgl. auch Bruns 2009). Auch ist es unzutreffend, das Internet mit dem Begriff ›(Massen-)Medium‹ zu labeln (vgl. Beck 2010, S. 15ff): Während man »früher ein Gerät, einen Kommunikationsdienst und die zugehörigen Kommunikatorinstitutionen« (Goertz 1995, S.-484f ) noch gleichsetzen konnte, wie z. B. beim Fernsehen, so können heute unterschiedliche Geräte funktional die gleichen Aufgaben wahrnehmen (man denke z. B. an die Zugangswege zum Internet: via Computer, Spielkonsole oder Fernsehgerät), und umgekehrt kann ein Gerät verschiedene Funktionen übernehmen (z. B. dient der Computer der Textverarbeitung, der Datenkommunikation oder auch als Fernsehgerät). Computervermittelte (Massen-)Kommunikation macht es folglich notwendig, statt mit gerätebasierten mit inhaltebasierten Definitionen zu arbeiten. Klaus Beck schlägt daher vor, Medien als »dauerhaft institutionalisierte und technisch basierte Zeichensysteme zur organisierten Kommunikation« (Beck 2010, S. 15) zu definieren und das Internet aufgrund seiner Vielgestaltigkeit und Heterogenität folglich als »technische Plattform oder Mediennetz« (ebd.) zu beschreiben, und nicht als ein Massenmedium an sich. Die hier aufgezählten Begrifflichkeiten haben in der Kommunikationswissenschaft inzwischen Fuß gefasst, auch wenn sich bisher keine eindeutig durchsetzen konnte. Sie haben z. B. Eingang gefunden in eine modellhafte Darstellung computervermittelter (Gemeinschafts-)Kommunikation von Walter Hömberg und Roland Burkart (Hömberg/ Burkart 1998). Die beiden Kommunikationswissenschaftler haben das auf die klassische Massenkommunikation bezogene Prozessmodell von Gerhard Maletzke (vgl. Maletzke 1963) modifiziert bzw. abgeändert und auf Prozesse sog. »elektronisch mediatisierter Gemeinschaftskommunikation« (Hömberg/ Burkart 1998) übertragen. Auch neuere theoretische Konzeptionen, die partizipativen (Online-)Journalismus modellieren (vgl. z. B. Bruns 2009), berücksichtigen die neue Terminologie. <?page no="100"?> 3.3 Computervermittelte Kommunikation 101 3.3.7 Neue Kompetenzen Noch nicht erwähnt wurde, dass sich in der elektronisch mediatisierten Kommunikation (insbesondere auch im Web 2.0) die Anforderungen an die kommunikative Kompetenz der Teilnehmer oder, um in der neuen Terminologie zu bleiben, der Beteiligten auf Nutzerseite erhöhen. Forscher diskutieren das unter dem Begriff ›Medienkompetenz‹ (Media Literacy). Medienkompetenz setzt sich zusammen aus (vgl. Krotz 1995, S.-455f; Sutter 2010; Potter 2012): • der Kompetenz, auf der Suche nach geeigneten Kommunikationsangeboten mit »Informationsüberflutungen autonom umgehen« zu können (Krotz 1995, S. 455), aggressiven Kommunikationsangeboten »nicht zu unterliegen« (ebd.) und sich genau das an Informationen zu holen, was man braucht (die Selektions- und Beschaffungskompetenz); • der Kompetenz, den multimedialen Charakter vieler Netzangebote auszuschöpfen, »also die Fähigkeit der Berücksichtigung aller darstellenden Formen Bild, Ton, Wort, Schrift [und Grafik]« (ebd.) - Krotz (1995, S. 455) nennt sie »Code-Kompetenz«; • der Kompetenz, mit Geräten der computervermittelten Kommunikation (Computer, Smartphone o.-Ä.) und mit Netzangeboten souverän umzugehen (»informationstechnische Kompetenz«; Krotz 1995, S. 455). Man denke z. B. an all die Daten, die über soziale Netzwerke von Jugendlichen preisgegeben werden, weil die Einstellungen zum Schutz der Privatsphäre komplex sind oder die Anbieter diesen Schutz unter Umständen gar nicht unterstützen (Stichwort: Transparenz im Web 2.0, vgl. Kap. 3.3.3); Dazu gehört allerdings nicht nur das Wissen, welche Einstellungen man vornehmen muss, um die Privatsphäre in virtuellen Netzwerken zu schützen, sondern auch das Bewusstsein, dass dies notwendig ist (vgl. z. B. Reinecke/ Trepte 2008). • die Kompetenz, »Status und Qualität, Wichtigkeit und Konsequenz einer Information« (Krotz 1995, S. 456) richtig einschätzen zu können (»Beurteilungskompetenz«). Hier wird deutlich, dass elektronisch mediatisierte Kommunikation möglicherweise Wissensklüfte, aber auch Informations- und Kompetenzklüfte in der Gesellschaft begünstigen kann. Es ist nachgewiesen, dass formal höher gebildete junge Menschen sowie Personen mit höherem sozioökonomischem Status die Welt der computervermittelten Kommunikation rascher erobern, ihre Angebote nutzen und sich in ihr auch besser zurechtfinden. Da inzwischen jedoch mehr als drei von vier Deutschen im Netz sind und die Dienste im Web 2.0 zunehmend habitualisiert genutzt werden, scheint für industrialisierte westliche Gesellschaften ein Ende des digitalen Grabens in Sicht (vgl. van Eimeren/ Frees 2011, 2012; Busemann/ Gscheidle 2012). Dazu trägt sicherlich begünstigend bei, dass die materiellen Aufwendungen zur Anschaffung der Geräte sowie die Telekommunikationskosten, die die Teilnahme und Teilhabe an computervermittelter Kommunikation erfordern, seit Beginn der 2000er-Jahre deutlich gesunken sind. Ebenso muss man auf die Problematik der Virtualisierung von Beziehungen und Gemeinschaften durch computervermittelte Kommunikation hinweisen. »Wenn die persönliche und private Kommunikation […] künftig in nennenswertem Umfang computervermittelt erfolgt, dann stellt sich die Frage, ob und in welchem Maße sich die Qualität unserer Sozialbeziehungen verändern wird« (Beck/ Glotz/ Vogelsang 2000). Dieses Gebiet wird intensiv erforscht. Mit dem Thema elektronisch mediatisierte Kommunikation eröffnet sich für die Kommunikationswissenschaft ein neues und sich gegenwärtig rapide ausweitendes Forschungsfeld. Hier wurde nur versucht, den Begriff zu erläutern und einige seiner wichtigsten Facetten aufzuzeigen. Es ist hier hingegen nicht möglich, im Detail darzulegen, wie alle gesellschaftlichen Bereiche inzwischen von computervermittelter Kommunikation durchdrungen sind und welche Folgen daraus für Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik resultieren. <?page no="101"?> 3 Grundbegriffe der Kommunikationswissenschaft 102 Literatur Ashe, Diane D.; McCutcheon, Lynn E. (2001): Shyness, Loneliness, and Attitude toward Celebrities. Current Research in Social Psychology, 6. http: / / www.uiowa.edu/ ~grpproc/ crisp/ crisp.6.9.htm (18.12.12). Badura, Bernhard (1971): Sprachbarrieren. Zur Soziologie der Kommunikation (Serie Problemata, Bd.1). Stuttgart. Beck, Klaus (2006): Computervermittelte Kommunikation im Internet. München. Beck, Klaus (2010): Kommunikationswissenschaft. 2., überarb. Aufl. Konstanz. Beck, Klaus; Glotz, Peter; Vogelsang, Gregor (2000): Die Zukunft des Internet. Konstanz. Bentele, Günter; Beck, Klaus (1994): Information - Kommunikation - Massenkommunikation. 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Auch wenn, wie erwähnt, für Phänomene der Onlinekommunikation ein neues Begriffsinventar vorgeschlagen wird (vgl. Kap. 3.3.6), findet hier, wo immer es möglich und vertretbar ist, die Verwendung traditioneller Begriffe der Kommunikationswissenschaft Anwendung. Über die nachfolgend zu erörternden Themenkreise liegt allein im deutschen Sprachraum eine große Fülle von thematisch wie inhaltlich recht heterogenen Forschungsarbeiten und wissenschaftlicher Literatur vor. Theoretische Denkansätze und methodisches Vorgehen bei der Aufarbeitung der einzelnen Felder durch verschiedene Autoren unterscheiden sich dabei zum Teil erheblich. Es ist nicht möglich, auf sie alle hier im Einzelnen einzugehen. Vielmehr erscheint es sinnvoll, sich auf jeweils relevante Aspekte zur Kommunikator-, Aussagen-, Medien- und Rezeptientenforschung zu konzentrieren, die in der Summe dennoch ein wenigstens einigermaßen abgerundetes, mit Sicherheit aber nicht vollständiges Bild ergeben. Dabei ist, wie bereits ausgeführt (vgl. Kap. 1), auch zu berücksichtigen, dass keines der Lehr- und Forschungsfelder für sich allein gesehen werden kann, sondern viele Forschungsfragen des einen Feldes (z. B. Kommunikatorforschung) jeweils auch andere Felder (Aussagen-, Medien-, Rezipientenforschung) tangieren können - und umgekehrt. Die nachfolgenden Ausführungen folgen zwar keiner in sich geschlossenen Journalismus-, Medien- oder Kommunikationstheorie, gehen aber insgesamt von einer systemischen Auffassung von Massenkommunikation aus. 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung Bezogen auf öffentliche Kommunikation versteht man unter dem Kommunikator eine Person, eine Gruppe von Personen oder eine Institution, die originärpublizistisch oder über ein Massenmedium Aussagen an eine (im Prinzip) unbegrenzte Zahl von Rezipienten mitteilt. Es ist dies ein sehr weit gefasstes Verständnis vom Kommunikator, das z. B. sich an die Öffentlichkeit wendende Politiker, Wirtschaftskapitäne und Gewerkschaftsfunktionäre ebenso einschließt wie predigende Prie- <?page no="109"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 110 ster, Public Relations-Referenten, Werbeagenten, Autoren, Journalisten, Onlinepublizisten u. a. m. Bezogen auf Prozesse der Massenkommunikation, und darum geht es hier im Wesentlichen, stellt der Begriff Kommunikator eine Sammelbezeichnung für alle Personen dar, die - in welcher Form auch immer - an der Produktion und Publikation von Medieninhalten beteiligt sind. Die Kommunikatorforschung bezieht in ihr Untersuchungsfeld daher Personen ein, die durch Vorarbeiten, durch Auswahl, Schreiben und Redigieren, durch Gestalten und Präsentieren, aber auch durch Einwirken auf die technische Herstellung sowie nicht zuletzt durch Organisation und Kontrolle an der Entstehung und Verbreitung publizistischer Aussagen mitwirken. Solche Personen sind - ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber um wenigstens einige Beispiele zu nennen - bei Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen, Onlinemedien sowie in Nachrichtenagenturen und Mediendiensten: • bei den Vorarbeiten: Rechercheure, Archivare, Dokumentatoren, Programm- und Sendungsplaner etc.; • bei Auswahl, Schreiben und Redigieren: Reporter, Fotoreporter, Redakteure, Hörspiel- oder Drehbuchautoren sowie Literaten etc.; • beim Gestalten und Präsentieren: Layouter, Grafiker, Producer, Moderatoren und Präsentatoren etc.; • bei der Einwirkung auf die technische Herstellung: Texterfasser, Drucker, Cutter, Bild- und Toningenieure, Kameraleute etc.; • bei Organisation und Kontrolle: Chefredakteure, Ressortleiter, Chefs vom Dienst, Herausgeber, Verleger, Programmdirektoren, Intendanten etc. Kommunikatoren sind zudem alle jene ›elektronischen Publizisten‹, die bei Multimedia, bei Onlinemedien bzw. in der Onlinekommunikation professionell mit der Produktion von ›Content‹ befasst sind wie Onlineredakteure, Multimedia-Autoren, -Konzepter, -Producer, Webmaster und -designer, Videoreporter, Information-Broker u. a. m. Zu Kommunikatoren zählen z. B. aber auch Bürgerjournalisten, Leserreporter, Videojournalisten, Blogger und weitere Akteure, die sich der Onlinemedien oder ihrer Möglichkeiten bedienen, um Aussagen in die Öffentlichkeit oder in Teilöffentlichkeiten zu transportieren. Vor allem Blogger sind (von Ausnahmen abgesehen) meist keine professionellen Kommunikatoren, für die professionelle Regeln der Recherche, Produktion und Publikation sowie ethische Standards und Mindestvoraussetzungen an Kompetenz gelten (vgl. Donsbach 2009, S. 120). Zur Gruppe der Kommunikatoren zählen z. B. jedoch auch Personen, die als Texter oder Gestalter in der Werbung, als Public-Relations-Manager in der Öffentlichkeitsarbeit oder als Medienreferenten in der Organisationskommunikation tätig sind. Die Kommunikatorforschung widmet sich also allen Personen oder Gruppen, die im Zentrum oder an der Peripherie publizistischer Aussagenproduktion wirken. Die deutschsprachige Kommunikationswissenschaft hat sich im Bereich der Kommunikatorforschung lange Zeit in starkem Maße auf den Bereich des (Informations-)Journalismus in Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen konzentriert. Auskunft darüber gibt für den Zeitraum von 1945 bis 1990 Frank Böckelmann in der 1993 erschienenen Publikation »Journalismus als Beruf«. Sie enthält eine Bilanz der Kommunikatorforschung, in der sämtliche Studien und Publikationen aus dieser Zeitspanne systematisch - medienübergreifende sowie nach Mediengattungen geordnete Journalistenstudien - verzeichnet und kommentiert sind (Böckelmann 1993). Auch von Donsbach (1999a, 1999b) und Pürer (1997) gibt es Überblicksbeiträge. Neben vielen anderen (kleineren oder größeren) empirischen Arbeiten sind für die beiden zurückliegenden Jahrzehnte - 1990 bis 2010 - (oft) repräsentative quantitative Studien über Journalisten in Deutschland erschienen wie Weischenberg et al.: Journalismus in Deutschland, 1993 und 1994; Schneider et al.: Sozialenquete über die Journalisten in der Bundesrepublik Deutsch- <?page no="110"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 111 land (1993, 1994a und 1994b); Weischenberg et al.: Die Souffleure der Mediengesellschaft (2006a und 2006b) sowie Studien z. B. über Journalisten/ -Journalismus in den Ressorts Politik (Lünenborg/ Berghofer 2010), Lokales (Grimme 1990), Sport (Görner 1995; Schaffrath 2006, 2007, 2010), Wissenschaft (Hömberg 1989; Lublinski 2004), Medien (Ruß-Mohl/ Fengler 2000; Malik 2004; Beuthner/ Weichert 2005) und auch Sensationsjournalismus (Dulinski 2003). Dem Thema »Journalismus und Unterhaltung« ist ein von Armin Scholl et al. (2007) herausgegebener Sammelband gewidmet. Auch wird Frauen im Journalismus zunehmend Aufmerksamkeit zuteil (u. a. Fröhlich/ Holtz-Bacha 1995; Lünenborg 1997; Schwenk 2006; Koch 2007). Ebenso liegen über deutsche Auslandskorrespondenten Arbeiten vor (u. a. Hahn et al. 2008). Über den Onlinejournalismus gibt es ebenfalls zahlreiche empirische Studien, darunter z. B. die Arbeiten von Löffelholz et al. (2003), Meyer (2005), Quandt (2005), Neuberger et al. (2009). Mit crossmedialem Journalismus befasste sich u. a. Meier (2007, 2010), mit mobilem Journalismus Wolf/ Hohlfeld (2010) und Wolf (2010). Dem Image der Journalisten sind u. a. Lieske (2008) und Donsbach et al. (2009) auf den Grund gegangen, ein Vergleich des Journalistenbildes in literarischen Bestsellern mit Befunden der empirischen Kommunikatorforschung, »Journalismus in Fiktion und Wirklichkeit«, so der Titel, stammt von Evelin Engesser (2005). Von Meyen/ Riesmeyer (2009) gibt es eine bundesweit durchgeführte qualitative Studie über Journalisten in Deutschland, von Meyen/ Springer (2009) eine über freie Journalisten. International vergleichende Journalismusforschung stammt u. a. von Hanitzsch/ Seethaler (2009) und Hanitzsch (2013), der Thematik ist auch der Sonderband von Medien und Kommunikationswissenschaft »Grenzüberschreitende Medienkommunikation« (Wessler/ Averbeck-Lietz 2012) gewidmet. Eine Erkenntnistheorie der Journalistik legte 2006 Bernhard Pörksen mit der Publikation »Die Beobachtung des Beobachters« vor (Pörksen 2006). Journalistischem Handeln zwischen kommunikativer Vernunft und mediensystemischem Zwang ist Carsten Brosdas »Diskursiver Journalismus« gewidmet (Brosda 2008). Einen Sammelband zu aktuellem Stand und Perspektiven der Journalismusforschung mit zahlreichen Beiträgen haben Anfang 2013 Klaus Meier und Christoph Neuberger (2013) vorgelegt. Das Thema »Objektivität im Journalismus» mit Beiträgen von Ulrich Saxer (2012), Philomen Schönhagen (2012), Detlef Schröter (2012) und Hans Wagner (2012b) ist Gegenstand eines von Hans Wagner herausgegebenen Sammelbandes (Wagner 2012a). Einem bislang wenig bekannten Kommunikationsberuf, den Lektoren - den ›Gatekeepern‹ der Buchverlage - ist Walter Hömberg in einer für Deutschland repräsentativen Studie auf den Grund gegangen (Hömberg 2010). Mit »Büchermenschen«, d. h. mit der beruflichen Situation und den Bedingungen beruflicher Karrieren im Deutschen Buchhandel, hat sich Romy Fröhlich befasst (Fröhlich 2011). Auf mehrere der hier erwähnten Studien wird im Laufe des Kapitels noch näher eingegangen. Kommunikatorforschung ist, bezogen auf die Massenmedien, weitgehend also immer noch Journalismusforschung. Kommunikatoren z. B., die im weiten Feld der Unterhaltungsmedien tätig sind wie Talk- und Showmaster in Hörfunk und Fernsehen, Präsentatoren von Radio- und TV-Sendungen etc. oder Personen, die in eher künstlerischer und bildnerischer Weise in Presse und Rundfunk wirken, fanden durch die deutsche Kommunikationswissenschaft bislang nur wenig Beachtung. Verweisen kann man u. a. z. B. auf den bereits erwähnten Sammelband »Journalismus und Unterhaltung» von Scholl et al. (2007) sowie auf Louis Bosshart et al. (1994) »Medienlust und Mediennutz«. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, das Lehr- und Forschungsfeld Kommunikator-/ Journalismusforschung zu strukturieren (vgl. u. a.: Jarren 1994; Donsbach 1994; Blöbaum 1994; Weischenberg 1992, 1995; Esser 1998; Merten 1999; Kunczik/ Zipfl 2001). Hier werden die folgenden Themenkomplexe erörtert: wichtige Aspekte der journalistischen Berufsforschung; der Themenkreis Journalisten und Medieninhalte; aktuelle Themen der Journalismusforschung sowie neuere Theorien zur Journalismusforschung. Kompakte Überblicke zu »Journalismus« und »Journalisten« vermitteln Weischenberg (2005) und Donsbach (2009). <?page no="111"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 112 4.1.1 Journalistische Berufsforschung Die journalistische Berufsforschung hat eine lange Tradition. Sie begann bereits im 19. Jahrhundert, als in die medienkundliche Geschichtsschreibung berufsgeschichtliche Überlegungen zum Journalismus einflossen (vgl. Prutz 1845). Die deutschsprachige Zeitungswissenschaft und die frühe Publizistikwissenschaft haben sich vorwiegend historisch und personenzentriert (und weitgehend auch normativ) mit herausragenden journalistischen Persönlichkeiten sowie mit dem Wesen des Journalismus befasst. Im Mittelpunkt standen in aller Regel Einzelpersonen und deren Biografie (vgl. etwa Spael 1928) oder auf das praktische Handwerk bezogene Überlegungen (vgl. Dovifat 1931; Groth 1928). Daneben gab es bereits auch (meist kleinere) empirische Studien, die sich mit der sozialen und ökonomischen Lage oder etwa auch der Ausbildung der Journalisten befassten. »Sämtliche empirische Studien zielen auf die Verbesserung der Existenzbedingungen und des Ansehens des journalistischen Berufsstandes bzw. suchen zu erklären, warum Lage und Ansehen so schlecht sind, wie sie sind. Unter ihnen befinden sich einige Studien von Berufsverbänden, einige volkswirtschaftliche Lageberichte und einige Pressedissertationen« (Böckelmann 1993, S. 33). Die Titel dieser Studien und zusätzliche Angaben über ihre Inhalte sind der Synopse von Frank Böckelmann zu entnehmen (Böckelmann 1993, S. 33ff). Nach 1945 setzten allmählich Studien ein, die sich traditionellen Fragen des journalistischen Berufes widmeten und ihren Gegenstand von den Printauf die Funkmedien ausweiteten. Ermittelt wurden demographische Daten und Tätigkeitsmerkmale, ansatzweise auch die soziale Lage der Journalisten. Es entstanden im Weiteren berufsstatistische Erhebungen, und Fragen der Einstellung der Journalisten zu ihrem Beruf und Berufsverständnis (Selbstbild) gewannen an Bedeutung. Ab etwa 1965 entfaltet sich eine empirische Berufsforschung, in der Fragestellungen im Vordergrund stehen, aus denen berufsstrukturelle Merkmale über Journalisten ermittelt, Berufsauffassungen festgestellt sowie ein allfälliger Wandel des Berufs-»Bildes« erschlossen werden können. Es sind dies Fragen nach • demographischen und anderen berufsrelevanten Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Bildung, Einkommen, soziale Herkunft; • Berufserwartungen und -vorstellungen sowie Motiven der Berufswahl; • Berufsausbildung und Berufsanforderungen; • Berufsweg und Karriereverlauf; • Berufs- und Berufsrollenverständnis, Selbstbild und Fremdbild; • Selbsteinschätzung von sozialem Status und gesellschaftlichem Ansehen; • Berufsweg, Berufszufriedenheit, Karriereverlauf; • Berufsmobilität; • Einstellungen zu berufspolitischen, parteipolitischen und anderen gesellschaftlich relevanten Fragen sowie zur Parteizugehörigkeit; • Berufsethik. Die meisten Kommunikator-Studien sind folglich auch Versuche, die Wirklichkeit journalistischer Berufe empirisch zu fassen und daraus Merkmale für ein Berufsbild abzuleiten. Mit neuen empirischen Forschungskonzepten, die in den ausgehenden 1960er-Jahren entstehen, setzt auch ein Paradigmenwechsel in der Journalismusforschung ein. Nicht unerwähnt bleiben soll jedoch, dass es aus den 1950er-Jahren vergleichsweise umfassende empirische Sozialenqueten gibt: nämlich jene von Walter Haseloff 1954 in Berlin (Haseloff 1954) sowie die von Walter Hagemann 1956 in Nordrhein- Westfalen durchgeführten Journalistenstudien (Hagemann 1956; Wirth 1956). »Die Sozialenqueten in der Mitte der 1950er-Jahre werden wie ihre Vorläufer zu Beginn des [20.] Jahrhunderts und nach dem Ersten Weltkrieg von der akuten Notlage eines großen Teils der Journalisten veranlasst. Im sel- <?page no="112"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 113 ben Maß, in dem sich die ökonomische Lage der Journalisten bessert, treten in den Berufsverbänden die Fragen der beruflichen Ausbildung und der (Mitsprache-)Rechte im Medienbetrieb in den Vordergrund« (Böckelmann 1993, S. 41). 4.1.1.1 Berufsgeschichte des Journalismus Vorformen dessen, was wir heute als Journalismus bezeichnen, gehen im deutschen Sprachraum bis ins 14. Jahrhundert zurück. Die Berufsgeschichte des Journalismus umfasst somit eine Zeitspanne von mehr als 600 Jahren. Dementsprechend vielfältig sind wissenschaftliche Bemühungen, sie zu erforschen. Es ist hier daher nicht möglich, die Berufsgeschichte des Journalismus von ihren Anfängen bis zur unmittelbaren Gegenwart im Detail nachzuzeichnen. Vielmehr soll in groben Konturen auf einige wichtige Etappen der Entstehung und Entwicklung dieses Berufes verwiesen und damit wenigstens ein grober Überblick geboten werden. Dabei ist vorab festzuhalten, dass die Berufsgeschichte des Journalismus untrennbar mit der Geschichte des Nachrichtenwesens (Zulieferung von Informationen an die Korrespondentennetze der großen Handelshäuser, Errichtung von Postlinien), der gedruckten Medien (Zeitung, Zeitschrift), später der elektrischen bzw. der elektronischen Medien (Hörfunk, Fernsehen) sowie schließlich der digitalen Medien (Onlinemedien) verbunden ist. Zur Geschichte des Journalismus liegen Periodisierungsversuche vor, von denen jene von Dieter Paul Baumert (1928, 2013) sowie Thomas Birkner (2011, 2012) nachfolgend kurz dargestellt werden. In dem von Dieter Paul Baumert 1928 vorgelegten Werk »Die Entstehung des deutschen Journalismus« ist die erste, im eigentlichen Sinn des Wortes zu verstehende Journalismusgeschichte des deutschen Sprachraumes zu sehen. Ihrer kohärenten Systematik, die naturgemäß um seither eingetretene Entwicklungen zu ergänzen ist, kann man auch heute noch folgen. Im Hinblick auf die Zeitspanne von den ersten Anfängen bis zur Vollendung des journalistischen Berufsbildungsprozesses unterscheidet Baumert zwischen vier Phasen bzw. Perioden (vgl. Baumert 1928): • In der präjournalistischen Periode (bis zum Ausgang des Mittelalters) sind Nachrichtenüberbringer in Sendboten, wandernden Spielleuten und berufsmäßigen Dichtern und Sängern zu sehen, die (in Reim und Lied gefasste) Neuigkeiten in die Öffentlichkeit trugen - aber auch in Historiographen, fürstlichen Sekretären und Chronisten, die von Amts wegen ihnen zugängliche Quellen als (Nachrichten-)Material benutzten. • In der Periode des korrespondierenden Journalismus (frühe Neuzeit) belieferten Handelsleute, Konsulats- und Stadtschreiber, Beamte und Diplomaten, aber auch Angehörige gebildeter Schichten und politisch Interessierte Informationen an die im 16. Jahrhundert entstehenden (unperiodisch erscheinenden) »Avisenblätter« sowie - ab dem 17. Jahrhundert - an Postmeister und Drucker. Die »Zeitungsbzw. Nachrichtensammler« (das Wort »Zeitung« hatte damals die Bedeutung von »Nachricht«) waren auf zuverlässige Korrespondenten angewiesen. Innerhalb der Zeitungen selbst allerdings übten sie keine »journalistische« Tätigkeit aus. • Ab Mitte des 18. Jahrhunderts entstand nicht zuletzt im Gefolge der Aufklärung der schriftstellerische (und politische) Journalismus; daher spricht man von der Periode des schriftstellerischen Journalismus. Er fand seine Ausdrucksform zuerst in der Zeitschriftenliteratur, floss im Weiteren aber in die Zeitungen ein und trug zur literarischen Veredelung der Zeitung bei. Protagonisten des politisch-literarischen Journalismus waren u. a. Joseph Görres (Rheinischer Merkur) sowie der junge Karl Marx (Rheinische Zeitung). • Der redaktionelle Journalismus, wie wir ihn auch heute noch kennen, entstand um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Aufhebung der Zensur, die eine rapide Ausdifferenzierung des Zeitungswesens zur Folge hatte. Die Aufgaben des Redakteurs bestanden (und bestehen) aus dem selbst- <?page no="113"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 114 ständigen Referieren über Tagesereignisse (korrespondierende Leistung), aus dem Selektieren, Prüfen, Sichten, Kürzen etc. eintreffender Nachrichten (redigierende Leistung) sowie aus tagesliterarischem Schaffen z. B. im Feuilleton (schriftstellerische Funktion). Redakteure arbeiten seither in stets komplexer werdenden Medienorganisationen. Von Walter Hömberg wurde die Leistung Dieter Paul Baumerts jüngst neu gewürdigt (Hömberg 2012) und dessen 1928 erschienene Sozialgeschichte des Journalismus in einer Neuauflage herausgebracht (Baumert 2013). Die Vollendung des journalistischen Berufsbildungsprozesses im 19. Jahrhundert wurde von Jörg Requate detailreich und international vergleichend aufgearbeitet (vgl. Requate 1995). ln der Periode des redaktionellen Journalismus entfaltete sich die journalistische Tätigkeit zum Ganztagesberuf, der nun hauptberuflich ausgeübt wurde. Er ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gekennzeichnet von der Herausbildung der Zeitungsressorts (Politik, Lokales, Wirtschaft, Feuilleton, Sport), vom Aufkommen der Korrespondenzbzw. Nachrichtenbüros, von der Nutzbarmachung der Telegrafie für den Zeitungsnachrichtendienst sowie vom organisierten Pressestellenjournalismus. 1904 gab es im Deutschen Reich rund 4.600 Journalisten. Bemühungen, sich gleichsam im Sinne einer Profession in Berufsverbänden zu organisieren, gab es gegen Ende des 19. Jahrhunderts. 1895 wurde der »Verband deutscher Journalisten- und Schriftstellervereine« gegründet, 1909 folgte der »Bund deutscher Redakteure« und 1910 der »Reichsverband der Deutschen Presse« (RdP), »der erstmals explizit journalistische Interessen vertrat« (Weischenberg 2010, S. 42; Hervorhebung i. Orig.). In ihm »gingen der 1902 in Berlin gegründete ›Verein Deutscher Redakteure‹, der 1909 in Berlin gegründete ›Bund Deutscher Redakteure‹ sowie der ›Verband der Deutschen Journalisten- und Schriftstellervereine‹ auf« (Weischenberg 2010, S. 42f ). Gewerkschaftliche Zielsetzungen wurden erst 1919 durch die Delegiertenversammlung des RdP festgeschrieben (Weischenberg 2010, S. 43). Damit »war die Grundlage gelegt, über tarifliche Verhandlungen die schlechte materielle Lage der Journalisten zu verbessern« (ebd.). Im April 1922 erfolgte nach langen Verhandlungen mit dem »Verein Deutscher Zeitungsverleger« die Bildung der sozialpartnerschaftlich angelegten »Reichsarbeitsgemeinschaft Deutsche Presse« (ebd.). Der RdP wurde 1933 von den Nationalsozialisten »geschlossen in den NS- Staat« übergeführt, die »Indienstnahme« war mit Inkrafttreten des Schriftleitergesetzes (Oktober 1933) am 1. Januar 1934 vollzogen (ebd.). Nachfolger des »Reichsverbandes der deutschen Presse« war nach dem Ende der Nazidiktatur der 1949 gegründete »Deutsche Journalisten-Verband« (DJV) (Weischenberg 2010, S. 44). Eine im Vergleich zu Baumert etwas andere Phaseneinteilung der Geschichte des Journalismus hat Thomas Birkner 2011 vorgelegt (Birkner 2011, 2012). Im Unterschied zu Baumert, dessen Einteilung »anhand der jeweils dominierend handelnden Personen« wie Korrespondenten, Schriftstellern und Redakteuren erfolgt, möchte Birkner auch »endogene Faktoren« einbeziehen, also »Texte sowie die Organisationen, in deren Strukturen diese entstehen und in denen Journalisten arbeiten« (Birkner 2011, S. 345). Zu berücksichtigen sind jeweils zeitliche Kontexte wie Sozialstruktur und Kultur (Bevölkerungswachstum, Alphabetisierung), die wirtschaftliche und technologische Dimension (Ökonomisierung des Pressewesens, technologische Weiterentwicklung) sowie schließlich die Dimension Politik und Recht (Zensur, zensurfreie Presseunfreiheit, Pressefreiheit). Birkner sieht die Entwicklung des Journalismus komplementär zu Baumert in vier Phasen: Genese, Formierung, Ausdifferenzierung sowie Durchbruch des modernen Journalismus: 1) In der Phase der Genese (1605-1848) des Journalismus entstehen Zeitungen und Zeitschriften, aus dem Buchdruckerwesen entwickelt sich allmählich das Zeitungsgewerbe mit seinem publizistischen und ökonomischen Zweigen. Es bildet sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine journalistische Avantgarde (Allgemeine Zeitung; Johann Friedrich Cotta, Heinrich Heine, z. B. <?page no="114"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 115 aber auch Joseph Görres) heraus, deren Repräsentanten noch (eher) Schriftsteller sind. Retardierende Wirkung für eine Ausdifferenzierung des Journalismus hat das »Unterdrückungssystem der Karlsbader Beschlüsse« von 1819 (Wiedereinführung der Zensur), die »fast dreißigjährige Polizeiaktion […] gegen die Presse« (Birkner 2011, S. 347 mit Bezugnahme auf Schneider 1966). Gleichwohl »war die Presse wesentlicher Bestandteil der Revolution von 1848« (Birkner 2011, S. 348). Erste organisatorische und redaktionelle Strukturen bilden sich heraus. 2) Für die Phase der Formierung (1849-1873) des Journalismus ist die »symbiotische Entstehung von Parteien und Parteizeitungen« wichtigstes Element, prägend sind auch wirtschaftlicher Aufschwung und industrielle Entwicklung, die Erfindung der Telegrafie (rasche Nachrichtenübermittlung aus vielen Teilen des Kontinents und der Welt) sowie das für Zeitungen und Zeitschriften populär werdende Anzeigengeschäft (Birkner 2011, S. 348). Die Zeitung wird endgültig zum Wirtschaftsprodukt, Bevölkerungswachstum und sich ausbreitende Bildung erhöhten die Lesefähigkeit: »Das deutsche Bildungssystem brachte zunehmend die Produzenten wie Konsumenten journalistischer Produkte hervor« (Birkner 2011, S. 349). 3) Für die Phase der Ausdifferenzierung (1874-1900) des Journalismus ist »das Zusammenspiel der gesamtgesellschaftlichen Großtrends von Urbanisierung und Alphabetisierung von Bedeutung, ebenso die Beschleunigung des Nachrichtenverkehrs. »Das Reichspressegesetz von 1874 »bot einen rechtlich nicht besonders liberalen, aber doch stabilen Rahmen«, der sich positiv auf die Entfaltung des Pressewesens auswirkte. Die »neu auftretende Generalanzeigerpresse verkörperte […] den starken Einfluss des Wirtschaftssytems«, zwischen Gesinnungspresse (Parteilichkeit) und Generalanzeigerpresse (unterstellte Parteilosigkeit) »wurde langsam, aber sicher eine Unbzw. Überparteilichkeit möglich« (Birkner 2011, S. 349). Mit dem Ende der Sozialistengesetze (Einschränkung der sozialdemokratischen Presse) sowie der Ära Bismark kann von einer »faktischen - jedoch stets fragilen - Pressefreiheit gesprochen werden« (Birkner 2011, S. 350). Politik ist zunehmend dem Einfluss der Medien ausgesetzt und muss sich dem »Urteil der Öffentlichkeit« stellen (ebd.). 4) Für die Phase des Durchbruchs (1900-1914) wird der Journalismus integraler Bestandteil der vor dem 1. Weltkrieg entstehenden und sich ausbreitenden Massenkultur, der Journalismus wird »integraler Bestandteil der ›Entfesselung der Massenkommunikation‹« (Birkner 2011, S. 350 mit Bezugnahme auf Wilke 2000). Die Selbstfindung des journalistischen Berufs wird u. a. auch im Kontext des Entstehens journalistischer Praktikerliteratur gesehen (Birkner 2011, S. 350f, mit Bezugnahme auf Groth 1948). In der boomenden Zeit des Pressewesens der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts (Ansteigen der Zeitschriften von 5.632 (1902) auf 6.689 (1913), Anwachsen der Zeitungstitel von 3.405 (1897) auf 4.221 (1914)) bilden sich auch moderne journalistische Institutionen heraus, vollzieht sich die Ausdifferenzierung der Redaktionen in Ressorts, wachsen moderne journalistische Akteure heran und entstehen moderne journalistische Aussagen mit sich ausdifferenzierenden Textstrukturen heraus (Birkner 2011, S. 352-354). »Die Modernität des deutschen Journalismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist bislang unterschätzt worden. Zu dominant erschienen die Zwänge der politisch-rechtlichen Dimension in den vorigen Epochen und zu glatt ließen sich diese mit der Zensur im Ersten Weltkrieg, der Polarisierung in der Weimarer Republik und der Totalität im Nationalsozialismus zu einer unendlichen Geschichte eines vormodernen Journalismus verknüpfen. Doch auch in Deutschland begann um 1900 das »Jahrhundert des Journalismus« (Birkner 2011, S. 355 mit Bezugnahme auf Birkner 2010). Mit dem Aufkommen des öffentlichen Radios (in Deutschland ab 1923) entfalten sich auch erste Formen des Radiojournalismus. Er differenziert sich ebenso bald vielfältig aus wie dreißig Jahre später der Fernsehjournalismus im Gefolge der raschen Ausbreitung dieses audiovisuellen Mediums ab Anfang der 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts. Eine große Fülle journalistischer Berufe in Zeitungen, <?page no="115"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 116 Zeitschriften, Hörfunk, Fernsehen und Nachrichtenagenturen entsteht. Die jüngste, vermutlich noch geraume Zeit nicht abgeschlossene Entwicklung betrifft den Journalismus in Onlinemedien (vgl. Kap. 4.1.3.4). Obwohl technische Innovationen das Berufsbild von Journalisten stets verändert und mitgeprägt haben, blieben im Printwie im Funkjournalismus redaktionelle Aufgaben einerseits und technische Aufgaben andererseits bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts weitgehend getrennt. Ab Mitte der 1970er-Jahre ändert sich dies jedoch grundlegend, als elektronische Produktionssysteme im Medienbereich Einzug halten. Dies gilt zunächst in besonderer Weise für den Zeitungs- und Zeitschriftenjournalismus in der Folge der Implementation von Redaktionselektronik in den Zeitungsverlagshäusern (vgl. Weischenberg 1978; Mast 1984; Pürer 1985). Denn dadurch wurden technische Aufgaben wie Texterfassung und Textgestaltung, die zuvor von Setzern und Metteuren vorgenommen wurden, aus den Setzereien weitgehend in die Redaktionen verlagert und müssen dort nun von den Journalisten weitgehend selbst durchgeführt werden. Ähnliches vollzog sich durch sog. elektronisches Broadcasting sowie durch die Einführung der digitalen Technik (z. B. elektronisches Schneiden) in den Radio- und Fernsehredaktionen. Ein weiterer Technologieschub, der für Journalisten nicht ohne Folgen bleibt, ist in den multimedialen Möglichkeiten des Onlinejournalismus zu sehen, die Text, Ton, Bild, Video und Grafik vereinen (siehe Kap. 4.1.3.4). Nicht zu Unrecht wurde daher zunächst vom »redaktionstechnischen Journalismus« (Pürer 1985) gesprochen und kann man im Weiteren besser (und eleganter) vom »elektronischen Publizisten« sprechen, der sowohl redaktionelle (Inhalt) wie auch zunehmend technische Aufgaben (Form, Gestaltung) integriert. 4.1.1.2 Journalismus und politisches System Für den Journalismus in Deutschland gilt, dass Möglichkeiten seiner mehr oder weniger ungehinderten Ausübung von Anfang an eng mit dem jeweils herrschenden politischen System verbunden waren. Dies geht aus dem langen Kampf um die Pressefreiheit in Deutschland hervor (vgl. Fischer 1982; Wilke 1984a). Es gibt sie - trotz Aufhebung der Zensur im Jahre 1848 - uneingeschränkt de facto erst seit 1949 mit dem In-Kraft-Treten des Grundgesetzes in Westdeutschland, in Ostdeutschland erst seit der 1990 erfolgten Wiedervereinigung. Davor wurden deutsche Journalisten »in den absoluten Fürstenstaaten politisch verfolgt, durch Bismarcks Sozialistengesetz kaltgestellt, in Weimar für ideologische Ziele missbraucht, in Nazideutschland ins Konzentrationslager geworfen und in der DDR als Funktionäre des Klassenkampfes eingesetzt, wobei jede dieser Zeiten sich durchaus nicht nur auf eine Repressalie beschränkte« (Donsbach 1999a, S.-492). In pluralistischen demokratischen Systemen wie der Bundesrepublik Deutschland werden den Massenmedien aus einer idealistischen normativen Sicht wichtige Funktionen zugewiesen: Sie sollen eine demokratiepolitisch wichtige Aufgabe erfüllen, indem sie nicht nur Öffentlichkeit über gesellschaftlich relevante Vorgänge in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur herstellen, sondern v. a. auch Kritik- und Kontrollaufgaben wahrnehmen, indem sie auf die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien bei Gesetzgebung (Legislative), Gesetzesvollzug (Exekutive) und Rechtsprechung (Judikative) sorgfältig achten. Sie sind idealiter in das Prinzip der Gewaltenteilung eingebunden. Gleichwohl stellen Medien und Journalismus keine »Vierte Gewalt« (Publikative) dar: Weder sieht dies das Grundgesetz vor, noch verfügt die Mehrheit der Journalisten über die dazu erforderlichen Kompetenzen und Qualifikationen. Nicht zu übersehen ist in diesem Kontext zudem, dass große Medienbetriebe selbst mächtige Institutionen darstellen und Interessen verfolgen, sich damit also die Frage nach der »Kontrolle der Kontrolleure« stellt. <?page no="116"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 117 In den meisten pluralistischen Demokratien westlichen Typs ist in der Ausübung des journalistischen Berufs ein Jedermannsrecht zu sehen. Dies ist auch in Deutschland der Fall. Daher ist hier die Berufsbezeichnung Journalist auch nicht geschützt. Begründet wird dies mit Art. 5 des Grundgesetzes, wonach »jeder […] das Recht (hat), seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […]«. Folgerichtig ist der Zugang zum Beruf im Prinzip auch nicht an spezielle Voraussetzungen oder Ausbildungsgänge gebunden. (Dies schließt freilich nicht aus, dass sich Journalisten angesichts zunehmender Komplexität von Vorgängen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur mehr denn je eine besonders qualifizierte Ausbildung angedeihen lassen sollten - vgl. Kap. 4.1.1.3). In Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes ist auch die wichtigste Rechtsgrundlage der journalistischen Arbeit zu sehen. Er verbürgt einerseits die Pressefreiheit als individuelles (Abwehr-)Recht für jeden einzelnen Bürger und garantiert andererseits die Freiheit der Medien von jeglicher staatlichen Einflussnahme. Weitere relevante Rechtsgrundlagen für den Journalismus sind (nicht zuletzt auf Grund der föderativen Struktur Deutschlands) u. a. in den Landesverfassungen und Landespressegesetzen, in medienrelevanten zivil- und strafrechtlichen Bestimmungen sowie in zahlreichen anderen Rechtsmaterien zu sehen (vgl. Pürer/ Raabe 2007, S. 331ff). Zu erwähnen ist in diesem Kontext, dass die Journalisten zur Erfüllung ihrer öffentlichen und dem Gemeinwohl dienenden Aufgabe einerseits mit Sonderrechten ausgestattet sind, ihnen andererseits aber auch besondere Pflichten auferlegt werden. Zu den Sonderrechten (vgl. Pürer/ Raabe 2007, S. 354ff) gehören z. B. der besondere Auskunftsanspruch gegenüber Behörden, das Zeugnisverweigerungsrecht (Informantenschutz) sowie die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses (Beschlagnahmeverbot von eigenbeschafften Unterlagen, Durchsuchungsverbot). Zu den besonderen Pflichten zählen die Verpflichtung zur Berichtigung falscher Nachrichten sowie v. a. die Sorgfaltspflicht: Sie hält Journalisten an, alle Nachrichten vor ihrer Verbreitung genau auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. 4.1.1.3 Ausbildung und Sozialisation im Journalismus Da, wie erwähnt, Pressefreiheit ein Jedermannsrecht ist, ist der Berufszugang in den Journalismus prinzipiell offen und nach wie vor nicht an eine formalisierte Ausbildung gebunden. (»Eine staatliche Ausbildung wäre […] nur für den Fall zulässig, in dem Journalisten unzureichend ihre öffentliche Aufgabe erfüllen würden und damit die Pressefreiheit selbst gefährdet wäre« - Donsbach 2009, S. 98) In die Qualifikation von Journalisten wurde seitens der Medienbetriebe für lange Zeit (unverständlicherweise) nur wenig Aufwand und Mühe investiert, dem klassischen, einer Lehre vergleichbaren Volontariat nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Für lange Zeit galt der Journalismus v. a. unter Medienpraktikern gar als »Begabungsberuf«, der nicht erlernbar sei. Diese befremdende und überholte Auffassung (um nicht zu sagen: Ideologie) ist heute nur noch selten vorzufinden. Im Gegenteil: Da 1) zunehmend viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens einer wissenschaftlichen Durchdringung unterliegen, 2) zahlreiche Vorgänge in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur infolge ihrer hohen Komplexität nur noch schwer zu durchschauen sind und 3) immer größer werdende Informationsmengen zu bewältigen sind, hat sich weithin die Einsicht durchgesetzt, dass (nicht nur - aber v. a.) im Informationsjournalismus tätige Personen über eine gute Ausbildung verfügen sollten. Die Forderung nach qualifiziert ausgebildeten Journalisten kam Anfang der 1970er-Jahre auf. Damals konnte in einer bundesweit unter Zeitungsvolontären durchgeführten Umfrage empirisch nachgewiesen werden, dass die redaktionelle Ausbildung den Anforderungen an einen modernen Journalismus weitgehend nicht entsprach (vgl. Kieslich 1971, 1974). In einem vom Deutschen Presserat initiierten und (zunächst 1971 und dann 1973) von Verlegern, Journalisten und Wissenschaftlern erar- <?page no="117"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 118 beiteten »Memorandum zur Journalistenausbildung« (siehe Aufermann/ Elitz 1975, S. 286ff) wurden Empfehlungen zur Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten von Journalisten festgehalten. Es entfaltete sich daraufhin in weiten Bereichen des Medienwesens eine heftige Ausbildungsdebatte, die in der Kommunikationswissenschaft in eine Diskussion über die Professionalisierung des Journalismus mündete (vgl. Publizistik 19: 1974 Heft 3-4 sowie Publizistik 20: 1975, Heft 1-2; vgl. Aufermann/ Elitz 1975). Ihr ursprünglich aus den USA stammender Grundgedanke war, angesichts gestiegener Berufsanforderungen für den Journalismus u. a. ähnliche Ausbildungs- und Zugangsregeln zu schaffen wie sie etwa für klassische Professionen (Lehrer, Ärzte, Rechtsanwälte etc.) gelten und die Journalisten auf verantwortungsethisches Handeln zu verpflichten. Zu einer solchen - allgemein verbindlichen - Professionalisierung des journalistischen Berufs kam es aber aus mehreren Gründen nicht: So wurde sie mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nicht für vereinbar gehalten. Außerdem wurde eingewendet, eine vereinheitlichte Journalistenausbildung könnte zu einer Homogenisierung der Weltsicht der Journalisten führen, was die Vielfalt der Meinungen beeinträchtigen könnte. Auch wurde befürchtet, dass die Professionalisierung des Journalismus zu einer Abschirmung der Journalisten vom Publikum führt. Last but not least wurde argumentiert, dass der Journalist der Wahrheit verpflichtet sei und somit auch gesinnungsethisch handeln müsse; ihm könne und dürfe - nicht zuletzt infolge unzureichender Kenntnisse der Medienwirkungsforschung - (ausschließlich) verantwortungsethisches, also an den vermeintlichen oder wirklichen Folgen orientiertes Handeln, nicht abverlangt werden (vgl. Kepplinger/ Vohl 1976). Gleichwohl gingen von dieser Ausbildungsdebatte zahlreiche Impulse und Initiativen für die Verbesserung der Ausbildung von Journalisten aus. So wurden in der Folge an mehreren Universitäten Diplomstudiengänge für Journalistik errichtet, universitäre und außeruniversitäre studien- und berufsbegleitende Ausbildungseinrichtungen geschaffen, neue Journalistenschulen etabliert und auch dem Volontariat mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Ausbildungsvertrag zwischen Verleger- und Journalistenverbänden, der das zweijährige Volontariat in Zeitungsverlagshäusern inhaltlich regelt, kam allerdings erst viele Jahre später, nämlich 1990 zu Stande. Mindestvoraussetzung, um heute im Journalismus tätig zu sein, ist der Nachweis des Abiturs. In zahlreichen Zeitungs- und Rundfunkredaktionen ist für den Einstieg in den Journalismus ein abgeschlossenes (Fach-)Studium unabdingbar. Es gibt auch mehrere Wege, die in den Journalismus (Print-, Funk-, Onlinemedien) führen. Zu erwähnen sind insbesondere folgende: • Das klassische Volontariat: Es dauert in den Zeitungsverlagshäusern zwei Jahre, führt den Volontär durch mehrere Ressorts und vermittelt in aller Regel eine gute praktisch-handwerkliche Ausbildung. • Freie Journalistenschulen: Die Ausbildung findet in Kompaktkursen statt, die 18 bis 24 Monate dauern und neben einer soliden, teils mehrmedialen praktisch-handwerklichen Ausbildung (Print, Funk, Online) auch medien- und berufskundliche Inhalte vermitteln. • Universitäre Ausbildungsgänge in Form von Bachelor- und Masterstudiengängen Journalismus: Sie integrieren eine crossmediale praktisch-handwerkliche Ausbildung mit einer theoretisch-kommunikationswissenschaftlichen. Es gibt darunter Masterstudiengänge, deren Studierende ein Bachelor- oder Masterstudium in einem anderen Fach (Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Literaturwissenschaft etc.) abgeschlossen haben, sodass viele von ihnen über inhaltliche Voraussetzungen für die Tätigkeit in einem Ressort verfügen. • Das Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft: Es vermittelt in seinen BA- und MA-Studiengängen, wie sein Name sagt, eine primär theoretische bzw. wissenschaftliche Ausbildung und versucht, Einblicke in die breite Palette der Kommunikationsberufe (Journalismus, Public Relations, Werbung, Medienmanagement, Onlinekommunikation etc.) zu bieten. (Pflicht-)Praktika ergänzen in aller Regel ihr Lehrprogramm. <?page no="118"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 119 • Fachhochschulstudiengänge: Sie leisten eine ressortbezogene Grundausbildung, vermitteln gleichzeitig eine (in aller Regel mehrmediale) praktisch-handwerkliche Ausbildung (Print, Funk, Online) sowie medien- und berufskundliches Wissen. • Studienbegleitende Akademien: Sie vermitteln Studierenden aller Studienrichtungen begleitend zum Studium (vorwiegend in der vorlesungsfreien Zeit) eine intensive praktisch-handwerkliche (Print oder Funk oder Online) sowie medien- und berufskundliche Ausbildung in Form von mehrwöchigen bzw. mehrmonatigen Kompaktkursen und ergänzenden (Wochenend-)Seminaren. • Berufsbegleitende Akademien: Sie bieten für bereits im Beruf stehende Journalisten (v. a. für Jungjournalisten) und sog. Seiteneinsteiger mehrmonatige bzw. mehrwöchige, vorwiegend praktischhandwerkliche Ausbildungskurse (Print, Funk, Online) sowie mehrtägige medien-, berufs- oder ressortkundliche Fortbildungsseminare. • Journalistenschulen in Medienbetrieben: Sie leisten (meist) eine crossmediale praktisch-handwerkliche Ausbildung, die durch medien- und berufskundliche Ausbildungsinhalte (darunter auch Medienökonomie) ergänzt wird. Was die Ausbildungsinhalte betrifft, so besteht Übereinkunft darüber, dass Journalisten - v. a. jene, die bei den klassischen Medien im Informationsbereich arbeiten - über eine möglichst umfassende und breit angelegte Ausbildung verfügen sollten. Fünf Gebiete sind anzusprechen (vgl. Pürer 1996b, S.-402f ): 1) Eine solide, nach Möglichkeit mehrmediale praktisch-handwerkliche Ausbildung; also die Kenntnis der journalistischen Tätigkeiten, Darstellungsformen und Gestaltungstechniken. Eine mehrmediale Ausbildung (Print, Funk, Fernsehen, Online) erhöht die Berufsmobilität zwischen den Medien. 2) Ein fundiertes, allgemeines gesellschaftliches Grundlagenwissen mit Kenntnissen über Staat, Politik, Recht, Gesellschaft und Kultur. Es ermöglicht im Bedarfsfall den Einsatz des Journalisten in mehreren Ressorts. 3) Ein umfassendes Ressortwissen in Politik oder Wirtschaft oder Kultur oder Sport oder Sozialem etc. Es ist unerlässlich für jenes Ressort, in welchem man vorwiegend arbeitet und für das man ohne Spezialwissen nicht mehr auskommt. 4) Die Grundlagen der Methoden und Techniken der Sozial- und Medienforschung. Journalisten sind oft mit empirischem Datenmaterial konfrontiert, dessen Entstehung und Qualität sie unbedingt beurteilen können sollten. 5) Eine gute Kenntnis des Medien- und Berufswissens, um über eigene Rechte und Pflichten genau Bescheid zu wissen. Zu ergänzen ist dieser Katalog um Ausbildungsinhalte, die aus dem Vorhandensein neuer Kommunikations- und Medienangebote in Onlinemedien wie Blogs, soziale Gemeinschaften, Kurznachrichtendienste, Kommentarfunktionen und andere Kommunikationsanwendungen und -möglichkeiten resultieren. Aus diesem Ausbildungskatalog ergeben sich Kompetenzen, über die Journalisten verfügen sollten. Weischenberg hat 1990 auf drei Schlüsselkompetenzen hingewiesen (Weischenberg 1990): die Fach- und Organisationskompetenz (das Handwerk und das Medienwissen), die Sachkompetenz (das Ressortwissen) sowie die Vermittlungskompetenz (die mediengerechte Artikulationsfähigkeit). Claus Eurich spricht die folgenden Kompetenzen an: die Selektionskompetenz (Herstellung und Wahrung des Blicks auf und für das Wesentliche); die Recherchekompetenz (Auffinden und Prüfen der Seriosität von Quellen, systematisches Gegenrecherchieren etc.); die Kontextkompetenz <?page no="119"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 120 (ereignisbezogen Schnittstellendimensionen freilegen, neue Themenfolgen erschließen etc.); die Vermittlungskompetenz (Sprachkompetenz, Kompetenz der Stilformen, Kompetenz der Visualisierung etc.); die Reflexionskompetenz (Berücksichtigung sozialer Prozesse und ontologischer Komponenten) und die Sozialkompetenz (Bedachtnahme auf den Umstand, dass durch die Folgen journalistischer Tätigkeit im weitesten Sinne die Herstellung und Verstärkung von gesellschaftlichem Sinn und Eigensinn erfolgt) (vgl. Eurich 1998, S.-16). Die European Journalism Training Organisation (EJTA) hat 2006 mit Blick auf die Veränderungen, durch die der Journalismus infolge des Internets gekennzeichnet ist, den nachfolgend genannten Kompetenzenkatalog entwickelt (hier in Übernahme von Steffen Burkhardt 2009, S.-10-12): • Reflexionskompetenz: Kenntnis der gesellschaftlichen Grundwerte, Entwicklung des Mediensystems sowie der Zielgruppen journalistischer Produkte. Bedeutung des Journalismus in modernen Gesellschaften, seine Verantwortung, seinen Einfluss. »Journalisten müssen die Werte, die durch ihre professionellen Entscheidungen zum Ausdruck gebracht werden, erkennen, benennen und begründen können« (Burkhardt 2009, S. 10). • Vermittlungskompetenz: Öffentlichkeitswirksame Inhalte identifizieren, sie mediengerecht für spezifische Zielgruppen aufbereiten, analytischer Zugang zu aktuellen Ereignissen, Kenntnisse der Nachrichtenfaktoren, Verständnis der Gestaltungsmöglichkeiten und -grenzen von Medien, Medieninstitutionen und Medienprodukten. »Nur wer Ereignisse für spezifische Zielgruppen selektieren kann, ist journalistisch in der Lage, öffentliche Diskurse, Diskussionen und Debatten reflektiert zu gestalten« (Burkhardt 2009, S. 11). • Planungs- und Organisationskompetenz: realistische Arbeitspläne erstellen und umsetzen können. »Journalistinnen und Journalisten sollten dabei trotz Außendrucks zielführend arbeiten können und flexibel genug sein, spontan auf unerwartete Entwicklungen angemessen zu reagieren« (ebd.). • Informationskompetenz: Informationen nachrichtlich erfassen und verarbeiten können, Kenntnis von Informationsquellen/ Informanten, Referenzpublikationen, Datenbanken, Nachrichtenagenturen, Fähigkeit, Quellen zu hinterfragen, Beiträge durch (Double-)Checks objektivieren. »Vor allem durch die neuen Medien wird Informationskompetenz auch als Basis für einen Interaktionsprozess verstanden und in einem weiteren Sinn als Fähigkeit gesehen, mit der Gesellschaft informierend zu interagieren« (ebd.). • Selektionskompetenz: Zwischen relevanten und weniger relevanten Aspekten unterscheiden können, richtig gewichten; Informationen korrekt, akkurat, zuverlässig und vollständig verarbeiten und sie in den richtigen Kontext setzen können. »Bei der Selektion müssen sie Informationen für ein spezifisches Medium verarbeiten und die Folgen ihrer Auswahl für die Zielgruppe, die Gesellschaft (zunehmend auch aus interkultureller Perspektive), die Informanten, die Betroffenen und sich selbst abwägen« (Burkhardt 2009, S. 10f ). • Strukturierungskompetenz: Kenntnis der Darstellungsformen, für spezifische Inhalte angemessen Form wählen, auf Erzählstrukturen achten »und die Strukturen der Informationsaufbereitung auf die Bedürfnisse eines Medienprodukts abzustimmen« (Burkhartd 2009, S. 11). • Präsentationskompetenz: Sich schriftliche und mündliche Sprachfertigkeit aneignen, Informationen möglichst auch crossmedial aufbereiten können (durch Verknüpfung von Texten, Bildern, Tönen, Videosequenzen); sich Genre-, Technik und Layoutkenntnisse aneignen. »Ziel ist dabei nicht, alles zu können, sondern eine Koordinationsfähigkeit für die Arbeit im Team zu entwickeln und z. B. Techniker in Hinblick auf eine sinnvolle Präsentation von Themen anzuleiten« (ebd.). • Evaluationskompetenz: Eigene Arbeit und die anderer auf Basis von Qualitätskriterien bewerten können. Die Evaluationskompetenz »erfordert eine Offenheit für kritische Selbst- und Fremdevaluation als konstruktiver Voraussetzung zu Weiterentwicklung der journalistischen Arbeit und die Bereitschaft, Verantwortung für die Folgen von Veröffentlichungen zu übernehmen« (ebd.). <?page no="120"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 121 • Soziale Kompetenz: Sozial akzeptierte Umgangsformen, Engagement und Initiative in der Teamarbeit, Erkennen und Beachten von hierarchischen Beziehungen. Die soziale Kompetenz »setzt die Kenntnis der beruflichen Aufgabe, persönlicher Stärken und Schwächen und die Reflexion von Kolleginnen und Kollegen voraus« (ebd.). Im Zusammenhang mit dem Thema Ausbildung sei noch kurz die Frage angesprochen, welche Stadien ein Journalist durchschreitet, wenn er im Zuge des Eintritts in eine Redaktion gleichsam schrittweise die journalistische Berufsrolle übernimmt. Es handelt sich dabei um einen Vorgang, der allgemein als berufliche Sozialisation bezeichnet wird und den es in allen anderen Berufen auch gibt. Sie geht im Wesentlichen in drei Etappen vor sich (vgl. Rühl 1971, Langenbucher 1971; Gruber 1976, Gottschlich 1980): In der Rekrutierungsphase (unmittelbar vor Berufseintritt) sind die soziale Herkunft des Journalisten, v. a. aber seine Vorstellungen über den Beruf, seine Erwartungen an den Beruf sowie seine Motivation von Bedeutung. Es konnte festgestellt werden, dass Journalisten eher der Mittel- und Oberschicht entstammen, sie den Beruf ergreifen, weil sie sich ein hohes Maß an Selbstverwirklichung erwarten und mit dem Beruf oftmals idealistische Erwartungen verbunden sind (die Welt verbessern, Macht ausüben können, anderen helfen). In der Konkretisierungsphase, also während der redaktionellen Ausbildung, erhält der in die Redaktion Eintretende vielfältige An- und Unterweisungen, lernt Sanktionsmöglichkeiten (Lob, Tadel) kennen und erfährt bei Bewährung auch berufliche Förderung. In dieser Phase übernimmt oder antizipiert er bewusst oder unbewusst Verhaltensregeln, verinnerlicht allmählich die in der Redaktion geltenden Werte, passt sich an und übt vielleicht auch Selbstzensur. Kurz: Er lernt die Diskrepanz zwischen Berufsvorstellungen und -erwartungen einerseits und der Berufswirklichkeit andererseits kennen. In der Konsolidierungsphase, nach dem Ende der Ausbildung, kommen die Ergebnisse beruflicher Sozialisation zum Tragen: Die redaktionellen Mitgliedsregeln und die Berufsethik werden übernommen, es bildet sich das persönliche Berufsverständnis heraus. Die Grundmuster berufsspezifischer Vorstellungsbilder wie berufliche Autonomie, moralische Integrität sowie das Gefühl persönlicher Kompetenz verfestigen sich. 4.1.1.4 Berufsbild und Berufsstruktur Wie erwähnt, ist die Berufsbezeichnung Journalist in Deutschland und zahlreichen anderen demokratischen Ländern westlicher Prägung nicht geschützt: Rein rechtlich kann sich jeder als Journalist bezeichnen. Es gibt daher auch kein allgemein verbindliches Berufsbild. Und angesichts der Fülle journalistischer Berufe mit je unterschiedlichen Arbeitsfeldern und Tätigkeitsmerkmalen verwundert es folglich nicht, dass neuere Definitionen von »Journalist« bzw. »Journalismus« in aller Regel eher allgemein gehalten sind. So definiert z. B. Manfred Rühl Journalismus (aus systemtheoretischer Sicht) als »Herstellung und Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Kommunikation« (Rühl 1980, S.- 319), wobei das Kennzeichen der Themen, die der Journalismus bereitstellt, das Aktualitätsprinzip ist. Gleichwohl haben »seit jeher die Strukturdefinitionen im Berufsbild des Deutschen Journalisten- Verbandes (DJV) eine starke normative Kraft ausgeübt« (Donsbach 1999a, S.-489) und zumindest in der Praxis weithin Anerkennung gefunden. Vergleicht man die Berufsbilder des 1949 gegründeten DJV von den Anfangsjahren bis zur Gegenwart, so hat sich der Journalismus entlang dreier Dimensionen bis heute verändert, wie Donsbach festhält: So ist 1) ein Wandel vom Journalismus als Begabungsberuf zum Ausbildungs- und Qualifikationsberuf feststellbar; wird 2) der sog. »subsidiäre Journalismus«, also Tätigkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit, in das Berufsbild integriert; und schließlich werden 3) Tätigkeitsmerkmale und Arbeitsformen an die technischen und wirtschaftlichen Verän- <?page no="121"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 122 derungen in der Medienwelt angepasst (vgl. Donsbach 1999a, S.-490). Die derzeit gültige Definition des Berufsbildes des DJV lautet (DJV 2012): »Journalistin/ Journalist ist, wer nach folgenden Kriterien hauptberuflich an der Erarbeitung bzw. Verbreitung von Informationen, Meinungen und Unterhaltung durch Medien mittels Wort, Bild, Ton oder Kombinationen dieser Darstellungsmittel beteiligt ist: 1) Journalistinnen und Journalisten sind fest angestellt oder freiberuflich tätig für Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften, Anzeigenblätter oder aktuelle Verlagsproduktionen), Rundfunksender (Hörfunk und Fernsehen), digitale Medien, soweit sie an publizistischen Ansprüchen orientierte Angebote und Dienstleistungen schaffen, Nachrichtenagenturen, Pressedienste, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in Wirtschaft, Verwaltung und Organisationen sowie in der medienbezogenen Bildungsarbeit und Beratung. 2) Zu journalistischen Leistungen gehören vornehmlich die Erarbeitung von Wort und Bildinformationen durch Recherchieren (Sammeln und Prüfen) sowie Auswählen und Bearbeiten der Informationsinhalte, deren eigenschöpferische medienspezifische Aufbereitung (Berichterstattung und Kommentierung), Gestaltung und Vermittlung, ferner disponierende Tätigkeiten im Bereich von Organisation, Technik und Personal. 3) Journalistinnen und Journalisten üben ihren Beruf aus als freiberuflich Tätige oder als Angestellte eines Medienunternehmens bzw. im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eines Wirtschaftsunternehmens, einer Verwaltung oder einer Organisation. Freie Journalistinnen und freie Journalisten sind tätig • regelmäßig für einen oder mehrere Auftraggeber auf der Grundlage individueller Vereinbarungen oder tariflicher Verträge, • für ein oder mehrere Unternehmen auf der Grundlage von Vereinbarungen im Einzelfall oder ohne Auftrag, indem sie journalistische Beiträge erarbeiten und den Medien anbieten. Freie Journalistin/ freier Journalist ist auch, wer Inhaber oder Anteilseigner eines Medienbüros ist oder im Zusammenschluss mit anderen freien Journalistinnen oder Journalisten arbeitet, sofern die journalistische Tätigkeit dabei im Vordergrund steht. Angestellte Journalistinnen und Journalisten arbeiten auf der Basis des geltenden Arbeitsrechts und bestehender Tarifverträge.« Aus der sehr detaillierten Beschreibung geht hervor, dass das Berufsbild im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis (fest angestellt oder freiberuflich), auf die Medien (Presse, Rundfunk, Online-, Offlinemedien, Öffentlichkeitsarbeit etc.), auf die Tätigkeitsmerkmale (Recherchieren, Auswählen, Aufbereiten, Gestalten etc.) und auf die Unternehmensart (Medienunternehmen, Wirtschaftsunternehmen, Verwaltung, Organisation) konkretisiert wird. Es bezieht damit einen möglichst umfassenden Kreis von Personen ein, die in Kommunikationsberufen tätig sind. Dies ist nicht zuletzt berufspolitisch für die Verbände selbst (hohe Mitgliederzahlen) sowie für die jeweils Betroffenen (Tarifverträge) von besonderer Bedeutung. Es ist wiederholt versucht worden, Daten zu Berufsbild, Berufsstruktur, Selbstbild und Fremdbild der Journalisten in Deutschland zu ergründen. Es ist dies forschungstechnisch gar nicht so einfach zu bewerkstelligen: So liegen keine Berufslisten oder Berufsverzeichnisse vor, in die Einsicht genommen werden könnte. Und auch die Berufsverbände sind aus Gründen des Datenschutzes in aller Regel nicht bereit, die Namen ihrer Mitglieder bekannt zu geben. Daher sind Journalismusforscher weitgehend auf die Bereitschaft von Medienbetrieben angewiesen, wenn sie Informationen über die Anzahl der journalistisch Beschäftigten erhalten oder sich für Zwecke wissenschaftlicher Befragungen (mittelbaren oder unmittelbaren) Zugang zu Journalisten verschaffen wollen. Nicht <?page no="122"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 123 selten stößt man dabei unter den Journalisten auch auf eine beträchtliche Zahl von Antwortverweigerern. Es verwundert dies bei einer Berufsgruppe, die anderen Personengruppen - berufsbedingt natürlich - sehr gerne auf die Finger, unter den Teppich (und mitunter sogar in die Betten) schaut. Möglicherweise ist aber ein Grund auch darin zu sehen, dass zahlreiche Fragebögen - nicht zuletzt von Studierenden der Journalistik oder Kommunikationswissenschaft - auf den Schreibtischen der Journalisten landen, deren Bearbeitung oftmals viel Zeitaufwand bedeutet. Unter den zahlreichen empirischen Studien, die es über Journalisten in Deutschland seit Ende der 1960erbzw. Anfang der 1970er-Jahre gibt, seien hier aus Platzgründen jene herausgehoben, die medienübergreifende Gesamtdarstellungen umfass(t)en. Es sind dies Mitte der 1970er-Jahre vorgelegte Studien, Anfang der 1990er-Jahre (nach der Wiedervereinigung) erstellte Studien sowie zwischen 2005 und 2009 entstandene Journalistenbefragungen. Dazu im Einzelnen: Journalistenenquete 1974, Synopse »Journalismus als Beruf« 1977 1974 erarbeitete die Arbeitsgemeinschaft für Kommunikationsforschung (AfK) München eine - leider nicht veröffentlichte, sondern nur als vervielfältigter Forschungsbericht vorliegende - repräsentative »Journalistenenquete« (vgl. Böckelmann 1993, S. 56ff). 1977 folgte - ebenfalls von der AfK München - die Forschungssynopse »Journalismus als Beruf« (vgl. Böckelmann 1993, S 58ff). Auch sie liegt nur als vervielfältigtes Manuskript vor. Bei ihr handelte es sich u. a. auch um eine Auswertung von Kernstudien, deren Datenmaterial zugänglich und einigermaßen vergleichbar war (vgl. ebd.). Damals gab es in der Bundesrepublik (also nur Westdeutschland) »etwa 25.000 Journalisten«, unter ihnen mehr als 4.500 freie Journalisten und etwas mehr als 1.500 Volontäre und Praktikanten (ebd.). Die meisten von ihnen arbeiteten bei Tages- und Wochenzeitungen (6.500). »Etwa 3.000 Journalisten waren beim Rundfunk [damals nur öffentlich-rechtlicher Rundfunk - H. P.] und sonstigen AV-Medien tätig« (Böckelmann 1993, S. 59). Die Befragten hielten mehrheitlich (»zwischen der Hälfte und zwei Dritteln«) den Journalismus »für einen ›Beruf für Idealisten‹«, Beziehungen wurden für Karrieren als wesentlich erachtet (Böckelmann 1983, S. 60). Im Rollenverständnis der Befragten dominierte die Auffassung, »politische und gesellschaftliche Prozesse kritisch zu kommentieren und zu kontrollieren« (ebd.), daneben gab es noch »die Rollenvorstellung vom Journalisten als Anwalt unterprivilegierter […] Bevölkerungsgruppen« (ebd.). Das Berufsbild befand sich damals infolge »zunehmender Rationalisierung und Technisierung der journalistischen Berufstätigkeit« im Umbruch (ebd.). Zur Erklärung: Die Einführung elektronischer Systeme der Zeitungsproduktion - und damit die Verlagerung technischer Arbeiten aus dem Bereich Satzherstellung in die Redaktion - stand damals bevor. Journalismus in Deutschland [I], Sozialenquete 1992 Weiters zu erwähnen sind die 1992 entstandenen Berufsstudien über »Journalismus in Deutschland[I]« (Weischenberg et al. 1993f; 1.500 schriftlich Befragte) sowie die »Sozialenquete über die Journalisten in der Bundesrepublik Deutschland« (Schneider et al. 1993f; 1.500 Telefoninterviews). Beide Studien beanspruchten Repräsentativität, gelangten aber infolge unterschiedlicher methodischer Designs zu mitunter mehr oder weniger voneinander abweichenden Ergebnissen. 1992 gab es im wiedervereinten Deutschland 32.000 (Sozialenquete) bzw. 36.000 (Journalismus in Deutschland) hauptberuflich tätige Journalisten, hinzu kamen rund 18.000 bis 20.000 freie Mitarbeiter. In der Summe ergab dies etwa 52.000 bis 55.000 Journalisten. Größter Arbeitgeber waren die Zeitungs- und Zeitschriften- <?page no="123"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 124 verlage, gefolgt von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie vom privaten Rundfunk (Radio, TV). Die zumindest tendenziell vergleichbaren Ergebnisse der beiden Studien lassen sich wie folgt zusammenfassen: Im Jahr 1992 waren Journalisten eine relativ junge Berufsgruppe mit einem Durchschnittsalter von 37 Jahren. Der Anteil der Frauen lag im Bundesdurchschnitt bei 30 Prozent (in Ostdeutschland höher als in Westdeutschland). Das monatliche Durchschnittseinkommen betrug damals rund 2.045 Euro netto. Die Berufszufriedenheit war hoch, besonders geschätzt wurde die berufliche Autonomie. Mit Blick auf Berufsverständnis bzw. Rollenbild stand die Informationsfunktion an erster Stelle, gefolgt von Kritik- und Kontrollaufgaben. Die Befragten verfügten über ein recht positives Publikumsbild (»aufgeschlossen«, »gut informiert«, »politisch interessiert«), bei politischen Präferenzen wurde von den Befragten die SPD besser bewertet als andere Parteien. Was ethische Fragen betraf, so standen die ostdeutschen Journalisten unfairen Methoden der Informationsbeschaffung deutlich zurückhaltender gegenüber als die westdeutschen. Junge Journalisten standen der Berufsethik unbekümmerter gegenüber als ältere. Wichtigste Orientierungsmedien der Journalisten waren Der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung sowie Tagesthemen (ARD) und Tagesschau (ARD). Die Arbeitszeit betrug im Wochendurchschnitt 46 Stunden und stieg mit höherer Berufsposition. Den größten Zeitaufwand nahm bei Printjournalisten die Recherche, bei Funkmedien die technisch aufwändigere Produktion ein. Bei den journalistischen Ausbildungswegen dominierte mit Abstand das Volontariat. In der Summe waren die Journalisten damals eine relativ homogene Berufsgruppe, eine ausgeprägte Tendenz zur »Selbstreferenz« war nicht zu übersehen: Externe Einflüsse wurden gering bewertet, hohe Beachtung kam der Kollegenorientierung zu. Journalismus in Deutschland [II] Mit der 2006 als Buchpublikation veröffentlichen Studie »Die Souffleure der Mediengesellschaft« legten Siegfried Weischenberg, Maja Malik und Armin Scholl einen umfassenden »Report über die Journalisten in Deutschland« vor (Weischenberg et al. 2006b). Kernbefunde der Studie wurden 2006 auch als Aufsatz vorab publiziert (Weischenberg et al. 2006a). Das Design des Journalistenreports 2006 entsprach weitestgehend jenem der 1993 publizierten Studie »Journalismus in Deutschland« (Weischenberg et al. 1993ff). Die Resultate der umfangreichen quantitativen und repräsentativen Erhebung beruhen auf den Antworten von 1.536 repräsentativ im Frühjahr 2005 telefonisch (mittels CATI) befragten, festangestellten oder freien Journalistinnen und Journalisten aus Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen, Anzeigenblättern, Hörfunk- und Fernsehsendern, Onlinemedien, Nachrichtenagenturen und Mediendiensten. Als Journalisten werden den Autoren der Studie zufolge (relativ eng) diejenigen Personen bezeichnet, »die hauptberuflich und hauptsächlich damit beschäftigt sind, aktuelle, auf Tatsachen bezogene und (für ihr Publikum) relevante Informationen zu sammeln, zu beschreiben und in journalistischen Medien zu veröffentlichen« (Weischenberg et al. 2006b, S. 31). 2005 gab es in Deutschland hochgerechnet etwa 48.000 hauptberuflich tätige Journalisten - festangestellt oder als hauptberuflich Freie. Gegenüber 1993 (damals rund 54.000) sind dies immerhin rund 6.000 weniger, wobei das Minus hauptsächlich auf die rückläufige Zahl von hauptberuflichen Freien - insgesamt stellen diese 12.000 bzw. ein Viertel - zurückzuführen ist (vermutlich aber auch auf die relativ eng gehaltene Definition von Journalist). Die Zahl der festangestellten Redakteure dagegen ist mit rund 36.000 gegenüber 1993 stabil geblieben (vgl. Weischenberg et al. 2006b, S. 36f ). (Die mehr als 7.000 Journalisten, die bei der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2005 als arbeitslos gemeldet waren, sind in der Statistik nicht enthalten). <?page no="124"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 125 Die Autoren eruierten Befunde zu klassischen Fragen der journalistischen Berufsforschung, u. a. also: in welchen Medien und Ressorts die Journalisten arbeiten; welche Merkmale und Einstellungen sie aufweisen; wie es um ihre Berufszufriedenheit bestellt ist; über welches Rollenbild sie verfügen; wie sie sich informieren und welche ihre Leitmedien sind; wonach sie sich richten und wie es um ihre Moral bestellt ist. Holzschnittartig - und damit naturgemäß verkürzt lässt sich der deutsche Journalist kompakt wie folgt beschreiben: Er ist männlich (63 Prozent), knapp 41 Jahre alt (1993: 37 Jahre), entstammt der Mittelschicht, verfügt über einen Hochschulabschluss (69 Prozent) und hat ein Volontariat absolviert (63 Prozent). Er arbeitet bei einem Printmedium (61 Prozent), verdient ca. 2.300 Euro netto monatlich (1993: umgerechnet 2.000 Euro), lebt in einer festen Partnerschaft (71 Prozent) und ist kinderlos (57 Prozent). Er positioniert sich weltanschaulich »eher links von der Mitte« und sieht sein Medium »mehr oder weniger rechts von der Mitte« (Weischenberg et al. 2006b, S. 70). Sein berufliches Selbstverständnis ist vom Informationsjournalismus geprägt (vgl. Weischenberg et al. 2006b, S. 102ff). Wichtige Orientierungsmedien sind für ihn die Süddeutsche Zeitung (35 Prozent) und Der Spiegel (34 Prozent) sowie die ARD-Tagesschau (19 Prozent) und weitere andere, aber weniger regelmäßig genutzte Medien (vgl. S. 132ff). Weitere Resultate sind: Frauen: Der Anteil der Frauen im Journalismus macht 37 Prozent aus (1993 waren es knapp ein Drittel, in den 70er-Jahren 20 Prozent); unter den Berufsanfängern stellen sie erfreulicher Weise bereits die Hälfte (50,3 Prozent). Frauen nehmen insgesamt nur zu gut einem Fünftel (22 Prozent) leitende Posten ein und verdienen im Durchschnitt immer noch weniger als ihre männlichen Kollegen. Vier von fünf Chefredakteuren sind männlich (vgl. S. 45ff). Auf der mittleren Führungsebene hat indessen »etwas mehr Bewegung stattgefunden« (ebd): knapp 29 Prozent der Ressortleiter und Chefs vom Dienst sind weiblich (1993: 20 Prozent). Journalistinnen sind überwiegend in Ressorts bzw. für Themen wie Mode, Wellness, Lifestyle, Gesundheit, Familie, Kinder, Soziales tätig. Diese Verteilung spiegelt »weitgehend altbekannte Rollenmuster wider« (Weischenberg et al. 2006b, S. 48), wenngleich »die Geschlechtergrenzen in den zentralen Ressorts des Journalismus langsam aufzuweichen [scheinen]« (ebd.) und Frauen »nicht mehr nur in den vermeintlichen Randbereichen des Journalismus vertreten [sind]« (Weischenberg et al. 2006b, S. 49). Vom Segment der Zeitungen abgesehen sind Frauen »in den zentralen Ressorts und zentralen Medien mindestens entsprechend dem Frauenanteil im Journalismus insgesamt repräsentiert« (ebd.). Ausbildung: Bezüglich weiterer Ergebnisse sei erwähnt, dass z. B. der Ausbildungsweg der Journalisten bislang »keinerlei Einfluss auf ihre spätere berufliche Position und nur wenig Einfluss auf ihr Gehalt« hat (S. 68). Unter den journalistischen Ausbildungswegen stehen Praktikum (69 Prozent) und Volontariat (62 Prozent) unangefochten an der Spitze, ein Studium der Journalistik weisen 14 Prozent der Befragten auf, jenes der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft 17 Prozent. Unter den universitären Studienrichtungen stehen Germanisitik/ Literatur- und Sprachwissenschaften mit 25 Prozent an der Spitze (Weischenberg et al. 2006b, S. 67f ). Medientyp: Innerhalb der Medienbereiche hat es seit 1993 Verschiebungen gegeben (vgl. Weischenberg et al. 2006b, S. 37ff): So sind bei Fernsehen und Hörfunk sowie allgemein bei Zeitschriften prozentuell vergleichsweise mehr Journalisten tätig als 1993; bei Zeitungen, Anzeigenblättern, Agenturen und Mediendiensten prozentuell weniger. Bei Onlinemedien arbeiten 5 Prozent, unter ihnen eine beträchtliche Anzahl fester Freier. Auf diese Gruppe, die Freien, greifen nun in vergleichsweise stärkerem Ausmaß auch Fernsehen und Hörfunk zurück (vgl. Weischenberg et al. 2006b, S. 40). Rollenbild: »Größte Zustimmung von den Journalisten erhalten […] Rollenbilder, die auf Information und Vermittlung gerichtet sind«: »das Publikum möglichst neutral und präzise informieren« (89 Prozent); »komplexe Sachverhalte erklären und vermitteln« (79 Prozent); »dem Publikum möglichst schnell Informationen vermitteln« (74 Prozent); »Realität genau so abbilden, wie sie ist« <?page no="125"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 126 (74 Prozent). Wichtig erscheint den Journalisten aber auch, Kritik an Missständen zu üben (58 Prozent), den Menschen Gehör zu verschaffen (34 Prozent), sich für Benachteiligte in der Bevölkerung einzusetzen (29 Prozent), Bereiche wie Politik und Gesellschaft zu kontrollieren (24 Prozent). Dagegen wollen nur 14 Prozent »die politische Tagesordnung beeinflussen und Themen auf die politische Agenda setzen« (Weischenberg et al. 2006b, S. 106f ). Absicht und Rollenumsetzung (tatsächliche Handlungsrelevanz) weichen jedoch voneinander ab, wobei es auch mediale Unterschiede (Medientyp) gibt (Weischenberg et al. 2006b, S. 107ff). Tätigkeiten: Die Wochenarbeitszeit beträgt den Angaben der Befragten zufolge 45 Stunden (und ist damit um eine Stunde weniger als 1993). Der tägliche zeitliche Aufwand für die Recherche beträgt 117 Minuten, jener für das Auswählen 33 Minuten, für das Redigieren des Informationsmaterials 33 Minuten, für das Redigieren der Texte von Kollegen und Mitarbeitern 55 Minuten. »Gleich geblieben ist mit zwei Stunden auch die Zeit, die für das Texten und Verfassen von Beiträgen aufgebracht wird […] wohingegen die Moderation (nur bei Rundfunkjournalisten) deutlich an Bedeutung verloren hat« (28 Minuten; 1993: 46 Minuten) (Weischenberg 2006b, S. 80f ). Neu hinzugekommen sind Internettätigkeiten (Kommunikation und Recherche, 122 Minuten), E-Mail-Kontakte und Kommunikation mit dem Publikum (44 Minuten). Das Mitte der 1990er-Jahre neu hinzu gekommene Internet blieb für die Arbeit der Journalisten also nicht ohne Folgen. Arbeitszufriedenheit: Die Arbeitsbzw. Berufszufriedenheit ist relativ hoch. Geschätzt wird v. a. das Verhältnis zu Mitarbeitern (93 Prozent), Arbeitskollegen (88 Prozent) und Vorgesetzten (74 Prozent). Hohe Wertschätzung genießt auch die Möglichkeit, sich die Arbeit selbst einzuteilen (79 Prozent) und mit der politischen und weltanschaulichen Linie des Medienbetriebs gut zurecht zu kommen. Auch mit der Qualität der Ausbildung sind die Befragten zufrieden (72 Prozent), die Fernsehjournalisten besonders. Mit der Höhe der Bezahlung sind 54 Prozent zufrieden, mit der beruflichen Sicherheit immerhin die Hälfte (50 Prozent). Aufstiegsmöglichkeiten werden von Chefredakteuren (56 Prozent) und Ressortleitern (46 Prozent) naturgemäß höher eingeschätzt als von Redakteuren (26 Prozent Zufriedene) oder Volontären (33 Prozent Zufriedene). Ähnlich sind die Verhältnisse bezüglich der beruflichen Absicherung (Weischenberg et al. 2006b, S. 89ff). Arbeitsklima, Ethik, Publikumsbild: Das Arbeitsklima wird durchweg als gut bezeichnet, mit der Arbeitsbelastung am wenigsten zufrieden sind die Zeitungsjournalisten, »deren Redaktionen personell am meisten von der Medienkrise betroffen sind« (Weischenberg et al. 2006, S. 93). Gegenüber der Legitimität umstrittener Recherchemethoden herrscht noch stärkere Zurückhaltung vor als 1993, jüngere Journalisten sind vergleichsweise weniger zurückhaltend (vgl. Weischenberg et al. 2006, S.-174ff). Das Publikumsbild ist differenziert; im Durchschnitt wird es für politisch interessiert und gebildet, an Informationen noch mehr interessiert gehalten als an Unterhaltung und politisch überwiegend der Mitte zugeordnet (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 157ff). Parteipräferenzen: Was die Parteipräferenzen der Befragten betrifft, so gaben 36 Prozent der Befragten an, eine Neigung für Bündnis 90/ Die Grünen zu haben, gefolgt von 26 Prozent der Respondenten mit Neigung zur SPD, neun Prozent mit Neigung zu CDU/ CSU, sechs Prozent mit Neigung zur FDP und ein Prozent zur PDS (heute: Die Linke). Weitere 20 Prozent geben an, ohne Parteineigung zu sein. Gegenüber 1993 finden die Grünen fast doppelt so viel Zuspruch (plus 19 Prozent), in der Altersgruppe der 36bis 45-Jährigen ist er mit 42 Prozent am höchsten. Bei den hier dargestellten Befunden handelt es sich nur um einige wenige (notgedrungen relativ undifferenziert wiedergegebene) Ergebnissplitter, vorwiegend nackte Daten. Die Studie enthält eine große Fülle von Erklärungen und Interpretationen dieser und weiterer Daten und Fakten, die ein differenziertes und facettenreiches Bild über die Berufsgruppe der Journalisten in Deutschland vermitteln. Die Autoren gelangen gegenüber 1993 zu einem Berufsbild, das auch die Folgen der Digitalisierung und der Wirtschaftskrise im Mediensektor zu spüren bekam; das Berufsfeld selbst hat sich <?page no="126"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 127 u. a. durch Fachmedien und spezielle Themengebiete sowie durch das Internet ausdifferenziert. Der Berufsstand franst seit geraumer Zeit bekanntlich an seinen Rändern aus, so etwa auch im Onlinejournalismus. »Man lernt, wie schwer es geworden ist zu entscheiden, ob jemand nun ein Journalist ist oder nicht. Diese Identifizierungsprobleme werden im Online-Zeitalter immer größer« (Weischenberg et al. 2006, S. 20). Die Studie wirft auch einen Blick auf die Wertschätzung von Berufen in der Bevölkerung, die für Journalisten laut Allensbacher Umfrage von 2005 mit 10 Prozent der Befragten sehr gering ist. Mittlerweile weist diese Wertschätzung wieder etwas bessere Ergebnisse auf (vgl. w. u.). In dem Band wird auch das Thema der sog. »Alphatiere« (z. B. Sabine Christiansen, Anne Will, Günther Jauch, Johannes B. Kerner, Hans-Ulrich Jörges, Sandra Maischberger etc.) im Journalismus angesprochen, teilweise konkretisiert an kontinuierlich gesammelten, veröffentlichten Äußerungen der Protagonisten bzw. betroffenen Medienstars selbst (Weischenberg et al. 2006, S. 52-53). Mit Journalisten in Deutschland befasst sich auch eine 2009 veröffentliche, qualitative Studie (Meyen/ Riesmeyer 2009). Befragt wurden mittels Leitfadeninterviews 501 nach dem Prinzip der theoretischen Sättigung ausgewählte deutsche Journalisten (vgl. Meyen/ Riesmeyer 2009, S. 49ff). Die Studie erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität, Verallgemeinerungen lässt sie infolge der relativ großen Zahl von Befragten tendenziell jedoch zu. Theoretisch basiert die Studie auf Bourdieus Konzept von Feld, Kapital und Habitus, aus welchem die Autoren eine Theorie des journalistischen Feldes herleiten (Meyen/ Riesmeyer 2009, S. 25ff). Die Autoren finden u. a. heraus, dass sich viele Befragte dem Publikum verpflichtet fühlen, was Meyen/ Riesmeyer dazu verleitet, von einer »Diktatur des Publikums« (so der Titel der Untersuchung) zu sprechen. Eine empirische Studie über »Freie Journalisten in Deutschland« wurde 2009 von Michael Meyen und Nina Springer vorgelegt (Meyen/ Springer 2009). Es handelt sich dabei um eine Onlinebefragung von 1.543 freien Journalisten, ergänzt um 82 Tiefeninterviews (vgl. Meyen/ Springer 2009, S. 12). Dieser »Report« gibt u. a. Aufschluss über die Berufsstruktur, den Arbeitsalltag, das Selbstverständnis, die Auftragslage und die Berufszufriedenheit von freien Journalisten in Deutschland. Außerdem nahmen die Autoren eine Typenbildung vor. Durchgeführt wurde die Studie im Auftrag des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes (DFJV). Im Zusammenhang mit dem Berufsbild Journalismus ist schließlich auch auf Berufsauffassungen bzw. Berufsverständnisse zu verweisen, die im Journalismus vorzufinden sind. Dabei ist es nicht unproblematisch, journalistisches Handeln typischen beruflichen Rollenmustern zuzuordnen, zumal Journalisten nicht oder nur selten »ausschließlich einem einzigen Rollenmuster folgen. Vielmehr wechseln sie zwischen verschiedenen Rollen, wie es ihre Aufgabenstellungen eben von Fall zu Fall erfordern« (vgl. Haas/ Pürer 1996, S.-355). Auch ist darauf hinzuweisen, dass für die Ausprägung journalistischer Berufsauffassungen individuelle wie mediensystemische Faktoren eine Rolle spielen. Dazu gehören u. a. persönliche Lebensläufe der Journalisten, ihre Bildungs- und Ausbildungswege sowie Erwartungen und Ansprüche an den Beruf. Zu erwähnen sind auch Erfahrungen der beruflichen Sozialisation, Sachzwänge des medienspezifischen Umfeldes und der konkreten Arbeitsbedingungen sowie Funktion und Position eines Journalisten innerhalb des Medienbetriebes selbst. Nicht zuletzt spielen für die Ausprägung des Berufsverständnisses aber auch Haltungen eines Journalisten zu den politischen und sozialen Funktionen des Journalismus und der Massenmedien eine Rolle (vgl. Haas/ Pürer 1996, ebd.). Auf folgende, mehr oder weniger typische und auch empirisch vorfindbare journalistische Berufsauffassungen (Haas/ Pürer 1996; Haas 1999) bzw. Journalismus-Konzeptionen (vgl. Bonfadelli/ Wyss 1998; Haller 2004) ist zu verweisen (die hier nicht in ihren einzelnen Details beschrieben, sondern nur im kurz gerafften Überblick vorgestellt werden): <?page no="127"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 128 • Objektive Vermittlung: Journalismus als neutrale Vermittlungsaufgabe bedeutenden Geschehens in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur; der Journalist als unparteiischer Vermittler, der Nachrichten möglichst faktengetreu und unverfälscht weitergibt; verzichtet auf Wertung und Bewertung, will Bürger unvoreingenommen informieren. Die Problematik ist folgende: Kann zum Verlautbarungsjournalismus abdriften, wenn er Hintergründe und Ursachen ausklammert, auf kritische Wachsamkeit verzichtet und an der Oberfläche bleibt (wird verkürzt gelegentlich auch »Informationsjournalismus« genannt). • Kritik und Kontrolle: Journalismus als Aufgabe der Meinungsbildung und des Wächters der Demokratie; Kritikfunktion findet Ausdruck in prüfenden und kritisch bewertenden Beiträgen (wie Glossen, Kommentaren, Leitartikeln etc.); Kontrollfunktion in aufdeckend-enthüllenden Beiträgen. Dabei ergibt sich die Problematik, dass das Berufsverständnis mitunter getragen wird von der Auffassung, wonach Medien neben Legislative, Exekutive und Judikative eine »Vierte Gewalt« sein sollen; Journalismus und Medien sind dazu jedoch nicht legitimiert. • Interpretativer Journalismus: Begnügt sich nicht damit, Fakten zu sammeln und zu referieren, sondern integriert sie in größere Zusammenhänge, recherchiert Hintergründe und bietet Analysen an; nicht die Weitergabe von Nachrichten ist wichtig, sondern besonders deren Bewertung; will Interpretationsweisen und Zusammenhangseinschätzungen von Wirklichkeit anbieten. Die Problematik dieser Berufsauffassung ist, dass sie mitunter einer individuellen, subjektiven Wirklichkeitssicht verfällt und sich als Hüter der Wahrheit zu gerieren (vorwiegend im Magazin-Journalismus vorfindbar) droht. • Anwaltschaftlicher Journalismus: Ist geprägt von parteiischer (nicht parteipolitischer) Subjektivität und versteht sich als Advokat von Personen oder Gruppen, die selbst keinen Zugang zu Medien und Interessenvertretungen haben; versucht eher »von unten nach oben« zu vermitteln (für die Schwachen und gegen die Starken, für die Ohnmächtigen gegen die Mächtigen); sieht sich als »Kommunikationshelfer«: will dem sprachlosen Bürger Gehör in der Öffentlichkeit verschaffen; verzichtet durch parteiische Stellungnahme auf Sachlichkeit und Objektivität. Problematik: Kann Gefahr laufen, sich für unredliche Zwecke missbrauchen zu lassen oder aus Fanatismus sich in deren Dienst zu stellen. • Investigativer Journalismus: Will der Öffentlichkeit vorenthaltene oder verschwiegene, gesellschaftlich aber relevante Informationen bekannt machen, Missstände und Machtmissbrauch aufdecken (to investigate = aufspüren) bzw. öffentlich machen; bedarf einer äußerst gründlichen Recherche (Tiefenrecherche) und entsprechenden Beweisführung (und wird auch »nachforschender Journalismus« oder - missverständlich - »Recherche-Journalismus« genannt); recherchiert (zunächst) nicht selten in verdeckter Form, also ohne dass dem Informanten das Ziel der Recherche bekannt ist; ergreift mitunter Partei und verzichtet auf Objektivität; der Journalist strebt mit prononciertem Standpunkt eine authentische Darstellung seiner Wirklichkeitssicht an. Das Problem ist, dass er dadurch einseitig berichten und unvollständig informieren kann. Fließender Übergang zum Enthüllungsjournalismus, dem Gefahr droht, dass Insider »aus dem Apparat« den Journalismus instrumentalisieren, indem sie Informationen für eigene Zwecke weitergeben. • Präzisionsjournalismus: Möchte dem Vorwurf der Oberflächlichkeit begegnen und macht die Instrumente und Validitätskriterien der empirischen Sozialforschung zur Basis der journalistischen Recherche; Vorbild des Journalisten ist der (empirische) Forscher, der versucht, seine Themen umfassend und mittels sozialwissenschaftlicher Verfahren zu ergründen. Problem: Läuft Gefahr, in dilettierende (Pseudo-)Wissenschaft zu entarten und die Grenzen zwischen Journalismus und Wissenschaft zu verwischen. <?page no="128"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 129 • New Journalism: Versucht, unter Rückgriff auf literarische Formen und Stilmittel Realität (oft aus der Sicht der Betroffenen) wiederzugeben, wobei der ästhetischen Ausdruckskraft des Journalisten Priorität zukommt; verzichtet bewusst auf die Trennung von Nachricht und Meinung sowie von Fiction und Nonfiction, mischt Fakten und Erfundenes; bedient sich dialogischer Formen und innerer Monologe. Stammt aus der Studentenbewegung und Hippie-Kultur der 60er- Jahre in den USA (Tom Wolfe, Truman Capote), fand und findet im deutschen Sprachraum sein Forum in Zeitgeist-Zeitschriften. • Marketingjournalismus: Versteht als stark publikumsorientiertes Konzept den Journalisten als Dienstleister und den Rezipienten als Kunden und berücksichtigt dessen Bedürfnisse bei der Produktion journalistischer Angebote; Ziel ist die langfristige Zufriedenstellung der kommunikativen Bedürfnisse des Rezipienten. Läuft dabei jedoch Gefahr, in Kommerz-Journalismus abzudriften und rein ökonomischem Kalkül zu folgen (d. h. möglichst kostengünstig bei der Werbewirtschaft nachgefragte Publika als Waren abzusetzen). • Public Journalism: Aus den USA kommend wird in jüngerer Zeit auch im deutschen Sprachraum auf den Public Journalism verwiesen: »Public Journalism nimmt fair an den gesellschaftlichen Diskursen in der demokratischen Gemeinschaft teil. Er fördert demokratische Lösungen gesellschaftlicher Probleme, ohne sich einseitig zum Anwalt für spezifische Lösungsvorschläge zu machen, und ist verantwortlich für die Resultate seiner Berichterstattung« (Forster 2007, S. 4; siehe auch Forster 2006). Die hier dargestellten Journalismus-Konzeptionen finden sich in unterschiedlichen Ausprägungen in Presse und Rundfunk (und teilweise auch in Onlinemedien) wieder und sind in aller Regel auch theoretisch begründet (vgl. Haas 1999). Sie sind nicht zu verwechseln mit zumeist negativ beurteilten Erscheinungen im Journalismus wie dem »Sensationsjournalismus«, dem »Scheckbuchjournalismus«, dem »erschlichenen Journalismus«, dem »Katastrophenjournalismus« u. a. m. Der Sensationsjournalismus übertreibt. Der Scheckbuchjournalismus monopolisiert Information gegen Geld. Der erschlichene Journalismus täuscht bisweilen lautere Ziele vor. Der Katastrophenjournalismus arbeitet voyeuristisch mit den Gefühlen, Ängsten und Nöten sowohl seiner Objekte als auch des Publikums. Aus einer normativen, journalismus-kritischen Sicht manifestieren sich in diesen Journalismen Fehlleistungen eines nur noch auf Gewinn hin orientierten Mediensystems, in welchem der ökonomische Erfolg (Auflage, Reichweite) gleichsam die journalistische Ethik diktiert. Auch der partizipative Journalismus, im Zusammenhang mit Bürgerjournalismus und Nutzerbeteiligung bei Onlinemedien oftmals genannt, gehört (weitgehend) nicht zu den klassisch-professionellen Berufsauffassungen im Journalismus. Simone Ehmig ist - im weiteren und allgemeineren Sinne des Wortes - journalistischen Berufsverständnissen deutscher Journalisten auf den Grund gegangen. Sie meint einen Generationswechsel im deutschen Journalismus festzustellen, und zwar unter dem Einfluss historischer Ereignisse auf das journalistische Selbstverständnis. So hätten zeitgeschichtliche Ereignisse das Selbstverständnis des deutschen Journalismus in drei Generationen geprägt: die »Berichterstatter« der Nachkriegszeit; den »Anwaltstypus« der 1970er und 1980er-Jahre; sowie den »Nachrichtenjäger« der 1990er-Jahre (vgl. Ehmig 2000). Mit dem journalistischen Selbstverständnis - bzw. besser: mit Paradoxien im journalistischen Selbstverständnis - befasst sich Wolfgang Donsbach in seinem Beitrag »Im Bermuda-Dreieck« (Donsbach 2008). Für ihn umfasst das Rollen- oder Aufgabenverständnis von Journalisten »all jene Verhaltenserwartungen an den journalistischen Beruf, die von den Berufsangehörigen innerhalb einer Kultur als legitim erachtet und als Richtlinien für das eigene Handeln akzeptiert werden, sodass sie sich letztlich auch im journalistischen Arbeitsprodukt niederschlagen […]« (Donsbach 2008, S.- 147). In demokratischen Gesellschaften speise sich das journalistische Selbstverständnis aus drei Tra- <?page no="129"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 130 ditionen, nämlich (Donsbach 2008, S. 147ff): als individualrechtliche bzw. subjektive Tradition (Journalismus als »subjektives Menschenrecht, das der Selbstverwirklichung des frei geborenen Individuums« dient); als Tradition der sozialen und politischen Dienstleistung (»öffentliche Aufgabe«); und der Tradition des wirtschaftlichen Primats (»Geld verdienen und bestimmte gesellschaftspolitische Zwecke verfolgen«). Die drei Traditionen werden von Donsbach im Detail beschrieben. 4.1.1.5 Zum Image von Journalisten Zu Image, Prestige, Ansehen, Vertrauen in und Glaubwürdigkeit von Journalisten liegen mehrere aktuelle Studien vor. Teils handelt es sich um schlichte Berufsrankings anhand vorgegebener Berufslisten wie etwa der Allensbacher Berufsprestigeskala oder dem GfK-Vertrauensindex, teils um wissenschaftliche Arbeiten wie jener von Sandra Lieske (2008) oder Wolfgang Donsbach et al. (2009). Allgemein wird von Imagestudien gesprochen, aus wissenschaftlicher Sicht ist mit genaueren Begriffen zu arbeiten. Das Image ist ein komplexes Konstrukt, um das herum Begriffe wie Prestige und Ansehen, v. a. aber Vertrauen und Glaubwürdigkeit konfigurieren. Es ist hier nicht möglich, auf sie im Einzelnen umfassend einzugehen, allenfalls können sie nur kurz umrissen werden (vgl. Pürer 2012). Beim Image handelt es sich um »ein Fremdbild, eine Bündelung von Vorstellungen, Bewertungen, Ideen und Gefühlen, die mit einem Objekt [hier mit einem Beruf ] verbunden werden« (Dernbach 2005, S. 145). Als Prestige »wird ausschließlich die gesellschaftlich typische Bewertung der sozialen Positionen und Merkmale von Menschen bezeichnet« (Hradil 2001, S. 277), von Bedeutung sind berufliche Positionen (S. 278). Ansehen meint »die Bewertung von Menschen aufgrund ihrer persönlichen Merkmale und Eigenschaften« wie Fleiß, Anständigkeit, fachliche Fähigkeit und Tüchtigkeit. Mit Vertrauen ist »eine gefühlsbeladene, Sicherheit verleihende Erwartungshaltung eines Menschen oder einer Mehrzahl von Personen […] hinsichtlich eines aufrichtigen, normgerechten und fairen Handelns anderer Individuen oder kollektiver Akteure« gemeint (Hillmann 2008, S. 940). Glaubwürdigkeit ist Teil des komplexen Mechanismus Vertrauen. Sie lässt sich mit Bentele »bestimmen als eine Eigenschaft, die Menschen, Institutionen oder deren kommunikativen Produkten (mündliche und schriftliche Texte, audiovisuelle Darstellungen) von jemandem in bezug auf etwas (Ereignisse, Sachverhalte etc.) zugeschrieben wird« (Bentele 1988, S. 406). Images bilden sich beim Beobachter erst im Laufe der Zeit. Zur Entstehung von Images haben Maximilian Gottschlich und Fritz Karmasin (1979) sechs Kriterien ausfindig gemacht, die für »die soziale Positionierung von Berufen relevant sein dürften«: 1) eine vorstellbare Aufgabenbeschreibung; 2) das Wissen über den Werdegang dieser Personengruppe; 3) damit verbunden die Beschreibbarkeit des Tätigkeitsbereiches; 4) unmittelbare Kontaktmöglichkeit; 5) Vorstellungen über Berufs- und Verhaltenskodex sowie 6) »eine adäquate Einschätzung seiner sozialen Funktionen, d. h. die Wichtigkeit für die Gesellschaft« (Gottschlich/ Karmasin 1979, S. 42). Für die Einschätzung eines Berufes ist bedeutsam, je eindeutiger ihm die genannten Kriterien zugeordnet werden können (vgl. ebd.). Dies gilt auch für Journalisten. Für die Entstehung von Personenimages sind weiter Bilder von Bedeutung, die wir uns von einem Gegenüber, hier also von Journalisten, machen. Dafür stehen Evelin Engesser zufolge mehrere Quellen zur Verfügung (Engesser 2005, S. 31ff): 1) direkte Beobachtungen und Erfahrungen (persönliche Kontakte); 2) indirekte Beobachtungen wie a) mediale Darstellungen von Journalisten bei der Ausübung ihres Berufes; b) personale Darstellungen wie Biografien und Autobiografien; c) fiktionale Darstellungen von Journalisten in Film, Fernsehen, Literatur; d) Produkte journalistischer Arbeit, aus denen wir auf Journalisten schließen. 3) Auf der imaginären Ebene können es Erwartungen, Vorannahmen und Vorurteile sein, auch Para-Feedback-Prozesse. <?page no="130"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 131 Im Weiteren sollen kurz Ergebnisse einiger aktueller Studien vorgestellt werden, die sich mit Prestige, Ansehen und Image von sowie Vertrauen in Journalisten befassen. Berufsrankings Der seit 1966 durchgeführten Allensbacher Berufsprestigeskala mit 18 gelisteten Berufen liegt der Journalist der Befragung von 2011 zufolge (1803 repräsentativ Befragte) mit 17 Prozent Zustimmung an 12. Stelle, der Fernsehmoderator mit nur 4 Prozent Zustimmung gar an letzter, also 18. Stelle. An der Spitze standen und stehen seit vielen Jahren Ärzte, Krankenschwestern, Lehrer etc. (Institut für Demoskopie Allensbach 2011). Dem seit 2003 von der Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung (GfK) ermittelten GfK-Vertrauensindex mit 20 gelisteten Berufen rangiert der Umfrage von 2011 zufolge der Beruf Journalist in Deutschland mit 44 Prozent der Befragten auf Platz 16. An der Spitze lagen 2011 Feuerwehr, Ärzte und Postangestellte (GfK-Vertrauensindex 2011). Weitere Umfragen zum Thema liegen in der Studie Journalismus 2009 der Makromedia-Hochschule (Journalismus 2009) und einer Imagestudie der Akademie für Publizistik Hamburg aus 2010 vor (Imagestudie 2010). Beide Studien vermitteln ein recht ambivalentes Bild der Berufsgruppe der Journalisten sowie in das Vertrauen zu den Medien. Zu den nur über Berufsskalen ermittelten Ergebnissen über Prestige, Ansehen von oder Vertrauen in Berufe ist mehreres festzuhalten: 1) In den zur Beantwortung vorgelegten Fragebögen wird meist nicht definiert, was jeweils mit Prestige, Ansehen oder Vertrauen gemeint ist. 2) Es ist unmöglich, in die Berufslisten alle Berufe aufzunehmen, die Auswahl bzw. das Umfeld der gelisteten Berufe kann für die Resultate von Bedeutung sein. (vgl. Donsbach et al. 2009, S. 39; siehe auch Kunczik/ Zipfel 2001, S. 151). 3) Die Befragten vermögen sich nicht über alle Berufe ein zuverlässiges Bild zu machen, am ehesten über Berufe, mit deren Vertretern man persönlich zu tun hat (wie etwa Verkäufer, Lehrer, Apotheker, Arzt etc.). 4) Das Urteil der Befragten kann auch vom Zeitpunkt der Umfrage beeinflusst sein: Sollte er zufällig mit öffentlich bekannt gewordenen Fehlleistungen einer Berufsgruppe, also etwa auch des Journalismus, zusammenfallen, sind die Befragten möglicherweise voreingenommen. Wissenschaftliche Studien Sandra Lieske untersuchte in ihrer Dissertation mittels qualitativer Leitfadeninterviews (24 Befragte, nicht repräsentativ) das Image von Journalisten (Lieske 2008). Dieses umfasst für sie aus der Sicht des Rezipienten »das objektiv richtige und falsche Wissen sowie subjektive, d. h. von der Persönlichkeit und den Erfahrungen des Einzelnen geprägte Vorstellungen, Einstellungen und Gefühle gegenüber Journalisten. Es wandelt sich im Laufe der Zeit, ist mit empirischen Methoden messbar und besitzt Handlungsrelevanz, da es das Verhalten des Einzelnen gegenüber Journalisten und Medieneinhalten steuert« (Lieske 2008, S. 25). Sie ermittelte neben vielem anderen (absolut auch Positivem für die Einschätzung des Berufs Journalist) zwei Typen von Journalisten, den ›seriösen‹ und den ›unseriösen‹ (Lieske 2008, S. 242ff, 287-291), wobei sie einräumt, und dies erscheint wichtig (! ), dass die Reduzierung auf ein Zwei-Kategorien-Schema »zu kurz [greift]« (vgl. Lieske 290ff). Die Aussagekraft der Ergebnisse ist daher nur sehr begrenzt. Dem seriösen Journalist wird Berufserfahrung und hohe Allgemeinbildung zugesprochen, er ist u. a. vertrauensvoll, sympathisch, verantwortungsbewusst und interessiert an ausgewogener Berichterstattung; er informiert sachlich und äußert seine Meinung in erkennbarer Form. Er wird mit öffentlich-rechtlichem Fernsehen sowie mit Qualitätsjournalismus in Printmedien (wie Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Zeit <?page no="131"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 132 etc.) in Verbindung gebracht. Anders der unseriöse Journalist, der jung und dynamisch eingeschätzt, aber u. a. als aufdringlich charakterisiert sowie teils mit unsachlicher Berichterstattung in Verbindung gebracht wird. Er hält sich nicht an journalistische Normen (u. a. illegitime Methoden der Informationsbeschaffung), verletzt die Privatsphäre leichter, hat einen schlechten Leumund, wird gar als »Schmierfink« (Lieske 2008, S. 289) gesehen. Er wird nicht ausschließlich, aber oft mit Boulevard- und Sensationsjournalismus in Verbindung gebracht, insbesondere mit der Bild-Zeitung (ebd.). Für dieses Bild des unseriösen Journalismus liefert die Verfasserin einen »Erklärungsversuch« (siehe dazu Lieske 2008, S. 278ff). Es empfiehlt sich, einen Blick auf die zahlreichen anderen Resultate der Studie im Einzelnen zu werfen. Wolfgang Donsbach et al. wollten in ihrer quantitativen Studie (1.054 telefonisch repräsentativ Befragte) mit dem Titel »Entzauberung eines Berufs« (2009) u. a. ergründen, wie es um Ansehen und Vertrauen im Journalismus bestellt ist. Das öffentliche Ansehen eines Berufs wird in der Studie als Frage der Wertschätzung gesehen »und berührt das Sozialprestige« einer Profession (Donsbach et al. 2009, S. 62f ). Vertrauen in den Journalismus »ist für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft […] wichtig« (Donsbach et al. 2009, S. 64). Anhand einer Liste von zehn vorgegebenen, breit gestreuten Berufen gaben 61 Prozent der Befragten an, dass sie Journalisten »eher schätzen«. Bei der Vertrauensfrage erhalten Journalisten nur 35 Prozent Zustimmung. Alle gelisteten Berufe werden mehr geschätzt als ihnen vertraut wird, bei keinem anderen klafft zwischen Wertschätzung/ Ansehen und Vertrauen jedoch eine so große Lücke wie bei Journalisten, nämlich 26 Prozentpunkte. Es scheint, so die Autoren, als werde aus der Sicht der Bürger »der Journalismus seiner gesellschaftlichen Rolle nicht hinreichend gerecht und enttäuscht die Bevölkerung in ihren Erwartungen erheblich« (Donsbach et al. 2009, S. 66). Auch für diese Studie scheint es angeraten, die zahlreichen weiteren Resultate zu betrachten. Mögliche Ursachen Worin könn(t)en Ursachen für das negative, aber auch ambivalente Bild der Journalisten in der Bevölkerung liegen? In der Literatur finden sich u. a. die folgenden Gründe: • unklare Vorstellungen in der Bevölkerung vom weitgesteckten Tätigkeitsbereich der Journalisten, über ihren Werdegang und ihre Ausbildung (Gottschlich/ Karmasin 1979, S. 43f ); • Alltagserfahrungen der Menschen, dass »Informationen über [in den Medien berichtete - Ergänzung H. P.] Ereignisse […] nicht immer mit den Ereignissen selbst überein[stimmen]« (Bentele 1988, S. 407); • Medienskandale bzw. lange Zeit zurückliegende negative Ereignisse wie etwa der Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher (Lieske 2008, S. 287); • neben Medienskandalen u. a. auch die Entschleierung der kommerziellen Basis der Medien sowie etwa auch Negativismus in der Nachrichtenauswahl (Donsbach et al. 2009, S. 13ff); • negative fiktionale Journalistenbilder in Filmen (vgl. Lieske 2008, S. 296) und, so darf man vermutlich ergänzen, auch in TV-Serien und Romanen (vgl. Engesser 2005). Für Horst Pöttker sind Skandalisierung und Negativismus des Journalismus und der Medien nicht a priori schlecht: Beides resultiere aus der »grundlegenden Pflicht zum Veröffentlichen«, insbesondere über (tabuisierte) Missstände und Fehlleistungen, »die der Öffentlichkeit bedürfen, um bearbeitet und korrigiert zu werden« (Pöttker 1997, S. 86). Das Image der Journalisten ist also durchaus ambivalent: Einerseits werden sie geschätzt als Nachrichtenboten, Aufklärer und Welterklärer, andererseits sieht man in ihnen manchmal auch profil- <?page no="132"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 133 süchtige Skandalproduzenten. Auffällig ist die - auch empirisch bestätigte - hohe Arbeitszufriedenheit unter den Journalisten (Weischenberg et al. 2006b, S. 89-92). Beruht sie möglicherweise nicht zum Teil auch an einem »Defizit an selbstkritischem Vermögen« (Roegele 2000, S. 159) dieser Berufsgruppe? Mit dem Image von und Erwarungen an Journalisten befassen sich jüngst auch Magdalena Obermaier et al. (2012) am Beispiel eines »online-affinen« Publikums. 4.1.2 Journalisten und Medieninhalte In der Kommunikationswissenschaft wird seit langem der Frage nachgegangen, wie Medieninhalte zu Stande kommen und welche Rolle dabei u. a. auch die Journalisten spielen. Es geht also um die Entstehungsbedingungen journalistischer Aussagen(produktion). Diese Thematik wirft für die Systematik des vorliegenden Buches ein Abgrenzungsproblem auf: Soll das Thema im Rahmen der Kommunikatorbzw. Journalismusforschung erörtert oder in den Ausführungen über Aussagenbzw. Medieninhaltsforschung abgehandelt werden (vgl. Kap. 4.2)? Die Ermittlung von Nachrichtenfaktoren, um die es im Folgenden u. a. auch geht, erfolgt nämlich oftmals auch inhaltsanalytisch (vgl. u. a. Wilke 1984b). Die Entscheidung wird hier zu Gunsten der Kommunikator-/ Journalismusforschung getroffen. Es sind mehrere Themenkreise anzusprechen, nämlich: 1) die Theorien zur Nachrichtenauswahl, insbesondere die Gatekeeper- und Nachrichtenwertforschung; 2) die Problematik der instrumentellen Aktualisierung sowie 3) das Verhältnis Public Relations und Journalismus. Was das Zustandekommen von Medieninhalten betrifft, so ist auf eine Erkenntnis zu verweisen, die ursprünglich auf Östgaard (1965) zurückgeht, inzwischen aber zum Allgemeingut kommunikationswissenschaftlicher Forschung und Lehre gehört, nämlich dass exogene und endogene Faktoren für den allgemeinen Nachrichtenfluss von Bedeutung sind. Exogene Faktoren, solche also, die außerhalb der Medien liegen, sind in politisch-rechtlichen Bestimmungen und Maßnahmen, in ökonomischen Bedingungen, in internationalen Modalitäten des Nachrichtenflusses etc. zu sehen, kurz: Faktoren, die Journalismus und Massenkommunikation von außen tangieren. Dazu gehört aber z. B. auch der Einfluss, der von Öffentlichkeitsarbeit und anderen Formen organisierter Kommunikation auf den Journalismus ausgehen kann. Endogene Faktoren sind dagegen solche, die im Nachrichtensystem und im Journalismus selbst angelegt sind, also von innen her zum Tragen kommen. 4.1.2.1 Theorien zur Nachrichtenauswahl Theorien zur Nachrichtenauswahl versuchen zu erklären, warum Journalisten in den Medien über bestimmte Themen und Ereignisse berichten und über andere nicht. Neuerdings wird auch versucht herauszufinden, warum Rezipienten bestimmte Themen in den Medien konsumieren und andere nicht (ein Forschungsbereich, der also eher in das Feld der Rezipientenforschung gehört, gleichwohl aber hier abgehandelt werden soll). Zu den klassischen Forschungsrichtungen, die sich mit Nachrichtenauswahl von Journalisten befassen, gehören die Gatekeeper-Forschung (einschließlich der News- Bias-Forschung), organisationstheoretische Studien sowie die Nachrichtenwerttheorie. Die in den 1950er-Jahren in den USA aufkommende Gatekeeper-Forschung stellte den Journalisten in den Mittelpunkt ihrer Forschungsbemühungen. Dieser Forschungszweig geht ursprünglich auf sozialpsychologische Studien Kurt Lewins über das Einkaufsverhalten von Hausfrauen am Beispiel der Auswahl von Lebensmitteln zurück (was kommt in den Einkaufskorb, was nicht). Das Konzept wurde 1949 von David M. White auf den Journalismus übertragen. In einer kleinen amerikanischen Zeitungsredaktion wurde ergründet, welche aus dem Fernschreiber stammenden Nachrichten vom <?page no="133"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 134 Nachrichtenredakteur »Mr. Gates« (gatekeeper = der Türhüter, Pförtner) für die Zeitung verwendet bzw. nicht verwendet wurden. Die Gatekeeper-Forschung ging anfangs davon aus, dass die Nachrichtenauswahl nach mehr oder weniger subjektiven Kriterien des einzelnen Journalisten sowie nach professionellen Auswahlkriterien eher passiv erfolgt (vgl. White 1950; Gieber 1956). Insbesondere die News-Bias-Forschung legte ihren Schwerpunkt v. a. auf die persönlichen Überzeugungen von Journalisten und deren Einfluss auf die Nachrichtenauswahl (vgl. Klein/ Maccoby 1954; Carter 1959; Flegel/ Chaffee 1971). Dieser Persönlichkeitsansatz - und das ist seine Schwäche - stützt(e) sich einseitig auf eine Persönlichkeitspsychologie ab und geht beim Gatekeeper von einer individualistischen Entscheidungssituation aus, »die auf der Annahme basiert, der Journalist arbeite mehr oder weniger allein« (Bonfadelli/ Wyss 1998, S.-25). In weiterführenden Gatekeeper-Studien wurde erkannt, dass bei der Nachrichtenauswahl auch sozialpsychologische (der Gatekeeper als Träger einer Berufsrolle) und soziologische Aspekte (Strukturen und Funktionen einer Gesamtredaktion) eine Rolle spielen. So fand z. B. Warren Breed die Bedeutung der beruflichen Sozialisation heraus, in deren Verlauf Journalisten Normen und Werte (z. B. Blattlinie, Blattpolitik, »Rotstift« des Chefredakteurs etc.) der Redaktion kennen lernen (vgl. Breed 1955). Weiterhin wurde herausgefunden, dass handwerkliche Kriterien, Produktionszwänge (wie Zeitdruck und Platzvorgaben, insbesondere Platzmangel, Redaktionsschluss), politische und ideologische Orientierungen (z. B. Grundrichtung einer Zeitung, redaktionelle Gruppennormen) sowie Wertorientierungen der Berufsgruppe die Nachrichtenauswahl mitbestimmen (vgl. Shoemaker/ Reese 1991). Solche organisationstheoretische Studien berücksichtigen, »dass Gatekeeper keine isolierten Individuen sind, sondern in bürokratisch organisierte Institutionen integriert sind« (Bonfadelli/ Wyss 1998). Die von der amerikanischen Soziologin Gaye Tuchman entwickelte und im deutschen Sprachraum von Ulrich Saxer aufgenommene Theorie der redaktionellen Entscheidungsprogramme/ Routinen kann als Weiterführung und Modifikation des organisationstheoretischen Ansatzes betrachtet werden, wie Schanne und Schulz (1993) ausführen. Ausgangsthese ist folgende Annahme (Bonfadelli/ Wyss 1998 in Anlehnung an Schanne/ Schulz 1993): »Journalismus als Massenproduktion von Unikaten unter hohem Zeitdruck setzt ausgewählte Gesichtspunkte der Wirklichkeit in Szene, »und zwar auf Grund redaktioneller Entscheidungsroutinen« (Bonfadelli/ Wyss 1998). Das bedeutet in der Konsequenz: Zunächst muss auf Grund struktureller Kriterien wie Zugänglichkeit der Informationsquellen, Beschaffungsaufwand, Zeit-/ Platzmangel etc. die Zahl der berichtenswerten Themen und Ereignisse eingeschränkt werden. Sodann sind die Themen und Ereignisse bestimmten Ressorts bzw. Rubriken im Medium zuzuordnen. Schließlich drittens müssen die Ereignisse »bestimmten journalistischen Kriterien genügen, d. h. sie müssen Nachrichtenwerte verkörpern« (Bonfadelli/ Wyss 1998, S.-26). Damit ist die Brücke zur Nachrichtenwerttheorie geschlagen. Die Nachrichtenwert-Forschung konzentriert sich auf Merkmale von Ereignissen, über die berichtet wird. Das Konzept der Nachrichtenwerttheorie geht ursprünglich auf Walter Lippmann zurück. Er identifizierte spezifische Ereignismerkmale, sog. »news values«, von denen er annahm, dass sie die Publikationswahrscheinlichkeit erhöhen (vgl. Lippmann 1922). Der Nachrichtenwert wird einer Nachricht durch entsprechende Nachrichtenfaktoren verliehen. Im Kern geht die Nachrichtenwerttheorie davon aus, dass Ereignisse, auf die mehrere Nachrichtenfaktoren in hohem Maße zutreffen, eher zur Veröffentlichung ausgewählt werden als Ereignisse mit niedrigem Nachrichtenwert. Im Laufe der Zeit entwickelten verschiedene Kommunikationsforscher anhand theoretischer Überlegungen und empirischer Studien ein immer differenzierteres Spektrum von Nachrichtenfaktoren. Anhand einer Analyse von zehn Titelgeschichten in amerikanischen Tageszeitungen ergründete Carl Merz (1925) Merkmale wie Personalisierung, Prominenz, Spannung und Konflikt. In den 1950er-Jah- <?page no="134"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 135 ren wurde in den USA ein relativ stabiler Katalog von sechs Faktoren entwickelt, die als Definitionskriterien für Nachrichten in Lehrbüchern für Journalisten aufscheinen, nämlich: Konflikt, Unmittelbarkeit, Nähe, Prominenz, Ungewöhnlichkeit und Bedeutung (vgl. Warren 1953). In Europa trug Einar Östgaard verschiedene Ergebnisse empirischer Forschung zusammen und kam zu dem Schluss, dass in erster Linie die Faktorendimensionen Vereinfachung, Identifikation und Sensationalismus die Zeitungsinhalte bestimmen (vgl. Östgard 1965; Schmidt/ Zurstiege 2000, S.-134): Mit Vereinfachung ist gemeint, »dass die Medien einfache Nachrichten gegenüber komplexer strukturierten bevorzugen«. Mit dem Faktorkomplex Identifikation wird zum Ausdruck gebracht, »dass Nachrichten, sollen sie ihr Publikum erreichen, nicht nur verständlich, sondern darüber hinaus auch relevant für das Publikum sein müssen«. Dabei erhalten kulturell nahe liegende Themen eine Bevorzugung gegenüber kulturell entfernteren Themen. »Mit dem Faktorenkomplex Sensationalismus beschrieb Östgaard seine Beobachtung, dass die Nachrichtenmedien die Aufmerksamkeit ihres Publikums v. a. durch Berichte über dramatische und emotional aufgeladene Ereignisse zu gewinnen suchen. Aus diesem Grund dominieren Nachrichten über Krisen, Konflikte und Auseinandersetzungen in der Berichterstattung der Medien« (Schmidt/ Zurstiege 2000, S.-134). Aufbauend auf den Überlegungen Östgaards entwickelten die ebenfalls norwegischen Friedensforscher Johan Galtung und Mari Holmboe Ruge die Nachrichtenwerttheorien theoretisch weiter. Galtung und Ruge formulierten zwölf Auswahlregeln, die sie als Nachrichtenfaktoren bezeichneten; deren empirisch-inhaltsanalytische Überprüfung nahmen sie allerdings nur anhand eines kleinen Ausschnittes, nämlich an der Auslandsberichterstattung (Kongo, Kuba, Zypern-Krise) von vier Tageszeitungen vor. Es sind dies die Faktoren Elite-Nationen, Elite-Personen, Frequenz, Schwellenfaktor, Eindeutigkeit, Negativismus, Bedeutsamkeit, Konsonanz, Überraschung, Kontinuität, Variation/ Kompensation sowie Personalisierung. Aus den nachfolgenden Ausführungen geht hervor, was inhaltlich jeweils gemeint ist (vgl. Abb. 2, S. 136). In den Faktoren 1 bis 8 sind kulturunabhängige Faktoren zu sehen, in den Faktoren 9 bis 12 kulturabhängige. Wie Siegfried J. Schmidt und Guido Zurstiege (2000) schreiben, haben Galtung und Ruge versucht, »das Zusammenwirken der einzelnen Nachrichtenfaktoren im gesamten Prozess der Nachrichtenselektion näher zu bestimmen. In fünf Hypothesen konkretisierten Galtung und Ruge die Ergebnisse ihrer theoretischen Überlegungen: 1) Selektionshypothese: Je stärker die Nachrichtenfaktoren auf ein Ereignis zutreffen, desto wahrscheinlicher ist es, dass darüber berichtet wird. 2) Verzerrungshypothese: Die Merkmale, die den Nachrichtenwert eines Ereignisses bestimmen, werden in der Berichterstattung akzentuiert. Dies hat zur Folge, dass das Bild, das die Nachrichtenmedien von den berichteten Ereignissen vermitteln, in Richtung auf Nachrichtenfaktoren verzerrt ist. 3) Wiederholungshypthese: Weil Prozesse der Selektivität und der Verzerrung auf allen Stufen der Nachrichtenproduktion ablaufen, verstärken sich die Verzerrungseffekte, je mehr Selektionsstufen im Prozess der Nachrichtenproduktion überwunden werden müssen. Gerade im Rahmen der Auslandsberichterstattung müssen lange Selektionsketten überwunden werden, was zur Folge hat, dass Auslandsmeldungen stärker in Richtung auf die Nachrichtenfaktoren verzerrt sind als Inlandsmeldungen. 4) Additivitätshypothese: Je mehr Nachrichtenfaktoren auf ein Ereignis zutreffen, desto wahrscheinlicher ist es, dass über dieses Ereignis berichtet wird. 5) Komplementaritätshypothese: Die Nachrichtenfaktoren verhalten sich komplementär zueinander, das Fehlen eines Faktors kann also durch einen anderen ausgeglichen werden« (Schmidt/ Zurstiege 2000, S.-137f ). <?page no="135"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 136 Abb. 2: Nachrichtenfaktoren nach J. Galtung und M. H. Ruge (1965) Der Faktorenkatalog von Galtung/ Ruge wurde von deutschen Kommunikationswissenschaftlern wie Winfried Schulz (1976), Joachim F. Staab (1990), Christiane Eilders (1997), Georg Ruhrmann et al. (2003), Benjamin Fretwurst (2008) überarbeitet, erweitert und in meist breit angelegten Forschungsarbeiten (Medieninhaltsanalysen, Befragungen von Mediennutzern und auch Journalisten) empirisch überprüft. Während z. B. Schulz und Staab in ihren Forschungen mittels Inhaltsanalyse kommunikatorientiert arbeiteten, sind z. B. Eilders, Fretwurst und auch Ruhrmann et al. mittels Befragungen auch rezipientenorientiert. Die Faktoren von Schulz (1976) und Staab (1990) lassen sich dabei wie folgt gegenüber stellen (vgl. Abb. 3), wobei erkennbar ist, dass zahlreiche Faktoren übereinstimmen, teils aber etwas anders benannt werden. Eilders (1997) fügte den Faktor Sex/ Erotik hinzu, Fretwurst in seiner Systematik (2008, S. 112f sowie S. 130) den Faktor (nach Galtung/ Ruge 1965, in: Noelle-Neumann, Elisabeth et al. (Hrsg.): Fischer Lexikon Publizistik/ Massenkommunikation 2009, S.-391) F1: Frequenz Je mehr der zeitliche Ablauf eines Ereignisses der Erscheinungsperiodik der Medien entspricht, desto wahrscheinlicher wird das Ereignis zur Nachricht. F2: Schwellenfaktor (absolute Intensität, Intensitätszunahme) Es gibt einen bestimmten Schwellenwert der Auffälligkeit, den ein Ereignis überschreiten muss, damit es registriert wird. F3: Eindeutigkeit Je eindeutiger und überschaubarer ein Ereignis ist, desto eher wird es zur Nachricht. F4: Bedeutsamkeit (kulturelle Nähe, Betroffenheit, Relevanz) Je größer die Tragweite eines Ereignisses, je mehr es persönliche Betroffenheit auslöst, desto eher wird es zur Nachricht. F5: Konsonanz (Erwartung, Wünschbarkeit) Je mehr ein Ereignis mit den vorhandenen Vorstellungen und Erwartungen übereinstimmt, desto eher wird es zur Nachricht. F6: Überraschung (Unvorhersehbarkeit, Seltenheit) Überraschendes (Unvorhersehbares, Seltenes) hat die größte Chance, zur Nachricht zu werden, allerdings nur dann, wenn es im Rahmen der Erwartungen überraschend ist. F7: Kontinuität Ein Ereignis, das bereits als Nachricht definiert ist, hat eine hohe Chance, von den Medien auch weiterhin beachtet zu werden. F8: Variation Der Schwellenwert für die Beachtung eines Ereignisses ist niedriger, wenn es zur Ausbalancierung und Variation des gesamten Nachrichtenbildes beiträgt. F9: Bezug zur Elite-Nation Ereignisse, die Elite-Nationen betreffen (wirtschaftlich oder militärisch mächtige Nationen), haben einen überproportional hohen Nachrichtenwert. F10: Bezug auf Elite-Personen Entsprechendes gilt für Elite-Personen, d. h. prominente und/ oder mächtige, einflussreiche Personen. F11: Personalisierung Je stärker ein Ereignis personalisiert ist, sich im Handeln oder Schicksal von Personen darstellt, desto eher wird es zur Nachricht. F12: Negativismus Je »negativer« ein Ereignis, je mehr es auf Konflikt, Kontroverse, Aggression, Zerstörung oder Tod bezogen ist, desto stärker wird es von den Medien beachtet. <?page no="136"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 137 Kuriosität. Ruhrmann et al. (2003) ermittelten den Faktor Visualisierung (vgl. Maier 2003; Dielmann 2003). Die Studien von Ruhrmann et al. (2003), Fretwurst (2008) sowie Michaela Maier et al. (2009) »basieren auf 19 bzw. 22 Nachrichtenfaktoren« (Maier et al. 2010, S. 97). Die Entwicklung des Kataloges der Nachrichtenfaktoren von Ostgaard (1965) bis Ruhrmann et al. (2003) ist dem Lehrbuch »Nachrichtenwerttheorie« von Maier et al. (2010, S. 80-84) zu entnehmen. Abb. 3: Nachrichtenfaktoren nach W. Schulz (1976) und J. F. Staab (1990) Nachrichtenfaktoren Schulz (1976) Nachrichtenfaktoren Staab (1990) Persönlicher Einfluss Status der Ereignisnation Prominenz Status der Ereignisregion Erfolg Institutioneller Einfluss Zeitliche Ausdehnung/ Dauer Persönlicher Einfluss Räumliche Nähe Prominenz Politische Nähe Politische Nähe Kulturelle Nähe Räumliche Nähe Struktur/ Eindeutigkeit Wirtschaftliche Nähe Relevanz Kulturelle Nähe Ethnozentrismus Tatsächlicher Nutzen/ Erfolg Überraschung Möglicher Nutzen/ Erfolg Thematisierung Tatsächlicher Schaden/ Misserfolg Nationale Zentralität Möglicher Schaden/ Misserfolg Personalisierung Personalisierung Konflikt Überraschung Kriminalität Zusammenhang von Themen Schaden Etablierung der Themen Regionale Zentralität Faktizität Reichweite Kontroverse Aggression Demonstration Schulz hat seine 1976 (und dann 1982 etwas modifiziert) hergeleiteten Nachrichtenfaktoren zu sechs Faktorendimensionen gebündelt. Hier die aus 1982 stammende Bündelung bzw. Zuordnung: Faktorendimension Konsonanz: Thema, Vorhersehbarkeit, Stereotypen; Dimension Status: Elitenation, Eliteperson, Eliteinstitution; Dimension Dynamik: Unvorhersehbarkeit, Aktualität, Unsicherheit; Dimension Valenz: Kontroverse, Erfolg, Aggression, Werte; Dimension Identifikation: Personalisierung, Ethnozentrismus, Nähe, Emotionen; Dimension Relevanz: Konsequenzen, Betroffenheit (vgl. Maier et al. 2010, S. 99 mit Bezugnahme auf Schulz 1982). Als problematisch erweist sich, wenn Journalismus und Massenmedien, und dies ist bei Presse, Hörfunk und Fernsehen weitgehend der Fall, sich ausschließlich an Nachrichtenfaktoren orientieren und ihr Selektionsverhalten danach ausrichten. Es kommt dann nämlich zu einer verzerrten (Schulz, Winfried (1976): Die Konstruktion von Realität in den Nachrichtenmedien. Freiburg/ München. Staab, Joachim Friedrich (1990): Nachrichtenwerttheorie. Formale Struktur und empirischer Gehalt. Freiburg/ München. Vgl. auch Maier et al. 2010, S. 80ff.) <?page no="137"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 138 Berichterstattung, die Realität und Medienrealität weit auseinander klaffen lässt. Winfried Schulz, der sich, wie dargelegt, intensiv mit Nachrichtenwerten beschäftigt hat, »sieht - wie schon Lippmann (1922) - in den Nachrichtenfaktoren weniger Merkmale von Ereignissen, als vielmehr journalistische Hypothesen von Wirklichkeit, d. h. Annahmen der Journalisten über Inhalt und Struktur von Ereignissen, die ihnen zu einer als sinnvoll angenommenen Interpretation von Realität dienen« (Schulz 1994, S.-332; vgl. auch Schulz 1989). Konsequent weitergedacht würde dies bedeuten, dass Journalisten nur noch Konstrukte von Wirklichkeit liefern bzw. dass Wirklichkeit die Folge der Medien sei - ein Grundgedanke, von dem der Konstruktivismus, bzw. der radikale Konstruktivismus, ausgeht. Dem (Kausal-)Modell, das Nachrichtenfaktoren als Determinanten der Auswahl versteht (Orientierung der Journalisten an Nachrichtenwerten - entsprechendes Selektions- und Publikationsverhalten als Folge), wird von Joachim F. Staab und Hans Mathias Kepplinger ein sog. »Finalmodell« (Staab 1990) gegenübergestellt. »Es verweist auf die Möglichkeit der Instrumentalisierung von Nachrichtenfaktoren. Demzufolge spielen bei der Nachrichtenselektion politische Einstellungen der Journalisten eine wichtige Rolle; Nachrichten sind bloß Nebenprodukt oder Legitimation der letztlich durch politische Absichten (der Journalisten - Ergänzung H. P.) gesteuerten Auswahlprozesse« (Schulz 1994, S.-332). Eine vergleichende Darstellung von Kausal- und Finalmodell ist Maier et al. (2010, S. 20) zu entnehmen. Von Kepplinger wurde diese Sichtweise 1998 in einem Zwei-Komponenten-Modell der Nachrichtenauswahl präzisiert. Die eine Komponente im Modell sind die Nachrichtenfaktoren als Merkmale von Ereignissen; die zweite sind variierende Selektionsbzw. Auswahlkriterien der Journalisten, die mit den Nachrichtenfaktoren die Auswahl, Platzierung und den Umfang der Berichterstattung bestimmen (Kepplinger 1998; siehe auch Kepplinger/ Ehmig 2006, Maurer/ Reinemann 2006, Maier et al. 2010 sowie Kepplinger/ Bastian 2000). Aus den zurückliegenden zehn bis 15 Jahren liegen zahlreiche, größere oder kleinere Studien zum Thema Nachrichtenfaktoren vor. Einige dieser Arbeiten seien hier stellvertretend für andere erwähnt. Christiane Eilders (1997 und 1999) z. B. übernimmt weitgehend die Nachrichtenfaktoren von Staab und überträgt das ursprünglich kommunikatororientierte Konzept der Nachrichtenwerttheorie auf die Nachrichtenrezeption. Neu fügt sie die Faktoren Emotion sowie den bereits bei Emmerich 1984 genannten Faktor Sex/ Erotik hinzu. Ihre Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage, ob die in der bisherigen Nachrichtenwertforschung überwiegend zu journalistischen Auswahlkriterien reduzierten Nachrichtenfaktoren auch die Rezeption von Nachrichten durch das Publikum beeinflussen, und zwar sowohl die Hinwendung zu als auch die Erinnerung an bestimmte Nachrichten (vgl. Eilders 1997 und 1999). Empirisch wurde diese Fragestellung überprüft, indem Medienbeiträge und deren Rezeption in Bezug auf ihre Orientierung an Nachrichtenfaktoren verglichen wurden. Eilders konnte das auf die Rezeption erweiterte Nachrichtenwertkonzept im Wesentlichen bestätigen, d. h. Nachrichtenfaktoren steuern sowohl die journalistische Verarbeitung wie auch Interesse und Rezeption durch Nachrichtenrezipienten. Als besonders bedeutsam stuften Rezipienten dabei v. a. die Faktoren Etablierung, Kontroverse, Überraschung, Einfluss/ Prominenz, Personalisierung und Schaden ein, während die Faktoren Nutzen, Faktizität und Reichweite für Rezipienten offenbar keine besonderen Kriterien darstellen (vgl. Eilders 1997, S. 266). Eine recht umfangreiche Forschungsarbeit zur Nachrichten(wert)theorie haben Georg Ruhrmann, Jens Wölke, Michaela Maier und Nicole Dielmann (Ruhrmann et al. 2003) mit der Monografie »Der Wert von Nachrichten im deutschen Fernsehen« vorgelegt. Es handelt sich dabei um eine Analyse von Nachrichtensendungen zweier öffentlich-rechtlicher (ARD, ZDF) und sechs privater Programmveranstalter (SAT.1, RTL, ProSieben, RTL 2, VOX, Kabel 1) im Deutschen Fernsehen anhand von 22 Nachrichtenfaktoren über den Zeitraum von 1992 bis 2001 (konkret Nachrichtensendungen aus den Jahren 1992, 1995, 1998 und 2001) sowie weiteren empirischen Studien: Das gesamte Datenmaterial der umfassenden Untersuchung basiert 1) auf Inhaltsanalysen der Fernsehnachrich- <?page no="138"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 139 tensendungen (2.427 Beiträge; Maier in Ruhrmann et al. 2003, S. 61ff); 2) auf zwölf Leitfadeninterviews mit TV-Nachrichtenjournalisten (vgl. Dielmann in Ruhrmann et al. 2003, S. 99ff); sowie 3) auf einer Analyse der Rezeptionsmuster der Zuschauer anhand von Erinnerungs- und Bewertungsfragen (315 Befragte; vgl. Woelke in Ruhrmann et al. 2003, S. 163ff). Eine Typologisierung der Fernsehzuschauer rundet die mehrmethodisch angelegte Untersuchung ab (Ruhrmann in Ruhrmann et al. 2003, S. 201ff). Hier nur holzschnittartig einige Ergebnissplitter: 1) Inhaltsanalyse (vgl. Maier 2003, S. 96ff): Die Nachrichtenfaktoren Faktizität und Einfluss (einflussreiche Personen) prägten die Nachrichtenauswahl. In Berichten über deutsche Außenpolitik gewann der Faktor Konflikt (Kontroverse/ Aggression) an Bedeutung. Zugelegt haben auch Visualisierung und bildliche Darstellung von Emotionen. (Eine zunehmende Visualisierung der Fernsehnachrichten bestätigen auch nachfolgende Studien - vgl. Maier et al. 2010, S. 107ff). Was übergeordnete Dimensionen betrifft, so gibt es bezüglich der Faktoren Konflikt/ Negativität, Nähe, Nutzen und Prominenz »stabile Strukturen.« 2) Befragung TV-Nachrichtenjournalisten (vgl. Dielmann 2003, S. 135ff): Visualisierung von Nachrichten mittels Bildern und Filmen ist den Journalisten sehr wichtig (vgl. o.). Wachsender Konkurrenzdruck zwingt zu mehr Aktualität. Relevant sind Themen, die die Nation und viele Menschen betreffen und für/ über die gutes Bildmaterial vorliegt. Wichtig ist den Befragten auch Zuschauer- und Serviceorientierung. Wesentliche Gatekeeper in TV-Nachrichtenredaktionen sind Chefredaktion, der Chef vom Dienst und Planungsredakteure. 3) Befragung TV-Nachrichtennutzer (vgl. Woelke 2003, S. 194ff): Hauptabendnachrichtensendungen werden seitens deren Zuschauer entlang der nutzungsbezogenen Eigenschaften Relevanz, Referenz, Ereignisstruktur und Güte ähnlich bewertet. Zuschauer von ARD (Tagesschau) und ZDF (heute) sind - übrigens auch den GfK-Daten zufolge - »deutlich älter« als Zuschauer der RTL- 2-News oder von ProSieben-Nachrichten. Themenetablierung, Prominenz oder Personalisierung erhöht die Zuwendungschance, Umgekehrtes gilt für die Nachrichtenfaktoren räumliche, politische, wirtschaftliche oder kulturelle Nähe. Faktoren wie Aggression und Kontroverse führen bei einigen Sendern zu einer höheren Zuwendungswahrscheinlichkeit. Benjamin Fretwurst konzentrierte sich in einer Studie über Fernsehnachrichten Ende 2005 auf die Erinnerung und Einschätzung dieser Nachrichten durch die Rezipienten. Er kombinierte eine Inhaltsanalyse (677 Beiträge) mit einer Onlinebefragung von 1.584 Rezipienten. Fretwurst findet bestätigt, dass sich »die selektive Erinnerung der Rezipienten […] von den Auswahlentscheidungen der Journalisten [unterscheidet]« (Fretwurst 2008, S. 231). Zwar weichen auf dem Feld der politischen Kommunikation »die Zusammenhänge zwischen den journalistischen Auswahlentscheidungen und Selektionsvorgängen bei den Zuschauern nur geringfügig voneinander ab« (Fretwurst 2008, S. 231) und es besteht Übereinkunft zwischen Journalisten und Rezipienten bezüglich kontrovers diskutierter Themen der Zeit. »Die Differenzen beginnen beim Negativismus. ›Gewalt‹, ›Schaden‹, ›Kriminalität‹ ohne politische Relevanz senkt die Beachtung der Rezipienten scheinbar. Tatsächlich erhöht der negative Charakter von Ereignissen die Beachtung in den Fernsehnachrichten. […] Die Ereignisse ohne gesellschaftliche Relevanz, die aufgrund ihres negativen Charakters in die Nachrichten gelangen, werden von den Rezipienten seltener als wichtigste Meldungen genannt oder erinnert« (ebd.). Fretwurst zeichnete die Entwicklung der Nachrichtenwerttheorie detailliert nach und nahm auch eine Neubestimmung der Nachrichtenwerttheorie vor, er hat diese »aber nicht auf den Kopf gestellt« (Fretwurst 2008, S. 232; vgl. auch dessen Abbildungen 2.1, S. 113 sowie Abb. 4.5, S. 217). Die Entwicklung des Katalogs der Nachrichtenfaktoren enthält in einer anschaulichen Darstellung Maier et al. 2010, S. 80-84. <?page no="139"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 140 In ihrem Beitrag »Wir werden diese Bilder nie vergessen« berichten Michaela Maier und Karin Stengel (2007) über die von ihnen untersuchte enorme Bedeutung des Faktors Visualität für die Nachrichtenberichterstattung über internationale Krisen (Maier/ Stengel 2007). Ines Engelmann legte 2012 eine Studie über »Nachrichtenfaktoren und die organisationsspezifische Nachrichtenselektion« vor. Es handelt sich dabei um eine Erweiterung der Nachrichtenwerttheorie um die Meso-Ebene journalistischer Organisationen (Engelmann 2012). Von Ingrid Andrea Uhlmann (2012) liegt eine Studie zur Auswahlwahrscheinlichkeit von Nachrichten vor. Nach wie vor lesenswert - nicht nur, aber v. a. - für pressegeschichtlich Interessierte ist Jürgen Wilkes bereits 1984 publizierte Studie »Nachrichtenauswahl und Medienrealität in vier Jahrhunderten«, die vom 17. bis ins 20. Jahrhundert reicht (Wilke 1984b). Kommentierte Literaturempfehlungen zum Thema Nachrichtenwerttheorie sind dem bereits erwähnten Lehrbuch von Maier et al. »Nachrichtenwerttheorie« zu entnehmen (Maier et al. 2010, S.-135-138), ebenso auch Erläuterungen der Nachrichtenfaktoren (Maier et al. 2010, S. 139-141). 4.1.2.2 Nachrichtenauswahl als »instrumentelle Aktualisierung« Die Theorie der instrumentellen Aktualisierung geht im deutschen Sprachraum v. a. auf Hans Mathias Kepplinger zurück. Mit dieser 1989 vorgestellten Journalismus-Theorie erweitert Kepplinger die in den klassischen Gatekeeper-Forschungen vertretenen Nachrichtenselektionsmodelle um eine weitere Dimension (vgl. Kepplinger 1989b). Dabei unterscheidet er Selektions-, Inszenierungs- und Aktualisierungsmodelle und das jeweilige Verhältnis von Realität und Realitätsdarstellung in diesen Modellen (vgl. Kepplinger 1989b): • Im Selektionsmodell agieren Journalisten bei der Nachrichtenselektion als weitgehend passive, apolitische, neutrale und nichtzweckorientierte Vermittler, die auf sog. »Realitätsreize« (d. h. mehr oder weniger berichtenswerte Ereignisse) nur reagieren. Die Berichterstattung wird in dieser Auffassung als kausale Kette aus Ursache und Wirkung angesehen: Ereignisse mit bestimmtem Charakter und von öffentlichem Interesse gelten als Ursache für die darauf folgende Berichterstattung von Journalisten (vgl. Kepplinger 1990, S.-39). • In Inszenierungsmodellen ist die Berichterstattung Folge geschickter Inszenierungen (Kampagnen) durch politische, wirtschaftliche oder kulturelle »Akteure«, durch Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Kultur also, die gezielt »Pseudo-Ereignisse« (wie Pressemitteilungen, Produktvorstellungen, Bilanzpressekonferenzen u. Ä.) schaffen mit dem Ziel, dass darüber in den Medien berichtet wird. • Im Aktualisierungsmodell werden bereits geschehene Ereignisse durch Journalisten gezielt und zweckgerichtet genutzt. Dabei steht am Anfang die Überlegung des Journalisten, welche Wirkung er mit einer Publikation verfolgt. Diese Überlegung entscheidet über die Art der Berichterstattung. Dem Aktualisierungsmodell zufolge selektieren Journalisten also nicht nur als Reaktion auf Schlüsselreize (Ereignisse), sondern sie berichten vielmehr über bestimmte Themenaspekte oder Ereignisse, um bestimmte Ziele zu unterstützen (oder auch auf Grund der zu erwartenden Folgen). Dabei machen sie sich - je nach persönlicher Zustimmung oder Ablehnung eines Ereignisses - v. a. Argumente von außermedialen Experten zu Eigen, die ihre persönlichen Ansichten stützen; umgekehrt blenden sie Aspekte aus, die nicht ihre persönliche Problemsicht fördern. Diese Form der Informationsbzw. Nachrichtenauswahl bezeichnet Kepplinger als »instrumentelle Aktualisierung von Ereignissen« (Kepplinger 1989a, S.-11). Nachrichtenfaktoren sind in seinem Verständnis nicht nur Ursachen, sondern auch Folgen der Entscheidung von Journalisten, etwas zu publizieren oder nicht. <?page no="140"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 141 Instrumentelle Aktualisierung ist Kepplinger zufolge v. a. bei sog. publizistischen Konflikten zu beobachten - bei Konflikten also, die zwischen zwei (oder mehr) Kontrahenten in der Öffentlichkeit über die Massenmedien ausgetragen werden. Dabei, so Kepplinger, spielen Journalisten bewusst bestimmte Ansichten hoch oder herunter - je nachdem, welche Argumentation sie sich zu Eigen machen wollen - um entsprechend ihrer persönlichen Problemsicht Entwicklungen bewusst zu fördern (oder bewusst nicht zu fördern). Kepplinger hat seine Theorie wiederholt empirisch belegt, u. a. am Beispiel Kernenergie: So hätten deutsche Tageszeitungen, deren Journalisten sich überwiegend für die Kernenergie aussprachen, in den 1980er-Jahren v. a. positive Expertenurteile über Kernenergie veröffentlicht, während atomkritische Zeitungen genau umgekehrt verfahren seien (vgl. Kepplinger 1989a, S.-12). »Verwandte und konkurrierende Ansätze« (Maier et al. 2010) sind in Gatekeeping (vgl. w. o.), News Bias, Agenda Setting und Framing zu sehen (vgl. dazu Maier et al. 2010, S. 116ff, vgl. auch Kunczik/ Zipfel 2001, S. 266ff). Bei der News-Bias-Forschung »interessiert speziell, ob und inwieweit Medien oder Journalisten mit ihrer Nachrichtenauswahl eine bestimmte politische Linie unterstützen« (Maier et al. 2010, S. 122) und damit eine (bewusste? ) Verzerrung der Berichterstattung verbunden ist. Dies kann z. B. durch die Heranziehung »opportuner Zeugen« geschehen. In diesem Kontext ist z. B. von einer »Synchronisation« (Schönbach) von Nachricht und Meinung die Rede: »Nicht die Kommentare [interpretieren] die Fakten, sondern die Fakten [werden] so ausgewählt, dass sie die Kommentare bzw. die redaktionelle Linie stützen« (Kunczik/ Zipfel 2001, S. 268; siehe Schönbach 1977). Der Agenda-Setting-Ansatz untersucht, »welchen Einfluss die Medien auf die Bedeutung von Themen bei der öffentlichen Meinungsbildung und Diskussion haben«, zumal die öffentliche Wahrnehmung von Themen »von der Art und Weise ihrer medialen Präsentation ab[hängt]« (Maier et al. 2010, S. 124; vgl. Kap. 4.4.3.2 im vorliegenden Buch). Frames wieder »sind »Interpretationsrahmen, die als kognitive Strukturen im Bewusstsein verankert sind - bei Journalisten wie beim Publikum. Erfahrungen werden gespeichert und als Rahmen benutzt, um spätere Erfahrungen sinnvoll und schnell interpretieren, einsortieren und wieder vergessen zu können. Diese Bezugsrahmen strukturieren ein Thema und steuern damit die Informationsverarbeitung. Wesentliches Kennzeichen von Frames ist, dass sie Bewertungen enthalten. Sie können insofern auch als ›Deutungsmuster‹ bezeichnet werden« (Meier 2007a, S. 195; vgl. Entman 1993). Framing ermöglicht den Journalisten, »das Hauptaugenmerk nur auf bestimmte, vom Journalisten ausgewählte Aspekte« zu lenken. Den Rezipienten ermöglichen sie »die Einordnung des berichteten Ereignisses oder Themas in bereits bekannte Muster«, sie »vereinfachen so das Verstehen und die Interpretation des rezipierten Inhalts« (Maier et al. 2010, S. 128). Matthias Potthoff (2012) stellt dar, wie Medienframes entstehen. 4.1.2.3 Journalismus und Public Relations Seit geraumer Zeit - etwa seit Mitte der 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts - nimmt Öffentlichkeitsarbeit rapide zu, spielen Public Relations für öffentliche Kommunikation eine immer größere Rolle. Offensichtlich haben viele ›Akteure‹ in Politik, Wirtschaft, Kultur und Verwaltung erkannt, dass man Journalismus und Massenmedien für eigene Zwecke nutzen bzw. instrumentalisieren kann. Die Entwicklung ist auch aus der Mitgliederzahl der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) ersichtlich: Waren es Anfang der 1980er-Jahre noch 500, so sind es zur Jahrtausendwende weit mehr als 2000 Mitglieder. Wenn, was unbestritten zu sein scheint, die »hohe Schule« der PR darin besteht, Einfluss auf das Mediensystem zu nehmen und Wirklichkeit so geschickt zu inszenieren, dass sie <?page no="141"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 142 nicht als Konstrukt, sondern als reale Wirklichkeit erscheint (vgl. Merten 1999, S.-269), stellt sich verständlicherweise die Frage nach dem Verhältnis von Journalismus und Public Relations: Sind Öffentlichkeitsarbeiter bzw. PR-Manager mithilfe von Pressemitteilungen, Veranstaltungen, Events, Pressekonferenzen etc. in der Lage, wesentlich auf Journalismus und Medienberichterstattung Einfluss zu nehmen (zumal Überzeugung die basale Funktion von PR darstellt)? Sind sich Journalisten dieser Einflussversuche bewusst und erliegen sie der Flut jener von PR-Beratern gezielt gesteuerten Informationen nicht, die täglich die Schreibtische der Journalisten überschwemmen? Theoretische Beschreibungen des Verhältnisses zwischen Public Relations und Journalismus finden sich zumindest in drei Forschungskontexten: in der Forschung zur politischen Kommunikation, in der medienrelevanten Forschungstradition des Agenda-Setting-Ansatzes sowie in der Kommunikationswissenschaft als Beziehung zwischen den Tätigkeitsbereichen Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit. Diese drei Forschungskontexte können hier nicht im Einzelnen erörtert werden (vgl. u.). Nur so viel sei zu den beiden ersten angemerkt: Im Forschungskontext Politische Kommunikation stellt sich die Frage, ob das politische System mit seinen öffentlichkeitswirksamen Akteuren das Mediensystem nach eigenen Bedürfnissen steuert (Konzept der ohnmächtigen Medien) oder ob das Mediensystem durch die eigene Medienlogik Voraussetzungen und Formen der Kommunikation politischer Akteure bestimmt (Konzept der mächtigen Medien)? Als zwischen diesen beiden Auffassungen vermittelnde Position ist jene zu sehen, die das Verhältnis zwischen politischem System und Mediensystem als »Symbiose« (vgl. Sarcinelli 1987, S.- 213) bzw. als »komplexe Interaktion zwischen zwei Gruppen von wechselseitig abhängigen und daher anpassungsbereiten Akteuren (vgl. Schmidt-Beck/ Pfetsch 1994, S.-215) sieht. Diese Position kommt der kommunikationswissenschaftlichen Theorie der Intereffikation von Public Relations und Journalismus nahe. In der Forschungstradition des medienbezogenen Agenda-Setting-Ansatzes stellt sich die Frage nach dem Entstehungsprozess öffentlicher Themen: Bezogen auf Public Relations meint dies, ob Public Relations Themen in die Öffentlichkeit streuen, die von den Medien aufgegriffen und thematisiert werden oder ob umgekehrt Themen in der Gesellschaft vorhanden sind, die durch Public Relations und Medien öffentliche Bedeutung erfahren (vgl. u. a. Brosius/ Weimann 1995). In der kommunikationswissenschaftlichen Forschungstradition wird das Verhältnis zwischen Journalismus und PR als Verhältnis von Berufsfeldern gesehen. Es konkurrieren in diesem Forschungsfeld im Wesentlichen zwei theoretische Zugänge: die These von der Determination des Journalismus durch Public Relations sowie die These von der Intereffikation von Public Relations und Journalismus. Was ist damit gemeint? Die Determinationsthese geht auf eine empirische Studie von Barbara Baerns (1985) zurück, wurde von ihr selbst aber nicht so genannt (vgl. Raupp 2005). In ihrer Studie untersuchte Baerns die Verwendung von Pressemitteilungen bei Landespressekonferenzen Nordrhein-Westfalens durch die Medien. Sie fand heraus, dass Öffentlichkeitsarbeit die Informationsleistung tagesbezogener Medienberichterstattung wesentlich bestimme: Öffentlichkeitsarbeit, so Baerns damals, habe die Themen der Medienberichterstattung und das Timing unter Kontrolle (vgl. Baerns 1985 und 1991). Beide Systeme, Public Relations und Journalismus, werden von Baerns als um Macht konkurrierende Systeme verstanden (wobei sie nur den Einfluss vonseiten der PR auf den Journalismus untersuchte). Unter Bezugnahme auf die Feststellung (Bestimmen von Themen und Timing) wurde in der Rezeption der Studie von Baerns »der Begriff ›Determinationsthese‹ geprägt« (Raupp 2005, S. 192), wobei es sich jedoch nicht um eine verifizierbare oder falsifizierbare These handelt, sondern eher um den »Status eines ›heuristischen Paradigmas‹«, das die kommunikationswissenschaftliche Forschung »nachhaltig beeinflusst« hat (ebd.). Zur Determinationsthese liegt auch eine empirische Studie von Claudia Riesmeyer (2007) vor. <?page no="142"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 143 Etwas anders formulierte es René Grossenbacher, der Öffentlichkeitsarbeit als »Hilfssystem« der Medien bezeichnet und feststellt, dass Medien sich »offensichtlich auf Leistungen von Öffentlichkeitsarbeit verlassen« (Grossenbacher 1989, S.-90). Informationen würden zunehmend weniger durch Journalismus produziert als vielmehr durch PR, beide Systeme seien aber im Sinne von Komplementarität voneinander abhängig. Journalismus sei um Objektivität bemüht und diene der Allgemeinheit; Aufgabe der Public Relations sei es, Informationen in die Öffentlichkeit zu bringen, die den Interessen bestimmter Institutionen nützen. Es gibt auch Studien, die die These von der Determination des Journalismus durch PR dahingehend modifizieren, dass als intervenierende Variablen Nachrichtenwert und Krisensituation eingeführt werden. Dabei zeigte sich mehrfach, dass der Einfluss von PR auf Medieninhalte dann relativ groß ist, wenn PR für die Medien ein Ereignis inszeniert, das nicht aus einer Krisensituation resultiert. Hingegen ist der Einfluss von PR auf Medieninhalte dann deutlich geringer, wenn PR in einer Krisen- oder Konfliktsituation an das Mediensystem herantritt (vgl. Barth/ Donsbach 1992, S. 163). Auf Grund der Erfahrungen aus dem praktischen Journalismus und der praktischen PR kann übrigens angenommen werden, dass es auch Einflüsse des Mediensystems in Richtung PR gibt. So sind PR-Praktiker gezwungen, sich an zeitliche Abläufe und Routinen des Journalismus anzupassen oder sich bei der Selektionsentscheidung der dem Mediensystem zu präsentierenden Themen an Nachrichtenfaktoren (Aktualität, Relevanz, Prominenz etc.) zu orientieren, wenn sie erfolgreich agieren wollen. Aus dieser Überlegung heraus kann nach Günter Bentele u. a. festgehalten werden, dass ein differenziertes Modell notwendig erscheint, um die gegenseitigen Einflussbeziehungen zwischen Journalismus und Public Relations zu untersuchen. Bentele und seine Mitarbeiter entwickelten daher das Intereffikationsmodell (efficare = ermöglichen), das »aus einem empirischen Projekt heraus erwachsen« ist (Bentele 2005, S. 209). Bentele spricht ausdrücklich von einem Modell, nicht von einer Theorie (siehe Bentele 2005, S. 210). Das Modell beschreibt das Verhältnis zwischen PR-System und journalistischem System als »komplexes Verhältnis eines gegenseitig vorhandenen Einflusses, einer gegenseitigen Orientierung und einer gegenseitigen Abhängigkeit zwischen zwei relativ autonomen Systeme[n] […] Die Kommunikationsleistungen jeder Seite sind nur möglich, weil die jeweils andere Seite existiert und mehr oder weniger bereitwillig ›mitspielt‹« (Bentele et al. 1997, S.-240). Das PR-System mit seinen Akteuren kann die jeweiligen Kommunikationsziele i. d. R. nur mithilfe des Mediensystems und dessen Akteuren erreichen. Umgekehrt ist die Existenz des Mediensystems von der Zuliefer- und Kommunikationsbereitschaft des PR-Systems abhängig. Weil die Kommunikationsleistungen jeder Seite nur dadurch möglich werden, dass die Leistungen der anderen Seite vorhanden sind, ergibt sich die Feststellung, dass jede Seite so die Leistungen der anderen Seite erst ermöglicht - daher der Begriff Intereffikation (vgl. Bentele et al. 1997, S.-240). Innerhalb der Intereffikationsbeziehungen kann man zwischen kommunikativen Induktionen und Adaptionen unterscheiden (vgl. Bentele et al. 1997, S.- 241 ff). Induktionen sind intendierte, gerichtete Kommunikationsanregungen oder -einflüsse, die beobachtbare Wirkungen im jeweils anderen System haben. Adaptionen lassen sich als kommunikatives und organisatorisches Anpassungshandeln definieren, das sich bewusst an verschiedenen sozialen Gegebenheiten (wie organisatorischen oder zeitlichen Routinen) der jeweils anderen Seite orientiert, um den Kommunikationserfolg der eigenen Seite zu optimieren. Gegenseitige Adaption ist die Voraussetzung für gelingende Interaktion. Zu den Induktionsleistungen des PR-Systems (in Richtung auf das journalistische System) gehört die Themensetzung bzw. Themengenerierung (Issue Building, Agenda Building), die Bestimmung über den Zeitpunkt der Information (Timing), aber auch die Bewertung von Sachverhalten, Personen, Ereignissen etc. Zu den Adaptionen des PR-Systems gehören Anpassungen an zeitliche, sach- <?page no="143"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 144 liche und soziale (z. B. redaktionelle) Regeln und Routinen des Journalismus (wie Anpassungen an die Zeiten des Redaktionsschlusses). Vonseiten des Journalismus sind Induktionsleistungen v. a. durch die Selektion der Informationsangebote, in der Entscheidung über Platzierung und Gewichtung der Information, in der journalistischen Bewertung der Information, in der Veränderung sowie in der journalistischen Informationsgenerierung vorhanden. Journalistische Adaptionsprozesse finden statt durch die Orientierung an organisatorischen, sachlich-thematischen und zeitlichen Vorgaben des PR-Systems. Das Intereffikationsmodell will also v. a. einen Beitrag zum Verständnis des komplexen Prozesses der Themengenerierung und Themengestaltung auf Kommunikatorseite leisten (vgl. Bentele et al., ebd.). Beide Systeme, das der Public Relations und das des Journalismus, können sich weder dem Einfluss noch der Abhängigkeit vom jeweils anderen entziehen. Auch muss es nicht zu einem »Nullsummenspiel« zwischen beiden kommen; vielmehr sind auch »Win-Win- Situationen« (vgl. Szyszka 1997, S.- 222) denkbar. So ist Journalismus (nicht zuletzt unter ökonomischen Zwängen) darauf angewiesen, Öffentlichkeitsarbeit als leicht zugängliche Quelle zu nutzen. Die Public Relations wieder müssen daran interessiert sein, dass ihre Informationen von funktionierenden journalistischen Medien geprüft und einer Weitervermittlung für wert befunden werden, denn: Journalistische Information gilt in den Augen des Publikums als glaubwürdiger als erkennbar partikulare Organisationsmeinung einer PR-Abteilung (vgl. Szyszka 1997, S.- 223). Das Beziehungsgeflecht zwischen Journalismus und Public Relations wird auch von Merten (vgl. Merten 1999, S.-256-292) dargestellt. Allgemeine Theorieansätze sowie spezielle Ansätze mittlerer Reichweite zu Public Relations, dies sei hier ergänzt, sind dem »Handbuch der Public Relations« zu entnehmen (Bentele et al. 2005), darunter u. a. systemtheoretisch-gesellschaftsorientierte, konstruktivistische, kritische Ansätze oder etwa über verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit. Das Handbuch enthält weiters disziplinäre Perspektiven (u. a. kommunikationswissenschaftliche, organisationssoziologische, sozialpsychgologische, wirtschaftswissenschaftliche und politikwissenschaftliche), Definitionen und Praktikertheorien, Schlüsselbegriffe und Bezugsgrößen, Ausführungen über Öffentlichkeitsarbeit und berufliches Handeln, Beiträge über Berufsrollen in und Berufsfelder der PR, über Kommunikationshandeln in den PR sowie nicht zuletzt auch über normative Grundlagen rechtlicher und ethischer Natur. Ein Band über »Journalismus und Public Relations: ein Theorieentwurf der Intersystembeziehungen in sozialen Konflikten« stammt von Olaf Hoffjann (2007). Mit »strategischem Framing« als PR-Strategie, also mit der Platzierung von »Situationsdeutungen bzw. Frames in den Medien, um darüber Sichtweisen der Rezipienten zu beeinflussen«, befasste sich Tabea Böcking (2009, hier S. 92). Am Beispiel der Diskussion über embryonale Stammzellforschung in Deutschland untersuchte sie den Einfluss gesellschaftlicher Akteure (wie DFG, BMBF, Wissenschaftler, Ärzteorganisationen und gemeinwohlorientierte Gruppen wie die beiden christlichen Kirchen) auf die mediale Debatte mittels PR-Materialien in den beiden überregional verbreiteten, weltanschaulich unterschiedlich positionierten Tageszeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung und Süddeutsche Zeitung. Einschlägige empirische Studien zum Beruf Public Relations liegen vor von Romy Fröhlich et al. (2005) sowie Peter Szyszka et al. (2009). »Das Bild der Public Relations in der Qualitätspresse« (so der Titel) haben Romy Fröhlich und Katharina Kerl (2012) ermittelt. 4.1.3 Weitere Themen der Kommunikator-/ Journalismusforschung Wie in anderen Feldern der Kommunikationswissenschaft auch, gibt es ebenso in der Kommunikatorbzw. Journalismusforschung Themenkontinuität und Themenwandel. Der Wandel in den Forschungsperspektiven ergibt sich nicht zuletzt dadurch, dass auch das Mediensystem permanent einem <?page no="144"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 145 Wandel unterliegt. Besonders deutlich wird dies z. B. an jenen Veränderungen, denen weite Bereiche des Journalismus durch Multimedia und Onlinekommunikation unterliegen. Es ist dies eines jener Themen, die nachfolgend neben anderen abgehandelt werden sollen wie etwa die Thematik Qualität im Journalismus, Ethik im Journalismus, redaktionelles Marketing sowie Boulevardjournalismus, also das, was man im Fach auch »Populären Journalismus« nennt. 4.1.3.1 Qualität im Journalismus Das Thema Qualität in Journalismus und Massenmedien ist, wie ein Blick in die kommunikationswissenschaftlichen Forschungstraditionen zeigt, nicht neu, verliert sich dann jedoch immer wieder (vgl. Arnold 2009, S. 24-79). Angesichts der Tatsache, dass beträchtliche Teile des Journalismus und der Massenmedien in immer noch zunehmendem Maße ökonomischen Zwängen unterliegen, stellt sich sowohl für kritisch reflektierende Medienpraktiker wie auch für die Kommunikationswissenschaft mehr denn je die Frage, was journalistische Qualität ist und wie Qualität im Journalismus gesichert werden kann. Dabei ist wichtig zu erkennen, »dass das Bemühen um Qualität und Qualitätssicherung im Journalismus nicht nur als eine Frage der individuellen Verantwortung (des Journalisten - Ergänzung H. P.) zu betrachten ist, sondern die vielfältigen Einflüsse gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, des Mediensystems, der Medienunternehmen etc. jeweils zu berücksichtigen sind« (Fabris 1997, S.-71). So wird denn auch die Diskussion über journalistische Qualität »von ganz unterschiedlichen Akteurskategorien mit unterschiedlichen Interessen am Journalismus und aus unterschiedlichen Perspektiven bestritten« (Bonfadelli/ Wyss 1998, S.-39). Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei journalistischen Produkten - abgesehen von deren technisch-materieller Qualität - vorwiegend um geistig-kulturelle Güter handelt. Deren Qualität ist bekanntlich schwerer zu bestimmen als etwa jene rein materieller Güter. Auch hängt das Qualitätsurteil vielfach vom subjektiven Gesichtspunkt des Betrachters bzw. der Anspruchsträger ab: So wird ein leidenschaftlicher und ausschließlicher Leser der Bild-Zeitung etwas anderes unter journalistischer Qualität verstehen als etwa ein langjähriger Abonnent der Süddeutschen Zeitung oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. (Deren Wirtschaftsteile sind z. B. für Geschäftsleute und Manager äußerst wichtig und qualitativ gehaltvoll, können aber wegen ihrer oftmals sehr speziellen Themen und ihrer relativ unverständlichen Fachsprache für den Normalverbraucher möglicherweise irrelevant und wertlos sein). Und auch der Werbekunde, der auf das redaktionelle Umfeld seiner Anzeige sowie v. a. auch auf deren Druckqualität achtet, wird mit Qualität anderes verbinden als etwa ein Linguist, für den die gute Verständlichkeit der Texte einer Zeitung ein besonderes Qualitätsmerkmal darstellt - vom Juristen ganz zu schweigen, für den Qualität im Journalismus nicht zuletzt darin besteht, dass er inhaltlich nicht gegen Gesetze verstößt. Die Zahl der Beispiele ließe sich fortsetzen, und der Berliner Journalismusforscher Stephan Ruß-Mohl meinte Anfang der 1990er-Jahre nicht ganz zu Unrecht, Qualität im Journalismus definieren zu wollen gleiche »dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln« (Ruß-Mohl 1992, S.-85). Gleichwohl ist es Ruß-Mohl im deutschen Sprachraum als einem der Ersten gelungen, Mehrdimensionalität und Multiperspektivität von Qualität im Journalismus aufgezeigt zu haben. Er definierte Qualität als abhängige Variable und machte deutlich, dass Qualitätsmaßstäbe abhängig sind vom jeweiligen Medium, seiner Periodizität, dem einzelnen journalistischen Genre, der angestrebten Zielgruppe und der erwarteten Funktion des Mediums sowie vom Selbstverständnis der Medienschaffenden (vgl Ruß-Mohl 1992, S.-85). Weiter verweist Ruß-Mohl auf innerredaktionelle und außerredaktionelle Infrastrukturen (sog. »I-Faktor«), die für Qualität im Journalismus relevant sind (Ruß-Mohl 1994a). An anderen Versuchen, journalistische Qualität zu bestimmen, hat es <?page no="145"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 146 nicht gefehlt (vgl. z. B. Rosengren et al. 1991; McQuail 1992; Göpfert 1993; Wallisch 1995; Meier/ Bonfadelli 1994; Ruß-Mohl 1994a, Ruß-Mohl 1994b; Hagen 1995; Themenheft »Qualitätssicherung im Mediensystem« der Zeitschrift Medienjournal 23: 1999). Aus ihnen geht in je unterschiedlicher Weise hervor, dass sich Beschreibungsversuche von Qualität im Journalismus orientieren an 1) verschiedenen Anspruchsträgern (Leser, Hörer, Zuschauer, Werbewirtschaft, Rechtsgrundlagen, journalistische Berufskultur etc.); 2) sozialen Bezugssystemen (Gesellschaft, Interessengruppen, Publikum etc.) sowie 3) worauf die Qualitätsbeurteilung jeweils fokussiert: auf das Gesamtsystem, auf das journalistische Handeln, auf bestimmte Produktionsprozesse (Auswahl, Recherche etc.) sowie auf das Produkt, z. B. einen einzelnen Beitrag oder die Gesamtausgabe (vgl. Bonfadelli/ Wyss 1998, S.-40). Von Siegfried Weischenberg stammt ein Kreismodell (Weischenberg 2006, S. 13), welches mit Blick auf Einflussfaktoren bezüglich Qualität im Journalismus unterscheidet zwischen Mediensystemen (Qualitätsnormen wie Rechtmäßigkeit, Vielfalt etc.), Medieninstitutionen (Qualitätsmanagement innerhalb der Medienbetriebe wie Ausbildung, Total Quality Management), Medienaussagen (Qualitätsmaßstäbe, wie Aktualität, ›Objektivität‹, Vielfalt) und Medienakteuren (Qualitätsbewusstsein, Standards, Arbeitsmethoden). Mit Total Quality Management ist ein Qualitätsmanagement gemeint, das alle Unternehmensbereiche (einschließlich ihrer Mitarbeiter) umfasst bzw. betrifft, um mit optimalen Produkten - im Medienbereich also möglichst mit allen dargebotenen Inhalten - am Medienmarkt konkurrieren zu können. Nach diesen allgemein gehaltenen Ausführungen sollen im Folgenden konkrete Kriterien genannt werden, die für Forschungszwecke mehr oder weniger pragmatisch und als Postulate an den Journalismus mehr oder weniger normativ entwickelt wurden. Sie beziehen sich nicht ausschließlich, aber weitgehend auf (empirisch zu messende oder zu beurteilende) journalistische Produkte. Der Dortmunder Journalistikprofessor Günther Rager z. B. nennt für Printmedien die vier Qualitätsdimensionen Aktualität, Relevanz, Richtigkeit und Vermittlung (vgl. Rager 1994a und 1994b). Stefan Schirmer fügte mit Bezugnahme auf den Deutschen Pressekodex den Faktor ethische Angemessenheit hinzu (vgl. Schirmer 2001). Die Kommunikationswissenschaftler Heribert Schatz (Duisburg) und Winfried Schulz (Nürnberg) ziehen zur Bestimmung von Qualitätskriterien für Fernsehprogramme das deutsche Rundfunkrecht heran und benennen fünf Anforderungen: das Gebot der inhaltlichen Vielfalt, das Gebot der Relevanz, das Gebot der Professionalität, das Gebot der Rechtmäßigkeit sowie Publikumsakzeptanz. (vgl. Schatz/ Schulz 1992; Schulz 1996). Ein weiteres Konzept zur Qualitätsbewertung von Rundfunkangeboten stammt von den Medienforschern Michael Buß und Harald Gumbl (vgl. Buß/ Gumbl 2000). Ein Versuch, Qualitätskontrolle im Rundfunk zu realisieren, ist von Marianne Blumers erarbeitet worden (vgl. Blumers 2000); mit Qualitätssteuerung im Fernsehen haben sich auch Jan Metzger und Ekkehardt Oehmichen befasst (vgl. Metzger/ Oehmichen 2000). Der Dortmunder Kommunikationswissenschaftler Horst Pöttker sieht 1) vier auf Journalismus und Medien bezogene Qualitäten in den Kriterien Richtigkeit, Vollständigkeit, Wahrhaftigkeit und Verschiedenartigkeit; 2) vier mehr zum Publikum hin gewandte Qualitäten in den Kriterien Unabhängigkeit, Zeitigkeit bzw. Aktualität, Verständlichkeit und Unterhaltsamkeit; sowie 3) zwei kommunikatorbezogene Kriterien in Wechselseitigkeit und Sorgfalt beim Abwägen (Pöttker 2000, S. 382f ). Klaus Arnold (2009) entwickelte ein integratives Qualitätskonzept, wobei er zwischen drei Ebenen unterscheidet, nämlich: zwischen 1) funktional-systemorientierter Ebene mit den Kriterien Vielfalt, Aktualität, Relevanz, Glaubwürdigkeit, Unabhängigkeit, Recherche, Kritik, Zugänglichkeit, Hintergrundberichterstattung und regionaler/ lokaler Bezug; 2) normativ-demokratieorientierter Ebene mit den Kriterien Ausgewogenheit, Neutralität/ Trennung von Nachricht und Meinung, Achtung der Persönlichkeit; sowie 3) nutzerbezogen-handlungsorientierter Ebene mit den Kriterien Anwendbarkeit, Unterhaltsamkeit und Gestaltung (Arnold 2009, S. 134-241; siehe auch Zusammenfassung bei Arnold 2009, S. 229-238). <?page no="146"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 147 Für die Qualität von Nachrichtenagenturen hat Lutz M. Hagen die folgenden Kriterien theoretisch erarbeitet und empirisch überprüft: Menge der Information, Relevanz, Richtigkeit, Transparenz, Sachgerechtigkeit, Ausgewogenheit, Vielfalt, Aktualität und Verständlichkeit (Hagen 1995). Eine kleine Studie über die Qualität von Nachrichtenagenturen aus der Sicht von Kunden in Deutschland hat Felix Grüll vorgelegt (Grüll 2009). Bewerten konnten die befragten Nachrichtenjournalisten in leitenden Funktionen aus Printmedien, Radio, TV und Onlinemedien die Kriterien Objektivität, Zuverlässigkeit, Schnelligkeit, Sprache und Textaufbau (auf Textebene); Selektion, Übersichtlichkeit und Feature-Anteil (auf Dienstebene) sowie Kooperationsbereitschaft und Korrespondentennetz (auf Unternehmensebene). Versucht man die in den hier vorgestellten (aber auch noch anderen) Katalogen vorhandenen Kriterien zu vergleichen, so sind die meistgenannten Kriterien Aktualität (bzw. Zeitigkeit), Vielfalt (bzw. Verschiedenartigkeit), Relevanz (Bedeutung) sowie Richtigkeit (bzw. Verlässlichkeit) (vgl. dazu auch Beck et al. 2010, S. 24-25); den einen Maßstab zur Beurteilung von Medienqualität gibt es freilich nicht. (Selbstverständlich haben die hier genannten Autoren ihre Kriterien jeweils auch definiert und entsprechend operationalisiert; aus Platzgründen muss hier jedoch auf deren nähere Erläuterung verzichtet werden.) Über die Beurteilung von Medienqualität aus Nutzersicht liegen u. a. Studien von Günther Rager (1993) und Klaus Arnold (2009) für die Zeitung, von Jens Wolling für Fernsehnachrichten (2002), von Gerhard Vowe und Jens Wolling für den Hörfunk (2004), von Patrick Rössler (2004) und Urs Dahinden et al. (2004) für Onlinemedien vor. Es ist hier - u. a. wegen ihrer unterschiedlichen und teils komplexen Designs - nicht möglich, auf sie einzugehen. Nur so viel zu Print: Was Zeitungsleser betrifft, so beurteilen diese Günter Rager (1993) zufolge die Qualität nach Themen, die sie interessieren und legen u. a. Wert auf Aktualität, Vollständigkeit, Kürze und sprachliche Verständlichkeit (Rager 1993). Klaus Arnold (2009) fand u. a. heraus, dass allgemeine wichtige Kriterien für Zeitungsqualität »klassische« Kriterien wie Vielfalt, Glaubwürdigkeit, Zugänglichkeit/ Verständlichkeit, Neutralität und Ausgewogenheit sind (Arnold 2009, S. 382). Zeitungen sollen respektvoll im Umgang mit Menschen, unabhängig und mutig sein sowie ausgewogen und neutral berichten. Ein Kriterium, das als sehr wichtig eingeschätzt wurde, ist »neben der Aktualität die Zugänglichkeit: Eine Zeitung soll viele kurze Berichte enthalten, übersichtlich und angenehm zu lesen sein« […] und »über wichtige Themen aber auch ausführlich berichten« (ebd.). Im Zusammenhang mit Medienqualität kommt man nicht umhin, wenigsten kurz auch Möglichkeiten der Qualitätssicherung anzusprechen. Stephan Ruß-Mohl nennt redaktionelle und infrastrukturelle Bedingungen (i-Faktor) der Medienbetriebe (Ruß-Mohl 1994a sowie 2003, S. 341), Vinzenz Wyss setzt auf das »Total Quality Management - TQM« (2002 sowie 2003). Von Michael Haller wieder stammt der Benchmarking-Ansatz (Haller 2003; siehe auch Rau 2007, S. 205-248). Es lohnt sich, diese Ansätze, die hier aus Platzgründen nicht erörtert werden können, im Einzelnen in der erwähnten Literatur nachzulesen. Zahlreiche Beiträge, v. a. empirische Studien und deren Ergebnisse zum Thema Medienqualität in Print, Radio, Fernsehen und Internet, sowie zahlreiche weitere Literaturhinweise sind dem Sammelband »Medien-Qualitäten. Öffentliche Kommunikation zwischen ökonomischem Kalkül und Sozialverantwortung« zu entnehmen (Weischenberg et al. 2006). Überblicke über Qualitätsdebatte und Qualitätsforschung vermitteln auch Stephan Ruß-Mohl (2005), Klaus Arnold (2009) sowie Klaus Beck et al. (2010). Zur Qualität von Fernsehnachrichten liegen u. a. (Fall-)Studien von Andreas Fahr (2001) und Bernd Vehlow (2006) vor. Zur »Definition und Messung publizistischer Qualität im Internet« hat Christoph Neuberger im Zusammenhang mit dem Drei-Stufen-Test eine Studie erarbeitet (Neuberger 2011). Mit Vergangenheit und Zukunft der Qualitätsmedien und deren Unentbehrlichkeit für die öffentliche Kommunikation befasst sich der von Roger Blum et al. 2011 herausgegebene Sammelband »Krise der Leuchttürme öffentlicher Kom- <?page no="147"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 148 munikation« (Blum et al. 2011). So schwierig es auch sein mag, Qualität in Journalismus und Massenmedien zu ergründen, zu begründen und - vielleicht - auch durchzusetzen: Eine ständige Auseinandersetzung mit dem Thema in Wissenschaft und Praxis erscheint schon deshalb wichtig, als in einer nachweislich und zunehmend von den Massenmedien geprägten Zeit die Qualität des politischen Diskurses u. a. auch von der Qualität des Mediendiskurses abhängt (vgl. Fabris 1997, S. 74). 4.1.3.2 Redaktionelles Marketing Nicht nur, aber auch im Zusammenhang mit journalistischer Qualität wird seit geraumer Zeit das Thema »Redaktionelles Marketing« angesprochen. Gemeint sind damit - im weitesten Sinne des Wortes - systematische Bemühungen von Medienredaktionen, Wünsche, Interessen und Bedürfnisse von Zeitungslesern, Radiohörern und TV-Zuschauer zu ergründen und die publizistischen Produkte daran zu orientieren (nicht aber bedingungslos anzupassen). Marketing als Maßnahme der Markterschließung kommt ursprünglich aus der Nationalökonomie. Der Begriff gilt als Bezeichnung für einen bedarfsorientierten Denk- und Führungsstil von Unternehmen, der gedanklich bereits vor dem Produktionsprozess ansetzt und Planung, Durchführung und Kontrolle aller Maßnahmen umfasst, also Marktschaffung, Marktausweitung und Markterhaltung eines Unternehmens. Der Marketinggedanke impliziert folglich eine stark kundenorientierte Sichtweise, und Marketing gilt als bewusst marktorientierte Führung von Unternehmen (vgl. Meffert 1986). Marketing ist für alle Mediengattungen wichtig. Es gilt besonders im Zeitungswesen bereits seit längerem als Ansatz für die Zukunftssicherung der von den anderen Medien bedrängten Tageszeitung. Für lange Zeit wurde im Marketing eine genuin verlegerische Aufgabe gesehen - v. a. als Anzeigen- und Vertriebsmarketing. Da die Zeitung jedoch auf einem »interdependenten Doppelmarkt« (Möllmann 1998) auftritt, mit einer publizistischen Dienstleistung (Mediennutzer) und einer Werbedienstleistung (Anzeigenkunden), wird Zeitungsmarketing in zunehmendem Maße auch als Aufgabe der Redaktionen gesehen. Zeitungsmarketing allgemein umfasst daher eine differenzierte Ausrichtung des Verlages am Markt (Leser, Inserenten), an der Branche (intra- und intermediäre Konkurrenz bzw. Wettbewerber) sowie an der Umwelt (soziopolitische Rahmenbedingungen) (vgl. Wolf/ Wehrli 1990). Unter redaktionellem Marketing im Besonderen versteht man einerseits die konsequente Ausrichtung der redaktionellen Arbeit auf die Bedürfnisse und Interessen der Leserschaft (vgl. Schaefer-Dieterle 1993, S.-30). Es stellt »ein Instrument dar, redaktionellen Anspruch und Marktnotwendigkeiten zu vereinbaren« (Möllmann 1998, S.- 51) oder, wie der Dortmunder Journalistikprofessor Günther Rager meint, einen wichtigen Beitrag »im Ensemble aller Anstrengungen des Verlags, mit der Zeitung die Leserschaft besser zu bedienen, sie konsequent an Bedürfnissen, Interessen und Erwartungen der Leserinnen und Leser auszurichten« (Rager 1994c, S.-8). Andererseits herrscht aber auch Übereinstimmung darüber, dass Zeitungsmarketing nicht nur ein auf kommerzielle Erwägungen abgestelltes, strategisches Handeln sein darf (vgl. Möllmann 1998, S.-51). Auch bedeutet redaktionelles Marketing nicht, den journalistischen Anspruch einer Zeitungsredaktion und ihre gesellschaftliche Verantwortung aufzugeben. »Es bleibt der Spagat zwischen publizistischem Anspruch, journalistischer Qualitätssicherung und redaktioneller Eigenständigkeit auf der einen Seite, Sicherung der Ertragskraft und Rentabilitätsdenken auf der anderen Seite« (Schaefer-Dieterle 1994, S.-53). An diesem Spagat setzt immer wieder journalistische Kritik ein. Die Forderung nach der Einbindung der Redaktionen in die Marketingaktivitäten stieß (und stößt) nicht selten auf den Widerstand der Journalisten: »Sie fürchten um ihre Autonomie und um ihre Rolle als ›Watchdogs‹, vermuten hinter redaktionellem Marketing eine drohende Kommerzialisierung des Mediums und bezichti- <?page no="148"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 149 gen redaktionelles Marketing allzu rasch der einseitigen Ausrichtung an möglichen Auflagensteigerungen und dabei der eilfertigen Anpassung an den Massengeschmack« (Pürer/ Raabe 1996a, S.-520). Gleichwohl ist aber unbestritten, dass in Zeiten der Ausdifferenzierung des Medienangebotes und der ständigen Veränderungen der Leserinteressen in forciertem Zeitungsmarketing eine unabdingbare Möglichkeit gesehen wird, den Leser als Kunden zu verstehen und das Produkt »Zeitung« an den Leserbedürfnissen zu orientieren. Keineswegs ist damit die kritiklose Anpassung am Durchschnittsleser zu verstehen. Vielmehr ist ein problem- und prozessorientiertes Denken und Handeln gemeint, »das auf ein situatives Eingehen auf Publikumswünsche und die Berücksichtigung der Veränderung von Umweltbedingungen angelegt ist« (Pürer/ Raabe 1996a, S.-520). Modernes Zeitungsmarketing ist von ganzheitlichen Strategien gekennzeichnet, in das die wichtigsten Abteilungen des Zeitungsverlagshauses, bzw. Anzeigen- und Vertriebsabteilung, Werbeabteilung und Leserservice sowie auch die Redaktion eingebunden sein müssen. Es erfordert nicht zuletzt eine wissenschaftlich abgesicherte Leserschaftsforschung, deren Ergebnisse auch die Redaktion erreichen müssen. Bernhard Möllmann hat empirisch nachgewiesen, dass - ungeachtet einer nach wie vor beobachtbaren, gesunden Skepsis - redaktionelles Marketing in weiten Teilen des bundesdeutschen Zeitungswesens Fuß gefasst hat. Es erfordert nicht zuletzt auch geeignete redaktionelle Strukturen und ein besonders qualifiziertes Redaktionsmanagement (vgl. Möllmann 1998). Harald Rau schlägt in einer 2000 erschienenen Publikation »Redaktionsmarketing. Journalismus als Planungsfaktor in der Positionierung regionaler Tageszeitungen« die Brücke von den Wirtschaftswissenschaften hin zur Publizistik (Rau 2000, S.VII). In einer Folgepublikation verbindet er eine Ökonomie der Publizistik mit Überlegungen zu Qualität, Marketing und Benchmarking (Rau 2007). 4.1.3.3 Ethik und Journalismus Ähnlich wie dem Thema Qualität wird seit geraumer Zeit auch dem Thema Ethik und Journalismus zunehmend Aufmerksamkeit zuteil (vgl. Boventer 1988 und 1989; Erbring/ Ruß-Mohl 1988; Pürer 1991/ 1992; Haller/ Holzhey 1992; Holderegger 1999; Wilke 1996; Wunden 1989 und 1994; Wiegerling 1998; Debatin 1997; Stapf 2006; Pohla 2006; Funiok 2007; Schweiger/ Beck 2010 u. a. m.). Es sind nicht nur die Aufsehen erregenden, großen Fehlleistungen des Journalismus, die die Thematik in den Vordergrund journalismuspraktischer wie medienwissenschaftlicher Reflexion rücken (Beispiele: Hitler-Tagebücher, Barschel-Engholm-Affäre, Geiseldrama Gladbeck/ Köln, Grubenunglücke Borken und Lassing, Paparazzi-Fotojagden, Schmuddel-Talkshows, Fälschungen von Michael Born und Tom Kummer, Prominentenprozesse wie der Fall Kachelmann etc.). Auch die beinahe täglich erfolgenden Verletzungen des Persönlichkeitsschutzes und der Unschuldsvermutung in der lokalen Kriminal- und Unfallberichterstattung lassen Fragen aufkommen, z. B.: Wie steht es um Moral, Ethik und Verantwortung im Journalismus? Sind Journalisten persönlich und alleine verantwortlich dafür, was sich im Mediensystem tut oder gibt es noch eine Reihe anderer Verantwortlichkeiten? Liegt - nicht zuletzt im Sinne einer Medienökologie - nicht auch Verantwortung beim Publikum, bei den Zeitungslesern, Radiohörern, Fernsehzuschauern und Internetsurfern? Diese und ähnliche Fragen sollen im Folgenden angesprochen und erörtert werden. Zunächst kurz zur Klärung von Begriffen: Mit Moral (lat. mos = Gewohnheit, Sitte, Brauch) ist jenes uns anerzogene Werte-, Sitten- und Normengeflecht gemeint, auf dessen Basis wir täglich bewusst oder unbewusst unsere Handlungen vollziehen. Unter Ethik versteht man die Lehre von den sittlichen Werten und Forderungen, eine Morallehre, die einer »praktischen Philosophie« vergleichbar ist. Ethik meint also das Nachdenken über unsere (moralisch bedingten und moralisch zu bewertenden) Handlungen. Und ethische Prinzipien sollen, auch und insbesondere im Journa- <?page no="149"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 150 lismus, »den Spielraum des rechtlich nicht Verbotenen auf das moralisch Verantwortbare eingrenzen« (Wilke 1998, S.-292; Hervorhebung H. P.). Das Gewissen wieder ist das Mitwissen um die von uns getätigten Handlungen. Medienethik befasst sich folglich mit moralischen Prinzipien des Journalismus, nicht zuletzt also damit, wie Journalisten auf der Basis demokratischer Werte und anderer allgemeiner gesellschaftlicher Übereinkünfte handeln sollen. In einer wertepluralen Gesellschaft, deren gemeinsame Wertebasis immer schmäler wird, ist dies eine nicht einfach zu beantwortende Frage. Auch die Begriffe Recht bzw. Gesetz sollen hier noch kurz erwähnt werden. Sie sind Sammelbegriffe für Ordnungssysteme mit dem Ziel, das Zusammenleben in einer Gesellschaft verbindlich für alle Gesellschaftsmitglieder zu regeln, um Konflikte möglichst zu vermeiden - ein denkbar schwieriges Unterfangen. Beide - Moral/ Ethik sowie Recht/ Gesetz - stellen gesellschaftliche Steuerungssysteme dar, und dies ist auch in Journalismus und Massenmedien der Fall. Bei Verstößen gegen Normen, seien dies nun verbindliche Gesetze oder auf freiwilliger Basis eingehaltene Berufskodizes, stellt sich in aller Regel auch die Frage nach der Verantwortung. Daher sei hier auch der Schlüsselbegriff Verantwortung angesprochen. »Verantwortung bedeutet, dass wir für etwas eintreten und die Folgen tragen, dass wir unser Handeln vor anderen rechtfertigen müssen. Die anderen, das können Justiz, die Gesellschaft oder einzelne Mitmenschen sein - und auch wir selbst. Erweist sich bei unserer Rechtfertigung das Handeln als nicht korrekt, können wir dafür belangt werden« (Hömberg/ Klenk 2010, S. 41f ). Verantwortliches Handeln schließt 1) Freiwilligkeit ein, meint 2) dass es Handlungsalternativen gab bzw. gibt und postuliert 3), dass die Folgen einer Handlung absehbar sind. Dies ist im Journalismus nicht immer der Fall und tangiert, was v. a. gesellschaftliche Folgen journalistischen Handelns betrifft, komplexe Fragen der Medienwirkungen (vgl. Kap. 4.4.3, 5.2 sowie 5.3). Mit dem Thema Verantwortung im Journalismus haben sich u. a. Bernhard Debatin (1998a) und Rüdiger Funiok (2007) befasst. In der Kommunikationswissenschaft gibt es unterschiedliche theoretische Denkmodelle darüber, wer im Journalismus Verantwortung trägt. Erste Synopsen individualethischer, mediensystemethischer und publikumsethischer Überlegungen legte Anfang der 1990er-Jahre Heinz Pürer vor (Pürer 1991, 1992). Im medienethischen Diskurs der zurückliegenden Jahre haben sich neben mehreren anderen (vgl. Schicha/ Brosda 2010) Perspektiven herausgebildet, die hier erörtert werden: die individualethische, die professionsethische, die institutionenethische sowie die publikumsethische. Die journalistische Individualethik weist, wie ihr Name sagt, die Verantwortung für journalistisches Handeln dem einzelnen Journalisten persönlich zu und fordert von ihm ein hohes Maß an Moral, Ethik und Verantwortungsbewusstsein. Der Publizistikwissenschaftler Emil Dovifat z. B. sprach von der begabten publizistischen Persönlichkeit, die durch Studium und Erfahrung zur Entfaltung gebracht werden könne (Dovifat 1967, S. 33). Der Journalist und Wissenschaftler Otto Groth forderte Charaktereigenschaften wie Gewissenhaftigkeit, Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Einsatzbereitschaft, Takt und Ton (Groth 1962, S. 387ff). Für den langjährigen Journalisten und bekennenden Ethiker Hermann Boventer hat im Journalismus Wahrhaftigkeit besondere Bedeutung. Er postuliert darunter folgende Maximen: Ehrlichkeit im Beobachten, Sorgfalt beim Recherchieren sowie Unabhängigkeit im Urteil, Fähigkeit zur Kritik und v. a. auch zur Selbstkritik (Boventer 1989, S. 131ff). Orientierung für ethisches Handeln findet der einzelne Journalist (wie erwähnt) neben gesetzlichen Bestimmungen insbesondere auch in journalistischen Berufskodizes wie etwa dem Kodex des Deutschen Presserates, also der Professionsethik (s. u.). Im Zusammenhang mit dem Aspekt Verantwortung sei hier - in Anlehnung an Max Weber - auf die Unterscheidung zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik hingewiesen (siehe dazu Möller 1983, Wilke 1987, Wilke 1996; Kunczik/ Zipfel 2001, Kepplinger/ Knirsch 2000). Der gesinnungsethisch Handelnde fühlt sich der Wahrheit verpflichtet und achtet nicht auf die Folgen seines Handelns. Der verantwortungsethisch Agierende hat auch die Folgen seines Handelns im Auge. Jour- <?page no="150"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 151 nalisten handeln stets im Spannungsfeld zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik. Sie sollten daher stets auf die Verhältnismäßigkeit der angewendeten Mittel achten (d. h. z. B., auf den kleinen Ladendieb nicht mit ›journalistischen Kanonen‹ schießen). Für Hermann Boventer spielt das Prinzip Verantwortung eine wichtige Rolle. Sie sei »eine Funktion von Macht und Wissen« und begründe die »Vorbildfunktion des Journalisten« (Stapf 2006, S. 120 mit Bezugnahme auf Boventer). ). Stapf ordnet die Thematik Gesinnungs-/ Verantwortungsethik der Professionsethik zu (Stapf 2006, S. 138). Der individualethische Ansatz enthält zweifellos wichtige ethische Anhaltspunkte für das Wirken im Journalismus, »vernachlässigt allerdings die praktischen Gegebenheiten auf politischer, institutioneller und mediensystemischer Ebene« (Stapf 2006, S. 123), denen der einzelne Journalist bei seiner Arbeit unterliegt. Der Wiener Kommunikationswissenschaftler Maximilian Gottschlich wendete bereits 1980 ein, dass eine verbindliche Beurteilungsgrundlage journalistischen Handelns die Berufswirklichkeit idealisiere, berufliche Abhängigkeitsverhältnisse verschleiere und auch das Problem ethischer Divergenz in einer pluralistischen Gesellschaft aufwerfe. Außerdem seien ethische Normierungen schwer zu operationalisieren. Dies gelte v. a. auch für die Pressekodizes, die die Berufswirklichkeit idealisierten. Solche Kodizes (vgl. w. u.) würden Werte absolut setzen, die für moderne, bzw. pluralistische Gesellschaften nur relative Wertigkeit besitzen (vgl. Gottschlich 1980, S. 146ff; siehe dazu auch Weischenberg 2004, S. 219f ). Die journalistische Professionsethik verfolgt im Wesentlichen folgende Ziele: die Erstellung von Richtlinien für die journalistische Arbeit sowie »die Vermeidung von Fremdkontrolle« durch Selbstkontrolle (vgl. Stapf 2006, S. 138). Dazu im Einzelnen: Richtlinien für die journalistische Arbeit sind in nationalen und internationalen Pressekodizes zu sehen, die in aller Regel von der Profession, also von Berufsverbänden (Journalistengewerkschaften, oft in Zusammenarbeit mit Verlegerverbänden) und Presseräten erarbeitet werden. Solche Kodizes sollen dem Berufsstand der Journalisten Orientierungsmöglichkeiten für ethisch möglichst nicht konfligierendes journalistisches Handeln liefern; sie sollen Berechenbarkeit stiften und Standards sowie Regeln für die tägliche Arbeit in einem Medienunternehmen vermitteln (vgl. Pörksen 2005, S. 217). Solche Regeln sind: • allgemeine Appelle an das Verantwortungsbewusstsein des Journalisten bei der Erfüllung seiner öffentlichen und dem Gemeinwohl dienenden Aufgabe; • Achtung vor der Wahrheit und Streben nach Wahrhaftigkeit; • Appelle zur Wahrung journalistischer Unabhängigkeit; • korrekte Beschaffung und Wiedergabe von Information; • Richtigstellung unzutreffender Mitteilungen; • Wahrung der Vertraulichkeit, des journalistischen Berufsgeheimnisses und des Zeugnisverweigerungsrechts; • Respektierung des Privatlebens und der Intimsphäre von Betroffenen der Berichterstattung; • Eintreten für Menschenrechte und Frieden; • keine Verherrlichung von Gewalt, Brutalität und Unmoral; • keine Veröffentlichungen in Wort und Bild, die das sittliche Empfinden (v. a. Jugendlicher) verletzen könnten; • keine Diskriminierung rassischer, religiöser und nationaler Gruppen; • Zurückhaltung in ermittelnden und schwebenden Gerichtsverfahren; • die Unvereinbarkeit des journalistischen Berufs mit Geschenkannahme oder Gewährung von Vorteilen; • u. a. m. Der Kodex des Deutschen Presserates beispielsweise, der für Print- und Onlinezeitungen gleichermaßen gilt, ist dessen Onlineauftritt www.presserat.de zu entnehmen. Das Selbstkontrollorgan Deut- <?page no="151"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 152 scher Presserat dokumentiert sein Wirken und seine Spruchpraxis sowohl online wie auch in den von ihm publizierten Jahrbüchern genau und entwickelt seine Richtlinien auch ständig weiter. Es lohnt sich, darin Einsicht zu nehmen.Solche Berufskodizes sind unter Medienpraktikern in aller Regel kaum umstritten, und Journalisten können sich bei ihrer Arbeit im Prinzip gut an ihnen orientieren. Allerdings unterliegen sie aufgrund ihrer doch recht allgemeinen Formulierungen in starkem Ausmaß der persönlichen Interpretation durch die Journalisten und greifen im Berufsalltag daher oft nur in eingeschränkter Weise. Für die Professionsethik zentral ist aber auch - und damit ist ihr zweites Ziel angesprochen - die Idee der Selbstkontrolle, die nur durch die Profession selbst erfolgen soll. »Freiwillige Medien-Selbstkontrolle gilt als die Gesamtheit der Regeln und Verfahrensweisen, die sich die Presse freiwillig auferlegt und anerkennt, um den Machtmissbrauch einzelner Presseorgane zu verhindern und der Verantwortung einer freien Presse gegenüber dem Gemeinwohl gerecht zu werden« (Stapf 2006, S. 139). Daher sind es auch die Presseräte, die für behauptete Verletzungen von Berufsgrundsätzen zuständig sind. Ihre Sanktionsmöglichkeiten sind in aller Regel aber eher gering: der Deutsche Presserat z. B. kann Hinweise, Missbilligungen, öffentliche und nichtöffentliche Rügen an betroffene Medien aussprechen. In den Pressekodizes kommt auch zum Ausdruck, dass die Profession (der Journalisten) »zwischen der Ideal- und Praxisebene vermittelt« (Stapf 2006, S. 142; Hervorhebung i. Orig.). Nicht zuletzt sei erwähnt, dass Selbstkontrolle im Journalismus staatlicher Kontrolle zuvorkommen soll. Die für Journalismus und Medien (an-)gedachte Konzeption der Institutionen-, Organisations- und Unternehmensethik basiert auf systemtheorethischen Überlegungen. Deren prominente Vertreter, Manfred Rühl und Ulrich Saxer, lehnen eine individualethische Betrachtung von Verantwortung im System Journalismus ab (Rühl/ Saxer 1981). In der Annahme, Journalismus sei allein an Personen festzumachen, wird eine Verkürzung der Diskussion über Ethik und Verantwortung im Journalismus gesehen. Sittliche Prinzipien, wie sie u. a. in journalistischen Berufskodizes festgeschrieben sind, stellen nur ein Steuerungssystem unter vielen anderen dar. Der Journalist wird aus mediensystembzw. institutionenethischer Perspektive als Person mit zugewiesenen Berufs- und Arbeitsrollen gesehen, der in eine (Medien-)Institution eingebunden ist, von der er abhängig ist. Drei (ethik-)relevante Strukturen sind es, die Ulrich Saxer zufolge journalistisches Handeln in Medieninstitutionen beeinflussen, nämlich: 1) institutionelle Rahmenbedingungen wie Recht (als verbindliche Regelungssysteme), Markt (ökonomische Zwänge und Konkurrenzdruck, die journalistische Zielsetzungen mitprägen) sowie Politik (die allgemeine Rahmenbedingungen schafft) (vgl. Saxer 1992, S. 109-113); 2) die Medien-Organisationsrationalität des Medienunternehmens selbst, d. h. »maximal leistungsfähige Strukturen für das Überleben und möglicherweise Prosperieren in publizistischer und wirtschaftlicher Hinsicht«: u. a. taugliches Personal, genügend Stoff für Sendungen und Artikel, bedürfnisdeckende Finanzmittel, ausreichender Absatz, zweckdienliche Arbeitsabläufe, Handlungsbedingungen der Mitarbeiter, Unternehmenskultur und Anpassung der Mitarbeiter (Saxer 1992, S. 113-117); sowie 3) journalistische Routinen als »zentrale Strukturen der journalistischen Berufskultur«: Rechercheroutinen, Selektionsroutinen, Präsentationsroutinen u. a. m. (Saxer 1992, S. 117-123). Heinz Pürer sieht innerhalb der Medieninstitutionen im publizistischen Bereich unterschiedliche, hierarchisch bedingte - und damit gestufte - Funktionsverantwortlichkeiten. Sie beginnen beim Medieninhaber, der die inhaltliche Linie bestimmt und setzen sich fort bei Intendanten und Herausgebern, die auf die Einhaltung dieser Linien achten. Unterschiedliche weitere Verantwortlichkeiten liegen bei Chefredakteuren und Programmdirektoren, Programmabteilungs- und Ressortleitern, Chefs vom Dienst, fest angestellten und freien Journalisten (vgl. Pürer 1992, S. 315). <?page no="152"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 153 Die Institutionenbzw. Organisationsethik hat das Medienunternehmen im Blick. Eine der Kernfragen ist, »wie die kommerzielle Ausrichtung mit dem Ideal der Sozialverantwortung verknüpft werden kann und wie sich ökonomische Rationalität unter marktwirtschaftlichen Bedingungen verbinden lassen« (Pörksen 2005, S. 217). Die von Rühl und Saxer vertretene Konzeption der Mediensystembzw. Institutionenethik hebt die Verantwortung der Medieninstitutionen hervor. Zentrale Kategorie ist die mitmenschliche Achtung, die als moralischer Indikator für eine allgemeine Kommunikationsethik gilt (vgl. Rühl/ Saxer 1981, S. 187-190; Scholl 2010, S. 70f.). Von Barbara Thomaß wurde die Leitkategorie Achtung mit Blick auf Beziehungen, die Journalisten eingehen (Individual- und Professionsethik), spezifiziert (Thomaß 2003): Achtung vor den Informanten (Informanten-/ Quellenschutz), vor den Objekten der Berichterstattung (Persönlichkeitsschutz), vor den Rezipienten (Fairness und Sorgfaltspflicht), vor der Öffentlichkeit (Anwendung angemessener Methoden der Recherche) sowie vor den Kollegen/ Peers (Vermeidung von Interessenskonflikten). Auch der Ansatz der Institutionenethik blieb von Kritik nicht verschont. Will Teichert zufolge handelt sich der Ansatz den Vorwurf ein, »er reduziere die Verantwortung auf die jeweils vorfindbare Praxis« (Teichert 2005, S. 824). Ingrid Stapf wendet ein, allein Medienunternehmen Verantwortung zuzuschreiben, erscheine begrenzt. »Zwar haben Organisations- und Unternehmensstrukturen, -rationalitäten und -routinen Einfluss auf die darin arbeitenden Individuen, doch fragt sich, was die Unternehmen letztlich dazu motiviert, tatsächlich ein Unternehmensklima zu schaffen« (Stapf 2006, S. 130). Zu klären sei auch die Frage, »wie und ob Unternehmen überhaupt Verantwortung zugeschrieben werden kann bzw. nach welchen Maßgaben diese Zuschreibung und ihre Sanktionen im Rahmen der Ethik, und nicht arbeitsrechtlich erfolgen« (ebd.). Schließlich lässt sich mit Blick auf die Eingebundenheit des Journalisten in eine Organisation, in vor- und nachgelagerte Instanzen wie Politik, Wirtschaft, Werbung und Publikum noch der Gedanke der »gestuften Verantwortung« (Spaemann 1977) einbringen, demzufolge eine Ethik des Mediensystems mit verschiedenen Teilethiken zu entwickeln wäre (in Ansätzen dazu Pürer 1996a, S. 373-375; siehe auch Stapf 2006, S. 183-188, Abb. 13, S. 187). Lesenswert erscheinen in diesem Kontext u. a. der Beitrag von Matthias Karmasin (2010) über eine Konzeption von Medienethik als Unternehmensethik sowie jener von Klaus Meier (2010b) über die Redaktion als Institution der Medienethik. Meier verweist darin u. a. auf die korporative Verantwortung von Redaktionen sowie auf Beispiele redaktionell institutionalisierter Ethik. Moral und Ethik - und damit auch journalistische Moral und Ethik - haben eine eminent normative Komponente. Ihr verbindliches Normensystem, auf dessen Basis Journalisten in Ausübung ihres Berufes agieren, finden sie zunächst - wie jeder Bürger - in verfassungsmäßig gewährten Grundrechten sowie in den allgemeinen Vorschriften und Gesetzen. Von besonderer Bedeutung sind für Journalisten aber neben anderen Gesetzesmaterien v. a. Verfassungsbestimmungen (die sich auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit beziehen), Medien-, Presse- und Rundfunkgesetze sowie medienrelevante zivil- und strafrechtliche Bestimmungen (vgl. Weischenberg 1992, S.-136). An ihnen können bzw. müssen Journalisten ihr Handeln orientieren, um mit Recht und Gesetz nicht in Konflikt zu geraten. Weiterhin finden Journalisten für ihre Arbeit gute Orientierungsmöglichkeiten in sog. Pressekodizes (vgl. Deutscher Presserat 2011, S. 133-157). Das sind freiwillige, auf internationaler oder nationaler Ebene festgehaltene Übereinkünfte von Journalisten- und Verlegerverbänden, Presse- und Medienräten (vgl. w.v.). Die u. a. von dem US-amerikanischen Kommunikationsforscher Clifford Christians (Illinois) stammende Theorie der Publikumsethik sieht eine kollektive Verantwortung für das, was sich in Journalismus und Massenkommunikation tut, insbesondere auch bei den Zeitungslesern, Radiohörern und Fernsehkonsumenten. Christians versteht unter »kollektiver Verantwortung« oder »Verantwortung des Gemeinwesens« (communal responsibility) eine »umfassende moralische Pflicht der Öffentlichkeit, soziale Prozesse wie die gesellschaftliche Kommunikation zu überwachen« (Chris- <?page no="153"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 154 tians 1989, S.-258). Christians meint, dass wir als kulturell Handelnde die gemeinsame Verantwortung für die Lebensfähigkeit unserer Kultur tragen. Er beruft sich u. a. auf den Philosophen Hans Jonas und dessen Ethik der Voraussicht und der Fernverantwortung (vgl. Jonas 1979). Verantwortung versteht Jonas als Pflicht des Zu-Tuenden: Als Publikum, so Christians, unterliegen wir dem kategorischen Imperativ, unser Schicksal als Medienrezipienten selbst in die Hand zu nehmen und für eine künftige Journalismus-Kultur Sorge zu tragen, zumal wir gleichsam jene Medienkost erhalten, die wir verdienen. Christians unterbreitet keine Vorschläge, wie sein Ansatz in der Praxis umzusetzen ist. In seinen Ausführungen scheint aber die Idee der Medienverweigerung anzuklingen. Gemeint scheint nicht eine Flucht vor den Medien zu sein, sondern die Idee der Medienverweigerung in Form der bewussten Zurückweisung von Medienangeboten - die Kauf- oder Konsumverweigerung gewisser Medienprodukte als Akt des kollektiven Widerstandes gegen minderwertigen Journalismus und überflüssige Programmangebote (d. h.: was nicht gekauft bzw. konsumiert wird, kann sich am Markt auch nicht durchsetzen). Was den von Clifford Christians vehement vertretenen Aspekt der kollektiven Verantwortung betrifft, stellt sich für den klassischen Ethiker die Frage, ob undifferenzierte Größen wie ein Publikum für etwas verantwortlich gemacht werden können. Christians lässt sich aber von dem Gedanken leiten, dass Gesellschaften keine Größen ohne Moral seien (Christians 1989, S.-256 und 265). Nur das ethische Konzept einer von allen geteilten Verantwortung sei der Macht der technologisch hoch entwickelten Medien von heute gewachsen. So gesehen versteht er sein Konzept auch als ein medienökologisches. Der Ansatz Christians‹ geht zweifellos von einem sehr aufgeklärten und emanzipierten Publikum aus. Dabei stellt sich auch die Frage, wie in pluralistischen Gesellschaften so etwas wie kollektive Gesinnung überhaupt herstellbar ist. Rüdiger Funiok bringt mit verantwortlicher Mediennutzung auch das wichtige Thema Medienkompetenz ein (Funiok 2007, S. 173-176, mit zahlreichen Hinweisen auf weiterführende Literatur). Dies sei sowohl Aufgabe der familiären Medienerziehung wie auch der Medienpädagogik in Schule und Erwachsenenbildung. Medienkompetenz sei eine »Schlüsselqualifikation für die Informations- oder Wissensgesellschaft« (Funiok 2007, S. 173). Die Frage der Verantwortung in Journalismus und Massenkommunikation umfasst ein weites Feld. Der Schweizerische Medienforscher Matthias Loretan (1999) verweist in Anlehnung an die Diskursethik von Jürgen Habermas (u. a. 1981, 1983 sowie 1991) auf sechs verschiedene Ebenen unterschiedlicher Reichweite, auf denen das Thema mit Blick auf Verantwortung inhaltlich zu diskutieren sei (Loretan 1999, S. 180-183; siehe auch Thomaß 2007a, b): • die metaethische Ebene (Prinzipien der Medienethik, verständigungsorientiertes Handeln, Öffentlichkeit des Zugangs, gleichberechtigte Teilnahme u. a. m.); • die gesellschaftspolitische Ebene: Konkretisierung der Prinzipien, rechtsstaatliche Garantie von Grundrechten wie freie Meinungsäußerung und -bildung, Ordnungsrahmen für gesellschaftliche Kommunikation etc.; • die medienpolitische Ebene: Medienfreiheit als abgeleitete Freiheit, Inpflichtnahme der Medien in Bezug auf die öffentliche Meinungsbildung des Publikums; Rechtsetzung und Rechtsprechung etc.; • die berufspolitische Ebene: Interpretation der öffentlichen Aufgabe durch die publizistischen Rollenträger, Diskursverfahren zur Klärung normativer Fragen der journalistischen Praxis, Berufskodices und ihre Anwendung etc. • die Ebene organisatorischen Handelns: die Medienunternehmen, das Recht der Medienbetreiber bzw. Veranstalter als Subjekte der Pressefreiheit, Festlegung der publizistischen Tendenz, Beschaffung der Ressourcen, innere Medienfreiheit etc.; <?page no="154"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 155 • die personale(n) Ebene(n): Journalist und Rezipient sowie deren kommunikative und moralische Kompetenz; die erforderlichen Kompetenzen der Medienschaffenden, reflexive Standards moralischer Selbstverpflichtung etc. (vgl. Loretan 1999, S. 181ff). Das Thema Ethik hat v. a. in der jüngeren Kommunikationswissenschaft mehr denn je Konjunktur (vgl. u. a. Kunczik/ Zipfel 2001, S.-198ff; Thomaß 2000; Stapf 2006; Schicha/ Brosda 2010) und tangiert verständlicherweise auch die Ethik des Bildes/ Fotos in den Massenmedien (Leifert 2007), Internet, Onlinekommunikation (vgl. u. a. Debatin 1998b; Wiegerling 1999; Debatin 2001; Schwenk 2002; Hausmanninger/ Capurro 2002; Beck 2010) sowie Ethik in Computerspielen (Nagenborg 2010). Der Kommunikationswissenschaftler Bernhard Debatin sieht in der Ethik-Debatte eine Steuerungsfunktion im Hinblick auf Medienschaffende und Medieninstitutionen und eine Reflexionsfunktion für Gesellschaft und politisches System (vgl. Debatin 1997). Wenn der Journalismus, bzw. die Journalisten und andere Berufskommunikatoren, dennoch immer wieder ins Zentrum der Ethik- Debatte rücken, so deshalb, weil sie als Berufsrollenträger im System Massenkommunikation eine Schlüsselrolle einnehmen und das Grundrecht auf Pressefreiheit, in welcher spezifischen Berufsrolle auch immer, in hohem Maße und trotz Internet stellvertretend und treuhänderisch für die Bürger wahrnehmen (vgl. Stolte 1988). In jedem Fall trägt der einzelne Journalist die Verantwortung für die (auch an ethischen Kriterien zu messende) Qualität des von ihm persönlich geschaffenen Produkts, nicht jedoch für alle Eventualitäten und möglichen Wirkungen, die er mit seinem Beitrag auslöst. Auch kann kein Journalist unbedingt dafür haftbar gemacht werden, was etwa das Publikum aus dem macht, was er publiziert (vgl. Pörksen/ Weischenberg 2000, S.-144). Michael Kunczik und Astrid Zipfel (2001) weisen auf Entscheidungsdilemmata der Journalisten und Konsequenzen für die Berichterstattung hin (Kunczik/ Zipfel 2001, S. 229-240). Journalisten müssen Risiken einer Publikationsentscheidung abwägen gegenüber dem Informationsanspruch der Öffentlichkeit, ohne eine sichere Entscheidungsgrundlage zu besitzen. Bei Berichterstattung über kriminelles Verhalten und reale menschliche Gewalt z. B. kann die Gefahr von Nachahmungstaten bestehen (vgl. Kunzcik/ Zipfel 2001, S. 230f ), bei der Darstellung von Opfern von Gewalttaten besteht die Gefahr der sekundären Viktimisierung, also dass das Opfer eines Verbrechens durch Art und Weise der Veröffentlichung ein zweites Mal Opfer werden kann (vgl. Kunczik/ Zipfel 2001, S.- 237). Auch Negativstereotype von Minderheiten und degradierende Darstellungen gesellschaftlicher Gruppen können ein Problem sein (vgl. Kunczik/ Zipfel 2001, S. 238). Schließlich stellt sich auch die Frage, ob es verantwortbar sein kann, über ein Ereignis (ausnahmsweise) nicht zu berichten (Kunczik/ Zipfel 2001, S. 239). Hier wird deutlich, dass an Journalisten neben professionellen auch hohe ethische Anforderungen gestellt sind. Weischenberg et al. (2006) haben in ihrer Repräsentativbefragung herausgefunden, dass im internationalen Vergleich die deutschen Journalisten bezüglich ihrer Einstellungen zum Einsatz umstrittener Recherchemethoden vergleichsweise zurückhaltend sind (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 174ff). Zum Themenkomplex Journalismus-/ Medienethik liegt mittlerweile zahlreiche Literatur, verteilt auf viele Quellen, vor. Ingrid Stapf strukturiert in ihrer Monografie »Medienselbstkontrolle. Ethik und Institutionalisierung« (2006) den Themenkomplex weit über Medienselbstkontrolle hinaus gut. Sie stellt u. a. auch die (richtige) Verbindung des Themas ›Ethik im Journalismus‹ mit dem Thema ›Qualität im Journalismus‹ her, wobei ihre Ausführungen tendenziell eher auf den Printjournalismus bezogen sind. Medienselbstkontrolle mit Blick auf Film, elektronische Medien und Online-Medien wird im vorliegenden Buch weitgehend unter der Thematik ›Jugendmedienschutz‹ erörtert (vgl. Kap. 4.3.5.2, S. 272ff). Im Zusammenhang mit dem Fall Kachelmann ist in Deutschland etwas allgemeiner bekannt geworden, was auch rechtlich wie ethisch bei Gerichtsprozessen von hohem Interesse ist: »Litigation-PR«, also strategische Rechtskommunikation. Auskunft darüber erteilt u. a. ein von Lars Rademacher und Alexander Schmidt-Geiger (2012) herausgegebener Sammelband. Einen guten <?page no="155"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 156 Überblick über relevante ethische Fragen und Themen im Journalismus verschafft das von Christian Schicha und Carsten Brosda herausgegebene »Handbuch Medienethik« (Schicha/ Brosda 2010). Es enthält auch eine kommentierte Auswahlbibliografie. 4.1.3.4 Onlinejournalismus Mit dem Aufkommen des Internets und der Onlinemedien sieht sich auch der Journalismus neuen Herausforderungen und Aufgaben gegenüber. Zahlreiche klassische Medien, ob Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk- oder Fernsehveranstalter, engagieren sich mit eigenen Onlineauftritten im World Wide Web und ergänzen damit ihr publizistisches Angebot. Es braucht daher auch Personen, die diese Angebote mit Inhalt füllen - mit »Content«, wie das häufig strapazierte Zauberwort heißt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es wenig sinnvoll ist, die in den klassischen Medien publizierten Inhalte eins zu eins ins Web zu übertragen: Zum einen hat auch das Internet, ebenso wie alle anderen Medien, seine - großteils technisch bedingten - medienspezifischen Eigengesetzlichkeiten; diese wirken auf Art und Weise der Aufbereitung und Präsentation der Inhalte zurück und sind von den Onlinejournalisten daher zu berücksichtigen. Zum zweiten: In den Angeboten der »alten« Medien und in ihren neuen Onlineangeboten sind einander ergänzende Medienangebote zu sehen, die seitens des Publikums auch komplementär genutzt werden. Es gibt zahlreiche Versuche, Merkmale und Charakteristika von Onlinemedien aufzuzeigen, die das Internet bzw. die Onlinemedien auszeichnen und von den klassischen Medien abgrenzen bzw. unterscheiden (vgl. Meier 1998; Bolter 1997; Sandbothe 1997; Riefler 1997a, 1997b; Wagner 1998; Mrazek 1998; Friedrichsen et al. 1999; Trappel 2007). Jene wichtigen Merkmale, die unmittelbar auch auf den Journalismus zurückwirken, sind: Aktualität/ Schnelligkeit, Hypertextualität-/ Vernetzung, Interaktivität, Multimedialität, unbegrenzte Speicherkapazität, Digitalisierung, Technikgebundenheit, einfache Publikationsmöglichkeiten und Anonymität. Im Hinblick auf Herausforderungen, Chancen und Gefahren für den Journalismus lassen sie sich wie folgt beschreiben: Aktualität: In keinem anderen Medium kann - noch dazu bei vergleichsweise wenig Aufwand - so schnell publiziert und seitens des Journalisten aktuell reagiert werden wie im Internet. Aktualität prägt im Netz stärker als jede andere Norm die Arbeit der Journalisten. Der Onlinejournalist muss daher lernen, mit der kürzeren Verfallszeit seines Produkts umzugehen. Überholte Information muss er löschen, zeitlose Information (möglicherweise über einen Link) in ein Archiv umleiten, aktuelle mit latent aktueller Information vernetzen. Dadurch kann Hintergrund hergestellt und angeboten, können Themen gut eingeordnet, kann analysiert und kommentiert werden. Fehler können im Internet sehr leicht korrigiert werden. Gleichzeitig darf der Journalist nicht der Gefahr unterliegen, der Aktualität bedingungslos zu erliegen. Recherche und Überprüfung der Richtigkeit top-aktueller Informationen sind weiterhin unabdingbar erforderlich (vgl. z. B. Meier 1998b). Hypertextualität/ Vernetzung: Hypertextualität ermöglicht es, verschiedene Textelemente durch »Verlinkung« vielfältig zu verknüpfen. Komplexe Themen können »modular« aufbereitet und durch Links mit anderen vernetzt werden. Dadurch erhalten sie allerdings eine nichtlineare Struktur. Bezüglich der Verlinkung lässt sich Josef Trappel (2007, S. 41) zufolge unterscheiden zwischen verweisenden Hyperlinks (Links zu den Websites der in einem Beitrag genannten Akteure), vertiefenden Hyperlinks (Vertiefung von im Text referierten Sachverhalten) und vernetzenden Hyperlinks (Verweise auf verwendete Quellen im Text). Weiters kann man unterscheiden zwischen internen Links (eigene Redaktion) und externen Links (außerhalb der Redaktion). Der Journalist muss um die Wirkung der Hypertextualität und nichtlinearer Erzählstrukturen Bescheid wissen und sich immer die Frage stellen, ob es überhaupt sinnvoll ist, einen Text hypertextuell zu zerstückeln (vgl. u. a. Meier <?page no="156"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 157 1998a, S.-43). Auch ist immer zu prüfen, wie tief man einen Text verlinkt (wie tief man Links staffelt), wo und wie viele Links man einsetzt und welche Navigationshilfen man dem User anbietet (vgl. Mrazek 1998, S.-42) - schließlich soll der Onlineleser im Cyberspace nicht verloren gehen. Durch das Anlegen von Dossiers und von Archiven z. B. kann Information hypertextuell perfekt nach Tiefe gestaffelt werden. Über Links ist es auch möglich, auf weiter(führend)e Aspekte eines Themas/ einer Information zu verweisen (vgl. Friedrichsen et al. 1999, S.-141). Freilich muss der Journalist Inhalt und Glaubwürdigkeit jener Information, auf die seine Links verweisen, ständig überprüfen (vgl. Meier 1998b, S.- 85). In der Hypertextualität liegen freilich auch Gefahren: Sie kann Unübersichtlichkeit zur Folge haben, Links als Selbstzweck können zu Orientierungsverlust, unsinnige Links zu Glaubwürdigkeitsverlust beim User bzw. Leser führen. Zudem können im Dickicht von Hypertexten hierarchische Strukturen einer Information (was ist wichtig, was nicht) verloren gehen (vgl. Maier-Rabler/ Sutterlütti 1997, S.-243ff). Interaktivität: Mit Interaktivität (vgl. Kap. 3.3.3) ist die Möglichkeit des Rezipienten gemeint, Einfluss auf den Kommunikationsvorgang zu nehmen und spontan zum Kommunikator zurück zu reagieren. Im Internet ist es also möglich, den User »nicht nur lesen, hören und sehen, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen« (Meier 1998a, S.-95). Interaktion vollzieht sich über verschiedene Rückkanäle wie E-Mails, Chats, Teilnahme an Umfragen und Newsgroups etc. Für Onlinejournalisten eröffnet sich hier ein neues Aufgabenfeld. Sie müssen offen für die Interessen ihrer User sein und (mitunter zeitaufwändige) Kommunikation mit dem Onlineleser managen können. Über Onlineumfragen kann der Journalist z. B. aber auch Informationen über die Interessen seiner Leser einholen und so erforderlichenfalls seine Zielgruppe besser bedienen. Umgekehrt soll sich journalistisches Handeln in der Onlinezeitung nicht ausschließlich etwa aus Nutzer-Profilen (User-Logfiles) und Artikelrankings herleiten (vgl. Mast 1997). Multimedialität: Unter Multimedialität versteht man die Kombination und Integration verschiedener Medienanwendungen wie Text, Ton (Sound), Bild, Film bzw. Video und Grafik. Möglich ist dies durch die Technik der Digitalisierung, die in der technischen Auflösung keine Unterschiede zwischen unterschiedlichen »Daten« (Text-, Ton-, Bilddaten) macht. Multimedialität setzt beim Journalisten voraus, dass er unterschiedliche Medienanwendungen (z. B. Ton oder Video neben Text und Grafik) nicht nur zur Verfügung hat, sondern technisch auch handhaben und im Onlineprodukt praktisch-handwerklich umsetzen kann. Infolge ihrer (bisherigen) Spezialisierung auf oftmals nur ein Medium ist dies bei vielen Journalisten aber nicht der Fall. Hinzu kommt, dass auch im Internet das geschriebene Wort die grundlegende Medienanwendung bleibt, weil Texte harte und knappe Information immer noch am besten transportieren können. Gleichwohl ist die Beherrschung multimedialer Gestaltungstechniken eine wichtige Voraussetzung für Onlinejournalisten, zumal die technische Konvergenz inhaltliche Konvergenz zur Folge hat und dadurch Synergien für Mehrfachverwertungen erzielt werden können (vgl. w. u.). Umgekehrt ist die Problematik nicht zu übersehen, dass durch den hohen technischen Aufwand von Multimedialität die eigentlichen journalistischen Tätigkeiten, insbesondere gründliche Recherche und Selektion, in den Hintergrund gedrängt werden und ein oberflächlicheres Produkt entsteht (vgl. Klinenberg 1999, S.-17). Unbegrenzte Speicherkapazität: Der »unendliche Speicher« (Meier 1998a, S.-80) der vielen Internetserver hebt die quantitative Umfangsbeschränkung (Raum wie Zeit) aller bisherigen Medien auf - im Internet spielen Zeitungsumfänge oder die Länge der Sendezeit (Hörfunk, Fernsehen) etc. keine Rolle. Das digitale Netz bietet über Datenbanken nahezu unbeschränkte Möglichkeiten, »Vergangenheit im Heute« (Meier 1998a, S.-83) festzuhalten. Das WWW wird gewissermaßen zum Medium mit Gedächtnis. Den einen erscheint es als Informationsparadies, den anderen als (Informations-) Weltmüllhalde. Dies tangiert klassische journalistische Qualifikationen wie 1) die Fähigkeit, rasch und präzise aus der unübersehbaren Fülle von Informationen die richtigen und wichtigen zu schöp- <?page no="157"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 158 fen (also wissen, wo); 2) die Fähigkeit, die gefundene Information, ihre Qualität und Güte, richtig einzuschätzen und zu bewerten (wissen, von wem und von wann); sowie 3) Entscheidungen darüber zu treffen, welche Informationen gespeichert, verlinkt und archiviert werden sollen (wissen, wohin). Im Internet wird der Journalist zum Wissensmanager, dem Datenbanken zur Verfügung stehen und der Datenbanken wiederum beliefert. Digitalisierung der Information: Durch Digitalisierung ist dreierlei möglich: 1) die weltweit einheitliche Verbreitung von Daten (und damit deren globale Verfügbarkeit und Abrufbarkeit); 2) die technisch identische, einfache Übermittlung von Daten (z. B. über das TCP/ IP-Protokoll des Internets), bei deren Kopieren es keinen Qualitätsverlust gibt; sowie 3) der jederzeit mögliche Zugriff auf Daten, die ebenso jederzeit aktualisiert, korrigiert, aber auch manipuliert werden können (vgl. Wagner 1998). Digitalisierte journalistische Inhalte sind also austauschbar, kopierbar und modifizierbar, stellen »Content« und damit Ware dar. Es liegt an den Onlinejournalisten, digitalisiert vorliegende Information richtig und ggf. mehrfach sowie differenziert für verschiedene Onlinemedien bzw. -Ausgaben zu verwerten (Meldung, Newsletter, Artikel, Analyse, Dossier, Archivstück). Digitalisierung intensiviert im Internet auch intermediären Wettbewerb: Onlinezeitungen bringen neben Texten Ton und Bild; Onlineangebote von Hörfunk- und Fernsehstationen bieten neben Ton und Bild vielfältige Textangebote an. Digitalisierung ermöglicht infolge leichter Kopierbarkeit von Daten deren Plagiat und damit die Verletzung von Urheberrechten (vgl. Bolter 1997). Digitalisierung begünstigt die Automatisierung journalistischer Arbeit, bzw. journalistischer Selektion, wenn Software-Programme nach Angaben des Users Informationsbzw. Datenpakete zusammenstellen und automatisch an den Endverbraucher übermitteln. Dies ist z. B. beim »Daily Me« der Fall (vgl. Riefler 1999). Es ist dies ein inhaltlich nach persönlichen Wünschen des Users zusammengestellter Informationsdienst, eine Art für den persönlichen Bedarf zusammengestellte Zeitung, die über ein Endgerät beim User ausgedruckt werden kann. Einfache Publikationsmöglichkeit/ Anonymität: Das Internet als digitale Plattform für Content- Darbietungen vielfältiger Art ermöglicht jeder Person, die mit Computern umgehen kann, die Verwirklichung des Grundrechtes auf Pressefreiheit. Die dazu erforderliche technische Ausstattung ist wesentlich weniger aufwändig als bei klassischen Medien, deren technischer, personeller und materieller Aufwand für den Durchschnittsbürger in der Startphase in aller Regel unfinanzierbar ist. Im Internet kann jeder Empfänger (User bzw. Konsument) zum Sender (Produzenten) werden (und dies übrigens auch anonym) und (s)ein Angebot ins Netz stellen. Die Fülle dieser Onlineangebote ist seit Jahren nicht mehr überschaubar, täglich kommen weltweit tausende neu hinzu. Selbst technisch hoch entwickelte Internetsuchmaschinen sind nicht oder nur selten in der Lage, diese ungeheure Fülle zu bewältigen, sodass immer noch leistungsfähigere Selektionsprogramme entwickelt werden. Umso mehr erfordert die Fülle der vorhandenen Angebote vom Onlinejournalisten ein hohes Maß an Recherchekompetenz und die Bereitschaft und Verpflichtung zu Quellenverifikation und Glaubwürdigkeitsüberprüfung (vgl. Meier 1998a). Dies gilt auch im Hinblick auf die vielfältigen Webangebote professioneller Onlineanbieter, bei deren Onlineauftritt sich Information, Public Relations und Werbung oftmals ununterscheidbar vermengen. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die technisch einfachen, aber weltweit wirksamen Publikationsmöglichkeiten im Internet auch als Chancen für Meinungsfreiheit und publizistische Vielfalt in autoritären Systemen begriffen werden können, in denen traditionelles Publizieren für regimekritische Personen und Gruppen kaum oder nur unter sehr schwierigen Bedingungen möglich ist. Technikgebundenheit: Onlinemedien sind in hohem Maße technikgebunden. Als Eingabe- und Empfangsmedium dienen neben Internethandys, Smartphones, Tablets etc. in aller Regel immer noch vorwiegend Computer und Laptops mit rapide wachsender technischer Leistungsfähigkeit. Professionelle Handhabung und komplexe Bedienung erfordern Computerliteracy, die im Medien- <?page no="158"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 159 bereich nicht nur Onlinejournalisten beherrschen müssen. Dies gilt auch im Hinblick auf Kenntnisse um die Beschränkungen des Mediums, insbesondere, was den Bildschirm betrifft: Er ist ein in aller Regel kleines Ausgabemedium; der Platz auf einer Bildschirmseite ist beschränkt. Lesen am Bildschirm, besonders das Lesen langer Texte, ist für den User anstrengend und mühsam (Onliner lesen, wenn überhaupt, anders). Der »Unbegrenztheit der Informationsmenge steht die Enge des Bildschirms gegenüber, die eine Entwicklung neuer Präsentationsformen quasi erzwingt« (Friedrichsen et al. 1999, S.-140). Die Folge ist oftmals Häppchenjournalismus mit kurzen, zerhackten Texten. Dieses Szenario verkennt die Möglichkeiten des Meta-Mediums Internet. So sind lange Texte z. B. als Download oder in einer ausdruckbaren Print-Version möglich und nützlich. Globalität: Nicht zuletzt ist auf die Globalität des Internets zu verweisen. Sofern die technischen Voraussetzungen erfüllt sind (technisches Equipment wie Computer, Onlinezugang, mobile Eingabe- und Empfangsgeräte wie Smartphones etc.), kann man weltweit von allen Orten aus auf einzelne Seiten anderer oder allgemein auf Angebote des Internets zugreifen oder z. B. via E-Mail auch weltweit kommunizieren. Dies bedeutet auch die Möglichkeit, das eigene Angebot weltweit zugänglich und verfügbar zu machen (sofern infolge von Internetzensur, die es in manchen totalitären Staaten gibt, bestimmte Seiten oder Server nicht gesperrt sind). Journalismus in Onlinemedien unterscheidet sich also in vieler Hinsicht vom Journalismus in klassischen Medien. Festzustehen scheint, dass sich im Onlinejournalismus die klassische Gatekeeper-Rolle zum Informationsmanager weiterentwickelt (vgl. Kramers 1997). Aufgabe des Journalisten im Netz ist nicht mehr nur die Selektion, sondern v. a. - angesichts ihrer Überfülle - die Verknüpfung von Information zu Wissen. Wissen ist verknüpfte, vernetzte, relevante, subjektgebundene und zweckorientierte Information (vgl. Stehr 1994), die sich in Beziehung zur Umwelt setzt. Nicht abstrakte und punktuelle Information, erst Wissen befähigt zu sozialem Handeln. Auf der Weltinformationsmüllhalde, wie das Internet mitunter abfällig bezeichnet wird, ist der Journalist daher besonders gefordert: Er ist weniger der Chronist; er hat vielmehr die Aufgabe, die Materialflut zu bändigen, sie zu nutzenbringendem Wissen umzubauen und zusammenzufassen und damit die Chance, sich von zahllosen anderen Quellen des Internets nutzergerecht zu unterscheiden (vgl. Meier 1998a, S.-39). Er hat die Aufgabe, den Informationsstrom zu managen und durch Links isolierte Informationswelten spezialisierter Anbieter einzuordnen und zu verknüpfen. Gleichzeitig muss er sich mit einem Machtverlust gegenüber dem User abfinden, der i. a. R. über das Netz zu den gleichen Informationsquellen Zugang hat und selbst Informationen ins Netz stellen kann (vgl. Zeuder 1998). Im Übrigen verlief die Entwicklung des Onlinejournalismus im deutschen Sprachraum in drei Phasen (vgl. Mrazek 1998, S.-29): Ab 1993/ 94 kann man zunächst vom Einzelkämpfertum sprechen, als einzelne Technikfans in Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen mit dem neuen Medium mehr oder weniger kreativ spielten (Phase 1). Ab 1995 entstanden erste Webpräsenzen von Zeitungen und Zeitschriften. Die damaligen Webjournalisten waren Programmierer, Texter, Layouter, Grafiker, Anzeigenakquisiteur, Marketing- und Vertriebsleiter, Nutzerbetreuer (und manchmal auch Service- Techniker) in einer Person (Dernbach 1998, S.-60). Die Webauftritte bestanden aus PR-Teilen in eigener Sache sowie in der mehr oder weniger gelungenen Umsetzung der Inhalte des gedruckten Mediums ins Netz (Phase 2). Ab 1997/ 1998 kann man von professionell arbeitenden Onlineredaktionen sprechen, mit eigenen Redaktionsstrukturen und -systemen sowie mit erweiterten und inhaltlich gegenüber dem Ursprungsmedium modifizierten Webpräsenzen (Phase 3). Den klassischen, nicht onlinetätigen Journalisten wird es wohl auch in Zukunft geben. Um Synergien auszuschöpfen, werden aber beide - Online- und Offlinejournalisten - einander gegenseitig zuarbeiten. Wichtige Aspekte zum Thema Onlinejournalismus lassen sich wie folgt zusammenfassen: <?page no="159"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 160 • Onlinejournalismus ist Geschwindigkeits-Journalismus, der unter dem Diktat bzw. Zwang zur Aktualität steht. Die Frage ist, ob darunter die Sorgfalt leidet. • Onlinejournalismus ist multimedialer Journalismus, der die dem Medium Internet inhärenten technischen Möglichkeiten der multimedialen Aufbereitung und Präsentation (Integration von Text, Ton, Bild, Film, Grafik, Animation) ausschöpft. • Onlinejournalismus ist vernetzender und vernetzter Journalismus, der Themen und Texte sinnvoll verknüpft bzw. verlinkt und dadurch ein hohes Maß an Informationstiefe erbringen kann. • Online-Journalismus ist Kommunikationsmanagement, das auf den interaktiv reagierenden User Rücksicht nimmt und ihn durch Zielgruppen-Journalismus (noch) besser bedienen kann. • Onlinejournalismus ist in hohem Maße technikgebundener Journalismus, der die Gestaltungsmöglichkeiten des Internets ausschöpft, Onlineangebote selbst aktiv als Arbeitsmittel (z. B. Recherche) nutzt, aber auch die Grenzen des Mediums (Gestaltungszwänge auf Grund der Enge des Bildschirms) berücksichtigt. • Onlinejournalismus ist Informations- und Wissensmanagement, das Informationen für den User zu nutzenbringendem Wissen verknüpft und mehrmedial verwertet. • Onlinejournalismus und Offlinejournalismus kooperieren, um vielfältige Synergien für Online- und Offlinemedien auszuschöpfen und Kosten sparend zu nutzen. • Onlinejournalismus ist Ganzheits- und Schnittstellen-Journalismus, der Arbeits- und Kompetenzgrenzen des klassischen Journalismus weitgehend aufhebt. • Onlinejournalismus verdrängt den klassischen Journalismus nicht, (neue) Online- und (alte) Offlinemedien sind einander ergänzende Medien, die komplementär genutzt werden. Über den Journalismus in einer digital vernetzten Gesellschaft lässt sich Folgendes mit ziemlicher Sicherheit sagen: Jeder Journalist wird online sein und das Netz vielfältig für Recherche- und Kommunikationszwecke nutzen. Nicht jeder Journalist aber wird Onlinejournalist sein, zumal in den klassischen Medien vorerst immer noch der vergleichsweise größere Arbeitsmarkt für Journalisten zu sehen ist. Onlinejournalisten in Deutschland - empirische Befunde Kommunikationswissenschaftliche Bemühungen, die Bedeutung des Internets für klassische Medien, bzw. für Printmedien und für Onlinejournalismus wissenschaftlich zu ergründen, haben bereits in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre eingesetzt. Beiträge unterschiedlicher Art dazu enthalten z. B. u. a. die Sammelbände von Christoph Neuberger und Jan Tonnemacher (1999, Neuauflage 2003) sowie Klaus-Dieter Altmeppen et al. (2000). Zahlreiche weitere, größere und kleinere Studien sind gefolgt. Auch Lehrbücher für den Onlinejournalismus waren relativ rasch zur Stelle (Meier 1998a, seither Neuauflagen; Hooffacker 2001, inzwischen ebenfalls Neuauflagen). Eine erste Repräsentativbefragung über die Gruppe der Onlinejournalisten in Deutschland liegt in der Untersuchung von Löffelholz et al. vor (2003). Es handelt sich um eine 2002 durchgeführte Erhebung zu Berufsstruktur und Tätigkeitsmerkmalen von Journalisten in Onlineredaktionen. Die Forscher konnten in Vorarbeiten eine Gesamtzahl von 1150 redaktionellen Einheiten ermitteln, die journalistische Onlinemedien produzieren und in denen rund 7.800 Onlinejournalisten, darunter mehr als 4.400 fest angestellte, tätig sind. Die Resultate der Studie basieren auf 461 Interviews mit Onlinejournalisten und -journalistinnen in Deutschland. Anhand der Kriterien 1) Einkommen aus journalistischer Tätigkeit sowie 2) Gesamtarbeitszeit konnten drei Gruppen von Journalisten ermittelt werden: der Kern (13 Prozent, hauptberufliche Tätigkeit, gesamte Arbeitszeit in Onlinemedien, <?page no="160"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 161 583 festangestellte), der innere Rand (82 Prozent, hauptberuflich, nur Teil der Tätigkeit in Onlinemedien, 3619 fest angestellte) sowie der äußere Rand (5 Prozent, nebenberuflich, nur Teil der Tätigkeit in Onlinemedien, 212 Personen). Zu ihren Basismerkmalen: Der Onlinejournalist ist 35 Jahre alt, männlich, technikaffin, verfügt über einen Universitätsabschluss und hat eine etwas geringere Berufserfahrung als Journalisten in klassischen Medien. Er verfügt über ein Volontariat, ist besonders gut ausgebildet (trifft v. a. auf den Kern zu) und hat onlinespezifische Qualifikationen durch »learning by doing« erworben. Er ist in hohem Ausmaß mit Schreiben, Recherchieren (vorwiegend online) und Auswahl von Nachrichten befasst, ebenso mit Einpflegen bzw. Einkopieren von Websites. Er versteht sich in erster Linie als Informationsvermittler und möchte sein Publikum möglichst schnell informieren. Ähnlich wie im Journalismus in Redaktionen von Nachrichtenagenturen ist er in relativ hohem Maße mit Selektieren und Redigieren befasst. »Onlinejournalisten, die hauptberuflich tätig sind und mit ihrer gesamten Arbeitszeit für Onlinemedien arbeiten (also der ›Kern‹), sehen ihre Aufgaben häufiger im Bereich des klassischen Informationsjournalismus. In etwas geringerem Maße gilt das für Personen, die den inneren Rand des Onlinejournalismus bilden. Auch sie wollen - deutlich intensiver als ihre Kollegen vom äußeren Rand - das Publikum neutral und präzise informieren, komplexe Sachverhalte erklären sowie Nachrichten für ein weitest mögliches Publikum vermitteln« (Löffelholz et al. 2003, S. 484). Nebenberuflich tätige, zum äußeren Rand zugehörige Personen »beabsichtigen häufiger als die hauptberuflich tätigen Onlinejournalisten, ihren Rezipienten eigene Ansichten zu präsentieren. Diese Gruppe sieht sich vermehrt als Ratgeber, die dem Publikum Lebenshilfe bieten wollen« (ebd.). Aufs Ganze gesehen gibt es nur geringe Unterschiede zum traditionellen Journalismus, von »einem völlig neuen Journalismustyp zu sprechen, erscheint […] waghalsig« (Löffelholz et al. 2003, S. 485). Was die Tätigkeitsmerkmale wie Recherchieren und Selektieren betrifft, so kommt Kathrin Meyer (2005) in ihrer Befragung (Datenerhebung 2003) über crossmediale Zusammenarbeit von Print- und Onlineredaktionen bei Tageszeitungen in Deutschland zu teils ähnlichen Ergebnissen (Meyer 2005). Ein weiteres ihrer Resultate ist u. a., dass Onlinejournalisten wenig zum eigenen Schreiben (v. a. längerer Beiträge) kommen. Die allgemeine Zusammenarbeit Print-Online ist Meyer zufolge in den Ressorts Politik, Wirtschaft und Regionales/ Lokales stärker ausgeprägt als in anderen Ressorts. Von den von Michael Brüggemann (2002) mittels Intensivinterviews in Zeitungsredaktionen ermittelten drei Möglichkeiten crossmedialer Zusammenarbeit Print-Online, nämlich Autonomie, Mehrfachverwertung und Komplementarität, ist jene der Komplementarität »mit Abstand am häufigsten vorzufinden« (Meyer 2005, S. 305). Von Thorsten Quandt (2002, 2005) stammen auf Basis einer Netzwerktheorie journalistischen Handelns Redaktionsbeobachtungen in fünf deutschen Onlineredaktionen (Netzeitung, Faz.net, SVZonline, tagesschau.de und Spiegel Online; Datenerhebung 2001). Er findet »verbindende Muster im Handeln der Redakteure, die darauf schließen lassen, dass sich Handlungregeln und -strukturen des Online-Journalismus herauskristallisieren« (so die Inhaltsangebote der umfangreichen und sehr ins Detail gehenden Studie in deren Einband). Die Studien liegen allesamt zehn Jahre zurück. Wandel des Journalismus - Wandel der Öffentlichkeit Der Journalismus allgemein, insbesondere aber der Onlinejournalismus - bzw. richtiger: der Journalismus im Internet - unterliegt zudem einem Wandel. Zum einen: Es ist im Internet auch anderen Anbietern wie Politikern und politischen Parteien, Unternehmen und Institutionen, PR-Agenturen und der werbungtreibenden Wirtschaft, de facto allen, die über das (relativ einfache) erforderliche technische Know-how verfügen, möglich, Informationen zu publizieren. Dadurch verliert der professionelle Journalismus sein Informationsmonopol, das Internet erweitert »den Kreis der poten- <?page no="161"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 162 ziellen Kommunikatoren« (Neuberger/ Quandt 2010), der Journalismus »ist nicht mehr jene zentrale Filterinstanz, die jede publizierte Nachricht passiert haben muss« (ebd.). Zum anderen: Wegen der im Internet gegebenen Möglichkeiten für die Nutzer bzw. User, über E-Mails, Kommentarfunktionen etc. interaktiv zu werden, sind Journalisten v. a. in Onlineredaktionen in deutlich stärkerem Maße Rückkoppelungsmöglichkeiten der Mediennutzer ausgesetzt. »Das Internet vereinfacht nun den kommunikativen Zugang zur Öffentlichkeit« und »technische, ökonomische, kognitive und rechtliche Barrieren [sind] für das Publikum niedriger […] als in Presse und Rundfunk« (Neuberger/ Quandt 2010, S. 67). Es kommt zu einem »Entwicklungsschub in der öffentlichen Kommunikation: Die Inklusion des Publikums erweitert sich über die Rezeption hinaus auf die Kommunikation. Dadurch verschiebt sich das Verhältnis zwischen Leistungs- und Publikumsrollen im Öffentlichkeitssystem: Die einflussreiche Rolle des professionellen Journalismus als ›Gatekeeper‹, der bislang alleine über den Zugang zur aktuellen Öffentlichkeit entschieden hat, ist damit [z.T. zumindest - Ergänzung H. P.] in Frage gestellt« (Neuberger/ Quandt 2010, S. 67f ). Genutzt wird diese Möglichkeit, wie aus der ARD/ ZDF-Onlinestudie 2009 hervorgeht, von vergleichsweise wenig Personen (Busemann/ Gscheidle 2009). »Gleichwohl besitzt das Internet das technische Potenzial, dass sich die öffentliche Kommunikation von einer sozial selektiven, linearen und einseitigen zu einer partizipativen, netzartigen und interaktiven Kommunikation verändert« (Neuberger/ Quandt 2010, S. 68). Diesem Partizipationsgewinn stehen Folgeprobleme sowohl aufseiten der Kommunikatoren wie der Rezipienten gegenüber: »die quantitative und qualitative Überforderung der Rezipienten sowie - als Kehrseite - die Schwierigkeit von Kommunikatoren, Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit zu gewinnen« (Neuberger/ Quandt 2010, S. 69). Indem sich im Prinzip »jeder öffentlich zu Wort melden kann, schwillt die ›Informationsflut‹ weiter an«, Überlastung, Aufmerksamkeits- und Verarbeitungskapazitäten sind die Folge (vgl. ebd.). Es fehlt eine »flächendeckende Qualitätssicherung (›Informationsmüll‹)«, es herrscht »Knappheit an Aufmerksamkeit und Urteilsvermögen auf Seiten der Rezipienten« (ebd.). Gleichwohl werden Journalisten als Mediatoren im Internet nicht überflüssig, es wandeln sich aber, wie Neuberger/ Quandt schreiben, »die spezifischen Vermittlungsleistungen« (Neuberger/ Quandt 2010, S. 69): 1) Anstelle des Gatekeeping (Entscheidungen über Publikation oder Nichtpublikation von Informationen) ist ein ›Gatewatching‹ (Bruns 2009, S. 11-19) erforderlich: Orientierung wird im Internetjournalismus zu einer wichtigen Leistung. 2) Der Journalismus im Internet »kann förderliche Bedingungen für die Kommunikation von Nutzern schaffen, indem er sie organisiert und moderiert« (Neuberger/ Quandt 2010, S. 70). Und 3): Gatekeeping »außerhalb des Internets ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung«, weil relevante Informationen im Internet auch künftig »überwiegend aus den klassischen Medien stammen [dürften]« (ebd.). Vermittlungsleistungen im Internet werden nicht mehr nur durch professionelle Kommunikatoren (Journalisten) erbracht, sondern auch durch partizipativen Journalismus. Das können »sowohl Nutzerplattformen zu journalistischen Themen sein« (wie Wikinews, Shortnews, Webnews etc.) »als auch Individualformate wie Weblogs, Videoblogs und Podcasts, die i. d. R. nur von einer Person betrieben werden, untereinander aber oft vernetzt sind (Blogosphäre)«. Deren Qualität wird in aller Regel erst »nach der Publikation von Nutzern öffentlich geprüft«, wohingegen »im traditionellen Journalismus die Qualitätssicherung weitgehend eine interne Angelegenheit von Profession und Redaktion ist (Neuberger/ Quandt 2010, S. 71) und die Kontrolle der Richtigkeit der Inhalte vor deren Veröffentlichung erfolgt. Technische Vermittlungsleistungen »kommen von Suchmaschinen (wie Google News), Agenten und sonstigen Aggregatoren […], die Nachrichten automatisch recherchieren, selektieren und aggregieren […]. Sie verschaffen damit den Zugang zu einer Vielzahl journalistischer Angebote, ohne allerdings selbst Nachrichten beizusteuern« (ebd.). Freilich ist zu prüfen, »inwieweit durch Partizipation und Technik tatsächlich journalistische Vermittlungsleistungen <?page no="162"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 163 erbracht werden« (ebd.). Über Weblogs vorliegende empirische Befunde »lassen vermuten, dass partizipative Angebote kaum in der Lage sind, gleichwertige Leistungen wie der professionelle Journalismus zu erbringen, sieht man von einzelnen Blogs ab, die von Profijournalisten betrieben werden« (Neuberger/ Quandt 2010, S. 71, mit Bezugnahme auf Neuberger et al. 2007, 2009). Was weitere Beziehungen zwischen professionellem Journalismus und anderen Anbietern im Internet betrifft, so gibt es komplementäre Beziehungen. Gemeint sind Laienkommunikatoren wie Blogger, die für Journalisten als Quelle für die Recherche dienen oder als Rezipienten für Anschlusskommunikation sorgen. Weblogs stellen damit Resonanzräume der Massenmedien dar (Neuberger/ Quandt 2010, S. 72). Auch Nachrichtensuchmaschinen erbringen komplementäre Leistungen, wenn Journalisten darin recherchieren. Klassischer und Onlinejournalismus integrieren professionelle, partizipative und technisch gestützte Kommunikation durch Nutzerbeteiligung, wenn z. B. Leserreporter in die Vermittlerrolle schlüpfen und Informationen an Redaktionen liefern (vgl. Vetter 2007). In aller Regel müssen diese Informationen freilich durch professionelle Journalisten auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden. Leserreporter, die oftmals v. a. wertvolle Informationen aus dem lokalen und sublokalen Bereich liefern, sind für die Redaktionen damit - überspitzt formuliert - Segen (Informationszulieferung) und Fluch (Erfordernis der Informationsüberprüfung) zugleich (vgl. Vetter 2007; Kopp/ Schönhagen 2008; Singer et al. 2011). Crossmedialer Journalismus Viele Zeitungen und andere Medienbetriebe produzieren neben klassischen Medien wie Zeitungen und Zeitschriften inzwischen auch Applikationen für mobile Endgeräte und bedienen damit neben Onlinezeitungen und E-Papers (1: 1-Wiedergabe gedruckter Zeitungen am Computerbildschirm) weitere Ausspielwege für Informationen vielfältiger Art. Möglich ist dies, weil die meisten Informationen, seien dies nun Texte, (bewegte) Bilder, Töne, (animierte) Grafiken etc. infolge der Digitalisierung ›konvergent‹ vielseitig verwenbar vorliegen. Mittels gemeinsamer Newsrooms und -desks, die es in zahlreichen Zeitungsverlagshäusern gibt (und über die auch angeschlossene Radio- oder Fernsehredaktionen bedient werden können), ist dies gut zu bewältigen (vgl. Meier 2010a, S. 100ff). Der Newsroom stellt ein (auch architektonisches) Konzept dar, welches das ressort- und medienübergreifende Planen und Arbeiten unterstützen soll, meist ohne trennende Wände zwischen den Ressorts. Der sich darin befindende Newsdesk ist eine »Koordinations- und Produktionszentrale«, in der alles zusammenläuft, was eine Redaktion an Material bekommt (ebd.). Bei Tageszeitungen sind dies die Orte, an denen die Seiten verschiedener Ressorts oder Lokalredaktionen koordiniert und produziert werden. Wenn von solchen Newsrooms und Newsdesks aus von Journalisten mehrere Ausspielkanäle bzw. Medienkanäle gleichzeitig bedient werden, ist von »crossmedialem Journalismus« die Rede (Meier 2006, 2007b, 2010a). Dies bedeutet jedoch nicht, dass etwa eine Person alle diese Ausspielkanäle zugleich mit einem Produkt bedienen kann. Nach wie vor gibt es »unterschiedliche Produktionsweisen und differierende journalistische Kulturen«, die integriert werden müssen (Neuberger/ Quandt 2010, S. 66). Es sind dies u. a. auch Eigengesetzlichkeiten und Zwänge, die für die gedruckten Zeitungen, fürs Radio und Fernsehen, für Onlinezeitungen, für E-Paper-Ausgaben, für Applikationen und andere elektronische Dienste zum Empfang auf mobilen Endgeräten wie Smartphones oder Tabletcomputer zu beachten sind und Personal erfordern. Daher sollten Journalisten, um erforderlichenfalls prinzipiell flexibel für mehrere Ausspielkanäle tätig sein zu können, möglichst über eine crossmediale, journalistisch-handwerkliche Ausbildung verfügen - eine unabdingbare Voraussetzung, professionellen Journalismus künftig zu bewältigen. Ziele der Arbeit in neuen Redaktionsstrukturen sind u. a.: Durch gemeinsames Arbeiten in einem Raum und an einem Desk <?page no="163"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 164 sollen Ressortgrenzen und -egoismen überwunden werden. Im Team soll das Bewusstsein für das Produkt gestärkt werden, Redakteure sollen Themen möglichst ressortübergreifend bearbeiten. Die Welt wird nicht weiter in feste Sektionen unterteilt, gleichzeitig sollen Themendopplungen vermieden werden. Wege sind kürzer, Entscheidungen fallen schneller, redaktionelle Abkäufe sollen optimiert, Strukturen flexibilisiert werden (vgl. Meier 2010, S. 101; Meier 2006, S. 204; Kansky 2010, S. 289f ). Bernd Blöbaum et al. (2011) haben in einer Untersuchung von 15 Redaktionen deutscher Nachrichtenmedien u. a. herausgefunden, dass der journalistische Alltag in crossmedial arbeitenden Redaktionen von einer zunehmenden Beschleunigung gekennzeichnet ist: Die Arbeit am Desk sei durch eine dichtere Abfolge von Handlungen gekennzeichnet. Außerdem hätten sich die Schwerpunkte verlagert: In Newsdesk-Redaktionen nehme die Planung und Selektion von Themen vergleichsweise mehr Raum ein (vgl. Blöbaum et al. 2011, S. 50ff). Im Internet ist, dies sei ergänzend hier erwähnt, auch eine Flexibilisierung der Zeit- und Raumbezüge zu beobachten (Kretzschmar 2009). Auch ermöglicht das Internet »z. B. sowohl eine Beschleunigung als auch eine langfristige Archivierung; es besitzt eine globale Verbreitung, erlaubt aber auch eine Nahraumberichterstattung« (Neuberger/ Quandt 2010, S. 65). 4.1.3.5 Boulevardjournalismus Obwohl Boulevardbzw. Straßenverkaufszeitungen das mediale Erscheinungsbild in den Straßen von Städten, aber auch Landgemeinden und Dörfern bestimmen, wurde dem Boulevardjournalismus in der Kommunikationswissenschaft für lange Zeit nur wenig Beachtung zuteil. Erst in jüngerer Zeit gewinnt die wissenschaftliche Beschäftigung mit ihm an Bedeutung - in allen seinen Erscheinungsformen in Printwie Funkmedien. Unter Boulevardjournalismus wird (v. a. aus der Perspektive eines sich kritisch verstehenden Aufklärungsjournalismus) »ein von oben nach unten abfallender Prozess bezeichnet: der scheinbare Niedergang von einem den Qualitätsnormen der Objektivität und der Vermittlung von Wahrheit verpflichteten, hoch stehenden Informationsjournalismus zu einem sich an die Begierden und Unterhaltungswünsche des Publikums anbiedernden, minderwertigen Sensationsjournalismus« (Renger 1998, S.-28). Der Boulevardjournalismus hat seinen Ursprung übrigens nicht erst in der jüngeren Vergangenheit. Er reicht vielmehr ins 19. Jahrhundert zurück, als zunächst in Amerika und England die »Penny Press« und kurz darauf in Frankreich die »petite presse« entstanden. Es waren dies (z.T. kleinformatige) billige Boulevardprodukte mit bereits damals hohem Anzeigenaufkommen und vergleichsweise hohen Auflagen. Dieser Medientyp stellt also auch die Anfänge der Massenpresse dar (vgl. Bollinger 1996). In Deutschland gab es vergleichbare Produkte erstmals an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert - so z. B. den Berliner Lokalanzeiger (ab 1883) sowie die BZ am Mittag (ab 1904). Allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, dass bereits in den sog. »Newen Zeitungen« des 16. Jahrhunderts, aber auch später in den periodisch erscheinenden Zeitungen (ab Beginn des 17. Jahrhunderts) von Anfang an Unglücksfälle, Krieg, Mord und andere Verbrechen durchaus regelmäßig Bestandteil der Berichterstattung waren. Neu ist das Phänomen also nicht, relativ neu ist vielmehr die intensivere Beschäftigung mit ihm. Im Boulevardjournalismus wird ein an kommerziellen Interessen orientierter Journalismus gesehen, der Nachrichten auf Reizeffekte reduziert und auf ihre Vermarktung hin ausrichtet. Er ist nicht nur in den Boulevardbzw. Straßenverkaufszeitungen vorzufinden, sondern auch in zahlreichen Magazinen und Talkshows des Fernsehens. Auch in vielen Hörfunkprogrammen gibt es ihn. Sein besonderes Kennzeichen ist, dass Information - für die Medienmacher wie für das Publikum - »nur interessant ist, wenn sie unterhaltsam ist« (Renger 1998, S.-28). Die aus Wien stammende Kultur- <?page no="164"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 165 journalistin Sigrid Löffler, bekannt geworden v. a. durch ihre langjährige Mitwirkung an der ZDF- Sendung »Literarisches Quartett«, sieht im Boulevardjournalismus einen »Journalismus light«, der als »Vehikel der Unterhaltung« dient und »nicht als Instrument ernst gemeinter Information. Seine politische Haltung orientiert sich an den Markterfordernissen. Politische Inhalte sind transformiert zur Markt-Veranstaltung« (Löffler 1997, S.- 22). Der sog. U-Journalismus versteht sich laut Löffler nicht mehr als »Transporteur von Meldungen«, sondern »ausschließlich als Mittler zwischen Konsum und Konsument. Er ist ein Marktschreier, er ist ein Entertainer, ein fröhlicher Kumpel jedweder Prominenz und zugleich deren Verlautbarungsorgan« (Löffler 1997, ebd.). Dieser Journalismus- Typ, so Löffler, zeichnet sich v. a. dadurch aus, dass er »öffentliche Meinung bloß noch kopiert und simuliert«, dass er »schreibt, was gefällt - nicht, was geschah« (Löffler 1997, S.-23). Ähnlich sehen dies die Verfasser des »Berichtes zur Lage des Journalismus. Erhebungsjahr 1997« (in Österreich). Der Boulevard- und Infotainment-Journalismus präsentiere sich als Showbusiness. Dabei werde Kritik und Kontrolle gegenüber den Regierenden und Mächtigen vorwiegend durch Entertainment mit stark fiktionalen Elementen ersetzt. Der Hamburger Journalistik-Professor Siegfried Weischenberg nennt diese Entwicklung in Anspielung an eine langjährig tätige Moderatorin im deutschen Fernsehen recht treffend die »Schreinemakerisierung« der Medienwelt (Weischenberg 1997). Journalismus dieser Art »wird als permanente Seifenoper verkauft, der keine Fakten mehr vermittelt, sondern lediglich »das Gefühl, dass die Menschen […] auf dem Laufenden gehalten werden« (Weischenberg 1997, S.-11). Auf der Suche nach Besonderheiten des Boulevardjournalismus (und damit der Boulevardmedien) können Merkmale ausfindig gemacht werden, die sich im Hinblick auf seine Themen, seine grafische Gestaltung, seine Sprache und seiner diskursiven Strategien wie folgt zusammenfassen lassen (hier in Anlehnung an Schirmer 2001, Bruck/ Stocker 1996; Bürgi 1994 und Renger 1998): Themen Bei der Themenauswahl rangiert in Boulevardmedien das Kriterium Publikumsinteresse weit vor dem Faktor Bedeutung: • Hohen Stellenwert haben Themen aus der Sparte »Sex and Crime«. Verbrechen aller Art, Skandale, Katastrophen, Klatsch und Sensationen nehmen in Boulevardmedien ebenso breiten wie formal hervorgehobenen Raum ein. • Personalisierung und der Attraktivitätsfaktor Prominenz spielen dabei eine wichtige Rolle. • Dem Sport wird mehr Raum geschenkt als der Politik. Sport eignet sich besonders dazu, mit seinen ewig wiederkehrenden Geschichten von Siegen und Niederlagen der Alltagswelt Spannung zu verleihen sowie dem Ablenkungs- und Unterhaltungsbedürfnis entgegenzukommen. • Boulevardmedien betonen »Human Interest« vergleichsweise wesentlich mehr als etwa das Wirtschaftsleben; und Boulevardjournalismus konzentriert sich stark auf Individuen und weniger auf Institutionen. • Ebenso beschäftigen sich Boulevardmedien mehr mit dem Lokalen und Unmittelbaren - und weniger mit internationalen und langfristigen Themen. • Generell orientiert er sich an Alltagsthemen, und er hält - zugegebenermaßen - auch zahlreiche Service-Angebote (nach Möglichkeit für viele Zielgruppen) bereit. <?page no="165"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 166 Grafische Gestaltung Boulevardzeitungen weisen eine attraktive, schnell und leicht konsumierbare Gestaltung auf, oftmals reißerisch und plakativ: • In einem Platz verschlingenden Layout wird Typografie und Farbe großflächig eingesetzt. • Überdimensionierte Schriften sowie farbige (meist rote) Raster und Linien dienen als Blickfang. • Eine ausführliche Bebilderung mit großen, ausdrucksvollen (und oftmals freigestellten) Fotos heischt um Aufmerksamkeit. • Der Lesestoff wird nach Eindrücklichkeit und optischer Opulenz aufgeteilt und eingeordnet. • Der Leser wird nicht über den Verstand, sondern über das Auge mit Gefühlen angesprochen; Emotionalisierung findet in Bild und Text statt. • Die grafische Gestaltung wird an den Lesemodus des raschen Überfliegens angepasst; ermöglicht wird dies durch einen übersichtlichen Aufbau der Seiten sowie durch leicht fassbare, prägnante Überschriften. Sprache Die Sprache ist in Boulevardzeitungen einfach, die Sätze sind kurz, der Sprachduktus ist an die Umgangssprache angelehnt. • Boulevardmedien arbeiten sprachlich mit Simplifizierung und Alltagsnähe, mit Bemühen um maximale Verständlichkeit. • Es herrscht ein ebenso vertrautes wie reizstarkes Vokabular vor, eine alltagsweltliche Sprache. • Boulevardmedien bemühen sich um hohe Verständlichkeit und vielfältige emotionalisierende Aussageweisen (Text wie Bild). Diskursive Strategien Um den Leser anzusprechen (und ihn auch »bei der Stange zu halten«), kultivieren Boulevardmedien, wie Stefan Schirmer sagt, »bestimmte Erfahrungswelten, die sich auf die ständige Aktualisierung und Variation narrativer (also erzählender - Ergänzung H. P.) Ur- und Grundmuster zurückführen lassen« (Schirmer 2001, S.-10). Oder, wie Peter Bruck und Günther Stocker es ausdrücken: »Simplifizierung, die Konstruktion von übersichtlichen Weltbildern und die Reduktion komplexer, unpersönlicher gesellschaftlicher Vorgänge auf das Handeln einzelner Personen, die dann der moralischen Bewertung durch die Zeitung unterliegen, sind zentrale diskursive Strategien« (Bruck/ Stocker 1996, S.-25). Folgende »Techniken« kommen zum Einsatz (hier nach Schirmer 2001, Bruck/ Stocker 1996; Bürgi 1994 und Renger 1998): • Das Eindampfen von Sachverhalten auf das Einfache, Konkrete und Vertraute soll sicherstellen, dass Boulevardzeitungen ihren Leser nicht kognitiv überfordern. Vielmehr sollen boulevardeske Erzählstrukturen seine emotionale Anteilnahme (von Freude bis tragische Erregung) provozieren, ihm erlebnisstarke Gefühlswelten vermitteln. • Boulevardjournalismus bemüht sich um die Herstellung emotionaler Adäquanz. Sachverhalte werden in einer Weise interpretiert, die Wertkonflikte zwischen Medium und Leser vermeiden und eine eindeutige Urteilsbildung erleichtern soll - nicht zuletzt durch eine Darstellung nach Schwarz-Weiß-Schemata. <?page no="166"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 167 • Boulevardjournalismus nimmt die Perspektive der kleinen, machtlosen Leute ein, stützt sich - in populistischer Weise - auf die vermutete Meinung der Bevölkerungsmehrheit und inszeniert publizistisch das »gesunde Volksempfinden«. Politikberichterstattung in Boulevardmedien z. B. reduziert komplexe Sachverhalte auf Schlagwortlosungen und Schlagwortlösungen; über »Sex and Crime« wird aus der Perspektive der Augenzeugen berichtet und gibt damit Live-Charakter vor. • Unter den Gefühlen, die Boulevardmedien herzustellen versuchen, spielt neben Effekten wie Jubel und Angst die Emotionsfärbung Empörung eine zentrale Rolle. Im Gefühl der Empörung dreht sich nämlich die soziale Rangordnung der individuell erfahrenen Lebenswelt um: Der Mediennutzer fühlt sich (scheinbar) im Besitz der Macht, indem die Zeitung für ihn die Mächtigen verurteilt oder straft. • Ein Mittel zur Integration des einzelnen Nutzers in die große Nutzergemeinschaft von Boulevardmedien (und damit etwa zur Vertiefung der Leser-Blatt-Bindung) ist die Ab- und Ausgrenzung von »den Anderen«. Dies erfolgt, indem ein »Wir-Gefühl« erzeugt wird, etwa in Form der häufigen Verwendung von Personalpronomen in der 1. Person Plural (wie »Nein, Kanzler, da machen wir nicht mit! « oder »Gen-Test sagt Krebs voraus - Wollen wir das? «). Dazu gehört auch, den sozialen Abstand zu statushöheren (prominenten) Menschen zu verringern, sie als »Menschen wie du und ich« zu präsentieren, indem deren Vor- oder Kosenamen verwendet werden (wie »Boris, du bist der Größte« oder »Danke, Gorbi, alles klar«). • Eine weitere diskursive Strategie ist die Einbettung öffentlicher Themen in Unmittelbarkeit und Totalität. Nähe wird dabei dadurch erreicht, dass an persönliche Erfahrungen des Lesers oder Zuschauers apelliert wird. Die populäre Konzeption des Persönlichen wird zum Erklärungsrahmen, innerhalb dessen die soziale Ordnung transparent dargestellt wird. Schließlich ist auch noch zu verweisen auf Techniken der Emotionalisierung in einer gefühlsärmer werdenden Welt; auf jene der vielfältigen Unterhaltung in einer sonst (scheinbar) spannungsarmen Welt; sowie auf jene der Befriedigung eines basalen Informationsbedürfnisses im Sinne der Vermittlung des (trügerischen) Gefühls, über wichtige (freilich nur verkürzt abgehandelte) politische Themen informiert zu sein. Was im deutschen Sprachraum seit langem als Boulevardjournalismus bezeichnet wird, trägt in der angloamerikanischen Kommunikationswissenschaft die wertfreie Bezeichnung »populärer Journalismus« und geht über das Verständnis von Boulevardjournalismus noch hinaus. Der österreichische Kommunikationswissenschaftler Rudi Renger widmet sich speziell diesem Phänomen aus der Perspektive der sog. Cultural Studies (vgl. Renger 2000b). Diese sehen die Massenmedien und den Journalismus als die dominanten Systeme der Bedeutungs- und Kulturproduktion, der öffentlichen Orientierung und sozialen Konstruktion von Wirklichkeit - Systeme, die die bestehenden gesellschaftlichen Machtstrukturen und die dahinter stehende Ideologie legitimieren und verfestigen. Im populären Journalismus sieht Renger »journalistische Spielarten, die in den Boulevardzeitungen, den bunten Illustrierten, den Life-Style- und Special Interest-Magazinen oder im sog. Tabloid-TV den Großteil der Bevölkerung mit Orientierungswissen, Service-Informationen und vergnüglichen Geschichten versorgen und dabei eine dramatisierte, sensationalisierte und fiktionale Weltsicht vermitteln, die, in das Gewand der scheinbar objektiven Berichterstattung gekleidet, entweder für wahr gehalten oder aus - durchaus legitimen - Entspannungs- und Unterhaltungsgründen konsumiert wird« (Renger 2000a, S.-15). Dabei ist eine allgemeine und markante »Tendenz zum Drama« sowie der Vorzug von Skandalisierung gegenüber Orientierung nicht zu übersehen (vgl. Nitz 1998, S.-12; Scholl/ Weischenberg 1998, S.-262). Die im Weiteren spürbaren Trends zur Technisierung und Kommerzialisierung tragen dazu bei, dass inzwischen selbst Mainstream- und angesehene Newsformate mehr und mehr die Methoden und Darstellungsweisen des Unterhaltungs- und Sensations- <?page no="167"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 168 journalismus übernehmen. Der populäre Journalismus wird von Renger als Journalismus gesehen, der mit vergleichsweise geringen journalistischen Mitteln massenhafte Auflagen, große Reichweiten und damit maximalen unternehmerischen Profit erreicht. Sein markantes Kennzeichen, so Renger, ist die operative Verknüpfung von bestimmten Informationsinhalten (›news to use‹) mit unterhaltsamen und gefühlsbetonten Gestaltungsmerkmalen (vgl. Renger 2000b, S.-13ff). Diese inzwischen weit um sich greifende Verknüpfung von Information (information) und Unterhaltung (entertainment) hat unter der Bezeichnung bzw. Wortkreuzung »Infotainment« Eingang in die kommunikationswissenschaftliche Terminologie und Diskussion gefunden. Populärer Journalismus stellt also einen stark differenzierten Gegenstand dar, der weniger an einem bestimmten Medientypus fixiert ist, sondern bestimmte »Formate« präferiert (vgl. Renger 2000a, S.-18 in Anlehnung an Bruck/ Stocker 1996, S.-11ff). In seiner printmedialen Variante ist er, wie erwähnt, sowohl in Tageszeitungen wie auch in Publikumszeitschriften und Magazinen vorzufinden. Dabei werden in den Zeitschriften eng abgesteckte Themenkreise in immer neuer Form wiederholt und sog. »Easy reading-Pakete« angeboten, die vorwiegend aus Prominentenstorys, Ratgeberrubriken, Fortsetzungsromanen, Witzen und Rätseln bestehen und mit pseudoaktuellen Aufmacherthemen den Leser locken. Boulevardzeitungen wiederum präsentieren eine dramatisierte, sensationalisierte und nicht selten fiktionalisierte Weltsicht, wobei, wie erwähnt, Schwerpunkte des journalistischen Angebots auf den Themen Lokales, Human interest und Sport liegen. Politik nimmt eine eher nachrangige Stelle ein. Populärer Journalismus dient hier primär als Zeitvertreib und Alltagsspaß (vgl. Blöbaum 1994, S.-270); er operiert als Diskurs- und Erzählmaschine und zielt auf Vermarktbarkeit ab (vgl. Renger 2000b, S.-492ff). Aus den USA kommend, gibt es den populären Journalismus im Fernsehen des deutschen Sprachraumes seit den 1970er-Jahren (sowie v. a. mit der Einführung privaten Fernsehens Mitte der 1980er-Jahre). Sein Kennzeichen ist - in Talkshows, News-Shows, TV-Magazinen etc. - das »Happy talk-Format« von »Augenzeugen- und Action-Nachrichten«: Mithilfe ihrer (Pseudo-)Aktualität vermittelnden Bilder, ihrer Klänge und Geräusche »erzählen populäre Nachrichten eine Story, wobei das Hier mittels lokaler Bezüge und das Jetzt in Begriffen von Unmittelbarkeit und Gegenwärtigkeit definiert wird. […] Dem Infotainment verpflichtete populärjournalistische Sendungen rechnen in der Grundeinheit des immer und überall bedrohten Opfers. Normativ für das Publikum wirkt beim Boulevardfernsehen ein abstraktes und universales System von schneller und leichter Wiedererkennung, das v. a. durch die Darstellung einer Scheibchen-Aktualität bzw. - zynisch formuliert - durch einen Fetzenjournalismus begünstigt wird. Das Weltverständnis erfolgt in diesem Zusammenhang weniger im Kopf als aus dem Bauch heraus« (Langer 1998, S.- 34). Vier Erzähltypen herrschen im populären Journalismus des Fernsehens vor: 1) besonders bemerkenswerte Ereignisse (vorwiegend aus der Prominentenwelt); 2) tragische Opfer des Alltagslebens; 3) die bedrohte Sozialgemeinschaft; und 4) Traditionen bzw. große Taten der Vergangenheit (vgl. Langer 1998, S.-34f ). Aus der hier dargelegten Sichtweise lassen sich die Produkte des populären Journalismus‹ nicht über einen Kamm scheren. Vielmehr reicht er - je nach Mischung von Information und Unterhaltung - vom billigen Massenboulevard bis zu jenen journalistischen Produkten in Print und Funk, die Sigrid Löffler als »Journalismus light« bezeichnet (vgl. Löffler 1997). Dem »billigen Massenboulevard« prophezeit Uwe Zimmer, langjähriger Chefredakteur der Münchner Abendzeitung, übrigens keine Zukunft: »Nur mit Sensationen, Emotionen, mit Manipulation und Erektion lässt sich keine Zeitung der Zukunft machen« (Zimmer 1999, S.-61). Information als Aufklärung, Unterhaltung als positives lebensbejahendes Element und v. a. auch Service (»news you can use«) seien die Bestandteile jeder guten Zeitung. <?page no="168"?> 4.1 Kommunikator-/ Journalismusforschung 169 4.1.4 Theoretische Konzepte des Journalismus Die Kommunikatorbzw. die Journalismusforschung hat im Laufe ihrer noch relativ jungen Geschichte mehrere (theoretische) Konzepte hervorgebracht. Martin Löffelholz stellte 2002 einen »neuen Ordnungsrahmen« für diese Konzepte vor (Löffelholz 2002; vgl. auch Löffelholz 2004). Er ordnet die Ansätze nach ihren Ähnlichkeiten in Entstehungskontext, theoretischer Herangehensweise, Untersuchungsfokus, Komplexität und Ertrag für die empirische Forschung und findet acht verschiedene Journalismuskonzepte. Es sind dies: der Normative Individualismus, die Materialistischen Medientheorie, der Analytische Empirismus, der Legitimistische Empirismus, die (kritischen) Handlungstheorien, die Funktionalistischen Systemtheorien, die Integrativen Sozialtheorien und die Cultural Studies (vgl. zur Übersicht: Löffelholz 2002, S. 37, Tab. 1; ebenso Löffelholz 2004, S. 62). Löffelholz betont, dass die Konzepte »keinen in sich geschlossenen Ansatz« bezeichnen (Löffelholz 2002, S. 36) und auch, dass nicht ein Konzept ein anderes verdrängt, sondern die Konzepte teils aufeinander aufbauen, nebeneinander existieren oder mitunter ineinander integriert werden (können). Um sie sich gut zu erschließen, ist ihre Lektüre unabdingbar. Nachfolgend werden sie in kurzen Zusammenfassungen lediglich grob umrissen: Normativer Individualismus: Unter dem Begriff des Normativen Individualismus (Löffelholz 2002, S. 38) werden Überlegungen aus der frühen Journalismusforschung (Anfang 20. Jahrhundert) subsumiert, die an einer zu dieser Zeit verbreiteten utilitaristisch gestützten, individuellen Weltanschauung orientiert und daher normativ, subjektivistisch und praktizistisch ausgerichtet waren. Die Theorien konzentrierten sich auf Begabung (»Begabungsideologie«) und Gesinnung (»Gesinnungspublizistik«) einzelner Journalisten, weshalb ihr empirischer Ertrag und ihre theoretische Komplexität als niedrig eingeschätzt werden. In Verbindung mit dem Normativen Individualismus verweist Löffelholz einerseits auf dessen Verwendung unter nationalsozialistischer Herrschaft, andererseits auf dessen nachwirkenden Einfluss auf Berufspraxis und wissenschaftliche Theoriebildung im Journalismus. Als typische Vertreter werden u. a. Otto Groth, Karl Bücher, Karl Jaeger, Emil Dovifat und Hans A. Münster genannt. Materialistische Medientheorie: Die Materialistische Medientheorie (Löffelholz 2002, S. 39), die nach Löffelholz theoretische Ähnlichkeiten zu der etwa zeitgleich in der DDR erfolgreichen »sozialistischen Journalistik« aufweist, begreift Journalismus als »Produktionsprozess von Medienaussagen, der ›klassenabhängig‹ sei sowie den Bedingungen der ›Kapitalverwertung‹ und der Entwicklung der ›Produktivkräfte‹ unterliege (Löffelholz 2002, S. 39f mit Bezugnahme auf Hund/ Kirchhoff-Hund 1980). Damit erscheinen Medien als ökonomisch bestimmte Produktionsunternehmen und Nachrichten als Waren. Fachvertreter wie Horst Holzer, Wulf D. Hund und Bärbel Kirchhoff-Hund fristeten Löffelholz zufolge schon in den 70er- und 80er-Jahren ein »Nischendasein«. Gegenwärtig orientiere sich die wissenschaftliche Debatte kaum noch an diesem Konzept, wohl auch, weil empirischer Ertrag und Komplexität aufgrund der ökonomistischen und ideologischen Ausrichtung als gering eingeschätzt werden (vgl. dazu Scheu 2012). Eine Ausnahme stellt der Hinweis auf die Kommerzialisierung des Journalismus dar, »der zum Standardrepertoire empirischer Journalismusanalysen gehört« (Löffelholz 2002, S. 40). Analytischer Empirismus: Der Analytische Empirismus (ebd.) dagegen stellt nach Löffelholz das herrschende Paradigma der aktuellen Journalismusforschung dar: Die analytisch-empirische Philosophie, intersubjektive Überprüfbarkeit sowie Entwicklung und empirische Prüfung einer aus mindestens zwei Variablen bestehenden Theorie in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses zu stellen, stellte nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst in den USA, dann auch in Deutschland einen Wendepunkt der Journalismusforschung »von der Vermutungs- und Behauptungswissenschaft zur Beschreibungs- und Erklärungswissenschaft« dar (Löffelholz 2002, S. 42). Theorien dieses Konzeptes <?page no="169"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 170 verzichten weitgehend auf normative Weltbilder, sind i. d. R. von mittlerer Reichweite und Komplexität und konzentrieren sich auf spezifische Problemfelder (z. B. berufliche Einstellungen von Journalisten, Professionalisierung, Berufssituation von weiblichen Journalisten u. Ä.). Als typisch hierfür nennt Löffelholz den Gatekeeping- oder den Agendasetting-Ansatz; (erste) bekannte Vertreter des Konzeptes waren bzw. sind u. a. Kurt Lewin, David M. White oder Manfred Rühl (1969, 1979). Aufgrund der thematischen Vielfalt der Theorien und der Übernahme der methodischen Prämissen des Analytischen Empirismus in anderen Journalismuskonzepten sei es schwierig, dieses Konzept »als eigenständig zu formulieren« (ebd.). Legitimistischer Empirismus: Auf empirisch-analytische Ergebnisse stützt sich auch das Konzept des Legitimistischen Empirismus (ebd.): Es begreift die Kommunikatorbzw. Journalismusforschung als Teil der Medienwirkungsforschung und fragt, wie journalistische Berufseinstellungen und Einflussnahmen legitimiert sind. Kommunikationspolitische Normen werden mit empirischen Befunden in Beziehung gesetzt. Ermittelt und als handlungsrelevant erachtet werden das journalistische Selbstverständnis, die Motive und die politischen Einstellungen von Journalisten, ihre Publikums- und Kollegensicht. Kritiker merken an, dass strukturelle Bedingungen der Medienproduktion außer Acht gelassen und dass Schlussfolgerungen von Befragungsdaten auf Inhalte bzw. von Inhalten auf Einstellungen von Journalisten oft nur Vermutungen bleiben (vgl. Löffelholz 2002, S. 43). Als Vertreter des Legitimistischen Empirismus werden mit Bezugnahme auf Baum (1994) Elisabeth Noelle- Neumann, Hans Mathias Kepplinger, Renate Köcher und Wolfgang Donsbach genannt. (Kritische) Handlungstheorien: Kennzeichnend für die (kritischen) Handlungstheorien (Löffelholz 2002, S. 44), an denen sich sowohl empirischer als auch analytischer Empirismus orientieren, ist die Konzentration auf handelnde Akteure sowie Sinn und sozial geformte Regeln ihrer Handlungen (den soziologischen Überlegungen von Max Weber, Alfred Schütz und Thomas Luckmann folgend). Handlungstheoretische Journalismusforschung zielt in erster Linie auf Beschreibung und Typologisierung ab, elaborierte Theorien haben Löffelholz zufolge nur wenige Fachvertreter (auf Basis des kritisch-theoretischen Ansatzes von Habermas) entwickelt: Er nennt hier die am lebensweltlichen Kontext der Journalisten orientierte Kritik der Kommunikatorforschung von Achim Baum (1994), die an Jürgen Habermas angelehnten, verständigungsortientierten Überlegungen zur Rolle des Journalismus im gesellschaftlichen Diskurs von Maximilian Gottschlich (1980) sowie den Ansatz von Hans- Jürgen Bucher (2000), der journalistische Handlungen als komplexe soziale Ereignisse versteht und die Dynamik der Kommunikation in den Mittelpunkt rückt. Funktionalistische Systemtheorien: Pionierstudie der Funktionalistischen Systemtheorien (Löffelholz 2002, S. 45) war Manfred Rühls »Die Zeitungsredaktion als soziales System« (1969) sowie dessen Habilitationsschrift »Journalismus und Gesellschaft« (1980): Gefordert wird eine Abkehr von normativer und individualistischer Journalismusforschung zugunsten des Verständnisses von Journalismus als von seiner Umwelt abgegrenztes Sozialsystem mit eigenen Strukturen, dem eine spezifische Funktion in der Gesellschaft zugeschrieben wird. Der Systembegriff bzw. die systemische Einbindung wird in den unter diesem Konzept subsumierten Theorien dabei unterschiedlich verwendet: »Handelt es sich beim Journalismus um ein Funktionssystem in der Gesellschaft, wie Rühl (1980) oder Scholl/ Weischenberg (1998) annehmen? Oder operiert der Journalismus als Bestandteil, als organisiertes Leistungssystem, in einem Funktionssystem wie Öffentlichkeit, Publizistik oder Massenmedien? « (Löffelholz 2002, S. 47; Hervorhebung i. Orig.). Kritiker der Systemtheorien monieren u. a. eine Unterschätzung der Relevanz journalistischer Subjekte und ihrer Handlungen oder z. B. auch der Wechselbeziehungen zwischen ökonomischen und journalistischen Prozeduren. Integrative Sozialtheorien: Die Integrativen Sozialtheorien (Löffelholz 2002, S. 47) versuchen, System und Subjekt, Struktur und Handlung in einer Theorie zu integrieren und sind daher meist hoch komplex. Beispiele für solche Theorien sind etwa die Akteurs-Struktur-Dynamiken von Uwe <?page no="170"?> Literatur 171 Schimank, die von Christoph Neuberger (2000) auf die Journalismusforschung übertragen worden sind, oder die von Klaus-Dieter Altmeppen (2000) und Thorsten Quandt (2002) für die empirische Untersuchung journalistischen Handelns verwendete Strukturationstheorie von Anthony Giddens. Ebenfalls integrativen Anspruch hat das »Zwiebelmodell« von Weischenberg (1992) bzw. Scholl und Weischenberg (1998); es verordnet die Journalistik auf Ebenen des Normen-, Struktur-, Funktions- und Rollenkontextes. Löffelholz zufolge stehen die Versuche, Makro-, Meso- und Mikro-Perspektive in einer Theorie zu vereinen, noch am Anfang. Integrationspotenzial räumt er in diesem Zusammenhang auch dem »soziokulturellen Konstruktivismus« (vgl. Schmidt 1996) ein, der Zusammenhänge zwischen Kognition, Kommunikation, Medien und Kultur erforscht. Cultural Studies: Das Forschungsinteresse der Cultural Studies (Löffelholz 2002, S. 49) schließlich stützt sich auf Überlegungen aus dem Marxismus, der Kritischen Theorie sowie der Semiotik, Linguistik und Handlungstheorien und fokussiert auf die kontextuelle Erforschung und Veränderung des Verhältnisses von Kultur, Medien und Macht. John Hartley (1996), Stuart Allan (1999) und Rudi Renger (1999) wenden dieses Prinzip auf die Journalismusforschung an: Sie begreifen Journalismus als kulturellen Diskurs und Teil der Populärkultur und untersuchen ihn weitgehend aus der Rezipientenperspektive. Löffelholz betont, dass die Cultural Studies aufgrund ihrer vielfältigen Wurzeln und ihrer theoretischen Offenheit keinen geschlossenen theoretischen Ansatz darstellen, der Kulturbegriff aufgrund der voranschreitenden Globalisierung jedoch an Bedeutung in der Journalismusforschung zunimmt (vgl. dazu Kap. 5.3.3). Mehrere der hier nur kurz erörterten Konzepte des Journalismus haben seither eine weitere Ausdifferenzierung und teils auch Erweiterungen erfahren. Auskunft darüber erteilen zahlreiche Beiträge aus Sammelbänden, die in den zurückliegenden Jahren entstanden sind. Dazu gehören u. a. der 2004 von Martin Löffelholz (in zweiter, vollständig überarbeiteter und erweiterter Auflage) herausgegebene Sammelband »Theorien des Journalismus« (Löffelholz 2004) oder auch die 2007 von Klaus- Dieter Altmeppen et al. publizierte Aufsatzsammlung »Journalismustheorie: Next Generation« (Altmeppen et al. 2007). Unter anderem zu erwähnen sind Milieu- und Lebensstilkonzepte (u. a. Hradil 2007; Raabe 2000, 2007) sowie insbesondere das Kapital-Feld-Habitus-Konzept von Pierre Bourdieu (u. a. Bourdieu 1983). Es wurde auch von deutschen Wissenschaftlern für die Journalismusforschung theoretisch (u. a. Raabe 2000; Willems 2007; Hanitzsch 2007) wie empirisch (u. a. Meyen/ Riesmeyer 2009) fruchtbar gemacht. Anfang 2013 hat Armin Scholl einen Beitrag über »Theorien des Journalismus im Vergleich« publiziert (Scholl 2013), der hier nicht mehr erörtert werden kann, dessen Lektüre und Studium jedoch angeraten erscheint. Literatur Allan, Stuart (1999): News Culture. Buckingham/ Philadelphia. Altmeppen, Klaus-Dieter (2000): Entscheidungen und Koordinationen. Dimensionen journalistischen Handelns. In: Löffelholz, Martin (Hrsg.): Theorien des Journalismus. Wiesbaden, S. 293-310. Altmeppen, Klaus-Dieter et al. (Hrsg.) (2000): Online-Journalismus. Perspektiven für Wissenschaft und Praxis. Opladen. Altmeppen, Klaus-Dieter et al. (2000): Transformationen im Journalismus. In: Publizistik 45: 2000, S.-200-218. Altmeppen, Klaus-Dieter et al. (Hrsg.) (2007): Journalismustheorien: Next Generation. Soziologische Grundlegung und Innovation. Wiesbaden. Altmeppen, Klaus-Dieter; Hömberg, Walter (Hrsg.) (2002): Journalistenausbildung für eine veränderte Medienwelt. Diagnosen - Institutionen - Projekte. 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Zu den originärpublizistisch verbreiteten Aussagen gehören in erster Linie öffentliche Reden und Ansprachen, Vorträge vor kleineren oder größeren Präsenzpublika, Predigten, aber z. B. auch die (methodisch zu Analysezwecken überaus schwer zu erfassende) nonverbale Kommunikation. Zu den über die Massenmedien verbreiteten Inhalten zählt das gesamte Repertoire an Medienbotschaften, das wir in Zeitungen und Zeitschriften, Radio und Fernsehen, im Internet sowie in anderen Medien vorfinden. Gegenstand der Medieninhaltsforschung sind die Inhalte selbst sowie die Art und Weise ihrer Vermittlung in je unterschiedlichen Darbietungsformen (also das, was gemeinhin als journalistische Darstellungsform, Genre oder auch Format bezeichnet wird). Folglich gehören Untersuchungen von Hörfunk- und Fernsehprogrammen und Programmformaten ebenso in das Feld der publizistischen Aussagenforschung wie etwa Untersuchungen zur Programmgeschichte. Zu letzterem liegen zwar in Ansätzen mehrere Einzeldarstellungen vor (vgl. Bleicher 1993; Halefeldt 1999; Ludes 1999), es gibt jedoch noch keine in sich geschlossene Gesamtdarstellung. (An solchen Gesamtdarstellungen mangelt es in der Kommunikationswissenschaft überhaupt sehr). Gegenstand der Inhaltsforschung im Internet sind nicht ausschließlich, aber doch vorwiegend Inhalte von Onlineauftritten klassischer Medien, zunehmend aber auch Webseiten politischer Parteien (vgl. z. B. Schweitzer 2010) sowie Diskussionsforen, Weblogs, Nutzerkommentare (vgl. z. B. Haas et al. 2010). 4.2.1 Medieninhalte, Programme, Formate Das gesamte Repertoire an Medienbotschaften präsentiert sich uns in einer ungewöhnlichen Vielfalt von Inhalten und Darbietungsformen. Selbst mithilfe der über die Grenzen der Medien hinweg vorfindbaren journalistischen Darstellungsformen (vgl. Kap. 4.2.2) lässt sich diese Vielfalt kaum systematisieren. Im Hinblick auf ihre Alltagsfunktionen könnte man allenfalls grob zwischen informierenden, meinungsbildenden, belehrenden, berufs- und allgemeinbildenden sowie unterhaltenden Medieninhalten unterscheiden. Dabei ist einzuräumen, dass die Grenzen zwischen solchen Typen oftmals fließend sind und ihre Funktionen jeweils besser aus der Sicht des jeweiligen Nutzers bestimmt werden müssten: Was für den einen unterhaltend ist (wie etwa die auf zahlreichen TV- Sendern ausgestrahlten Quiz-Shows im Fernsehen), kann für einen anderen höchst informativ, für einen Dritten allgemeinbildend und für einen Vierten gar ärgerlich sein. In den klassischen Massenmedien Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen finden wir die Vielfalt der Inhalte in aller Regel geordnet vor. Dies war nicht immer so. In den ersten Zeitungen, die im 16. Jahrhundert aufkamen und die seit Beginn des 17. Jahrhunderts periodisch zunächst als Wochen- (ab 1605) und später (ab 1650) als Tageszeitungen erschienen, wurden die Nachrichten in jener Reihenfolge abgedruckt, wie sie bei den damaligen Zeitungsmachern einliefen. Die uns heute bekannte Einteilung und Ordnung der Inhalte in Ressorts oder Sparten (Politik, Wirtschaft, Kultur, Lokales, Sport etc.) bildete sich erst im ausgehenden 19. Jahrhundert heraus. Anders war dies bei den in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aufkommenden Zeitschriften, die bereits damals zwei Typen aufwiesen, nämlich: die wissenschaftlichen Zeitschriften, die sich später in eine große <?page no="188"?> 4.2 Medieninhaltsforschung 189 Vielfalt von Fachzeitschriften unterschiedlicher Fachgebiete und Inhalte ausdifferenzierten; sowie die Unterhaltungszeitschriften, die einem damals gehobenen Publikum, das des Lesens fähig war, der Zerstreuung und Unterhaltung, der Bildung und Belehrung dienten und die folglich entsprechende Inhalte aufwiesen. Auch im Hörfunk, und später im Fernsehen, bildeten sich geordnete Programmstrukturen und Sendeschemata mit regelmäßig wiederkehrenden Sendungen informierender, unterrichtender, bildender, belehrender und unterhaltender Art erst im Laufe der Entwicklung dieser Medien heraus. Die heute in den Massenmedien vorfindbaren, in aller Regel gut geordneten und von Journalisten und Programmgestaltern sorgfältig zusammengestellten Inhalte erleichtern uns die Mediennutzung beträchtlich. So sind die Tageszeitungen inhaltlich in Ressorts untergliedert und innerhalb dieser Ressorts nach uns vertrauten Mustern bzw. Subsystemen geordnet, sodass wir gezielt gesuchte Inhalte rasch auffinden (und dabei mitunter von anderen Inhalten überrascht werden, die wir vielleicht gar nicht gesucht haben, aber interessant finden). Diese Ressorts sind in aller Regel Politik (Innen-, Außenpolitik), Wirtschaft, Lokales, Kultur (und Feuilleton), Sport, Chronik und Vermischtes. Es gibt Zeitungen, die daneben noch andere Ressorts wie Medien, Wissenschaft/ Umwelt, Recht/ Gericht etc. enthalten. Aufteilungen der Inhalte nach Ressorts, Rubriken oder Sparten finden wir auch in Publikumszeitschriften und (politischen) Magazinen (wie z. B. Politik, Wirtschaft, Geld/ Anlagen, Gesellschaft, Kultur, Leute etc.) vor. Zeitschriften und Fachzeitschriften folgen diesbezüglich ihrer eigenen, jeweils fachspezifisch-inhaltlichen Logik. Auch in den Funkmedien finden wir Ordnungsschemata für die zu sendenden Inhalte vor. Dort ist von Programmstrukturen und Sendeschemata die Rede. Diese erfüllen für einen Rundfunksender (ob Hörfunk oder Fernsehen) eine interne und eine externe Funktion (vgl. Stuiber 1998, S.-1007). Intern dienen sie »als Ordnungsmuster für die Programmgestaltung und übernehmen darüber hinaus die Aufgabe der Eigendefinition« (ebd.), also welche Art von Sender ein Rundfunkveranstalter sein will. Die externe Funktion von Programmstrukturen »besteht in der Imagebildung gegenüber der Öffentlichkeit. Das Publikum braucht ein wiederkehrendes Programm, um einen Sender identifizieren und von seinen Konkurrenten unterscheiden zu können. Außerdem kommt ein vertrautes, immer wiederkehrendes Sendeschema den Nutzungsgewohnheiten der Rezipienten entgegen. […] Die Komplexität und Vielfalt der Angebote wird durch deren Struktur für die Rezipienten erheblich reduziert: Die Gewissheit, zu bestimmten Zeitpunkten gewisse Inhalte aufzufinden, erleichtert ihnen die Befriedigung von Informations-, Unterhaltungs- oder Bildungsbedürfnissen […]. Die Vertrautheit mit Inhalten, ihrer Form und ihrer Ausstrahlungsfrequenz fördert die Bindung des Publikums an einen Kanal und stellt so u. a. die Basis für dessen wirtschaftlichen Erfolg dar« (Stuiber 1998, S.- 1007f ). Die systematische, immer wiederkehrende identische Ordnung von Medieninhalten ist für Printwie Funkmedien also gleichermaßen wichtig. Im Hörfunk haben sich etappenweise Programmstrukturen und -farben herausgebildet. Von den Anfängen des Radios bis in die 1960er-Jahre herrschten sog. Mischprogramme vor, innerhalb deren Wort- und Musikprogramme, Informations-, Bildungs- und Unterhaltungssendungen etc. an steten Sendeplätzen regelmäßig wiederkehrten. Diese Mischprogramme wurden Ende der 1960er-Jahre im deutschen Sprachraum durch Strukturprogramme abgelöst. Den Anfang machte 1967 der Österreichische Rundfunk (ORF), der damals in Anlehnung an Radio Luxemburg begann, drei Strukturprogramme zu senden: ein informationslastiges, gehobenes Wort- und E-Musikprogramm (Ö1), ein dem ländlichen Hörer entgegenkommendes Lokalprogramm mit Volksmusik und -kultur (Ö2), sowie ein Unterhaltungs- und Serviceprogramm für die eher jugendlichen Hörer (Ö3). Solche oder ähnliche Programmstrukturen waren ab 1970 bei allen öffentlich-rechtlichen Sendern vorzufinden, so auch bei den Radioprogrammen der ARD. Der Bayerische Rundfunk (BR) strahlt gegenwärtig (2012) z. B. sieben solcher Struktur- <?page no="189"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 190 programme aus, nämlich Bayern 1 (Musik und Wortprogramm mit Regional- und Lokalbezügen), Bayern-2 Radio (anspruchsvolles Wort- und Bildungsprogramm), Bayern 3 (jugendorientiertes Rock- und Pop-Programm mit Informations- und Serviceelementen), Bayern 4 Klassik (klassisches Musikprogramm), B5 aktuell (ein rund um die Uhr laufender Informationssender mit Nachrichten im Viertelstundenintervall aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport, etc.), Bayern plus (gemischtes Informations- und Musikprogramm mit dem Schwerpunkt auf deutscher, insbesondere Volksmusik) sowie on3 (Jugendwelle mit vorwiegend alternativer Musik). Jeder dieser Sender hat seine eigene Zielgruppe. Mit dem Marktzutritt privater Hörfunkveranstalter (in Deutschland ab 1984) kam der Typ bzw. Begriff des sog. Formatradios amerikanischer Herkunft auf. Formatradio heißt v. a.: »1. Musikalisch und altersmäßig stärkere Einengung der Zielgruppe als bei den Musik- und Servicewellen der ARD; 2. Konsequente ›Durchhörbarkeit‹ der Programme; 3. Orientierung an Stundenrastern, die genau die Platzierung und die (Mach-)Art einzelner Programmelemente vorgeben; 4. Platzierung kurzer Nachrichten jeweils am Beginn einer Stunde, sei es zur vollen Stunde oder - um sich schneller zu zeigen als die Konkurrenz - fünf Minuten früher; 5. Beschränkung der Musikauswahl auf einen überschaubaren Kanon von Titeln, die sich in relativ kurzen Abständen wiederholen; 6. Abstimmung wirklich aller Programmelemente, von der Art des Moderators über die Sprache der Nachrichten bis hin zur Aggressivität der Musik, auf das jeweilige Gesamtkonzept« (Halefeldt 1999, S.-223). Das Format eines Senders ergibt sich - entsprechend der angestrebten Zielgruppe - also aus der jeweils spezifischen Kombination von Struktur, Inhalt und Präsentation. Folgende Programmformate sind im deutschen Sprachraum v. a. vorzufinden: Adult Contemporary (AC); Album Oriented Rock (AOR); Beautiful Music; Bigband; Contemporary Hit Radio (CHR, z. B. als Adult- oder Dance-CHR); Deutscher Schlager; Classic Rock; Easy Listening/ Arabella-Format; Jazz; Klassik; Middle-of-the-Road (MOR); Oldies; sowie nicht zuletzt auch Volkstümliche Musik (vgl. z. B. Vowe/ Wolling 2004). Für das Medium Fernsehen ist festzuhalten, dass es von seinen Anfangszeiten (in Deutschland 1952) bis zur unmittelbaren Gegenwart den Sendebetrieb von anfangs zwei Stunden auf 24 Stunden (also rund um die Uhr) ausgeweitet und damit auch sein inhaltliches Angebot beträchtlich erweitert hat. 1952 nahm die ARD mit dem Ersten deutschen Fernsehprogramm einen regelmäßigen Sendebetrieb auf, das rasch zu einem Vollprogramm entwickelt wurde. 1963 kam das 1961 gegründete Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) als Vollprogramm hinzu. Ab 1964 wurden die sog. Dritten Programme (ARD) in Betrieb genommen, die ursprünglich Bildungsprogramme (aus heutiger Sicht also Spartenprogramme) waren und sich mittlerweile selbst längst zu Vollprogrammen entfaltet haben. Mit dem Marktzutritt privaten Fernsehens 1984 kamen neben privat-kommerziellen Vollprogrammen auch Spartenprogramme wie Spielfilm-, Musik- oder Nachrichtenkanäle etc. hinzu, die es mittlerweile auch bei den öffentlich-rechtlichen TV-Veranstaltern gibt (wie etwa den Kinderkanal, Bayern alpha, Phoenix etc. sowie digitale Programmbouquets). Im Großen und Ganzen ist im Fernsehen also zwischen Vollprogrammen einerseits und Spartenprogrammen andererseits zu unterscheiden. Laut Rundfunkstaatsvertrag von 1991 sind in Deutschland Vollprogramme »Rundfunkprogramme mit vielfältigen Inhalten, in welchen Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden« (Rundfunkstaatsvertrag 1991). Sie setzen sich inhaltlich in aller Regel aus den Programmelementen Information/ Bildung, Fiktion (Spielfilme, Serien, Krimis etc.), Nonfiktion (Shows, Quiz-, Ratesendungen), Musik, Sport, Kinder/ Jugend, Sonstiges und Werbung zusammen. (Die Bereiche Fiktion und Nonfiktion sowie Musik ergeben zusammen den Programmbereich Unterhaltung). Auf Grund unterschiedlicher Programmaufträge unterscheiden sich öffentlich-rechtliche und private Vollprogramme voneinander. So ist der Anteil informierender bzw. bildender Programminhalte bei den öffentlich- <?page no="190"?> 4.2 Medieninhaltsforschung 191 rechtlichen Veranstaltern deutlich stärker ausgeprägt, bei den Privaten ist es die Unterhaltung, also Fiktion, Nonfiktion und Musik (vgl. Krüger 2012). Als Spartenprogramme gelten laut Rundfunkstaatsvertrag von 1991 »Rundfunkprogramm(e) mit im Wesentlichen gleichartigen Inhalten«. In der deutschen Fernsehlandschaft sind dies Sender wie n-tv oder N24 (beides Nachrichtensender), Viva oder MTV (Musiksender) oder etwa der Spielfilmkanal Kabel1. Die Vielfalt der im Internet vorfindbaren Inhalte ist so groß, dass eine Systematisierung schwer fällt. Grundsätzlich kann man zwischen klassischen Webangeboten und sog. Web-2.0-Angeboten unterscheiden. Zu den klassischen Webangeboten zählen z. B. Onlinemedien, Weblogs, Webseiten politischer Parteien oder anderer Organisationen und Interessengruppen sowie kommerzielle Seiten. Web-2.0-Angebote stellen eine Weiterentwicklung dieser traditionellen Angebote dar. Zu ihnen gehören z. B. Social-Network-Sites wie Facebook oder studiVZ und Videoplattformen wie YouTube. Während die traditionellen Webangebote von wenigen, häufig professionellen Kommunikatoren erstellt werden, zeichnen sich Web-2.0-Angebote dadurch aus, dass sie von den Nutzern i. d. R. selbst interaktiv gestaltet werden (User-generated Content). Allerdings nutzen mittlerweile auch professionelle Kommunikatoren Web-2.0-Angebote, um ihre Botschaften zu verbreiten. Beispiele hierfür sind Facebook-Accounts von Politikern oder Prominenten sowie YouTube-Kanäle von Fernsehsendern oder Parteien. Auf einen wichtigen Unterschied zwischen klassischen Medienangeboten sowie -inhalten und jenen im Internet ist noch hinzuweisen: In den traditionellen Medien wie Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen finden wir die Inhalte in linearer Form vor. (Und bei der Rezeption folgen wir in aller Regel auch dieser Linearität - bzw. müssen wir ihr folgen, wie dies bei Hörfunk und Fernsehen durch den vorgegebenen Programmablauf der Fall ist. Bei Zeitungen und Zeitschriften haben wir immerhin die Möglichkeit, Inhalte zu überspringen oder auch zurückzublättern - die angebotene Linearität kann also teilweise zumindest übergangen werden). Im Internet finden wir die große Mehrzahl der Inhalte in nichtlinearer Form vor. Bedingt wird diese Nichtlinearität v. a. durch die Möglichkeit der Hypertextualität, also der Verlinkung von Texten oder Textelementen mit anderen Informationsangeboten, E-Commerce, Medienanwendungen (wie Chats und Newsgroups) etc. Nicht selten geht dabei die in den klassischen Medien weitgehend noch vorhandene Trennung von redaktionellen Inhalten einerseits (wie Information, Bildung, Unterhaltung etc.) sowie werblichen Inhalten andererseits verloren. 4.2.2 Journalistische Darstellungsformen Die journalistische Darstellungsform ist jene »formal charakteristische Art, in der ein zur Veröffentlichung in den Massenmedien bestimmter Stoff gestaltet wird« (Reumann 1997, S.-91). Über die Grenzen der klassischen Medien (Zeitung, Zeitschrift, Radio, Fernsehen) hinweg lassen sich die journalistischen Darstellungsformen grosso modo in fünf Gruppen gliedern, nämlich in informierende, interpretierende, meinungsbildende, fantasiebetonte/ unterhaltende sowie illustrierende. Neben diesen »klassischen« Darstellungsformen sind v. a. in den Nachrichtenmagazinen sowohl der Printwie auch der Funkmedien Präsentationsformen vorzufinden, die sich nicht mehr so eindeutig zuordnen lassen. In den Printmedien ist dies z. B. die sog. »Nachrichtenmagazingeschichte«, die einerseits durchaus nachrichtlich faktiziert, andererseits aber recht stark interpretiert und damit dem Geschehen eine Tendenz verleiht. Diese Tendenz wird dann allgemeingültig formuliert. (Solche Formen findet man z. B. in politischen Magazinen wie Time, Newsweek, Spiegel, Focus etc.). Ähnliches ist auch in (im weitesten Sinne politischen) Magazinsendungen des Fernsehens zu beobachten. <?page no="191"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 192 Zu den informierenden Darstellungsformen zählen die Nachricht, die Meldung, der Bericht sowie die Bildnachricht. Diese Formen zeichnen sich durch ihre tatsachenbetonten und referierenden Inhalte aus und haben einen sog. »kopflastigen« Aufbau: Das Wichtigste zuerst, das weniger Wichtige später. Dieser Aufbau hat für Journalisten wie Leser Vorteile: Der Journalist kann die Mitteilung im erforderlichen Fall sehr leicht von hinten kürzen, ohne dass die wichtigsten Informationen verloren gehen. Der Leser wird durch diesen Aufbau in die Lage versetzt, das Wesentliche auf den ersten Blick zu erfassen und sich später in Details zu vertiefen. Zu den interpretierenden Darstellungsformen gehören die Reportage, das Feature, das Interview, das Porträt und die Dokumentation. Alle diese Formen sind auch tatsachenbetont, es fließen jedoch weiter ausholende, oftmals persönlich gefärbte Zusatzinformationen des Journalisten ein. Interpretierende Formen erlauben folglich auch eine persönliche Schreibweise und überwinden damit in gewisser Weise auch institutionelle Barrieren und soziale Distanz. Die meinungsbildenden Formen wie Glosse, Kommentar, Leitartikel, Kolumne etc. sowie alle Formen der Kunst-, Theater-, Film-, Buch-, Fernsehkritik etc. interpretieren und bewerten aktuelle Ereignisse, Handlungen und Haltungen von Politikern oder anderen in der Öffentlichkeit wirkenden Personen oder Institutionen. Dabei werden vom Journalisten Argumente (pro und contra) abgewogen und persönlich deutende sowie schlussfolgernde Positionen bezogen. Zu den fantasiebetonten und damit wohl auch unterhaltenden Darstellungsformen gehören das Feuilleton (als Form), die Erzählung, der Fortsetzungsroman, die Kurzgeschichte, das Hörspiel, das Lied, das Ratespiel, die Talkshow, das Fernsehquiz u. a. m. Angesichts der großen gesellschaftlichen Bedeutung des Mediums Fernsehen, aber auch mit Blick auf viele Inhalte des Internets nehmen illustrative Formen auch in den Printmedien immer noch zu. Klassische Print-Illustrationen sind die Abbildung, das Foto, die Karikatur, der Cartoon sowie der Comicstrip. Zu den illustrativen Formen gehört aber auch die wachsende Zahl grafischer Darstellungen, also das gesamte Repertoire von Infografiken in Form von Säulen, Diagrammen, Kreisen, Karten etc. Wer sich über diesen Teilbereich der Medieninhaltsforschung informieren will, sollte die dazu vorhandene Praktikerliteratur einsehen, von der es bereits über 150 Buchtitel (wenn nicht sogar mehr) allein im deutschsprachigen Raum gibt. Eine sog. Darstellungsbzw. »Genre-Lehre« oder »Genre- Theorie« gibt es in der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft bislang weitgehend nicht. Allenfalls ist sie für einige Formen, wie etwa die Nachricht (Weischenberg 2001), die Reportage (Haller 2008) sowie für das Interview (Haller 2013) angedacht. In der DDR hat es eine solche »Genre- Lehre« gegeben (Arnhold 2002). Auf Grund der primär politischen Funktion des Journalismus in der DDR (im Sinne des Marxismus-Leninismus) und der darauf aufbauenden Lehre der journalistischen Darstellungsformen lässt sich diese »Genre-Lehre« aber nicht uneingeschränkt auf journalistische Darstellungsformen in demokratischen Systemen und pluralistischen Medien übertragen. Berücksichtigen muss man des Weiteren Darstellungsformen und -möglichkeiten in den Onlinemedien bzw. in der computervermittelten Kommunikation. Entsprechende Typologien sind aber angesichts der Dynamik, der das Netz unterliegt, schwierig. An und für sich handelt es sich bei den Darstellungsformen in Onlineauftritten etwa von Tageszeitungen um modifizierte, bisherige Formen der klassischen Medien, die den Gegebenheiten des Bildschirms sowie den Möglichkeiten des Computers (wie v. a. Multimedialität und Hypertextualität - vgl. Kap. 4.1.3.4) angepasst sind. Durch die Möglichkeit der Verlinkung, also der Einrichtung einer großen Zahl von Verzweigungen innerhalb eines Artikels und Vernetzungen mit anderen Texten, entsteht bei Onlinezeitungen die bereits erwähnte, nichtlineare (Text-)Struktur und damit für den User das Erfordernis bzw. sogar der Zwang zur zusätzlichen Auswahl. Daher müssen die einzelnen Seiten eines Auftritts zunächst v. a. übersichtlich und klar strukturiert sein. Der Bildschirm setzt sehr enge Grenzen, innerhalb derer die Ganz- <?page no="192"?> 4.2 Medieninhaltsforschung 193 heit des Angebotes nach Möglichkeit sichtbar gemacht und die funktionale und thematische Zugehörigkeit von Texten oder Textelementen zu größeren Einheiten für den User deutlich erkennbar sein muss (vgl. Storrer 2001, S.-190). Zwei Gestaltungsmerkmale enthalten in Onlineauftritten eine zentrale Wegweiserfunktion für den User. Zum einen: Auf jeder Webseite muss durch Linklisten und Suchbäume eine Übersicht über die Inhalte des gesamten Auftritts gegeben sein. Zum Zweiten: Jeder einzelne Hyperlink muss klar ausgezeichnet sein. Der Rezipient soll eine bewusste Entscheidung für eine bestimmte Verknüpfung von Textelementen über Links treffen können und muss wissen, wohin der Link führt (vgl. Storrer 2001, S.-196ff). So gesehen kommt dem Journalisten im WWW eine neue Rolle als »Wissens-Architekt« zu (Storrer 2001, S.-190). Bei Chats, Newsgroups etc. wird man wohl nicht von Darstellungsformen als vielmehr von unterschiedlichen Kommunikationsmodi sprechen müssen bzw. handelt es sich um verschiedene Kommunikationsforen, die jeweils unterschiedliche Inhalte bedingen. Allenfalls ist in diesem Kontext auf beziehungsanzeigende parasprachliche Hilfsmittel zu verweisen, mit deren Gebrauch versucht wird, die fehlenden nonverbalen Kommunikationskanäle, z. B. den visuellen, aber auch den auditiven Kommunikationskanal zu ersetzen. Zu nennen sind die sog. Emoticons (Wortbildung aus »Emotion« und »Icon«) wie z. B. der Smiley, dessen variantenreiches Gesicht die Stimmung der Gesprächspartner ausdrückt (vgl. z. B. Sanderson 1997). Innere Empfindungen und situative Vorgänge können des Weiteren mit Aktionswörtern (*denk*, *erschreck*) und Soundwörtern (*kicher*, *tststs*) beschrieben werden (vgl. z. B. Wetzstein et al. 1995, S.-76). 4.2.3 Analyse von Medieninhalten Die wichtigste Methode zur Erforschung von Medieninhalten stellt die Inhaltsanalyse dar (vgl. Kap. 6.3.2). Sie ist, wie Werner Früh sagt, »eine empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen« (Früh 1991, S.-24). Kernstück jeder Inhaltsanalyse ist die Erarbeitung eines Kategorienschemas, mit dessen Hilfe es möglich ist, die zu analysierenden Inhalte der jeweiligen Forschungsbzw. Untersuchungsfrage entsprechend systematisch zu erfassen. Inhaltsanalysen in diesem Sinne gibt es seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, und ihre Forschungstechniken sind seither, v. a. aber in den letzten dreißig bis vierzig Jahren, ständig weiterentwickelt worden. Die Kommunikationswissenschaft kann für sich in Anspruch nehmen, zur methodischen Verbesserung und Verfeinerung der Inhaltsanalyse wesentlich beigetragen zu haben. Die Methode der Inhaltsanalyse als Forschungstechnik steht hier allerdings nicht zur Diskussion (darüber gibt Abschnitt 6.3.2 umfassend Auskunft). Vielmehr sollen im Folgenden typische Forschungsfelder der Medieninhaltsforschung aufgezeigt und ihre relevantesten Befunde diskutiert werden. Dabei soll es um Medienstrukturanalysen, Analysen zur Politik- und Wirtschaftsberichterstattung sowie Analysen zur Berichterstattung über Umwelt und Risiken gehen (siehe dazu jeweils ausführlich auch Maurer/ Reinemann 2006). 4.2.3.1 Medieninhaltsstrukturen Eine erste grundlegende Frage der Medieninhaltsforschung ist die nach der inhaltlichen Struktur des Informationsangebots in den unterschiedlichen Medien. Beispiele für solche Untersuchungen sind etwa in Strukturanalysen von Tageszeitungen zu sehen, wie sie Ende der 1960erbzw. Anfang der 1970er-Jahre im Kontext der Pressekonzentrationsforschung aufgekommen sind (vgl. Schulz 1970; <?page no="193"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 194 Vyslozil et. al 1973). Oberstes Forschungsziel war dabei herauszufinden, aus welchen Inhalten sich die Tageszeitungen in Deutschland (Schulz) bzw. Österreich (Vyslozil et al.) zusammensetzen und wie sich innerhalb des redaktionellen Teils der Zeitungen die Inhalte auf die Zeitungsressorts verteilen. Weiterhin interessierte, ob es Unterschiede zwischen den einzelnen Zeitungstypen (überregional, regional/ lokal verbreitete, parteipolitisch orientierte, unabhängige, Abonnementbzw. Boulevardzeitungen etc.) hinsichtlich der redaktionellen Strukturen gibt und ob in diesem Kontext etwa auch historisch bedingte Ursachen (wie etwa die Lizenzpolitik der Besatzungsmächte) und Unterschiede zwischen Lizenzzeitungen und solchen Zeitungen existieren, die erst nach der Erteilung der Generallizenz von den sog. »Altverlegern« herausgebracht wurden. Die wenigen Untersuchungen, die bislang zur Struktur der deutschen Presse durchgeführt wurden, zeigen, dass in überregionalen Tageszeitungen die Politik- und in regionalen Tageszeitungen die Lokalberichterstattung dominiert. Während das Feuilleton in beiden Zeitungstypen eine relativ große Rolle spielt, findet eine angemessene Wirtschaftsberichterstattung in nennenswerter Weise nur in den überregionalen Tageszeitungen statt. An diesen Verhältnissen hat sich seit den 1950er-Jahren kaum etwas geändert, obwohl der Umfang der Berichterstattung insgesamt deutlich zugenommen hat (vgl. Maurer/ Reinemann 2006, S. 84f ). Erst im Zuge der deutschen Wiedervereinigung wurden wieder einige Pressestrukturanalysen durchgeführt, diesmal mit dem Ziel, die Unterschiede zwischen ost- und westdeutschen Regionalzeitungen zu untersuchen (vgl. z. B. Schneider et al. 2000). Als Resultate konnten die Forscher damals u. a. festhalten, dass die untersuchten Zeitungen in den neuen Bundesländern generell deutlich dünner sind als in den alten (Ost: 29 Seiten; West: 33 Seiten). In der Summe ist die Lokalberichterstattung in den neuen Ländern deutlich kürzer gehalten und von insgesamt geringerem Stellenwert. Das Themenprofil der Lokalberichterstattung ist im Großen und Ganzen ähnlich. Unterschiede bestehen darin, dass die ostdeutschen Lokalzeitungen ihren Schwerpunkt auf Stadtentwicklung und -erneuerung legen, im Westen hingegen Berichte über Vereine, Parteien und Bürgerinitiativen stärker ausgeprägt sind. Diese Analysen liegen schon viele Jahre zurück; möglicherweise würde sich heute ein anderes Bild ergeben. Die Strukturen der deutschen Fernsehprogramme gehören zu den am besten untersuchten Forschungsgebieten in der Medieninhaltsforschung. Dies hat v. a. mit den schon erwähnten unterschiedlichen Anforderungen an öffentlich-rechtliche und private Fernsehsender zu tun (vgl. Kap. 4.3.5.2). Seit Einführung des dualen Rundfunksystems Mitte der 1980er-Jahre erhebt ein Forschungsteam um Udo Michael Krüger im Auftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten den Anteil an Informations- und Unterhaltungssendungen sowie die thematische Struktur der Programme. Seit 1997 wird diese Untersuchung um eine Programmstrukturanalyse im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM) ergänzt. Zwar zeigen beide Studien einen höheren Informationsanteil bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Weil sie aber mit verschiedenen Definition von Informations- und Unterhaltungssendungen arbeiten, fällt der Unterschied bei Krüger sehr deutlich, in der ALM- Studie dagegen nur knapp aus (zu den Ursachen vgl. ausführlich Maurer/ Reinemann 2006, S. 86ff). Auf einer feineren Ebene kann man zudem erkennen, dass der Anteil der Politikberichterstattung bei den Öffentlich-rechtlichen deutlich höher ist als bei den Privaten. Allerdings sind die Unterschiede zuletzt geringer geworden, weil die Privatsender heute mehr über Politik berichten als früher. Zumindest in dieser Hinsicht kann folglich von einer Konvergenz der Programme gesprochen werden. Aus ähnlichen Gründen wie beim Fernsehen sind auch die Programmstrukturen im Hörfunk häufig untersucht worden. Allerdings liegen hier keine kontinuierlichen Analysen, sondern nur Einzelstudien vor. Sie zeigen, dass die privaten Radiosender insgesamt einen geringeren Anteil an Wortbeiträgen aufweisen als die öffentlich-rechtlichen. Gleichzeitig enthält dieser Wortanteil etwas weniger Information. Der Informationsanteil enthält wiederum etwas weniger Politik. Allerdings unterscheiden sich die Wort- und Informationsanteile zwischen den einzelnen Programmen der öffent- <?page no="194"?> 4.2 Medieninhaltsforschung 195 lich-rechtlichen Sender sehr stark. Während einige davon fast reine Informationsprogramme sind, ist der Musikanteil z. B. in den Jugendsparten zum Teil größer als bei den privaten Sendern (vgl. z. B. Vowe/ Wolling 2004). Die inhaltliche Struktur des Internets ist aufgrund der Menge an Webseiten kaum zu bestimmen. Die wenigen Untersuchungen, die dies versucht haben, legen nahe, dass etwa ein Drittel aller erreichbaren Webseiten mit einer Endung auf ».de« dem kommerziellen Bereich zuzuordnen sind. Etwa ein Fünftel entfallen auf Vereine und andere Non-Profit-Organisationen, etwa ein Siebtel auf Privatpersonen (vgl. zusammenfassend Maurer/ Reinemann 2006, S. 97). Verglichen damit spielen Onlineangebote von traditionellen Massenmedien nur eine geringe Rolle. Die wenigen Studien, die dies bislang untersucht haben, zeigen übereinstimmend, dass die thematische Struktur der Onlinemedien in etwa der ihrer Offlinependants entspricht (vgl. z. B. Gerhards/ Schäfer 2007, Quandt 2008). 4.2.3.2 Politikberichterstattung Ohne Zweifel werden die meisten Medieninhaltsstudien im Bereich der politischen Kommunikation durchgeführt. Das kann man vermutlich damit erklären, dass politische Medieninhalte als besonders bedeutsam und folgenreich für die Urteilsbildung der Gesellschaft angesehen werden. Die Vielzahl der Befunde aus diesem Bereich kann hier nicht vollständig widergegeben werden. Stellvertretend sollen deshalb drei zentrale Forschungsfelder diskutiert werden: Forschung zu den redaktionellen Linien der Medien und ihren Folgen für die Berichterstattung, z. B. in Wahlkämpfen, Forschung zur Personalisierung der Politikberichterstattung und Forschung zur Berichterstattung über politische Skandale. Als redaktionelle Linie eines Mediums bezeichnet man seine grundsätzliche, von aktuellen Ereignissen unabhängige Berichterstattungstendenz. Dabei kann man alle Medien auf einem Kontinuum von politisch links bis politisch rechts einordnen. Die redaktionellen Linien werden bei Printmedien vom Verleger bestimmt (Blattlinie, publizistische Grundsatzkompetenz - vgl. Pürer/ Raabe 2007, S. 274f ) und über die alltägliche Sozialisation in der Redaktion an die Journalisten weitergegeben. Dagegen sollten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten politisch ausgewogen berichten. Dennoch zeigen sich auch hier innerhalb einzelner Sendungen redaktionelle Linien, wenn auch insgesamt deutlich schwächer als in der Presse. Zur Ermittlung der redaktionellen Linien kann z. B. die Tendenz der Berichterstattung über politische Akteure und Parteien zugrundegelegt werden (vgl. z. B. Maurer et al. 2013). Ebenso kann die Verwendung einzelner Argumente (vgl. Schönbach 1977), bestimmter Konfliktsichten (vgl. Kepplinger et al. 1989) oder die Perspektive (Frame), aus der heraus Medien über politische Probleme berichten (vgl. Eilders et al. 2004), als Indikator für die redaktionelle Linie herangezogen werden. Besonders gut untersucht sind die redaktionellen Linien der vier überregionalen Qualitätszeitungen, die zusammen das sog. publizistische Spektrum (vgl. Wilke 2009, S. 472) bilden: Dabei ist die Frankfurter Rundschau deutlich links anzusiedeln, die Süddeutsche Zeitung gemäßigt links, die Frankfurter Allgemeine Zeitung gemäßigt konservativ und die Welt deutlich konservativ. Ebenfalls häufig untersucht wurden die redaktionellen Linien der taz (links), der Bild (konservativ) und der reichweitenstärksten Fernsehnachrichtensendungen (Tagesschau und RTL aktuell gemäßigt links, Heute und SAT.1-Nachrichten gemäßigt konservativ). Die redaktionellen Linien der Printmedien zeigen sich auch in Wahlkämpfen, sodass die Wähler, je nachdem, welche Zeitung sie lesen, einen vollkommen unterschiedlichen Eindruck von den Parteien und Kandidaten erhalten. Beispielsweise wiesen die Berichte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Kanzlerin Merkel in den letzten vier Wochen vor der Bundestagswahl 2009 einen Saldo <?page no="195"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 196 von +12 auf, d. h. die positiven Beiträge über Merkel überwogen die negativen deutlich. In der Süddeutschen Zeitung betrug der Saldo im selben Zeitraum -8. Über die SPD berichtete die FAZ mit einem Saldo von -41, die Berliner Zeitung mit einem Saldo von -9 (vgl. Maurer et al. 2013, ähnlich auf Aussagenbasis auch Wilke/ Leidecker 2010). Vor allem die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender achten dagegen in Wahlkämpfen stärker als sonst auf politische Ausgewogenheit und berichten im Regelfall relativ konsonant neutral. Auch im Bundestagswahlkampf 2009 bewegten sich die Berichterstattungssaldi für Parteien und Kandidaten um den neutralen Mittelwert (vgl. Maurer et al. 2013, Schulz/ Zeh 2010). Allerdings gibt es von dieser Regel auch Ausnahmen. Eine solche war der Bundestagswahlkampf 1998, in dem alle vier Nachrichtensendungen ein ausgesprochen negatives Bild von der Union und Helmut Kohl und ein ausgesprochen positives Bild von der SPD und Gerhard Schröder vermittelten (vgl. Donsbach/ Jandura 1999). Grundsätzlich lassen sich die redaktionellen Linien der Medien am besten an der Tendenz der Kommentare ablesen, weil wertende Darstellungen hier gewollt und zulässig sind. Nachrichten sollen die Rezipienten dagegen sachlich informieren und unterrichten - den Mediennutzern soll ein möglichst stimmiges Abbild der Wirklichkeit geboten werden, ungefärbt von persönlichen Sichtweisen der Journalisten. Dieses Gebot der Trennung von Nachricht und Meinung spielt im angelsächsischen Journalismus eine große Rolle und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg auch im deutschen Journalismus etabliert. Allerdings finden sich journalistische Wertungen häufig auch in Nachrichten und Berichten. Dabei stimmt die Tendenz der Wertungen in den Nachrichten i. d. R. mit der Tendenz der Wertungen in den Kommentaren überein, ein Sachverhalt, den man als Synchronisation von Nachricht und Kommentar bezeichnet (vgl. zuerst Schönbach 1977). Die Wertungen in Nachrichten und Berichten können, ähnlich wie in den Kommentaren, die Folge von direkten journalistischen Einschätzungen sein. Sie können aber auch durch das selektive Zitieren von Experteneinschätzungen entstehen, die bewusst oder unbewusst ausgewählt wurden, weil sie die Sichtweise der Redaktion stützen (sog. opportune Zeugen; vgl. zuerst Hagen 1992). Die Diskussion um die redaktionellen Linien der Medien tangiert folglich auch ein zentrales journalistisches Qualitätskriterium: das Kriterium der Objektivität. Die Forderung nach journalistischer Objektivität wird in Deutschland (mit Ausnahme Hessens) in allen Landespressegesetzen erhoben, wenn es heißt, dass die Presse »alle Nachrichten vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gegebenen Sorgfalt auf Wahrheit, Inhalt und Herkunft zu prüfen« habe (so etwa das Bayerische Landespressegesetz). Nach gängiger Interpretation muss hierbei das »objektive und ernstliche Bemühen« um wahrheitsgemäße Darstellung ausreichen, was heißt, dass die Presse zur Wahrhaftigkeit, nicht zur objektiven Wahrheit verpflichtet ist (vgl. Löffler 1994, S.-265). Auch die Landesrundfunkgesetze und Satzungen der Länder stellen in verschiedenen Formulierungen die Forderung nach Objektivität auf. Schließlich enthalten auch die Ziffern 1, 2, 3 und 7 der Publizistischen Grundsätze des Deutschen Presserates für das Objektivitätspostulat relevante Forderungen. Und nicht zuletzt meinen drei Viertel der bundesdeutschen Journalisten selbst, dass die Journalisten die Realität genauso abbilden sollen, wie sie ist (vgl. Weischenberg et al. 2006). Was genau unter Objektivität verstanden werden soll, ist allerdings umstritten. Der schwedische Kommunikationswissenschaftler Jörgen Westerstahl hat den Begriff der Objektivität in den 1980er- Jahren in vier Dimensionen unterteilt, um ihn empirisch messbar zu machen (vgl. Westerstahl 1983). Diese Operationalisierung wurde mittlerweile in vielen Untersuchungen zur journalistischen Objektivität (vgl. z. B. Bentele 1995) und zur Qualität im Journalismus allgemein (vgl. z. B. Schatz/ Schulz 1992) in ähnlicher Form übernommen. Demnach kann man die vier Dimensionen Relevanz, Richtigkeit, Ausgewogenheit und Neutralität unterscheiden. Der Einfluss der redaktionellen Linien bezieht sich im Wesentlichen auf die letzten beiden Dimensionen, Ausgewogenheit und Neutralität. Demnach sollen Medien erstens ausgewogen berichten, also z. B. beiden Seiten in einem Konflikt oder <?page no="196"?> 4.2 Medieninhaltsforschung 197 allen Parteien in einem Wahlkampf in etwa gleiche Publikationschancen einräumen (vgl. für eine ausführliche Diskussion z. B. Jandura 2011). Zweitens sollen die Medien neutral bleiben, d. h. eigene Wertungen in der Berichterstattung unterlassen. Eine Ausnahme sind, wie oben erläutert, Kommentare. Wie die oben angeführten Studien belegen, ist dies aber oft nicht der Fall. Einen Sammelband über Objektivität im Journalismus mit Beiträgen von Ulrich Saxer, Philomen Schönhagen und Detlef Schröter hat gegen Ende 2012 Hans Wagner vorgelegt (Wagner 2012a), der in diesem Buch auch »Das Fachstichwort: Objektivität im Journalismus« abhandelt (Wagner 2012b). Die ersten beiden Dimensionen (Relevanz, Richtigkeit) sind dagegen wesentlich schwerer zu untersuchen, weil sie sich auf das Verhältnis von Medienberichterstattung und Realität beziehen. Dabei meint Relevanz, dass Journalisten Themen aufgreifen sollen, die gesellschaftliche Relevanz besitzen, bzw. Themen entsprechend ihrer gesellschaftlichen Relevanz berücksichtigen sollen. Richtigkeit meint dagegen, dass journalistische Aussagen die Wirklichkeit möglichst adäquat widergeben sollen. Dies kann z. B. durch intensive Recherche und Hinzuziehung von Fakten geschehen. Dass ein solcher Vergleich von Medienberichterstattung und Realität möglich und sinnvoll ist, wird insbesondere von der erkenntnistheoretischen Position des Konstruktivismus bezweifelt. Demnach gibt es keine vom Beobachter unabhängige Realität, die man mit der Berichterstattung vergleichen könnte. Vielmehr konstruierten Journalisten und Rezipienten je nach individuellen Voreinstellungen ihre eigene Realität. Die erkenntnistheoretische Position des Realismus hält dieser Sichtweise entgegen, dass es zwar grundsätzlich richtig sei, dass die eigene Weltsicht durch individuelle Voreinstellungen oder Schemata geprägt sei, daraus aber nicht folgen dürfe, dass alle Darstellungen der Realität gleichermaßen als richtig angesehen werden. Vielmehr müsse man versuchen, sich mit Hilfe von externen Realitätsindikatoren (z. B. Statistiken) möglichst nahe an eine objektive Realität anzunähern, die dann mit der Berichterstattung verglichen werden könne (für eine Diskussion zwischen den Anhängern der konstruktivistischen und der realistischen Position vgl. z. B. die Beiträge in Bentele/ Rühl 1993). Die Personalisierung der Politikberichterstattung gehört seit etwa zwanzig Jahren zu den am meisten untersuchten Fragen der Medieninhaltsforschung. Dabei liegt den Studien i. d. R. die zumindest implizite Annahme zugrunde, dass eine Personalisierung der Politikberichterstattung demokratietheoretisch nicht wünschenswert ist, weil sie zu Lasten von Sachinformationen gehe. Folgt man neueren Untersuchungen (vgl. z. B. van Aelst et al. 2012), lässt sich Personalisierung in vier verschiedene Dimensionen unterteilen: Auf der ersten Ebene wird untersucht, ob politische Institutionen (z. B. Parteien) oder einzelne Politiker im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen. Auf der zweiten Ebene geht es darum, ob sich die Berichterstattung auf wenige Spitzenpolitiker konzentriert oder viele Vertreter der Parteien zu Wort kommen lässt. Auf der dritten Ebene stellt sich die Frage, ob sich die Berichterstattung über Politiker v. a. auf deren Sachkompetenz oder mehr oder weniger unpolitische Persönlichkeitseigenschaften konzentriert. Schließlich wird auf der vierten Ebene untersucht, ob das Privatleben von Politikern im Fokus der Berichterstattung steht. Wie stark die Berichterstattung personalisiert ist, hängt folglich auch davon ab, welcher Indikator betrachtet wird. Inhaltsanalysen der vergangenen Bundestagswahlkämpfe zeigen z. B. eine hohe Konzentration der Medienberichterstattung auf wenige Spitzenpolitiker der Bundestagsparteien. Eine herausragende Rolle spielen dabei die Kanzlerkandidaten. So berichteten die Nachrichtensendungen der reichweitenstärksten deutschen Fernsehsender in den vier Wochen vor der Bundestagswahl 2009 338mal über Kanzlerin Angela Merkel und 297mal über den Herausforderer Frank-Walter Steinmeier. Allein der damalige FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle kam mit 193 Beiträgen noch auf eine ähnlich hohe Fernsehpräsenz (vgl. z. B. Krüger/ Zapf-Schramm 2009). Diese Befunde belegen zugleich, dass der amtierende Kanzler i. d. R. über einen sog. Amts- oder Kanzlerbonus verfügt: Er ist in Wahlkämpfen häufiger Gegenstand der Berichterstattung als sein Herausforderer. Wie deutlich dies der Fall ist, <?page no="197"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 198 ist allerdings von Wahlkampf zu Wahlkampf verschieden (vgl. Maurer/ Reinemann 2006, S. 120f ). Erklären kann man den Kanzlerbonus damit, dass der Kanzler nicht nur über die typische Wahlkampfberichterstattung, sondern auch im Zusammenhang mit der Ausübung seines Amtes Medienberichterstattung generiert. Rechnet man diese Beiträge heraus, ist der Kanzlerbonus i. d. R. kaum noch erkennbar. Zudem sollte man diesen Aufmerksamkeitsbonus nicht mit einem Darstellungsbonus verwechseln. Wenn über einen Kanzler zu negativ berichtet wird, kann ihm hohe Medienaufmerksamkeit eher schaden. Betrachtet man die weiteren Indikatoren für Personalisierung, zeigt sich zunächst, dass die Medien nach wie vor häufiger über Parteien als über Politiker berichten (vgl. z. B. Kepplinger/ Maurer 2005, Maurer et al. 2013). Auch die Berichterstattung über Sachthemen überwiegt selbst in Wahlkämpfen im Vergleich zur Berichterstattung über Personen (vgl. z. B. Donsbach/ Jandura 1999). Untersucht man schließlich, welche Merkmale von z. B. Politikern im Zentrum der Medienberichterstattung stehen, zeigt sich, dass Printmedien i. d. R. eher die Sachkompetenz der Kandidaten thematisieren (vgl. z. B. Wilke/ Leidecker 2010), während die Fernsehnachrichten v. a. durch ihre visuellen Informationen überwiegend Eindrücke von der Persönlichkeit der Kandidaten vermitteln (vgl. Kepplinger/ Maurer 2005). Eine häufig untersuchte Frage ist zudem, ob die Personalisierung der Politikberichterstattung in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen hat. Solche Langzeitanalysen liegen für die vier überregionalen Qualitätszeitungen seit 1949 vor. Dabei wird z. B. deutlich, dass der Anteil der Beiträge mit Bezug zu einem der beiden Kanzlerkandidaten seit 1953 mit leichten Schwankungen auf hohem Niveau konstant bleibt. Zwar gibt es besonders personalisierte und weniger personalisierte Wahljahre, ein genereller Trend zu zunehmender Personalisierung ist aber nicht erkennbar (vgl. Wilke/ Leidecker 2010). Für die Nachrichtensendungen der reichweitenstärksten Fernsehsender sind ähnliche Analysen seit 1990 verfügbar. Sie zeigen einen stetigen Anstieg der Beiträge mit Kandidatenbezug bis 2002, der allerdings von einem leichten Abfall bei den letzten beiden Bundestagswahlen gefolgt war (vgl. Schulz/ Zeh 2010). Insgesamt spricht folglich wenig für eine generelle Zunahme der Personalisierung der Wahlkampfberichterstattung in Deutschland - v. a., weil die Personalisierung schon immer ausgesprochen hoch war. Im Detail lassen sich allerdings durchaus Trends ausmachen, die v. a. auf die Einführung der sog. TV-Duelle im Wahljahr 2002 zurückzuführen sind. So thematisieren die Medien seitdem bei weitem häufiger das Auftreten der Kandidaten als in früheren Wahlkämpfen (vgl. Reinemann/ Wilke 2007; vgl. dazu Kap. 5.1.2). Der letzte Aspekt der politischen Medieninhaltsforschung, der hier thematisiert werden soll, ist die Skandalberichterstattung. In der Politik gibt es, wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen, auch, Missstände - Politiker verschaffen sich durch ihr Amt persönliche Vorteile, verschwenden Steuergelder oder verhalten sich in anderer Art und Weise moralisch fragwürdig. Ein Skandal entsteht, wenn ein Missstand von den Massenmedien öffentlich gemacht und mehr oder weniger einheitlich angeprangert wird. Die meisten Skandale führen schließlich zum Rücktritt des Skandalierten, spätestens dann, wenn sich neben den Medien, die ihm aufgrund ihrer redaktionellen Linien eigentlich verbunden sein müssten, auch die eigenen Parteifreunde von ihm distanzieren. Jüngste Beispiele sind die Rücktritte von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg aufgrund des Skandals um seine in weiten Teilen aus anderen Werken kopierte Dissertation oder der Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff aufgrund einer Vielzahl von tatsächlichen oder vermeintlichen Fällen von persönlicher Vorteilnahme (vgl. dazu ausführlich Kepplinger 2012). Grundsätzlich berichten die meisten Massenmedien zwar eher negativ über Politik (vgl. Maurer 2003, S. 131), weil sich viele Journalisten als Kontrolleure der Politik betrachten. Die Skandalberichterstattung nimmt dabei allerdings nur einen sehr kleinen Teil ein. Dies hat v. a. damit zu tun, dass schlagzeilenträchtige Skandale vergleichsweise selten sind. Die Bedeutung von Skandalen für die <?page no="198"?> 4.2 Medieninhaltsforschung 199 politische Kommunikation besteht allerdings weniger in ihrer Häufigkeit, sondern v. a. in der hohen Berichterstattungsintensität in meist kurzen Zeiträumen. So beschäftigten sich in einigen Wochen des Jahres 2000 mehr als die Hälfte der innenpolitischen Beiträge in den deutschen Fernsehnachrichten und Tageszeitungen mit der CDU-Parteispendenaffäre (vgl. Maier 2003). Politische Missstände werden vergleichsweise häufig zu Skandalen - zwar seltener als Missstände im Bereich der Kirche, aber deutlich häufiger als Missstände im Bereich der Medien selbst (vgl. Kepplinger et al. 2002). Skandale gehen meist von einzelnen Medien oder Journalisten aus. Ob ein Skandalierungsversuch erfolgreich ist, entscheidet sich dadurch, wie die übrigen Medien reagieren. In der Regel verteidigen die Medien des eigenen politischen Lagers einen Skandalierten zunächst. Entscheidend ist dann, ob neue Vorwürfe auftauchen bzw. ob sich die negative Berichterstattung über den Skandal hinaus auch auf die grundsätzliche Bewertung des Skandalierten niederschlägt. In solchen Fällen schließen sich nach einer gewissen Zeit auch die Medien des eigenen politischen Lagers der Skandalierung an. Der Skandalierte hat nun kaum noch eine Chance seinen Rücktritt zu vermeiden (vgl. z. B. Kepplinger et al. 1995, Eps et al. 1996). Ob die Häufigkeit der Skandalberichterstattung im Zeitverlauf zugenommen hat, ist bislang nur im Hinblick auf das Magazin Der Spiegel untersucht worden - einerseits aus forschungsökonomischen Gründen, andererseits aber auch, weil sich Der Spiegel in diesem Bereich besonders profiliert hat. Die Daten zeigen, dass die Skandalberichterstattung v. a. im Verlauf der 1970er- und 1980er- Jahre deutlich angestiegen ist. In den letzten zwanzig Jahren ist ihre Intensität dann aber wieder geringer geworden (vgl. Oehmer 2011). 4.2.3.3 Wirtschaftsberichterstattung Insbesondere in den überregionalen Qualitätszeitungen nimmt die Wirtschaftsberichterstattung den zweitgrößten Raum nach der Politikberichterstattung ein. Dennoch existieren bislang nur vergleichsweise wenige Inhaltsanalysen der Wirtschaftsberichterstattung. Seit den 1950er-Jahren machen Wirtschaftsberichte konstant zwischen 20 und 25 Prozent der Gesamtberichterstattung der überregionalen Qualitätszeitungen aus. Regionalzeitungen berichten deutlich weniger (etwa 10 Prozent), Boulevardzeitungen noch weniger (vgl. Maurer/ Reinemann 2006, S. 84; Beck et al. 2012, S. 125). Welche Themen die Wirtschaftsberichterstattung dominieren, hängt davon ab, welche Medien man betrachtet. Spezielle Wirtschaftsmedien wie die Wirtschaftsmagazine im öffentlich-rechtlichen Fernsehen oder auf Wirtschaftsthemen spezialisierte Printmedien wie das Handelsblatt berichten häufig über einzelne Unternehmen, z. B. ihre Umsätze oder Produkte. Die thematischen Schwerpunkte in der Berichterstattung der Fernsehnachrichtensendungen und Tageszeitungen hängen von der aktuellen Ereignislage ab. So herrschten in den 1980er- und 1990er-Jahren die Themen Arbeitslosigkeit und Wirtschaftswachstum vor (vgl. Quiring 2004, S. 79), zuletzt dominierte durch die weltweite Finanzkrise dagegen das Thema Finanzen (vgl. Krüger 2009). Insbesondere in den politischen Magazinen der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, aber auch in der Süddeutschen Zeitung, geht es zudem häufig um Wirtschaftskriminalität (vgl. Friedrichsen 1992, S. 121; Beck et al. 2012, S. 131). Betrachtet man die langfristige, weitgehend ereignisunabhängige Berichterstattung über Wirtschaft, zeigen sich erhebliche Unterschiede in den Darstellungen der verschiedenen Medien. Eindeutig negativ werden Unternehmen und Unternehmer in Printmedien mit linker redaktioneller Linie (Frankfurter Rundschau, Der Spiegel, taz, Berliner Zeitung) dargestellt. Noch negativer ist allerdings die Darstellung in den Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, was man vermutlich darauf zurückführen kann, dass diese nur in Krisenfällen wirtschaftliche Themen aufgreifen. Überwiegend positiv ist die Darstellung dagegen in konservativen Tageszeitungen <?page no="199"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 200 wie der FAZ oder der Welt, aber auch in der Wochenzeitung Die Zeit und in den Fernsehnachrichten von RTL (vgl. Maurer/ Reinemann 2006, S. 165). Neben der Berichterstattung über Unternehmen oder einzelne Unternehmer wird die Wirtschaftsberichterstattung stark von Berichten über die wirtschaftliche Lage insgesamt geprägt. Hier geht es z. B. um das Wirtschaftswachstum, die Lage am Arbeitsmarkt oder die Höhe der Inflation. Diese Indikatoren haben auch eine politische Bedeutung, weil sie etwas über den Wohlstand aussagen und ihre Entwicklung häufig explizit oder implizit auf politische Entscheidungen zurückgeführt wird. Untersuchungen zeigen, dass die wirtschaftliche Lage in den Massenmedien überwiegend negativ dargestellt wird. Dabei ist es weitgehend irrelevant, welcher der oben genannten Indikatoren betrachtet wird. Folgt man der realistischen Position in der Erkenntnistheorie (vgl. Kap. 4.2.3.2), lassen sich diese negativen Darstellungen mit der tatsächlichen Entwicklung der Indikatoren für die Wirtschaftslage vergleichen. Hierbei zeigen sich i. d. R. keine oder nur sehr geringe Übereinstimmungen (vgl. z. B. Quiring 2004, S. 100ff). Die Massenmedien konzentrieren ihre Darstellungen der Wirtschaftslage - ähnlich wie ihre Politikdarstellungen - folglich v. a. auf negative Entwicklungen (z. B. steigende Arbeitslosenzahlen oder Firmenschließungen) und berichten nicht in gleichem Maße über positive Entwicklungen (z. B. sinkende Arbeitslosenzahlen oder Firmengründungen). Auch in einem weiteren Punkt ähneln sich Wirtschafts- und Politikberichterstattung: Während sich die Wirtschaftsberichterstattung lange v. a. auf die Darstellung von Unternehmen und die wirtschaftliche Entwicklung konzentrierte, ist zuletzt eine zunehmende Personalisierung der Berichterstattung erkennbar. Dabei geht es meist um das moralische oder wirtschaftliche Fehlverhalten einzelner Unternehmer oder Manager, zunehmend aber auch um deren Privatleben (vgl. Maurer/ Reinemann 2006, S. 163). 4.2.3.4 Berichterstattung über Risiken Ein Forschungsfeld, das in den vergangenen Jahren immer stärker an Bedeutung gewonnen hat, ist die Risikokommunikation. Im Bereich der Medieninhaltsforschung geht es dabei insbesondere darum, wie Risiken in den Medien kommuniziert werden. Dabei steht v. a. die Darstellung von Naturkatastrophen, Krankheiten und Technikfolgen im Mittelpunkt. Es wird erstens untersucht, ob, wann und wie lange die Massenmedien über verschiedene Risiken berichten. Dabei zeigen sich zum einen weitgehend ereignisunabhängige Schwankungen der Bedeutung, die Journalisten dem Thema im Zeitverlauf beimessen. So ignorierten die deutschen Medien Umweltrisiken bis in die 1960er-Jahre nahezu vollständig. In den 1970er- und 1980er-Jahren stieg die Berichterstattung über Umweltthemen zunächst in den Printmedien, später auch in den Fernsehnachrichten erheblich an. Seit den 1990er-Jahren ist ihre Bedeutung wieder gesunken (vgl. zusammenfassend Maurer/ Reinemann 2006, S. 196). Der Einfluss der journalistischen Weltsicht auf die Risikoberichterstattung führt häufig dazu, dass Risiken nicht ihrer tatsächlichen Bedeutung entsprechend berichtet werden. So hat die deutsche Presse z. B. in den 1960er-Jahren kaum über Gewässerverunreinigung berichtet, obwohl die Gewässer verunreinigt waren. Die Berichterstattung nahm erst in den 1980er-Jahren zu, als die Gewässer wieder deutlich sauberer waren (vgl. Kepplinger 1989, S. 120). Zum anderen zeigt sich kurzfristig eine starke Ereignisorientierung in der Berichterstattung. So berichten die Massenmedien nicht kontinuierlich über Umweltrisiken, sondern meist nur dann, wenn Umweltkatastrophen eingetreten oder gefährliche Krankheiten ausgebrochen sind. In solchen Fällen steigt die Beitragshäufigkeit in kürzester Zeit dramatisch an, so dass das Thema für wenige Tage oder Wochen die gesamte Medienberichterstattung dominiert. Nach dieser Aufregungsphase lässt die Berichterstattung ebenso schnell wieder nach, weitgehend unabhängig davon, ob das Risiko <?page no="200"?> 4.2 Medieninhaltsforschung 201 weiterhin besteht oder nicht. Beispiele hierfür sind die Berichterstattung über die Rinderseuche BSE in den Jahren 2000/ 2001 (vgl. Hagenhoff 2003), die Berichterstattung über die Elbe-Flut im Bundestagswahlkampf 2002 (vgl. Kepplinger/ Roessing 2005) oder die Berichterstattung über den Klimawandel (vgl. Maurer 2011). Ein grundsätzliches Phänomen der journalistischen Nachrichtenauswahl, das aber im Zusammenhang mit der Risikoberichterstattung besonders deutlich wird, sind sog. Schlüsselereignisse. So bezeichnet man besonders ungewöhnliche oder dramatische Ereignisse, über die die Massenmedien sehr ausführlich berichten. Solche Schlüsselereignisse ziehen oft weitere Medienberichterstattung über ähnliche, aber weit weniger dramatische Ereignisse nach sich, über die ohne das Schlüsselereignis vermutlich niemals berichtet worden wäre. So zog die Medienberichterstattung über einen schweren Störfall in einem Chemiewerk der Hoechst AG in Frankfurt 1993 eine Unmenge Berichterstattung über kleinere, im Prinzip kaum nennenswerte Störfälle nach sich, so dass für die Bevölkerung der Eindruck einer dramatischen Störfallserie entstehen musste (vgl. Kepplinger/ Hartung 1995). In ähnlicher Weise erhielt die Krankheit AIDS erstmals durch den Tod des prominenten Schauspielers Rock Hudson 1985 eine nennenswerte Medienaufmerksamkeit. In der Folgezeit stieg auch hier die Berichterstattung über die Krankheit erheblich an (vgl. Kepplinger/ Habermeier 1995), obwohl das objektive Risiko, an AIDS zu erkranken, nicht gestiegen war. Möglicher Weise darf man dies so deuten, dass die Journalisten bzw. Massenmedien Problembewusstsein bezüglich AIDS schaffen wollten. Ein aktuelles, wenn auch bislang nicht empirisch untersuchtes Beispiel ist die Tsunami-Katastrophe in Japan, die insbesondere in Deutschland eine breite Medienberichterstattung über Atomkraft nach sich zog und letztlich zum Atomausstieg führte. Insbesondere das letzte Beispiel verdeutlicht, dass die Berichterstattung über Risiken oft an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik angesiedelt ist. Eine häufig untersuchte Frage ist folglich, wie stark die Risikoberichterstattung politisiert ist. Das kann man z. B. daran ablesen, ob sie im Wesentlichen im Politik- oder im Wissenschaftsteil stattfindet, oder auch daran, ob politische oder wissenschaftliche Akteure dominieren. Dabei kann man stark und weniger stark politisierte Risiken unterschieden. Besonders stark politisiert sind z. B. die Diskussion um die Atomkraft und den Klimawandel, die sich überwiegend im Politikteil abspielen, und die im Zeitverlauf zunehmend von politischen Akteuren geprägt wird (vgl. zusammenfassend Maurer/ Reinemann 2006, S. 202; Weingart/ Engels/ Pansegrau 2000). Weniger stark politisiert ist dagegen z. B. die Diskussion um die Gentechnik bzw. molekulare Medizin (vgl. Gerhards/ Schäfer 2007; Ruhrmann/ Milde 2011). Wie Risiken in den Medien eingeschätzt und Techniken bewertet werden, hängt vom jeweiligen Medium ab und verändert sich zum Teil im Zeitverlauf auch deutlich. Ein Beispiel hierfür ist wiederum die Atomenergie, die bis Mitte der 1970er-Jahre insbesondere von den Medien des konservativen Spektrums außerordentlich positiv bewertet wurde. Dies änderte sich ohne erkennbaren Anlass Mitte der 1970er-Jahre in mehreren Medien gleichzeitig, sodass von da an nahezu kein Medium mehr einen positiven Eindruck von der Atomkraft vermittelte. Die Atomunfälle von Three Mile Island (1979) und Tschernobyl (1986) zogen weitere negative Berichterstattung nach sich (vgl. Kepplinger 1988). Auch in Bezug auf die meisten anderen neuen Technologien kann man festhalten, dass die Massenmedien eher ihre Risiken als ihre Chancen betonen (Kepplinger 1989). Eine Ausnahme bildet hierbei z. B. wiederum die Gentechnik, wobei man allerdings zwischen ihrer Anwendung in der Landwirtschaft (grüne Gentechnik) und in der Medizin (rote Gentechnik) unterscheiden muss. Während erstere kritisiert wird, wird letztere überwiegend positiv dargestellt (vgl. Merten 1999; Gerhards/ Schäfer 2007). Eine Besonderheit der Risikoberichterstattung ist schließlich die Tatsache, dass sie mit großer Ungewissheit verbunden ist. Zwar lässt sich die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Risikos in den meisten Fällen ziemlich exakt bestimmen. Wann ein Schaden, z. B. ein Erdbeben oder ein Reaktorun- <?page no="201"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 202 fall eintritt, ist dagegen nicht vorhersehbar. Darüber hinaus beziehen sich viele Aussagen im Bereich der Risikokommunikation auf zukünftige Entwicklungen, z. B. wenn es darum geht, welche Folgen der weltweite Klimawandel haben wird oder wie schnell sich ein neues Virus verbreiten wird. Dabei kann man allenfalls versuchen, die bestmögliche Zukunftsprognose abzugeben, in dem man z. B. vergangene Entwicklungen linear in die Zukunft fortschreibt. Die Zukunft exakt prognostizieren kann aber selbstverständlich niemand. Das wirft die Frage auf, wie die Massenmedien mit dieser Ungewissheit umgehen. Folgt man den Richtlinien des Deutschen Presserats und den Grundsätzen der Journalistenausbildung, sollten sie die Ungewissheit deutlich machen, damit die Rezipienten zwischen Fakten und Spekulationen unterscheiden können (vgl. zusammenfassend Maurer 2011). Dazu stehen ihnen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung: Sie können die Ungewissheit dadurch deutlich machen, dass sie die verschiedenen Prognosen gleichberechtigt nebeneinanderstellen, dass sie sprachliche Relativierungen wie z. B. den Konjunktiv verwenden, oder auch dadurch, dass sie explizit darauf hinweisen, dass in Bezug auf zukünftige Entwicklungen generell Ungewissheit herrscht. Tatsächlich wird dies in den Massenmedien dagegen kaum deutlich. So zeigt Maurer (2011) im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Klimawandel in der deutschen Presse, dass weder die Prognosen über die Höhe des zukünftigen Temperaturanstiegs, noch die Prognosen über seine Folgen in nennenswerter Weise als ungewiss gekennzeichnet waren. Im Verlauf der letzten zwanzig Jahre erschien ein hoher Temperaturanstieg mit verheerenden Folgen für die Menschheit darüber hinaus zunehmend als sicher, obwohl die Prognosen des Weltklimarats IPCC zunehmend von Ungewissheit gekennzeichnet waren. Mit Klimawandel und Medien befasst sich aus recht unterschiedlichen Perspektiven facettenreich der 2012 von Irene Neverla und Mike S. Schäfer herausgegebene Sammelband »Das Medien-Klima« (Neverla/ Schäfer 2012). Ähnliche Befunde zeigen sich auch im Zusammenhang mit bereits geschehenen Ereignissen, über deren Ursachen noch nichts bekannt ist. So zeigt Andreas Fahr (2001) anhand der Medienberichterstattung über einen Flugzeugabsturz, dass die Medien Spekulationen über die Absturzursache als Tatsachen dargestellt haben, obwohl die Absturzursache noch vollkommen ungewiss war. Erklären kann man die fehlende Bereitschaft von Journalisten, Ungewissheit deutlich zu machen, vermutlich damit, dass sie ihre Aufgabe darin sehen, die Ungewissheit der Rezipienten zu reduzieren. Die Darstellung von Ungewissheit kann in diesem Sinne als unzureichendes Informationsangebot missverstanden werden. Literatur Arnhold, Ulrike (2002): Der Genrebegriff in der Journalistik der DDR. Eine kritische Bestandsaufnahme. München. Beck, Klaus et al.(2012): Wirtschaftsberichterstattung in der Boulevardpresse. Wiesbaden. Bentele, Günter (1995): Wirklichkeitsreduktionen. Zur Objektivität und Glaubwürdigkeit der Medien. Opladen. Bentele, Günter; Rühl, Manfred (1993): Theorien öffentlicher Kommunikation. München. Bleicher, Joan Kristin (1993): Chronik zur Programmgeschichte des deutschen Fernsehens. Berlin. Donsbach, Wolfgang; Jandura, Olaf (1999): Drehbücher und Inszenierungen. Die Union in der Defensive. In: Noelle-Neumann, Elisabeth et al. (Hrsg.): Kampa. 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Dies ist hier nicht gemeint. Im Hinblick auf die dieser Publikation zu Grunde gelegte Systematik von Kommunikationsprozessen befasst sich die Kommunikationswissenschaft im Bereich Medienforschung vielmehr mit den - nicht nur technischen - Mitteln und (Ver-)Mittlern der Kommunikation, deren man sich bedient, um anderen etwas mitzuteilen. In der Face-to-face-Kommunikation sind diese Mittel, wie erwähnt (vgl. Kap. 3.1.6), primär die Sprache sowie eine Vielzahl nonverbaler Ausdrucksformen, die den Austausch von Informationen zwischen zwei oder auch mehr Kommunizierenden ermöglichen. In der technisch vermittelten Individualkommunikation (Telefon, Fax, SMS), in der Massenkommunikation (Print, Funk) sowie - mit notwendigen Differenzierungen - auch in der computervermittelten Kommunikation (Internet, Onlinekommunikation) sind Medien primär technische Geräte und organisationelle Infrastrukturen, mit deren Hilfe Botschaften und Mitteilungen generiert und ausgetauscht bzw. öffentlich vermittelt werden. In der Massenkommunikation sowie zu einem großen Teil auch in der computervermittelten Kommunikation werden diese technischen Medien in aller Regel von komplexen Organisationen wie Zeitungs- und Zeitschriftenbetrieben, Radio- und Fernsehanstalten, Film- und Videoproduktionsunternehmen, kommerziellen und nichtkommerziellen Onlineanbietern etc. betrieben. Da zahlreiche Medienunternehmen inzwischen Medienprodukte und Mediendienste unterschiedlicher Art anbieten, ist bei solchen Unternehmen auch von Medienhäusern bzw. Multimediakonzernen die Rede. 4.3.1 Begriff »Medium« Im Zusammenhang mit dem Medien-Begriff ist zu erwähnen, dass die Kommunikationswissenschaft de facto über keine eindeutige bzw. einheitliche Begriffsbestimmung verfügt. Es gibt jedoch zahlreiche Bemühungen, zu einer Begrifflichkeit zu finden. Drei Themenkreise sollen mit Blick auf den Begriff Medium kurz erörtert werden: zunächst der Aspekt, dass technische Medien keine neutralen Instrumente sind (vgl. Kap. 4.3.1.1); zum Zweiten Vorschläge deutschsprachiger Kommunikationsforscher zur Klärung und Ausdifferenzierung des Medienbegriffes (vgl. Kap. 4.3.1.2); sowie schließlich drittens der Umstand, dass infolge neuer Entwicklungen im Kommunikationssystem (Multimedia, Digitalisierung, Konvergenz, Onlinekommunikation) herkömmliche Begriffe in Frage gestellt werden und über neue (Medien-)Begriffe nachgedacht werden muss (vgl. Kap. 4.3.1.3 und Kap. 3.3.6). 4.3.1.1 Medien - gesellschaftliche Instrumente Die Kommunikationswissenschaft ist lange Zeit von einem technischen Medienbegriff ausgegangen (das Druckmedium Zeitung, die Funkmedien Hörfunk und Fernsehen, der Film etc.) und hält z.T. noch immer daran fest. Darin ist jedoch eine unzulässige Verkürzung des Verständnisses von Medium bzw. Massenmedium zu sehen. Die deutschen Medienforscher Günter Bentele und Klaus Beck weisen zu Recht darauf hin, dass »technische Medien […] in mehrfacher Hinsicht ohne den Menschen nicht vorstellbar (sind): Sie wurden von Menschen in einem sozialen Prozess erfunden und entwickelt, über das ob und wie ihrer Anwendung wird beraten und gestritten. Technische Medien sind ohne eine soziale Form des Gebrauchs wirkungs- und bedeutungslos, denn sie sind im Wortsinne ›Mittel‹ und ›Vermittler‹« (Bentele/ Beck 1994, S.-40). Der Wiener Kommunikationswis- <?page no="206"?> 4.3 Medienforschung 207 senschaftler Roland Burkart merkt an, dass ein kommunikationswissenschaftlicher Medienbegriff »nur dann nicht zu kurz (greift), wenn er berücksichtigt, dass das Vorhandensein einer technischkommunikativen Infrastruktur und auch die Art und Weise ihrer Nutzung erst dann angemessen erfasst werden kann, wenn man die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht übersieht, unter denen es zur Ausbildung, zur Bereitstellung und auch zur Nutzung dieser technischen Einrichtung kommt« (Burkart 1999, S.-67). Dies heißt, dass die Medien neben ihren technischen Ausprägungen und Bedingtheiten von der Art und Weise ihrer politischen, sozialen und ökonomischen Organisation und Implementation in das System der Massenkommunikation sowie von ihren Nutzungsweisen im Alltag nicht zu trennen sind. Diese Überlegungen sollen am Beispiel der klassischen Massenmedien kurz konkretisiert werden. Um zunächst bei technischen Aspekten zu bleiben: Auf Grund ihrer unterschiedlichen technischen Eigengesetzlichkeiten und Zwänge erfordert und bedingt das statische Druckmedium Zeitung andere Produktionsweisen, Darstellungsmöglichkeiten und Kommunikationsmodi als etwa der flüchtige Hörfunk (auditives bzw. Tonmedium) und dieser wieder andere als die audiovisuellen Medien Film und Fernsehen (Bild und Ton). Ähnliches gilt für Onlinemedien, die sich oft multimedialer Gestaltungsmöglichkeiten bedienen. Oder, um etwa politische Aspekte anzusprechen: Im dualen Rundfunksystem z. B. resultieren aus rechtlich-politischen Gründen für die gemeinwohlverpflichteten öffentlich-rechtlich verfassten Rundfunkanstalten - z.T. zumindest - andere Aufgaben (Stichwort »Grundversorgung«; Postulat »Public Value«: öffentlicher Mehrwert der Programme) als etwa für die privat-kommerziellen Radio- und Fernsehsender (vgl. Kap. 4.3.5.2). Oder, um ein weiteres Beispiel zu erwähnen: Boulevardzeitungen bieten formal wie inhaltlich in aller Regel andere Kommunikationsangebote an (vgl. Kap. 4.1.3.5) als etwa lokale und regionale Abonnementzeitungen, und diese wieder andere als überregional verbreitete Tageszeitungen. Schon gar nicht übersehen werden kann, dass allein aus der jeweiligen Blattlinie von Zeitungen und Zeitschriften jeweils auch unterschiedliche Kommunikationsziele verfolgt werden (vgl. Pürer/ Raabe 2007, S. 272ff). Der amerikanische Medienphilosoph Herbert Marshall McLuhan hat in den 1960er-Jahren mit dem viel zitierten Satz »The Medium Is the Message« (Das Medium ist die Botschaft) recht treffend auf die direkte Abhängigkeit von der zu transportierenden Aussage vom jeweils transportierenden Medium hingewiesen und damit auch den konkreten Gebrauchs- und Verwendungskontext thematisiert (McLuhan 1968). 4.3.1.2 Medien - (neue) Begriffsdifferenzierungen Was den Medienbegriff betrifft, so gibt es v. a. in jüngerer Zeit mehr oder weniger überzeugende Versuche zu differenzieren, was man darunter alles verstehen kann. Dazu einige Beispiele: • Klaus Merten etwa unterscheidet in Anlehnung an Fritz Heider zwischen physikalischen Medien der Wahrnehmung (wie etwa Sprache und Schrift) und technischen Medien, die auf Sprache und Schrift zurückgreifen (und von Merten daher als unechte Medien gesehen werden) (vgl. Merten 1999, S.-141ff). • Günter Bentele und Klaus Beck halten es für sinnvoll, zwischen folgenden Typen von Medien zu unterscheiden: Materielle Medien wie Luft, Licht, Wasser, Ton, Stein, Papier, Zelluloid; kommunikative Medien oder Zeichensysteme wie Sprache, Bilder, Töne; technische Medien wie Mikrofone und Kameras; institutionelle Medien, also einzelne Medienbetriebe wie Zeitungen oder Fernsehanstalten; sowie die Gesamtmedien (z. B. Film, Hörfunk, Fernsehen etc.) (vgl. Bentele/ Beck 1994, S.-40). • Für Siegfried J. Schmidt »bündelt der abstrakte Medienbegriff eine Reihe von Faktoren«, nämlich: semiotische Kommunikationsinstrumente (z. B. natürliche Sprachen); Materialien der Kom- <?page no="207"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 208 munikation (z. B. Zeitungen); technische Mittel zur Herstellung und Verbreitung von Medienangeboten (z. B. Kameras, Mikrofone, Computer etc.); soziale Organisationen zur Herstellung und Verbreitung von Medienangeboten (z. B. Verlage oder Rundfunkanstalten samt ihren juristischen, sozialen und politischen Handlungsvoraussetzungen); schließlich die Medienangebote selbst (also Zeitungsartikel, Hörfunkbeiträge und Fernsehsendungen) (vgl. Schmidt 1996, S.-3). • Ursula Ganz-Blättler und Daniel Süss unterscheiden zwischen Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften, Buch), szenischen Medien (Theater, Oper, Musical, Musikkonzerte etc.), audiovisuellen Medien (Radio, Fernsehen, Film, Tonband, Video) sowie »neuen Medien« bzw. Multimedia (Internet, WWW, CD-ROM etc). Sie halten ferner fest, dass sich Medien auf vier Zuschreibungen reduzieren lassen, nämlich: Medien sind Kommunikationskanäle, die bestimmte Zeichensysteme transportieren; Medien sind Organisationen, also zweckerfüllende oder zumindest zweckgerichtete Sozialsysteme; publizistische Medien bestehen im Allgemeinen aus verschiedenen Subsystemen und sind dementsprechend komplex; Medien sind in ihrer funktionalen Bedeutung gesellschaftliche Institutionen (vgl. Ganz-Blättler/ Süß 1998, S.-53 sowie S.-64ff). • Ulrich Schmid und Herbert Kubicek schlagen vor, zwischen technischen und institutionellen Medien zu unterscheiden. Technische Medien dienen als Produktions- und Übertragungssysteme; institutionelle Medien nutzen die technische Infrastruktur und selektieren, strukturieren und produzieren für ein Publikum (vgl. Schmid/ Kubicek 1994, S.-403). • Auch sei in Erinnerung gerufen (vgl. Kap. 3.1.5), dass Harry Pross zwischen primären Medien (ohne Technikeinsatz, z. B. Sprache), sekundären Medien (Technikeinsatz nur auf Produktionsseite, Printmedien) sowie tertiären Medien (Technikeinsatz auf Produktions- und Rezeptionsseite) unterscheidet (Pross 1972). Zu ergänzen ist diese Typologie um die quartären Medien: gemeint sind vernetzte, computerbasierte Medienanwendungen, die auf Digitalisierung und Konvergenz basieren und die Möglichkeiten der interpersonalen Kommunikation, der Gruppen- und der Massenkommunikation integrieren. • Für Ulrich Saxer sind Medien »komplexe institutionalisierte Systeme um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen« (Saxer 1998, S. 54). Medien zeichnen sich Saxer zufolge »durch fünf mehr oder minder stark ausgeprägte Merkmale« aus (Saxer 1998, S. 54-56; Hervorhebung i. Orig.): Sie sind 1) »(technische) Kommunikationskanäle«, die »unterschiedliche Zeichensysteme (visuelle, auditive, audiovisuelle) mit unterschiedlicher Kapazität […] transportieren.« Sie erfüllen 2) »bestimmte Zwecke, müssen sich also organisieren, denn nur so bringen sie ihre jeweilige Medientechnik wirkungsvoll zum Tragen.« Sie bilden 3) »komplexe Systeme« unterschiedlicher Ausprägung: »Ein kleines Landblatt weist viel weniger komplexe Strukturen auf als eine große Fernsehstation.« Medienkommunikation wirkt 4) »in alle erdenklichen Schichten des individuellen und kollektiven Seins hinein: problemlösend und problemschaffend […], funktional wie dysfunktional, in kultureller, wirtschaftlicher und politischer wie sozialer Hinsicht.« Schließlich 5) »werden Medien um ihres umfassenden Funktionspotenzials willen in das jeweilige Regelungssystem eingefügt, institutionalisiert.« In demokratischen Systemen erfolgt diese Einfügung anders als etwa in totalitären Regimen, die Medien für ihre Zwecke instrumentalisieren. • Klaus-Dieter Altmeppen meint, dass Medien (auch Onlinemedien) »über die Wechselwirkungen von Technik, Organisation und Funktion« zu definieren seien (Altmeppen 2000, S.-131). In der Technik sieht er »eine konstituierende Grundlage, um Medienkommunikation öffentlich zu machen« (ebd.). Die Organisation(sform) - das Zeitungsverlagshaus, die Rundfunkanstalt etc. - gewährleistet in aller Regel »medienspezifische Strukturierungen hinsichtlich publizistischer Leistungen […]. Zu den Merkmalen und Eigenschaften, die die traditionellen Medien auszeichnen, gehören konsentierte Entscheidungs-, Organisations- und Arbeitsprogramme, die publizis- <?page no="208"?> 4.3 Medienforschung 209 tische Leistungen sicherstellen sollen« (ebd.). Mit Funktionen sind einerseits normative Anforderungen an die Medien gemeint wie Information, Kritik und Kontrolle, Bildung, Unterhaltung etc.; andererseits - auf einer abstrakteren Ebene und in Anlehnung an Luhmann - das »Dirigieren der Selbstbeobachtung des Gesellschaftssystems« (Luhmann 1996, S.- 173). Die Funktion dieses Dirigierens liegt Altmeppen zufolge darin, »eine Orientierung für die Rezipienten zu bieten« (Altmeppen 2000, S.- 131). Diese Aufgabe erfüllen die Medien auf Grund gesellschaftlich delegierter Zuschreibung und nicht - wie bei anderen Organisationen wie etwa Public Relations und Werbung - »im Auftrag bestimmter Interessen (auch wenn empirisch Interessenkollisionen in den Medien feststellbar sind)« (Altmeppen 2000, S.- 131). Legt man die drei erwähnten und zusammengehörenden Aspekte (Technik, Organisation, Funktion) z. B. einer Definition auch von Onlinemedien zu Grunde, »können auch die Online-Ableger der traditionellen Medien als Online-Medien bezeichnet werden. Sie können legitimerweise die Selbstbeobachtung der Gesellschaft auf autonomer Basis leisten, nur bei diesen Online-Medien sind die Organisationsmuster des Journalismus deutlich ausgeprägt« (Altmeppen 2000, S.- 132). Für Weblogs z. B., die - von Ausnahmen abgesehen - in aller Regel privat betrieben werden, gilt dies nicht. • Für Siegfried J. Schmidt und Guido Zurstiege bündelt der Medienbegriff »vier Komponentenebenen« (Schmidt/ Zurstiege 2000, S.-170): 1) ganz allgemein Kommunikationsinstrumente wie natürliche Sprachen und materielle Zeichen, die zur Kommunikation benutzt werden; 2) Medientechniken, mit deren Hilfe es möglich ist, Medienangebote etwa in Form von Büchern und Filmen, aber auch E-Mails herzustellen und zu verbreiten; 3) institutionelle Einrichtungen bzw. Organisationen wie Zeitungsverlage oder Fernsehanstalten, die Medientechniken betreiben, verwalten, finanzieren; sowie 4) »die Medienangebote selbst, die aus dem Zusammenwirken aller genannten Faktoren hervorgehen« (Zeitungsbeiträge, Hörfunk- und Fernsehsendungen etc.) (Schmidt/ Zurstiege 2000, S.-170). Aus den dargelegten Differenzierungsversuchen geht hervor, dass es an einer einigermaßen einheitlichen und überzeugenden Systematik für einen Medienbegriff immer noch fehlt bzw. sich die Frage stellt, ob eine solche Systematik (auch angesichts der Dynamik des Internets) überhaupt noch generell festgelegt werden kann. Eine der Ursachen dafür ist wohl in den je unterschiedlichen fachlichen Perspektiven und theoretischen Positionen zu sehen, aus denen heraus solche Systematisierungen erfolgen. Angesichts der Tatsache, dass sich in zunehmendem Maße auch andere Disziplinen mit Kommunikation und Medien befassen, ist in Zukunft vermutlich mit weiteren Medienbegriffen zu rechnen. Exemplarisch sei etwa auf den aus der Literaturwissenschaft kommenden Medienbegriff verwiesen. Dort versteht man unter Medien »Texte«, wobei nicht nur gedruckte Texterscheinungen, sondern auch Bilder, Fotos, Karikaturen, Hörspiele, Fernseh- und Filmkommunikate als »Texte« verstanden werden. Ähnlich weit wird dieser Textbegriff auch in der Denktradition der Cultural Studies (vgl. Kap. 5.3.3). 4.3.1.3 Medium - Dienst(e) - Diensteanbieter Was den Begriff Massenmedium im klassischen Sinne betrifft, so bezeichnet der Begriff »Medium« immer noch die technischen Mittel und die hinter diesen Mitteln stehenden organisatorischen und institutionellen Gebilde, die redaktionelle und zahlreiche andere Inhalte bereitstellen, um Massenkommunikation und gesellschaftlichen Austausch von Informationen (im weitesten Sinne des Wortes) zu realisieren. Im Allgemeinen wird dabei nach wie vor zwischen Druckbzw. Printmedien sowie Funkbzw. audiovisuellen Medien unterschieden. Wichtig für die klassischen Massenmedien <?page no="209"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 210 Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen ist, dass physisches Trägermedium (z. B. eine Zeitung, eine Hörfunk- oder Fernsehsendung), die damit zugänglich gemachte Dienstleistung (z. B. auf Papier gedruckte bzw. über Radio oder Fernsehen gesendete redaktionelle und werbliche Inhalte bzw. Programme) sowie herstellendes Unternehmen (Zeitungsverlagshaus, bestehend aus Redaktion und Verlag, Hörfunk- oder Fernsehanstalt) eine organisatorische Einheit darstellen. In den konvergenten Sektoren der digitalen computervermittelten Kommunikation muss diese Einheit nicht mehr zwingend gegeben sein, und dies im Wesentlichen aus folgenden Gründen: Zum einen gibt es im Internet eine (stets größer werdende) Fülle von sog. Diensteanbietern, die sich nur noch digitaler Plattformen im WWW bedienen, um ihre Dienste entgeltlich oder unentgeltlich anzubieten wie: klassische massenkommunikative Angebote (etwa Onlinezeitung, Webradio oder Web-TV); E-Commerce (elektronischer Warenhandel); E-Banking (elektronischer Zahlungsverkehr); Teleteaching und Telelearning (elektronisch vermitteltes Lernen); diverse Service- Leistungen (wie etwa Termin- und Veranstaltungskalender, Fahrpläne öffentlicher Verkehrsmittel, Buchungsmöglichkeiten von Veranstaltungen etc.); neue, interaktive Kommunikationsformen (wie Teilnahme an Newsgroups, Mailing Lists, Chat-Foren, Social Media etc.). Der Kommunikationsforscher Hannes Selhofer schlägt daher vor, für den Bereich der neuen digitalen, computervermittelten Onlinekommunikation die folgenden Begriffe zu verwenden (vgl. Selhofer 1999, S.-102f ): den Begriff Medium nur noch für die jeweilige Kommunikationsplattform; den Begriff (Medien-)Dienst für das jeweilige Angebot; und den Begriff Diensteanbieter für jene Person, Personengruppe oder Institution, die einen oder mehrere Dienst(e) über eine Plattform zugänglich macht. Im Übrigen werden auf neuen digitalen Plattformen eine Reihe bislang getrennter Medienformen angeboten, woraus sich multimediale Ensembles und sog. Hybridisierungen ergeben. Zum anderen integriert, wie erwähnt (vgl. Kap. 3.3), infolge der technischen Konvergenz von Informationstechnologie, Telekommunikation und Massenmedien die computervermittelte Kommunikation die für den Nutzer sich ergebenden Möglichkeiten der Individual-, Gruppen- und der Massenkommunikation. Die Grenzen zwischen diesen Kommunikationsarten werden unscharf, weil sie sich nicht mehr spezifischen Informations- und Kommunikationstechnologien zuordnen lassen. Beispielhaft sei hier das Mobiltelefon erwähnt: Man ist mit neueren Generationen des Handys in der Lage 1) im Internet zu »surfen« und über das Display z. B. Inhalte einer Onlinezeitung zu lesen oder Applikationen für mobile Endgeräte abzurufen (Massenkommunikation); 2) an einem Onlinechat, einer Newsgroup oder an Social-Media-Anwendungen teilzunehmen (Gruppenkommunikation); oder 3) einfach nur zu telefonieren, ein Fax zu verschicken oder eine SMS zu versenden (Individualkommunikation). Dies wirft zu Recht die Frage auf, ob und bei welcher Medienbzw. Kommunikationsanwendung das Handy nun ein (Massen-)Medium oder »nur« ein technisches Kommunikationsinstrument ist (vgl. Selhofer 1999, ebd.): Es vereint beide Möglichkeiten in sich, ist je nach Medienanwendung jedoch jeweils etwas anderes. Hier wird ersichtlich, dass es schwierig ist, einen einheitlichen, gleichsam neutralen, allgemeingültigen Medienbegriff aufzustellen. Die durch die Konvergenzdynamik sich ergebende Transformationsentwicklung stellt zunehmend bislang gültige Trennungslinien (z.T. radikal) in Frage. Nach diesen den Medienbegriff betreffenden Ausführungen werden im Folgenden überblicksartig Themenkreise angesprochen, die in den Bereich Medienforschung fallen. Es sind dies Ausführungen zur Geschichte der Massenmedien (vgl. Kap. 4.3.2), zu den Eigengesetzlichkeiten der Medien (vgl. Kap. 4.3.3), zu den Organisationsformen der Medien (vgl. Kap. 4.3.4), sowie zu den Medienstrukturen in Deutschland (Presse, Rundfunk Internet - vgl. Kap. 4.3.5) einschließlich ihrer wirtschaftlichen Grundlagen (vgl. Kap. 4.3.5.4). <?page no="210"?> 4.3 Medienforschung 211 4.3.2 Zur Geschichte der Massenmedien Es ist nicht möglich, die Geschichte der Massenmedien hier vollständig abzuhandeln. Allein für die Druckmedien ließen sich dazu tausende von Seiten füllen, ebenso jeweils für die Funkmedien (Hörfunk und Fernsehen), für den Film und für die »neuen Medien« (Multimedia bzw. Onlinemedien). Vielmehr sollen im Folgenden einige der wichtigsten Etappen der Entwicklung von Presse, Film, Hörfunk, Fernsehen und Onlinemedien im groben Überblick - und damit nur sehr rudimentär - dargestellt werden. Dabei kommen naturgemäß auch technische Errungenschaften und Entwicklungen zur Sprache, die wichtige Voraussetzungen für die industrielle Medienproduktion darstellen. Ein kurzer Blick in die Anfänge öffentlicher originärer, also nicht technisch vermittelter, Kommunikation im europäischen Sprachraum soll dabei nicht ganz fehlen. Erwähnenswert erscheint vorab zudem, dass technische Errungenschaften immer auch ökonomische Verwertungsprozesse zur Folge hatten, allgemeine kulturelle Entwicklungen begünstigten und nicht zuletzt politische Konsequenzen nach sich zogen. Die technische Erfindung des Buchdrucks um die Mitte des 15. Jahrhunderts stellt ein gutes Beispiel dafür dar: Sie hatte u. a. die Herausbildung und Ausdifferenzierung des Buchgewerbes mit seinen einzelnen Berufen zur Folge (ökonomischer Aspekt). Sie führte u. a. zur Vereinheitlichung der Schrift und der Druckformate, zur Entstehung und Ausdifferenzierung der periodischen Presse, begünstigte die Verbreitung der Technik des Lesens und war eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Reformation und den Prozess der Aufklärung (kulturelle Aspekte). Nicht zuletzt zog sie eminente politische Konsequenzen nach sich, die zunächst zwar in Zensurmaßnahmen der kirchlichen und weltlichen Obrigkeit mündeten, später jedoch zur Entstehung von Öffentlichkeit und ab Mitte des 19. Jahrhunderts schließlich zur Pressefreiheit führten (politische Aspekte). Da Primärquellen zu diesen Themen auf eine überaus große Fülle von Literatur verteilt sind, fußen zahlreiche der nachfolgenden Ausführungen auf wissenschaftlichen Publikationen, die ihrerseits ebenfalls Überblickscharakter haben (und damit eher Sekundärdenn Primärliteratur darstellen). Und vorab sei auf Jürgen Wilkes Entwicklungsstufen der Kommunikationsgeschichte hingewiesen, deren Phasenbzw. Epochenbildung und Abgrenzung sich an wechselnden Kommunikationsmodalitäten und medienspezifischen Eigenarten orientieren: 1) Die Phase der ausschließlichen Oralität, also mündliche Überlieferung, das Auftreten der Sprache bis zur Erfindung der Schrift (34.000 v. Chr. bis ins 3. Jahrtausend v. Chr.). 2) Schrift und literalisierte Kommunikation (Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. bis ins 15. Jahrhundert n. Chr.). 3) Druckbasierte Kommunikation, also Einblattdruck, Buch, Flugblatt, Flugschrift, Zeitung, Zeitschrift (ca. 1450 bis ins 19. Jahrhundert). 4) Elektrische und elektronische Kommunikation, Bild- und Tonmedien, Film, Radio, Fernsehen (ausgehendes 19. Jahrhundert bis spätes 20. Jahrhundert). 5) Die Digitalisierung der Gegenwart mit Multimedialisierung und Konvergenz (der Computer als Kommunikationszentrale) (Wilke 2009a, S. 18). Originäre öffentliche Kommunikation in der Antike Die Geschichte öffentlicher Kommunikation allgemein reicht im europäischen Raum bis weit in die Antike zurück. Die Griechen und später die Römer verfügten über institutionalisierte Formen öffentlichen Gedankenaustausches (primär politischer Natur) auf Agora bzw. Polis und Forum vorwiegend in Form der öffentlichen Rede vor der politischen Elite. Die öffentliche Rede war durch die griechischen (Aristoteles) und römischen (z. B. Cicero, Quintilian) Regeln der Rhetorik - für Ratsrede, <?page no="211"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 212 Abb. 4: Zur Geschichte der Medientechnik (1400 - 2012) 1400 vor 1445 Vervielfältigen durch Abmalen und Abschreiben sowie mittels Blockdruck/ Holztafeldruck (Druck einer ganzen Seite, Text und Bild) 1445 Buchdruck mit beweglichen, also austauschbaren Lettern; (Gutenberg; Hochdruck, d. h. Druck mittels erhabener Lettern) 1450 Tiefdruck auf Basis des Kupferstichs (wichtig für Druck von Bildern und Illustrationen) 1605 Zeitungen im heutigen Sinn, zunächst als Wochenzeitungen (»Relatio«; Begriff Zeitung damals: Wortbedeutung von Nachricht) 1650 erste Tageszeitung (»Einkommende Zeitungen«, Leipzig) 1682 Gelehrtenzeitschrift in Deutschland (»Acta Eruditorum«, zunächst in lateinischer Sprache) 1797 Flachdruck auf der Basis der Lithografie (später Offsetdruck) 1811 Schnellpresse; runde Druckform (wichtig für rascheres Drucken) 1839/ 1841 Fotografie; wichtig für bildliche Darstellungen 1840 elektrische, an Draht gebundene Telegrafie (Schreibtelegraf; wichtig für rasche Nachrichtenübermittlung über Distanz) 1846 Rotationsdruckmaschine (rasches Drucken, hohe Auflagen) 1876 Telefon (noch raschere Nachrichtenübermittlung) 1877 elektrische Tonaufzeichnung (Phonograf, später Schallplatte) 1886 Zeilensetz- und Gießmaschine (löst manuellen Handsatz ab, enorme Steigerung der Satzleistung pro Stunde) 1895 erste öffentliche Filmvorführung in Paris (Stummfilm; Cinematographe) 1897 Kathodenstrahlröhre (u. a. wichtig für Medium Fernsehen) 1888 Entdeckung elektromagnetischer Wellen (Hz; nach Heinrich Hertz benannt) 1904 technische Voraussetzungen für Hörfunk gegeben; Offset-Druck 1923 öffentlicher Hörfunk (Radio) in Deutschland 1927 erster abendfüllender Tonfilm (USA) 1928 erste Fernsehversuchs-Vorführungen (Funkausstellung Berlin) 1935 Beginn des Schwarz-Weiß-Fernsehens in Deutschland (1936: Übertragung der Olympischen Spiele aus Berlin im Fernsehen); Farbfilm 1945 erster vollelektronischer (Röhren-)Computer in den USA 1952 Beginn eines regelmäßigen Fernsehbetriebes in Deutschland 1962 erste Fernsehsatelliten-Übertragung aus den USA nach Europa 1966 Farbfernsehen in Europa (PAL-System) 1970 Fernsehen (Distribution) via Breitbandkabel; erste Personal-Computer 1975 elektronische Zeitungsherstellung in Europa 1977 Bildschirmtext (btx; etwas später auch Teletext und Kabeltext) 1982 Direktrundfunksatelliten in Europa (sog. geostationäre Satelliten) 1990 Entwicklung des WWW (Web 1.0); versuchsweise hochauflösendes Fernsehen (HDTV) 1994/ 1995 erste Onlinezeitungen in Deutschland 1995 versuchsweise digitales Radio in Deutschland 1997 digitales Fernsehen in Deutschland 2000 400 Mio. Teilnehmer/ User im WWW 2005 Web 2.0; Social Media, ›mobile‹ Medienanwendungen 2011/ 2012 Ende des analogen Fernsehens via Satellit in Deutschland 2012 2,4 Mrd. Menschen im WWW (eigene Darstellung, teils mit Bezugnahme auf Böhn, Andreas; Seidler, Andreas (2008): Mediengeschichte. Tübingen, S. 207f. - Zeitpunkt der Erfindung und der professionellen Anwendung können teils voneinander abweichen.) <?page no="212"?> 4.3 Medienforschung 213 Gerichtsrede und Festrede - in hohem Maße entwickelt (vgl. Kap. 2). Von Bedeutung für öffentliche Kommunikation waren in der Antike auch öffentlich sichtbare Inschriften auf öffentlichen Gebäuden. Zu erwähnen sind daneben v. a. aber die römischen »acta diurna« (auch »acta urbis«), eine Art römische Staatszeitung (acta diurna = tägliche Akten). Das waren auf Anschlagzetteln aus Papyrus für die Bürger (cives) öffentlich bekannt gemachte Informationen. Sie enthielten Protokolle der Senatsverhandlungen, Chroniken wichtiger Daten und Ereignisse im Jahresverlauf sowie durchaus auch Informationen aus amtlichen oder auch privaten Briefen (vgl. Wilke 2008, S.-7f ). Weiterhin ist zu erwähnen, dass in Theater und Schauspiel, den szenischen Medien also, zweifellos auch Formen öffentlicher Kommunikation zu sehen sind. Das Theater geht noch weit vor die Antike zurück: Schamanen und Priester etwa und der sakrale Akt spielten dabei eine ebenso wichtige Rolle wie später Mythen und Epen, Sänger von Balladen, Märchenerzähler u. a. m. Bei den alten Griechen z. B. (z. B. Aischylos, Sophokles, Euripides) hatte das Drama eminente Bedeutung, den Römern etwa waren daneben u. a. auch Gladiatorenspiele wichtig (vgl. Faulstich 1994). Mundpublizisten, Handschriften und Bücher im Mittelalter Auch im Mittelalter gab es unterschiedliche Formen öffentlicher Unterrichtung, wenngleich sich Öffentlichkeit damals auf eher enge Kreise in der Burg und am Hofe sowie in Kirche und Kloster beschränkte. Ihre Agenten waren einerseits kirchliche Lehrer, Prediger, Professoren und Bibliothekare. Teilöffentlichkeiten gab es in den Städten, Dörfern und am Lande. Von Bedeutung waren andererseits v. a. Marktplätze, auf denen von weltlichen »Mundpublizisten« wie Fahrenden, Dichtern, Sängern und Spielleuten Neuigkeiten überbracht wurden (vgl. Faulstich 1994). Vervielfältigen erfolgte nicht nur, aber v. a. in den Schreibstuben der Klöster und Universitäten, wo vorwiegend wissenschaftliche und religiöse Texte (vor-)gelesen und durch schreibkundige Mönche und Scholasten niedergeschrieben und damit vervielfältigt wurden. Dabei entstanden u. a. prächtige, kulturgeschichtlich bedeutsame, mit Farben ausgestaltete Handschriften vorwiegend wissenschaftlicher, literarischer und religiöser Texte, wie man sie z. B. in der Stiftsbibliothek des Benediktiner-Klosters St. Gallen (Schweiz) sehen und bewundern kann (vgl. u. a. Faulstich 1996, S. 109). Erste, teils durchaus aufwändig gestaltete Drucke - zunächst auf Stoff, erst später auf Papier - gab es im 14. Jahrhundert in Form von sog. Inkunabeln; das waren (ebenfalls teils schmuckreiche) Holzdrucke einer ganzen Seite. Bücher, die es davor auch schon gab, waren ebenfalls handgeschrieben. Sie gehen ursprünglich auf gebrannte Tontafeln (bei den Babyloniern und Assyrern), zusammengeschnürte Palmblätter (bei den Indern), Papyrusrollen (bei den Ägyptern, Griechen und Römern) sowie auf Pergament (ab dem 3. Jahrhundert n. Chr.) zurück. Erst im 13. Jahrhundert wurden Bücher auf Papier gedruckt. Inhalte der Bücher waren im Mittelalter »zuallererst Abschriften der Bibel, der Texte der Kirchenväter, theologische Kompendien, Schriften antiker Philosophen, aber auch (wie wir heute sagen würden - Ergänzung H. P.) juristische Literatur für Verwaltungsbeamte« (Faulstich 1994, S.-128). Werner Faulstich sieht im Mittelalter den allmählichen Übergang von den Menschmedien (wie Hofnarr, Sänger, Erzähler, Spiel und ritualisierte Feste, Pfaffe und Prediger, Marktplatztheater etc.) zu den Schreibmedien (wie Blatt, Brief, Buch, aber auch das Glasfenster mit seinen meist farbigen zeitbezogenen Darstellungen). Der Funktionsverlust der Menschmedien (»primäre Oralität«) beginnt sich gegen Ende des Mittelalters abzuzeichnen, als v. a. infolge des Bevölkerungswachstums sowie der Zunahme des Wissens mnemotechnische Möglichkeiten an ihre Grenzen stießen. Spätestens mit der Erfindung des Buchdrucks erfuhren die bis dahin üblichen Wege und Methoden der öffentlichen (primär oralen) Kommunikation und Verständigung einen epochalen Wandel (vgl. Faulstich 1996). <?page no="213"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 214 Buchdruck, Printmedien, Massenpresse Technisch gesehen reicht in Mitteleuropa die Geschichte der Massenmedien - bzw. richtiger: der Druckmedien - in die Mitte des 15. Jahrhunderts zurück. Damals (1445) wurde von Johann (Henne) Gensfleisch zur Laden (bei Gutenberg nahe Mainz) der Druck mit beweglichen, also austauschbaren Lettern vollendet (vgl. u. a. Eisenstein 1997; Fussel 1999). Wichtigste Elemente dieser Erfindung waren die (Holzbzw. Metall-)Lettern, Bedruckstoff (Papier) sowie Farbe, die sowohl auf den Lettern wie auch auf dem Bedruckstoff haftete. Die Druckerpresse selbst (mit Spindel, Tiegel und Druckstock) wurde aus der Traubenpresse hergeleitet (vgl. Wolf 1974). Das berühmteste Druckwerk Gutenbergs ist in der 42-zeiligen Bibel (B42, also 42 Druckzeilen pro Spalte) zu sehen, die zwischen 1452 und 1454 entstand (Stöber 2005, S. 23-28). Für seine Erfindung wurde Gutenberg 1998 von einer Gruppe amerikanischer Journalisten zum »Man of the Millennium«, als wichtigste Persönlichkeit des zweiten Jahrtausends, gekürt (vgl. Gutenberg o. J.). 2001/ 02 nahm die UNESCO die Gutenberg- Bibel als Weltdokument in die Liste »Memory of the World« auf (Gutenberg 2002). Mit dem Buchdruck war die wichtigste technische Voraussetzung für rasches Vervielfältigen gegeben. Seinen Namen hat er davon, dass bedruckte Einzelblätter zwischen zwei Deckel aus Buchenholz gelegt wurden, wodurch das Buch entstand. Erste Druckwerke waren neben Kleindrucken (wie Einblattdrucken, Ablassbriefen, Kalendern und Wörterbüchern) Flugblätter (Einblattdrucke), Flugschriften (4 bis 16 Seiten, u. a. für die Reformbewegung Martin Luthers von großer Bedeutung) sowie - im 16. Jahrhundert - Vorläufer der periodischen Presse wie die Newen Zeitungen (nichtperiodische Ein- und Mehrblattdrucke mit aktuellem Inhalt und oft auch Illustrationen) und die Messrelationen (relativ umfangreiche Publikationen, die jeweils zu großen Handelsmessen im Frühjahr oder Herbst erschienen). Die neuen Druckmedien »schufen Öffentlichkeit und wurden damit zur Bedrohung der Herrschenden: der Kirche und des Adels. Die Reaktion darauf war Zensur und Unterdrückung« (Faulstich 1994, S.-32). Kirchliche und weltliche Zensur beherrschten in der Folge über Jahrhunderte die Geschichte der Druckmedien (vgl. Wilke 1984). Zu den von der Druckerpresse ausgelösten Folgen hat u. a. Elizabeth I. Eisenstein eine Publikation vorgelegt (Eisenstein 1997; Original in englischer Sprache 1983). Zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstanden regelmäßig erscheinende Periodika und es bildeten sich die Medien Zeitung und Zeitschrift aus. Die erste (Wochen-)Zeitung mit dem Titel Relatio erschien 1605 in Straßburg, ein weiterer früher wöchentlicher Titel, nämlich Aviso, ist 1609 aus Wolfenbüttel bei Braunschweig bekannt (Wilke 2008, S. 40f ). Die erste Tageszeitung mit dem Titel Einkommende Zeitungen erschien 1650 in Leipzig (Wilke 2008, S. 56f ), erste Zeitschriften kamen im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts heraus (S. 74ff). Im 17. Jahrhundert differenzierte sich bereits das Zeitungswesen aus, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entfaltete sich eine hochwertige literarische Zeitschriftenkultur (vgl. Lindemann 1969). Erst die technische Ausreifung der Drucktechnik mit dampfbetriebenen Druckmaschinen (an Stelle von Handpressen), Zeilensetz- und -gießautomaten (an Stelle des maschinellen Handsatzes) und Papierrollen (an Stelle von Bögen) im 19. Jahrhundert ermöglichte jedoch die Herstellung von Druckwerken mit hohen Auflagen (vgl. Pürer/ Raabe 1996a). Nach der Aufhebung der Zensur 1848 bildete sich ein vielfältig ausdifferenziertes Zeitungs- und Zeitschriftenwesen aus (vgl. Wilke 2008, S. 215ff), gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden die Massenpresse und erste Großverlage: Mosse, Ullstein, Scherl, Girardet (vgl. Koszyk 1966; Wilke 2008, S. 215f.), später kam Hugenberg hinzu (vgl. Dussel 2004, S. 146ff). Spätestens seit diesem Zeitpunkt kann von Massenmedien und - infolge der stark ansteigenden Zeitungs- und Zeitschriftennutzung - auch von Massenkommunikation die Rede sein. Das Pressewesen erlebte in den beiden ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Deutschland einen rasanten Aufschwung, erlitt durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg jedoch eine tiefe Zäsur (vgl. Koszyk 1972; (Pürer/ Raabe 2007, Kap. 3). Mitte der 1950er-Jahre gehörte <?page no="214"?> 4.3 Medienforschung 215 Deutschland jedoch wieder zu den zeitungs- und zeitschriftenreichsten Ländern der Welt. Gute Überblicke über die Geschichte der Printmedien enthalten u. a. Jürgen Wilkes Publikation »Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte« (2008) sowie Rudolf Stöbers »Deutsche Pressegeschichte« (2005), über einzelne Medien Werner Faulstich (1994). Telefon, Telegrafie, Korrespondenzbüros In das 19. Jahrhundert, vorwiegend in seine zweite Hälfte, fällt auch die technische Entwicklung der Telegrafie (durch Samuel Morse, 1840) und des Telefons (durch Alexander Graham Bell, 1876). Die bedeutendsten Mittel der Telekommunikation, wie wir heute sagen würden, waren damit geschaffen (vgl. Geretschlaeger 1983). In Deutschland wurde die Telegrafie 1840, das Telefon 1877 eingeführt (und durch Werner von Siemens technisch optimiert). Das Telefon baut auf den physikalischen Erkenntnissen der Entstehung bzw. Erzeugung von Elektrizität sowie auf Kenntnissen der Umwandlung von Schallwellen in elektromagnetische Wellen auf. Beim (analogen) Telefon werden aufseiten des Sprechers Schallwellen mittels Mikrofon in niederfrequente elektromagnetische Wellen transformiert, entlang eines elektrischen Leiters (Kupferdraht) zum Empfänger transportiert und dort mittels Hörer (eine Art umgekehrtes Mikrofon) in akustisch wahrnehmbare Schallwellen zurückverwandelt. Fernsprechen und Fernschreiben (drahtlos ab 1897 durch Guglielmo Marconi) als elektrisch bzw. elektronisch vermittelte Kommunikationsmöglichkeiten stellten nicht nur wesentliche Erweiterungen zwischenmenschlicher Kommunikation über Distanz dar. Sie dienten v. a. auch der raschen Nachrichtenübermittlung über weite Distanzen, was für die um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstehenden Korrespondenzbüros (die heutigen Nachrichtenagenturen), aber auch für die Versorgung der Zeitungen und Zeitschriften mit aktuellen Nachrichten von besonderer Bedeutung war (vgl. Wilke 1991). Radiotelegrafie, Hörfunk Zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert waren die technischen Voraussetzungen (Aufnahme-, Sende- und Empfangstechnik) für die »Radiotelegrafie« weitgehend gegeben. Ihr technisches Prinzip baute auf dem Telefon auf, ging jedoch weit darüber hinaus. Es mussten nämlich auf Senderseite die aus dem Mikrofon kommenden niederfrequenten elektromagnetischen Wellen in hochfrequente elektromagnetische Sendesignale transformiert, über Antennen ausgestrahlt und eingefangen sowie auf Empfängerseite wieder in niederfrequente Wellen demoduliert, dem Lautsprecher zugeführt und von diesem in Schallwellen zurückverwandelt werden. Die Identifikation und Klassifikation hochfrequenter elektromagnetischer Wellen - das Maß der Schwingungszahl pro Sekunde bei Langwellen, Mittelwellen, Kurzwellen und Ultrakurzwellen - geht bekanntlich auf Heinrich Hertz zurück (vgl. Geretschlaeger 1983). Die Radiotelegrafie diente anfangs zunächst v. a. dem Postverkehr und militärischen, später auch wirtschaftlichen Zwecken. Ab 1920 kam es jedoch in ganz Europa zur Errichtung öffentlichen Hörfunks (in Deutschland Ende Oktober 1923), der rasch über hohe Hörerzahlen verfügte und sich infolge seines primär unterhaltenden Charakters und seiner bequemen Nutzung allerorts relativ rasch zu einem beliebten Massenmedium entwickelte. So gab es in Deutschland 1924 rund 1.500 Radioteilnehmer, 1925 bereits 549.000. Zur Jahreswende 1925/ 26 war die Millionengrenze überschritten. 1934 stieg die Zahl der Rundfunkteilnehmer auf 5 Mio., fünf Jahre später (1939) waren es 10 Mio. (vgl. Lerg 1965). In Deutschland wurde die Verbreitung des Hörfunks durch die Produktion billiger <?page no="215"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 216 Massenempfänger von den Nationalsozialisten besonders gefördert und das Radio für Propagandazwecke schamlos missbraucht (vgl. Diller 1980). Eine große Zeit hatte der Hörfunk in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, v. a. in den 1950er-Jahren. Nach Rückgängen in den 1960er-Jahren infolge der rapiden Ausweitung des Fernsehens erlebte das Medium Radio ab Mitte der 1970er-Jahre eine Renaissance: Sie hält in Deutschland nicht zuletzt infolge der Neupositionierung der Radioprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Strukturprogramme und Programmformate an Stelle von Mischprogrammen) sowie der Einführung privaten Hörfunks (1984) mit seinen auch in den öffentlich-rechtlichen Sendern beobachtbaren Formatradios bis zur Gegenwart ungebrochen an (vgl. Kap. 4.2.1, S. 189f ). Foto, Film und Kino Mit der Erfindung der Fotografie durch Nicephore Niepce und Lous J. M. Daguerre (Daguerrotypie 1839) sowie William F. Talbot (Kalotypie, Talbotypie 1841) war es möglich, mithilfe von chemisch präparierten, lichtempfindlichen Trägermaterialien (Kupferplatten, chlorbeschichtetes Papier) über optische Geräte fototechnische Abbildungen anzufertigen. Der aus dem Griechischen stammende Begriff »Phos« bedeutet »Licht«, »Fotografie« folglich »Lichtzeichnung« bzw. »Lichtbild«. Die rasche technische Weiterentwicklung der Fotografie zum Rollfilm sowie die Erfindung von entsprechenden Projektionsgeräten (sog. »Kinematographen«, daher der Begriff »Kino«) mündete schließlich in die Möglichkeit, auch Filme mit laufenden, also bewegten Bildern herzustellen und in abgedunkelten Räumen vorzuführen. Runde, das Auge des Betrachters nicht störende Bewegungsabläufe erfordern die Aufnahme bzw. Projektion von 24 Bildern pro Sekunde. 1895 wurden in Frankreich durch die Gebrüder Lumière (Paris) erste Filme öffentlich vorgeführt, in Deutschland waren die Gebrüder Skladanowsky (Berlin) Film-Pioniere. Auf Stummfilme, die z.T. durch kleine, sog. Film- und Kinoorchester musikalisch begleitet wurden, folgte 1927 der Tonfilm. Damit war der Film jenes Medium, das beim Zuschauer zwei Wahrnehmungskanäle, nämlich Auge und Ohr, beanspruchte bzw. befriedigte und rasch breitenwirksame Akzeptanz fand. Mit dem Tonfilm war folglich das erste audiovisuelle Medium geschaffen; von ihm geht bis heute auf viele Menschen immer noch hohe Faszination aus. Von besonderer Eindringlichkeit und Wirkung werden v. a. optische Effekte durch bewegte Bilder empfunden, die in aller Regel durch besondere Techniken der Aufnahme (wie Totale, Halbtotale, Nahaufnahme), der Kameraführung (wie Zooms, Schwenks, Fahrten etc.), der Beleuchtung (wie Intensität der Lichtstärke, also hell und dunkel), Variationen von Lichtfarbe und Lichttemperatur etc. sowie durch spezielle Schnitttechniken (wie weiche und harte Schnitte, Überblendungen, Gegenschnitte etc.) erzeugt werden. Der Tonfilm wurde von Anfang an primär als Unterhaltungsmedium eingesetzt, erfüllte aber durchaus auch andere, v. a. auch gesellschaftskritische Funktionen. Auch wurden filmische Darstellungen bald als eigene Kunstform anerkannt. Bereits in der Weimarer Republik, v. a. aber im Nationalsozialismus wurde das Medium Film in geschickter (und vordergründig unverdächtiger) Weise für politisch-ideologische Zwecke eingesetzt. (vgl. Gregor/ Patalas 1962, 1979, 1992; Jacobsen et al. 1993). Erste, allerdings noch sehr kostenintensive (Prestige-)Farbfilme gab es in den USA bereits 1935/ 36, eine weniger teure Farbtechnik (Eastman-Color) setzte sich ab Anfang der 1950er-Jahre durch. Neben dem Spiel- und Unterhaltungsfilm entstanden Varianten wie Dokumentar- und Lehrfilm, Propaganda- und Werbefilm u. a. m. Von Bedeutung als Quelle aktueller Information war die »Wochenschau«. Sie wurde bereits im Ersten Weltkrieg eingesetzt, hatte bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ihren Stellenwert als Nachrichtenmedium und wurde erst durch die Ausbreitung des Fernsehens mit seinen wesentlich aktuelleren, täglichen Nachrichtensendungen ihrer <?page no="216"?> 4.3 Medienforschung 217 Bedeutung enthoben und vom Markt verdrängt. Das Medium Spielfilm hatte seit seinem Beginn eine durchaus wechselvolle Geschichte (vgl. Jacobsen/ Kaes/ Prinzler 1993). Seine größten (Besucher-) Erfolge erzielte es in den 1950er-Jahren. Darauf folgten weniger gute Jahre. Dies lag sowohl an der mangelnden Qualität v. a. des deutschsprachigen Films in den 60er-, 70er- und beginnenden 80er- Jahren wie auch an der Faszination des sich rasch verbreitenden, noch breitenwirksameren Unterhaltungsmediums Fernsehen. Umgekehrt verleiht v. a. seit den 1970er/ 80er-Jahren das Fernsehen dem Film Auftrieb, indem zahlreiche Spielfilme im Fernsehen gesendet und nachweislich gut genutzt werden. Auch der Video- und später der DVD-Vertrieb von Spielfilmen sorgt(e) für steigende Verwertung (vgl. Faulstich 1994). Über die Etappen der technischen und zeitgeschichtlichen Entwicklung, der apolitischen, politischen und ideologischen Indienstnahme sowie künstlerischen und kulturellen Entwicklung des Mediums Film in allen seinen Ausprägungen geben die Sammelbände von Uli Jung (1993) Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes und Hans Helmut Prinzler (1993) sowie Hans Günther Pflaum und Hans Helmut Prinzler (1992) detail- und facettenreich Auskunft. Fernsehen - Terrestrik, Kabel, Satellit Das elektronische Medium Fernsehen stellte an die Funktechnik noch weitaus höhere Anforderungen als der Hörfunk. Es ging dabei primär darum, elektrotechnische Verfahren zu entwickeln, mit deren Hilfe es möglich ist, Bilder zu übertragen. Zu diesem Zweck mussten auf Senderseite zur Aufnahme Bilder »zerlegt« und in elektromagnetische Wellen transformiert sowie auf Empfängerseite wieder in sichtbare Signale zurückverwandelt und zusammengestellt werden. Die Kathodenstrahlröhre (Ferdinand Braun, 1897), zunächst wesentlicher Bestandteil des Wiedergabegerätes (Bildschirm) und schließlich auch des Aufnahmegerätes (Kamera), erwies sich dabei neben der Nipkow-Scheibe (Paul Nipkow, 1883) für die elektrische Zerlegung der TV-Bilder auf Aufnahmeseite als grundlegende technische Errungenschaft. 1928 waren Aufnahme- (Kamera), Übertragungs- und Wiedergabetechnik (Bildschirm) so weit entwickelt, dass auf der Berliner Funkausstellung eine erste Fernsehübertragung vorgeführt werden konnte. Erste öffentliche Fernsehsendungen wurden in Deutschland 1935 ausgestrahlt; ein Jahr später (1936) hatten rund 162.000 Personen in Berlin, Potsdam und Leipzig die Möglichkeit, in öffentlichen Fernsehstuben (der Post) die Übertragung der Olympischen Spiele zu verfolgen. Aufnahmewie Wiedergabegeräte waren noch groß und sperrig, die Fernsehbilder dagegen sehr klein und technisch noch wenig ausgereift. Der Zweite Weltkrieg stoppte die weitere Entwicklung dieses Mediums (vgl. Longolius 1967ff). Seinen Siegeszug erlebte das Fernsehen in Deutschland in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts, nachdem in der Bundesrepublik Deutschland 1952 der regelmäßige Fernsehbetrieb aufgenommen wurde und ab 1954 das TV-Gemeinschaftsprogramm der ARD (Deutsches Fernsehen) startete. Auch in der Deutschen Demokratischen Republik startete das Fernsehen zunächst 1952, der regelmäßige TV- Sendebetrieb 1956; 1966/ 67 folgte in Europa das Farbfernsehen. Das Fernsehbild hat(te) in Europa eine technisch hohe Auflösung: Es bestand für lange Zeit aus 25 Bildern pro Sekunde, jedes Bild wieder aus 625 Zeilen, jede Zeile aus 800 Bildpunkten. Mit der in den 1990er-Jahren entwickelten und mittlerweile weit verbreiteten digitalen Fernsehnorm DVB sowie mit dem HD-Standard ist nicht nur eine wesentlich bessere Bildauflösung verbunden, sondern auch eine Erweiterung der Übertragungskapazität. Und mit dem neuen europäischen Fernsehstandard HbbTV (Hybrid broadcast broadband Television) ist es möglich, »Fernsehprogramme mit Mehrwertangeboten aus dem Internet« zu verbinden (HbbTV 2013). Bereits 1962 gab es erste Fernsehübertragungen via TV-Satellit, allerdings waren dies noch keine direkt strahlenden, geostationären TV-Satelliten. Geostationäre Telekommunikationssatelliten stellen Sendemasten am Himmel dar, die mit Raketen in das Weltall befördert, über Bodensignale von <?page no="217"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 218 der Trägerrakete gelöst und in eine Erdumlaufbahn gebracht werden. Sie umkreisen in einer knapp 36.000 Kilometer hoch über dem Äquator liegenden Umlaufbahn die Erde, und zwar synchron mit der Erde um deren eigene Achse. Dadurch befinden sie sich immer am gleichen Punkt über der Erdoberfläche - erscheinen also geostationär - und können vom Boden aus ständig mit Sendesignalen (uplink) versorgt werden. Diese Signale werden in verstärkter Form vom Satelliten wieder an die Erdoberfläche zurückgesendet (downlink). Die (Solar-)Energie dazu bezieht der Satellit über seine Sonnensegel. In den 1980er-Jahren wurden solche TV-Satelliten weltweit in Betrieb genommen. Sie heben die Knappheit terrestrischer Frequenzen am Boden auf. Ihre Signale können mit Spezialantennen (Schüsselantennen bzw. TV-Schüsseln) empfangen, aber auch über Kabelnetze in die Haushalte gebracht werden (vgl. Ratzke 1984). Eine weitere Übertragungstechnik stellt seit langem das sog. Breitbandkabel dar, über das gleichzeitig dutzende von Fernseh- und Hörfunkprogrammen in technisch sehr guter Qualität übermittelt werden können. Es wurde ursprünglich in topografisch ungünstig gelegenen Gebieten (vorwiegend in alpinen Lagen) sowie in eng bebauten städtischen Regionen (Probleme der TV- Signalreflexion durch hohe Gebäude) zum Einsatz gebracht, wo mit terrestrischen TV-Signalen keine optimale Sendeversorgung möglich war. Ab Mitte der 1970er-Jahre wurden solche TV- Kabel jedoch bundesweit verlegt, zunächst in den großen Ballungszentren, dann auch in weniger dicht besiedelten Regionen (vgl. Ratzke 1984). Die in Deutschland 1984 vorgenommene Einführung privaten Hörfunks und Fernsehens wäre wegen mangelnder terrestrischer UKW-Frequenzen ohne Kabel- und Satellitentechnik nicht möglich gewesen (vgl. Lenhardt 1987). In den bundesdeutschen TV-Haushalten mit Kabelanschluss konnten im Jahr 2000 im Durchschnitt 35 TV-Programme sowie zahlreiche lokale, regionale und nationale Hörfunksender empfangen werden, im Jahr 2012 waren es durchschnittlich 82 TV-Programme. Das digitale Radio und Fernsehen ermöglichen - technisch gesehen - bei besserer Ton- und Bildqualität eine noch größere Programmvielfalt. In diesem Zusammenhang ist auch das HD-Fernsehen zu erwähnen. Das digitale Fernsehen ist in Deutschland seit der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre Realität (zunächst im Pay-TV, seit geraumer Zeit aber auch im sog. Free-TV). Die analoge Fernsehausstrahlung via Satellit wurde 2012 durch das digitale Fernsehen abgelöst, analoge TV-Signale sind seither nur noch via Kabel zu empfangen (die medienanstalten 2013, S.-22). Der flächendeckende digitale Hörfunk lässt vorerst noch auf sich warten, wiewohl im August 2011 ein erstes, bundesweites Digitalradio-Angebot mit 13 Programmen »in einem eigenen Sendernetz in der Übertragungsnorm DABplus auf Sendung ging. Die ARD brachte ihrerseits alle Hörfunkwellen in den bestehenden DAB-Landesnetzen in die Luft, wechselte Kanäle und ergänzte das Angebot mit exklusiven Digitalprogrammen« (Gongolsky 2012, S.-6). Auch private Hörfunkveranstalter sind mit Digitalprogrammen auf Sendung (vgl. Gongolsky 2012, Abb. auf S.-7). Um beim Verbraucher bzw. Nutzer Erfolg zu haben, »braucht das DAB-Digitalradio ein überzeugendes inhaltliches Angebot« (ebd.). Zahlreiche UKW- Radioveranstalter nutzen zudem das Internet, um ihre Programme auch als Webradios zu verbreiten; deren Nutzung »ist bisher überschaubar« (Schneider 2012, S. 13). Computer, Multimedia, Onlinekommunikation Vom Computer als einem Medium zu sprechen, ist nicht ganz unproblematisch: er vereint (in Verbindung mit moderner Telekommunikation) technisch Möglichkeiten der Individual-, Gruppen- und der Massenkommunikation und wird in diesem Kontext, wie erwähnt, auch als Hybridmedium bezeichnet. Als solches ist er zum einen tatsächlich ein Medium, wenn über ihn massenkommunikative Inhalte wie etwa eine Onlinezeitung, Webradio oder Web-TV abgerufen und konsumiert <?page no="218"?> 4.3 Medienforschung 219 werden (Massenkommunikation). Er ist zum anderen eher (nur) technisches Kommunikationsinstrument, wenn ein Nutzer mit anderen Nutzern im Internet bzw. WWW kommuniziert (Gruppenkommunikation wie Chat, Newsgroups, Social-Media-Anwendungen etc.) oder wenn sein Benutzer ihn dazu verwendet, um z. B. nur eine E-Mail, ein Fax oder eine SMS abzusenden (Individualkommunikation). Wie auch immer: Aus dem täglichen Leben, im Privatbereich wie am Arbeitsplatz, ist der Computer heute nicht mehr wegzudenken, und er wird in Zukunft eine wohl noch wesentlich größere Bedeutung haben als bisher. Computer wurden in ihren Anfangsjahren lediglich als elektronische Rechenmaschinen betrachtet. So gesehen könnte man sagen, dass in den Rechenbrettern der frühen Ägypter, in den mechanischen Rechenmaschinen des 17. Jahrhunderts (n. Chr.) sowie in den tastaturgesteuerten Rechenautomaten des 19. Jahrhunderts bereits Vorformen des Computers zu erkennen sind. Elektromechanische (Röhren-)Rechner gab es ab Anfang der 1940er-Jahre, die eigentliche Geschichte des Computers beginnt jedoch erst 1945: Damals wurde in den USA ein Rechner gebaut, der bereits 5.000 Rechenvorgänge pro Sekunde abwickeln konnte; er wog allerdings 30 Tonnen, arbeitete mit 18.000 Elektronenröhren und sein Speicher betrug ganze zwei Kilobyte. Computer dienten anfangs ausschließlich militärischen Zwecken (z. B. zur Berechnung von komplizierten Geschossbahnen). Erst 1955 wurden erste Computer für zivile Zwecke an Großbanken, Versicherungen, Automobilfirmen etc. verkauft (vgl. Faulstich 1994, S.- 149). Die Ende der 1950er-Jahre einsetzende Raumfahrt - und damit z. B. auch die Kommunikation via Fernmeldesatellit - wäre ohne Computer undenkbar gewesen. Die Erfindung des Transistors (Ende der 1940er-Jahre), der an die Stelle der Elektronenröhre trat, kam der Weiterentwicklung des Computers ebenso zugute wie etwas später die Erfindung der integrierten Schaltkreise und Halbleiterspeicher (1960er-Jahre), Magnetplattenspeicher und Mikroprozessoren (1980er-Jahre). In den 1980er-Jahren hatten Computer eine Speicherleistung von 8 Megabyte; 30 Mio. Instruktionen pro Sekunde konnten abgewickelt werden. Es gab und gibt zahlreiche komplexe Programmiersprachen und bereits Abertausende von Software-Programmen. Schrift-, Bild- und Spracherkennung mittels Computer sind weit entwickelt. Im Bereich der klassischen Massenmedien gelangen Computer im deutschen Sprachraum seit etwa 1975 zum Einsatz: in der elektronischen Zeitungsherstellung (ab Mitte der 1970er-Jahre) in Form von computergesteuerten Texterfassungs- und -gestaltungssystemen, bei Hörfunk und Fernsehen in Form elektronischer Redaktionssysteme sowie beim elektronischen Broadcasting (EB). Mit zunehmender Durchdringung von Hörfunk und Fernsehen durch digitale Technik wird mittels Computer digital gespeichert und geschnitten. Jedoch auch das gesamte Arbeits-, Wirtschafts-, Wissenschafts- und Verwaltungsleben sowie ein beträchtlicher Teil der Freizeitgestaltung vieler Menschen sind intensiv vom Computer durchdrungen. Zum Symbol der Computerisierung des Alltags sind rasch v. a. Personal Computer (PCs) geworden. »Dabei handelt es sich um kleine, selbstständige Systeme, die nicht mehr nur im Bürobereich, sondern generell in Industrie, Gewerbe, Verwaltung und nicht zuletzt im Privatbereich« selbstverständlich geworden sind« (Faulstich 1994, S.-148). Hier dient er anfangs u. a. der Textverarbeitung, der Tabellenkalkulation und zahlreichen anderen professionellen und semiprofessionellen Anwendungen. Im deutschen Sprachraum verschmelzen in den 1990er-Jahren Computer, Telekommunikation, elektronische Massenmedien und Unterhaltungselektronik zu Multimedia. Für den User stellt der Computer als intelligente Maschine gewissermaßen das »Eingangstor« ins Internet mit seinen zahlreichen Diensten und Anwendungen sowie in die Onlinekommunikation dar. Dazu gehören u. a. das Surfen durch die unzähligen Angebote des WWW; das File Transfer Protocol, also vorwiegend Herunter-, aber auch Hinaufladen von Dateien; Newsgroups, also Teilnahme an elektronischen schwarzen Brettern; Internet Relay Chat (IRC), d. h. Plaudern mit anderen in Echtzeit; nicht zuletzt Social-Media-Anwendungen wie etwa Facebook und Twitter, die sich größ- <?page no="219"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 220 ter Beliebtheit erfreuen, u. a. auch der Kontaktpflege und dem Austausch dienen und z. B. auch für die Organisation politischer Aktivitäten oder auch des Freizeitmanagements von Bedeutung sind. Auch Telefonieren via Internet und TV-Übertragungen sind längst möglich, bedürfen aber weiterhin einer Verbesserung der Übertragungsqualität. Zu Beginn des 3. Jahrtausends sollen weltweit bereits knapp 350 bis 400 Mio. Menschen über einen Internet-Zugang verfügt haben, damals vorwiegend in westlichen und westlich orientierten Ländern. Laut statista.com waren es im Jahr 2011 weltweit 2,42 Mrd. (statista.com 2012). Die Zahl der Internetanschlüsse weltweit dagegen ist (u. a. infolge unterschiedlicher technischer Zugänge) nicht exakt feststellbar. Folgende Zahlen sprechen jedoch für sich: Es hat 55 Jahre gedauert, bis 50 Mio. Menschen ein Auto besaßen; 38 Jahre, bis die gleiche Zahl ein Radio-Gerät hatte; 13 Jahre, bis sie über ein TV-Gerät verfügten; aber nur drei Jahre, bis es 50 Mio. Internetnutzer gab (vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 10.03.1998). Wie eingangs erwähnt, ist diese kleine (Technik-)Geschichte der Medien in hohem Maße unvollständig. Beispielsweise wurde nichts gesagt über die 1877 entdeckte elektrische Tonaufzeichnung, die die Schallplatte zur Folge hatte. Auch nicht erwähnt wurden etwa die einzelnen Ausprägungen der Drucktechnik in Form des Hochdrucks (1445; Basis: Holzschnitt), des Tiefdrucks (1450: Basis Kupferstich) sowie des Flachdrucks (1797; Basis: Lithografie). Vor allem der Tiefdruck (der sich sehr gut für eine qualitativ hochwertige drucktechnische Wiedergabe von Farbbildern eignet und etwa im Illustrierten- und Katalogdruck zum Einsatz kommt) und der Flachdruck (der im Zeitungs- und Zeitschriftendruck vorherrscht) sind heute weltweit industriell eingesetzte Druckverfahren. Der Hochdruck findet allenfalls noch im sog. Akzidenzdruck (für elegante Visitenkarten, individuell gestaltetes Briefpapier, für gedruckte Einladungen zu festlichen Anlässen etc.) Anwendung. Nicht angeführt wurden technische und kulturelle Errungenschaften, die sich als Folge der Entdeckung der Drucktechnik einstellten wie etwa: die Erzeugung von Papier als Bedruckstoff; oder die Herausbildung von Schrifttypen - in Deutschland etwa die heute veraltet anmutende (und schlecht lesbare) Fraktur, in Italien die elegante (und sehr gut lesbare) Antiqua. Auch nicht zur Sprache gekommen ist die Vereinheitlichung der Papierbzw. Bogenformate sowie der Schrifttypen (Höhe, Breite, mager, kursiv, fett, VERSAL etc.). Absolut nicht übersehen werden darf im Kontext der Erfindung des Buchdrucks zweierlei: zum einen, dass kirchliche und weltliche Macht sehr bald eine Fülle von Zensurmaßnahmen ergriffen haben, um das freie Wort und die Herstellung von Öffentlichkeit zu unterbinden. Zum anderen, dass trotz dieser Maßnahmen die Erfindung des Buchdrucks wesentlichen Anteil an der Epoche der Aufklärung und damit geradezu atemberaubende kulturelle, politische und soziale Veränderungen zur Folge hatte (vgl. Füssel 1999; Eisenstein 1997). Die audiovisuellen Medien, insbesondere das Fernsehen, haben in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Kultur- und Konsumverhalten sowie Freizeitgewohnheiten der Menschen nachhaltig verändert (vgl. Meyrowitz 1987). Und die Onlinemedien sind, wie erwähnt, längst im Begriffe, nicht nur das Kommunikations-, Medien- und Freizeitverhalten, sondern v. a. auch Organisations-, Arbeits-, Wirtschafts- und Verwaltungsprozesse, aber z. B. auch Lehr- und Lernformen grundlegend zu revolutionieren. 4.3.3 Eigengesetzlichkeiten der Medien Die klassischen Massenmedien zeichnen sich durch weitgehend technisch bedingte Eigengesetzlichkeiten aus, die sowohl für die Kommunikatoren (bei der Produktion der Medieninhalte) wie auch für die Rezipienten (bei der Rezeption dieser Inhalte) von Bedeutung sind. Die Kommunikatoren, also die Medienschaffenden, müssen diese Eigenarten, die Möglichkeiten und Grenzen der einzelnen Medien, kennen, weil die Auswahl der Inhalte und die Art und Weise ihrer Aufbereitung und Präsentation von den Eigengesetzlichkeiten des jeweiligen Mediums abhän- <?page no="220"?> 4.3 Medienforschung 221 gig sind. Das visuelle Medium Zeitung verlangt nach einer anderen »Dramaturgie« bei der Aufbereitung der Medieninhalte als etwa das auditive Medium Hörfunk, dieses wieder andere als das audiovisuelle Medium Fernsehen (Pürer 1996c, S.-224). Der Computer wieder integriert auf Grund seiner Möglichkeiten der Multimedialität Eigenschaften der Zeitung, des Hörfunks und des Fernsehens, also Text, Bild (bzw. Video), Ton (bzw. Sound), Grafik und Animation. Für die Rezipienten als Mediennutzer und -konsumenten werden Art und Weise der Wahrnehmung (visuell, auditiv, audiovisuell, multimedial) von den Eigengesetzlichkeiten der Medien geleitet. Hinzu kommen Momente der Verhaltensfreiheit bzw. der Verhaltensbindung bei der Nutzung: Die Zeitung und andere Druckmedien z. B. kann man lesen wann und wo man will - man spricht daher auch von einem disponiblen, ja mobilem Medium. Anders ist dies bei Hörfunk und Fernsehen: Deren klassische Nutzung mit Hörfunk- und TV-Empfangsgeräten ist für die Hörer und Zuschauer durch Programmstruktur und -ablauf vorgegeben. Auch die räumliche (z. B. gewohnte häusliche Umgebung, Büro, speziell eingerichteter Raum, Fahrt zum Arbeitsplatz in privatem oder öffentlichem Verkehrsmittel etc.) und die familiäre Situation (einzeln oder im Verband der Familie, im Freundeskreis oder in einem Kollektiv) können trotz neuer digitaler, individualisierter Zugriffs- und Nutzungsmöglichkeiten für die Art und Weise der Rezeption von Relevanz sein. Im Folgenden sollen daher die wichtigsten, weitgehend technisch bedingten Eigengesetzlichkeiten der Massenmedien aufgezeigt werden (vgl. Kaupp 1980, S.-118ff). Die Zeitung und die anderen gedruckten Medien sind sog. statische Medien. Der Text richtet sich an das Auge, spricht also (nur) den visuellen Kanal an. Der Leser hat die Möglichkeit, das Tempo der Informationsaufnahme selbst zu bestimmen. Auch hat der Leser einen ständigen Überblick über den Text und seine formale Gestaltung; optische Hilfen im Text, die Interpunktion, erleichtern ihm die Lektüre. Bei den Printmedien hat der Leser außerdem die Möglichkeit, nachzulesen, zurück-, vor- und überzublättern. Insgesamt ist der Nutzer gedruckter Medien also sehr autonom (vgl. Kaupp 1980, S.-121f; Pürer 1996c, S.-224ff). Druckmedien sind stets verfügbare Informationsspeicher von hoher Disponibilität und können sehr individuell genutzt werden (sie waren de facto die ersten mobilen Medien). Die Dimension des Gedruckten ist der Raum, und im Raum Mitgeteiltes lässt sich nicht nur systematisch ordnen; es kann durch Größe und Kraft der Schrifttypen sowie mithilfe zahlreicher anderer grafischer Elemente gestaltet und gewichtet werden. Druckmedien können den Leser besser in Beziehung setzen, zu Erklärung und Verständnis beitragen, Orientierungshilfen bieten sowie durch Hintergrundberichterstattung Sinnzusammenhänge besser herstellen als die flüchtigen Funkmedien. Die schnelleren Funkmedien geben Themen oftmals vor, die langsameren Druckmedien füllen sie mit tiefer gehenden Informationen aus (vgl. Bausch 1978; Pürer 1982, S.-55ff). Das Radio, der Hörfunk, ist in seiner klassischen Form ein sehr flüchtiges Medium, nicht zuletzt, weil es oftmals nur als Hintergrundmedium bei Inhouse- und Outdoor-Aktivitäten genutzt wird. Der Text bzw. Ton richtet sich an das Ohr; das Tempo der Informationsaufnahme wird durch das Medium bzw. Programm vorgegeben. Der Hörer hat bei klassischer Radionutzung in aller Regel keine Möglichkeit, ›zurückzublättern‹ bzw. etwas zu wiederholen, um es dem besseren Verständnis zu erschließen. Auch hat er keinen Überblick über den Text und keine optischen Hilfen, der Hörer ist an das Programm bzw. seine Text-Abfolge gebunden (vgl. Kaupp 1980, S.-122f; LaRoche/ Buchholz 1993, S.-226; Pürer 1996c, S.-224ff). Auch das Fernsehen in seiner klassischen Form ist ein flüchtiges Medium, zumal das Tempo der Informationsaufnahme durch die Programmabfolge vorgegeben ist, der Zuschauer keinen Überblick über den Text bzw. die unmittelbare Abfolge des Programms und auch nicht die Möglichkeit hat, zurück-, vor- oder überzublättern. Die Informationsaufnahme beansprucht Auge und Ohr, ist also zweikanalig; optische Hilfen werden durch Bildmaterial wie Fotos, Filme, Inserts, Grafiken etc. angeboten. Bild und Ton zusammen verleihen dem Medium Fernsehen hohe Glaubwürdigkeit - in <?page no="221"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 222 aktuellen Nachrichtensendungen z. B. hat der Zuschauer das Gefühl, als Augenzeuge dabei zu sein. Bisweilen ist auch von der ›Suggestivkraft‹ des Fernsehens die Rede (vgl. Kaupp 1980, S.-123f; Pürer 1996c, S.-224ff; Wember 1983; Stuiber 1998). Was das publizistische Wettbewerbsverhältnis der Massenmedien betrifft, so sind die Funkmedien (Radio, Fernsehen) schneller und aktueller sowie mit einem hohen Maß an Bequemlichkeit zu nutzen. Die immer wieder faszinierende Wirkung des Fernsehens beruht auf dem (scheinbaren) Miterleben des Gezeigten bzw. Dargestellten. Der bei klassischer Nutzung zeitlich unveränderbare Ablauf von Hörfunk und Fernsehen, v. a. auch was die Informationsprogramme betrifft, bedingt jedoch Flüchtigkeit. Radio- und Fernsehprogramme (im klassischen Sinn) sind nicht beliebig nutzbar, sondern zwingen die Hörer oder Zuschauer, zu einer bestimmten Zeit für die Aufnahme der Botschaften präsent zu sein (vgl. Bausch 1978; Pürer 1982, S.-55ff). Selbst Kassettengeräte, Video- und DVD-Rekorder, mit deren Hilfe es möglich ist, Radiobzw. TV-Programme aufzuzeichnen, können nur bedingt Abhilfe schaffen. Möglichkeiten der digitalen Speicherung und des individuellen Abrufs von digitalisierten Hörfunk- und Fernsehprogrammen mittels Computer und ähnlicher Geräte führen hier seit einigen Jahren zu erheblichen Veränderungen, sodass Radio- und TV-Sendungen auch nach ihrer Ausstrahlung (teils zeitlich befristet) online abrufbar sind. Wie erwähnt, integriert der Computer - und nun sind Onlinemedien angesprochen - als Medium elektronisch vermittelter Kommunikation die weitgehend technisch bedingten Möglichkeiten von Print, Radio und Fernsehen. Onlinemedien können sehr individuell genutzt werden, ein einschränkender Faktor ist aber in den Begrenzungen der Bildschirmseite zu sehen, deren Gestaltungsmöglichkeiten und -zwänge auf Anbieter wie Nutzer zurückwirken. Dies ist insbesondere bei Kleincomputern wie Handys, Smartphones und auch bei iPads (sowie bei ähnlichen Lesegeräten) der Fall. Der Onlinenutzer hat nur einen begrenzten Überblick über den Text bzw. das Programm, er kann mittels Maus oder Touch-Funktion vor- und (über die Back-Funktion) auch zurückblättern. Vor allem Smartphones weisen eine einfach zu bedienende Benutzeroberfläche auf und damit auch eine recht bequeme Handhabung der Geräte. Im Unterschied zu den klassischen Medien, die durch die Festlegung der Abfolge der Inhalte sog. lineare Medien sind, sind Onlinemedien v. a. durch die Möglichkeiten der Verlinkung nichtlineare Medien. Dem User sollte von den Anbietern das Surfen bzw. Navigieren durch ein Onlineangebot daher so leicht wie möglich gemacht werden (vgl. Meier 1998), damit er im Cyberspace nicht verloren geht. Insbesondere Applikationen für mobile Endgeräte tragen dieser Forderung Rechnung. Onlinemedien integrieren nicht nur Eigenschaften der Print- und Funkmedien, sie generieren neue hinzu. Gegenüber den klassischen Medien zeichnen sie sich (prinzipiell) aus durch 1) Aktualität: Die angebotenen Inhalte, welcher Art auch immer, können grundsätzlich jederzeit aktualisiert werden, es gibt keinen Redaktionsschluss; 2) Globalität: Onlineangebote können von jedem Ort der Welt aus erstellt und abgerufen werden; 3) Multimedialität: Onlineangebote können Text, Bild, Ton, Grafik und Datenbanken integrieren; 4) Hypertextualität: Onlineangebote können mit zahlreichen anderen Onlineangeboten verlinkt werden; 5) Interaktivität: Onlineangebote eröffnen dem User direkte und rasche Feedback-Möglichkeiten (vgl. Meier 1998). Social-Media-Anwendungen wie etwa Facebook und Twitter oder auch Nutzerkommentare in Onlinemedien beschleunigen Anschlusskommunikation in hohem Maße. Viele digital gespeicherte Programmangebote des Fernsehens können auch noch nach deren Ausstrahlung mittels Computer, iPhone, Smartphone, i-Pad etc. online abgerufen werden. Joachim R. Höflich weist darauf hin, dass technische Medien und damit auch die über Massenmedien vermittelten Botschaften sich dadurch unterscheiden, »inwiefern sie die verbalen und auch die nonverbalen Ausdrucksmöglichkeiten, auf die in der direkten Kommunikation von Angesicht zu Angesicht gegenseitig Bezug genommen wird, begrenzen, wenn nicht sogar gänzlich ausblen- <?page no="222"?> 4.3 Medienforschung 223 den« (Höflich 1995, S.-527). Wenn man davon ausgeht, dass in der zwischenmenschlichen Kommunikation interpretationsfördernde metakommunikative sowie die Beziehung der Kommunikationspartner anzeigende Hinweise nicht immer verbal, sondern v. a. nonverbal (wie Mimik, Gestik etc.) ausgedrückt werden, ist dies von Bedeutung. Je stärker nämlich »ein Medium die verbalen und nonverbalen kommunikativen Codierungsmöglichkeiten begrenzt, umso mehr müssen [in der computervermittelten Kommunikation - Ergänzung H. P.] fehlende interpretationsfördernde und beziehungsanzeigende Hinweise i. S.-eines […] et cetera-Prinzips […] ergänzt werden« (Höflich 1995, S.-527f ). Diese vom Kommunikator beim Verschlüsseln der Botschaft (Encodieren) zu berücksichtigenden und vom Rezipienten beim Entschlüsseln (Decodieren) teils imaginativ zu leistenden Ergänzungen unterscheiden sich je nach eingesetztem Medium. Dies ist auch der Grund dafür, weswegen Zeitung, Radio, Fernsehen und der Computer (im Kontext von Onlinekommunikation) je eigene Dramaturgien bzw. Erzählstrukturen erfordern (vgl. Höflich ebd.). 4.3.4 Organisationsformen der Massenmedien Massenmedien sind in unterschiedlichen politischen Systemen auf unterschiedliche Weise in diese Systeme integriert. In pluralistischen Systemen, in den westlichen Demokratien also, in denen die Staatsmacht von demokratisch legitimierten Funktionsträgern ausgeübt wird, sind die Massenmedien idealiter in das System der Gewaltenteilung eingebunden, ohne (! ) allerdings - neben Legislative, Exekutive und Judikative - selbst eine eigene (Staats-)Gewalt darzustellen (›Publikative‹). Vielmehr sollen die Massenmedien (aus einer normativ begründeten, demokratietheoretischen Sicht) eine öffentliche Aufgabe erfüllen. Diese besteht darin, unbeeinflusst und unabhängig von staatlicher Macht in vielfältiger Weise Öffentlichkeit über relevante Vorgänge in Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft herzustellen und Gesetzgebung (Legislative), Gesetzesvollzug (Exekutive) sowie Rechtsprechung (Judikative) kritisch und kontrollierend zu beobachten (vgl. Löffler 1984; Bergsdorf 1980; vgl. Kap. 5.1.1.5). In den meisten westlichen Demokratien sind im Wesentlichen zwei Organisationsmodelle bzw. -formen von Massenmedien vorzufinden: privatwirtschaftlich verfasste sowie öffentlich-rechtlich organisierte Massenmedien. (Daneben gibt es Misch- und Sonderformen). Kepplinger spricht vom »wirtschaftlichen Konkurrenzmodell«, wenn er privatwirtschaftliche Medien meint. Im Unterschied dazu ist bei öffentlich-rechtlichen Medien vom »administrativen Kooperationsmodell« die Rede (vgl. Kepplinger 1997, S.-119f ): • Privatwirtschaftlich verfasste Medien agieren und funktionieren ähnlich wie andere kommerziell geführte Unternehmen. Der Markt, also Angebot und Nachfrage, entscheidet über Erfolg oder Misserfolg. Privatwirtschaftlich organisierte Medien operier(t)en lange Zeit auf zwei Märkten, nämlich: auf dem Markt des Publikums sowie auf dem Markt der Werbewirtschaft. Aus beiden Märkten resultier(t)en die Erlöse privatwirtschaftlich organisierter Medien: Bei den privaten Printmedien (sofern diese nicht kostenlos verbreitet werden wie etwa Gratistageszeitungen, Anzeigen- und Offertenblätter) sind dies in aller Regel Vertriebs- (Abonnement, Einzelverkauf ) und Anzeigenerlöse. Durch neue Angebote vieler Printmedien im Onlinebereich kommen z. B. Gebühren für den Abruf von Inhalten wie etwa Applikationen für mobile Endgeräte oder auch durch sog. Zusatzprodukte (vgl. Kap. 4.3.5.4) hinzu. Bei den privaten Funkmedien sind es entweder Werbe- oder Gebührenerlöse (Pay-TV, auch Bezahlfernsehen). Bezüglich des Bezahlfernsehens ist wieder zu unterscheiden zwischen Gebühren für den Bezug eines gesamten Programmpaketes (Pay-TV), eines einzelnen Kanals (Pay per Channel) oder nur einer einzelnen Sendung (Pay per view). Auch Mischfinanzierungsformen aus Werbung und Abonnementgebühren kommen vor. Entgelte fallen - teils zumindest - auch für Dienste sog. Plattformbetreiber an, die <?page no="223"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 224 über Kabelnetze Programme in die Haushalte liefern. Die redaktionelle Linie (Zeitung) bzw. die inhaltliche Ausrichtung des Programms (Hörfunk, Fernsehen) wird vom Medieninhaber festgelegt; die gesellschaftsrechtliche Kontrolle privatwirtschaftlich organisierter Medien erfolgt in aller Regel durch Aufsichtsräte, Vorstände, Präsidenten etc. Privatwirtschaftlich organisierte Medien tendieren auf Grund des Wettbewerbs und einer zunehmend globalisierten Welt zur Medienkonzentration. Sie können Einflussversuchen der werbungtreibenden Wirtschaft ausgesetzt sein. Um wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen, orientieren sich viele privatwirtschaftlich orientierte Medien am Massengeschmack. Der wirtschaftliche Erfolg privat-kommerzieller Medien ist eng mit hohen Auflagen und Reichweiten verbunden, zumal die Preise für Werbung und Anzeigen nicht zuletzt von der Größe des jeweils angepeilten bzw. richtiger: des erreichten Publikums abhängig sind. Die Reichweiten der Massenmedien oder auch einzelner Angebote werden regelmäßig über Reichweiten- und anderen Mediennutzungsstudien ermittelt (vgl. Kap. 4.4.1). Bei den privatwirtschaftlich verfassten Medien wird von der quantitativen Vielzahl der Medien und Anbieter auch auf Inhalts-, Programm- und Meinungsvielfalt geschlossen (sog. außenplurales Modell), was allerdings nicht unumstritten ist. • Öffentlich-rechtlich organisierte Medien werden in aller Regel zwar vom Staat konstituiert, nicht jedoch staatlich kontrolliert. Vielmehr unterliegen sie der Kontrolle durch die Gesellschaft. Kontrollorgane sind in Verwaltungs-, und Rundfunkbzw. Medienräten zu sehen, in denen gesellschaftlich relevante Gruppen wie politische Parteien und gesellschaftliche Organisationen und Institutionen vertreten sind. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten haben festgelegte Programmaufträge mit besonders ausgewiesenen Informations-, Kultur- und Bildungsaufgaben. In ihren Programmen sind die relevanten gesellschaftlichen Gruppen angemessen zu berücksichtigen. Öffentlich-rechtliche Medien sind zu politischer Ausgewogenheit und damit zu Binnenpluralismus verpflichtet. Die pluralistisch zusammengesetzten Kontrollgremien wachen über die Einhaltung der Programmaufträge. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten werden in aller Regel von einem Intendanten geleitet, dem andere Funktionsträger (wie Chefredakteur, Programmdirektor, technischer Direktor, kaufmännischer Direktor, Onlinedirektor etc.) zur Seite stehen. Die Finanzierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten erfolgt meist gemischt aus Teilnehmerentgelten und Werbeerlösen, deren Stellenwert jedoch zunehmend geringer wird (vgl. Kap. 4.3.5.4). Nicht selten sind öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten über ihre Kontrollorgane parteipolitischen Einflussversuchen ausgeliefert, wodurch staatliche Nähe gegeben sein kann (vgl. etwa auch Donsbach/ Wilke 2009, S. 606-614). • Neben privatwirtschaftlich verfassten und öffentlich-rechtlichen Medien gibt es in geringer Zahl des Weiteren sog. »freie Medien«. Es sind dies meist alternative oder auch sog. autonome Medien, die frei von politischen und ökonomischen Zwängen sein wollen und sich auch selbst verwalten. Sie versuchen, sich vorwiegend aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Abonnements, Veranstaltungen etc. zu finanzieren und rufen mitunter auch nach Unterstützung durch die öffentliche Hand. Werbung spielt, wenn überhaupt, für ihre Finanzierung nur eine untergeordnete Rolle. Die technischen und journalistischen Standards sind nicht selten gering, da die Programme weitgehend von Laien gestaltet und produziert werden. Massenmedien wie Zeitung, Radio und Fernsehen in ihren klassischen Erscheinungsformen können in aller Regel den hier dargelegten Organisationsformen problemlos zugeordnet werden. Bei den Onlinemedien ist dies nicht so einfach möglich, zumal sich zahlreiche Onlineanbieter des WWW nur als technischer Plattform bedienen, um ihre Angebote im Web kostenlos auszustellen oder Onlinezugänge bzw. -angebote mit einer Gebühr zu verbinden (z. B. für den Abruf von Applikationen für mobile Endgeräte). Traditionelle Klassifikationsschemata versagen im WWW nicht zuletzt <?page no="224"?> 4.3 Medienforschung 225 auch deshalb, weil im Web auch neue Wege der Finanzierung der Onlineangebote etwa durch Paid Content, Content Syndication, E-Commerce, Service-Providing, Content-Providing etc. beschritten werden (vgl. Kap. 4.3.5.4). 4.3.5 Medienstrukturen in Deutschland Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen ist die Entwicklung des Medienwesens in Deutschland von 1945 bis zur unmittelbaren Gegenwart. Es handelt sich um einen kompakt gehaltenen, kurzen Überblick, der für das Pressewesen mit dem Jahr 1945 startet und für den Rundfunk die Zeit zwischen 1923 (Gründung) und 1945 (Ende des Nationalsozialismus und des von ihm entfachten Zweiten Weltkrieges) kurz mit einbezieht. Im Bereich der Printmedien liegt der Schwerpunkt der Ausführungen auf dem Gebiet der Tagespresse. Ein eigener Abschnitt ist auch den Onlinemedien gewidmet. Auf andere Medien wie Zeitschriften, Buch, Film, Video und »neue Medien« wird weitgehend lediglich über Literaturhinweise verwiesen. Über die Entwicklung des Pressewesens in der Bundesrepublik Deutschland liegt von Heinz Pürer und Johannes Raabe ein detaillierter Überblick vor (vgl. Pürer/ Raabe 2007), über das Rundfunkwesen (bis 1998) jener von Heinz-Werner Stuiber (1998). Zahlreiche Einzelbeiträge zur »Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland« enthält schließlich der gleichlautende, von Jürgen Wilke herausgegebene Sammelband (vgl. Wilke 1999). Überblickbeiträge über Presse, Rundfunk und Onlinemedien enthält auch das zuletzt 2009 in aktualisierter Auflage erschienene Fischer-Lexikon Publizistik/ Massenkommunikation (vgl. Noelle-Neumann et al. 2009). Zum »Mediensystem Deutschlands«, seinen Strukturen, Märkten und seiner Regulierung, hat Klaus Beck 2012 ein Überblickswerk vorgelegt (Beck 2012); ebenfalls 2012 wurde der Klassiker »Massenmedien in Deutschland« in 4., völlig überarbeiteter Auflage neu vorgelegt (Meyn/ Tonnemacher 2012). Mit »Medienregulierung in Deutschland«, mit Zielen, Konzepten und Maßnahmen, befassen sich Wolfgang Seufert und Hardy Gundlach (Seufert/ Gundlach 2012). In den nachfolgenden Ausführungen wird der Versuch unternommen, das bundesdeutsche Mediensystem in seinen Strukturen zu beschreiben und dabei auch Kontexte seines Entstehens mit einzubeziehen (wie dies teils bereits in den historischen Abschnitten erfolgte). Das deutsche Medienwesen hat sich nicht erst seit 1945 entwickelt. Vielmehr reicht seine äußerst wechselhafte Geschichte bis an den Beginn des 17. Jahrhunderts zurück (vgl. Wilke 2008; Stöber 2005): Zeitungen (im heutigen Sinne) gibt es in Deutschland seit 1605, Tageszeitungen seit 1650, Zeitschriften seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Aufhebung der Zensur 1848 hatte - neben anderen Faktoren - die rasche Ausdifferenzierung des Zeitungs- und Zeitschriftenwesens stark begünstigt (vgl. Pürer/ Raabe 2007). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstand die Massenpresse. 1895 kam das Medium Film hinzu (vgl. Gregor/ Patalas 1962; Pflaum/ Prinzler 1992; Jacobsen/ Kaes/ Prinzler 1993), der Rundfunk (im Sinne von Hörfunk) 1923 (vgl. Lerg 1965ff; Stuiber 1998) und das Fernsehen 1935 (vgl. Longolius 1967; Stuiber 1998). Vor der nationalsozialistischen Machtergreifung bestand in Deutschland ein vielfältig ausgeprägtes Medienwesen, Deutschland war das zeitungsreichste Land Europas. Durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg erlitt das deutsche Medienwesen jedoch eine tiefe Zäsur: Die Zeitungen und Zeitschriften der politischen Parteien wurden ausgeschaltet, die unabhängige Presse weitgehend mit der NS-Presse gleichgeschaltet, der Rundfunk (und auch der Film) ausschließlich in den Dienst des Nationalsozialismus, seiner Ideologie und Propaganda gestellt. Schließlich stand am Ende des Zweiten Weltkrieges auch das Ende des damaligen Medienwesens (vgl. dazu Überblicke bei Pürer/ Raabe 2007 sowie Stuiber 1998). Es ist nur allzu gut zu verstehen, dass die Besatzungsmächte beim Wiederaufbau des Medienwesens im Nachkriegsdeutschland nicht dort anschließen wollten und durften, wohin die Nationalso- <?page no="225"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 226 zialisten es geführt hatten. Daher hatte das neu errichtete Presse- und Rundfunkwesen auch keine unmittelbaren Anknüpfungspunkte, auch nicht an die Zeit vor der nationalsozialistischen Machtergreifung. Damals - 1932 - hatte es in Deutschland ein vielfältig ausgeprägtes Pressewesen mit über 4.000 Titeln an Tages- und Wochenzeitungen gegeben (vgl. Koszyk 1972). Der Rundfunk (Hörfunk) war unter dem Dach der Reichsrundfunkgesellschaft dezentral organisiert und auf Grund von Beteiligungen der Post an den Landesrundfunkgesellschaften relativ staatsnahe (vgl. Bausch 1965; Stuiber 1998). Der Film war in privater Hand, wobei die in Alfred Hugenbergs Eigentum befindliche, nationalistisch ausgerichtete Ufa eine Monopolstellung innehatte und später im nationalsozialistischen Medienwesen aufging (vgl. Gregor/ Patalas 1962). 4.3.5.1 Pressewesen in Deutschland Die Entwicklung des Zeitungswesens seit 1945, bzw. die der Tagespresse, lässt sich in mehrere Phasen gliedern, nämlich (vgl. Pürer/ Raabe 1996a, 1996b, 2007): in die Phase des Wiederaufbaus, die Phase der Pressekonzentration, die Phase der Konsolidierung, die Phase zwischen Wende und Wiedervereinigung, die Phase nach der Wiedervereinigung sowie die Phase neuer Herausforderungen v. a. durch das Internet ab etwa 1995. Um die Phase zwischen Wende und Wiedervereinigung zu verstehen, ist es notwendig, auch auf die Strukturen des Pressewesens in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) einzugehen (vgl. Pürer/ Raabe 1996a und 2007). Ein Abschnitt über die gegenwärtige Lage des Pressewesens rundet die Ausführungen ab. Dazu im Einzelnen: Die Phase des Wiederaufbaus (1945-1954) Das Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete auch die »Stunde Null« des deutschen Pressewesens (vgl. Hurwitz 1972). Nach der Kapitulation Hitler-Deutschlands Anfang Mai 1945 übernahmen die alliierten Besatzungsmächte (die USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion) die Herrschaft über Deutschland. Alle bestehenden Druckereien wurden geschlossen, alle Redaktionen aufgelöst. Die Herausgabe von Zeitungen war vorübergehend verboten, an ihre Stelle traten zunächst Heeresgruppenzeitungen der Besatzungsmächte. Es folgte die Vergabe von Lizenzen für die Herausgabe von Zeitungen an nationalsozialistisch nicht vorbelastete Personen, wobei von den Besatzungsmächten unterschiedliche Praktiken angewendet wurden: Die Amerikaner vergaben primär sog. Gruppenlizenzen (an mehrere politisch unterschiedlichen Richtungen nahe stehende Personen) für die Herausgabe unabhängiger Zeitungen und Zeitschriften, erst ab 1948 auch für Parteizeitungen. Die Briten lizenzierten primär Parteirichtungszeitungen, später auch überparteiliche Blätter. Die Franzosen praktizierten ein gemischtes System, vergaben also Lizenzen für Parteizeitungen und unabhängige Blätter. Die Sowjets erteilten Lizenzen für die Herausgabe von Zeitungen nur an politische Parteien, wobei die KPD und später die SED bevorzugt wurden, sodass in der Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ) eine vorwiegend sozialistische Presse entstand. Bis 1948 wurden insgesamt 178 Tageszeitungen, die in 753 Ausgaben erschienen, lizenziert (vgl. Koszyk 1986, 1988, 1999; siehe Abb. 5, S. 227). <?page no="226"?> 4.3 Medienforschung 227 Abb. 5: Anzahl der bis 1948 lizenzierten Zeitungen 1949 erfolgte schließlich die Erteilung der Generallizenz. Damit durften auch die »Altverleger« wieder Zeitungen herausgeben. Es waren dies Personen, die vor 1938 bzw. 1945 Zeitungen herausgaben. Bis Ende 1950 entstanden 500 neue Titel. Die Folge war ein scharfer Konkurrenzkampf der Lizenzzeitungen mit jenen der Altverleger. 1954 wurde der größte Zeitungsgesamtbestand der Bundesrepublik gezählt: Es gab 225 redaktionell selbstständige Tageszeitungen (sog. publizistische Einheiten), die in 1.500 Ausgaben erschienen und zusammen von 624 Verlagen herausgegeben wurden (vgl. Schütz 1956). Eine so große Zahl von redaktionell selbstständigen Tageszeitungen (225) wurde in Deutschland nie wieder erreicht, auch nicht nach der Wiedervereinigung. Die Phase des Wiederaufbaus in Deutschland-West kann 1954 als abgeschlossen betrachtet werden, obwohl es danach noch weitere Zeitungsgründungen gab. Nur wenige von ihnen existieren noch heute (vgl. Pürer/ Raabe 1996a; vgl. Wilke 1997; Schütz 1999). Mit dem Jahr 1954 setzte auch die pressestatistische Erfassung des Tageszeitungswesens nach Walter J. Schütz ein. Auf ihn geht die (bisweilen kritisierte, im Allgemeinen aber doch anerkannte) Differenzierung nach »publizistischen Einheiten«, »(redaktionellen) Ausgaben«, »Verlagen als Herausgeber« und »Verlagen als wirtschaftliche Einheiten« zurück (vgl. Schütz 1956, 2001a, 2005a, 2012a): • Tageszeitungen sind für Schütz alle Periodika, »die mindestens zweimal wöchentlich erscheinen und einen aktuellen politischen Teil mit inhaltlich unbegrenzter (universeller) Nachrichtenvermittlung enthalten« (Schütz 2012a, S. 570). • Publizistische Einheiten sind redaktionell selbstständige Tageszeitungen. In dieser »übergeordneten Kategorie sind alle ›Verlage als Herausgeber‹ mit den jeweiligen ›Ausgaben‹ eingeordnet, deren Mantel - im Regelfall die Seiten eins und zwei mit aktuellen politischen Nachrichten - vollständig oder (bei Übernahme von Seitenteilen) in wesentlichen Teilen übereinstimmt« (ebd.). Folglich ist es durchaus möglich, dass eine publizistische Einheit von mehreren Verlagen zusammen herausgegeben wird. Solche publizistische Einheiten geben in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet in aller Regel (Lokal-) Ausgaben heraus, die den »Zeitungsmantel« (meist den Politik- und Wirtschaftsteil) vom Stammblatt übernehmen - womit sich der folgende Begriff erklärt: • (Redaktionelle) Ausgaben sind folglich Tageszeitungen, die »durch variierende inhaltliche Gestaltung (z. B. Regionalseiten, lokaler Text- und Anzeigenteil)« in ihrer Berichterstattung auf ihr vorwiegendes (lokales) Verbreitungsgebiet »abgestimmt« sind (ebd.), aber redaktionelle Teile wie den Politik-, Kultur- und Wirtschaftsteil etc. (also den sog. »Zeitungsmantel«) aus einer Vollredaktion (auch »Mutterblatt«) übernehmen. Gelegentlich findet man für den Terminus »Ausgabe« auch noch die Bezeichnung »Mutation« oder »Kopfblatt« vor. Besatzungszone Zeitungen Ausgaben amerikanische Zone 56 112 britische Zone 53 387 französische Zone 29 174 sowjetische Zone 21 80 Berlin 19 - 178 753 (Koszyk, Kurt (1988): Die deutsche Presse 1945-1949. In: Wagner, Hans (Hrsg.): Idee und Wirklichkeit des Journalismus. Festschrift für Heinz Starkulla. München, S. 61-74, hier: S. 70f.) <?page no="227"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 228 • Unter der pressestatistischen Kategorie Verlage als Herausgeber lassen sich alle (redaktionellen) »Ausgaben eines Unternehmens zusammenfassen, bei denen im Impressum der gleiche Herausgeber und/ oder Verlag genannt sind« (ebd.). Zahlreiche Zeitungen werden in Deutschland nämlich nicht nur von einem Verlag, sondern von mehreren Verlagen gemeinsam herausgegeben. • Die Kategorie Verlage als wirtschaftliche Einheiten umfasst alle Verlage als Herausgeber, die »in bestimmten Bereichen der Zeitungswirtschaft kooperieren (z. B. Druck, Vertrieb, Anzeigenverbund), wenn diese Zusammenarbeit über die Zugehörigkeit zu Anzeigenringen und Anzeigengemeinschaften hinausgeht« (ebd.). Dazu ein aktuelles Beispiel (2012): Die Augsburger Allgemeine, eine der größten Regionalzeitungen Bayerns, erscheint in 29 Ausgaben (vgl. Schütz 2012b, S. 596), darunter z. B. das Lokalblatt Mindelheimer Zeitung. Deren Berichterstattung nimmt vorwiegend Bezug auf ihr lokales Verbreitungsgebiet Mindelheim und Umgebung. Den Zeitungsmantel - den politischen Teil - übernimmt die Ausgabe (weitgehend) von der Augsburger Allgemeinen. Diese stellt die publizistische Einheit dar, die Mindelheimer Zeitung die (lokale) Ausgabe. Die Augsburger Allgemeine erscheint in der Presse- Druck- und Verlags-GmbH Augsburg. Phase der Konzentration (1955-1976) Ab Mitte der 1950er-Jahre setzte in Westdeutschland ein dramatischer Konzentrationsprozess im Pressewesen ein, der erst 1976 zum (vorläufigen) Stillstand kam. Ihm fielen v. a. auflagenschwächere Regional- und Lokalzeitungen zum Opfer, die entweder ihr Erscheinen ganz einstellen mussten oder mit anderen Zeitungen fusionierten. Wichtigste Ursache war die Veränderung der Erlösrelationen aus Vertrieb (Abonnement, Einzelverkauf ) und Anzeigen. Während 1954 die deutschen Tageszeitungen ihre Einnahmen im Durchschnitt zu 53 Prozent aus dem Vertrieb und zu 46,6 Prozent aus Anzeigen (sowie zu 0,4 Prozent aus Sonstigem) erwirtschafteten, verschob sich das Verhältnis dramatisch in Richtung Anzeigenerlöse: Diese machten 1975 knapp zwei Drittel der Einnahmen aus, die Vertriebserlöse nur noch ein Drittel. Die Zeitungen wurden also in immer größerem Ausmaß von Anzeigenerlösen abhängig. Hinzu kam der Marktzutritt des Fernsehens, das sich rasch verbreitete und die Aufmerksamkeit des Publikums ebenso auf sich zog wie die der werbungtreibenden Wirtschaft (vgl. Schütz 1966, 1999; Kieslich 1968). Das intensiv und vielseitig erforschte Phänomen Pressekonzentration (vgl. u. a. Aufermann 1971; Schütz 1971; Diederichs 1973; Mestmäcker 1978; Knoche 1978; Kisker et al. 1979) wurde von den Zeitungsverlegern in der Folge (und fälschlicherweise, wie sich herausstellen sollte) primär auf das Aufkommen des Fernsehens zurückgeführt. Zwei von Regierungsseite in den 1960er-Jahren eingesetzte und nach ihren Vorsitzenden benannte Kommissionen, die »Michel-Kommission« sowie die »Günther-Kommission«, versuchten, dem Konzentrationsprozess im Pressewesen auf den Grund zu gehen (vgl. Kieslich 1968). Die »Michel-Kommission« prüfte das intermediäre Wettbewerbsverhältnis von Print- und Funkmedien sowie das intramediäre der Printmedien untereinander. Sie kam u. a. zu der Erkenntnis, dass der Pressekonzentrationsprozess primär auf das Wettbewerbsverhältnis auflagenstarker und auflagenschwacher Zeitungen (also Print : Print) auf dem Leserwie v. a. auf dem Anzeigenmarkt zurückzuführen war und dass auch die Illustrierten in diesem Wettbewerb eine Rolle spielten. Der Wettbewerb v. a. um das Werbeaufkommen zwischen Print- und Funkmedien (insbesondere des Fernsehens) spielte den Erkenntnissen der Kommission zufolge eine nur untergeordnete Rolle. Die »Günther-Kommission« wiederum befasste sich mit den Folgen der Pressekonzentration. Sie schlug verschiedene Maßnahmen zu deren Eindämmung vor, von denen allerdings nur <?page no="228"?> 4.3 Medienforschung 229 einige wenige politisch auch realisiert wurden (vgl. Pürer/ Raabe 2007). So gab es für kleinere Zeitungen wirtschaftliche Förderungsmaßnahmen durch Investitionshilfen sowie zinsengünstige Kredite und Darlehen. Weiterhin wurden Maßnahmen zur Beobachtung der Entwicklung des Pressewesens ergriffen. Neben der regelmäßigen Erarbeitung von Medienberichten ist hier v. a. auf das (erst 1975 erlassene) Pressestatistikgesetz zu verweisen. Es verpflichtete die Verleger dazu, wichtige pressestatistische Daten (wie Rechtsform der Unternehmen, Zahl der Mitarbeiter, Bezugs- und Anzeigenpreise, Auflagendaten, Kosten- und Erlösrelationen, Umsatzarten etc.) offen zu legen, um Konzentrationsvorgängen nach Möglichkeit entgegenwirken zu können. Schließlich wurde 1976 ein Gesetz zur Pressefusionskontrolle beschlossen, demzufolge Zusammenschlüsse von Presseunternehmen ab einem gemeinsamen Umsatz von 25 Mio. DM dem Bundeskartellamt anzuzeigen waren. Dieses kann seine Zustimmung zu beabsichtigten Zusammenschlüssen erteilen, verweigern oder an bestimmte Vorgaben knüpfen (vgl. Ronneberger 1986; Klatt 1987; Pürer/ Raabe 2007). 1976 war der absolute Tiefstand des Zeitungsgesamtbestandes in Westdeutschland zu verzeichnen (vgl. Pürer/ Raabe 2007, S. 124f mit Bezugnahme auf Schütz): Es gab nur noch 121 publizistische Einheiten (1954: 225), die in 1.229 redaktionellen Ausgaben erschienen (1954: 1.600) sowie von 403 Verlagen (1954: 624) herausgegeben wurden. Die Zahl der sog. Einzeitungskreise - Gebiete also, in denen die Einwohner nicht mehr zwischen zwei oder mehr Blättern wählen können, sondern nur noch auf eine Zeitung angewiesen sind - wurde ständig größer. Umgekehrt stieg die Auflage der Tageszeitungen zwischen 1954 und 1976 von 13,4 Mio. auf 19,5 Mio. an - ein typisches Phänomen der Pressekonzentration. Die 1952 gegründete Bild-Zeitung trug das Ihre zum Auflagenanstieg bei. Zugleich bildeten sich große Verlagsgruppen heraus. Für den Tageszeitungsbereich sind der Springer- Verlag (Bild, Die Welt u. a.), die WAZ-Gruppe (Westdeutsche Allgemeine, Westfälische Rundschau etc.), der Süddeutsche Verlag (Süddeutsche Zeitung, Donau-Kurier etc.), die Stuttgarter Verlagsgruppe (Stuttgarter Zeitung, Stuttgarter Nachrichten etc.) sowie die Verlagsgruppe DuMont-Schauberg (z. B. Kölner Stadtanzeiger) zu erwähnen. Die zehn größten Tageszeitungsverlage konzentrierten damals zusammen mehr als 53 Prozent der Gesamtauflage aller Tageszeitungen auf sich. Im Bereich der Publikumszeitschriften bildeten sich die Verlage Bauer (Bravo, Neue Revue etc.), Springer (Hör zu, Bild der Frau, Auto-Bild etc.), Burda (Bunte, Freizeit-Revue etc.) sowie Gruner+Jahr/ Bertelsmann (Stern, Spiegel etc.) heraus (vgl. Diederichs 1976, 1981). Sie gehören auch gegenwärtig zu den größten Medienbetrieben Deutschlands (und alle haben sich inzwischen zu Medienunternehmen entwickelt, die neben ihren Printaktivitäten auch im Bereich des privaten Hörfunks und/ oder Fernsehens, der AV-Medien sowie des Internets tätig sind). Phase der Konsolidierung (1976-1989) In der Phase der Konsolidierung (vgl. Pürer/ Raabe 2007, S.-141ff) verfestigten sich die Strukturen des westdeutschen Zeitungs- (und auch Zeitschriften-)Wesens und der Pressekonzentrationsprozess kam vorübergehend zum Stillstand. Es ist dies auch die Phase, in der in den deutschen Zeitungsverlagshäusern - und natürlich auch bei den Zeitschriften - elektronische Systeme der Zeitungsherstellung installiert und implementiert wurden (vgl. Weischenberg 1978 und 1982; Mast 1984; Pürer 1986). Die Struktur der bundesdeutschen Tagespresse war in dieser Phase vor der Wiedervereinigung gekennzeichnet durch (vgl. Wenger 1988; Pürer/ Raabe 2007): 1) eine vergleichsweise immer noch vielfältig ausgeprägte und tief gegliederte Regional- und Lokalpresse mit Lokalmonopolen und einer zunehmenden Zahl von Einzeitungskreisen; 2) eine dürftig ausgeprägte, aber angesehene überregionale Presse (Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Die Welt, die tageszeitung); 3) eine der Titelzahl nach eher kleine (Bild, Express, B.Z., Abendzeitung, tz, Ham- <?page no="229"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 230 burger Morgenpost), der Auflagenzahl nach (5,6 Mio.) aber durchaus beachtenswerte Straßenverkaufspresse (deren größte Repräsentantin die Bild-Zeitung mit einer Auflage von damals 4,33 Mio. Exemplaren war; 4) eine nicht existente Hauptstadt-Presse (in Bonn erschien keine große bundesdeutsche Tageszeitung); 5) sowie durch eine nur noch auf zwei kleine Titel beschränkte Parteipresse (Die Wahrheit, UZ - Unsere Zeit). Dennoch gehörte Deutschland damals - wie auch heute - trotz Pressekonzentration zu den zeitungsreichsten Ländern der Welt. Presse in der DDR Die Presse und auch die anderen Massenmedien waren in der DDR eingebunden in das Prinzip der staatlichen Gewaltenkonzentration: Presse, Rundfunk und Fernsehen der DDR waren gewissermaßen der verlängerte politische Arm von Partei (SED) und Staat (vgl. Pürer/ Raabe 2007, S. 173ff). Ihre besondere Funktion hatten sie der Lenin’schen Pressetheorie zufolge als Führungs- und Kampfinstrumente der Arbeiterklasse zur 1) Propaganda (langfristige politisch-ideologische Erziehung durch die Darlegung und Erläuterung sozialistischer Ideale und Theorien); 2) Agitation (Aufrütteln und Anspornen der Werktätigen im Sinne des Marxismus-Leninismus, Appell an die Aktionsbreitschaft im Alltag); sowie 3) Organisation (Mobilisierung der Menschen zum Auf- und Weiterbau des Sozialismus) (vgl. Blaum 1980). An der Spitze des Medienlenkungssystems der DDR »stand das Zentralkomitee der SED. Die zentralen Figuren waren dabei zum einen der Generalsekretär, der direkt in die Medieninhalte eingreifen konnte, zum anderen der Agitationssekretär, der Kontakt zu den anderen Sekretären hielt, die Agitationskommission beim Politbüro sowie die Abteilung Agitation leitete und so Zugriff auf die zentralen Medien in Berlin und das Presseamt hatte« (Fiedler/ Meyen 2011, S. 10). Die Redaktionen der Tageszeitungen, des Rundfunks (in der DDR das Radio) und des Fernsehens »erreichten täglich tagesaktuelle Anweisungen per Fernschreiber oder Telefon. Ab den 1970er-Jahren mussten zudem einmal wöchentlich alle Chefredakteure bzw. deren Stellvertreter der zentralen Medien in Berlin zu den sog. Donnerstags-Argus beim Leiter der Abteilung Agitation, wo sie über die momentan gültige politische Linie unterrichtet wurden« (ebd.). Auch die Zeitungen der vier kleinen Blockparteien - CDU(-OST), LDPD, NDPD sowie DBD (vgl. w. u.) - waren über das Presseamt [beim Ministerrat der DDR - Ergänzung H. P.] und dessen Abteilung Lektorat eingebunden. »Außerdem war das Presseamt für die Vergabe von Lizenzen für periodisch erscheinende Presseerzeugnisse verantwortlich, an die eine bestimmte Auflage gekoppelt war. Diese durfte nur in Ausnahmefällen (Feiertage, besondere Anlässe) überschritten werden« (ebd.). Auch die Nicht-SED-Presse bzw. SED-nahe Presse (vgl. w. u.), Junge Welt (FDJ) und Tribüne (FDGB), war gegenüber den Lenkungsinstanzen rechenschaftspflichtig, ebenso »gegenüber ihren jeweiligen Herausgebern«, die »in redaktionelle Abläufe und Inhalte eingreifen [konnten]« (ebd.). Die Zentralorgane und Regionalzeitungen der Blockparteien CDU, LPDP, NDPD und DBD (vgl. w. u.) »wurden zusätzlich über ihre Parteivorstände und Sekretariate instruiert« (ebd.). In der Medienlandschaft der DDR nahmen das Neue Deutschland (SED-Zentralorgan), die Aktuelle Kamera (DDR-Fernsehen) und der ADN (zentrale Nachrichtenagentur der DDR) als Leitmedien eine Sonderstellung ein: »Da sie direkt ›von oben‹ angeleitet wurden, gaben sie die aktuelle politische Lesart für alle anderen Medien vor - insbesondere für die Presse in den Bezirken, die nur sporadisch Vertreter nach Berlin schicken musste« (ebd.). Die Medienlenkung der DDR erfolgte also 1) über die Parteiebene (Zentralsekretariat der SED, Abteilung bzw. Sekretär Agitation) und 2) über die Regierungsebene durch das Presseamt beim Ministerrat der DDR sowie die staatlichen Komitees für Rundfunk und Fernsehen. Presseamt und Komitees für Rundfunk und Fernsehen unterstanden ihrerseits jedoch dem Zentralsekretariat der SED. In der 40-jäh- <?page no="230"?> 4.3 Medienforschung 231 rigen Geschichte der DDR wechselten Bezeichnungen und Aufgaben der Medienlenkung der DDR. Erich Honecker hat als Generalsekretär der SED von den Lenkungsmöglichkeiten persönlich intensiv Gebrauch gemacht (vgl. Fiedler 2012; vgl. auch Meyen/ Fiedler 2011, S. 7-12). Beispiele über Art und Weise der Presseanweisungen in der DDR sind dem Band »Presseanweisungen im zwanzigsten Jahrhundert« von Jürgen Wilke (2007, S. 256ff) zu entnehmen. Mit Fallstudien zur Berichterstattung der Zentralorgane Neues Deutschland (SED-Zentralorgan), Junge Welt (Organ des Zentralrats der FDJ), Neue Zeit (Organ der CDU-Ost) und Der Morgen (Organ der LDPD) befasst sich u. a. der Sammelband »Fiktionen für das Volk« von Anke Fiedler und Michael Meyen (2011). In beiden Bänden finden sich auch zahlreiche Hinweise auf weiterführende Literatur. Besondere Lenkungsmaßnahmen bestanden 1) in einer gezielten Personalpolitik (Achtung auf linientreue Kader); 2) in der staatlichen Lizenzpflicht für alle Presseorgane (Lizenzen für die Herausgabe von Presseprodukten wurden nur an politische oder staatliche Organisationenen, Parteien etc., nie an Einzelpersonen vergeben); 3) in der staatlichen Zuteilung von Materialien (Papier, Druckfarbe, Druckkapazität etc.) an die jeweiligen Presseorgane; 4) im staatlichen Vertriebsmonopol der Post (die auch die Zeitungskioske betrieb und die Abonnementverrechnung durchführte); 5) in der einheitlichen, der Lehre des Marximus-Leninismus verpflichteten Ausbildung der Journalisten; sowie 6) in der oftmals bis in kleinste Details gehenden Sprachregelung der Berichterstattung aller Medien (vgl. Holzweißig 1989; Geißler 1986; Pürer/ Raabe 1996a). Inhaltliche Merkmale der Medienpolitik der DDR waren: 1) die staatliche Integration der DDR in die sozialistische Staatengemeinschaft (wobei die UdSSR bis zum Machtantritt Michail Gorbatschows eine Vorbildrolle innehatte); 2) die Abgrenzung zur BRD, die als Ausland galt; 3) die politisch-ideologische Immunisierung der Bevölkerung im Sinne des Marxismus-Leninismus; 4) sowie die ökonomische Agitation zur Übererfüllung der wirtschaftlichen Planziele (vgl. Holzweißig 1989; Schulz 1979; Geißler 1986). Die Journalisten waren der Parteilichkeit (Parteinahme für die Interessen der Arbeiterklasse), der Wissenschaftlichkeit (Erklärung der politischen Entscheidungen auf der wissenschaftlichen Basis des Marxismus-Leninismus) sowie der Massenverbundenheit (Solidarität mit den Werktätigen, Bemühen um deren Mitarbeit in der Presse) verpflichtet (vgl. Blaum 1980). Vor der Wende, im Jahr 1988, gab es in der DDR insgesamt 1.812 Presseerzeugnisse, darunter 39 Tageszeitungen (9,7 Mio. Auflage), 30 Wochenzeitungen (9,5 Mio. Auflage), 508 Zeitschriften (21,4- Mio. Auflage), 667 SED-Betriebszeitungen (2 Mio. Auflage), 176 zentrale Mitteilungsblätter, 354 regionale Mitteilungsblätter sowie 34 Wochenzeitungen und Zeitschriften der Kirchen und religiösen Gemeinschaften (377.000 Auflage) (vgl. Grubitzsch 1990). Die 39 Tageszeitungen der DDR hatten eine gemeinsame Auflage von 9,7 Mio. Exemplaren, wobei den größten Auflagenanteil, nämlich 6,1-Mio. Exemplare bzw. 63 Prozent der Gesamtauflage, die SED-eigenen Zeitungen auf sich konzentrierten. Die Tageszeitungen wurden von der SED selbst (16 Titel), einigen ihrer großen Vorfeldorganisationen (drei Titel, knapp 2 Mio. Auflage) sowie von den vier Blockparteien (18 Titel, gemeinsame Auflage von 834.000 Exemplaren) herausgegeben. Ein Titel (B.Z. am Abend), die einzige Boulevardzeitung der DDR (Auflage: 204.000), war SED-nahe; ein weiterer Titel (Nowa Doba, Auflage: 2.000 Exemplare) vertrat offiziell die Interessen der in der DDR lebenden sorbischen Minderheit (vgl. Grubitzsch 1990; Pürer/ Raabe 2007, S. 188ff). Alle Tageszeitungen, auch jene der Blockparteien, waren in das politische System der DDR eng eingebunden und hatten in ihrer Berichterstattung kaum bzw. nur wenige Freiräume. Diese gab es am ehesten in den (nur wenigen) politikfernen Bereichen der Berichterstattung. Der Umfang der Zeitungen betrug wochentags zwischen sechs und acht Seiten, am Wochenende mehr (teils das Doppelte). Ein Tageszeitungsabonnement kostete 3,15 (DDR-)Mark, ein Einzelexemplar 0,15 bis 0,20 Mark. Die DDR war also bestrebt, ihren Bürgern den Bezug von Zeitungen (und Zeitschriften) leicht erschwinglich zu machen. Daher wurden auch zahlreiche Printmedien durch den Staat bzw. die Partei subventioniert: 1988 soll der Subventionsaufwand der Zeitungen der <?page no="231"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 232 SED 332 Mio. (DDR-)Mark betragen haben (vgl. Grubitzsch 1990). Bezug und Lektüre westlicher Zeitungen waren der Bevölkerung in der DDR untersagt. Lediglich eine kleine politische Führungsschicht sowie ranghohe Funktionäre der SED hatten begrenzten Zugang zu westlichen Printmedien. Mit Zeitschriften in der DDR befassen sich u. a. Simone Barck et al. (1999). Phase zwischen Wende und Wiedervereinigung Wenige Wochen nach dem Mauerfall und dem offiziellen Ende der gesellschaftlichen Führungsrolle gab die SED noch im Dezember 1989 auch ihren Monopolanspruch auf Presse (und Rundfunk) auf und trennte sich von den meisten ihrer Zeitungen und Zeitschriften. Alle Chefredakteure wurden ausgewechselt, leitende Stellen mit Personen besetzt, die das Vertrauen der Redaktionen besaßen. Titel und Untertitel der Zeitungen (und vieler Zeitschriften) wurden z. T. mehrmals geändert, um die neue Unabhängigkeit von Staat und Partei auch nach außen zu demonstrieren. Wichtig war auch, nach dem Wegfall der Subventionen für Pressemedien, die Umstellung auf eine marktwirtschaftliche Unternehmensführung. Über einen Medienbeschluss der Volkskammer wurde die Pressefreiheit politisch durchgesetzt; ein Medienkontrollrat hatte die Aufgabe, sie zu überwachen. Die Erarbeitung eines Mediengesetzes wurde in Angriff genommen, infolge der dann rasch herbeigeführten Wiedervereinigung jedoch nicht mehr fertig gestellt bzw. obsolet (vgl. Pürer/ Raabe 1996a, S.-418ff). Aus der Gegenüberstellung der Auflagen 1988 (DDR) und 1991 geht hervor, dass viele Zeitungen mit bzw. nach der Wende erhebliche Auflagenverluste hinnehmen mussten, die sich später noch fortsetzten (vgl. Abb. 6, S. 233). Der erosionsartig einsetzende Umbruch erfasste den gesamten ostdeutschen Pressemarkt. Es kam zu zahlreichen Titelneugründungen ohne Westhilfe, zu Ausgaben westdeutscher Zeitungen in Ostdeutschland sowie zu angestrebten Verlagskooperationen und Joint Ventures westdeutscher Verlage mit DDR-Zeitungen und Zeitschriften (vgl. Müllerleile/ Schulze 1990; Schneider 1991; Röper 1991). Das Vertriebsmonopol der Post wurde aufgehoben. Westdeutsche Verlage versuchten, eigene Vertriebsstrukturen aufzubauen und ihre Produkte, insbesondere auch Zeitschriften, in der (Noch-) DDR abzusetzen, ehe der Pressevertrieb generell neu geregelt wurde (vgl. Wilke 1992). Die entstandenen Kooperationen und (geplanten) Fusionen ostdeutscher Zeitungen mit westdeutschen Verlagen waren für Erstere ein aus wirtschaftlichen Gründen notwendiger Schritt, für Letztere die Chance auf einen neu zu erschließenden Absatzmarkt. Gleichzeitig mussten einige durchaus prominente ostdeutsche Zeitungen innerhalb kurzer Zeit dramatische Auflagenrückgänge verzeichnen. Unter ihnen befanden sich Titel wie: das ehemalige SED-Zentralorgan Neues Deutschland (von 1,1 Mio. auf 100.000); die von der SED-Vorfeldorganisation Freier Deutscher Jugendverband (FDJ) herausgebrachte Junge Welt, die zum Zeitpunkt der Wende auflagenstärkste Tageszeitung der DDR (von 1,5 Mio. auf 70.000); sowie die Zeitungen der Vorfeldorganisationen der SED (Tribüne, das Organ des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes FDGB sowie Deutsches Sportecho, Organ des Deutschen Turn- und Sportbundes DTSB), die bald eingestellt wurden. Betroffen von starken Auflageneinbußen waren aber auch viele Zeitungen der ehemaligen Blockparteien. Am Markt relativ gut behaupten konnten sich hingegen - trotz Auflagenverlusten - die ehemaligen 14 SED-Bezirkszeitungen. Diese verfügten schon zu DDR-Zeiten über vergleichsweise hohe Auflagen und hatten infolge ihrer hohen Vielfalt an Lokalausgaben auch eine starke Leserbindung, wenngleich zu DDR-Zeiten der Lokalteil in diesen Blättern in aller Regel nur zwischen einer halben und einer ganzen Seite ausmachte (vgl. Röper 1991; Schütz 1992). Im Frühherbst 1990 kam es zur spektakulären Übernahme des Berliner Verlags durch das deutsche Verlags- <?page no="232"?> 4.3 Medienforschung 233 Abb. 6: Privatisierung der ehemaligen SED-Zeitungen nach der Entscheidung der Treuhand alter Titel, Verlagsort Auflage 1988 in Tsd. Ex. neuer Titel Auflage 1991 in Tsd. Ex. neuer Besitzer Berliner Zeitung 425 - 304* Gruner+Jahr 50 %, Maxwell 50 % BZ am Abend, Berlin 204 Berliner Kurier am Abend 130 Gruner+Jahr 50 %, Maxwell 50 % Neues Deutschland, gesamte DDR 1.100 - 128* eigenständig/ PDS Bezirkszeitungen: Freie Erde, Neubrandenburg 202 Nordkurier 160* Augsburger Allgemeine/ Kieler Nachrichten/ Schwäbische Zeitung je 33,3 % Freie Presse, Chemnitz 661 freie presse 586 Die Rheinpfalz, Ludwigshafen Freies Wort, Suhl 178 - 142* Neue Presse, Coburg Freiheit, Halle 585 Mitteldeutsche Zeitung 527 Kölner Stadt-Anzeiger Lausitzer Rundschau, Cottbus 291 - 276 Saarbrücker Zeitung Leipziger Volkszeitung 484 - 380 Springer Verlag, Hannoversche Allgemeine je 50 % Märkische Volksstimme, Potsdam 348 Märkische Allgemeine 265 Frankfurter Allgemeine Zeitung Neuer Tag, Frankfurt/ Oder 211 Märkische Oderzeitung 184 Südwest Presse, Ulm Ostsee-Zeitung, Rostock 292 - 238 Lübecker Nachrichten Sächsische Zeitung 566 - 513 Gruner+Jahr (51 %), Rheinische Post und Westdeutsche Zeitung zusammen 49 % Schweriner Volkszeitung 201 - 171 Burda-Verlag Volksstimme, Magdeburg 451 - 375 Bauer-Verlag Volkswacht, Gera 238 Ostthüringer Nachrichten 210 WAZ, Essen, 24,9 % Das Volk, Erfurt 401 Thüringer Allgemeine 350 WAZ, Essen, 50 % Gesamtauflage 6.838 4.939 *Auflagenzahl nach ivw 1/ 91, ansonsten nach Verlagsangaben. Mittlerweile hat es bei einigen Tageszeitungen erneut Wechsel bei den Eigentümern gegeben. (Quelle: Röper, Horst: Die Entwicklung des Tageszeitungsmarktes in Deutschland nach der Wende in der ehemaligen DDR, in: Media Perspektiven 7/ 1991, S. 422) <?page no="233"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 234 haus Gruner+Jahr sowie den englischen Verleger Maxwell. Der Berliner Verlag (BZ am Abend, Berliner Zeitung, Junge Welt, FF dabei u. a. m.) war das größte Verlagsunternehmen der DDR und gab damals Zeitungen und Zeitschriften mit einer Gesamtauflage von zehn Mio. Exemplaren heraus. Das Verlagsunternehmen wurde von der PDS, der Nachfolgepartei der SED, für einen Preis von 235 Mio. DM komplett verkauft (vgl. Röper 1990). Die Phase nach der Wiedervereinigung Die Phase unmittelbar nach der Wiedervereinigung war medienpolitisch geprägt von der Verkaufspolitik der Treuhand-Anstalt. Diese war laut Einigungsvertrag zuständig für die wettbewerbliche Neustrukturierung und Privatisierung ehemaligen DDR-Volkseigentums - und damit auch für die nach der Wende unter ihre Obhut gestellten Zeitungsunternehmen. Von besonderem Interesse für die Westverlage waren die 14 SED-Bezirkszeitungen mit ihren hohen Auflagen und großen Verbreitungsgebieten sowie ihrer ausgeprägten Ausgabenvielfalt. Vergabekriterien bei den Verkaufsverhandlungen waren: 1) die Höhe des gebotenen Kaufpreises; 2) die von den Kaufinteressenten vorgelegten Sanierungs- und Investitionskonzepte (zumal die Zeitungsbetriebe technisch völlig veraltet waren); sowie 3) die Zusicherung des Erhalts von Arbeitsplätzen. Zusätzlich gab die Treuhand vor, dass ein Käufer nicht mehr als eine Zeitung erwerben bzw. nicht an mehreren beteiligt sein dürfe und dass die Verbreitungsgebiete der erwerbenden und der zu verkaufenden Zeitungen nicht aneinander grenzen dürften (vgl. Röper 1991; Schütz 1992; Schneider 1992). An diese Vorgaben hat sich die Treuhand bei der Vergabepraxis sodann selbst jedoch nicht immer gehalten. Da nur große westdeutsche Zeitungsverlage den hohen Kapital- und Investitionsbedarf der zu verkaufenden ostdeutschen Zeitungen decken konnten, kamen mehrheitlich auch nur Großverlage zum Zuge wie der Springer-Verlag, Gruner+Jahr, Burda, der WAZ-Konzern, Südwestpresse/ Stuttgarter Zeitungsgruppe, die FAZ- Gruppe, der Madsack-Verlag (Hannover), die Saarbrücker Zeitung u. a. m. (vgl. Abb. 6, S.-233). Die Treuhand erzielte einen Verkaufserlös von rund 1,5 Mrd. DM sowie Investitionszusagen in einer Größenordnung von 1,3 Mrd. DM. An der Verkaufspolitik der Treuhand wurde u. a. kritisiert, dass alle 14 ehemaligen SED-Bezirkszeitungen komplett, also einschließlich der ihnen angeschlossenen Druckereien sowie mit ihren vielen Ausgaben und großen Verbreitungsgebieten, oftmals an nur einen neuen Eigentümer veräußert wurden und dass - von einer einzigen Ausnahme (Maxwell) abgesehen - nur westdeutsche Großverlage akzeptiert wurden. Die unter publizistischen Gesichtspunkten wünschenswerte Aufteilung der riesigen Verbreitungsgebiete dieser Zeitungen und ihrer ungewöhnlich hohen Auflagen auf mehrere Teilverlage stand bei der Treuhand offenbar nicht zur Debatte (wobei nicht übersehen werden kann, dass eine neue Aufteilung der Verbreitungsgebiete der ehemaligen Bezirkszeitungen langjährig gewachsene Kommunikationsräume zerstört hätte. Auch kann nicht beurteilt werden, ob eine Filetierung der Zeitungen von nachhaltigem publizistischem wie ökonomischem Erfolg gewesen wäre). Gleichwohl: Die aus der Pressekonzentrationsdebatte der Bundesrepublik bekannten Besonderheiten des Pressemarktes und ihre möglichen Gefahren spielten bei den Treuhand-Entscheidungen offensichtlich ebenfalls keine Rolle (vgl. Röper 1991; Schütz 1992; Schneider 1992). Umgekehrt ist den erwerbenden Verlagen einzuräumen, dass sie ihre Investitionszusagen vollständig eingelöst haben: Die von ihnen erworbenen Zeitungen mit ihrer völlig veralteten technischen Infrastruktur insbesondere bei Satz und Druck gehörten bald zu den technisch modernst ausgestatteten Presseverlagshäusern Deutschlands. Die rasch wachsende publizistische und ökonomische Kraft der großen Regionalblätter (also der ehemaligen SED-Bezirkszeitungen) in den neuen Bundesländern hat es den nach Wende und Wiedervereinigung erfolgten Zeitungsgründungen schwer gemacht, sich am ostdeutschen Markt zu <?page no="234"?> 4.3 Medienforschung 235 behaupten. Hinzu kam, dass viele der von Westverlagen vorgenommenen Zeitungsneugründungen in Ostdeutschland publizistisch die Befindlichkeit der Bundesbürger in den neuen Ländern bei weitem nicht so gut trafen wie dies bei den ehemaligen Bezirkszeitungen der Fall war. (vgl. Schneider/ Stürzebecher 1993; Schneider et al. 1997, 2000). Die hohe Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland macht(e) es vielen Bürgern zudem nicht möglich, sich eine Zeitung zu leisten. So setzte nach einem regelrechten Zeitungsboom zwischen 1990 und 1993 im neuen Bundesgebiet ein weit um sich greifender Pressekonzentrationsprozess und Auflagenrückgang ein. Ihm fielen v. a. Zeitungsneugründungen sowie fast alle der ebenfalls an Westverlage verkauften Zeitungen der ehemaligen Blockparteien zum Opfer. Die beiden ehemals größten Tageszeitungen der DDR, das Neue Deutschland (Auflage 2. Quartal 2012: knapp 36.000) und die Junge Welt (Auflage derzeit rund 20.000) haben an Auflage besonders stark eingebüßt. Die Zeitungen der Massenorganisationen wurden eingestellt. Während es 1989 in der DDR 39 Tageszeitungen gab (die in 291 Ausgaben erschienen und eine Auflage von 9,6 Mio. Exemplaren hatten) und 1991 vorübergehend gar 58 publizistische Einheiten (mit 348 Ausgaben und einer Auflage von sieben Mio. Exemplaren) zu verzeichnen waren, gibt es gegenwärtig (Stand: 2012) in den neuen Bundesländern (einschließlich der im ehemaligen Ost-Berlin erscheinenden Zeitungen) nur noch 21 Tageszeitungen (i. S.-publizistischer Einheiten) mit zusammen 226 Ausgaben und einer gemeinsamen Auflage von rund 2,55 Mio. Exemplaren (ermittelt mit Bezugnahme auf Schütz 2012b, S. 594ff). Zeitungsbezugspreise (Abonnement, Einzelverkauf ) sowie Anzeigenpreise, die in den neuen Bundesländern für geraume Zeit nach der Wiedervereinigung teils weit unter jenen der westdeutschen Zeitungen lagen, erreichten in Ostdeutschland um die Jahrtausendwende weitgehend Westniveau (Zeitungen 2001). Auch das publizistische, also inhaltliche Profil (Politik, Wirtschaft, Lokales, Kultur etc.) der Ostzeitungen entspricht in vielem jenem der westdeutschen Tageszeitungen, die Themenprofile haben sich angeglichen. Verständlicherweise ist die Berichterstattung der ostdeutschen Tageszeitungen stärker auf Vorgänge in den neuen Bundesländern bezogen. Wie sich die ostdeutsche Tagespresse und der ostdeutsche Journalismus strukturell und inhaltlich nach der Wiedervereinigung entwickelt und verändert haben, ist im Einzelnen u. a. den Publikationen »Wenn das Blatt sich wendet« (Schneider/ Stürzebecher 1998) sowie »Ortsbestimmung« (Schneider et al. 2000) zu entnehmen. Aktuelle Forschung dazu liegt u. a. vor in den Sammelbänden »Wie die Medien zur Freiheit kamen« (Haller/ Mükke 2010) sowie »Medienfreiheit nach der Wende« (Machill et al. 2010). Entwicklungen im deutschen Pressewesen ab 1995 Die Entwicklung des deutschen Pressewesens seit 1995 ist durch vier sehr unterschiedliche Phasen geprägt, nämlich durch Stabilisierung, Aufschwung, Krise und Wege aus der Krise. Dazu im Einzelnen: Stabilisierung: Ab Mitte der 1990er-Jahre ist der deutsche Pressemarkt nach der Wiedervereinigung weitgehend zur Ruhe gekommen, die Lage stabilisierte sich. Zwar sind Auflage und Ausgaben der bundesdeutschen Tageszeitungen sowie die Zahl der Verlage als Herausgeber weiterhin rückläufig gewesen; die Zahl der publizistischen Einheiten als redaktionell selbständig erarbeitete Tageszeitungen - ein wichtiger Gradmesser - ist mit 135 jedoch für einige Jahre stabil geblieben (Schütz 1997; Zeitungen 2000). Viele Printverlage haben sich zu Medienhäusern entwickelt: Auf Engagements zahlreicher deutscher Verlage im privaten Hörfunk und Fernsehen bereits ab Mitte der 1980er-Jahre folgten Engagements auf ausländischen Märkten, insbesondere auch in den gewendeten Reformländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas (Facius 2002; Röper 2005, 2012b; Stegherr/ Liesem 2010; <?page no="235"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 236 Hallenberger/ Krzeminski 1994). 1994/ 95 gab es die ersten Onlineengagements deutscher Printmedien (Der Spiegel, Schweriner Volkszeitung, Tagesspiegel, Die Welt, taz), denen zahlreiche andere Verlagshäuser zunächst eher zögernd und halbherzig folgten: Die Tageszeitungen (Print) sollten durch zu offensive Onlineengagements nicht bedroht bzw. kannibalisiert werden (u. a. Riefler 1996; vgl. Kap. 4.3.5.3). Hauptgeschäft blieben - und bleiben wohl auch weiterhin - die Printprodukte, Umsatzsteigerungen im Printbereich gab es v. a. durch Preiserhöhungen bei Anzeigen und Vertrieb (Keller 1995ff). Aufschwung: Ab etwa 1998 verzeichneten die Tageszeitungen ein beachtliches Umsatzwachstum, im Jahr 2000 mit dem Spitzenwert von plus 6,65 Prozent (Keller 2001). Es war zurückzuführen auf zahlreiche Börsengänge wirtschaftlicher Unternehmen sowie auf Privatisierungen ehemals staatlicher Betriebe (Bundespost, E-Wirtschaft), was sich in hohem Anzeigenaufkommen u. a. durch den Marktzutritt neuer Anbieter niederschlug. Hinzu kam die Interneteuphorie mit zahllosen, in Zeitungen beworbenen Startup-Unternehmen. Im positiven wirtschaftlichen Umfeld dieser Phase nahmen viele Zeitungen eine Erweiterung des publizistischen Angebots in bestehenden Ressorts (Lokales, Politik, Wirtschaft, Kultur, Medien), durch neue redaktionelle Teile (wie etwa die Berlin-Seiten einiger großer Tageszeitungen) oder neue Regionalausgaben (etwa der Tageszeitung Die Welt für Bayern) sowie teils auch durch Zeitungsneugründungen (Pürer/ Raabe 2007) vor. Zu erwähnen ist die Financial Times Deutschland (FTD), deren Gründung im Jahr 2001 durch den deutschen Verlag Gruner+Jahr in einem Joint Venture mit der britischen Pearson-Verlagsgruppe (Financial Times, London) erfolgte (Schütz 2001a). Neben dem Handelsblatt (Düsseldorf ) ist bzw. war die FTD die zweite bundesdeutsche Tageszeitung mit Schwerpunkt Wirtschaftsberichterstattung; sie wurde Anfang Dezember 2012 eingestellt (vgl. w. u.). Ebenfalls eine Neugründung stellt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) dar, die seit 2001 bundesweit verbreitet und neben Bild am Sonntag sowie Welt am Sonntag die dritte überregional verbreitete Sonntagszeitung in Deutschland ist. Sie beschäftigt eigene Redakteure, die jedoch auch auf das Korrespondentennetz und andere Ressourcen des Mutterblattes Frankfurter Allgemeine Zeitung zugreifen können (Milz 2001). Dagegen missglückte der im Herbst 1998 unternommene Versuch des Spiegel-Verlags, die Zeitungsgründung Der Tag (so der Titel) erfolgreich am Markt zu platzieren (Schütz 2000). Auch gab es Versuche, in Deutschland Gratistageszeitungen auf den Markt zu bringen, die jedoch ebenfalls scheiterten (Vogel 2001a; Schütz 2001a; Wilke 2002; Röper 2006). Es waren dies die Titel 15 Uhr aktuell (Berlin, Hamburg, München), 20 Minuten Köln (Shipsted), Kölner Morgen (DuMont-Schauberg) sowie Köln extra (Springer). Mit Hintergründen, Marktzutritt, rechtlichen Auseinandersetzungen, Scheitern von Gratistageszeitungen in Deutschland (insbesondere der umstrittenen Lage auf dem Kölner Zeitungsmarkt) und deren Folgen befassen sich Vogel 2001a, Haas 2006, Röper 2006, Holznagel 2006, Pürer/ Raabe 2007 sowie Haller 2009. (Erste) Krise: Ab der Jahresmitte 2001 wurde der deutsche Medienmarkt für die Dauer von gut drei (wenn nicht vier) Jahren von einer schweren (ersten) ökonomischen Krise erfasst. Sie hatte konjunkturelle Gründe in der abflauenden Wirtschaftslage, insbesondere auch im Niedergang der Interneteuphorie: Die erwartete »New Economy« funktionierte nicht, damit verbunden waren schwere Rückgänge bei den Werbeerlösen der Tageszeitungen, aber auch anderer Medien. Und sie hatte im Printmedienbereich (medien-)strukturelle Gründe durch das Wegbrechen der für Tageszeitungen so wichtigen Rubrikenmärkte (Arbeitsmarkt-, Immobilien und Kraftfahrzeuge) sowie vieler Kleinanzeigen (eBay) ins Internet: Die Zeitungsverlage hatten es verabsäumt, diese Märkte rechtzeitig für sich zu erschließen bzw. mit den Betreibern von entsprechenden Portalen im Internet Joint Ventures einzugehen (Pürer/ Raabe 2007). Viele Verlagshäuser verordneten sich in der Folge Sparmaßnahmen <?page no="236"?> 4.3 Medienforschung 237 und führten Restrukturierungsmaßnahmen durch. Zahlreiche der wenige Jahre zuvor ausgebauten publizistischen Leistungen wurden entweder zurückgefahren oder ganz eingestellt (wie z. B. die Berlin-Seiten von Süddeutscher Zeitung und Frankfurter Allgemeiner Zeitung; die Tageszeitung Die Welt nahm ihre im Frühjahr 2001 eingeführte Regionalausgabe für Bayern zurück; die Süddeutsche Zeitung ihre (bereits in der Phase der Krise 2002 herausgebrachte) Ausgabe für Nordrhein-Westfalen). Mit einher ging ein teils radikaler (erster) Personalabbau in Redaktionen wie Verlagsabteilungen, vorhandene Onlineauftritte wurden ebenfalls reduziert (Pürer/ Raabe 2007): Die erwarteten Werbeerlöse stellten sich nur in geringem Ausmaß ein, bis heute kämpft die gesamte Medienbranche mit dem von ihr selbst praktizierten Geschäftsmodell »content is free«. Möglicher Weise sind in den auch von Zeitungsverlagen angebotenen Applikationen (kurz: Apps) für mobile Endgeräte (wie iPhone, Smartphones, iPad) Produkte zu sehen, für die deren Anbieter neue Erlöse erschließen können (vgl. Kap. 4.3.5.4) Wege aus der (ersten) Krise: Um Wege aus der Krise zu finden, bedienten sich die Zeitungsverlage folgender Strategien: Sie ersannen neue Produkte, die Tabloids, boten den Lesern in Form von Büchern oder Buchreihen, CDs, DVDs etc. preiswerte Zusatzprodukte zur Zeitung an und versuchten auch neue Erlöse zu erwirtschaften, indem sie neue Dienstleistungen im Postzeitungsdienst erbrachten (und erbringen) und durch neuen Content - sog. mobile Dienste (Wetter, Nachrichten, Sport etc.) sowie Applikationen für mobile Endgeräte - ebenfalls neue Erlösquellen erschließen. Tabloids: Neue Produkte waren zunächst in der Einführung neuer Zeitungstitel mit neuen Formaten zu sehen - den Tabloids. Es ist dies ein Begriff, der aus dem Englischen kommt und ursprünglich als Gattungsbezeichnung für Boulevardblätter wie etwa die Sun in Großbritannien stand. Tabloids sind meist Halbformate von Tageszeitungen, die es in zahlreichen anderen Ländern als Zeitungsformat traditionell seit Langem gibt (Milz 2004; Riefler 2005). Der Holtzbrinck-Verlag brachte in Deutschland als erster zunächst in der Lausitz (2004) sowie dann im Saarland (2005) den Titel 20 Cent heraus - ein Titel, der zugleich für den Preis des Produkts stand. Ebenfalls von Holtzbrinck stammte das in Frankfurt herausgebrachte Tabloid mit dem Titel News. Der Springer-Verlag kam mit dem Titel Welt kompakt auf den Markt, DuMont Schauberg mit dem Titel Kölner Stadtanzeiger DIREKT. Alle diese neuen Zeitungen unterschieden sich vom publizistischen Anspruch durchaus (Milz 2004). Gemein war ihnen die internetaffine Aufmachung mit kurzen Beiträgen und vielen Fotos sowie das Anliegen, v. a. junge Zielgruppen zu gewinnen (vgl. ebd.). Jugendliche Leser, so die Argumentation, würden kleinere Formate und kurze Beiträge bevorzugen, was auch dem (vermeintlichen? ) Mikrotrend entsprechen sollte. Der Formatwechsel sollte zugleich Anlass sein, grundsätzliche Veränderungen in Form und Layout bei Tageszeitungen vorzunehmen (kompakter, kürzer, farbiger) und auch der Werbewirtschaft ein neues Forum und eine neue Form für die Platzierung von Anzeigen und deren Wahrnehmung durch den Leser zu bieten (Milz 2004; Riefler 2005; Roether 2004; Breyer-Mayländer 2005). Sämtliche Gründungen - mit Ausnahme von Welt kompakt - hatten nur einige Jahre Bestand und wurden wieder vom Markt genommen. Eine Umstellung auf ein (›echtes‹) Tabloid-Format nahmen später die Frankfurter Rundschau (2007) sowie das Handelsblatt (Düsseldorf, 2009) vor. Bei beiden Organen handelt es sich jedoch um echte Tabloids und nicht etwa um Kleinformate. Zusatzprodukte: Die Idee, Zeitungen (und Zeitschriften) Zusatzprodukte beizufügen und damit auch einen weiteren Kaufanreiz zu bieten, stammt ursprünglich aus Italien (Lutz 2005a, 2005b). Meist handelt es sich um verlagsnahe oder medienaffine Produkte wie Bücher (Romane, Krimis etc.), CDs, DVDs, Lexika etc., die zu einem günstigen Preis erworben werden können. (In Italien <?page no="237"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 238 sind dies nicht selten z. B. auch Spielwaren für Kinder und damit verlagsferne Produkte, vgl. w. u.). Konsequent betrieben wird das Geschäft mit Zusatzprodukten in Deutschland z. B. von der Süddeutschen Zeitung, aber auch andere Zeitungsverlagshäuser wie jene von Bild, Die Welt, FAZ, Die Zeit oder auch größere Regionalzeitungen bieten mehr oder weniger regelmäßig Zusatzprodukte an. Erfolgsfaktoren stellen »die Hochwertigkeit und exklusive Gestaltung der Produkte«, die »Unterstützung durch Kompetenz und Wissen der Redaktion«, ein »gezieltes Marketing mit einer geistreichen und effektiven Kampagne« sowie »die klare Kommunikation und Werbestrategie« dar (Lutz 2005c). Für Regionalzeitungen mit einer relativ inhomogenen Leserschaft (im Unterschied zur relativ homogenen Leserschaft überregionaler Blätter) ist wichtig, jeweils geeignete Produkte zu finden, die »alle Leser gleichermaßen ansprechen. […]. Im Vordergrund steht das Interesse an der eigenen Region, hier besteht die Chance für Regionalzeitungen« (Esser/ Schreier 2005, S. 132). Engagements von Zeitungsverlagen für verlagsferne Zusatzprodukte »müssen gut überlegt werden. Die Marke des Kernprodukts, in aller Regel eine Tageszeitung, kann und soll durchaus genutzt […], darf aber nicht beschädigt werden« (Pürer/ Raabe 2007, S. 404; Huber 2007, S. 93). In aller Regel eignen sich kulturelle Angebote und Güter (vergünstigte Reisen, Konzert- oder Museums- und Ausstellungsbesuche etc.), nicht jedoch Produkte wie z. B. Versicherungen oder ähnliche Angebote und Dienstleistungen. Hier steht zu befürchten, dass der Ruf des anbietenden Zeitungsverlages, insbesondere die Marke, gefährdet werden könnten (vgl. Pürer/ Raabe ebd.). Zeitungen sollten sich durch Nebengeschäfte nicht von Informationsanbietern zu »Gemischtwarenhändlern« verwandeln (Neuberger 2005). Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass die Bild-Zeitung z. B. auch Dessous von Seite-Eins-Girls über 800.000-mal als verlagsferne Zusatzprodukte verkaufte (Karalus 2008, S. 236). Das Boulevardblatt soll (zumindest vorübergehend? ) um Anerkennung durch Intellektuelle gekämpft haben (Busse 2010). Post von der Zeitung: Seit 1998 ist es nach der Teilliberalisierung des deutschen Postmarktes auch anderen Mitbewerbern erlaubt, Postdienstleistungen zu erbringen. Lizenzen dazu erteilt die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Wolf 2001). Für die Zeitungsverlage eröffnete sich hier (v. a. nach Ende der Exklusivlizenzen der Post für Briefe und Katalogsendungen bis 200 Gramm sowie für Markendrucksachen bis 50 Gramm) »die Möglichkeit am deutschen Postmarkt teilzunehmen und den Briefmarkt als weiteres Geschäftsfeld zu nutzen« (Pürer/ Raabe 2007, S. 405 mit Bezugnahme auf Wolf 2001). Den Verlagen stehen nämlich ihre (Zeitungs-)Vertriebs- und Zustelllogistiken für Postdienstleistungen zur Verfügung. Es gereicht ihnen zum Vorteil, dass »sie über langjährige Kundenbeziehungen sowohl zu Abonnenten als auch zu wichtigen lokalen und regionalen Unternehmen aus dem Werbegeschäft verfügen« (Pürer/ Raabe 2007, S. 405 mit Bezugnahme auf Breyer-Mayländer 2004). Zahlreiche Verlage haben sich daher (zum Teil mit Kooperationspartnern aus dem Logistik-Bereich) entschlossen, Postdienstleistungen zu erbringen. Investitionen in Postdienstleistungen durch Zeitungsverlage sind jedoch erst dann sinnvoll, wenn ein ausreichendes Postsendungsvolumen vorhanden ist (Breyer-Mayländer 2004). Mobile Dienste: Tageszeitungen bieten seit geraumer Zeit auch mobile Dienste an. Es sind dies Nachrichten-, Informations- und Kommunikationsdienste (einschließlich Unterhaltung und Werbung) zum Empfang auf mobilen Endgeräten wie Handys, iPhones, Smartphones, iPads etc. Seit der zunehmenden Durchdringung des Marktes mit Endgeräten, die für den Empfang von mobilen Diensten (etwa in Form von Applikationen) geeignet sind, scheint sich hier für die Verlagsbranche ein neues Geschäftsfeld zu entfalten, aus dem möglicherweise auch Erlöse erwirtschaftet werden können (vgl. Kap. 4.3.5.4). <?page no="238"?> 4.3 Medienforschung 239 Internationalisierungsbestrebungen: Zu erwähnen sind weiter Internationalisierungsstrategien deutscher Medienkonzerne (vgl. Sjurts 2004, 2002). Deren Beginn reicht zwar bis in die 1980er-Jahre zurück, Auslandsengagements haben sich aber seit Mitte der 1990er-Jahre deutlich verstärkt. Gegenwärtig »findet sich kaum noch ein großer deutscher Medienkonzern, der nicht im europäischen oder sogar außereuropäischen Ausland aktiv ist« (Sjurts 2004, S. 1). Auslandsengagements deutscher Verlage haben, wie Insa Sjurts ausführt, mehrere Gründe: Sättigungstendenzen auf nahezu allen inländischen Medienmärkten, Wachstumspotenziale in osteuropäischen und außereuropäischen Märkten, die Risikostreuung der Verlage durch das Agieren auf mehreren regionalen Medienmärkten sowie Expansionsgrenzen »im Inland aufgrund kartellrechtlicher Vorgaben« (ebd.). Hinzu kommen Kosten- und Ertragsgesichtspunkte sowie die Mehrfachnutzung unternehmerischer Kompetenzen. Auch die Mehrfachverwertung redaktioneller Inhalte spielt eine Rolle, wenngleich hier zu berücksichtigen ist, dass Inhalte »in hohem Maße den kulturellen Kontext« reflektieren: »Ein Export wie bei anderen Produkten und Dienstleistungen ist hier ungleich schwieriger bzw. kaum möglich. Markteintritt und Marktbearbeitung müssen der Kulturgebundenheit der Produkte Rechnung tragen« (ebd.). Die Form des Markteintritts in ausländische Märkte ist bestimmt von den »Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten der Marktpräsenz im Ausland« sowie von der »Beanspruchung unternehmenseigener Ressourcen« (ebd.). Formen sind in der »Vertretung durch Dritte mit den Varianten Export, Lizenzierung und Franchising« sowie in der »Kooperation mit der Gründung eines Joint Ventures als typischer Variante« zu sehen (Sjurts 2004, S. 1f ). Was die Marktbearbeitung betrifft, so lassen sich vier Strategievarianten unterscheiden: die globale Strategie, bei der »die Nutzung von Globalisierungsvorteilen im Mittelpunkt [steht]«: Ausschöpfung von Kostendegressions- und Synergievorteilen, Bearbeitung aller in- und ausländischen Märkte »mit demselben Produkt und der identischen Werbestrategie«; die multinationale Strategie mit der Entwicklung einer spezifischen Produktvariante für den in- und ausländischen Markt sowie eine lokal abgestimmten Werbestrategie; die internationale Strategie, bei der der Schwerpunkt der Aktivitäten »weiter im Heimatland« liegt und der »ausländische Markt […] typischer Weise im Wege des Exports [bedient wird]«; sowie die glocale Strategie, bei der »eine globale Dachstrategie mit einer lokal abgestimmten Produktstrategie kombiniert [wird].« Dadurch werden Globalisierungvorteile genutzt, gleichzeitig sollen aber auch »Vorteile einer Lokalisierung ausgeschöpft werden« (Sjurts 2004, S. 3). Welche Strategien führende deutsche Medienkonzerne verfolgen, ist im Weiteren bei Sjurts nachzulesen. Angaben zu ausländischen Engagements sind in aller Regel auch den Onlineauftritten der großen Medienunternehmen zu entnehmen. Internationalisierung ist auch für den Onlinemarkt eine wichtige Strategie, Google und Apple etwa sind herausragende Beispiele dafür (Sjurts 2010). Redaktionelle Reorganisationen und Kooperationen Die soeben dargelegten Entwicklungen betrafen Vorgänge im deutschen Pressewesen bis zum Jahr 2005. Die Branche ist danach aber auch nicht zur Ruhe gekommen. Einen Teil der wegbrechenden Werbeerlöse konnten die Zeitungsverlage durch Preissteigerungen im Vertrieb etwas ausgleichen (vgl. Röper 2010, S. 218). »Das Abonnement der für den deutschen Markt typischen lokalen oder regionalen Zeitungen kostete 1999 monatlich durchschnittlich 18,77 Euro. 2008 betrug der Preis 22,31 Euro. Das entspricht einer Preissteigerung um 19 Prozent. Zugleich haben die Verlage wegen geringerer Auflage und des reduzierten Produktumfangs (fehlende Werbung) Kostenvorteile erzielen können« (Röper 2010, S. 218). War die Herstellung der Zeitung 1999 noch mit 37 Prozent an den Kosten beteiligt, waren es 2008 nur noch 29 Prozent (vgl. ebd.). Der Vertrieb der Zeitungen ist um knapp vier <?page no="239"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 240 Prozentpunkte teurer geworden (2008: 24 Prozent), Einsparungen sind in diesem Bereich kaum mehr möglich, »da bundesweit sogar fast alle konkurrierenden Verlage im Vertrieb kooperieren« (ebd.). Bei der Kostenstelle Redaktion ist dies anders. Deren Anteil an den Kosten machte 1999 noch 21,7 Prozent aus, »2008 waren es 24,3 Prozent. Entsprechend sind die Redaktionen in den Fokus der Verlagskaufleute gerückt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind Einsparpotenziale gegeben. Der […] rapide Abbau von Planstellen in den Redaktionen wird wahlweise kompensiert über Kooperationen innerhalb und außerhalb des Unternehmens oder er bleibt unkompensiert, obwohl die Qualität des Produkts beeinträchtigt wird« (ebd.). Einsparpotenziale sind v. a. für Lokalzeitungen möglich für die überregionale Berichterstattung etwa durch praktizierte »Kooperationen im Bereich der Korrespondenten im In- und Ausland« (Röper 2010, S. 219). Eine jüngere Kooperationsform besteht darin, dass Lokalzeitungen »die Mantelseiten nicht komplett von einem Verlag« übernehmen, »sondern kleine Hauptredaktionen nur den Zugriff auf das Fremdmaterial haben und daraus auswählen« (ebd.). Praktiziert wird dies z. B. bei den Stuttgarter Nachrichten, die »mehreren kleineren Zeitungen den Mantel liefern und […] darüber hinaus redaktionelles Material« anderen Zeitungen »aus derselben Verlagsgruppe zur Verfügung stellen« - zunächst dem Schwarzwälder Boten, zuletzt Ausweitung auf den Titel Frankenpost und deren Partner Neue Presse Coburg (Bayern), auf den Titel Freies Wort und auf die stz Südthüringer Zeitung (beide Thüringen). »Die Redaktion der Stuttgarter Nachrichten beliefert damit Zeitungen mit einer Gesamtauflage von über einer halben Million Exemplaren« (ebd.). Redaktionskosten werden weiters gesenkt »über Absenkungen von Lohnkosten. Dabei bedient man sich der Leiharbeit, des Outsourcings, der Neueingruppierung (z. B. Fotografen als Angestellte, nicht als Redakteure), der Aufgabe von tariflichen Bindungen und anschließend untertariflicher Entlohnung, zunehmenden Einsatzes von kostengünstigen freien Journalisten« (ebd.). Weitere Wege, die für Einsparungsmöglichkeiten im redaktionellen Bereich beschritten werden, sind zu sehen in Redaktionspools und Redaktionsgemeinschaften. Für den Hannoveraner Madsack- Konzern z. B. arbeitet seit März 2010 ein Pool von Berliner Korrespondenten, deren Berichte an sämtliche Madsack-Titel gehen, »u. a. an die hochauflagigen Lübecker Nachrichten, Hannoversche Allgemeine Zeitung und Leipziger Volkszeitung« (Röper 2010, S. 219f ). Die Verlagsgruppe DuMont hat im April 2010 in die DuMont Redaktionsgemeinschaft GmbH in Berlin auf den Weg gebracht. An ihr »sind zu gleichen Teilen die Verlage der Berliner Zeitung, der Frankfurter Rundschau, der Mitteldeutschen Zeitung und des Kölner Stadt-Anzeigers beteiligt. Die früher für die einzelnen Titel der Gruppe arbeitenden Korrespondenten berichten nun gemeinsam für alle Titel. Damit wird für den Einzelnen eine Spezialisierung möglich, die losgelöst von Einspareffekten sogar zu qualitativen Verbesserungen führen kann« (ebd.), andererseits einen Vielfaltsverlust nicht ausschließt. »Selbst die Frankfurter Allgemeine Zeitung nutzt inzwischen Kooperationen und teilt sich Kosten für einzelne Korrespondenten mit der Neuen Zürcher Zeitung« (ebd.). Noch weiter als bei DuMont ging die redaktionelle Reorganisation beim WAZ-Konzern (Essen). »Dort wurde eine große Zentralredaktion für die Titel Westdeutsche Allgemeine (WAZ), Westfälische Rundschau (WR), und Neue Ruhr/ Rhein Zeitung (NRZ) eingerichtet. Die einzelnen Titel verfügen nur noch über kleine sog. Titelredaktionen, die die Seitenproduktion auf der Basis des von der Zentralredaktion erstellten Stoffes besorgen. Damit soll gewährleistet sein, dass die einzelnen Titel ihre Eigenarten, ihre regionale Verortung und ihre politische und publizistische Linie trotz erheblicher Personalreduktionen erhalten können« (ebd.). Röper schreibt 2010, es seien »erste Gleichförmigkeiten erkennbar, die von Kritikern von Anfang an befürchtet worden sind«. So sei »z. B. die Medienseite in der WAZ und der WR inzwischen identisch« (ebd.). Publizistische Verluste seien durch solche Kooperationsformen nicht auszuschließen (vgl. ebd.). Auch habe der WAZ-Konzern in Nordrhein-Westfalen Lokalredaktionen aufgegeben, wodurch zum Teil »auch der Rückzug aus <?page no="240"?> 4.3 Medienforschung 241 Verbreitungsgebieten verbunden [war]. Meistens aber blieb eine Redaktion erhalten, die nun den Lokalteil für zwei Zeitungen produziert. Der Leser hat also nur noch die Wahl zwischen unterschiedlichen Zeitungsmänteln. Die Lokalberichterstattung ist gleich« (ebd.). Eine Zentralredaktion für die Springer-Zeitungen Die Welt inkl. Die Welt kompakt, Die Welt am Sonntag sowie die Berliner Morgenpost wurde bereits vor einigen Jahren installiert, seit Spätherbst 2012 ist auch das Hamburger Abendblatt in die Redaktionsgemeinschaft eingebunden (epd medien 2012b, S. 4). Die gegenwärtige Zentralredaktion »arbeitet nicht nur titelübergreifend […], sondern auch medienübergreifend für die Digitalangebote« (medium magazin 2012) und es gilt seit Jahren das Prinzip »online first«. Die hier erörterten Reorganisationen von Redaktionen »stehen beispielhaft für eine Entwicklung, die mehr oder minder die gesamte Branche ergriffen hat. Der Ausgangspunkt ist dabei immer ähnlich: Es geht darum, eine journalistische Leistung nicht nur einmal, sondern möglichst oft zu nutzen, um Kosten zu sparen. Dieses Single-Source-Verfahren wird nicht nur intramedial, sondern auch crossmedial genutzt, etwa für Internetangebote« (Röper 2010, S. 220). Auch wenn ein damit verbundener Vielfaltsverlust im Einzelfall zwar nur marginal sein mag, so wird in Summe »das publizistische Gesamtangebot erheblich ausgedünnt« (ebd.). Und der damit verbundene Abbau von journalistischen Arbeitsplätzen »wird Folgen für das Gesamtsystem Journalismus haben, da Zeitungen insbesondere in der Lokalberichterstattung das Leitmedium sind« (ebd.). Lokales Radio wie Fernsehen, so Röper, speisen aus den Lokalzeitungen und deren Ausgaben »nicht zuletzt die Themenfindung für das eigene Medium« (ebd.). Die Auswirkungen einer neuen Redaktionsstruktur mit gemeinsamem Mantel-Newsdesk auf Qualität und Vielfalt (die beiden zentralen Untersuchungsdimensionen) der Berichterstattung hat Lars Rinsdorf am Beispiel der WAZ-Gruppe untersucht (Rinsdorf 2011). Inhaltsanalytisch verglichen wurde die Politik- und Wirtschaftsberichterstattung von NRZ, WAZ und WR vor (2008) und nach der Einführung (2009) des gemeinsamen Mantel-Newsdesk. Das Sample bildeten »je zwei Berichterstattungswochen vom September 2008 und 2009«, es gingen insgesamt »3.725 Beiträge in die Analyse ein« (Rinsdorf 2011, S. 29). Es ist hier nicht möglich, detailliert auf die Ergebnisse im Einzelnen einzugehen. Erwähnenswert erscheint, dass sich die Titel trotz gemeinsamen Newsdesk »ein eigenes publizistisches Profil [bewahren]« (Rinsdorf 2011, S. 35). Der Autor hält abschließend als Fazit der Studie fest, »dass die journalistische Qualität der Berichterstattung [Politik, Wirtschaft - Ergänzung H. P.] der einzelnen Titel stabil bleibt. Partiell profitieren die Titel von den neuen Strukturen. Auch die unterschiedliche strategische Positionierung der Titel bleibt nach der Umstellung gleich. Die publizistische Vielfalt nimmt dagegen ab. Dies gilt zwar nicht für die einzelnen Titel«, mit Blick auf »die publizistische Leistung der drei Titel insgesamt, zeigt sich ein anderes Bild: Obwohl die WAZ-Gruppe explizit anstrebt, dass die Titelredaktionen das Material aus dem Newsdesk titelspezifisch weiter aufbereiten, werden diese Spielräume, die ihnen das neue Organisationsmodell bietet, (noch) selten ausgeschöpft« (Rinsdorf 2011, S. 39). Rinsdorf schließt mit der Bemerkung, es gebe keine Hinweise darauf, »dass verstärkte Kooperationen zwischen den einzelnen Titeln deren publizistische Leistungsfähigkeit schwächen müssen. Vielmehr deuten sich eher die Potenziale an, die solche Organisationsmodelle bieten - vorausgesetzt, die Abläufe sind fein genug auf das journalistische Konzept abgestimmt und das Qualifikationsniveau im Redaktionsteam ist hinreichend hoch« (Rinsdorf 2011, S. 39f ). Individualisierte Tageszeitung niiu - ein Versuch Von nur relativ kurzem Bestand war der im Herbst 2009 von zwei Studenten unternommene Versuch, in Berlin eine individualisierte Tageszeitung für ein junges Publikum auf den Markt zu brin- <?page no="241"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 242 gen (Grötker 2010; niiu 2010a, 2010b). Sie trug den Titel niiu und hatte eine Startauflage von 1000 Exemplaren. Für ihre Käufer bestand die Möglichkeit, Inhalte aus 18 verschiedenen regionalen, nationalen und internationalen Tageszeitungen zu wählen, darunter bundesdeutsche Tageszeitungen wie Bild, Berliner Morgenpost, Der Tagesspiegel, das Hamburger Abendblatt, die Frankfurter Rundschau, die taz oder auch das Neue Deutschland, aber auch internationale Titel wie etwa die New York Times, die International Harald Tribune, die Washington Times u. a. m. Auch aus Internetangeboten konnten Inhalte gewählt werden. Der Abonnent konnte entscheiden, welche Ressorts er aus welchen Zeitungen in seiner niiu in welcher Länge haben möchte (z. B. Wirtschaft aus dem Handelsblatt oder etwa Sport aus der Bild-Zeitung, Internationale Politik aus der New York Times etc.). Bei den Inhalten handelte es sich um 1: 1-Abdrucke (meist ganzer, übernommener Seiten, wodurch infolge unterschiedlicher Formate das Layout uneinheitlich wurde). Die Auswahl der Inhalte konnte täglich neu kombiniert werden und musste von den Abonnenten bis 14 Uhr via Internet der Redaktion bekannt gegeben werden. Titel- und Rückseite waren Internetinhalten vorbehalten. Auch individualisierte Werbung war möglich. Niiu konnte im Prepaid-Abonnement bezogen werden. Der Preis pro Ausgabe betrug 1,80 Euro. Gedruckt wurde niiu digital, ausgeliefert wurde sie an sechs Tagen pro Woche jeweils bis 8.00 Uhr morgens. Für nicht in Berlin wohnende Abonnenten gab es eine E-Paper-Ausgabe. Um kostendeckend zu operieren, wären 5000 Abonnenten nötig gewesen, die niiu nicht gewinnen konnte (Gritti 2011). Im Januar 2011 stellte niiu sein Erscheinen ein, mit der Absicht, nach einer Pause wieder auf den Markt zu kommen. Im Herbst 2012 kündigten die Gründer von niiu eine Rückkehr des individualisierten Mediums als Applikation für den Empfang auf mobilen Endgeräten an (Pfannenmüller 2012). Erneut sollen die Nutzer die Möglichkeit erhalten, individuell abgestimmte News aus einem breiten Themenspektrum redaktioneller Inhalte zu wählen, »die in einer App zusammengefasst werden« (Melzer 2012). Der Nutzer soll »aus mehr als 20 tagesaktuellen Titeln bis zu zehn Themenbereichen auswählen« können, »aus denen ihm die neuesten Nachrichten in die App geladen werden«, dies für 12,99 Euro im Monat (Bunnen 2013, S. 1). Die niiu- App wurde im April 2013 gestartet, der Anteil der Medienpartner lag bei 25. Weitere Informationen sind unter www.niiu.de erhältlich. Zur gegenwärtigen Lage der Tagespresse Die Lage der Tagespresse hat sich in den zurückliegenden Jahren kaum verändert. Sie kämpft mit sinkenden Auflagen, sinkenden Reichweiten und - nach einem kurzen, moderaten Aufwärtstrend in den Jahren 2006 und 2007 (vgl. Beck et al. 2010) - erneut mit sinkenden Werbeerlösen. Nicht alle Maßnahmen, Wege aus der ersten Krise zu finden (vgl. w. o.), haben sich bewährt. So sind die 2004 auf den Markt gebrachten Tabloidformate bis auf einen Titel - nämlich Welt kompakt (jüngst: Die Welt kompakt) wieder vom Markt verschwunden. Offensichtlich haben sich die publizistischen Konzepte dieser Zeitungen, auch jüngere Leserschichten (mittels günstigem Preis) anzusprechen, nicht bewährt (vgl. Schütz 2012a, S. 571). Erwähnenswert erscheint in diesem Kontext aber, dass die Bild- Zeitung seit 2009 ihre Münchner Ausgabe »zusätzlich als City-Ausgabe auch in einer verkleinerten, jedoch textidentischen Version herausbringt, während das Experiment einer ›Berliner Morgenpost Kompakt‹ nur eine kurze Episode blieb« (Schütz 2012a, S. 581f ). Dagegen erwies sich die etappenweise in einigen Bundesländern in den Markt gebrachte Kompaktausgabe von Die Welt am Sonntag als erfolgreich und soll ab Frühjahr 2013 neben der Normalausgabe auch bundesweit erhältlich sein. Ihre Inhalte werden für eine junge, urbane Zielgruppe im Tabloidformat neu aufbereitet. Über die Aktivitäten von Printverlagen im Postzeitungsdienst ist es eher ruhig geworden, wiewohl es sie gibt. Auskunft darüber erteilt Johannes Freytag (2011). Die mit Zusatzprodukten (Buchreihen, CDs, <?page no="242"?> 4.3 Medienforschung 243 DVDs etc.) erzielten Erlöse von Zeitungsverlagen dürfen nicht überschätzt werden und spielen - von wenigen Ausnahmen abgesehen - mit Blick auf die Gesamterlöse in aller Regel eine nur untergeordnete Rolle. Und ob sich z. B. das allmählich aufkommende Geschäft mit entgeltlich zu beziehenden Applikationen von Zeitungen für den Empfang auf mobilen Endgeräten als erfolgreich erweist, bleibt wohl noch abzuwarten (vgl. Kap. 4.3.5.4). Gesamtbestand Tagespresse 2012 Der jüngsten pressestatistischen Zählung von 2012 (Schütz 2012a) zufolge - Stichtagssammlung März 2012 (also noch ohne Berücksichtigung von Vorgängen im Zeitungswesen danach) - gab es in Deutschland 130 Tageszeitungen im Sinne publizistischer Einheiten, die in 1.532 (lokalen) Ausgaben erschienen, von 333 Verlagen herausgegeben wurden und eine verkaufte Auflage von 18,2 Mio. Exemplaren täglich erzielten (vgl. Schütz 2012a, S. 571). Gegenüber der Stichtagszählung von 2008 bedeutet dies einen Rückgang von fünf publizistischen Einheiten, ein Minus von 20 Verlagen als Herausgebern sowie ein Minus von 1,8 Mio. Exemplaren bei der Auflage. Lediglich die Zahl der Zeitungsausgaben ist der Zählung von Schütz zufolge von 1.515 (2008) auf 1.532 (2012) gestiegen, also um immerhin 17 Ausgaben. Wie sich diese Veränderungen im Einzelnen ergaben bzw. worauf sie jeweils zurückzuführen sind, ist bei Schütz (2012a) detailliert dargestellt und kann aus Platzgründen hier nicht im Detail wiedergegeben werden. Lediglich einige wichtige Splitter seien herausgegriffen: • Die Zahl der publizistischen Einheiten, wichtiger »Indikator für publizistische Konzentration« (Schütz 2012a, S. 571), war Schütz zufolge seit 1993 »fast unverändert gleich geblieben. In den vergangenen vier Jahren stehen jedoch der Schließung von acht Kernredaktionen nur drei Neugründungen gegenüber« (ebd.). Schütz zufolge ist es »i. d. R. zulässig«, auch »kooperierende Redaktionen«, die »nach wie vor journalistische Eigenleistungen erbringen, die zu einem themenspezifischen Mantel führen, […] auch weiterhin als ›Publizistische Einheiten‹ einzustufen« (Schütz 2012a, S. 573). Dies gelte »für die zwischen 2008 und 2012 vereinbarte enge [! ] Zusammenarbeit« zwischen Schweriner Volkszeitung und Nordkurier (Neubrandenburg); General-Anzeiger (Bonn) und Kölnischer Rundschau; Frankenpost (Hof ), Stuttgarter Nachrichten und Freies Wort (Suhl); Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau, Mitteldeutsche Zeitung (Halle) und Kölner Stadt- Anzeiger; Aachener Zeitung und Aachener Nachrichten; zwischen den Titeln der Mediengruppe WAZ (Essen), NRZ (Essen) und Westfälische Rundschau (Dortmund); sowie zwischen Thüringer Allgemeine (Erfurt) und Ostthüringer Zeitung (Löbichau/ Gera). Mit Blick auf die genannten Beispiele eng kooperierender Redaktionen stellt sich die Frage, inwiefern es sich hier tatsächlich noch um »Publizistische Einheiten« handelt und ob die Ausweitung dieser Kategorie auf eng kooperierende Verlage nicht zugleich eine Aufweichung bzw. Relativierung der Kategorie darstellt. • Zur Entwicklung bei den Lokalausgaben vermerkt Schütz, dass hier »zwei Trends« einander gegenüberstehen, nämlich »einerseits Schließung und Zusammenlegung, andererseits weitere Aufteilung von bereits bestehenden Ausgaben« (Schütz 2012a, S. 580). Was Stadtteilausgaben in Großstädten betrifft, so »sind in sieben Städten in den letzten Jahren solche sublokalen Angebote ersatzlos eingestellt worden, umgekehrt sind sie in vier Städten neu entstanden« (ebd.). Tendenziell ist seit langem »die Strategie deutscher Zeitungsverlage zu beobachten, eher im eigenen Verbreitungsgebiet die Marktposition zu festigen als sich durch dessen Ausdehnung zusätzlichem Wettbewerb auszusetzen« (Schütz 2012a, S. 576). • Bezüglich der Erscheinungshäufigkeit sind Schütz zufolge auch keine Veränderungen zu beobachten. Zu vermerken ist jedoch, dass neben den regulären Sonntagsausgaben von Tageszeitungen ein neues Angebot entstanden ist: »Die verteilte Sonntagszeitung. Das sind vom Typ her Anzei- <?page no="243"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 244 genblätter, mit denen Verlag[e] Leser wie Nichtleser ihrer Zeitungen ansprechen wollen« (Schütz 2012a, S. 582). 2012 verteilten 17 Zeitungen solche »Sonntagsblätter im Verbreitungsgebiet von 44 ihrer Ausgaben« (ebd.). • Die Zeitungsauflagen gehen weiter zurück. Der Auflagenrückgang ist bei Boulevardzeitungen stärker ausgeprägt als bei den Abonnementzeitungen. »Vor 30 Jahren gehörte fast jedes dritte verkaufte Stück zur Gruppe der Straßenverkaufszeitungen, während heute vier von fünf Zeitungsexemplaren ihre Leser über das Abonnement erreichen« (Schütz 2012a, S. 582). Die langfristigen Auflagenverluste der Kaufzeitungen (bei der Bild-Zeitung etwa die Hälfte (! ), beim Kölner Express drei Fünftel der früher abgesetzen Auflage) »belegen, wie sehr gerade unterhaltende Teile des Zeitungsinhalts durch intermediäre Konkurrenz an Leserinteresse verloren haben« (ebd.). Von den Auflagenverlusten am wenigsten betroffen waren die Abonnementzeitungen mit dem Anspruch überregionaler Verbreitung: »Offensichtlich wirkt sich hier der höhere Anteil institutioneller Bezieher positiv aus« (Schütz 2012a, S. 585). Bei den lokalen und regionalen Abonnementzeitungen zeigt die Auflagenstatistik ein differenziertes Bild: Verluste bei wenigen Zeitungen von mehr als 40 Prozent seien nach wie vor eher die Ausnahme und stehen im Kontrast zu anderen Titeln, die seit Jahren fast gleichbleibenden Absatz verzeichnen. »Damit drängt sich die Frage auf, wieweit journalistische Qualität mit Lesererwartungen korrespondiert und für den wirtschaftlichen Erfolg ausschlaggebend ist« (ebd.). Von den stärksten Rückgängen sind die östlichen Bundesländer betroffen, »ganz offensichtlich sowohl eine Folge der Abwanderung als auch geringen wirtschaftlichen Wachstums« (ebd.). Im alten Bundesgebiet lässt sich »titelbezogen« belegen, dass »[V]or allem in Ballungsgebieten und Großstädten […] die Auflagenverluste schmerzlich« und »wohl auch nicht umkehrbar [sind]« (ebd.). • Die Netto-Zeitungsdichte gibt an, wie viele Ausgaben miteinander im Wettbewerb stehen. »Für das Bundesgebiet beträgt die Zeitungsdichte im Jahr 2012 zwar unverändert 1,5, doch der Anteil derjenigen, die in Gebieten mit örtlichem Zeitungsmonopol leben, ist zwischen 2008 und 2012 von 42,4 auf 44,0 Prozent an der Gesamtbevölkerung weiter gestiegen« (Schütz 2012a, S. 585f ). Von 311 lokal und regional agierenden Verlagen sind 137 (= 44,1 %) »Alleinanbieter in ihrem Verbreitungsgebiet« (Schütz 2012a, S. 586). 138 Verlagshäuser (44,4 %) stehen als Erstanbieter zumindest in gemäßigter Konkurrenz mit (einem) anderen und 36 Verlage (11,6 %) befinden sich in nachrangiger Marktposition. »Die Hälfte der Auflage (49,4 %) wird in Gebieten ohne Zeitungswettbewerb verkauft« (ebd.). Das Gesamtbild der deutschen Tagespresse im Jahr 2012 ist aus Abbildung 7, S. 245, ersichtlich. Abbildung 8 (ebd.) vermittelt einen Überblick über die Entwicklung der deutschen Tagespresse zwischen 1954 (Beginn der pressestatistischen Zählung durch Walter J. Schütz) und 2012. Einen detaillierten Überblick über die zahlreichen Zeitungsübernahmen - knapp 30 Titel - zwischen Oktober 2008 (Stichtagssammlung 2008) und Januar 2012 vermittelt Schütz im Rahmen der Ergebnisse der aktuellen Stichtagssammlung (Schütz 2012a, S. 581, Tab. 8). Unter ihnen ragen zahlreiche ehemalige Regionalzeitungen mit Beteiligung des Springer-Verlags heraus, die von der Madsack- Gruppe, vom Flensburger Tageblatt (Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag sh.z) und der Ippen- Gruppe übernommen wurden. Verkäufe von Zeitungsbeteiligungen werden im deutschen Markt in aller Regel branchenintern vorgenommen (vgl. Röper 2010, S. 221). In den hier referierten Daten und Fakten sind Vorgänge noch nicht berücksichtigt, die sich im Laufe des Jahres 2012 (und danach) nach der von Schütz erneut mit erheblichem Aufwand durchgeführten Stichtagserhebung März 2012 am deutschen Zeitungsmarkt ergeben haben, wie etwa Zeitungsübernahmen oder der Erwerb relevanter Beteiligungen. Schütz verweist auf sie jedoch in einer Fußnote (vgl. Schütz 2012a, S. 574 sowie S. 588, Fußnote 7). Zu erwähnen ist u. a. die Einstellung der im Jahr 2000 vom Verlag Gruner+Jahr in Verbindung mit der britischen Pearson-Gruppe neu <?page no="244"?> 4.3 Medienforschung 245 Abb. 7: Gesamtbild der Tagespresse in Deutschland (März 2012) Publizistische Einheiten 130 (Redaktionelle) Ausgaben 1.532 Verlage als Herausgeber 333 Gesamtauflage in Mio. 18,2 Exemplare je tausend Einwohner 279 Reichweite in Prozent 66,6 Überregional verbreitete Abonnementzeitungen (p.E.) 10* Straßenverkaufszeitungen (p.E.) 8** Regionale/ lokale Abonnementzeitungen (p.E.) 112*** Abb. 8: Die Tagespresse in Deutschland 1954-2012 * Zu den Abonnementzeitungen mit dem Anspruch überregionaler Verbreitung zählen: Süddeutsche Zeitung (SZ), Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Frankfurter Rundschau (FR), Handelsblatt, Die Welt, Financial Times Deutschland (FTD) (Anfang Dezember 2012 eingestellt), Neues Deutschland, die tageszeitung (taz) sowie die kleinauflagigen Zeitungen Junge Welt und Tagespost. ** Zu den Straßenverkaufszeitungen zählen: Bild (Berlin), B.Z. (Berlin), Express (Köln), Berliner Kurier (Berlin), Abendzeitung (München), tz (München), Hamburger Morgenpost, Dresdner Morgenpost. *** Der weitaus größte Teil der bundesdeutschen Abonnementzeitungen ist dem Typ der regional oder lokal gebundenen Tageszeitung zuzuordnen. Die meisten von ihnen verfügen über (mehr oder weniger) zahlreiche (Lokal-) Ausgaben. (Schütz, Walter J. (2012b): Redaktionelle und verlegerische Struktur der deutschen Tagespresse [März 2012]. In: Media Perspektiven 11/ 2012, S. 594-603. Zeitungen 2012/ 13. Hrsg. vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger. Berlin, S. 406) (erstellt nach Schütz, Walter J. (2012a): Deutsche Tagespresse 2012. In: Media Perspektiven 11/ 2012, S. 571) Publizistische Einheiten Ausgaben Verlage als Herausgeber Verkaufte Auflagen in Mio. Jahr absolut Index absolut Index absolut Index absolut Index 1954 225 100 1.500 100 624 100 13,4 100 1976 121 54 1.229 82 403 65 19,5 146 1985 126 56 1.273 85 382 61 20,9 156 1989 119 53 1.344 90 358 57 20,3 152 1989 DDR 37 - 291 - 38 - 9,6 - 1991 158 100 1.673 100 410 100 27,3 100 2001 136 86 1.584 95 356 87 23,7 87 2006 136 86 1.524 91 352 86 21,0 77 2012 130 82 1.532 92 333 81 18,2 67 <?page no="245"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 246 gegründeten Tageszeitung Financial Times Deutschland (FTD) Anfang Dezember 2012. Damit fällt eine weitere publizistische Einheit weg, was zu einem Auflagenrückgang von rund 100.000 Exemplaren führt. Die Einstellung der FTD nach knapp 13 Jahren ihres Erscheinens hat zu großer medialer Aufmerksamkeit geführt. Diese neben dem Handelsblatt (Düsseldorf ) zweite deutsche Tageszeitung mit Schwerpunkt Wirtschaftsberichterstattung wurde zu einem Zeitpunkt gegründet, als um die Jahrtausendwende (1999/ 2000) infolge überaus hohen Anzeigenaufkommens die Zeitungen (und auch andere Medien) einen ungewöhnlichen wirtschaftlichen Aufschwung erlebten (vgl. S. 236). Bei der Gründung der FTD in einem bereits damals doch recht gesättigten Zeitungsmarkt handelte es sich zweifellos um ein sehr ambitioniertes Projekt, allerdings auch um ein Prestigeprojekt. Damals kam es übrigens auch im Zeitschriftenbereich zur Gründung von Wirtschaftstiteln, von denen später viele jedoch wieder eingestellt wurden. Ein Aus drohte auch der Frankfurter Rundschau (FR), die im Spätherbst 2012 Insolvenz anmeldete, aber zunächst bis Ende Februar 2013 weiter geführt wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Traditionsblatt FR vom Verlag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und ihrem Schwesterverlag Frankfurter Societät aufgekauft (vgl. epd medien 2013a, S. 1). Die FR soll »in einer unabhängigen Verlags- und Redaktionsgemeinschaft weitergeführt« werden (ebd.). Auch die linksliberale Ausrichtung der Zeitung soll erhalten bleiben, das künftige überregionale Konzept wird noch erarbeitet (vgl. ebd.). Die Fusion von FAZ und FR wurde durch das Bundeskartellamt »als sog. Sanierungsfusion genehmigt. Insgesamt gut 420 der 450 FR-Beschäftigten im Haupthaus und in den Tochterfirmen verlieren ihren Arbeitsplatz« (ebd.), künftig sollen jedoch Angaben des neuen Chefredakteurs zufolge bis zu 100 Journalisten »hauptberuflich für die FR arbeiten« (epd medien 2013a, S. 2). An der nun neuen Frankfurter Rundschau GmbH hält der FAZ-Verlag 35 Prozent, die Frankfurter Societät 55 Prozent, der Rest von zehn Prozent verbleibt bei der Karl-Gerold-Stiftung. Diese war bis 2004 Alleineigentümerin, ehe die Deutsche Druck- und Verlags-GmbH & Co KG (ddvg), eine Medienholding der SPD, 90 Prozent erwarb und damit auch die damaligen Schulden der FR übernahm. 2006 wurde sie mehrheitlich von der Kölner Verlagsgruppe M. DuMont Schauberg erworben (vgl. Pürer/ Raabe 2007, S. 396), die im Herbst 2012 für das Blatt Insolvenz anmeldete. Im 4. Quartal 2012 hatte die FR laut IVW eine Auflage von 105.000 verkauften Exemplaren. Mit vier lokalen Anbietern - FAZ, Frankfurter Neue Presse, Bild (Ausgabe Frankfurt) und FR - ist das Wettbewerbsumfeld in Frankfurt groß. Auch wenn nun mit den neuen Eigentümern finanzkräftige Verlage hinter der FR stehen, bleibt vorerst abzuwarten, ob dieser Zeitung eine gute Zukunft beschieden sein wird. Eine kritische Betrachtung über die zurückliegenden Jahrzehnte der FR stammt von Uwe Vorkötter, dem letzten Chefredakteur der FR vor deren Übernahme durch FAZ und Societätsverlag (Vorkötter 2012). Verlags- und Auflagenkonzentration 2012 Eine Momentaufnahme der Tagespresse in Deutschland liefert auch Horst Röper in einem Beitrag zur Konzentration der Tagespresse im 1. Quartal 2012 (Röper 2012a). Sein Vorgehen zur Ermittlung der Konzentration wird dabei ausführlich erläutert (Röper 2012a, S. 272), aus Platzgründen kann es hier nicht dargelegt werden. Die methodische Vorgehensweise ist, dies sei erwähnt, »gegenüber früheren Studien unverändert geblieben« (ebd.). Durch konkrete Hinweise auf Veränderungen in den jeweiligen Verlagsstrukturen (Verkäufe, Beteiligungen) im Text Röpers sowie durch Vergleichszahlen aus früheren Studien in den Tabellen seines Beitrags gewinnen die ermittelten Daten an Aussagekraft. Hauptergebnisse: »Deutlich mehr als die Hälfte aller Zeitungsexemplare, nämlich 59,1 Prozent, stammen 2012 aus den zehn führenden Verlagsgruppen. Das ist der höchste in dieser seit den 1970er- Jahren durchgeführten Untersuchungsreihe je erreichte Wert. 2010 waren es 58,1 Prozent, 2008 58,5 <?page no="246"?> 4.3 Medienforschung 247 Prozent (vgl. ebd.). Die fünf auflagenstärksten Unternehmen drucken 44,4 Prozent der verkauften Tageszeitungsauflage, 2010 waren es noch 43,7 Prozent (vgl. ebd.). Differenziert nach Abonnement- und Boulevardzeitungen ergibt sich folgendes Bild: »Bei den Abonnementzeitungen entstammt ein gutes Drittel der verkauften Auflage den fünf führenden Verlagsgruppen (34,3 %)« (ebd.; Hervorhebung H. P.). Das entspricht einer Erhöhung des Konzentrationsgrades gegenüber dem Jahr 2010 um zwei Prozentpunkte. Im Segment der Boulevardbzw. Kaufzeitungen ist die Konzentration am stärksten: »Hier dominiert seit Jahrzehnten der Springer-Konzern. Trotz sinkender Auflagen seines Flaggschiffs Bild entfallen auch 2012 noch mehr als drei Viertel der Verkaufsauflage von Springer. Insgesamt decken die Top-5-Verlage im Segment Kaufzeitungen 97,2 Prozent der Verkaufsauflage« (ebd.). Zu den zehn größten Verlagshäusern Deutschlands gehören nach Röper im 1. Quartal 2012 (wobei in Tabelle 9 nur Anteile am Gesamtmarkt dargestellt werden, und nicht weiter differenziert nach Anteilen am Markt der Abonnement- und Boulevardzeitungen, wie Röper dies detailliert ausführt): Abb. 9: Die 10 größten deutschen Tageszeitungsverlage (Stand: Frühjahr 2012) Multimediale lokale Anbieter und Angebotsstrukturen 2012 Wie erwähnt, haben sich Deutschlands Tageszeitungsverlage längst zu Medienhäusern mit Engagements auf anderen Medienfeldern entwickelt. Von Horst Röper stammt eine 2012 erarbeitete Studie über »Multimediale Anbieter- und Angebotsstrukturen auf lokaler Ebene« (Röper 2012b). Es handelt sich um eine Erhebung in 49 Medienregionen Deutschlands, in denen 73 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung leben. Einbezogen waren sechs Medientypen: lokale und regionale Abo- und Boulevardzeitungen; lokale/ regionale Zeitschriften; Anzeigenblätter; lokales/ regionales Fernsehen; lokaler/ regionaler Hörfunk; lokale/ regionale Internetangebote (Röper 2012b, S. 648; dort im Weiteren auch Angaben zur Bildung der Medienregionen und untersuchten Medien). Es ist aus Platz- Verlagsgruppe Anteil am Gesamtmarkt (in Prozent) 1. Springer 18,8 2. Verlagsgruppe Stuttgarter Zeitung/ Die Rheinpfalz/ Südwestpresse 9,2 9,2 3. Verlagsgruppe WAZ/ Funke (Essen) 5,7 4. Mediengruppe M. DuMont Schauberg 5,5 5. Verlagsgesellschaft Madsack (Hannover) 5,2 6. Verlagsgruppe Ippen 4,2 7. Deutsche Druck- und Verlagsges. (Hamburg) 3,1 8. Verlagsgruppe Augsburger Allgemeine 2,8 9. Verlagsgruppe Frankfurter Allgemeine Zeitung 2,5 10. Rheinische Post Verlagsgesellschaft (Düsseldorf ) 2,0 Summe 59,0 (Röper, Horst (2012a): Zeitungsmarkt 2012: Konzentration erreicht Höchstwert. Daten zur Konzentration der Tagespresse in der Bundesrepublik Deutschland. In: Media Perspektiven 5/ 2012, S. 272-285. Dort finden sich genaue Hinweise darauf, welche Tageszeitungen den erwähnten Verlagen zuzuordnen sind.) <?page no="247"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 248 gründen nicht möglich, hier detailliert auf die Ergebnisse der Untersuchung einzugehen. Röper selbst hält zusammenfassend fest, »dass Zeitungsunternehmen durchschnittlich bei 4,6 der sechs untersuchten Medientypen aktiv waren. Im Durchschnitt waren sie an 7,9 Onlineportalen beteiligt, wobei kein einziges Zeitungsunternehmen auf Onlineportale verzichtete. Nur zwei der in den jeweiligen Medienregionen führenden Zeitungsunternehmen engagierten sich nicht bei Anzeigenblättern. […]. 37 der 49 führenden Zeitungshäuser hielten Beteiligungen am privaten Hörfunk oder Fernsehen. Der Markt der lokalen oder regionalen Zeitschriften (z. B. Publikationen mit Veranstaltungskalendern) zählt nicht zu den prioritären Feldern für Diversifikation. 26 der führenden Zeitungsunternehmen gaben entweder selbst derartige Periodika heraus oder waren an solchen beteiligt« (Röper 2012b, S. 672). Problemzonen der Tageszeitungen Wie aus den bisherigen Ausführungen zur Lage der Tageszeitungen in Deutschland teils bereits zu entnehmen war (und wie im Abschnitt über die Finanzierung der Printmedien ebenfalls ausgeführt wird - vgl. S. Kap. 4.3.5.4), befinden sich die Tageszeitungen in Deutschland seit mehr als zehn Jahren in einer schwierigen Situation. Auf der »Haben-Seite« steht zwar, dass Deutschland nach wie vor ein zeitungsreiches Land ist und die Tageszeitungen eine beachtliche regionale Tiefengliederung aufweisen, mit immer noch guter lokaler Verankerung. Außerdem sind Printorgane in Deutschland, wie Markus Behmer mit Hinweis auf empirische Studien (Weischenberg et al. 2006; Meyen/ Riesmeyer 2009) ausführt, die wichtigsten Leitmedien für Journalisten (Behmer 2012, S. 221); und die erfolgreichsten journalistischen Onlineplattformen in Deutschland werden von deutschen Printmedienhäusern betrieben (Behmer 2012, S. 223). Auch sind es die Printmedien, die oft Themen und Tendenzen der Berichterstattung bestimmen (Behmer 2012, S. 222 mit konkreten Beispielen). Die große Bedeutung der Lokalberichterstattung der Tageszeitungen für die Leser wird durch Umfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) seit Jahrzehnten empirisch auch nachgewiesen (vgl. Zeitungen 2010/ 11, S. 418); für das Gesamtsystem des Journalismus, so Horst Röper, ist die Lokalberichterstattung das Leitmedium, das (wie bereits erwähnt) die Themenfindung anderer Medien, insbesondere des Hörfunks und des Fernsehens, speist (vgl. Röper 2010, S. 220). Die Tageszeitungen versorgen uns täglich mit einer großen Vielfalt an Inhalten, die sorgfältig sortiert und gebündelt sowie nach Ressorts und Rubriken gegliedert sind und uns als »Überblicksmedium im Meer der Spezialisierung gelten« können (Pürer/ Raabe 2007, S. 472 mit Bezugnahme auf Schönbach 2003). Tageszeitungen, so Klaus Schönbach, seien Marken für die Meinungsbildung und verlässliche Gefährten des Alltags, die uns dabei helfen, uns in einer komplizierten Welt zurechtzufinden. Um ein solches Medium müsse einem »nicht bange« sein (vgl. Schönbach 2003, S. 135). Und doch scheint es Vielen um das Medium Tageszeitung - nicht zu Unrecht - bange zu sein, selbst um die »Leuchttürme« der Qualitätsmedien und des Qualitätsjournalismus wird gefürchtet (vgl. u. a. Blum et al. 2011; Meier W. A. et al. 2012). Man muss nicht unbedingt in das sich seit einem halben Jahrzehnt ausbreitende, bisweilen laute Krisengejammer (um nicht zu sagen: Krisengeschrei) der Branche selbst und teils auch der Wissenschaft einstimmen. (Hannes Haas warnt vor »voreiligen Nachrufen« - vgl. Haas 2010). Gleichwohl sind die gegenwärtigen Probleme der Tageszeitungen nicht zu übersehen: rückläufige Auflagen, rückläufige Reichweiten, rückläufige Gesamterlöse (bzw. Werbeerlöse), die unübersehbare Konkurrenz des Internets und der Onlinemedien: • So ist die (Verkaufs-)Auflage der Tageszeitungen von 2001 bis 2011 von 23,8 Mio. Exemplaren auf 18,8 Mio. Exemplare gesunken (vgl. Zeitungen 2011/ 12, S. 500) - innerhalb von zehn Jahren ein Minus von 5 Mio. Exemplaren. Von diesen Verlusten waren die verschiedenen Zeitungstypen - <?page no="248"?> 4.3 Medienforschung 249 überregionale Abo-Zeitungen, regionale/ lokale Abo-Zeitungen, Boulevard-/ Straßenverkaufszeitungen - in unterschiedlicher Weise betroffen (vgl. w. o.). • Die Reichweite der Tageszeitungen ist innerhalb desselben Zeitraumes von 78 auf 68,4 Prozent zurückgegangen. Die stärksten Rückgänge waren bzw. sind bei den jungen Lesergruppen zu verzeichnen: bei den 14bis 19-Jährigen von 55 auf 39,6 Prozent, bei den 20bis 29-Jährigen von 66 auf 50,5 Prozent (vgl. Zeitungen 2011/ 12, S. 109). Diese jüngeren Leserschichten sind (in einem weiten Sinn des Wortes) stark internetorientiert bzw. -affin. • Die Gesamterlöse aller Zeitungen sind seit dem Jahr 2000 beträchtlich geschrumpft: Damals lagen sie noch bei fast 10,8 Mrd. Euro, zehn Jahre später erreichten sie »nur noch 8,5 Mrd. Euro« (Lobigs 2013, S. 65). »[Z]wischen dem Rekordjahr 2000 und 2010 ist der Werbemarkt der Zeitungen […] um mehr als 40 Prozent von einem Umsatz von rund 6,9 auf etwa 3,85 Mrd. Euro eingebrochen […]; im Jahr 2011 lag der Umsatz mit knapp 3,6 Mrd. Euro gerade einmal auf dem Niveau von 1988« (ebd., mit Bezugnahme auf Röper 2010). • Das Erlösverhältnis der Tageszeitungen aus Vertrieb (Abo-, Einzelverkauf ) und Werbung unterliegt einem Wandel: Betrug das Verhältnis der Erlöse der Tageszeitungen aus Werbung (inkl. Beilagentransport) zu Vertrieb im Jahr 2000 noch 64,5 zu 35,5 Prozent, so betrug das Verhältnis Werbung zu Vertrieb im Jahr 2010 rund 48 zu rund 52 Prozent (vgl. ebd.). Den Tageszeitungen sind v. a. im Bereich der Rubrikenanzeigen (Arbeitsmarkt/ Stellenmarkt, Immobilien, Kraftfahrzeuge) Erlöse weggebrochenen, ins Internet abgewanderte Erlöse können durch die mittlerweile neu erschlossenen Erlösquellen (Zusatzprodukte wie CDs, DVDs, Buchreihen etc.; Postzeitungsdienst; Paid Content) bei weitem nicht kompensiert werden. Und dies wahrscheinlich für noch lange Zeit nicht. • Die ökonomische Position der Zeitungen hat sich »durch Verluste auf dem Leser- und dem daran gekoppelten Werbemarkt irreversibel verschlechtert, denn im Internet zerfällt das gedruckte Bündelprodukt Zeitung in seine verschiedenen Informations- und Unterhaltungsleistungen und ist damit auf jedem der Teilmärkte einem verschärften Wettbewerb mit jeweils anderen Akteuren ausgesetzt« (Kolo 2011, S. 259). Durch die Einbrüche bei den Werbeumsätzen wurde die Profitabilität des Zeitungsgeschäfts »deutlich reduziert« (Lobigs 2013, S. 65). Niemand könne bestreiten, so Lobigs, »dass die Verlagswirtschaft seit der Jahrtausendwende strukturell kontinuierlich an Finanzkraft einbüßt«, und es sei auch nicht ersichtlich, »warum sich der krisenhafte Trend nicht auch künftig weiter fortsetzen sollte« (Lobigs 2013, S. 65f ). Konsequenzen dieser Entwicklung sind weitreichende Sparmaßnahmen, die auch vor den Zeitungsredaktionen nicht haltmachen, selbst vor »Redaktionen mit hoher Qualitätsreputation« nicht (Lobigs 2013, S. 66). So ist durch Entlassungen und durch den Wegfall von Stellen zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2011 »die Anzahl der bei deutschen Tages- und Wochenzeitungen beschäftigten Redakteure um rund 2.300 bzw. um 15 Prozent auf rund 13.000 gefallen« (Lobigs 2013 mit Bezugnahme auf Keller 2011, S. 100 sowie Röper 2012a, S. 269f ). Angesichts weiterer Entlassungen in deutschen Zeitungsredaktionen 2012 sprach die Bundesagentur für Arbeit von der »größten Entlassungswelle in der deutschen Zeitungsbranche seit 1949« (Bartl 2012, S. 1). Auf weitere Sparmaßnahmen wie Redaktionskooperationen, Ausgliederung von Redaktionen, Tarifflucht etc. wurde und wird an anderen Stellen hingewiesen. Hinzu kommt, dass die Refinanzierungspotenziale für journalistische Inhalte im Internet noch recht gering sind (vgl. Lobigs 2013, S. 67). Aus einer 2012 durchgeführten Studie des Marktforschungsinstituts mediareports Prognos (Freiburg) geht hervor, dass die Umsätze mit Paid Content »im deutschsprachigen Markt in den kommenden Jahren zwar deutlich wachsen«, das Wachstum jedoch »nicht ausreichen [werde], um die zukünftigen Rückgänge im Werbemarkt auszugleichen« <?page no="249"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 250 (Bezahlinhalte 2012, S. 2). Den Prognosen der Forscher zufolge werde Paid Content »im Jahr 2016 in Deutschland einen Anteil von acht Prozent an den Vertriebseinnahmen erreichen, in Österreich sieben Prozent, in der Schweiz elf Prozent« - wobei übrigens der weitaus größte Teil dieser Einnahmen, nämlich 90 Prozent, auf die Tablet-Zeitung entfällt (ebd.). Wie immer man zu solchen Prognosen stehen mag: Man wird nicht gänzlich falsch liegen, daraus zu folgern, dass die meisten Zeitungen ihre Onlineableger weiterhin »mit den ohnehin schwindenden Überschüssen aus dem klassischen Zeitungsgeschäft querfinanzieren [müssen], um die im Internet auftretenden negativen Deckungsbeiträge auszugleichen« (Lobigs 2013, S. 67f ). Auch sind vermutlich Befürchtungen nicht gänzlich von der Hand zu weisen, dass angesichts der schwierigen Finanzierungbedingungen der Printmedien und der personellen Ausdünnung von Redaktionen auch die Qualität des Journalismus leidet und damit möglicherweise auch dessen unverzichtbare Leistungen für die Demokratie (vgl. Lobigs 2013; vgl. Behmer 2012, S. 227). Diese schwierige Lage der Printmedien und damit auch des Printjournalismus ist de facto seit Jahren bekannt. Sie hat in Kommunikationswissenschaft wie Medienpraxis zu teils durchaus kontroversen Diskussionen geführt - insbesondere auch mit Blick auf die Onlinemedien und deren Herausforderungen für den Journalismus (u. a. Weichert et al. 2009, 2010; Jarren 2010; Weischenberg 2010; Hummel 2012; di Lorenzo 2012; Hammann 2012; Medien im Umbruch 2012; Schirrmacher 2012). Ebenso wurden Überlegungen angestellt, welche alternativen bzw. ergänzenden Möglichkeiten und Formen der Finanzierung des Printjournalismus es neben seiner traditionellen Finanzierung über den Markt (durch Leser und Anzeigen) gibt. Im Wesentlichen kann man auf folgende (nicht zwingend überzeugende) Modelle bzw. Wege verweisen: staatliche Förderungen, privat finanzierte Stiftungsmodelle, Finanzierung durch die Öffentlichkeit: Staatliche Förderungen: Bei Fördermaßnahmen für die Presse durch den Staat ist zu unterscheiden zwischen indirekten und direkten Subventionen sowie zwischen allgemeinen und selektiven (vgl. Holtz-Bacha 1994, S. 444-445; Holtz-Bacha 2012, S. 188). Eher unproblematisch sind in demokratischen Systemen in aller Regel indirekte Förderungen der Zeitungen z. B. etwa: durch ermäßigte Mehrwertsteuersätze auf Vertriebserlöse; durch ermäßigte Tarife für Telekommunikationskosten oder auch für die Zustellung der Zeitungen durch die Post (was für entlegene Gebiete besonders wichtig ist); durch Anzeigenschaltungen der Regierung, von Ministerien oder öffentlich finanzierten Einrichtungen für Zwecke, die dem gesellschaftlichen Gemeinwohl dienen sollen (wie z. B. Gesundheitskampagnen) u. v. a. m. Einen kompakten Überblick über direkte und indirekte Presseförderungsmaßnahmen in Europa vermitteln Weichert/ Kramp (2009a, S. 49f ), die zwischen elf »hauptsächlichen Hilfsmaßnahmen unterscheiden« (ebd.). Die selektiven Maßnahmen »beziehen sich nur auf bestimmte, nach spezifischen Kategorien ausgewählte Presseobjekte« (Holtz-Bacha 2012, S. 188). Nicht so unproblematisch dagegen können direkte finanzielle Zuwendungen des Staates an Zeitungen sein, wie es sie in zahlreichen Ländern Europas in Form der direkten Presseförderung gibt. Die Modelle sind dabei recht unterschiedlich angelegt (vgl. Weichert/ Kramp 2009a, S. 44f, insbesondere S. 42f, Tab. 1). Bezüglich direkter Presseförderungsmaßnahmen nahm nach Schweden u. a. Österreich eine Vorreiterrolle ein, wo es eine direkte staatliche Presseförderung seit 1975 gibt. Der Förderungsmodus unterlag mehrmaligen Änderungen, derzeit (2012) gibt es ein Drei-Säulen-Modell (Holtz-Bacha 2012, S. 193ff): 1) die Vertriebsförderung für alle Tages- und Wochenzeitungen; 2) die besondere Förderung zum Erhalt der regionalen Vielfalt auf dem Tageszeitungsmarkt; sowie 3) die Qualitätsförderung und Zukunftssicherung, die der Förderung der Journalistenausbildung, dem Einsatz von Auslandskorrespondenten sowie Forschungsprojekten auf dem Gebiet des Pressewesens dient. Eine Presseförderungskommission - sechs Mitglieder, davon je zwei aus dem Verband Österreichischer Zeitungen, aus der Journalistengewerkschaft sowie aus dem Bundeskanzleramt - berät die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) für die Verteilung der für die Presseförderung <?page no="250"?> 4.3 Medienforschung 251 vorgesehenen finanziellen Mittel an die Zeitungen. (Die KommAustria, dies nebenbei, nimmt primär Regulierungsaufgaben im Telekommunikations- und Rundfunksektor wahr). Maßnahmen direkter Presseförderung sind nicht unumstritten, zumal nicht von der Hand zu weisen ist, »dass staatliche Subventionen für die Medien Abhängigkeiten nach sich ziehen können« (Holtz-Bacha 2012, S. 197). In Deutschland gibt es keine direkte Presseförderung. Die Zeitungsverlage lehnen direkte staatliche Hilfen ab, weil sie »den Verlust ihrer Unabhängigkeit gegenüber dem Staat [fürchten]« (ebd.). Aus einer 2008 durchgeführten Befragung von Medienexperten aus Medienforschung, -praxis und -politik geht hervor, dass eine große Mehrheit (über zwei Drittel) eine staatliche Förderung des Pressemarktes bedenklich findet und »insgesamt […] Skepsis gegenüber staatlicher Förderung der Pressebranche [überwiegt]« (Weichert/ Kramp 2009a, S. 44-47, hier S. 47). Privat finanzierte Stiftungsmodelle: Privat finanzierte Spenden- und Stiftungsmodelle sind u. a. aus den USA bekannt. Bei solchen, teils auch in Europa vorfindbaren Modellen »kann zwischen Stiftungsfinanzierung und individuellen Spenden unterschieden werden« (Puppis/ Künzler 2011, S.-4). Sie verschreiben sich in aller Regel der finanziellen Förderung der Qualität im Journalismus anhand konkreter Projekte wie etwa der Förderung eines qualitativ hochwertigen Lokaljournalismus, des investigativen Journalismus oder z. B. auch des Gesundheitsjournalismus. Einen differenzierten Einblick in die »Finanzierung journalistischer Aktivitäten durch gemeinnützige Organisationen in den USA« vermittelt eine 2011 an der Universität Dortmund erarbeitete Studie (Friedland/ Konieczna 2011; siehe auch Weichert/ Kramp 2009a, S. 67ff). Stephan Weichert und Leif Kramp vermitteln neben ebenfalls US-amerikanischen Projekten einen Überblick über »Gemeinnützige Initiativen zur Förderung des Qualitätsjournalismus in Europa« (Weichert/ Kramp 2009a, S. 70f ). Für Deutschland kann man u. a. auf die Fazit-Stiftung verweisen, die »seit Jahrzehnten die finanzielle und redaktionelle Unabhängigkeit der Frankfurter Allgemeinen [verteidigt]« (Weichert/ Kramp 2009b, S. 3). Manuel Puppis und Matthias Künzler weisen darauf hin, dass sich »Stiftungen meist nur als Anstoßgeber [verstehen], womit die Nachhaltigkeit ihrer Engagements fraglich ist. Weiter bleiben die Absichten, die hinter stiftungsfinanziertem Journalismus stehen, meist intransparent« (Puppis/ Künzler 2011, S. 4). Zu bedenken ist ferner, »dass Zuwendungen zu Medienorganisationen auch dazu verleiten könnten, selbst weniger in Journalismus zu investieren und sich auf Stiftungen zu verlassen« (ebd.). Auf Dauer, meint Lobigs, »lässt sich der Journalismus einer Gesellschaft nicht nur auf mäzenatische Stiftungen und Organisationen gründen« (Lobigs 2013, S. 69). Finanzierung durch die Öffentlichkeit: Ein Vorschlag, den Journalismus künftig durch die Öffentlichkeit zu finanzieren, stammt von der Medienökonomin Marie Luise Kiefer (2011a, 2011b). In ihrem Aufsatz »Die schwierige Finanzierung des Journalismus« (Kiefer 2011a) schlägt sie einen dritten Weg zwischen den bestehenden Alternativen privatwirtschaftlicher und öffentlich-rechtlicher Natur vor (vgl. auch Kap. 4.3.5.4). Ihre Suche nach diesem Weg »erfolgt in mehreren Schritten«, die Kiefer selbst zusammenfassend wie folgt beschreibt (Kiefer 2011a, S. 5): »Voraussetzung einer medienunabhängigen Journalismusfinanzierung ist die Unterscheidung von Journalismus und Medien, die mit institutionentheoretischen Ansätzen erfolgt und Journalismus als die demokratietheoretisch fundamentale Institution ausweist. Eine öffentliche Finanzierung dieser Institution […] setzt deren Formalisierung und staatsferne soziale Organisation voraus. Den Weg dorthin weist die institutionenökonomische Theorie der Commons als Selbstorganisation, das konkrete Modell dafür liefert das soziologische Professionskonzept als eine Form der Commons. Der Staat ist vor allem in der Rolle des Ermöglichers der skizzierten Selbstorganisationsprozesse des Journalismus gefordert, die notwendige Definitions- und Abgrenzungsarbeit ist von Journalismustheorie und -praxis zu leisten. Die mit dem Kollektivgutcharakter journalistischer Dienstleistung begründbare öffentliche Finanzierung wird als eine vom Staat zu organisierende Finanzierung aus verschiedenen Quellen entwickelt« (Kiefer 2011a, S. 5). Das Finanzierungsmodell wird von seiner Verfasserin im Einzelnen erklärt. Um es zu verste- <?page no="251"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 252 hen, ist die Lektüre des Beitrags von Kiefer (2011a) unabdingbar. Der Finanzierungvorschlag ist von (teils harscher) Kritik nicht verschont geblieben (vgl. Ruß-Mohl 2011, Stöber 2011), in einer Replik versucht Kiefer (2011b), diese Kritik zu entkräften. Der Medienökonom Frank Lobigs (Lobigs 2013) hat »Sympathien« für den Vorschlag, bezeichnet ihn jedoch »als politisch/ juristisch chancenlos und damit leider unrealistisch« (Lobigs 2013, S. 69). Die hier nur kurz erörterten, alternativen Formen der Finanzierung von Printmedien stellen de facto keine Alternativen dar, die Printmedien finanziell langfristig abzusichern. Somit stellt sich den Verlagen die Aufgabe, bestehende Finanzierungsformen durch neue, insbesondere auf den Onlinebereich zugeschnittene zu ergänzen, was teils ja bereits der Fall ist. Im Prinzip sind die Gegebenheiten nicht schlecht. Verlage bedienen mehrere Ausspielwege zugleich (Print, E-Paper, Online/ Webportale, Apps bzw. Mobile-Angebote), folglich erzielen sie insgesamt hohe Reichweiten. Das Businessmodell der Verlage, so Christian Meier, dürfe nicht mehr nur »der Verkauf von Print [sein], sondern der Verkauf von Reichweite über mehrere Kanäle hinweg« (Meier 2012, S. 29). An »althergebrachten Reichweitenmodellen wie der Media-Analyse (MA) lasse sich die Stellung der Gattung derweil nicht mehr ablesen« (ebd.). Das Printgeschäft, »so ertragreich es trotz aller Probleme im Vergleich zu anderen Bereichen noch sein mag, [sei] kein Wachstumsbereich mehr« (Meier 2012, S. 33). Die neue Portfolio-Strategie müsse eine sein, »die auf eine Fülle zielgruppen-orientierter Produkte setzt« (ebd.). Dies scheint insbesondere für digital übermittelte Inhalte zu gelten. Damit Nutzer bereit sind, für digitale Inhalte zu bezahlen, müssen sie einen Mehrwert in den Angeboten wahrnehmen, also erkennen können, dass es sich dabei um »einzigartige Qualitätsinhalte [handelt], die anderswo im Netz so nicht erhältlich sind« (Kansky 2012, S. 156). Ein klar abgegrenztes Profil steigert auch den Wiedererkennungswert (ebd.). Über den Erfolg einer Applikation entscheiden drei Elemente: die angebotenen Inhalte, deren Gestaltung und Usability. App-Angebote »müssen nicht unbedingt eine Tageszeitung nachbilden. Sie können sich auf ein einziges Thema fokussieren. Immer mehr Verlage setzen bei den Smartphone-Apps auf sog. »Verticals« (Kansky 2012, S. 158f ). Das sind »Applikationen, die sich an bestimmte Zielgruppen richten und thematisch oder regional ausgerichtet sind« (Kansky 2012, S.- 159). Aus einer 2012 durchgeführten Tablet-Nutzerstudie des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) gehe hervor, dass die Leser selber bestimmen möchten, »wo, wann und in welcher Form sie Zeitungsinhalte konsumieren: 82 Prozent der Befragten wünschen sich neben einem reinen Tablet-Angebot ein kombiniertes Abonnement aus Print und App« (Kansky 2012, S.-159f ). Immer mehr Verlage würden auf diesen Trend reagieren und Abos »nach dem All-Access- Modell an[bieten]« (Kansky 2012, S. 160). Der Einsatz von Social Media, so die erwähnte Studie, sei für die meisten Zeitungen gleichsam Pflichtaufgabe. »Das Gros der Aktivitäten konzentriert sich auf die Präsenz in externen Netzwerken wie Facebook und Twitter« (Kansky 2012, S. 162). Die sozialen Netzwerke eröffnen nicht nur inhaltliche Möglichkeiten, sondern auch neue Möglichkeiten der Anzeigenvermarktung: »So können Verlage ihre Umsätze erhöhen, indem sie den Werbekunden Social-Media-Lösungen mitverkaufen. Lokale Inserenten sind mit Social Media häufig überfordert oder haben wenig Zeit, um sich mit vielfältigen Optionen des digitalen Marketings auseinanderzusetzen« (Kansky 2012, S. 163). Die Verlagsbranche sollte laut Kansky die zunehmende Digitalisierung »nicht als Bedrohung, sondern als Chance« begreifen (ebd.). »Die digitalen Märkte eröffnen weitreichende neue Kanäle für die Zeitungsmarken, ermöglichen die Interaktion mit den Nutzern und unterstützen die Diversifizierung des Geschäftsmodells. Alle diese Entwicklungen stärken die Medienmarken inhaltlich und kommerziell« (Kansky 2012, S. 164). Große Verlagshäuser erwirtschaften mit dem digitalen Geschäft durchaus beachtliche Erlöse. Dazu zwei Beispiele: So machte beim Axel Springer Verlag im Jahr 2012 bei einem Gesamtumsatz von 3,3 Mrd. Euro der Umsatzanteil des digitalen Geschäfts 1,17 Mrd. Euro, also gut ein Drittel aus, wobei hier neben digitalen Medien auch Erlöse aus den Rubrikenportalen <?page no="252"?> 4.3 Medienforschung 253 Immonet (Immobilien) und Stepstone (Jobbörse) sowie Onlinemarketing (Zanox) berücksichtigt sind (Digitalgeschäft Springer 2013, S. 1). Damit »übertrafen die Erlöse der digitalen Medien erstmals die aus jedem anderen Geschäftsbereich« - und damit auch die Erlöse der inländischen Zeitungen als lange Zeit umsatzstärkster Geschäftsbereich des Konzerns (Digitalgeschäft Springer 2013). Die US-amerikanische New York Times gehörte zu den ersten Tageszeitungen, die ein Bezahlmodell für digitale Inhalte einführte. Im letzten Quartal 2012 verzeichnete sie 640.000 zahlende Onlineleser. Im Geschäftsjahr 2012 hat das starke Onlinegeschäft dazu beigetragen, »dass die NYT […] erstmals höhere Erlöse aus dem Verkauf von Print- und Onlineabos als mit Anzeigengeschäft generiert habe« (BDZV intern 2013a, S. 10). Zur Lage des Zeitschriftenwesens Dieser Überblick über das bundesdeutsche Pressewesen konzentrierte sich, wie erwähnt, auf die Tagespresse. Daneben gibt es Wochenzeitungen, wöchentlich erscheinende (den Tageszeitungen beigefügte) TV-Supplements, (politische) Magazine, den vielfältig ausgeprägten Bereich der Zeitschriften (mit den Gruppen der Publikumszeitschriften, der Fachzeitschriften, der Special-Interest- Zeitschriften, der Verbands- und Vereinszeitschriften, der Kunden- und Betriebszeitschriften, der Amtspublizistik sowie der Alternativen Zeitschriften) sowie nicht zuletzt (mehrheitlich wöchentlich erscheinende) Anzeigenblätter. Der Zeitschriftenbereich erweist sich immer wieder als recht unübersichtlich: Es gibt keine wirklich verlässlichen Zahlen über die in Deutschland vorhandenen Zeitschriften; Schätzungen gehen von rund 20.000 Titeln aus (Meyn/ Tonnemacher 2012, S. 88). Auf diesem Markt herrscht ein permanentes Kommen und Gehen, sodass es sich als schwierig erweist, verlässliche Statistiken zu erstellen. Noch am ehesten besteht Klarheit über den Markt der Publikumszeitschriften, über den der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) jährlich Markteintritts- und Marktaustrittszahlen ermittelt und bekannt gibt. Zu den Publikumszeitschriften gehören die klassischen Illustrierten ebenso wie etwa die sog. Regenbogenpresse oder die (TV-)Programmzeitschriften. Die Publikumszeitschriften zählen nach der Tagespresse und vor den Fachzeitschriften zu den umsatzstärksten Pressegattungen in Deutschland. Ihre Gesamtzahl hat sich seit 1975 (340 Titel) bis 2012 (über 1.500 Titel) beträchtlich erhöht (epd medien 2012a), umgekehrt ist die Auflage der Publikumszeitschriften insgesamt aber »von rund 124 Mio. verkauften Exemplaren im Jahr 2000 auf rund 110 Mio. Exemplare im Jahr 2010« zurückgegangen (Lobigs 2013, S. 66). Dies entspricht »einem Rückgang von fast 13 Prozent« (ebd.). 2012 erwirtschafteten die Zeitschriftenverlage laut Angaben des VDZ 68 Prozent des Umsatzes mit dem Printgeschäft, 14 Prozent aus dem Digitalgeschäft und 18 Prozent aus sonstigen Geschäften wie etwa elektronischer Handel (epd medien 2013b, S. 4). Bezahlmodelle werden als sinnvoll erachtet, können aber die Rückgänge im Vertriebmarkt Print »nicht ersetzen. […] Als Treiber für die Bezahlinhalte sehen 75 Prozent der Verlage Angebote für Smartphones und Tablets«, große »Chancen für Wachstum sehen 63 Prozent der Verlage bei digitalen Angeboten für ausgewählte Zielgruppen und Themen« (ebd.). Die erfolgreichsten Verlage sind (nach wie vor) der Bauer-Verlag (Hamburg), der Burda-Verlag (München, Offenburg und Berlin), der Springer-Verlag (Berlin, Hamburg), der Verlag Gruner+Jahr (Hamburg) sowie die WAZ-Mediengruppe (Essen). Der Marktanteil dieser fünf Verlage am Markt der Publikumszeitschriften beträgt gegenwärtig (2012) zusammen 63,6 Prozent (vgl. Vogel 2012a, S. 319). Für die in hohem Maße im Einzelverkauf erworbenen Publikumszeitschriften ist das Pressegrosso »die zentrale Säule des Pressevertiebs« (Scherzer 2012, S. 11). Das Pressegrosso sichert »einen diskriminierungsfreien Zugang insbesondere auch von Titeln kleinerer Verlage und von Titeln mit kleinerer Auflage zum Lesermarkt« (ebd.). Das Gros der Zeitschriftenverlage ist auch online engagiert. Informationen über Online als Geschäfts- <?page no="253"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 254 feld der Pressewirtschaft großer Verlage sind dem Beitrag von Andreas Vogel »Auf dem Weg zum zweiten Standbein? Online als Geschäftsfeld und Vertriebskanal der Pressewirtschaft« zu entnehmen (Vogel 2012b, S. 158-172). Auskunft über die Anzeigenblätter in Deutschland - 1.435 Titel, gemeinsame Auflage 94 Mio. Exemplare - erteilt der Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter (BVDA) unter www.bvda.de. Wissenschaftliche Veröffentlichungen über Vorgänge auf dem Markt der Publikumszeitschriften, über Konzentrationserscheinungen sowie über mediendiagonale Verflechtungen zwischen Presseverlagen, Rundfunkanstalten (Hörfunk wie Fernsehen) sowie Multimedia-Unternehmungen finden sich u. a. regelmäßig in der Zeitschrift Media Perspektiven, ebenso in der Fachzeitschrift Medien- Wirtschaft sowie teils auch in den FOCUS-Jahrbüchern. Mit Veränderungen der Medienlandschaft in jüngster Zeit und ihren Auswirkungen auf das Zeitschriftenwesen und ihre Käufer bzw. Leser befasst sich ein von Sven Dierks 2009 herausgegebener Sammelband (Dierks 2009). Aktuelle Daten über den Zeitschriftenmarkt (Fachzeitschriften, Publikumszeitschriften, konfessionelle Medien, digitale Medien) sind dem jährlich erscheinenden VDZ-Jahrbuch sowie (teils nur entgeltlich) dem Onlineauftritt des Verbandes Deutscher Zeitschriften (www.vdz.de) zu entnehmen. Mit der periodischen Presse - mit Zeitungen und Zeitschriften - befasst sich überblickshaft auch Klaus Beck in seiner 2012 vorgelegten Publikation »Das Mediensystem Deutschlands« (Beck 2012, S. 97-156). Einen trotz Titel-, Auflagen- und Erlöseinbußen erwähnenswerten Anteil am (Wochen-)Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt stellt die konfessionelle Presse dar. Auskunft über »Zustand und Zukunft katholischer Medien«, so der Titel einer wissenschaftlichen Untersuchung, erteilt Christian Klenk (Klenk 2013). Eine Bestandsaufnahme (mit Perspektiven) der evangelischen Publizistik stammt von Daniel Meier (2011). 4.3.5.2 Rundfunkwesen in Deutschland Die Geschichte des öffentlichen deutschen Rundfunkwesens reicht in die 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts zurück. Davor gab es bereits Rundfunk, allerdings nur für staatliche, militärische und z.T. auch wirtschaftliche Zwecke. Die Funkhoheit lag dem Reichstelegraphengesetz von 1892 zufolge beim Staat. Die Sende- und Empfangstechnik war bald nach der Jahrhundertwende (1904) so weit entwickelt, dass Rundfunk im Sinne von Radiotelegrafie probeweise betrieben werden konnte. Anfang der 1920er-Jahre wurde in zahlreichen europäischen Ländern, so auch in den deutschsprachigen, für die Öffentlichkeit gedachter Rundfunk (im Sinne von Hörfunk) in Betrieb genommen (vgl. Lerg 1965 und 1980). Die Entwicklung, Verbreitung und Ausdifferenzierung des deutschen Rundfunkwesens weist im Rückblick sieben größere (historische) Etappen auf, die im Folgenden skizziert werden sollen. Es sind dies: Die Errichtung und Entwicklung öffentlichen Rundfunks (1923-1932); Rundfunk im Nationalsozialismus (1933-1945); der Rundfunk der Besatzungsmächte (1945-1949); die Errichtung öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ab 1949); die Errichtung privaten Rundfunks und damit das Entstehen eines »dualen« Rundfunksystems (ab 1984); der Rundfunk nach Wende und Wiedervereinigung (ab 1990); sowie jüngere und aktuelle Entwicklungen. Wenn im Folgenden allgemein von Rundfunk die Rede ist, so sind damit - der einheitlichen Terminologie des Faches entsprechend - immer Radio und Fernsehen gemeint. Das Rundfunkwesen ist in der Bundesrepublik Deutschland ordnungspolitisch - dies ist wichtig - primär in der Kompetenz der Bundesländer, die daher auch die Gesetzgebung für das Rundfunkwesen wahrnehmen. Dazu gehören u. a. die Landesrundfunkgesetze (für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wie BR, SWR, HR etc.), die Landesmediengesetze (für den privaten Rundfunk in <?page no="254"?> 4.3 Medienforschung 255 den Bundesländern), Medienstaatsverträge (wie z. B. die Gründung des ZDF 1961 durch die Bundesländer) und insbesondere Rundfunkstaatsverträge. Letztere enthalten Bestimmungen sowohl für den öffentlich-rechtlichen wie auch für den privaten Rundfunk und gelten für alle 16 Bundesländer gleichermaßen. Derzeit (Jahreswende 2012/ 13) ist der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (15. RÄStV) in Kraft, am 16. RÄStV wird bereits gearbeitet (er soll 2014 in Kraft treten). Die Rundfunkstaatsverträge werden laufend aktuellen Entwicklungen gesellschaftlicher, kultureller, technischer und wirtschaftlicher Natur angepasst. In wichtigen Grundsatzfragen entscheidet auf Anruf durch Betroffene das Bundesverfassungsgericht. Auf mehrere dieser Urteile wird im Lauf der nachfolgenden Ausführungen noch Bezug genommen. Da die Bundesrepublik Deutschland der Europäischen Union (EU) angehört, sind außerdem Richtlinien, die die EU vorgibt - im Rundfunkbereich z. B. die Fernsehrichtlinie (1989 bzw. 1998) bzw. später die Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste (AVMD 2007/ 2010) - von allen EU-Mitgliedsstaaten aus Gründen der Harmonisierung in nationales Recht umzusetzen (vgl. Kap. 4.3.5.2, S. 274ff). Die (Teil-)Kompetenz der EU für Rundfunk ergibt sich aus einem 1974 ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), wonach das Kulturgut Rundfunk eine Dienstleistung ist und damit auch ein Wirtschaftsgut darstellt. Daher ist die EU in ihren Richtlinien um einen Ausgleich zwischen Rundfunk als Kulturgut und Rundfunk als Wirtschaftsgut bemüht (vgl. dazu Dörr/ Wiesner 2009). Da die für den Rundfunk in Deutschland zuständigen Bundesländer gegenüber der Europäischen Union nicht in der Lage sind, ihre Interessen selbst zu vertreten, ist es (dem 9. Rundfunkurteil vom 22. März 1995 zufolge) Aufgabe des Bundes, »als ›Sachwalter‹ der Interessen der Bundesländer« zu agieren »und diese nach außen gegenüber der EU« zu vertreten, ohne dass damit die Rundfunkkompetenz der Länder an den Bund übergeht« (Beck 2012, S. 221). Aus dieser Verantwortlichkeit erwachsen dem Bund »prozedurale Pflichten zu bundesstaatlicher Zusammenarbeit und Rücksichtnahme« (Stuiber 1998, Teil 1, S. 457). Zum Rundfunkbegriff Zunächst ein Hinweis auf den vielschichtigen, meist jedoch technisch verstandenen Rundfunkbegriff (vgl. Stuiber 1998, S. 21ff). Er unterlag im Laufe der (Fort-)Entwicklung des Rundfunks einem Wandel. Zunächst gab es nur den Hörfunk, dann kam das Fernsehen hinzu. Neben die terrestrische Ausstrahlung von Radio- und Fernsehprogrammen traten ab den 1970er/ 1980er-Jahren als Verbreitungswege auch Kabel- und Satellitentechnologie. Es folgten ab den 1990er-Jahren Elektronisierung und Digitalisierung, Multimedia und Onlinemedien. Der Rundfunkstaatsvertrag von 1991 definierte Rundfunk noch als »die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild unter Benutzung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder mittels eines Leiters. Der Begriff schließt Darbietungen ein, die verschlüsselt werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind, sowie Fernsehtext« (vgl. Stuiber 1998, Band 2, S.-32). Damit waren Videotext, Kabeltext, Kabelhörfunk und Kabelfernsehen mit eingeschlossen. Dem Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV) der Länder von 1997 zufolge (vgl. w. u.) haben für sog. Mediendienste wie Video-on-Demand, Teleshopping u. a. ähnliche Bestimmungen gegolten wie für den Rundfunk. Infolge der Digitalisierung, von der insbesondere auch das Rundfunkwesen betroffen ist, und damit entstandener neuer Telemedien-Angebote, wird nun zwischen Rundfunk und Telemedien unterschieden. Im seit 2009 geltenden 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄStV) ist Rundfunk »ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen. Der Begriff schließt Ange- <?page no="255"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 256 bote ein, die verschlüsselt verbreitet werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind« (12. RÄStV, abgedruckt in Media Perspektiven Dokumentation I/ 2009, S. 4). Telemedien werden von Rundfunk abgegrenzt: »Telemedien sind alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes sind, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen oder telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 des Telekommunikationsgesetzes oder Rundfunk nach Satz 1 und 2« (12. RÄStV, ebd.). Unter Telemedien versteht man z. B. (vgl. Seufert/ Gundlach 2012, S. 210): Pay-per-View-Programme, Teleshopping-Kanäle, Videoon-Demand-Angebote, Onlineangebote etwa von Zeitungen, Internetsuchmaschinen u. a. m. Rechtliche Bestimmungen für Telemedien liegen u. a. im Telemediengesetz (TMG) vor (vgl. Kap. 4.3.5.2, S. 283f ). Doch zurück zur Entwicklung des Rundfunkwesens in Deutschland seit seinen Anfängen. Öffentlicher Rundfunk - »Radio-Stunde AG« (1923) Die Vergabe einer ersten Konzession zur Eröffnung eines regelmäßigen öffentlichen Programmdienstes erfolgte in Deutschland 1923 an die »Radio-Stunde-AG« in Berlin. Sie eröffnete am 29. Oktober 1923 ihr Hörfunkprogramm und wurde im März 1924 in »Funk-Stunde AG« umbenannt. Hinter dieser Aktiengesellschaft stand einerseits eine Gesellschaft der Elektroindustrie (»Funk-Stunde AG«) sowie eine Aktiengesellschaft des Reichsministeriums (die »DRADAG« - Drahtloser Dienst AG für Buch und Presse). Die Gesellschaft war eine mehrheitlich staatliche Aktiengesellschaft, die Lizenzvergabe stellte gleichsam ein Präjudiz für quasi-öffentlich-rechtlichen Rundfunk dar, zumindest für Rundfunk unter staatlichem Geleit. Ab 1924 kam es in acht weiteren deutschen Städten - in Leipzig, München, Frankfurt, Hamburg, Stuttgart, Breslau, Königsberg und Münster (später Köln) - zur Gründung regionaler Rundfunkgesellschaften, und zwar durchaus mit privater Beteiligung, jedoch mit Aktienmehrheit für die Reichspost. 1925/ 26 schlossen sich die damals neun Sender in der Reichsrundfunkgesellschaft m.b.H. (RRG) zusammen. 1926 wurde die Erste Rundfunkordnung erlassen. Sie sah zwei Kontrollorgane vor, nämlich »Überwachungsausschüsse« und »Kulturbeiräte«. Es war dies ein erster Schritt zu einem Rundfunk in Staatsnähe, dem 1932 mit der Zweiten Rundfunkordnung eine noch nähere Bindung des Rundfunks an den Staat folgte. Das private Kapital der Rundfunkgesellschaften wurde von den jeweiligen Ländern übernommen (jeweils 49 Prozent), 51 Prozent verblieben bei der Reichspost. Die Reichsrundfunkgesellschaft als Dachorganisation wurde zum zentralen Betriebsunternehmen. Als Gremien für die staatliche Exekutive in der Reichsrundfunkgesellschaft wurden der Verwaltungsrat und der Programmbeirat geschaffen; und auch in den Regionalgesellschaften gab es staatliche Exekutivorgane. Die Reichsrundfunkgesellschaft erhielt einen eigenen, überregionalen Reichssender, den »Deutschlandsender«; ebenso wurde eine »Stunde der Reichsregierung« eingeführt. Mit der Zweiten Rundfunkordnung wurden für den Rundfunk also eine staatliche Aufsicht, eine zentrale Verwaltung sowie eine Programmkontrolle geschaffen. Bereits 1926 hatte der Langwellensender »Deutsche Welle« seinen Programmdienst eröffnet; 1929 folgte ein für das Ausland gedachter Kurzwellensender, der ab 1930 offiziell »Deutscher Kurzwellensender« hieß (vgl. Lerg 1965 und 1980; Stuiber 1998, S.-133ff; Dussel 1999, S.-19ff). Rundfunk unter dem Nationalsozialismus (1933-1945) Mit der Machtübernahme durch Adolf Hitler wurde auch der Rundfunk dem nationalsozialistischen Regime untergeordnet. Die Dritte Rundfunkordnung (1934/ 35) hatte die Auflösung der damals elf <?page no="256"?> 4.3 Medienforschung 257 selbstständigen Rundfunk-Regionalgesellschaften zur Folge - sie wurden als »Reichssender« der staatlichen Reichsrundfunkgesellschaft einverleibt. Damit waren die Kompetenzen der Länder im Bereich des Rundfunks abgeschafft, die Besitzrechte lagen voll beim Deutschen Reich. Die Leitung des Rundfunks hatte ein (General-)Intendant, dem drei Direktionsbereiche (Programm, Wirtschaft, Technik) untergeordnet waren. Die politische Lenkung des Rundfunks lag in der Folge bei dem 1933 geschaffenen »Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda«. Die Reichsrundfunkkammer (als Teil der Reichskulturkammer) war die zuständige Körperschaft für die Mitarbeiter im Rundfunk (es bestand Pflichtmitgliedschaft), hatte jedoch auch andere Aufgaben wie die Organisation von Rundfunkausstellungen und Volkssenderaktionen sowie die Steuerung der Produktion preiswerter, für jedermann erschwinglicher Rundfunkempfangsgeräte u. a. m. (vgl. Diller 1980; Stuiber 1998, S.-161ff; Dussel 1999, S.-79ff). In die Zeit des Nationalsozialismus fiel auch (am 22. März 1935) die Eröffnung des ersten regelmäßigen Fernsehprogramm-Betriebes der Welt, allerdings war die Bildauflösung noch schwach entwickelt, die TV-Geräte waren teuer und für den Durchschnittsbürger nicht erschwinglich. 1936 erfolgte aus Berlin die Übertragung der Olympischen Spiele. Sie konnten in öffentlich zugänglichen »Fernsehstuben«, die von der Post in Berlin, Leipzig und Potsdam eingerichtet wurden, von rund 162.000 Personen mit verfolgt werden. Die technische Entwicklung des Fernsehens wurde von den Nationalsozialisten zwar noch vorangetrieben; die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges machten jedoch die Pläne zunichte, das Medium Fernsehen ähnlich dem Hörfunk zu einem Volksmedium aufzubauen und für propagandistische Zwecke zu nutzen (vgl. Diller 1980; Winkler 1994; Zeutschner 1995; Dussel 1999, S.-116). Das Radio hingegen wurde von den Nationalsozialisten als das Propaganda-Instrument völlig in den Dienst des Staates gestellt. So wurden u. a. sämtliche Reden Adolf Hitlers sowie ein großer Teil jener von Joseph Goebbels, dem Chef des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, im Hörfunk übertragen. Um das Radio zu einem breitenwirksamen Medium zu machen, gab es bereits ab 1933 Parolen wie »Rundfunk in jedes Haus«. Es wurden billige Kleinradios entwickelt wie der »Volksempfänger«, der »Deutsche Kleinempfänger« (auch »Goebbels-Schnauze« genannt) oder der transportable »Deutsche Olympiakoffer«. Der »Deutsche Arbeitsfront-Empfänger« diente dem Gemeinschaftsempfang von Radioprogrammen am Arbeitsplatz. 1940 führte Goebbels für alle Funkhäuser ein Radio-Einheitsprogramm ein, das während des Zweiten Weltkrieges für Sondermeldungen sowie propagandistische Zwecke unterbrochen wurde. Die letzte Propaganda-Lüge war die am 1. Mai 1945 ausgesendete Meldung über »den Heldentod des Führers Adolf Hitler im Kampf gegen die Russen«. Die zu Kriegsende noch bestehenden Sendeanlagen wurden weitgehend von den Nationalsozialisten selbst vernichtet, um sie nicht den Alliierten zu überlassen. Am 7. Mai 1945 wurde über den Sender Flensburg die bedingungslose Kapitulation der deutschen Truppen bekannt gegeben (vgl. Diller 1980; Stuiber 1998, S.-161ff; Dussel 1999, S.-79ff). Der Rundfunk der Besatzungsmächte Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde von den Besatzungsmächten jede Sendetätigkeit verboten, die größtenteils zerstörten Sendeanlagen wurden beschlagnahmt. Zunächst wurden Besatzungs- und Soldatensender der jeweiligen Militärregierungen geschaffen. Es folgte die Errichtung von Rundfunkanstalten durch die Besatzungsmächte. Die Briten gründeten in ihrem Besatzungsgebiet nach dem Vorbild der öffentlich-rechtlichen BBC den »Nordwestdeutschen Rundfunk« (NWDR) mit Sitz in Hamburg. Die Franzosen errichteten in Baden-Baden den »Südwestdeutschen Rundfunk« mit einer Außenstelle in Saarbrücken. Die Amerikaner bauten dezentrale Rund- <?page no="257"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 258 funksender in München, Frankfurt, Stuttgart und Bremen auf. Die Sowjets schufen in ihrer Zone den »Berliner Rundfunk« mit Außenstellen in anderen Teilen der SBZ. In Berlin errichteten außerdem die Amerikaner in ihrem Sektor den »RIAS« (Radio im amerikanischen Sektor), die Briten in ihrem Hoheitsgebiet den »Sender Freies Berlin« (SFB). Die Militärregierungen nutzten die Radiosender zur Kontrolle der politischen und wirtschaftlichen Situation in Deutschland und führten auch Zensurmaßnahmen ein. Bereits ab 1946 wurden in den westlichen Besatzungszonen die Sender nach und nach in die Hände deutscher Verantwortlicher und Mitarbeiter gelegt. Die westlichen Alliierten hatten zwar das Interesse, für die Organisationsform des Rundfunks in deutscher Hand jeweils das Rundfunksystem des eigenen Landes übertragen zu wissen. Ein Kompromiss bestand aber schließlich darin, das britische Modell eines gemeinwohlverpflichteten, öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu übernehmen, dessen Kontrolle von staatlichen Instanzen unabhängig sein sollte (vgl. Bausch 1980 (1), S.-13ff; Kapust 1981, S.-13ff; Stuiber 1998, S.-184ff; Platho 1999; Dussel 1999, S.-181ff; Diller 1999). (Öffentlich-rechtlicher) Rundfunk in der neuen Bundesrepublik Deutschland Die Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland, zumindest was die in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten betraf, war zu einem nicht unerheblichen Teil Folge der Rundfunkpolitik der Besatzungsmächte. Bereits ab 1948, also noch vor der am 23. Mai 1949 gegründeten Bundesrepublik, kam es in einigen Bundesländern zur Schaffung von Landesrundfunkgesetzen, auf deren Basis der Bayerische Rundfunk (BR), der Hessische Rundfunk (HR), Radio Bremen (RB) und der Süddeutsche Rundfunk (SDR) sowie der Südwestfunk (SWF) errichtet wurden. Der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) mit seinem ungewöhnlich großen Sendegebiet wurde 1954 in den Norddeutschen Rundfunk (NDR) und in den Westdeutschen Rundfunk (WDR) geteilt. Im gleichen Jahr ging der Sender Freies Berlin (SFB) auf Sendung, der seinerseits aus dem Berliner Funkhaus des NWDR hervorgegangen ist. Der Saarländische Rundfunk entstand 1956, als das französisch besetzte Saargebiet in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert wurde. Die Unabhängigkeit des Rundfunks in Deutschland war bereits 1949 in Artikel 5 des Grundgesetzes festgeschrieben, seine völlige politische Unabhängigkeit erhielt er jedoch erst mit dem am 5. Mai 1955 in Kraft getretenden Deutschlandvertrag, als die volle Souveränität der Bundesrepublik Deutschland hergestellt wurde (vgl. Bausch 1980 (1) S.-160ff; Stuiber 1998, S.-184ff; Diller 1999; Kapust 1981). Die ARD 1950 schlossen sich die damals sechs bestehenden Rundfunkanstalten (NWDR, RB, HR, BR, SDR und SWF) zur Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) zusammen, die später gegründeten Anstalten (WDR, SFB und SR) folgten. Die Arbeitsgemeinschaft diente zunächst (nur) der Herstellung und dem Austausch von Hörfunkprogrammen. Mit dem 1953 von den ARD-Anstalten vereinbarten Fernsehvertrag wurde die Grundlage für ein gemeinsames (Erstes) Fernsehprogramm geschaffen, das am 1. November 1954 seinen offiziellen Sendebetrieb aufnahm. (Der NWDR strahlte bereits ab Weihnachten 1952 in seinem Sendegebiet einen regelmäßigen Fernsehprogrammdienst aus. Zu seinen ersten Sendungen gehörte u. a. die Hauptabendnachrichtensendung Tagesschau) (vgl. Bausch 1980 (1) S.- 239ff; Stuiber 1998, S.- 211ff; Diller 1999; Donsbach/ Mathes 1997). <?page no="258"?> 4.3 Medienforschung 259 Die ARD, unter deren gemeinsamem Dach sich gegenwärtig (Stand: Anfang 2013) neun Landesrundfunkanstalten befinden (vgl. w. u.), ist ein föderalistisch strukturierter, öffentlich-rechtlicher Rundfunkverband. Jede Landesrundfunkanstalt verfügt über einen je eigenen Rundfunkrat, einen Verwaltungsrat und einen Intendanten. Höchstes Organ ist der nach gesellschaftlich relevanten Gruppen pluralistisch zusammengesetzte Rundfunkrat. Er vertritt gegenüber der jeweiligen Anstalt die Interessen der Allgemeinheit, wählt den Intendanten (und auf dessen Vorschlag leitende Positionen wie Fernsehdirektor, Hörfunkdirektor und Technischen Direktor). Der Verwaltungsrat nimmt Kontrollaufgaben im Bereich der Rundfunkwirtschaft, der Verwaltung sowie der Finanzen wahr. Der Intendant vertritt die Anstalt nach innen und außen und verantwortet das Programm (Stuiber 1998, S.-713ff; Platho 1999, S.-28ff; Donsbach/ Mathes 1997). Die Geschäftsführung der ARD mit ihren derzeit neun Landesrundfunkanstalten liegt einem Rotationsprinzip zufolge für die Dauer eines Jahres bei einer Anstalt; Vorsitzender der ARD ist folglich jeweils der Intendant der geschäftsführenden Anstalt (wobei eine Wiederwahl für ein weiteres Jahr möglich und auch Praxis ist). Für die Koordination und Produktion der Fernsehprogramme der ARD gibt es eine ständige Programmkonferenz, der der Direktor der Programmdirektion vorsteht. Der Programmkonferenz der ARD steht ein eigener Fernsehbeirat zur Seite (vgl. Stuiber 1998, S.-713ff; Platho 1999, S.-28ff; Donsbach/ Mathes 1997). Wichtig für die ARD war für lange Zeit der Finanzausgleich (der Anstalten untereinander) und ist nach wie vor die Regelung der Programmanteile für das Erste Deutsche Fernsehprogramm. Die Notwendigkeit des Finanzausgleichs ergab sich durch das Nebeneinander »großer« Landesrundfunkanstalten mit bevölkerungsbedingt hohem Gebührenaufkommen (wie v. a. WDR, SWR, BR) und »kleiner« Anstalten mit bevölkerungsbedingt niedrigen Gebührenerträgen. Diese kleinen, »nehmenden« Anstalten sind derzeit (Stand: Anfang 2013) nur noch der Saarländische Rundfunk (SR) und Radio Bremen (RB). Sie erhalten von den großen Anstalten über den Finanzausgleich Geldbeträge, um ihren Aufgaben bei der Programmproduktion nachkommen zu können. Der Finanzausgleich macht gegenwärtig jedoch nur noch ein Prozent des Netto-Gebührenaufkommens aus. Die Regelung der von den einzelnen ARD-Anstalten zu produzierenden (Fernseh-)Programmanteile für das Erste Deutsche Fernsehprogramm erfolgt nach einem Verteilungsschlüssel, der sich am jeweiligen Bevölkerungsanteil orientiert. Die sog. Dritten Fernsehprogramme sowie die Hörfunkprogramme der einzelnen ARD-Anstalten sind von dieser Programmkoordination nicht berührt (vgl. Stuiber 1998, 746ff; Donsbach/ Mathes 1997), wiewohl es Programmaustausch der Dritten Programme untereinander gibt. Weiters zu erwähnen ist die Gremienvorsitzendenkonferenz GVK, das Aufsichtsgremium der ARD in Bezug auf gemeinschaftliche Tätigkeiten des föderalen Senderverbunds. Ihr gehören die jeweils Vorsitzenden der Rundfunkräte und Verwaltungsräte der neun Landesrundfunkanstalten sowie der Deutschen Welle an (in der Summe 20 Mitglieder). Die GVK berät die Intendantenkonferenz der ARD, insbesondere bei grundsätzlichen Fragen der Programmgestaltung und -struktur, der Unternehmenspolitik und der Rundfunkpolitik (www.ard.intern.de/ gremienvorsitzendenkonferenz-der-ard/ ). Das ARD-Generalsekretariat wiederum unterstützt den (in aller Regel zwei Jahre) wechselnden ARD-Vorsitz bei der Geschäftsführung des Senderverbundes. Es ist u. a. auch mitverantwortlich für die strategische Positionierung sowie Interessensvertretung der ARD nach innen und außen. Das Zweite Deutsche Fernsehen - ZDF Die Gründung des Zweiten Deutschen Fernsehens geht indirekt auf Bemühungen zurück, in Deutschland über eine Bundesfernsehanstalt privates Fernsehen einzuführen. Bereits in den 1950er- <?page no="259"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 260 Jahren gab es vereinzelt Projekte bzw. Versuche, in Deutschland auch privaten Rundfunk einzuführen. Keines wurde jedoch realisiert. Außerdem gab es zwischen Bund und Ländern wiederholt Konflikte um die Rundfunkkompetenz. Dennoch kam es Ende 1960 zur gesetzlichen Errichtung der beiden Bundessender Deutsche Welle (damals für weltweit ausgestrahlte Hörfunksendungen) und Deutschlandfunk (für Hörfunksendungen ins deutschsprachige Ausland, bzw. in die DDR). Beide Sender wurden damals in die ARD kooptiert (vgl. w. u.), ebenso der aus Besatzungszeiten in Berlin stammende Sender RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor).-Ein Höhepunkt im Konflikt um die Rundfunkkompetenzen zwischen Bund und Ländern wurde erreicht, als 1960 der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer versuchte, das Deutschland-Fernsehen zu gründen. Dieses sollte ebenfalls eine Bundesrundfunkanstalt sein, wobei der Bund mit 51 Prozent und die Länder mit 49 Prozent beteiligt sein sollten. Gedacht war der Fernsehsender als Auftraggeber für private Programmanbieter. Die Länder weigerten sich jedoch, sich an der Deutschland-Fernsehen-GmbH zu beteiligen, woraufhin die ihnen zugedachten 49 Prozent ebenfalls an den Bund übertragen wurden und der Bund somit Alleineigentümer war (Bausch 1980 (1), S.-447; Stuiber 1998, S.-225; Dussel 1999, S.-227f; Diller 1999). Das Vorhaben Adenauers scheiterte schlussendlich am Bundesverfassungsgericht. Es gab der Klage der SPD-geführten Bundesländer Hessen und Niedersachsen sowie der Freistädte Hamburg und Bremen statt und erklärte in einem 1961 ergangenen Urteil die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH für verfassungswidrig. Im Einzelnen hielt das Urteil mit Berufung auf das Grundgesetz fest (vgl. Bausch (1) 1980, S.- 430ff; Stuiber 1998, S.- 424; Donsbach/ Mathes 1997; Altendorfer 2001, S.-129ff): • Die Veranstaltung von Rundfunk als kulturelles Gut sei eindeutig Ländersache und falle damit in die Gesetzgebungskompetenz der Länder. • Rundfunk sei eine staatsfreie, öffentliche Aufgabe. Der Staatseinfluss bei der »Deutschland-Fernsehen-GmbH« sei nicht zu übersehen. • Die Möglichkeit, privaten Rundfunk zu betreiben, sei grundsätzlich nicht ausgeschlossen, angesichts der technisch bedingten Frequenzknappheit sowie der kostspieligen Finanzierung jedoch nicht möglich. • Der Bund habe lediglich Kompetenzen für die Bereitstellung des sendetechnischen Betriebes (Bundespost). Dieses sog. Erste Rundfunkurteil ist als »magna carta« in die Geschichte des Rundfunks in Deutschland eingegangen. Es hat dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk für viele Jahre ein Sendemonopol (de facto bis 1984) beschert. Es führte im Weiteren dazu, dass sich die Bundesländer entschlossen, auf der Basis eines Staatsvertrages der Länder eine zweite Rundfunkanstalt öffentlichen Rechts einzurichten. So wurde 1961 das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) gegründet, das am 1. April 1963 seinen Sendebetrieb aufnahm (vgl. Wehmeier 1997; Bausch 1980 (1), S.-465ff, S.-476ff). Im Unterschied zur föderalen Struktur der ARD ist das ebenfalls öffentlich-rechtlich verfasste ZDF zwar eine Länderanstalt, aber zentralistisch organisiert: Es hat seinen Sitz und seine Sendezentrale in Mainz; daneben verfügt es über Landesstudios in den Bundesländern, die v. a. zum aktuellen Informationsprogramm des ZDF Beiträge zuliefern, z.T. aber auch eigene, bundesweit ausgestrahlte Sendereihen gestalten. Auch das ZDF verfügt über zwei pluralistisch zusammengesetzte Kontrollinstanzen, den Fernsehrat sowie den Verwaltungsrat. Es wird von einem Intendanten geleitet, dem der Verwaltungsdirektor, der Finanzdirektor und der Programmdirektor zur Seite stehen (vgl. Platho 1999). Zwischen 1963 und 1991 gab es zwischen ARD und ZDF regelmäßig vereinbarte Koordinierungsabkommen, deren Ziel es war, die Fernsehprogramme der beiden Anstalten so aufeinander abzustimmen, dass die Zuschauer zwischen zwei inhaltlich verschiedenen Programmen wählen konnten. Seitens des ZDF wurde dieses <?page no="260"?> 4.3 Medienforschung 261 Abkommen 1991 nicht mehr verlängert. Dabei dürften v. a. Konkurrenzgründe gegenüber den privaten Fernsehprogramm-Anbietern eine Rolle gespielt haben (Lilienthal 1999). Die Dritten (TV-)Programme Ab 1964 begannen die Landesrundfunkanstalten der ARD, entweder eigenständig (wie etwa der Bayerische Rundfunk) oder im Zusammenwirken (wie damals etwa Süddeutscher Rundfunk und Südwestfunk) sog. »Dritte (TV-)Programme« einzuführen (vgl. Roß 1967; Dussel 1999, S.-232; Roß 1981). Diese waren zunächst primär als Bildungsprogramme konzipiert (vgl. Roß 1967), entwickelten sich jedoch - nicht zuletzt aus Konkurrenzgründen gegenüber öffentlich-rechtlichen wie (später, ab 1984) privaten Fernsehanbietern - zu je eigenen Vollprogrammen (vgl. Brosius/ Fahr/ Vlasic 1999). Hinzu kamen - bzw. kommen - die Hörfunkprogramme der Landesrundfunkanstalten der ARD (derzeit 57), nach der Wiedervereinigung das Deutschlandradio mit seinen zunächst zwei, seit 2010 drei national verbreiteten, gemeinschaftlichen Hörfunkprogrammen von ARD und ZDF, nämlich Deutschlandfunk und DRWissen (beide aus Köln) sowie Deutschlandradio Kultur (aus Berlin) sowie im Weiteren schließlich digitale TV- und Radioprogramme der öffentlich-rechtlichen Sender. Ergänzt werden diese Programme durch Onlineauftritte der ARD und ihrer einzelnen Landesrundfunkanstalten, des ZDF und auch der anderen hier erwähnten Sender mit in aller Regel programmbegleitenden Informationen (vgl. w. u.). Abbildung 10, S. 262, weist die Anzahl öffentlich-rechtlicher Fernsehprogramme aus. Deutsche Welle Nicht unerwähnt bleiben soll, dass auch die Deutsche Welle (DW) öffentlich-rechtlichen Grundsätzen verpflichtet ist. Sie wurde zur Ausstrahlung von Rundfunk für das Ausland gegründet und ist seit 1960/ 1962 eine Rundfunkanstalt des Bundes und auch Mitglied in der ARD. Sie geht auf einen 1929 gegründeten Weltrundfunk-Kurzwellensender der Reichspost zurück und war von 1933 bis 1945 der vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda gesteuerte Deutsche Kurzwellensender. Ihren Sendebetrieb nahm sie nach dem Krieg 1953 auf und war bis 1961 »die gemeinsam von den ARD-Anstalten getragene Deutsche Welle« (Deutsche Welle 2012a). Danach wurde sie eine Rundfunkanstalt des Bundesrechts. Vorrangige Aufgabe der DW ist es heute, auf modernen Übertragungswegen »Menschen im Ausland mit Interesse an Deutschland und an der deutschen Sprache ein umfassendes Bild des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens im heutigen Deutschland zu vermitteln. Darüber hinaus gilt es, diesen Menschen deutsche Auffassungen zu wichtigen internationalen Themen darzustellen und zu erläutern« (Deutsche Welle 2012b). Das Angebot der DW umfasst: Sechs Fernsehkanäle (Basiskanal, DW Europe, DW Latinoamerica, DW Amerika, DW Asien, DW Arabia), ein multimedial aufbereitetes Informationsangebot im WWW in dreißig Sprachen sowie Radioprogramme (vorwiegend als Bildungsprogramme - learning by ear - in Afrika und Asien). »Für das deutschsprachige TV-Programm greift die Deutsche Welle verstärkt auf Sendungen der ARD-Landesrundfunkanstalten und des ZDF zurück« (Deutsche Welle 2012a). Die Ausstrahlung der Programme der DW in der analogen Form wurde nach fast 60 Jahren am 30. Oktober 2011 beendet. Auch die Deutsche Welle verfügt als Organe über einen Rundfunkrat, einen Verwaltungsrat und einen Intendanten. Finanziert wird sie aus Steuermitteln des Bundes. <?page no="261"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 262 Abb. 10: Öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme in Deutschland (2012) Das Erste (ARD) Vollprogramm Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) Vollprogramm Dritte Programme Bayerisches Fernsehen regionales Vollprogramm Hessen Fernsehen regionales Vollprogramm MDR Fernsehen regionales Vollprogramm NDR Fernsehen regionales Vollprogramm RBB Fernsehen regionales Vollprogramm SWR/ SR-Fernsehen regionales Vollprogramm WDR Fernsehen regionales Vollprogramm Gemeinschafts-TV-Programme von ARD und ZDF 3sat gemeinsames Kulturprogramm von ARD, ZDF, ORF, SRG ARTE gemeinsames Kulturprogramm Deutschland/ Frankreich; Kooperation mit ORF Phoenix Ereignis-/ Dokumentationskanal KIKA Kinderprogramm (Kinderkanal) Öffentlich-rechtliche Digitalprogramme ARD-digital (digitale Programmbouquets der ARD): Eins Plus Informations- und Wissenskanal für die ganze Familie Eins Festival TV-Kanal mit täglich wechselnden Schwerpunkten (Kino, Doku etc.) tagesschau24 Nachrichtenkanal mit aktuellen Informationen im Viertelstundentakt ZDF-vision (digitale Programmbouquets des ZDF): zdf info Informations- und Doku-Kanal des ZDF zdf neo TV-Kanal als öffentlich-rechtliche Alternative für junge Zuseher (Factual Entertainment, Dokus, Reportagen, Quiz, Spielfilm etc.) zdf kultur TV-Spartenkanal Weitere Programme BR-alpha Bildungsprogramm des Bayerischen Rundfunks Deutsche Welle (Mitglied der ARD) Auslandsrundfunk der Bundesrepublik Deutschland (6 Fernsehkanäle, multimedial aufbereitetes Informationsangebot im WWW in 30 Sprachen, Radioprogramme (vorwiegend als Bildungsprogramme in Afrika und Asien), Programmübernahmen von ARD und ZDF). (eigene Darstellung; aktuelle Informationen sind den Websites von ARD, ZDF und Deutsche Welle zu entnehmen) <?page no="262"?> 4.3 Medienforschung 263 Seit 2009 sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verpflichtet, neue oder grundlegend veränderte digitale Fernsehangebote dem sog. »Drei-Stufen-Test« zu unterziehen (vgl. w. u.). Nicht unerwähnt bleiben soll, dass öffentlich-rechtliche Radiosender UKW-Programme als Webradios auch im Internet verbreiten. Laut Rundfunkstaatsvertrag gelten »Rundfunkprogramme, die über unterschiedliche Übertragungswege zeitgleich verbreitet werden, […] zahlenmäßig als ein Angebot« (12. RÄStV § 11a, Z. 2). Um dem »Generationenabriss« möglichst entgegenzuwirken und ein junges Publikum gezielt anzusprechen, ist ein innovativer gemeinsamer Fernsehkanal von ARD und ZDF für Jugendliche (ähnlich dem Kinderkanal KIKA) angedacht. Deutsche Wiedervereinigung und das Rundfunkwesen Die 1990 vollzogene Wiedervereinigung blieb nicht ohne Auswirkungen auf das deutsche Rundfunksystem. Wichtigste Aufgabe war es, das Rundfunkwesen der DDR (vgl. Mühl-Benninghaus 1997, 1999) mit seinen damals zwei Fernseh- und sechs Hörfunkprogrammen in demokratisch-pluralistische Strukturen zu überführen. Bereits kurz nach der Wende gab es mehrere Vorschläge, Hörfunk und Fernsehen der DDR umzustrukturieren und zu demokratisieren. Auch ein Rundfunküberleitungsgesetz wurde erarbeitet; infolge der rasch herbeigeführten Wiedervereinigung wurden alle diese Versuche jedoch obsolet (vgl. Kresse 1992; Lojewski/ Zerdick 2000; Stuiber 1998, S.-268ff). Grundlage für den politischen Wandel des Rundfunks in den neuen Ländern war schließlich Art. 36 des Einigungsvertrages. Er hielt fest, den Deutschen Fernsehfunk (DFF) und den Rundfunk der DDR (die Radioprogramme) in einer gemeinsamen »Einrichtung« aufgehen zu lassen. Diese hatte die Bevölkerung in Ostdeutschland nach allgemeinen Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit Hörfunk- und Fernsehprogrammen zu versorgen. Weiterhin musste die »Einrichtung« dem Einigungsvertrag zufolge von einem Rundfunkbeauftragten und einem ihm zur Seite gestellten Beirat bis spätestens 31. Dezember 1991 weitergeführt und durch einen gemeinsamen Staatsvertrag der neuen Länder bis spätestens zu diesem Zeitpunkt aufgelöst bzw. »abgewickelt« werden. Gleichzeitig wurden die neuen Länder, bei denen infolge der Wiedervereinigung nun die Rundfunkkompetenz lag, durch Art. 36 des Einigungsvertrages angehalten, spätestens ab 1. Januar 1992 zunächst neue Strukturen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schaffen und sodann auch privaten Rundfunk zu realisieren (vgl. Kresse 1992; Schneider 1999 S.-611ff; Tichy/ Dietl 2000; Altendorfer 2001, S.-46f ). Noch im Laufe des Jahres 1991 entschlossen sich die Länder Thüringen, Sachsen und Sachsen- Anhalt, auf der Basis eines Staatsvertrages eine gemeinsame öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt, den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) zu gründen. Er nahm am 1. Januar 1992 seinen Sendebetrieb auf und trat als zehnte Landesrundfunkanstalt der ARD bei. Eine politisch ähnlich »große« Lösung, für die es bereits den Namen NORA (Nordostdeutsche Rundfunkanstalt) gab, kam im Norden Ostdeutschlands nicht zu Stande. Die NORA, ein gemeinsamer Sender der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin, scheiterte letztlich an politischen Vorbehalten. So trat Mecklenburg-Vorpommern dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) bei, der nun von vier Ländern betrieben wird (nämlich Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern). Brandenburg entschloss sich dazu, eine eigene Landesrundfunkanstalt zu errichten, den Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB). Auch er trat - als elfte Anstalt - der ARD bei und startete zu Neujahr 1992 seinen Sendebetrieb (vgl. Kresse 1992; Schneider 1999, 611ff; Stuiber 1998, S.-268ff). Der ORB wurde später mit dem Sender Freies Berlin (SFB) zum Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) fusioniert (vgl. w. u.). <?page no="263"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 264 Das ZDF weitete nach der Wiedervereinigung seine Sendetätigkeit auf die neuen Bundesländer aus, die Gremien des ZDF (Fernsehrat, Verwaltungsrat) wurden aufgestockt, um den neuen Ländern Kontroll- und Mitspracherechte zu ermöglichen (vgl. Kresse 1992). Nach der Errichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Ostdeutschland verabschiedeten die neuen Länder je eigene Landesmediengesetze, um auch privaten Rundfunk zu realisieren. Dabei gingen die Länder Berlin und Brandenburg eine Kooperation ein und gründeten eine gemeinsame Landesmedienanstalt. (2006/ 07 kamen auch Schleswig-Holstein und Hamburg überein, ihre Landesmedienanstalten zusammenzulegen; daher gibt es in den 16 Bundesländern nur 14 Landesmedienanstalten). Der Privatfunk (Hörfunk wie Fernsehen) kam in den neuen Bundesländern mit Verspätung »auf Sendung«, was vereinzelt den Vorwurf der Diskriminierung zur Folge hatte. Im 1991 von den Ländern vereinbarten »Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland« sind alle diese Veränderungen berücksichtigt; somit liegen in diesem Vertrag der Bundesländer für alte wie neue Länder gleichermaßen geltende rundfunkrechtliche Regelungen vor (vgl. Witt 1992). Dessen ungeachtet gelten in den Bundesländern je eigene Landesrundfunkgesetze (öffentlich-rechtlicher Rundfunk) sowie Landesmediengesetze (privater Rundfunk). Im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung ist schließlich noch auf die Entstehung des nationalen Hörfunkprogramms DeutschlandRadio (so die erste Schreibweise) zu verweisen. Es ist erst 1993/ 94 aus der Fusion der Hörfunksender Deutschlandfunk (Bundesrepublik), RIAS (Berlin) sowie des ehemaligen DDR-Hörfunkprogramms Deutschlandsender (früher Stimme der DDR) hervorgegangen, der nach der Wende den Namen DS-Kultur erhielt. Das Deutschlandradio stellt eine gemeinsam von ARD und ZDF eingerichtete rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts dar (vgl. Diller 1999; ARD-Jahrbuch 1994; ZDF-Jahrbuch 1994; Stuiber 1998, S.-274ff). Als nationaler Hörfunksender strahlt(e) das Deutschlandradio, wie erwähnt, zunächst zwei, seit 2010 drei Programme aus: das Informations- und Kulturprogramm Deutschlandfunk (DLF, Köln), das Programm DRadio Wissen (Köln, seit 2010) sowie das Deutschlandradio Kultur (Berlin). Zur Strukturreform der ARD Mit der Einführung privaten Rundfunks ist den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in vielerlei Hinsicht beträchtliche Konkurrenz erwachsen - Konkurrenz um Publikum, um Programmrechte und Werbung. Dies hat, v. a. aus dem Bereich der Politik, zu Forderungen nach Effizienzsteigerung, Kostensenkung, Nutzung von Synergien und Modernisierung geführt. Die Forderungen zielten v. a. auf die ARD mit ihren zahlreichen Landesrundfunkanstalten und mündeten schließlich in das Projekt »ARD-Strukturreform«. Ihre Kernpunkte sind der Zusammenschluss verschiedener ARD-Sender zu wirtschaftlicheren Einheiten sowie die Neuregelung (bzw. langfristig nach Möglichkeit die Abschaffung) des ARD-Finanzausgleichs (vgl. die ARD-Jahrbücher 1996ff; vgl. Matzen 2000). Erstes Ergebnis der Bemühungen um eine solche Strukturreform der ARD war die 1998 durchgeführte Fusion von Süddeutschem Rundfunk (SDR) und Südwestfunk (SWF) zum Südwestrundfunk (SWR) im Süden der Bundesrepublik (vgl. ARD-Jahrbuch 1998; Stenert 2004; Baugut/ Grundler 2008). Im Jahr 2003 »schlossen sich der Sender Freies Berlin (SFB) als Stadtsender und der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg (ORB) als Flächensender nach Jahren enger Kooperation zusammen« (Baugut/ Grundler 2008, S. 42). Entstanden ist der Rundfunk Berlin-Brandburg (RBB), wie bereits erwähnt, als gemeinsamer ARD-Sender für die Stadt Berlin und das Bundesland Brandenburg. Die Zahl der ARD-Landesrundfunkanstalten liegt damit bei neun. Weitere Fusions-Kandidaten sind künftig möglicherweise auch die kleinen Landesrundfunkanstalten Saarländischer Rundfunk (SR) sowie Radio Bremen (RB). Die Zusammenlegung von Landesrundfunkanstalten ist unter <?page no="264"?> 4.3 Medienforschung 265 rechtlichen, wirtschaftlichen und publizistischen Gesichtspunkten zu diskutieren: Einerseits sollen im Sinne der Gebührenbzw. Beitragszahler Sparpotenziale genutzt werden, ohne die Programmvielfalt zu gefährden; andererseits soll jedoch auch die regionale Vielfalt nicht Schaden nehmen (Baugut/ Grundler 2008). Wie Medienpolitiker und Rundfunkvertreter Strukturreformen der ARD beurteilen, haben Philip Baugut und Maria-Theresa Grundler (2008) ermittelt. Öffentlich-rechtliche Onlineangebote (Telemedien) und Drei-Stufen-Test Seit 1. Juni 2009 - mit Inkrafttreten des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages (RÄStV 2009) - sind alle Telemedienbzw. Onlineangebote des weitgehend aus Rundfunkbeiträgen finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland (ARD, ZDF, Deutschlandradio) dem Drei-Stufen-Test zu unterziehen (vgl. etwa Peters, B. 2009; Peters, T. M. 2009). Dadurch soll vermieden werden, dass den werbefinanzierten privaten Rundfunkbetreibern (und man darf annehmen: auch den Zeitungsverlagen) unzulässiger Wettbewerb durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Internet erwächst. Der Drei-Stufen-Test geht in drei (bzw. eigentlich vier) Schritten vor sich. Dem jeweiligen Test ist nämlich zunächst eine Vorprüfung vorgeschaltet, ob ihm ein neues oder auch nur verändertes Onlineangebot überhaupt zu unterziehen ist. Er läuft sodann wie folgt ab (hier nach Peters, B. 2009 sowie Peters, T. M. 2009): Stufe 1: Es wird geprüft, ob das digitale Angebot dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entspricht: Vorhandensein eines Bedürfnisses für das Angebot (erforderlichenfalls dessen empirische Ermittlung), Erfüllung des Funktionsauftrages (demokratische, soziale, kulturelle Bedürfnisse). Stufe 2: Es wird geprüft, ob das Angebot einen qualitativen Beitrag zum publizistischen Wettbewerb darstellt - »das Herzstück« des Tests (Peters, T. M. 2009, S. 6). Zu bestimmen ist dreierlei (hier nach Peters, B. 2009): 1) die »augenblickliche[n] publizistische[n] Wettbewerbssituation« (inhaltliche Betrachtung des Marktes); 2) »eine Prognose der ökonomischen Wettbewerbssituation« (was würde sich durch die Realisierung des neuen Angebots am Markt ändern? ); sowie 3) worin der »publizistische Mehrwert« des Angebots besteht. Um die »marktlichen Auswirkungen eines geplanten Angebots« beurteilen zu können, ist von den Rundfunkräten »gutachterliche Beratung hinzuzuziehen« (Peters, B. 2009, S. 32; vgl. dazu auch Woldt 2011 mit einer Übersicht der Marktgutachten). Stufe 3: Es wird - auch mit Blick auf den Grundsatz von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit - geprüft, welcher finanzielle Aufwand für das (neue) Angebot erforderlich ist (Kostentransparenz gegenüber Mitbewerbern, ebenso aber auch gegenüber am Markt Beteiligten und betroffenen Dritten - vgl. Peters, B. 2009, S. 33). Auch »soll eine individuelle Abwägung zwischen dem Kostenaufwand und dem damit erzielten publizistischen Mehrwert vorgenommen werden« (Peters, T. M. 2009, S. 7). Der jeweilige Rundfunkrat als zuständiges Gremium veranlasst den Test und trifft auch die Letztentscheidung (vgl. dazu § 11 i. d. F. 12. RÄStV). Das projektierte Angebot wird mindestens sechs Wochen lang im Internet veröffentlicht, es gibt die Möglichkeit der Stellungnahme Dritter. Die schließlich getroffene Entscheidung ist von den Rundfunkräten »substantiiert zu begründen. Mit Veröffentlichung der Entscheidung ist das Verfahren beendet«, im positiven Fall »kann danach das Angebot umgesetzt werden« (Peters, T. M. 2009, S. 7). Insgesamt 37 Telemedienkonzepte hatten die Rundfunkgremien 2009/ 2010 zu prüfen (vgl. Roether 2010, S. 3). Im Hintergrund des Drei-Stufen-Tests stehen die sog. Beihilfedebatte und der Beihilfekompromiss (vgl. dazu Wiedemann 2005, Dörr 2007, 2009; Peters, B. 2009; Peters, T. M. 2009; Held 2011). Es ging um die strittige Frage, ob in den Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wettbewerbsverzerrende Beihilfen zu sehen sind, wie dies der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) vor der EU im Jahr 2003 beklagte. Die Europäische Union als Wettbewerbs- <?page no="265"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 266 hüterin sah in den Rundfunkgebühren eine solche Beihilfe, die Bundesrepublik Deutschland nicht. Klärung hätte nur ein Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) bringen können, den Weg dorthin schienen aber beide Seiten gescheut zu haben. Man hätte nämlich »riskiert, dass die Rundfunkfinanzierung [des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - Ergänzung H. P.] in der gesamten EU in Frage gestellt worden wäre, was unabsehbare Folgen gehabt hätte« (ebd.). Im sog. Beihilfekompromiss (2007) erklärte sich Deutschland gegenüber der EU bereit, den Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (insbesondere auch mit Blick auf dessen Onlineangebote) zu konkretisieren und die Onlinebzw. Telemedienangebote dem Drei-Stufen-Test zu unterziehen, ebenso Positiv- und Negativlisten zu erstellen. All dies erfolgte im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (12. RÄStV), der am 01. Juni 2009 in Kraft trat. Darin sind auch Fristen für die Verweildauer von Onlineangeboten festgelegt: Programmbezogene Sendungen dürfen nur sieben Tage zum Abruf stehen, Großereignisse und Fußballspiele der 1. und 2. Bundesliga nur 24 Stunden; zeitlich unbefristet sind Archive mit zeitgeschichtlichen Inhalten aus Programmen von ARD, ZDF und dem Deutschlandradio (vgl. 12 RÄStV § 11). Die Negativliste öffentlich-rechtlicher Telemedien untersagt u. a. folgende Angebote: Anzeigenportale, Branchenregister, Preisvergleichsportale und Berechnungsprogramme, Bewertungsportale für Dienstleistungen, Einrichtungen und Produkte, Partner-, Kontakt-, Stellen- und Tauschbörsen, Ratgeberportale ohne Sendungsbezug, Business-Networks, Wetten, Routenplaner, Veranstaltungskalender, Verlinkung ohne redaktionelle Überprüfung, Musikdownloads von kommerziellen Fremdprodukten, Spieleangebote ohne Sendungsbezug. Weitere und nähere Angaben sind § 11d Abs. 5 des 12. RÄStV zu entnehmen. Zum Drei-Stufen-Test liegen zahlreiche Publikationen vor (u. a. Dörr 2009, S. 49ff; Roether 2010; Lackner/ Wippersberg 2010; Christl/ Süssenbacher 2010; Gerhardt 2011; Woldt 2011; Pfab 2011; Neuberger 2011; Kops 2012, Stoyan/ Thomaß 2012), die sich - teils aus unterschiedlichen Disziplinen und medienpolitischen Positionen - mit Zielsetzung, Verfahren und Ertrag des Tests auseinandersetzen. Im Zusammenhang mit dem Drei-Stufen-Test wird immer wieder auf den Public Value Test (PVT) der BBC verwiesen. An dessen Zielwerten (Wert für die Nutzer, Wert für die Gesellschaft als Ganzes, Gegenwert des Angebots im Vergleich zu den Kosten) ist auch der Drei-Stufen-Test orientiert ist. Die beiden Verfahren unterscheiden sich jedoch erheblich (vgl. Neumüller 2011; Gonser/ Baier 2010; Latzl 2010; Collins 2009; Bauer/ Bienenfeld 2007; Themenheft MedienJournal 2010). Privater Rundfunk in Deutschland Die Einführung privaten Rundfunks in Deutschland war ein langer und zögerlich beschrittener Weg, der hier im Detail nicht nachgezeichnet werden kann. Dies lag nicht zuletzt an den unterschiedlichen parteipolitischen Auffassungen über die Gestaltung des Rundfunkwesens (die CDU/ CSU, teils auch die FDP traten schon Anfang der 1970er-Jahre für privaten Rundfunk ein, die SPD war dagegen) sowie an der politisch schwierigen Durchsetzbarkeit dieser Vorstellungen angesichts der föderalen Struktur der Bundesrepublik sowie der Kompetenz der Länder für den Rundfunk (vgl. Steinmetz 1996, 1999; Stuiber 1998, S. 547ff). Im Wesentlichen ist auf drei Faktoren zu verweisen, die in ihrem Zusammenwirken schließlich doch dazu geführt haben, dass es zur Einführung privaten Rundfunks kam, nämlich: technische, medienpolitische und verfassungsrechtliche (vgl. Privatkommerzieller Rundfunk in Deutschland 1992; Donsbach/ Mathes 1997; Steinmetz 1999): • Im technischen Bereich führten ab Mitte der 1970er-Jahre das Ausweichen auf Breitbandkabel, der Einsatz von Kommunikationssatelliten und die Ausweitung der UKW-Frequenzbänder zu einer Entschärfung der Frequenzknappheit für Hörfunk- und TV-Programme. <?page no="266"?> 4.3 Medienforschung 267 • Medienpolitisch war die 1976 von einer Expertenkommission empfohlene und ab 1984 realisierte Durchführung von zeitlich befristeten Kabelrundfunk-Pilotprojekten zur Erprobung privaten Rundfunks (Radio, Fernsehen) in vier deutschen Großstädten (Mannheim/ Ludwigshafen, München, Dortmund, Berlin) von Bedeutung. • Von verfassungsrechtlicher Relevanz war schließlich ein 1981 ergangenes Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichtes, in welchem die Länder aufgefordert wurden, für die Zulassung privaten Rundfunks je eigene Gesetze zu erarbeiten, wobei das Gericht dafür auch eine Art Ordnungsrahmen vorgab. Damit war der Weg für privaten Rundfunk de facto frei. Mehrere Bundesländer - ihnen voran CDU-regierte Länder sowie Bayern (CSU) - verabschiedeten (zunächst z.T. probeweise) Landesmediengesetze, die die Errichtung privaten Rundfunks ermöglichten (und wodurch die Kabelpilotprojekte de facto obsolet wurden; gleichwohl wurden sie zu Ende geführt). So entstanden ab 1984 neben privaten Radiosendern auch privat-kommerzielle Fernsehveranstalter wie SAT.1 und RTLplus (heute RTL), die zunächst nur über Kabel und/ oder Satellit zu empfangen waren und später auch terrestrisch verbreitet wurden. Ein von 1986 stammendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts (im Zusammenhang mit dem Landesmediengesetz von Niedersachsen) erklärte das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk für verfassungskonform. Gleichzeitig stellte es an die privaten Programmveranstalter im Hinblick auf Breite und Ausgewogenheit des Programmes geringere Anforderungen als an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter, die laut Verfassungsspruch die Aufgabe der Grundversorgung (nicht Mindestversorgung! ) mit informierenden, bildenden und unterhaltenden Programmen zu leisten haben (vgl. Berg 1987; Privatkommerzieller Rundfunk in Deutschland 1992; Donsbach/ Mathes 1997). Aus diesem und weiteren Rundfunkurteilen resultiert in Deutschland eine Aufgabenteilung zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk (Grundversorgung in den Bereichen Information, Bildung, Kultur, Unterhaltung) und privatem Rundfunk (Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt). Gleichzeitig wird den öffentlich-rechtlichen Anstalten eine Bestands- und Entwicklungsgarantie gegeben, indem sie weiterhin das alleine ihnen zustehende Recht haben, (Zwangs-)Gebühren bzw. -beiträge zu erheben sowie an neuen Rundfunkentwicklungen teilzunehmen, und zwar auch an solchen, die sich aus technischen Weiterentwicklungen wie Satellitenrundfunk oder in jüngster Zeit die Digitalisierung ergeben. Im Hinblick auf die privat-kommerziellen Rundfunkanbieter, die ausschließlich auf Erlöse aus der Werbung angewiesen sind, spricht das Bundesverfassungsgericht von einer Minderung der Vielfaltsvorkehrungen: Die Privaten müssen Information nicht in der vollen Breite der Meinungen und kulturellen Strömungen vermitteln. Voraussetzung für diese geringeren Anforderungen an die Privaten ist jedoch, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten weiterhin in der Lage sind, den Grundversorgungsauftrag zu erfüllen. Der 1987 von den Ländern abgeschlossene und seither wiederholt novellierte Rundfunkstaatsvertrag schrieb auf der Basis der Verfassungsgerichtsurteile das »duale Rundfunksystem« endgültig fest (vgl. Privatkommerzieller Rundfunk in Deutschland 1992; Glotz/ Kopp 1987; Donsbach/ Mathes 1997). Die wichtigsten Rechtsgrundlagen des privaten Rundfunks sind in den Landesmediengesetzen, in Urteilen des Bundesverfassungsgerichts sowie im jeweils gültigen Medienstaatsvertrag zu sehen. Vor allem die Landesmediengesetze enthalten zahlreiche (und z.T. auch unterschiedliche) Bestimmungen über 1) die rechtlichen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen der Zulassung und des Betreibens privater Rundfunkunternehmen; 2) die Aufgaben und Organisation der Landesmedienanstalten sowie 3) Regeln für die Programmgestaltung mit gesetzlichen Leitlinien (vgl. Hermann 1994). Oberste Aufsichtsorgane für den privaten Rundfunk und dessen Fortentwicklung in den Ländern sind die Landesmedienanstalten. Es sind dies rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts mit <?page no="267"?> 4 Zentrale Forschungsfelder 268 Eigenverantwortlichkeit und Selbstverwaltungsrecht. Sie entscheiden über Erteilung, Rücknahme und Widerruf von Sendelizenzen für Hörfunk und Fernsehen und haben die Aufsicht über die Programme der von ihnen zugelassenen Anbieter. Im Weiteren obliegt ihnen die Durchführung von Ordnungswidrigkeitsverfahren, die Errichtung und Betreuung von Bürgermedien (»offener Kanäle« oder vergleichbarer Institutionen wie etwa Ausbildungsradios) sowie die Wahrnehmung technischer Aufgaben bei der Frequenzerschließung, der Frequenzzuteilung und bei der Weiterleitung von Programmen. Ebenso haben die meisten Landesmedienanstalten die Aufgabe, Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter der privaten Rundfunkveranstalter zu ergreifen sowie medienpädagogische Maßnahmen zu entwickeln und zu empfehlen. Nicht zuletzt nehmen sie auch Forschungsaufgaben wahr. Zur Aufgabe der Landesmedienanstalten gehört u. a. des Weiteren die Mitwirkung an der Konzentrationsbzw. Fusionskontrolle (vgl. S. 270-272; ALM-Jahrbuch 2011/ 12, S. 354ff). Den insgesamt 14 Landesmedienanstalten der Bundesrepublik Deutschland ist gemeinsam, dass sie jeweils über mindestens zwei Organe verfügen: einen Direktor (bzw. Präsidenten oder Vorstand) und einen Medienrat (bzw. Medienausschuss, Versammlung, Medienkommission). In manchen Medienanstalten, z. B. in Bayern, ist für die laufende Verwaltung ein Geschäftsführer eingesetzt, einige Anstalten verfügen auch über einen Verwaltungsrat. Der Direktor nimmt vorwiegend Exekutivaufgaben gegenüber den privaten Anbietern wahr. Der Kommission obliegen legislative Aufgaben und Kontrollfunktionen. Der Verwaltungsrat ist, wo es ihn gibt, für die Überprüfung der Finanzen und des Geschäftsgebarens der jeweiligen Landesmedienanstalt zuständig. Um sich untereinander besser abstimmen zu können, wurde 1985 die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) gegründet (ALM-Jahrbuch 2011/ 12, S. 355). Sie stellt für länderübergreifende Fragen und Aufgaben der Medienanstalten eine Plattform der Direktoren und Präsidenten dar, die mit der im 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (vom 19. Dezember 2007) geschaffenen ZAK (Kommission für Zulassung und Aufsicht) und den neuen Aufgaben der GVK (Gremienvorsitzendenkonferenz) seit 2008 »kompetente staatsvertraglich geregelte Ergänzungen mit neuen, verbindlich zu entscheidenden bundesweiten Angelegenheiten erfahren hat. Gemeinsam bilden die Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) und Direktorenkonferenz (DLM) die Gesamtkonferenz (GK)« (ALM-Jahrbuch 2011/ 12, S.-355). Die Technische Konferenz der Landesmedienanstalten (TKLM) ist ein von der DLM eingerichtetes Beratungsgremium. Es erörtert medientechnische Fragen, insbesondere solche, die mit der Digitalisierung verbunden sind, und bereitet medienpolitische Grundsatzentscheidungen innerhalb der DLM vor. Schließlich sind noch die bereits 1997 eingerichtete Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) sowie die 2003 gegründete Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zu erwähnen. Um diese doch recht komplexe Konstruktion noch etwas transparenter zu machen, folgende Hinweise zu den vier zentralen Entscheidungsorganen (siehe dazu detailliert und im Einzelnen ALM-Jahrbuch 2008, S. 353-371; vgl. auch Seufert/ Gundlach 2012, S. 241-262): • Die ZAK (Kommission für Zulassung und Aufsicht) ist u. a. zuständig für Zulassung, Rücknahme oder Widerruf bundesweiter Rundfunkveranstalter, die Zuweisung von Übertragungskapazitäten und für Aufsichtsmaßnahmen gegenüber privaten bundesweiten Veranstaltern etc. Ihr gehören die gesetzlichen Vertreter (Direktoren, Präsidenten) der 14 Landesmedienanstalten an. Sie ist damit personenidentisch mit der DLM. • Die GVK (Gremienvorsitzendenkonferenz) trifft u. a. Auswahlentscheidungen bei den Zuweisungen von drahtlosen Übertragungskapazitäten und Entscheidungen über die Belegung von Plattformen. Sie hat beratende Funktion bei Fragen der Programmentwicklung und medienethischen Aspekten. • Die KEK (Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich) ist zuständig für die abschließende Beurteilung von Fragestellungen betreffend die Sicherung der Meinungsvielfalt im Zusammenhang mit der bundesweiten Veranstaltung von Fernsehprogrammen, darunter ins- <?page no="268"?> 4.3 Medienforschung 269 besondere auch für die Ermittlung der den privaten Fernsehveranstaltern jeweils zurechenbaren Zuschaueranteile (vgl. w. u.). • KJM (Kommission Jugendmedienschutz): Die Aufsicht über den Jugendmedienschutz obliegt den Landesmedienanstalten, die ihre Befugnisse durch die KJM wahrnehmen (vgl. S. 270-272). Im Einzelnen können die Aufgaben der Landesmedienanstalten dem jährlich erscheinenden ALM- Jahrbuch der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten ALM entnommen werden, in welchem u. a. auch wichtige Entscheidungen der Gremien veröffentlicht werden. Eine 2010 von der ALM in Berlin eingerichtete Geschäftsstelle unterstützt »die Funktionsträger der Gemeinschaft in länderübergreifenden Angelegenheiten organisatorisch und koordinativ« (ALM-Jahrbuch 2011/ 12, S. 359). Ebenso sind wichtige Informationen mit Berichten aus den Gremien, öffentlichen Stellungnahmen etc. dem Onlineauftritt der ALM, www.die-medienanstalten.de, zu entnehmen. Für den Außenauftritt hat sich die ALM bzw. richtiger: deren Gesamtkonferenz (GV) im Jahr 2011 die Bezeichnung »die medienanstalten« entschieden. Unter ihrer Herausgeberschaft erscheinen seit 2010/ 11 auch die Jahrbücher. Zu ihrer Finanzierung erhalten die Landesmedienanstalten 1,9 Prozent Anteil aus den Rundfunkbeiträgen. Daneben gibt es vereinzelt Anstalten, die Abgaben der von ihnen zugelassenen Sender erhalten und/ oder auch Fördermittel aus den Haushalten jener Bundesländer, in denen sie ihren Sitz haben. Dies ist z. B. in Bayern der Fall. Art und Weise der Gebühren- und Abgabengestaltung sind je nach Landesmediengesetz unterschiedlich geregelt (vgl. Stuiber 1998, S.-754ff; Hermann 1994; ALM-Jahrbücher, zuletzt 2011/ 12). Die privaten bundesdeutschen Rundfunkveranstalter finanzieren sich in Hörfunk wie Fernsehen aus Werbung, Werbesonderformen (wie Sponsoring), Programmverkauf und Merchandising. Um ihre Finanzierung zu gewährleisten, gesteht ihnen der Gesetzgeber auch großzügige Werbezeiten zu. Laut Rundfunkstaatsvertrag darf Werbung im privaten Rundfunk max. 20 Prozent der Gesamtsendezeit betragen; dies entspricht 12 Minuten Werbung pro Stunde. Die Werbung darf nur in Blöcken ausgestrahlt werden. Werbung ist im privaten Rundfunk - im Unterschied zu den öffentlich-rechtlichen Anbietern - auch an Sonn- un