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Portfolio Management

Theorie und Praxis mit Excel und Matlab

1119
2014
978-3-8385-8562-8
978-3-8252-8562-3
UTB 
Prof. Dr. Dr. Dietmar Ernst
Marc Schurer

Nach einer Einführung in die inhaltlichen und mathematischen Grundlagen demonstriert das Lehrbuch die wichtigsten quantitativen Modelle des aktiven und passiven Portfoliomanagements mit ihren jeweiligen Stärken und Schwächen. Die praktische Umsetzung der Modelle wird anhand von Fallbeispielen in Excel und MATLAB veranschaulicht. Fragestellungen am Ende jedes Kapitels sorgen für maximalen Lernerfolg.

<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich UTB <?page no="2"?> Dietmar Ernst, Marc Schurer Portfolio Management Theorie und Praxis mit EXCEL und MATLAB UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München <?page no="3"?> Prof. Dr. Dr. Dietmar Ernst ist Professor für Corporate Finance an der European School of Finance der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen. Marc Schurer forscht zum Thema Portfolio Management am Europäischen Institut für Financial Engineering und Derivateforschung (EIFD) in Nürtingen und an der Lund University in Schweden. Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 201 Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: Wolfgang Dirscherl / pixelio.de Bildquellen: AFP, European Pressphoto Agency, FDV, Getty Images, Harvard Business School, Max Holzer, Innovation & Business Architectures Inc., Konrad Jacobs, Daniel Kahneman, Anne Knudsen, Dean LeBaron, Larry D. Moore, Muhlenkamp & Co., National Association for Business Economics, NY-Times, picture alliance , Guillaume Paumier, Poesies.net, Markus Prantl, Public Domain, research affiliates, Raimond Spekking, The University of Chicago Booth School of Business, Washington State Magazine, Wikipedia, World Economic Forum, WSJ Donna Alberico Druck und Bindung: · , UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 8562 ISBN 978-3-8252-8562-3 <?page no="4"?> Vorwort Quelle: © Wikipedia “An investment in knowledge pays the best interest.” Benjamin Franklin (*1706, †1790) „Portfolio Management“ gilt als das Kernfach in der Finanzwirtschaft. Portfolio Management beinhaltet die Zusammenstellung und Verwaltung eines Portfolios, d.h. eines Bestandes an Investitionen unter Berücksichtigung von Rendite und Risiko. Die dahinter stehende Kapitalmarkttheorie ist mit Namen wie M ARKOWITZ , T OBIN , B LACK und M ERTON sowie vielen weiteren bekannten Wissenschaftlern verbunden, welche die moderne Portfoliotheorie maßgeblich geprägt haben. Das Portfolio Management als solches ist nicht nur ein Fach innerhalb der Finanzwirtschaft, sondern bildet auch die theoretische Klammer um eine Vielzahl weiterer finanzwirtschaftlicher Fragestellungen, wie z.B. der Unternehmensbewertung oder des Einsatzes von Derivaten sowie der Umsetzung des Financial Engineerings. In der finanzwirtschaftlichen Praxis finden die Methoden des Portfolio Managements deshalb nicht nur im Asset Management Anwendung, sondern auch im Private Banking und Wealth Management, im Corporate Finance sowie im Treasury-Management von Unternehmen, aber auch im Risikomanagement. Die Idee des Buches besteht darin, ein Lehrbuch zu entwickeln, das den theoretischen Anforderungen an das Fach „Portfolio Management“ gerecht wird, gleichzeitig aber auch Kompetenzen in der Umsetzung von Portfoliomodellen mit Microsoft EXCEL, VBA und MATLAB vermittelt. Wir haben in unserer Lehrtätigkeit erkannt, dass Studierende dann komplexe Modelle am besten erlernen und verstehen, wenn sie diese mit Fallstudien im Rahmen des Financial Modeling konkret anwenden und anschließend eigenständig umsetzen. Beim Ausprobieren und Modellieren wird eine Vielzahl von mathematischen und statistischen Fragestellungen aufgegriffen und in konkreten Anwendungsbeispielen angewendet. Dass gerade durch die praktische Umsetzung neben dem Lernerfolg auch die Freude am Studieren zunimmt, ist ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor. Neben Studierenden und Dozenten soll das vorliegende Buch aber auch für bereits im Portfolio Management tätige Praktiker einige interessan- <?page no="5"?> 6 Vorwort te Inhalte bieten, die einerseits Anregungen und andererseits ein vertieftes Verständnis ihrer Tätigkeit geben sollen. In den ersten drei Kapiteln des Buches werden neben einer allgemeinen thematischen Einführung in das Portfolio Management die mathematischen Grundlagen für die spätere Anwendung der vorgestellten Konzepte aufgefrischt. Die nachfolgenden Kapitel 4 bis 7 bilden den Schwerpunkt des Buches und beinhalten die wichtigsten quantitativen Modelle des aktiven und passiven Portfolio Managements sowie eine Darstellung ihrer Stärken und Schwächen. Es wird dabei jeweils zwischen einem einführenden theoretischen Teil und einem sich anschließenden anwendungsbezogenen Teil unterschieden. Im anwendungsbezogenen Teil erfolgt die Umsetzung der Modelle durch Fallstudien in Microsoft EXCEL und MATLAB. In Kapitel 6 wird die Thematik der klassischen Portfoliooptimierung darüber hinaus mit der Vorstellung robuster Portfolioansätze vertieft. Als Beispiel sei das Black-Litterman-Modell genannt, das erlaubt, neben der Unsicherheit gleichermaßen Marktunvollkommenheiten im Portfolio Management zu berücksichtigen. Abschließend gibt Kapitel 7 einen Überblick über alle wichtigen Performancekennzahlen im Portfolio Management. Zur Überprüfung und Festigung des angeeigneten Wissens beinhaltet das Lehrbuch am Ende jedes Kapitels Testfragen. Die inhaltliche Konzeption des Lehrbuches setzt keine besonderen Vorkenntnisse aus den Bereichen des Portfolio Managements voraus, sodass das Lehrbuch als Rahmenwerk für die Einführung in die Thematik des Portfolio Managements, aber auch im Rahmen einer Vertiefungsveranstaltung zum Thema Portfolio Management eingesetzt werden kann. Aus diesem Grund sollte neben dem Interesse an Kapitalmärkten vor allem eine grundlegende statistische und mathematischen Ausbildung gegeben sein. Durch die Verbindung von Theorie und praktischer Anwendung wird ein Selbststudium ermöglicht. Im Rahmen dieses Buches wird zur Lösung der anwendungsbezogenen Fallstudien neben Microsoft EXCEL und der dazugehörigen Programmiersprache Visual Basic for Applications (VBA) ebenfalls das Softwarepaket MATLAB in Verbindung mit dessen Financial Toolbox verwendet. Dadurch können in Abhängigkeit von den IT-Kenntnissen und -Interessen die in diesem Buch vorgestellten Fallstudien durch unterschiedliche Programme gelöst werden. Obwohl sich mit Microsoft EXCEL die meisten Problemstellungen im Portfolio Management auf einfache Weise lösen lassen, gelangt das Produkt bei zunehmender Komplexität der Fragestellungen an seine Grenzen. Der Vorteil von Microsoft EXCEL besteht darin, dass es sehr verbreitet ist und der Leser relativ einfach die vorgestellten Konzepte nachvollziehen kann. MAT- LAB hingegen stellt eine Programmierumgebung für die Entwicklung und Implementierung von Algorithmen für effiziente und robuste Finanzanwendungen dar. Finanzexperten weltweit nutzen die interaktive Programmierumgebung von MATLAB, um mit ihren vielfältigen vorgefertigten Bibliotheken auch in vergleichsweise kurzer Zeit komplexe quantitative Analysen und Anwendungen zu erstellen. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, MATLAB-Anwendungen in dieses Buch aufzunehmen, um einerseits dem Anspruch der Praxisnähe gerecht zu werden, andererseits aber auch aus der Notwendigkeit heraus, Studierende mit den Instrumenten der Finanzpraxis zu unterrichten und sie damit optimal auf das Berufsleben vorzubereiten. Wer sich mit MATLAB-Anwendungen nicht beschäftigen möchte, kann die Kapitel auslassen, ohne den roten Faden des Buches verlassen zu müssen. Danken möchten wir dem Verlag UVK-Lucius und seinen Mitarbeitern für die stets angenehme und konstruktive Zusammenarbeit. Unser besonderer Dank gilt Herrn Dr. <?page no="6"?> Vorwort 7 Jürgen Schechler für seine Ideen und die Unterstützung bei der Umsetzung dieses Werks und nicht zuletzt für sein Vertrauen in das didaktische Konzept. Über Anmerkungen, Ergänzungen, Kritik und (vielleicht auch) Lob zu unserem Buch würden wir uns sehr freuen. Schreiben Sie an info@dicf.de. Wir wünschen unseren Lesern eine interessante und erkenntnisreiche Lektüre. Dietmar Ernst Marc Schurer <?page no="8"?> Inhaltsübersicht 1 Grundlagen des Portfolio Managements ..................................................................... 17 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management.......................................... 123 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie ............................................................. 203 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements............................................. 269 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements .................................................. 375 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung ......................................................... 421 7 Performancemessung.................................................................................................... 579 <?page no="10"?> Inhaltsverzeichnis Vorwort ........................................................................................................................................ 5 1 Grundlagen des Portfolio Managements ...................................................... 17 1.1 Was ist unter Portfolio Management zu verstehen? .................................................. 20 1.1.1 Grundlegende Begriffe des Portfolio Managements..................................... 20 1.1.2 Asset Allocation................................................................................................... 23 1.1.3 Festlegung der Portfolio-Anteile ...................................................................... 24 1.1.4 Das Portfolio Management und die Bedeutung quantitativer Methoden . 27 1.2 Welche Assetklassen kennt das Portfolio Management? .......................................... 28 1.2.1 Übersicht über die verschiedenen Anlageklassen .......................................... 29 1.2.2 Traditionelle Assetklassen.................................................................................. 29 1.2.3 Alternative Assetklassen..................................................................................... 32 1.2.4 Weitere Untergliederungsmöglichkeiten der Assetklassen........................... 35 1.2.5 Korrelationen aller wichtigen Anlageklassen.................................................. 35 1.3 Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management................... 36 1.3.1 Sind Kapitalmärkte effizient? ............................................................................ 37 1.3.2 Das aktive Portfolio Management.................................................................... 40 1.3.3 Das passive Portfolio Management ................................................................. 57 1.4 Wie unterscheiden sich die strategische Asset Allocation und die taktische Asset Allocation? ............................................................................................................. 62 1.4.1 Die strategische Asset Allocation ..................................................................... 64 1.4.2 Die taktische Asset Allocation .......................................................................... 66 1.5 Welche Bedeutung hat die Rendite für das Portfolio Management? ...................... 67 1.5.1 Diskrete Rendite .................................................................................................. 68 1.5.2 Stetige Rendite ..................................................................................................... 70 1.5.3 Geometrische Rendite ........................................................................................ 76 1.5.4 Kapitalgewichtete Rendite ................................................................................. 78 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? ........................ 81 1.6.1 Der Risikobegriff................................................................................................. 83 1.6.2 Risikoeinstellungen der Entscheidungsträger................................................. 84 1.6.3 Klassifikation der Risikomaße........................................................................... 85 <?page no="11"?> 12 Inhaltsverzeichnis 1.6.4 Die Quantifizierung von Risiken ...................................................................... 86 1.7 Schlussbetrachtung ........................................................................................................ 111 1.8 Zusammenfassung......................................................................................................... 112 1.9 Fragen zu Kapitel 1 ....................................................................................................... 113 1.10 Anlage .............................................................................................................................. 119 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management ............................. 123 2.1 Grundlagen der Matrizenrechnung ............................................................................ 126 2.1.1 Matrizen .............................................................................................................. 127 2.1.2 Diagonal- und Einheitsmatrix ......................................................................... 128 2.1.3 Vektoren ............................................................................................................. 129 2.1.4 Transponieren von Matrizen und Vektoren ................................................. 130 2.1.5 Addition und Subtraktion von Matrizen und Vektoren ............................. 131 2.1.6 Multiplikation von Matrizen und Vektoren.................................................. 132 2.1.7 Inversion von Matrizen und Vektoren .......................................................... 135 2.2 Matrizenrechnung in EXCEL ..................................................................................... 136 2.2.1 Allgemeine Darstellung in EXCEL................................................................ 137 2.2.2 Transponieren von Vektoren und Matrizen in EXCEL ............................ 137 2.2.3 Addition und Subtraktion von Matrizen in EXCEL .................................. 139 2.2.4 Multiplikation eines Skalars mit einer Matrix in EXCEL........................... 139 2.2.5 Multiplikation von Matrizen und Vektoren in EXCEL ............................. 140 2.2.6 Inversion und Einheitsmatrix in EXCEL ..................................................... 141 2.3 Grundlagen der mathematischen Optimierung........................................................ 142 2.3.1 Operations Research und Portfoliotheorie ................................................... 142 2.3.2 Die Ziele des Operations Research und der Portfoliotheorie ................... 143 2.3.3 Grundlagen der Entscheidungstheorie .......................................................... 143 2.3.4 Klassifikation der Optimierungsprobleme.................................................... 145 2.3.5 Übersicht über die Teilgebiete der Optimierung und des Operations Research.............................................................................................................. 146 2.3.6 Lineare Optimierungsprobleme...................................................................... 152 2.3.7 Nicht-lineare Optimierungsprobleme............................................................ 155 2.3.8 Optimierungsprobleme unter Unsicherheit.................................................. 164 2.4 Einführung in den EXCEL Solver ............................................................................. 169 2.4.1 Installation des Solvers ..................................................................................... 170 <?page no="12"?> Inhaltsverzeichnis 13 2.4.2 Aufruf und Anwendung des Solvers.............................................................. 171 2.5 Stochastische Prozesse im Portfolio Management .................................................. 173 2.5.1 Geschichtlicher Hintergrund........................................................................... 174 2.5.2 Stochastische Prozesse ..................................................................................... 175 2.5.3 Überleitung vom diskreten Random Walk zum stetigen Wiener-Prozess . 177 2.5.4 Der allgemeine Wiener-Prozess ...................................................................... 183 2.5.5 Zusammenfassung und wichtige Eigenschaften eines Wiener-Prozesses 184 2.5.6 Der Wiener-Prozess und Aktienkurse ........................................................... 185 2.5.7 Die Integration lognormalverteilter Aktienkurse in das Modell ............... 186 2.5.8 Die Monte-Carlo-Simulation........................................................................... 189 2.5.9 Die Modellierung stochastischer Prozesse in EXCEL ............................... 191 2.6 Schlussbetrachtung ........................................................................................................ 193 2.7 Zusammenfassung......................................................................................................... 194 2.8 Fragen zu Kapitel 2 ....................................................................................................... 196 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie ................................................ 203 3.1 Die Grundlagen der modernen Portfoliotheorie ..................................................... 205 3.1.1 Die Annahmen der modernen Portfoliotheorie .......................................... 207 3.1.2 Die Bestimmung des Portfoliorisikos im Zwei-Anlagen-Fall.................... 209 3.1.3 Der Diversifikationseffekt und die Effizienzkurve eines Portfolios ........ 214 3.2 Die Bestimmung des Portfoliorisikos im N-Anlagen-Fall...................................... 219 3.3 Die Auswahl eines optimalen Portfolios ................................................................... 224 3.3.1 Der „rationale“ Investor .................................................................................. 224 3.3.2 Nutzenfunktionen und Indifferenzkurven ................................................... 228 3.3.3 Auswirkung des Risikoaversionsparameters auf die Indifferenzkurve .... 230 3.3.4 Auswahl eines optimalen Portfolios .............................................................. 231 3.4 Die Kapitalmarktlinie und die Auswahl eines Portfolios........................................ 233 3.5 Die Wertpapierlinie und das Kapitalmarktgleichgewicht........................................ 239 3.6 Das Capital Asset Pricing Model ................................................................................ 242 3.6.1 Annahmen .......................................................................................................... 243 3.6.2 Das grundlegende Konzept............................................................................. 244 3.6.3 Empirische Tests und Kritik ........................................................................... 246 3.7 Modellerweiterungen des CAPM ................................................................................ 248 3.7.1 Das Single-Index-Modell ................................................................................. 251 <?page no="13"?> 14 Inhaltsverzeichnis 3.7.2 Das Multi-Index-Modell .................................................................................. 255 3.8 Schlussbetrachtung ........................................................................................................ 257 3.9 Zusammenfassung......................................................................................................... 258 3.10 Fragen zu Kapitel 3 ....................................................................................................... 260 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements ................................ 269 4.1 Die absolute Optimierung im aktiven Portfolio Management .............................. 270 4.1.1 Ermittlung des Minimum-Varianz-Portfolios .............................................. 277 4.1.2 Ermittlung des Maximum-Ertrags-Portfolios .............................................. 280 4.1.3 Bestimmung eines beliebig effizienten Portfolios ....................................... 281 4.1.4 Ermittlung des Tangentialportfolios .............................................................. 281 4.2 Die relative Optimierung im aktiven Portfolio Management ................................ 283 4.2.1 Bestandteile der relativen Optimierung ......................................................... 287 4.2.2 Bestimmung der Alpha- und Beta-Faktoren ................................................ 289 4.2.3 Aktive Position, aktives Risiko und aktiver Beta-Faktor ............................ 292 4.2.4 Kennzahlen des aktiven Portfolio Managements ........................................ 294 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung .............................................. 297 4.3.1 Vorstellung des Ausgangsportfolios für die absolute Optimierung ......... 297 4.3.2 Die praktische Umsetzung in EXCEL .......................................................... 299 4.3.3 Die praktische Umsetzung in MATLAB ...................................................... 328 4.4 Die Umsetzung der relativen Portfoliooptimierung ................................................ 344 4.4.1 Vorstellung des Ausgangsportfolios für die relative Optimierung ........... 345 4.4.2 Die praktische Umsetzung in EXCEL .......................................................... 346 4.4.3 Die praktische Umsetzung in MATLAB ...................................................... 358 4.5 Schlussbetrachtung ........................................................................................................ 363 4.6 Zusammenfassung......................................................................................................... 364 4.8 Fragen zu Kapitel 4 ....................................................................................................... 366 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements ..................................... 375 5.1 Einführung...................................................................................................................... 377 5.2 Index Tracking und relative Optimierung................................................................. 380 5.3 Index Tracking nach Markowitz ................................................................................. 384 5.4 Index Tracking mit Hilfe von Regression ................................................................. 386 5.5 Index Tracking auf Grundlage der linearen Optimierung ...................................... 388 5.6 Praktische Umsetzung in EXCEL.............................................................................. 390 <?page no="14"?> Inhaltsverzeichnis 15 5.6.1 Index Tracking und relative Optimierung .................................................... 391 5.6.2 Index Tracking nach Markowitz..................................................................... 398 5.6.3 Index Tracking auf Grundlage der Regression unter Nebenbedingungen 401 5.6.4 Index Tracking und lineare Optimierung...................................................... 405 5.7 Praktische Umsetzung in MATLAB .......................................................................... 411 5.8 Schlussbetrachtung ........................................................................................................ 412 5.9 Zusammenfassung......................................................................................................... 412 5.10 Fragen zu Kapitel 5 ....................................................................................................... 414 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung............................................. 421 6.1 Grundlegende Problematik der klassischen Optimierung ...................................... 423 6.1.1 Auswirkungen des Schätzfehlers auf die Zusammensetzung von Portfolios .................................................................................................................... 428 6.1.2 Die einzelnen Komponenten des Schätzfehlers und deren Auswirkungen................................................................................................................. 430 6.1.3 Größe der Schätzfehler für die verschiedenen Parameter.......................... 432 6.2 Übersicht über die Modelle und Methoden der robusten Optimierung .............. 433 6.3 Modifikation der Input-Parameter.............................................................................. 435 6.3.1 Robuste Schätzer ............................................................................................... 435 6.3.2 Geschrumpfte Schätzer.................................................................................... 444 6.4 Modifikation des Modells............................................................................................. 494 6.4.1 Der Ansatz nach Black-Litterman.................................................................. 494 6.4.2 Der Ansatz des Resamplings........................................................................... 542 6.5 Schlussbetrachtung ........................................................................................................ 548 6.6 Zusammenfassung......................................................................................................... 548 6.7 Fragen zu Kapitel 6 ....................................................................................................... 551 7 Performancemessung ............................................................................... 560 7.1 Der Performancebegriff ............................................................................................... 561 7.2 Absolute Performancemaße ........................................................................................ 564 7.2.1 Diskrete Renditen ............................................................................................. 565 7.2.2 Stetige Renditen................................................................................................. 565 7.2.3 Arithmetische Rendite ...................................................................................... 566 7.2.4 Geometrische Rendite ...................................................................................... 567 7.2.5 Geldgewichtete Renditen ................................................................................. 568 <?page no="15"?> 16 Inhaltsverzeichnis 7.2.6 Varianz und Standardabweichung .................................................................. 568 7.2.7 Volatilität ............................................................................................................ 569 7.3 Relative Performancemaße .......................................................................................... 569 7.3.1 Aktive Performancemaße ................................................................................ 570 7.3.2 Passive Performancemaße ............................................................................... 572 7.4 Schlussbetrachtung ........................................................................................................ 575 7.5 Fragen zu Kapitel 7 ....................................................................................................... 575 Stichwortverzeichnis ........................................................................................ 579 <?page no="16"?> Inhaltsübersicht Kapitel 1 1 Grundlagen des Portfolio Managements.................................................... 19 1.1 Was ist unter Portfolio Management zu verstehen? .................................................. 20 1.1.1 Grundlegende Begriffe des Portfolio Managements..................................... 20 1.1.2 Asset Allocation................................................................................................... 23 1.1.3 Festlegung der Portfolio-Anteile ...................................................................... 24 1.1.4 Das Portfolio Management und die Bedeutung quantitativer Methoden . 27 1.2 Welche Assetklassen kennt das Portfolio Management? .......................................... 28 1.2.1 Übersicht über die verschiedenen Anlageklassen .......................................... 29 1.2.2 Traditionelle Assetklassen.................................................................................. 29 1.2.2.1 Aktien .................................................................................................... 29 1.2.2.2 Verzinsliche Wertpapiere ................................................................... 30 1.2.2.3 Immobilien ........................................................................................... 30 1.2.2.4 Geldmarktinstrumente........................................................................ 31 1.2.3 Alternative Assetklassen..................................................................................... 32 1.2.3.1 Hedgefonds .......................................................................................... 32 1.2.3.2 Private Equity/ Venture Capital......................................................... 33 1.2.3.3 Rohstoffe............................................................................................... 33 1.2.4 Weitere Untergliederungsmöglichkeiten der Assetklassen........................... 35 1.2.5 Korrelationen aller wichtigen Anlageklassen.................................................. 35 1.3 Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management................... 36 1.3.1 Sind Kapitalmärkte effizient? ............................................................................ 37 1.3.2 Das aktive Portfolio Management.................................................................... 40 1.3.2.1 Investmentstile im aktiven Portfolio Management........................ 41 1.3.2.1.1 Investmentansätze nach der Methodik .............................. 42 1.3.2.2 Der Investmentprozess ...................................................................... 53 1.3.3 Das passive Portfolio Management ................................................................. 57 1.3.3.1 Struktur im passiven Portfolio Management .................................. 58 1.3.3.2 Methodik im passiven Portfolio Management................................ 60 1.4 Wie unterscheiden sich die strategische Asset Allocation und die taktische Asset Allocation? ............................................................................................................. 62 1.4.1 Die strategische Asset Allocation ..................................................................... 64 1.4.2 Die taktische Asset Allocation .......................................................................... 66 1.5 Welche Bedeutung hat die Rendite für das Portfolio Management? ...................... 67 1.5.1 Diskrete Rendite .................................................................................................. 68 1.5.2 Stetige Rendite ..................................................................................................... 70 <?page no="17"?> 18 1 Grundlagen des Portfolio Managements 1.5.3 Geometrische Rendite ........................................................................................ 76 1.5.4 Kapitalgewichtete Rendite ................................................................................. 78 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? ........................ 81 1.6.1 Der Risikobegriff................................................................................................. 83 1.6.2 Risikoeinstellungen der Entscheidungsträger................................................. 84 1.6.3 Klassifikation der Risikomaße........................................................................... 85 1.6.4 Die Quantifizierung von Risiken ...................................................................... 86 1.6.4.1 Varianz................................................................................................... 88 1.6.4.2 Standardabweichung ........................................................................... 90 1.6.4.3 Semivarianz........................................................................................... 92 1.6.4.4 Kovarianz und Korrelationskoeffizient ........................................... 94 1.6.4.5 Value at Risk......................................................................................... 96 1.7 Schlussbetrachtung ........................................................................................................ 111 1.8 Zusammenfassung......................................................................................................... 112 1.9 Fragen .............................................................................................................................. 113 1.10 Anlage .............................................................................................................................. 119 <?page no="18"?> 1 Grundlagen des Portfolio Managements In diesem Kapitel möchten wir die Grundlagen des Portfolio Managements umfassend erläutern, die der Leser für das Verständnis der weiteren Kapitel und Fallstudien benötigt. In Abschnitt 1.1.1 wird einleitend der Begriff des Portfolio Managements beleuchtet und damit ein erster Einblick in die Thematik gegeben. In Abschnitt 1.1.2 werden zunächst einige wichtige Begriffe voneinander abgegrenzt, um eine aufbauende Bearbeitung der Kapitel zu erleichtern. Im Rahmen von Abschnitt 1.1.4 beleuchten wir die Rolle quantitativer Methoden im Kontext des Portfolio Managements, die auch aus praktischer Sicht einen wertvollen Einblick in die Bedeutung des quantitativen Portfolio Managements geben. Der darauffolgende Abschnitt 1.2 widmet sich den unterschiedlichen Anlageklassen am Kapitalmarkt und deren Eigenschaften. Auf Grundlage dieser Überlegungen folgt in Abschnitt 1.3 eine umfassende Abgrenzung zwischen dem aktiven und dem passiven Portfolio Management und den geläufigen Vorgehensweisen bei der Strukturierung und Verwaltung eines Portfolios. Im Rahmen dieses Abschnitts findet der Leser neben genauen Definitionen wertvolle Informationen zu den geläufigsten Investmentstilen und zum Aufbau von Exchange Traded Funds. In Abschnitt 1.4 werden auf Grundlage der vorangegangenen Abschnitte die unterschiedlichen Prinzipien der strategischen und taktischen Asset Allocation erläutert sowie Vor- und Nachteile dargestellt. Nach den umfassenden Erläuterungen zu den praktischen Vorgehensweisen und Ansätzen im Portfolio Management widmen sich die Abschnitte 1.5 und 1.6 den statistischen Kenngrößen zur Quantifizierung von Rendite und Risiko als integralen Bestandteilen des Portfolio Managements. Am Ende des Kapitels findet der interessierte Leser einen Fragenkatalog zu den Inhalten dieses Kapitels, um das Selbststudium der zugrundeliegenden Thematik ein wenig zu erleichtern. Im Rahmen des vorliegenden Kapitels werden zusammenfassend die folgenden zentralen Fragestellungen erläutert: Was ist ein Portfolio? In welche Anlageklassen kann ein Kapitalanleger investieren? Was ist ein effizienter Markt? Wie unterscheidet sich das aktive vom passiven Portfolio Management? Was verbirgt sich hinter dem Begriff Asset Allocation? Wie werden die Rendite und das Risiko im Portfolio Management quantifiziert? <?page no="19"?> 20 1 Grundlagen des Portfolio Managements 1.1 Was ist unter Portfolio Management zu verstehen? 1.1.1 Grundlegende Begriffe des Portfolio Managements Quelle: © NY-Times “The road to success in investing is paved with independence of spirit, decisiveness and the courage of one’s conviction.” Peter L. Bernstein - Portfolio-Manager und Kommentator (* 1919) Die nachfolgende Definition des Begriffes Portfolio Management erfordert zunächst eine Vertiefung der zugrundeliegenden Beziehung zwischen Rendite und Risiko eines Portfolios. Das Grundprinzip der Rendite-Risiko-Beziehung „there is no such thing as a free lunch“ 1 existiert nicht nur in der theoretischen Lehre der Ökonomie, sondern auch in der täglichen Praxis an den Kapitalmärkten. Die grundsätzliche Aussage hinter dem zitierten Prinzip besagt, dass ein Kapitalanleger zwangsläufig ein gewisses Risiko am Kapitalmarkt tragen muss, wenn er eine Rendite erzielen möchte, die oberhalb des risikofreien Zinssatzes einer bspw. AAA-gerateten Staatsanleihe liegt. Die beiden Kenngrößen „Rendite“ und „Risiko“ unterliegen einem zentralen Zusammenhang. An den Kapitalmärkten kann ein Kapitalanleger nur eine höhere Rendite erwirtschaften, wenn er bereit ist, auch ein erhöhtes Risiko zu tragen. Da die Kapitalanleger in Bezug auf die erwarteten Renditen ihrer Wertpapiere stets individuelle Vorstellungen vertreten, erlaubt die spezifische Zusammenstellung von Wertpapieren bei gleichzeitiger Abwägung der zugrundeliegenden Risikotragfähigkeit die Erfüllung ihres präferierten Rendite-Risiko-Profils. Je nach Einstellung der Kapitalanleger können die Kriterien „Rendite“ und „Risiko“ zur Beurteilung von Wertpapieren durch das Merkmal der Liquidität ergänzt werden. Die Liquidität (lat. liquidus, „flüssig“) eines Wertpapiers beschreibt im Rahmen des Portfolio Managements grundsätzlich die Fähigkeit eines Kapitalanlegers, einen schnellen Tausch der gehaltenen Wertpapiere in monetäre Geldmittel vornehmen zu können. 1 Vgl. Rasmussen (2003), S. 3 <?page no="20"?> 1.1 Was ist unter Portfolio Management zu verstehen? 21 Die genaue Betrachtung der aufgeführten Merkmale: Rendite, Risiko und Liquidität führt zu drei unterschiedlichen Anlegerzielen: Rentabilität, Sicherheit und Liquidität. Es wird hierbei deutlich, dass die unterschiedlichen Zielausprägungen eines Kapitalanlegers unweigerlich in Konkurrenz zueinander stehen und sich unter Umständen sogar gegenseitig ausschließen. Die unterschiedlichen Ziele eines Kapitalanlegers werden in der Fachliteratur häufig in Form eines „magischen Dreiecks“ dargestellt (vgl. Abb. 1). Da eine Steigerung der Rentabilität aufgrund der angesprochenen Zielkonkurrenz mit einem Anstieg an Unsicherheit einhergeht, ist eine gleichzeitige Erfüllung aller drei Anlageziele unmöglich. 2 Im Sinne des magischen Dreiecks erfasst der Begriff des Risikos eine Reihe an Verlustmöglichkeiten. Neben Kursschwankungen spielen ebenfalls Ausfallrisiken von Wertpapieren eine Rolle. Abb. 1: Magisches Dreieck Quelle: In Anlehnung an Maier (2007), S. 4 Wertpapiere sowie ganze Anlageklassen (siehe Abschnitt 1.2) und Portfolios lassen sich auf Grundlage ihrer unterschiedlichen Ausprägungen in Bezug auf Rendite, Risiko und Liquidität charakterisieren. Insbesondere die Beziehung zwischen Rendite und Risiko spielt in den Erklärungsversuchen des Capital Asset Pricing Model (CAPM) und in der modernen Portfoliotheorie bei der Bildung von Portfolios eine zentrale Rolle. Dabei ist die Kombination möglicher Anlagetitel für die Bildung eines Portfolios entscheidend. Diese ruft den Diversifikationseffekt hervor, welcher später nochmals aufgegriffen und erläutert werden soll. Doch wie definiert sich der Begriff „Portfolio“ genau? Ein Portfolio entsteht durch die simultane (gleichzeitige) Betrachtung einzelner Kapitalanlagen und Wertpapiere aus einer einheitlichen Perspektive. Ein Portfolio stellt alle eigentümlichen Kapitalanlagen und Vermögensteile (engl. assets) einer Person, eines Haushaltes oder Institution in Form einer Zusammenstellung dar. 2 Vgl. Schmidt-von Rhein (1999), S. 187 <?page no="21"?> 22 1 Grundlagen des Portfolio Managements Die Struktur eines Portfolios bildet unmittelbar die individuellen Präferenzen eines Kapitalanlegers in Bezug auf seine erwartete Rendite, das mögliche Risiko und die Liquidität ab. Bei Kapitalanlagen erlaubt der Blick auf die Zusammenstellung eines Portfolios häufig einen direkten Rückschluss auf die Markteinschätzung des Kapitalanlegers. Neben der übersichtlichen Darstellung und Kontrolle von Wertpapieren liefert die Zusammensetzung eines Portfolios eine solide Grundlage zur Berechnung weiterer Kriterien, wie z.B. der Portfoliorendite (engl. return) und des Portfoliorisikos (engl. risk). Obwohl erst zu einem späteren Zeitpunkt ausführlich auf die mathematischen Grundlagen des Portfolio Managements eingegangen wird, soll an dieser Stelle kurz die mathematische Definition eines Portfolios vorgenommen werden. Der Begriff eines Portfolios wird in der formalen Sprache der Mathematik im Allgemeinen in Form eines Vektors dargestellt. 3 Je nach Anwendung kann entweder eine ganzzahlige Darstellung durch die Angabe der Wertpapierstückzahl oder die prozentuale Angabe der Anlageanteile eines Portfolios erfolgen. Letztere Darstellung stellt einen in der Praxis durchaus beliebten und gebräuchlichen Ansatz dar. Aus diesem Grund werden in den nachfolgenden Kapiteln die Elemente dieses Vektors auch als Portfolio-Gewichte (engl. portfolio-weights) bezeichnet. Ein Portfolio wird mathematisch wie folgt formuliert: (1.1) Der formalen Notation eines Portfolios begegnet man in den Ansätzen der modernen Portfoliotheorie immer wieder. Nachdem wir uns der Definition und Bedeutung eines Portfolios gewidmet haben, befassen wir uns mit dem Begriff des Portfolio Managements. Das Portfolio Management dient im Allgemeinen der zielorientierten Erfüllung individueller Ertragsziele eines Kapitalanlegers. Hierbei wird durch die gezielte Auswahl und Allokation der Kapitalanlagen versucht, unter besonderer Berücksichtigung der Risikopräferenz und Anlagebeschränkungen eines jeden Kapitalanlegers dessen Renditeerwartung nachhaltig zu erwirtschaften. Im Portfolio Management orientieren sich die individuellen Renditeansprüche vorrangig an der jeweiligen Risikopräferenz eines jeden Kapitalanlegers. Darüber hinaus spielen die individuellen Einschätzungen und Erwartungen der Anleger an den Kapitalmärkten eine erhebliche Rolle. Demnach erscheint es durchaus sinnvoll, negative Auswirkungen auf die Ertragslage eines Portfolios durch den gezielten Ausschluss bestimmter Märkte, Branchen oder Anlagetitel bei der Bildung des Portfolios zu minimieren. Die praktische Umsetzung dementsprechender Einschränkungen erfolgt häufig durch entsprechende Restriktionen bei der Auswahl relevanter Anlagetitel für ein Portfolio. 3 Näheres hierzu siehe Kapitel 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management. <?page no="22"?> 1.1 Was ist unter Portfolio Management zu verstehen? 23 1.1.2 Asset Allocation Obwohl es deutliche Unterschiede in den Begriffserklärungen des Portfolio Managements, Asset Managements und Investment-Managements gibt, werden diese in der Literatur und Praxis häufig als Synonyme für einander verwendet. Dies liegt daran, dass in der Praxis die Übergänge der zugrundeliegenden Geschäftsmodelle oftmals fließend sind und somit eine Abgrenzung nur schwer möglich ist. Aus diesem Grund soll nachfolgend eine kurze Abgrenzung des Asset Managements im weiteren und engeren Sinn getroffen werden, um auch die angrenzenden Geschäftsmodelle in die Erklärungen mit aufzunehmen. Der Begriff des Asset Managements im weiteren Sinne bezeichnet als Überbegriff die Verwaltung von Vermögenswerten und umfasst neben dem Umgang mit realen auch den mit monetären Vermögenswerten. Neben Banken und Asset-Management-Gesellschaften beschäftigen sich auch größere Unternehmen mit der Verwaltung ihrer Aktiva. Das Asset Management in einem Unternehmen befasst sich nicht nur mit dem Kauf neuer Vermögenswerte, sondern vor allem auch mit der Strukturierung und Verwaltung der unternehmenseigenen Sachwerte nach den individuellen Rendite- und Risikopräferenzen der Geschäftsleitung. Das Asset Management im engeren Sinne beschäftigt sich vorrangig mit der Strukturierung und Verwaltung monetärer Vermögenswerte, und wird in Abgrenzung zum Asset Management im weiteren Sinne auch als Vermögensverwaltung (engl. Investment-Management) bezeichnet. Es sei darauf hingewiesen, dass im Private-Banking und Wealth-Management oftmals im Kundeninteresse keine Einschränkungen bei der Aufnahme der Vermögenswerte in ein Kunden-Mandat bestehen. Je nach Unternehmenskultur und Kundeninteresse beschränken sich viele Finanzdienstleister nicht nur auf die Verwaltung risikobehafteter Kapitalanlagen, sondern bieten dem Kunden vielmehr umfassende Dienstleistungen an. Dem Portfolio Management kommen bei den genannten Geschäftsmodellen also unterschiedliche Bedeutungen zu. Bei einem direkten oder indirekten Kontakt zum Endkunden bestehen aufgrund der unterschiedlichen Anlagepräferenzen jeweils abwechselnde Motivationsgründe für die einzelnen Portfolio-Manager. Man unterscheidet hierbei zwischen Retail Asset Management und Institutionellem Asset Management sowie dem Wealth-Management. Die Vereinbarung mit einem Kunden über die Verwaltung seines Portfolios stellt grundsätzlich eine Principal-Agent-Beziehung dar, wobei der Kunde (engl. principal) bei Vertragsabschluss klare Festlegungen über das Management seines Vermögens trifft. Er kann somit die strategische Ausrichtung seines Portfolios mitbestimmen, sofern Fachwissen vorhanden ist. Der Portfolio-Manager (engl. agent) hat anschließend die Aufgabe, die finanziellen Ziele des Kunden in die Tat umzusetzen. 4 Im Portfolio Management von Publikumsfonds besteht in der Regel kein unmittelbarer Kontakt zwischen dem Portfolio-Manager und den potenziellen Endkunden. Das Portfolio Management hat hierbei die Aufgabe, vorrangig die Verkaufsargumente der zu vertreibenden Produkte umzusetzen und weniger das individuelle Kundeninteresse zu berücksichtigen. Durch die flexible Gestaltung der Portfolios, insbesondere im 4 Vgl. Rasmussen (2003), S. 4 <?page no="23"?> 24 1 Grundlagen des Portfolio Managements Hinblick auf eine bedarfsgerechte Strukturierung von Anlagetiteln findet das Portfolio Management in nahezu allen Abstufungen des Asset Managements Anwendung. Aufgrund einer zunehmenden Spezialisierung in der Praxis zeichnet sich eine klare Trennung zwischen Anlageberatung und Portfolio Management ab. Die Anlageberater begleiten den Kunden und dessen vorrangige Interessen durch eine nachhaltige, vertrauensvolle Beziehung, während ein Portfolio-Manager immer weniger direkten Kontakt zum Endkunden aufbaut. 5 Neben diesen beiden Bereichen finden sich in größeren Banken und Asset-Management-Gesellschaften vor allem Research-Abteilungen, welche sich mit den aktuellen volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen und deren Auswirkungen auf die zu betreuenden Portfolios beschäftigen. Die Analysten beurteilen durch technische und fundamentale Analysen hauptsächlich die Entwicklung und Substanz von Unternehmen, um potenzielle Unter- oder Überbewertungen am Kapitalmarkt festzustellen. 1.1.3 Festlegung der Portfolio-Anteile Je nach Anwendungszweck können Portfolios unterschiedlich dargestellt werden. Obgleich die detaillierte, absolute Auflistung aller Kapitalanlagen eines Depots durchaus wichtig erscheint, spielt die relative Aufteilung der Kapitalanlagen am Gesamtanteil des Portfolios in den Ansätzen der modernen Portfoliotheorie eine weitaus größere Rolle. Die Bildung eines optimalen Portfolios erfordert neben der erfolgreichen Selektion aus einem globalen Anlageuniversum vor allem die zielführende Ermittlung der Anlagetitel-Gewichtungen. Die Bestimmung der unterschiedlichen Portfolio-Gewichte ist sowohl von subjektiven Kriterien als auch von objektiven Kriterien abhängig. Im Gegensatz zu den subjektiven Kriterien, die bei der Ermittlung der Portfolio- Gewichte sich alleinig auf die Markteinschätzung des Kapitalanlegers stützen, kann die Aufteilung der unterschiedlichen Anlagetitel auch durch objektive Kriterien, wie z.B. die Abwägung der jeweiligen Rendite-Risiko-Profile von Anlagetiteln oder die Marktkapitalisierung eines Unternehmens, erfolgen. Soll ein Portfolio unter subjektiven und objektiven Kriterien strukturiert werden, unterscheidet man zwischen der naiven Gewichtung, der aktiven Gewichtung und der neutralen Gewichtung von Portfolios. Bei der naiven Gewichtung der Anlagetitel erfolgt eine gleichmäßige Aufteilung des zur Verfügung stehenden Vermögens, sodass ein Kapitalanleger beispielswei- 5 Vgl. Spreeman (2006), S. 22 <?page no="24"?> 1.1 Was ist unter Portfolio Management zu verstehen? 25 25% 25% 25% 25% Anleihen Aktien Fonds Immobilien se jeweils ein Viertel seines Vermögens in langfristige Staatsanleihen, in Aktien, in Investmentfonds und in Immobilien investiert. In welcher Höhe ein Kapitalanleger sein Vermögen zu gleichen Teilen strukturiert, erfolgt dabei vorrangig durch die subjektive Einschätzung der einzelnen Anlagetitel. Da hierbei das gesamte Vermögen zu gleichen Teilen auf die verschiedenen Anlagetitel verteilt wird, ist die Markteinschätzung des Kapitalanlegers nahezu indifferent. Demnach spricht man bei einer derartigen Strukturierung eines Portfolios auch von einer naiven Diversifikation. Abb. 2 zeigt beispielhaft das Ergebnis einer naiven Diversifikation. Abb. 2: Naive Diversifikation Quelle: Eigene Darstellung, fiktive Annahme Die aktive Gewichtung befasst sich mit der individuellen Aufteilung der Anlagetitel nach potenziellen Gewinnern. Die Identifikation ertragsträchtiger Anlagetitel kann auf Grundlage von unterschiedlichen Kriterien erfolgen. Eine Möglichkeit ist beispielsweise die Auswahl von Anlagetiteln aufgrund von hohen Erwartungen bezüglich großzügiger Jahresüberschüsse und damit vergleichsweise üppiger Dividendenausschüttungen. In einem anderen Fall wäre es denkbar, die Anlagetitel auszuwählen, welche durch die Entwicklung neuer Technologien im Vergleich zur Peergroup besondere Zukunftsaussichten besitzen. In diesem Fall untersucht der Kapitalanleger mögliche Investments, vergleicht diese mit anderen Anlagetiteln und zieht daraus Rückschlüsse für die Strukturierung seines eigenen Portfolios. Bei der neutralen Gewichtung orientiert sich ein Kapitalanleger bei der Allokation von Anlagetiteln maßgeblich an objektiven Kriterien. Die Strukturen von Portfolios richten sich dabei weitestgehend nach der Marktkapitalisierung der jeweiligen Aktiengesellschaften, also dem Produkt aus der jeweiligen Anzahl an ausgegebenen Wertpapieren und dem jeweiligen aktuellen Kurswert 6 . Bei der neutralen Gewichtung wäre auch nachfolgendes Szenario denkbar: Ein Kapitalanleger möchte ein international diversifiziertes Portfolio gestalten, welches Anlagetitel aus den USA, Europa und Asien enthält. Die prozentuale Aufteilung der Aktien aus den drei Ländern ergibt sich entsprechend aus dem jeweiligen Verhältnis der Marktkapitalisierung des vollständigen Aktienmarktes eines Landes in Relation zur gesamten Marktkapitalisierung aller drei Länder. Unter der fiktiven Annahme, ein 6 Vgl. Spremann (2006), Portfolio Management, S. 6 <?page no="25"?> 26 1 Grundlagen des Portfolio Managements Kapitalanleger würde 53 % seines Vermögens in Aktiengesellschaften aus dem amerikanischen Raum, 17 % in europäische Unternehmen und 30 % in Gesellschaften aus Asien investieren, ergeben sich bei einem Gesamtvermögen von 4 Millionen Euro die jeweiligen Länder-Budgets. Demnach könnten amerikanische Titel im Wert von 2,12 Millionen Euro, europäische Aktien im Wert von 680 Tausend Euro und asiatische Unternehmensanteile im Wert von 1,2 Millionen Euro erworben werden. In einem letzten Schritt erfolgt die Bestimmung der genauen Stückzahlen für die Kauf-Orders durch die Bewertung der Marktkapitalsierungen der einzelnen Titel in Relation zur vollständigen Kapitalisierung des jeweiligen Teilmarktes, z.B. des amerikanischen S&P 500. Das Verhältnis der derzeitigen Marktkapitalisierung von Apple mit 546 Milliarden US-Dollar zu der adjustierten Marktkapitalisierung des S&P 500 von 12,73 Billionen US-Dollar beträgt ohne Berücksichtigung des Wechselkursverhältnisses 4,6 % 7 . Gemäß diesem Anteil am Gesamtvermögen könnten Aktien der Apple Inc. im Wert von 183.936 Euro gekauft werden. Abb. 3 zeigt die Marktkapitalisierung im S&P 500. Abb. 3: Die 10 größten Bestandteile des S&P 500 nach Marktkapitalisierung Quelle: Yahoo Finance/ Bloomberg; Stand: 16.03.2012, Werte in US-Dollar; insgesamte Marktkapitalisierung S&P 500: 12,7 Billionen US-Dollar Während ein Kapitalanleger bei der naiven Diversifikation keine direkte Einschätzung eines Marktes vornimmt, versucht dieser bei der neutralen Gewichtung seiner Anlagetitel die jeweiligen Teilmärkte durch die Relation der Marktkapitalisierung korrekt abzubilden. Diese Vorgehensweise findet sich ebenfalls bei der Bestimmung eines Tracking Portfolios (vgl. Kapitel 5 ff.) wieder. Da der traditionelle Erwartungswert-Varianz- Ansatz nach M ARKOWITZ die jeweiligen Rendite-Risiko-Profile der festgelegten Anlagetitel in das Optimierungsverfahren unmittelbar miteinbezieht, beruht dieser ebenfalls auf objektiven Kriterien. 7 Siehe Standard and Poors S&P 500 Fakten vom 16. März 2012 http: / / www.standardandpoors.com/ indices/ sp-500/ en/ eu/ ? indexId=spusa-500-usduf--p-us-l-- 546 Mrd. 407 Mrd. 274 Mrd. 239 Mrd. 218 Mrd. 214 Mrd. 187 Mrd. 185 Mrd. 179 Mrd. 179 Mrd. 0 Mrd. 100 Mrd. 200 Mrd. 300 Mrd. 400 Mrd. 500 Mrd. 600 Mrd. Apple Inc. Exxon Mobil Microsoft Intl Business Machines Chevron General Electric AT&T Procter & Gamble Wells Fargo & Co Johnson & Johnson <?page no="26"?> 1.1 Was ist unter Portfolio Management zu verstehen? 27 Sowohl die subjektiven als auch objektiven Kriterien spiegeln sich bei der Bestimmung der Portfolio-Gewichte auf Grundlage der jeweiligen Anlegerpräferenzen und den Zielen der Kapitalanleger wider, wobei im Asset Management als Kapitalanleger im Allgemeinen zwischen privaten Anlegern und institutionellen Anlegern unterschieden wird. Private Personen und Haushalte treten in der Regel als private Anleger am Kapitalmarkt auf, während vor allem Banken, Unternehmen, Vermögensverwalter und andere Asset-Management-Gesellschaften als institutionelle Anleger am Kapitalmarkt agieren. Die Anlagepräferenzen der jeweiligen Kapitalanleger unterscheiden sich nach Anlagezielen, finanziellen Vorstellungen und Rahmenbedingungen unter Umständen sehr stark. Je nach Lebensphase eines Anlegers und dessen Risikotragfähigkeit unterscheiden sich die Vorstellungen über die Auswahl eines geeigneten Anlageuniversums sowie der angestrebten Anlagedauer erheblich. Ein privater Kapitalanleger jüngeren Alters mag den Vermögensaufbau durch die Übernahme größerer Risiken bevorzugen, wohingegen ein Pensionär eher auf eine Absicherung seines Vermögens bedacht ist. Ein im Wealth-Management tätiger Portfolio-Manager beschäftigt sich im Vergleich zu seinen Kollegen aus dem institutionellen Bereich aus diesem Grund nicht notwendigerweise mit einer Maximierung des Kundenvermögens, sondern befasst sich vielmehr mit der Verwaltung und Strukturierung von Kundenportfolios sowie der monatlichen Generierung von Cashflows aus Kapitalerträgen zur Befriedigung des Kundeninteresses 8 . Im Portfolio Management eines Publikumfonds oder dem Asset Management einer Versicherung stehen hingegen klare ökonomische Motive im Vordergrund, die einen wesentlichen Teil des zu vertreibenden Produktes oder Geschäftsmodells ausmachen, sodass hierbei die eindeutige Erzielung von Rendite angestrebt wird. 1.1.4 Das Portfolio Management und die Bedeutung quantitativer Methoden Die Erkenntnisse der klassischen Kapitalmarkttheorie und auch der modernen Portfoliotheorie lieferten eine solide Grundlage zur Entwicklung quantitativer Methoden, die in ihren heutigen Formen vor allem im quantitativen Portfolio Management eingesetzt werden. Neben den traditionellen und fundamentalen Ansätzen des Portfolio Managements stellt das quantitative Portfolio Management die populärste Form dar. Hier steht hauptsächlich die computergestützte Anwendung mathematischer Optimierungsmodelle im Vordergrund. 9 A MENC / L E S OURD (2003) stellten im Rahmen ihrer Studie fest, dass sich Mathematiker und Ökonomen trotz der anhaltenden Popularität quantitativer Methoden noch vor der Jahrtausendwende deutlich skeptischer gegenüber einer quantitativen Unterstützung im Portfolio Management äußerten als heute. Während des letzten Jahrzehnts etablierte sich jedoch die Anwendung quantitativer Verfahren im Asset Management maßgeblich, sowohl durch die enorme technologische Entwicklung als auch durch die Globalisierung der Märkte. 8 Vgl. Rasmussen (2003), S. 4 9 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 6 <?page no="27"?> 28 1 Grundlagen des Portfolio Managements Im Rahmen der genannten Studie wurde bereits um die Jahrtausendwende berichtet, dass etwa ein Drittel der Befragten über 75 % ihres Aktienengagements durch quantitative Methoden verwalten. Weiterhin haben etwa 58 % der Befragten zumindest einen Teil (kleiner als 25 % des gesamten verwalteten Vermögens) unter der Verwaltung quantitativer Methoden. Lediglich 13 % der Befragten gaben an, keine Engagements durch die Unterstützung quantitativer Methoden zu tätigen. In den folgenden Jahren hat sich der Vorsprung quantitativer Methoden weiter vergrößert. 10 1.2 Welche Assetklassen kennt das Portfolio Management? Quelle: © Washington State Magazine “Investment decisions should focus first and foremost on markets or asset classes. Over time, that’s going to explain roughly ninety percent of investment returns.” Gary Brinson - Brinson Partners (*1943) Eine der einfachsten Methoden für die Gruppierung von einzelnen Wertpapieren und Kapitalanlagen, stellt die Bildung von übergreifenden Anlageklassen dar. Der Begriff Anlageklasse oder Assetklasse wird in der Praxis je nach geographischer Lage durchaus unterschiedlich definiert bzw. interpretiert. Ein möglicher Ansatz zur Bildung von Assetklassen spiegelt sich in der Zusammenfassung gemeinsamer Eigenschaften von unterschiedlichen Kapitalanlagen wider, die durch die verschiedenen Wertpapiere innerhalb einer Anlageklasse geteilt werden. Zu den wichtigsten Eigenschaften gehören die spezifischen Risiko- und Ertragseigenschaften der einzelnen Assetklassen. Die gemeinsamen Eigenschaften führen darüber hinaus dazu, dass die einzelnen Wertpapiere innerhalb der betroffenen Anlageklassen ähnlich auf exogene Einflüsse wie z.B. Terroranschläge, Krisen und Naturkatastrophen reagieren und damit vergleichsweise hohe Korrelationen besitzen oder zumindest sich auf einem gemeinsamen Niveau entwickeln. Gemeinsame rechtliche oder regulatorische Strukturen stellen weitere wichtige Eigenschaften dar. 11 10 Vgl. Dempster/ Pflug/ Mitra (2009), S. 5 11 Vgl. Fabozzi/ Markowitz (2011), S. 16 <?page no="28"?> 1.2 Welche Assetklassen kennt das Portfolio Management? 29 1.2.1 Übersicht über die verschiedenen Anlageklassen Im Allgemeinen werden Wertpapiere in traditionelle Assetklassen und alternative Assetklassen unterteilt. Abb. 4 gibt einen Überblick über die angesprochenen übergeordneten Gruppen und die enthaltenen Anlageklassen. Abb. 4: Übersicht der Anlageklassen im Portfolio Management Quelle: Eigene Darstellung 1.2.2 Traditionelle Assetklassen 1.2.2.1 Aktien Eine Aktie (engl. stock, equity) stellt ein Anteils- oder Teilhaberpapier dar, das einen Eigentumsanteil an einer Aktiengesellschaft in Form einer Aktienurkunde verbrieft. Durch einen Aktienkauf wird der Aktionär Teilhaber am Aktienkapital und demnach Mitinhaber des Gesellschaftsvermögens. Die speziellen Rechte und Pflichten eines Aktionärs sind weitestgehend von der spezifischen Rechtsordnung des jeweiligen Landes abhängig, in dem die Unternehmensanteile ausgegeben wurden. 12 Mit einer Anlage in Aktien können verschiedene Ziele verfolgt werden: dauerhafte, über Dividendenausschüttungen auf Ertrag ausgerichtete Kapitalanlage (Anlagemotiv), Sachwertbeteiligung zur Vermeidung von Geldwertverlusten durch Inflation (Sachwertmotiv), Gewinnerzielung über Kauf und Verkauf und Partizipation an Unternehmenswertsteigerungen (Spekulationsmotiv) und (für Großanleger) Einflussnahme auf die Geschäftspolitik der Unternehmung bzw. Beherrschung des Unternehmens (Mitsprache- und Beherrschungsmotiv). 12 Vgl. Bank-Verlag Medien (2008), S. 32 Traditionelle Assetklassen • Aktien • Verzinsliche Wertpapiere • Immobilien • Geldmarktinstrumente Alternative Assetklassen • Rohstoffe • Hedgefunds • Private Equity / Venture Capital <?page no="29"?> 30 1 Grundlagen des Portfolio Managements 1.2.2.2 Verzinsliche Wertpapiere Bei verzinslichen Wertpapieren handelt es sich um anonym oder namentlich auf den Inhaber ausgestellte und dadurch verbriefte Schuldverschreibungen. In der Fachliteratur werden in der Regel die Bezeichnungen Anleihen, Bonds, Renten und Obligationen synonym für den Begriff eines verzinslichen Wertpapiers verwendet. Unterschiedliche Anleihen können nach folgenden Merkmalen unterschieden werden: Verzinsung, vorgegebene Restlaufzeit, Tilgungs- und Kündigungsmodalitäten, Emittenten und deren Bonität sowie Absicherung der ausstehenden Rückzahlung für das überlassene Kapital durch etwaige Sicherheiten in Form von Sachwerten. Aus dem Kauf einer Schuldverschreibung resultiert unmittelbar der rechtmäßige Anspruch eines Gläubigers gegenüber dem Emittenten auf Rückzahlung des überlassenen Kapitals inklusive der vereinbarten Zinszahlungen. 13 Im Allgemeinen werden verzinsliche Wertpapiere durch zahlreiche Institutionen emittiert. Es wird dabei hauptsächlich zwischen der Ausgabe von Unternehmensanleihen, Staatsanleihen und Kommunalanleihen unterschieden. Da die Kursänderungen festverzinslicher Wertpapiere hauptsächlich von Zinsänderungen ausgehen, die jedoch auf kurze Sicht überwiegend gering ausfallen, besitzt diese Anlageform im Vergleich zu börsentäglichen Kursschwankungen des Aktienmarktes eine weitaus geringere Volatilität. 14 1.2.2.3 Immobilien Immobilien (engl. real estate) stellen eine eigenständige Anlageklasse dar. Dennoch werden in der Praxis Immobilien häufig den alternativen Anlageklassen zugeordnet. Bei der historischen Betrachtung dieser Kapitalanlage wird deutlich, dass Immobilien schon lange vor dem ausgeprägten Interesse an Aktien und Anleihen sich größter Beliebtheit erfreuten. Diese Tatsache kann sogar den Rückschluss zulassen, dass damals Aktien und Anleihen eine alternative Anlageklasse zu den bisherig getätigten Immobilieninvestitionen darstellten. Nach den Erkenntnissen der modernen Portfoliotheorie stellen Immobilien keine wirkliche Alternative zu Aktien und Anleihen dar, sondern verkörpern vielmehr eine eigenständige Anlageklasse, welche zur Diversifizierung eines Anlegerportfolios beitragen kann. 15 Investitionen in Immobilien lassen sich im Allgemeinen nach den zur Verfügung stehenden Immobilienobjekten und der Art des Beteiligungsverhältnisses unterscheiden. 13 Vgl. Steinbrenner (2007), S. 375 14 Vgl. Spremann (2008), S. 5 15 Vgl. Fabozzi/ Markowitz (2010), S. 18 <?page no="30"?> 1.2 Welche Assetklassen kennt das Portfolio Management? 31 Einerseits untergliedert man in diesem Zusammenhang Immobilieninvestitionen in Wohn- und Gewerbeimmobilien, andererseits lassen sich Immobilienengagements in direkte und indirekte Immobilieninvestitionen unterteilen. Während es sich im Rahmen einer Direktinvestition um den unmittelbaren käuflichen Erwerb von Immobilienobjekten handelt, erfolgen indirekte Immobilieninvestitionen durch den Kauf von geschlossenen und offenen Immobilienfonds, Immobilienaktien und sogenannten Real-Estate-Investment-Trusts (Abk. REITS). Insgesamt zeichnet sich jedoch die Entwicklung ab, dass vor allem im Portfoliokontext den indirekten Immobilieninvestitionen aufgrund ihrer einfachen Handelbarkeit eine herausragende Bedeutung zukommt. 16 Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass Immobilien im Gegensatz zu festverzinslichen Wertpapieren ein vergleichsweise höheres Risiko besitzen. Bei Immobilieninvestitionen zählen neben Zinsveränderungen (Finanzierung) auch Schwankungen des Immobilienangebots und der Immobiliennachfrage (Preis) zu den wichtigsten wertbeeinflussenden Faktoren. 17 1.2.2.4 Geldmarktinstrumente Geldmarktpapiere (auch Liquiditätstitel) sind spezielle Wertpapiere, in aller Regel abgezinste Schuldverschreibungen, die zur Beschaffung kurzfristiger Gelder ausgegeben (emittiert) werden. Damit sind sie Instrumente des Geldmarktes. Der Begriff umfasst nach der Definition des deutschen Investmentgesetzes (§48 InvG) üblicherweise sämtliche verzinslichen Wertpapiere, die höchstens eine Restlaufzeit von 397 Tagen besitzen bzw. deren regelmäßige Zinsanpassung mindestens einmal in 397 Tagen stattfindet. 18 Der Verkaufspreis errechnet sich aus dem Nominalwert abzüglich der für die Laufzeit insgesamt anfallenden Zinsen. Zu den Geldmarktpapieren zählen: unverzinsliche Schatzanweisungen („Bubills“, „U-Schätze“), die mit einer Mindeststückelung von 0,01 Euro von der Bundesrepublik Deutschland ausgegeben werden. Treasury Bills, die mit einer Mindeststückelung von 1.000 US-Dollar und abgezinst durch die US-Regierung ausgegeben werden (Staatsanleihe). Commercial Papers, auch CP genannt, die vornehmlich durch erstklassige Industrieadressen oder in Form forderungsbesicherter Wertpapiere (Asset-backed Commercial Papers kurz ABCP) durch spezielle Emissionsgesellschaften (Conduits) begeben werden. Certificates of Deposits, auch CD oder Einlagenzertifikate genannt. Es handelt sich um von Banken emittierte Geldmarktpapiere in Form von Inhaberpapieren. Bankakzepte, Kassenobligationen und Schatzwechsel. Cash Bills, auch Bundeskassenscheine genannt, sind Zerobonds mit einer Laufzeit von einem Monat. 16 Vgl. Maier (2007), S. 58 17 Vgl. Spremann (2008), S. 5 f. 18 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon <?page no="31"?> 32 1 Grundlagen des Portfolio Managements In der Praxis werden Geldmarktinstrumente aufgrund ihrer geringen Laufzeit und Verzinsung sowie ihres geringen Risikos häufig auch als „Cashäquivalent“ bezeichnet. Geldmarktinstrumente kommen vorrangig zum Einsatz, wenn Absicherungsgeschäfte durch einen länger anhaltenden Abwärtstrend der Kapitalmärkte wenig Sinn machen und der Portfolio-Manager aufgrund der momentanen Rahmenbedingungen beschließt, seine Wertpapierpositionen zu schließen und die daraus gewonnene Liquidität in Geldmarktinstrumente anzulegen bis sich ein geeigneter Einstiegszeitpunkt in den Aktienmarkt wieder findet. 1.2.3 Alternative Assetklassen Im Gegensatz zu der weit verbreiteten Meinung, dass Alternative Investments per Definition eine separate und selbstständige Anlageklasse bilden, wird im Nachfolgenden davon ausgegangen, dass alternative Anlagestrategien lediglich eine Teilmenge bzw. Kombination bereits existierender Anlageklassen darstellen. 19 Der Begriff Alternative Investments nimmt in einer Art Sammelbezeichnung die unterschiedlichsten Anlagestrategien auf, die jedoch nicht ohne Weiteres den traditionellen Anlageklassen zugeordnet werden können. Zu den wichtigsten Vertretern der alternativen Investments zählen Hedgefonds, Private Equity/ Venture Capital und der Handel mit Rohstoffen. Abb. 5: Übersicht zu den Anlagestrategien von Hedge Funds Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Fabozzi/ Markowitz (2011), S. 24 19 Vgl. Fabozzi/ Markowitz (2010), S. 19 Hedge Fund Styles Market Directional Equity Long/ Short Emerging Markets Short Bias Acrivist Investors Corporate Restructuring Distressed Securities Merger Arbitrage Event Driven Regulation D Convergence Trading Fixed Income Arbitrage Convertible Bond Arbitrage Equity Market Neutral Fixed Income Yield Alternatives Relative Value Arbitrage Opportunistic Global Macro Fund of Funds Multi-Strategy <?page no="32"?> 1.2 Welche Assetklassen kennt das Portfolio Management? 33 1.2.3.1 Hedgefonds Obwohl der Begriff „Hedge“ in der Praxis häufig mit der Absicherung von Wertpapierpositionen gegen negative Marktentwicklungen assoziiert wird, sind heutige Hedgefonds-Manager keinesfalls auf die namensgebende Strategie beschränkt, sondern bedienen sich der vollen Bandbreite an Finanzinstrumenten. Hedgefonds setzen zahlreiche quantitative Anlagestrategien auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Underlyings wie Wertpapiere, Währungen und Rohstoffe aus den unterschiedlichsten Anlageklassen sowie derivative Finanzinstrumente wie etwa Futures und Optionen ein. 20 Zu den populärsten Anlagestrategien von Hedgefonds gehören Konzepte wie Market Directional, Corporate Restructuring, Convergence Trading und Opportunistic. Abb. 5 liefert eine vertiefende Übersicht über die genannten alternativen Anlagestrategien von Hedgefonds. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die vergleichsweise hohen Renditen alternativer Anlagen unweigerlich mit der Übernahme hoher Verlustrisiken einhergehen. 1.2.3.2 Private Equity/ Venture Capital Eine andere alternative Anlagestrategie stellen private Unternehmensbeteiligungen in Form von Private-Equity-Fonds dar. Ein Finanzanlageunternehmen gründet dabei einen Private-Equity-Fonds, durch welchen am Kapitalmarkt Kapital aufgenommen wird, um sich anschließend an unterschiedlichen Zielgesellschaften zu beteiligen. Da ein Private-Equity-Fonds grundsätzlich außerordentliche Jahresüberschüsse und dementsprechendes Wachstum erwirtschaften möchte, reicht die Bandbreite der ausgewählten Zielgesellschaften von sanierungsbedürftigen Unternehmen mit Zukunftsperspektive bis hin zu nicht börsennotierten Unternehmen mit Potenzial. Um die angestrebten Ziele eines Private-Equity-Fonds in die Tat umzusetzen, ist jedoch ein vergleichsweise starker Einfluss auf die Unternehmensführung der Zielgesellschaft erforderlich. 21 Aus diesem Grund ist der Erfolg einer Investition in eine Zielgesellschaft auch in hohem Maße von den eingebrachten Erfahrungen und den umgesetzten Maßnahmen im Unternehmen abhängig. Und deshalb wird diese Anlagestrategie bzw. Finanzierungsform im Bereich Private Equity und Venture Capital oftmals auch als Katalysator des Wachstums bezeichnet. 1.2.3.3 Rohstoffe Da lediglich die verarbeitende Industrie im Zuge ihres Produktionsprozesses die benötigten Rohstoffe in physischer Form erwirbt, sind Kapitalanleger gezwungen, in synthetischer Form durch den Kauf von derivativen Finanzinstrumenten in Rohstoffe zu investieren. Da der Markt für Rohstoffe durch Hedgefonds und andere Marktteilnehmer überwiegend spekulativ genutzt wird, kommen zusätzlich zu den langfristigen und fundamentalen Betrachtungen weitere wertbeeinflussende Faktoren, wie vor allem das kurzzeitige Angebot sowie die Nachfrage nach Rohstoffen, als Determinanten hinzu. 20 Vgl. Bank-Verlag Medien (2008), S. 80 ff. 21 Vgl. Bank-Verlag Medien (2008), S. 81 <?page no="33"?> 34 1 Grundlagen des Portfolio Managements Aus diesem Grund gelten Investitionen in Rohstoffe grundsätzlich als riskant. 22 Dem signifikanten Risiko stehen jedoch gleichermaßen erhebliche Chancen gegenüber, um an der bemerkenswerten Anzahl der handelbaren Rohstoffe und deren Wertentwicklungen profitieren zu können. Abb. 6 zeigt in diesem Zusammenhang eine Übersicht der handelbaren Rohstoffe. Abb. 6: Die handelbaren Rohstoffe Quelle: Fabozzi/ Markowitz (2011), S. 30 22 Vgl. Spremann (2008), S. 6 Commodities Hard Commodities Energy Brewnt Oil Crude Oil Coal Gas Oil Heating Oil Natural Gas Unleaded Gasoline Metals Industrial Aluminium Chrome Copper Lead Mercury Nickel Selenium Tin Titanium Zinc Precious Gold Iridium Palladium Platinum Osmium Rhodium Ruthenium Silver Soft Commodities Food Feeder Cattle Live Cattle Live Hogs Pork Bellies Agricultural Softs Coffee Cocoa Cotton Orange Juice Rubber Sugar Silk Timber Wool Grains & Seeds Azuki Beans Barley Canola Corn Millet Oats Oilseeds Red Wheat Rice Rye Sorghum Soybeans Soybean Meal Wheat <?page no="34"?> 1.2 Welche Assetklassen kennt das Portfolio Management? 35 1.2.4 Weitere Untergliederungsmöglichkeiten der Assetklassen Die Wertpapiere innerhalb einer einzelnen Anlageklasse können aufgrund weiterer Kriterien nochmals detaillierter untergliedert werden. Zu nennen sind hier geographische Lage, Branchen-Zugehörigkeit, Marktkapitalisierung und der praktizierte Investmentstil. Diese Kriterien sollen anhand der Assetklasse Aktien näher aufgezeigt werden. Aktien können nach der geographischen Lage bspw. in Aktien aus Europa, USA, Japan oder Emerging Markets untergliedert werden. Nach der Branchen-Zugehörigkeit können Aktien unterschiedlicher Industrien unterschieden werden, wie z.B. Industrie-, Pharma- oder Finanzaktien. Die jeweilige Marktkapitalisierung der ausgewählten Aktien stellt ein weiteres Kriterium für eine tiefergehende Abgrenzung von Anlageklassen dar. Die Marktkapitalisierung entspricht dem Produkt aus der Anzahl der ausgegebenen Aktien und dem aktuellen Kurs des Wertpapiers. Der Begriff Marktkapitalisierung wird häufig zur Einordnung der Größe eines Unternehmens am Kapitalmarkt herangezogen. Unternehmen lassen sich in Abhängigkeit ihrer Größe in Large-Caps, Mid-Caps und Small-Caps unterteilen. In der Fachliteratur finden sich zur betragsmäßigen Abgrenzung stets unterschiedliche Unter- und Obergrenzen. Es erscheint in der Praxis jedoch durchaus üblich, bei einer Marktkapitalisierung ab $250 Millionen Dollar bis $1 Milliarde Dollar von einem Small-Cap-Unternehmen zu sprechen, weshalb auch oftmals unterhalb der aufgeführten Untergrenze die Rede von sogenannten Micro-Cap-Unternehmen ist. So genannte Mid-Cap-Unternehmen haben eine Marktkapitalisierung zwischen $1 Milliarde Dollar bis $5 Milliarden Dollar. Im Gegensatz zu den schon erläuterten Grenzen übertreffen Large-Cap-Unternehmen bezüglich ihrer Marktkapitalisierung von über $5 Milliarden Dollar alle zuvor genannten Unternehmen. 23 Werden Aktien nach dem praktizierten Investmentstil untergliedert, können Value- oder Growth-Anlagetitel unterschieden werden. Value-Anlagetitel sind wertorientierte Aktien, die einen hohen realwirtschaftlichen Gegenwert, den so genannten inneren Wert (englisch: intrinsic value), aufweisen. Bei Growth-Anlagetiteln handelt es sich um Aktien, die sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft durch ein starkes Wachstum charakterisiert sind. 1.2.5 Korrelationen aller wichtigen Anlageklassen Im Laufe der Zeit kristallisierte sich heraus, dass sowohl der Renditeverlauf als auch das dazugehörige Risikoprofil einzelner Wertpapiere und Finanzinstrumente innerhalb der unterschiedlichen Anlageklassen (z.B. Aktien oder Anleihen) nicht notwendiger- 23 Vgl. Fabozzi/ Pachamanova (2010), S. 15 <?page no="35"?> 36 1 Grundlagen des Portfolio Managements weise homogen sind. 24 Neben den spezifischen institutionellen Charakteristika und Rendite-Risiko-Eigenschaften der jeweiligen Wertpapiere wird von den Kapitalanlegern aufgrund des häufig angestrebten Diversifikationseffekts bei der Portfoliobildung eine geringe Korrelation mit anderen Anlageklassen bevorzugt. 25 Abb. 7 gibt vor diesem Hintergrund einen Überblick über die verschiedenen Korrelationen aller wichtiger Anlageklassen im Rahmen einer Momentaufnahme. Abb. 7: Korrelationen wichtiger Anlageklassen im Portfolio Management Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bloomberg, Goldman Sachs International, Stand 01.10.2012 26 1.3 Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management Die Frage der Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management hängt maßgeblich von der Frage ab, ob wir von unvollkommenen Kapitalmärkten oder von vollkommenen und effizienten Kapitalmärkten ausgehen. 24 Vgl. Steiner/ Bruns (2007), S. 110 25 Vgl. Kaiser/ Vöcking (2003), S. 19 26 Im linken Dreieck finden Sie die 5-Jahres-Korrelationen, im rechten die 1-Jahres-Korrelationen (jeweils auf Basis wöchentlicher Renditen) <?page no="36"?> 1.3 Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management 37 Im Falle unvollkommener Kapitalmärkte findet das aktive Porfoliomanagement Anwendung, im Falle vollkommener und effizienter Kapitalmärkte ist das passive Portfolio Management zu präferieren. 1.3.1 Sind Kapitalmärkte effizient? Quelle: © The University of Chicago Booth School of Business “A market in which prices at any time ‘fully reflect’ available information is called ‘efficient’, ... “ Eugene Fama - US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler (*1939) In diesem Abschnitt sollen einleitend der Begriff eines effizienten Kapitalmarktes und dessen Einflussfaktoren kurz dargestellt und erläutert werden. Das Konzept der Markteffizienz entstand maßgeblich durch die Forschungen von E UGENE F AMA während der Erstellung seiner Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades im Jahr 1970. 27 Die durch ihn aufgestellte Hypothese effizienter Kapitalmärkte (engl. efficient market hypothesis) wurde seit ihrer Veröffentlichung durch die unterschiedlichsten Vertreter der Volks- und Wirtschaftswissenschaften untersucht, diskutiert und kritisiert. Einige der wichtigsten Studienergebnisse sollen in den nachfolgenden Abschnitten erläutert werden, um eine grundlegende Einführung in die Hypothese effizienter Märkte zu liefern. Bei der Hypothese effizienter Kapitalmärkte geht man im Allgemeinen davon aus, dass die Kurse der börslich gehandelten Anlagetitel zu jeder Zeit alle entsprechenden und verfügbaren Informationen beinhalten. 28 Die Hypothese effizienter Märkte versucht unter dieser Annahme vorrangig den zeitlichen Abstand zwischen der Bewertung eines Wertpapiers und der Aufnahme neuer Informationen zur Erreichung eines neuen Gleichgewichtskurses am Kapitalmarkt zu erklären. Da im Rahmen dieses Prozesses hauptsächlich Erkenntnisse gewonnen werden, wie schnell der Markt neue Informationen verarbeitet, ist es unerheblich, ob die Informationen bei deren Umsetzung korrekt sind oder nicht. 29 27 Vgl. Parrina/ Kidwell (2009), Fundamentals of Corporate Finance, S. 251 28 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 2 29 Vgl. Elton et al. (2003), S. 402 <?page no="37"?> 38 1 Grundlagen des Portfolio Managements Abb. 8 zeigt in diesem Zusammenhang die Auswirkungen einer Nachrichtenveröffentlichung auf die Kursentwicklung des beobachteten Unternehmens. Abb. 8: Implikationen eines Events Quelle: Eigene Darstellung Liegen effiziente und vollkommene Kapitalmärkte vor, ist das passive Portfolio Management zu empfehlen. Beim passiven Portfolio Management wird versucht, den effizienten Markt so gut wie möglich zu replizieren. Eine Überrendite gegenüber dem effizienten Kapitalmarkt kann nicht erreicht werden. Bei unvollkommenen Kapitalmärkten ist das aktive Portfolio Management zu präferieren. Der Erfolg eines aktiven Portfolio Managements gegenüber der zugrundeliegenden Benchmark (meist ist dies der Markt) wird im Allgemeinen neben der Expertise des Portfolio-Managers hauptsächlich auf die Annahme eines unvollkommenen Marktes zurückgeführt. Durch den Vergleich der Leistung und Wertentwicklung eines aktiven Portfolio Managements mit dessen Benchmark wird versucht, die Hypothese effizienter Kapitalmärkte zu beweisen bzw. zu widerlegen. Abb. 9: Abstufungen der Informationseffizienz Quelle: Eigene Darstellung F AMA (1970 - 1991) stützt seine Aussagen maßgeblich auf die abgelaufene Zeit, die ein Kapitalmarkt benötigt, um neue Informationen und Nachrichten aufzunehmen und zu 75 80 85 90 95 100 -30 -25 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 25 30 Kurs des Wertpapiers Tage in Relation zum Veröffentlichungsdatum der Nachricht strenge Informationseffizienz schwache Informationseffizienz halbstrenge Informationseffizienz <?page no="38"?> 1.3 Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management 39 verarbeiten. Aus seinen Beobachtungen folgen die drei nachfolgenden Abstufungen (vgl. Abb. 9) der Hypothese effizienter Kapitalmärkte: Es liegt eine starke Ausprägung der Hypothese effizienter Märkte vor, wenn alle verfügbaren Informationen, also auch alle nicht-öffentlichen Informationen, sich in den Kursen der Wertpapiere widerspiegeln. Es wird hierbei auch vom „Einpreisen“ der Informationen in die Kurse gesprochen. Aufgrund dieser Annahme ist es grundsätzlich nicht möglich, den zugrundeliegenden Markt zu „schlagen“, also eine bessere Wertentwicklung als die zu vergleichende Benchmark zu erzielen. 30 Um während der zeitlichen Anpassung des Marktes an der Kursentwicklung partizipieren zu können, muss ein erheblicher Aufwand betrieben werden. Hierbei stellen die Aufbereitung der Informationen im Rahmen des Researchs sowie die Transaktionskosten beim Kauf und Verkauf der Wertpapiere wesentliche Determinanten der Kostenstruktur dar. Die Autoren E LTON , G RUBER , B ROWN und G OETZMANN (2003) beziehen im Gegensatz zu F AMA die anfallenden Kosten bei der Beschreibung der starken Ausprägung der Hypothese effizienter Märkte mit ein. Ihrer Meinung nach können sich die Informationen nur solange in den Kursen widerspiegeln, wie die marginalen Kosten den marginalen Gewinn nicht überschreiten. 31 Werden am Kapitalmarkt hingegen lediglich öffentlich verfügbare Informationen über die Unternehmen in den Kursen umgesetzt, bezeichnet man diese Abstufung als mittelstarke Ausprägung der Hypothese effizienter Märkte. Eine schwache Ausprägung der Hypothese effizienter Märkte liegt vor, wenn alle in den historischen Kursen enthaltenen Informationen sich im heutigen Kurs eines Wertpapiers widerspiegeln. G ROSSMAN und S TIGLITZ entwickelten schon 1980 die Hypothese, dass die Kosten, die bei der Aufarbeitung von Informationen entstehen, zu einem unmittelbaren Anstieg der Erwartungen an zukünftige Gewinne führen. Mit anderen Worten erwarten Anleger die Kompensation der Aufwendungen des Researchs durch zukünftige Anlageerträge. G ROSSMAN und S TIGLITZ griffen hierbei maßgeblich die Gedanken von J ENSEN aus dem Jahr 1978 auf, welcher schon Informationseffizienz als die Nichtexistenz der Möglichkeit definierte, mit speziellen Investmentstrategien systematische, risiko- und transaktionskostenbereinigte Überrenditen zu erwirtschaften. G ROSSMAN und S TIGLITZ interpretierten die Hypothese effizienter Märkte in ähnlicher Weise wie J ENSEN und postulierten, dass jeder zusätzlich durch das aktive Portfolio Management erwirtschaftete Ertrag alleinig zur vollständigen Deckung der zugrundeliegenden Verwaltungskosten beitragen würde. Die Erwirtschaftung von Überschussrenditen wird somit ausgeschlossen. Während die Kapitalmarkttheorie die Hypothese effizienter Kapitalmärkte stützt, zeigen sich in der Praxis als Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise Verwerfungen, die Unvollkommenheiten der Kapitalmärkte deutlich werden lassen. Daher gibt es gute Gründe, die sowohl für den Einsatz des aktiven Portfolio Managements als auch des passiven Portfolio Managements sprechen. 30 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 12 31 Vgl. Elton et al. (2003), S. 402 <?page no="39"?> 40 1 Grundlagen des Portfolio Managements 1.3.2 Das aktive Portfolio Management “Successful investing is anticipating the anticipations of others.” John Maynard Keynes - britischer Ökonom (*1883, †1946) Quelle: Public Domain Kommt es bei den Kapitalanlegern zu einem tatsächlich wahrnehmbaren zeitlichen Abstand zwischen der Veröffentlichung neuer Informationen und der anschließenden Verarbeitung durch die Marktteilnehmer an der Börse, so besteht für alle Marktteilnehmer die temporäre Chance, durch aktives Portfolio Management zusätzliche Anlageerträge zu erwirtschaften. In der Regel werden nach der Publikation neuer Informationen über Unternehmen solange neue Kaufs- und Verkaufs-Aufträge abgegeben, bis sich ein neues Marktgleichgewicht zu einem neuen Kurs ausgebildet hat. Die grundlegende Überlegung, ob ein effizienter oder ein unvollkommener Markt vorliegt, befasst sich also hauptsächlich mit der Frage, wie schnell neue Informationen durch den Kapitalmarkt verarbeitet werden können. Bei einer länger andauernden Anpassung des Kapitalmarktes durch die schleichende Verarbeitung neuer Informationen wird ein Portfolio-Manager oder Kapitalanleger unweigerlich von einem unvollkommenen Markt ausgehen. Die unterschiedliche Dauer, die ein Kapitalmarkt benötigt, um neue Informationen zu verarbeiten, führt unweigerlich zu temporären Unter- oder Überwertungen von Wertpapieren innerhalb eines Portfolios. Das aktive Portfolio Management zeichnet sich vor allem durch prognosegestützte Entscheidungen bei der Übernahme von Positionen im Markt aus. Ein aktiver Portfolio-Manager bildet sich in der Regel durch Berichte seiner Research-Abteilung seine eigene Meinung über den Kapitalmarkt und dessen möglichen zukünftigen Verlauf und setzt seine Einschätzung durch Zu- und Verkäufe in aktive Positionen im verwalteten Portfolio um. Eine aktive Position spiegelt entgegen einer neutralen Position die eindeutige Meinung des Portfolio-Managers wider. Beim aktiven Portfolio Management geht man davon aus, dass zukünftige Renditen und Risiken prognostizierbar sind, bzw. dass die Prognosen eine hinreichende Güte besitzen, um die damit verbundenen Kosten zu decken. Ziel im aktiven Verfahren ist es, systematisch Wertpapiere auszuwählen (Stockpicking), um eine Outperformance gegenüber dem Markt oder einer gegebenen Benchmark zu erreichen. <?page no="40"?> 1.3 Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management 41 Ein Beispiel soll den dargestellten Zusammenhang nochmals verdeutlichen. Die Konzernzentralen diverser Automobilhersteller wie Daimler, BMW und Volkswagen, erwarten aufgrund einer verstärkten Nachfrage aus Asien für das kommende Jahr Umsatzsteigerungen von bis zu 35 %. Vor diesem Hintergrund erwartet ein Portfolio- Manager möglicherweise für das kommende Quartal eine sehr positive Entwicklung innerhalb der gesamten Automobilbranche, sodass dieser den gesamten Bestand an Automobilwerten in seinem Portfolio signifikant erhöhen wird. Bei einer neutralen Position, wie in Abschnitt 1.1.3 beschrieben, spiegeln sich in den jeweiligen Portfolio- Gewichtungen der Anlagetitel die genaue Marktkapitalisierung der jeweiligen Unternehmen wider. Durch den Zukauf von Automobil-Werten verschieben sich beim aktiven Portfolio Management die Portfolio-Gewichte der einzelnen Anlagen und unterscheiden sich somit eindeutig von der neutralen Position. Es kann zusammenfassend festgestellt werden, dass ein Portfolio-Manager unter der Voraussetzung eines unvollkommenen Marktes grundsätzlich die Chance besitzt, durch geschickt getätigte Kauf- oder Verkaufsorders zusätzliche Anlageerträge in Form von Überschussrenditen zu erwirtschaften. Der Mittelpunkt des aktiven Portfolio Managements ist die Identifikation von über- oder unterbewerteten Einzeltiteln sowie die zeitliche Abstimmung der Kaufs- und Verkaufsaufträge. Der gesamte Prozess des aktiven Portfolio Managements verfolgt im Gegensatz zum passiven Portfolio Management das nachhaltige Ziel, die Rendite der zu vergleichenden Benchmark auch langfristig zu übertreffen. Die festgelegte Benchmark sollte deshalb neben den im eigenen Portfolio enthaltenen Einzeltiteln weitere Unternehmen beinhalten. Wird beispielsweise ein deutscher Fonds aus Aktientiteln aus dem Anlageuniversum des deutschen Aktienindex strukturiert, wird oftmals der deutsche Aktienindex DAX 30 als Benchmark verwendet. 1.3.2.1 Investmentstile im aktiven Portfolio Management Die Gesamtheit aller Portfolio-Manager investiert das Vermögen ihrer verwalteten Fonds auf ganz unterschiedliche Weise. Durch die unterschiedlichen Ansätze bei der Bildung von Portfolios haben sich im Laufe der Zeit in der Fachliteratur und auch in der Praxis ganz unterschiedliche Bezeichnungen entwickelt. Der Investment-Ansatz oder Investmentstil (engl. investment-style) beschreibt im Allgemeinen, nach welchen Kriterien ein Portfolio-Manager seine Anlageentscheidungen trifft, um seine Ziele im Rahmen des Investment-Management-Prozesses zu erreichen. Die zugrunde gelegte Methodik spiegelt sich neben der Kapitalmarkterfahrung des jeweiligen Portfolio-Managers auch bis zu einem gewissen Teil in dessen verfolgter Investmentphilosophie wider. Die Investmentphilosophie beschreibt eine Reihe von Prinzipien und Kriterien, die innerhalb eines Investment-Management-Prozesses beachtet werden sollten. Die Investmentphilosophie spiegelt im Grundsatz den Gedanken des Investmentstils wider und setzt diesen in einen Gesamtkontext. Beide Begriffe werden oftmals synonym verwendet. Abb. 10 zeigt eine Übersicht der gängigsten Investment-Ansätze sowie ihrer zugrundeliegenden Kriterien. Da sich im Lauf der Zeit eine außergewöhnliche Bandbreite an Anlagestrategien entwickelt hat, kann an dieser Stelle dem Anspruch auf Vollständigkeit leider nicht gerecht werden. Die nachfolgenden Abschnitte geben daher lediglich einen grundlegenden Einblick in die Thematik. Auf die populärsten Investment-Ansätze Value-, Growthsowie Blend-Investing gehen wir etwas detaillierter ein. <?page no="41"?> 42 1 Grundlagen des Portfolio Managements Abb. 10: Investment-Ansätze und deren Kriterien Quelle: Allianz GI Kapitalmarktanalyse 05/ 2009 Es kann festgestellt werden, dass die gebräuchlichsten Investmentansätze auf Grundlage der unterschiedlichsten Kriterien abgegrenzt werden können. Da die Investmentansätze Value, Growth und Blend ebenfalls auf eine Bewertung von Einzeltiteln zurückgreifen, um anschließend eine Selektion von Einzelwerten für die Konstruktion eines Portfolios vorzunehmen, entsprechen die genannten Investmentansätze im Wesentlichen der Stock Selection. 32 Im nachfolgenden Abschnitt sollen zunächst die verbreitetsten Investmentansätze und Kriterien aufgezeigt und kurz erläutert werden, um anschließend die beiden populärsten Investmentansätze „Value-Investing“ und „Growth-Investing“ näher zu beschreiben und miteinander zu vergleichen. 1.3.2.1.1 Investmentansätze nach der Methodik Die in Abb. 10 dargestellten Investmentstile können bei der Entscheidungsfindung grundsätzlich nach der zugrundegelegten Methodik unterschieden werden. Bei der Strukturierung von Portfolios kann im Allgemeinen entweder nach dem sogenannten Bottom-Up-Ansatz oder nach dem Top-Down-Ansatz vorgegangen werden. Bottom-Up-Ansatz Beim genannten Bottom-Up-Ansatz werden die Einzeltitel anhand verschiedener Kriterien analysiert und anschließend für die Bildung eines Portfolios selektiert. Da im Rahmen des Bottom-Up-Ansatzes vorrangig einzelne Unternehmen und deren Entwicklungen im Vergleich zum Gesamtmarkt bewertet werden, erfolgt noch vor der Bildung eines entsprechenden Portfolios eine umfassende Analyse der relevanten mikro- und makroökonomischen Einflussfaktoren. Diese Vorgehensweise wird in der englischsprachigen Fachliteratur auch als „Stock Picking“ bezeichnet. Top-Down-Ansatz Beim Top-Down-Ansatz wird hingegen zunächst eine prozentuale Einteilung der Anlageklassen vorgenommen, um eine geeignete Auswahl an Anlagetiteln aus den festgelegten Anlageklassen ableiten zu können. Bei der praktischen Anwendung des Top-Down-Ansatzes spiegeln sich oftmals die makroökonomischen Erwartungen des Portfolio-Managers in der strukturellen Aufteilung des verwalteten Portfolios wider. Da jedoch der Top-Down-Ansatz maßgeblich auf das grundlegende Konzept der Diversifikation aus der modernen Portfoliotheorie zurückgreift, erfreut sich dieser Ansatz vor allem im professionellen Fondsmanagement und der Vermögensverwaltung großer Beliebtheit. Private Kapitalanleger neigen dagegen häufig zu einer 32 Vgl. Heatter (2008), Investment Analytics and Consulting, J.P. Morgan S. 5 ff. Lebensphase • Value • Growth • Blend Marktkapitalisierung • Large-Cap • Mid-Cap • Small-Cap Asset Allocation • Branche • Währung • Land Methodik • Top-Down • Bottom-Up <?page no="42"?> 1.3 Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management 43 gezielten Auswahl von den Medien empfohlener Einzelwerte. 33 In diesem Zusammenhang begegnen auch Anlageberater im Kundeninteresse dem Bottom-Up-Ansatz sehr offen und versuchen, diesen bei der Strukturierung ihrer Kunden-Portfolios oftmals im Rahmen eines gemischten Ansatzes, welcher die erläuterte „Stock Selection“ und die angesprochene „Allocation“ verbindet, sinnvoll umzusetzen. Hierbei spricht man oftmals von einem sogenannten „Blend-Ansatz“. Nach der Unterteilung der gängigen Investmentansätze in die grundlegenden Bottom- Up- und Top-Down-Vorgehensweisen kann anschließend eine weitere Abgrenzung der üblichen Investmentstile auf Grundlage weiterer Kriterien erfolgen. Zu den gebräuchlichsten Kriterien zählen die Lebensphase eines Unternehmens, dessen Marktkapitalisierung oder deren Diversifikation im Rahmen der Asset Allocation. 1.3.2.1. 2 Investmentansätze nach der Marktkapitalisierung In Abschnitt 1.2.1 ff. wurde die jeweilige Marktkapitalisierung eines Unternehmens am Kapitalmarkt als ein mögliches Kriterium für eine tiefergehende Abgrenzung von einzelnen Aktien eingeführt. Vor dem Hintergrund der Marktkapitalisierung (engl. market capitalization) lassen sich Unternehmen in Abhängigkeit ihrer Größe in Large-Caps, Mid-Caps und Small-Caps unterteilen. Da die Fachliteratur hierzu keine verbindlichen Unter- und Obergrenzen liefert, sondern sich vielmehr auf die individuellen Erfahrungen aus der Praxis stützt, wurden schon in Abschnitt 1.2.4 einige Kriterien für die betragsmäßige Abgrenzung von Small-, Mid- und Large-Cap-Unternehmen eingeführt. Vor diesem Hintergrund werden Large-Cap-Unternehmen auch häufig als Standardwerte und Small-, und Mid- Caps als Nebenwerte bezeichnet. Obwohl sich eine einheitliche Abgrenzung in der Praxis durchaus schwierig gestaltet, fassen beispielsweise die Börsenindizes DAX 30, MDAX und SDAX jeweils größere, mittlere, und kleine deutsche Unternehmen in einem Marktindex als Segment zusammen. Durch die Abgrenzung von Unternehmen auf Grundlage ihrer Marktkapitalisierung, besitzen Aktien innerhalb eines Segments häufig gemeinsame Charakteristiken, die ein Kapitalanleger bei der Auswahl geeigneter Anlagetitel als auch bei der Strukturierung seines Portfolios berücksichtigen kann. Das Small-Cap-Segment In diesem Zusammenhang erwarten Kapitalanleger von Unternehmen aus dem Small- Cap-Segment aufgrund ihres enormen Wachstumspotenzials eine überdurchschnittlich hohe Rendite. In diesem Zusammenhang spricht man auch häufig vom sogenannten Size-Effect. Den Chancen des Anlagesegments stehen jedoch mitunter erhebliche Risiken gegenüber, da sich Small-Cap-Unternehmen im Vergleich zu Large-Cap- Unternehmen in der Regel nicht allzu stabil entwickeln und daher sehr volatile Anlagetitel darstellen. Aufgrund der geringen Größe und Marktkapitalisierung schneiden Small-Cap-Unternehmen in Marktphasen langanhaltender Rezession im Vergleich zur größeren Konkurrenz deutlich schlechter ab. Ein weiterer Nachteil zeichnet sich ebenfalls in der geringen Marktliquidität vereinzelter Small-Cap-Anlagetitel ab, die bei heftigen Korrekturen zu massiven Kursverlusten führen kann. 33 Vgl. Spremann (2006), S. 14 <?page no="43"?> 44 1 Grundlagen des Portfolio Managements Das Mid-Cap-Segment Das Mid-Cap-Segment wird in Deutschland häufig mit dem Begriff Mittelstand assoziiert und umfasst annahmegemäß Unternehmen mittlerer Größe. Unternehmen aus dem Mid-Cap-Segment besitzen ähnliche Eigenschaften wie das zuvor genannte Small- Cap-Segment. Da dem Markt für Small- und Mid-Cap-Unternehmen im Vergleich zum Markt für Large-Caps aufgrund einer mangelnden Fokussierung von Banken und Investmentgesellschaften eine gewisse Informationsineffizienz (vgl. Abschnitt 1.3) zugesprochen wird, ergeben sich in beiden Anlagesegmenten deutliche Kurspotenziale. Unternehmen aus dem Mid-Cap-Segment wirken aufgrund ihrer erhöhten Marktkapitalisierung und der Möglichkeit der Eigenfinanzierung im Vergleich zu Small-Caps deutlich stabiler, weisen aber dennoch hohe Wachstumschancen auf. Das Large-Cap-Segment Unternehmen aus dem Large-Cap-Segment zeichnen sich im Gegensatz zu den vorherigen Nebenwerten im Idealfall durch ein stabileres Umsatzwachstum, eine ausgeprägte Eigenfinanzierungsfähigkeit sowie eine hohe Marktliquidität aus. Obwohl Large-Cap-Unternehmen ebenfalls Wachstum aufweisen, wachsen diese bei weitem nicht so schnell wie etwa Small- und Mid-Cap-Unternehmen. Obwohl sich Rezessionen und temporäre wirtschaftliche Abschwünge tendenziell auf alle Segmente auswirken, leiden Unternehmen aus dem Large-Cap-Segment im Vergleich zu den Small- und Mid-Cap-Segment bei Weitem nicht so stark. 1.3.2.1. 3 Investmentansätze nach der Asset Allocation Im Rahmen der Asset Allocation kann das Anlagekapital auf Grundlage verschiedener Kriterien unterschiedlich aufgeteilt werden. Aufgrund von volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen können bestimmte Länder, Regionen, Währungen bzw. Branchen bei der Strukturierung eines Portfolios unter- oder übergewichtet werden, um bei der Asset Allocation einen Schwerpunkt zu treffen und bewusst übergeordnete Risiken auszuschließen. Auf Grundlage der volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen einiger geographischer Regionen besteht für einen Kapitalanleger jederzeit die Möglichkeit, bestimmte Länder und Regionen bei der Strukturierung eines Portfolios unter oder über zu gewichten, um entweder an volkswirtschaftlichen Expansionen partizipieren zu können oder gezielt geographische sowie geopolitische Risiken zu vermeiden. Da Investitionen in fremde Volkswirtschaften unweigerlich mit Chancen und Risiken der zugrundeliegenden Währung verbunden sind, kann unter Umständen aufgrund von währungspolitischen Risiken die Auswahl attraktiver ausländischer Anlagetitel eingeschränkt sein. Je nach Marktumfeld und Prognosen könnten Währungsgewinne entweder die Rendite einer ausländischen Kapitalanlage zusätzlich steigern oder eventuelle Kursverluste einer ausländischen Kapitalanlage auffangen. Ein weiteres Kriterium bei der Auswahl geeigneter Anlagetitel stellt die zugehörige Branche dar. Je nach wirtschaftlichem Umfeld können hierbei durch die gezielte Auswahl von Branchen gleichermaßen Chancen als auch Risiken genutzt bzw. vermieden werden. <?page no="44"?> 1.3 Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management 45 1.3.2.1. 4 Investmentansätze nach der Lebensphase Quelle: © AFP „Frage nicht nach dem Preis, den du für ein Unternehmen zahlst, sondern nach dem Wert, den du für dein Geld bekommst.“ Warren Buffett - amerikanischer Value-Investor, Chairman von Berkshire Hathaway (*1930) Growth-Ansatz, Value-Ansatz und Blend-Ansatz Nach der Lebensphase lassen sich grundsätzlich der Growth-Ansatz der Value-Ansatz und der Blend-Ansatz unterscheiden. Im Allgemeinen lassen sich der Value-Ansatz und der Growth-Ansatz wie folgt unterscheiden: Kapitalanleger, die ihre Anlageentscheidungen nach Value-Kriterien treffen, bevorzugen grundsätzlich etablierte Unternehmen, deren aktuelle Börsenwerte momentan unter deren Unternehmenswerten liegen, bei denen also eine eindeutige Unterbewertung der Unternehmen vorliegt. Kapitalanleger, die ihre Anlageentscheidungen dagegen auf Grundlage von Growth-Kriterien treffen, sind weniger am aktuellen Börsenwert eines Unternehmens interessiert, sondern bevorzugen eher Unternehmen, welche sich im Vergleich zu ihrer Konkurrenz weitaus schneller entwickeln. Insgesamt zeigt sich also, dass Value-Kapitalanleger sich vorrangig auf die Betrachtung der Gegenwart konzentrieren, wobei Growth-Kapitalanleger auf den zukünftigen Eintritt von aktuellen Wachstumserwartungen spekulieren. Der Blend-Ansatz stellt eine Kombination von zwei unterschiedlichen Kriterien dar, jedoch mit dem Unterschied, dass die zugrunde gelegten Kriterien sich nun auf das Value- und Growth-Investing auf Grundlage der Lebensphase eines Unternehmens beziehen. Ein Portfolio, das nach dem Blend-Ansatz strukturiert und verwaltet wird, erlaubt durch die Kombination des Value- und des Growth-Ansatzes sowohl an kurzfristigen Wachstumserwartungen der enthaltenen Growth-Titel als auch an längerfristigen Wertsteigerungen der Value-Titel zu partizipieren. Im Folgenden werden der Growth-Ansatz und der Value-Ansatz anhand der Kriterien Auswahl nach fundamentalen Kennzahlen, Auswahl nach dem Lebenszyklus eines Unternehmens, <?page no="45"?> 46 1 Grundlagen des Portfolio Managements Auswahl nach Value- und Growth-Strategien und Auswahl nach Branchen vorgestellt. Auswahl nach fundamentalen Kennzahlen Beim Value- und beim Growth-Ansatz resultiert die Auswahl geeigneter Anlagetitel hauptsächlich auf der Grundlage fundamentaler Kennzahlen. Der Value-Ansatz beurteilt implizit das Verhältnis zwischen dem ermittelten „fairen Wert“ und der Marktkapitalsierung des zu beurteilenden Unternehmens am Kapitalmarkt. Bei der Bestimmung des „inneren Wertes“ eines Unternehmens interessieren sich Kapitalanleger nach dem Value-Ansatz hauptsächlich für den Nettobuchwert eines Unternehmens. Der Value-Ansatz geht hier der Frage nach, was ein Unternehmen bei einer heutigen Auflösung tatsächlich wert wäre. Es zeigt sich, dass sich der „innere Wert“ eines Unternehmens unter der Voraussetzung einer sofortigen Liquidation unmittelbar aus dem vorhandenen Vermögen abzüglich aller Verbindlichkeiten ergeben würde. In der Regel entspricht der gesuchte Wert der Eigenkapitalaustattung eines Unternehmens. Bei der Bildung der dementsprechenden relativen Kennzahlen wird häufig als Bezugsgröße auf die Marktkapitalisierung eines Unternehmens zurückgegriffen. Die Marktkapitalisierung ergibt sich aus dem Produkt des aktuellen Börsenkurses eines Anlagetitels und der entsprechenden Anzahl an emmitierten Aktien des untersuchten Unternehmens. In diesem Fall spricht man auch häufig vom aktuellen Marktwert eines Unternehmens am Kapitalmarkt. Befindet sich der Marktwert eines untersuchten Unternehmens unter dessen ermitteltem „fairen Wert“, wird von einem stabilen Umsatz- und Gewinnwachstum ausgegangen, wonach sich nach dem Value-Ansatz die Aufnahme der Aktie in das Portfolio empfiehlt. In diesem Fall liegt also eine eindeutige Unterbewertung des Unternehmens durch den Kapitalmarkt vor. Bei der Bewertung nach dem Value-Ansatz greifen daher Analysten und Portfolio- Manager häufig auf fundamentale Kennzahlen zurück. Dazu wird oftmals das aktuelle Verhältnis zwischen dem Börsenwert und dem Buchwert eines Unternehmens verwendet. Um das jeweilige Verhältnis adäquat einschätzen zu können, findet häufig die bekannte Kennzahl des Kurs-Buchwert-Verhältnisses (engl. „Price-to-Book“) Anwendung. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis vergleicht den heutigen Börsenwert einer Aktie mit dem jetzigen Unternehmenswert unter der Prämisse einer sofortigen Liquidation der Vermögenswerte. Im angloamerikanischen Raum präferieren einige Portfolio-Manager je nach zugrundeliegender Anlagestrategie und Investmentphilosophie dagegen ein niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis (engl. „Price-to-Earnings“) bei der Bewertung eines Unternehmens. 34 Der Growth-Ansatz bildet den Gegenpol zum Value-Ansatz, da sich die zugrundeliegenden Kriterien nun maßgeblich auf die Beurteilung des zukünftigen Wachstums eines Unternehmens konzentrieren. Im Rahmen des Growth-Ansatzes wird überprüft, ob ein Unternehmen in Relation zu dessen zukünftigem Wachstum durch den Markt 34 Vgl. Heatter (2008), Investment Analytics and Consulting, J.P. Morgan S. 5 ff. <?page no="46"?> 1.3 Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management 47 unterbewertet ist oder nicht. 35 Es gilt diejenigen Unternehmen zu identifizieren, deren außerordentliches Wachstum bisher vom Markt signifikant unterschätzt wurde. Obwohl die Unterbzw. Überbewertung eines Unternehmens durch den Kapitalmarkt auf Grundlage unterschiedlicher Kennzahlen ermittelt werden kann, stellt das Kurs- Buchwert-Verhältnis eine der beliebtesten Kennzahlen dar. Im Gegensatz zum Value- Ansatz konzentrieren sich die Betrachtungen des Growth-Ansatzes auf Unternehmen mit hohen Kurs-Buchwert-Verhältnissen, da den Unternehmen aufgrund aussichtsreicher Wachstumsaussichten ein im Vergleich zu dessen Buchwerten erhöhter Börsenwert zugesprochen wird. Im Gegensatz zu Unternehmen, die unter das Value- Kriterium fallen, kann es aufgrund der Wachstumsphase von Growth-Unternehmen durchaus vorkommen, dass Dividenden nur in geringer Höhe oder gar nicht ausbezahlt, sondern ins Unternehmen direkt reinvestiert werden. Abb. 11: Kriterien für Value- und Growth-Investing Quelle: Allianz GI Kapitalmarktanalyse 05/ 2009 Da sich die umfassende Analyse eines Unternehmens nicht alleinig auf die Interpretation einer Kennzahl beschränkt, haben sich im Laufe der Zeit unterschiedliche Kennzahlen und Merkmale zur Bewertung von Unternehmen etabliert. Abb. 11 zeigt eine Übersicht an Kriterien für eine tiefergreifende Unterscheidung der Value- und Growth-Investmentansätze. Bei der Selektion von Anlagetiteln konzentrieren sich die Analysten und Portfolio-Manager nach dem Value-Ansatz vorrangig auf Unternehmen, die ein eher geringes Kurs-Gewinnbzw. Kurs-Umsatz-Verhältnis aufweisen. Unternehmen, die nach dem Growth-Ansatz ausgewählt werden, zeichnen sich durch ein hohes Kurs-Buchwert-Verhältnis, ein hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis sowie ein hohes Kurs-Cashflow-Verhältnis aus. 35 Vgl. Paulus/ Sauer (2000), S. 3 ff. Value • Geringes Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) • Geringes Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) • Geringes Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV) • Geringes Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) • Geringes o. stabiles Gewinnwachstum • Hohe Dividendenrendite • Stabiler Cashflow • Niedrige Verschuldungsquote • Gute Marktposition • Hohe Eigenkapitalrendite • Gewinnschätzungen (letzte 12 Monate) Growth • Hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) • Hohes Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) • Hohes Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV) • Hohes Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) • Langfristig hohes Gewinnwachstum • Keine oder geringe Dividendenrendite • Stark steigender Cashflow • Höhere Verschuldung • Hohes Umsatzwachstum • Geringe Eigenkapitalrendite • Gewinnschätzungen (nächste 12 Monate) <?page no="47"?> 48 1 Grundlagen des Portfolio Managements Auswahl nach dem Lebenszyklus eines Unternehmens Quelle: picture alliance / AP “The very best way to make money in a market is in a small growth company that has been profitable for a couple of years and simply goes on growing.“ Peter Lynch - amerikanischer Value- und Growth-Investor und ehemaliger Portfolio-Manager des Magellan Fonds und Berater bei Fidelity Investments (*1944) Abb. 12 zeigt den Lebenszyklus eines Unternehmens. Daraus ergibt sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen den verschiedenen Entwicklungsphasen und Investmentstilen des Value- und Growth-Investing. Abb. 12: Lebenszyklus eines Unternehmens Quelle: Allianz GI Kapitalmarktanalyse 05/ 2009 Da innovative Branchen und Produkte im Rahmen ihrer Entwicklung unweigerlich verschiedene Entwicklungsphasen durchlaufen, besitzen insbesondere Unternehmen mit Produkten in der Reife-Phase ihres Entwicklungszyklus eine bevorzugte Struktur für den Value-Ansatz. Nach dem Ansatz des Value-Investings werden also gezielt Unternehmen in ein Portfolio aufgenommen, deren Produkte sich im Rahmen ihrer Reife-Phase schon am Markt etabliert haben. Obwohl Unternehmen in der Regel in dieser Entwicklungsphase ein eher sinkendes Gewinnwachstum besitzen, geht man beim Value-Investing grundsätzlich davon aus, dass Value-Unternehmen durch ein erfolgreiches Management immer noch über Jahre hinweg beachtliche Gewinne erwirtschaften können. Da sich die Wachstumsphase in Abb. 12 im Gegensatz zur Reife-Phase durch einen erheblichen Anstieg des Absatzes auszeichnet, versuchen die Portfolio-Manager durch die Anwendung des Growth-Ansatzes an einem dementsprechend hohen Umsatz- und Entstehungsphase Wachstumsphase Reifephase Sättigungsphase <?page no="48"?> 1.3 Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management 49 Gewinnwachstum teilzuhaben. Nach dem Growth-Ansatz bevorzugen Analysten und Portfolio-Manager also in erster Linie Unternehmen, deren Kernprodukte sich in der Wachstumsphase ihres Lebenszyklusses befinden. In dieser Phase zeichnen sich Unternehmen im Gegensatz zu der Reifephase vor allem durch ein hohes Kurs- Gewinn-, Kurs-Umsatz- und Kurs-Cashflow-Verhältnis aus. Obwohl sich Unternehmen entsprechend den Kriterien aus Abb. 11 eindeutig dem Value- oder Growth-Ansatz zuordnen lassen, wird es immer wieder Aktien geben, die einerseits unterbewertet sind und andererseits hohe Wachstumschancen in der Zukunft erwarten lassen. Aus diesem Grund ist eine strikte Trennung zwischen dem Value- und dem Growth-Ansatz nicht immer möglich, sodass die beiden Anlagestile Value und Growth in der Praxis oftmals kombiniert bzw. vermischt werden. In diesem Fall spricht man vom sogenannten Blend-Ansatz. Die Anwendung des Blend-Ansatzes erlaubt die Nutzung der gesamten Bandbreite des Kapitalmarktes als zugrundeliegendes Investmentuniversum. Auswahl nach Value- und Growth-Strategien Weitere Kriterien zur Identifikation von Unternehmen nach der Lebensphase sind Value- und Growth-Strategien. Diese sind in Abb. 13 dargestellt. Abb. 13: Value- und Growth-Strategien Quelle: Andritoiu (2008), “It’s all about Style”, J.P.Morgan Investment Analytics and Consulting, S. 5 Der Value-Ansatz kann grundsätzlich durch verschiedene Anlagestrategien umgesetzt werden. Es wird jedoch hauptsächlich zwischen der „Low P/ E Strategy“, „Contrarian Strategy“ und der „Yield Strategy“ unterschieden. Bei der „Low P/ E Strategy“ untersucht ein Kapitalanleger grundsätzlich defensive, zyklische und eher unbeliebte Branchen nach Unternehmen mit einem besonders niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnis anhand der gleichnamigen Kennzahl KGV. Die „Contrarian Strategy“ beschränkt sich bei der Auswahl von geeigneten Anlagetiteln auf Unternehmen, die im Verhältnis zu ihren Buchwerten relativ stark unterbewertet sind. Im Rahmen der „Yield Strategy“ wählt der Kapitalanleger vorrangig Anlagetitel von Unternehmen aus, die aktuell moderate bis hohe Dividendenauszahlungen Value-Strategien • Niedriges-Kurs-Gewinn-Verhältnis- Strategie (Low P/ E Strategy) • Konträre Strategie (Contrarian Strategy) • Dividenden-Strategie (Yield Strategy) Growth-Strategien • Stetiges-Wachstum-Strategie (Consistent Growth Strategy) • Gewinn-Momentum-Strategie (Earnings Momentum Strategy) <?page no="49"?> 50 1 Grundlagen des Portfolio Managements besitzen sowie stabile und wachsende zukünftige Dividendenausschüttungen erwarten lassen. Der Growth-Ansatz beschränkt sich in seiner hauptsächlichen Umsetzung auf die „Consistent Growth Strategy“ und die „Earnings Momentum Strategy“. Innerhalb der „Consistent Growth Strategy“ hält der Portfolio-Manager lediglich Unternehmen und Gesellschaften von höchster Qualität, welche gleichermaßen stetig wachsende Gewinnerwartungen für die Zukunft erwarten lassen. Die „Earnings Momentum Strategy“ konzentriert sich dagegen auf den rechtzeitigen Kauf von gewinnträchtigen Unternehmen, um schon in naher Zukunft an einem beschleunigten Gewinnwachstum partizipieren zu können. Auswahl nach Branchen Quelle: Muhlenkamp & Co. “Investing in a market sector simply because ‘it’s done so well’ is like choosing to plant corn in October because your neighbor’s corn has grown so well since April.“ Ronald H. „Ron“ Muhlenkamp - amerikanischer Investor, Fondsmanager und Autor, Gründer von Muhlenkamp & Company (*1944) Die bisherigen Ausführungen lassen den Schluss zu, dass bestimmte Branchen in besonderem Maße die Kriterien der Investmentstile Value und Growth erfüllen und sich dementsprechend sehr gut für die Selektion geeigneter Anlagetitel eignen. Da das langfristige Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft einen unmittelbaren Einfluss auf die Entwicklung von Unternehmen und gesamten Branchen ausübt, soll in diesem Zusammenhang zunächst kurz auf die Struktur des langfristigen Wirtschaftswachstums eingegangen werden. Durch die Entwicklung neuer Produkte und die Ausgliederung veralteter Produkte entstehen in den Zyklen des langfristigen Wirtschaftswachstums spürbare Schwankungen in Form von Auf- und Abschwüngen. Die im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Lebensphasen tragen in ihrer Gesamtheit zu der Entwicklung des langfristigen Wirtschaftswachstums bei. Da die Entwicklung des Aktienmarkts dem Verlauf des Konjunkturzyklusses in der Regel voraus ist, besteht zumindest in der Theorie die Möglichkeit, zwischen den Ab- und Aufschwungphasen eines Konjunkturzyklusses die höchsten Kursgewinne zu erwirtschaften. Nach dem Growth-Ansatz erfolgt die Selektion geeigneter Unternehmen maßgeblich aus der Betrachtung besonders wachstumsorientierter Branchen. Da ein wachstumsorientiertes Unternehmen mit hohen Gewinn- und Umsatzerwartungen jedoch unweigerlich von der gesamtwirtschaftlichen Produktion und dem Konsum aller <?page no="50"?> 1.3 Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management 51 Wirtschafteinheiten innerhalb einer Volkswirtschaft abhängig ist, sind wachstumsorientierte Branchen stark zyklisch geprägt. Abb. 14 zeigt in diesem Zusammenhang die Indexaufteilung des Euro Stoxx 50 auf Grundlage der wichtigsten Branchen sowie ausgewählter Value- und Growth- Kriterien. Aus Abb. 14 geht hervor, dass besonders Branchen wie der zyklische Konsum, die Versorger, die Industrie und die Informationstechnologie zu den klassischen wachstumsorientierten Branchen zählen. Abb. 14: Stoxx Limited, Stand Januar 2009. Quelle: Allianz GI Kapitalmarktanalyse 05/ 2009 Aus Abb. 14 geht ebenfalls hervor, dass besonders die Finanz-, Energie- und Versorger-Branche, aber auch die Gesundheits-Branche überwiegend Unternehmen enthalten, welche den Value-Kriterien entsprechen. Im Gegensatz zu wachstumsorientierten Branchen wie der Informationstechnologie weisen wertorientierte Branchen deutlich geringere Schwankungen im Zeitablauf auf. In Baisse-Phasen ändern deshalb Kapitalanleger oftmals ihren Investmentstil, um sich den geänderten Rahmenbedingungen des Marktes anzupassen. In einer Baisse-Phase schichten Kapitalanleger häufig ihre Wertpapiere zugunsten wertorientierter Branchen (Value-Werte) um. Der Versorgungssektor, die Gesundheits- und Nahrungsmittelbranche sind im Gegensatz zu wachstumsorientierten Branchen nicht allzu zyklisch ausgeprägt, da die Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Medikamenten auch in konjunkturellen Abschwüngen weitestgehend beständig bleibt. Die Bedeutung von Erwartungen im Growth-Ansatz und Value-Ansatz Obwohl die voranstehenden Ansätze durchaus wertvolle Vorteile besitzen, ist der langfristige Erfolg einer Anlagestrategie im Allgemeinen stets vom Eintritt der Erwartungen eines Kapitalanlegers abhängig. Der Value- und Growth-Ansatz sowie nahezu alle anderen am Markt befindlichen Anlagestrategien unterliegen in hohem Maße dieser Problematik. Ein Portfolio-Manager geht nach dem Value-Ansatz grundsätzlich davon aus, dass ungünstige Nachrichten zu einer eindeutigen Überreaktion der Marktteilnehmer in Form eines temporären Rückgangs des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) eines stabilen Unternehmens führen werden. Sie eröffnen ihm somit die Möglichkeit, in dieses 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% EURO STOXX TMI Growth EURO STOXX TMI VALUE <?page no="51"?> 52 1 Grundlagen des Portfolio Managements Unternehmen zu einem günstigen Kurs zu investieren, da der Aktienkurs zu diesem Zeitpunkt nicht den „fairen inneren Wert“ des Unternehmens darstellt. Auch hier ist die Verbindung zur Hypothese effizienter Märkte deutlich spürbar. Der Value-Ansatz beruht einerseits auf der Hypothese effizienter Märkte, andererseits auf der Annahme, dass sich durch die Überreaktion der Marktteilnehmer temporäre Unter- oder Überbewertungen in den Kursen der Aktien ergeben können. Obwohl der angesprochene Zusammenhang zumindest erfasst wurde, kann hierbei nicht von einer allgemeingültigen Regel oder gar Gesetzmäßigkeit gesprochen werden. Was wäre beispielsweise, wenn sich durch die Reaktionen der Markteilnehmer ein fairer Preis ergeben würde? Der klassische Value-Investor nimmt in diesem Fall nach wie vor an, dass der Kurs des Wertpapiers aufgrund der Überreaktion des Marktes korrigieren wird. Als Beispiel wollen wir uns die ungeheuren Abwertungen großer Investmentbanken während der Sub-Prime-Krise 2008 und der nachfolgenden Finanzkrise 2009 ansehen. Ein Value-Investor hätte ohne Insider-Informationen die massiven Kursverluste der Investmentbanken aufgrund ihrer vergangenen vermeintlich starken Bilanzen als klare Buy-Signale gewertet. Die in Abb. 15 dargestellte Entwicklung untermauert diese Aussagen nochmals. Schlussendlich stellte sich keine Korrektur der Kurse ein, sondern ehemals ehrwürdige Investmentbanken wie Lehman Brothers und Bear Stearns wurden in Folge massiver Verluste aufgekauft, verstaatlicht oder gar liquidiert und verschwanden somit von der Wall-Street. Da wir uns in einem Kapitalmarkt mit vielen unterschiedlichen Marktteilnehmern befinden, zeigt dieses Beispiel die zentrale Problematik des Value-Investings: Obwohl alle am Markt befindlichen Investoren die Unternehmen auf der Basis gleicher Informationen analysieren, fallen die Beurteilungen bezüglich des inneren Wertes eines Unternehmen durchaus unterschiedlich aus. Abb. 15: Stoxx Limited Quelle: Allianz GI Kapitalmarktanalyse (05/ 2009), S. 10; Originalquelle: Datastream, MSCI Total Return Indizes; Stand Januar 2009 In ähnlicher Weise begegnet uns die vorangestellte Problematik auch beim Growth- Investing. Da ein Portfolio-Manager nach dem Growth-Ansatz die Selektion geeigneter Anlagetitel nach wachstumsorientierten Gewinnerwartungen trifft, ist auch der Erfolg des Growth-Ansatzes unmittelbar vom Eintritt dieser Erwartungen abhängig. 6% 4% 2% 0% 2% 4% 6% 8% 10% 12% 14% Value Phasen Growth Phasen <?page no="52"?> 1.3 Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management 53 In den letzten Jahrzehnten haben die Markteilnehmer die Bildung von Blasen, das anschließende mehrfache Platzen der entstandenen Blasen und die sich anschließenden schwerwiegenden Konsolidierungen ganzer Branchen erleben müssen. Beim Growth- Investing besteht also stets die Gefahr, dass sich Kapitalanleger in Boom-Phasen zu teuren Kursen eindecken, und die Unternehmen nach dem Platzen der Blasen die Gewinnerwartungen nicht erfüllen können. Je nach Marktumfeld kann es immer wieder trotz steigender Gewinne zu einem Rückgang des Aktienkurses kommen. In diesem Fall versagt der Ansatz des Growth-Investings ebenfalls. Bei der Wahl eines geeigneten Ansatzes sollte also stets eine Abwägung der genannten Vor- und Nachteile stattfinden. 1.3.2.2 Der Investmentprozess Quelle: picture alliance / AP „Menschen, die ihre Emotionen nicht unter Kontrolle haben, sind schlecht dazu geeignet, vom Investment-Prozess zu profitieren.“ Benjamin Graham - Begründer des Value-Investings (*1894, †1976) Das aktive Portfolio Management zeichnet sich maßgeblich durch die zugrundeliegende Absicht aus, durch die aktive Über- und Untergewichtung von Anlagetiteln in einem verwalteten Portfolio eine eindeutige Position gegenüber dem Markt einzunehmen, um bei Eintritt der Erwartungen und Prognosen an den tatsächlichen Marktentwicklungen partizipieren zu können. In diesem Zusammenhang müssen bei der Betreuung von Mandaten, sei es im Portfolio Management einer Vermögensverwaltung oder eines Investmentfonds, täglich Anlageentscheidungen getroffen werden, welche durch die zukünftige Ausrichtung des Entscheidungshorizontes unweigerlich potenzielle Verlustrisiken enthalten. Die Organisation und Bündelung aller getätigten Anlageentscheidungen innerhalb der verschiedenen Entscheidungsstufen, welche grundsätzlich den Anforderungen und Bedürfnissen des zugrundeliegenden Mandats entsprechen sollten, bezeichnet man als Investmentprozess. Der Investmentprozess spielt aufgrund der individuellen Anforderungen in der klassischen Vermögensverwaltung eine weitaus größere Rolle als etwa bei der Verwaltung eines Investmentfonds. Obgleich sich der Investmentprozess aufgrund der individuellen Bedürfnisse der verwalteten Mandate im Detail in einigen Punkten unterscheiden <?page no="53"?> 54 1 Grundlagen des Portfolio Managements kann, entsprechen sich die übergeordneten Arbeitsschritte in struktureller Hinsicht weitestgehend. Im Allgemeinen unterscheidet man innerhalb des Investmentprozesses drei wesentliche Schritte (vgl. Abb. 16): Planung Realisierung Kontrolle Abb. 16: Investmentprozess Quelle: Brinkmann, 2007, S. 8 in Anlehnung an Schmidt-von Rhein, 1996, S. 14 1.3.2.2.1 Planung Im ersten Schritt des Investmentprozesses, der Planung, stehen die Anlegeranalyse, die Vermögensverwaltungsanalyse sowie die Finanzanalyse vorrangig in Wechselwirkung mit der späteren Portfoliorealisierung. Die Phase der Planung umfasst alle notwendigen Maßnahmen, die zur späteren Anlageentscheidung führen. Im Rahmen dieses Prozesses werden maßgeblich alle anlegerrelevanten Informationen gesammelt, aufbereitet und anschließend ausgewertet, um daraus ein Rahmenwerk für die späteren Anlageentscheidungen zu bilden. Im Rahmen der Anlegeranalyse und Vermögensverwaltungsanalyse kann der Kapitalanleger durch die Beantwortung von zentralen Fragen über die bevorzugten Anlageziele und den festgelegten Anlagehorizont unmittelbaren Einfluss auf den Investmentprozess des Portfolio-Managers nehmen. Die anlegerrelevanten Umweltbedingungen des Kapitalmarktes begrenzen wiederum die Anlegerpräferenzen auf das am Kapitalmarkt tatsächlich realisierbare und das durch den Portfolio-Manager uneingeschränkt umsetzbare. 36 Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt der Betrachtungen: 37 Sollen im Rahmen der Kapitalanlage und der daraus resultierenden Anlageentscheidungen das bestehende Vermögen in erster Linie gesichert und bewahrt werden, 36 Vgl. Schmidt-von Rhein (1996), S. 14 f. 37 Vgl. Kaiser/ Vöcking (2002), S. 24 <?page no="54"?> 1.3 Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management 55 oder sollen durch die Durchführung einer riskanteren Anlagepolitik etwa Vermögenszuwächse erzielt werden? Wie steht ein Kapitalanleger tatsächlichen Risiken im Sinne von Kapitalverlusten gegenüber? Liegt aufgrund von geplanten monatlichen Entnahmen ein gesteigerter Liquiditätsbedarf vor? Auf welchen Zeitraum erstreckt sich der geplante Anlagehorizont? Welche steuerlichen Rahmenbedingungen gilt es zu beachten? Bis zu welchem Grad werden Entscheidungen dem Portfolio-Manager überlassen bzw. inwiefern besteht Handlungsvollmacht? Die Finanzanalyse beschäftigt sich im Rahmen des Planungsprozesses mit der möglichst genauen Bestimmung der Rendite- und Risikoprognosen für alle ausgewählten Anlageobjekte innerhalb des zugrundeliegenden Anlagehorizontes. Die Prognose stellt durch die sich im Zeitablauf stets wechselnden Wirkungszusammenhänge der Finanzmärkte eine äußerst schwierige Aufgabe dar. 38 Der Prozess der Finanzanalyse liefert Anlagekonzepte, die in Abstimmung mit der Anlegeranalyse angewendet werden. Als Resultat der Finanzanalyse ergeben sich über- und unterbewertete Unternehmen, attraktive Branchen oder geeignete Einstiegszeitpunkte, welche später im Rahmen der Portfolioplanung und -realisierung unter Berücksichtigung der festgelegten Anlagepolitik umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang werden unabhängig vom zugrunde gelegten Ansatz bei der Identifikation von über- oder unterbewerteten Unternehmen in der Regel aus einem zuvor festgelegten Anlageuniversum einzelne Anlagetitel ausgewählt, welche die individuellen Kriterien des Portfolio-Managers oder Kapitalanlegers erfüllen. Aus dieser Auswahl erfolgt anschließend bei der Portfoliorealisierung die aktive Gewichtung und Bildung eines Portfolios nach den individuellen Vorstellungen des Portfolio- Managers basierend auf der prognostizierten Marktentwicklung. 1.3.2.2.2 Portfoliorealisierung Im Rahmen der Portfoliorealisierung bzw. Portfoliobildung erfolgt die praktische Umsetzung der Asset Allocation mit Hilfe von Entscheidungsmodellen, wie z.B. dem Erwartungswert-Varianz-Ansatz. 39 Die Portfoliobildung setzt jedoch voraus, dass zuvor alle relevanten Ergebnisse der Anleger-, Finanzbzw. Vermögensverwaltungsanalyse aus der Portfolioplanung vorliegen. Auf Grundlage der gesammelten Informationen kann anschließend eine Anlagepolitik abgeleitet und formuliert sowie eine bedarfsgerechte Portfoliostrukturierung (Asset Allocation) geplant werden. Aus diesem Grund spricht man in diesem Zusammenhang auch von einer Portfoliorealisierung im weiteren Sinne. Die tatsächliche praktische Umsetzung der zuvor formulierten und geplanten Portfoliostruktur (Asset Allocation) stellt eigentlich die Portfoliorealisierung im engeren Sinne dar. 40 38 Vgl. Dichtl/ Poddig (2002), S. 744 39 Vgl. Schmidt-von Rhein (1996), S. 9 40 Vgl. Schmidt-von Rhein (1996), S. 15 <?page no="55"?> 56 1 Grundlagen des Portfolio Managements Je nach praktizierter Anlagepolitik können bei der Portfoliobildung unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Die Schwerpunktbildung bei der Portfoliostrukturierung soll deshalb kurz am Beispiel der Branchenauswahl aufgezeigt werden. Im Gegensatz zur Auswahl eines einzelnen Anlagetitels legt man bei der Auswahl einer Branche gezielt Schwerpunkte auf eine gesamte Branche, welche wiederum unterschiedliche Anlagetitel enthält. Die Aufteilung von Anlagetiteln nach Branchen wird häufig anhand nachfolgender Kriterien ermittelt: 41 [1] Klassifizierung nach der zugrundeliegenden Industrie (z.B. Industrie, Finanzen, Gesundheit u.a.) [2] Unterteilung nach Art der Erzeugnisse (z.B. Konsumgüter, Industrielle Güter, Dienstleistungen u.a.) [3] Abgrenzung nach Eigenschaften (z.B. Größe, Rendite, Qualität, Wachstum, zyklisches Verhalten und Stabilität u.a.) [4] Unterscheidung nach der Sensitivität bezüglich grundlegender ökonomischer Zusammenhänge (zinsabhängige Anlagetitel sowie wechselkursabhängige Anlagetitel u.a.) Die Portfoliobildung auf der Grundlage von Branchen besitzt den maßgeblichen Vorteil, sich einerseits aufgrund der Erwartungen auf eine bestimmte Branche konzentrieren zu können, und andererseits durch die verschiedenen Anlagetitel innerhalb der ausgewählten Branche ebenfalls eine gewisse Diversifikation erzielen zu können. Es sei dennoch darauf hingewiesen, dass das verwaltete Portfolio weiterhin über mehrere Branchen diversifiziert werden sollte, um etwaige Klumpen-Risiken auszuschließen. In diesem Sinne spielen Branchen also auch bei der Allokation eines Portfolios eine wichtige Rolle. Die aufgelisteten Kriterien zur Bildung von Branchen können in einem anderen Kontext auch für die Performanceanalyse ganzer Märkte herangezogen werden, um dem zuständigen Portfolio-Manager und Kapitalanleger eine authentische Übersicht über die vergangene Performance ganzer Marktsegmente zu liefern. Bei der Portfoliorevision wird in regelmäßigen Zeitintervallen überprüft, ob die gegenwärtige strategische Asset Allocation des verwalteten Portfolios immer noch mit dem bevorzugten Rendite-Risiko-Profil des Kapitalanlegers übereinstimmt. Aus der Überprüfung auf etwaigen Umschichtungsbedarf resultiert gegebenenfalls die Durchführung von Umschichtungstransaktionen innerhalb eines Portfolios. 42 Die Portfoliorevision orientiert sich dabei vorrangig an der Häufigkeit der veröffentlichten Informationen über die im Portfolio enthaltenen Kapitalanlagen. Bei sehr volatilen Aktien, Optionen und Anleihen empfiehlt es sich, eine wöchentliche oder monatliche Überprüfung des Portfolios vorzunehmen. In anderen Fällen kann der Zeitraum der Portfoliorevision auch deutlich länger ausfallen. 43 Beim Market-Timing im weiteren Sinne versuchen Portfolio-Manager durch verschiedene Maßnahmen, die Sensitivitäten eines Portfolios gemäß den Prognosen an die zukünftige Marktentwicklung anzupassen, um somit von Trends profitieren zu können, oder die Sensitivität des verwalteten Portfolios bei bevorstehenden negativen Marktphasen zu verringern. Diese Maßnahme geschieht entweder durch den Einsatz 41 Vgl. Elton et al. (2003), S. 680 42 Vgl. Schmeisser (2010), S. 244 43 Vgl. Nyholm (2008), S. 2 f. <?page no="56"?> 1.3 Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management 57 von Futures, Optionen und Swaps oder durch den Zu- oder Verkauf von kurzfristigen Anleihen. Das Market-Timing kommt daher eher im Bond-Portfolio Management zum Einsatz, obgleich ein vereinzelter Einsatz im Aktien-Portfolio Management zu erkennen ist. Das Market-Timing im engeren Sinne verkörpert dagegen die Wahl eines geeigneten Ein- und Ausstiegszeitpunktes für ausgewählte Anlagetitel, um dadurch an temporären Trends partizipieren zu können. 44 1.3.2.2.3 Kontrolle Die Performancemessung und Erfolgsanalyse steht am Ende eines jeden Investmentprozesses. Auf rollierender Basis können die innerhalb der Performancemessung und Erfolgsanalyse festgestellten Ergebnisse zur Verbesserung der Struktur eines Portfolios herangezogen werden. Ziel ist es, auf die Änderung volkswirtschaftlicher und ökonomischer Rahmenbedingungen angemessen reagieren zu können. 1.3.3 Das passive Portfolio Management Quelle: © Larry D. Moore, 2007 “Properly measured, the average actively managed dollar must underperform the average passively managed dollar, net of costs. Empirical analyses that appear to refute this principle are guilty of improper measurement.” 45 William Sharpe - Ökonom und Wirtschaftswissenschaftler (*1934) Die Grundannahme des passiven Portfolio Managements ist die Präsenz effizienter Kapitalmärkte (vgl. Abschnitt 1.3.1). Auf Grundlage dieser Annahme führen Informationen bereits unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung zu einer Anpassung der Kurse innerhalb der betreffenden Wertpapiere. In diesem Fall besteht keine Möglichkeit zur Erwirtschaftung systematischer (risikoadjustierter) Übergewinne. Beim passiven Portfolio Management wird versucht, die Entwicklung eines Marktes, meist repräsentiert durch einen Index, durch die Bildung eines marktadäquaten Portfolios nahezu perfekt abzubilden. 44 Vgl. Elton et al. (2003), S. 678 45 William Sharpe, „The Arithmetic of Active Management“, The Financial Analysts Journal Vol. 47 (1991) <?page no="57"?> 58 1 Grundlagen des Portfolio Managements Aus einem derartig effizienten Kapitalmarktumfeld resultiert unweigerlich die Notwendigkeit, lediglich in das Marktportfolio sowie in eine risikolose Kapitalanlage zu investieren. 46 Im passiven Portfolio Management wird angenommen, dass keine Prognosen bezüglich der zukünftigen Rendite und des Risikos getroffen werden können, bzw. dass sie keine ausreichende Güte besitzen, um die Kosten für diese Schätzungen zu kompensieren. Man geht hier von effizienten Kapitalmärkten aus. Daher ist es das Ziel im passiven Ansatz, eine festgelegte Benchmark möglichst exakt und mit geringen Kosten nachzubilden. Beim passiven Portfolio Management vermeidet der Kapitalanleger vor allem hohe Transaktionskosten, da zur Replizierung eines Index häufig weniger Anlagen in ein Portfolio aufzunehmen sind als bei einem vergleichbar aktiv geführten Portfolio. Durch die indirekte Abbildung eines Index ist das Portfolio Management nicht mehr vom intensiven Research und der aufwändigen Aufbereitung von Prognosen abhängig. Die Selektion von Kapitalanlagen, welche sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit besser als der Kapitalmarkt entwickeln, entfällt im Rahmen des passiven Portfolio Managements ausnahmslos. Diese Tatsache reduziert den zu betreibenden Aufwand innerhalb des Investmentprozesses erheblich, wodurch an den Kunden eine günstige Kostenstruktur (Verwaltungsgebühren) weitergegeben werden kann. 47 Die beliebten Kapitalanlagen des passiven Portfolio Managements zeigen sich aktuell vor allem im Produktangebot namhafter Banken und Investment-Gesellschaften in Form von ETFs, den sogenannten Exchange Traded Funds. Der Markt für Exchange Traded Funds verzeichnet seit ihrer erstmaligen Auflegung im Jahr 1993 in den USA und der europäischen Markteinführung im Jahr 2000 einen enormen Zuwachs an Popularität. Laut Branchenangaben sind derzeit über 2.200 ETFs mit einem gesamten Vermögen von über 1,1 Billionen US-Dollar am Kapitalmarkt platziert. 48 1.3.3.1 Struktur im passiven Portfolio Management Im Allgemeinen unterscheidet man bei der praktischen Umsetzung passiver Investmentfonds zwischen den Verfahren der physischen Replikation und den Methoden der synthetischen Replikation (vgl. Abb. 17). Im Rahmen der nachfolgenden Abschnitte soll eine kurze Erläuterung bzw. ein kurzer Vergleich der unterschiedlichen ETF-Strukturen vorgenommen werden. 1.3.3.1.1 Die physische Replikation Neben den niedrigen Kosten stellen die Transparenz und die effiziente Abbildung des zugrundeliegenden Marktindex einen der wichtigsten Vorteile der physischen Replika- 46 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 6 ff. 47 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 6 ff. 48 Vgl. Deutsche Bank-Research (2010) <?page no="58"?> 1.3 Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management 59 Abb. 17: Einordnung der Struktur und Methodik passiver Anlageinstrumente Quelle: Eigene Darstellung tion von ETFs dar. Im Vergleich zu der synthetischen Nachbildung eines Index ist dieser allerdings durch die Aufnahme (nahezu) aller Indexbestandteile des zu replizierenden Index einem erheblich höheren Aufwand ausgesetzt. Die arbeits- und kostenintensive Anpassung an Veränderungen in der Indexzusammensetzung führen neben höheren Gebühren zu einer höheren Abweichung zwischen dem Tracking Portfolio und dem zugrundeliegenden Marktindex. Diese Abweichung wird im nachfolgenden häufig als „Tracking Error“ bezeichnet. Neben den bereits erläuterten Kostenfaktoren beeinflusst die Wahl des Sampling-Verfahrens maßgeblich die Höhe des Tracking Errors. Insbesondere die physische Replikation hat sich in der Praxis bei der Abbildung kleiner liquider Benchmarks bewährt. So können Märkte wie etwa der DAX 30, S&P 500 oder gar der FTSE 100 nahezu exakt in Form eines Tracking Portfolios abgebildet werden. Bei der Replizierung des MSCI World Index mit über 1.800 Indexbestandteilen stößt die physische Replizierung jedoch hinsichtlich ihrer Handhabung und Effizienz an ihre Grenzen. Je nach Zusammensetzung des nachzubildenden Index führen die Methoden der direkten Replikation unter Umständen zu einer erheblichen Überschreitung des erwarteten Tracking Errors. 49 Aus diesem Grund bieten moderne Sampling-Verfahren den ETF-Anbietern die Chance, lediglich in einen repräsentativen Anteil, d.h. ein ähnliches Rendite-Risiko- Profil, zu investieren (siehe nachfolgend das Stratified Sampling). In einem besonders volatilen Marktumfeld kann jedoch auch der Sampling-Ansatz zu einem höheren Tracking Error als erwartet führen. Darüber hinaus können auch die steuerliche Behandlung sowie die Zeitpunkte der Dividendenzahlungen zu einer Erhöhung des Tracking Errors (vgl. Abb. 18) beitragen. 50 Im Gegensatz zur physischen Replikation liefert die synthetische Replikation durch Swaps einen deutlich günstigeren Ansatz, vor allem im Hinblick auf die steuerliche Behandlung der Dividenden. In diesem Fall verringert sich die durch die Quellensteuer induzierte Erhöhung des Tracking Errors. 51 49 Vgl. Deutsche Bank (2010), S. 4 50 Vgl. Morningstar (2012) 51 Vgl. Deutsche Bank (2010), S. 3 ff. Struktur Methodik Passives Portfolio Management Physische Replikation Synth. Replikation Full Replication Stratified Sampling Optimised Sampling <?page no="59"?> 60 1 Grundlagen des Portfolio Managements Abb. 18: Vergleich der Ursachen für Kosten/ TE bei direkter und indirekter Replikation Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Deutsche Bank Research (2010), S. 6 1.3.3. 1.2 Die synthetische Replikation Um einerseits ökonomisch sinnvolle Investments mit geringeren Einflussfaktoren auf den Tracking Error anbieten zu können, setzt der überwiegende Anteil der ETF- Anbieter vermehrt auf swapbasierte synthetische Strukturen bei der Abbildung von Indizes. Hierbei erfolgt die Nachbildung der Performance des zugrundeliegenden Index nicht durch die physische Aufnahme aller Bestandteile des zu replizierenden Index in ein Portfolio, sondern dadurch, dass die Wertentwicklung des Marktindex durch den Abschluss eines oder mehrerer Swaps mit einem oder mehreren Swap-Kontrahenten im Rahmen von Cash-Ausgleichszahlungen sichergestellt wird. Hierbei bietet die swapbasierte Replikation durch die Auslagerung verbundener Risiken und Tracking- Kosten an den Swap-Kontrahenten eine erheblich effizientere Alternative im Hinblick auf die Steuerung und Reduzierung induzierter Einflussfaktoren auf den Tracking Error. Bei einer Swap-Vereinbarung zwischen einem ETF-Anbieter und einer Investment-Bank garantiert der Swap-Kontrahent die gleichen Erträge, die aus einem physischen Investment in einen Index entstehen würden. Bei einem Swap-Geschäft mit einer Investmentbank erhält der ETF-Anbieter nicht nur die Erträge des zugrundeliegenden Indexes, sondern verpflichtet sich ebenfalls etwaig anfallende Verluste des replizierten Indexes durch die Übertragung seiner Vermögenswerte zu begleichen. 1.3.3.2 Methodik im passiven Portfolio Management Innerhalb der Wissenschaft wurden bereits 1991 drei mögliche Methoden zur Abbildung eines Marktindex beleuchtet, welche in der Praxis teilweise bis heute angewendet werden. Diese bestehen aus der vollen Replizierung eines Index (engl. Full Replication), aus einer Gruppenauswahl (engl. Stratified Sampling) sowie aus einer optimierten Replikation (engl. Optimised Sampling). Diese Methoden können in ihrer ursprünglichen Form grundsätzlich unabhängig von den gebräuchlichen Verfahren ihrer praktischen Umsetzung angewendet werden. Synthetischer, swapbasierter ETF Direkte Replikation Dividenden: steuerliche Behandlung und Zeitpunkt der Auszahlung Liquiditätsprobleme/ Eigentumsbeschränkungen Kosten der Indexnachbildung TER (Gesamtkostenquote) Kosten/ Tracking Error <?page no="60"?> 1.3 Abgrenzung zwischen aktivem und passivem Portfolio Management 61 1.3.3.2.1 Full Replication Die Full-Replication-Methode entspricht in ihrer Grundform der physischen Replikation und erlaubt die Aufnahme aller Aktien des abzubildenden Index gemäß ihrer Marktkapitalisierung in das Tracking Portfolio. Gleichermaßen kann diese Methode im Zusammenhang mit der synthetischen Replizierung des Marktportfolios verwendet werden. Aus der Marktkapitalisierung der jeweiligen Wertpapiere ergeben sich die Anteile des Tracking Portfolios. Demnach enthält ein Full Replication-ETF des EURO STOXX 50 ® tatsächlich alle 50 Bestandteile des EURO STOXX 50 ® im Verhältnis ihrer dementsprechenden Marktkapitalisierung. 1.3.3.2.2 Stratified Sampling Beim Stratified Sampling wird durch die sinnvolle Bildung von verschiedenen Faktoren, wie z.B. Branchenzugehörigkeit, Unternehmensgrößen und Beta-Faktoren, grundsätzlich versucht, einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Tracking Portfolios und dem Marktportfolio herzustellen. Durch die klare Identifikation aller relevanten Bestandteile innerhalb eines Tracking Portfolios reduziert sich der laufende Aufwand um ein Vielfaches. 1.3.3.2.3 Optimised Sampling Das Optimised Sampling stellt eine dem Stratified Sampling ähnliche Methode dar, wobei die Vorgehensweise jedoch weitestgehend auf einer statistischen Analyse der Kursentwicklung basiert. Hierbei werden diejenigen Anlagetitel ausgewählt, welche bei der historischen Betrachtung einen signifikanten Anteil zur Entwicklung des Marktportfolios beigetragen haben. Durch die Anwendung von quadratischen Optimierungsalgorithmen kann dabei eine Abwägung der Transaktionskosten und des erwarteten Tracking Error stattfinden und anschließend ein optimales Tracking Portfolio (vgl. Kapitel 5) gebildet werden. 52 Die praxisnahe Replizierung von Indizes erfolgt aufgrund ihrer günstigeren Kostenstruktur überwiegend innerhalb einer synthetischen Replikation unter dem Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten, wie z.B. Swaps. Die Anwendung der Full-Replication- Methode erfolgt dagegen aufgrund des hohen Aufwands und der erhöhten Transaktionskosten anteilig am Gesamtangebot der ETFs eher selten, wobei diese aufgrund ihrer Transparenz im angebotenen Produktspektrum der ETF-Anbieter ebenfalls anzutreffen sind. 53 52 Vgl. ETFlab (2011), S. 30 53 Vgl. Comstage ETF (2011) <?page no="61"?> 62 1 Grundlagen des Portfolio Managements 1.4 Wie unterscheiden sich die strategische Asset Allocation und die taktische Asset Allocation? Quelle: Max Holzer „Die Asset Allocation gilt weithin als die Königsdisziplin des Asset Management, denn sie bestimmt etwa zu 80 % die Rendite und sogar zu 95 % das Risiko einer Anlagestrategie.“ Max Holzer - Leiter Portfolio Management Asset Allocation, Union Investment Die Asset Allocation beschreibt die individuelle Strukturierung eines Portfolios nach den qualitativen oder quantitativen Kriterien des Kapitalanlegers bzw. Portfolio- Managers und stellt im Sinne des vorangestellten Zitates einen wichtigen Anteil des Investmentprozesses dar. Durch die spezifischen Anforderungsprofile von privaten- und institutionellen Kapitalanlegern haben sich im Laufe der Zeit entsprechende Ansätze zur Bildung von Portfolios entwickelt, die zur Erfüllung der unterschiedlichen Anlegerziele beitragen sollen. Mit die populärsten Ansätze stellen der Bottom-Up- und der Top-Down-Ansatz dar, die ja bereits in Abschnitt 1.3.2.1 eingeführt wurden, wobei der Bottom-Up-Ansatz im Gegensatz zum Top-Down-Ansatz der ältere und traditionellere Ansatz ist. Während man beim Bottom-Up-Ansatz bereits zu Beginn der Strukturierung eines Portfolios eine Auswahl von Anlagetiteln mit überdurchschnittlichen Gewinnerwartungen vornimmt, widmet sich der Top-Down-Ansatz vorrangig der Auswahl verschiedener Märkte und Branchen für die Allokation des Portfolios. Abb. 19 verdeutlicht diesen Zusammenhang nochmals. Verschiedene empirische Studien belegen, dass der Top- Down-Ansatz durch die Asset Allocation einen signifikanten Anteil zur Performance eines Portfolios beiträgt. Die Ergebnisse der empirischen Studie von B RINSON , S INGER und B EEBOW (1991) belegen zum Beispiel, dass die anfängliche Asset Allocation einen signifikanten Anteil zur Rendite eines Portfolios (Performance) beiträgt. 54 Aus diesem Grund muss nach dem Bottom-Up-Ansatz die Fähigkeit eines Portfolio-Managers, in der Zukunft überdurchschnittlich entwickelnde Unternehmen ausfindig zu machen, nicht zwangsläufig zu einer außergewöhnlich hohen Performance führen. Da der überwiegende Anteil der Portfolioperformance durch die getroffenen Entscheidungen während der 54 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 8 ff. <?page no="62"?> 1.4 Wie unterscheiden sich die strategische und die taktische Asset Asset Allocation abhängig ist, kann man durchaus behaupten, dass die Asset Allocation eine der wichtigsten Entscheidungen bei der Bildung von Portfolios darstellt. Portfolio-Manager bestätigen diese Aussage in der Praxis (siehe Zitat) ebenfalls. 55 Durch die systematische Aufteilung des zur Verfügung stehenden Anlagebetrages auf die einzelnen Anlageobjekte stellt die Asset Allocation eindeutig einen Schwerpunkt bei der Realisierung von Portfolios im Rahmen des Investmentprozesses dar. Eine ähnliche Vorgehensweise verfolgt die Revision bzw. das Rebalancing eines Portfolios. In diesem Zusammenhang werden entgegen der erstmaligen Asset Allocation jedoch lediglich eine Überprüfung und gegebenenfalls eine Anpassung des zuvor erstellten Portfolios vorgenommen. 56 Abb. 19: Top-Down-Ansatz Quelle: Eigene Darstellung Abb. 19 unterteilt die verschiedenen Phasen des Top-Down-Ansatzes in die folgenden drei Schritte: Strategische Asset Allocation, taktische Asset Allocation und Titel-Auswahl. Da die Titel-Auswahl bereits in Abschnitt 1.3.2 ausführlich beschrieben wurde, beschränken wir uns nun auf die Darstellung der strategischen und taktischen Asset Allocation. Innerhalb der strategischen Asset Allocation werden Entscheidungen über Assetklassen Länder und Währungen getroffen. Die taktische Asset Allocation gliedert das Portfolio nach Titeln, Branchen und Laufzeiten. Diesen Zusammenhang stellt Abb. 20 grafisch dar. 55 Vgl. Rasmussen (2003), S. 177 56 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 21 1. Schritt: Strategische Asset Allocation 2. Schritt: Taktische Asset Allocation 3. Schritt: Titel-Auswahl <?page no="63"?> 64 1 Grundlagen des Portfolio Managements Abb. 20: Asset Allocation im Detail Quelle: Eigene Darstellung 1.4.1 Die strategische Asset Allocation Im ersten Schritt des Top-Down-Ansatzes, der strategischen Asset Allocation, werden zunächst die langfristigen Ziele eines jeden Kapitalanlegers analysiert. Darauf aufbauend wird eine verbindliche Vereinbarung im Hinblick auf die allgemeinen Rahmenbedingungen der durchzuführenden Asset Allocation festgelegt. Die Rahmenbedingungen enthalten neben anlegerspezifischen Ertragszielen und Risikosensitivitäten ebenfalls individuelle Restriktionen, die unter Umständen in Konflikt zum aktuellen Marktumfeld stehen können. In diesem Fall muss zur Harmonisierung der Vorstellungen der Kapitalanleger und der Chancen und Risiken des Kapitalmarkts oftmals ein Kompromiss eingegangen werden. 57 Die Rahmenbedingungen für die strategische Asset Allocation betreffen neben der Wahl des Zeithorizonts oder der Intervalle der Portfoliorevision auch die Berücksichtigung der individuellen Anlageziele (vgl. Abschnitt 1.3.2) des Kapitalanlegers. Der festgelegte Investmenthorizont gibt den Zeitraum an, auf den sich die Erwartungen über die zukünftige Rendite und das einzugehende Risiko beziehen. Auf dieser Grundlage wird anschließend ein Portfolio mit einem optimalen ex ante Rendite- und Risikoprofil gebildet. Die Wahl des geeigneten Investmenthorizonts sollte dabei der Vorstellung des Portfolio Managements über eine langfristige Kapitalanlage entsprechen. Demnach wäre ein Zeitraum von 1, 5 oder 10 Jahren denkbar. Die Portfoliorevision bestimmt des Weiteren die Zeitintervalle, an denen überprüft wird, ob die gegenwärtige strategische Asset Allocation immer noch mit dem gewählten Rendite-Risiko-Profil übereinstimmt. Die Portfoliorevision sollte sich vorrangig an der Häufigkeit der veröffentlichen Informationen über die im Portfolio enthaltenen Kapitalanlagen orientieren. Bei sehr volatilen Aktien, Optionen und Anleihen empfiehlt es sich, eine wöchentliche oder monatliche Überprüfung des Portfolios vorzunehmen. Andernfalls kann der Zeitraum der Portfoliorevision auch deutlich länger ausfallen. 58 Obwohl in der Fachliteratur oftmals die Begriffe Portfoliorevision und Portfolio Rebalancing synonym verwendet werden, sollte eine klare Abgrenzung der Begrifflichkeiten vorgenommen werden. Abb. 21 gibt hierzu einen systematischen Überblick über die Begriffsdefinitionen, ausgehend von der Portfoliorevision im weiteren Sinne. 57 Vgl. Haspel/ Karl, Vienna Capital Management AG 58 Vgl. Nyholm (2008), S. 2 f. Asset Allocation Strategische Assetklassen Länder Währungen Taktische Titel Branchen Laufzeiten <?page no="64"?> 1.4 Abb. 21: Begriffsunterteilung Portfoliorevision Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009) S. 23, Schmidtvon Rhein (1996), S. 32 Die Portfoliorevision im weiteren Sinne untergliedert sich in das Portfolio Monitoring und in die Portfoliorevision im engeren Sinne. Beim Portfolio Monitoring überprüft die Investment-Abteilung ständig das aktuelle Portfolio hinsichtlich der aktuellen Marktbedingungen und deren Relation zu den zuvor festgelegten langfristigen Anlagezielen. Die Veröffentlichung neuer Informationen stellt einen wesentlichen Katalysator für die Divergenz von Anlagezielen und Marktbedingungen dar. Im Umkehrschluss liegt es nahe, dass sich die Anlegerziele und Präferenzen gleichermaßen stets ändern können. Solange sich das aktuelle Marktumfeld in einem direkten Konflikt zu den festgelegten Anlegerzielen befindet, besteht ein eindeutiger Handlungsbedarf seitens des Portfolio-Managers und seiner Investmentabteilung. In diesem Fall resultieren aus dem Portfolio Monitoring weitere Entscheidungen und Handlungen. Da die notwendigen Umschichtungen jedoch auf anderer Instanz durchgeführt werden müssen, nimmt das Portfolio Monitoring lediglich eine Überwachungsfunktion wahr und kann somit letztlich nur der Portfoliorevision im weiteren Sinne zugeordnet werden. Die Portfoliorevision im engeren Sinne resultiert unmittelbar aus den Erkenntnissen des Portfolio Monitoring und stellt die für die Umsetzung konkreter Maßnahmen geeignete Instanz dar. Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwei Vorgehensweisen: das Rebalancing und das Upgrading eines Portfolios. Da die unterschiedlichen Wertentwicklungen in einem Portfolio zwangsläufig zu einer Verschiebung der Portfolio-Struktur in Bezug auf die Portfolio-Gewichte führen, werden beim Portfolio Rebalancing die ursprünglichen Portfolio-Gewichte wiederhergestellt. Obwohl das Upgrading eines Portfolios sich gleichermaßen mit der Umschichtung des Portfolios befasst, wird diese Vorgehensweise durch eine andere Motivation begründet. Ziel des Upgradings ist es, die Positionierung eines Portfolios zu verbessern und somit die Performance zu steigern. 59 Tab. 1 gibt nochmals einen Überblick über die soeben besprochenen Kriterien der Asset Allocation. 59 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 23 Portfolio Revision (i.w.S.) Portfolio Monitoring Portfolio Revision (i.e.S.) Portfolio Rebalancing Portfolio Upgrading <?page no="65"?> 66 1 Grundlagen des Portfolio Managements Strategische Asset Allocation Taktische Asset Allocation Zeithorizont eher langfristig eher kurzbis mittelfristig Portfoliorevision eher niedrig eher höher Ziel Bildung eines Portfolios mit einem optimalen ex ante Rendite/ Risiko- Profil. Out-Performance Tab. 1: Vergleich von strategischer und taktischer Asset Allocation Quelle: Eigene Darstellung Nachdem die Anlageziele des Kapitalanlegers definiert wurden, kann die systematische Aufteilung des Vermögens auf der Ebene von Assetklassen, Ländern und Währungen erfolgen. Bei der Kombination mehrere Finanzinstrumente aus den unterschiedlichsten Assetklassen, Ländern und Währungen spricht man von sogenannten „Mixed-Asset- Portfolios“. Die spezielle „Mischung“ erlaubt eine langfristige Ausrichtung der Anlagepolitik auf mikro- und makroökonomische Trends über verschiedene Märkte hinweg. 60 Im Anschluss soll das Gegenstück zur soeben erläuterten strategischen Asset Allocation vorgestellt werden, die taktische Asset Allocation. 1.4.2 Die taktische Asset Allocation Im Gegensatz zur strategischen Asset Allocation werden bei der taktischen Allokation bewusst Risikopositionen eingegangen, um an kurzfristigen Chancen am Kapitalmarkt zu partizipieren und dadurch überdurchschnittlich hohe Renditen zu erwirtschaften. Die taktische Asset Allocation verfolgt in den Grenzen der übergeordneten strategischen Asset Allocation das Ziel, eine den Umweltbedingungen des Kapitalmarktes angemessene Überschussrendite zu erwirtschaften. Dabei konzentriert sich die taktische Asset Allocation auf die weitere Strukturierung des Anlagebetrages in rangniedere Anlageklassen und Titel. Aus diesem Grund orientiert sich auch die weitere Auswahl an vorher festgelegten Anlageklassen, Branchen und Währungen aus der strategischen Asset Allocation. 61 Die im Vergleich zur strategischen Asset Allocation erwirtschafteten überdurchschnittlichen Renditen resultieren einerseits aus der effizienten Umsetzung kurzfristiger Chancen und andererseits aus den unterschiedlich langen Zeitintervallen bei der Revision der beiden Strategien, da im Rahmen der taktischen Asset Allocation durch die verkürzten Überprüfungsintervalle deutlich schneller auf bevorstehende Änderungen des Marktumfelds reagiert werden kann. 62 Um an kurzfristigen Trends partizipieren zu können, muss dementsprechend eine Anpassung der Anteile des verwalteten Portfolios erfolgen. Dabei sollten die durch die strategische Asset Allocation vorgegebenen Rahmenbedingungen auf jeden Fall eingehalten werden. Es wird deutlich, dass 60 Vgl. Maier (2007), S. 22 f. 61 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 21 62 Vgl. Nyholm (2008), S. 2 f. <?page no="66"?> 1.5 Welche Bedeutung hat die Rendite für das Portfolio Management? 67 sich die taktische Asset Allocation der strategischen Asset Allocation unterordnen muss. Eine der bekanntesten Methoden der taktischen Asset Allocation stellt das Market- Timing dar. Die Methodik des Market-Timing (vgl. Abschnitt 1.3.2) beinhaltet den Aufbau bzw. Abbau von Sensitivitäten des Portfolios gegenüber prognostizierten Änderungen im Marktumfeld. Wird beispielsweise durch die Politik eine neue Richtlinie für Automobilhersteller beschlossen, die auf die Verringerung des zukünftig zulässigen Schadstoffausstoßes für neue Kraftfahrzeuge abzielt, muss darauf adäquat reagiert werden. Falls der verantwortliche Portfolio-Manager eines Investmentfonds mit einer Vielzahl an Automobilwerten die Situation als eher kritisch einschätzen sollte, wird dieser die Positionen für die betroffene Branche unmittelbar verringern, um die Sensitivität des Portfolios gegenüber der Automobilindustrie abzubauen. 1.5 Welche Bedeutung hat die Rendite für das Portfolio Management? Quelle: Picture Alliance / Photoshot „Wer die gleichen Aktien kauft wie alle anderen, hat auch die gleiche Performance! “ John M. Templeton (*1912, †2008) Der Begriff „Rendite“ bezeichnet prinzipiell den mit einer Kapitalanlage über einen bestimmten Zeitraum erzielten Erlös im Verhältnis zu dessen ursprünglichen Anlagebetrag. Die Rendite einer Kapitalanlage wird dabei entweder in dezimaler oder üblicherweise in prozentualer Schreibweise angegeben. 63 Im Rahmen des Portfolio Managements kommt dem Renditebegriff aufgrund der Erkenntnisse der Portfolio Selection Theory nach M ARKOWITZ eine weitaus größere Rolle zu, als man zunächst glauben möchte. Der Verwendungszweck der Rendite findet sich dabei einerseits in der rückblickenden Beurteilung einer historischen Wertentwicklung und andererseits in der Einschätzung und Prognose einer zukünftigen Wertentwicklung wieder. Die Bestimmung der Rendite eines Anlageobjektes kann also entweder ex post oder ex ante durchgeführt werden. Unabhängig vom Zeitbezug der 63 Vgl. Prexl/ Bloss/ Ernst/ Haas/ Häcker/ Röck (2009), S. 307 <?page no="67"?> 68 1 Grundlagen des Portfolio Managements Rendite drückt diese stets den Anlageerfolg relativ zum ursprünglichen Anlagebetrag aus, sodass eine prozentuale Darstellung der Werte grundsätzlich vorzuziehen ist. In der rückblickenden Betrachtung einer abgelaufenen Anlageperiode quantifiziert die Rendite, wie erfolgreich eine oder mehrere Kapitalanlagen das ursprüngliche zur Verfügung stehende Vermögen über einen vergangenen Zeitraum haben anwachsen lassen. Die vorausblickende Betrachtung einer zukünftigen Periode quantifiziert dagegen den zu erwarteten Anlageerfolg einer oder mehrerer Kapitalanlagen in den darauffolgenden Anlageperioden. 64 Die verwendete Methode bei der Berechnung der Rendite ist maßgeblich von der Form der zu beurteilenden Kapitalanlage abhängig. Je nach Art der Kapitalanlage, d.h., ob es sich bei der Bewertung um Termineinlagen (Festgeld), verzinsliche Wertpapiere (Anleihen) oder Investitionen (Aktien, Investmentfonds oder Unternehmensbeteiligungen) handelt, wird in der Regel auf unterschiedliche Renditebzw. Zinsberechnungen zurückgegriffen. Die nachfolgenden Abschnitte geben vor diesem Hintergrund einen Überblick über die verschiedenen Methoden der Rendite- und Zinsberechnung sowie Hinweise auf die dazugehörigen Anwendungsgebiete in der Praxis. 1.5.1 Diskrete Rendite Die nachfolgenden Berechnungen sollen auf Grundlage folgender mathematischer Notation dargestellt werden. Der Beginn einer Zeitperiode wird mit 0 angegeben, das Ende des gesamten Anlagezeitraums mit dem Großbuchstaben T. Die n Zeitabschnitte dazwischen werden mit fortlaufenden Zahlen mit dem Kleinbuchstaben als Platzhalter bezeichnet. Die diskrete Rendite (engl. simple rate of return), im nachfolgenden mit bezeichnet, ergibt sich gemäß Formel (1.2) aus dem gegenwärtigen Anlagekapital abzüglich des ursprünglichen Anlagekapitals (also der Veränderung des Kapitals im Zeitablauf) im Verhältnis zum ursprünglichen Anlagekapital . Die diskrete Rendite definiert sich also formal wie folgt: (1.2) mit Diskrete Rendite für den angegebenen Zeitraum Anlagekapital zu Beginn des betrachteten Anlagezeitraums Anlagekapital am Ende des betrachteten Anlagezeitraums Bei der Berechnung der diskreten Rendite wird der untersuchte Anlagezeitraum als eine einzige Periode wahrgenommen, sodass unterjährige Zahlungen bei der Berechnung keine Beachtung finden. Weiterhin spielt es keine Rolle, zu welchem Zeitpunkt die jeweiligen Vermögensänderungen in der Vergangenheit erfolgten, da lediglich das prozentuale Endergebnis für den Anlagezeitraum ermittelt wird. Die Bezeichnung „diskret“ resultiert maßgeblich aus dem Zeitabschnitt der betrachteten Anlageperiode, da diese unweigerlich auf zwei einzelnen „diskreten“ Zeitpunkten, dem Beginn und dem Ende des Anlagezeitraums, beruht. In diesem Zusammenhang wird auch häufig die Bezeichnung „einfache Rendite“ synonym verwendet oder von einer Gesamt- 64 Vgl. Spremann (2008), S. 71 <?page no="68"?> 1.5 Welche Bedeutung hat die Rendite für das Portfolio Management? 69 rendite (engl. total return) gesprochen. Im angelsächsischen Sprachgebrauch bezeichnet man die diskrete Rendite häufig auch als holding period return. Das Ausmaß der einfachen Rendite ist tendenziell von der Länge des betrachteten Anlagezeitraums abhängig. Aus diesem Grund fällt bei einem Anlagezeitraum von etwa 5 Jahren die diskrete Rendite der gesamten Beobachtungsperiode mit ca. 140 % im Vergleich zu einem wesentlich kürzeren Anlagezeitraum von etwa nur einem Monat und einer einfachen Rendite in Höhe von ca. 2 %, prozentual weitaus höher aus. Im Gegensatz dazu ergeben sich in der Praxis sicherlich auch Szenarien, in denen die diskrete Rendite für einen sehr kurzen Zeitraum die einfache Rendite für einen weitaus längeren Zeitraum übertrifft. Bei der Durchführung von Portfolioanalysen wird häufig auf diskrete Renditen zurückgegriffen, da die zugrundeliegende einfache Additivität der diskreten Renditen in einem Portfolio die unmittelbare Bestimmung der Portfoliorendite als wertgewichtete Summe der einzelnen erwarteten Renditen der enthaltenen Wertpapiere erlaubt. Die Portfoliorendite ergibt sich entsprechend Formel (1.3) wie folgt: (1.3) Trotz des genannten Vorteils zieht die praktische Verwendung von diskreten Renditen im Portfolio Management auch einen entscheidenden Nachteil nach sich. Die diskreten Renditen weisen nicht die Eigenschaft der Zeitadditivität auf. Das bedeutet, dass die Summe der diskreten Rendite über die Teilperioden nicht der diskreten Rendite über einen langen Zeitraum entspricht. 65 Das nachfolgende Beispiel soll diesen Zusammenhang kurz verdeutlichen. Periode 0 1 2 Kurs 50,00 53,00 50,00 Diskrete Rendite 6,00 % -5,66 % Tab. 2: Berechnung der diskreten Renditen Der Kurs eines Wertpapieres steigt zunächst von 50,00 € auf 53,00 €, was einer diskreten Rendite in Höhe von 6 % entspricht. Fällt der Kurs des Wertpapiers anschließend wieder um den gleichen absoluten Betrag auf 50,00 €, ergibt dies jedoch einen prozentualen Verlust von lediglich 5,66 %. Im Rahmen der diskreten Rendite weichen also die absoluten und die prozentualen Größenveränderungen deutlich voneinander ab. 66 Im aufgeführten Beispiel beträgt die Gesamtrendite offensichtlich Null, obwohl die Summe der Jahresrenditen positiv ist. Aus diesem Grund werden in der Praxis je nach Anwendungsgebiet häufig logarithmierte Renditen verwendet. Am Kapitalmarkt kann es weiterhin je nach Unternehmen und Gewinnsituation zur Ausschüttung einer Dividende kommen. Maßnahmen wie etwa Kapitalerhöhungen, Aktiensplits und Dividenden beeinflussen ebenfalls die Wertentwicklung eines Wert- 65 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 26 66 Vgl. Steiner/ Bruns (1993), S. 52 <?page no="69"?> 70 1 Grundlagen des Portfolio Managements papiers und sollten daher bei der Renditeberechnung unbedingt berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung einer Dividendenzahlung D in der Bewertungsperiode ergibt sich die Berechnung der diskreten Rendite wie folgt: (1.4) Es wird nun unterstellt, dass die Dividende des Kapitalanlegers nicht ausbezahlt, sondern thesauriert wird, um die kurzfristig liquiden Mittel in das zugrundeliegende Wertpapier zu reinvestieren. Diese Annahme führt dazu, dass der Anleger nach der Ausschüttung der Dividende mehr Aktien als zuvor hält. Um diesen Zusammenhang bei der Berechnung der diskreten Rendite zu berücksichtigen, werden die betroffenen Kurse mit einem individuellen Korrekturfaktor multipliziert. Dieser Vorgang ermöglicht anschließend den zeitlichen Vergleich der bereinigten Kurse. In der Praxis spricht man in diesem Zusammenhang oftmals von adjustierten Schlusskursen der Wertpapiere, auf Grundlage derer die adjustierte diskrete Rendite direkt ermittelt werden kann. 67 Bei der Berechnung geht man dabei grundsätzlich davon aus, dass die ausgezahlte Dividende kalkulatorisch über den Faktor K erneut in dieselbe Aktie wiederangelegt wird. Der nachfolgende Korrekturfaktor stellt somit die Grundlage für die Adjustierung der Schlusskurse dar: (1.5) mit Schlusskurs der Aktie am Tag vor Auszahlung der Dividende Bardividende am Tag T Der rechnerische Kurswert nach der Auszahlung der Dividende wird mit Hilfe des soeben berechneten Korrekturfaktors wie folgt bestimmt: (1.6) mit Korrekturfaktor Schlusskurs der Aktie am Tag vor Auszahlung der Dividende Bardividende am Tag T Durch die Berücksichtigung von Dividendenzahlungen, Bezugsrechten und Aktiensplits beim Vergleich von unterschiedlichen Wertentwicklungen hat sich im angelsächsischen Raum die Bezeichnung „Total Return“ bzw. „Performance-Index“ ausgebildet, die mittlerweile auch im deutschen Sprachraum geläufig ist. 1.5.2 Stetige Rendite Im Gegensatz zu der Berechnung der diskreten Rendite kann ein Anlagezeitraum ebenfalls aus mehreren gleichmäßigen Perioden bestehen. Die jeweilige Periodenlänge ist in diesem Fall unmittelbar von der verwendeten Datengrundlage abhängig. Je nach Auswahl der historischen Zeitreihen ergibt sich die Länge der unterjährigen Perioden aus den täglich, wöchentlich, monatlich oder jährlich festgestellten Kursen der 67 Vgl. Kempf Präsentation Seminar ABWL, S. 29 <?page no="70"?> 1.5 Welche Bedeutung hat die Rendite für das Portfolio Management? 71 betrachteten Wertpapiere, weshalb in der nachfolgenden Formel von einem Parameter von N = 365, N = 52 oder N = 12 ausgegangen wird. Die Ausnahme bilden börsentägliche Berechnungen, die lediglich 250 Handelstage zugrunde legen. Das Endvermögen nach n Perioden ergibt sich demnach aus: (1.7) mit Anlagekapital am Ende des betrachteten Anlagezeitraums Anlagekapital zu Beginn des betrachteten Anlagezeitraums diskrete Rendite für einen festen Zeitabschnitt Berechnen Sie die diskrete Rendite (engl. simple rate of return) für die vergangene Woche auf Grundlage der nachfolgenden historischen Kurse. Heute ist Donnerstag, der 15.07. Folgende Schlusskurse eines in Frankfurt gelisteten Unternehmens ABC seien gegeben: Mittwoch, den 14.07. 129,00 € Dienstag, den 13.07. 121,00 € Montag, den 12.07. 119,00 € Freitag, den 09.07. 128,00 € Donnerstag, den 08.07. 131,00 € Mittwoch, den 07.07. 122,00 € Die diskrete Rendite für die letzte Woche (vom 07.07. bis 14.07.) wird wie folgt ermittelt: (1.8) Abb. 22: Umsetzung der diskreten Rendite in EXCEL 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 A B C D E Diskrete Rendite Mittwoch, den 14.07 129,00 € Dienstag, den 13.07 121,00 € Montag, den 12.07 119,00 € Freitag, den 09.07 128,00 € Donnerstag, den 08.07 131,00 € Mittwoch, den 07.07 122,00 € Diskrete Rendite: 5,74% << =C9/ C14-1 <?page no="71"?> 72 1 Grundlagen des Portfolio Managements Da die Entwicklung des Vermögens nach Formel (1.7) einem gleichmäßigen Wachstumspfad folgt, kann die Wertentwicklung eines Wertpapiers alternativ auch durch eine Exponentialfunktion auf Grundlage einer kontinuierlichen Rendite beschrieben werden. Formel (1.9) greift diesen Zusammenhang formal auf. (1.9) mit Anlagekapital am Ende des betrachteten Anlagezeitraums Anlagekapital zu Beginn des betrachteten Anlagezeitraums Exponentialfunktion stetige Rendite Die stetige Rendite zeigt in Formel (1.9) diejenige Wachstumsquote, die das Anlagekapital nach n Perioden zum Endvermögen anwachsen lässt. Im Vergleich zur Bestimmung der diskreten Rendite wird bei der Berechnung der stetigen Rendite von einem kontinuierlichen bzw. stetigen Wachstum (engl. continuously compounded return) des eingesetzten Vermögens ausgegangen. 68 Vor dem Hintergrund der gewählten Periodenlänge lässt sich der Übergang der diskreten Rendite in die stetige Rendite anschaulich darstellen. Um die stetige Rendite aus der diskreten Rendite abzuleiten, ist es zunächst erforderlich, gedanklich eine kontinuierliche Verkürzung der Anlageperioden vorzunehmen. In diesem Fall gilt es, die betrachtete Periodenlänge von einem Jahr auf Monate, Wochen, Tage, Stunden, Minuten usw. zu verkürzen und somit einen diskreten Prozess zu verstetigen (siehe Wiener-Prozess, Abschnitt 2.5 ff.). In diesem Fall strebt die Länge der Teilperioden gegen Null. Die stetige Rendite ergibt sich im Anschluss gemäß Formel (1.10) wie folgt: (1.10) mit Anlagekapital am Ende des betrachteten Anlagezeitraums Anlagekapital zu Beginn des betrachteten Anlagezeitraums stetige Rendite Die Bildung der stetigen Rendite aus der Differenz zweier Logarithmen wird gemäß Formel (1.10) auch als Logdifferenzbildung bezeichnet, 69 wobei sich die diskrete und die stetige Rendite wechselseitig wie folgt voneinander ableiten lassen. Es gelten die folgenden Zusammenhänge aus Formel (1.11) und (1.12): (1.11) (1.12) Im vorherigen Beispiel wurde festgestellt, dass die diskrete Rendite aufgrund ihrer fehlenden Eigenschaft an Zeitadditivität für bestimmte Analysezwecke nicht geeignet ist. Stetige Renditen hingegen sind zeitadditiv, sodass sich die stetige Rendite über einen langen Zeitraum als Summe der stetigen Renditen über die betrachteten Teil- 68 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 34 69 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 35 <?page no="72"?> 1.5 Welche Bedeutung hat die Rendite für das Portfolio Management? 73 perioden ergibt. 70 Das folgende Beispiel in Tab. 3 greift diesen Zusammenhang nochmals auf. Periode 0 1 2 Kurs 50,00 53,00 50,00 Stetige Rendite 5,83 % -5,83 % Tab. 3: Berechnung der stetigen Renditen Der Kurs eines Wertpapiers steigt zunächst von 50,00 € auf 53,00 €, was einer stetigen Rendite von 5,83 % entspricht. Fällt der Kurs des Wertpapiers anschließend wieder um den gleichen absoluten Betrag auf 50,00 €, ergibt dies einen prozentualen Verlust von 5,83 %. Aus dem vorherigen Abschnitt ergab sich ebenfalls, dass diskrete Renditen grundsätzlich portfolioadditiv sind und deshalb zur Berechnung der erwarteten Rendite eines Portfolios herangezogen werden können. Obwohl die stetige Rendite im Gegensatz zur diskreten Rendite die Eigenschaft der Zeitadditivät besitzt, mangelt es der stetigen Rendite jedoch an der Eigenschaft der Portfolioadditivität. Aus dem Umkehrschluss resultiert unweigerlich, dass stetige Renditen zur Berechnung der erwarteten Rendite eines Portfolios nicht geeignet sind. Da die Vor- und die Nachteile der diskreten und stetigen Renditen sich spiegelbildlich darstellen, muss im Portfolio Management je nach Anwendungsgebiet differenziert werden, ob bei der Portfolioanalyse auf diskrete oder stetige Renditen zurückgegriffen werden sollte. Es zeigt sich, dass es je nach Anwendung durchaus sinnvoll oder hilfreich erscheint, diskrete in stetige Renditen (oder umgekehrt) umzuwandeln. 71 Kommt es trotz der fehlenden Portfolioaddititivät zum Einsatz von stetigen Renditen, sollte dieser Umstand bei der abschließenden Berechnung der Portfoliorendite berücksichtigt werden. Dazu werden durch die Betrachtung des natürlichen Logarithmus der Vermögensentwicklung die multiplikativen in additive Zusammenhänge transformiert. 72 Die erwartete Rendite des Portfolios ergibt sich gemäß Formel (1.13) wie folgt: (1.13) Da die Eigenschaft der Zeitadditivität für einige Anwendungsgebiete zwingend notwendig ist, kommen diese überwiegend im Rahmen von Zeitreihenmodellen bzw. der Optionspreistheorie nach B LACK und S CHOLES zur Anwendung. 73 Auf weitere Vor- und Nachteile bezüglich der rechentechnischen Unterschiede in der Handhabung und Berechnung wird an dieser Stelle aufgrund des Fortschritts der heutigen Software- Lösungen verzichtet, da diese für die praktische Anwendung einen untergeordneten Stellenwert besitzen. Interessanter ist eine kurze Übersicht über die wichtigsten statistischen Eigenschaften. 70 Vgl. Kempf Präsentation Seminar ABWL, S. 22 71 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 38 72 Vgl. Spreeman (2008), S. 411 73 Vgl. Steiner/ Bruns (1993), S. 52 <?page no="73"?> 74 1 Grundlagen des Portfolio Managements Bei der Durchführung von statistischen Analysen und Modellen wird oftmals auf die Annahme einer Normalverteilung zurückgegriffen, weshalb die zugrundeliegenden Daten zumindest idealerweise einer Normalverteilung annähernd folgen sollten. 74 Diese statistische Voraussetzung wird am ehesten durch eine Datengrundlage mit stetigen Renditen erfüllt. Die diskreten Renditen eignen sich dagegen als Datengrundlage für derartige Analysezwecke nicht, da diskrete Renditen aufgrund der Begrenzung eines möglichen Totalverlustes (-100 %) im Gegensatz zu den stetigen Renditen zu einer linksschiefen Verteilung neigen. Um der Annahme einer Normalverteilung in der Portfolio Selection Theory nach M ARKOWITZ jedoch gerecht zu werden, wäre unter diesem Gesichtspunkt der Anwendung der stetigen Rendite der Vorzug zu geben. Aus der Sicht des zentralen Grenzwertsatzes hingegen ist die Bedeutung von geringfügigen Abweichungen von der Normalverteilung auf Wertpapierebene unter der Voraussetzung eines ausreichend diversifizierten Portfolios grundsätzlich zu vernachlässigen, da auch nicht normalverteilte Renditen in der Summe gegen eine Normalverteilung streben. 75 Zeitraum Diskrete Rendite Stetige Rendite Differenz Jahr 30,0000 % 2,0000 % 26,2364 % 1,9802 % 3,7635 % 0,0197 % Halbjahr 14,0175 % 0,9950 % 13,1182 % 0,9901 % 0,8993 % 0,0049 % Monat 2,2104 % 0,1651 % 2,1863 % 0,1650 % 0,0240 % 0,0001 % Tag 0,0729 % 0,0055 % 0,0728 % 0,0055 % 0,0000 % 0,0000 % Tab. 4: Vergleich der Renditeberechnungen Quelle: Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 40 Die Ergebnisse der unterschiedlichen Renditeberechnungen in Tab. 4 zeigen den Rückgang der Differenzen zwischen der stetigen und diskreten Rendite bei der Verkürzung des zugrundeliegenden Zeitraums bzw. bei einem grundsätzlich niedrigen Renditeniveau. Es zeigt sich, dass für einen kurzen Zeitraum die Unterschiede zwischen der diskreten und der stetigen Rendite lediglich marginal ausfallen, sodass bei der Wahl der verwendeten Renditeart in erster Linie die Anforderungen des Anwendungsgebietes berücksichtigt werden sollten. Im wissenschaftlichen Forschungsbereich dominiert die Anwendung der stetigen Rendite, wobei die diskreten Renditen vor allem in der Praxis aufgrund ihrer leichten Interpretierbarkeit eine häufige Verwendung finden. 76 Abb. 23 greift den zuvor dargestellten Zusammenhang nochmals grafisch auf. Unabhängig von der Wahl der Renditeart ist jedoch aus Tab. 4 unmittelbar der allgemeine Zusammenhang ersichtlich, sodass gilt: (1.14) 74 Vgl. Schmidt-von Rhein (1996), S. 138 75 Vgl. Garz/ Günther/ Moriabadi (2006), S. 29 76 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 40 <?page no="74"?> 1.5 Welche Bedeutung hat die Rendite für das Portfolio Management? 75 Abb. 23: Grafischer Vergleich der diskreten und der stetigen Rendite Quelle: Prexl/ Bloss/ Ernst/ Haas/ Häcker/ Röck (2009), S. 313 Berechnen Sie die stetige tägliche Rendite für die vergangene Woche auf Grundlage der nachfolgenden historischen Kurse. Heute ist Donnerstag, der 15.07. Folgende Schlusskurse eines in Frankfurt gelisteten Unternehmens ABC seien gegeben (in €): Kurs Mittwoch, den 14.07. 85,00 € 8,59 % Dienstag, den 13.07. 78,00 € -3,77 % Montag, den 12.07. 81,00 € 9,04 % Freitag, den 09.07. 74,00 € 2,74 % Donnerstag, den 08.07. 72,00 € 11,78 % Mittwoch, den 07.07. 64,00 € Die stetige Rendite für die letzte Woche (vom 07.07. bis 14.07.) wird wie folgt ermittelt: (1.15) (1.16) <?page no="75"?> 76 1 Grundlagen des Portfolio Managements Abb. 24: Umsetzung der stetigen Rendite in EXCEL 1.5.3 Geometrische Rendite Bei mehrperiodigen Beobachtungszeiträumen wird häufig auf die Berechnung der geometrischen Rendite zurückgegriffen, da diese es erlaubt, die vergangene Wertentwicklung einer Kapitalanlage im Zeitablauf adäquat zu quantifizieren. 77 Es wird dabei angenommen, dass sich die historische Wertentwicklung in Folge eines Prozesses ergibt, wobei in mehreren Teilperioden dieses Zeitraums unterschiedliche Wertänderungen eingetreten sind. Dieser Zusammenhang kann wie folgt detailliert dargestellt werden: (1.17) Nach Formel (1.17) resultiert die Gesamtrendite aus dem Produkt der einzelnen partiellen diskreten Renditen der einzelnen beobachteten Teilperioden. Unter der Voraussetzung, dass während des Betrachtungszeitraums keine Ausschüttungen, Entnahmen oder Einlagen 78 stattfinden, lässt sich die durchschnittliche Rendite der n Teilperioden wie folgt formulieren: (1.18) Die konstante Periodenrendite wird als geometrische Durchschnittsrendite bezeichnet und beschreibt das durchschnittliche Kapitalwachstum pro Teilperiode. Die nachfolgende detaillierte Schreibweise von Formel (1.19) zeigt, dass sich die durchschnittliche Rendite der einzelnen Teilperioden offensichtlich aus dem geometrischen Mittel der einzelnen Periodenrenditen ergibt, wodurch der Begriff der geometrischen Durchschnittsrendite den Sachverhalt am besten beschreibt. 77 Vgl. Steiner/ Bruns (2007), S. 51 78 Vgl. Schmidt-von Rhein (1996), S. 138 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 A B C D E F G Stetige Rendite Mittwoch, den 14.07 85,00 € 0,0859 << =LN(C33/ C34) Dienstag, den 13.07 78,00 € - 0,0377 Montag, den 12.07 81,00 € 0,0904 Freitag, den 09.07 74,00 € 0,0274 Donnerstag, den 08.07 72,00 € 0,1178 Mittwoch, den 07.07 64,00 € Stetige Rendite: 5,68% << =AVERAGE(D33: D37) <?page no="76"?> 1.5 Welche Bedeutung hat die Rendite für das Portfolio Management? 77 (1.19) Bei der Berechnung der geometrischen Rendite wird angenommen, dass eine Kapitalanlage zu Beginn des Betrachtungszeitraums einmalig getätigt wurde und anschließend im Zeitablauf den Wertschwankungen des Kapitalmarktes ausgesetzt ist. 79 Es wird also allein die Entwicklung einer einmalig getätigten Kapitalanlage unter der Prämisse einer sofortigen Wiederanlage der Kursgewinne betrachtet. Unter der Annahme einer konstanten Rendite für den gesamten Zeitraum der Betrachtung, unter der Annahme der Zerlegung des gesamten Zeitabschnitts in gleichlange Perioden und unter der Annahme, dass die anfallenden Zahlungen jeweils zum Anfang einer Periode erfolgen, führt dies zur Berechnung der zeitgewichteten Rendite (engl. time-weighted-return). Die durchschnittliche zeitgewichtete Rendite entspricht demnach der geometrisch gemittelten Rendite aus Formel (1.19). 80 Es zeigt sich, dass durch die Bildung eines zeitgewichteten Durchschnitts der zugrundeliegenden Renditen die Auswirkungen der Kapitalzuflüsse und der Kapitalabflüsse auf die Rendite eines Portfolios eliminiert werden können. 81 In diesem Fall ist das Endvermögen ausschließlich von der Anzahl der investierten Perioden abhängig. Abb. 25: Transformation der Renditebasis bei Mehrperiodigkeit Quelle: Schmidt-von Rhein (1996), S. 138 79 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 33 80 Vgl. Schmidt-von Rhein (1996), S. 139 81 Vgl. Steiner/ Bruns (2007), S. 586 Einperiodenrenditen: diskret stetig Transformation Mehrperiodenrenditen: Mehrperiodige Durchschnittsrenditen: Summe Produkt arithmet. Mittel geometr. Mittel Varianten der zeitlichen Berücksichtigung von Zahlungsströmen: zeitgewichtete Rendite kapitalgewichtete Rendite Mehrperiodenbasierte Rendite <?page no="77"?> 78 1 Grundlagen des Portfolio Managements Abb. 25 greift die unterschiedlichen Varianten für die Berechnung von mehrperiodigen Renditen auf und stellt diese in einem Diagramm dar. Berechnen Sie die zeitgewichtete Rendite für die vergangene Woche auf Grundlage der nachfolgenden historischen Kurse. Heute ist Donnerstag, der 15.07. Folgende Schlusskurse eines in Frankfurt gelisteten Unternehmens ABC seien gegeben: Mittwoch, den 14.07. 129,00 € Dienstag, den 13.07. 121,00 € Montag, den 12.07. 119,00 € Freitag, den 09.07. 128,00 € Donnerstag, den 08.07. 131,00 € Mittwoch, den 07.07. 122,00 € Die zeitgewichtete Rendite für die letzte Woche (vom 07.07. bis 14.07.) wird wie folgt ermittelt: (1.20) Abb. 26: Umsetzung der zeitgewichteten Rendite in EXCEL 1.5.4 Kapitalgewichtete Rendite Im vorherigen Abschnitt zeigte sich, dass Zuflüsse und auch Entnahmen die realisierte Rendite einer Kapitalanlage beeinflussen. Zur Darstellung der Rendite unter Berücksichtigung solcher Zahlungsströme ist es daher vorteilhaft, sich zunächst die jeweiligen Vermögensänderungen als separate positive oder negative Kapitalanlagen vorzustellen. In diesem Fall wird das Gesamtergebnis als Summe der einzelnen Investitionen ausgedrückt und anschließend eine einheitliche Rendite für das Gesamt- 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 A B C D E F Zeitgewichtete Rendite Mittwoch, den 14.07 129,00 € Dienstag, den 13.07 121,00 € Montag, den 12.07 119,00 € Freitag, den 09.07 128,00 € Donnerstag, den 08.07 131,00 € Mittwoch, den 07.07 122,00 € Zeitgewichtete Rendite: 1,12% << =(C21/ C26)^(1/ 5)-1 <?page no="78"?> 1.5 Welche Bedeutung hat die Rendite für das Portfolio Management? 79 ergebnis ermittelt. Unterstellt man vereinfachend Perioden gleicher Zeitlänge, lässt sich die Entwicklung der Kapitalanlage wie folgt darstellen: (1.21) Die Rendite wird als geldgewichtete Rendite (engl. money-weighted-return) bezeichnet, wobei die zu- oder abfließenden, d.h. positiven oder negativen Zahlungsströme am jeweiligen Periodenende mit angegeben sind. Die geldgewichtete Rendite entspricht damit dem internen Zinssatz der Kapitalanlage (engl. internal rate of return, kurz IRR). Formel (1.21) lässt nur in Sonderfällen die Ermittlung einer unmittelbaren Lösung zu, ansonsten sind numerische Verfahren zu verwenden, mit denen das Ergebnis berechnet wird. Dazu eignet sich beispielsweise das Newton-Verfahren oder der Einsatz der EXCEL-Funktion „Solver“. Liegen dagegen keine externen Kapitaländerungen vor, sind also alle , so ergibt sich wieder die geometrische Durchschnittsrendite aus Formel (1.19). Sollen lediglich zwei Perioden mit nur einer Zahlung bewertet werden, ergibt sich eine quadratische Bestimmungsgleichung, die mit Hilfe der entsprechenden Lösungsformel einfach berechnet werden kann. Die geldgewichtete Rendite wird von zwei Größen beeinflusst: dem direkten Anlageerfolg und dem sogenannten Timing der zwischenzeitlichen Zahlungen. Wird vor und während einer positiven Entwicklung des Anlagesegments (beispielsweise Aktien oder Anleihen) Kapital aufgestockt und/ oder vor negativen Marktphasen Kapital entnommen (bzw. in risikolosere Anlagen umgeschichtet), so erhöht sich die geldgewichtete Rendite und umgekehrt. Der Anlageerfolg eines Portfolios, die so genannte Performance, hängt nicht zuletzt davon ab, in welchen Zeiträumen die Investitionen erfolgten. Es kann zusammenfassend festgehalten werden, dass bei der Berechnung der kapitalgewichteten Rendite zweierlei Einflüsse berücksichtigt werden. Einerseits ist das Timing der stattfindenden Zahlungen zu nennen, andererseits ist die Entwicklung des Kapitalmarktes zu berücksichtigen. Im Gegensatz zu der kapitalgewichteten Rendite kommt bei der zeitgewichteten Rendite lediglich das Marktgeschehen zum Ausdruck. Aus diesem Grund lassen sich prinzipiell die zeitgewichtete und die kapitalgewichtete Rendite miteinander vergleichen. Kommt es zu einem Überhang der zeitgewichteten gegenüber der kapitalgewichteten Rendite, lässt der angesprochene Zusammenhang den Rückschluss zu, dass der verantwortliche Kapitalanleger ein ungünstiges Timing der Zahlungen zu verantworten hat. Umgekehrt deutet eine im Vergleich zu der zeitgewichteten Rendite höhere kapitalgewichtete Rendite auf ein günstiges Timing des Kapitalanlegers hin. 82 Grundsätzlich ist es für eine Performancebeurteilung entscheidend, ob der Vermögensverwalter im Rahmen einer Steuerung des Investmentgrads für die Zubzw. Abflüsse die Verantwortung trägt, oder ob die Änderungen des Anlagekapitals extern durch den Kapitalanleger selbst verursacht wurden. Im Allgemeinen ist daher für einen Performancevergleich die zeitgewichtete Rendite relevant, mit der die Rendite einer Kapitalanlage ohne Berücksichtigung von Zu- und Abflüssen aufgezeigt wird. 82 Vgl. Spremann (2008), S. 345 <?page no="79"?> 80 1 Grundlagen des Portfolio Managements Das nachfolgende Beispiel erläutert den Unterschied bei der Berechnung der zeitgewichteten und der kapitalgewichteten Rendite. Hierbei werden für zwei gegebene Portfolios A und B zunächst die durchschnittliche zeitgewichtete und anschließend die durchschnittliche kapitalgewichtete monatliche Rendite ermittelt. Berechnen Sie die zeitgewichtete und die kapitalgewichtete Rendite für den Zeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2012 auf Grundlage der nachfolgenden historischen Kurse. Periode Kurs A EZ Kurs B EZ 01.01.2011 83,97 € 83,97 € 31.12.2011 93,02 € + 3,89 € 93,02 € - 4,19 € 01.01.2012 96,91 € 96,91 € 31.12.2012 89,87 € 89,87 € Die kapitalgewichtete Rendite resultiert aus der Berechnung des internen Zinsfußes der zugrundeliegenden Zeitreihe, sodass man für die durchschnittliche kapitalgewichtete Rendite der Portfolios folgende Werte erhält: Portfolio A: (1.22) bzw. Portfolio B: (1.23) Im Anschluss werden zunächst gemäß Formel (1.2) die diskreten periodenspezifischen Renditen ermittelt: Portfolio A & B: (1.24) gefolgt von der anschließenden Berechnung der durchschnittlichen monatlichen zeitgewichteten Rendite: Portfolio A & B: (1.25) <?page no="80"?> 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? 81 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? Quelle: © Poesies.net „Die Zukunft hat viele Namen. Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare. Für die Furchtsamen ist sie das Unbekannte. Für die Mutigen ist sie die Chance.“ Victor Hugo - französischer Schriftsteller (*1802, †1885) Das vorliegende Zitat von V ICTOR H UGO (1802 - 1885) beleuchtet neben den individuellen Eigenschaften eines Menschen und dessen Einstellung zu Risiken vor allem die unterschiedliche Wahrnehmung der Zukunft. Die bekannte und nahezu philosophisch anmutende Behauptung, alle Menschen besäßen in der Gegenwart die Möglichkeit, ihre Zukunft selbst zu gestalten, ist daher nur bedingt richtig. Obwohl der Verlauf der Zukunft durch Entscheidungen in der Gegenwart beeinflusst werden kann und somit durch den Menschen selbst gestaltbar ist, unterliegen nicht alle Merkmale eines zukünftigen Zustands unserem Einfluss. Zum Beispiel lässt sich die Zukunft durch die heutige Festlegung von Zielen und deren Umsetzung in Form von Entscheidungen und Handlungen gestalten. Es kann jedoch keine Aussage in der Gegenwart darüber getroffen werden, ob die Ziele in der Zukunft tatsächlich erreicht werden. Jegliche Ereignisse, Zustände oder Ergebnisse in der Zukunft sind also mit Unsicherheit behaftet. Der „gesunde Menschenverstand“ schließt daraus die bittere Erkenntnis, dass unter dem Ausschluss von Insider-Informationen eine zuverlässige Prognose der zukünftigen Kurse in der Realität kaum möglich ist. Aus diesem Grund konzentriert man sich zum Zeitpunkt der Entscheidung besonders darauf, aus heutiger Sicht eine möglichst optimale Entscheidung für die Zukunft zu treffen. 83 Auf dieser Feststellung beruhen neben den „Entscheidungsregeln“ auch andere betriebswirtschaftliche Ansätze für den methodischen Umgang mit der Unsicherheit. Diese werden besonders in der modernen Portfoliotheorie und im Risikomanagement eingesetzt. Das wesentliche Ziel eines Portfolio-Managers richtet sich bei der Investition in diverse Anlagetitel maßgeblich auf die Erwirtschaftung von zukünftigen Erträgen. Da die jeweiligen Anlagetitel in einem Portfolio unterschiedlichen Risiken wie z.B. Markt-, Zins- und Liquiditätsrisiken ausgesetzt sind, übertragen sich diese Risiken durch den Kauf der Wertpapiere unmittelbar auf das gehaltene Portfolio. Ein Portfolio-Manager muss also zur Generierung von Erträgen unweigerlich ein gewisses Risiko in Kauf nehmen. 83 Vgl. Deutsch (2005), S. 3 <?page no="81"?> 82 1 Grundlagen des Portfolio Managements Aus dieser Tatsache folgt das fundamentale Prinzip der Betriebs- und Finanzwirtschaft: Ohne Risiko kein Ertrag (engl. „there is no such thing as free lunch“). In diesem Fall stellen die übernommenen Risiken gewissermaßen den „Einsatz“ des Portfolio-Managers dar. Daher kann ein Portfolio-Manager getreu dem Motto „Wer jedes Risiko ausschalten will, der zerstört auch alle Chancen.“ 84 auch nur durch die Übernahme von Risiken zukünftige Erträge erwarten. Aus diesem Grund stellen Investitionen, die alleinig auf der Basis von zu erwartenden Renditen oder Erträgen getätigt werden, keine sinnvollen Anlageentscheidungen dar. Hierbei kennt der Entscheidende seinen Einsatz für die Erwirtschaftung neuer Erträge nicht, da er die übernommenen Risiken vollkommen außer Betracht lässt. 85 Die Konzepte der modernen Portfoliotheorie greifen vor diesem Hintergrund die zentralen Aussagen der Kapitalmarkttheorie auf und setzen diese in der Portfoliooptimierung um. Die Erläuterungen aus dem vorherigen Abschnitt stimmen weitestgehend mit den Erkenntnissen aus der Kapitalmarkttheorie überein, sodass ein positiver Zusammenhang zwischen der Rendite und dem Risiko einer Anlage erwartet werden kann. Demnach bringen Anlageformen mit überdurchschnittlich hohen Renditeerwartungen auch ein erhöhtes Risiko mit sich. Aus diesem Zusammenhang begründet die Kapitalmarkttheorie auch die Erkenntnis, dass ein Kapitalanleger durch eine adäquate Risikoprämie entschädigt werden sollte. Da keine zuverlässige Prognose über den Ausgang der Zukunft möglich ist, können folglich auch keine Aussagen über die tatsächlichen zukünftigen Renditen und Risiken getroffen werden. Da die Grundlage für unsere Entscheidungen lediglich historische Kurse bilden, können demnach nur Anlageerwartungen ausgesprochen werden. Aus diesem Grund beruht die Ermittlung der Renditen und Risiken auf einer reinen Vergangenheitsbetrachtung. Auf Grundlage historischer Entwicklungen werden die Risiken einer Kapitalanlage oder gar eines ganzen Portfolios quantifiziert. Sie dienen somit als Anhaltspunkte für die zu erwartenden Risiken in der Zukunft. Bei jeder Anlageentscheidung wird geprüft, ob und in welcher Höhe neue Risiken übernommen werden können, und inwieweit die Übernahme von Risiken sinnvoll ist. Anhand der uns zur Verfügung stehenden Informationen soll also eine zu diesem Zeitpunkt optimale Anlageentscheidung getroffen werden. 84 Hans-Olaf Henkel (*1940), dt. Topmanager, 1985-93 Deutschland-Chef IBM, 1993-94 Europa-Chef IBM, 1995-2000 Präsident Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) 85 Vgl. Deutsch (2005), S. 4 <?page no="82"?> 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? 83 1.6.1 Der Risikobegriff Quelle: picture alliance / dpa “Investors should always keep in mind that the most important metric is not the returns achieved but the returns weighed against the risks incurred. Ultimately, nothing should be more important to investors than the ability to sleep soundly at night.” Seth Klarman - Autor, Gründer und Präsident der Baupost Group (*1957) Aus den vorangegangenen Abschnitten wird deutlich, dass dem Begriff „Risiko“ durchaus mehrere Bedeutungen zugesprochen werden können. Bisweilen treten Risiken als Unsicherheiten, Kursveränderungen und negative Abweichungen am Kapitalmarkt in Erscheinung. Dies erklärt sich vor allem aus den unzähligen Möglichkeiten und Perspektiven, aus denen man den Begriff des Risikos erfassen kann. Aus diesem Grund sollen im Nachfolgenden die maßgeblichen und für uns relevanten Erklärungsansätze des Risikobegriffes erläutert werden. Die nachfolgenden Erklärungsansätze zum Begriff „Risiko“ unterscheiden sich maßgeblich durch die jeweilige Risikobereitschaft der Entscheidungsträger im Umgang mit einer Risikosituation. Die individuelle Risikobereitschaft bzw. Risikopräferenz spiegelt also die Einstellung bzw. Eigenschaft eines Entscheidungsträgers gegenüber spezifischen Risikosituationen wider. Eine Risikosituation ergibt sich grundsätzlich sowohl in der Entscheidungstheorie 86 als auch in der modernen Portfoliotheorie bei der Auswahl verschiedener Anlagealternativen auf Grundlage von verschiedenen Erwartungswerten und Risiken. Der Risikobegriff wird innerhalb der deutschen und angloamerikanischen Fachliteratur durchaus unterschiedlich beschrieben. Zum Beispiel findet man Ansätze, welche das Risiko als Abweichung von geplanten oder erwarteten Größen definieren. Andere Autoren grenzen den Begriff des Risikos hingegen als negative Abweichungen vom Erwartungswert noch enger ab. Die angesprochenen Definitionen lassen auf eine sehr pessimistische Einstellung des Entscheidungsträgers zu Risiken schließen, die auch als Risikoaversion beschrieben werden kann. Weitere Ansätze zur Erklärung des Risikobegriffes beziehen neben der Vorstellung denkbarer Verluste auch mögliche Gewinnchancen in die Definition des Begriffes mit ein. Daher sind diese im Vergleich zu den oftmals sehr risikoavers ausgestalteten Erläuterungen weitaus neutraler und umfassender formuliert. Im Gegensatz zu den bisherig angeführten Erklärungsansätzen gibt es auch noch weitaus optimistischer ausgestaltete Definitionen des Risikobegriffes. In 86 Einen Überblick über die Entscheidungstheorie liefert etwa Vahs/ Schäfer-Kunz (2007), S. 68 ff. <?page no="83"?> 84 1 Grundlagen des Portfolio Managements diesem Fall werden nicht nur mögliche Chancen in die Definition des Risikos mit aufgenommen, sondern gleichermaßen bei der Bewertung der Anlagealternativen übergewichtet. 87 Es wird erneut deutlich, dass jeder Mensch etwas anderes mit dem Begriff des Risikos assoziiert. Aus diesem Grund spiegelt sich auch die individuelle Risikobereitschaft der Entscheidungsträger in der Form von Risikoneutralität, Risikoaversion und Risikofreude in den unterschiedlichen Definitionen des Begriffes „Risiko“ wider. Daher erscheint es auch zweckmäßig, zunächst eine formale Abgrenzung des Risikobegriffes für die Anwendung im Portfolio Management vorzunehmen. Im Rahmen des Portfolio Managements und der modernen Portfoliotheorie beschränken wir uns daher bei der Definition des Begriffes „Risiko“ vorrangig auf die Gefahr von Kursschwankungen gehaltener Finanzinstrumente und der Möglichkeit, dass ein Kapitalanleger unter Umständen erhebliche Verluste erleiden könnte. 1.6.2 Risikoeinstellungen der Entscheidungsträger Die Darstellung des Risikobegriffes im vorherigen Abschnitt zeigte, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den verschiedenen Definitionen und den individuellen Risikoeinstellungen von Kapitalanlegern besteht. Da die unterschiedlichen Risikobereitschaften von Entscheidungsträgern uns bei der Bearbeitung der weiteren Kapitel immer wieder begegnen werden, soll im folgenden Abschnitt kurz auf die verschiedenen Einstellungen zum Begriff Risiko eingegangen werden. Ein Kapitalanleger ist in diesem Sinne ebenfalls ein Entscheidungsträger, sodass die beiden Begriffe als Synonym füreinander verwendet werden können. Ein Entscheidungsträger verhält sich risikoneutral, wenn sich dieser bei seiner Entscheidung in erster Linie von der zu erwartenden Rendite beeinflussen lässt und dadurch den Aspekt des Risikos nahezu vollständig ausblendet. Der Entscheidungsträger orientiert sich lediglich am Erwartungswert der Alternativen, lässt dabei die Abgrenzung in sichere und unsichere Alternativen völlig außer Acht und ist demnach gegenüber dem Risiko völlig indifferent. Es liegt eine Risikoaversion bzw. Risikoscheue des Entscheidungsträgers vor, wenn ein Kapitalanleger bei seinen Anlageentscheidungen im Vergleich zu einer sicheren Anlage die Risiken einer Anlagealternative mehr oder weniger stark überbetont. 88 Ein Entscheidungsträger orientiert sich demnach bei der Auswahl von geeigneten Kapitalanlagen vorrangig an der Unsicherheit der Anlagealternativen. Der Entscheidungsträger besitzt also im Vergleich zu den anderen Risikoeinstellungen eines Kapitalanlegers eine sehr pessimistische Einstellung gegenüber dem Risiko. Ein Entscheidungsträger ist dagegen eher als risikofreudig zu bezeichnen, wenn dieser in Kenntnisnahme vorhandener Risiken die Chancen einer Anlagealternative als außergewöhnlich hoch einschätzt. Hierbei bewertet der Entscheidungsträger die Chance einer Kapitalanlage im Vergleich zu deren Unsicherheit als weitaus höher. Die Einstellung des Entscheidungsträgers ist hierbei also als sehr optimistisch zu bezeichnen. 87 Vgl. Maier (2007), S. 5 f. 88 Vgl. Maier (2007), S. 17 <?page no="84"?> 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? 85 1.6.3 Klassifikation der Risikomaße Der überwiegende Teil der im Portfolio Management verwendeten Risikomaße entspringt einer quantitativen Natur. Durch die Quantifizierung der Risiken werden diese den Portfolio- und Risikomodellen in Form von Eingangsgrößen zugänglich gemacht und stellen somit einen integralen Bestandteil der Portfoliooptimierung dar. Allerdings bezieht sich der Einsatz dieser Modelle auf rein quantitative Merkmale, bei denen der Begriff „quantitativ“ als die Eigenschaft eines Merkmals aufgefasst werden kann, sofern dieses abzählbar ist. Im Gegensatz zu den quantifizierbaren Marktrisiken bestehen im Prozess des Risikomanagements durchaus weitere Risiken in qualitativer Form. Obwohl sich qualitative Risiken, wie zum Beispiel das Bonitätsrisiko eines Unternehmens (engl. default risk) nur unzureichend quantifizieren lassen, besteht trotzdem die Notwendigkeit, derartige Risiken z.B. in der Form von Ratings in den Prozess des Risikomanagements miteinzubeziehen und durch subjektive Einschätzungen zu ergänzen. Dennoch widmen wir uns in den nachfolgenden Abschnitten durch die enge Verbindung zur Portfoliooptimierung weitestgehend den quantitativen Risikomaßen. Die quantitativen Risikomaße lassen sich hauptsächlich in drei wesentliche Gruppen unterteilen: einseitige Risikomaße, zweiseitige Risikomaße und andere Risikomaße. Abb. 27 illustriert die nachfolgende Abgrenzung der unterschiedlichen Risikomaße. Abb. 27: Klassifikation der Risikomaße Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Poddig (2009) S. 608 Die zweiseitigen Risikomaße beziehen entsprechend ihrer Namensgebung beide Seiten einer Renditeverteilung in Form von positiven und auch negativen Abweichungen vom Erwartungswert in die Berechnung des spezifischen Risikomaßes mit ein. In diesem Fall stellt der sich links vom Erwartungswert befindliche Teil der Renditeverteilung die Verluste (engl. downside risk) und der sich rechts vom Erwartungswert be- Zweiseitig Mittlere Abweichung Varianz & Standardabweichung Schiefe (Skewness) & Wölbung (Kurtosis) Einseitig Value at Risk Semivarianz Andere Tracking Error Beta-Faktor <?page no="85"?> 86 1 Grundlagen des Portfolio Managements findliche Teil der Renditeverteilung die Gewinne (engl. upside risk) dar. 89 Die Varianz und Standardabweichung stellen unter der Annahme normalverteilter Renditen beliebte und häufig eingesetzte Risikomaße dar. Da am Kapitalmarkt durch empirische Studien jedoch häufig größere Abweichungen (engl. fat tails) zur Standardnormalverteilung im unteren Bereich der Verteilung beobachtet wurden, liegt oftmals eine leptokurtische Verteilung der beobachteten Renditen vor. Aus diesem Grund erscheint der Einsatz alternativer Risikomaße, welche die Schiefe (engl. skewness) und Wölbung (engl. curtosis) einer Verteilung berücksichtigen, als durchaus angemessen. Die einseitigen Risikomaße betrachten im Gegensatz zu den beidseitigen Risikomaßen bei der Ermittlung des Risikos lediglich den linken Teil einer Renditeverteilung. Aus diesem Grund beschränken sich die einseitigen Risikomaße alleinig auf die möglichen Verluste am Kapitalmarkt und geben daher im Sinne eines restriktiven Risikomanagements ein deutlich realistischeres Bild über die potenziellen Verluste einer Kapitalanlage oder eines Portfolios ab. Vor diesem Hintergrund stellen die Semivarianz und auch der Value at Risk mit die wichtigsten Vertreter der einseitigen Risikomaße dar. Neben den ein- und zweiseitigen Risikomaßen existieren ebenfalls noch andere Risikomaße, die aufgrund der ihnen zugrunde liegenden statistischen Konzepte nicht eindeutig den vorangestellten Risikomaßen zugeordnet werden können. Zu diesen gehört beispielsweise die Kennzahl des Tracking Errors, welcher die tatsächlichen Abweichungen zwischen der Wertentwicklung eines Portfolios und einem Marktindex quantifiziert, oder etwa der Beta-Faktor eines Portfolios, welcher die Sensitivität eines Portfolios gegenüber Marktschwankungen angibt. 1.6.4 Die Quantifizierung von Risiken In den nachfolgenden Abschnitten steht die Quantifizierung der Risiken einer Kapitalanlage im Vordergrund der Betrachtungen. Es wird dabei auf die gängigsten statistischen Konzepte zur Bewertung von Risiken zurückgegriffen, und es werden die grundlegenden Vorgehensweisen erläutert und durch kurze Beispiele ergänzt. Bevor wir uns jedoch den einzelnen Risikomaßen im Detail zuwenden, muss zunächst die Frage beantwortet werden, welche präferierten Eigenschaften ein monetäres Risikomaß grundsätzlich besitzen sollte. Mit anderen Worten gehen wir der Frage nach, wie ein Risikomaß ausgestaltet sein sollte, um die inhärenten Risiken an den Kapitalmärkten adäquat abbilden zu können. Wir untersuchen in diesem Zusammenhang also das sogenannte Idealbild eines solchen Risikomaßes. In diesem Sinne formulierten unter anderen A RTZNER et al. die nachfolgenden maßgeblichen Axiome. Um die betreffenden Axiome als eine notwendige Voraussetzung mathematisch korrekt zu formulieren, wurde zu diesem Zweck das Risikomaß eingeführt. Damit kann jedem Portfolio ein zukünftiger Wert zugewiesen werden. Das Risikomaß sollte grundsätzlich den nachfolgenden 4 Axiomen entsprechen: 90 89 Siehe auch Abb. 34, Dichtefunktion der Standardnormalfunktion. 90 Vgl. Artzner/ Delbaen/ Eber/ Heath (1998), S. 2 ff. <?page no="86"?> 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? 87 [1] Das Axiom der Subadditivität besagt, dass das Risiko eines Portfolios, bestehend aus unterschiedlichen Bestandteilen, jederzeit nicht größer sein darf als die Summe der einzelnen Risiken. Es ergibt sich: (1.26) Die Eigenschaft der Subadditivität stellt somit eine der wichtigsten Charakterisierungen eines Risikomaßes dar. Wird die Eigenschaft der Subadditivität von einem Risikomaß tatsächlich erfüllt, führt die Diversifikation innerhalb eines Portfolios stets zu einer Reduzierung des Portfoliorisikos. [2] Das Axiom der positiven Homogenität besagt, dass das Risiko eines Portfolios stets proportional zu einem positiven Faktor t ansteigt. Es gilt: (1.27) Da die Eigenschaft der Konvexität aus den ersten beiden Axiomen (1) Subadditivität und (2) positive Homogenität folgt, stellen die aufgeführten Axiome grundlegende Eigenschaften für die Lösung von Fragestellungen innerhalb der Portfoliooptimierung dar. Vor diesem Hintergrund führt auch die Suche nach einem absoluten Minimum (vgl. Abschnitt 2.3.5.3) bei der Optimierung der Varianz eines Portfolios nur unter der Voraussetzung der Konvexität zu einem sinnvollen Ergebnis. [3] Das Axiom über die Monotonie besagt, dass das Risiko eines Portfolios ebenfalls durch eine monoton ansteigende Funktion dargestellt wird. Es ergibt sich folgender formaler Zusammenhang: (1.28) [4] Das Axiom der Translationsinvarianz, auch als „risk-free condition“ bekannt, bezieht sich auf die Investition eines zusätzlichen Betrages n in ein bestehendes Portfolio. Aus Formel (1.29) resultiert, dass sich dabei das Risiko stets um den Betrag n reduziert. (1.29) Ein monetäres Risikomaß, das alle aufgeführten Eigenschaften der vier Axiome erfüllt, wird häufig auch als kohärentes Risikomaß bezeichnet. Im Verlauf der weiteren Abschnitte erkennt man jedoch bald, dass nahezu alle statistischen Konzepte zur Ermittlung von Risikomaßen die dargestellten Axiome nach A RTZNER et al. nur teilweise erfüllen. Auf diesen Zusammenhang soll jedoch erst später näher eingegangen werden. Alternativen zu der axiomatischen Charakterisierung von Risikomaßen nach A RTZ- NER / D ELBAEN / E BER / H EATH stellen das Axiomensystem von P EDERSEN / S AT - CHELL sowie das Axiomensystem von R OCKAFELAR / U RYASEV / Z ABARANKIN dar. 91 91 Vgl. Albrecht (2003), Risk Measures, S. 1 ff. <?page no="87"?> 88 1 Grundlagen des Portfolio Managements 1.6.4.1 Varianz Quelle: © European Pressphoto Agency „In order to succeed, you have to live dangerously. […] As long as the danger is rationally accepted and as long as the rewards far outweigh the risk.“ Sumner Redstone - US-amerikanischer Unternehmer und Milliardär (*1923) Die Quantifizierung von Risiken wird in der modernen Portfoliotheorie häufig durch das statistische Streuungsmaß der Varianz vorgenommen und fließt anschließend entweder in Form einer Kovarianz-Varianz-Matrix oder entsprechender Standardabweichungen in die Berechnung des Portfoliorisikos mit ein. Die Varianz ist grundsätzlich als durchschnittliche quadrierte Abweichung der Beobachtungswerte von ihrem arithmetischen Mittel definiert. Im Rahmen des Portfolio Managements beschreibt die Varianz in ähnlicher Weise die quadrierte Abweichung der diskreten oder stetigen Renditen von der arithmetischen Durchschnittsrendite. Die Varianz definiert sich formal wie folgt: Ziehung aus einer Grundgesamtheit (1.30) Ziehung aus einer Stichprobe (1.31) Der Mittelwert repräsentiert in unserem Fall das arithmetische Mittel der diskreten oder stetigen Renditen und kann daher auch als Erwartungswert der zukünftigen Renditen interpretiert werden. Bei der Ermittlung der mittleren Abweichung besteht das grundsätzliche Problem, dass sich die positiven und negativen Abweichungen der Beobachtungswerte beim Aufsummieren gegenseitig aufheben. Aus diesem Grund sollten lediglich absolute und quadratische Abweichungen in die Berechnung der Varianz miteinfließen. Die Statistik bezeichnet die Varianz aufgrund der quadratischen Dimension der Merkmalsausprägungen auch als quadratisches Streuungsmaß. 92 92 Vgl. Wewel (2006), S. 57 f. <?page no="88"?> 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? 89 Berechnen Sie für den heutigen Donnerstag, den 15.07. die Varianz des Wertpapiers ABC für die vergangene Woche auf Grundlage der nachfolgenden historischen Schlusskurse. Kurs Mittwoch, den 14.07. 85,00 € 8,97 % Dienstag, den 13.07. 78,00 € -3,70 % Montag, den 12.07. 81,00 € 9,46 % Freitag, den 09.07. 74,00 € 2,78 % Donnerstag, den 08.07. 72,00 € 12,50 % Mittwoch, den 07.07. 64,00 € Die Varianz des Wertpapiers ABC für die letzte Woche (vom 07.07. bis 14.07.) wird wie folgt ermittelt: 8,97 % 0,044241 -3,70 % 0,113647 9,46 % 0,042224 2,78 % 0,074148 12,50 % 0,030653 Mittelwert 6,00 % Summe 0,016761 Teiler (n-1) 0,004190 Die historische Varianz beträgt: 0,004190 (1.32) <?page no="89"?> 90 1 Grundlagen des Portfolio Managements Abb. 28: Umsetzung der Varianz in EXCEL 1.6.4.2 Standardabweichung Die Standardabweichung (griech. Sigma) stellt ein weiteres Streuungsbzw. Risikomaß in der Statistik als auch im quantitativen Portfolio Management dar. Die Standardabweichung ergibt sich als Quadratwurzel der Varianz. Ihre Formel (1.33) lautet: (1.33) Im Gegensatz zur Varianz bietet das statistische Maß der Standardabweichung den Vorteil, dass beide Kenngrößen „Erwartungswert“ und „Standardabweichung“ die gleiche Dimension aufweisen. Diese Eigenschaft ermöglicht einen sinnvollen Vergleich zwischen Erwartungswert und Standardabweichung unterschiedlicher Kapitalanlagen. Eine wichtige Voraussetzung für den sinnvollen Vergleich von Varianz bzw. Standardabweichung und Erwartungswert stellt die Kongruenz einer gemeinsamen Datengrundlage dar. Es ist notwendig, dass sich die Berechnung von Rendite und Varianz bzw. Standardabweichung einer Kapitalanlage stets auf den gleichen Beobachtungszeitraum bezieht. Möchte man die auf Basis des letzten Jahres ermittelte Rendite einer Kapitalanlage mit der abweichenden Varianz bzw. Standardabweichung vergleichbar machen, bedarf es unter Umständen der Annualisierung der Streuungsmaße. 93 Das statistische Maß einer annualisierten Standardabweichung wird in der Finanzwirtschaft häufig auch als Volatilität bezeichnet. (1.34) Die voranstehende Formel (1.34) ermöglicht die Angleichung von Standardabweichungen auf Grundlage von Tageskursen, Wochenkursen und monatlich festgestellten 93 Vgl. Maier (2007), S. 39 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 A B C D E F Die Varianz Mittwoch, den 14.07 85,00 € 0,0897 << =(C45/ C46)-1 Dienstag, den 13.07 78,00 € - 0,0370 Montag, den 12.07 81,00 € 0,0946 Freitag, den 09.07 74,00 € 0,0278 Donnerstag, den 08.07 72,00 € 0,1250 Mittwoch, den 07.07 64,00 € Varianz: 0,0042 << =VAR.S(D45: D49) <?page no="90"?> 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? 91 Kursen an eine gemeinsame jährliche Basis. Die annualisierte Volatilität ergibt sich durch das Produkt von Standardabweichung und der Quadratwurzel aus dem Anpassungsfaktor t. Bezieht sich die Volatilität einer Kapitalanlage auf die Marktbewegung eines Tages, muss diese zum Vergleich mit der jährlichen Rendite dieses Wertpapiers mit Hilfe des Faktors t angepasst werden. Obwohl ein Jahr in der Regel aus 365 Kalendertagen besteht, ist die Börse nach Abzug von Wochenenden und Feiertagen lediglich an ca. 250 Kalendertagen eines Jahres geöffnet. Aus diesem Grund werden im Portfoliokontext häufig 250 Börsenhandelstage als Anpassungsfaktor verwendet. 94 Die Transformation der Volatilität auf Grundlage unterschiedlicher Berechnungszeiträume ergibt sich wie folgt: 95 bei Tagesrenditen: bei Quartalsrenditen: bei Wochenrenditen: bei Monatsrenditen: (1.35) Neben der soeben erläuterten Methode zur Bestimmung von historischen Renditen lassen sich die Volatilitäten von Kapitalanlagen ebenfalls durch das Black-Scholes- Modell implizit aus den gehandelten Optionen ableiten. Diese werden in der Praxis auch häufig als implizite Volatilitäten bezeichnet. Die Werte dieser impliziten Größen spiegeln unmittelbar die Einschätzungen der Marktteilnehmer über die zukünftigen Schwankungen eines Wertpapiers wider, wobei sich die Anwendung dieser Kenngröße eher auf den professionellen Optionshandel an den Kapitalmärkten beschränkt. Berechnen Sie für den heutigen Donnerstag, den 15.07. die Standardabweichung des Wertpapiers ABC für die vergangene Woche auf Grundlage der Varianz. (1.36) Berechnen Sie nun die jährliche Volatilität des Wertpapiers ABC für das vergangene Jahr auf Grundlage der nachfolgenden Quartalsrenditen. 01.01. bis 31.03. 8,50 % 0,00116 01.04. bis 31.06. 3,25 % 0,00034 01.07. bis 31.09. 4,80 % 0,00001 01.10. bis 31.12. 3,85 % 0,00016 Mittelwert 5,10 % Summe 0,00166 Teiler (n-1) 0,00055 94 Vgl. Steiner/ Bruns (2002), S. 61 95 Vgl. Perridon/ Steiner (2002), S. 336 <?page no="91"?> 92 1 Grundlagen des Portfolio Managements Die jährliche Volatilität des Wertpapiers ABC für die letzte Woche (vom 07.07. bis 14.07.) wird wie folgt ermittelt: (1.37) Die Volatilität für das Wertpapier ABC beträgt: 4,69 % Abb. 29: Umsetzung der Standardabweichung in EXCEL 1.6.4.3 Semivarianz Da sowohl die Varianz als auch die Standardabweichung durch die Berücksichtigung von positiven und negativen Abweichungen von einem Mittelwert zweidimensionale bzw. symmetrische Risikomaße darstellen, entsprechen diese nicht zwangsläufig dem Interesse der Kapitalanleger. Im Gegensatz zu den bereits vorgestellten Risikogrößen gibt es jedoch weitere Kennzahlen zur Bewertung von Risiken, die durch deren Methodik am Kapitalmarkt eine weitaus wichtigere Rolle spielen. Bei der Bewertung von Risiken fällt das Augenmerk auf die alleinige Betrachtung der negativen Abweichungen von einem beobachteten Mittelwert. Da bei dieser Methodik lediglich der linke Teil einer Wahrscheinlichkeitsverteilung betrachtet wird, bezeichnet man die nachfolgenden Risikomaße wie Semivarianz und Value at Risk häufig auch als eindimensionale Risikomaße oder Downside-Risikomaße. Die Semivarianz entspricht unter der Voraussetzung einer Normalverteilung auch ungefähr der halben Varianz der zugrundeliegenden Renditen. Die formale Definition der Semivarianz stellt sich wie folgt dar: (1.38) Analog zur Standardabweichung ergibt sich die Semivolatilität gemäß: (1.39) 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 A B C D E F G Die Standardabweichung Mittwoch, den 14.07 85,00 € 0,0897 << =(C57/ C58)-1 Dienstag, den 13.07 78,00 € - 0,0370 Montag, den 12.07 81,00 € 0,0946 Freitag, den 09.07 74,00 € 0,0278 Donnerstag, den 08.07 72,00 € 0,1250 Mittwoch, den 07.07 64,00 € Standardabweichung: 6,47% << =STDEV.S(D57: D61) <?page no="92"?> 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? 93 Obgleich die Semivarianz durchaus günstigere Eigenschaften besitzt als die Varianz, wird in der Praxis aufgrund ihrer einfachen Handhabung häufig auf die Varianz bzw. Volatilität als einheitliches Risikomaß zurückgegriffen. Berechnen Sie für den heutigen Donnerstag, den 15.07. die Semivarianz des Wertpapiers ABC für die vergangene Woche auf Grundlage der nachfolgenden historischen Schlusskurse. Kurs Mittwoch, den 14.07. 74,00 € -0,0513 0,0014 Dienstag, den 13.07. 78,00 € 0,0263 Montag, den 12.07. 76,00 € -0,1059 0,0084 Freitag, den 09.07. 85,00 € 0,1806 Donnerstag, den 08.07. 72,00 € -0,1220 0,0116 Mittwoch, den 07.07. 82,00 € Mittelwert -0,0144 Summe / (n-1) 0,0106 Die Semivarianz des Wertpapiers ABC für die letzte Woche (vom 07.07 bis 14.07) wird wie folgt ermittelt: (1.40) Die Semivarianz für das Wertpapier ABC beträgt: 10,31 % Abb. 30: Umsetzung der Semivarianz in EXCEL 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 A B C D E F Die Semivarianz Mittwoch, den 14.07 74,00 € - 0,0513 0,0014 Dienstag, den 13.07 78,00 € 0,0263 Montag, den 12.07 76,00 € - 0,1059 0,0084 Freitag, den 09.07 85,00 € 0,1806 Donnerstag, den 08.07 72,00 € - 0,1220 0,0116 Mittwoch, den 07.07 82,00 € Mittelwert 0,0144 - Semi-Varianz: 0,0053 << =SUM(E69: E73)/ 4 Semi-Standardabweichung: 7,29% << =SQRT(D77) <?page no="93"?> 94 1 Grundlagen des Portfolio Managements 1.6.4.4 Kovarianz und Korrelationskoeffizient Die Kovarianz stellt ein weiteres Risikomaß zur Bestimmung des Gleichlaufs zweier Zufallsvariablen dar und ermöglicht dadurch die Korrelationsanalyse zweier quantitativer Merkmale. In der Finanzwirtschaft beziehen sich die quantitativen Merkmale häufig auf eine gängige Form der Renditen. Die Kovarianz ist eine nichtstandardisierte Maßzahl für den (linearen) Zusammenhang zweier Zufallsvariablen mit gemeinsamer Verteilung. Bei einer positiven Kovarianz gehen kleine (große) Werte der einen Variablen überwiegend einher mit kleinen (großen) Werten der anderen Variablen. Für eine negative Kovarianz ist das genau umgekehrt. Die Formel der Kovarianz lautet wie folgt: (1.41) Bei genauerer Betrachtung stellt man eine formale Ähnlichkeit mit der Definition der Varianz fest. In der Tat lässt sich dieser Zusammenhang durch einen Verschiebungssatz verifizieren. Im Gegensatz zur Varianz besitzt die Kovarianz jedoch die Eigenschaft, neben positiven auch negative Werte annehmen zu können. Diese Eigenschaft erlaubt es, wichtige Rückschlüsse über die Richtung des Gleichlaufs bzw. den Zusammenhang zweier quantitativer Merkmale zu ziehen, d.h. in welcher Richtung zwei Merkmale von ihren Mittelwerten abweichen. Daraus ergibt sich: (1.42) Da sich die Kovarianz gemäß Formel (1.41) aus dem Produkt der beiden Differenzen zwischen Rendite und Erwartungswert zusammensetzt, wirkt die Kennzahl der Kovarianz zunächst als eher wenig anschaulich und ist dadurch als Zahl eher schwer interpretierbar. Durch die fehlende Normierung der Kennzahl ist es für den Anwender schwer, die Kennzahl sinnvoll auszulegen, weswegen sich die Aussage alleinig auf die Richtung des Zusammenhangs beschränkt. Um eine verlässliche Strukturierung eines Portfolios vornehmen zu können, ist es notwendig, die Intensität des Gleichlaufs bzw. des Zusammenhangs der unterschiedlichen Kapitalanlagen zu kennen. Um jedoch überhaupt eine verlässliche Aussage über die Intensität treffen zu können, sollte zunächst die Kovarianz mit den Standardabweichungen der jeweiligen Renditen normiert werden. Aus diesem Umstand ergibt sich die nachfolgende Definition. Der Korrelationskoeffizient (auch: Korrelationswert) ist ein dimensionsloses Maß für den Grad des linearen Zusammenhangs zwischen zwei mindestens intervallskalierten Merkmalen. Die Formel des Korrelationskoeffizienten nach B RAVAIS / P EARSON lautet: <?page no="94"?> 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? 95 (1.43) Die Normierung führt zur allgemeingültigen Berechnung und Darstellung des Korrelationskoeffizienten innerhalb des nachfolgenden Intervalls: (1.44) Durch die Normierung stellt der Korrelationskoeffizient im Gegensatz zur Kovarianz eine relative Kenngröße dar und erlaubt neben der Quantifizierung der Richtung des Gleichlaufs auch eine Aussage über die Stärke des Zusammenhangs zu treffen. Gemäß Formel (1.44) kann der Korrelationskoeffizient Werte im Bereich von -1 über Null bis zu +1 annehmen. Der Extremwert von -1 beschreibt die vollständige Gegenläufigkeit der beiden beobachteten Merkmale, der andere Extremwert von +1 trifft die Aussage einer vollständig gleichförmigen Entwicklung beider Merkmale. Möchte man bei der Bildung von Portfolios einen relativ hohen Diversifikationseffekt zur Streuung des Risikos erreichen, sollten bei der Aufnahme grundsätzlich Anlagetitel bevorzugt werden, die eine vergleichsweise niedrige Korrelation aufweisen. Hierzu wird unter Umständen bei der Auswahl auf unterschiedliche Assetklassen, Branchen und Länder zurückgegriffen (vgl. Abschnitt 1.4). Berechnen Sie für den heutigen Donnerstag, den 15.07. die Korrelation des Wertpapiers ABC für die vergangene Woche auf Grundlage der nachfolgenden historischen Schlusskurse. Kurs A Kurs B Mittwoch, den 14.07. 74,00 € 72,00 € -0,0513 -0,0769 Dienstag, den 13.07. 78,00 € 78,00 € 0,0263 -0,0250 Montag, den 12.07. 76,00 € 80,00 € -0,1059 -0,0588 Freitag, den 09.07. 85,00 € 85,00 € 0,1806 -0,0230 Donnerstag, den 08.07. 72,00 € 87,00 € -0,1220 -0,0543 Mittwoch, den 07.07. 82,00 € 92,00 € Standardabweichung 0,1235 0,0232 Kovarianz 0,0021 Die Korrelation des Wertpapiers ABC für die letzte Woche (vom 07.07. bis 14.07.) wird wie folgt ermittelt: (1.45) Die Korrelation für das Wertpapier ABC beträgt: 0,74 <?page no="95"?> 96 1 Grundlagen des Portfolio Managements Abb. 31: Umsetzung der Korrelation in EXCEL 1.6.4.5 Value at Risk Quelle: © Guillaume Paumier “The biggest risk is not taking any risk. In a world that is changing really quickly, the only strategy that is guaranteed to fail is not taking risks.” Mark Zuckerberg - Vorstandsvorsitzender des Sozialnetzwerks Facebook (*1984) Die enge Verbindung von Rendite und Risiko erkannte bereits M ARKOWITZ (1952), als er im Rahmen der modernen Portfoliotheorie das statistische Maß der Standardabweichung zur Abbildung von Risiken einführte. Da die Standardabweichung als symmetrisches Risikomaß neben den negativen Abweichungen ebenfalls die positiven Abweichungen vom Erwartungswert berücksichtigt, stellte sich im Laufe der Zeit heraus, dass dieses Konzept für die Anwendung im Asset Management kein adäquates Maß zur Bestimmung von Risiken darstellt. Um die asymmetrische Natur von Risiken bei der Strukturierung von Portfolios zu berücksichtigen, schlug M ARKOWITZ (1959) die Verwendung von Semi-Standardabweichungen vor. 96 Im Laufe der Zeit passten sich die statistischen und stochastischen Konzepte zur Bewertung von Risiken immer weiter an die volatilen Rahmenbedingungen der Kapitalmärkte an. Anfang der frühen 1990er Jahre entwickelte die Investment-Bank J.P. Mor- 96 Vgl. Fabozzi/ Stoyanov/ Rachez (2008), S. 181 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 A B C D E F G H I Die Korrelation Kurs A Kurs B Rendite A Rendite B Mittwoch, den 14.07 74,00 € 72,00 € -5,13% -7,69% Dienstag, den 13.07 78,00 € 78,00 € 2,63% -2,50% Montag, den 12.07 76,00 € 80,00 € -10,59% -5,88% Freitag, den 09.07 85,00 € 85,00 € 18,06% -2,30% Donnerstag, den 08.07 72,00 € 87,00 € -12,20% -5,43% Mittwoch, den 07.07 82,00 € 92,00 € Standardabweichung 12,35% 2,32% Kovarianz 0,00213808 << =COVARIANCE.S(E84: E88,F84: F88) Korrelation 0,74740147 << =E92/ (E91*F91) Korrelation 0,74740147 << =CORREL(E84: E88,F84: F88) <?page no="96"?> 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? 97 gan in Zusammenarbeit mit Reuters ein neuartiges Konzept, um mögliche Wertschwankungen eines Portfolios innerhalb eines bestimmten Beobachtungszeitraums in einem bestimmten Konfidenz-Niveau zu berechnen. Dieses Risikomaß wurde als Value at Risk (VaR) bekannt. 97 Der Begriff Wert im Risiko oder englisch Value at Risk (VaR) bezeichnet ein Risikomaß, das angibt, welchen Wert der Verlust einer bestimmten Risikoposition (z.B. eines Portfolios von Wertpapieren) mit einer gegebenen Wahrscheinlichkeit innerhalb eines gegebenen Zeithorizonts nicht überschreitet. Obwohl der VaR ursprünglich in J.P. Morgan‘s RiskMetrics™ Framework eingesetzt wurde, um das Risiko zukünftiger Änderungen im Portfoliowert von Anleihe- Portfolios zu bestimmen, wird das Konzept des VaR heute zur Bewertung von Risiken nahezu aller Anlageklassen (Aktien, Derivate und strukturierte Produkte usw.) verwendet. 98 Nach Abschluss der Entwicklungen ermöglichte das Team um J.P. Morgan auch anderen Banken und Finanzinstituten die Anwendung des VaR-Modells aus dem Risk- Metrics™ Framework für ihre eigenen Zwecke. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (engl. Basel Committee on Banking Supervision) würdigte das Konzept des VaR und integrierte das Risikomaß in ein verbindliches Rahmenwerk für alle Finanzinstitutionen zur Eigenkapitalunterlegung von Marktrisiken. Im Gegensatz zu den statistischen Maßen wie Varianz und Standardabweichung lassen sich die Risiken eines Finanzinstruments am besten durch die Wahrscheinlichkeitsverteilung ihrer Renditen beschreiben. Das Konzept des VaR spiegelt diese Erkenntnis in der Annahme einer Normalverteilung der Renditen wider. 99 In der Realität folgen jedoch nur noch wenige Märkte einer Normalverteilung. Werden Renditen über einen längeren Zeithorizont bestimmt, so sind diese bestenfalls lognormalverteilt und weisen eine gewisse Schiefe oder Kurtosis auf. Aus diesem Grund erscheint es wichtig, dass die Eigenschaften einer angenommenen Verteilung mit der beobachteten Verteilung möglichst genau übereinstimmen. Wenn es im unteren Teil der Renditeverteilung zu Abweichungen von der Normalverteilung kommt, spricht man in diesem Zusammenhang häufig von „fat tails“. 100 Die tatsächlich zu beobachtenden Abweichungen von der Normalverteilung stellen eine verlässliche Anwendung des VaR-Konzeptes unter Umständen in Frage. Die festgestellten Wahrscheinlichkeitsverteilungen in Abb. 32 und Abb. 33 bestätigen diese Annahme. Abb. 32 zeigt den detaillierten Vergleich einer aus empirischen Daten gewonnenen kumulierten Wahrscheinlichkeitsverteilung und einer kumulierten Normalverteilung. Es ist offensichtlich, dass an einigen Stellen deutlich sichtbare Abweichungen zwischen der empirisch festgestellten Verteilung und der Normalverteilung vorliegen. 97 Vgl. Rasmussen (2003), S. 392 98 Siehe J.P. Morgan/ Reuters (1996) 99 Vgl. Rasmussen (2003), S. 392 100 Vgl. Qian/ Hua/ Sorensen (2007), S. 72 <?page no="97"?> 98 1 Grundlagen des Portfolio Managements Abb. 32: Der Vergleich einer empirisch ermittelten kumulierten Wahrscheinlichkeitsverteilung mit der Normalverteilung. Quelle: Eigene Darstellung Abb. 33: Vergrößerter Ausschnitt von Abb. 32 Quelle: Eigene Darstellung Kumulierte Wahrscheinlichkeitsverteilung Kumulierte Wahrscheinlichkeitsverteilung Kumulierte Wahrscheinlichkeit Kumulierte Wahrscheinlichkeit <?page no="98"?> 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? 99 Einführung in das VaR-Maß Im modernen Risikomanagement ist ein Portfolio-Manager bei der Analyse des Value at Risk eines Portfolios neben der Quantifizierung des Risikos der einzelnen Finanzinstrumente vor allem an der konkreten ökonomischen Aussage dieser Kennzahl interessiert. Der VaR trifft deshalb folgende zentrale Aussage: „Wir sind zu X Prozent sicher, dass wir in den nächsten N Tagen nicht mehr als V Dollar verlieren werden.“ 101 In anderen Worten gibt die Kennzahl VaR also den Verlust an, der in N Tagen nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 1überschritten wird. Aus der vorherigen Aussage ergibt sich der VaR als eine Funktion in Abhängigkeit von den beiden Parametern des Zeithorizonts N und des Konfidenzniveaus . Der Zeithorizont wird gewöhnlich in Tagen angegeben, wobei das Konfidenzniveau in Prozent ausgedrückt wird. Nachdem die Rahmenbedingungen des VaR verbal beschrieben wurden, fassen wir nun die gesammelten Erkenntnisse in einer Formel zusammen, so dass: (1.46) wobei P die Wahrscheinlichkeit angibt, die Änderung des Portfoliowertes, Y die in Abhängigkeit von der Wahrscheinlichkeitsverteilung definierte Grenze sowie das angestrebte Konfidenzniveau. Nach der formalen Definition entspricht der VaR mit einem Zeithorizont von N Tagen und einem Konfidenzniveau von , dem Verlust, der durch das (1- )-Quantil der Verteilung der Portfoliowertänderungen für die nächsten N Tage beschrieben wird. Soll zum Beispiel der VaR für ein Portfolio mit einem Zeithorizont von 8 Tagen und einem Konfidenzniveau von 98 % bestimmt werden, stellt der VaR das 2%-Quantil der Verteilung über die Wertänderungen des Portfolios über die nächsten 8 Tage dar. 102 Die dazu notwendige Verteilung der Änderungen der Portfoliowerte ergibt sich entweder aus historischen Kurszeitreihen oder aus der simplen Annahme einer Wahrscheinlichkeitsverteilung. Um die Berechnung des VaR zu vereinfachen, wird häufig die Annahme getroffen, dass die Wertänderungen des Portfolios annähernd einer Standardnormalverteilung entsprechen. Der VaR stellt für Portfolio- und Risikomanager eine einfach zu berechnende und zu interpretierende Kennzahl dar, die umfassend das Risiko nahezu aller in einem Portfolio enthaltenen Finanzinstrumente in einer einzigen Kennzahl zusammenfassend darstellen kann. Der VaR geht grundsätzlich der zentralen Frage nach, die sich jede am Kapitalmarkt agierende Führungskraft täglich aufs Neue stellen sollte: „Wie schlimm kann es kommen? “ Um diese Frage zu beantworten, sollten wir uns näher mit der Dichtefunktion aus Abb. 34 beschäftigen. Die in Abb. 34 dargestellte Dichtefunktion beschreibt in erster Linie die Wahrscheinlichkeitsverteilung einer stetigen Zufallsvariablen, in diesem Fall der zugrundeliegenden Rendite eines Portfolios. Im Gegensatz zur Wahrscheinlichkeitsfunktion treffen die jeweiligen Funktionswerte f(x) der Dichtefunktion grundsätz- 101 Siehe Hull (2007), S. 556 102 Vgl. Alexander (2008), S. 14 ff. <?page no="99"?> 100 1 Grundlagen des Portfolio Managements lich keine direkte Aussage in Bezug auf die Eintrittswahrscheinlichkeiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine stetige Zufallsvariable einen bestimmten Wert nicht überschreitet, ergibt sich erst durch ein bestimmtes Integral der betrachteten Dichtefunktion. Die Abbildung zeigt die Dichtefunktion der Standardnormalverteilung und liefert somit wichtige Informationen über die Eintrittswahrscheinlichkeiten von Beobachtungswerten. Es ist bekannt, dass die Beobachtungswerte, in diesem Fall die Renditen des Portfolios, gewöhnlich um den Erwartungswert schwanken. Durch die Annahme einer Standardnormalverteilung schwanken die Beobachtungswerte per Definition um den Erwartungswert von Null. Dabei stellt die Wahrscheinlichkeitsverteilung die Änderungen der Portfoliowerte dar, die Gewinne als positive und die Verluste als negative Werte. Da wir bei der Interpretation des VaR die Aussage zulassen wollen, mit welcher Sicherheit (Konfidenzniveau) davon ausgegangen werden kann, dass unser Portfoliowert nicht mehr als X Euro verlieren wird, benötigen wir weitere Informationen aus der Dichtefunktion. Im Rahmen der Standardnormalverteilung werden die Schwankungen um den Erwartungswert in Abhängigkeit von der jeweiligen Standardabweichung des zugrunde gelegten Finanzinstruments angegeben. Der Wert einer, zwei, ... Standardabweichung(en) stellt zunächst zwei Intervallgrenzen a und b dar. Die Intervall-Wahrscheinlichkeit lässt sich vor diesem Hintergrund geometrisch aus der Fläche zwischen der Dichtefunktion und ihrer Abszisse sowie den angesprochenen Intervallgrenzen bestimmen. 103 Aus einer Intervallgrenze von einer Standardabweichung kann geschlossen werden, dass der zukünftige Wert einer stetigen Zufallsvariablen mit einer Wahrscheinlichkeit von 68,27 % um deren Erwartungswert liegen wird. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 31,73 % (1 - 0,6827) der Wert außerhalb der angeführten Intervallgrenzen liegt. Im Rahmen dieses Beispiels würde ein Konfidenzniveau von 68,27 % vorliegen. Man kann auch umgekehrt behaupten, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 68,27 % der zukünftige Wert eine Standardabweichung nicht überschreiten wird. Abb. 34: Dichtefunktion einer Standardnormalverteilung Quelle: Eigene Darstellung 103 Vgl. Wewel (2006), S. 175 0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.25 0.30 0.35 0.40 0.45 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 Wahrscheinlichkeit 68,27% 95,45% Downside-Risk Upside-Risk <?page no="100"?> 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? 101 Der Zusammenhang zwischen Eintrittswahrscheinlichkeit und Standardabweichung soll am Beispiel der Daimler-Aktie aufgezeigt werden. Es soll ein VaR für eine Daimler-Aktie mit einem Konfidenzniveau von 98 % und einem Zeithorizont von einem Tag berechnet werden. Aus der Dichtefunktion der Wahrscheinlichkeitsverteilung können wir ablesen, dass eine normalverteilte Variable mit einer Wahrscheinlichkeit von 98 % im Wert nicht um mehr als 2,05 Standardabweichungen sinken wird. Umgekehrt folgt aus dieser Aussage, dass eine normalverteilte Variable lediglich mit einer Wahrscheinlichkeit von 2 % um mehr als 2,05 Standardabweichungen um den Erwartungswert schwanken wird. Der im vorigen Absatz beschriebene Zusammenhang ermöglicht die Anpassung der zu Beginn dargestellten zentralen Aussage des VaR. „Wir sind zu 98 % sicher, dass unser Portfoliowert am morgigen Tag nicht um mehr als 2,05 Standardabweichungen im Wert sinken wird.“ Abb. 35 beschreibt so die Dichtefunktion der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Daimler-Aktie aus dem vorherigen Beispiel, wobei das 2%-Quantil der Verteilungsfunktion (schwarz eingefärbt) den ermittelten VaR darstellt. Abb. 35: Dichtefunktion der Daimler-Aktie mit eingezeichnetem Value at Risk Quelle: Eigene Darstellung in MATLAB Berechnen Sie den Value at Risk für das Wertpapier ABC auf Grundlage der gegebenen Informationen. Konfidenzniveau: 95 % Faktor für Konfidenzniveau (95 %): 1,645 Volatilität für 250 Tage: 32,89 % Zeitfaktor für 10 Tage: 0,2 Portfoliovolumen: 100.000 -0.06 -0.04 -0.02 0 0.02 0.04 0.06 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 VaR =-0.051074 <?page no="101"?> 102 1 Grundlagen des Portfolio Managements Der Value at Risk des Wertpapiers ABC wird wie folgt ermittelt: (1.47) Der VaR für das Wertpapier ABC beträgt: 10.819,85 € Abb. 36: Umsetzung des Value at Risk in EXCEL Obwohl die Wahl des Konfidenzniveaus von der individuellen Einschätzung eines jeden Portfolio- und Risikomanagers abhängig ist, sieht der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht für Banken und andere Finanzinstitutionen ein verbindliches Rahmenwerk für die Berechnung des VaR vor. Die Rahmenbedingungen geben ein Konfidenzniveau von 99 % bei einem zugrunde gelegten Zeithorizont von 10 Tagen vor. 104 Das bedeutet, dass bei einer Anzahl von 250 Handelstagen im Jahr es lediglich an 2,5 Handelstagen zu Überschreitungen des berechneten VaR kommen darf. Andernfalls, sollte das für die Bewertung der Finanzinstrumente zugrunde gelegte VaR-Modell in Frage gestellt und überprüft werden. Durch die unmittelbare Vorgabe des Konfidenzniveaus sind Banken und Finanzinstitutionen nicht nur verpflichtet, die Bedingungen des Basler Ausschusses einzuhalten, sondern müssen ebenfalls eine regelmäßige Validierung des VaR-Modells im Sinne der vorangestellten Kriterien vornehmen. Die tägliche Überprüfung des Modells wird in der Praxis auch als Backtesting bezeichnet. Neben dem Konfidenzniveau X ist die Berechnung des VaR ebenfalls vom betrachteten Zeithorizont N abhängig. Da in der Realität oftmals nicht genügend Daten für eine direkte Schätzung des Verhaltens von Marktvariablen über einen längeren Zeitraum vorliegen, 105 wird der VaR zunächst ausschließlich für einen Zeitraum von einem Tag berechnet. Um den VaR für einen Zeitraum von beispielsweise 10 Tagen zu berechnen, wird vereinfachend auf einen Skalierungsfaktor zurückgegriffen. Die Formel lautet: (1.48) Da Formel (1.48) lediglich eine Annahme darstellt, gilt diese auch nur, falls die Änderungen des Portfolios unabhängig und normalverteilt mit einem Erwartungswert von Null sind. Nachdem die grundsätzliche Vorgehensweise zur Ermittlung des VaR erläutert wurde, wollen wir im Folgenden im Detail auf die unterschiedlichen Konzepte und Ansätze zur Berechnung des VaR eingehen. 104 Vgl. Alexander (2008), S. 14 105 Vgl. Hull (2007), S. 558 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 A B C D E F G Value at Risk Konfidenzniveau: 95% Faktor für Konfidenzniveau (95%): 1,645 << =NORMINV(D99,0,1) Volatilität für 250 Tage: 32,89% Zeitfaktor für 10 Tage: 0,2 Portfoliovolumen: 100.000 Der Value at Risk beträgt: 10.819,85 € << =D100*D101*D102*D103 <?page no="102"?> 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? 103 Der Modellbildungsansatz Die zu Beginn getroffene Annahme einer Normalverteilung erleichtert beim Modellbildungsansatz, welcher in der englischsprachigen Fachliteratur häufig auch als analytical method oder parametric method bezeichnet wird, die Berechnung des VaR- Maßes um ein Vielfaches. Der Modellbildungsansatz eignet sich besonders für Portfolios mit Finanzinstrumenten, die einen eindeutigen linearen Zusammenhang bei der Berechnung ihres inhärenten Risikos aufweisen. In diesem Fall stellt der VaR eine lineare Funktion der Portfoliovolatilität dar, wobei angenommen wird, dass sich die Normalverteilung im Zeitablauf stationär verhält. 106 Man geht davon aus, dass sich die Normalverteilung im Zeitablauf grundsätzlich nicht ändert. Der Modellbildungsansatz beruht auf der Annahme, dass die erwartete Änderung einer Zufallsvariablen stets Null ergibt. Im Vergleich zur Standardabweichung der Änderung fällt die erwartete Wertänderung der Zufallsvariablen für einen kurzen Zeitraum, z.B. einen Tag, in der Regel kleiner aus. 107 Die formale Definition des parametrischen VaR ergibt sich vor diesem Hintergrund wie folgt: (1.49) Um den linearen Modellbildungsansatz näher zu erläutern, werden wir zunächst den VaR einer einzelnen Aktie berechnen, um später auf die Berechnung des VaR für ein Portfolio mit mehreren Finanzinstrumenten überzuleiten. Abb. 37: Allgemeine Methodik zum VaR nach dem Modellbildungsansatz Quelle: Eigene Darstellung Es soll nachfolgend der VaR für die Daimler-Aktie berechnet werden. Aus dem Zeitraum vom 26.05.2011 bis zum 18.05.2012 ergibt sich für die Berechnung der Kenngrößen eine Periode von 250 Tagen. Ausgehend von den historischen Kursen besaß die Daimler-Aktie im betrachteten Zeitraum eine historische Rendite von 26 % p.a. sowie eine Volatilität von 41,1 % p.a. Da uns jedoch in erster Linie für die Berechnung des parametrischen VaR die erwartete Rendite für einen Tag interessiert, muss zunächst eine Skalierung vorgenommen werden (siehe Abschnitt 1.5 ff.). Die Berechnung der skalierten erwarteten Renditen ergibt sich wie folgt: (1.50) Es wird davon ausgegangen, dass sich die gesamte Position über Daimler-Aktien auf einen Wert von 10 Millionen Euro bezieht. Obwohl diese Annahme auf den ersten 106 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 58 107 Vgl. Hull (2007), S. 562 Portfolio- Wert • 10 Mio. Volatilität • 0,001 Konfidenz- Niveau • 98% Zeitraum • 10 Tage <?page no="103"?> 104 1 Grundlagen des Portfolio Managements Blick angesichts der Marktkapitalisierung des Unternehmens und den damit verbundenen Meldepflichten keinesfalls plausibel erscheint, zeigt es jedoch das grundsätzliche Vorgehen bei der Ermittlung des VaR vereinfacht auf. Aus Formel (1.50) kann man erkennen, dass aufgrund der vergangenen Entwicklung der Daimler-Aktie von einer Standardabweichung in Höhe von 260.000 € sowie einem Erwartungswert von nahezu Null ausgegangen werden kann. Um mit den Berechnungen des parametrischen VaR fortzufahren, bestimmen wir als Nächstes das Konfidenzniveau bzw. Intervall als Ausgangspunkt für unsere weiteren Schritte. In diesem Fall wird ein Konfidenzniveau von gewählt. Aus der Standardnormalverteilungs-Tabelle am Ende dieses Abschnitts erhalten wir die folgenden vorliegenden Informationen: (1.51) wobei oder auch N -1 die Inverse der Standardnormalverteilung darstellt. Aus Formel (1.51) lässt sich erneut die Aussage ableiten, dass eine normalverteilte Variable mit einer Wahrscheinlichkeit von 2 % um mehr als 2,05 Standardabweichungen im Wert sinken wird. Auf Grundlage von Formel (1.49) ergibt sich unser 1-Tages-VaR zum Konfidenzniveau von 98 % für eine gesamte Position von 10 Mio. Daimler- Aktien: (1.52) Der 10-Tages-VaR wird gemäß Formel (1.48) wie folgt berechnet: (1.53) Bisher bestand unser Portfolio lediglich aus einer Position. Da die in der Realität betrachteten Portfolios jedoch aus einer Vielzahl an Finanzinstrumenten bestehen, wird als nächstes ein Portfolio mit zwei Aktien betrachtet, um die Berechnung des VaR eines Portfolios mit mehreren Kapitalanlagen zu erläutern. Wir betrachten nun ein gleichgewichtetes Portfolio mit 2 Wertpapieranlagen. Unser erstes Investment, das Aktienpaket aus Daimler-Anteilen, übernehmen wir aus dem vorangegangenen Beispiel und ergänzen dieses um ein Paket aus IBM-Aktien. Für beide Investments steht uns eine Summe von 10 Mio. Euro zur Verfügung. Es wird erneut davon ausgegangen, dass die Renditen beider Kapitalanlagen einer zweidimensionalen Normalverteilung entsprechen und einen Korrelationskoeffizienten von 0,9 aufweisen. Das Konfidenz-Niveau bleibt bei bestehen. Die Standardabweichung eines Portfolios mit 2 Anlagen (vgl. Abschnitt 3.1.2) ergibt sich aus folgender Beziehung: (1.54) Ausgehend von den historischen Kursen im Zeitraum vom 26.05.2011 bis zum 18.05.2012 ergeben sich für die Berechnung des VaR weiterhin folgende Ausgangsgrößen: <?page no="104"?> 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? 105 (1.55) Da die beiden Investments in Daimler und IBM eine ziemlich hohe Korrelation von ca. 0,9 aufweisen, ist lediglich ein geringer Diversifikationseffekt spürbar. Sind die Anteile des Portfolios nicht allzu perfekt korreliert, ist je nach Korrelationsniveau, ein umso größerer Diversifikationseffekt feststellbar. Näheres hierzu finden Sie im Kapitel 3 zur modernen Portfoliotheorie. Um das lineare Modell zur Berechnung des parametrischen VaR um N Aktien zu erweitern, greifen wir auf den Varianz-Kovarianz-Ansatz aus der modernen Portfoliotheorie zurück. An dieser Stelle stellt der nachfolgende Varianz-Kovarianz-Ansatz lediglich ein methodisches Werkzeug zur Ermittlung der Portfolio-Varianz als Teil der Value-at-Risk-Berechnung dar und wird daher nicht näher erläutert. Kapitel 3 greift diese Thematik auf und erläutert die hier angewendeten Konzepte nochmals im Detail. Es gilt bei der Berechnung des VaR nach wie vor der aus Formel (1.49) ersichtliche Zusammenhang zwischen Standardabweichung, Konfidenzniveau und Zeithorizont. Da wir gegenwärtig das Risiko eines Portfolios mit mehreren Finanzinstrumenten bestimmen wollen, bezieht sich die Ermittlung der Standardabweichung nun nicht mehr auf eine einzelne Aktie. Genauer gesagt, ist es hierfür nun notwendig, die Varianz bzw. die Standardabweichung des gesamten Portfolios zu bestimmen. Es wird vereinfachend angenommen, dass sich das Portfoliorisiko aus folgender Formel ergibt: (1.56) wobei und die erwarteten Renditen der einzelnen Wertpapiere in Form eines Vektors enthalten und die Varianz-Kovarianz-Matrix darstellt. Als Beispiel möchten wir in unser ursprünglich gleichgewichtetes Portfolio zwei neue Aktien mitaufnehmen. Durch die Auswahl von SAP und RWE besteht unser Portfolio nunmehr aus 4 Aktien. Die Gewichtung des neuen Portfolios ergibt sich wie folgt: DAIMLER: BASF: SAP: RWE: (1.57) <?page no="105"?> 106 1 Grundlagen des Portfolio Managements Nachdem die Standardabweichung des Portfolios berechnet wurde, kann wie gewohnt die Berechnung des parametrischen VaR fortgesetzt werden. (1.58) Der 10-Tages-VaR ergibt sich gemäß Formel (1.48) wie folgt: (1.59) Der erläuterte Modellbildungsansatz wird am häufigsten zur Berechnung des Risikos von Finanzinstrumenten eingesetzt, die einen direkten linearen Zusammenhang zwischen den Wertänderungen des Portfolios und den prozentualen Wertänderungen der zugrundeliegenden Underlyings (Basiswerte) besitzen. Ein linearer Zusammenhang lässt sich vor allem bei Aktien, Anleihen, Rohstoffen und Währungen erkennen. Enthält ein Portfolio jedoch Optionen, stellt das lineare Modell, bedingt durch die konvexe Verlaufsstruktur einer Option, lediglich eine Approximation dar. Es sollte deshalb bei der Bestimmung des Risikos von Portfolios mit Optionen auf alternative Bewertungsmethoden zurückgegriffen werden. Das quadratische Modell und die Monte- Carlo-Methode bieten zum Beispiel die Möglichkeit, eine annährend adäquate Abbildung des konvexen Zusammenhangs in die Berechnung des VaR miteinzubeziehen. Die historische Simulation Die historische Simulation geht bei der Berechnung des VaR im Vergleich zum Modellbildungsansatz nicht von einer Normalverteilung der Renditen aus, sondern leitet vielmehr die Verteilung der Portfolioänderungen aus den historischen Kursen der zu beurteilenden Wertpapiere selbst ab. Da bei dieser Methode keine konkrete Annahme über die Verteilung der Portfolioänderungen getroffen wird, bezeichnet die englischsprachige Fachliteratur diese Vorgehensweise häufig als non-parametric method. Um durch die historische Simulation den VaR für ein Portfolio mit dem Konfidenzniveau von 98 % für einen Zeithorizont von einem Tag zu berechnen, sollten in einem ersten Schritt die Risikofaktoren bestimmt werden, welche den Wert eines Portfolios als solches beeinflussen. Wie bereits angemerkt, sind dies in der Regel Aktienkurse, Wechselkurse oder Zinssätze. Um eine zuverlässige Bestimmung des VaR zu gewährleisten, werden im zweiten Schritt alle relevanten Kurszeitreihen der Risikofaktoren für einen ausreichend langen Zeitraum erfasst. Es wird angenommen, dass die Beobachtungswerte der letzten 501 Tage nahezu alle möglichen Ereignisse, die zukünftig passieren könnten, schon enthalten und somit als verlässliche Grundlage für die Bestimmung des VaR dienen. Dementsprechend ergeben sich für die Entwicklung der Risikofaktoren fünfhundert unterschiedliche Szenarios für den Zeitraum von heute bis morgen. Jedes einzelne Szenario entspricht der prozentualen Änderung eines Risikofaktors und ermöglicht dadurch die Berechnung aller möglichen Änderungen des Portfoliowertes. Aus diesem Grund enthält jedes einzelne Szenario eine mögliche Änderung des Portfoliowertes zwischen heute und morgen. Aus den fünfhundert unterschiedlichen Szenarien lässt sich eine individuelle Wahrscheinlichkeitsverteilung ableiten, die zur Berechnung des VaR herangezogen wird. Da von einem Konfidenzniveau von 98 % ausgegangen wird, interessieren wir uns für das 2%-Quantil der zuvor abgeleiteten Verteilung. Werden nun die unterschiedlichen täglichen Wertänderungen der <?page no="106"?> 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? 107 Größe nach sortiert, repräsentiert der zehnt-schlechteste Wert das 2%-Quantil der Verteilung, den gesuchten VaR. Durch die Schätzung des VaR auf Grundlage der historischen Simulation kann man mit einer Sicherheit von 98 % behaupten, dass am nächsten Tag kein Verlust auftreten wird, der den Schätzer des VaR übersteigt. Obwohl die Methode der historischen Simulation ein sehr populärer Ansatz für die Bestimmung des VaR darstellt und darüber hinaus den Vorteil bietet, nicht von vorher festgelegten Annahmen abhängig zu sein, besitzt die historische Simulation die nachfolgenden Schwächen: 108 [1] Die historische Simulation unterstellt, dass sich vergangene Entwicklungen in der Zukunft fortsetzen werden. Es wird also angenommen, dass Aussagen über die Vergangenheit auch in Zukunft gelten werden. Die Entwicklungen an den Kapitalmärkten zeigten in den letzten Jahrzehnten jedoch, dass unvorhersehbare extreme Ereignisse sich unregelmäßig wiederholen können. Die Projektion von historischen Trends in die Zukunft stellt daher keine realistische Annahme dar. [2] Die historische Simulation geht in ihrer Methodik grundsätzlich davon aus, dass die Kurse zu jedem beliebigen Zeitpunkt t unabhängig voneinander und somit gleichverteilt sind. Da jedoch unterschiedliche Phänomene in Bezug auf das Verhalten der Volatilität, Autokorrelation usw. in den Daten täglicher Renditen nachzuweisen sind, stellt dies kein realistisches Vorgehen dar. [3] Die historische Simulation stellt keine zuverlässige Bestimmung des VaR für sehr hohe Konfidenzniveaus dar. Obwohl die Stichprobe von 250 Handelstagen die Entwicklung eines gesamten Handelsjahres beschreibt, stellen die Beobachtungswerte für die Bestimmung des VaR für das Konfidenzniveau von 99 % eine vergleichsweise kleine Stichprobe dar. Um ein tieferes Verständnis für die Methodik der historischen Simulation zu erlangen, soll die zuvor erläuterte Vorgehensweise für die Bestimmung des VaR durch das nachfolgende Beispiel nochmals verdeutlicht werden. In diesem Beispiel soll der VaR der Daimler-Aktie mit einem Konfidenzniveau von 98 % und einem Zeitraum von einem Tag berechnet werden. Die historischen Kurszeitreihen beziehen sich auf den Zeitraum vom 05.06.2010 bis 18.05.2012. Die Beobachtungswerte umfassen 501 Tage, woraus sich 500 unterschiedliche Szenarien für die Ermittlung des VaR ergeben. Es wird ein Investment in Daimler-Aktien getätigt, in Höhe von 10.000,00 €. Tab. 5 liefert hierzu eine Übersicht der historischen Kurse, aus denen wiederum fünfhundert weitere Szenarios für den zukünftigen Ausgang des Aktienkurses gewonnen werden können. Tag Aktienkurs in € Änderungsfaktor 0 37,04 - 1 37,62 0,01565 2 38,15 0,01409 3 38,51 0,00944 … … … 499 40,08 -0,00398 500 40,38 0,00749 Tab. 5: Historische Simulation eines Aktienkurses 108 Vgl. Fabozzi/ Stoyanov/ Rachez (2008), S. 188 <?page no="107"?> 108 1 Grundlagen des Portfolio Managements Es wird hierbei angenommen, dass der Kurs am 500. Tag den heutigen Kurs darstellt. Dieser liefert den Ausgangspunkt für die Berechnung aller weiteren Szenarien, so dass . Tab. 5 liefert uns in diesem Zusammenhang alle relevanten Änderungen der Aktienkurse. Nachfolgend soll exemplarisch die genaue Vorgehensweise bei der Ermittlung der Szenarien verdeutlicht werden. Szenario Möglicher Kurs in € Portfolio-Wert in € Wertänderung in € 1 41,01 10.252,50 157,50 2 40,95 10.237,50 142,50 3 40,76 10.190,00 95,00 … … … … 499 40,37 10.092,50 -2,50 500 40,39 10.097,50 2,50 Tab. 6: Historische Simulation eines Aktienkurses Zunächst werden gemäß Tab. 5 für 501 Tage jegliche Wertänderungen berechnet. Daraus ergeben sich 500 Änderungsfaktoren, die in die Berechnung der 500 Szenarien in Tab. 6 einfließen. Die Änderungsfaktoren in Tab. 5 ergeben sich wie folgt: (1.60) Anschließend wird aus den ermittelten Änderungsfaktoren durch die Multiplikation des heutigen Kurses mit den unterschiedlichen Änderungsfaktoren eine Vielzahl neuer möglicher Kurse bestimmt. Die nachfolgenden Szenarien ergeben sich demnach wie folgt: (1.61) Ausgehend von der Vielzahl an neuen Kursen, die am morgigen Tag eintreten könnten, werden die Portfoliowerte im Zeitablauf (engl. Profit and Loss, PnL) ermittelt. Um die Verteilung der Änderungen des Portfoliowerts zu erhalten, müssen zunächst die Änderungen der fiktiven Portfoliowerte zum aktuellen Portfoliowert bestimmt werden. Für Szenario 1 ergibt sich dementsprechend eine Wertveränderung von 157,50 €, für Szenario 2 weitere 142,50 € usw. Der VaR ergibt sich für ein Konfidenzniveau von 98 % aus dem zehnt-schlechtesten Wert aus den Wertänderungen aller Szenarien. Wie bereits erwähnt, spricht man hier häufig vom 2%-Quantil der Verteilungsfunktion. <?page no="108"?> 1.6 Welche Bedeutung hat das Risiko für das Portfolio Management? 109 Abb. 38 zeigt in diesem Zusammenhang die Wertänderungen aller Szenarien und den ermittelten VaR (schwarz) in einem Histogramm. Abb. 38: Histogramm der Daimler-Aktie (Wertänderungen) mit eingezeichnetem VaR Quelle: Eigene Darstellung in MATLAB Nachdem die Berechnung des VaR auf Grundlage der historischen Simulation umfassend erläutert und dargestellt wurde, soll nachfolgend ein weiteres Konzept eingeführt werden, welches bei der Berechnung des VaR eines Portfolios in der Praxis häufig eingesetzt wird, die Monte-Carlo-Simulation. Die Monte-Carlo-Simulation Abb. 39: Monte-Carlo-Simulation einer Aktie mit 200 unterschiedlichen Verläufen Quelle: Eigene Darstellung in MATLAB -800 -600 -400 -200 0 200 400 600 800 0 10 20 30 40 50 60 VaR =-511.1083€ 0 50 100 150 200 250 92 94 96 98 100 102 104 106 108 110 Tage Kurs der Aktie <?page no="109"?> 110 1 Grundlagen des Portfolio Managements Eine praxisnahe Alternative zu den bereits erläuterten Methoden stellt die Monte- Carlo-Simulation dar. Bei dieser Methode wird zur Simulation der Aktienkursentwicklung maßgeblich auf die geometrische Brownsche Bewegung, die in Abschnitt 2.5 vorgestellt wird, zurückgegriffen. Die Entwicklung eines Aktienkurses kann in der Form eines Pfades dargestellt werden. Das Ende dieses Pfades im Zeithorizont T ergibt einen möglichen Kurs der beobachteten Aktie für den morgigen Tag. Um jedoch aus verschiedenen Pfaden eine Verteilungsfunktion ableiten zu können, sind mehrere Pfade, also Simulationsdurchläufe notwendig. Abb. 39 greift diesen Zusammenhang auf und zeigt 200 unterschiedliche Pfade bzw. Simulationen. In der Abbildung erkennt man die trichterförmige Entwicklung der Simulationen im Zeitablauf. Da aus den Endwerten der Kurse im Zeithorizont T entsprechend dem historischen Ansatz beliebige Szenarien gebildet werden können, erscheint es logisch, dass für eine verlässliche Schätzung des VaR eine ausreichende Anzahl an Simulationen verfügbar sein sollte. Aus den unterschiedlichen Endwerten der Kurse können, gemäß der historischen Simulation, die erwarteten Wertänderungen des Portfolios abgeleitet werden. Abb. 40 verdeutlicht diesen Zusammenhang durch Darstellung des Value at Risk in Abhängigkeit der Anzahl an Simulationen. Es wird deutlich, dass mit steigender Anzahl an Pfaden bzw. Simulationen die Güte der Value-at-Risk-Schätzung zunimmt. Eine steigende Anzahl an Simulationen zieht jedoch den Nachteil nach sich, einen linearen Anstieg in der Laufzeit bei der Berechnung des VaR in Kauf nehmen zu müssen. Die Berechnung des VaR für ein Portfolio mit vielen unterschiedlichen Finanzinstrumenten erfordert nämlich eine wiederholte Neubewertung jeglicher Finanzinstrumente eines Portfolios, was sich unweigerlich in der Laufzeit der Monte-Carlo- Simulation niederschlägt. Abb. 40: Güte des Value at Risk in Abhängigkeit von der Anzahl an Monte-Carlo-Simulationen Quelle: Eigene Darstellung in MATLAB <?page no="110"?> 1.7 Schlussbetrachtung 111 Das Verfahren der Monte-Carlo-Simulation zur Berechnung des 1-Tages-VaR für ein Portfolio mit einer Aktie ergibt sich in der Theorie wie folgt: [1] Ermittlung des gegenwärtigen Portfolio-Wertes zum aktuellen Kurs. [2] Simulation eines Pfades für den Zeithorizont T durch die geometrische Brownsche Bewegung und Bildung des Szenarios durch den Endwert des Aktienkurses in Zeithorizont T. [3] Neubewertung des Portfolios durch den Wert des zuvor gebildeten Szenarios. [4] Ermittlung der Differenz des ursprünglichen Portfolios aus Schritt 1 und dem gegenwärtigen „Szenario-Portfolio“. [5] N-malige Wiederholung der Schritte 2 bis 4 zur Erzeugung der Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Bestimmung des VaR. 1.7 Schlussbetrachtung Portfolio Management ist ein in Theorie wie Praxis sehr vielfältiger Themenbereich. Die primäre Aufgabenstellung, wie sie der typische, von Portfolio- und Kapitalmarkttheorie weitgehend unbelastete Kapitalanleger betrachtet, erscheint dagegen zunächst eher schlicht: Eine möglichst hohe Anlagerendite soll mit möglichst geringen Risiken erwirtschaftet werden. Obwohl auch die sachgerechte Renditemessung mathematische Feinheiten in sich birgt, ist diese im ersten Teil dieses Kapitels behandelte Größe zumindest im Nachhinein sehr genau bestimmbar. Wesentlich komplexer stellt sich dagegen die Schätzung von Einzelwert- und Portfoliorisiken dar, die demgemäß einen großen Teil des Kapitels beanspruchen. Risiken sind keine statischen und exakt erfassbaren Größen, sondern nur mit einer begrenzten Genauigkeit abbildbar und zeigen dazu im Zeitablauf charakteristische Veränderungen. Die adäquate Abschätzung der Risiken bildet einerseits und die Steuerung derselben andererseits den eigentlichen Kern des Portfolio Managements, obwohl meist die tatsächlich erzielten Renditen im Fokus der unmittelbaren Betrachtung liegen. Die dominierende Zielsetzung des Portfolio Managements ist es, möglichst hohe oder weitgehend konstante (Mehr-)Renditen oder eine vorab fixierte Rendite zu erzielen unter steter Berücksichtigung und Inkaufnahme von damit verbundenen Risiken. Die Wahrnehmung von Risiken durch die meisten Anleger ist eher zwiespältig. Werden eingegangene Risiken durch einen entsprechenden Anlageerfolg belohnt, wird das Risiko als vorwiegend positive Eigenschaft angesehen. Zeigt sich dagegen die latente Unsicherheit des Anlageerfolges in einer geringer als erwartet ausgefallenen Rendite oder sogar in einem Vermögensverlust, werden Anlagerisiken negativ erfahren und deshalb die Qualität des verantwortlichen Portfolio Managements häufig bezweifelt. Die Fähigkeit konkrete Risiken zu prognostizieren ist jedoch, ungeachtet des betriebenen Aufwands, stets begrenzt. Erfolg und Misserfolg einer Anlage liegen oft näher beieinander, als es optimistische Kapitalanleger in der Regel wahrhaben wollen. Risikoschätzungen können die potenziellen Bandbreiten erfassen, aber das letztlich resultierende Ergebnis nur mit begrenzter Genauigkeit bestimmen. Die Vermögensaufteilung auf die alternativen Anlageformen, die sogenannte Asset Allocation, stellt die Basis jeder Anlagestrategie dar. Wie M ARKOWITZ aufgezeigt hat, ist das Portfoliorisiko jedoch keine bloße Addition von Einzelwertrisiken, sondern hängt maßgeblich von der Zusammensetzung des Portfolios und den strukturellen <?page no="111"?> 112 1 Grundlagen des Portfolio Managements Beziehungen zwischen den einzelnen Anlageformen ab. Die sachgerechte, d.h. risikooptimierte Komposition der Einzelanlagen ist die zentrale Aufgabe eines jeden Anlegers bzw. seines damit betrauten Vermögensverwalters. Dazu stehen dem Kapitalanleger zahlreiche Instrumente zur Verfügung. Neben originären Anlageformen wie Anleihen oder Aktien treten vielfältigste, von professionellen Portfolio-Managern und Investmentbankern betreute Produkte in den Fokus der Betrachtungen. So können etwa viele Kapitalmarktindizes in Form von passiven, d.h. nachbildenden, Fonds gekauft werden. Daneben treten sogenannte aktive Investmentfonds in Erscheinung, die das Ziel haben, diese Indizes mittelfristig zu übertreffen. Dabei bildet das in Abschnitt 1.3.3 beschriebene Konzept des Tracking Errors eine zentrale Steuerungsgröße. Zusätzlich erweitert wird die angebotene Produktpalette durch Anlagekonzepte, die in Abhängigkeit vom jeweiligen Konjunkturumfeld eine phasenweise überlegene Performance versprechen. Die Einschätzung der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung verbleibt dabei jedoch dem Anleger bzw. seinem Berater oder Portfolio-Manager. 1.8 Zusammenfassung Am Ende dieses Kapitels möchten wir dem Leser durch die nachstehende Zusammenfassung nochmals die Gelegenheit geben, die Ansätze und Vorgehensweisen der letzten Abschnitte kurz zu wiederholen. Im Rahmen dieses Kapitels wurden dem Leser folgende Zusammenhänge vermittelt: Ein Portfolio ist eine buchhalterische Zusammenfassung von Kapitalanlagen oder Vermögensteilen einer Person, eines Haushaltes oder einer Institution zum Zweck der rechnerischen Erfassung und Darstellung sowie der Kontrolle finanzieller Portfolioeigenschaften, wie Wert, Liquidität, Forderungen und Verbindlichkeiten. Ein Portfolio stellt im Kontext des Portfolio Managements die Grundlage für daraus abgeleitete Berechnungen dar, mit denen Kriterien wie Anlageerfolg (Rendite) und Anlagerisiken ermittelt werden. Portfolio Management kann eine Beratungsleistung oder eine unmittelbare Tätigkeit mit Vertretungsbefugnis darstellen. Portfolio Management erfolgt im Rahmen einer Vermögensverwaltung im Auftrag und im Kontakt mit dem Kunden sowie in Form institutionellen Fondsmanagements und von Eigengeschäften bei Banken und Finanzdienstleistungsgesellschaften. Unter Portfolio Management ist die Zusammenstellung, Überwachung und Veränderung von Portfolios zu verstehen. Diese Aktivitäten beziehen sich sowohl auf Portfolios als auch auf die wichtigsten Portfoliocharakteristiken wie Rendite, Werterhalt und Liquidität. Mit dem Begriff Rendite wird der mit einer Kapitalanlage über einen bestimmten Zeitraum erzielte Erlös im Verhältnis zum Anlagebetrag bezeichnet. Der Anlagebetrag wird entweder als dezimaler Zahlenwert oder üblicherweise als Prozentwert angegeben. Bei Renditen lassen sich einfache Renditen, zeitgewichtete Renditen, diskrete und stetige Renditen sowie geldgewichtete Renditen unterscheiden. Unter Volatilität ist die Streuung von Kursveränderungen von Wertpapieren und Portfolios zu verstehen. Die Varianz ist als Mittel der Summe der quadratischen Abweichungen, mit positiven wie auch negativen Vorzeichen, um den Erwartungswert definiert. Die Semi- <?page no="112"?> 1.9 Fragen zu Kapitel 1 113 Varianz berücksichtigt dagegen bei ihrer Ermittlung lediglich die negativen Abweichungen um den Erwartungswert. Die Kovarianz wird als Durchschnitt der Produkte der jeweiligen Abweichungen zweier Größen von ihren Erwartungswerten gebildet. Sie beschreibt, in welchem Maß zwei Größen parallel um ihren individuellen Erwartungswert streuen. Der Korrelationskoeffizient ist ein normiertes und dimensionsloses Maß, das auf den Wertebereich zwischen -1 und +1 begrenzt ist. Das Portfoliorisiko setzt sich aus einer gewichteten Summe aus den Einzelwertrisiken sowie den durch die wechselseitigen Korrelationen bedingten Risiken zusammen. Der VaR (Value at Risk) ist ein häufig benutztes Maß der Risikoabschätzung. Der VaR ist eine durch einen Geldbetrag ausgedrückte Maßzahl, die den potenziellen Verlust in einem bestimmten Zeitraum für ein vorgegebenes Konfidenzniveau darstellt. Im Mittelpunkt der modernen Portfoliotheorie stehen die quantitative Beschreibung des Zusammenhanges von Rendite und Risiko und Ansätze zur optimalen Diversifikation von Kapitalanlagen. Diversifikation ist ein zentrales Instrument der Risikoreduktion. Der Diversifikationseffekt lässt sich ebenfalls durch die systematische Aufteilung des zur Verfügung stehenden Anlagekapitals auf mehrere Länder, Branchen und Anlageklassen herbeiführen. Der vorgestellte Prozess ist allgemeinhin auch als Asset Allocation bekannt und nimmt eine tragende Rolle im Portfolio Management ein. Im Asset Management werden zahlreiche Investmentstile praktiziert. Einen der populärsten Ansätze stellt das Value- und Growth-Investing dar. Obwohl sich die einzelnen Ansätze in signifikanten Punkten unterscheiden können, kommt es im praktischen Portfolio Management oftmals zur Vermischung mehrere Ansätze (Blend). 1.9 Fragen zu Kapitel 1 Frage (1) Mit dem Begriff Rendite wird der mit einer Kapitalanlage über einen bestimmten Zeitraum erzielte Erlös im Verhältnis zum Anlagebetrag bezeichnet. Die Rendite wird entweder als dezimaler Zahlenwert oder üblicherweise als Prozentwert angegeben. Wahr Falsch Frage (2) Die einfache Rendite R T (simple Rate of Return) ergibt sich aus dem gegenwärtigen Portfoliowert P T abzüglich des ursprünglichen Anlagekapitals P 0 (der Kapitalveränderung im Zeitablauf) im Verhältnis zum anfänglichen Kapitalbetrag P 0 . Wahr Falsch <?page no="113"?> 114 1 Grundlagen des Portfolio Managements Frage (3) Heute ist Donnerstag, der 15.07. t(0). Folgende Schlusskurse eines in Frankfurt gelisteten Unternehmens ABC seien gegeben (in €): Mittwoch, den 14.07. 129,00 € Dienstag, den 13.07. 121,00 € Montag, den 12.07. 120,00 € Freitag, den 09.07. 128,00 € Donnerstag, den 08.07. 138,00 € Mittwoch, den 07.07. 122,00 € Die einfache Rendite für die letzte Woche (07.07. - 14.07.) entspricht: 5,7 % Wahr Falsch Frage (4) Die konstante Periodenrendite wird als geometrische Durchschnittsrendite (zeitgewichtete Rendite) bezeichnet und beschreibt das durchschnittliche Kapitalwachstum pro Periode. Wahr Falsch Frage (5) Heute ist Donnerstag, der 15.07. t(0). Folgende Schlusskurse eines in Frankfurt gelisteten Unternehmens ABC seien gegeben (in €): Mittwoch, den 14.07. 131,00 € Dienstag, den 13.07. 124,00 € Montag, den 12.07. 120,00 € Freitag, den 09.07. 124,00 € Donnerstag, den 08.07.135,00 € Mittwoch, den 07.07. 123,00 € Die zeitgewichtete Rendite für die letzte Woche (07.07. - 14.07.) entspricht: 0,85 % Wahr Falsch Frage (6) Rentiert sich ein Investment in der ersten Periode mit einem Plus von 10 Prozent (+10 %) und in der zweiten Periode mit einem Minus von 10 Prozent (-10 %), <?page no="114"?> 1.9 Fragen zu Kapitel 1 115 so folgt daraus eine arithmetische Durchschnittsrendite von 0 %. Tatsächlich hätte der Investor jedoch einen Gesamtverlust von -1 % erzielt; d.h. etwa -0,5 % pro Periode. Dieses Ergebnis wird von der geometrischen Durchschnittsrendite korrekt angegeben. Wahr Falsch Frage (7) Je größer der Renditeunterschied der Perioden (Streuung) ist, umso kleiner ist die geometrische Rendite im Vergleich zur arithmetischen Durchschnittsrendite. Wahr Falsch Frage (8) Eine diskrete Rendite beschreibt das prozentuale Wachstum über einen bestimmten Zeitraum. Wahr Falsch Frage (9) Heute ist Donnerstag, der 15.07. t(0). Folgende Schlusskurse eines in Frankfurt gelisteten Unternehmens ABC seien gegeben (in €): Mittwoch, den 14.07. 131,00 € Dienstag, den 13.07. 124,00 € Montag, den 12.07. 120,00 € Freitag, den 09.07. 124,00 € Donnerstag, den 08.07.135,00 € Mittwoch, den 07.07. 123,00 € Die stetige tägliche Rendite für die letzte Woche (07.07. - 14.07.) entspricht: 1,3 % Wahr Falsch Frage (10) Die geldgewichtete Rendite wird hauptsächlich von folgenden drei Größen beeinflusst: Dem direkten Anlageerfolg, der Höhe des Anlagebetrags und dem sogenannten Timing der zwischenzeitlichen Zahlungen. Wahr Falsch <?page no="115"?> 116 1 Grundlagen des Portfolio Managements Frage (11) Die geldgewichtete Rendite wird auch als Time-Weighted Return bezeichnet und entspricht dem internen Zinssatz der Kapitalanlage. Wahr Falsch Frage (12) Die Varianz ist als Mittel der Summe der quadratischen Abweichungen um den Erwartungswert definiert. Wahr Falsch Frage (13) Bei einer Normalverteilung entspricht die Anzahl von Standardabweichungen einer theoretischen Wahrscheinlichkeit beliebiger Renditeintervalle wie folgt: eine Standardabweichung entspricht 68,3 % der Renditen, zwei Standardabweichungen entsprechen 95,5 % der Renditen, drei Standardabweichungen entsprechen 99,7 % der Renditen. Wahr Falsch Frage (14) Bei der Berechnung von Varianz und Standardabweichung für begrenzte Datensätze (sogenannte Kleinstichproben) sollte im Nenner der Faktor n berücksichtigt werden. Wahr Falsch Frage (15) Heute ist Donnerstag, der 15.07. t(0). Folgende Schlusskurse eines in Frankfurt gelisteten Unternehmens ABC seien gegeben (in €): Mittwoch, den 14.07. 131,00 € Dienstag, den 13.07. 124,00 € Montag, den 12.07. 120,00 € Freitag, den 09.07. 124,00 € Donnerstag, den 08.07.135,00 € Mittwoch, den 07.07. 123,00 € <?page no="116"?> 1.9 Fragen zu Kapitel 1 117 Die Varianz des Wertpapiers für die letzte Woche (07.07. - 14.07.) entspricht: 0,00510307 Wahr Falsch Frage (16) Heute ist Donnerstag, der 15.07. Folgende Schlusskurse eines in Frankfurt gelisteten Unternehmens ABC seien gegeben (in €): Mittwoch, den 14.07. 131,00 € Dienstag, den 13.07. 124,00 € Montag, den 12.07. 120,00 € Freitag, den 09.07. 124,00 € Donnerstag, den 08.07.135,00 € Mittwoch, den 07.07. 123,00 € Die Standardabweichung des Wertpapiers für die letzte Woche (07.07. - 14.07.) entspricht: 6,84 % Wahr Falsch Frage (17) Die Kovarianz wird als Durchschnitt der Produkte der jeweiligen Abweichungen zweier Größen von ihren Erwartungswerten gebildet. Sie beschreibt, in welchen Maß zwei Größen parallel um ihren individuellen Erwartungswert streuen. Wahr Falsch Frage (18) Folgende Renditen liegen für die zwei folgenden Wertpapiere vor: Daimler BASF 0,1039 0,1409 -0,01729 -0,0268 0,0385 0,0776 -0,0088 -0,0126 Die Kovarianz beträgt (Teiler 1/ n): 0,003248395 Wahr Falsch <?page no="117"?> 118 1 Grundlagen des Portfolio Managements Frage (19) Folgende Renditen liegen für die zwei folgenden Wertpapiere vor: Daimler BASF 0,1039 0,1409 -0,01729 -0,0268 0,0385 0,0776 -0,0088 -0,0126 Der Korrelationskoeffizient beträgt (Teiler 1/ n): 0,9392 Wahr Falsch Frage (20) Folgende Renditen liegen für die zwei folgenden Wertpapiere vor: Standardabweichung (für den Teiler (n)) der Renditen für Asset 1: 0,0481 Standardabweichung (für den Teiler (n)) der Renditen für Asset 2: 0,0684 Kovarianz (für den Teiler (n)) der Renditen für Asset 1 & Asset 2: 0,0032 Der Korrelationskoeffizient beträgt: 0,8860 Wahr Falsch Frage (21) Der Value at Risk ist eine durch einen Geldbetrag ausgedrückte Maßzahl des potenziellen Verlusts in einem bestimmten Zeitraum bei einem vorgegeben Konfidenzniveau. Wahr Falsch Frage (22) Für die Berechnung des Value at Risk sind folgende Informationen gegeben (in €, wenn nicht anders angegeben): Faktor für Konfidenzniveau (95 %): 1,645 Volatilität für 250 Tage: 33,88 % Zeitfaktor für 10 Tage: 0,2 Portfoliovolumen: 100.000 Der Value at Risk beträgt: 11.289 Wahr Falsch <?page no="118"?> 1.10 Anlage 119 1.10 Anlage Wertetabelle für die Standardnormalverteilung z .,.0 .,.1 .,.2 .,.3 .,.4 .,.5 .,.6 .,.7 .,.8 .,.9 0,0* 0,50000 0,50399 0,50798 0,51197 0,51595 0,51994 0,52392 0,52790 0,53188 0,53586 0,1* 0,53983 0,54380 0,54776 0,55172 0,55567 0,55962 0,56356 0,56749 0,57142 0,57535 0,2* 0,57926 0,58317 0,58706 0,59095 0,59483 0,59871 0,60257 0,60642 0,61026 0,61409 0,3* 0,61791 0,62172 0,62552 0,62930 0,63307 0,63683 0,64058 0,64431 0,64803 0,65173 0,4* 0,65542 0,65910 0,66276 0,66640 0,67003 0,67364 0,67724 0,68082 0,68439 0,68793 0,5* 0,69146 0,69497 0,69847 0,70194 0,70540 0,70884 0,71226 0,71566 0,71904 0,72240 0,6* 0,72575 0,72907 0,73237 0,73565 0,73891 0,74215 0,74537 0,74857 0,75175 0,75490 0,7* 0,75804 0,76115 0,76424 0,76730 0,77035 0,77337 0,77637 0,77935 0,78230 0,78524 0,8* 0,78814 0,79103 0,79389 0,79673 0,79955 0,80234 0,80511 0,80785 0,81057 0,81327 0,9* 0,81594 0,81859 0,82121 0,82381 0,82639 0,82894 0,83147 0,83398 0,83646 0,83891 1,0* 0,84134 0,84375 0,84614 0,84849 0,85083 0,85314 0,85543 0,85769 0,85993 0,86214 1,1* 0,86433 0,86650 0,86864 0,87076 0,87286 0,87493 0,87698 0,87900 0,88100 0,88298 1,2* 0,88493 0,88686 0,88877 0,89065 0,89251 0,89435 0,89617 0,89796 0,89973 0,90147 1,3* 0,90320 0,90490 0,90658 0,90824 0,90988 0,91149 0,91309 0,91466 0,91621 0,91774 1,4* 0,91924 0,92073 0,92220 0,92364 0,92507 0,92647 0,92785 0,92922 0,93056 0,93189 1,5* 0,93319 0,93448 0,93574 0,93699 0,93822 0,93943 0,94062 0,94179 0,94295 0,94408 1,6* 0,94520 0,94630 0,94738 0,94845 0,94950 0,95053 0,95154 0,95254 0,95352 0,95449 1,7* 0,95543 0,95637 0,95728 0,95818 0,95907 0,95994 0,96080 0,96164 0,96246 0,96327 1,8* 0,96407 0,96485 0,96562 0,96638 0,96712 0,96784 0,96856 0,96926 0,96995 0,97062 1,9* 0,97128 0,97193 0,97257 0,97320 0,97381 0,97441 0,97500 0,97558 0,97615 0,97670 2,0* 0,97725 0,97778 0,97831 0,97882 0,97932 0,97982 0,98030 0,98077 0,98124 0,98169 2,1* 0,98214 0,98257 0,98300 0,98341 0,98382 0,98422 0,98461 0,98500 0,98537 0,98574 2,2* 0,98610 0,98645 0,98679 0,98713 0,98745 0,98778 0,98809 0,98840 0,98870 0,98899 2,3* 0,98928 0,98956 0,98983 0,99010 0,99036 0,99061 0,99086 0,99111 0,99134 0,99158 2,4* 0,99180 0,99202 0,99224 0,99245 0,99266 0,99286 0,99305 0,99324 0,99343 0,99361 2,5* 0,99379 0,99396 0,99413 0,99430 0,99446 0,99461 0,99477 0,99492 0,99506 0,99520 2,6* 0,99534 0,99547 0,99560 0,99573 0,99585 0,99598 0,99609 0,99621 0,99632 0,99643 2,7* 0,99653 0,99664 0,99674 0,99683 0,99693 0,99702 0,99711 0,99720 0,99728 0,99736 2,8* 0,99744 0,99752 0,99760 0,99767 0,99774 0,99781 0,99788 0,99795 0,99801 0,99807 2,9* 0,99813 0,99819 0,99825 0,99831 0,99836 0,99841 0,99846 0,99851 0,99856 0,99861 3,0* 0,99865 0,99869 0,99874 0,99878 0,99882 0,99886 0,99889 0,99893 0,99896 0,99900 Quelle: Die negativen Werte der Standardnormalverteilung werden aus Gründen der Symmetrie nicht angegeben. Der Stern * in der ersten Spalte ist ein Platzhalter für die zweite Nachkommastelle, die in der jeweiligen Spaltenüberschrift angegeben ist. <?page no="119"?> Literaturverzeichnis zu Kapitel 1 Albrecht, P. (2003). Risk Measures. Mannheim. Amenc, N., & Le Sourd, V. (2003). Portfolio theory and performance analysis. England: Wiley. Arens, T., Hettlich, F., Karpfinger, C., Kockelkorn, U., Lichtenegger, K., & Stachel, H. (2008). Mathematik (1. Ausg.). Spektrum Akademischer-Verlag. Artzner, P., Delbaen, F., Eber, J.-M., & Heath, D. (1998). Cohrent Measures of Risk. Bankverlag Medien. (2008). Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren. München: Bankverlag Medien. Beucher, O. (2007). Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik mit MATLAB. Springer-Verlag. Bruns, C., & Meyer-Bullerdiek, F. (2003). Professionelles Portfolio-Management (3. Ausg.). Schäffer Poeschl. Cornuejols, G., & Tütüncü, R. (2007). Optimization Methods in Finance. England: Cambridge University Press. Cramer, E., & Kamps, U. (2007). Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik. Springer- Verlag. Dempster, M., Mitra, G., & Pflug, G. (2009). Quantitative Fund Management. Boca Raton: Chapman & Hall/ CRC. Deutsch, H. P. (2005). Quantitative Portfoliosteuerung - Konzepte, Methoden, Beispielrechnungen (1. Ausg.). Schäffer Poeschl. Dixit, A. K., & Pindyck, R. S. (1994). Investment under Uncertainty. Princeton University Press. Domschke, W., & Drexl, A. (2004). Einführung in Operations Research (6. Ausg.). Springer-Verlag. Elton, E. J., & Gruber, M. J. (2003). Modern Portfolio Theory and Investment Analysis. Fabozzi, F. J., & Markowitz, H. M. (2011). Theory and Practice of Investment Management. New Jersey: Wiley. Fabozzi, F. J., & Pachamanova, D. A. (2010). Simulation and Optimization in Finance. New Jersey: Wiley. Fabozzi, F. J., Kolm, P. N., Pachamanova, D. A., & Focardi, S. M. (2007). Robust Portfolio Optimization and Management. New Jersey: John Wiley & Sons. Fabozzi, F. J., Stoyanov, S. V., & Rachez, S. T. (2008). Advanced Stochastic Models, Risk Management, and Portfolio Optimization. Wiley. Fusai, G., & Roncoroni, A. (2008). Implementing Models in Quantitative Finance: Methods and Cases. Springer. Fylstra, D. (2008). Introducing Convex and Conic Optimization for the Quantitative Finance Professional. WILMOTT magazine , 18-22. Garz, H., Günther, S., & Moriabadi, C. (2006). Portfolio-Management. Frankfurt am Main: Frankfurt School Verlag. Gohout, W. (2009). Operations Research (4. Ausg.). Oldenbourg-Verlag. <?page no="120"?> 121 Hassler, U. (2007). Stochastische Integration und Zeitreihenmodellierung - Eine Einführung mit Anwendungen aus Finanzierung und Ökonometrie. Springer-Verlag. Heatter, C. (2008). It's all about Stlye. Investment Analytics and Consulting . Hull, J. C. (2007). Optionen, Futures und andere Derivate. Pearson. Jarre, F., & Stoer, J. (2004). Optimierung. Springer-Verlag. Kaiser, H., & Vöcking, T. (2002). Strategische Anlageberatung. Frankfurt am Main: Gabler. Kemp, M. (2011). Extreme Events - Robust Portfolio Construction in the Presence of Fat Tails. Wiley & Sons. Korn, R., & Korn, E. (1999). Optionsbewertung und Portfolio-Optimierung. Gabler-Verlag. Maier, K. M. (2007). Risikomanagement im Immobilien- und Finanzwesen (3. Ausg.). Fritz-Knapp- Verlag. Maier, K. M. (2007). Risikomanagement im Immobilien- und Finanzwesen. Frankfurt am Main: Fritz- Knapp-Verlag. Maringer, D. G. (2010). Portfolio Management with Heuristic Optimization (Advances in Computational Management Science) . Springer-US-Verlag. Mayer, C., & Weber, C. (2007). Lineare Algebra für Wirtschaftswissenschaftler (2. Ausg.). Mannheim: Gabler-Verlag. Neftci, S. N. (2008). Principles of Financial Engineering (2. Ausg.). Elsevier. Nyholm, K. (2008). Strategic Asset Allocation in Fixed Income Markets. England: Wiley. Parrino, R., & Kidwell, D. S. (2009). Fundamentals of Corporate Finance. New York: Wiley. Perridon, L., & Steiner, M. (2002). Finanzwirtschaft der Unternehmung. Vahlen. Peter, S. (2007). Management von Cashflow-Risiken. In K. M. Maier, Risikomanagement im Immobilien- und Finanzwesen. Frankfurt am Main: Fritz-Knapp-Verlag. Poddig, T., Brinkmann, U., & Katharina, S. (2009). Portfolio Management: Konzepte und Strategien. Bad Soden: Uhlenbruch. Prexl, S., Bloss, M., Ernst, D., Haas, C., Häcker, J., & Röck, B. (2010). Financial Modeling (1. Ausg.). Schäffer Poeschl. Qian, E. E., Hua, R. H., & Sorensen, E. H. (2007). Quantitative Equity Portfolio Management. Chapman & Hall. Rasmussen, M. (2003). Quantitative Portfolio Optimisation, Asset Allocation and Risk Management. New York: palgrave macmillan. Röck, B. (2002). Investment-Styles im Aktienportfoliomanagement. In J. M. Kleeberg, & H. Rehkugler, Portfolio Management. Bad Soden: Uhlenbruch. Schmidt-von Rhein, A. (1996). Die moderne Portfoliotheorie im praktischen Wertpapiermanagement. Bad Soden: Uhlenbruch Verlag. Slawig, T. (2010). Einführung in die Optimierung. Kiel: Universität Kiel. Sperber, H., & Sprink, J. (2007). Internationale Wirtschaft und Finanzen. Oldenbourg-Verlag. Spremann, K. (2006). Portfolio Management (3. Ausg.). Oldenbourg-Verlag. Steele, M. (2001). Stochastic Calculus and Financial Applications. Springer-Verlag. Steiner, M., & Bruns, C. (2002). Wertpapier-Management - Professionelle Wertpapieranalyse und Portfoliostrukturierung (8. Ausg.). Schäffer Poeschl. <?page no="121"?> 122 1 Grundlagen des Portfolio Managements Theis, C., & Kernbichler, W. (2002). Grundlagen der Monte Carlo Methoden. Inst. für Theoretische Physik TU-Graz. Tütüncü, R. (2003). Optimization in Finance. Vahs, D., & Schäfer-Kunz, J. (2007). Einführung in die Betriebswirtschaftslehre (5. Ausg.). Schäffer Poeschl. Werners, B. (2006). Grundlagen des Operations Research. Springer-Verlag. Wewel, M. C. (2006). Statistik im Bachelor-Studium der BWL und VWL - Methoden, Anwendung, Interpretation (2. Ausg.). Pearson. Yu, L.-Y., Ji, X.-D., & Wang, S.-Y. (2003). Stochastic Programming Models in Financial Optimization: A Survey. <?page no="122"?> Inhaltsübersicht Kapitel 2 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management........................... 125 2.1 Grundlagen der Matrizenrechnung ............................................................................ 126 2.1.1 Matrizen .............................................................................................................. 127 2.1.2 Diagonal- und Einheitsmatrix ......................................................................... 128 2.1.3 Vektoren ............................................................................................................. 129 2.1.4 Transponieren von Matrizen und Vektoren ................................................. 130 2.1.5 Addition und Subtraktion von Matrizen und Vektoren ............................. 131 2.1.6 Multiplikation von Matrizen und Vektoren.................................................. 132 2.1.7 Inversion von Matrizen und Vektoren .......................................................... 135 2.2 Matrizenrechnung in EXCEL ..................................................................................... 136 2.2.1 Allgemeine Darstellung in EXCEL................................................................ 137 2.2.2 Transponieren von Vektoren und Matrizen in EXCEL ............................ 137 2.2.3 Addition und Subtraktion von Matrizen in EXCEL .................................. 139 2.2.4 Multiplikation eines Skalars mit einer Matrix in EXCEL........................... 139 2.2.5 Multiplikation von Matrizen und Vektoren in EXCEL ............................. 140 2.2.6 Inversion und Einheitsmatrix in EXCEL ..................................................... 141 2.3 Grundlagen der mathematischen Optimierung........................................................ 142 2.3.1 Operations Research und Portfoliotheorie ................................................... 142 2.3.2 Die Ziele des Operations Research und der Portfoliotheorie ................... 143 2.3.3 Grundlagen der Entscheidungstheorie .......................................................... 143 2.3.4 Klassifikation der Optimierungsprobleme.................................................... 145 2.3.5 Übersicht über die Teilgebiete der Optimierung und des Operations Research.............................................................................................................. 146 2.3.5.1 Die grundsätzlichen Elemente eines Optimierungsproblems. 147 2.3.5.2 Die Unterscheidung von univariaten- und multivariaten Optimierungsproblemen ............................................................... 147 2.3.5.3 Wie geht ein Optimierungsalgorithmus im Allgemeinen vor? 148 2.3.5.4 Optimalitätsbedingungen bei der Optimierung......................... 151 2.3.6 Lineare Optimierungsprobleme................................................................... 152 2.3.6.1 Reelle lineare Optimierung ........................................................... 152 <?page no="123"?> 124 Grundlagen Portfolio Management 2.3.6.2 Ganzzahlige Optimierung ............................................................. 153 2.3.7 Nicht-Lineare Optimierungsprobleme .......................................................... 155 2.3.7.1 Quadratische Optimierung ........................................................... 156 2.3.7.2 Konische Optimierung .................................................................. 160 2.3.7.3 Konvexe Optimierung................................................................... 161 2.3.8 Optimierungsprobleme unter Unsicherheit.................................................. 164 2.3.8.1 Stochastische Optimierung ........................................................... 164 2.3.8.2 Dynamische Optimierung ............................................................. 167 2.3.8.3 Robuste Optimierung .................................................................... 168 2.4 Einführung in den EXCEL Solver ............................................................................. 169 2.4.1 Installation des Solver....................................................................................... 170 2.4.2 Aufruf und Anwendung des Solver ............................................................... 171 2.5 Stochastische Prozesse im Portfolio Management .................................................. 173 2.5.1 Geschichtlicher Hintergrund........................................................................... 174 2.5.2 Stochastische Prozesse ..................................................................................... 175 2.5.3 Überleitung vom diskreten Random Walk zum stetigen Wiener- Prozess ................................................................................................................ 177 2.5.4 Der allgemeine Wiener-Prozess ...................................................................... 183 2.5.5 Zusammenfassung und wichtige Eigenschaften eines Wiener-Prozesses .. 184 2.5.6 Der Wiener-Prozess und Aktienkurse ........................................................... 185 2.5.7 Die Integration lognormalverteilter Aktienkurse in das Modell ............... 186 2.5.8 Die Monte-Carlo-Simulation........................................................................... 189 2.5.9 Die Modellierung stochastischer Prozesse in EXCEL ............................... 191 2.6 Schlussbetrachtung ........................................................................................................ 193 2.7 Zusammenfassung......................................................................................................... 194 2.8 Fragen .............................................................................................................................. 196 <?page no="124"?> 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management “The object of pure Physic[s] is the unfolding of the laws of the intelligible world; the object of pure Mathematic[s] that of unfolding the laws of human intelligence.” James Joseph Sylvester - englischer Mathematiker (*1814, †1897) Quelle: Public Domain Nachdem in Kapitel 1 die theoretischen Grundlagen, Ansätze und Konzepte des modernen Portfolio Managements erläutert worden sind, möchten wir nun in Teil 2 hauptsächlich auf die mathematischen Hintergründe bei der Portfoliooptimierung und bei den angrenzenden Teilbereichen im Detail eingehen. Für ein tiefergehendes Verständnis der folgenden Kapitel in diesem Buch wird dem Leser empfohlen, zunächst die Grundlagen der Matrizenrechnung in Abschnitt 2.1 zu bearbeiten, da der überwiegende Teil der nachfolgend dargestellten quantitativen Ansätze den sicheren Umgang mit Matrizen und Vektoren voraussetzt. Im Anschluss daran werden die zuvor vermittelten fundamentalen Grundzüge der Matrizenrechnung nochmals aufgegriffen, um in Abschnitt 2.2 die detaillierte Vorgehensweise bei der praktischen Umsetzung in EXCEL darzustellen. In Abschnitt 2.3 liegt der Fokus der Betrachtungen auf den mathematischen Grundlagen der Portfoliooptimierung. Auf Grundlage der wissenschaftlichen Disziplin des Operations Researchs soll die Bedeutung quantitativer Methoden im Rahmen der modernen Portfoliotheorie herausgestellt werden. Im Verlauf des Abschnitts werden neben den Grundlagen der Entscheidungstheorie die unterschiedlichen Formen von Optimierungsproblemen einzeln dargestellt sowie voneinander abgegrenzt. Den Mittelpunkt dieses Abschnitts stellen die Erläuterungen zu den linearen und nichtlinearen Optimierungsproblemen dar, da diese dem aufmerksamen Leser in den folgenden Kapiteln, sei es bei der absoluten Portfoliooptimierung oder beim Index Tracking, immer wieder begegnen werden. Vor diesem Hintergrund werden spezifische Lösungsalgorithmen erwähnt, mit denen Optimierungsprobleme iterativ gelöst werden können. Die praktische Bearbeitung der nachfolgenden Kapitel setzt das EXCEL-Addin Solver zwingend voraus, Abschnitt 2.4 liefert hierfür grundlegende Hinweise zu Installation und Anwendung. <?page no="125"?> 126 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management In Abschnitt 2.5 werden die Grundlagen stochastischer Prozesse im Portfolio Management einführend erläutert. Der Abschnitt geht maßgeblich einer zentralen Fragestellung nach: Wie kann die Entwicklung von Aktienkursen erklärt und modelliert werden? Auf Grundlage der Überlegungen eines Random Walk soll hierzu ein diskreter Prozess verstetigt werden, um ihn anschließend in einen Wiener-Prozess zu überführen. In diesem Zusammenhang werden ebenfalls die Grundzüge von Monte-Carlo- Simulationen kurz erläutert. Hinweise zur praktischen Umsetzung und Anwendung schließen die Ausführungen des Abschnitts ab. Am Ende des Kapitels findet der interessierte Leser einen Fragenkatalog zu den Inhalten dieses Kapitels, um das Selbststudium der zugrundeliegenden Konzepte ein wenig zu erleichtern. Im Rahmen des vorliegenden Kapitels werden zusammenfassend die folgenden zentralen Fragestellungen erläutert: Was ist eine Matrix oder ein Vektor? Was muss beim Umgang mit Matrizen und Vektoren beachtet werden? In welchen Zusammenhang stehen das Operations Research und die Portfoliooptimierung? Welche Formen von Optimierungsproblemen gibt es und wie löst man sie? Was ist ein stochastischer Prozess? In welcher Relation stehen der Wiener-Prozess und die Entwicklung der Aktienkurse? Was ist eine Monte-Carlo-Simulation und wie funktioniert sie? 2.1 Grundlagen der Matrizenrechnung Quelle: © Konrad Jacobs “Every mathematician believes that he is ahead over all others. The reason why they don’t say this in public, is because they are intelligent people.” Andrey Kolmogorow - russischer Mathematiker (*1903, †1987) Im Rahmen der nachfolgenden Abschnitte sollen dem Leser die mathematischen Grundlagen der Vektoren- und Matrizenrechnung vermittelt werden. Da die nachfolgenden Definitionen, Erläuterungen und Beispiele eine notwendige Grundlage zur Bildung eines umfassenden Verständnisses für die Modelle der modernen Portfoliotheorie liefern, wird vor allem dem Leser mit rein wirtschaftswissenschaftlichen Hin- <?page no="126"?> 2.1 Grundlagen der Matrizenrechnung 127 tergrund die Bearbeitung der nachfolgenden Abschnitte mit Nachdruck empfohlen. Um sich jedoch ein wirklich tiefgreifendes und detailliertes Verständnis über die mathematischen Hintergründe zu erarbeiten, empfiehlt sich als fortsetzende Einführung etwa M AYER (2007). 109 Der Begriff „Matrix“ wurde erstmals durch J AMES J OSEPH S YLVESTER im Jahr 1850 eingeführt und stellt ein zentrales Element der linearen Algebra dar. Das Prinzip von Matrizen und Vektoren begegnet uns einerseits im ursprünglichen Gebiet der Mathematik, um lineare Zusammenhänge und Gleichungssysteme zu beschreiben, zu vereinfachen und zu lösen, andererseits werden Matrizen und Vektoren ebenfalls in angrenzenden wirtschaftswissenschaftlichen Gebieten interdisziplinär angewendet. Die Matrizen- und Vektorrechnung fand innerhalb der Finanzwirtschaft nicht zuletzt aufgrund der erfolgreichen Versuche, wirtschaftswissenschaftliche Vorgänge durch die Methodik der höheren Mathematik abzubilden, ernsthafte Beachtung. Hierbei bildet die Mathematik die fundamentale Grundlage zur übersichtlichen Darstellung und Lösung abstrakter portfoliotheoretischer Probleme und Sachverhalte. Harry M. Markowitz gilt durch die Publikation seiner Erkenntnisse über die Portfolio-Selection-Theorie nicht nur als Begründer der modernen Portfoliotheorie, sondern auch als Pionier bei der finanzwirtschaftlichen Anwendung von Vektoren und Matrizen als zentrales Element in Portfoliomodellen. Vektoren und Matrizen bieten im modernen Portfolio Management hauptsächlich den Vorteil, komplizierte Rechenoperationen zu vereinfachen und übersichtlich darzustellen. Die einfache Handhabung des Softwarepaketes Microsoft Office erleichtert dem Anwender den effizienten Umgang mit Matrizen und Vektoren bei der Umsetzung gängiger Portfolio-Modelle. Der Einsatz von Vektoren ermöglicht neben der übersichtlichen Darstellung von Portfolioanteilen vor allem eine effiziente Verarbeitung der nachfolgend dargestellten Matrizen-Rechenoperationen. Die Anwendung von Matrizen dient insbesondere bei mehreren Anlagetiteln zur Darstellung wesentlicher statistischer Größen wie der Varianz-Kovarianz-Matrix und ermöglicht somit eine vereinfachende Berechnung der zentralen Risiko- und Renditemaße von einzelnen Anlagetiteln sowie des gesamten Portfolios. Die anschließend dargestellten mathematischen Grundlagen finden sich in ihren Grundzügen in nahezu allen Portfolio-Modellen wieder und besitzen demnach eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für ein umfassendes Verständnis der modernen Portfoliotheorie. Im nachfolgenden Abschnitt werden zunächst die mathematischen Grundlagen theoretisch definiert, erläutert und an Hand von einfachen Beispielen vertieft, um im Rahmen von einfachen Beispielen praktisch in EXCEL umgesetzt zu werden. 2.1.1 Matrizen Eine Matrix stellt grundsätzlich eine quadratische oder rechteckige Anordnung von Elementen dar. Die Elemente einer Matrix repräsentieren dabei Objekte im Sinne von Zahlen oder Symbolen. Der Plural einer Matrix wird als Matrizen bezeichnet. Eine Matrix entspricht im Allgemeinen der folgenden mathematischen Notation: 109 Weiterführende Literatur: Christoph Mayer, Carsten Weber, David Francas: Lineare Algebra für Wirtschaftswissenschaftler, Gabler-Verlag 2007 <?page no="127"?> 128 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management Definition 1 Allgemeine Matrizen-Schreibweise Ausführliche Schreibweise wobei (2.1) Kurze Schreibweise (2.2) Gemäß der eben vorgestellten mathematischen Schreibweise entspricht m der Anzahl der Zeilen, und n der Anzahl der Spalten innerhalb der Matrix. Demnach beschreiben m und n hauptsächlich die Dimensionen einer Matrix, wodurch diese häufig auch als m x n-Matrix bezeichnet wird. Die Elemente einer Matrix sind durch die Angabe von Zeile und Spalte in Form der zwei tiefergestellten Indizes i und j eindeutig zuzuordnen. Man spricht hierbei vom Element in der i-ten Zeile und der j-ten Spalte. Aufgrund der Anzahl der Zeilen und Spalten unterscheidet man grundsätzlich quadratische Matrizen ( ) von rechteckigen Matrizen ( ). Beispiele Allgemeine Matrizen-Schreibweise (2.3) 2.1.2 Diagonal- und Einheitsmatrix Definition 2 Diagonalmatrix wobei (2.4) Eine Diagonalmatrix beschreibt eine quadratische Matrix, auf welcher sich die Elemente der Matrix entlang ihrer Diagonalen (von links oben nach rechts unten) von Null unterscheiden, d.h. = 0 gilt, falls i j ist. Demnach muss sich mindestens ein Element entlang der Diagonalen der Matrix befinden, um eine Diagonalmatrix darzustellen. Darüber hinaus besitzen quadratische Matrizen im Allgemeinen eine Hauptdiagonale mit , welche den Verlauf der Elemente von links oben nach rechts <?page no="128"?> 2.1 Grundlagen der Matrizenrechnung 129 unten beschreibt, sowie eine Nebendiagonale, die den Verlauf der Elemente von links unten nach rechts oben abbildet. Beispiele (2.5) Die Einheitsmatrix beschreibt eine Sonderform der Diagonalmatrix, wobei der Aufbau der Einheitsmatrix stark einer Diagonalmatrix ähnelt, jedoch mit dem einzigen Unterschied, dass die Elemente entlang der Diagonalen lediglich aus Einsen bestehen und sich somit von Null unterscheiden, d.h. = 1 für alle i = 1, ... , n und = 0 für alle i j. Definition 3 Einheitsmatrix wobei und (2.6) Aufgrund der Divergenz von Zeilen und Spalten besitzen rechteckige Matrizen weder eine Hauptnoch eine Nebendiagonale. Deshalb stellen die Diagonal- und die Einheitsmatrix eher Spezialfälle von Matrizen dar, und kommen lediglich bei quadratischen Matrizen vor. Beispiele (2.7) 2.1.3 Vektoren Definition 4 Vektoren Spaltenvektor Zeilenvektor (2.8) <?page no="129"?> 130 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management Vektoren stellen eine Sonderform von Matrizen dar und werden häufig auch als Spaltenvektor oder Zeilenvektor bezeichnet. Ein Spaltenvektor besteht nur aus einer Spalte einer Matrix, ein Zeilenvektor entsprechend nur aus einer Zeile einer Matrix. Demzufolge beschreibt eine M x 1-Matrix in der Form (m,1) mit m > 1 einen Spaltenvektor und eine 1 x N-Matrix in der Form (1,n) mit n > 1 einen Zeilenvektor. Beispiele Spaltenvektor in der Form 3 x 1 Zeilenvektor in der Form 1 x 3 (2.9) Um im nachfolgenden Sprachgebrauch den Begriff des Vektors synonym für Spaltenvektor verwenden zu können, erfolgt zunächst eine Einführung in das Transponieren von Matrizen und Vektoren. Der transponierte Spaltenvektor stellt einen Zeilenvektor dar, und umgekehrt. 2.1.4 Transponieren von Matrizen und Vektoren Definition 5 Transponieren von Matrizen und Vektoren (2.10) Bildlich gesprochen erfolgt beim Transponieren von Matrizen eine Drehung der Spalte(n) oder Zeile(n) im 90°-Winkel. Anders ausgedrückt werden beim Transponieren einer Matrix im Format (m,n) alle Zeilen mit allen Spalten vertauscht, um die Matrix im Format (n,m) darstellen zu können. Hierbei entsteht durch die bereits angesprochene Divergenz zwischen m und n bei rechteckigen Matrizen ein neues Format. Lediglich bei quadratischen Matrizen entsteht eine Matrix gleichen Formats. Beispiele (2.11) <?page no="130"?> 2.1 Grundlagen der Matrizenrechnung 131 Eine transponierte Matrix (oder ein transponierter Vektor) wird als Transponierte zu A bezeichnet und mit dem hochgestellten T abgekürzt, in Form der mathematischen Notation A T . 2.1.5 Addition und Subtraktion von Matrizen und Vektoren Definition 6 Addition und Subtraktion von Matrizen und Vektoren Sind und zwei M x N-Matrizen, so gilt: Addition: (2.12) Subtraktion: (2.13) Bei der einfachen Addition und Subtraktion von Matrizen besteht die grundlegende Beschränkung, lediglich Matrizen gleichen Formats addieren oder subtrahieren zu können. Die Addition von ausgewählten Matrizen gleichen Formats erfolgt durch die zeilenweise Bildung der Summen der entsprechenden Elemente. Daher wird dieser Vorgang auch als komponentenweises Addieren oder komponentenweises Subtrahieren bezeichnet. Beispiele (2.14) <?page no="131"?> 132 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management Eine Subtraktion von ausgewählten Matrizen erfolgt durch die zeilenweise Differenzbildung der entsprechenden Elemente. In Formel (2.14) wird deutlich, dass die Subtraktion gleicher Werte voneinander unweigerlich zu Nullen in der Ergebnismatrix führt. Demnach kann die Subtraktion einer Matrix von sich selbst dazu führen, dass alle Elemente der neuen Matrix gleich Null sind. Dies nennt man eine Nullmatrix. 2.1.6 Multiplikation von Matrizen und Vektoren Definition 7 Multiplikation einer Matrix mit einer reellen Zahl für (2.15) Man unterscheidet beim Multiplizieren von Matrizen grundsätzlich zwei Arten von Rechenoperationen. Da sich die Vorgehensweisen bei der Multiplikation einer Matrix mit einer Konstante und bei der Multiplikation von Matrizen unterscheiden, soll zunächst die Multiplikation einer Matrix mit einer Konstante erläutert werden, um ein grundsätzliches Verständnis für den Umgang mit Matrizen zu erlangen. Danach folgen detaillierte Erläuterungen zur Multiplikation von Matrizen. Die Multiplikation einer Matrix mit einer Konstante erfolgt durch das Multiplizieren eines jeden Elementes mit dieser Konstante. Man spricht hierbei auch von der Multiplikation einer Matrix mit einem Skalar. Beispiele (2.16) Nach Formel (2.15) ist auch umgekehrt ein Ausklammern des Faktors möglich, wenn dieser in allen Elementen der Matrix enthalten ist. Hierbei zieht man den Faktor vor die Klammer der Matrix. <?page no="132"?> 2.1 Grundlagen der Matrizenrechnung 133 Definition 8 Multiplikation von Matrizen und Vektoren Liegt eine (m,n) Matrix vor, als auch eine (n,r) Matrix , so gilt: (2.17) Bei der Multiplikation von Matrizen findet entgegen dem Kommutativgesetz (lat. commutare „vertauschen“) eine klare Unterscheidung der Reihenfolge bei der Multiplikation der einzelnen Elemente statt. Daher kann auch Matrix A nur mit Matrix B in der Reihenfolge AB multipliziert werden, falls die Anzahl der Spalten von Matrix A der Anzahl der Zeilen in Matrix B entspricht. Die daraus resultierende Matrix C besteht aus der gleichen Anzahl an Zeilen wie bei Matrix A und der gleichen Anzahl an Spalten wie bei Matrix B. Möchte man dagegen beide Matrizen in einer anderen Reihenfolge, wie etwa BA, miteinander multiplizieren, sollte umgekehrt die Anzahl der Spalten von Matrix B unbedingt mit der Anzahl der Zeilen von Matrix A übereinstimmen. Die daraus resultierende Matrix D besteht aus der gleichen Anzahl an Zeilen wie Matrix B und der gleichen Anzahl an Spalten wie Matrix A. B ENNINGA (2006) beschreibt die Multiplikation von Vektoren und Matrizen anhand folgender Beispiele besonders ansprechend. Abb. 41 zeigt B ENNINGA s zugrunde gelegtes Schema bei der Multiplikation von Vektoren. Abb. 41: Schema einer Vektor-Multiplikation Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Benninga (2006) Zunächst soll ein Zeilenvektor mit einem Spaltenvektor multipliziert werden. Dabei wird jedes i-te Element innerhalb des Zeilenvektors mit dem j-ten Element innerhalb des Spaltenvektors multipliziert und aufsummiert. Hierbei wird deutlich, dass das Produkt einer 1 x N-Matrix und einer N x 1-Matrix stets eine Zahl (1 x 1-Matrix) ergibt. Beispiele (2.18) Das zu Beginn erläuterte und dargestellte Schema zur Multiplikation zweier Vektoren stellt den ersten Schritt bei der Multiplikation von Matrizen dar und bildet somit das Grundprinzip für alle weiterführenden Rechenoperationen. Um dies zu verdeut- <?page no="133"?> 134 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management lichen, soll nachfolgend eine 3 x 3-Matrix mit einem 1 x 3-Vektor multipliziert werden. Hinsichtlich der Reihenfolge für die Multiplikation spiegelt das nachfolgende Beispiel die bereits erläuterte Reihenfolge C = BA wider. Beispiele Allgemeine Vorgehensweise: (2.19) Die Multiplikation eines 1 x 3-Zeilenvektors mit einer 3 x 3-Matrix erfolgt in ähnlicher Weise, jedoch auf Grundlage einer unterschiedlichen Reihenfolge, C = AB. Hierbei muss der ursprüngliche Spaltenvektor aus Formel (2.18) in einen Zeilenvektor transponiert werden, da sonst die zu Beginn besprochenen Kriterien in Bezug auf die Zeilen und Spalten vor dem Hintergrund einer kongruenten Multiplikation nicht eingehalten werden können. Beispiele Allgemeines Vorgehen: (2.20) Spätestens jetzt wird deutlich, warum die Reihenfolge bei der Multiplikation von Matrizen so eine wichtige Rolle spielt. Aus den vorangegangenen Beispielen geht eindeutig hervor, dass die Wahl der Reihenfolge bei einer Multiplikation von Matrizen einerseits das Ergebnis selbst, andererseits aber auch die Form des Ergebnisses beeinflusst. (2.21) <?page no="134"?> 2.1 Grundlagen der Matrizenrechnung 135 2.1.7 Inversion von Matrizen und Vektoren Die nachfolgenden Erläuterungen zur Inversion von Matrizen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sollen dem Leser lediglich einen gezielten Einblick in die mathematischen Grundlagen geben. Dem mathematisch interessierten Leser sei insbesondere der Hinweis auf die einschlägige Fachliteratur gegeben. 110 Eine inverse Matrix adressiert vorranging die Problemstellung einer nicht möglichen Division von Matrizen innerhalb einer Matrizengleichung. Dieser Mangel lässt sich durch die weitverbreiteten Unterschiede zwischen den Rechenoperationen einfacher Zahlen und Matrizen erklären. Obwohl eine Multiplikation von Matrizen erfolgen kann, sind diese Rechenoperationen an bestimmte Bedingungen geknüpft. Anders gestaltet es sich bei der Division von Matrizen, da diese Rechenoperationen in der abgegrenzten Welt von Matrizen nicht erklärt und somit nicht durchführbar sind. Hierbei stellen uns die nachfolgend angewendeten Methoden für die Inversion von Matrizen ein geeignetes Werkzeug zur Lösung des beschriebenen Problems zur Verfügung. Die Merkmale einer inversen Matrix B zu einer gegebenen Basis-Matrix A sind einerseits die Existenz der Produkte BA und AB und andererseits die identischen Ergebnisse beider Produkte. Darüber hinaus gilt, dass eine von der Reihenfolge unabhängige Multiplikation beider Matrizen per Definition eine Einheitsmatrix liefert. Hierbei beschränkt sowohl die Voraussetzung der Vertauschbarkeit als auch die Konformität der Produkte das Anwendungsspektrum der Inversion auf rein quadratische Matrizen. Erfüllt Matrix B die dargestellten Kriterien eindeutig, bezeichnet man Matrix B auch als inverse Matrix von Matrix A. Dennoch kann es vorkommen, dass einige quadratische Matrizen keine Inverse aufweisen und somit als singuläre Matrix bezeichnet werden. Die inverse Matrix in Definition 9 schreibt man gewöhnlich als A -1 da B = A -1 . Definition 9 Inverse Matrizen (2.22) Nachfolgend sollen an einem Beispiel die mathematischen Voraussetzungen für die Inversion einer Matrix verdeutlicht werden. Besonders im Hinblick auf den erheblichen Umfang und die Komplexität wurde auf die Darstellung der formalmathematischen Vorgehensweise bei der Bestimmung einer inversen Matrix gezielt verzichtet, da dies zur Bildung eines grundlegenden Verständnisses für die nachfolgend im Buch vorgestellten Modelle auch nicht zwingend notwendig ist. Es sei jedoch erwähnt, dass zur mathematischen Ermittlung einer inversen Matrix der Gauß-Jordan- Algorithmus herangezogen werden kann, da dieses nach C ARL F RIEDRICH G AUß und W ILHELM J ORDAN benannte mathematische Lösungsverfahren es erlaubt, ein lineares Gleichungssystem auf eine reduzierte Stufenform umzuformen und anschließend zu lösen. 110 Hierbei ist insbesondere hervorzuheben T. Arens u.a. „Mathematik“, erschienen im Spektrum Akademischer Verlag, S. 515 ff., als ein grundlegendes Werk für die Einführung in die Mathematik. Als Nachschlage- und Einführungswerk mit Beispielen empfiehlt sich ebenfalls Merziger, Wirth „Repetitorium der höheren Mathematik“, erschienen im Binomi-Verlag. <?page no="135"?> 136 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management Das nachfolgende Beispiel dient der Erläuterung der beschriebenen Zusammenhänge und wurde mit EXCEL berechnet. Es sei darauf hingewiesen, dass hierbei geringfügige numerische Fehler auftreten können. Dies spielt aber bei der nachfolgenden illustrativen Anwendung lediglich eine untergeordnete Rolle. Beispiele mit Hilfe von EXCEL Prüfung ob ? daher gilt: (2.23) 2.2 Matrizenrechnung in EXCEL Nachfolgend soll dem Leser ein detailliertes Verständnis für die Umsetzung des Theorie-Teils aus den Abschnitten 2.1.1 bis 2.1.7 in EXCEL vermittelt werden. Die nachfolgend beschriebenen Vorgehensweisen lehnen sich maßgeblich an die Microsoft Office Version 2010 an, können jedoch gleichermaßen in ähnlicher Weise bei vorherigen Softwareversionen angewendet werden. Obwohl Microsoft EXCEL dem Anwender eine einfache Verarbeitung von Vektoren- und Matrizen-Rechenoperationen bietet, sollen dennoch dem Anwender in den anschließenden Abschnitten einige spezifische Merkmale zur Gewährleistung eines effizienten Umganges mit Vektoren und Matrizen im Detail näher gebracht werden. Der Umgang mit sogenannten Array-Formeln in EXCEL stellt eine unabdingbare Notwendigkeit in der effizienten Umsetzung von Prozessen im Portfolio Management dar. Der Begriff Array kommt ursprünglich aus der Programmierung und stellt im Allgemeinen eine Sammlung von Elementen dar. Demnach lässt sich ein Array in seinen unterschiedlichen Ausprägungen vor allem mit Vektoren und Matrizen vergleichen. Daher entspricht auch ein eindimensionales horizontales Array einem Zeilenvektor, ein eindimensionales vertikales Array einem Spaltenvektor sowie ein zweidimensionales Array einer Matrix. Man unterscheidet aufgrund der Größe und Dimension ihrer Zeilen und Spalten grundsätzlich zweierlei Array-Typen: die Einzelzellen-Arrayformel und die Mehrzeilen-Arrayformel. Bei der Verarbeitung von Vektoren und Matrizen sollte beachtet werden, dass eine Arrayformel nicht nur ein einzelnes Ergebnis, sondern auch mehrere Ergebnisse als Rückgabewert liefern kann. Der Umgang mit Arrayformeln bietet den Vorteil, neben <?page no="136"?> 2.2 Matrizenrechnung in EXCEL 137 einer stetig konsistenten Verarbeitung von Informationen und Daten die Anzahl der Rechenschritte drastisch reduzieren zu können. 111 Der Anwender muss bereits vor der Verarbeitung von Vektoren und Matrizen eine entsprechende Auswahl und Markierung des Zielbereichs vornehmen. Hierzu muss schon im Vorfeld die Größe des Ergebnisfeldes bekannt sein. EXCEL liefert im Falle einer unzureichenden Auswahl des Zielbereichs keinen Fehler, sondern ein unvollständiges Ergebnis. Ist die Eingabe einer Arrayformel durch die Tastenkombination STRG + UM- SCHALT + EINGABE abgeschlossen, kann der Inhalt dieser Arrayformel nicht unmittelbar geändert werden. Dies erfordert zunächst die komplette Löschung des Zielbereichs durch die Taste ENTF und eine anschließende Neueingabe in abgeänderter Fassung. EXCEL fügt nach Abschluss der Formeleingabe automatisch eine einzigartige geschweifte Klammer { } der Formel hinzu und trägt somit unweigerlich zur Unterscheidung von Array-Formeln und gewöhnlichen EXCEL-Formeln bei. 2.2.1 Allgemeine Darstellung in EXCEL Abb. 42: Darstellung und Anwendung von Matrizen in EXCEL Jede Zelle in EXCEL stellt gemäß Abb. 42 ein einzelnes Element eines Vektors oder einer Matrix dar. Je nach Anordnung der Elemente innerhalb einer Zeile oder Spalte entsteht ein Zeilen- oder ein Spaltenvektor. Erfolgt eine rechteckige oder quadratische Anordnung dieser Zellen entsteht demzufolge eine M x N-Matrix. 2.2.2 Transponieren von Vektoren und Matrizen in EXCEL EXCEL Befehle und Funktionen = TRANSPOSE(Array) (englische EXCEL-Version) = MTRANS(Array) (deutsche EXCEL-Version) Beim Transponieren eines Vektors oder einer Matrix verwendet man in der deutschen Version von EXCEL die Funktion MTRANS() oder äquivalent TRANSPOSE() in der englischen Version. Da es sich hierbei, wie in Abschnitt 2.2 dargestellt, um eine 111 Der interessierte Leser sei im Hinblick auf weiterführende Erläuterungen an den Support von Microsoft verwiesen: http: / / office.microsoft.com/ de-de/ EXCEL-help/ richtlinien-undbeispiele-fur-arrayformeln-HA010228458.aspx 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 A B C D E F G H I J K L M Kapitel 3 Abschnitt 3.2 Mathematische Grundlagen im Portfoliomanagement 1 2 3 1 1 2 3 6 5 4 2 7 8 9 3 Darstellung einer 3 x 3 Matrix Darstellung eines Spaltenvektors Darstellung eines Zeilenvektors <?page no="137"?> 138 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management Array-Formel handelt, müssen die nachfolgenden Hinweise bei der Eingabe unbedingt beachtet werden. Soll zum Beispiel ein Spaltenvektor aus Abschnitt 2.2.1 transponiert werden, geht man folgendermaßen vor. [1] Die Größe des Zielvektors oder der Zielmatrix bestimmen und nachfolgend den Bereich der Zielzellen markieren. Abb. 43: Auswahl der Ergebniszellen [2] Formel eingeben: =MTRANS(Ursprungsvektor) Abb. 44: Eingabe der Formel [3] Eingabe mit STRG + SHIFT + EINGABE abschließen. Abb. 45: Abschluss Der in Abb. 43 bis Abb. 45 gezeigte Ablauf entspricht in seiner grundsätzlichen Vorgehensweise dem allgemeinen Transponieren von Vektoren und Matrizen, jedoch ist zu beachten, dass der zu Beginn der Eingabe ausgewählte und markierte Bereich nun dem eines Spaltenvektors oder einer Matrix entspricht. Abb. 46 zeigt das Ergebnis einer transponierten Matrix. <?page no="138"?> 2.2 Matrizenrechnung in EXCEL 139 Abb. 46: Transponieren von Vektoren und Matrizen 2.2.3 Addition und Subtraktion von Matrizen in EXCEL EXCEL Befehle und Funktionen Einfache Addition Element Matrix 1 + Element Matrix 2 Einfache Subtraktion Element Matrix 1 - Element Matrix 2 Die Addition und Subtraktion von Matrizen in EXCEL gestaltet sich, wie in Abb. 47 dargestellt, durch das direkte Addieren und Subtrahieren der einzelnen Elemente eines Vektors oder einer Matrix relativ einfach. Hierbei wird die erste Zeile der Ergebnismatrix durch Addition der beiden Matrizen elementweise Schritt für Schritt ergänzt. Nach Eingabe der Formel in Zelle J23 (siehe Abb. 47) wird diese sogleich markiert und mit Hilfe der „Ziehen und Ablegen“-Funktion mit einem Klick (gedrückte Maustaste) auf die rechte untere Ecke der Markierung und dem gleichzeitigen Zug in eine der vier Richtungen in die angewählte umliegende Zelle kopiert. Zellbezüge werden hierbei von Excel automatisch angepasst. Abb. 47: Addition und Subtraktion von Matrizen in EXCEL 2.2.4 Multiplikation eines Skalars mit einer Matrix in EXCEL Die Multiplikation eines Skalars mit einer Matrix gestaltet sich in der Umsetzung ähnlich der Addition und Subtraktion von Vektoren und Matrizen ebenfalls einfach. Hierbei wird jedes Element einer Matrix mit der gewünschten Konstante (auch Skalar genannt) multipliziert, was eine neue Matrix ergibt. Folgende Punkte sollten dabei berücksichtigt werden: 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 A B C D E F G H 1 2 3 1 6 5 4 2 7 8 9 3 Transponieren einer 3 x 3 Matrix 1 6 7 << {=TRANSPOSE(B9: D11)} 2 5 8 3 4 9 Darstellung einer 3 x 3 Matrix Darstellung eines Spaltenvektors 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 A B C D E F G H I J K L M N 2 2 4 5 9 4 7 11 8 << {=B23: D25+F23: H25} 6 4 8 + 2 2 1 = 8 6 9 8 6 3 4 5 3 12 11 6 2 2 4 5 9 4 -3 -7 0 << {=B28: D30-F28: H30} 6 4 8 + 2 2 1 = 4 2 7 8 6 3 4 5 3 4 1 0 Addition und Subtraktion <?page no="139"?> 140 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management [1] Die zu multiplizierende Konstante bei der erstmaligen Eingabe der Formelelemente muss fixiert werden. Diese Fixierung kann im Rahmen der Eingabe bzw. der Auswahl der Zelle dieser Konstanten durch Drücken der F4-Taste erfolgen. Die Angabe der fixierten Zelle wird nun in der Formel durch zwei Dollar- Zeichen ($) umschlossen. Nach Abschluss der Eingabe der Formel erscheint das Produkt der ersten beiden Elemente. [2] Um die anderen Elemente der gleichen Zeile miteinander zu multiplizieren, muss lediglich die soeben erstellte Zelle, welche die Formel enthält, nach rechts und unten kopiert werden. Dies erfolgt in gleicher Weise wie bereits in Abschnitt 2.2.3 beschrieben. Abb. 48 zeigt das Ergebnis der Operation. Abb. 48: Multiplikation eines Skalars mit einer Matrix in EXCEL 2.2.5 Multiplikation von Matrizen und Vektoren in EXCEL EXCEL Befehle und Funktionen = MMULT(Array1; Array2) = SUMMENPRODUKT(Array1; Array2) Die Multiplikation von Matrizen und Vektoren stellt die wichtigste Grundlage für das Verständnis von Portfoliomodellen dar. Nachfolgend wird einführend die Multiplikation von Vektoren beschrieben, um auf die verschiedenen Möglichkeiten der Matrizenmultiplikation einzugehen. Auch hier begegnen uns erneut die in den vorangegangenen Abschnitten erwähnten Array-Formeln. Um eine Matrix oder einen Vektor miteinander zu multiplizieren, können zwei verschiedene Methoden angewandt werden. Das Produkt zweier Vektoren kann entweder durch die Anwendung der Funktion SUMMENPRODUKT () oder durch MMULT () ermittelt werden. Beide Methoden erfüllen den gleichen Zweck, führen aber nur bei der Multiplikation von Vektoren zu einem gleichen Ergebnis. Soll hingegen eine Matrix multipliziert werden, kommt lediglich die Anwendung der Funktion MMULT() in Frage. Um Verwirrung bei der Wahl der Funktion zu vermeiden, empfiehlt sich die generelle Anwendung von MMULT(). Im Allgemeinen ähnelt die Eingabe der Formel in EXCEL prinzipiell dem Ablauf aus Abschnitt 2.2.2. Vorgehensweise: [1] Bestimmung der Größe des Ergebnisvektors oder der Ergebnismatrix. Hierbei sollten vor allem die Merkmale eines Vektors bzw. einer Matrix, siehe insbesondere Abschnitt 2.1.6, beachtet werden. 32 33 34 35 36 37 38 A B C D E F G H I J K L M 5 4 1 2 20 5 10 << {=B35*D35: F37} 5 3 1 25 15 5 6 5 3 30 25 15 Multiplikation Skalar <?page no="140"?> 2.2 Matrizenrechnung in EXCEL 141 [2] Auswahl und Markierung der Ergebnismatrix. [3] Eingabe der Formel z.B. MMULT (Matrix/ Vektor 1; Matrix/ Vektor 2) oder SUMMENPRODUKT(Vektor 1; Vektor 2) [4] Abschluss der Formel-Eingabe durch STRG + SHIFT + EINGABE. Abb. 49: Multiplikation von Vektoren Sowohl die Multiplikation einer Matrix mit einem Spaltenvektor als auch das Multiplizieren eines Zeilenvektors mit einer Matrix erfolgt in ähnlicher Weise wie in den vorherigen Abschnitten detailliert beschrieben. Abb. 50 und Abb. 51 zeigen die praktische Umsetzung in Microsoft EXCEL. Abb. 50: Multiplikation einer Matrix mit einem Spaltenvektor Abb. 51: Multiplikation einer Matrix mit einem Zeilenvektor 2.2.6 Inversion und Einheitsmatrix in EXCEL EXCEL Befehle und Funktionen =MINV(Array1; Array2) Das Prinzip einer inversen Matrix wurde bereits in Abschnitt 2.1.7 dargestellt und soll nachfolgend durch die Umsetzung in EXCEL ergänzt werden. Zur Bildung einer inversen Matrix gilt die gleiche praktische Vorgehensweise, wie sie bereits in den vorherigen Abschnitten dargestellt wurde. Vorgehensweise: [1] Bestimmung der Größe der Ergebnismatrix. Im Beispiel weist die Ergebnismatrix eine Größe von 3 Zeilen und 3 Spalten auf. [2] Nachfolgend wählt der Anwender die Ergebnismatrix aus und markiert sie. [3] Die Eingabe der Formel MINV(Matrix 1; Matrix 2) erfolgt direkt über die Tastatur. [4] Die Formel-Eingabe wird durch STRG + SHIFT + EINGABE abgeschlossen. 39 40 41 42 43 44 45 A B C D E F G H I J K L M N 1 1 2 3 14 << {=SUMPRODUCT(B42: B44,TRANSPOSE(D42: F42))} 2 3 14 << {=MMULT(D42: F42,B42: B44)} Multiplikation Vektoren 46 47 48 49 50 51 52 A B C D E F G H I J K L 4 1 2 1 12 << {=MMULT(B49: D51,F49: F51)} 5 3 1 2 14 6 5 3 3 25 Multiplikation Matrix 53 54 55 56 57 A B C D E F G H I J K L M N O 1 2 3 4 1 2 32 22 13 << {=MMULT(B54: D54,F54: H56)} 5 3 1 6 5 3 <?page no="141"?> 142 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management Abb. 52: Inversion einer Matrix 2.3 Grundlagen der mathematischen Optimierung Die Verfahren der mathematischen Optimierung können neben der modernen Portfoliotheorie auch den Methoden des wirtschaftswissenschaftlichen Teilgebietes des Operations Research zugeordnet werden. Bereits während des 2. Weltkrieges wurden Methoden zur Optimierung von militärischen Anwendungen entwickelt. Nach Kriegsende wurden diese durch die Forschung und Lehre an Universitäten auf wirtschaftliche Teilgebiete übertragen. Obwohl das Operations Research eine recht junge wirtschaftswissenschaftliche Disziplin darstellt, findet die mathematische Optimierung heute in nahezu jedem wissenschaftlichen Bereich eine breite Anwendung. 112 Die Methoden der mathematischen Optimierung wurden später an die Anforderungen portfoliotheoretischer Fragestellungen angepasst und finden heute in der modernen Portfoliotheorie breite Anwendung. Neben der Anwendung der mathematischen Optimierung beschäftigt sich das Operations Research ebenfalls mit der Analyse von praxisnahen, komplexen Problemstellungen im Rahmen von Planungsprozessen und strebt durch die Entwicklung und Anwendung quantitativer Methoden eine optimale Entscheidung bei der Auswahl von Alternativen an. 113 Letzteres stellt neben der Verwendung ähnlicher Verfahren zur Lösung von Optimierungsmethoden eine weitere Schnittmenge zwischen den Verfahren des Operations Research und den quantitativen Methoden der modernen Portfoliotheorie dar. 2.3.1 Operations Research und Portfoliotheorie Die bereits angesprochenen Gemeinsamkeiten zwischen den Methoden des Operations Research und der modernen Portfoliotheorie sollen nachstehend noch einmal kurz aufgegriffen und erläutert werden. Im Rahmen des Operations Research trägt die erfolgreiche Abstrahierung eines betrachteten Problems nicht nur zu einer adäquaten Abbildung der komplexen Realität bei, sondern bildet gleichzeitig die Voraussetzung zur Lösung von Entscheidungsproblemen. Aus diesen Gründen werden die quantitativen Methoden des Operations Research in abgewandelter Form auch zur Lösung von Fragestellungen im Portfolio Management eingesetzt. Die Entscheidungen, die bei der Asset Allocation und der Auswahl effizienter Portfolios getroffen werden müssen, gestalten sich an den internationalen Kapitalmärkten zunehmend abstrakter und komplexer. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, quantitative Methoden bei der Bildung von Portfolios einzusetzen. 114 112 Vgl. Gohout (2009), S. 2 ff. 113 Vgl. Domschke/ Drexl (2005), S. 1 ff. 114 Vgl. Werners (2006), S. 1 ff. 58 59 60 61 62 63 64 A B C D E F G H I J K L M N O 4 1 2 0,19 0,33 -0,24 1 0 0 - << {=MINVERSE(B61: D63)} 5 3 1 -0,43 0,00 0,29 0 1 0 6 5 3 0,33 -0,67 0,33 0 0 1 << {=MMULT(B61: D63,F61: H63)} Inversion Matrix <?page no="142"?> 2.3 Grundlagen der mathematischen Optimierung 143 Die Verfahren der mathematischen Optimierung finden nicht nur in den Wirtschaftswissenschaften Anwendung, sondern auch im Ingenieurwesen bei der Entwicklung von technischen Anlagen und in der Informatik bei der Entwicklung von softwaregestützten Anwendungen. 2.3.2 Die Ziele des Operations Research und der Portfoliotheorie Aus der vorangegangenen Beschreibung der Merkmale kann ebenfalls eine Definition der Ziele des Operations Research abgeleitet werden. Das wesentliche Ziel des Operations Research besteht in der Ermittlung von Vorschlägen zur Lösung eines komplexen reellen Problems. Hierbei steht die Erarbeitung einer „optimalen“ Lösung im Vordergrund. In diesem Sinne versteht man im Allgemeinen unter dem Begriff der Optimierung die Berechnung einer zulässigen Handlungsalternative, welche aus einer Auswahl an Handlungsalternativen am besten zur Zielerreichung des Entscheidenden führt. 115 In der modernen Portfoliotheorie spiegeln die ausgewählten Anlagetitel wie Aktien, Anleihen, Derivate u.a. die zulässigen Handlungsalternativen wider. Ferner sind in der modernen Portfoliotheorie die individuellen Präferenzen der Kapitalanleger bei der Abwägung der Rendite- und Risikogrößen ausgewählter Anlagetitel zu berücksichtigen. Dies ist vergleichbar mit der Auswahl an Handlungsalternativen im Operations Research. In der Praxis unterscheiden sich unter Umständen die zulässigen Handlungsalternativen bezüglich der Rendite- und Risikoparameter erheblich. Analog zur Zielesetzung der Optimierung im Operations Research ist das primäre Ziel der modernen Portfoliotheorie die Ermittlung eines optimalen Portfolios. Ein Ergebnis bzw. eine Lösung wird in der Portfoliotheorie als optimal bezeichnet, wenn bei der Portfolio-Selektion, also bei der Auswahl an Anlagentiteln, diejenige Kombination ausgewählt wird, welche den Ziel- und Nutzenvorstellung eines Kapitalanlegers am besten entspricht. Aus der vorangegangenen Beschreibung der Merkmale und Ziele des Operations Research und des Portfolio Managements geht hervor, dass ein eindeutiger Zusammenhang zwischen den Verfahren des Operations Research und den Fragestellungen des Portfolio Managements besteht. Aus diesem Grund lassen sich die Methoden des Operations Research besonders gut auf die Fragestellungen der Portfoliotheorie übertragen. 2.3.3 Grundlagen der Entscheidungstheorie In nahezu jeder wirtschaftswissenschaftlichen Disziplin beruht die Erklärung wirtschaftlicher Zusammenhänge auf der Annahme, dass alle bzw. der überwiegende Teil der Akteure eines Marktes durch ihr rationales Verhalten eine allgemeine Steigerung bzw. Maximierung ihres Nutzens anstreben. 116 Gemäß den Zielvorstellungen der Akteure zeichnet sich ein nach dem Optimum ausgerichtetes Verhalten der Akteure 115 Vgl. Werners (2006), S. 8 116 Siehe 2.5.2 ff. <?page no="143"?> 144 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management bei der Lösung von Entscheidungsproblemen ab. Dies kann auch als Optimierungskalkül aller beteiligten Wirtschaftseinheiten empfunden werden. 117 Die Zielvorstellung eines Akteurs über die Maximierung seines Nutzens spiegelt in gewisser Weise schon eine Form der Optimierung wider. Neben den Methoden zur Quantifizierung einfacher Entscheidungsprobleme durch die Modelle der Entscheidungstheorie, wie u.a. Nutzenfunktionen und Entscheidungsregeln, verwendet man zur Lösung komplexerer Entscheidungsprobleme hauptsächlich die bereits angesprochenen Methoden der mathematischen Optimierung. Diese wird in der Fachliteratur oftmals auch als numerische Optimierung bezeichnet. Der Begriff der numerischen Optimierung, oder noch allgemeiner das mathematische Teilgebiet der Numerik, begegnet uns wiederkehrend in der fachübergreifenden mathematischen Literatur der Portfoliotheorie. Im Nachfolgenden verwenden wir die Bezeichnung der numerischen Optimierung synonym für die mathematische Optimierung. Der Begriff Numerik geht noch gezielter auf die Charakteristika der Optimierung ein. Die Numerik beschreibt grundsätzlich die Problematik, dass sich im Rahmen einer mathematischen Optimierung keine expliziten Lösungen angeben lassen. Vielmehr liefern numerische Lösungsverfahren die näherungsweise Angabe eines Funktionswertes an einem beobachtbaren Punkt im Kurvenverlauf einer Funktion. 118 Die schrittweise Vorgehensweise bei der Annäherung an eine Lösung wird in der Mathematik oftmals als iterativ bezeichnet, da erst die wiederholte Anwendung eines Lösungsverfahrens zu einer schrittweisen Annäherung an einen Funktionswert führt. Deshalb spricht man bei der Optimierung häufig vom Einsatz iterativer Lösungsverfahren. Dazu verwendet man in der praktischen Anwendung häufig Algorithmen, welche als Tools oder Toolboxen in den gängigen Tabellenverarbeitungsprogrammen und mathematischen Programmen wie zum Beispiel Microsoft EXCEL, MathWorks MATLAB ® , Wolfram Mathematica, GNU Octave und R, bereitstehen. Ein Algorithmus beschreibt die Vorgehensweise bzw. den Ablauf eines Verfahrens zur Lösung eines Optimierungsproblems. Die verschiedenen Verfahren werden gewöhnlich in der Form eines Ablaufdiagramms oder Flussdiagramms dargestellt, um die Algorithmen im Programmcode den Anwendern zugänglich zu machen. Vor diesem Hintergrund wird in der Optimierung häufig der Begriff Methodik verwendet. Durch den Einsatz von quantitativen Erklärungsmodellen bei der Entscheidungsfindung werden unter einer Methode hauptsächlich das Vorgehen, die Modellierung und die Problemlösung durch die Implementierung von Algorithmen verstanden. Gelegentlich kann es also vorkommen, dass die Begriffe Algorithmus und Methode synonym zueinander verwendet werden. 119 Die Verfahren zur numerischen Optimierung stellen also zusammenfassend einen Bereich der angewandten Mathematik dar und beziehen sich in ihrer Grundform auf die Minimierung oder Maximierung einer Zielfunktion mit verschiedenen Variablen. Die Verfahren der Optimierung bieten vielseitige Anwendungsmöglichkeiten, welche durch die voranschreitende Entwicklung der Optimierungsverfahren stetig erweitert werden. Häufig unterliegt die Minimierung oder Maximierung einer Zielfunktion spezi- 117 Vgl. Sperber/ Sprink (2007), S. 31 ff. 118 Vgl. Arens et al. (2008), S. 430 119 Vgl. Werners (2006), S. 8 <?page no="144"?> 2.3 Grundlagen der mathematischen Optimierung 145 fischen Nebenbedingungen, welche durch den Entscheider selbst quantitativ festgelegt werden. Hierdurch kann ein mathematisches Modell an die komplexen Umweltbedingungen in der Realität angepasst werden und erlangt dadurch einen weitaus realistischeren Charakter. 2.3.4 Klassifikation der Optimierungsprobleme Im Allgemeinen lassen sich die verschiedenen numerischen Optimierungsmodelle hinsichtlich ihres Informationsgrades, der Anzahl an Zielfunktionen und abhängigen Variablen, den Effizienzkriterien, den Zusammenhängen und Strukturen innerhalb der Zielfunktion(en) und Nebenbedingungen und sowie deren Lösbarkeit unterscheiden. Sind die Parameter der Zielfunktion und der Nebenbedingungen schon vor Beginn der Optimierung bekannt, so wird auch von einem deterministischen Modell gesprochen, das der Entscheidungsfindung bei Sicherheit dient. Liegt hingegen mindestens ein Parameter in Form einer Zufallsvariable vor, erfolgt die Entscheidungsfindung bei Unsicherheit, genauer bei Risiko. In diesem Falle werden die zugrundeliegenden Modelle als stochastische Modelle bezeichnet. Weiterhin kann bei den Verfahren der Optimierung zwischen Modellen mit einer oder mehreren Zielfunktionen unterschieden werden. Im letzteren Fall empfiehlt sich die Verwendung von zusätzlichen Maßstäben für die Beurteilung des Ausmaßes auf die einzelnen Ziele. Diese werden als Effizienzkriterien bezeichnet. Abb. 53: Darstellung der Optimierungsprobleme Quelle: Eigene Darstellung Bezüglich der Zusammenhänge und Strukturen innerhalb einer Zielfunktion und der Nebenbedingungen unterscheidet man verschiedene Abstufungen von Optimierungsverfahren. Abb. 53 verdeutlicht diesen Zusammenhang. Demnach unterscheidet man einerseits zwischen linearen Optimierungsmodellen mit ganzzahligen und reellen Variablen, und anderseits zwischen nicht-linearen Modellen mit quadratischen, konvexen und konischen Zielfunktionen. Stochastische, dynamische und robuste Optimierungsverfahren berücksichtigen in ihren Optimierungsmodellen die Unsicherheit der zugrundeliegenden Einflussgrößen und binden diese unmittelbar in den Optimierungsprozess ein. Die Lösbarkeit von Optimierungsproblemen stellt als solches ein weiteres Kriterium zu deren Abgrenzung dar. Hierbei unterscheidet man diejenigen Modelle, die in Relation zu ihrer Komplexität in polynomialem Zeit- und Rechenaufwand lösbar sind, und diejenigen Optimierungsprobleme, für die bisher noch keine adäquaten Verfahren zur Lösung bereitstehen. 120 120 Vgl. Domschke/ Drexl (2005), S. 6 ff. Optimierungsprobleme Lineare Optimierung Ganzahlige lineare Optimierung Reelle lineare Optimierung Nicht lineare Optimierung Quadratische Optimierung Konvexe Optimierung Konische Optimierung Optimierung unter Unsicherheit Stochastische Optimierung Dynamische Optimierung Robuste Optimierung <?page no="145"?> 146 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management 2.3.5 Übersicht über die Teilgebiete der Optimierung und des Operations Research Wie bereits angesprochen, werden die Optimierungsprobleme aufgrund ihrer zugrundeliegenden Annahmen über die Unsicherheit der zugrundeliegenden Parameterschätzungen unterschieden. In den klassischen Ansätzen der modernen Portfoliotheorie wird vereinfachend angenommen, dass die Verwendung historischer Renditen eine hinreichend genaue Abbildung der zu erwartenden Renditen darstellen. Es finden demnach keine Entscheidungen unter unmittelbarer Unsicherheit statt. Die Erfahrungen aus der Praxis haben jedoch gezeigt, dass die Entscheidungen bei der Allokation von Portfolios durchaus unter Unsicherheit erfolgen und eine einfache Modellierung unter Sicherheit nicht ausreicht. Um diese Problematik zu lösen, finden die Methoden der dynamischen, stochastischen und robusten Optimierung Anwendung. Hierbei wird oftmals auf die Methoden der linearen und nichtlinearen Optimierung zurückgegriffen, welche um stochastische Elemente erweitert werden. 121 Abb. 53 aus dem vorherigen Abschnitt zeigt diesen Zusammenhang detailliert und gibt eine Übersicht über die verschiedenen Optimierungsmethoden. Bei allen aufgeführten Optimierungsmethoden ist der Zusammenhang der Problemstellung, Zielfunktion(en) und Variablen von Beginn an bekannt oder kann unter Umständen durch eine Abstrahierung in einzelne beschreibbare Probleme zerlegt werden. Im Falle von nur teilweiser Kenntnisnahme der Struktur des Problems oder zu komplexer Problemstellungen stoßen die genannten Methoden an ihre Grenzen und erfordern den teilweise aufwändigen Einsatz der Heuristik. Die Methoden der Heuristik zeichnen sich im Gegensatz zu gewöhnlichen Algorithmen, welche kontinuierlich versuchen, sich einer optimalen Lösung anzunähern, hauptsächlich durch deren systematische Bewertung bereits ermittelter Lösungen aus, um daraus neue Lösungen zu generieren. 122 Deshalb besitzen heuristische Verfahren durch die systematische Bewertung von lokalen Lösungen durchaus Gemeinsamkeiten mit den Methoden der stochastischen Optimierung. Vergleicht man die Anwendung der quadratischen Optimierung im klassischen Ansatz des Erwartungswert-Varianz-Ansatzes durch H ARRY M. M ARKOWITZ mit den heutigen Möglichkeiten bei der Lösung enorm komplexer Optimierungsprobleme, so erscheint der Fortschritt der voranschreitenden Entwicklung der Optimierungsverfahren als sehr bemerkenswert. Nach der Abgrenzung und Einordnung der bereits genannten Optimierungsverfahren möchten wir dem Leser in den nachfolgenden Abschnitten den allgemeinen Ablauf eines Optimierungsalgorithmus näher bringen. Dies ermöglicht die intuitive Anwendung der gängigen Optimierungsverfahren im weiteren Verlauf dieses Buches. 121 Vgl. Reha/ Tütüncü (2003), S. 1 ff 122 Vgl. Maringer (2010), S. 38 ff. <?page no="146"?> 2.3 Grundlagen der mathematischen Optimierung 147 2.3.5.1 Die grundsätzlichen Elemente eines Optimierungsproblems Aus dem vorangegangenen Abschnitt zu den Grundüberlegungen der numerischen Optimierung wurden bereits die wesentlichen Bestandteile eines Optimierungsproblems vorgestellt. Dieses bestehen hauptsächlich aus: [1] Eine oder mehrere Zielfunktion(en) (z.B. Portfoliovarianz, Sharpe Ratio, Tracking Error …) [2] Eine oder mehrere Variable(n) (z.B. Portfolio-Gewichte) [3] Keine, eine oder mehrere Nebenbedingung(en) (z.B. Beschränkungen der Portfolio-Gewichte) Im besonderen Hinblick auf die finanzwirtschaftliche Anwendung der Portfoliomodelle (in den Kapiteln 3 bis 6) sollte bei der Bestimmung von Zielfunktionen und Nebenbedingungen vor allem darauf geachtet werden, dass diese stets ökonomisch sinnvoll formuliert und implementiert werden. Da sich durch die Entwicklung des globalen Handels in den vergangenen Jahrzehnten einerseits das mögliche Anlageuniversum zur Bildung eines Portfolios vergrößert hat und andererseits die Komplexität der einzuhaltenden Nebenbedingungen deutlich gestiegen ist, muss in bestimmten Fällen eine Anpassung der Optimierungsmodelle erfolgen. Daher kann es bei der Lösung von Optimierungsproblemen vorkommen, dass die Ausführung mehrerer Zielfunktionen unter Einhaltung umfassender Nebenbedingungen simultan stattfindet. Im Fall komplexer Problemstellungen wird ebenfalls regelmäßig geprüft, ob eine Abstrahierung oder Transformation eines Optimierungsproblems mit einer Vielzahl an Zielfunktionen auf eine einfacher ausgestaltete Zielfunktion möglich ist. 123 2.3.5.2 Die Unterscheidung von univariaten und multivariaten Optimierungsproblemen In der Mathematik, Statistik und Ökonometrie unterscheidet man im Allgemeinen zwischen univariaten und multivariaten Modellen, Verfahren oder Methoden. Obwohl den beiden Begriffen in der Statistik eine leicht abgewandelte Bedeutung zukommt, grenzt man in der Mathematik und in der Ökonometrie univariate Modelle und multivariate Verfahren ab. Univariate Modelle enthalten eine abhängige Variable (eindimensional), multivariate Modelle enthalten mehrere abhängige Variablen (mehrdimensional). 124 Dementsprechend kann auch im Rahmen der Optimierung von uni- und multivariaten Modellen gesprochen werden. Lineare Optimierungsprobleme zeichnen sich durch das Merkmal einer eindimensional abhängigen Variablen aus und können dadurch als univariat bezeichnet werden. Diesen stehen nicht-lineare Optimierungsprobleme gegenüber, die durch mehrere abhängige Variablen gekennzeichnet sind und daher multivariaten Charakter besitzen. 123 Vgl. Fabozzi/ Kolm/ Pachamanova/ Focardi (2007), S. 259 124 Vgl. Cramer/ Kamps (2007), S. 14 ff. <?page no="147"?> 148 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management 2.3.5.3 Wie geht ein Optimierungsalgorithmus im Allgemeinen vor? Das grundlegende Ziel der Optimierung Das grundlegende Prinzip einer Vielzahl von Optimierungsmethoden besteht in der Ermittlung von Extremwerten einer Zielfunktion. Man unterscheidet hierbei zwischen der Minimierung und Maximierung einer Funktion, bei der also nach dem kleinsten oder größten Funktionswert einer Funktion gesucht wird. Abb. 54 zeigt ein weiteres Kriterium zur Beurteilung von Extremwerten. Je nach Verlauf einer Funktion kann es mehrere lokale Extremwerte geben, jedoch lediglich einen globalen Extremwert. Daher wird in der Differentialrechnung zwischen lokalen und globalen Extrempunkten unterschieden. Wie in Abb. 55 dargestellt, sind im Sonderfall einer vollkommen symmetrischen Funktion ebenfalls zwei globale Minima bzw. Maxima denkbar. Die Optimierung einer Funktion Betrachtet man eine Funktion mit einer einzigen abhängigen Variablen, entspricht die Ermittlung von Hoch- und Tiefpunkten der gängigen Vorgehensweise im Rahmen der Optimierung. Durch die Bestimmung von lokalen Hoch- und Tiefpunkten kann mit Hilfe eines Algorithmus das globale Minimum oder Maximum einer Funktion sukzessive ermittelt werden. Hierbei stehen uns die in Formel (2.24) dargestellten Kriterien (1) und (2) aus der Differentialrechnung zur Identifikation von lokalen Extremwerten zur Verfügung. Ist ein lokaler Extremwert gefunden, fährt der Algorithmus mit der Suche nach neuen lokalen Extremwerten fort, um sich Schritt für Schritt einem globalen Maximum anzunähern. [1] und an der Stelle ein lokales Maximum [2] und an der Stelle ein lokales Minimum (2.24) Die Überprüfung der Funktion bzw. der Funktionswerte auf Erfüllung der Kriterien kann nur unter der Voraussetzung erfolgen, dass die zu untersuchende Funktion zweimal differenzierbar ist. Das bedeutet, dass die Funktion bis zur 2. Ableitung differenziert, d.h. abgeleitet, werden kann. Ist dies der Fall, kann durch die Ableitungen einer Funktion bei Erfüllung des Kriteriums (1) ein lokales Maximum, oder bei Erfüllung des Kriteriums (2) ein lokales Minimum bestimmt werden. In der Regel erfolgt die Bestimmung von Extremwerten innerhalb eines vorab definierten Intervalls [a; b], das durch den Betrachter der Funktion bestimmt wird. Dementsprechend sollte die Bandbreite des Intervalls groß genug sein, um alle möglichen Extremwerte zu umfassen. Nach der vollständigen Bestimmung aller lokalen Extrempunkte einer Funktion innerhalb eines gegebenen Intervalls [a; b] kann durch die Auswahl der jeweils kleinsten bzw. größten Werte das globale Minimum oder Maximum einer Funktion schrittweise bestimmt werden. <?page no="148"?> 2.3 Grundlagen der mathematischen Optimierung 149 Abb. 54: Globale und lokale Maxima Quelle: Eigene Darstellung, MATLAB R2011b Ein Intervall beschreibt denjenigen Bereich, in dem die beobachtete Funktion auf Extremwerte untersucht wird. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltungen und Verläufe von Funktionen stellt die Wahl eines geeigneten Intervalls eine kritische Voraussetzung bei der Optimierung von Funktionen dar. Wird der Bereich des Intervalls zu klein gewählt, kann dies bei der Suche nach einem globalen Maximum unter Umständen zu Problemen führen. Die nachfolgenden Erläuterungen in Verbindung mit Abb. 54 verdeutlichen dieses Problem nochmals. Die Wahl eines geeigneten Intervalls sollte neben der Betrachtung eines ökonomisch sinnvollen Bereichs möglichst die maximale Bandbreite des Verlaufs einer Funktion abdecken. Oftmals verhalten sich die zwei angeführten Kriterien divergent zueinander, sodass die alleinige Beobachtung eines ökonomisch sinnvollen Bereichs die Abdeckung der maximalen Bandbreite einer Funktion ausschließt. In diesem Fall sollte eine sinnvolle Abwägung der angeführten Kriterien erfolgen. Lassen Sie uns dies anhand von Abb. 54 genauer ansehen. Die Untersuchung der Funktion aus Abb. 54 über dem Intervall [10; 40] stellt lediglich eine teilweise Untersuchung der Funktion dar. Obwohl für das gegebene Intervall ein globales Maximum im Punkt (X|Y) bestimmt werden kann, findet sich bei der Erweiterung des Intervalls auf den Bereich [0; 40] im Punkt (X|Y) nicht mehr ein globales Maximum, sondern nur noch ein lokales Maximum. Diese Tatsache beschreibt die Problematik bei der Abgrenzung zwischen lokalen und globalen Extremwerten durch die Auswahl eines geeigneten Intervalls. Wie bereits im vorangegangen Abschnitt kurz angesprochen, kann man einen Extremwert nur als globales Maximum bezeichnen, wenn im betrachteten Intervall [a; b] kein größerer lokaler Extremwert vorliegt. Im Gegensatz dazu bezeichnet man einen lokalen Extremwert als lokales Maximum, wenn im betrachteten Intervall [a; b] mindestens ein größerer lokaler bzw. globaler Extremwert liegt. Abb. 54 zeigt im Unterschied den Verlauf einer Funktion in Abhängigkeit von einer einzigen Variablen. Bei der Zunahme an abhängigen Variablen nimmt neben der Komplexität bei der Lösung von Optimierungsproblemen auch der Aufwand bei der Darstellung der Funktionen zu. Obwohl durch den Einsatz von modernen Optimierungsverfahren keinerlei Schwierigkeiten bei der Lösung von Optimierungsproblemen mit hunderten oder gar tausenden Variablen auftreten, ist die Darstellung von Funktionen mit mehreren abhängigen Variablen auf eine räumliche Darstellung in den drei -40 -30 -20 -10 0 10 20 30 40 -2000 -1500 -1000 -500 0 500 X-Werte Y-Werte f f` Extrempunkte <?page no="149"?> 150 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management Dimensionen (x,y,z) begrenzt. Abb. 55 beschreibt eine Funktion in Abhängigkeit von zwei Variablen. Abb. 55: Extremwerte im dreidimensionalen Raum Quelle: Eigene Darstellung, MATLAB R2011b Die bisherig sehr allgemein gehaltenen Erläuterungen über die Schätzung von Intervallen sollen im Nachfolgenden durch die ökonomische Interpretation von Intervallen und Nebenbedingungen ergänzt werden. Vereinfachend kann behauptet werden, dass die Wahl eines geeigneten Untersuchungsintervalls in der ökonomischen Anwendung der Setzung von Nebenbedingungen entspricht, welche eingehalten werden müssen. Nimmt man beispielsweise eine Gewinnfunktion aus dem betrieblichen Controlling an, möchte man herausfinden, an welchem Punkt bzw. bei welcher Ausbringungsmenge der Funktion der Gewinn maximal wird. Folglich wird in diesem Fall die Funktion unter Berücksichtigung der Nebenbedingungen nach dem globalen Maximum untersucht. Da in der Praxis die Ausbringungsmengen einer Produktion in der Regel von betrieblichen Kapazitäten abhängig sind, muss die Formulierung der Nebenbedingungen im Rahmen der betrieblichen Leistungsfähigkeit erfolgen. Demnach kann es vorkommen, dass ein globales Maximum bei Einhaltung der Beschränkungen ausgeschlossen wird. Um dennoch die maximal erreichbare Ausbringungsmenge als globales Maximum der Funktion zu erreichen, müssten die Beschränkungen aufgehoben werden, sodass die zulässige Menge des Optimierungsproblems eine globale Lösung enthalten könnte. Eigenschaften eines Optimierungsalgorithmus Wie bereits zu Beginn von Abschnitt 2.3.4 erwähnt, gehen die verschiedenen Algorithmen bei der Ermittlung einer Lösung überwiegend iterativ vor. Dies bedeutet in der Regel eine näherungsweise Anpassung an eine Lösung. Hierzu generiert der Algorithmus, meist in der praktischen Anwendung des Solvers, der Optimization-Toolbox in MATLAB oder durch andere mathematische Programme, eine Abfolge an Nähe- -100 -10 -50 0 z 50 -5 y 0 -10 -5 5 x 0 5 10 10 <?page no="150"?> 2.3 Grundlagen der mathematischen Optimierung 151 rungen x 0 , x 1 , x 2 , x 3 , … , x n , die dem gesuchten Minimum oder Maximum sukzessive immer näher kommen. Hierdurch zeigt sich schon eines der wesentlichen Merkmale eines numerischen Optimierungsmodells, es konvergiert gegen ein gesuchtes Minimum oder Maximum. Da wir jedoch den wahren Wert eines Extremwerts einer Funktion nicht explizit bestimmen können, benötigt der Algorithmus ein Kriterium, wonach er bei Erfüllung die weitere Suche nach einem Optimum abbricht. Falls der Algorithmus gegen das Optimum konvergiert, werden die absoluten Änderungen der schrittweisen Näherungen an den Funktionswert abnehmen. Andernfalls sollte bei keiner möglichen Lösung der Abbruch bzw. die Beendigung des Optimierungsalgorithmus erfolgen. 125 2.3.5.4 Optimalitätsbedingungen bei der Optimierung Im vorherigen Abschnitt 2.3.5.3 wurde bereits auf die Ermittlung einer optimalen Lösung eingegangen. Bisher wurde aber noch nicht die Frage beantwortet, wie sich eine optimale Lösung definiert. Als „optimal“ kann derjenige Funktionswert beschrieben werden, für den es unter Einhaltung eventueller Nebenbedingungen keinen weiteren Funktionswert gibt, der „besser“ ist. Selbstverständlich stellt die vorgestellte Beschreibung keine hinreichend genaue Bedingung dar, die bei der Lösung von Optimierungsproblemen geprüft werden kann. Hierfür werden in der Regel in ihrer unterschiedlichen Ausprägung je nach Optimierungsproblem die Optimierungsbedingungen erster und zweiter Ordnung eingesetzt. Man unterscheidet hierbei zwischen notwendigen und hinreichenden Bedingungen für eine Optimalität. Eine Optimalitätsbedingung erster Ordnung liegt dann vor, wenn die zu untersuchende Funktion einerseits differenzierbar ist und andererseits ein lokaler Extremwert durch die erste Ableitung bestimmt werden kann. 126 Die Optimalitätsbedingungen zweiter Ordnung hingegen beschreiben unter der Voraussetzung einer zweimalig stetig differenzierbaren Funktion die notwendigen und hinreichenden Bedingungen zur Bestimmung lokaler Extremwerte. 127 Die genannten Bedingungen liefern durch die Anwendung mathematisch formaler Beweise die notwendigen Kriterien, um die Optimalität eines Funktionswertes umfassend zu beschreiben. 128 Darüber hinaus gibt es zur Bestimmung eines optimalen Minimums bzw. Maximums einer Funktion noch weitere Bedingungen, auf die wir jedoch im Folgenden nicht mehr eingehen werden. Dem mathematisch engagierten Leser sei in diesem Fall Jarre/ Stoer (2004) empfohlen. 125 Vgl. Fabozzi/ Kolm/ Pachamanova/ Focardi (2007), S. 276 ff. 126 Vgl. Slawig (2010), S. 23 ff. 127 Vgl. Jarre/ Stoerr (2004), S. 256 ff. 128 Hierbei ist neben dem Lagrange-Multiplikator insbesondere das nach Entwicklern K ARUSH , K UHN und T UCKER benannte KKT-Kriterium zu nennen. Beide Kriterien sind zur Bestimmung der Optimalität einer Lösung notwendig. Letzteres Theorem stellt einen fundamentalen Teil der Optimalitätsbedingungen für nicht-lineare konvexe Optimierungsprobleme dar. Siehe dazu auch Cornuejols/ Tütüncü (2007), S. 101 ff. & S. 122 ff. & S. 21 ff. <?page no="151"?> 152 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management 2.3.6 Lineare Optimierungsprobleme Bei der Lösung von linearen Optimierungsproblemen unterscheidet man generell zwischen den Methoden der reellen linearen Optimierung und den Verfahren der ganzzahligen linearen Optimierung. Abb. 53 in Abschnitt 2.3.4 verdeutlicht den Zusammenhang durch die Abgrenzung der verschiedenen Optimierungsprobleme und Methoden. 2.3.6.1 Reelle lineare Optimierung Die lineare Optimierung findet in der Ökonomie bedingt durch die vergleichsweise einfache Handhabung ein vielfältiges Anwendungsgebiet. Dennoch gerät das Verfahren der linearen Optimierung relativ schnell an seine Grenzen, da bei ansteigender Komplexität der Umweltzustände und Einflussfaktoren den Entscheidungsvariablen oftmals kein linearer Zusammenhang mehr unterstellt werden kann. Trotz der genannten Schwäche finden sich die Verfahren der linearen Optimierung unter anderem auch bei der praktischen Lösung von Produktionsengpässen im Controlling wieder. Im Allgemeinen wird beim Verfahren der linearen Optimierung analog zu anderen Optimierungsproblemen eine Maximierung oder Minimierung einer linearen Funktion (auch als Zielfunktion bezeichnet) vorgenommen. Hierbei müssen die Variablen der Zielfunktion bestimmte Nebenbedingungen in Form von linearen Gleich- oder Ungleichungen erfüllen. Insbesondere bei ökonomischen Anwendungen unterliegen die einzelnen Variablen vordefinierten Nichtnegativitätsbedingungen, welche einen negativen Wertebereich gänzlich ausschließen. Die Nebenbedingungen müssen nicht notwendigerweise einen Ausschluss eines bestimmten Wertebereichs enthalten, sondern stellen vielmehr sogenannte Ober- und Untergrenzen dar, welche letztlich nicht zwingend ausgenützt werden müssen. In der Praxis begegnen uns Nebenbedingungen im Portfolio Management bei der Beschränkung von Portfolio-Gewichten oder im Controlling bei Auslastungskapazitäten. Obwohl die Maximierung oder Minimierung einer Funktion oftmals mit der Thematik der Kurvendiskussion aus der Differentialrechnung in Verbindung gebracht wird, ergeben sich durch den linearen Zusammenhang erhebliche Probleme bei der Anwendung von Analysis-Methoden auf lineare Funktionen. Die lineare Optimierung in Form des Simplex-Verfahren stellt dem Anwender eine geeignete Methode zur Lösung eines solchen Problems zur Verfügung. 129 130 Definition 10 Allgemeines lineares Optimierungsproblem wobei und (2.25) 129 Vgl. Arens et al. (2008), S. 752 ff. 130 Neben weiteren Lösungsverfahren wie zum Beispiel dem Innere-Punkte-Verfahren und der Ellipsoid-Methode hat sich der Simplex-Algorithmus aufgrund seiner schnellen Laufzeit bewährt. Ist die Zielfunktion jedoch lediglich von einer einzigen Variablen abhängig, erlaubt die lineare Optimierung ebenfalls die einfache Darstellung und Lösung eines solchen Problems mit Hilfe eines Graphen. Siehe auch Tütüncü (2003). <?page no="152"?> 2.3 Grundlagen der mathematischen Optimierung 153 Neben der Lösung von Problemen der Portfoliooptimierung und der Produktionsplanung erlaubt die lineare Optimierung ebenfalls die Lösung finanzmathematischer Probleme etwa bei der Bewertung von Derivaten, beim Asset-Pricing, bei der Aufdeckung von Arbitrage- und Hedging-Strategien sowie bei der Optimierung von Portfolios im Rahmen des Conditional VaR. 2.3.6.2 Ganzzahlige Optimierung Im Unterschied zur reellen linearen Optimierung bezieht sich die ganzzahlige lineare Optimierung nicht auf Variablen eines reellen Wertebereichs, sondern, wie aus der Bezeichnung abgeleitet werden kann, auf einen ganzzahligen Wertebereich. Aus diesem Grund sind die Methoden der ganzzahligen linearen Optimierung auch oftmals in der englischen Fachliteratur unter der Bezeichnung „Integer Programming“ bekannt. Die Voraussetzung der Eigenschaft „Ganzzahligkeit“ von Variablen bei der Optimierung stellt eines der wesentlichen Merkmale dieses Optimierungsproblems dar. Die Ganzzahligkeit bietet dem Anwender die Möglichkeit, logische Bedingungen in der Lösung von Optimierungsproblemen einzubinden. Oftmals kommt es im Portfolio Management jedoch vor, dass die Allokation eines linearen Optimierungsmodells den Kauf von 3004,58 Anteilen an der Aktie XYZ empfiehlt. Sicherlich hätten einige Portfolio-Manager keine Probleme, die Anzahl der Anteile einer bestimmten Aktie anzupassen, und anstatt 3004,58 Aktien lediglich 3004 Aktien bzw. nur 3000 Aktien zu kaufen. Dies würde aber unweigerlich zu Abweichungen von der optimalen Lösung führen. Deshalb empfiehlt sich bei derartigen Problemstellungen die Anwendung der ganzzahligen linearen Optimierung. Diese Problematik wird ebenfalls durch Beispiel 1 nochmals beschrieben und durch ein Verfahren der ganzzahligen linearen Optimierung anschaulich gelöst. Definition und Unterscheidung Weiterhin wird zwischen ganzzahligen linearen Problemen und kombinatorischen Optimierungsproblemen unterschieden. Erstere eignen sich neben der Lösung von Investitions- und Planungsproblemen auch für den Einsatz im Portfolio Management. In Beispiel 1 wird darauf geachtet, dass die Variablen lediglich binäre Werte im Sinne von 0 und 1 annehmen können. In diesem Fall bestimmt die Variable beispielsweise nicht, in welcher Höhe in bestimmte Güter, Anlagen oder Wertpapiere investiert wird, sondern gibt an, ob überhaupt eine Investition oder der Kauf eines Wertpapiers getätigt werden soll (1) oder nicht (0). Darüber hinaus existieren zur Lösung von Zuordnungs-, Reihenfolgen- und Gruppierungs- und Auswahlproblemen geeignete Methoden in Form der kombinatorischen Optimierung. Aus der Unterscheidung verschiedener Optimierungsmethoden und deren möglichen Anwendungen in der Praxis wird deutlich, wie komplex und unterschiedlich die Modellierung von Optimierungsproblemen sein kann. Demnach kann es je nach Umfang an Variablen und Nebenbedingungen vorkommen, dass Optimierungsprobleme nicht zufriedenstellend gelöst werden können. Die Evolution der Informationstechnologie hat in den letzten Jahrzehnten zu einer beschleunigten Entwicklung computergestützter Verfahren geführt. Die so entwickelten Methoden trugen unmittelbar zur Lösung komplexer Optimierungsprobleme bei <?page no="153"?> 154 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management und ermöglichten unter erheblichen Laufzeiten die Lösung von ganzzahligen linearen Optimierungsproblemen. Obwohl nicht im Detail auf die einzelnen Lösungsansätze eingegangen werden kann, sollten jedoch die wichtigsten Vertreter kurz genannt werden. Hierbei wird maßgeblich zwischen dem Entscheidungsbaumverfahren und dem Schnittebenenverfahren unterschieden. Neben der vollständigen Enumeration, stellen die Verfahren der unvollständigen (bzw. begrenzten) Enumeration mit dem „Branch and Bound“-Verfahren eine der bekanntesten Methoden dar. Das „Cutting Plane“-Verfahren hingegen stellt einen wichtigen Bestandteil der Schnittebenenverfahren dar und wird durch die Kombination aus den vorgestellten Methoden erweitert. Man spricht in diesem Fall von „branch and cut“. Im Folgenden soll die ganzzahlige bzw. kombinatorische Optimierung durch mehrere Beispiele näher beleuchtet werden. Zunächst soll anhand einer Fallstudie aus dem betrieblichen Controlling 131 die Grundidee und die Modellierung logischer Bedingungen erläutert werden. Dieses Beispiel vertieft die Problematik von Auswahlentscheidungen unter schlüssigen Bedingungen und gibt Hinweise zur Lösung. Fallstudie: Budget-Optimierungsproblem Es sollen aus fünf verschiedenen Investitionen drei Alternativen ausgewählt werden, die zusammen den größten Netto-Barwert bilden. Hierbei sind allen Alternativen neben abweichenden Nettobarwerten unterschiedlich hohe Kosten zugeordnet. Es steht ein Budget von insgesamt bis zu 25.000 € zur Verfügung. Solche Probleme werden auch oftmals als Budget-Probleme bezeichnet. Hieraus ergibt sich folgende Ausgangssituation: Investition 1 Investition 2 Investition 3 Investition 4 Investition 5 Variable X 1 X 2 X 3 X 4 X 5 Kosten 6.000,00 8.000,00 4.000,00 4.500,00 11.000,00 NPV 1.500,00 6.500,00 8.000,00 2.500,00 18.000,00 Welche Alternativen können unter Berücksichtigung der ganzzahligen linearen Optimierung ausgewählt werden? Ohne Beschränkung der Variablen auf binäre Werte liefert der SOLVER dabei folgende Ergebnisse: Hierbei liegt durch die gebrochene Darstellung der Variablen kein ganzzahliges lineares Optimierungsproblem vor. Nach Hinzufügen einer weiteren Nebenbedingung erfüllt die Gleichung jedoch die Kriterien eines ganzzahligen linearen Pro- 131 In Anlehnung an Cornuejols/ Tütüncü (2007), S. 193 ff. <?page no="154"?> 2.3 Grundlagen der mathematischen Optimierung 155 blems und gelangt zu folgendem Ergebnis: Der SOLVER liefert dabei folgende Ergebnisse: Die ganzzahlige Optimierung wird im quantitativen Portfolio Management vorrangig bei der Bildung eines Tracking Portfolios zur Replizierung einer Benchmark, häufig in der Form von Indizes verwendet. Durch die These effizienter Märkte wird im Gegensatz zum aktiven Portfolio Management nicht der Ansatz verfolgt, systematisch eine Überrendite zu erwirtschaften, sondern versucht, die Entwicklung eines zugrundeliegenden Index möglichst genau abzubilden. Aus diesem Grund zählen die Verfahren des Index Trackings zu den Methoden des passiven Portfolio Managements. Auf eine detaillierte Erläuterung eines Tracking Portfolios und dessen Einflussfaktoren anhand eines Beispiels wird an dieser Stelle bewusst verzichtet, da die Bildung und Umsetzung eines solchen Portfolios in den nachfolgenden Kapiteln, insbesondere Kapitel 5, umfassend dargestellt wird. 2.3.7 Nicht-lineare Optimierungsprobleme Nun werden wir uns mit der Problematik der nicht-linearen Optimierung befassen. Da nicht-lineare Optimierungsprobleme entgegen den in Abschnitt 2.3.6 vorgestellten Optimierungsproblemen eine nichtlineare Zielfunktion und mögliche nichtlineare Nebenbedingungen besitzen, versagen traditionelle Methoden wie z.B. der Simplexalgorithmus bei der Lösung derartiger Probleme. Es gibt hierfür keine universell anwendbaren Verfahren, sondern individuell auf einzelne Problemtypen zugeschnittene spezielle Methoden. Nachfolgend sollen neben einer kleinen Einführung in die nicht-lineare Optimierung hauptsächlich quadratische und konvexe Optimierungsprobleme aus dem Portfolio Management und Methoden zu deren Lösung beschrieben werden. Neben dem Portfolio Management finden sich die Methoden auch in der Produktionsprogrammplanung, bei der Untersuchung von Preis-Absatz-Funktionen oder im betrieblichen Controlling wieder. In Abschnitt 2.3.5.2 wurde bereits eine Abgrenzung zwischen univariaten und multivariaten linearen Optimierungsproblemen mit und ohne Nebenbedingungen vorgenommen. Diese Unterscheidung findet sich ebenfalls in der nichtlinearen Optimierung wieder. Da wir uns nach wie vor bei den Verfahren zur Optimierung befinden, gelten analog die in Abschnitt 2.3.6 vermittelten Grundlagen. Im Gegensatz zur linearen Optimierung haben sich lediglich der Zusammenhang bzw. die Struktur der Zielfunktion und Nebenbedingungen verändert. Optimierungsprobleme ohne Nebenbedingungen treten in vielen Verfahren als vereinfachtes Teilproblem auf. Obwohl im nachfolgenden Beispiel zur quadratischen Optimierung die Voraussetzung einer zweimalig stetigen Funktion durchaus gegeben ist, <?page no="155"?> 156 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management kommt es bei Funktionen höherer Ordnung zu Problemen. Denkt man an die Minimierung eines Polynoms dritten Grades oder anderer aufwendiger Optimierungsprobleme, so wird schnell klar, dass nicht in jedem Fall die Nullstellen einer Ableitung oder eines Gradienten explizit berechnet werden können. Insbesondere bei der Anwendung von Optimierungsverfahren in der Ökonomie begegnen uns immer wieder nicht differenzierbare Funktionen. Wie bereits erläutert, verwendet man in diesem Fall numerische Iterationsverfahren zur näherungsweisen Berechnung der Nullstellen. Unter der Voraussetzung einer konkaven Funktion eignet sich bei univariaten Problemen beispielsweise die Anwendung der Methode des goldenen Schnittes. Bei multivariaten Problemen, also Problemen mit mehreren Variablen, eignet sich dagegen unter der Voraussetzung der Differenzierbarkeit einer zu untersuchenden Funktion besonders das Gradienten-Verfahren, welches in der Fachliteratur auch als Methode des steilsten Abstiegs (engl. steepest descent) zu finden ist. 132 Da bei der praktischen Anwendung von Optimierungsverfahren in der Ökonomie wiederholt die Optimierungsmodelle an die Bedingungen in der Praxis angepasst werden müssen, um nicht nur optimale, sondern vielmehr ökonomisch korrekte Lösungen zu ermitteln, bezeichnet man diese im Allgemeinen als restringierte Optimierungsprobleme. Anpassungen an die Umwelt werden dabei durch die Einführung von Nebenbedingungen realisiert. Obwohl die nicht-lineare Optimierung aufgrund ihrer Anforderungen bisher eine eher untergeordnete Rolle innerhalb der modernen Portfoliotheorie gespielt hat, zeichnet sich seit den 1990er Jahren ein Wendepunkt hin zu den Methoden der nicht-linearen Optimierung ab. Bisher bestand das allgemeine Problem, dass insbesondere nichtlineare Verfahren oftmals gegen lokale optimale Lösungen konvergierten, obgleich es vielleicht eine globale optimale Lösung gegeben hätte. Bei schwierigen nicht-linearen Optimierungsproblemen wiesen die damaligen Methoden zudem des Öfteren Probleme bei der Ermittlung einer zulässigen Lösung auf, obwohl eine solche (in einigen Fällen) sehr wohl existierte. Entgegen der linearen und quadratischen Optimierung wiesen nicht-lineare Optimierungsprobleme zusätzlich den erheblichen Nachteil auf, dass mit steigender Anzahl an Variablen und Nebenbedingungen die Laufzeit zur Auflösung nach einem global optimalen Punkt exponentiell anstieg. 133 In den nachfolgenden Abschnitten möchten wir uns mit der Frage beschäftigen, warum allgemeine Optimierungsprobleme oftmals nur unter hohem Aufwand lösbar sind, und welche Erkenntnisse den Wendepunkt in der Optimierung einleiteten. 2.3.7.1 Quadratische Optimierung Zur Lösung eines quadratischen Optimierungsproblems stehen geeignete Verfahren aus der quadratischen Optimierung bereit. In diesem Zusammenhang werden die Algorithmen, die zur Lösung quadratischer Probleme verwendet werden, auch oftmals als Methoden der quadratischen Programmierung (QP) bezeichnet. Hierbei wird eine quadratische Zielfunktion unter Einhaltung von Nebenbedingungen in der Form von linearen Gleichungen oder Ungleichungen in der Regel minimiert, wobei eine Maximierung der zugrundeliegenden Zielfunktion ebenfalls denkbar wäre. 132 Vgl. Domschke/ Drexl (2005), S. 174 ff. 133 Daniel Fylstra, Introducing Convex and Conic Optimization for the Quantitative Finance Professional, Wilmott Magazine (2005), S. 19 <?page no="156"?> 2.3 Grundlagen der mathematischen Optimierung 157 Bei der Portfoliooptimierung wird angenommen, dass die verwendete Varianz- Kovarianz-Matrix Q einerseits symmetrisch 134 ist und andererseits keine negativen Eigenwerte 135 besitzt. Aus den vorliegenden Eigenschaften kann geschlossen werden, dass die Varianz-Kovarianz-Matrix Q als eine positive semidefinite Matrix vorliegt. Daraus folgt, dass das ursprüngliche quadratische Optimierungsproblem nun als konvexe Zielfunktion formuliert und in polynominaler Zeit gelöst werden kann. 136 Definition 11 Allgemeines quadratisches Optimierungsproblem wobei (2.26) Im Folgenden soll zunächst der univariate Fall einer quadratischen Optimierung vorgestellt und erläutert werden. Obwohl die Portfoliovarianz einerseits eine quadratische Funktion darstellt, kann diese bei eindimensionalen Funktionen in einem zweidimensionalen Graphen dargestellt werden. Die Vereinfachung der zwei Entscheidungsvariablen ( und ) ergibt sich aus der absoluten Beziehung zwischen beiden Portfolio-Gewichten und ermöglicht hierdurch die Darstellung der Funktion in Abhängigkeit einer Entscheidungsvariablen. Auf den multivariaten Fall der quadratischen Optimierung soll hingegen erst später, in Kapitel 3 bzw. 4, nach der Erarbeitung weiterer Grundlagen ausführlich eingegangen werden. Fallstudie: Optimierung der Portfolio-Varianz im 2-Aktien-Fall Ein Portfolio-Manager möchte das Risiko in einem Portfolio mit 2 Aktien auf ein Minimum reduzieren. Durch die historischen Renditen der letzten 250 Handelstage konnte der Portfolio-Manager bereits die Parameter der Varianz, Standardabweichung und des Korrelationskoeffizienten ermitteln. Diese sind demnach gegeben durch: . Wie in Kapitel 1 erläutert, ergibt sich die Portfolio-Varianz im 2-Aktien-Fall durch die Formel: daraus erfolgen die Funktion der Portfolio-Varianz und ihre Ableitungen 134 Da 135 Wenn 136 Vgl. Tütüncü (2003), S. 3 ff. <?page no="157"?> 158 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management Bestimmung der Nullstellung der ersten Ableitung durch Überprüfung von > 0 Nachfolgend kann das Beispiel grafisch nachvollzogen werden. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass der Schnittpunkt der Funktion mit der Tangente keinesfalls das Minimum der Funktion darstellt, da das Minimum der Funktion durch die Nullstelle der ersten Ableitung bestimmt wird! Abb. 56 zeigt vor diesem Hintergrund die grafische Ermittlung der Portfoliovarianz im 2-Aktien-Fall sowie in Abb. 57 eine entsprechende Vergrößerung der gesuchten Nullstelle. Abb. 56: Portfoliovarianz im 2-Aktien-Fall Quelle: Eigene Darstellung, MATLAB R2011b 0.5 0.55 0.6 0.65 0.7 0.75 0.8 0.85 0.9 0.95 1 -0.06 -0.04 -0.02 0 0.02 0.04 0.06 0.08 0.1 0.12 Anteil der Aktie 1 im Portfolio Portfolio-Varianz f f` <?page no="158"?> 2.3 Grundlagen der mathematischen Optimierung 159 Abb. 57: Vergrößerung der Nullstelle Quelle: Eigene Darstellung, MATLAB R2011b In unserem vorangegangenen Beispiel wurde eine Lösungsmethode für die quadratische Optimierung vorgestellt, welche sich jedoch lediglich auf eine univariate Abhängigkeit der zugrundeliegenden Funktion bezog. Alternative Lösungsmethoden werden unter der Voraussetzung einer univariaten Abhängigkeit durch die Verfahren der „binären Suche“, des „Newton-Näherungsverfahrens“, des „Approximate-Line- Search“ und auch durch die Methoden des „steilsten Abstiegs“ (engl. steepest descent) bereitgestellt. 137 Um jedoch das unsystematische Risiko eines Portfolios auf ein Minimum zu reduzieren, wird eine Vielzahl an Wertpapieren in einem Portfolio benötigt. Mit einem entsprechenden Anstieg von Wertpapieren in einem Portfolio wird es zunehmend schwerer, ein Optimierungsproblem durch die bisher erläuterten Vorgehensweisen darzustellen und zu lösen. Eine grafische Darstellung von mehrdimensionalen Funktionen (N- Anlagen-Fall) ist durch die dreidimensionale Beschränkung bei deren Darstellung ebenfalls nicht möglich. Durch eine zunehmende Anzahl an Wertpapieren in einem Portfolio wird maßgeblich auf die Verfahren der multivariaten Optimierung zurückgegriffen. Die Definition des zugrundliegendem Erwartungswert-Varianz-Ansatzes soll zunächst der Vollständigkeit halber nachfolgend lediglich vorgestellt und später in den Kapiteln 3 bis 4 detailliert erläutert werden. Definition 12 Erwartungswert-Varianz-Optimierung C (2.27) 137 Im Unterschied zu Cornuejols/ Tütüncü (2007) stellt Jarre/ Stoer (2003) dem mathematisch interessierten Leser ein umfassendes Grundlagenwerk in deutscher Sprache zu Verfügung. 0.6 0.65 0.7 0.75 0.8 -0.03 -0.02 -0.01 0 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 Anteil der Aktie 1 im Portfolio Portfolio-Varianz f f` <?page no="159"?> 160 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management Die Verfahren zur Anwendung der quadratischen Optimierung stellen einen Kernbereich der Portfoliooptimierung dar und finden sich im Portfolio Management z.B. in der absoluten Optimierung von Portfolios in Form der zuvor angesprochenen Erwartungswert-Varianz-Optimierung oder der Sharpe-Ratio-Optimierung wieder, welche ab Kapitel 3 ausführlich dargestellt und anhand von Beispielen erläutert werden. Die formalen Methoden der Statistik sowie des Operations Research stellen uns geeignete Algorithmen wie z.B. die Methode der kleinsten Quadrate (engl. ordinary least squares oder generalized least squares) zur Verfügung. Bei einer Zunahme an Komplexität in Optimierungsproblemen bietet das Operations Research eine sequentielle Ausführung der quadratischen Optimierung durch die Verfahren der sequentiellen quadratischen Programmierung (SQP) an, um damit auch noch umfassender ausgestaltete nichtlineare Optimierungsprobleme ohne weiteres lösen zu können. 2.3.7.2 Konische Optimierung Definition 13 Allgemeines konisches Problem wobei (2.28) Bei der konischen Optimierung werden im Allgemeinen lineare Zielfunktionen unter Einhaltung verschiedener linearer Gleichungen mit abhängigen konischen Nebenbedingungen minimiert oder maximiert. Innerhalb von Definition 13 stellt C einen geschlossenen konvexen Kegel in einem endlich-dimensionalen Vektorraum x dar. Unter der Voraussetzung stellt die Struktur des vorgestellten allgemeinen konischen Optimierungsproblems ein gewöhnliches lineares Optimierungsproblem dar. Daher ist die konische Optimierung eine Verallgemeinerung eines linearen Optimierungsproblems. Unter Beibehaltung der gängigen Eigenschaften linearer Optimierungsprobleme bietet die konische Optimierung somit den Vorteil, einen wesentlich größeren Teil an Optimierungsproblemen abdecken zu können. 138 Die Kenntnisse erlauben also eine Umformulierung konischer Optimierungsprobleme in die Form einer linearen Zielfunktion mit linearen als auch konischen Nebenbedingungen. Die so genannte Second Order Cone Programmierung (SOCP) bietet hierfür ein effizientes Werkzeug, um lineare Zielfunktionen mit konischen Nebenbedingungen zu lösen. Die Eigenschaft und die Struktur derartiger Nebenbedingungen ermöglichen durch den Einsatz linearer Algebra eine beliebige Darstellung quadratischer Nebenbedingungen in der Form von SOCP-Nebenbedingungen. 139 Die konische Optimierung wird im Portfolio Management hauptsächlich zur Optimierung des Tracking Errors bei der Replikation von Indizes bzw. Benchmarks verwendet. Wie bereits bei der ganzzahligen Optimierung erläutert wurde, befasst sich die Replizierung von Indizes mit der Auswahl eines geeigneten Index Tracking Portfolios. Da diese in der Regel die Entwicklung eines zugrundeliegenden Index möglichst 138 Vgl. Cornuejols/ Tütüncü (2007), S. 168 139 Vgl. Fylstra (2005), S. 19 <?page no="160"?> 2.3 Grundlagen der mathematischen Optimierung 161 genau abbilden sollen, zählen die Verfahren des Index Trackings zu den Methoden des passiven Portfolio Managements. Der Tracking Error gibt an, inwieweit die Rendite (Performance) des Tracking Portfolios im Vergleich zur Rendite des Marktindex im Durchschnitt abgewichen ist. Vor diesem Hintergrund streben Portfolio-Manager von ETFs (Exchange Traded Funds) möglichst eine Minimierung des Tracking Errors an, um eine bestmögliche Abbildung der Benchmark zu erreichen. Da in diesem Fall entgegen der Portfoliooptimierung durch den Ertragswert-Varianz- Ansatz keine quadratische Zielfunktion vorliegt, kann diese auch nicht durch die bisherig beschriebenen Verfahren der quadratischen Optimierung gelöst werden. Da der Tracking Error jedoch eine konvexe quadratische Nebenbedingung darstellt, kann durch die Umformulierung dieser Nebenbedingungen in eine konische Struktur dieses Problem dennoch gelöst werden. Hierfür bieten sich innerhalb rein konischer Strukturen eines Optimierungsproblems die Methoden der konischen Optimierung an. Liegen weitere Nebenbedingungen in Form von linearen Gleichungen oder Ungleichungen vor, empfiehlt sich die Anwendung der Second-Order-Cone-Optimierung. Diese Tatsache stellt gleichermaßen eine der größten Stärken von konischen Optimierungsmethoden dar, da es in der Regel keine Rolle spielt, in welchem Ausmaß Kombinationen von Nebenbedingen in der Form von linearen Gleichungen und Ungleichungen oder konvexen quadratischen Ungleichungen vorliegen 140 . Neben der Optimierung des Tracking Errors stellt die konische Optimierung weitere geeignete Methoden zur Lösung ausgedehnter Probleme innerhalb der Finanzwirtschaft bereit. Eine weitere Anwendung wäre die Bestimmung einer implizierten risikoneutralen Dichtefunktion für die Darstellung und Schätzung künftiger Preisentwicklungen von Anlagetiteln durch die Ableitung aus Optionen. 141 Darüber hinaus haben G OLDFARB und I YENGAR (2003) gezeigt, dass die Methoden der konischen Optimierung neben der Optimierung des Tracking Errors gleichermaßen einen möglichen Ansatz zur Beseitigung des „Sampling Errors“ bei der Portfoliooptimierung darstellen. 142 Näheres hierzu finden sie in den nachfolgenden Kapiteln, insbesondere Kapitel 3. 2.3.7.3 Konvexe Optimierung Wie bereits in der Einleitung zu den nichtlinearen Optimierungsverfahren angesprochen, besteht das wesentliche Problem bei der Entwicklung einer universellen Lösung für alle Optimierungsprobleme in einer fehlenden allgemeingültigen Struktur. Bisweilen erfüllen jedoch die meisten Optimierungsprobleme die erforderliche Voraussetzung einer „Minimal-Struktur“, welche sich ebenfalls in der konvexen Optimierung wiederfindet. 143 Zunächst sollen jedoch die Grundlagen der Konvexität kurz aufgearbeitet werden, um anschließend durch Erläuterungen zur konvexen Optimierung ergänzt zu werden. Die Konvexität beschreibt im Wesentlichen eine Eigenschaft, die zunächst einmal entweder auf eine Menge oder eine Funktion bezogen werden kann. 140 Vgl. Cornuejols/ Tütüncü (2007), S. 180 141 Ebenda S. 185 142 Vgl. Fylstra (2005), S. 19 143 Vgl. Gohout (2009), S. 229 <?page no="161"?> 162 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management Definition 14 Konvexe Menge heißt konvex wenn: (2.29) Neben dem Begriff der Konvexität soll nachfolgend ebenfalls die Bezeichnung einer konvexen Menge kurz definiert werden. Abb. 58 zeigt neben einer konvexen Funktion gleichermaßen eine konvexe Menge. Diese bildet sich nämlich durch die Beschränkung einer konvexen Funktion oberhalb des Graphen. Definition 15 Konvexe Funktion heißt in einer konvexen Menge G konvex, falls: (2.30) In Bezug auf eine Funktion kann behauptet werden, dass die Konvexität das Krümmungsverhalten einer Funktion beschreibt. Legt man, wie in Abb. 58 dargestellt, zwischen zwei beliebigen Punkten einer konvexen Funktion eine Gerade an, wird diese bei einer konvexen Funktion immer oberhalb der Funktion liegen. Gegenteilig würde sich die Gerade nur unterhalb der Funktion befinden, wenn der Verlauf dieser Funktion als konkav beschrieben werden könnte. Abb. 58: Graph einer konvexen Funktion Quelle: Eigene Darstellung Bei der Untersuchung von Funktionen auf Minimalstellen greifen viele Lösungsverfahren der Optimierung auf die wesentlichen Merkmale konvexer Funktionen zurück, die kurz dargestellt werden sollen: Jede lokale Minimalstelle einer konvexen Funktion ist auch eine globale Minimalstelle der Funktion. Die Menge aller Minimalstellen einer konvexen Funktion ist konvex - möglicherweise auch leer. f(x) x <?page no="162"?> 2.3 Grundlagen der mathematischen Optimierung 163 Eine streng konvexe Funktion besitzt höchstens eine Minimalstelle. 144 Nachdem wir nun alle notwendigen Grundlagen nochmals angesprochen haben, wird im Folgenden ein konvexes Optimierungsproblem allgemein dargestellt und kurz erläutert. Definition 16 Allgemeines konvexes Problem (2.31) Bei einem konvexen Optimierungsproblem wird in der Regel eine gegebene konvexe Zielfunktion minimiert. Hierbei beschränken sich die Variablen x bzw. der Variablenvektor x auf eine Teilmenge Z des zulässigen Bereichs von . Soll beispielsweise eine konvexe Zielfunktion unter Berücksichtigung konvexer Nebenbedinungen minimiert werden, macht der Satz von K UHN -T UCKER deutlich, dass bereits durch die Ermittlung des Sattelpunkts der Lagrange-Funktion die Lösung eines konvexen Optimierungsproblems bestimmt werden kann. Es kann zwischen konvexen und nicht-konvexen Optimierungsproblemen unterschieden werden. Bei einem konvexen Optimierungsproblem stellen alle Zielfunktionen oder Nebenbedinungen konvexe Funktionen dar und besitzen somit einen eindeutigen konvexen Zusammenhang. Nicht-konvexe Optimierungsprobleme werden im Allgemeinen hingegen durch nicht-konvexe Funktionen beschrieben. 145 Einleitend wurde bereits auf den Wandel Mitte der 1990er Jahre beim Einsatz von nicht-linearen Optimierungsmethoden hingewiesen. Didaktisch scheint der Unterschied zwischen beiden Optimierungsproblemen eher trivial, betrachtet man jedoch die Eigenschaften der Konvexität und ihre Auswirkungen für die Optimierung im Detail, wird die tatsächliche Bedeutung für die Lösbarkeit von nicht-linearen Optimierungsproblemen deutlich. Aufgrund der bereits angesprochenenen Eigenschaften konvexer Optimierungsprobleme kann unter der Voraussetzung einer konvexen Struktur auf einfache Weise eine global optimale Lösung mit mehreren hunderten oder gar tausenden Variablen und Nebenbedingungen ermittelt werden. Im Gegenzug beschränkt sich die Anwendung moderner nicht-konvexer Optimierungsprobleme zur Ermittlung eines globalen Optimums auf einige hundert Variablen bzw. Nebenbedingungen. Letztendlich können auch quadratische Optimierungsprobleme nahezu unmöglich lösbar sein, insofern die verwendete Varianz-Kovarianz-Matrix Q indefinit ist und demzufolge eine nichtkonvexe Struktur aufweist. Bei der Portfoliooptimierung hingegen ist eine gegegebene quadratische Funktion in der Regel konvex, da die verwendete Matrix durch die Bestimmung aus historischen Kursen meistens positiv definit ist. 146 Dementsprechend spielt es eher eine untergeordnete Rolle, ob ein allgemeines Optimierungsproblem eine lineare oder nicht-lineare Struktur aufweist, sondern vielmehr ob eine Zielfunktion und 144 Vgl. Gohout (2009), S. 231 145 Vgl. Domschke/ Drexel (2004), S. 198 ff. 146 Vgl. Fylstra (2005), S. 19 <?page no="163"?> 164 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management ihre Nebenbedingungen eine konvexe Struktur aufweisen oder nicht. 147 Für einen tiefergreifenderen Einblick in die spezifischen Abläufe konvexer Optimierungsverfahren sei an dieser Stelle auf das Studium weiterer Fachliteratur verwiesen. 148 2.3.8 Optimierungsprobleme unter Unsicherheit Die Verfahren zur Lösung von Optimierungsproblemen unter Unsicherheit stellen im Prinzip Erweiterungen zu den bereits beschriebenen Methoden zur Lösung von linearen oder nicht-linearen Optimierungsproblemen dar. Bisher erfolgten jegliche Ansätze zur Optimierung unter der Annahme, dass sich die ermittelten (geschätzten) Renditen auch in Zukunft in gleicher Weise entwickeln werden. Betrachtet man jedoch das Verhalten von Renditen in der Praxis, zeigt sich, dass diese durch die ständigen Veränderungen der Kurse und deren Korrelationen im Zeitablauf stark variieren. Da der Verlauf zukünftiger Renditen einem Kapitalanleger in der Regel unbekannt ist, ergibt sich die Notwendigkeit, Ansätze zur Lösung von Optimierungsproblemen unter Unsicherheit zu entwickeln. Die daraus entstehende Problematik findet zunehmend bei der Optimierung von Portfolios Beachtung. Da dies jedoch einer der bedeutendsten Schwächen des Erwartungswert-Varianz-Ansatzes von M ARKOWITZ darstellt, bestehen in der Praxis weitere vom ursprünglichen Ansatz abgewandelte Modelle aus der modernen Portfoliotheorie. Neben der stochastischen und der dynamischen Optimierung stellen uns die Verfahren der robusten Optimierung einen geeigneten Ansatz zur Behandlung von unsicheren Parametern zur Verfügung. Diese sollen im Folgenden kurz eingeführt und zu einem späteren Zeitpunkt in Kapitel 6 durch detaillierte Erläuterungen, Beispiele und Hinweise zur Implementation erneut aufgegriffen werden. 2.3.8.1 Stochastische Optimierung Die stochastische Optimierung stellt neben der robusten Optimierung eines der am häufigsten verwendeten Optimierungsverfahren dar und berücksichtigt entgegen den bereits erläuterten Verfahren der linearen und nicht-linearen Optimierung die umfassende Modellierung unsicherer Parameter. Bisherige Ansätze zur Lösung von Optimierungsproblemen erfolgten unter der Annahme, dass sich die ermittelten (geschätzten) Renditen auch in Zukunft gleichförmig weiterentwickeln werden. Obwohl die Abbildung der Unsicherheit in den bisherigen Modellen bereits bis zu einem bestimmten Grad erfolgte, waren die Bemühungen in Anbetracht der Komplexität der Optimierungsprobleme eher unzureichend. Beobachtungen aus der Praxis zeigen, wie eingangs erwähnt, dass durch die ständigen Veränderungen der Kurse keine gleichförmige Entwicklung der Renditen gewährleistet ist. Vielmehr empfiehlt sich die Modellierung der Rendite im Zeitablauf als unsicherer Parameter. Die stochastische Optimierung stellt uns hierfür einen geeigneten Ansatz zur Verfügung. Die Berücksichtigung der Unsicherheit der beobachteten Parameter findet bei der stochastischen Optimierung durch die Zuweisung von Zufallsvariablen mit bekannten Wahrscheinlichkeitsverteilungen statt. Dies ermöglicht die notwendige Modellierung der im Zeitablauf veränderlichen Renditen in Form eines stochastischen 147 Ebenda 148 Siehe hierzu auch Jarre/ Stoer (2003) <?page no="164"?> 2.3 Grundlagen der mathematischen Optimierung 165 Prozesses. 149 Die Darstellung der Veränderungen von unsicheren Parametern im Zeitablauf erfolgt in der Regel durch die Bildung von Szenarien, die bei der Optimierung berücksichtigt werden. Ein gängiges Portfolioproblem, das durch die stochastische Optimierung gelöst werden soll, kann folgendermaßen beschrieben werden: Ein Kapitalanleger steht bei einem gegebenen positiven Startkapital vor der Herausforderung, eine optimale Allokations- und Konsumstrategie zu beschließen, welche sein Vermögen am Ende des beobachteten Zeitraums T maximiert. Hierbei muss der Kapitalanleger eine Reihe von Entscheidungen treffen, die zur Erfüllung seiner Zielvorstellungen führen. Diese finden sich üblicherweise zunächst in einer Allokationsstrategie bei der Quantifizierung der Anteile, Zuordnung der Wertpapiere und der Bestimmung der Haltedauer der jeweiligen Anlagen wieder. Neben der soeben dargestellten Allokationsstrategie wird ebenfalls eine Konsumstrategie formuliert. Diese beinhaltet hauptsächlich Entscheidungen, die sich mit der Aufteilung des Vermögens für Konsumzwecke und der Bestimmung der Zeitpunkte, an denen konsumiert werden darf, befasst. Beide Strategien setzen sich sowohl mit Entscheidungen über die Auswahl und Quantifizierung der Anlagen als auch der Bestimmung der Zeitpunkte für Handlungen, auseinander. 150 Die stochastische Optimierung befasst sich maßgeblich mit der Berücksichtigung zufälliger Ereignisse in den folgenden drei unterschiedlichen Problembereichen: Zwei- oder mehrstufige Optimierungsmodelle hinsichtlich des Erwartungswertes Optimierungsmodelle unter Berücksichtigung von Risiken Restringierte Optimierungsmodelle in Bezug auf Chancen Im Allgemeinen unterscheidet man im Rahmen der stochastischen Optimierung einerseits zwischen zwei- und mehrstufigen Erwartungswertmodellen, wobei stochastische Modelle anderseits neben Risikomaßen ebenso Chancen in Form von Nebenbedingungen bei ihrer Lösung mit einbeziehen. Die Restriktion im Hinblick auf die Sicherung von Chancen erfordert, dass die zuvor festgelegten Nebenbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eingehalten werden müssen. 151 Die Rahmenbedingungen der stochastischen Optimierung grenzen sich von den restlichen Optimierungsmethoden neben der Berücksichtigung der Unsicherheit hauptsächlich durch zwei unterschiedliche Merkmale der Variablen ab. Es wird hierbei zwischen antizipativen Variablen und adaptiven Variablen unterschieden. Antizipative Variablen bilden in der Regel Entscheidungen ab, die unabhängig von zukünftigen Beobachtungen unsicherer Parameter getroffen werden. Im Gegensatz dazu, entsprechen adaptive Variablen üblicherweise Entscheidungen, die nach der Beobachtung zufälliger Parameter gefällt werden. Sind jedoch beide Variablentypen in einem Optimierungsmodell unter Unsicherheit enthalten, liegt ein so genanntes Rekursionsmodell vor. Bei der Planung von Investitionen stellt jede Mög- 149 Vgl. Cornuejols/ Tütüncü (2007), S. 255 150 Vgl. Korn (1999), S. 236 151 Vgl. Fabozzi/ Kolm/ Pachamanova/ Focardi (2007), S. 293 ff. <?page no="165"?> 166 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management lichkeit zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren eine neue Entscheidung dar. Deshalb eignen sich jene Zeitpunkte, an denen Portfolios „Rebalanced“, also an ihre ursprüngliche Allokation angepasst werden, besonders gut für die Wahl der Entscheidungsstufen. Auf Grundlage dieser Zeitpunkte können anschließend mehrstufige stochastische Rückwärtsrekursions-Optimierungsprobleme formuliert werden. 152 Bei nicht allzu komplexen stochastischen Optimierungsproblemen sind beispielsweise Szenario- oder Entscheidungsbäume zur Darstellung des zugrundeliegenden Problems im Zeitablauf empfehlenswert. Liegt hingegen ein komplexeres Optimierungsproblem vor, welches eine umfassende Abbildung im Rahmen eines Entscheidungsbaumes verlangt, kann es durch eine exponentielle Zunahme der Dimensionen neben der Darstellung auch zu Schwierigkeiten bei einer späteren Lösungsfindung kommen. Hierbei stellt hauptsächlich die direkte Abhängigkeit der Variablen und Nebenbedingungen von der Anzahl an Szenarien ein wesentliches Problem dar. Bei Annahme von lediglich zwei möglichen Änderungen der zufälligen Renditen von N Kapitalanlagen in jeder Stufe ergibt dies an der letzten Stufe eine Gesamtanzahl von 2 NT Szenarien. Nimmt man ein Portfolio mit 5 Anlagen und einem monatlichem Ausgleich (Rebalancing) des Portfolios an, ergeben sich am Ende der letzten Stufe des Szenariobaums 2 60 , also 1.152.921.504.606.850.000,00 Szenarien. Allein diese kleine Demonstration zeigt, dass alltäglich zu lösende Probleme im Portfolio Management eine beachtliche Rechenleistung sowie einige Ressourcen benötigen. Üblicherweise kann der Aufbau eines Szenariobaums zur Abbildung unsicherer Parameter entweder durch das Bootstrapping historischer Daten oder durch die Annahme einer Verteilung über die unsicheren Größen in Form parametrischer Ansätze erfolgen. 153 Obwohl heutige EDV-Systeme ausreichende Kapazitäten für die Lösung umfangreicher Optimierungsalgorithmen zur Verfügung stellen, empfiehlt sich häufig die Zerlegung eines umfassenden Optimierungsproblems in einzelne Teilprobleme. 154 Die Berücksichtigung unsicherer Parameter im Zeitablauf bietet für eine Vielzahl von Anwendungen wesentliche Vorteile bei der Optimierung. Deshalb findet die stochastische Optimierung im Rahmen der Portfoliooptimierung neben der absoluten Optimierung von Portfolios unter VaR- und CVaR-Restriktionen ebenfalls beim Index Tracking, also bei der Replizierung von Indizes, praktische Anwendung. Die stochastische Optimierung eignet sich besonders für den Einsatz in der Finanzwirtschaft, da diese in der Regel eine Abfolge von Entscheidungen und Beobachtungen darstellen. Darüber hinaus eröffnet das breite Einsatzgebiet der stochastischen Optimierung die Verwendung im Asset-Liability-Management von Pensions-Fonds und Versicherungen sowie in der Verwaltung von Mortgage Backed Securities. 152 Vgl. Cornuejols/ Tütüncü (2007), S. 255 ff. 153 Siehe auch Li-Young Yu, Xiao-Dong Ji, Shou-Yang Wang (2003), „Stochastic Programming Models in Financial Optimization: A Survey“ und Nalan Gulpinar, Berc Rustem, Reuben Settergren (2004), „Simulation and Optimization Approaches to Scenario Tree Generation“ 154 z.B. Nested Benders Decomposition & Importance Sampling <?page no="166"?> 2.3 Grundlagen der mathematischen Optimierung 167 2.3.8.2 Dynamische Optimierung Das Verfahren der dynamischen Optimierung ähnelt den zuvor besprochenen Optimierungsmodellen der mehrstufigen stochastischen Optimierung. Deshalb kann auch das aus dem vorherigen Abschnitt eingeführte Beispiel eines allgemeinen stochastischen Entscheidungsproblems auf die Fragestellungen der dynamischen Optimierung übertragen werden. Obwohl bei dynamischen Optimierungsproblemen ebenfalls eine Folge ausstehender und voneinander abhängiger Entscheidungen vorliegt, die durch deren Realisierung zur Erzielung eines globalen Optimums führen sollen, unterscheidet sich die Vorgehensweise der dynamischen Optimierung von der stochastischen Optimierung prinzipiell. 155 Im Gegensatz zur stochastischen Optimierung vollzieht die dynamische Optimierung eine sequentielle, also schrittweise Lösung eines mehrstufigen Entscheidungsproblems, anstatt ein umfassendes Optimierungsproblem auf einmal lösen zu wollen. Da dies unter Umständen in abgewandelter Form auch bei komplexen Optimierungsproblemen der stochastischen Optimierung vorkommt, ist eine klare Abgrenzung jedoch nicht möglich. 156 Im Allgemeinen kann unter folgenden Aspekten eine Unterscheidung und Klassifizierung von dynamischen Optimierungsmodellen erfolgen: [1] Die Zeitabstände der Stufen oder Perioden erlauben die Unterscheidung zwischen diskreten und kontinuierlichen Modellen. Ereignen sich Entscheidungen zu diskreten Zeitpunkten oder Schritten (1, 2, 3, …, n) liegt ein diskretes Modell vor. Im Gegensatz dazu liegt ein kontinuierliches oder stetiges Modell vor, wenn Entscheidungen zu stetigen Zeitpunkten erfolgen (1,0125..., 1,0215…, …). [2] Der Informationsgrad der Störgrößen erlaubt die Einteilung in deterministische und stochastische Modelle. Besteht für die Störgröße lediglich die Möglichkeit, den Zustand eines Wertes anzunehmen, spricht man von deterministischen Modellen. Geht man hingegen von mehreren möglichen Zuständen in Form einer zufälligen Verteilung der Störgrößen aus, handelt es sich um stochastische Modelle. [3] Entscheidungsvariablen können entweder einen oder mehrere Werte enthalten. [4] Der Möglichkeitsraum der Zustände bzw. Entscheidungen charakterisiert sich entweder durch die Endlichkeit oder durch die Unendlichkeit der zulässigen Mengen. 157 Neben dem Begriff der dynamischen Optimierung wird in der englischsprachigen Literatur in diesem Zusammenhang häufig auch der Begriff „Stochastische Steuerung“ (Stochastic Control) verwendet. Kurz nachdem H ARRY M. M ARKOWITZ (1952) seinen Ansatz zur Portfolio Selection veröffentlichte, schlug der amerikanische Mathematiker R ICHARD B ELLMAN (1957) erstmals die Methodik der dynamischen Optimierung bzw. Programmierung zur Abbildung und Lösung deterministischer dynamischer Modelle vor. 12 Jahre später griff M ERTON (1969) diese Thematik erneut auf, um sich mit der Konstruktion von 155 Vgl. Fabozzi/ Kolm/ Pachamanova/ Focardi (2007), S. 308 156 Vgl. Domschke/ Drexl (2005), S. 161 ff. 157 Punkt 1 bis 4 Vgl. Domschke/ Drexl (2005), S. 161 ff <?page no="167"?> 168 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management Portfolios in einem zeitstetigen Modell und der Ableitung der Optimalitätsbedingungen für ein N-Anlagen-Problem zu befassen. M ERTON ging hierbei davon aus, dass sich das Verhalten der Renditen maßgeblich durch die Brownsche Bewegung (vgl. Abschnitt 2.5), auch unter dem Begriff des Wiener-Prozesses bekannt, ableiten ließe 158 . Ähnlich der mehrstufigen stochastischen Optimierung findet auch die dynamische Optimierung Anwendung bei der Bewertung von Optionen und der Lösung von Investitionsproblemen bei der Maximierung eines Vermögens im Zeithorizont T. 159 2.3.8.3 Robuste Optimierung In Kapitel 1 wurde bereits kurz auf die Problematik bei der Schätzung unsicherer Parameter eingegangen. Insbesondere die verlässliche Prognose zu erwartender Renditen stellt mitunter eine der wesentlichen Schwächen des in den nachfolgenden Kapiteln erläuterten Ansatzes zur „klassischen“ Erwartungswert-Varianz-Optimierung dar. Da es sich bei den Inputparametern für die Portfoliooptimierung lediglich um Prognosen handelt, können diese unter Umständen im Zeitablauf von ihren prognostizierten Werten erheblich abweichen. Dies spiegelt unmittelbar die Unsicherheit der Prognosewerte wider. Da die Portfoliooptimierung nach Markowitz eine hohe Sensitivität gegenüber der Veränderung von Renditen aufweist, führt die Unsicherheit über die Güte der Prognosen zu starken Ungleichgewichten in der Allokation von Portfolios. H EROLD (2004), K EMPF / M EMMEL (2002) als auch C HOPRA / Z IEMBA (1993) zeigen in diesem Zusammenhang an einer Reihe von Beispielen auf, dass bei der Portfoliooptimierung eine verlässliche Prognose der zu erwartenden Renditen eine weitaus größere Rolle spielt als beispielsweise die Schätzung der zu erwartenden Risiken oder gar der Varianz-Kovarianz-Matrix. 160 Die soeben aufgezeigte Problematik bei der Ermittlung der zu erwartenden Renditen stellt gleichermaßen einen wichtigen Ansatzpunkt für die Methoden der robusten Optimierung dar. In der deutschen Sprache bezeichnet das Adjektiv „robust“ die Eigenschaft besonders kräftig, stabil oder unempfindlich zu sein. 161 Dementsprechend ähnlich gestaltet sich die Beschreibung der robusten Optimierung im Portfolio Management. Hierbei spiegelt das Adjektiv „robust“ einen angestrebten Idealzustand wider, der durch die Methoden der robusten Optimierung erreicht werden soll. Die Unsicherheit bei der Schätzung von Renditen vermittelt hingegen vielmehr einen gegenteiligen Eindruck, da die berechneten Anteilsgewichte eher empfindlich und instabil auf Schätzfehler in der Prognose der erwarteten Renditen reagieren. Die modernen Methoden der robusten Optimierung und Asset Allocation stellen uns geeignete Verfahren zur Lösung der Sensitivitätsproblematik der Inputparameter bei der klassischen Portfoliooptimierung zur Verfügung. Im Vergleich zur klassischen Markowitz-Optimierung führen die Me- 158 Vgl. Kemp (2011), S. 156 ff. 159 Fusai/ Roncoroni (2008), S. 77 ff. 160 In Kapitel 1 sollen nach der notwendigen Einführung zur Portfoliooptimierung nach M AR- KOWITZ , ebenfalls dessen wesentliche Schwächen aufgedeckt und anhand von Beispielen erläutert werden. 161 Siehe Duden <?page no="168"?> 2.4 Einführung in den EXCEL Solver 169 thoden der robusten Optimierung im Endeffekt zu deutlich ausgewogeneren Allokationsstrukturen bei der Bildung von Portfolios. Die verschiedenen Ansätze zur robusten Optimierung und auch ein Vergleich verschiedener Methoden werden detailliert im Rahmen des Kapitels 6 behandelt. 2.4 Einführung in den EXCEL Solver In den vorherigen Abschnitten wurden einige Typen von Optimierungsproblemen formal beschrieben und voneinander unterschieden. Beim EXCEL Solver handelt es sich nun um ein zusätzlich zu installierendes Add-In für Microsoft EXCEL, welches mehrere Algorithmen zur Verfügung stellt, um auch aufwändigere mathematische Optimierungsprobleme in Microsoft EXCEL lösen zu können. Das Add-In Solver ist grundsätzlich ein Teil einer Gruppe von Befehlen, die im Allgemeinen den „Was- Wäre-Wenn-Analyse-Tools“ zugeordnet werden können. Das Portfolio Management stellt in der praktischen Anwendung des Solvers lediglich ein mögliches Anwendungsgebiet dar. Optimierungsprobleme begegnen uns unter anderem auch bei der Lösung weiterer finanzwirtschaftlicher Problemstellungen, z.B. bei der Produktionsplanung in einem Unternehmen sowie bei der Lösung von komplexen logistischen Verteilungsproblemen. In diesem Zusammenhang wären beispielsweise folgende Fragestellungen mit der Lösung eines Optimierungsproblems denkbar: Wie kann ein Automobilhersteller die optimale Produktzusammenstellung in Abhängigkeit seiner Produktionskapazität ermitteln, die in seiner Niederlassung in Detroit pro Monat zum größten Gewinn in dieser Produktionsstätte führt? Bei welchem Preis für ein Produkt wird der Gewinn durch den Absatz desselben maximiert? Welche Routen maximieren die Lademenge eines LKW bei gleichzeitiger Einhaltung der Ruhe- und Standzeiten? Wie kann Kapital in Bezug auf die Kenngrößen Rendite und Risiko optimal aufgeteilt und strukturiert werden? Alle aufgelisteten Fragestellungen beziehen sich auf die Suche nach der besten Möglichkeit aus den verschiedenen zur Verfügung stehenden Alternativen. Darin zeigt sich vor allem der rationale und ökonomische Kerngedanke aller Optimierungsprobleme. Im Allgemeinen kann die Optimierung als ein Prozess beschrieben werden, bei dem aus einer Vielzahl an berechneten Werten stets diejenigen Werte gefunden werden sollen, die ein zuvor festgelegtes Ziel im Sinne einer Minimierung oder Maximierung optimieren. Hierzu sollte zunächst das zugrundeliegende Optimierungsproblem einer Fragestellung identifiziert, formuliert und in ein Optimierungsmodell überführt werden. In diesem Zusammenhang spricht man auch häufig von der Modellierung eines Optimierungsproblems. Um das zugrundeliegende Optimierungsproblem der Lösung durch verschiedene einheitliche Algorithmen zugänglich zu machen, besitzt ein Optimierungsmodell grundsätzlich eine standardisierte Form. Aus diesem Grund besteht ein Optimierungsmodell auch hauptsächlich aus drei Komponenten: der Zielzelle, den veränderbaren Zellen und den zu beachtenden Nebenbedingungen. <?page no="169"?> 170 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management 2.4.1 Installation des Solvers Noch vor dem Aufruf des Solvers sollte zunächst sichergestellt werden, dass das dazu benötigte Add-In in EXCEL installiert und aktiviert ist. Dazu sind in Microsoft Office 2010 zunächst folgende Schritte notwendig: [1] Klicken Sie auf die Schaltfläche Microsoft Office bzw. Datei im linken oberen Bereich des Bildschirms und rufen Sie anschließend die EXCEL- Optionen bzw. Optionen auf. [2] Klicken Sie auf der linken Seite des Bildschirms auf den Menüpunkt Add- Ins, um darauffolgend im Auswahlfeld Verwalten den Menüpunkt EXCEL-Add-Ins auszuwählen und mit einem Klick auf Gehe zu... zu bestätigen. [3] Es öffnet sich nun eine Übersicht mit den aktuell verfügbaren Add-Ins. Zur Installation des Solvers wird nun ein Haken bei Solver gesetzt, um mit einem Klick auf die Schaltfläche OK abschließend bestätigt zu werden (vgl. Abb. 59). TIPP: Insofern Sie schon im Menüband den Reiter Entwicklertools freigeschaltet haben, können Sie im gleichnamigen Reitermenü ebenfalls Entwicklertools Add-Ins Add-Ins aufrufen, um zur gleichen Übersicht der verfügbaren und installierten Add-Ins zu gelangen. Abb. 59 zeigt die Installation des Solvers im Detail. Abb. 59: Installation des EXCEL-Add-Ins Solver Bei anderen Produktversionen von Microsoft Office gestalten sich die grundlegenden Schritte bei der Installation des Solvers ähnlich. <?page no="170"?> 2.4 Einführung in den EXCEL Solver 171 2.4.2 Aufruf und Anwendung des Solvers Vor dem Aufruf des Solvers sollte das zu lösende Optimierungsproblem bereits in ein formales mathematisches Optimierungsmodell überführt worden sein, welches alle notwendigen Entscheidungsvariablen, Nebenbedingungen und Zielfunktionen definiert und voneinander abgrenzt. Das überführte Optimierungsmodell wird anschließend in Abhängigkeit von den zugrundeliegenden formalen Kriterien in einem EXCEL-Modell implementiert. Als Faustregel gilt, dass das EXCEL-Modell schon vor dem eigentlichen Aufruf des EXCEL-Add-Ins vorliegen muss. Der Solver kann anschließend im Menüband beim Register Daten in der Gruppe Analyse über die Schaltfläche Solver aufgerufen werden. Nachdem das EXCEL- Add-In Solver erfolgreich aufgerufen wurde, zeigt sich dem Anwender eine Übersicht der noch festzulegenden Solver-Parameter. Der Aufbau der Dialogbox des EXCEL- Add-Ins Solver, der in Abb. 60 gezeigt ist, orientiert sich maßgeblich an den zuvor genannten drei Komponenten eines Optimierungsproblems: der Zielfunktion, den veränderbaren Zellen sowie der Berücksichtigung von etwaigen Nebenbedingungen. Abb. 60: Aufruf des EXCEL-Add-Ins Solver Nachdem die Dialogbox der Solver-Parameter aufgerufen wurde, können alle notwendigen Einstellungen Schritt für Schritt manuell festgelegt werden. [1] Im Eingabefeld „Ziel festlegen“ sollte zunächst die zu optimierende Zielfunktion eingetragen werden. Hierzu wird auf eine zuvor definierte Zielfunktion in einer einzelnen Zelle des EXCEL-Modells Bezug genommen. <?page no="171"?> 172 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management [2] Im Auswahlfeld „Bis: “ kann das gewünschte Optimierungskriterium festgelegt werden. Je nach Ausprägung des Optimierungsproblems kann hier die Maximierung oder auch Minimierung einer Zielfunktion angewiesen werden. [3] Im Anschluss werden die veränderlichen Variablenzellen ausgewählt und durch einen eindeutigen Zellbezug auf eine oder mehrere Zellen festgelegt. [4] Unterliegt ein Optimierungsproblem bei dessen Lösung einer oder mehreren Nebenbedingungen, können diese in Form von logischen Gleichungen bzw. Ungleichungen über die Schaltfläche Hinzufügen berücksichtigt werden. Im Anschluss öffnet sich ein neues Fenster (vgl. Abb. 61), das die logische Verknüpfung von Zellbezügen erlaubt. [5] Je nach Form des zugrundeliegenden Optimierungsproblems sollte ein geeigneter Algorithmus zur Lösung des Optimierungsproblems im Auswahlfeld Lösungsmethode definiert werden. Für die Lösung von linearen Optimierungsproblemen steht das Simplex-Verfahren zur Verfügung. Liegt jedoch ein quadratisches Optimierungsproblem vor, empfiehlt sich die Verwendung des Gradientenverfahrens GRG-Nichtlinear. [6] Ein Klick auf die Schaltfläche Lösen startet das EXCEL-Add-In Solver. Abb. 61: Hinzufügen einer Nebenbedingung Das Optionsmenü des EXCEL-Add-Ins Solver kann mit einem Klick auf Optionen aufgerufen werden und erlaubt weitere individuelle Einstellungen in Bezug auf den verwendeten Lösungsalgorithmus. Dazu zählen die Festlegungen eines geeigneten Abbruchkriteriums, die Höchstzeit, die Anzahl der Iterationen, die Genauigkeit, Toleranz und Konvergenzrate des ausgewählten Optimierungsalgorithmus. Je nach Umfang des zu lösenden Optimierungsproblems empfiehlt sich die Anpassung der genannten Parameter, obgleich im Portfolio Management die Standardwerte der angesprochenen Parameter in der Regel ausreichen sollten. Falls die Komplexität des zu lösenden Optimierungsmodells durch einen Anstieg der verwendeten Entscheidungsvariablen zunehmen sollte, empfiehlt sich entweder die Installation weiterer externer Lösungsalgorithmen, wie etwa die Produkte von FrontlineSolvers oder die Verwendung mathematischer Skript- und Programmierumgebungen, wie etwa MATLAB. Es sei im Allgemeinen darauf hingewiesen, dass eine erfolgreiche Lösung von Optimierungsproblemen auf Grundlage der verwendeten Verfahren unter Umständen von der zuvor festgelegten Startlösung abhängig ist. Die Verwendung spezifischer Startlösungen steht jedem Anwender grundsätzlich frei, obgleich dies jedoch beim Nachvollziehen der Beispiele in diesem Buch unter Umständen zu abweichenden Ergebnissen führen kann. 162 162 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 145 <?page no="172"?> 2.5 Stochastische Prozesse im Portfolio Management 173 2.5 Stochastische Prozesse im Portfolio Management „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“ Albert Einstein - deutscher theoretischer Physiker (*1879, †1955) Quelle: Public Domain In den letzten Jahrzehnten erschienen in der wissenschaftlichen Literatur mehrere Ansätze und Theorien zur Beschreibung von Kursentwicklungen an den Finanzmärkten. Im Assetmanagement und im Risikomanagement hat sich der Wiener-Prozess als stochastisches Modell zur Abbildung von unsicheren Kursentwicklungen manifestiert. Darum stellt die Modellierung von Zufallsprozessen einen integralen Bestandteil für das Portfolio- und Risikomanagement in Unternehmen und Banken dar. Aus diesem Grund befassen sich die nachfolgenden Abschnitte ausschließlich mit der Beschreibung und Modellierung von diskreten und stetigen Zufallsprozessen in einem finanzwirtschaftlichen Kontext. Da dieses Buch sich jedoch vorrangig mit den ökonomischen Hintergründen der nachfolgend dargestellten Ansätze befasst, wurde bei den Erläuterungen zu den grundlegenden Begriffen wie Markov-Eigenschaft, Wiener- Prozess, geometrische Brownsche Bewegung und Ito-Prozesse besonderer Wert darauf gelegt, diese durch praxisrelevante Beispiele aus der Modellierung zu ergänzen. Da der Fokus auf die ökonomische Anwendung gerichtet ist, wird an dieser Stelle auf eine tiefere mathematische Herleitung der Thematik bewusst verzichtet. Im Portfolio Management begegnen uns stochastische Modelle vor allem bei der Modellierung und Implementierung von Monte-Carlo-Simulationen zur Aufbereitung von Risikokennzahlen, bei der Bewertung von Derivaten oder bei der Portfoliooptimierung unter Value-at-Risk-Nebenbedingungen. <?page no="173"?> 174 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management 2.5.1 Geschichtlicher Hintergrund “These motions were such as to satisfy me, after frequently repeated observation, that they arose neither from currents in the fluid, nor from its gradual evaporation, but belonged to the particle itself.” Robert Brown - schottischer Botaniker (*1773, †1858) Quelle: Public Domain Im frühen 17. Jahrhundert beobachtete der schottische Botaniker R OBERT B ROWN (1773 - 1858) erstmals ein ihm bis dahin unbekanntes naturwissenschaftliches Phänomen, dessen mögliche Erklärung den Grundstein zur Beschreibung von stochastischen Prozessen legte. Durch ein Mikroskop untersuchte Brown das Verhalten von Pflanzenpollen in einem Wassertropfen. Durch deren offensichtliche unregelmäßige Bewegungen konnte B ROWN kein eindeutiges Bewegungsmuster erkennen. Erst im späten 17. Jahrhundert konnte der dänische Mathematiker und Astronom T HORVALD N ICOLAI T HIELE (1838 - 1910) bei der Analyse von Residuen durch die statistische Methode der kleinsten Quadrate einen ähnlichen Prozess beschreiben. Obwohl bereits Anfang des 18. Jahrhunderts der französische Mathematiker L OUIS B ACHELIER (1870 - 1946) versuchte, die Beobachtungen von T HIELE zur Analyse von Kursbewegungen an der Pariser Börse heranzuziehen, erbrachte A LBERT E INSTEIN (1879 - 1955) fünf Jahre später, scheinbar unabhängig von den Erkenntnissen seiner vormaligen wissenschaftlichen Kollegen, den mathematischen Beweis zur Erklärung des Verhaltens von Brownschen Partikeln durch die molekulare Struktur des Wassers. Obwohl A LBERT E INSTEIN s Ansatz damalig als äußerst umstritten galt, begründete seine Arbeit den Anfang der molekularen Theorie und der stochastischen Prozesse. Erst später wurde im Jahre 1923 der Beweis über die wahrscheinlichkeitstheoretische Existenz des Prozesses durch N ORBERT W IENER (1894 - 1964) erbracht, sodass der bis dahin beschriebene Prozess ihm zu Ehren als Wiener-Prozess benannt wurde. Letztendlich ebneten die Erkenntnisse des japanischen Mathematikers I TO K IYOSHI (1915 - 2008) beim Versuch, die Forschungen von Wiener nachzuvollziehen den Weg des ursprünglichen Wiener-Prozesses von der Physik in die Finanzwirtschaft und in andere Wissenschaften. I TO K IYOSHI gelang es, durch das Aufstellen von stochastischen Differentialgleichungen den mathematischen Beweis W IENER s nachzuvollziehen, die Geburtsstunde der geometrischen Brownschen Bewegung. Während der Entwicklung um den ursprünglichen Wiener-Prozesses, auch als Brownian Motion bekannt, war eine Anwendung desselben in der Finanzmathematik zur Modellierung von Aktienkursen nahezu undenkbar, da es immer wieder im Rahmen eines allgemeinen Wiener-Prozesses zu negativen Werten kommen konnte. Da eine Aktie jedoch grundsätzlich keinen negativen Kurs annehmen kann, verhinderte dieser Umstand bis zur Entdeckung der geometrischen Brownschen Bewegung (engl. Geo- <?page no="174"?> 2.5 Stochastische Prozesse im Portfolio Management 175 metric Brownian Motion) eine sinnvolle Anwendung in der Finanzmathematik. Die durch I TO K IYOSHI aufgestellten stochastischen Differentialgleichungen ermöglichten die Anwendung der geometrischen Brownschen Bewegung zur Modellierung von Aktienkursen und legten damit den Grundstein für die Bewertung von Derivaten durch die Black-Scholes-Formel. Der Wiener-Prozess kommt in den Naturwissenschaften und den Wirtschaftswissenschaften für verschiedene Zwecke zum Einsatz. Mit Hilfe des Wiener-Prozesses können zahlreiche numerische Probleme, wie die Bestimmung von Integralen, die Untersuchung von Naturphänomenen aber auch die Bewertung von Derivaten - um nur einige zu nennen - gelöst werden. Der allgemeine Wiener-Prozess und auch dessen Erweiterungen finden sich hauptsächlich in der Lehre der Stochastik (lat. ars conjectandi‚ „Kunst des Vermutens“) wieder. Die Stochastik stellt ein großes Teilgebiet der Mathematik dar und agiert als Bindeglied zwischen den beiden wissenschaftlichen Gebieten der Statistik und der Wahrscheinlichkeitstheorie. 2.5.2 Stochastische Prozesse Quelle: Public Domain „Spekulation hat einen Ertragswert von Null, abzüglich der Kosten der Spekulation.“ Louis Bachelier - französischer Mathematiker (*1870, †1946) Die unmittelbare Abhängigkeit der am Kapitalmarkt gehandelten Finanzinstrumente von den unsicheren Entwicklungen ihrer Basiswerte (engl. underlying) spiegelt die in der Finanzwirtschaft grundsätzlich vorherrschende Unsicherheit wider. Diese Unsicherheit stellt für Kapitalanleger ein unmittelbares Risiko dar. Demnach werden Aktien, Zinsen und Währungen im Portfolio- und Risikomanagement auch häufig als Risikofaktoren bezeichnet. Aus diesem Grund erscheint es notwendig, geeignete Konzepte zur Beschreibung und Quantifizierung zufälliger Entwicklungen zu erforschen. Unter der Annahme einer Normalverteilung der Risikofaktoren liefert die Stochastik die geeigneten statistischen Modelle zur Beschreibung von zufälligen Abweichungen der zu erwartenden Rendite am Kapitalmarkt. Unter dieser Prämisse liefert die Stochastik durch die von P AUL L ÉVY und A NDREY K OLMOGOROW Anfang des 20. Jahrhunderts begründete formale Theorie eines Zufallsprozesses bzw. stochastischen Prozesses die Grundlage, um die zufälligen Entwicklungen der Finanzmärkte im Zeitablauf mathematisch beschreiben zu können. <?page no="175"?> 176 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management Im Allgemeinen beschreibt ein Zufallsprozess das Verhalten einer oder mehrerer Zufallsvariablen in Abhängigkeit von einem oder mehreren Parametern, wie z.B. Zeit, Rendite und Volatilität. Bei der Wiederholung eines Zufallsprozesses treten im Gegensatz zu einem deterministischen Prozess unter identischen Bedingungen jeweils unterschiedliche Ergebnisse auf. 163 In diesem Fall gehen die einzelnen Risikofaktoren in Form von Zufallsvariablen in die Modellierung eines stochastischen Prozesses mit ein. Da die Entwicklung der Aktienkurse im Zeitablauf neben positiven konstanten Wachstumsraten auch zufälligen Schwankungen unterliegt, lassen sich diese ebenfalls durch stochastische Prozesse beschreiben. Die Entwicklung einer Aktie XY wird neben einer deterministischen Komponente ebenfalls durch eine stochastische Komponente beschrieben und kann im weiteren Sinne auch als stochastischer Prozess aufgefasst werden. Ein stochastischer Prozess kann einerseits durch dessen zeitliche Komponente und andererseits durch die Eigenschaften der zugrundeliegenden Zufallsvariablen in stochastische Prozesse in diskreter oder stetiger Zeit mit diskreten oder stetigen Zufallsvariablen eingeordnet werden. Liegt also ein stochastischer Prozess in diskreter Zeit vor, kann sich der Wert einer Zufallsvariable lediglich zu bestimmten Zeitpunkten ändern, wohingegen bei einem stochastischen Prozess in stetiger Zeit Änderungen zu jedem Zeitpunkt möglich sind. Das Merkmal einer Zufallsvariable stellt ein weiteres Unterscheidungsmerkmal mit ähnlichen Bedingungen dar. Liegt eine diskrete Zufallsvariable vor, kann diese im Gegensatz zu stetigen Zufallsvariablen lediglich endlich viele Werte annehmen. Bei stochastischen Prozessen mit stetigen Variablen hingegen ist es möglich, dass die zugrundeliegende Variable grundsätzlich jeden Wert innerhalb eines bestimmten Wertebereiches annehmen kann. 164 Da eine Aktie in der Regel zu vollen Cent-Beträgen gehandelt wird und die Bildung eines offiziellen Aktienkurses lediglich zu den Handelszeiten an den Börsen stattfindet, kann der Kurs einer Aktie als ein diskreter stochastischer Prozess in diskreter Zeit aufgefasst werden. Aufgrund zahlreicher nützlicher Eigenschaften eines stetigen Merkmals werden Aktienkurse dennoch als stochastischer Prozess mit stetigen Variablen in stetiger Zeit modelliert. 163 Vgl. Wewel (2006), S. 142 164 Vgl. Hull (2009), S. 326 <?page no="176"?> 2.5 Stochastische Prozesse im Portfolio Management 177 2.5.3 Überleitung vom diskreten Random Walk zum stetigen Wiener- Prozess Quelle: Konrad Jacobs “The economists have developed the habit of dressing up their rather imprecise ideas in the language of the infinitesimal calculus. [...] any pretense of applying precise formulae to these loosly defined quantities is a sham and a waste of time” Norbert Wiener - US-amerikanischer Mathematiker und Begründer der Kybernetik (*1894, †1964) Da der Wiener-Prozess (auch Brownsche Bewegung genannt) durch einen stetigen stochastischen Prozess modelliert wird, kann dieser als Grenzwert eines Random Walks in diskreter Zeit hergeleitet werden. 165 Aus diesem Grund soll ein einfaches Beispiel eines Random Walk in diskreter Zeit mit diskreten Variablen vorgestellt werden. Es besteht beim Wurf einer Münze jeweils die gleiche Chance, „Kopf“ oder „Zahl“ zu erhalten. Es liegt also jeweils eine fünfzigprozentige Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des Ereignisses „Zahl“ oder „Kopf“ vor. Die Regeln des Münzspiels besagen, dass beim jedem Münzwurf der Spieler bei Erscheinen von „Kopf“ genau 1 € gewinnt oder der Spieler bei Erscheinen von „Zahl“ genau 1 € verliert. Die einzelnen Würfe der Münze können dementsprechend durch die Zufallsvariable dargestellt werden. Jeder Spieler beginnt mit dem Startwert . Unter der Annahme, dass alle Würfe unabhängig voneinander stattfinden, kann die Entwicklung der Zufallsvariablen durch folgende Gleichung beschrieben werden: wobei ; mit . (2.32) wobei eine Zufallsvariable mit der Wahrscheinlichkeit und dem Zeithorizont darstellt. Ein Zufallsprozess gemäß dem vorgestellten Beispiel, lässt sich mit Hilfe eines Binomialbaums (siehe Abb. 62) darstellen. 165 Die Herleitung des Wiener-Prozess orientiert sich erstrangig an Hull (2009) und Dixit/ Pindyk (1994), eine alternative Herleitungen durch Hilbert-Raum-Methoden siehe Steele (2001) <?page no="177"?> 178 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management Abb. 62: Binomialbaum Quelle: Eigene Darstellung Um die Entwicklung über den Gewinn und Verlust mehrerer Münzwürfe eines Spielers abzubilden, möchten wir nachfolgend 20 Münzwürfe simulieren. Tab. 7 zeigt den Verlauf einer möglichen Simulation im Zeitablauf. Dabei erkennt man, dass ein Random Walk in seiner Grundform neben positiven Werten ebenfalls negative Werte annehmen kann. Da die Kurse von Aktien von „Natur“ aus jedoch keine negativen Werte annehmen können, eignet sich diese diskrete Form zwangsläufig nicht, um deren Entwicklung adäquat zu beschreiben. t 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Kopf oder Zahl Zahl (-1) Kopf (+1) Kopf (+1) Kopf (+1) Zahl (-1) Zahl (-1) Zahl (-1) Kopf (+1) Zahl (-1) Kopf (+1) GuV 0 -1 0 1 2 1 0 -1 0 -1 0 Tab. 7: Verlauf einer möglichen Simulation In der Simulation kann entsprechend Abb. 63 die Anzahl der Münzwürfe sowie die Anzahl der Random Walks beliebig verkleinert bzw. vergrößert werden. Wächst die Anzahl der simulierten Random Walks schnell stark an, so erkennt man gemäß Abb. 63 rasch einen sich rekombinierenden Binomialbaum. T 2 T 1 T 0 X 0 +2 h X 0 h X 0 X 0 + h X 0 +2 h P 3 q 3 P 2 p q q 2 2pq 3pq 2 3p 2 q <?page no="178"?> 2.5 Stochastische Prozesse im Portfolio Management 179 Abb. 63: Random Walk Quelle: Eigene Darstellung, MATLAB R2011b Um Rückschlüsse über die Verteilungseigenschaften der Zufallsvariable in unserem Münzspiel treffen zu können, ist es notwendig, dass wir die Eigenschaften der Differenzen von an zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Zeitpunkten betrachten. Die Differenzen der Zufallszahlen ergeben sich aus Formel (2.33) und werden in der Stochastik häufig als Inkremente bezeichnet. (2.33) Die Formel zur Berechnung der Inkremente erlaubt uns, Aussagen über den Erwartungswert und die Varianz der gleichförmig verteilten Zufallsvariablen zu treffen. Da im Rahmen unseres Münzspiels die Größe der Inkremente bereits zu Beginn des Experiments durch festgelegt wurde, ergeben sich der Erwartungswert und die Varianz dementsprechend aus: 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 -1 0 1 2 3 4 5 Anzahl der Münzwürfe Gewinn und Verlust 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 -15 -10 -5 0 5 10 15 Anzahl der Münzwürfe Gewinn und Verlust <?page no="179"?> 180 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management (2.34) (2.35) Da das Experiment über das mehrmalige Werfen einer Münze einen diskreten Zufallsprozess (engl. discrete random walk) darstellt, möchten wir dieses Beispiel als Grundlage nutzen, um einen diskreten Random Walk durch einige Änderungen und Anpassungen zu einem stetigen Prozess zu überführen, welcher die Eigenschaften einer Brownschen Bewegung bzw. eines Wiener-Prozesses aufweist. Dazu sind jedoch einige Schritte notwendig, die nachfolgend dargestellt werden sollen. Bisher gingen wir bei unserem Experiment davon aus, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit über den Gewinn von einem Euro der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Verlustes von einem Euro entspricht und somit eine gleichförmige Verteilung vorliegt. 166 Diese Annahme möchten wir nun widerlegen, indem wir zukünftig von einer Normalverteilung der Inkremente ausgehen werden. (2.36) Um einen diskreten Random Walk über den Grenzübergang in einen stetigen Prozess zu überführen, ist es zunächst notwendig, das betrachtete Intervall T [a,b] in gleich große Teile einzuteilen. Durch die sukzessive Verkleinerung der Schrittweiten verkleinern sich auch die Inkremente , wodurch die Folge gegen Null konvergiert. Dies führt dazu, dass n beständig zunimmt und gegen unendlich strebt . Dieser Vorgang überführt den diskreten Random Walk über den Grenzübergang in einen stetigen Prozess. Der Grenzübergang ist definiert durch: (2.37) Dabei definieren wir als (2.38) was beim Grenzübergang konstant bleibt. Für den Erwartungswert und die Varianz ergibt sich: (2.39) 166 Siehe Formel (2.23) <?page no="180"?> 2.5 Stochastische Prozesse im Portfolio Management 181 Beim Grenzübergang und besteht jedoch das Problem, dass sich der Erwartungswert und die Varianz über die kumulierten Änderungen der Zufallsvariablen antizipativ verändern. Es erscheint darüber hinaus besonders problematisch, ein geeignetes Inkrement zu wählen, welches nahe am Grenzwert die erhofften Eigenschaften liefert. Aus Formel (2.34) wird deutlich, dass die Wahl von zunächst unbedeutend ist, da die Ermittlung des Erwartungswerts der Zufallsvariablen durch die Binomialverteilung stets Null ergibt. Spätestens jedoch bei der Ermittlung der Varianz gewinnt die Wahl von an signifikanter Bedeutung, um auch noch im Grenzwert sinnvoll definiert zu sein. Um am Grenzübergang dennoch die gewünschten Eigenschaften des Erwartungswertes und der Varianz für einen Übergang zu einem Wiener-Prozess zu gewährleisten, sollten die angeführten statistischen Größen von der Wahl von p, q, und unabhängig sein. Die gewünschten Eigenschaften können jedoch lediglich bei Erfüllung der nachfolgenden zwei notwendigen Bedingungen gewährleistet werden. Bedingung 1: (2.40) Bedingung 2: (2.41) Bedingung 1 kann durch Einsetzen in Formel (2.39) verifiziert werden. Aus Bedingung 1 folgt auch, dass x mit den Parametern selbst normverteilt ist. Darüber hinaus zeigt Bedingung 2 auf, dass die Zufallsvariable keine Korrelation aufweist und somit für alle Werte von an zwei willkürlich ausgewählten Zeitabschnitten ebenfalls keine Korrelation besteht, und damit die Werte von letztlich voneinander unabhängig sind. Daraus ergibt sich, dass eindeutig die Markov-Eigenschaft besitzt. (2.42) Ist für die Modellierung eines Wiener-Prozesses die notwendige Bedingung 2 erfüllt und sind die Zufallszahlen unabhängig voneinander verteilt, kann mit Hilfe des zentralen Grenzwertsatzes gezeigt werden, dass die Änderungen normalverteilt sind, sodass: und (2.43) Der in Formel (2.40) dargestellte Zusammenhang verdeutlicht die Abhängigkeit von und . Daraus kann eine weitere wichtige Eigenschaft eines Wiener-Prozesses geschlossen werden: Die Varianz über die Änderungen eines Wiener-Prozesses wächst proportional zum Zeithorizont T. Nimmt man also an, dass der aktuelle Wert einer Zufallsvariablen z bei 100 liegt und die zukünftige Wertänderung in einem Jahr durch die Standard-Normalverteilung 167 unterliegt der Standardnormalverteilung <?page no="181"?> 182 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management N(0,1) 168 beschrieben werden kann, ergibt sich die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Wertänderung der Zufallsvariablen z für T ganzzahlige Jahre aus der Summe von n Standard-Normalverteilungen mit dem Erwartungswert von 0 und einer Varianz von 1. Da die Zufallsvariable z einem Markov-Prozess folgt, gelten die jeweiligen Wahrscheinlichkeitsverteilungen als unabhängig voneinander. Da aus diesem Grund der Erwartungswert der Änderung der Variablen z über zwei Jahre immer noch 0 ist und die Varianz dieser Änderung 2, kann die Änderung der Variablen über zwei Jahre durch die Wahrscheinlichkeitsverteilung N(0,2) beschrieben werden. Dementsprechend beträgt die Standardabweichung für diesen Fall . Betrachtet man hingegen einen Zeitraum unter einem Jahr, zum Beispiel 3 Monate, ergibt sich analog aus dem soeben beschriebenen Zusammenhang eine Varianz von 2 = 0,25 sowie eine Standardabweichung von , da sich die Varianz der Änderung eines Jahres aus der Summe der Varianzen der Änderung aller 4 Quartale ergibt. 169 Allgemein gilt, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Änderung durch eine Normalverteilung mit den Parametern N(0,T) oder für einen sehr kurzen Zeitraum < 1 Jahr durch N(0, t) beschrieben werden kann. Es ist dabei zu beachten, dass lediglich die Varianzen, aber keinesfalls die Standardabweichungen additiv sind. 170 Aus der kontinuierlichen Verkleinerung der Schrittweiten aller relevanten Variablen ergibt sich ein stochastischer Prozess in Form einer Brownschen Bewegung als Grenzfall eines diskreten Random Walks. Der beschriebene Grenzübergang findet sich ebenfalls in der stochastischen Gleichung eines allgemeinen Wiener-Prozesses wieder. Abb. 64 zeigt mit der Erhöhung von n um den Faktor 100 eine zunehmende Verstetigung eines diskreten Zufallsprozesses. Abb. 64: Darstellung mehrerer Wiener-Prozesse W(t) durch unterschiedlich große N bzw. t Quelle: Eigene Darstellung, MATLAB R2011b 168 N(0,1) bezeichnet eine Standardnormalverteilung mit den Parametern N(μ, ) 169 Vgl. Hull (2009), S. 328 170 Vgl. Neftci (2008), S. 207 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 -1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 t z N=10 N=100 N=1000 <?page no="182"?> 2.5 Stochastische Prozesse im Portfolio Management 183 2.5.4 Der allgemeine Wiener-Prozess Ein allgemeiner Wiener-Prozess kann durch die in den vorherigen Abschnitten dargestellten Bedingungen und Eigenschaften der einzelnen Variablen nun wie folgt definiert werden: (2.44) wobei a und b Konstanten sind. Um ein tieferes Verständnis von Formel (2.44) und deren Zusammensetzung zu bekommen, werden wir uns zunächst mit den einzelnen Komponenten der Formel getrennt befassen. Wir betrachten zunächst alleinig den Term . (2.45) Aus Formel (2.45) geht also hervor, dass die zeitliche Änderung von x konstant ist, d.h. (2.46) Diese Differentialgleichung kann nach der Zeit integriert werden. Die analytische Lösung der Differentialgleichung ergibt sich wie folgt: (2.47) In diesem Fall stellt den Startwert zum Zeitpunkt 0 dar, welcher kontinuierlich um den Betrag anwächst, um in einem Zeitraum T auf einen Wert von anzuwachsen. stellt in diesem Zusammenhang die durchschnittliche Abweichung pro Zeiteinheit dar und wird häufig auch als erwartete Driftrate, oder einfach als Drift bezeichnet. Abb. 65: Allgemeiner Wiener-Prozess mit a = 0,8 und b = 1,2 t Quelle: Eigene Darstellung, MATLAB R2011b 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 -2 -1 0 1 2 3 t z dz dx = a dt + b dz dx=a dt <?page no="183"?> 184 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management Abb. 65 zeigt in diesem Zusammenhang nochmals die lineare Abhängigkeit zwischen erwarteten Drift und Zeitintervall auf. Der in Abschnitt 2.5.3 dargestellte Grenzübergang von für wird in Formel (2.44) und (2.45) durch die Notation beschrieben. In diesem Fall kann als Wiener-Prozess bezeichnet werden, da die Eigenschaften aus Formel (2.40) für den Grenzübergang besitzt. 171 Abb. 65 veranschaulicht unterschiedliche Verläufe der Variablen in Abhängigkeit von . Obwohl alle drei Entwicklungen von eigenständige mögliche Realisationen eines Random Walks darstellen, erkennt man, inwiefern sich die Ausprägungen der einzelnen Kurse durch eine Veränderung von entwickeln. Besonders der zunehmende „gezackte“ Verlauf der stochastischen Prozesse ab einem Parameter von erscheint dabei auffällig. Der Grund für diesen außergewöhnlichen Verlauf findet sich in Formel (2.40) wieder, da die Größe der Veränderung im Zeitraum in einer proportionalen Abhängigkeit zu steht. Strebt nun gegen 0, ergeben sich aus der Eigenschaft der Wurzel aus deutlich größere Änderungen als . 172 Der übriggebliebene Term kann als zusätzliche Streuung um den Drift im Zeitraum T interpretiert werden, wobei in diesem Zusammenhang die Varianz pro Zeiteinheit darstellt. Die Höhe dieser Interferenz wird häufig als Produkt eines Wiener- Prozesses und der Konstante angegeben. Da ein Wiener-Prozess eine Standardabweichung von Eins besitzt, ergibt sich die Standardabweichung eines Wiener- Prozesses dementsprechend als ein Vielfaches von . Für ein kleines Zeitintervall lassen sich die Änderungen von durch die Formeln aus (2.40) und (2.44) wie folgt umformen: (2.48) Da die Zufallsvariable der Standardnormalverteilung unterliegt, ist auch normalverteilt. Dadurch ergeben sich die nachfolgenden statistischen Größen als: (2.49) Die Änderungen der Werte von in einem beliebigen Zeitintervall ergeben entsprechend eine Normalverteilung mit (2.50) 2.5.5 Zusammenfassung und wichtige Eigenschaften eines Wiener- Prozesses Ein stochastischer Prozess stellt einen allgemeinen Wiener-Prozess (vgl. Brownsche Bewegung) dar, falls alle formalen Bedingungen der drei nachfolgenden Eigenschaften erfüllt sind: 171 Vgl. Hull (2009), S. 329 172 Vgl. Hull (2009), S. 328 <?page no="184"?> 2.5 Stochastische Prozesse im Portfolio Management 185 Eigenschaft 1 Der Startwert W 0 ist Null mit einer Wahrscheinlichkeit von Eins. Eigenschaft 2 Ein stochastischer Prozess folgt einem Wiener-Prozess , sofern dieser stationäre und unabhängige Inkremente besitzt. „Stationär“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass dieselbe Verteilung besitzt wie . „Unabhängig“ bedeutet in diesem Fall, dass sich die Zufallsvariablen für jeden Zeitpunkt völlig unabhängig voneinander entwickeln. Dieser Zusammenhang charakterisiert unter anderem einen Markov-Prozess. Eigenschaft 3 Die Inkremente eines stochastischen Prozesses folgen einer Normalverteilung mit einer Varianz, die der Differenz der Argumente entspricht, . Es ist zu berücksichtigen, dass die Varianz der Inkremente nicht vom Zeitpunkt, sondern lediglich von der zeitlichen Differenz der Zuwächse abhängig ist. 173 Eine weitere Eigenschaft in Bezug auf die Differenzierbarkeit ist, dass ein Wiener- Prozess zwar an jeder beliebigen Stelle eine kontinuierliche und somit stetige Funktion darstellt, dennoch aber an keiner Stelle unmittelbar differenzierbar ist. Falls, hypothetisch gesprochen, eine Ableitung bestimmt werden könnte, wären risikolose Arbitrage- Gewinne möglich, da man durch die Ableitung die zukünftige Richtungsänderung einer Aktie bestimmen könnte. Darüber hinaus ist ein Wiener-Prozess ein Martingal, so dass der Erwartungswert eines zukünftigen Zeitpunkts stets alleinig vom aktuellen Erwartungswert abhängig ist. Es gilt: (2.51) 2.5.6 Der Wiener-Prozess und Aktienkurse Im nachfolgenden Abschnitt widmen wir uns nun einem stochastischen Prozess zur Beschreibung eines Kurses für eine dividendenlose Aktie. Auf Grund der ermittelten Eigenschaften eines Wiener-Prozesses liegt es nahe, den bereits vorgestellten Wiener- Prozess für die Modellierung von Aktienkursen heranzuziehen. Obwohl ein Wiener- Prozess eine konstante erwartete Driftrate und Varianzrate besitzt, müssen einige Änderungen an den Differentialgleichungen des Wiener-Prozesses vorgenommen werden. Man geht dabei davon aus, dass sich die Aktienkurse entlang einer erwarteten mittleren Rendite (engl. Drift oder Trend) bewegen, welche durch erratische Zufallsbewegungen (Volatilität) überlagert werden. Die Annahme eines konstanten Drifts erscheint lediglich auf den ersten Blick für eine hinreichende Modellierung eines Aktienkurses zuträglich. Da am Kapitalmarkt die Renditeforderung der Kapitalanleger in Form einer Marktrisikoprämie grundsätzlich unabhängig vom aktuellen Preis einer Aktie ist, erscheint die Verwendung eines konstanten Drifts eher unpassend. Beispielsweise werden Kapitalanleger eines bestimmten Unternehmens vor allem aus ökonomischen Gründen wie Gewinnerwartungen, Risi- 173 Vgl. Hassler (2007), S. 117 <?page no="185"?> 186 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management koeinschätzungen usw. eine erwartete Rendite von 12 % p.a. fordern. Auf Grund dieser Problematik sollte die Annahme an die Rahmenbedingungen des Kapitalmarkts angepasst werden, so dass die erwartete Rendite, die durch den Quotient aus erwartetem Drift und Aktienkurs beschrieben wird, im Zeitablauf konstant bleibt. In diesem Fall stellen die Inkremente entgegen einem allgemeinen Wiener-Prozess keine absoluten Größen, sondern normalverteilte relative Größen dar, die zum aktuellen Wert um die Driftrate μ schwanken. Dadurch entsteht die Formel der geometrischen Brownschen Bewegung in Form einer stochastischen Differentialgleichung: (2.52) Formel (2.52) beschreibt das Verhalten von relativen Kursänderungen einer Aktie, also der Rendite einer Aktie im Zeitablauf. Hierzu wird erneut auf die Notation aus den vorangegangenen Abschnitten zurückgegriffen und es werden die Input-Parameter als Drift und als Volatilität bezeichnet. H ULL (2009) führt ein abgewandeltes Modell zur Beschreibung von Aktienkursen für diskrete Zeitpunkte ein: (2.53) Soll nun im diskreten Modell der Aktienkurs zum Zeitpunkt bestimmt werden, erfolgt dies unter der Annahme, dass sich der Aktienkurs innerhalb eines kleinen Zeitintervalls durch ergibt, wobei den Erwartungswert der Rendite einer Aktie für ein Zeitintervall beschreibt. Da die Größe mit standardnormalverteilt ist, unterliegt der Trend der Aktienkurse einer stochastischen Streuung, sodass die Standardabweichung der Aktienrendite im Zeitintervall charakterisiert. Da sich die Varianz proportional im Zeitraum entwickelt, folgt aus Formel (2.49) und (2.52), dass mit dem Erwartungswert und der Standardabweichung normalverteilt ist. Vor diesem Hintergrund gilt: (2.54) Durch die gezielte mathematische Modellierung der geometrischen Brownschen Bewegung in Formel (2.50) können negative Aktienkursen ausgeschlossen und dadurch ein wesentlicher Vorteil für die Beschreibung von Finanzmarktdaten erzielt werden. Die geometrische Brownsche Bewegung liefert ebenfalls die Grundlage für das Black- Scholes-Modell zur Bewertung von Derivaten. 2.5.7 Die Integration lognormalverteilter Aktienkurse in das Modell Da es die Rahmenbedingungen an den Kapitalmärkten nicht zulassen, dass eine Aktie einen negativen Kurs annimmt, erscheint die Annahme einer Normalverteilung der Kursänderungen zur Modellierung von Entwicklungen an den Kapitalmarkt als nicht sinnvoll. Aus diesem Grund wird bei der Bildung von Finanzmarktmodellen angenommen, dass die Änderungen der Kurse stets lognormalverteilt sind. Mit anderen <?page no="186"?> 2.5 Stochastische Prozesse im Portfolio Management 187 Worten kann davon ausgegangen werden, dass die Änderungen der logarithmierten Kurse in diesem Fall normalverteilt sind. 174 Im Allgemeinen ist also eine Zufallsvariable lognormalverteilt, sofern der natürliche Logarithmus einer Variablen normalverteilt ist. 175 Auf Grundlage dieser Überlegungen kann nun mit Hilfe von Itos Lemma aus den stochastischen Differentialgleichungen des Wiener-Prozesses ein stochastischer Prozess hergeleitet werden, welcher einerseits dem Verhalten eines Wiener-Prozesses folgt und andererseits die Eigenschaften eines natürlichen Logarithmus besitzt. Dieser stochastische Prozess ergibt sich wie folgt: (2.55) Im Vergleich zur stochastischen Differentialgleichung aus Formel (2.50) wurde durch ersetzt, wobei beide Parameter und eine konstante Driftrate als auch Varianz besitzen, so dass die Gleichung aus Formel (2.54) mit einem allgemeinen Wiener-Prozess folgt. (2.56) Die Gleichung aus Formel (2.55) zeigt auf, dass die Änderung von zwischen zwei Zeitpunkten und normalverteilt mit dem Erwartungswert von und einer Varianz von ist. Fallstudie: Simulation Wiener-Prozess Nachfolgend soll der Kurs der Old Whiskey Corporation durch einen stochastischen Prozess, welcher dem Wiener-Prozess folgt, beschrieben werden. Für die letzten 250 Handelstage wurde eine mittlere Rendite der Aktie von 12 % p.a. ( ) und eine Varianz von 21 % p.a. ( ) bestimmt. Zum Zeitpunkt notierte die Aktie zu 100,00 €. t Kurs zum Zeitpunkt Zufälliger Wert von Änderung des Aktienkurses in % 100,00 € 1,1855 1,611 % 101,62 € -0,0955 -0,090 % 101,53 € 0,3410 0,489 % 102,03 € -0,2865 -0,344 % 101,68 € -0,5968 -0,756 % 174 Vgl. Dixit (1994), S. 64 175 Vgl. Hull (2009) S. 339 <?page no="187"?> 188 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management 100,91 € 0,1496 0,235 % 101,15 € 0,3735 0,533 % 101,69 € 1,4923 2,018 % 103,77 € -1,2668 -1,646 % 102,07 € -0,3674 -0,451 % 101,61 € -0,1435 -0,154 % Tab. 8: Methodik Tab. 8 ergibt sich wie folgt: Gegegeben sind und = 101,68 (2.57) Abb. 66 stellt aufgrund der Methodik aus Tab. 8 einen möglichen Simulationsverlauf der Old Whiskey Corporation dar. <?page no="188"?> 2.5 Stochastische Prozesse im Portfolio Management 189 Abb. 66: Simulation der Old Whiskey Corporation über N = 25 Tage 2.5.8 Die Monte-Carlo-Simulation In diesem Abschnitt soll mit den Erläuterungen zur Monte-Carlo-Simulation die Aufmerksamkeit des Lesers auf ein wichtiges Anwendungsgebiet von stochastischen Prozessen gelenkt werden. Neben der Einführung in die allgemeine Methodik sollen ebenfalls die verschiedenen Anwendungsbereiche von Monte-Carlo-Simulationen dem Leser eine fundierte Einführung in das Thema geben. Der Begriff Monte-Carlo-Methode bezieht sich nicht auf einen spezifischen Algorithmus, sondern verkörpert vielmehr eine Gruppe numerischer Methoden, die durch die Erzeugung von Zufallszahlen sich einer Lösung approximativ annähern. 176 Die Monte-Carlo-Simulation findet neben den Naturwissenschaften vor allem in den Wirtschaftswissenschaften einen breiten Anwendungsbereich. Im Prinzip dient die Monte- Carlo-Methode zur Schätzung statistischer Größen einer Zufallsvariablen X, wie z.B. Erwartungswert und Varianz. Dies geschieht in der Praxis häufig durch die Simulation voneinander unabhängiger Zufallsexperimente. 177 Besonders in der Finanzwirtschaft ist die Monte-Carlo-Simulation ein beliebtes Verfahren zur Beschreibung von stochastischen Prozessen in Abhängigkeit von der Zeit. 178 Da der Eintritt von Prognosen am Kapitalmarkt unweigerlich mit Unsicherheit behaftet ist, erlaubt uns die Monte-Carlo- Methode durch den Einsatz stochastischer Verfahren, eine Aussage über die zukünftige Wahrscheinlichkeitsverteilung von Risikofaktoren zu treffen. 179 Diese Tatsache motiviert die Berechnung des zuvor erläuterten Value at Risk durch die Monte-Carlo- Methode. 176 Vgl. Theis/ Kernbichler (2002), S. 2 ff. 177 Vgl. Grüne (2011), S. 37 178 Vgl. Hull (2009), S. 335 179 Vgl. Maier (2007), S. 283 <?page no="189"?> 190 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management In Abschnitt 2.5.3 ff. haben wir bereits den Wiener-Prozess bzw. die geometrische Brownsche Bewegung zur Modellierung von möglichen Aktienkursentwicklungen kennengelernt. Da die bereits erläuterten Konzepte aus den vorangegangenen Abschnitten explizit die Modellierung von Unsicherheit zulassen, stellen stochastische Prozesse in Verbindung mit Monte-Carlo-Methoden die fundamentale Grundlage für die Bewertung von derivativen Finanzinstrumenten (engl. asset pricing) dar. Einige weitere Anwendungen der Monte-Carlo-Methode finden sich in der Mathematik, hauptsächlich in der näherungsweisen Bestimmung von nicht lösbaren Integralen, der numerischen Bestimmung von Naturkonstanten wie z.B. (Pi) oder bei der Optimierung von stochastischen Problemen. 180 Der grundsätzliche Ablauf von Monte-Carlo-Simulationen kann unabhängig vom zugrundeliegenden mathematischen bzw. stochastischen Modell durch folgende Schritte beschrieben werden. [1] Schritt: Festlegung des zugrundeliegenden deterministischen oder stochastischen Modells der Monte-Carlo-Simulation. Sollen zum Beispiel Aktienkurse analysiert werden, greift man auf die geometrische Brownsche Bewegung zurück (siehe Wiener-Prozess). [2] Schritt: Generierung von Zufallszahlen und Einspeisung in das stochastische Modell. Bei der Erzeugung von Zufallszahlen kann hier je nach Annahme und Einsatzzweck des verwendeten stochastischen Modells auf unterschiedliche Verteilungen (Normalverteilung, Student-Verteilung, t-Verteilung) zurückgegriffen werden. [3] Schritt: Ermittlung der temporären Zustände im Zeitablauf Soll zum Beispiel eine mögliche Entwicklung einer Aktie über 25 Perioden (Tage, Monate, Jahre) berechnet werden, so setzt dies voraus, für jede Periode den Kurs der Aktie zu ermitteln. [4] Schritt: Wiederholung der Schritte 1 bis 3, bis eine ausreichende Anzahl an Simulationen vorhanden ist, um eine empirisch fundierte Aussage über die Wahrscheinlichkeitsverteilung bzw. Dichte zuzulassen. Siehe analog dazu Abb. 67. Abb. 67: Allgemeine Schritte einer Monte-Carlo-Simulation Quelle: Eigene Darstellung Die grundlegende praktische Vorgehensweise der Monte-Carlo-Simulation begegnete uns zuvor schon einmal. Aus diesem Grund wurde an dieser Stelle auf ein Beispiel aus der Praxis gezielt verzichtet, da dies schon in umfassender Weise zur Value-at-Risk- Berechnung erläutert wurde. 180 Vgl. Beucher (2007), S. 139 <?page no="190"?> 2.5 Stochastische Prozesse im Portfolio Management 191 2.5.9 Die Modellierung stochastischer Prozesse in EXCEL Im Anschluss möchten wir nun die zuvor vermittelten theoretischen Grundlagen stochastischer Prozesse im Rahmen der praktischen Umsetzung in EXCEL vertiefen. Hierbei soll die Kursentwicklung einer Aktie auf Grundlage eines Wiener-Prozesses in EXCEL simuliert werden. Um einen stochastischen Prozess, der einer geometrischen Brownschen Bewegung folgt, unter der Annahme von lognormalverteilten Änderungen der Kurse zu simulieren, benötigt man folgende Informationen: einen Startwert, eine konstante Rendite, oftmals in der Fachliteratur auch als Driftrate oder Trendfaktor beschrieben, eine historische Volatilität der Zufallsvariablen, eine festgelegte Periodenlänge und normalverteilte Zufallszahlen. Ausgehend von Formel (2.55) sind zur Bestimmung eines jeden neuen Wertes innerhalb des stochastischen Prozesses drei grundlegende Elemente erforderlich: der Logarithmus des Endwerts der Vorperiode der konstante Trendfaktor der Zufallseinfluss Dies soll anhand des folgenden, im Tabellenblatt Simulation Aktie dargestellten Beispiels veranschaulicht werden. Ziel des Beispiels ist es, ein Financial Model zu erstellen, welches die Entwicklung eines Aktienkurses für die nächsten 25 Tagen (Perioden) darstellt. Die Aktie im Beispiel notiert zu Beginn bei 100,00 € (Startwert). Abb. 68 zeigt den grundlegenden Aufbau des Financial Models. Abb. 68: Excel-Datei „Fallstudien_Kapitel_2_SimulationAktie“ Schritt 1: Festlegung der Ausgangsparameter Die Inputparameter können stets den jeweiligen Rahmenbedingungen eines Finanzinstruments angepasst werden. Die Ausgangsparameter gelten jedoch als statisch und <?page no="191"?> 192 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management sollten demnach nicht verändert werden, da diese lediglich in Abhängigkeit der Inputparameter berechnet werden. Diese werden im Financial Model in „Orange“ dargestellt. Inhalt EXCEL-Umsetzung Startwert =C5 Drift p.a. =C6 Volatilität p.a. =C7 Skalierung in Tagen =C8 täglicher Drift =LN(1+C6)/ C8 tägliche Volatilität =C7/ (WURZEL(C8)) konstanter Drift =C9-0,5*(C10^2) Tab. 9: Festlegung der Ausgangsparameter in EXCEL Schritt 2: Ableitung des Aktienkurses Die Entwicklung des Aktienkurses über die betrachteten 25 Tage (Perioden) in den Zellen C16 bis C41 wird nachfolgend exemplarisch anhand einer Periode (C17) dargestellt. Tab. 10 gibt hierzu wichtige Hinweise. Positionen Inhalt EXCEL-Umsetzung D17 Zufallszahl in Periode 1 =NORMINV(ZUFALLSZAHL(); 0; 1) E17 Die Log-Rendite der Veränderung =$C$11+D17*$C$10 C17 Aktienkurs nach einer Periode =C16*(EXP(E16)) Tab. 10: Ableitung des Aktienkurses in EXCEL Da der stochastische Prozess als Entwicklung von Log-Preisen dargestellt wird, muss der vorzugebende Trendfaktor in eine stetige Rendite, d.h. in umgeformt werden. Im EXCEL-Beispiel wurden als Periodenlänge 250 Handelstage unterstellt, da die zu Beginn des Beispiels gegebenen Parameter auf der Grundlage der letzten 250 Handelstage berechnet wurden. Aus diesem Grund wird die jährliche Rendite anschließend durch 250 geteilt, um einen adjustierten Tageswert zu erhalten. Ohne die Integration der Zufallseinflüsse in das Financial Model ergibt sich bei einem Anfangswert von nach 250 Perioden ein Endwert von , der genau der vorgegebenen Rendite entspricht. Auch die Zufallszahl muss ähnlich skaliert werden, um aus der vorzugebenden Volatilität eine Größe auf Tagesbasis zu erhalten. Der multiplikative Skalierungsfaktor ist in Zelle C10 abgelegt. In Spalte E findet sich die Addition des adjustierten Trendfaktors mit der skalierten Zufallszahl. Die Summe der spezifizierten Bestandteile des stochastischen Prozesses ergibt den logarithmierten Kurs einer Periode. Um anstelle eines logarithmierten Preises einer Aktie einen absolu- <?page no="192"?> 2.6 Schlussbetrachtung 193 ten Kurs zu erhalten, muss dieser noch durch die Anwendung der Umkehrfunktion ( - Funktion) angepasst werden. Dadurch erhält man einen simulierten absoluten Kurs. Durch Drücken der F9-Taste auf der Tastatur lassen sich immer wieder neue, zufallsbedingte Kursverläufe reproduzieren. Wie die Simulationen veranschaulichen, kann bei einer im Verhältnis zur konstanten Rendite hohen Volatilität der Zufallseinflüsse die Kursentwicklung erheblich vom vorgegebenen Trend abweichen. 2.6 Schlussbetrachtung Die Matrizenrechnung stellt mit ihren Rechenoperationen eine fundamentale Grundlage für die Portfoliooptimierung und die praktische Umsetzung des Portfolio Managements dar. Diese Tatsache spiegelt sich bei genauerer Betrachtung ebenfalls in den mathematischen Ausführungen der Portfolio-Selection-Theorie und anderen Portfoliomodellen wider. In diesem Kapitel wird deutlich, dass der Umgang mit Matrizen und Vektoren nahezu unabdingbar im heutigen quantitativen Portfolio Management ist. Die Mathematik fungiert in Form der Matrizen- und Vektorrechnung als Bindeglied innerhalb der Finanzwirtschaft, um komplexe wirtschaftswissenschaftliche Vorgänge mit Hilfe der höheren Mathematik abzubilden, übersichtlich darzustellen und abstrakte portfoliotheoretische Probleme und Sachverhalte zu lösen. Die Anwendung der Matrizenrechnung erlaubt mit der Berechnung der Varianz-Kovarianz-Matrix den Vergleich von einer beliebigen Anzahl an Anlagealternativen. Aus diesem Grund sollte die Bedeutung der dargestellten mathematischen Grundlagen keinesfalls unterschätzt werden. Aufgrund der einfachen Methodik des Erwartungswert-Varianz-Ansatzes geraten die zugrundeliegenden Konzepte der mathematischen Optimierung jedoch oftmals in Vergessenheit. Die Pioniere des Operations Research gelten in diesem Zusammenhang als Triebfeder für die Forschung und Entwicklung leistungsfähiger Algorithmen zur Lösung von zahlreichen Optimierungsproblemen, sodass aufgrund der Schnittmenge der zu lösenden Sachverhalte die Verfahren des Operations Research auch interdisziplinäre Anwendung im Portfolio Management fanden. Sowohl bei der Portfoliooptimierung als auch bei den Methoden des Operations Research steht die Erarbeitung einer „optimalen“ Lösung im Vordergrund. Im Rahmen von Optimierungsmodellen widmet man sich also grundsätzlich der Frage, wie ein Entscheidungsproblem durch die Auswahl von mehreren Handlungsalternativen optimal, d.h. nach der Vorstellung des Entscheidungsträgers, entschieden werden kann. Vor diesem Hintergrund zeigt sich die Verbindung zur verwandten Entscheidungstheorie. Die jeweilige Unterteilung der einzelnen Optimierungsprobleme gelangt zu einem weiteren kritischen Punkt im Portfolio Management, der Unsicherheit zugrunde gelegter Parameter. Diese Problematik wird vorrangig durch eine Anpassung der Parameter oder gar durch die Anpassung der verwendeten Verfahren gelöst. In diesem Zusammenhang entstand neben der stochastischen und robusten Optimierung auch die dynamische Optimierung. Einen weiteren Erklärungsansatz zur Berücksichtigung von Unsicherheit liefern uns die stochastischen Prozesse, die sich maßgeblich bei der Verwendung von Monte-Carlo-Simulationen wiederfinden. Die in diesem Kapitel erläuterten Methoden eröffnen dem interessierten Leser für die zugrundeliegenden Konzepte der Portfoliooptimierung ein tieferes mathematisches Verständnis. <?page no="193"?> 194 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management 2.7 Zusammenfassung Am Ende dieses Kapitels soll dem Leser durch die nachstehende Zusammenfassung die Gelegenheit gegeben werden, die wesentlichen Ansätze und Vorgehensweisen der letzten Abschnitte nochmals kurz zu wiederholen. Im Rahmen dieses Kapitels wurden dem Leser folgende Zusammenhänge vermittelt: Matrizen verkörpern eine quadratische oder rechteckige Anordnung von Elementen. Vektoren bilden eine Sonderform von Matrizen und begegnen uns häufig als Spalten- oder Zeilenvektoren. Im Rahmen des Portfolio Managements nehmen Matrizen und Vektoren beispielsweise erwartete Renditen, Varianzen, Volatilitäten oder Kovarianzen auf. Neben der Addition und Subtraktion von Matrizen und Vektoren stellt die Multiplikation eine der gebräuchlichsten Rechenformen der Matrizenrechnung im Portfolio Management dar. Bei der Multiplikation von Matrizen und Vektoren sollte die Reihenfolge der einzelnen Elemente zwingend beachtet werden. In diesem Zusammenhang ist es für die Multiplikation von zwei Matrizen in der Reihenfolge AB notwendig, dass die Anzahl der Spalten der ersten Matrix grundsätzlich der Anzahl der Zeilen der zweiten Matrix entspricht. Bei der Multiplikation der beiden Matrizen in der Reihenfolge BA sollte umgekehrt die Anzahl der Zeilen der ersten Matrix der Anzahl der Spalten der zweiten Matrix entsprechen. Eine Division von Matrizen ist grundsätzlich nicht möglich, da diese Rechenoperationen in der abgegrenzten Welt von Matrizen nicht erklärt und somit nicht durchführbar sind. Die praktische Anwendung der Matrizenrechnung in Microsoft EXCEL erfolgt maßgeblich auf der Grundlage sogenannter Arrayformeln. Wichtige Bestandteile stellen die EXCEL-Funktionen =TRANSPOSE() und =MTRANS() beim Transponieren von Matrizen und Vektoren dar. Die Multiplikation von Matrizen und Vektoren werden in Microsoft EXCEL mit Hilfe der Funktionen =MMULT() und =SUMMENPRODUKT() durchgeführt. Die Inversion einer Matrix kann in Microsoft EXCEL darüber hinaus durch die Funktion =MINV() umgesetzt werden. Das Operations Research beschäftigt sich einerseits mit der Analyse von praxisnahen Problemstellungen, die im Rahmen von Planungsprozessen bei der Auswahl von Alternativen auftreten können, andererseits aber auch mit der Entwicklung und Anwendung quantitativer Methoden bei der Lösung der voranstehenden Optimierungsproblematik. Das Operations Research stellt, obgleich es eine vergleichsweise junge wirtschaftswissenschaftliche Disziplin ist, dem Portfolio Management sowie angrenzenden Forschungsgebieten in ihrer jeweiligen Schnittmenge äquivalente Lösungsverfahren und -algorithmen zur Lösung von unterschiedlichen Optimierungsproblemen zur Verfügung. Im Allgemeinen lassen sich die verschiedenen Optimierungsprobleme hinsichtlich ihres Informationsgrades, der Anzahl an Zielfunktionen und abhängigen Entscheidungsvariablen, der Effizienzkriterien, der Strukturen innerhalb der Zielfunktion(en) und Nebenbedingungen und deren Lösbarkeit unterscheiden. <?page no="194"?> 2.7 Zusammenfassung 195 Die gängigen Optimierungsprobleme, die dem Leser im Kontext des Portfolio Managements begegnen, können in lineare und nicht-lineare Optimierungsprobleme sowie Optimierungsprobleme unter Unsicherheit gegliedert werden. Ein Algorithmus zur Lösung eines Optimierungsproblems versucht idealerweise, ein globales Minimum oder Maximum einer zugrundliegenden Funktion zu bestimmen. In der Regel beschränkt sich der Algorithmus jedoch aufgrund der Komplexität einiger Optimierungsprobleme auf die Ermittlung eines lokalen Minimums oder Maximums. Die erfolgreiche Lösung eines Optimierungsproblems setzt generell eine hinreichende „Minimal-Struktur“ voraus, da die gängigen Lösungsalgorithmen auf die Eigenschaft der Konvexität zurückgreifen. Optimierungsprobleme mit einer konvexen zugrundeliegenden Funktion besitzen grundsätzlich höchstens eine Minimal- oder Maximalstelle. Die Verfahren der stochastischen Optimierung stellen neben der robusten Optimierung in ihrer Grundform stochastische Erweiterungen der zuvor vorgestellten Optimierungsprobleme dar, mit denen die Unsicherheit unterschiedlicher Parameter berücksichtigt werden kann. Die dynamische Optimierung erweitert die Modelle der mehrstufigen stochastischen Optimierung. Bei der dynamischen Optimierung wird die sequentielle, also schrittweise, Lösung eines mehrstufigen Entscheidungsproblems bevorzugt, anstatt das Optimierungsproblem auf einmal zu lösen. Ein stochastischer Prozess stellt als Erweiterung der Wahrscheinlichkeitstheorie die mathematische Beschreibung von zeitlich geordneten und zugleich zufälligen Vorgängen dar. Im Allgemeinen beschreibt ein Zufallsprozess das Verhalten einer oder mehrere Zufallsvariablen in Abhängigkeit von einem oder mehreren Parametern, wie z.B. Zeit, Rendite und Volatilität. Ein stochastischer Prozess kann auf Grundlage seiner zeitlichen Komponente und der Eigenschaften der zugrundeliegenden Zufallsvariablen in stochastische Prozesse in diskreter oder stetiger Zeit mit diskreten oder stetigen Zufallsvariablen eingeordnet werden. Es wird zwischen den Begriffen Random Walk, Wiener-Prozess und geometrische Bewegung unterschieden. Die Markov-Eigenschaft und die Ito-Prozesse stellen wichtige Bestandteile stochastischer Prozesse dar. Die Monte-Carlo-Simulation bezieht sich nicht auf einen spezifischen Algorithmus, sondern verkörpert vielmehr eine Gruppe numerischer Methoden, die sich durch die Erzeugung von Zufallszahlen einer Lösung approximativ annähern. Insbesondere bei der Berechnung des VaR und beim Pricing von Optionen wird auf die Monte-Carlo-Simulation zurückgegriffen. <?page no="195"?> 196 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management 2.8 Fragen zu Kapitel 2 Frage (1) Die Rechenoperationen der Matrizenrechnung stellen eine fundamentale Grundlage für das Verständnis von Portfoliomodellen dar. Wahr Falsch Frage (2) Folgende zwei Matrizen D und E sind gegeben: E: Die Matrizenmultiplikation der Matrizen D und E ergibt folgende Matrix F: F: Wahr Falsch Frage (3) Matrizen und Vektoren können in beliebiger Reihenfolge multipliziert werden. Wahr Falsch Frage (4) Folgende zwei Matrizen D und E sind gegeben: D: E: Die Matrizenmultiplikation der Matrix D und E ergibt folgende Matrix F: F: Wahr Falsch Frage (5) In der Welt der Matrizenrechnung tritt das Prinzip einer inversen Matrix an die Stelle der Division. Wahr Falsch <?page no="196"?> 2.8 Fragen zu Kapitel 2 197 Frage (6) Beim Transponieren von Matrizen und Vektoren wird das ursprüngliche Format grundsätzlich beibehalten. Wahr Falsch Frage (7) Unter Random Walk ist ein Verlauf zu verstehen, bei dem künftige Veränderungen oder Richtungen nicht auf der Grundlage bisheriger Abläufe prognostiziert werden können. Wahr Falsch Frage (8) Ein Random Walk kann nicht mithilfe von Zufallsvariablen simuliert werden. Wahr Falsch Frage (9) Zur Simulation eines Random Walk benötigt man: einen Startwert, eine konstante Rendite (Trendfaktor), die Volatilität der Zufallsvariablen, eine Festlegung der Periodenlänge und Zufallszahlen Wahr Falsch Frage (10) Folgende Informationen sind gegeben. Berechnen Sie den skalierten Trend: Kursdrift p.a.: 0,05 Annualisierung: 12 Der skalierte Trend beträgt: 0,008066 Wahr Falsch <?page no="197"?> 198 2 Mathematische Grundlagen im Portfolio Management Frage (11) Folgende Informationen sind gegeben. Berechnen Sie die skalierte Volatilität: Volatilität Residuum p.a.: 0,25 Annualisierung: 12 Die skalierte Volatilität beträgt: 0,069830 Wahr Falsch Frage (12) Folgende Informationen sind gegeben. Berechnen Sie den Kurs für die nächste Periode: Kurs Startwert: 100 skalierter Trend: 0,004066 skalierte Volatilität: 0,072169 Zufallszahl: 0,466379 Der Kurs gemäß Random Walk beträgt in der nächsten Periode: 103,84 Wahr Falsch Frage (13) Die Verwendung von Log-Renditen erleichtert Renditeberechnungen, weil dabei arithmetische Summen anstelle von Produktsummen benutzt werden können. Wahr Falsch Frage (14) In einem Random Walk schwankt die Rendite um ein (langfristiges) Mittel, wobei die Abweichungen zufällig sind. Je nach der Schwankungsbreite der zufälligen Abweichungen kann die realisierte Entwicklung im Zeitablauf deutlich vom zu erwartenden, durch das Mittel bestimmten Wachstumspfad abweichen. Wahr Falsch Frage (15) Die mathematische Optimierung kann im Allgemeinen als ein Prozess beschrieben werden, bei dem aus einer Vielzahl an berechneten Werten, stets diejenigen Werte gefunden werden sollen, die ein zuvor festgelegtes Ziel im Sinne einer Minimierung oder Maximierung optimieren. Wahr Falsch <?page no="198"?> 2.8 Fragen zu Kapitel 2 199 Frage (16) Im Allgemeinen kann die Optimierung als ein Prozess beschrieben werden, bei dem aus einer Vielzahl an berechneten Werten, stets diejenigen Werte gefunden werden sollen, die ein zuvor festgelegtes Ziel im Sinne einer Minimierung oder Maximierung optimieren. Wahr Falsch Frage (17) Ein Optimierungsproblem besteht grundsätzlich aus einer Zielfunktion, Entscheidungsvariablen und Nebenbedingungen. Wahr Falsch Frage (18) Der ursprüngliche Erwartungswert-Varianz-Ansatz nach Markowitz spiegelt ein lineares Optimierungsproblem wider. Wahr Falsch Frage (19) Quadratische Optimierungsprobleme finden sich vorrangig bei der Nachbildung von Marktindizes im Rahmen des Index Trackings wieder. Wahr Falsch Frage (20) Die unterschiedlichen Optimierungsprobleme klassifiziert man auf Grundlage ihrer dazugehörigen Lösungsalgorithmen. Wahr Falsch <?page no="199"?> Literaturverzeichnis zu Kapitel 2 Arens, T., Hettlich, F., Karpfinger, C., Kockelkorn, U., Lichtenegger, K., & Stachel, H. (2008). Mathematik (1. Ausg.). Spektrum Akademischer-Verlag. Beucher, O. (2007). Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik mit MATLAB. Springer-Verlag. Cornuejols, G., & Tütüncü, R. (2007). Optimization Methods in Finance. England: Cambridge University Press. Cramer, E., & Kamps, U. (2007). Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik. Springer- Verlag. Dixit, A. K., & Pindyck, R. S. (1994). Investment under Uncertainty. Princeton University Press. Domschke, W., & Drexl, A. (2004). Einführung in Operations Research (6. Ausg.). Springer-Verlag. Fabozzi, F. J., Kolm, P. N., Pachamanova, D. A., & Focardi, S. M. (2007). Robust Portfolio Optimization and Management. New Jersey: John Wiley & Sons. Fusai, G., & Roncoroni, A. (2008). Implementing Models in Quantitative Finance: Methods and Cases. Springer. Fylstra, D. (2008). Introducing Convex and Conic Optimization for the Quantitative Finance Professional. WILMOTT magazine, 18-22. Gohout, W. (2009). Operations Research (4. Ausg.). Oldenbourg-Verlag. Hassler, U. (2007). Stochastische Integration und Zeitreihenmodellierung - Eine Einführung mit Anwendungen aus Finanzierung und Ökonometrie. Springer-Verlag. Hull, J. C. (2007). Optionen, Futures und andere Derivate. Pearson. Jarre, F., & Stoer, J. (2004). Optimierung. Springer-Verlag. Kemp, M. (2011). Extreme Events - Robust Portfolio Construction in the Presence of Fat Tails. Wiley & Sons. Korn, R., & Korn, E. (1999). Optionsbewertung und Portfolio-Optimierung. Gabler-Verlag. Maier, K. M. (2007). Risikomanagement im Immobilien- und Finanzwesen (3. Ausg.). Fritz-Knapp Verlag. Maringer, D. G. (2010). Portfolio Management with Heuristic Optimization (Advances in Computational Management Science) . Springer-US-Verlag. Mayer, C., & Weber, C. (2007). Lineare Algebra für Wirtschaftswissenschaftler (2. Ausg.). Mannheim: Gabler-Verlag. Neftci, S. N. (2008). Principles of Financial Engineering (2. Ausg.). Elsevier. Poddig, T., Brinkmann, U., & Katharina, S. (2009). Portfolio Management: Konzepte und Strategien. Bad Soden: Uhlenbruch. Slawig, T. (2010). Einführung in die Optimierung. Kiel: Universität Kiel. Sperber, H., & Sprink, J. (2007). Internationale Wirtschaft und Finanzen. Oldenbourg-Verlag. Steele, M. (2001). Stochastic Calculus and Financial Applications. Springer Verlag. <?page no="200"?> zu Kapitel 2 201 Theis, C., & Kernbichler, W. (2002). Grundlagen der Monte Carlo Methoden. Inst. für Theoretische Physik TU-Graz. Tütüncü, R. (2003). Optimization in Finance. Werners, B. (2006). Grundlagen des Operations Research. Springer-Verlag. Wewel, M. C. (2006). Statistik im Bachelor-Studium der BWL und VWL - Methoden, Anwendung, Interpretation (2. Ausg.). Pearson-Verlag. Yu, L.-Y., Ji, X.-D., & Wang, S.-Y. (2003). Stochastic Programming Models in Financial Optimization: A Survey. <?page no="202"?> Inhaltsübersicht Kapitel 3 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie ............................................. 204 3.1 Die Grundlagen der modernen Portfoliotheorie ..................................................... 205 3.1.1 Die Annahmen der modernen Portfoliotheorie .......................................... 207 3.1.2 Die Bestimmung des Portfoliorisikos im 2-Anlagen Fall ........................... 209 3.1.3 Der Diversifikationseffekt und die Effizienzkurve eines Portfolios ........ 214 3.2 Die Bestimmung des Portfoliorisikos im N-Anlagen Fall ...................................... 219 3.3 Die Auswahl eines optimalen Portfolios ................................................................... 224 3.3.1 Der „rationale“ Investor .................................................................................. 224 3.3.2 Nutzenfunktionen und Indifferenzkurven ................................................... 228 3.3.3 Auswirkung des Risikoaversionsparameters auf die Indifferenzkurve .... 230 3.3.4 Auswahl eines optimalen Portfolios .............................................................. 231 3.4 Die Kapitalmarktlinie und die Auswahl eines Portfolios........................................ 233 3.5 Die Wertpapierlinie und das Kapitalmarktgleichgewicht........................................ 239 3.6 Das Capital Asset Pricing Model ................................................................................ 242 3.6.1 Annahmen .......................................................................................................... 243 3.6.2 Das grundlegende Konzept............................................................................. 244 3.6.3 Empirische Tests und Kritik ........................................................................... 246 3.7 Modellerweiterungen des CAPM ................................................................................ 248 3.7.1 Das Single-Index-Modell ................................................................................. 251 3.7.2 Das Multi-Index-Modell .................................................................................. 255 3.8 Schlussbetrachtung ........................................................................................................ 257 3.9 Zusammenfassung......................................................................................................... 258 3.10 Fragen .............................................................................................................................. 260 <?page no="203"?> 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie In Kapitel 2 wurden die mathematischen Grundlagenkenntnisse des Lesers in den Bereichen der Matrizenrechnung, der Optimierung und der Stochastik aufgefrischt. In diesem Kapitel werden wir die moderne Portfoliotheorie etwas näher kennenlernen. In Abschnitt 3.1 möchten wir dem Leser zunächst die grundlegenden Konzepte der modernen Portfoliotheorie näher bringen. Dazu wird in Abschnitt 3.1.1 einleitend auf die zugrundeliegenden Annahmen der modernen Portfoliotheorie eingegangen, um anschließend in Abschnitt 3.1.2 die Vorgehensweise für die Bestimmung des Portfoliorisikos bei zwei Kapitalanlagen zu erläutern. Im darauffolgenden Abschnitt 3.1.3 möchten wir dem Leser auf Grundlage des Diversifikationseffektes und der Effizienzkurve eines Portfolios weitere relevante Konzepte der modernen Portfoliotheorie vermitteln. Da ein Portfolio in der Regel jedoch mehrere Kapitalanlagen umfasst, ist es notwendig, die Ansätze und Konzepte aus den vorherigen Abschnitten an den Mehr- Anlagen-Fall anzupassen. In Abschnitt 3.2 wird diese Problematik aufgegriffen und durch die Bestimmung des Portfoliorisikos für mehrere Kapitalanlagen ergänzt. Die unterschiedliche Gewichtung der einzelnen Portfolioanteile erlaubt die Bildung von verschiedenen Portfolios, welche sich alle im Hinblick auf die erwartete Rendite und das Risiko unterscheiden. Vor diesem Hintergrund möchten wir dem Leser in Abschnitt 3.3 alle notwendigen Grundlagen vermitteln, die für die Auswahl eines „optimalen“ Portfolios notwendig sind. Hierzu erfolgt zunächst in Abschnitt 3.3.1 eine Darstellung des Kalküls eines rationalen Kapitalanlegers und eine Einführung des Risikoaversionsparameters eines Kapitalanlegers. Die Überlegungen zu der Nutzenfunktion eines Kapitalanlegers und der Ableitung von Indifferenzkurven in Abschnitt 3.3.2 tragen zum Verständnis des Lesers für die weiteren Ausführungen in den nachfolgenden Abschnitten bei. In Abschnitt 3.4 sollen die Überlegungen über die optimale Auswahl eines Portfolios im Rahmen der Tobin-Separation und der zugrundeliegenden Kapitalmarktlinie sowie des Marktportfolios ausgedehnt werden. In Abschnitt 3.5 werden durch die Erläuterungen zur Wertpapierlinie und zum Kapitalmarktgleichgewicht weitere fundamentale Grundlagen für die folgenden Ausführungen der Kapitalmarktmodelle gelegt. Im Anschluss daran möchten wir in den Abschnitten 3.6 und 3.7 dem Leser das Konzept des Capital Asset Pricing Model sowie dessen Modellerweiterungen näher bringen. Die Annahmen des CAPM werden dazu zunächst in Abschnitt 3.6.1 vermittelt und nach der Erläuterung des grundlegenden Konzeptes einige Aussagen aus empirischen Tests aufgegriffen und beleuchtet. Abschnitt 3.8 rundet die Ausführungen des Kapitels mit einer kritischen Würdigung der modernen Portfoliotheorie ab. Am Ende des Kapitels findet der interessierte Leser wie gewohnt einen Fragenkatalog zu den Inhalten dieses Kapitels, um das Selbststudium der zugrundeliegenden Konzepte ein wenig zu erleichtern. <?page no="204"?> 3.1 Die Grundlagen der modernen Portfoliotheorie 205 Im Rahmen des vorliegenden Kapitels werden zusammenfassend die folgenden zentralen Fragestellungen erläutert: Welchen Annahmen unterliegen die Modelle der modernen Portfoliotheorie? Wie wird das Risiko eines Portfolios bestimmt? Welche Auswirkungen zieht die Aufnahme von Wertpapieren in ein Portfolio mit sich? Wie verhalten sich Kapitalanleger am Kapitalmarkt? Unter welchen Voraussetzungen lässt sich ein optimales Portfolio ermittteln? Wie definiert sich ein effizientes Portfolio? Inwiefern beeinflusst die Kapitalmarktlinie die Auswahl von effizienten Portfolios? Wie lässt sich der Preis eines Wertpapiers im Kapitalmarktgleichgewicht bestimmen? Welche Ansätze und Erweiterungen umfasst die moderne Portfoliotheorie? 3.1 Die Grundlagen der modernen Portfoliotheorie Quelle: © research affiliates “A good portfolio is more than a long list of good stocks and bonds. It is a balanced whole, providing the investor with protections and opportunities with respect to a wide range of contingencies.” Harry M. Markowitz - US-amerikanischer Ökonom und Nobelpreisträger Die wissenschaftliche Arbeit von M ARKOWITZ (1952) beschäftigte sich erstmalig mit dem Gedanken, dass die Rendite eines Portfolios unweigerlich eine Verbindung zu dessen Risiko besitzt. Aus den Erkenntnissen seiner Beobachtungen leitete M ARKO- WITZ eine zweidimensionale Sichtweise für die Bildung eines Portfolios aus risikobehafteten Kapitalanlagen ab. Seine wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel „Portfolio Selection“ wurde in Form eines Artikels im finanzwirtschaftlichen Magazin „Journal of Finance“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Obwohl die Veröffentlichung des wissenschaftlichen Artikels zunächst wenig Aufmerksamkeit auf sich zog, gilt H ARRY M. M ARKOWITZ bis heute als Mitbegründer der modernen Portfoliotheorie und als Pionier des quantitativen Portfolio Managements. Der überwiegende Anteil der Wirtschaftswissenschaftler zweifelte jedoch damals aufgrund des hohen mathematischen Grades seiner Arbeit die Aussagekraft im Bereich der Wirtschaftswissenschaften stark an. Einige Zeit verging, bis H ARRY M. M ARKOWITZ , M ERTON H. M ILLER und W ILLI- AM S HARPE im Jahre 1990 für ihren wegweisenden Beitrag zur modernen Portfolio- <?page no="205"?> 206 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie theorie mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet wurden. Die theoretischen Grundlagen der wissenschaftlichen Arbeit von H ARRY M. M ARKOWITZ werden an Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen weltweit gelehrt. So sind etwa die Grundzüge der modernen Portfoliotheorie in der englischsprachigen Fachliteratur als „mean-variance analysis“ und „mean-variance optimization“ bekannt, wogegen in der deutschsprachigen Fachliteratur das theoretische Rahmenwerk als Erwartungswert-Varianz-Ansatz bezeichnet wird. Die damaligen Ansätze zur Auswahl von unterschiedlichen Anlagealternativen beschränkten sich bis zu Beginn der modernen Portfoliotheorie hauptsächlich auf eine vollkommen isolierte Betrachtung von Wertpapiererträgen. J OHN B URR W ILLIAMS sprach daher in seinem Buch „The Theory of Investment Value“ die Empfehlung aus, dass Kapitalanleger grundsätzlich diejenigen Wertpapiere in ihr Portfolio aufnehmen sollten, welche unter allen Anlagealternativen zuweilen den höchsten Ertrag versprechen. Die Lektüre dieses Buches veranlasste M ARKOWITZ , sich näher mit der sinnvollen Auswahl von Kapitalanlagen zu beschäftigen. Einige Jahrhunderte zuvor kam F RIEDRICH VON S CHILLER (1759 - 1805) schon zu der Erkenntnis: „Nur ein verzweifelter Spieler setzt alles auf einen Wurf.“ M ARKOWITZ erkannte einige Zeit später, dass es für die erfolgreiche Bildung eines Portfolios notwendig sei, sich vorrangig um die Aufnahme mehrerer Anlagen in ein Portfolio zu bemühen, anstatt sich auf ein oder zwei ertragsversprechende Anlagen zu beschränken. Im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit zeichnete sich jedoch das Problem ab, dass die Entwicklung der erwarteten Renditen eines Wertpapiers in der Zukunft unter Umständen erheblichen Schwankungen unterworfen ist. Die Tatsache, dass bei der Erwirtschaftung von Erträgen am Kapitalmarkt unweigerlich Risiken eingegangen werden müssen, brachte M ARKOWITZ auf die Idee, den direkten Zusammenhang von Ertrag und Risiko bei der Bildung von Portfolios simultan zu berücksichtigen. M ARKOWITZ begründete dadurch ein bis dahin vollkommen neues Konzept, bei dem ein Kapitalanleger durch die ganzheitliche Betrachtung mehrerer Wertpapiere sein Portfolio bildet, anstatt sich wie bisher lediglich auf ein einzelnes ertragsträchtiges Wertpapier zu beschränken. 181 Abb. 69 gibt einen detaillierten Überblick über die im Verlauf dieses Kapitels erläuterten Modelle zur modernen Portfoliotheorie und dient für den Leser zu Beginn als Orientierung. 181 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 80 <?page no="206"?> 3.1 Die Grundlagen der modernen Portfoliotheorie 207 Abb. 69: Übersicht und Einordnung der Modelle in der MPT Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an BWL-Seminar I, Rehkugler (2010) 3.1.1 Die Annahmen der modernen Portfoliotheorie Da es sich beim theoretischen Rahmenwerk der Portfolio Selection Theory um ein ökonomisches Modell handelt, liegen den nachfolgenden Betrachtungen einige wichtige Prämissen zugrunde. Die Ausführungen von M ARKOWITZ gehen grundsätzlich von einem rationalen Investor aus, der zum Zeitpunkt die Entscheidung treffen muss, welche Wertpapiere zu welchem Anteil in sein Portfolio aufgenommen und über den Zeithorizont gehalten werden sollen. Ein rationaler Kapitalanleger zeichnet sich durch seine getroffenen Entscheidungen aus, wobei dieser im Allgemeinen stets eine Steigerung bzw. Maximierung seines Nutzens anstrebt. Am Ende der Periode + entscheidet der Investor erneut über eine Umschichtung seines bisherig gebundenen Kapitals. Aus diesem Grund bezieht sich das Modell nach Markowitz lediglich auf eine Ein-Perioden-Betrachtung zu Beginn eines jeden Investitionszeitraums. 182 Da der Ansatz nach Markowitz eher zu statischen Entscheidungen mit kurzfristigem Charakter führt, werden in der Fachliteratur oftmals Multi-Perioden-Ansätze empfohlen. 182 Vgl. Fabozzi et al. (2007), S. 21 Pr äs kriptiv, No rm ativ Des kriptiv Die m od erne Por tfolioth eorie (M PT) Por tfolio Selection S ingle In dex Mod ell Mu lt i Index M odell AP T CA PM <?page no="207"?> 208 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie M ARKOWITZ begründete in seiner Arbeit, dass ein Kapitalanleger bei der Auswahl eines Portfolios generell zwischen erwarteter Rendite und möglichem Risiko abwägen sollte. Ein Kapitalanleger bevorzugt bei der Auswahl eines geeigneten Portfolios grundsätzlich dasjenige Portfolio, dass bei gegebenem Risiko die höchste erwartete Rendite bzw. bei gegebener Rendite das geringstmögliche Risiko besitzt. M ARKOWITZ belegt die aufgeführten Auswahlkriterien maßgeblich durch die Annahme eines rationalen und risikoaversen Kapitalanlegers. 183 Die beschriebene Einstellung des Kapitalanlegers wird im Rahmen des Modells nach Markowitz durch drei wesentliche Komponenten umgesetzt. Die wichtigsten Determinanten des Modells stellen dabei die erwartete Rendite, die Standardabweichung bzw. Volatilität und die Korrelation der einzelnen Wertpapiere dar. Die Zielgrößen des Modells finden sich auch in der Standardabweichung und dem Erwartungswert wieder. Da beim Ansatz nach Markowitz die erwartete Rendite bzw. das zu erwartende Risiko hauptsächlich aus historischen Kursen abgeleitet werden, folgt das Modell der Annahme, dass die zugrundeliegenden Daten aus der Vergangenheit eine verlässliche Prognose für den weiteren Verlauf in der Zukunft darstellen. Die erwartete Rendite eines Portfolios wird entsprechend der einfachen durchschnittlichen Rendite (engl. mean return) bestimmt. Das Risiko eines Portfolios wird maßgeblich durch die Unsicherheit über den Eintritt der erwarteten Rendite charakterisiert und wird durch das statistische Maß der Varianz bestimmt. Da die Varianz bei ihrer Berechnung gleichermaßen positive und negative Abweichungen vom Erwartungswert berücksichtigt, eignet sich die Varianz nur bedingt für die Auswahl von effizienten Portfolios. Kapitalanleger interessieren sich dagegen vorrangig für Risikomaße, welche lediglich die negativen Abweichungen vom Erwartungswert im Sinne von potenziellen Verlusten bei ihrer Berechnung berücksichtigen. Obwohl M ARKO- WITZ aus diesem Grund in seinem Artikel die Semi-Varianz als geeignetes Risikomaß vorschlug, verwendete er aus praktischen Implementierungsgründen schließlich doch die Varianz. 184 Aufgrund des nicht zu unterschätzenden Umfangs an verfügbaren historischen Kursen werden die genannten statistischen Kenngrößen häufig auf Grundlage von Stichproben für repräsentative Zeiträume bestimmt. Aus diesem Grund handelt es sich bei den herangezogenen erwarteten Renditen und Standardabweichungen der Wertpapiere lediglich um Schätzungen, die unter Umständen vom tatsächlichen Eintritt erheblich abweichen können. Weiterhin unterstellt das Modell nach Markowitz für den Zeithorizont durchweg eine konstante Korrelation der einzelnen Wertpapiere des Portfolios. 185 183 Vgl. Brown/ Reilly (2009), S. 182 f. 184 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 81 185 Vgl. Bruns/ Meyer-Bullendiek (1996), S. 47 f. <?page no="208"?> 3.1 Die Grundlagen der modernen Portfoliotheorie 209 Nachfolgend soll eine kurze Übersicht der durch Markowitz unterstellten Prämissen erfolgen, auf die jedoch schon teilweise eingegangen wurde. Das Rahmenwerk des Modells geht von folgenden Annahmen aus: Die Kapitalanleger verhalten sich rational und risikoavers. Die Eingangs- und Zielgrößen des Modells werden durch die Standardabweichung und den Erwartungswert quantifiziert. Die Wertpapiere des gebildeten Portfolios lassen sich beliebig teilen. Das Modell berücksichtigt keine Transaktionskosten. Das Modell bezieht sich auf eine Ein-Perioden-Betrachtung. Die genannten Annahmen stellen die theoretische Grundlage für die Anwendung des Modells nach Markowitz zur Auswahl und Darstellung von effizienten Portfolios dar. Im nachfolgenden Abschnitt soll vor diesem Hintergrund das grundlegende Rahmenwerk des Erwartungswert-Varianz-Ansatzes am Beispiel des Portfoliorisikos im 2-Anlagen-Fall erläutert werden. 3.1.2 Die Bestimmung des Portfoliorisikos im Zwei-Anlagen-Fall Nachdem alle relevanten Prämissen des Erwartungswert-Varianz-Ansatzes aufgelistet worden sind, soll nun aus zwei unterschiedlichen Wertpapieren ein Portfolio gebildet werden. Für die Bildung und Berechnung des gleichgewichteten Portfolios werden die Aktien der US-Unternehmen IBM und COSTCO (im nachfolgenden mit COST abgekürzt) herangezogen. Auf Grundlage von historischen Schätzungen geht man für die zukünftige Entwicklung des US-Unternehmens IBM von einer erwarteten Rendite und einer Standardabweichung von aus. Bei der Einzelhandelskette COSTCO geht man mit einer erwarteten Rendite von und einer Standardabweichung von im Vergleich zu IBM von einer ähnlichen Entwicklung in der Zukunft aus. Um jedoch einen Vergleich der verschiedenen Wertpapiere vornehmen zu können, werden die einzelnen Portfolios in einem Rendite-Risiko-Diagramm abgebildet. Bei der Betrachtung von Abb. 70 wird deutlich, dass beide Aktien einerseits ein unterschiedliches Rendite-Risiko-Profil aufweisen, andererseits den erwarteten Renditen der Wertpapiere jeweils ein relativ hohes Risiko gegenüber steht. Trotz der relativ moderaten Korrelation zwischen den beiden Aktien resultiert aus der gleichgewichteten Kombination der Wertpapiere eine Absenkung des Portfoliorisikos auf . Es wird deutlich, dass das gleichgewichtete Portfolio ein geringeres Risiko aufweist als jedes einzelne Wertpapier im Portfolio selbst. Durch die Kombination der unterschiedlichen Wertpapiere werden die Risiken der einzelnen Wertpapiere auf das gesamte Portfolio verteilt, so dass es zu einem Diversifikationseffekt kommt. Die Kombination von zwei unterschiedlichen Wertpapieren führt im Portfoliokontext zu einer Gewichtung der erwarteten Renditen gemäß ihrer jeweiligen Anteile am Portfolio, sodass der Diversifikationseffekt in Bezug auf die erwartete Rendite des Portfolios einen Kompromiss einfordert. Aus diesem Grund folgt aus der Zusammensetzung der Wertpapiere unweigerlich eine Portfoliorendite in Höhe von . <?page no="209"?> 210 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie Das Rendite-Risiko-Diagramm in Abb. 70 erleichtert den Vergleich zwischen den dargestellten Wertpapieren und dem gleichgewichteten Portfolio. Die schwarzen Punkte in Abb. 70 repräsentieren die einzelnen Aktien der Unternehmen IBM und COSTCO in Abhängigkeit von der erwarteten Rendite und der Standardabweichung der Wertpapiere und machen den erläuterten Diversifikationseffekt sichtbar. Abb. 70: Darstellung der Aktien von IBM und COSTCO und Fifty-Fifty-Portfolio Quelle: Eigene Darstellung in MATLAB R2011b Um den Diversifikationseffekt quantifizieren zu können, soll nachfolgend die Formel zur Berechnung der Portfoliovarianz definiert werden. Die Formel zur Ermittlung des Portfoliorisikos für den vorangestellten Zwei-Anlagen-Fall lässt sich aus der allgemeinen Formel nach Markowitz für eine beliebige Anzahl an Wertpapieren ableiten. Die Berechnung des allgemeinen Portfoliorisikos ergibt sich dementsprechend 186 als: (3.1) mit Anteil des i-ten und j-ten Wertpapiers Kovarianz zwischen dem i-ten Wertpapier und dem j-ten Wertpapier bzw. speziell für den 2-Aktien-Fall als: (3.2) mit Anteil des ersten und des zweiten Wertpapiers Varianz des ersten und des zweiten Wertpapiers Die erwartete Standardabweichung der jeweiligen Portfolios lässt sich aus der Quadratwurzel der Portfoliovarianz aus Formel (3.1) bzw. (3.2) bestimmen. 186 Vgl. Bruns/ Meyer-Bullerdiek (2008), S. 48 0.17 0.18 0.19 0.2 0.21 0.22 0.23 0.045 0.046 0.047 0.048 0.049 0.05 0.051 0.052 0.053 COST IBM 50/ 50 Portf olio Erwartete Rendite (Annualisiert) Standardabw e ichung (Annualis ie rt) Erwartete Rendite (annualisiert) Standardabweichung (annualisiert) COSTCO <?page no="210"?> 3.1 Die Grundlagen der modernen Portfoliotheorie 211 Um nach der Zusammenführung der beiden Wertpapiere das Portfolio entsprechend seiner Rendite-Risiko-Ausprägung in einem Diagramm darstellen zu können, ist es erforderlich, die erwartete Portfoliorendite zu definieren. Die erwartete Rendite eines Portfolios ergibt sich stets aus der Summe der gewichteten Renditen der einzelnen Wertpapiere. Es folgt: (3.3) mit Anteil des i-ten Wertpapiers am Portfolio Rendite des i-ten Wertpapiers Die Möglichkeit der variablen Gewichtung einzelner Wertpapiere führt zur Bildung von zahlreichen Portfolios mit unterschiedlichen Rendite-Risiko-Profilen. Die Darstellung der daraus resultierenden Portfolios im angesprochenen Rendite-Risiko- Diagramm bildet die Effizienzkurve (vgl. Kapitel 1). Im Anschluss an die Definitionen soll nun die genaue Vorgehensweise bei der Berechnung des Portfoliorisikos am Beispiel der Effizienzkurve erläutert werden. Bestimmung der Effizienzkurve bei 2 Wertpapieren Ein unbeholfener Kapitalanleger möchte sein gegenwärtiges Vermögen von 50.000,00 € in Aktien gewinnbringend anlegen. Da die Kenntnis des Kapitalanlegers in Bezug auf die Beurteilung von Unternehmen und Kapitalmärkten eher beschränkt ist, verlässt sich dieser auf sein Bauchgefühl und nimmt die zwei zuvor genannten Unternehmen, IBM und COSTCO, in sein eigenes Portfolio auf. Da der Kapitalanleger jedoch keine genaue Meinung zu den Ertragschancen und Risiken beider Unternehmen besitzt, nimmt er eine Gleichgewichtung beider Wertpapiere in seinem Portfolio vor. Um bei seiner Kapitalanlage sicher zu gehen, möchte der Kapitalanleger jedoch zuvor sowohl die erwartete Rendite als auch das Risiko seines Portfolios von einem unabhängigen und erfahrenen Dritten berechnen lassen. Ein befreundeter Portfolio-Manager nimmt sich des Anliegens des Kapitalanlegers an. Die erwartete Rendite und die Standardabweichung der beiden Wertpapiere ermittelt dieser aus der historischen Schätzung auf der Grundlage der monatlichen Renditen der letzten 5 Jahre sowie der anschließenden Annualisierung der Kenngrößen. Für das Unternehmen IBM ergaben sich folgende Kennzahlen: bzw. (3.4) Die Kennzahlen der Einzelhandelskette COSTCO liefern im Vergleich zu IBM ein ähnliches Bild. bzw. , (3.5) Auf Wunsch des Kapitalanlegers wurden die Anteile der beiden Wertpapiere in seinem Portfolio gleich gewichtet. Die Risikoanalyse seines Portfolios ergab: (3.6) <?page no="211"?> 212 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie bzw. , Zum Vergleich mit dem gleichgewichteten Portfolio wurden in Tab. 11 durch die Variation der Portfolioanteile weitere effiziente Portfolios berechnet. Die Berechnung ergibt durch die voneinander abweichenden Portfoliogewichte 10 unterschiedliche Portfolios mit verschiedenen Portfoliorenditen und -risiken. Der Anteil des zweiten Wertpapiers für die einzelnen Portfolios resultiert dabei vorrangig aus der Beziehung . Portfolio Portfolio-Anteil w 1 Portfolio-Rendite Portfolio-Risiko 1 0,47 0,0485 0,1788 2 0,53 0,0489 0,1794 3 0,58 0,0493 0,1813 4 0,64 0,0497 0,1844 5 0,70 0,0501 0,1886 6 0,76 0,0505 0,1939 7 0,82 0,0509 0,2003 8 0,88 0,0513 0,2075 9 0,94 0,0517 0,2155 10 1 0,0521 0,2243 Tab. 11: Rechnerische Ermittlung der Effizienzkurve Die Darstellung der Rendite und des Risikos der unterschiedlichen Portfolios aus Tab. 11 und die Verbindung der unterschiedlichen Rendite-Risiko-Profile spannt die Effizienzkurve für die verschiedenen Wertpapierkombinationen auf. Der Begriff der Effizienzkurve wird im nachfolgenden Abschnitt nochmals aufgegriffen und in Verbindung mit dem zuvor angesprochenen Diversifikationseffekt im Detail erläutert. <?page no="212"?> 3.1 Die Grundlagen der modernen Portfoliotheorie 213 Abb. 71: Effizienzkurve für ein Portfolio mit Aktien von IBM und COSTCO Quelle: Eigene Darstellung in MATLAB R2011b Da sich das Fifity-Fifty-Portfolio relativ nahe am Minimum-Varianz-Portfolio (vgl. Abschnitt 4.1.1) befindet, stellt die Bildung eines Portfolios mit einer Rendite von 4,87 % p.a. und einem Risiko von 17,90 % p.a. im Vergleich zu den einzelnen Wertpapieren eine sehr gute Wahl dar. Aus Abb. 71 ist ersichtlich, dass es eine Vielzahl an effizienten Portfolios entlang der Effizienzkurve gibt. Es stellt sich nun die Frage, welches effiziente Portfolio nun „optimal“ für einen Kapitalanleger ist. Da die Beantwortung dieser zentralen Fragestellung in hohem Maße von den individuellen Rahmenbedinungen eines Kapitalanlegers abhängig ist, versuchen die nachfolgenden Abschnitte die Bemühungen bei der Auswahl eines optimalen Portfolios im Detail zu beleuchten. Zunächst wird jedoch die Thematik des Diversifikationseffektes in Verbindung mit der Effizienzkurve noch weiter vertieft. 0.17 0.18 0.19 0.2 0.21 0.22 0.23 0.045 0.046 0.047 0.048 0.049 0.05 0.051 0.052 0.053 COST IBM 50/ 50 Portfolio Erwartete Rendite ( nnualisiert) Standardabweichung ( nnualisiert) <?page no="213"?> 214 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie 3.1.3 Der Diversifikationseffekt und die Effizienzkurve eines Portfolios Quelle: picture alliance / photoshot “Diversification should be the corner stone of your investment program. If you have your wealth in one company, unexpected troubles may cause a serious loss; but if you own the stocks of 12 companies in different industries, the one which turns out badly will probably be offset by some other which turn out better than expected.” Sir John M. Templeton (*1912, †2008) Neben der Korrelation zwischen den unterschiedlichen Wertpapieren besitzt die Anzahl der Wertpapiere innerhalb eines Portfolios einen unmittelbaren Einfluss auf den Diversifikationseffekt des Portfoliorisikos. Abb. 72 verdeutlicht, dass eine steigende Anzahl an Wertpapieren in einem Portfolio unmittelbar zu einer Absenkung des Risikos führt. Das Gesamtrisiko eines Portfolios lässt sich grundsätzlich in zwei unterschiedliche Komponenten unterteilen: das systematische und das unsystematische Risiko. Die systematische Komponente des Gesamtrisikos ergibt sich unmittelbar aus den aktuellen und prognostizierten makroökonomischen Einflussfaktoren. Dabei üben besonders Veränderungen in der Konjunktur einer Volkswirtschaft sowie Schwankungen der Marktzinsen und der Wechselkurse einen erheblichen Einfluss auf das systematische Risiko aus. Im Gegensatz zur systematischen Komponente beschränken sich die Einflussfaktoren des unsystematischen Risikos auf mikroökonomische und titelspezifische Veränderungen. Die einzelnen Risiken des unsystematischen Risikos liegen vorrangig bei den unterschiedlichen Unternehmen selbst. Dazu zählen unter anderem das spezifische Bonitäts- und Insolvenzrisiko eines Unternehmens sowie die Gefahr eines Rückgangs des Absatzes und damit verbundene Gewinneinbrüche. Da sich das unsystematische Risiko in der Regel immer auf einzelne Unternehmen bezieht und sowohl privaten als auch institutionellen Anlegern häufig nur begrenzte Informationen über den aktuellen Stand eines Unternehmens vorliegen, ist eine Prognose und Quantifizierung unsystematischer Risiken nur schwer möglich. Das unsystematische Risiko bietet jedoch den Vorteil, dass durch die Aufnahme zusätzlicher Titel in ein Portfolio die einzelnen objekt- und titelspezifischen Risiken auf ein Mindestmaß, das verbleibende systematische Risiko, gesenkt werden können. 187 Obwohl eine steigende Anzahl an Wertpapieren offensichtlich zu einer Absenkung des Portfoliorisikos führt, hat die Diversifikation eines Portfolios jedoch lediglich Auswirkungen auf das unsystematische Risiko. 187 Vgl. Maier (2007), S. 12 <?page no="214"?> 3.1 Die Grundlagen der modernen Portfoliotheorie 215 Tatsache ist also, dass durch Diversifikation innerhalb einer Anlageklasse das Gesamtrisiko eines Portfolios nicht vollständig eliminiert werden kann. Abb. 72 stellt den erläuterten Zusammenhang nochmals in einer Grafik dar. Abb. 72: Diversifikationseffekt durch steigende Anzahl an Wertpapieren Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Poddig et al. (2009) In Abschnitt 3.1.2 zeigte sich bereits, dass eine naive Diversifikation eines Portfolios im Vergleich zu den ursprünglichen Rendite- und Risikogrößen der einzelnen Wertpapiere einen vergleichsweise starken Rückgang des Risikos bewirkt. Es stellte sich weiterhin heraus, dass das Ausmaß des Diversifikationseffektes ebenfalls von den Korrelationskoeffizienten zwischen den verschiedenen Wertpapieren abhängt. Je geringer die Korrelation der unterschiedlichen Wertpapiere in einem Portfolio ausfällt, desto größer wirkt sich der Diversifikationseffekt auf das Risiko eines Portfolios aus. Unter dieser Voraussetzung kann der potenzielle Verlust eines Wertpapiers durch den Gewinn eines anderen Wertpapiers wieder ausgeglichen werden. Ab einem Korrelationskoeffizienten von wird von einer schwachen Korrelation ausgegangen 188 . Die in Abschnitt 3.1.1 dargestellten Prämissen stellen das verbale Rahmenwerk für die endgültige mathematische Formulierung und Umsetzung des späteren Portfoliomodells dar. Formel (3.1) aus Abschnitt 3.1.2 liefert die Grundlage zur Bildung der Effizienzkurve. Hierzu werden ausgehend von Formel (3.1) aus Abschnitt 3.1.2 für sämtliche Kombinationen der Portfolioanteile die dazugehörigen Rendite- und Risiko-Profile erstellt und in einem Rendite-Risiko-Diagramm dargestellt. Die in Abb. 71 dargestellte Effizienzkurve liefert anschließend die Grundlage, um festgelegte Portfolios mit anderen Portfolios zu vergleichen und ein optimales Portfolio zu bestimmen, welches den individuellen Vorstellungen eines Kapitalanlegers gerecht wird. Die Effizienzkurve stellt gemäß Abb. 73 eine nach rechts geöffnete Parabel dar, bei der sich auf der oberen Hälfte der Kurve die effizienten Portfolios und auf der unte- 188 Vgl. Wewel (2006), S. 88 <?page no="215"?> 216 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie 0.17 0.18 0.19 0.2 0.21 0.22 0.23 0.045 0.046 0.047 0.048 0.049 0.05 0.051 0.052 0.053 COST IBM Standardabweichung Erwartete Rendite ren Hälfte der Kurve die ineffizienten Portfolios befinden. Im Scheitel der Effizienzkurve liegt das Minimum-Varianz-Portfolio. 189 Der untere und der obere Teil der Kurve definieren die Möglichkeitskurve. Unter der Voraussetzung, dass der Kapitalanleger keinen Leerverkaufsrestriktionen unterliegt, ergibt sich die Möglichkeitskurve aus der Berechnung und Darstellung aller denkbaren Wertpapierkombinationen eines Portfolios. Es gilt festzuhalten, dass die Wahl der Anteilsgewichte die Position des Portfolios im Rendite-Risiko-Diagramm und in Verbindung mit dem Effizienzkriterium auf der Effizienzkurve bestimmt. Abb. 73 greift diesen Zusammenhang nochmals auf. Soll ein individuelles Portfolio auf der Effizienzkurve bestimmt werden und die Formulierung der Zielfunktion keinen zusätzlichen Bedingungen unterliegen, kann dieses Optimierungsproblem beispielsweise einfach durch die von M ERTON (1972) entwickelte Lagrange-Multiplikator- Methode gelöst werden. 190 Abb. 73: Effizienzkurve in Zusammensetzung des Portfolios entlang der Effizienzkurve Quelle: Eigene Darstellung in MATLAB R2011b Die Bildung von unterschiedlich gewichteten Portfolios und die anschließende Berechnung der verschiedenen Rendite-Risiko-Profile ermöglichen den Vergleich und die Einordnung einer Vielzahl an Portfolios. Diese Vorgehensweise erlaubt eine Aussage über die Effizienz der ermittelten Portfolios, insbesondere im Hinblick auf die beiden Dimensionen Rendite und Risiko. Ein Portfolio kann als „effizient“ bezeichnet werden, wenn ausgehend von einer festgelegten Rendite kein anderes Portfolio ein niedrigeres Risiko aufweist bzw. bei gleichem Risiko kein anderes Portfolio mit einer höheren Rendite existiert. Die Menge aller Portfolios, die dem Effizienzkriterium entsprechen, bildet im Rendite-Risiko-Diagramm die Effizienzkurve. Im englischen Sprachgebrauch und der angloamerikanischen Fachliteratur bezeichnet man diese Menge aller effizienten Portfolios als „Efficient Frontier“. Beim Vergleich der Portfolios auf den beiden zusammengeführten gestrichelten und durchgezogenen Kurven aus Abb. 71 wird deutlich, dass es 189 Vgl. Spremann (2008), S. 177 ff. 190 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 82 <?page no="216"?> 3.1 Die Grundlagen der modernen Portfoliotheorie 217 für Portfolios unterhalb der Effizienzkurve stets Portfolios gibt, die bei gleichem Risiko einen höheren Ertrag versprechen. Aus diesem Grund werden diejenigen Portfolios unterhalb der Effizienzkurve auch als ineffizient bezeichnet und sollten deshalb von den Kapitalanlegern grundsätzlich gemieden werden. Die Frage, welches der effizienten Portfolios das „optimale“ Portfolio für den jeweiligen Kapitalanleger darstellt, ist in hohem Maße von der individuellen Risikoneigung bzw. vom erwarteten Nutzen des Investors abhängig. Ein sehr risikoavers eingestellter Kapitalanleger wird dabei grundsätzlich ein Portfolio im linken unteren Teil der Effizienzkurve auswählen. Im Gegensatz dazu wird ein eher risikofreudiger Kapitalanleger ein Portfolio im rechten Teil der Effizienzkurve bevorzugen, da dieses Portfolio ihn im Vergleich zum linken Teil der Effizienzkurve durch die Übernahme eines höheren Risikos durchaus mit einer höheren Rendite entlohnen kann. 191 Eine Aussage über „das optimale Portfolio“ kann daher auch nicht pauschalisiert werden, sondern muss auf Grundlage der Einstellung des Investors durchweg individuell getroffen werden. Die vorherigen Abschnitte zeigen, dass die Effizienzkurve maßgeblich auf Grundlage von Portfolios mit unterschiedlichen Rendite-Risiko-Profilen aufgespannt wird. B LACK (1972) fand in diesem Zusammenhang heraus, dass jedes Portfolio auf der Effizienzkurve als lineare Kombination von zwei unterschiedlichen Portfolios entlang der Effizienzkurve formuliert werden kann. Aus diesem Grund sollte auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass nach dem Black-Theorem lediglich zwei effiziente Portfolios notwendig sind, um alle weiteren Punkte auf der Effizienzkurve abzuleiten und die Effizienzkurve zu konstruieren (vgl. Abschnitt 4.3.2.2). Ein mögliches Anwendungsgebiet findet sich im Bereich der Investmentfonds wieder. Das Black-Theorem ermöglicht Kapitalanlegern die Bildung eines effizienten Portfolios durch die alleinige Verteilung ihres Vermögens auf zwei effiziente Investmentfonds. Das Rendite-Risiko- Profil des erstellten Portfolios ergibt sich aus dem relativen Anteil der einzelnen Investmentfonds gegenüber dem Gesamtvermögen des gebildeten Portfolios. Durch die Gewichtung der zwei Fonds und durch die Auswahl der einzelnen Wertpapiere mit anschließender Bildung zweier Portfolios wird das Black-Theorem auch häufig als Two-Fund-Theorem bezeichnet. 192 Unabhängig vom verwendeten Ansatz bei der Berechnung der Effizienzkurve stellt der Korrelationskoeffizient einen wichtigen Einflussfaktor bei der Bildung und Darstellung der Effizienzkurve dar. Aus der unterschiedlichen Ausprägung des Korrelationskoeffizienten ergeben sich deshalb drei Szenarien, welche den jeweiligen Extremfall der Effizienzkurve angeben. 193 Szenario 1: Korrelationskoeffizient von 0 Szenario 2: Korrelationskoeffizient von +1 Szenario 3: Korrelationskoeffizient von -1 Im Nachfolgenden sollen nun die drei zuvor aufgeführten Szenarien am Beispiel des Zwei-Anlagen-Falls exemplarisch hergeleitet werden. 191 Vgl. Bruns/ Meyer-Bullendiek (1996), S. 49 192 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 82 bzw. Benninga (2008), S. 262 ff. 193 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 57 f. sowie Spremann (2008), S. 198 <?page no="217"?> 218 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie Szenario 1: Bei einem Korrelationskoeffizient von ergibt sich die Formel zur Berechnung des Portfoliorisikos nach: (3.7) Daraus folgt die entsprechende Standardabweichung mit: (3.8) In diesem Fall besteht im Vergleich zum nachfolgenden Szenario 2 für nahezu jegliche Wertpapiermischung ein geringeres Portfoliorisiko. Das in Formel (3.8) dargestellte Portfolio stellt sogar einen Sonderfall dar, da es eine geringere Standardabweichung als jedes der einzelnen Wertpapiere besitzt. 194 Szenario 2: Bei einem Korrelationskoeffizient von ergibt sich die Formel zur Berechnung des Portfoliorisikos nach: (3.9) Daraus folgt die Formel für die Standardabweichung als gewichtete Summe der einzelnen Risiken der jeweiligen Wertpapiere: (3.10) Unter diesen Umständen ist im Portfolio auch kein Diversifikationseffekt mehr feststellbar. Die gestrichelte Gerade in Abb. 74 macht den linearen Zusammenhang sichtbar. Szenario 3: Bei einem Korrelationskoeffizient von ergibt sich die Formel zur Berechnung des Portfoliorisikos entsprechend: (3.11) Daraus folgt die Formel für die Standardabweichung als Betrag der gewichteten Summe der einzelnen Risiken der jeweiligen Wertpapiere: (3.12) Im Unterschied zum vorherigen Szenario bewirkt eine perfekt negative Korrelation von eine erhebliche Reduzierung des Risikos bis hin zum theoretischen Grenzfall einer vollständigen Vernichtung des Risikos. Bei einem Korrelationskoeffizienten von besteht also bei entsprechender Kombination der einzelnen Wertpapiere ein Portfolio mit einer Volatilität von Null. Obwohl in diesem Fall mathematisch von einer sicheren Rendite gesprochen werden kann, sind der rationelle als auch der ökonomische Sinn mehr als fragwürdig. 195 Abb. 74 führt alle drei Szenarien zusammen und stellt diese grafisch in einem Rendite- Risiko-Diagramm dar. Dabei repräsentiert die durchgezogene Kurve den variablen Anteil des Korrelationskoeffizienten, wobei auf die Darstellung des Spezialfalls mit 194 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 57 f. entsprechender Beweis S. 73 195 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 58 ebenso Garz/ Günther/ Moriabadi (2006), S. 36 und Elton et al. (2003), S. 70 f. <?page no="218"?> 3.2 Die Bestimmung des Portfoliorisikos im N-Anlagen-Fall 219 einem Korrelationskoeffizienten von Null im Folgenden verzichtet wurde. Die gestrichelte Gerade verdeutlicht in Anlehnung an Formel (3.9) bzw. Formel (3.10) folglich Szenario 2 sowie die punkt-gestrichelten Geraden entsprechend Szenario 3. Abb. 74: Darstellung der Effizienzkurve in Abhängigkeit von unterschiedlichen Korrelationen Quelle: Eigene Darstellung in MATLAB R2011b 3.2 Die Bestimmung des Portfoliorisikos im N-Anlagen-Fall Quelle: picture alliance / Sven Simon „Das große Unglück bei uns alten Spekulanten ist, daß wir zwar viele Erfahrungen gesammelt, unsere Waghalsigkeit jedoch verloren haben.“ Andre Kostolany - Börsen- und Finanzexperte (*1906, †1999) Die vorherigen Abschnitte beschäftigten sich vorangig mit der Erläuterung des Portfoliorisikos für den Zwei-Anlagen-Fall. Um jedoch den unterschiedlichen Anforderungen der Praxis gerecht zu werden, wird in der Realität häufig auf ein weitaus größeres Anlageuniversum zurückgegriffen. Vor diesem Hintergrund werden die bisherigen Formeln (3.1) und (3.3) bei einer ansteigenden Anzahl an Wertpapieren in ihrer Umsetzung zunehmend komplexer und umfangreicher. Da der Umgang mit Matrizen eine <?page no="219"?> 220 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie deutlich intuitivere Vorgehensweise bietet, wird im Folgenden auf einen formaleren mathematischen Ansatz zur Bestimmung des Portfoliorisikos zurückgegriffen. Der erste Schritt in der Ermittlung des Portfoliorisikos besteht in der Auswahl von N risikobehafteten Wertpapieren, die ein Kapitalanleger in sein Portfolio mitaufnehmen möchte. Danach trifft der Kapitalanleger die Entscheidung, zu welchen Anteilen die einzelnen Wertpapiere am besten auf das Portfolio aufgeteilt werden sollen. Dieser Ansatz wird auch als Allokation bezeichnet und kann nach unterschiedlichen Investmentansätzen (vgl. Abschnitt 1.4 ff.) geschehen. Die genaue Auswahl und Allokation der Anteilsgewichte der einzelnen Wertpapiere wird in einem N x 1-Spaltenvektor festgehalten, bei dem jedes Gewicht 196 den Anteil des i-ten Wertpapiers am Portfolio in Prozent angibt. Dabei kann der Kapitalanleger bei seiner Entscheidung etwaigen Beschränkungen bzw. Restriktionen in Form von Nebenbedingungen unterliegen, die bei der Berechnung des Portfoliorisikos zu berücksichtigen sind. Noch vor der Beschränkung einzelner Assetklassen und Wertpariere sollte der Kapitalanleger zunächst entscheiden, ob dieser Leerverkäufe, also Short-Positionen, in Wertpapieren zulassen möchte. Eine Short-Position stellt die Verpflichtung des Portfolioinhabers bzw. Portfolio- Managers dar, ein durch Wertpapierleihe (engl. securities lending) geliehenes Wertpapier zu einem zukünftigen Zeitpunkt an dessen ursprünglichen Eigentümer zurückzugeben. Da der Portfolio-Manager einen Kursrückgang des geliehenen Wertpapiers erwartet, entscheidet sich dieser jedoch zum sofortigen Verkauf des Wertpapiers. Durch die Wertpapierleihe spricht man beim Verkauf eines geliehenen Wertpapiers von einem Leerverkauf. Der Portfolio-Manager ist jedoch durch die Wertpapierleihe vertraglich zur Rückgabe des soeben verkauften Wertpapiers verpflichtet. Bei Eintritt des prognostizierten Kursverfalls kann das zuvor verkaufte Wertpapier nun zu einem niedrigeren Kurs zurückgekauft werden. In diesem Fall entsteht ein Spekulationsgewinn. 197 Die betroffenen Leerverkaufspositionen werden als negative Gewichte im soeben eingeführten Spaltenvektor dargestellt und dementsprechend bei der Portfoliooptimierung berücksichtigt. Unterliegt die Optimierung des Portfolios jedoch einer Leerverkaufsrestriktion, sollte folgende Nebenbedingung bei der Berechnung des Portfoliorisikos erfüllt sein: 198 (3.13) Im zweiten Schritt werden die historischen Renditen der einzelnen Wertpapiere des Portfolios berechnet, um anschließend die erwartete Rendite der einzelnen Wertpapiere daraus abzuleiten. Auf Grundlage der Renditen der einzelnen Wertpapiere R wird im dritten Schritt die dazugehörige N x N- Varianz-Kovarianz-Matrix wie folgt ermittelt: 196 Im Folgenden verwenden wir dazu die Begriffe Portfolio-Gewichte, Anteilsgewichte der einzelnen Wertpapiere und Wertpapiergewichte synonym. In allen Fällen ist damit die prozentuale Verteilung der einzelnen Wertpapiere im Portfolio gemeint. 197 Vgl. Spreeman (2008), S. 51 198 Vgl. Fabozzi et al. (2007), S. 24 <?page no="220"?> 3.2 Die Bestimmung des Portfoliorisikos im N-Anlagen-Fall 221 (3.14) mit Kovarianz zwischen Wertpapier i und j, sodass N x N-Varianz-Kovarianz-Matrix Unter der Annahme, dass die Varianz und sowie die entsprechende Korrelation der einzelnen Wertpapiere darstellt, ergibt sich die Rendite und Varianz eines Portfolios als Äquivalent zu Formel (3.1) entsprechend der Matrizenschreibweise wie folgt: (3.15) mit N x 1-Spaltenvektor der Anteilsgewichte der einzelnen Assets transponierter Spaltenvektor der Anteilsgewichte (Zeilenvektor) N x N-Varianz-Kovarianz-Matrix Die erwartete Rendite eines Portfolios ergibt sich gemäß Matrizenschreibweise wie folgt: (3.16) mit N x 1-Spaltenvektor der Anteilsgewichte der einzelnen Assets transponierter Vektor der Anteilsgewichte (Zeilenvektor) N x 1-Spaltenvektor der erwarteten Renditen der einzelnen Wertpapiere Die Darstellung der Effizienzkurve in Abb. 71 und Abb. 73 wird nun durch die Aufnahme der Aktie ABT ins Portfolio erweitert. Das Rendite-Risiko-Diagramm greift dabei drei Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen auf. Die unterschiedlichen Anteilsgewichte der Wertpapiere eines Portfolios bilden im Gegensatz zum erläuterten 2-Aktien-Fall nun nicht mehr die Effizienzkurve ab, sondern verkörpern nun den Möglichkeitsraum der verschiedenen Wertpapierkombinationen. Anschaulich gesprochen, ergibt sich die Effizienzkurve als oberste Grenze des Möglichkeitsraumes. In Abb. 75 repräsentieren die grauen Punkte die unterschiedlichen Portfolios aller denkbaren Kombinationen an Wertpapieren. Die schwarze Kurve in Abb. 75 stellt nun die Effizienzkurve als oberen Rand des Möglichkeitsraumes dar. <?page no="221"?> 222 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie Abb. 75: Darstellung möglicher Portfolios Quelle: Eigene Darstellung in MATLAB R2011b Nachdem im ersten Beispiel die Effizienzkurve im 2-Anlagen-Fall bestimmt worden ist, soll im Nachfolgenden die Berechnung des Portfoliorisikos im N-Anlagen-Fall in Form eines kleinen Beispiels erläutert werden. Erweiterung von Beispiel 1 Das ursprüngliche Portfolio aus Beispiel 1 wird nun durch die Aufnahme von Aktien der Unternehmen ABT und MSFT exemplarisch um zwei Wertpapiere erweitert. Der Erwartungswert-Varianz-Ansatz nach Markowitz erlaubt die Aufnahme von beliebig vielen Wertpapieren in ein Portfolio, wobei im Rahmen dieses Beispiels aufgrund der vereinfachten Darstellung auf ein umfangreiches Portfolio verzichtet wurde. Im folgenden Abschnitt soll erneut ein Vergleich zwischen dem gleichgewichteten Portfolio und anderen effizienten Portfolios getroffen werden. Es wird dabei von den folgenden Anteilsgewichten und erwarteten Renditen für die einzelnen Portfolios ausgegangen. Über einen Zeitraum von 5 Jahren wurden entsprechend Beispiel 1 die durchschnittlichen monatlichen Renditen aller vier Wertpapiere ermittelt und annualisiert. Dadurch ergeben sich die erwarteten Renditen der vier Wertpapiere als ein N x 1- Spaltenvektor r: (3.17) Auf Grundlage der monatlichen Renditen der Wertpapiere ABT, COST, IBM und MSFT ergibt sich die Kovarianz-Varianz-Matrix dementsprechend als: <?page no="222"?> 3.2 Die Bestimmung des Portfoliorisikos im N-Anlagen-Fall 223 0.15 0.2 0.25 0.02 0.025 0.03 0.035 0.04 0.045 0.05 0.055 ABT COST IBM MSF Equal Portfolio Erwartete Rendite (Annualisiert) Standardabweichung (Annualisiert) (3.18) Die Berechnung des Portfolio-Risikos für das gleichgewichtete Portfolio ergibt sich wie folgt: (3.19) Die Berechnung der Portfolio-Rendite für das gleichgewichtete Portfolio ergibt sich demnach als: (3.20) Abb. 76 stellt die Ergebnisse aus Beispiel 2 zusammen mit der daraus resultierenden Effizienzkurve in einem Rendite-Risiko-Diagramm dar. Da sich die Zusammensetzung der Portfolios entlang der Effizienzkurve grundsätzlich unterscheidet, trägt Abb. 76 den Verlauf der Portfolioanteile entlang der Effizienzkurve ab. Abb. 76: Effizienzkurve des Portfolios aus Beispiel 2 Quelle: Eigene Darstellung in MATLAB R2011b 0.04 0.042 0.044 0.046 0.048 0.05 0.052 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 Portfoliorendite Portfolio-Gewicht ABT COST IBM MSFT <?page no="223"?> 224 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie 3.3 Die Auswahl eines optimalen Portfolios “To beat the market you’ll have to invest serious bucks to dig up information no one else has yet.” Merton H. Miller - US-amerikanischer Ökonom und Nobelpreisträger (*1923, †2000) Quelle: Public Domain In den nachfolgenden Abschnitten wird der zentralen Frage des Portfolio Managements nachgegangen, wie gemäß den Vorstellungen eines Kapitalanlegers ein für ihn „optimales“ Portfolio auf der Effizienzkurve bestimmt werden kann. Die verschiedenen Kapitalanleger am Kapitalmarkt besitzen in der Regel genaue Präferenzen und Toleranzgrenzen für die Übernahme von Risiken. Dieses „Regelwerk“ kommt bei jeder Investitionsentscheidung zum Einsatz und dient grundsätzlich zur Orientierung. Da am Kapitalmarkt unterschiedliche Typen von Kapitalanlegern existieren, soll zunächst der Begriff des „rationalen“ Kapitalanlegers eingeführt werden, um anschließend auf die Darstellung der individuellen Präferenzen eines Kapitalanlegers am Beispiel von Nutzenfunktionen und Indifferenzkurven eingehen zu können. Die Erläuterungen zu den angegebenen Punkten liefern die Grundlage für die Auswahl eines optimalen Portfolios. 3.3.1 Der „rationale“ I Investor “There is nothing so disastrous as a rational investment policy in an irrational world.” John Manyard Keynes - britischer Ökonom, Politiker und Mathematiker (*1883, †1946) Quelle: © Getty Images/ Walter Stoneman and Samuel Bourne Als D ANIEL B ERNOULLI sich im Jahr 1738 mit der Bewertung von Glücksspielen beschäftigte, ahnte er bei der erstmaligen Formulierung des später nach ihm benannten Bernoulli-Prinzips noch nicht, welche zentrale Rolle seine Entdeckung bei der Lösung von Entscheidungsproblemen einmal einnehmen würde. 199 Im Jahr 1947 griffen 199 Vgl. Kruschwitz (2007), S. 81 <?page no="224"?> 3.3 Die Auswahl eines optimalen Portfolios 225 VON N EUMANN und M ORGENSTERN die Überlegungen von B ERNOULLI auf, um die Bildung rationaler Entscheidungen unter Unsicherheit in der Form von Axiomen zu charakterisieren. K RUSCHWITZ führt in diesem Zusammenhang beispielsweise die folgenden Axiome auf: Reflexivitätsaxiom Sicherheitsaxiom Vergleichbarkeitsaxiom Transitivitätsaxiom Stetigkeitsaxiom Beschränkungsaxiom Dominanzaxiom Unabhängigkeitsaxiom Eine detaillierte Formulierung der unterschiedlichen Axiome zeigen etwa K RUSCHWITZ (2007) sowie F AMA und M ILLER (1972). Es zeigte sich, dass die einzelnen Kapitalanleger sich beim Vergleich unterschiedlicher Alternativen hauptsächlich an diesen Axiomen orientieren, um anschließend nach individuellen Präferenzen eine Reihenfolge zu bilden. Dabei wurde deutlich, dass Kapitalanleger im Allgemeinen eindeutig einen Zuwachs vor einem Rückgang des monetären Vermögens bevorzugen. 200 Die Entscheidungstheorie verwendet Nutzenfunktionen, um Entscheidungen bei der Auswahl von unterschiedlichen Alternativen einordnen und abbilden zu können. In der modernen Portfoliotheorie werden Nutzenfunktionen in ähnlicher Weise bei der Veranschaulichung von unterschiedlichen Risikoeinstellungen eines Kapitalanlegers herangezogen. Dabei bildet die Nutzenfunktion grundsätzlich das Nutzenempfinden (U) in Abhängigkeit vom Vermögen (W) ab. Im Kontext des Portfolio Managements ziehen der mögliche Verlauf einer solchen Nutzenfunktion und deren Wechselwirkung auf die individuelle Einstellung zum Risiko das Interesse des Kapitalanlegers auf sich. 201 Die Nutzenfunktion bezieht sich in diesem Fall primär auf den Endwert des Vermögens, sodass ein Kapitalanleger ein wachsendes einem rückläufigen Vermögen vorzieht. Die angesprochene Eigenschaft einer Nutzenfunktion spiegelt sich vorrangig im Nichtsättigungsprinzip wider, aus dem bei jedem monetären Zugewinn eine anschließende Zunahme des Nutzens resultiert. Diese Eigenschaft charakterisiert den Grenznutzen des Vermögens, der stets als positive Steigung der Nutzenfunktion definiert ist. 202 Aus diesem Grund zieht jeder Zuwachs des Vermögens ebenfalls einen positiven Zusatznutzen nach sich. Ein Kapitalanleger entscheidet sich bei der Auswahl von zwei Kapitalanlagen stets für diejenige Alternative mit dem höchsten Ergebnis. Die zweite wichtige Eigenschaft einer Nutzenfunktion bezieht sich auf die Einstellung eines Kapitalanlegers, inwiefern dieser bereit ist, selbst weitere Risiken einzugehen und zu tragen. Dazu wird häufig auf ein faires Spiel mit zwei möglichen Ergebnissen und unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten zurückgegriffen. Aus den empirischen 200 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 78 201 Vgl. Garz/ Günther/ Moriabadi (2006), S. 48 202 Vgl. Elton et al. (2003), S. 214 <?page no="225"?> 226 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie Beobachtungen des fairen Spiels lassen sich drei grundsätzliche Annahmen in Bezug auf die Einstellung eines Kapitalanlegers ableiten: Der Investor zeigt sich risikoscheu, risikoneutral oder risikofreudig. Abb. 77 geht auf die aufgezählten Einstellungen eines Kapitalanlegers für die Übernahme von Risiken ein und stellt deren Verlauf in einem Diagramm dar. Abb. 77: Unterschiedliche Risikoeinstellungen Quelle: Eigene Darstellung Die mehr oder weniger starke Überbetonung der Risiken im Vergleich zu einer sicheren Anlage beschreibt das risikoaverse bzw. risikoscheue Verhalten eines Kapitalanlegers, da er sich bei seinen Entscheidungen vorrangig an der Unsicherheit der Alternativen orientiert. 203 Der beschriebene Kapitalanleger besitzt also im Vergleich zu den verbleibenden Annahmen eine sehr pessimistische Einstellung gegenüber dem Risiko und bevorzugt demnach eher ein sicheres Ergebnis. Im Gegensatz zu einem risikoscheuen Verhalten ist ein Kapitalanleger als risikofreudig zu bezeichnen, wenn dieser in Kenntnisnahme vorhandener Risiken die Chancen einer Alternative im Vergleich zu deren Unsicherheit als außergewöhnlich hoch bzw. weitaus höher einschätzt. Die Einstellung dieses Kapitalanlegers ist hierbei also als sehr optimistisch zu bezeichnen. Ein Kapitalanleger kann sich bei seinen Entscheidungen stattdessen auch vollkommen von der zu erwartenden Rendite beeinflussen lassen und somit den Aspekt des Risikos nahezu vollständig ausblenden. Der Investor verhält sich in diesem Fall vollkommen risikoneutral und orientiert sich dabei lediglich am Erwartungswert der Alternativen und lässt dabei die Differenzierung in sichere und unsichere Alternativen völlig außer Acht. Es stellt sich nun die grundsätzliche Frage, wie sich die individuelle Risikoeinstellung eines Kapitalanlegers in dessen Risiko-Nutzenfunktion widerspiegelt. Die Einstellung eines Kapitalanlegers zur Übernahme von Risiken ist grundsätzlich vom Verhältnis des Erwartungsnutzen E[U(V)] und dem Nutzen des Erwartungswertes U[E(V)] abhängig. In Abb. 77 verdeutlicht die Nutzenfunktion des risikofreudigen Kapitalanlegers, dass der Nutzen des Erwartungswerts stets kleiner als der Erwartungsnutzen ist. Im Gegensatz dazu verhalten sich beide Parameter bei einem risikoneutralen Kapitalanleger linear zueinander. Abb. 77 lässt deshalb folgende Rückschlüsse zu: 203 Vgl. Maier (2007), S. 17 Risikoneutralität Risikovorliebe Risikoaversion <?page no="226"?> 3.3 Die Auswahl eines optimalen Portfolios 227 Falls U[E(V)] > E[U(V)], beschreibt die Nutzenfunktion mit ihrer konkaven Form einen risikoscheuen Kapitalanleger. Falls U[E(V)] = E[U(V)], verläuft die Nutzenfunktion linear und beschreibt einen risikoneutralen Kapitalanleger. Falls U[E(V)] < E[U(V)], beschreibt die Nutzenfunktion mit ihrer konvexen Form einen risikofreudigen Kapitalanleger. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt sich ein Kapitalanleger bei seiner Investitionsentscheidung vollkommen indifferent zwischen der Übernahme eines Risikos in Form einer „Wette“ und dem sicheren Erhalt eines gewissen Betrages verhält. Dieser Zeitpunkt wird in der Regel durch einen monetären Geldbetrag angegeben und wird allgemeinhin auch als Sicherheitsäquivalent bezeichnet. Aus diesem Grund sollte auch das Sicherheitsäquivalent gemäß Abb. 77 bei einem risikoscheuen Investor stets unterhalb des Erwartungswertes des Vermögens liegen. Die moderne Portfoliotheorie geht grundsätzlich von einem risikoscheuen Kapitalanleger aus, der durch eine konkave (Risiko-)Nutzenfunktion beschrieben wird. Die Verwendung einer konkaven (Risiko-)Nutzenfunktion erfüllt neben der Prämisse der Nichtsättigung auch die Annahme eines risikoscheuen Verhaltens seitens der Kapitalanleger. 204 Ein Kapitalanleger handelt in diesem Sinne also „rational“, wenn dieser sich bei der Auswahl unterschiedlicher Alternativen auf effiziente Portfolios beschränkt und diejenige Alternative auswählt, die seinen individuellen Nutzen maximiert. Aus Abb. 75 geht unmittelbar hervor, dass unter der Effizienzkurve weitere Portfolios existieren, die bei genauerer Betrachtung hinsichtlich ihres Rendite- und Risikoprofil als nicht effizient erscheinen. Die Auswahl eines solchen Portfolios widerspricht nicht nur der Annahme eines risikoscheuen Verhaltens, sondern wäre zudem ebenfalls suboptimal, da diese Portfolios im Vergleich zur ihrer effizienten Alternative bei gleicher Rendite auch noch ein höheres Risikos aufweisen. Die Auswahl eines Portfolios entlang der Effizienzkurve ist somit vom Grad der Risikoaversion eines Kapitalanlegers abhängig. 205 Mit anderen Worten ergibt sich der erzielte Nutzen aus der Zusammensetzung der einzelnen Rendite-Risiko-Profile effizienter Portfolios. Die Nutzenfunktion gibt in diesem Sinn eindeutig die Präferenz eines Kapitalanlegers in Bezug auf die wahrgenommenen Risiken und die erwartete Rendite an. Um jedoch bei der Portfoliooptimierung eine konkrete Lösung bestimmen zu können, muss zunächst die Risiko- Nutzen-Funktion des Kapitalanlegers in das Rendite-Risiko-Rahmenwerk der modernen Portfoliotheorie überführt werden. 206 204 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 78 f. 205 Vgl. Garz/ Günther/ Moriabadi (2006), S. 50 206 Vgl. Fabozzi et al. (2007), S. 42 <?page no="227"?> 228 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie 3.3.2 Nutzenfunktionen und Indifferenzkurven Quelle: Public Domain “The determination of the value of an item must not be based on its price, but rather on the utility it yields. The price of the item is dependent only on the thing itself and is equal for everyone; the utility, however, is dependent on the particular circumstances of the person making the estimate. Thus there is no doubt that a gain of one thousand ducats is more significant to a pauper than to a rich man though both gain the same amount.“ Daniel Bernoulli - schweizer Mathematiker und Physiker (*1700, †1782) Den im vorherigen Abschnitt vorgestellten Nutzenfunktionen begegnet man im Portfolio Management in den unterschiedlichsten Formen. Im nachfolgenden Abschnitt wird jedoch zunächst von einer quadratischen Nutzenfunktion ausgegangen. Eine quadratische Nutzenfunktion definiert sich wie folgt: (3.21) Nach der Definition einer quadratischen Nutzenfunktion erweitert die Annahme einer zugrundeliegenden Normalverteilung und die Vorstellung eines risikoscheuen Kapitalanlegers das grundlegende Rahmenwerk der modernen Portfoliotheorie um zwei weitere Parameter und ermöglicht die Transferierung der Nutzenfunktion in sogenannte Iso-Nutzenkurven. Die überführten Kurven werden auch oftmals als Indifferenzkurven bezeichnet und lassen sich je nach Rahmenbedingung direkt aus der (Risiko-)Nutzenfunktion ableiten. Neben der quadratischen Form existieren noch weitere Nutzenfunktionen, so zum Beispiel die lineare, die logarithmische und die exponentielle Nutzenfunktion. Auf letzterer Nutzenfunktion mit basiert beispielsweise folgende Indifferenzkurve 207 : (3.22) mit Parameter zum Ausdruck der Risikoaversion eines Investors (Erwartungs-)Nutzenniveau 207 Vgl. Garz/ Günther/ Moriabadi (2006), S. 52 <?page no="228"?> 3.3 Die Auswahl eines optimalen Portfolios 229 Eine Nutzenfunktion kann auch als eine Menge von Indifferenzkurven wie in Abb. 78 grafisch dargestellt werden. Die Abbildung zeigt verschiedene Indifferenzkurven mit der Bezeichnung U 1 bis U 3 . Jede Kurve stellt die Menge aller Portfolios mit unterschiedlichen Rendite- und Risiko-Profilen dar und spiegelt deshalb genau ein (Erwartungs-)Nutzenniveau U i wider. Abb. 78: Unterschiedliche Indifferenzkurven Quelle: Eigene Darstellung Obwohl alle Punkte entlang der Indifferenzkurve unterschiedliche Kombinationen von Risiko und erwarteter Rendite darstellen, stellt jeder Punkt den gleichen Nutzen für den jeweiligen Investor dar. Bei der Betrachtung der ersten Indifferenzkurve wird deutlich, dass die beiden Punkte u und u‘ unterschiedliche Rendite-Risiko-Profile besitzen, da der Punkt u eindeutig eine höhere erwartete Rendite und Risiko als Punkt u‘ aufweist. Da sich beide Punkte auf der gleichen Indifferenzkurve befinden, ist der Investor jedoch bei der Auswahl eines Portfolios aus beiden Punkten indifferent, d.h. ein Kapitalanleger bevorzugt keinen Punkt entlang der Indifferenzkurve vor einem anderen Punkt. Der Nutzen eines Kapitalanlegers nimmt nur dann zu, wenn sich die Indifferenzkurve von der horizontalen Achse nach oben entfernt. Aus diesem Grund weist die Kurve U 3 in Abb. 78 auch im Vergleich zu den anderen Indifferenzkurven den höchsten Nutzen auf. 208 208 Vgl. Fabozzi et al. (2007), S. 43 <?page no="229"?> 230 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie 3.3.3 Auswirkung des Risikoaversionsparameters auf die Indifferenzkurve Abb. 79: Steigung der Indifferenzkurve Quelle: Eigene Darstellung Die Indifferenzkurve aus dem vorherigen Abschnitt erfordert bei einem „sehr kleinen“ Anstieg des Portfolio-Risikos eine an den Risikoaversionsparameter angepasste Erhöhung der erwarteten Portfoliorendite. Diese Anpassung erfolgt um den Faktor , um ein neues Nutzenniveau zu erhalten. Dabei handelt es sich um die Steigung der Indifferenzkurve an einer beliebigen Stelle . In Abb. 79 soll dementsprechend zum Ausdruck kommen, dass die Steigung der Indifferenzkurve nicht konstant ist. 209 Um den Einfluss des Parameters zur Quantifizierung der Risikoaversion sichtbar zu machen, wurde nachfolgend auf Grundlage der Formel aus dem vorherigen Abschnitt ein einfaches Zahlenbeispiel konstruiert. mit (3.23) Die unterschiedlichen Punkte der Indifferenzkurve ergeben sich entsprechend Tab. 12. 209 Vgl. Garz/ Günther/ Moriabadi (2006), S. 54 <?page no="230"?> 3.3 Die Auswahl eines optimalen Portfolios 231 1 1,25 1,50 1,75 2 2,00 3,00 4,00 3 3,25 5,50 7,75 4 5,00 9,00 13,00 Tab. 12: Ermittlung der Indifferenzkurve Da in Abb. 79 die Steigung der Tangente in Punkt B größer als diejenige in Punkt A ist, nimmt die Steigung gemäß der nachfolgenden Abbildung ebenfalls mit jedem Anstieg des Risikoniveaus zu. Abb. 80: Indifferenzkurven bei unterschiedlicher Risikoaversion Quelle: Eigene Darstellung 3.3.4 Auswahl eines optimalen Portfolios Das Portfolio-Selection-Modell besitzt bei der Auswahl von Portfolios grundsätzlich zwei konkurrierende Zielausprägungen. Ein Kapitalanleger kann einerseits das Ziel verfolgen, die Rendite seines Portfolios zu maximieren, zum anderen möchte dieser aber vielleicht auch das Risiko seines Portfolios minimieren. Soll die Auswahl eines Portfolios etwa nach den individuellen Vorstellungen eines Kapitalanlegers erfolgen, <?page no="231"?> 232 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie steht die Maximierung der erwarteten Rendite des Portfolios in Abhängigkeit von der Risikotoleranz des Kapitalanlegers im Vordergrund. Im Rahmen des Portfolio Managements kommt es dabei unweigerlich zu einer Abwägung der beiden oben genannten divergenten Zielausprägungen. Da ein optimales Portfolio grundsätzlich von den spezifischen Präferenzen des Kapitalanlegers abhängig ist, wird hierzu ein Portfolio auf der Effizienzkurve gesucht, das diesen Anforderungen in höchstem Maß gerecht wird. Das optimale Portfolio eines Kapitalanlegers ergibt sich in Relation zu dessen Nutzenfunktion als ein effizientes Portfolio mit maximalem Nutzen. Da sich die Auswahl eines optimalen und effizienten Portfolios vorrangig an der Risikopräferenz eines Kapitalanlegers orientiert, resultiert das optimale Portfolio aus dem Tangentialpunkt zwischen der Indifferenzkurve und der Effizienzkurve. Durch die kontinuierliche Verschiebung der Indifferenzkurve zur Effizienzkurve hin wird die in Abschnitt 3.1.1 angeführte Prämisse in Bezug auf die Maximierung des Nutzens umgesetzt. Abb. 81: Bestimmung eines optimalen Portfolios Quelle: Eigene Darstellung Abb. 81 erweitert Abb. 78 um eine investorspezifische Effizienzkurve und erlaubt die Darstellung aller möglichen Portfoliokombinationen auf Grundlage der ursprünglichen Indifferenzkurven in einem Diagramm. Abb. 81 zeigt die Bestimmung eines optimalen Portfolios durch die konstante Verschiebung der individuellen Nutzenkurve eines Kapitalanlegers. <?page no="232"?> 3.4 Die Kapitalmarktlinie und die Auswahl eines Portfolios 233 3.4 Die Kapitalmarktlinie und die Auswahl eines Portfolios Abb. 82: Portfolio-Auswahl unter Verwendung der Kapitalmarktlinie Quelle: Eigene Darstellung in MATLAB R2011b In Abschnitt 3.1.1 wurden bereits alle relevanten Annahmen der Portfolio-Selection-Theory genannt. Durch die Ergänzung der Prämissen der modernen Portfoliotheorie um die Existenz eines risikolosen Zinssatzes (engl. risk-free rate) erschließt sich eine weitere grundlegende Aussage des Capital Asset Pricing Model (CAPM). Die Existenz eines risikolosen Zinssatzes impliziert, dass ein Kapitalanleger nun jederzeit einen Kredit in beliebiger Höhe aufnehmen kann, um anschließend das geliehene Kapital in beliebige Wertpapiere zu investieren. In diesem Zusammenhang wird auch häufig von einer risikolosen Kapitalanlage gesprochen. Dabei liegt dem CAPM die Annahme zugrunde, dass grundsätzlich homogene Erwartungen unter allen Kapitalanlegern in Bezug auf die erwarteten Renditen und die Risiken von Wertpapieren bestehen. 210 Da das CAPM mit der Aufnahme eines Kredites der Annahme einer risikolosen Kapitalanlage folgt, nimmt das diesbezügliche Risiko dementsprechend eine Standardabweichung mit einem Wert von Null an. Aus diesem Grund findet man die risikolose Kapitalanlage gemäß Abb. 82 auch als Punkt auf der Ordinate des Rendite-Risiko- Diagramms. Durch das Hinzufügen einer risikolosen Kapitalanlage zu den bisherigen effizienten Portfolios kommt es zu einer Kombination bzw. Mischung zwischen der risikolosen Kapitalanlage zum Zinssatz und den effizienten Portfolios. Da sich das optimale 210 Vgl. Bruns/ Meyer-Bullendiek (1996), S. 50 <?page no="233"?> 234 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie Portfolio eines Kapitalanlegers in Abhängigkeit von seiner Risikonutzenfunktion an beliebigen Punkten entlang der Effizienzkurve befinden kann, ergeben sich durch Verbindung des risikolosen Zinssatzes mit den einzelnen Portfolios entlang der Effizienzkurve die individuellen Portfoliogeraden , und . Dabei ergibt sich jede Gerade aus unterschiedlichen Kombinationen der risikolosen Anlagen mit den effizienten Portfolios. Unter der Vielzahl an Geraden ist jedoch im Vergleich zu den verbleibenden Geraden lediglich eine Gerade effizient. Abb. 83 zeigt mit Gerade eine solche effiziente Gerade, welche auch als Kapitalmarktlinie bezeichnet wird. 211 Abb. 83: Annäherung der einzelnen Geraden an das Marktportfolio Quelle: Eigene Darstellung in MATLAB R2011b Aus Abb. 83 wird deutlich, dass durch die Kombination einer risikolosen Kapitalanlage zum risikolosen Zinssatz und dem Marktportfolio M nahezu alle Portfolios entlang der Kapitalmarktlinie den Portfolios entlang der Effizienzkurve überlegen sind. Die Portfolios auf der Kapitalmarktlinie bieten bei gleichem Risiko eine deutliche Steigerung der Rendite. 212 Die Kapitalmarktlinie definiert den generellen Zusammenhang zwischen zunehmender Renditeerwartung und steigendem Portfoliorisiko. Die Überschneidung der Kapitalmarktlinie mit der Effizienzkurve am Punkt M aller risikobehafteten Portfolios bezeichnet den Tangentialpunkt der beiden Funktionen. 211 Vgl. Steiner/ Bruns (2002), S. 23 212 Vgl. Fabozzi et al. (2007), S. 38 f. <?page no="234"?> 3.4 Die Kapitalmarktlinie und die Auswahl eines Portfolios 235 In diesem Punkt wird aufgrund der Annahme von homogenen Erwartungen der Marktteilnehmer grundsätzlich davon ausgegangen, dass es sich hierbei um die optimale Kombination der Wertpapiere handelt. Aus diesem Grund wird der Tangentialpunkt auch häufig als Marktportfolio bezeichnet. Es kann zusammenfassend festgestellt werden, dass die Kapitalmarktlinie sich also aus der Verbindung des Ordinatenabschnitts des risikolosen Zinssatzes mit dem Tangentialpunkt der Effizienzkurve aller riskanten Portfolios ergibt. 213 Die in Abb. 83 dargestellte Kapitalmarktlinie setzt sich, wie zuvor angesprochen, einerseits aus dem Ordinatenabschnitt des risikolosen Zinssatzes und andererseits aus der Steigung der Kapitalmarktlinie selbst zusammen und kann demnach wie folgt mathematisch definiert werden: (3.24) mit risikolose Anlage Erwartungswert der Rendite des Portfolios Erwartungswert der Rendite des Marktportfolios Standardabweichung des Portfolios Standardabweichung des Marktportfolios Die Steigung der Kapitalmarktlinie wird nach Formel (3.24) durch den Term angegeben, der auch als Marktpreis des Risikos bezeichnet wird. Vor diesem Hintergrund wird die Risikoprämie des Marktes in das Verhältnis zum Marktrisiko gesetzt. Mit anderen Worten resultiert aus obiger Formel die Erwartung eines Kapitalanlegers, für die Übernahme von Risiken durch eine dementsprechende Risikoprämie in Höhe des Terms entschädigt zu werden. 214 Die Rendite eines Portfolios setzt sich entsprechend der Kapitalmarktlinie aus drei Komponenten zusammen: Der Zeitprämie für die zeitweise Überlassung von Kapital Der Risikoprämie, gemessen als Mehrrendite ) pro Risikoeinheit eines effizienten Risikoportfolios multipliziert mit dem übernommenen Portfoliorisiko Das Marktportfolio ist durch die Darstellung des optimalen Nutzens eines jeden Kapitalanlegers im Marktgleichgewicht von erheblicher Bedeutung für die Kapitalmarktlinie. Das Marktportfolio nimmt per Definition alle am Markt befindlichen Wertpapiere entsprechend ihrer gewichteten Marktwerte auf. 215 Die Annahme homogener Erwartungen aller Marktteilnehmer führt dazu, dass alle Kapitalanleger gemäß 213 Vgl. Garz/ Günther/ Moriabadi (2006), S. 69 214 Vgl. Garz/ Günther/ Moriabadi (2006), S. 60 215 Vgl. Loistl (1994), S. 251 <?page no="235"?> 236 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie ihren Erwartungen bezüglich der Zusammensetzung ein identisches Portfolio besitzen. Die Allokation zwischen einer risikolosen Kapitalanlage und dem Marktportfolio ist in der einschlägigen Fachliteratur auch als Tobin-Separation bekannt. 216 Aus der Tobin-Separation folgt, dass die Zusammensetzung eines Portfolios für jeden Kapitalanleger grundsätzlich identisch ist, mit dem Unterschied, dass die Anteile der risikolosen Anlage und des Marktportfolios sich unweigerlich an den einzelnen Risikovorstellungen der Investoren orientieren. Letztendlich entscheidet jedoch die Lage des Tangentialpunkts zwischen der Kapitalmarktlinie und der zugrundeliegenden Indifferenzkurve, ob die Allokation zwischen der risikolosen Kapitalanlage und dem Marktportfolio für den jeweiligen Anleger optimal ist. 217 Das nachfolgende Fallbeispiel verdeutlicht den zuvor beschriebenen Zusammenhang nochmals. Beispiel 3 in Anlehnung an Garz/ Günther/ Moriabadi (2006), S. 61 ff. Es sollen die Rendite- und Risikoparameter der optimalen Portfolios für zwei Kapitalanleger A und B unter der Annahme einer risikolosen Kapitalanlage bestimmt werden. Die einzelnen Präferenzen der beiden Kapitalanleger können wie folgt mathematisch formuliert werden: (3.25) Die Risikoeinstellungen der einzelnen Kapitalanleger unterscheiden sich in diesem Beispiel jedoch erheblich voneinander. Auf Grundlage der vorangestellten Annahmen ergab die Quantifizierung der zugrundeliegenden individuellen Risikoeinstellungen der Kapitalanleger für den Risikoparameter folgende Werte: (3.26) wonach Kapitalanleger A eindeutig risikoaverser handelt als Investor B. Zum Zeitpunkt der Allokation der Portfolios finden sich am Kapitalmarkt folgende Rahmenbedingungen vor: (3.27) Aus dem vorherigen Abschnitt geht hervor, dass das optimale Portfolio eines einzelnen Kapitalanlegers als Schnittpunkt der Kapitalmarktlinie mit dessen Indifferenzkurve bestimmt werden kann. Da der Schnittpunkt in diesem Fall das Optimum in Form des Marktportfolios darstellt, müssen die Steigungen der Kapitalmarktlinie und der Indifferenzkurve übereinstimmen. Aus diesem Grund müssen zunächst beide Steigungen ermittelt werden. [1] Die Steigung der Kapitalmarktlinie stellt den Marktpreis des Risikos dar und ergibt sich aus Term in Formel (3.24): 216 Vgl. Steiner/ Bruns (2002), S. 24 217 Vgl. Tobin (1958), S. 60 ff. <?page no="236"?> 3.4 Die Kapitalmarktlinie und die Auswahl eines Portfolios 237 (3.28) [2] Die Steigung der Indifferenzkurve ergibt sich aus der ersten Ableitung ihrer Funktion. Sie lautet wie folgt: (3.29) Unter dem zuvor beschriebenen Kriterium für das gesuchte Optimum folgt die Gleichsetzung der beiden Gleichungen, sodass: (3.30) Nach dem Einsetzen der Daten aus den angenommenen Rahmenbedingungen ergibt sich für Kapitalanleger A mit (3.31) Das optimale Portfolio von Kapitalanleger A besitzt also eine Portfoliovolatilität von 12,42 %. Nach Einsetzen der fehlenden Daten in die Gleichung der Kapitalmarktlinie ergibt sich die Rendite des optimalen Portfolios von 6,08 % wie folgt: (3.32) Für Kapitalanleger B ergibt sich entsprechend Formel (3.30) und (3.32) eine optimale Portfoliovolatilität von 43,47 % sowie eine optimale Portfolio-Rendite von 8,78 %. Um die Zusammensetzung des optimalen Portfolios für die beiden Kapitalanleger A und B zu ermitteln, greift man auf die Tatsache zurück, dass sich der Erwartungswert des jeweiligen Portfolios als gewichtete Summe der einzelnen Erwartungswerte berechnen lässt. Es resultiert folgende Gleichung: (3.33) Nach Einsetzen der bekannten Parameter folgt für Kapitalanleger A ein optimaler Portfolio-Anteil der risikolosen Anlage und einen Portfolio-Anteil von für das Marktportfolio. Kapitalanleger B präferiert dagegen eine Allokation der risikolosen Anlage mit einem Portfolio-Anteil von sowie folglich einen Portfolio-Anteil von für das Marktportfolio. Abb. 84 zeigt eine approximative Darstellung der zwei Portfolios im Vergleich zum Marktportfolio. <?page no="237"?> 238 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie Abb. 84: Näherungsweise Darstellung der Investoren-Portfolios im Vergleich zum Markt Quelle: Eigene Darstellung in MATLAB R2011b Die vorangegangenen Berechnungen zu den einzelnen Portfolio-Parametern lassen folgende Rückschlüsse auf die Eigenschaften der zwei Kapitalanleger A und B zu. Da sich das Portfolio von Kapitalanleger A am unteren Teil der Kapitalmarktlinie befindet, liegt dessen Portfolio unweigerlich unterhalb des Marktportfolios. Durch den überwiegend positiven Anteil der risikolosen Kapitalanlage am Portfolio, legt Kapitalanleger A sein Vermögen im Gegensatz zu seinem Konkurenten B zum risikolosen Zinssatz an. Aus diesem Grund charakterisiert sich Kapitalanleger A eindeutig als Gläubiger. Da sich das optimale Portfolio seines Konkurrenten B hingegen im oberen Teil der Kapitalmarktlinie, rechts vom Marktportfolio befindet, gibt sich Kapitalanleger B durch seine getätigten Leerverkaufspositionen in der risikolosen Anlage eher als klassischer Schuldner. Da das optimale Portfolio für Kapitalanleger B einen negativen Anteil von -89 % besitzt, nimmt dieser also durch das Eingehen von Short- Positionen zusätzliches Kapital in Höhe von 89 % seines ursprünglichen Vermögens auf, um das erhaltene Kapital anschließend in das Marktportfolio erneut zu investieren. 218 Durch die Aufnahme von Fremdkapital ist ein solches Portfolio auch als „leveraged portfolio“ bekannt. Die Auswahl eines Portfolios auf der Kapitalmarktlinie spiegelt also eine Kombination von Kapitalaufnahme zum risikolosen Zinssatz und Kapitalanlage im Marktportfolio dar. Diese wichtige Eigenschaft wird auch als Separations-Theorem bezeichnet. 219 218 Vgl. Garz/ Günther/ Moriabadi (2006), S. 63 219 Vgl. Fabozzi et al. (2007), S. 38 f. <?page no="238"?> 3.5 Die Wertpapierlinie und das Kapitalmarktgleichgewicht 239 3.5 Die Wertpapierlinie und das Kapitalmarktgleichgewicht Da sich das mathematische Modell der zuvor beschriebenen Kapitalmarktlinie lediglich auf die Bestimmung der erwarteten Rendite eines riskanten Portfolios bezieht, wird nun auf der Grundlage der Kapitalmarktlinie und der erwarteten Risikoprämie der Kapitalanleger die Quantifizierung von Preisen einzelner Wertpapiere innerhalb des Marktportfolios im Marktgleichgewicht untersucht. Die Erkenntnisse aus diesem Abschnitt liefern die Grundlage für die spätere Darstellung der mathematischen Standardgleichung des Capital Asset Pricing Model im anschließenden Abschnitt. Das Marktportfolio stellt den zentralen Ausgangspunkt für die Ermittlung des Gleichgewichtspreises der einzelnen Wertpapiere dar. Da jedes einzelne Wertpapier im Marktportfolio gemäß dem Verhältnis der jeweiligen Marktkapitalisierung und der Kapitalisierung des Gesamtmarkts enthalten ist, kann der Wert eines Wertpapiers ebenfalls in Relation zum Marktportfolio ausgedrückt werden. 220 Diese Eigenschaft erlaubt die Bildung eines Portfolios , das zu einem prozentualen Anteil von das Wertpapier sowie zu einem Anteil von das Marktportfolio enthält. Die Bildung eines solchen Portfolios entspricht der grundsätzlichen Vorgehensweise des 2- Anlagen-Falls aus Abschnitt 3.1.2. Per Definition entspricht somit das Portfolio erst bei einem wertmäßigen Anteil des Wertpapiers von Null dem Marktportfolio. Die erwartete Rendite des Portfolios ergibt sich äquivalent zu Abschnitt 3.1.2 als lineare Kombination der erwarteten Renditen und der einzelnen Bestandteile des Portfolios : (3.34) mit Erwartungswert der Rendite des Portfolios : Portfolio-Anteil des Wertpapiers Erwartungswert der Rendite des Wertpapiers Erwartungswert der Rendite des Marktportfolios Auf Grundlage der Ausführungen zur Portfolio Selection Theory aus Abschnitt 3.1 ergibt sich das Portfoliorisiko entsprechend durch: (3.35) mit Erwartungswert der Rendite des Portfolios : Portfolio-Anteil des Wertpapiers Varianz der Rendite des Marktportfolios Varianz der Rendite des Wertpapiers Kovarianz zwischen Wertpapier i und Marktportfolio 220 Vgl. Steiner/ Bruns (2002), S. 25 <?page no="239"?> 240 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie Um festzustellen, welchen Einfluss eine Veränderung der Portfolioanteile des Wertpapiers bzw. des Marktportfolios auf die Rendite des Portfolios ausübt, wird die partielle Ableitung der soeben vorgestellten Funktion nach dem Anteil benötigt. Die nachfolgende Ableitung der Wertpapierlinie orientiert sich hauptsächlich an den ursprünglichen Ausführungen von Sharpe in Prigent (2007) und Steiner/ Bruns (2002). (3.36) Da wir im Nachfolgenden maßgeblich am Preis des Wertpapiers im Gleichgewicht interessiert sind und die homogenen Erwartungen aller Markteilnehmer im Marktportfolio idealerweise zu einer Balance zwischen der aggregierten Nachfrage und dem aggregierten Angebot führen, setzen wir den Anteil des Wertpapiers im Portfolio mit Absicht auf den Wert Null, da das Wertpapier ja bereits im Marktportfolio enthalten ist. Es gilt für . (3.37) Um das Austauschverhältnis von Rendite und Risiko zu erhalten, müssen anschließend beide Ableitungen dividiert werden. Es folgt: (3.38) Auf Grund der Tatsache, dass das Marktportfolio im Tangentialpunkt zwischen der Kapitalmarktlinie und dem effizienten Rand gebildet wird, ist es nicht verwunderlich, dass im Gleichgewicht das Austauschverhältnis von Rendite und Risiko genau der Steigung der Kapitalmarktlinie entspricht. Als Konsequenz lassen sich das Austauschverhältnis und die Steigung der Kapitalmarktlinie gleichsetzen, sodass gilt: (3.39) Da das CAPM im Allgemeinen die zentrale Aussage über die Zusammensetzung der erwarteten Rendite von Wertpapier trifft, soll die erhaltene Gleichung dementsprechend aufgelöst werden. Als Resultat erhält man anschließend die Wertpapierlinie (engl. security market line): <?page no="240"?> 3.5 Die Wertpapierlinie und das Kapitalmarktgleichgewicht 241 (3.40) mit : Erwartungswert der Rendite des Wertpapiers Erwartungswert der Rendite des Marktportfolios Rendite der risikolosen Anlage Varianz der Rendite des Marktportfolios Kovarianz zwischen Wertpapier i und Marktportfolio Abb. 85 zeigt die grafische Darstellung der erläuterten Wertpapierlinie. Abb. 85: Darstellung der Wertpapierlinie Quelle: Eigene Darstellung Aus der Wertpapierlinie folgt die Erkenntnis, dass sich die erwartete Rendite im Kapitalmarktgewicht aus einem risikolosen Zinssatz und einer entsprechend gewichteten Risikoprämie zusammensetzt. Die Gleichung der Wertpapierlinie liefert die Grundlage für die anschließende Darstellung der mathematischen Standardgleichung des CAPM. Spremann (2006) beschreibt das CAPM in diesem Zusammenhang als eine logische Folge der Definition und Konstruktion des Marktportfolios. 221 Die Ableitung der mathematischen Standard- 221 Vgl. Spremann (2006), S. 308 <?page no="241"?> 242 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie formel des CAPM aus der Wertpapierlinie stellt ebenfalls die erstmalige Vorgehensweise von S HARPE dar. Neben dem Ansatz nach Sharpe existieren weitere Methoden zur Ableitung des CAPM. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass sich der überwiegende Teil der Fachliteratur didaktisch an den Ausführungen von S HARPE orientiert. Vor dem Hintergrund des vorliegenden Lehrbuchs lag es nahe, den bewährten Ansatz von Sharpe auch in unseren Ausführungen umzusetzen. Eine didaktische Alternative bieten etwa Kruschwitz (2007) oder Grinold/ Kahn (1999). 3.6 Das Capital Asset Pricing Model Quelle: © Harvard Business School “It turns out, however, that the ‘market price of risk’ involved in determing the market values of individual securities within a portfolio of risk assets is not equal to the ratio of the expected return on the optimal portfolio of risk assets to the standard deviation of this portfolio return.” 222 John Lintner - Professor an der Harvard Business School (*1916, †1983) Das Capital Asset Pricing Model (CAPM) befasst sich im Allgemeinen mit der Bewertung von Wertpapieren im Kapitalmarktgleichgewicht. Das Modell wurde in den 1960er Jahren durch die wissenschaftlichen Arbeiten von W ILLIAM F. S HARPE , J OHN L INTNER , J AN M OSSIN und J ACK . L. T REYNOR relativ zeitnah, jedoch nahezu unabhängig voneinander entwickelt. Die Theorie der Portfolioauswahl nach M ARKO- WITZ aus den 1950er Jahren diente zeitlich wie auch inhaltlich als solide Grundlage für die Entwicklung der Kapitalmarkttheorie und des CAPM. 223 Aus diesem Grund wurden für das Rahmenwerk des CAPM auch zahlreiche Prämissen aus der wissenschaftlichen Arbeit von M ARKOWITZ übernommen und durch weitere bedeutsame Annahmen erweitert. Da es sich beim CAPM um ein so genanntes Ein-Faktor- Modell 224 handelt, geht man bei der Erklärung der erwarteten Rendite eines Wertpapiers grundsätzlich davon aus, dass die erwartete Rendite sich auf den Faktor des systematischen Risikos zurückführen lässt. Das CAPM verfolgt das Ziel, eine Aussage über die erwartete Rendite eines Wertpapiers im Marktgleichgewicht zu treffen, die das Wertpapier nach Maßgabe des Risikos in Zukunft erbringen sollte. 225 222 Siehe John Lintner (1965), Security Prices, Risk, and Maximal Gains from Diversification, S. 587 223 Vgl. Kruschwitz (2007), S. 161 224 Anmerkung: Eine Übersicht über die diversen Kapitalmarktmodelle gibt etwa Abschnitt 3.1 225 Vgl. Bruns/ Meyer-Bullerdiek (1996), S. 53 <?page no="242"?> 3.6 Das Capital Asset Pricing Model 243 Das CAPM greift dabei den zentralen Zusammenhang zwischen der erwarteten Rendite eines Wertpapiers und den Risiken des Marktes auf und bindet diese grundlegende Relation in Form einer Prämisse in das Modell ein. Dieses Prinzip findet sich auch in den zentralen Annahmen des CAPM wieder. 3.6.1 Annahmen Das CAPM geht grundsätzlich davon aus, dass sich Kapitalanleger bei der Allokation ihres Vermögens einerseits rational und risikoscheu verhalten, andererseits aber stets an den erwarteten Renditen und Risiken der jeweiligen Wertpapiere orientieren. Das CAPM verzichtet neben der Integration der zugrundeliegenden Transaktionskosten für den Erwerb bzw. den Verkauf der einzelnen Wertpapiere in das Modell auch auf die Berücksichtigung von Steuern. Letztere Annahme führt dazu, dass sich ein Kapitalanleger vollkommen indifferent gegenüber der Herkunft der Rendite gibt, sei es durch Dividenden oder Wertsteigerungen. Das CAPM geht von einer beliebigen Teilbarkeit der Wertpapiere aus, sodass ein Kapitalanleger ungeachtet der Höhe seines Vermögens grundsätzlich in jede Position eines Wertpapiers in beliebiger Höhe investieren kann. Das CAPM folgt der Annahme, dass ein einzelner Kapitalanleger durch den Erwerb bzw. den Verkauf von Wertpapieren keinen Einfluss auf den Kurs eines Wertpapiers ausüben kann. Das CAPM erlaubt darüber hinaus den unbegrenzten Aufbau von Short-Positionen, also den gezielten Leerverkauf von Wertpapieren. Dafür kann ein Marktteilnehmer im Rahmen der Annahmen des CAPM unbegrenzt zum risikolosen Zinssatz weiteres Kapital aufnehmen und anschließend wieder anlegen. Um die erwartete Rendite eines Wertpapiers im Marktgleichgewicht ermitteln zu können, geht das CAPM vereinfachend davon aus, dass alle Kapitalanleger ihr Kapital auf Grund homogener Erwartungen im gleichen Zeitraum anlegen möchten. Das CAPM setzt voraus, dass alle Vermögensgegenstände grundsätzlich handelbar sind und somit zum Erwerb bzw. zum Verkauf stehen. 226 Einige dieser Annahmen wurden maßgeblich aus der Theorie über die Portfolioauswahl von M AR- KOWITZ übernommen. Im nachfolgenden Abschnitt soll das zugrundeliegende Konzept des CAPM vertieft werden. 226 Vgl. Elton et al. (2003), S. 293 <?page no="243"?> 244 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie 3.6.2 Das grundlegende Konzept Abb. 86: Das grundlegende Schema des CAPM Quelle: Eigene Darstellung Das grundlegende Konzept des Capital Asset Pricing Model lässt sich durch folgende Situation am Kapitalmarkt erklären: Es wird angenommen, dass ein Kapitalanleger die Wahl zwischen der vollkommen risikolosen Anlage seines Kapitals zu einem risikolosen Zins von lediglich 2 % oder der Investition in einen Exchange Traded Fund (ETF) hat. Letzteres Anlageinstrumentarium spiegelt durch die Aufnahme nahezu aller handelbaren Wertpapiere das systematische Risiko des Marktes wider. Da das CAPM auf der Grundlage einer simultanen Betrachtung von Rendite- und Risikogrößen die Bewertung von Wertpapieren im Marktgleichgewicht vornimmt, kommt dieses Prinzip nun zur Anwendung. Durch das systematische Risiko des ETFs trägt der Kapitalanleger bei seiner Investition in den Markt im Vergleich zur alleinigen Investition in die risikolose Anlagemöglichkeit jedoch ein erhöhtes Risiko. Für die Übernahme weiterer Risiken über den risikolosen Zins hinaus fordern die Kapitalanleger eine entsprechende „Vergütung“. Die Höhe der Entlohnung für die gezielte Übernahme von Risiken regelt das CAPM durch die so genannte Risikoprämie . Diese definiert sich wie folgt: (3.41) Die Risikoprämie ergibt sich gemäß Formel (3.41) aus der Differenz der erwarteten Rendite des Marktes und des risikolosen Zinssatzes. Es wird dabei angenommen, dass der Markt die Investition in den ETF sowie das zusätzlich übernommene Risiko mit einer Rendite von 6 % p.a. vergütet. Je nach Risikoeinstellung des Kapitalanlegers entspricht das Verhältnis zwischen angegebener Risikovergütung und Risikohöhe den Vorstellungen des Kapitalanlegers, sodass dieser bereit ist, in den ETF zu investieren. Um dem Ziel, die Rendite eines beliebigen Wertpapiers im Marktgleichgewicht bestimmen zu können, näher zu kommen, erweitern wir unsere Überlegungen um eine dritte Anlagemöglichkeit. Der Kapitalanleger kann nun zwischen der risikolosen Anlagemöglichkeit, der Investition in einen ETF oder einer direkten Investition in ein Small-Cap-Unternehmen wählen. Die Investition in das Small-Cap-Unternehmen birgt neben dem systematischen Risiko ebenfalls das unsystematische Risiko (vgl. Abschnitt ? 8% Anlage ohne Risiko risiko loser Zins ETF systemati sches Risiko Risiko prämie 6% risiko loser Zins Small Cap unsystema tisches Risiko <?page no="244"?> 3.6 Das Capital Asset Pricing Model 245 3.1.3), welches per Definition die individuellen Risiken eines Unternehmens abbildet. Um unter diesen Rahmenbedingungen eine angemessene Vergütung für das Small- Cap-Unternehmen im Marktgleichgewicht fordern zu können, wird nun der Beta- Faktor eingeführt. Der Beta-Faktor lässt sich entsprechend den Überlegungen aus dem vorigen Abschnitt aus der Wertpapierlinie ableiten und definiert sich wie folgt: bzw. (3.42) mit : Kovarianz zwischen der Rendite des Wertpapiers und des Marktes Varianz der Rendite des Marktportfolios Korrelation Kovarianz zwischen der Rendite des Wertpapiers und des Marktes Standardabweichung der Rendite des Wertpapiers Standardabweichung der Rendite des Marktes Da der Beta-Faktor unmittelbar die Sensitivität eines einzelnen Wertpapiers gegenüber den Veränderungen der Rendite des Gesamtmarktes darstellt, 227 kann auf der Grundlage des Beta-Faktors das Risiko eines Wertpapiers im Verhältnis zum Markt beurteilt werden. Die Risikoprämie eines Wertpapiers wird durch den Beta-Faktor in den Gesamtkontext zum Markt gesetzt. Die Interpretation des Beta-Faktors lässt dabei folgende Aussagen zu: Bei einem Beta-Faktor > 1 ist das jeweilige Wertpapier im Vergleich zum Markt einem höheren Risiko ausgesetzt. Ein Beta-Faktor < 1 dagegen symbolisiert im Vergleich zum Markt ein geringeres Risiko. Vor diesem Hintergrund ergibt sich die mathematische Standardgleichung des CAPM wie folgt: (3.43) In der mathematischen Standardgleichung des CAPM aus Formel (3.43) kommt zum Ausdruck, dass für ein einzelnes risikobehaftetes Wertpapier im Kapitalmarktgleichgewicht eine Rendite erwartet werden kann, die sich offensichtlich aus dem risikolosen Zinssatz und einer mit der Sensitivität des Marktes gewichteten Risikoprämie zusammensetzt. 228 Mit dem CAPM wird für alle Anlageformen eine theoretische Beziehung zwischen deren erwarteter Rendite und dem jeweiligen Assetrisiko begründet. Die Renditeerwartung jeder Anlagemöglichkeit entspricht dem Zinssatz für die sichere Anlagealternative zuzüglich einer Risikoprämie. Die Risikoprämie ist proportional zum Beta-Faktor des Assets. 227 Vgl. Steiner/ Bruns (2007), S. 15 f. 228 Vgl. Bruns/ Meyer-Bullerdiek (1996), S. 53 <?page no="245"?> 246 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie Eine detaillierte mathematische Herleitung sowie einen letztendlichen Beweis des CAPM bleiben wir dem Leser jedoch an dieser Stelle schuldig und verweisen hierfür auf die Ausführungen von Spremann (2006) S. 301 ff. und Kruschwitz (2007) S. 161 ff. Berechnung der erwarteten Rendite Auf Grundlage des CAPM und der nachfolgenden Informationen soll anschließend die erwartete Rendite eines Unternehmens bestimmt werden. Rendite einer risikolosen Anlage: 5 % Rendite des Marktportfolios: 8 % Beta-Faktor: 0,7 Die Grundgleichung des Single-Index-Modells ergibt sich wie folgt: (3.44) Die erwartete Rendite des Unternehmens lässt sich gemäß Formel (3.49) bzw. (3.46) wie folgt bestimmen: (3.45) Die Rendite für das Unternehmen beträgt: 6,5 % 3.6.3 Empirische Tests und Kritik Quelle: © Markus Prantl “The world is our laboratory.” Myron S. Scholes - kanadischer Wirtschaftswissenschaftler (*1941) Das CAPM ist seit seiner Entwicklung in den 1960er Jahren hauptsächlich im angloamerikanischen Raum zahlreichen Tests unterzogen worden, die maßgeblich auf die Validierung des CAPM abzielten. D OUGLAS (1969) veröffentlichte Ende der 1960er Jahre die erste empirische Studie zum CAPM. In dieser versuchte er, durch eine Regressionsanalyse von 500 Aktien in einem Beobachtungszeitraum von lediglich <?page no="246"?> 3.6 Das Capital Asset Pricing Model 247 5 Jahren einen Nachweis über den Zusammenhang von Rendite, Beta-Faktor und residualer Varianz zu erbringen. Die empirischen Ergebnisse seiner Forschungen bestätigten, dass die residualen Varianzen nicht, wie vermutet, zum Beta-Faktor eine positive Korrelation aufweisen, sondern vielmehr zu den historischen Renditen selbst. M ILLER und S CHOLES (1972) fanden jedoch wenig später in der empirischen Arbeit von D OUGLAS einige Fehler. Die beiden waren damals unter anderem der Ansicht, dass der durch D OUGLAS festgestellte Effekt hauptsächlich durch die Behandlung von diversen Faktoren abgeschwächt wurde. Der erste wegweisende empirische Beweis des CAPM wurde hingegen durch B LACK / J ENSEN / S CHOLES (1972), B LUME / F RIEND (1973) und F AMA / M AC B ETH (1973) 229 erbracht. Nach Korrektur der durch D OUGLAS und M ILLER / S CHOLES (1972) festgestellten Schwächen der zuvor ausgeführten empirischen Tests kam man zu dem Ergebnis, dass ein Anstieg des Beta-Faktors unweigerlich mit einem Anstieg der Renditen einhergeht. Abb. 87 greift diesen Zusammenhang in einer Grafik erneut auf. 230 Abb. 87: Renditen und Beta-Faktoren Quelle: Vgl. Black, Jensen und Scholes (1972) 231 Durch den Beweis eines positiven Zusammenhangs von Beta-Faktor und der Rendite eines Wertpapiers in Verbindung mit einer positiven Steigung galten die empirischen Tests der Mathematiker und Ökonomen lange Zeit als das Maß aller Dinge. Einige Zeit später untersuchte jedoch R EINGANUM (1982) erstmals die Abhängigkeit des Beta-Faktors von der Größe des Unternehmens. Dieser Zusammenhang ist in der Fachliteratur auch als size effect bekannt. F AMA und F RENCH (1992) belegten in den frühen 1990er Jahren erstmals Anomalien in den Aussagen des CAPM, was zu einer baldigen Ablehnung der Modellannahmen führte. 232 Der Vergleich der Renditen und Beta-Faktoren aus den Ergebnissen von B LACK , J ENSEN und S CHOLES (1972) und F AMA und F RENCH (1992) zeigten nach der Adjustierung des zuvor angesprochenen Kleinfirmeneffekts (engl. size effect) statt einer wie bisher gewohnt positiven Steigung eine vielmehr flachere Gerade, die nahezu eine negative Steigung annimmt (siehe Abb. 88). 229 Vgl. Elton et al. (2003), S. 345 ff. 230 Vgl. Falkenstein (2009), S. 50 f. 231 Vgl. Falkenstein (2009), S. 42 232 Vgl. Fama/ French (1992), S. 427 ff. 0% 20% 40% 60% 0.5 0.7 0.9 1.1 1.3 1.5 1.7 1.9 Annualisierte Rendite Beta Faktor <?page no="247"?> 248 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie Abb. 88: Rendite und Risiko in Theorie und Praxis Quelle: Vgl. Falkenstein (2009), S. 8 Andere Kritiker des CAPM sind davon überzeugt, dass sich das CAPM einer empirischen Überprüfung entzieht. R OLL (1977) bemerkte, dass sich das Marktportfolio aller risikobehafteten Wertpapiere nicht rekonstruieren lässt und der Rückgriff auf Teilportfolios keinen Rückschluss auf das Marktportfolio zulassen würde, sondern sich die Ergebnisse in diesem Fall lediglich auf das Teilportfolio selbst beziehen würden. 233 R OLL gilt durch die Veröffentlichung seiner Kritik gegenüber dem CAPM als Begründer einer Gegenbewegung. Zu dieser zählen unter anderem auch G IBBONS / R OSS / S HANKEN (1989), die einige Ergebnisse der populären Roll-Kritik in ihre Untersuchungen mitaufnahmen und als Grundlage für ihre Studien verwendeten. 234 Die Studie nach S TAMBAUGH (1982) zeigt hingegen ein anderes Bild, bei dem die Ergebnisse des CAPM nicht allzu sensitiv auf die Wahl des Marktindex reagieren und demnach auch die Wahl des Marktportfolios nicht zwingend entscheidend ist. 235 Obwohl in der Fachliteratur bis heute kein eindeutiger Konsens über einen allgemeingültigen Beweis des CAPM feststellbar ist, kann zusammenfassend gesagt werden, dass zumindest der überwiegende Teil der Fachliteratur einige Aussagen des CAPM stark anzweifelt. Eine noch tiefere inhaltliche und historische Darstellung der CAPM- Thematik liefert etwa S PREMANN (2006), S. 327 ff. 3.7 Modellerweiterungen des CAPM In den vorangegangen Abschnitten wurde bei der Einführung des Markowitz- Modells zunächst bewusst auf eventuelle Beschränkungen bei der Zusammensetzung des Portfolios verzichtet. Nun wird das zentrale Modell Schritt für Schritt erweitert. Obwohl bei der Einführung in die theoretischen Grundlagen zum Zweck einer geeigneten didaktischen Herleitung nicht zwingend etwaige Restriktionen bestehen müssen, erfordert die Praxis mit einem nahezu unbegrenzten Anlageuniversum und unterschiedlichen Anlagezielen die Einführung von Nebenbedingungen bei der Strukturierung, Bildung und Optimierung von Portfolios. 233 Vgl. Roll (1977), S. 129 ff. 234 Vgl. Falkenstein (2009), S. 50 f. 235 Vgl. Stambaugh (1982), S. 238 <?page no="248"?> 3.7 Modellerweiterungen des CAPM 249 In der Praxis kann es zum Beispiel durchaus vorkommen, dass die regulatorischen Rahmenbedingungen instituioneller Kapitalanlagegesellschaften die Durchführung von Leerverkäufen strikt untersagen. Da negative Werte im Modell des Erwartungswert- Varianz-Ansatzes nach Markowitz unweigerlich Leerverkaufspositionen im Portfolio widerspiegeln, sollten in diesem Fall entsprechende Nebenbedingungen für die Portfoliooptimierung festgelegt werden. Durch diese Maßnahme soll verhindert werden, dass die einzelnen Portfoliogewichte der Wertpapiere negative Werte annehmen. Eine weitere Anwendung von Restriktionen liegt in der gezielten Begrenzung von einzelnen Portfolioanteilen zur Sicherstellung eines gewissen Diversifikationseffekts im Portfolio. Im Allgemeinen wird eine dementsprechende Begrenzung von einzelnen Wertpapieren im Portfolio in Form von Nebenbedingungen in das mathematische Modell integriert: wobei (3.46) mit : vorgegebener minimaler Portfolio-Anteil des i-ten Wertpapiers : tatsächlicher Portfolio-Anteil des i-ten Wertpapiers vorgegebener maximaler Portfolio-Anteil des i-ten Wertpapiers Ein eventuelles Verbot von Leerverkäufen kann durch die Anpassung der soeben eingeführten Nebenbedingung aus Formel (3.47) umgesetzt werden. und wobei (3.47) Die Hinzunahme von Nebenbedingungen zieht aus mathematischer Sicht einen unmittelbaren Anstieg im Umfang und in der Komplexität der Optimierungsprobleme nach sich. Dabei erschwert die zunehmende Komplexität die Ermittlung einer mathematisch korrekten Lösung des Optimierungsproblems. Der exponentielle Anstieg der Laufzeit, die zur Lösung des Optimierungsproblems benötigt wird, stellt dabei einen weiteren kritischen Faktor dar. Aus diesem Grund benötigt man zur Optimierung von Portfolios sehr leistungsfähige Computer. Obwohl gegenwärtig nahezu alle aktuell erhältlichen Personal-Computer die Leistungsanforderung zur Lösung komplexer Optimierungsprobleme erfüllen, stellte bei der erstmaligen Veröffentlichung von M ARKOWITZ ’ Arbeit im Jahr 1952 der enorm hohe Aufwand an Rechenoperationen ein erhebliches Problem für die Lösung des zugrundeliegenden Optimierungsproblems dar. Dies lag maßgeblich an der Notwendigkeit sehr große Datenmengen zur Schätzung der Inputparameter des Modells zu verarbeiten. 236 Die nachfolgende Tabelle verdeutlicht die damalige Problematik bei der Behandlung von großen Datenmengen für die Berechnung der Inputparameter. Variablen Allgemein Varianzen … 10 N Kovarianzen 45 n(n-1)/ 2 Renditen … 10 N Summe 65 n(n+3)/ 2 Tab. 13: Inputmatrix Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Steiner/ Bruns (2002) 236 Vgl. Schierenbeck (1991), S. 640 ff. <?page no="249"?> 250 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie Tab. 13 zeigt, dass bereits bei einem Portfolio mit 10 Wertpapieren 10 Varianzen und Renditen sowie 45 Kovarianzen geschätzt werden müssen. Kommen nun 40 weitere Wertpapiere zum bisherigen Portfolio hinzu, müssen insgesamt 50 Varianzen und Renditen ermittelt sowie 1225 Kovarianzen geschätzt werden. Es wird deutlich, dass die praktische Anwendbarkeit des „klassischen“ Erwartungswert-Varianz-Ansatzes damalig lediglich Kapitalanlegern mit entsprechenden Ressourcen vorbehalten war. 237 M ARKOWITZ war sich damals schon bewusst, dass die aus der mathematischen Formulierung des Modells abgeleitete Vorgehensweise aus praktischer Sicht höchst ineffizient war. Aus diesem Anlass entwickelte M ARKOWITZ im Rahmen seiner Arbeit über die Portfolio-Selection-Theorie einen ausgeklügelten Algorithmus für eine effizientere Bestimmung der Effizienzkurve, die Kritische-Linien-Methode (engl. critical line algorithm). Da die Erläuterung des Algorithmus sehr umfangreich und auch für ein tiefergehendes Verständnis des Lesers nicht zwingend notwendig ist, wird auf die Darstellung des Algorithmus verzichtet. 238 Bei Interesse kann auf Amenc/ Le Sourd (2003), S. 84 zurückgeriffen werden. Eine einfachere Möglichkeit zur Bestimmung aller effizienten Portfolios liefert die Tobin-Separation, auf die jedoch in Abschnitt 3.4 bereits ausführlich eingegangen wurde. Obwohl die gängigen Ansätze zur Lösung von Optimierungsproblemen in Kapitel 2 ausführlich erläutert worden sind, sei der interessierte Leser jedoch mit der Wolfe-Methode (1959) auf einen besonderen Lösungsansatz hingewiesen. Diese Methode zur Lösung von Optimierungsproblemen mit linearen Nebenbedingungen reduziert das ursprüngliche quadratische Optimierungsproblem auf ein vollkommen lineares Optimierungsproblem und erlaubt dadurch die Anwendung des Simplex-Algorithmus für eine zeitlich effizientere Ermittlung einer Lösung. 239 237 Vgl. Markowitz (1991), S. 205 238 Die Erläuterung des Algorithmus finden Sie in Markowitz (1998), S. 316 ff. Ein Artikel zur praktischen Anwendung der Kritischen-Linien-Methode finden Sie in Guerard (2010) S. 383 ff. 239 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 85 <?page no="250"?> 3.7 Modellerweiterungen des CAPM 251 3.7.1 Das Single-Index-Modell Quelle: © Anne Knudsen “Some investments do have higher expected returns than others. Which ones? Well, by and large they’re the ones that will do the worst in bad times.” William F. Sharpe - US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler (*1934) Eine Alternative zu den bisherigen Ansätzen liefert das Single-Index-Modell von S HARPE (1963). Bei der Entwicklung des Modells verfolgte S HARPE aufgrund der angesprochenen Datenproblematik das grundlegende Ziel, die zur Berechnung der Effizienzkurve geschätzten Daten auf ein Mindestmaß zu reduzieren. S HARPE war davon überzeugt, durch eine marginale Vereinfachung des Modells die Laufzeit des „klassischen“ Erwartungswert-Varianz-Ansatzes nach Markowitz drastisch reduzieren zu können. Bei der Formulierung des Single-Index-Modells nahm S HARPE an, dass die Rendite und dadurch die Korrelation eines Wertpapiers von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst werden. 240 Die Annahme eines linearen Zusammenhangs zwischen der Rendite eines Wertpapiers und der Rendite des Marktes erlaubte die Substitution der zur Ermittlung des Risikos erforderlichen Kovarianzen durch die Korrelation der Marktrendite. 241 Die Rendite eines Wertpapiers ergibt sich entsprechend S HARPE s Vorstellungen aus einem systematischen Faktor und einer individuellen Komponente. S HARPE geht davon aus, dass fundamentale Ursachen, wie z.B. die Änderung der Leitzinsen, der Ausbruch von Krisen und Kriegen, aber auch der Eintritt vollkommen unerwarteter politischer Ereignisse und der daraus resultierenden wirtschaftlichen Auswirkungen einen gemeinsamen Einfluss auf alle Wertpapiere ausüben. Das Single- Index-Modell folgt deshalb der Annahme, dass derartige fundamentale Einflüsse sich gleichermaßen auf einen Index auswirken können und somit die Unsicherheit über den Eintritt der erwarteten Rendite einer Aktie vollständig erklärt werden kann. Unter der Voraussetzung der genannten Annahmen kann die Entstehung der Rendite eines Wertpapiers folgendermaßen modelliert werden: für alle (3.48) 240 Vgl. Sharpe (1963), S. 277 ff. 241 Vgl. Bruns/ Meyer-Bullendiek (1996), S. 55 <?page no="251"?> 252 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie mit Rendite des i-ten Wertpapiers konstante, unternehmensspezifische Rendite konstante Sensitivität des i-ten Wertpapiers gegenüber Veränderungen der Rendite eines Index Rendite des Index, der alle fundamentalen Einflüsse erfasst Allerdings besteht neben der systematischen Komponente eine unternehmensspezifische Komponente, die einen signifikanten Einfluss auf die Rendite eines Wertpapiers ausübt. Aus diesem Grund nehmen auch Ereignisse, die lediglich ein einzelnes Unternehmen betreffen, unweigerlich Einfluss auf die Rendite des jeweiligen Wertpapiers. Ein mögliches Beispiel dafür ist der Brand in einer wichtigen Produktionsstätte eines Automobilkonzerns. In diesem Fall wird sich der Brand möglicherweise auf den Kurs der Aktie des betroffenen Unternehmens auswirken. Diese Annahme ermöglichte es S HARPE , eine vereinfachte Struktur zur Bestimmung von Korrelationen unterschiedlicher Wertpapiere einzuführen, das empirische Marktmodell. Damit erweiterte S HARPE die ursprüngliche Gleichung des CAPM um einen titelspezifischen Störfaktor : für alle (3.49) Die beiden Faktoren und werden im Rahmen einer linearen Regression aus den Renditen des Marktes und den Renditen der Wertpapiere der gleichen Periode geschätzt. Nach der Methode der kleinsten Quadrate definiert sich der Beta-Faktor wie folgt: 242 (3.50) Die Schätzung der beiden Faktoren und wird in der nachfolgenden Abb. 89 noch einmal grafisch verdeutlicht. S HARPE s Single-Index-Modell wird aufgrund der zugrundeliegenden Methodik auch als Diagonalmodell bezeichnet. Aus statistischer Sicht kann das Single-Index-Modell insbesondere durch die Anordnung der Terme in der mathematischen Formulierung des Modells 243 auch als lineares Regressionsmodell bezeichnet werden. Damit ergibt sich der Beta-Faktor auch unmittelbar aus der Steigung der approximierten Geraden. Der Beta-Faktor gibt im Allgemeinen an, wie sensibel die Rendite eines Wertpapiers auf die Veränderungen des Marktes reagiert. 244 Als repräsentativer Index eignet sich hierzu der jeweilige Marktindex, welcher die Auswahl des Anlageuniversums enthält. Bei einem Portfolio, das überwiegend aus deutschen Unternehmen besteht, würde sich dementsprechend der DAX 30 als Referenz anbieten. 242 Vgl. Wewel (2006), S. 101 ff. 243 Siehe Formel (3.49) 244 Vgl. Garz/ Günther/ Moriabadi (2006), S. 63 <?page no="252"?> 3.7 Modellerweiterungen des CAPM 253 Abb. 89: Lineare Regression der Faktoren Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Steiner/ Bruns (2002) Berechnung von Alpha Auf Grundlage des Single-Index-Modells und den nachfolgenden Informationen soll anschließend der Achsenabschnitt Alpha bestimmt werden. Mittelwert der Log-Renditen der Aktie: 6,8 % Beta-Faktor der Aktie: 0,65 Mittelwert der Log-Renditen des Index: 3,5 % Die Grundgleichung des Single-Index-Modells ergibt sich wie folgt: für alle (3.51) Der Achsenabschnitt Alpha lässt sich nach der Umstellung von Formel (3.49) bzw. (3.51) und der Vernachlässigung des Störfaktors wie folgt bestimmen: (3.52) (3.53) Der Achsenabschnitt Alpha beträgt schlussendlich 4,5 %. Ermittlung der Faktoren i und i i <?page no="253"?> 254 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie Um jedoch eine tatsächliche Reduzierung der Rechenoperationen zur Bestimmung der Effizienzkurve zu ermöglichen, müssen in Bezug auf die in Abb. 89 dargestellten Störfaktoren die nachfolgenden Prämissen erfüllt sein: 245 [1] Die zufälligen Schwankungen des Störfaktors unterliegen grundsätzlich einer Normalverteilung mit einem Erwartungswert von Null und einer Varianz von: bzw. für alle (3.54) [2] Die zufälligen Schwankungen des Störfaktors korrelieren keinesfalls mit der Rendite des Index. Demnach gilt: für alle (3.55) [3] Unter der Voraussetzung der vorherigen Prämissen verhalten sich die zufälligen Schwankungen des Störfaktors unabhängig voneinander, sodass: für alle (3.56) [4] Die Störfaktoren unterliegen keiner Korrelation untereinander. Es ergibt sich: für alle (3.57) Bei Erfüllung der dargestellten Prämissen wird also das Gesamtrisiko in eine systematische und unsystematische Komponente unterteilt. Aufgrund der Substitution der erforderlichen Kovarianzen durch die Korrelation der Marktrendite in Verbindung mit den Störfaktoren bewirkt das Sharpe-Modell tatsächlich einen Rückgang in der zu schätzenden Anzahl an Inputparametern. Der Aufwand der zu schätzenden Parameter lässt sich durch das Sharpe-Modell um mehr als die Hälfte reduzieren. Die nachfolgende Tab. 14 verdeutlicht den Rückgang der Inputparameter im Vergleich zu Tab. 13. Variablen Allgemein Beta-Faktoren … 10 n Titelspezifische Renditen … 10 n Varianzen der Störfaktoren … 10 n Rendite des Marktindex 1 1 Varianz des Marktindex 1 1 Summe 32 3n+2 Tab. 14: Entwicklung der Inputmatrix beim Single-Index-Modell Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Steiner/ Bruns (2002) Gemäß Tab. 14 müssen beispielsweise bei einem Portfolio mit zehn Wertpapieren lediglich 32 anstatt von 65 Inputfaktoren geschätzt werden, was zu einer signifikanten Reduzierung des zu betreibenden Aufwands führt. 245 Vgl. Steiner/ Bruns (2002), S. 18 <?page no="254"?> 3.7 Modellerweiterungen des CAPM 255 Aus der Aufwandsreduzierung bei der Berechnung der Effizienzkurve resultiert jedoch ein Informationsverlust gegenüber dem „klassischen“ Portfolio-Selection-Modell. Ein kritischer Faktor scheint dabei die Annahme korrelierter Störfaktoren zu sein. 246 Da im Rahmen des Single-Index-Modells die Rendite lediglich von einem renditebestimmenden Faktor abhängig ist, besteht beim empirischen Marktmodell die ernstzunehmende Gefahr einer zu starken Vereinfachung. Dadurch werden systematisch wichtige Beziehungen zwischen den einzelnen Renditen der Wertpapiere vernachlässigt, die jedoch im Portfolio-Selection-Modell nach Markowitz durch die Schätzung der Kovarianzen durchaus berücksichtigt werden. Dieser Fall tritt zum Beispiel dann auf, wenn eine zu geringe Korrelation zwischen den Wertpapierrenditen und dem repräsentativen Marktindex vorliegt und daraus eine vergleichsweise hohe Korrelation zwischen den Störgrößen resultiert. 247 Da das empirische Marktmodell per Definition lediglich von einem Faktor beeinflusst wird, kann das Single-Index-Modell keine weiteren Variablen zur Erklärung der Rendite berücksichtigen. Diese Kritik gab schließlich den Anlass zur Entwicklung der nachfolgend kurz dargestellten Mehr-Faktoren-Modelle bzw. Multi-Index-Modelle. Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir bei der Prognose relativer Renditen bzw. relativer Risiken noch einmal auf das Single-Index-Modell zurückgreifen, um den benchmarkunabhängigen Bestandteil von Ertragsprognosen zu ermitteln. 3.7.2 Das Multi-Index-Modell Das Multi-Index-Modell erschließt sich durch die aus der Kritik des Single-Index- Modells abgeleitete Notwendigkeit, die Zusammensetzung der Rendite durch weitere Faktoren zu erklären. Aus diesem Grund berücksichtigt das Multi-Index-Modell weitere Einflussfaktoren. Die Entwicklung der Rendite eines Wertpapiers kann nach diesem Modell nicht alleinig auf die Veränderungen eines Marktindex zurückgeführt werden. Im Rahmen des Multi-Index-Modells wird versucht, das gegebene Marktrisiko weiter in seine einzelnen Komponenten zu unterteilen und dadurch den überwiegenden Anteil des Gesamtrisikos von Aktien zu erklären. Durch die Unterteilung des Marktrisikos können weitere Einflussfaktoren, wie z.B. makroökonomische Einflussfaktoren, in das Modell mitaufgenommen werden. 248 Die Rendite eines Wertpapiers ergibt sich aus einem unabhängigen Return zuzüglich der Summe aus den Faktorsensitivitäten mal dem jeweiligen Faktorreturn plus der unerklärten spezifischen Komponente . Die weiteren Faktoren verfolgen das Ziel, den Zusammenhang zwischen den einzelnen Störgrößen zu beschreiben. Die Existenz von Kovarianzen der einzelnen Störgrößen 246 Vgl. Steiner/ Bruns (2002), S. 20 247 Vgl. Bruns/ Meyer-Bullerdiek (1996), S. 56 248 Vgl. Bruns/ Meyer-Bullerdiek (1996), S. 57 <?page no="255"?> 256 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie wird durch empirische Beobachtungen ebenfalls bestätigt. 249 Aus diesem Grund wird das Single-Index-Modell um folgende systematischen Einflussfaktoren erweitert: für alle (3.58) mit Rendite des i-ten Wertpapiers zum Zeitpunkt konstante, unternehmensspezifische Rendite Sensitivität der Rendite des i-ten Wertpapiers vom k-ten Einflussfaktor k-ter systematischer Einflussfaktor (Index) zum Zeitpunkt . zufälliger Störfaktor, Residualrendite zum Zeitpunkt . Die Prämissen des Multi-Index-Modells erweitern die Annahmen des Single-Index- Modells um folgende Punkte: 250 [5] Die Varianz eines Faktors mit ist wie die Varianz des zufälligen Störeinflusses bzw. der Residualrendite gleichermaßen endlich und konstant. für alle (3.59) [6] Die Kovarianz zwischen den zufälligen Störfaktoren des i-ten Wertpapiers und des k-ten Index ist annahmegemäß Null. für alle (3.60) [7] Dadurch korrelieren die einzelnen Faktoren, wie folgt, nicht untereinander. Es gilt: für alle und mit (3.61) Da die letzte Annahme [7] einen eher optionalen Charakter besitzt, muss diese nicht zwangsläufig erfüllt sein. Wird diese Annahme vernachlässigt, spricht man von einer Kovarianzform des Multi-Faktor-Modells, bei Erfüllung der Prämisse spricht man dagegen von einer Diagonalform des Multi-Faktor-Modells. 249 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 427 250 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 428 f. <?page no="256"?> 3.8 Schlussbetrachtung 257 3.8 Schlussbetrachtung “If the facts don’t fit the theory, change the facts.” Albert Einstein - theoretischer Physiker und Nobelpreisträger (*1879, †1955) Quelle: Public Domain Die zentralen Kritikpunkte der modernen Portfoliotheorie finden sich einerseits in den Schwächen des Modells selbst und ergeben sich andererseits aus den Konsequenzen der Optimierung von Portfolios auf Grundlage des Erwartungswert- Varianz-Ansatzes. In diesem Abschnitt wird jedoch lediglich auf ersteren Kritikpunkt detailliert eingegangen, um die zentralen Probleme bei der Optimierung von Portfolios als Motivation für die spätere Einführung der robusten Optimierung zu Beginn von Kapitel 6 vorzubehalten. Die hauptsächlichen Kritikpunkte des Erwartungswert-Varianz-Ansatzes liegen neben der Verwendung zukünftiger Rendite- und Risikodaten hauptsächlich in der praktischen Umsetzung der individuellen Nutzenvorstellungen der Klienten und Kapitalanleger. Da die zukünftigen Rendite- und Risikoparameter des Modells lediglich aus der Vergangenheit auf Grundlage historischer Schätzungen gewonnen werden können, ist die Qualität und somit Aussagekraft dieser Parameter als durchaus mangelhaft anzusehen. 251 Die inhärente Unsicherheit bei der Schätzung der erwarteten Renditen führt dabei unweigerlich zu eklatanten Fehlern, die sich anschließend auf die Allokation von Portfolios unter Umständen negativ auswirken. 252 Der Umgang mit dem Problem von Schätzfehlern stellt den Mittelpunkt der Bemühungen zur Entwicklung von robusten Methoden dar. Einen alternativen Ansatz zur Bestimmung der ersten beiden Momente einer Verteilung beschrieb S HARPE (1990) mit der szenariobasierten Gewichtung von Umweltzuständen und deren Eintrittswahrscheinlichkeiten. Obwohl der Ansatz nach Sharpe die korrekte Vorgehensweise darstellt, unterliegt diese Methodik in der Praxis erheblichen Schwächen. 253 Ein weiteres Problem stellt sich bei der Quantifizierung der individuellen Nutzenvorstellung der Kapitalanleger und deren praktischer Umsetzung. In der Fachliteratur wird zu diesem Zweck häufig auf Indifferenzbzw. Iso-Nutzenkurven zurückgegriffen, was in der Praxis jedoch kaum umsetzbar ist. Aus der Annahme einer Normalverteilung der Renditen kann es in einem turbulenten Marktumfeld zur Über- oder Unterschätzung des Risikos kommen, da die Ver- 251 Vgl. Steiner/ Bruns (2002), S. 21 252 Vgl. Reinschmidt (2006), S. 21 253 Vgl. Sharpe (1990), S. 7 ff. bzw. Reinschmidt (2006), S. 20 <?page no="257"?> 258 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie teilung der Wertpapierrenditen je nach Marktsituation sogenannte „fat tails“, also Anomalien im unteren Teil der Verteilungsfunktion, aufweisen. Weitere Schwächen des Portfolio-Selection-Modells fallen im Vergleich zu den bisherigen dargestellten Schwächen eher geringfügig aus, sollen aber dennoch kurz angesprochen werden. Obwohl das Portfolio-Selection-Modell eine eindeutige Aussage über die Allokation des zur Verfügung stehenden Kapitals trifft, vernachlässigt der Erwartungswert- Varianz-Ansatz die Frage des richtigen Zeitpunkts für den Kauf und Verkauf von Wertpapieren gänzlich. Das richtige Timing überlässt das Modell in diesem Fall den Ansätzen der fundamentalen oder technischen Analyse. 254 Die benötigte Anzahl an Schätzungen, die als Input für das Portfolio-Selection-Modell dienen, stellt ein weiteres Problem bei der praktischen Umsetzung des Portfolio-Selection-Modells dar. 255 Schon bei der Veröffentlichung des Artikels von H ARRY M ARKOWITZ überstieg der zu betreibende Aufwand die damaligen Rechenkapazitäten um ein Vielfaches. Obwohl sich der Personal-Computer mittlerweile zu einem enorm leistungsfähigen Rechner entwickelt hat, ist auch heute noch die Lösung sehr umfangreicher und komplexer Optimierungsprobleme bei Berücksichtigung aller relevanten Schwächen der modernen Portfoliotheorie nur unter hohem Aufwand möglich. Diese Einschränkung motivierte S HARPE schließlich zur Entwicklung des Single-Index-Modells, welches den tatsächlichen Rechenaufwand bis auf die Hälfte der ursprünglichen notwendigen Schätzungen reduziert und so zu Kosten- und Zeitersparnissen führt. Obwohl die Schlussbetrachtung des Kapitels einige fundamentale Schwächen anspricht, erfreuen sich die modifizierten Ansätze der modernen Portfoliotheorie auch heute noch in Theorie und Praxis einer großen Beliebtheit. 3.9 Zusammenfassung Die Portfolio Selection Theory umfasst die ganzheitliche Betrachtung mehrerer Wertpapiere, anstatt sich auf ein einzelnes ertragsträchtiges Wertpapier zu beschränken. Ein Kapitalanleger bevorzugt bei der Auswahl eines geeigneten Portfolios grundsätzlich dasjenige Portfolio, das bei gegebenem Risiko die höchste erwartete Rendite bzw. bei gegebener Rendite das geringstmögliche Risiko besitzt. Die wichtigsten Determinanten des Portfolio-Selection-Modells nach Markowitz stellen die erwartete Rendite , die Standardabweichung bzw. Volatilität sowie die Korrelation der einzelnen Wertpapiere dar. Bei der Ermittlung der erwarteten Renditen und Standardabweichungen der Wertpapiere werden die zugrundeliegenden statistischen Parameter auf Grundlage historischen Daten geschätzt. Weiterhin unterstellt das Portfoliomodell zukünftig konstante Korrelationen. Das theoretische Rahmenwerk der Portfolio Selection Theory umfasst folgende Prämissen: Die Kapitalanleger verhalten sich rational und risikoavers. 254 Vgl. Perridon/ Steiner (2003), S. 265 f. 255 Vgl. Schierenbeck (1991), S. 641 <?page no="258"?> 3.9 Zusammenfassung 259 Die Eingangs- und Zielgrößen des Modells werden durch die Standardabweichung und dem Erwartungswert quantifiziert. Die Wertpapiere des gebildeten Portfolios lassen sich beliebig teilen. Das Modell berücksichtigt keine Transaktionskosten. Das Modell bezieht sich auf eine Ein-Perioden-Betrachtung. Jedes einzelne Portfolio besitzt ein individuelles Rendite-Risiko-Profil. Die grafische Darstellung mehrerer Portfolios in einem Rendite-Risiko-Diagramm erlaubt die Unterscheidung und Auswahl eines geeigneten Portfolios nach dem Effizienzkriterium. Ein Portfolio kann als „effizient“ bezeichnet werden, wenn ausgehend von einer festgelegten Rendite kein anderes Portfolio ein niedrigeres Risiko aufweist bzw. bei gleichem Risiko kein anderes Portfolio mit einer höheren Rendite existiert. Die Wahl der Anteilsgewichte bestimmt die Position des Portfolios im Rendite- Risiko-Diagramm und in Verbindung mit dem Effizienzkriterium die Position auf der Effizienzkurve. Durch die Kombination der unterschiedlichen Wertpapiere werden die Risiken der einzelnen Wertpapiere auf das gesamte Portfolio verteilt, so dass es zu einem Diversifikationseffekt kommt. Neben dem Korrelationskoeffizienten der einzelnen Wertpapiere nimmt die Anzahl der aufgenommenen Wertpapiere in einem Portfolio Einfluss auf das Portfoliorisiko. Hierbei lässt sich das gesamte Portfoliorisiko durch Diversifikation jedoch lediglich auf das inhärente systematische Risiko absenken. Je geringer die Korrelation der unterschiedlichen Wertpapiere in einem Portfolio ausfällt, desto größer wirkt sich der Diversifikationseffekt auf das Risiko eines Portfolios aus. Anschaulich gesprochen, ergibt sich die Effizienzkurve als oberste Grenze des Möglichkeitsraumes. Eine Nutzenfunktion bildet im Kontext des Portfolio Managements grundsätzlich das Nutzenempfinden (U) in Abhängigkeit des Vermögens (W) eines Kapitalanlegers ab. Nutzenfunktionen werden maßgeblich durch das Nichtsättigungsprinzip sowie den Grenznutzen eines Vermögens charakterisiert. Die Einstellung eines Kapitalanlegers zum Risiko kann drei unterschiedlichen Risikoeinstellungen zugeordnet werden: risikoscheu, risikoneutral oder risikofreudig. Ein Kapitalanleger handelt in diesem Sinne also „rational“, wenn dieser sich bei der Auswahl unterschiedlicher Alternativen auf effiziente Portfolios beschränkt und diejenige Alternative auswählt, die seinen individuellen Nutzen maximiert. Der Nutzen eines Kapitalanlegers nimmt zu, je weiter sich die Indifferenzkurve von der horizontalen Achse nach oben entfernt. Da sich die Auswahl eines optimalen und effizienten Portfolios vorrangig an der Risikopräferenz eines Kapitalanlegers orientiert, resultiert das optimale Portfolio aus dem Tangentialpunkt zwischen der Indifferenzkurve und der Effizienzkurve. Die Existenz eines risikolosen Zinssatzes impliziert, dass ein Kapitalanleger jederzeit einen Kredit in beliebiger Höhe aufnehmen kann, um anschließend das geliehene Kapital in beliebige Wertpapiere zu investieren. Durch die Kombination einer risikolosen Kapitalanlage zum risikolosen Zinssatz und dem Marktportfolio M sind nahezu alle Portfolios entlang der Kapitalmarktlinie den Portfolios entlang der Effizienzkurve überlegen. Die Allokation zwischen einer risikolosen Kapitalanlage und <?page no="259"?> 260 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie dem Marktportfolio ist in der einschlägigen Fachliteratur auch als Tobin-Separation bekannt. Die Rendite eines Portfolios setzt sich entsprechend der Kapitalmarktlinie aus drei Komponenten zusammen: Der Zeitprämie für die zeitweise Überlassung von Kapital, der Risikoprämie, multipliziert mit dem übernommenen Portfoliorisiko . Die Kapitalmarktlinie definiert den generellen Zusammenhang zwischen zunehmender Renditeerwartung und steigendem Portfoliorisiko. Die Rendite eines individuellen Wertpapiers hängt von der Höhe des jeweiligen Beta-Faktors ab. Je größer der Beta-Faktor, umso größer ist die Rendite, aber auch das Risiko eines Wertpapiers im CAPM. Mit dem CAPM wird für alle Anlageformen eine theoretische Beziehung zwischen deren erwarteter Rendite und dem jeweiligen Wertpapierrisiko begründet. Die Renditeerwartung jeder Anlagemöglichkeit entspricht dem Zinssatz für die sichere Anlagealternative zuzüglich einer Risikoprämie. Die Risikoprämie ist proportional zum Beta-Faktor des Wertpapiers. 3.10 Fragen zu Kapitel 3 Frage (1) Der ökonomische Ausgangspunkt der Portfoliotheorie nimmt an, dass Investoren möglichst hohe Renditen mit möglichst geringem Risiko erzielen wollen. Wahr Falsch Frage (2) In der Portfoliotheorie wird das verbundene Risiko eines Investments mit der Standardabweichung beschrieben. Wahr Falsch Frage (3) In der Portfoliotheorie ist Diversifikation ein zentrales Instrument der Risikoreduktion. Wahr Falsch Frage (4) In einem optimal gebildeten Portfolio lassen die zufälligen Renditestreuungen über einen längeren Zeitablauf hinweg die größte Streuung erwarten. Wahr Falsch <?page no="260"?> 3.10 Fragen zu Kapitel 3 261 Frage (5) Im Mittelpunkt der modernen Portfoliotheorie steht die quantitative Beschreibung des Zusammenhangs von Rendite und Risiko und Ansätze zur optimalen Diversifikation von Kapitalanlagen. Wahr Falsch Frage (6) Portfolios werden als effizient bezeichnet, wenn sie unterhalb auf der Effizienzkurve (Efficient Frontier) liegen. Wahr Falsch Frage (7) Mögliche Nebenbedingungen für die Risikominimierung im Rahmen der modernen Portfoliotheorie sind: Das Portfolio wird vollständig in die vorgegebenen Assets investiert. Leerverkäufe sind nicht zulässig (positive Portfoliogewichte). Die Rendite soll maximiert werden. Wahr Falsch Frage (8) Die Korrelation zwischen einer vorgegebenen sicheren Anlage und einem Risikoportfolio ist gleich Null. Wahr Falsch Frage (9) Die Rendite eines Portfolios setzt sich entsprechend der Kapitalmarktlinie aus drei Komponenten zusammen: der Zeitprämie für die zeitweise Überlassung von Kapital, der Risikoprämie, gemessen als Mehrrendite pro Risikoeinheit eines effizienten Risikoportfolios multipliziert mit dem übernommenen Portfoliorisiko. Wahr Falsch <?page no="261"?> 262 3 Grundlagen der modernen Portfoliotheorie Frage (10) Die Kapitalmarkttheorie von Tobin (1958) enthält die Annahme, dass die Zahl der Anlagealternativen unbegrenzt ist und für alle Anlagen, die beliebig teilbar sind, mitunter keine Marktpreise existieren. Wahr Falsch Frage (11) Die Kapitalmarkttheorie von Tobin (1958) enthält die Annahme homogener Erwartungen, d.h. alle Investoren verfügen über einen vergleichbaren Informationsstand auf Basis öffentlich verfügbarer Nachrichten und haben daher vergleichbare Erwartungen in Bezug auf die Renditen der verfügbaren Wertpapiere. Wahr Falsch Frage (12) Die Kapitalmarktlinie definiert den generellen Zusammenhang zwischen zunehmender Renditeerwartung und steigendem Portfoliorisiko. Wahr Falsch Frage (13) Mit steigender Renditeerwartung nehmen auch die Risiken zu, definiert als Unsicherheit über die am Ende tatsächlich realisierte Rendite. Wahr Falsch Frage (14) Die minimal zu erzielende Prämie pro Einheit Risiko ist durch das Marktportfolio bzw. die Steigung der Kapitalmarktlinie gegeben. Wahr Falsch Frage (15) Das Verhältnis der Kovarianz eines Assets (i) mit dem Portfolio (M) zur Varianz dieses Portfolios (M) wird als Beta-Faktor bezeichnet. Wahr Falsch <?page no="262"?> 3.10 Fragen zu Kapitel 3 263 Frage (16) Je kleiner der Beta-Faktor, umso größer ist die Rendite, aber auch das Risiko eines Wertpapiers im CAPM. Wahr Falsch Frage (17) Für ein Unternehmen sind folgende Informationen zur Bestimmung der Rendite mithilfe des CAPM gegeben: Rendite einer risikolosen Anlage: 4 % Rendite des Marktportfolios: 6 % Beta-Faktor: 0,8 Die Rendite für das Unternehmen beträgt: 5,6 % Wahr Falsch Frage (18) Im CAPM entspricht die Renditeerwartung einer Anlagemöglichkeit dem Zinssatz für die sichere Anlagealternative zuzüglich einer Risikoprämie, wobei die Risikoprämie sich proportional zum Beta-Faktor des Assets verhält. Wahr Falsch Frage (19) Für die Berechnung des Alpha (Niveauparameter) einer Aktie liegen folgende Informationen vor: Mittelwert der Log-Renditen der Aktie: 4 % Beta-Faktor der Aktie: 0,9 Mittelwert der Log-Renditen des Index: 3 % Der Achsenabschnitt Alpha beträgt: 6,3 % Wahr Falsch Frage (20) Vergleicht man die Beta-Faktoren verschiedener Aktien und deren Renditen, ist gemäß dem CAPM ein Rückschluss über die relative Unterbzw. Überbewertung der einzelnen Aktien möglich. Wahr Falsch <?page no="263"?> Literaturverzeichnis zu Kapitel 3 Amene, N., & Le Sourd, V. (2003). Portfolio Theory and Performance Analysis. England: John Wiley & Sons Ltd. Arens, T., Hettlich, F., Karpfinger, C., Kockelkorn, U., Lichtenegger, K., & Stachel, H. (2008). Mathematik (1. Ausg.). Spektrum Akademischer-Verlag. Benninga, S. (2008). Financial Modeling. The MIT Press. Beucher, O. (2007). Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik mit MATLAB. Springer-Verlag. Bruns, C., & Meyer-Bullerdiek, F. (2003). Professionelles Portfolio-Management (3. Ausg.). Schäffer Poeschl. Cornuejols, G., & Tütüncü, R. (2007). Optimization Methods in Finance. England: Cambridge University Press. Cramer, E., & Kamps, U. (2007). Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik. Springer- Verlag. Dixit, A. K., & Pindyck, R. S. (1994). Investment under Uncertainty. Princeton University Press. Domschke, W., & Drexl, A. (2004). Einführung in Operations Research (6. Ausg.). Springer-Verlag. Elton, E. 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Stochastic Programming Models in Financial Optimization: A Survey. <?page no="266"?> Inhaltsübersicht Kapitel 4 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements .............................. 269 4.1 Die absolute Optimierung im aktiven Portfolio Management .............................. 270 4.1.1 Ermittlung des Minimum-Varianz-Portfolio................................................ 277 4.1.2 Ermittlung des Maximum-Ertrags-Portfolio ................................................ 280 4.1.3 Bestimmung eines beliebigen effizienten Portfolios ................................... 281 4.1.4 Ermittlung des Tangentialportfolios .............................................................. 281 4.2 Die relative Optimierung im aktiven Portfolio Management ................................ 283 4.2.1 Bestandteile der relativen Optimierung ......................................................... 287 4.2.2 Bestimmung der Alpha- und Beta-Faktoren ................................................ 289 4.2.3 Aktive Position, aktives Risiko und aktiver Beta-Faktor ............................ 292 4.2.4 Kennzahlen des aktiven Portfolio Managements ........................................ 294 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung .............................................. 297 4.3.1 Vorstellung des Ausgangsportfolios für die absolute Optimierung ......... 297 4.3.2 Die praktische Umsetzung in EXCEL .......................................................... 299 4.3.2.1 Bildung der Effizienzkurve in EXCEL mit einem VBA-Makro . 299 4.3.2.2 Bildung der Effizienzkurve in EXCEL nach Merton ................. 307 4.3.2.3 Berechnung des Minimum-Varianz-Portfolios in EXCEL ........ 311 4.3.2.4 Ermittlung des Maximum-Ertrags-Portfolios in EXCEL .......... 318 4.3.3 Die praktische Umsetzung in MATLAB ...................................................... 328 4.3.3.1 Bildung der Effizienzkurve in MATLAB ...................................... 328 4.3.3.2 Berechnung des Minimum-Varianz-Portfolios in MATLAB .... 328 4.3.3.3 Ermittlung des Maximum-Ertrags-Portfolios in MATLAB....... 334 4.3.3.4 Bestimmung des Tangentialportfolios in MATLAB ................... 336 4.4 Die Umsetzung der relativen Portfoliooptimierung ................................................ 344 4.4.1 Vorstellung des Ausgangsportfolios für die relative Optimierung ........... 345 4.4.2 Die praktische Umsetzung in EXCEL .......................................................... 346 4.4.2.1 Vorbereitende Maßnahmen für die relative Optimierung .......... 346 4.4.2.2 Bestimmung der Alpha- und Beta-Faktoren................................. 348 4.4.2.3 Durchführung der relativen Optimierung ..................................... 349 <?page no="267"?> 268 4.4.2.4 Berücksichtigung von unterschiedlichen Anlageuniversen ........ 354 4.4.3 Die praktische Umsetzung in MATLAB ...................................................... 358 4.5 Schlussbetrachtung ........................................................................................................ 363 4.6 Zusammenfassung......................................................................................................... 364 4.7 Fragen .............................................................................................................................. 366 <?page no="268"?> 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements In Kapitel 3 wurden zuvor die Grundlagen des aktiven und des passiven Portfolio Managements im Detail beschrieben. Im folgenden Kapitel stellen wir die unterschiedlichen Portfoliomodelle nach Markowitz und auch einige Modellerweiterungen vor. Die in diesem Kapitel dargestellten und erläuterten Portfoliomodelle knüpfen an die theoretischen Grundlagen der vorherigen Kapitel an und erweitern die Thematik des aktiven Portfolio Managements um zwei weitere relevante Punkte. In diesem Zusammenhang unterscheidet man im aktiven Portfolio Management generell die Methoden der absoluten und der relativen Portfoliooptimierung. In Kapitel 4 werden zunächst in den zwei getrennten Abschnitten 4.1 und 4.2 die theoretischen Grundlagen der absoluten und der relativen Portfoliooptimierung aufgearbeitet und vertieft, um im Rahmen der anschließenden Abschnitte wichtige Hinweise für die praktische Umsetzung in Microsoft EXCEL und MathWorks MATLAB zu geben. In Abschnitt 4.1 stehen die Methoden zur Berechnung des Minimum-Varianz- Portfolios, des Maximum-Ertrags-Portfolios, eines beliebigen effizienten Portfolios und des Tangentialportfolios im Mittelpunkt der Ausführungen. In Abschnitt 4.2 werden die integralen Bestandteile der relativen Portfoliooptimierung erläutert, um anschließend darauf aufbauend die Alpha- und Beta-Faktoren für die einzelnen Wertpapiere eines Portfolios zu berechnen. Die Erläuterungen zu den aktiven Positionen und Risiken eines Portfolios und zu dem zu erzielenden Portfolio- Alpha bilden die Grundlage für die spätere Darstellung spezifischer Kennzahlen wie z.B. des Information Coefficient oder der Information Ratio. In den Abschnitten 4.3 und 4.4 werden abschließend die theoretischen Grundlagen der vorherigen Kapitel aufgegriffen und praktisch in Microsoft EXCEL und MathWorks MATLAB umgesetzt. Im Rahmen des vorliegenden Kapitels werden zusammenfassend die folgenden zentralen Fragestellungen erläutert: Welche Rolle spielt die absolute Optimierung im aktiven Portfolio Management? Wie werden das Minimum-Varianz-Portfolio und das Maximum-Ertrags-Portfolio ermittelt? Unter welchen Voraussetzungen kann die Sharpe Ratio eines Portfolios maximiert werden? Wie funktioniert die relative Portfoliooptimierung und welche Bestandteile umfasst diese? Lassen sich die Begriffe aktive Position sowie aktives Risiko und aktiver Beta-Faktor voneinander abgrenzen? Mit welchen Kennzahlen lässt sich die Qualität eines aktiven Portfolio Managements messen? Wie werden die erläuterten theoretischen Grundlagen praktisch in Microsoft EXCEL und MathWorks MATLAB umgesetzt? <?page no="269"?> 270 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements 4.1 Die absolute Optimierung im aktiven Portfolio Management Quelle: © World Economic Forum / Sebastian Derungs “The financial markets generally are unpredictable. So that one has to have different scenarios... The idea that you can actually predict what's going to happen contradicts my way of looking at the market.” George Soros - US-amerikanischer Investor und Fondsmanager (*1930) Im vorherigen Kapitel wurden die allgemeinen Vorteile bei der Bildung eines Portfolios aus mehreren unterschiedlichen Wertpapieren umfassend erläutert und dargestellt. Es gilt nun, sich der zentralen Frage zu widmen, wie das optimale Portfolio eines Kapitalanlegers bestimmt werden kann. Die Bestimmung eines optimalen Portfolios erfolgt dabei grundsätzlich in zwei Schritten. Zunächst sollte die Menge aller zulässigen und verfügbaren Portfolios auf Grundlage des Effizienzkriteriums überprüft und zugeordnet werden. M ARKOWITZ folgt dabei dem allgemeinen Ansatz, diejenigen Portfolios auszuschließen, welche in Bezug auf die Abwägung von Rendite und Risiko schlechter als andere Portfolios abschneiden 256 . Vor diesem Hintergrund ergeben sich die effizienten Portfolios aus der Auswahl derjenigen Portfolios, welche bei gegebener Rendite das minimale Risiko oder bei gegebenem Risiko die maximale Rendite erwarten lassen. 257 M ARKOWITZ unterstellt dabei implizit einen risikoaversen Anleger und geht davon aus, dass ein Kapitalanleger grundsätzlich bei der Auswahl seiner Wertpapiere und Portfolios mehr Rendite gegenüber weniger Rendite bevorzugt. Stellt sich jedoch im Vergleich von zwei Portfolios heraus, dass beide Portfolios dieselbe erwartete Rendite besitzen, entscheidet sich der risikoaverse Kapitalanleger für dasjenige Portfolio mit dem geringeren Risiko. Da ein effizientes Portfolio die bestmögliche Abwägung zwischen der erwarteten Rendite und dem Risiko darstellt 258 , spricht man in diesem Zusammenhang gegenüber den anderen Portfolios auch von Dominanz. Nach dem Effizienzkriterium dominiert eine Wertpapieranlage bzw. ein Portfolio eine andere Wertpapieranlage bzw. Portfolio, falls es bei gleicher Rendite ein geringeres Risiko, oder bei gleichem Risiko eine höhere Rendite aufweist. 256 Vgl. Poddig (2009), S. 78 257 Vgl. Markowitz (1952), S. 82 258 Vgl. Fabozzi et al. (2007), S. 22 <?page no="270"?> 4.1 Die absolute Optimierung im aktiven Portfolio Management 271 Die Kriterien für die Bestimmung eines effizienten Portfolios lehnen sich dementsprechend an die Erläuterungen zur Dominanz an. Ein Portfolio ist im Vergleich zu allen möglichen und zulässigen Portfolios effizient, wenn sich darunter kein anderes Portfolio befindet, welches bei gleicher erwarteter Rendite ein geringeres Risiko bzw. bei gleichem Risiko eine höhere erwartete Rendite aufweist. Im Umkehrschluss ergibt sich die gleichwertige Aussage, dass ein Portfolio genau dann effizient ist, wenn es durch kein anderes Portfolio dominiert wird. 259 . Abb. 90 zeigt den ersten Schritt in der Bestimmung eines optimalen Portfolios. Die Abbildung greift durch die Darstellung der ineffizienten Portfolios (Kreuze) und effizienten Portfolios (gestrichelte Linie) die strikte Trennung zwischen effizienten und ineffizienten Portfolios nochmals grafisch auf. Die Menge aller effizienten Portfolios (gestrichelte Linie) bildet in Form der Effizienzkurve den Rand aller zulässigen Portfolios ab. Die Effizienzkurve ergibt sich zusammenfassend aus der Verbindung bzw. Interpolation aller effizienten Portfolios aus dem Möglichkeitsraum. Aus einem ökonomischen Blickwinkel betrachtet, demonstriert die Effizienzkurve, in welchem Ausmaß eine Reduktion des Risikos eine potenzielle Renditeminderung mit sich bringt, ausgehend davon, welche Chancen-Risiko-Profile ein Kapitalanleger in Zukunft auf mittlere Sicht erwarten kann. 260 Abb. 90: Ineffiziente und effiziente Portfolios im Rendite-Risiko-Diagramm Quelle: Eigene Darstellung in MATLAB R2011b Eine Effizienzkurve kann rechnerisch unter verschiedenen Voraussetzungen gebildet werden. In einem möglichen Szenario erlaubt der Kapitalanleger grundsätzlich Leerverkäufe (engl. short-sales) und die unbegrenzte risikolose Aufnahme und Anlage von Kapital. In diesem Fall ist es bei der Portfoliooptimierung erlaubt, in beliebiger Höhe gewisse Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen. In einem anderen denkbaren 259 Vgl. Poddig (2009), S. 79 260 Vgl. Prexl et al (2010), S. 373 <?page no="271"?> 272 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Szenario erlaubt der Kapitalanleger zwar das Tätigen von Leerverkäufen, untersagt aber zugleich die unbegrenzte risikolose Aufnahme und Anlage von Kapital. In diesem Fall unterliegt der Kapitalanleger einem zuvor festgelegten Budget. Da es per Gesetz und Vorschriften nicht jeder Kapitalanlagegesellschaft erlaubt ist, im Rahmen des aktiven Portfolio Managements ihrer Fonds und Mandate den Kauf und Verkauf von derivativen Finanzinstrumenten zu tätigen, ergibt sich aus diesem Umstand ein weiteres Szenario. Dabei mag vielleicht die unbegrenzte Aufnahme und Anlage von Fremdkapital möglich sein, die notwendige Einhaltung der vorherrschenden Gesetze und Vorschriften verbietet jedoch die Umsetzung von Leerverkäufen im optimierten Portfolio. Insgesamt lässt sich die Effizienzkurve auf Grundlage von vier unterschiedlichen Szenarien ableiten, die nachfolgend kurz zusammengefasst werden: Leerverkäufe sowie die Aufnahme und die Vergabe von Krediten zum risikolosen Zinssatz sind erlaubt. Leerverkäufe sind zwar erlaubt, aber Aufnahme und Vergabe von Krediten zum risikolosen Zinssatz sind untersagt. Leerverkäufe sind im Portfolio untersagt, wobei Aufnahme und Vergabe von Krediten zum risikolosen Zinssatz erlaubt sind. Weder die Tätigung von Leerverkäufen noch die Aufnahme oder die Vergabe von Krediten zum risikolosen Zinssatz sind erlaubt. Die genannten Voraussetzungen werden in der Regel in unterschiedlichster Form bei der Portfoliooptimierung durch Nebenbedingungen oder Restriktionen berücksichtigt. Nach der anschaulichen Bestimmung der Effizienzkurve soll diese mathematisch abgeleitet werden und im Anschluss rechnerisch bestimmt werden. Auf Grundlage des Effizienz- und Dominanzkriteriums ist das Portfoliorisiko für eine gegebene Portfoliorendite zu minimieren und somit folgendes quadratisches Optimierungsproblem zu lösen: (4.1) mit Risiko des gesamten Portfolios Portfolioanteil bzw. -gewicht des i-ten Wertpapiers Portfolioanteil bzw. -gewicht des j-ten Wertpapiers Kovarianz zwischen dem i-ten und j-ten Wertpapier Die nachfolgende Matrizenschreibweise lässt eine äquivalente, aber vereinfachte Darstellung von Formel (4.1) zu: (4.2) mit Risiko des gesamten Portfolios N x 1-Vektor mit den Portfolioanteilen bzw. -gewichten der jeweiligen Wertpapiere <?page no="272"?> 4.1 Die absolute Optimierung im aktiven Portfolio Management 273 1 x N-Vektor mit den Portfolioanteilen bzw. -gewichten der jeweiligen Wertpapiere (transponiert) N x N-Kovarianz-Matrix auf Basis der historischen Renditen Bei der Lösung des dargestellten Optimierungsproblems wird für eine beliebige, aber durch die Nebenbedingungen fest vorgegebene Portfoliorendite das Portfoliorisiko minimiert. Zu diesem Zweck werden nachfolgend die entsprechenden Nebenbedingungen mathematisch formuliert. Nebenbedingungen lassen sich in der Form von linearen Ungleichungen und Gleichungen in den Prozess der Portfoliooptimierung integrieren. (4.3) mit Anteil des i-ten Wertpapiers am gesamten Portfolio erwartete Rendite des i-ten Wertpapiers beliebige, jedoch zuvor festgelegte Portfoliorendite Analog zu Formel (4.2) lässt sich die soeben formulierte Nebenbedingung in Matrizenschreibweise darstellen: (4.4) mit 1 x N-Vektor mit den Portfoliogewichten der jeweiligen Wertpapiere (transponiert) N x 1-Vektor mit den erwarteten Renditen der jeweiligen Wertpapiere beliebige, jedoch zuvor festgelegte Portfoliorendite Die Formeln (4.3) und (4.4) verdeutlichen, dass bei der jeder Lösung des Optimierungsproblems stets die Rendite des optimierten Portfolios der geforderten erwarteten Portfoliorendite entsprechen muss. Da das Optimierungsproblem unter der Nebenbedingung einer beliebigen Portfoliorendite gelöst wird und diese der Auswahl des Kapitalanlegers unterliegt, lässt sich die Möglichkeitskurve unter der dargestellten Nebenbedingung durch die mehrmalige Minimierung des Portfoliorisikos für eine Reihe verschiedener Portfoliorenditen abbilden. Die konvexe Möglichkeitskurve (engl. envelope) nimmt gleichermaßen ineffiziente und effiziente Portfolios auf. Die eigentliche Effizienzkurve ergibt sich anschließend aus der Spanne der optimierten Portfolios zwischen dem Minimum-Varianz-Portfolio (MVP) und dem Maximum-Ertrags-Portfolio (MEP). Das MVP und das MEP stellen die untere und die obere Begrenzung der Effizienzkurve dar. Diejenigen Portfolios, die auf der Möglichkeitskurve unterhalb des MVP liegen, gelten im Allgemeinen als ineffizient, da unweigerlich Portfolios existieren, die bei gleichem Risiko eine höhere erwartete Rendite aufweisen. Unterliegt ein Kapitalanleger einer Einschränkung des Budgets, kann er also beispielsweise nur in begrenzter Höhe in Wertpapiere investieren, erfordert die Lösung des oben dargestellten quadratischen Optimierungsproblems die Einführung und Einhaltung einer Budgetrestriktion in Form einer weiteren linearen Nebenbedingung: <?page no="273"?> 274 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements (4.5) mit Anteil des i-ten Wertpapiers am gesamten Portfolio oder alternativ in Matrizenschreibweise: (4.6) mit N x 1-Vektor mit den Portfolioanteilen bzw. -gewichten der jeweiligen Wertpapiere 1 x N-Vektor, dessen Elemente alle 1 sind Bei Einhaltung der Nebenbedingung aus Formel (4.5) bzw. (4.6) werden die ausgewählten Wertpapiere im Rahmen der Portfoliooptimierung lediglich in Höhe des tatsächlich zu Verfügung stehenden Kapitals (einhundert Prozent) investiert. Es wird in diesem Fall kein weiteres Fremdkapital zur Finanzierung weiterer Wertpapierkäufe aufgenommen. Neben der Budgetrestriktion existiert in der Praxis aufgrund umfangreicher regulatorischer Bestimmungen häufig ein umfassendes Leerverkaufsverbot. Dazu wird während der Portfoliooptimierung stets vorausgesetzt, dass die einzelnen Portfoliogewichte der Wertpapiere durchweg positiv sind. Es gilt: für alle (4.7) Bei der Lösung des dargestellten quadratischen Optimierungsproblems mit linearen Nebenbedingungen (vgl. Formeln (4.1) bis (4.6)) werden die Portfolioanteile bzw. gewichte soweit verändert, dass das zu optimierende Portfoliorisiko minimal wird. Aus dem einmaligen Optimierungsprozess resultiert unter Einhaltung der entsprechenden Nebenbedingungen ein effizientes Portfolio in Form eines Punktes im Rendite-Risiko-Diagramm . Da die Effizienzkurve jedoch offensichtlich aus mehreren Punkten gebildet wird, ist es notwendig, das Optimierungsproblem für variierende Zielrenditen zu lösen, wodurch sich anschließend die Effizienzkurve punktweise abbilden lässt. 261 Aus praktischer Sicht erscheint die dargestellte Vorgehensweise äußerst ineffizient, da für jede beliebige Zielrendite erneut ein unter Umständen recht kompliziertes Optimierungsproblem gelöst werden muss. Diese Tatsache führt unweigerlich zu einem Anstieg der Bearbeitungszeit des gesamten Optimierungsproblems und der anschließenden Darstellung der Effizienzkurve. Liegen dem Portfolio-Manager jedoch keinerlei Restriktionen oder Nebenbedingungen vor, kann das Optimierungsproblem einfach mit Hilfe des Lagrange-Multiplikator-Ansatzes nach M ERTON (1972) gelöst werden. 262 Eine weitere Alternative zur Bestimmung der Effizienzkurve stellt die von M ARKO- WITZ und S HARPE entwickelte Kritische-Linien-Methode (engl. critical line method) 261 Vgl. Poddig et al. (2009), S. 82 262 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 82 bzw. Darstellung des Lagrange-Ansatzes siehe bspw. Rasmussen (2003), S. 128 ff. <?page no="274"?> 4.1 Die absolute Optimierung im aktiven Portfolio Management 275 dar. 263 Die Darstellung dieser Methode würde jedoch aufgrund ihres Umfangs den Rahmen dieses Buches übersteigen, sodass dem interessierten Leser zu dieser Thematik die Lektüre von M ARKOWITZ (1959) und insbesondere B ROQUET und VAN DEN B ERG (1992) empfohlen sei. Eine andere einfache Möglichkeit zur Bestimmung und Darstellung der Effizienzkurve geht auf M ERTON / B LACK (1972) zurück. Dieser Ansatz basiert darauf, dass es auf Grundlage des CAPM und der Tobin-Separation lediglich der Kenntnis von zwei beliebigen Portfolios auf der Möglichkeitskurve bedarf, um daraus die vollständige Möglichkeitskurve abzuleiten. B LACK bestätigte, dass jedes beliebige Portfolio auf der Möglichkeitskurve aus der konvexen Kombination von zwei unterschiedlichen Portfolios auf der Möglichkeitskurve ableiten lässt. 264 Das Theorem stellt eine interessante Möglichkeit für Kapitalanleger dar, die ihr Kapital gerne auf zwei unterschiedliche Investmentfonds verteilen möchten. Das Rendite- Risiko-Verhältnis des so entstehenden Portfolios ergibt sich dementsprechend aus dem relativen Portfolioanteil der einzelnen Investmentfonds, wobei der Kapitalanleger anschließend entsprechend seiner Risikoaversion die Allokation zwischen den beiden Investmentfonds auswählen kann. 265 B ENNINGA (2008) greift bei der Bestimmung der Effizienzkurve nach M ER- TON / B LACK zunächst auf die nachfolgenden zwei Theoreme zurück. Theorem 1 Nach M ERTON (1973) erfüllen alle Portfolios auf der Möglichkeitskurve die nachfolgende Gleichung: (4.8) wobei in Formel (4.8) eine beliebige Konstante und die Inverse der Varianz- Kovarianz-Matrix darstellt. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Lösung von Formel (4.8) lediglich ein Portfolio auf der Möglichkeitskurve angibt, das jedoch nicht notwendigerweise effizient sein muss. Vor diesem theoretischen Hintergrund erlaubt die Anwendung von Formel (4.8) die Bestimmung eines Portfolios, welches sich an einem beliebigen Punkt auf der Möglichkeitskurve befindet. Das erste vorgestellte Theorem liefert somit eine Methode, um das Tangentialportfolio (vgl. Tobin-Separation) zu ermitteln. Theorem 2 Anschließend lässt sich ein Portfolio auf der Möglichkeitskurve aus einer konvexen Kombination aus zweierlei Portfolios ableiten, die ebenfalls auf der Möglichkeitskurve liegen. Wenn x und y reale Portfolios auf der Möglichkeitskurve darstellen, dann ergibt sich daraus unabhängig vom Wert der Konstante ein weiteres Portfolio auf der Möglichkeitskurve: 263 Vgl. Markowitz (1959), S. 310 ff. 264 Vgl. Benninga (2008), S. 263 ff. 265 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 82 u. S. 103 bzw. Braun (2009), S. 138 <?page no="275"?> 276 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements bzw. (4.9) Unabhängig von der verwendeten Methodik, greift jeder Kapitalanleger bei der Berechnung der Effizienzkurve auf seine eigenen individuellen Prognosen zurück. Aus diesem Grund werden zwei unterschiedliche Kapitalanleger aufgrund der Divergenz ihrer Prognosen jeweils eine unterschiedliche Effizienzkurve aus ihrer Datengrundlage ableiten. 266 Demnach ist die Güte der individuellen Prognosen ausschlaggebend für die Aussagekraft der so ermittelten Effizienzkurven. 267 Tab. 15 zeigt in diesem Zusammenhang eine Übersicht über die verschiedenen Ansätze der Portfoliooptimierung im aktiven und passiven Portfolio Management. Zentrale Annahme Managementansatz Optimierungsverfahren Finanzmarktprognosen (erwartete Rendite und zukünftige Varianzen/ Kovarianzen) sind mit hinreichender Prognosegüte möglich Aktives Portfolio Management Absolute Optimierung Relative Optimierung Finanzmarktprognosen sind unmöglich oder decken nicht die mit ihnen verbundenen Kosten. Passives Portfolio Management Replizierung von Indizes Tab. 15: Überblick der Ansätze zur Portfoliooptimierung Quelle: Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 115 In den nachfolgenden Abschnitten sollen nun die gängigen Methoden der absoluten Optimierung im Detail dargestellt werden. Dazu zählen das Minimum-Varianz-Portfolio, das Maximum-Ertrags-Portfolio sowie das Tangentialportfolio. Die genannten Vorgehensweisen lassen sich unmittelbar vom Grundgedanken der Portfolio Selection Theory nach Markowitz ableiten und unterliegen demnach der zentralen Annahme, dass Finanzmarktprognosen grundsätzlich mit hinreichender Prognosegüte möglich sind. Es wird hierbei von inhärenten Ineffizienzen des Marktes ausgegangen, welche zu systematischen Überschussgewinnen führen können. Die langfristigen Rendite- und Risikoerwartungen eines Kapitalanlegers gegenüber den bevorzugten Wertpapieren und Anlageklassen stellen eine wichtige Voraussetzung für die langfristige Ausrichtung sowie den Anlageerfolg eines Portfolios dar. 266 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 80 267 Vgl. Quast (2006), S. 35 <?page no="276"?> 4.1 Die absolute Optimierung im aktiven Portfolio Management 277 Auf Grundlage dieser Eingangsgrößen erfolgt im Rahmen der absoluten Optimierung die Bildung eines strategischen Portfolios. 268 Im Gegensatz zur relativen Optimierung erfolgt bei der absoluten Optimierung jedoch keine relative Betrachtung zu einer Benchmark, sondern eine absolute Betrachtung der Eingangsgrößen. Aus diesem Grund werden bei der absoluten Optimierung lediglich absolute Renditen verwendet. Die Durchführung der absoluten Optimierung erfordert die Bestimmung folgender Eingangsgrößen: die erwartete (absolute) Rendite sowie Standardabweichung der bevorzugten risikobehafteten Wertpapiere und Anlageklassen die erwarteten Varianzen und Kovarianzen der Renditen der bevorzugten Wertpapiere und Anlageklassen die zuvor festgelegten Nebenbedingungen die Nutzenfunktion des Investors/ Kapitalanlegers Festlegung einer Startlösung für den Beginn der Optimierung Nach der erfolgreichen Bestimmung der aufgezählten Eingangsgrößen ergibt sich aus der absoluten Portfoliooptimierung ein für den Kapitalanleger individuelles „optimales“ Portfolio. 4.1.1 Ermittlung des Minimum-Varianz-Portfolios Das Minimum-Varianz-Portfolio (MVP) in Abb. 91 stellt den Ursprung der dargestellten Effizienzkurve dar, weshalb man die untere Begrenzung der Effizienzkurve in Zusammenhang mit dem MVP bringt. Der Vergleich aller zulässigen Portfolios zeigt, dass kein anderes Wertpapier bzw. Portfolio existiert, das eine geringere Varianz aufweist. 269 In Abb. 91 wurde die Effizienzkurve im Rahmen der Portfoliooptimierung analog zu M ARKOWITZ unter der Einhaltung eines Leerverkaufsverbots berechnet. Unter der Voraussetzung eines Leerverkaufsverbots wird die dargestellte Effizienzkurve am oberen Ende durch das Portfolio mit der maximalen Rendite, dem Maximum- Ertrags-Portfolio (MEP), begrenzt. Liegt hingegen keine Einschränkung über den Leerverkauf von Wertpapieren vor, entfällt die obere Begrenzung der Effizienzkurve. 270 Die Darstellung der Parabel in Abb. 91 lässt eine weitere anschauliche Ableitung des Minimum-Varianz-Portfolios zu. Es wird deutlich, dass das MVP den Scheitelpunkt zwischen dem effizienten und dem ineffizienten Rand der Parabel darstellt. Der effiziente Rand der riskanten Portfolios dominiert dabei den ineffizienten Rand der riskanten Portfolios, da dieser bei einer gegebenen Standardabweichung eine höhere Rendite erwarten lässt. 271 In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Kapitalanleger unabhängig von ihrer Risikoaversion grundsätzlich von Investments in Portfolios auf dem ineffizienten Rand der Parabel Abstand nehmen sollten. 268 Vgl. Enkirch (2010), S. 33 269 Vgl. Kleeberg (2002), S. 363 270 Vgl. Schmidt-von Rhein (1996), S. 240 f. 271 Vgl. Rudolph (2003), S. 9 <?page no="277"?> 278 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Abb. 91: Ineffiziente und effiziente Portfolios im Rendite-Risiko-Diagramm Quelle: Eigene Darstellung, Tabellenblatt Maximum-Ertrags-Portfolio, Kapitel4_Beispiele.xlsm Im Rahmen der modernen Portfoliotheorie stellt neben der erwarteten Rendite eines Portfolios die Varianz der erwarteten Renditen einen wichtigen Bestandteil dar. Die Varianz stellt das statistische Äquivalent des Risikobegriffes dar, da sich mit Hilfe der Varianz sehr leicht die historische Streuung der Wertpapier- und Portfoliorenditen um ihren Mittelwert quantifizieren lässt. Die Varianz besitzt eine sehr wichtige statistische Eigenschaft, die den Kernpunkt der modernen Portfoliotheorie begründet. Die Kombination unterschiedlicher Wertpapiere, deren erwartete Renditen nicht vollständig positiv miteinander korreliert sind, führt zu einer unmittelbaren Reduktion der Varianz. Obwohl die Bezeichnung des Minimum-Varianz-Portfolios bei einer isolierten Betrachtung vermuten lässt, dass dieses Portfolio lediglich das Wertpapier mit der geringsten Varianz beinhaltet, umfasst das Minimum-Varianz-Portfolio im Gegensatz zum Maximum-Ertrags-Portfolio die Kombination mehrerer Wertpapiere. An dieser Stelle kommt die Portfoliooptimierung ins Spiel. Im Rahmen der Optimierung werden die einzelnen Wertpapiere so miteinander kombiniert, dass das entstehende Portfolio die geringstmögliche Varianz aufweist. 272 Der Extremfall zeigt, dass ein risikoloses Anlageobjekt oder zwei Wertpapiere mit bei entsprechender Kombination unter Umständen dazu führen können, dass das Minimum-Varianz- Portfolio keinem unmittelbaren Risiko ( ) ausgesetzt ist. 273 Obwohl die zugrundeliegende Zielfunktion eines Optimierungsproblems bei der Portfoliooptimierung je nach Zielausrichtung des Kapitalanlegers unterschiedliche Strukturen und Formen annehmen kann, wird häufig ein Portfolio gesucht, welches das geringste zu erwartende Risiko besitzt. Je nach Umfang des Entscheidungsproblems läuft es unweigerlich auf ein quadratisches Optimierungsproblem mit linearen Nebenbedingungen hinaus. Im Allgemeinen ergibt sich die Minimierung der folgenden Zielfunktion: 272 Vgl. Kleeberg (2002), S. 363 273 Vgl. Schmidt-von Rhein (1996), S. 240 0% 2% 4% 6% 8% 10% 10% 12% 14% 16% 18% 20% Erwartete Rendite Standardabweichung Effizienzkurve MVP MEP <?page no="278"?> 4.1 Die absolute Optimierung im aktiven Portfolio Management 279 (4.10) bzw. (4.11) unter der Einhaltung der folgenden Nebenbedingungen (Budgetrestriktion) (4.12) für alle (Leerverkaufsverbot) (4.13) Das Minimum-Varianz-Portfolio besitzt neben der statistischen Eigenschaft der Varianz eine weitere charakteristische Besonderheit. Um das MVP zu ermitteln, bedarf es nicht notwendigerweise eines Optimierungsalgorithmus, da es das einzige Portfolio auf der Effizienzkurve ist, welches sich vollkommen unabhängig von den prognostizierten erwarteten Renditen der enthaltenen Wertpapiere bestimmen lässt. 274 Die Zusammensetzung des Minimum-Varianz-Portfolios ergibt sich wie folgt: 275 (4.14) Das in den Formeln (3.1) bis (4.5) dargestellte quadratische Optimierungsproblem ist unter der Voraussetzung lösbar, dass die Varianz-Kovarianz-Matrix grundsätzlich invertierbar ist. 276 Aus ökonomischer Sicht spiegelt diese mathematische Voraussetzung die Aussage wider, dass es im Rahmen des Optimierungsproblems keine zwei verschiedenen Linearkombinationen von Wertpapieren gibt, die zueinander eine vollständige Korrelation aufweisen. 277 Aus mathematischer Sicht hingegen erfolgt die Bestimmung des Minimum-Varianz- Portfolios durch die partielle Ableitung der Funktion der Portfoliovarianz nach den relativen Anteilen der enthaltenen Wertpapiere und der anschließenden Nullsetzung der daraus entstandenen neuen Gleichung. 278 Die angesprochene allgemeine mathematische Methodik zur Bestimmung des Minimums der Portfoliovarianz und Ableitung des Portfoliorisikos wird nachfolgend für den Zwei-Anlagen-Fall vereinfachend dargestellt. 279 (4.15) 274 Vgl. Braun (2009), S. 138 275 Vgl. Benninga (2008), S. 310 276 Vgl. Erläuterungen zur Bestimmung einer inversen Matrix, siehe Kapitel 2, Abschnitt 2.1.7 277 Vgl. Rudolph (2003), S. 10 278 Vgl. Kleeberg (2003), S. 363 279 Vgl. Spremann (2008), S. 180 <?page no="279"?> 280 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Die Bestimmung des MVP erfordert zunächst die partielle Ableitung nach , dem Anteil des ersten Wertpapiers am Portfolio und anschließend die Nullsetzung. Es ergibt sich: (4.16) Nach dem Nullsetzen der Formel (4.16) folgt: wenn (4.17) 4.1.2 Ermittlung des Maximum-Ertrags-Portfolios Das Maximum-Ertrags-Portfolio (MEP) stellt neben dem Minimum-Varianz-Portfolio eine weitere extreme Ausprägung bei der Portfoliooptimierung dar. Im Gegensatz zur Bestimmung des MVP soll nun die Portfoliorendite in Form der nachfolgenden Zielfunktion maximiert werden. Bei der Ermittlung des MEP im Rahmen der Portfoliooptimierung werden aus diesem Grund lediglich Wertpapiere ausgewählt, welche im Vergleich zu den verbleibenden Wertpapieren im Portfolio die höchste erwartete Rendite besitzen. In einem Sonderfall ist es möglich, dass sich mehrere Wertpapiere den Rang der höchsten erwarteten Rendite teilen. Hierbei wird bei der Optimierung des Portfolios dasjenige Wertpapier ausgewählt, welches die anderen Wertpapiere bei gegebener Rendite dominiert. 280 Es ergibt sich das folgende quadratische Optimierungsproblem: (4.18) Es steht dem Kapitalanleger grundsätzlich frei, ob das gezeigte Optimierungsproblem ohne Restriktionen oder unter Einhaltung weiterer Nebenbedingungen gelöst werden soll. Jedoch kann es aufgrund regulatorischer Auflagen durchaus vorkommen, dass sich, je nach Zielvorstellung des Kapitalanlegers bzw. der Kapitalanlegegesellschaft sowie nach betreuten bzw. aufgelegten Fonds, die Einführung und Einhaltung einer Budgetrestriktion, ein Leerverkaufsverbot oder eine Anteilsrestriktion im Rahmen der Portfoliooptimierung als sinnvoll erweist. Sowohl der Umfang als auch die Kombination der genannten Nebenbedingungen ist dabei gleichermaßen von der umzusetzenden Anlagestrategie und dem regulatorischen Umfeld abhängig. NB(w): Budgetrestriktion (4.19) NB(w): Leerverkaufsverbot für alle (4.20) 280 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 110 <?page no="280"?> 4.1 Die absolute Optimierung im aktiven Portfolio Management 281 NB(w): Anteilsrestriktion z.B. mind. 5 %, max. 35 % Anteil je Wertpapier (4.21) 4.1.3 Bestimmung eines beliebig effizienten Portfolios Bei der Berechnung eines beliebig effizienten Portfolios, das sich per Definition auf der Effizienzkurve befindet, kann auf die Methode zur Bestimmung der Effizienzkurve aus Abschnitt 3.1 zurückgegriffen werden. Dabei wird die nachfolgende Zielfunktion für eine beliebig geforderte Zielrendite minimiert. Die Ermittlung eines effizienten Portfolios erfolgt demnach durch die Lösung des folgenden quadratischen Optimierungsproblems: (4.22) unter der Nebenbedingung: (4.23) mit variierende Zielrendite, wobei Je nach den Bedürfnissen des Kapitalanlegers kann das dargestellte Optimierungsproblem unter Einhaltung weiterer Nebenbedingungen (siehe vorheriger Abschnitt) gelöst werden. 4.1.4 Ermittlung des Tangentialportfolios In Kapitel 3 wurden die theoretischen Grundlagen der Kapitalmarktlinie und der damit in Verbindung stehenden Tobin-Separation gelegt, wobei diese nun im Rahmen des folgenden Abschnitts um einige praktische Hinweise für deren Anwendung ergänzt werden sollen. Die Portfolio-Selection-Theorie nach M ARKOWITZ kommt zu der Schlussfolgerung, dass die Auswahl eines Portfolios auf der Effizienzkurve maßgeblich von der Risikoaversion des Kapitalanlegers abhängig ist, da die Zusammensetzung der Portfolios auf der Effizienzkurve grundsätzlich unterschiedlich ist und zu verschiedenen Risiko- und Renditeprofilen führt. Die Möglichkeit, bei der Auswahl eines effizienten Portfolios eine risikolose Anlage zu berücksichtigen, führt zur Bildung einer neuen Effizienzkurve, der Kapitalmarktlinie (engl. capital market line). Jedes neue effiziente Portfolio auf der Kapitalmarktlinie resultiert aus der Kombination der sicheren Anlagemöglichkeit und dem Marktportfolio. 281 S HARPE , T OBIN und L INTNER zeigten in diesem Zusammenhang auf, dass mit Ausnahme des Tangentialportfolios im Vergleich nahezu alle Portfolios auf der Kapitalmarktlinie die Portfolios auf der Effizienzkurve in Bezug auf die Risikoeffizienz dominieren, 282 da diese bei gegebenem Risiko eine höhere Rendite erwarten lassen. 281 Vgl. Spremann (2008), S. 226 282 Vgl. Fabozzi et al. (2007), S. 38 <?page no="281"?> 282 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Dasjenige Portfolio, welches sich im Tangentialpunkt der Effizienzkurve und der Kapitalmarktlinie befindet, wird als Tangentialportfolio oder allgemeinhin auch als Marktportfolio bezeichnet. Die Begriffe Tangentialportfolio und Marktportfolio werden in diesem Fall synonym zueinander verwendet. Noch vor T OBIN unterschieden sich die gebildeten Portfolios trotz gleichwertiger Voraussetzungen von Kapitalanleger zu Kapitalanleger unter Umständen erheblich. Die anschließend durch T OBIN maßgeblich begründete Tobin- Separation besagt nun, dass sich das Portfolio Management auf die Lösung von zwei Aufgaben reduzieren lässt, welche grundsätzlich separat zu lösen sind. Die erste Aufgabe des Portfolio Managements besteht in der einmaligen Bestimmung des Marktportfolios, da dieses für alle Kapitalanleger aufgrund homogener Erwartungen grundsätzlich identisch ist. Die zweite Aufgabe beschäftigt sich mit der Spezifikation der individuellen Risikoaversion des Kapitalanlegers und der davon abhängigen prozentualen Aufteilung des zu investierenden Kapitals in das Marktportfolio und die risikolose Anlagemöglichkeit. 283 Die Zusammensetzung des Marktportfolios lässt sich entweder auf Grundlage der Marktkapitalisierung der einzelnen risikobehafteten Wertpapiere oder mathematisch aus den entsprechenden Formeln ableiten. Es gilt nun, die Ermittlung des Tangentialportfolios mit Hilfe der mathematischen Optimierung darzustellen. (4.24) bzw. in Matrizenschreibweise: (4.25) Die Formeln (4.24) und (4.25) entsprechen der Maximierung der Steigung der Tangente, welche vom Ursprung des Punktes durch ein beliebiges effizientes Portfolio auf der Effizienzkurve führt. Die mathematische Berechnung des Tangentialportfolios ist daher gleichbedeutend mit der anschaulichen Verschiebung der Tangente entlang der Effizienzkurve beginnend am Punkt (siehe dazu Kapitel 3, Abb. 83). 284 Die mathematische Ermittlung des Tangentialportfolios TP beleuchtet auf Grundlage der Formeln (4.21) und (4.22), welche Kombination der Portfolioanteile zu einer Maximierung der Überschussrendite in Relation zum Portfoliorisiko führt. Aus diesem Grund stellt das Tangentialportfolio auch dasjenige Portfolio mit der maximalen Sharpe Ratio dar. 285 (4.26) 283 Vgl. Spremann (2008), S. 227 284 Vgl. Brinkmann (2007), S. 40 285 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 148 <?page no="282"?> 4.2 Die relative Optimierung im aktiven Portfolio Management 283 Die Sharpe Ratio in Formel (4.26) stellt im Rahmen des Portfolio Managements eine Kennzahl der Performanceanalyse zur Beurteilung des Anlageerfolgs einer Strategie dar. Der Kernpunkt bei der Bewertung des Anlageerfolgs von unterschiedlichen Portfolios spiegelt sich in der Frage wider, ob die erzielte Rendite eines Portfolios sich auf das aktive Management des Portfolios zurückführen lässt oder der Übernahme größerer Risiken geschuldet ist. 286 Aus einem ökonomischen Blickwinkel betrachtet, trifft die Sharpe Ratio eines Portfolios eine Aussage über die realisierte Risikoprämie (Überschussrendite) je Einheit des übernommenen Gesamtrisikos (Volatilität). Da die Beurteilung des Anlageerfolgs maßgeblich auf historischen Zeitreihen beruht, handelt es sich bei der Sharpe Ratio um eine Ex-post-Kenngröße. 287 Da der überwiegende Teil der Parameter aus Formel (4.26) ebenfalls Schätzfehlern ausgesetzt ist, muss diejenige Anlagestrategie mit der höchsten empirischen Sharpe Ratio nicht notwendigerweise die beste Anlagestrategie für einen Kapitalanleger darstellen. 288 4.2 Die relative Optimierung im aktiven Portfolio Management “The key issue in investments is estimating returns.” 289 Fischer Black - US-amerikanischer Ökonom (*1938, †1995) Quelle: Public Domain Im nachfolgenden Abschnitt orientieren sich die Betrachtungen zur relativen Optimierung maßgeblich an den Ausführungen von G RINOLD / K AHN (2000), P ODDIG et al. (2009), K LEEBERG / S CHLENGER (1998) sowie S CHLENGER (1998). Obwohl sich im Laufe der Zeit unterschiedliche Denk- und Handlungsansätze im Portfolio Management herausgebildet haben, zeigen alle Methoden in einem Punkt eine wesentliche Übereinstimmung: Der Investmentprozess im Portfolio Management wird unabhängig von der Wahl des zugrundeliegenden Ansatzes prinzipiell ex 286 Vgl. Krempf/ Memmel (2002), S. 914 287 Vgl. Garz/ Günther/ Moriabadi (2006), S. 352 288 Vgl. Krempf/ Memmel (2002), S. 914 289 Siehe Black (1993), S. 36 ff. <?page no="283"?> 284 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements ante ausgerichtet. Die zukunftsorientierte Ausrichtung des Investmentprozesses lässt sich hauptsächlich auf die Betrachtung von Prognosen zurückführen. Die in diesem Buch dargestellten Investmentansätze unterscheiden sich maßgeblich im Umgang mit Prognosen bzw. in der Verarbeitung der getätigten Prognosen. Die Verbindung von Rendite- und Risikoprognosen stellt den zentralen Ausgangspunkt für das aktive Portfolio Management dar. Vor diesem Hintergrund ist der langfristige Erfolg einer aktiven Kapitalanlage in hohem Maße von der Qualität der ausgesprochenen Prognosen abhängig. Im Gegensatz dazu beschränkt sich das passive Portfolio Management auf die explizite Betrachtung der Risikoprognosen. Unter der Voraussetzung eines Informations- und Analysevorsprungs sowie der konsistenten Umsetzung der ausgesprochenen Prognosen besitzen Marktteilnehmer gegenüber der Konkurrenz unter Umständen einen relativen Vorteil, wodurch nicht eingepreiste Informationen im Kurs eines Wertpapiers am Kapitalmarkt antizipiert werden können. Der angesprochene relative Vorteil bezieht sich jedoch lediglich auf die antizipative Entwicklung der Renditeprognosen, nicht jedoch auf den Umgang mit den Risikoprognosen selbst, was zu einer Differenzierung der angeführten Begriffe führt. 290 Aus dem Umgang mit Prognosen resultieren jedoch nicht nur Vorteile, sondern gleichermaßen auch Nachteile, da der Eintritt von Prognosen unweigerlich mit Unsicherheit behaftet ist. Dieser Umstand führt bei der absoluten Optimierung zu erheblichen Problemen, da die Ergebnisse relativ sensitiv auf kleine Veränderungen der prognostizierten Inputparameter reagieren. Eine Veränderung der Ausgangsparameter führt im Rahmen der absoluten Portfoliooptimierung zu Verschiebungen der „optimalen“ Portfoliostruktur, weshalb anschließend müßige Umschichtungen notwendig sind. Neben der Prognoseproblematik erschwert die Identifikationsproblematik der zugrundeliegenden Nutzenfunktion darüber hinaus die Anwendung der absoluten Portfoliooptimierung in der Praxis. Sofern die Nutzenfunktion eines Kapitalanlegers nicht hinreichend genau quantifiziert werden kann, ist die Bestimmung eines optimalen Portfolios auf Grundlage der Erwartungsnutzentheorie unmöglich. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die absolute Optimierung von Portfolios auf Grundlage von Nutzenfunktionen nicht notwendigerweise zu Ergebnissen führt, die mit dem praktischen Portfolio Management übereinstimmen. Ein Grund dafür besteht darin, dass Nutzenfunktionen sich maßgeblich auf eine eher allgemeinere Definition von Risiko berufen und somit nicht die unterschiedlichen Komponenten des Risikos in den Prozess der Portfoliooptimierung integrieren. 291 Aus diesem Grund erfordert eine erfolgsorientierte Umsetzung der zugrundeliegenden Prognosen im Portfolio Management den Einsatz eines alternativen Optimierungsverfahrens, in dem die Schätzfehler- und Identifikationsproblematik berücksichtigt wird. 292 290 Vgl. Kleeberg/ Schlenger (1998), S. 254 291 Vgl. Grinold/ Kahn (2000), S. 103 292 Eine ausführliche Darstellung der angesprochenen Kritikpunkte und adäquater Lösungsansätze findet sich in Kapitel 6 wieder. <?page no="284"?> 4.2 Die relative Optimierung im aktiven Portfolio Management 285 Vor dem Hintergrund der Asset Allocation findet sich ein weiterer Grund für den Einsatz eines alternativen Optimierungsverfahrens wieder. Bei einer ansteigenden Komplexität des Anlageuniversums scheint eine hierarchische Strukturierung von Anlageentscheidungen im praktischen Portfolio Management durchaus sinnvoll zu sein. 293 Aus diesem Grund wird im Rahmen der Asset Allocation auch von einem Entscheidungsprozess gesprochen, welcher sich mit der zielgerichteten Aufteilung des verwalteten Vermögens befasst. Die strategische und auch die taktische Asset Allocation stellen hierfür geeignete Maßnahmen zur Verfügung. Im Rahmen einer strategischen Asset Allocation wird ein langfristiger Anlagehorizont (weit mehr als 5 Jahre) des Kapitalanlegers unterstellt. Unter der Annahme, dass die kurzfristige Volatilität des Marktes ausgeblendet wird, nimmt man an, dass die zu erwartende Rendite bzw. das zu erwartende Risiko nicht allzu sehr von den langfristigen historischen Werten abweichen werden. Da das Maß an Unsicherheit mit einem zunehmenden Prognosehorizont jedoch ebenfalls ansteigt, wird man an dieser Stelle erneut mit der zuvor angesprochenen Prognoseproblematik konfrontiert. Auf Grundlage empirischer Beobachtungen erscheint es in diesem Zusammenhang sinnvoll, auf die langfristigen vergangenen durchschnittlichen Werte der zugrundeliegenden Wertpapieranlagen zurückzugreifen, da signifikante Abweichungen von den langfristigen Durchschnittswerten im Laufe der Zeit immer wieder korrigiert werden (engl. mean-reversion). 294 Im Gegensatz dazu berücksichtigt die taktische Asset Allocation aktuelle Marktsituationen und besitzt daher einen eher kurzfristigen Charakter. Kapitel 1 stellte diesen Zusammenhang bereits ausführlich dar. Die dargestellten Ebenen der Asset Allocation bilden im Sinne einer systematischen Aufteilung des verwalteten Vermögens einen zweistufigen Entscheidungsprozess, in dem die strategische Asset Allocation der taktischen Asset Allocation vorgeschaltet ist. Aus der stufenweisen Ableitung der Asset Allocation ergibt sich in der ersten Stufe die Bildung eines strategischen Portfolios, in dem sich die langfristigen Erwartungen des Kapitalanlegers wesentlich in der strategischen Ausrichtung des gebildeten Portfolios widerspiegeln. In diesem Zusammenhang wird auch häufig von einer Benchmark gesprochen. In einem zweiten Schritt sollte aufgrund von temporären ökonomischen Entwicklungen am Kapitalmarkt und der Voraussetzung einer weiterhin gültigen langfristigen Markterwartung eine temporäre und zugleich taktische Anpassung des strategischen Portfolios erfolgen. 295 Einige empirische Tests fassen die folgenden fünf Einflussfaktoren zusammen, die maßgeblich zu einer kurzfristigen Veränderung der Markterwartungen führen können: 296 Veränderungen des Risikoprämienspreads von Staats- und Unternehmensanleihen Änderungen der Renditestrukturkurve bei Anleihen Unerwartete Änderungen der Inflationsdaten 293 Vgl. Poddig et al. (2009), S. 200 294 Vgl. Kaiser/ Vöcking (2002), S. 6 295 Vgl. Poddig et al. (2009), S. 200 296 Vgl. Steiner/ Bruns (2007), S. 311 <?page no="285"?> 286 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Änderungen der Gewinnwachstumsrate beteiligter Volkswirtschaften Residualrisiko Um an einer Veränderung der Markterwartungen der Marktteilnehmer partizipieren zu können, ist eine relative Anpassung des verwalteten Portfolios im Vergleich zu dem zuvor gebildeten strategischen Portfolio (Benchmark) notwendig. Hierzu eignet sich beispielsweise der Einsatz der relativen Optimierung. Da im aktiven Portfolio Management die Performance eines Portfolio-Managers häufig in Relation zu einer Benchmark in Form eines Marktindex beurteilt wird, kommt es oftmals zu einer Aufspaltung der Ergebnisverantwortlichkeit des Portfolio-Managers. Die Wahl einer entsprechenden Benchmark stellt unter der Voraussetzung der Fremdverwaltung einen der wichtigsten Aspekte der Anlageentscheidung dar, da der Kapitalanleger durch die getroffene Auswahl sowohl die Rendite als auch das Risiko der Benchmark akzeptiert. Im Rahmen der taktischen Asset Allocation kann es auf Grundlage temporärer Marktentwicklungen gelingen, bedeutsame Mehrerträge gegenüber der Benchmark zu erwirtschaften. 297 Da der Kapitalanleger grundsätzlich die Rendite und das Risiko der Benchmark akzeptiert, erscheint es nur logisch, dass der Portfolio-Manager lediglich die Verantwortung für die zusätzliche Rendite in Verbindung mit dem zusätzlichen Risiko tragen muss. In diesem Zusammenhang spricht man auch häufig von der aktiven Rendite bzw. dem aktiven Risiko eines Portfolios. Das optimale „relative“ Portfolio ergibt sich aus der bestmöglichen Abwägung zwischen aktiver Rendite und aktivem Risiko in Relation zur ausgewählten Benchmark. 298 Es wird deutlich, dass die relative Portfoliooptimierung maßgeblich auf die langfristigen Erwartungen des Kapitalanlegers in Form einer Benchmark zurückgreift. Je nach Ergebnisverantwortlichkeit lässt sich die Benchmark entweder durch die Bildung eines strategischen Portfolios aus den individuellen Präferenzen des Kapitalanlegers selbst ableiten, oder orientiert sich dabei an einem entsprechenden Marktindex. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich der Einsatz der relativen Optimierung. Dabei gehen die prognostizierten Erwartungswerte der einzelnen Wertpapiere in Relation zu einer festgelegten Benchmark in die Optimierung des betrachteten Portfolios ein, wodurch letztlich das optimale Portfolio an die Benchmark gebunden bleibt und zu einer stabilen Portfoliostruktur führt. 299 Unter der Annahme vollkommen effizienter Kapitalmärkte eignet sich die relative Optimierung in abgewandelter Form zur Durchführung eines passiven Portfolio Managements in Folge der Replizierung von Indizes. Unter der Voraussetzung eines teilweise ineffizienten Kapitalmarktes stellt die Festlegung von verschiedenen Nebenbedingungen im Vergleich zur relativen Optimierung eine andere anwendungsbezogene Möglichkeit für den Umgang mit der angesprochenen Prognoseunsicherheit bei der Portfoliooptimierung dar. Weitere Lösungsansätze finden sich in den Verfahren der robusten Schätzer und der Optimierung, dem Portfolio-Resampling sowie dem Black-Litterman-Modell wieder (Vgl. Kapitel 6). 297 Vgl. Garz et al. (2006), S. 197 298 Vgl. Poddig et al. (2009), S. 201; Grinold/ Kahn (2000), S. 89 299 Vgl. Schopf (2009), S. 38 <?page no="286"?> 4.2 Die relative Optimierung im aktiven Portfolio Management 287 4.2.1 Bestandteile der relativen Optimierung Im folgenden Abschnitt wird auf die wesentlichen Bestandteile der relativen Optimierung im Detail eingegangen. Dazu zählen die Bestimmung der aktiven Rendite und des aktiven Risikos, die Ermittlung des Portfolio-Alpha- und des Portfolio-Beta- Faktors, die Berechnung des aktiven Beta-Faktors sowie die Formulierung der korrespondierenden Zielfunktion. Dabei wird die grundsätzliche Symbolik der vorangegangen Abschnitte zur absoluten Optimierung weitestgehend beibehalten bzw. nur an einigen Stellen angepasst. Im Gegensatz zur absoluten Optimierung, welche alleinig auf absolute Renditeprognosen zurückgreift, orientiert sich die relative Optimierung maßgeblich an relativen Renditeprognosen. Im Rahmen der relativen Optimierung werden aus diesem Grund in der Regel hauptsächlich Überschussrenditen zugrunde gelegt, die sich aus der Differenz zwischen der absoluten Rendite des Wertpapiers, Portfolios bzw. der Benchmark und dem risikofreien Zins ergeben. (4.27) mit Überschussrendite des i-ten Wertpapiers absolute Rendite des i-ten Wertpapiers risikoloser Zinssatz Bei der Beobachtung von Wertpapierkursen verdeutlicht sich, dass die meisten Wertpapiere bei einer positiven Wertentwicklung des Marktes ebenfalls zu Kurssteigerungen neigen. Im Gegensatz dazu reagieren die meisten Wertpapiere bei einer negativen Marktentwicklung mit Kursverlusten. Es erscheint daher naheliegend, dass die gemeinsame Reaktion auf Marktveränderungen eine mögliche Ursache für die Korrelation von Wertpapierrenditen untereinander darstellt. Um den dargestellten Zusammenhang der Renditen in Bezug auf die Wertpapiere und den Marktindex zu quantifizieren, erscheint es daher zweckmäßig, diese in Relation zueinander zu setzen. 300 Da es in der Praxis jedoch schwer möglich ist, das gesamte Anlageuniversum bzw. den Markt selbst adäquat abzubilden, und dies oftmals nur teilweise gelingt, wird in der Praxis eher die Bezeichnung einer Benchmark herangezogen, die durch einen Marktindex repräsentiert wird. 301 Der zuvor dargestellte Zusammenhang dient weiterhin als mögliche Erklärungsgrundlage, weshalb die Rendite eines Wertpapiers zum Teil auf die Entwicklung der korrespondierenden Benchmark zurückgeführt werden kann. Unter der Annahme, dass die Rendite eines einzelnen Wertpapiers durch das zuvor ausgewählte Benchmark-Portfolio erklärt werden kann, definiert sich die Überschussrendite auf Grundlage des Single-Index-Modells (vgl. Abschnitt 3.7.1) wie folgt: (4.28) mit Überschussrendite des i-ten Wertpapiers unabhängige Eigenrendite des i-ten Wertpapiers 300 Vgl. Elton et al. (2003), S. 133 ff. 301 Vgl. Grinold/ Kahn (2000), S. 88 f. <?page no="287"?> 288 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Beta-Faktor des i-ten Wertpapiers gegenüber der Benchmark B Überschussrendite der Benchmark B unsystematische, zufällige Restgröße (residuale Rendite) Die in Formel (4.28) dargestellten Komponenten und sind diejenigen Teile der Rendite eines Wertpapiers, die maßgeblich von der Entwicklung des Marktes bzw. der Benchmark selbst abhängig sind. Die Komponenten und der Formel (4.28) stellen die Teile der Rendite eines Wertpapiers dar, welche vollkommen unabhängig von der Entwicklung des Marktes bzw. der Benchmark sind. Die Summe der einzelnen Komponenten sollte der Gesamtrendite des Wertpapiers entsprechen. Beispiel: Berechnung der erwarteten Rendite eines Wertpapiers nach dem SIM Es soll die erwartete Jahresrendite der Aktie des Unternehmens Google ermittelt werden. Die Research-Abteilung ist der Meinung, dass die Aktie ein Alpha von 1 % besitzt, sodass die betrachtete Aktie die Benchmark auf Jahressicht leicht schlagen wird. Bei einem momentanen Geldmarktzinssatz von 2 % und einer erwarteten Rendite des S&P 500 (Benchmark) von 5 % ergibt sich in Verbindung mit einem Beta-Faktor von 0,65 gemäß Formel (4.28) eine erwartete jährliche Rendite von: (4.29) Auf Grundlage des Single-Index-Modells wurden nachfolgend einige vereinfachende Annahmen getroffen, die zusammenfassend dargestellt werden sollen. 302 Das arithmetische Mittel über die residualen Renditen besitzt einen Erwartungswert von Null. A(1) (4.30) Es ist durchaus zweckmäßig, dass die unsystematische Restgröße bzw. residuale Rendite keine Korrelation mit der Überschussrendite der Benchmark aufweist. A(2) (4.31) Eine der wichtigsten Annahmen des Single-Index-Modells stellt die Unabhängigkeit von und für alle paarweisen Wertpapiere dar. Die formale Darstellung dieses Zusammenhangs impliziert, dass die Wertpapiere sich lediglich durch die gemeinsame Reaktion auf etwaige Marktänderungen ähneln. Es ergibt sich: A(3) (4.32) Auf Grundlage der dargestellten formalen Annahmen lassen sich im Anschluss leicht die Erwartungswerte der unterschiedlichen Wertpapierrenditen und deren dazugehörige Varianzen und Kovarianzen zwischen den einzelnen Wertpapierrenditen ermitteln. 302 Vgl. Poddig et al. (2009), S. 157; Elton et al. (2003), S. 133 ff. <?page no="288"?> 4.2 Die relative Optimierung im aktiven Portfolio Management 289 (4.33) (4.34) (4.35) Die Varianz des i-ten Wertpapiers aus Formel (4.34) lässt sich grundsätzlich in zwei Komponenten zerlegen, wobei die Benchmark mit den ersten Teil des Risikos erklärt und das residuale Risiko mit den zweiten Teil des Risikos definiert. Auf den genannten Annahmen und Definitionen beruhen anschließend alle weiteren relevanten Formeln für die relative Portfoliooptimierung. 4.2.2 Bestimmung der Alpha- und Beta-Faktoren Die Alpha- und Beta-Faktoren der einzelnen Wertpapiere dienen als zentrale Eingangsgrößen für die relative Optimierung und stellen zugleich eine wichtige Voraussetzung für die spätere Berechnung des Portfolio-Alphabzw. -Beta-Faktors dar. Der Faktor Alpha bezeichnet die Überschussrendite eines Portfolios in Relation zu einer zuvor festgelegten Benchmark und gibt Aufschluss, inwieweit die Selektion gewinnträchtiger Wertpapiere erfolgreich war. Der hohe Stellenwert der Alpha- und Beta-Faktoren resultiert aus der Tatsache, dass die betrachteten Überschussrenditen der einzelnen Wertpapiere sich aus der Summe der unabhängigen Eigenrendite des jeweiligen Wertpapiers und einem benchmarkabhängigen Renditeanteil erklären lassen 303 . Im Beta-Faktor eines Portfolios kommt vorrangig die Sensitivität des Portfolios gegenüber der Benchmark zum Ausdruck, weshalb diese Kennzahl auch das Timing eines Portfolio-Managers beschreibt. 304 Das Timing eines Portfolio- Managers beschreibt dessen Fähigkeit, an einer Aufwärtsbewegung des Marktes durch die gezielte Steuerung des systematischen Marktrisikos (Beta-Faktor) teilhaben zu können. Ziel ist es, an Aufwärtsbewegungen des Marktes überproportional zu partizipieren, jedoch an Abwärtsbewegungen lediglich unterproportional teilzunehmen. 305 Die Alpha- und Beta-Faktoren der einzelnen Wertpapiere werden häufig durch eine univariate bzw. multivariate lineare Regression 306 , d.h. der statistischen Methode der kleinsten (Fehler-)Quadrate auf Grundlage historischer Kurszeitreihen, bestimmt 307 . Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es sich hierbei lediglich um eine 303 Vgl. Poddig et al. (2009), S. 220 f. 304 Vgl. Spremann (2008), S. 358 305 Vgl. Vogels (2010), S. 17 306 Das lineare Regressionsmodell beschreibt beispielsweise Fahrmeir (2007), S. 379 ff. 307 Vgl. Elton et al. (2003), S. 133 <?page no="289"?> 290 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Schätzung der Parameter handelt. Obwohl noch zahlreiche andere Varianten der Parameter-Schätzung existieren, 308 wird im Rahmen dieses Kapitels auf den anwendungsbezogenen Ansatz der linearen Regression aufgrund der einfachen Umsetzung zurückgegriffen. Abb. 92 stellt die statische Methode der linearen Regression nochmals grafisch dar. Abb. 92: Lineare Regression Quelle: Eigene Darstellung, Tabellenblatt Alpha-Beta, Kapitel4_Beispiele.xlsm Nachdem alle notwendigen Alpha- und Beta-Faktoren der einzelnen Wertpapiere ermittelt wurden, kann die Berechnung des Portfolio-Alphabzw. -Beta-Faktors durch die Gewichtung der anteiligen Wertpapiere im Portfolio mit deren individuellen Alpha- und Beta-Faktoren erfolgen. Die Werte für die Portfolio-Alpha- und -Beta-Faktoren definieren sich wie folgt: (4.36) (4.37) mit Alpha-Faktor des gesamten Portfolios P Portfoliogewichte der einzelnen Wertpapiere im Portfolio P Vektor der unabhängigen Eigenrenditen der Wertpapiere Beta-Faktor des gesamten Portfolios P Vektor der Betas der einzelnen Wertpapiere gegenüber der Benchmark. Das bei der Portfoliobildung insgesamt zu tragende Risiko lässt sich analog zu Formel (4.34) in das Benchmarkrisiko und das residuale Risiko unterteilen: (4.38) wobei sich durch Umformung von Formel (4.38) nach dem residualen Risiko die unsystematische Komponente des Portfolios wie folgt definiert: 308 Eine detaillierte Übersicht liefert etwa Poddig et al. (2009), S. 225 20% 10% 0% 10% 20% 20% 15% 10% 5% 0% 5% 10% 15% Diskrete Rendite Cisco Diskrete Rendite S&P 500 <?page no="290"?> 4.2 Die relative Optimierung im aktiven Portfolio Management 291 (4.39) Das Risiko des Portfolios P und das Risiko der Benchmark B ergeben sich aus: (4.40) (4.41) Durch Einsetzen von Formel (4.40) und (4.41) in Formel (4.39) ergibt sich die anwendungsbezogene Formel zur Berechnung des residualen Risikos wie folgt: (4.42) Zu Beginn dieses Abschnitts wurde einführend auf die Problematik der Schätzfehler in den Eingangsgrößen der absoluten Optimierung eingegangen. Da die Ermittlung der Alpha- und Beta-Faktoren gleichermaßen einer Schätzung auf Grundlage historischer Zeitreihen unterliegt, sollte bei der Bestimmung der Alpha- und Beta-Faktoren grundsätzlich die doch recht ähnliche Problematik berücksichtigt werden. Die Werte der Alpha- und Beta-Faktoren stellen grundsätzlich Ex-ante-Größen dar. Es gilt zu beachten, dass die Güte der Alpha- und Beta-Prognosen unweigerlich den Grad des späteren Anlageerfolgs des aktiven Portfolios beeinflusst. 309 Aus diesem Grund kommt durch die Prognose der Alpha- und Beta-Faktoren ein entscheidender wertgenerierender Prozess zum Ausdruck. Die Durchführung einer gleitenden Regression der Alpha- und Beta-Faktoren zeigt, dass unter Umständen auch diese Faktoren im Zeitablauf erhebliche Abweichungen aufweisen können. Um dies zu verdeutlichen, wurde eine lineare Regression für die jeweils 60 diskreten Überschussrenditen des Wertpapiers Cisco sowie die korrespondierenden Überschussrenditen der Benchmark des S&P 500 durchgeführt. In einem gleitenden Verfahren wurde für den Zeitraum von 01.12.2004 bis 01.12.2009 mit der Ermittlung der dazugehörigen Alpha- und Beta-Faktoren begonnen. Nach einem Monat wurden auf Grundlage einer neuen linearen Regression die neuen Alpha- und Beta-Faktoren berechnet. Wie in Abb. 93 dargestellt, ergibt sich aus der sukzessiven Verschiebung des Zeitraums eine vollständig neue Zeitreihe mit entsprechenden Alpha- und Beta- Prognosen. Die gleitenden Prognosen der Alpha-Werte liegen in einem absoluten Bereich von 0,004 bis 0,009, was einer prozentualen Abweichung von ca. 123 % zwischen dem minimalen und maximalen Wert der Zeitreihe gleicht. Der absolute Bereich der Beta-Prognosen zeigt mit Werten von 0,58 bis 0,79 und einer prozentualen Abweichung von in Höhe von ca. 37 % dagegen ein abgeschwächtes Bild. 310 Der direkte Vergleich der Alpha- und Beta-Prämien lässt den Rückschluss zu, dass aufgrund ihrer betragsmäßigen Größe und Instabilität eine verlässliche Alpha-Prognose sich tendenziell schwieriger gestaltet. 311 In Abb. 93 kommt weiterhin zum Ausdruck, dass die prognostizierten Alpha- und Beta-Faktoren im Zeitablauf teilweise massiv voneinander abweichen können und demnach einer hohen Schwankung unterliegen. 309 Eine detaillierte Abhandlung bzgl. der Aufbereitung von Alpha-Prognosen für die relative Optimierung gibt etwa Kleeberg/ Schlenger (2002), S. 253 ff. 310 Vgl. Poddig et al. (2009), S. 222 311 Vgl. Allianz Global Investors, Wissen: Von Alpha bis Vola, S. 1 <?page no="291"?> 292 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Abb. 93: Alpha- und Beta-Werte im Zeitablauf Quelle: Eigene Darstellung, Tabellenblatt Alpha-Beta, Kapitel4_Beispiele.xlsm 4.2.3 Aktive Position, aktives Risiko und aktiver Beta-Faktor Im Rahmen der relativen Optimierung kommt es aufgrund des direkten Bezuges zur Benchmark unweigerlich zu Abweichungen zwischen den Anteilen des Portfolios und den Anteilen der Benchmark selbst. Die aktive Position des Portfolios resultiert aus der Differenz zwischen dem jeweiligen Anteil der Wertpapiere des Portfolios P und dem jeweiligen Anteil der Benchmark B. (4.43) Durch die Abweichung zur Benchmark ist die aktive Position aufgrund zusätzlicher Unsicherheit ebenfalls einem Risiko ausgesetzt, welches in der aktiven Varianz wie folgt zum Ausdruck kommt: (4.44) Zur Differenzierung des aktiven und des residualen Risikos werden abschließend zwei neue Symbole in die Darstellungen eingebracht: (4.45) (4.46) Bei der Beurteilung des Erfolgs einer Kapitalanlage in Abhängigkeit von einer Benchmark kommt der Differenz der Rendite des Portfolios und der Rendite der Benchmark eine große Bedeutung zu. Die Differenz wird häufig auch als aktive Rendite bezeichnet. In diesem Zusammenhang lässt sich das aktive Risiko eines Portfolios ebenfalls aus der Standardabweichung der aktiven Rendite ermitteln: 312 (4.47) In diesem Zusammenhang sollte auch das residuale Risiko genannt werden. Das residuale Risiko stellt analog zum aktiven Risiko ein relatives Risikomaß dar, welches 312 Vgl. Grinold/ Kahn (2000), S. 49 0.0000 0.0020 0.0040 0.0060 0.0080 0.0100 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 Alpha Beta Zeitpunkt t Beta <?page no="292"?> 4.2 Die relative Optimierung im aktiven Portfolio Management 293 das verbleibende Restrisiko bzw. Selektionsrisiko ausdrückt. Das residuale Risiko lässt sich wie folgt berechnen: 313 (4.48) Der aktive Beta-Faktor wird in ähnlicher Weise bestimmt wie das aktive Risiko aus Formel (4.43). Die Kennzahl beschreibt die Differenz zwischen dem Portfolio-Beta und dem Benchmark-Beta. Da der Beta-Faktor der Benchmark per Definition Eins ergibt, resultiert das aktive Beta aus der Differenz von Portfolio- und Benchmark-Beta: (4.49) Nach der Bestimmung der aktiven Varianz lässt sich die aktive Varianz erneut formal definieren: (4.50) Die Einführung der vorherigen Formel lässt sich durch das Verständnis von zwei weiteren Risikobegriffen deutlich leichter interpretieren. Das sogenannte Selektionsrisiko beschreibt die Fähigkeit eines Portfolio- Managers, die Portfoliorendite durch eine sinnvolle Auswahl an renditesteigernden Anlageobjekten zu erhöhen. Es wird dann von einer Selektionsfähigkeit gesprochen, wenn ein Portfolio-Manager in der Lage ist, mit seinem Portfolio ein vergleichsweise hohes Alpha zu erzielen. Als weiterer Risikobegriff existiert noch das sogenannte Timingrisiko. Das Timingrisiko beschreibt, wie geschickt der Portfolio-Manager den Beta- Faktor eines Portfolios im Vergleich zum Benchmark-Beta-Faktor anpasst. Im Zeitablauf der Investition gilt es, eine positive Überschussrendite der Benchmark durch aktive Veränderung des Beta-Faktors des Portfolios zu übertreffen. Auf der anderen Seite kann die Timingfähigkeit eines Portfolio-Managers dazu genutzt werden, bei negativer Marktentwicklung im Vergleich zur Benchmark eine weniger stark fallende Überschussrendite zu erzielen. Vor diesem Hintergrund lässt sich das aktive Risiko mit in das Timing- und mit in das Selektionsrisiko unterteilen. 314 Es ist demnach möglich, sofern ausreichende Timingqualitäten vorliegen, eine korrespondierende Benchmark outzuperformen, da die Benchmark per Definition stets im Markt investiert ist. 315 Abb. 94 verdeutlicht die Intention der Timingfähigkeit nochmals grafisch. 313 Vgl. Grinold/ Kahn (2000), S. 50 314 Vgl. Schlegel (2012), S. 59; Poddig et al. (2009), S. 209 f. 315 Vgl. Steiner/ Bruns(2007), S. 611 <?page no="293"?> 294 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Abb. 94: Vergleich der Timingfähigkeiten Quelle: Eigene Darstellung, vgl. Steiner/ Bruns (2007), S. 612 Unter Ausschluss der Timing-Komponente ist die aktive Varianz aus Formel (4.48) mit dem residualen Risiko des Portfolios identisch: wobei (4.51) Solange ein Portfolio-Manager das Benchmark-Timing vernachlässigt und die in Formel (4.51) dargestellte Timing-Komponente vollständig von der relativen Portfoliooptimierung ausschließt, entsprechen sich die aktiven und die residualen Renditen. 316 4.2.4 Kennzahlen des aktiven Portfolio Managements Im Nachfolgenden soll der zentralen Frage nachgegangen werden, ob das angesprochene Timing oder die Selektion von gewinnträchtigen Wertpapieren oder gar die Kombination aus beiden Fähigkeiten zielorientierte Maßnahmen für das aktive Portfolio Management darstellen. Aus dem „fundamentalen Gesetz des aktiven Managements“ erschließt sich eine signifikante Beziehung zwischen den unterschiedlichen Komponenten der Information Ratio (IR), womit versucht wird, die eingangs gestellte Frage zu beantworten. 317 Zu Beginn der Betrachtungen soll kurz die Information Ratio zur Beurteilung der Fähigkeiten des aktiven Managements und des Erfolgs der taktischen Asset Allocation eingeführt werden. Die Information Ratio besteht aus zwei wesentlichen Komponenten: der Güte der zugrundeliegenden Prognosen (engl. information coefficent) und der Häufigkeit der getätigten Prognosen (engl. breadth). Die Information Ratio definiert sich demnach wie folgt: 316 Vgl. Grinold/ Kahn (2000), S. 103 317 Vgl. Grinold/ Kahn (2000), S. 147 ff. Ohne Timing-Fähigkeit Mit Timing-Fähigkeit <?page no="294"?> 4.2 Die relative Optimierung im aktiven Portfolio Management 295 (4.52) mit Information Ratio Information Coefficient (Prognosegüte) Breadth (Prognosehäufigkeit) Die Interpretation der Information Ratio lässt die Aussage zu, dass eine höhere Information Ratio auf eine bessere risikoadjustierte Outperformance der zugrundeliegenden Anlagestrategie schließen lässt. Vor diesem Hintergrund basiert das aktive Portfolio Management auf der Zielsetzung, die Information Ratio einer Anlagestrategie zu maximieren. 318 Da die Kennzahl des Information Coefficients eine Aussage über die Prognosegüte treffen soll, wird sie aus dem Korrelationskoeffizienten zwischen dem prognostizierten und tatsächlichen realisierten Ertrag des Portfolios berechnet. 319 Die theoretische Bandbreite des Information Coefficient liegt analog zum Korrelationskoeffizienten bei -1 bis +1. In der Praxis nehmen die Werte des Information Coefficient vergleichsweise geringe Werte von 0 bis 0,15 an. Insbesondere vor dem Hintergrund der angesprochenen Prognoseproblematik empfiehlt sich die korrekte Feststellung des Information Coefficient. 320 Die Prognosehäufigkeit (Breadth) dagegen stellt lediglich die Anzahl der Prognosen in der untersuchten Periode dar. Um die Information Ratio des Portfolios zu verdoppeln, ist entweder eine Erhöhung der Prognosefähigkeit (engl. skill) um den Faktor 2 oder ein Anstieg der Prognosehäufigkeit erforderlich. Eine Kombination beider Komponenten ist ebenfalls möglich. 321 Die beiden Einflussfaktoren der Information Ratio wirken in die gleiche Richtung. Ein Defizit in der Prognosegüte kann durch eine ansteigende Anzahl von Prognosen ausgeglichen werden, bzw. umgekehrt, ein Defizit in der Häufigkeit der Prognosen kann durch eine Verbesserung der Prognosegüte wieder ausgeglichen werden. 322 Diese elementare Beziehung wird auch als das „fundamentale Gesetz des aktiven Portfolio Managements“ bezeichnet. Auf Grundlage der dargestellten Beziehung lässt sich auch die zu Beginn gestellte Frage, inwiefern die angesprochenen Fähigkeiten im Rahmen der Portfoliooptimierung zu einer zielorientierten Umsetzung beitragen, beantworten. Das nachfolgende Beispiel soll den Sachverhalt verdeutlichen. 318 Vgl. Sauer (2002), S. 168 319 Vgl. Garz et al. (2006), S. 199 320 Vgl. Kleeberg/ Schlenger (2002), S. 262 f. 321 Vgl. Grinold/ Kahn (1989), S. 146 322 Vgl. Kleeberg/ Schlenger (2002), S. 264 <?page no="295"?> 296 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Beispiel: Das fundamentale Gesetz des aktiven Portfolio Managements Bei der Auswahl einer geeigneten Anlagestrategie greift Portfolio-Manager A auf eine Timing-Strategie zurück. Um den Portfolio-Beta-Faktor entsprechend seiner Prognosen anpassen zu können, prognostiziert der Portfolio-Manager die Marktrendite quartalsweise. Im Gegensatz zu Portfolio-Manager A verfolgt Portfolio- Manager B eine Selektionsstrategie. Die Umsetzung dieser Anlagestrategie erfordert jedoch die Prognose der erwarteten Renditen für 100 einzelne Wertpapiere. Unter der Voraussetzung, dass die Prognosen gleichermaßen in quartalsweisen Abständen erfolgen, resultieren 400 Prognosen pro Jahr. 323 (4.53) Der Vergleich der beiden Portfoliostrategien in Formel (4.53) zeigt, dass die Erzielung einer gleichwertigen Information Ratio eine Steigerung der Prognosegüte der zugrundeliegenden Timing-Strategie um den Faktor 10 erfordert. Eine aggressivere Anlagestrategie mit deutlichen Abweichungen von der Benchmark besitzt also lediglich unter der Voraussetzung ein langfristiges Potenzial, dass die prognostizierte Überschussrendite das übernommene aktive Risiko in hohem Maße überkompensiert. 324 Aus der Überlegung, die Selektions-Strategie aufgrund ihrer Prognosehäufigkeit zu bevorzugen sowie die Timing-Strategie zu vernachlässigen, resultieren zwei mögliche Zielfunktionen: (ohne Timing) (4.54) (mit Timing) (4.55) Bei der Umsetzung der relativen Optimierung unterscheidet man die außerordentliche Form und die residuale Form. Die außerordentliche Optimierung stellt grundsätzlich das allgemeinere, die residuale Optimierung das speziellere Verfahren dar. Während die außerordentliche Optimierung die Selektions- und Timing-Strategie beinhaltet, beschränkt sich die residuale Optimierung auf die Selektion von Wertpapieren und Anlagenklassen. Der verfahrenstechnische Vergleich zeigt, dass bei der außerordentlichen Optimierung prinzipiell die außerordentlichen Renditen gegen die dazugehörigen aktiven Risiken (engl. Tracking Error) auf Grundlage der individuellen Risikopräferenzen des Anlegers abgewägt werden. Die residuale Optimierung dagegen beschränkt sich auf Ex-ante-Alphas und aktive Risiken. 325 323 Vgl. Poddig et al. (2009), S. 216 324 Vgl. Garz et al. (2006), S. 199 325 Vgl. Kleeberg/ Schlenger (2002), S. 257 f. <?page no="296"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 297 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 4.3.1 Vorstellung des Ausgangsportfolios für die absolute Optimierung Quelle: © FDV “Get inside information from the president and you will probably lose half your money. If you get it from the chairman of the board, you will lose all of your money.” Jim Rogers - US-amerikanischer Hedgefondsmanager (*1942) Im Rahmen der nachfolgenden Abschnitte wird für die Dokumentation und Erläuterung der EXCEL-Beispiele ein Ausgangsportfolio mit folgenden Eckdaten zugrundegelegt: Wertpapier-Kürzel Erwartete Rendite Standardabweichung Portfoliogewicht ABT 3,10 % 18,21 % 10 % BA 0,74 % 30,14 % 10 % COST 4,53 % 21,60 % 10 % CSCO 4,27 % 27,28 % 10 % IBM 5,21 % 22,43 % 10 % INTC -3,47 % 28,26 % 10 % MRK 2,75 % 28,63 % 10 % MSFT 2,32 % 25,36 % 10 % T 1,07 % 20,08 % 10 % XOM 7,89 % 19,40 % 10 % Tab. 16: Ausgangsportfolio Das Ausgangsportfolio nimmt entsprechend Tab. 16 unterschiedliche Unternehmen aus der Technologie-Branche, der Gesundheits- und Nahrungsmittel-Branche, der Pharma- Branche, der Energie-Branche sowie der Luft-und-Raumfahrt-Branche auf. Es beinhaltet <?page no="297"?> 298 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Unternehmen wie Abbott Laboratories (ABT), Boeing Industries (BA), Costco Wholesale (COST), Cisco Systems (CSCO), IBM (IBM), Intel (INTC), Merk (MRK), Microsoft (MSFT), AT&T (T) und der Exxon Mobil Corporation (XOM). Die Auswahl der genannten Wertpapiere ergab sich einerseits aus der geeigneten Branchenzugehörigkeit und andererseits aus der Korrelation der einzelnen Wertpapiere untereinander, um nach dem Gedanken von M ARKOWITZ eine ausreichende Diversifikation des Portfolios zu erreichen. Tab. 17 greift die unterschiedliche Korrelationsstruktur des Portfolios auf. Die historische Datengrundlage für die Berechnung der Korrelationskoeffizienten bezieht sich, wie auch bei allen anderen relevanten Berechnungen der EXCEL-Modelle, maßgeblich auf einen 5-Jahres-Zeitraum vom 01.12.2004 bis zum 01.12.2009, wodurch sich aufgrund der monatlichen Periodizität der Kurse eine Stichprobe von 60 Beobachtungswerten ergibt. 326 Bei den ermittelten erwarteten Renditen handelt es sich um stetige monatliche Durchschnittsrenditen. Da es sich um monatliche Daten handelt, wird die Volatilität zwischen den einzelnen Stichtagen nicht erfasst. Die Standardabweichungen, Varianzen sowie Kovarianzen wurden entsprechend auf Basis der historischen Renditen ermittelt und für die späteren Berechnungen annualisiert. In den nachfolgend dargestellten EXCEL- und MATLAB-Beispielen wird zum Großteil auf die Annahmen der modernen Kapitalmarkttheorie abgestellt. Das dargestellte Portfolio findet in angepasster Form in Verbindung mit der entsprechenden Benchmark auch in den Kapiteln 5 und 6 weitere Verwendung. In den nachfolgenden Abschnitten können die dargestellten Beispiele gleichermaßen in EXCEL und MATLAB nachempfunden und umgesetzt werden. Die Praxisbeispiele in Verbindung mit dem anschließend dargestellten Quellcode und den dazugehörigen Erläuterungen sollen das Selbststudium erleichtern. ABT BA COST CSCO IBM INTC MRK MSFT T XOM ABT 1,00 0,17 0,02 0,05 0,06 0,10 0,39 0,13 0,16 0,05 BA 0,17 1,00 0,39 0,47 0,31 0,38 0,47 0,25 0,29 0,31 COST 0,02 0,39 1,00 0,46 0,32 0,47 0,35 0,49 0,40 0,08 CSCO 0,05 0,47 0,46 1,00 0,54 0,58 0,26 0,47 0,47 0,16 IBM 0,06 0,31 0,32 0,54 1,00 0,46 0,17 0,28 0,20 0,14 INTC 0,10 0,38 0,47 0,58 0,46 1,00 0,44 0,49 0,41 0,16 MRK 0,39 0,47 0,35 0,26 0,17 0,44 1,00 0,40 0,35 0,38 MSFT 0,13 0,25 0,49 0,47 0,28 0,49 0,40 1,00 0,45 0,21 T 0,16 0,29 0,40 0,47 0,20 0,41 0,35 0,45 1,00 0,34 XOM 0,05 0,31 0,08 0,16 0,14 0,16 0,38 0,21 0,34 1,00 Tab. 17: Korrelationen der einzelnen Wertpapiere im Ausgangsportfolio Quelle: Eigene Darstellung, MATLAB R2011b Um die relative Wertentwicklung der einzelnen Wertpapiere vergleichen und darstellen zu können, wurden in Abb. 95 die historischen Zeitreihen normiert. 326 Anmerkung: Der Umfang der Stichprobe wurde auf Empfehlung von Walters (2011), S. 17 auf 60 Stichprobenwerte festgelegt. <?page no="298"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 299 Abb. 95: Normalisierte Wertentwicklung ausgewählter Wertpapiere des Ausgangsportfolios Quelle: Eigene Darstellung, Tabellenblatt Normierung, Fallstudien_Kapitel_4.xlsm 4.3.2 Die praktische Umsetzung in EXCEL Quelle: picture alliance / Photoshot “Bull markets are born on pessimism, grow on skepticism, mature on optimism, and die on euphoria. The time of maximum pessimism is the best time to buy, and the time of maximum optimism is the best time to sell. If you want to have a better performance than the crowd, you must do things differently from the crowd.” John M. Templeton (*1912, †2008) 4.3.2.1 Bildung der Effizienzkurve in EXCEL mit einem VBA-Makro Das nachfolgende Beispiel demonstriert die intuitive Bestimmung der Effizienzkurve durch die Lösung des folgenden quadratischen Optimierungsproblems in Verbindung mit linearen Nebenbedingungen. Um die gezeigten Schritte im Detail nachvollziehen zu können, kann das EXCEL-Modell in der Datei »Kapitel_4_Beispiele.xlsm« im Tabellenblatt »Effizienzkurve VBA« aufgerufen werden. Es empfiehlt sich, die Bearbeitung dieses Abschnitts in Verbindung mit der geöffneten EXCEL-Datei durchzuführen. (4.56) 60 € 70 € 80 € 90 € 100 € 110 € 120 € 130 € 140 € 150 € 160 € November 04 März 06 August 07 Dezember 08 Mai 10 COST IBM S&P 500 <?page no="299"?> 300 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements für alle Es gilt als Zielfunktion, die Portfoliovarianz für eine gegebene Zielrendite unter Einhaltung der Budgetrestriktion und des Leerverkaufsverbotes zu minimieren. Die Lösung des dargestellten Optimierungsproblems ergibt die Rendite und das Risiko eines effizienten Portfolios. Um jedoch aus diesen Punkten die Effizienzkurve aufspannen zu können, muss das beschriebene Optimierungsproblem zunächst für verschiedene Zielrenditen gelöst werden. Aus diesem Grund wird nach der Vorbereitung des EXCEL-Modells für die umfassende Lösung des dargestellten quadratischen Optimierungsproblems ein VBA-Makro verwendet. Abb. 96: Bestimmung der Input-Parameter Um die Effizienzkurve ermitteln zu können, sind einige Inputparameter erforderlich, die zunächst berechnet werden müssen. Dazu zählen neben den erwarteten Renditen der Wertpapiere, die historischen Standardabweichungen und die Varianz-Kovarianz-Matrix. Um die genannten Eingangsgrößen ermitteln zu können, ist es zunächst notwendig, die Kurse der einzelnen Wertpapiere des Portfolios aus den Datenbanken des Finanzdatenanbieters zu beziehen. Im Anschluss daran lassen sich auf Grundlage der bezogenen Kurse die periodenabhängigen logarithmierten Renditen bestimmen. Die erwartete Rendite eines Wertpapiers ergibt sich aus dem historischen Mittelwert der zuvor ermittelten logarithmierten Renditen. Bei der Implementierung im EXCEL- Modell wird dabei auf die EXCEL-Funktion »Mittelwert()« zurückgegriffen. Die Berechnung der historischen Standardabweichung der einzelnen Wertpapiere und die Bestimmung der Varianz-Kovarianz-Matrix ergeben sich analog zu den erwarteten Renditen ebenfalls auf der Grundlage der zuvor ermittelten stetigen Renditen. Da die Datengrundlage zur Berechnung der historischen Standardabweichung lediglich eine Stichprobe darstellt, wird im Rahmen der Umsetzung des Modells in EXCEL die Funktion »STABW.S()« verwendet. Bei der Berechnung der Varianz-Kovarianz- Matrix wurde dagegen auf die zuvor implementierte VBA-Funktion VarCov() zurückgegriffen. Alle relevanten Eingangsgrößen wurden anschließend in Abhängigkeit der Periodizität der bezogenen Kurse mit dem entsprechenden Skalierungsfaktor annualisiert. <?page no="300"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 301 Die allgemeine Vorgehensweise bei der Bestimmung der Eingangsgrößen für das EXCEL-Modell lässt sich im Detail mit Hilfe von Tab. 18 nachvollziehen. Im Anschluss daran wird der Bereich AA52 bis AM53 zur Vorbereitung der Inputparameter für die Bestimmung des MVP und MEP vorbereitet. Dazu werden zunächst in den Zellen AA52 und AA53 die Portfoliorendite und in den Zellen AB52 und AB53 das Portfoliorisiko auf Grundlage von Formel (4.56) bestimmt. Die Zellen AC52 bis AL53 müssen ebenfalls vorbereitend für die Portfoliooptimierung des MVP und MEP mit individuellen Portfoliogewichten gefüllt werden, da diese als Startwert für den EXCEL-Solver dienen. In den Zellen AM52 und AM53 dient die Bestimmung der Summe der einzelnen Portfoliogewichte als Verknüpfungspunkt bei der späteren Einhaltung der formulierten Budgetrestriktion. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung AC36 bis AL36 Erwartete Rendite =MITTELWERT(O10: O69)*12 AC37 bis AL37 Standardabweichung =STABW.S(O10: O69)*WURZEL(12) AC40 bis AL49 Varianz-Kovarianz- Matrix =VarCovar(O10: X69)*12 AA52, AA53 Portfoliorendite =MMULT(AC52: AL52; MTRANS(AC36: AL36)) AB52, AB53 Portfoliorisiko =WURZEL(MMULT(MMULT(AC52: AL52; AC40: AL49); MTRANS(AC52: AL52))) AC52 bis AL52 Portfoliogewichte MVP Individueller Wert z.B. 0,1 AC53 bis AL53 Portfoliogewichte MEP Individueller Wert z.B. 0,1 O52, O53 Summe der Portfoliogewichte =SUMME(AC52: AL52) Tab. 18: Übersicht Nach Abschluss der allgemeinen Vorbereitungen und nach Festlegung der zu berücksichtigenden Nebenbedingungen folgt die Berechnung und Darstellung der Effizienzkurve. Abb. 97: Berechnung der Effizienzkurve Da das MVP und MEP unmittelbar die extremsten Portfolios auf der Effizienzkurve darstellen, dienen diese entsprechend als Start- und Endpunkte zur Bestimmung der verschiedenen Zielrenditen. Im Rahmen des EXCEL-Modells sollen 45 unterschiedlich effiziente Portfolios ermittelt werden, um die Effizienzkurve im Detail darstellen <?page no="301"?> 302 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements zu können. Selbstverständlich ist ebenfalls eine geringere oder weitaus höhere Anzahl an effizienten Portfolios denkbar und praktisch durchführbar. Die Festlegung einer geeigneten Anzahl an effizienten Portfolios orientiert sich maßgeblich an der gewünschten Detailtreue der zukünftigen Effizienzkurve. Aus diesem Grund ergibt sich nach der Bestimmung des MVP und MEP durch das VBA-Makro das Intervall der Zielrenditen in Zelle AA55 aus dem Quotienten in Relation zu der gesamten Anzahl der Portfolios. Im Anschluss lassen sich die gesamten Zielrenditen ausgehend von der Portfoliorendite des MVP in Zelle AA61 bestimmen. Die Zellen AD55 und AG55 dienen als Bezugszellen für die spätere Einhaltung der Nebenbedingungen während der Portfoliooptimierung. Nach Formel (4.56) ist hierzu das Budget auf einhundert Prozent des zur Verfügung stehenden Kapitals zu begrenzen und ein Leerverkaufsverbot zu fordern. Für den Prozess der Portfoliooptimierung gilt es analog dem Bereich AA52 bis AM53 die Formeln für die Portfoliorendite, das Portfoliorisiko und auch die individuellen Werte der einzelnen Portfoliogewichte zu implementieren. Nachdem alle notwendigen Vorbereitungen getroffen worden sind, kann mit einem Rechts-Klick auf den Button „Optimierung“ im Kontextmenü unter dem Punkt „Makro zuweisen“ das entsprechende VBA-Makro dem Steuerelement zugeordnet werden. Mit einem Klick auf den Button „Optimierung“ wird das zugewiesene Makro ausgeführt. Der Button „Clear“ links neben dem Button „Optimierung“ vollzieht die Löschung aller relevanten Zellen für eine wiederholte Optimierung mit neuen Parametern. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung AA55 Intervall der Zielrendite =(AA53-AA52)/ 44 AD55 Budgetrestriktion Individueller Wert z.B. 1 AG55 Leerverkauf Individueller Wert z.B. 0 AA61 Zielrendite (Startwert) =AA52 AA62 bis AA105 Zielrendite (Forts.) =AA61+$AA$55 AB52 bis AB105 Portfoliorendite =MMULT(AD61: AM61; MTRANS($AC$36: $AL$36)) AC52 bis AC105 Portfoliorisiko =WURZEL(MMULT(MMULT(AD61: AM61; $AC$40: $AL$49); MTRANS(AD61: AM61))) AD61 bis AM105 Portfoliogewichte Individueller Wert z.B. 0,1 AN61 bis AN105 Summe der Portfoliogewichte =SUMME(AD61: AM61) Tab. 19: Übersicht Als Ergebnis der Portfoliooptimierung resultieren die für die Darstellung relevanten Rendite- und Risikoparameter in Verbindung mit den dazugehörigen Portfoliogewichten. Nach dem vollständigen Abschluss des gesamten Portfoliooptimierungsprozesses kann die Effizienzkurve in einem Punktdiagramm dargestellt werden. Auf Grundlage der soeben ermittelten Parameter lässt sich auch die Portfolioallokation der unterschiedlichen effizienten Portfolios entlang der Effizienzkurve abbilden. <?page no="302"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 303 Abb. 98: Darstellung der Effizienzkurve im Rendite-Risiko-Diagramm Zunächst soll jedoch die Effizienzkurve in einem Punktdiagramm mit interpolierten Linien dargestellt werden. Dazu wird unter dem Reiter Einfügen der entsprechende Diagrammtyp, in diesem Fall ein Punktdiagramm mit Interpolation ausgewählt. Im Anschluss werden die abzubildenden Werte der X- und Y-Achse markiert und ausgewählt. Mit der Bestätigung des Auswahldialogs werden die Eingabewerte anschließend abgespeichert. Es sei darauf hingewiesen, dass das Einfügen eines Diagramms nur einmalig erfolgen muss, da die Anzahl der Zeilen im Eingabebereich unverändert bleibt. Abb. 99 zeigt in diesem Zusammenhang die Auswahl und die Bearbeitung der Datenreihen. Abb. 99: Auswahl der Datengrundlage für die Darstellung der Effizienzkurve Abb. 100: Auswahl der Datenquellen für das Balkendiagramm <?page no="303"?> 304 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Zur Darstellung der unterschiedlichen Portfolioallokationen entlang der Effizienzkurve sollte zunächst ein gestapeltes Flächendiagramm in das Tabellenblatt eingefügt werden. Dazu wird im Reiter Einfügen das entsprechende Flächendiagramm ausgewählt. Der Datenbereich des Flächendiagramms umfasst neben der Spalte für die Portfoliorendite auch die gesamten Portfoliogewichte der einzelnen effizienten Portfolios. Die Legendeneinträge orientieren sich an den Bezeichnungen der einzelnen Wertpapiere, wobei die einzelnen Portfoliorenditen der horizontalen Achsenbeschriftung zugeordnet werden. Abb. 100 zeigt die Auswahl der beschriebenen Datenquellen. Nach Abschluss der Vorbereitungen für das EXCEL-Modell soll die Implementierung des VBA-Makros für die schrittweise Lösung des quadratischen Optimierungsproblems zur Darstellung der Effizienzkurve erläutert werden. Um auf die einzelnen logischen Komponenten in den einzelnen Zeilen des VBA-Codes im Detail eingehen zu können, wird der relevante VBA-Code in Abschnitte unterteilt. In Verbindung mit Code 1 folgt die Beschreibung des Moduls 1 und der Sub-Routine »OptimierungMW()« aus der EXCEL-Datei Kapitel_4_Beispiele.xlsx. Tipp: Durch die Tastenkombination ALT + F11 gelangt man zur Programmierumgebung von Visual Basic, bzw. alternativ über den Reiter Entwicklertools und die Schaltfläche Visual Basic. Code 1 VBA-Makro-Modul zur Berechnung der Effizienzkurve 1 Sub OptimierungMW(ws As Worksheet) 2 3 'Deklaration aller Variablen 4 Dim AktZeile As Double 5 Dim EndZeile As Double 6 Dim SetCell As String 7 Dim TarCell As String 8 Dim SumCell As String 9 Dim RetCell As String 10 Dim ChangeCell As String 11 12 'Aktivierung des aktuellen Tabellenblattes 13 Sheets(ws.Name).Activate 14 Cells(46, "AN").Activate 15 AktZeile = ActiveCell.Row 16 EndZeile = ActiveCell.End(xlDown).Row In den Zeilen 4 bis 10 erfolgt zunächst die Deklaration aller Variablen, die für die spätere Ausführung des EXCEL-Solvers notwendig sind. Dabei wird den Variablen »AktZeile« und »EndZeile« in Zeile 4 und 5 der Datentyp »Double« sowie den verbleibenden Variablen in Zeile 6 bis 10 der Datentyp »String« zugewiesen. Im Anschluss wird in Zeile 13 mit dem Befehl »Sheets(ws.Name).Activate« das aktive Tabellenblatt aktiviert und für die spätere Bearbeitung freigegeben. In Zeile 14 wird die Startzelle festgelegt, von der später die Optimierung beginnen soll. In der nachfolgenden Zeile 15 folgen die Bestimmung der aktuellen aktiven Zeilennummer des geöffneten Tabellenblattes und die Zuordnung des Wertes an die Variable »AktZeile«. Da es für den Prozess der Portfoliooptimierung von Bedeutung ist, für wie viele Zielrenditen das quadratische Optimierungsproblem zu lösen ist, wird in Zeile 16 das Ende des Bereiches der Zielrenditen ermittelt und der Variablen »EndZeile« zugewiesen. <?page no="304"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 305 17 'Bestimmung MVP und MEP 18 19 'MVP 20 SolverReset 21 SolverOptions MaxTime: =120, Iterations: =150, Precision: =0.001, AssumeLinear: =False, StepThru: =False, Estimates: =2, Derivatives: =2, SearchOption: =1, IntTolerance: =5, Scaling: =False, Convergence: =0.001, AssumeNonNeg: =False 22 'Festlegung des Solver-Modells 23 SolverOK SetCell: ="AP38", MaxMinVal: =2, ValueOf: ="", By- Change: ="AQ38: AZ38" 24 'Nebenbedingung 25 SolverAdd CellRef: ="BA38", Relation: =2, FormulaText: ="AR35" 26 SolverAdd CellRef: ="AQ38: AZ38", Relation: =3, FormulaText: ="AU35" 27 'Solver starten 28 SolverSolve UserFinish: =True 29 30 'MEP 31 SolverReset 32 SolverOptions MaxTime: =120, Iterations: =150, Precision: =0.001, AssumeLinear: =False, StepThru: =False, Estimates: =2, Derivatives: =2, SearchOption: =1, IntTolerance: =5, Scaling: =False, Convergence: =0.001, AssumeNonNeg: =False 33 'Festlegung des Solver-Modells 34 SolverOK SetCell: ="AO39", MaxMinVal: =1, ValueOf: ="", By- Change: ="AQ39: AZ39" 35 'Nebenbedingung 36 SolverAdd CellRef: ="BA39", Relation: =2, FormulaText: ="AR35" 37 SolverAdd CellRef: ="AQ39: AZ39", Relation: =3, FormulaText: ="AU35" 38 'Solver starten 39 SolverSolve UserFinish: =True Noch vor Beginn der Optimierungsprozedur sollten vorbereitend MVP und MEP mit den dazugehörigen Parametern ermittelt werden. Vor jedem Aufruf des Solvers durch VBA werden in den Zeilen 20 und 31 die Einstellungen des Solvers zurückgesetzt. Dadurch wird vermieden, dass verbliebene Eingaben die zukünftigen Ergebnisse des Solvers verfälschen. In Zeile 21 werden mit Hilfe der Funktion »SolverOptions« die geeigneten Einstellungen getroffen. Die Funktion enthält einige wichtige Parameter, die bei der späteren Ermittlung des quadratischen Optimierungsproblems berücksichtigt werden sollten. Nachfolgend soll auf die wichtigsten Parameter kurz eingegangen werden, eine ausführliche Beschreibung aller notwendigen Parameter kann jedoch lediglich die EXCEL-Hilfe bzw. MSDN-Library geben. Dem Parameter »MaxTime« wird der maximale Zeitaufwand in Sekunden zugeordnet, den der Solver zur Lösung des Optimierungsproblems aufwenden darf. Der Wert des Parameters »Iterations« gibt die maximale Anzahl an Iterationen an, mit denen der Sol- <?page no="305"?> 306 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements ver sich der Lösung nähert. Der Parameter »Precision« gibt im Rahmen der Dezimalstellen die Genauigkeit an, mit der die Nebenbedingungen erfüllt werden müssen. Eine weitere wichtige Einstellung ist die Zuordnung des Suchalgorithmus in Form eines numerischen Wertes für den Parameter »SearchOption«. In unserem Beispiel wurde zur Bestimmung der Suchrichtung das Gradienten-Suchverfahren herangezogen. 327 Der Parameter »Convergence« regelt die Konvergenztoleranz des Suchalgorithmus und besitzt einen Wert von 0 bis 1. In Zeile 23 wird die Funktion »SolverOK« aufgerufen und dem Parameter »SetCell« die Zielzelle mit der Zielfunktion übergeben. Dabei gibt der numerische Wert des Parameters »MaxMinVal« an, ob die zuvor angegebene Zielzelle bzw. Zielfunktion maximiert, minimiert oder mit einem anderen Wert verglichen werden soll. Im vorliegenden Fall gibt der numerische Wert 1 an, dass die verknüpfte Zielfunktion im Rahmen der Optimierung minimiert wird. In der darauffolgenden Zeile 25 werden die in Formel (4.56) formulierten Nebenbedingungen (Budgetrestriktion und Leerverkaufsverbot) als gültige Nebenbedingungen für den Solver und das zu lösende Optimierungsproblem definiert. Die Funktion »SolverAdd« fügt zu diesem Zweck die angesprochenen linearen Nebenbedingungen dem Solver hinzu. Der Parameter »Cell- Ref« enthält den Bezug auf die entsprechende Summenformel in Zelle BA39, wobei diese gemäß dem numerischen Wert des Parameters »Relation«, dem Wert aus dem Zellbezug des Parameters »FormulaText« entsprechen sollte. Der Parameter »Relation« gibt in diesem Fall also den Operator der linearen Nebenbedingung mit den Bestandteilen der Parameter »CellRef« und »FormulaText« an. Mit der Funktion »SolverSolve« wird anschließend der Solver gestartet. Die Zeilen 30 bis 39 erfolgen analog zu der Vorgehensweise der vorherigen Zeilen, jedoch mit dem Unterschied, dass bei der Ermittlung des MEP nun die Zielfunktion maximiert anstatt minimiert wird. Nachdem alle relevanten Eingangsgrößen ermittelt worden sind, kann die Effizienzkurve berechnet werden. 40 While AktZeile <= EndZeile 41 42 'Bestimmung der Zielzelle 43 SetCell = "AP" & AktZeile 44 TarCell = "AN" & AktZeile 45 SumCell = "BA" & AktZeile 46 RetCell = "AO" & AktZeile 47 48 49 'Bestimmung des Eingabebereichs 50 ChangeCell = "AQ" & AktZeile & ": AZ" & AktZeile 51 52 'Solver zurücksetzen und initialisieren 53 SolverReset 54 SolverOptions MaxTime: =120, Iterations: =150, Precision: =0.0000000001, AssumeLinear: =False, StepThru: =False, Estimates: =2, Derivatives: =2, SearchOption: =1, IntTolerance: =5, Scaling: =False, Convergence: =0.0000000001, AssumeNonNeg: =False 55 'Festlegung des Solver-Modells 327 Die Zuordnung des numerischen Wertes 1 repräsentiert das Newton-Suchverfahren und 2 das Gradient-Suchverfahren. <?page no="306"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 307 56 SolverOK SetCell: =SetCell, MaxMinVal: =2, ValueOf: ="", ByChange: =ChangeCell 57 'Nebenbedingungen 58 SolverAdd CellRef: =SumCell, Relation: =2, Formula Text: ="AR35" 59 SolverAdd CellRef: =ChangeCell, Relation: =3, FormulaText: ="AU35" 60 SolverAdd CellRef: =TarCell, Relation: =2, Formula Text: =RetCell 61 'Solver starten 62 SolverSolve UserFinish: =True 63 64 AktZeile = AktZeile + 1 65 66 Wend 67 68 End Sub Zu Beginn des Beispiels wurde die Problematik angesprochen, dass zur vollständigen Bestimmung der Effizienzkurve das Optimierungsproblem für eine beliebige Anzahl an Zielrenditen gelöst werden muss. Aus diesem Grund sollte für die mehrmalige Optimierung die Implementierung einer Schleife herangezogen werden. In Zeile 40 beginnt der Abschnitt mit dem Schleifenkopf einer While-Schleife. Im Körper der Schleife erfolgt in den Zeilen 43 bis 46 die erstmalige Zuordnung der einzelnen Bezugszellen, sowie in Zeile 50 die Bestimmung des veränderbaren Eingabebereiches (Portfoliogewichte) für den Solver. Ab Zeile 55 bis 62 erfolgt die Einstellung, Bearbeitung und der Start des Solvers analog zu den Zeilen 20 bis 28. In Zeile 64 erfolgt nach jeder erfolgreichen Lösung des Optimierungsproblems die Erhöhung des Zählerindex der Variable »AktZeile«, sodass beim nächsten Schleifendurchlauf das Optimierungsproblem für die Zielrendite der nächsten Zeile gelöst werden kann. Die Schleife wird bis zum Ende des Bearbeitungsbereiches, der durch den Wert der Variable »EndZeile« angegeben wird, ausgeführt. Nach der erfolgreichen Bestimmung aller effizienten Portfolios, lässt sich auf dieser Grundlage die Effizienzkurve in einem Diagramm darstellen. 4.3.2.2 Bildung der Effizienzkurve in EXCEL nach Merton Die Darstellung des nachfolgenden Beispiels folgt maßgeblich den Ausführungen von B ENNINGA (2008) und zeigt eine alternative Vorgehensweise bei der Bildung der Effizienzkurve nach M ERTON / B LACK (1972). Um die gezeigten Schritte im Detail nachvollziehen zu können, kann das EXCEL-Modell in der Datei »Kapitel_4_Beispiele.xlsm« im Tabellenblatt »Effizienzkurve Black« aufgerufen werden. Es empfiehlt sich, die Bearbeitung dieses Abschnitts in Verbindung mit der geöffneten EXCEL-Datei durchzuführen. M ERTON / B LACK gelang es auf Grundlage des CAPM und der Tobin-Separation zu zeigen, dass die Kenntnis von zwei auf der Möglichkeitskurve liegenden Portfolios ausreicht, um daraus jedes beliebige andere Portfolio auf der Möglichkeitskurve zu berechnen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Möglichkeitskurve aus der konvexen Kombination der zwei angesprochenen Portfolios. Noch vor der Berechnung der Möglichkeitskurve sollten einige relevante vorbereitende Maßnahmen getroffen <?page no="307"?> 308 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements werden. Der erste logische Schritt befasst sich mit der Ermittlung und Darstellung der Eingangsgrößen. Abb. 101: Darstellung der Input-Parameter Da die Darstellung der Möglichkeitskurve die mehrfache Lösung eines Optimierungsproblems mit unterschiedlichen Eingangsgrößen voraussetzt, sollten diese vor Beginn des Optimierungsprozesses festgelegt werden. Obwohl es dem Anwender grundsätzlich freisteht, ob dieser die notwendigen Input-Parameter auf Grundlage einer historischen Zeitreihe statistisch bestimmt oder beispielhaft festlegt, ist bei der praktischen Anwendung anzuraten, eine statistisch fundierte Prognose zu bevorzugen. Im gegebenen Fall werden aus Übersichtlichkeitsgründen alle notwendigen Parameter auf Grundlage fundierter statistischer Methoden ermittelt und im Nachfolgenden als gegeben angenommen. Dazu zählen neben den erwarteten Renditen der Wertpapiere die historische Standardabweichung und die Varianz-Kovarianz-Matrix. Die Bestimmung aller relevanten Eingangsgrößen wurde auf Grundlage der folgenden statistischen Schätzverfahren in EXCEL umgesetzt. Tab. 20 zeigt in einer Übersicht die zur Umsetzung in EXCEL benötigten Funktionen und Befehle. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung AC36 bis AL36 Erwartete Rendite =MITTELWERT(O10: O69)*12 AC37 bis AL37 Standardabweichung =STABW.S(O10: O69)*WURZEL(12) AC40 bis AL49 Varianz-Kovarianz- Matrix =VarCovar(O10: X69)*12 AA52, AA53 Portfoliorendite =MMULT(AC52: AL52; MTRANS(AC36: AL36)) AB52, AB53 Portfoliorisiko =WURZEL(MMULT(MMULT(AC52: AL52; AC40: AL49); MTRANS(AC52: AL52))) AC52 bis AL52 Portfoliogewichte MVP Individueller Wert z.B. 0,1 AC53 bis AL53 Portfoliogewichte MEP Individueller Wert z.B. 0,1 O52, O53 Summe der Portfoliogewichte =SUMME(AC52: AL52) Tab. 20: Übersicht <?page no="308"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 309 Im Anschluss an die Vorbereitungen erfolgt die Ermittlung von zwei beliebigen Portfolios auf der Möglichkeitskurve. Schritt 1: Ermittlung zwei beliebiger Portfolios Abb. 102: Bestimmung von zwei beliebigen Portfolios Um nach Formel (4.8) ein beliebiges Portfolio auf der Möglichkeitskurve bestimmen zu können, sollte zunächst eine Konstante festgelegt werden. Eine mögliche ökonomische Interpretation dieser Konstante wäre zum Beispiel ein risikoloser Zinssatz. Im Rahmen des dargestellten Beispiels wurden Konstanten von 0,02 und 0,03 gewählt. Im Anschluss an die Auswahl der Konstante können im Bereich AD52 bis AM52 bzw. AD53 bis AM53 auf Grundlage von Formel (4.8) die Portfoliogewichte des gesuchten Portfolios berechnet werden. In den Zellen AN52 und AN53 wird das Ergebnis der Formel nochmals überprüft und errechnet, ob die Summe der einzelnen Portfoliogewichte prozentual dem zur Verfügung stehenden Kapital (100 %) entspricht. Da in diesem Fall analog zum vorherigen Beispiel eine Budgetrestriktion auf 100 Prozent des zur Verfügung stehenden Kapitals vorliegt, ergibt die Summe aller Portfoliogewichte ebenfalls 100 Prozent. Nachdem zwei beliebige Portfolios auf der Möglichkeitskurve ermittelt worden sind, werden in den Zellen AB52 und AC52 die Portfoliorendite und die Portfoliovarianz ermittelt. Die Bestimmung der zwei Portfolios gilt nun als abgeschlossen. In Zelle AA55 wird in Vorbereitung für die spätere Berechnung der Möglichkeitskurve die Kovarianz zwischen den zuvor ermittelten Portfolios bestimmt. Abb. 102 zeigt die Bestimmung der angesprochenen Portfolios und deren gemeinsame Kovarianz. Für die Berechnung und Darstellung der Möglichkeitskurve ist es notwendig, die zwei Portfolios in Form von zwei fiktiven Wertpapieren in ein Testportfolio zu überführen. Für dieses wird auf Basis einer festgelegten Portfoliostruktur die dazugehörige erwartete Portfoliorendite und die Standardabweichung bestimmt. Hierzu wird bei der Berechnung der Portfoliorendite und der Portfoliovarianz in den Zellen AC59 und AC60 auf die Formeln des 2-Anlagen-Falls zurückgegriffen. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung AA52, AA53 Konstante Individueller Wert z.B. 0,02 AB52, AB53 Portfoliorendite =MMULT(AD52: AM52; MTRANS(AC36: AL36)) AC52 bis AC53 Portfolio-Varianz =MMULT(MMULT(AD52: AM52; AC40: AL49); MTRANS(AD52: AM52)) AD52 bis AM52 Portfoliogewichte =MTRANS(MMULT(MINV($AC$40: $AL$49); MTRANS($AC$36: $AL$36)-AA52)/ SUMME(MMULT(MINV($AC$40: $AL$49); MTRANS($AC$36: $AL$36)-AA52))) <?page no="309"?> 310 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements AN52, AN53 Summe =SUMME(AD52: AM52) AA55 Kovarianz =MMULT(MMULT(AD52: AM52; AC40: AL49); MTRANS(AD53: AM53)) AC58 Portfolioanteile WP1 Individueller Wert z.B. 0,5 AC59 Erwartete Rendite =AC58*AB52+(1-AC58)*AB53 AC60 Standardabweichung =WURZEL(AC58^2*AC52+(1-AC58)^2*AC53+ 2*AC58*(1-AC58)*AA55) Tab. 21: Übersicht Nachdem die Berechnungen zum Testportfolio abgeschlossen sind, kann die Möglichkeitskurve mit Hilfe der EXCEL-Funktion »Datentabelle« ermittelt werden. Schritt 2: Berechnung und Darstellung der Möglichkeitskurve Dazu sollte zunächst im Bereich AA67 und AC67 ein Verweis auf die Portfoliorendite und das Portfoliorisiko und in den Zellen AA68 bis AA88 die Portfoliogewichte des ersten Wertpapiers (Portfolio 1) abgetragen und implementiert werden. Im Anschluss sollte der Bereich AA67 bis AC88 ausgewählt und markiert werden. Im Reiter Daten lässt sich nun in EXCEL die Funktion »Datentabelle« auswählen. Im Eingabebereich wird auf den Portfolioanteil des ersten Wertpapiers des Testportfolios in Zelle AC58 Bezug genommen. Die EXCEL-Funktion »Datentabelle« nimmt jedes einzelne Portfoliogewicht des ersten Wertpapiers in Spalte AA und setzt dieses in das zuvor abgebildete Testportfolio ein. Der Bezug auf das Portfoliorisiko und die Portfoliorendite des Testportfolios erlaubt es, für jede beliebige Portfoliostruktur die entsprechenden Rendite- und Risikoparameter zu ermitteln. Abb. 103 zeigt das Resultat der EXCEL-Funktion »Datentabelle«. Abb. 103: Berechnung der Effizienzkurve via Datentabelle <?page no="310"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 311 4.3.2.3 Berechnung des Minimum-Varianz-Portfolios in EXCEL Das nachfolgende Beispiel demonstriert die Bestimmung des Minimum-Varianz- Portfolios. Um die gezeigten Schritte im Detail nachvollziehen zu können, kann das EXCEL-Modell in der Datei »Kapitel_4_Beispiele.xlsm« im Tabellenblatt »Minimum- Varianz-Portfolio« aufgerufen werden. Es empfiehlt sich, die Bearbeitung dieses Abschnitts in Verbindung mit der geöffneten EXCEL-Datei durchzuführen. Das Optimierungsproblem bei der Bestimmung des MVP entspricht im Prinzip der Minimierung der Portfoliovarianz, sodass sich folgende Zielfunktion ergibt: (4.57) unter Einhaltung der folgenden Nebenbedingungen (Budgetrestriktion) (4.58) für alle (Leerverkaufsverbot) (4.59) Bei der Bestimmung des Minimum-Varianz-Portfolios wird gemäß Formel (3.1) die angegebene Zielfunktion minimiert, was unbedingt bei der späteren Einstellung des Solvers beachtet werden sollte. Die Vorbereitungen für die Ermittlung des Minimum-Varianz-Portfolios beschränken sich hauptsächlich auf das Laden und Speichern der historischen Zeitreihen der risikobehafteten Wertpapiere für das festgelegte Portfolio und die anschließende Berechnung der logarithmierten Renditen, der historischen Standardabweichungen und der Varianz-Kovarianz-Matrix. Hierzu wird auf die Datenbanken des Finanzdatenanbieters »Yahoo Finance« zurückgegriffen, um die historischen Kurse aus dem Internet zu beziehen. Je nach gewählter Periodizität der historischen Kurse (jährlich, monatlich, wöchentlich oder täglich) sollten zum Abschluss der Vorbereitungen alle zuvor ermittelten Eingangsgrößen anschließend mit dem entsprechenden Skalierungsfaktor annualisiert werden. Da sich die grundlegenden Vorbereitungen im Rahmen der erläuterten EXCEL-Beispiele wiederholen, soll an dieser Stelle lediglich ein kurzer Überblick über die Bestimmung der Eingangsgrößen für die spätere Optimierung gegeben werden. Tab. 22 gibt in diesem Zusammenhang wichtige Hinweise für die Umsetzung der zugrundeliegenden Vorbereitungen in EXCEL. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung C9 bis L69 Historische Kurse Individuelle Werte O10 bis O69 Logarithmierte Renditen =LN(C10/ C9) AC36 bis AL36 Erwartete Rendite =MITTELWERT(O10: O69)*12 AC37 bis AL37 Standardabweichung =STABW.S(O10: O69)*WURZEL(12) AC40 bis AL49 Varianz-Kovarianz- Matrix =VarCovar(O10: X69)*12 Tab. 22: Übersicht <?page no="311"?> 312 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Um im späteren Verlauf dieses Beispiels die Ergebnisse der unterschiedlichen Optimierungen miteinander vergleichen zu können, wurde im EXCEL-Modell auf Grundlage der naiven Diversifizierung exemplarisch ein gleichgewichtetes Ausgangsportfolio gebildet. Das naiv diversifizierte Portfolio weist eine Portfoliorendite von 2,84 % sowie ein Portfoliorisiko von 15,11 % auf. Nach dem Rendite-Risiko-Profil von MVP1 zu urteilen, befindet sich das gleichgewichtete Portfolio jedoch nicht mehr auf der Effizienzkurve, sondern bereits auf dem ineffizienten Rand der Möglichkeitskurve. Im Anschluss an die Vorbereitungen erfolgt die Durchführung der Optimierung unter Berücksichtigung einer Budgetrestriktion und eines Leerverkaufsverbotes wie folgt dargestellt. Abb. 104: Bestimmung des MVP1 mit Begrenzung der Portfoliogewichte Bevor die Einstellung des EXCEL-Add-Ins »Solver« erfolgen kann, sollten gemäß Abb. 104 die Formel der Zielfunktion, die dazugehörigen Kennzahlen sowie weiterer Nebenbedingungen in die dafür vorgesehenen Zellen implementiert werden. Die praktische Umsetzung der Zielfunktion mit Hilfe des Solvers setzt darüber hinaus einen Vektor mit Portfoliogewichten als Startlösung voraus. In diesem Beispiel wird als Startlösung bzw. als Ausgangsportfolio ein naives Portfolio gewählt, also eine Gleichgewichtung aller risikobehafteten Wertpapiere des Portfolios. Die Startlösung entspricht den Portfoliogewichten des Ausgangsportfolios im Bereich AE 57 bis AE66. Abb. 104 zeigt die Portfoliogewichte des Minimum-Varianz- Portfolios nach Abschluss der Optimierung. Nachdem die Startlösung festgelegt worden ist, sollten für die spätere Berücksichtigung der Nebenbedingungen alle relevanten Einschränkungen implementiert werden. Da in diesem Beispiel bei der Optimierung des Portfolios das Budget auf 100 % der verfügbaren Summe beschränkt ist, wird der Zelle AB77 vorbereitend ein absoluter Wert von 1 zugewiesen. Für die spätere Umsetzung des Leerverkaufsverbotes wird darüber hinaus der Zelle AB78 ein absoluter Wert von 0 zugeordnet. Nach Formel (4.57) wird in Zelle AB81 vorbereitend für die spätere Portfoliooptimierung mit Hilfe der Zielfunktion: die Portfoliovarianz ermittelt. Im Bereich der weiteren Kennzahlen in Zelle AB85 ergibt sich das Portfoliorisiko als Wurzel aus Zelle AB81. Die Rendite des Portfolios ergibt sich abschließend in Zelle AB84 entsprechend der Formel: . Nach der Festlegung und Implementierung der Nebenbedingungen sowie der individuellen Startlösung kann das EXCEL- Add-In »Solver« gestartet werden. Tab. 23 zeigt alle relevanten Formeln und Funktionen für die Implementierung der Zielfunktion und der Nebenbedingungen. <?page no="312"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 313 Position Inhalt EXCEL-Umsetzung AB72 Budgetrestriktion Individueller Wert z.B. 1 AB73 Leerverkaufsverbot Individueller Wert z.B. 0 AB76 Portfoliovarianz =MMULT(MMULT(AE72: AN72; AC40: AL49); MTRANS(AE72: AN72)) AB79 Portfoliorendite =MMULT(AE72: AN72; MTRANS(AC36: AL36)) AB80 Portfoliorisiko =WURZEL(AB76) Tab. 23: Übersicht An dieser Stelle soll noch kurz auf einige Besonderheiten bei der Umsetzung der Matrizenmultiplikation in EXCEL eingegangen werden. Da die Funktion »MMULT (Array1; Array2)« lediglich zwei Parameter bzw. Argumente aufnehmen kann, aber die Formel zur Berechnung des Portfoliorisikos die Multiplikation von drei Komponenten erfordert, muss die Funktion »MMULT()« zur Berechnung des Portfoliorisikos zweimal ausgeführt werden. Dabei ist es notwendig, die Funktion »MMULT()« in der Form MMULT(MMULT( ; ); w) zweifach ineinander zu verschachteln. Es sollte ebenfalls beachtet werden, dass EXCEL bei der Abarbeitung der geschachtelten Funktion grundsätzlich von innen nach außen vorgeht. Da die gezeigte Matrizenmultiplikation nicht kommutativ ist, gilt es, auf die Reihenfolge der zu übergebenden Argumente zu achten. 328 Abb. 105: Installation eines EXCEL-Add-Ins 328 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 142 <?page no="313"?> 314 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Noch vor dem Start des Solvers sollte sichergestellt werden, dass das dazu benötigte Add-In »Solver« in EXCEL installiert und aktiviert ist. Sollte dies nicht der Fall sein, kann im Reiter Entwicklertools Add-Ins Add-Ins ausgewählt werden, um zur Übersicht der verfügbaren Add-Ins zu gelangen. Ein Klick auf die Funktion erlaubt anschließend die Aktivierung der gewünschten Funktion »Solver«. Die durch Häkchen gekennzeichneten Funktionen sind bereits aktiviert. Im Anschluss daran wird der Solver im Reiter Daten Analyse Solver über ein Zusatzprogramm (Add-In) in EX- CEL bereitgestellt. Abb. 105 gibt zur Installation und Aktivierung des EXCEL-Add- Ins wichtige Hinweise. Nachdem der Solver aufgerufen worden ist, erfolgt die Festlegung der Zelle, die die Zielfunktion enthält. Da bei der Bestimmung des Minimum-Varianz-Portfolios die Zielfunktion zu minimieren ist, wird diese Voraussetzung unterhalb der festgelegten Zielzelle mit der Auswahl des Solver-Parameters »Min« bei der späteren Optimierung berücksichtigt. Die Optimierung der angegebenen Zielfunktion erfolgt durch die Veränderung der einzelnen Portfoliogewichte der risikobehafteten Wertpapiere. Es ist erforderlich, dass der zu verändernde Bereich der Portfolioanteile an den Solver übergeben wird (siehe Abb. 105). Im Anschluss erfolgt die manuelle Eingabe der Budgetrestriktion und des Leerverkaufsverbotes in Form weiterer Solver-Parameter. Die manuelle Eingabe der angesprochenen Nebenbedingungen erfolgt im Solver durch den Aufruf der Schaltfläche Hinzufügen. Im Anschluss öffnet sich ein neues Fenster (vgl. Abb. 106), das die logische Verknüpfung von Zellbezügen erlaubt. Abb. 106: Hinzufügen einer Nebenbedingung Die angeführten Nebenbedingungen werden, wie in Abb. 106 dargestellt, in Form von linearen Gleichungen und Ungleichungen an den Solver übergeben. Die Budgetrestriktion wird mit Hilfe der Summe der Anteilsgewichte in Zelle AE87 in Form der linearen Nebenbedingung $AE$87 = $AB$77 im Solver umgesetzt. Die Bestätigung der durchgeführten Eingabe erfolgt durch Klick auf die Schaltfläche OK, wonach EXCEL zur ursprünglichen Einstellung der Solver-Parameter zurückkehrt. Die Schaltfläche Hinzufügen erlaubt die direkte Aufnahme weiterer Nebenbedingungen, ohne in das ursprüngliche Fenster zur manuellen Solver-Parameter-Eingabe zurückkehren zu müssen. Das zuvor festgelegte Verbot an Leerverkäufen erfordert weiterhin, dass die Optimierung des Portfolios keinesfalls zu negativen Werten der einzelnen Anteilsgewichte führt. Die Einhaltung des Leerverkaufsverbotes wurde deshalb im Rahmen der Nebenbedingung $AE$77: $AE$86 >= $AB$78 dem Solver hinzugefügt. Abb. 107 zeigt die manuelle Eingabe der Solver-Parameter. Je nach Umfang des Optimierungsproblems erlaubt der Solver die Verwendung unterschiedlicher Algorithmen zur Lösung des Optimierungsproblems. Da es sich hierbei um ein quadratisches Optimierungsproblem mit linearen Nebenbedingungen handelt, wurde in diesem Beispiel auf die Lösungsmethode »GRG-Nichtlinear« zurückgegriffen. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Lösung des verwendeten Verfahrens unter Um- <?page no="314"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 315 ständen von der zuvor festgelegten Startlösung (Portfolioanteile) abhängig ist. Die Verwendung spezifischer Startlösungen steht jedem Anleger frei, kann jedoch beim Nachvollziehen der Beispiele unter Umständen zu abweichenden Ergebnissen führen. 329 Die Optimierung des Portfolios kann abschließend mit einem Klick auf die Schaltfläche Lösen gestartet werden. Abb. 107: Einstellung der Solver-Parameter für die Optimierung von MVP1 Nach Abschluss der Optimierung ergibt sich das Minimum-Varianz-Portfolio mit einer zu erwartenden Portfoliorendite von 4,66 % sowie einem Portfoliorisiko in Form einer Standardabweichung von 11,01 %. Abb. 104 zeigt die Ergebnisse der Portfoliooptimierung. Die Zusammensetzung des MVP1 besteht zu ca. 36 % aus dem Wertpapier ABT, zu 24 % aus dem Wertpapier XOM, zu ca. 16 % aus den Wertpapieren COST und IBM sowie zu einem kleineren Teil aus den Wertpapieren AT&T und INTEL. Die Ergebnisse in Abb. 104 zeigen jedoch, dass das MVP1 lediglich 6 von den ursprünglichen 10 Wertpapieren beinhaltet und somit im MVP nicht über die gesamte Bandbreite des Portfolios diversifiziert ist. Abb. 108: Bestimmung des MVP2 ohne Leerverkaufsverbot 329 Vgl. Poddig/ Brinkmann/ Seiler (2009), S. 145 <?page no="315"?> 316 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Um eine höhere Diversifikation des Portfolios im MVP zu ermöglichen, soll nun das zu Beginn eingeführte Leerverkaufsverbot aufgehoben werden. In diesem Fall ist es erforderlich, den ersten Eintrag der Nebenbedingungen in Abb. 107 über die Schaltfläche Löschen zu entfernen. Im Anschluss daran ist es notwendig, mit der Auswahl der Zelle $AB$98 einen neuen Bezug der Zielzelle festzulegen, den Bereich der Variablenzellen in $AE$94: $AN$103 abzuändern sowie die verbleibende Budgetrestriktion entsprechend in $AE$104=$AB$94 zu überarbeiten. Abschließend sollte der Solver erneut gestartet werden. Während der Optimierung wird nun berücksichtigt, dass Kapitalanleger grundsätzlich Leerverkäufe tätigen dürfen. Nach Abschluss der erneuten Optimierung ergibt sich die in Tab. 24 dargestellte Zusammensetzung des neuen MVP2. Es fällt zunächst auf, dass die Portfoliostruktur nun teilweise Wertpapiere mit negativen Vorzeichen enthält. Die Wertpapiere ABT sowie XOM besitzen wie schon in MVP1 die höchsten prozentualen Anteile im Portfolio. Der Vergleich des ersten und des zweiten MVP zeigt, dass lediglich diejenigen Wertpapiere negative Portfoliogewichte aufweisen, die bei der Optimierung des ersten MVP mit 0 % von der Portfoliostruktur ausgeschlossen wurden. Die Portfoliostruktur des zweiten MVP zeigt eine leichte Absenkung der Portfoliorendite sowie des Portfoliorisikos. Es sei nochmals kurz darauf hingewiesen, dass die positiven Portfoliogewichte Longbzw. Kauf-Positionen darstellen, wobei die negativen Portfoliogewichte Shortbzw. Verkaufs-Positionen im Portfolio abbilden. Wertpapier Ausgang MVP1 MVP2 MVP3 ABT 10,00 % 36,17 % 43,59 % 33,14 % BA 10,00 % 0,00 % -4,18 % 5,00 % COST 10,00 % 16,52 % 20,81 % 6,89 % CSCO 10,00 % 0,00 % -1,26 % 5,00 % IBM 10,00 % 16,21 % 14,10 % 10,63 % INTC 10,00 % 1,37 % 9,04 % 5,00 % MRK 10,00 % 0,00 % -14,52 % 5,00 % MSFT 10,00 % 0,00 % -2,39 % 5,00 % T 10,00 % 5,23 % 4,45 % 5,00 % XOM 10,00 % 24,49 % 30,36 % 19,35 % Tab. 24: Übersicht der Optimierungsdurchläufe Da die Umsetzung der beschriebenen Short-Positionen aufgrund regulatorischer Bestimmungen nur individuellen Kapitalanlegern vorbehalten ist, soll in den nachfolgenden Betrachtungen das Leerverkaufsverbot wieder eingeführt werden. Um dennoch ein diversifiziertes Portfolio realisieren zu können, erscheint es zweckmäßig, untere und obere Begrenzungen für das Portfolio festzulegen. Die einzelnen Wertpapiere sollen mindestens zu 5 %, jedoch maximal zu 35 % im Portfolio enthalten sein. Die angesprochene Einschränkung der einzelnen Wertpapiere könnte auch für jedes einzelne Wertpapier individuell getroffen werden. Die manuelle Eingabe der genannten Nebenbedingung kann entweder einzeln für jedes Portfoliogewicht festgelegt werden, oder stattdessen der Zellbezug auf die gesamten Portfoliogewichte eingegeben werden. <?page no="316"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 317 Abb. 109: Bestimmung des MVP mit Begrenzung der Portfoliogewichte Im vorliegenden Fall werden zunächst die definierten Unter- und Obergrenzen der einzelnen Wertpapiere unterhalb der Portfoliogewichte des Portfolios in das EXCEL- Modell übertragen. Abgesehen von dieser Erweiterung entspricht das EXCEL-Modell weitestgehend den Vorgängern. Im Anschluss werden, wie gewohnt, die Zielzelle, der Zielwert und die zu verändernden Variablenzellen abgeändert sowie eine weitere Nebenbedingung hinzugefügt. Abb. 110 stellt die getätigten Einstellungen für die Solver- Parameter umfassend dar. Zum Abschluss der manuellen Eingabe der Solver-Parameter kann der Solver erneut gestartet werden. Abb. 110: Einstellung des Solvers für die Optimierung von MVP3 Nach dem Abschluss der Optimierung ergibt sich im Vergleich zum MVP2 ein ähnliches Bild, jedoch mit dem Unterschied, dass nun das MVP3 keine negativen Portfoliogewichte mehr beinhaltet. Nach Tab. 24 ist jedes Wertpapier mindestens zu 5 % und maximal zu 35 % im Portfolio enthalten. Im Vergleich zum MVP2 geht nun das Wertpapier ABT durch die obere Begrenzung mit einem geringeren Anteil in die Portfoliostruktur des MVP3 ein. Es ergibt sich für das dritte MVP eine Portfoliorendite von 3,90 %, sowie ein Portfoliorisiko von 12,09 %. <?page no="317"?> 318 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Die in Abb. 110 dargestellte Übersicht der Solver-Parameter wurde jeweils in der Spalte AJ abgespeichert und kann alternativ über Laden/ Speichern Laden erneut aufgerufen werden. 4.3.2.4 Ermittlung des Maximum-Ertrags-Portfolios in EXCEL Das nachfolgende Beispiel demonstriert die Bestimmung des Maximum-Ertrags- Portfolios. Um die gezeigten Schritte im Detail nachvollziehen zu können, sollte das EXCEL-Modell in der Datei »Kapitel_4_Beispiele.xlsm« im Tabellenblatt »Maximum- Ertrags-Portfolio« aufgerufen werden. Es empfiehlt sich wiederum, die Bearbeitung dieses Abschnitts in Verbindung mit der geöffneten EXCEL-Datei durchzuführen. Das Optimierungsproblem bei der Bestimmung des MEP entspricht prinzipiell der Maximierung der erwarteten Rendite des zu optimierenden Portfolios, sodass sich folgende Zielfunktion ergibt: (4.60) unter der Einhaltung der folgenden Nebenbedingungen (Budgetrestriktion) (4.61) für alle (Leerverkaufsverbot) (4.62) Bei der Bestimmung des Maximum-Ertrags-Portfolios wird gemäß Formel (4.60) die angegebene Zielfunktion minimiert, was unbedingt bei der späteren Einstellung der Solver-Parameter beachtet werden sollte. Die Vorbereitungen für die Ermittlung des Maximum-Ertrags-Portfolios beschränken sich hauptsächlich auf das Laden und Speichern der historischen Zeitreihen der risikobehafteten Wertpapiere für das festgelegte Portfolio und die anschließende Berechnung der logarithmierten Renditen, der historischen Standardabweichungen und der Varianz-Kovarianz-Matrix. Hierzu wird auf die Datenbanken des Finanzdatenanbieters »Yahoo Finance« zurückgegriffen, um die historischen Kurse aus dem Internet zu beziehen. Je nach gewählter Periodizität der historischen Kurse (jährlich, monatlich, wöchentlich oder täglich) sollten zum Abschluss der Vorbereitungen alle zuvor ermittelten Eingangsgrößen mit dem entsprechenden Skalierungsfaktor annualisiert werden. Da sich die Vorbereitungen einiger EXCEL-Beispiele weitestgehend entsprechen, soll Tab. 25 an dieser Stelle lediglich einen kurzen Überblick über die Bestimmung der Eingangsgrößen für die spätere Portfoliooptimierung geben. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung C9 bis L69 Historische Kurse Individuelle Werte O10 bis O69 Diskrete Renditen =(C10/ C9)-1 AC36 bis AL36 Erwartete Rendite =MITTELWERT(O10: O69)*12 AC37 bis AL37 Standardabweichung =STABW.S(O10: O69)*WURZEL(12) AC40 bis AL49 Varianz-Kovarianz- Matrix =VarCovar(O10: X69)*12 Tab. 25: Übersicht <?page no="318"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 319 Um im späteren Verlauf dieses Beispiels die Ergebnisse der unterschiedlichen Portfoliooptimierungen miteinander vergleichen zu können, wird im EXCEL-Modell auf Grundlage der naiven Diversifizierung exemplarisch ein gleichgewichtetes Ausgangsportfolio gebildet. Das naiv diversifizierte Portfolio weist eine Portfoliorendite von 2,84 % sowie ein Portfoliorisiko von 15,11 % auf. Nach diesem Rendite-Risiko- Profil zu urteilen, befindet sich das gleichgewichtete Portfolio nicht mehr auf der Effizienzkurve, sondern bereits auf dem ineffizienten Rand der Möglichkeitskurve. Durchführung der Optimierung Abb. 111: Bestimmung des MEP Die Vorgehensweise bei der Ermittlung des Maximum-Ertrags-Portfolios orientiert sich weitestgehend an den vorherigen Abschnitten. Vor der endgültigen Bestimmung des MEP ist es nötig, die zuvor festgelegten Nebenbedingungen manuell mit Hilfe eines Zwischenschritts an die Solver-Parameter zu übertragen. Dazu wird für die spätere Berücksichtigung der festgelegten Budgetrestriktion und des Leerverkaufsverbots in den Solver-Parametern der Zelle AB78 der Wert 1 sowie der Zelle AB79 der Wert 0 zugewiesen. Im nächsten Schritt ist es für die späteren Zellbezüge der Solver-Parameter notwendig, vor der Optimierung des Portfolios die zuvor festgelegte Zielfunktion aus Formel (4.60) in Zelle AB82 einzufügen. Die Rendite des optimierten Portfolios in Zelle AB82 ergibt sich aus der Multiplikation der Anteile des optimierten Portfolios und der erwarteten Renditen der Wertpapiere. In den Zellen AB85 und AB86 erfolgt die Auswertung weiterer Kennzahlen in Bezug auf die Rendite bzw. das Risiko des optimierten Portfolios. Dazu wird in Zelle AB85 zunächst die Portfoliovarianz des MEP ermittelt und anschließend das Risiko des optimierten Portfolios in Zelle AB86 in Form der Standardabweichung aus der Wurzel der Portfoliovarianz. Es sei darauf hingewiesen, dass die Startlösung vor Beginn der Optimierung der Zusammensetzung des gleichgewichteten Ausgangsportfolios (vgl. Zellbereich AE59 bis AE68) entspricht. Abb. 111 zeigt im Bereich AE78 bis AE87 die Zusammensetzung des Maximum-Ertrags-Portfolios nach der erfolgreichen Lösung des zuvor in Formel (4.60) dargestellten Optimierungsproblems. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung AB78 Budgetrestriktion Individueller Wert z.B. 1 AB79 Leerverkaufsverbot Individueller Wert z.B. 0 AB85 Zielfunktion / Portfoliorendite =MMULT(AC36: AL36; AE78: AE87) <?page no="319"?> 320 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Tab. 26: Übersicht Nach der Implementierung der Zielfunktion und der dazugehörigen Nebenbedingungen kann das EXCEL-Add-In »Solver« über den Reiter Daten Analyse Solver aufgerufen werden. Die zuvor vorbereitete Budgetrestriktion sowie das Leerverkaufsverbot werden anschließend, wie in den Formeln (4.61) und (4.62) dargestellt, in Form von linearen Gleichungen bzw. Ungleichungen an den Solver weitergegeben. Auf der linken Seite der Nebenbedingung wird der Zellbezug auf eine variable Zelle bzw. einen Zellbereich festgelegt. Die Summe der einzelnen Portfoliogewichte stellt beispielsweise eine variable Zelle dar, da diese sich während der Optimierung mehrmals ändern kann. Auf der rechten Seite der Nebenbedingung steht meistens die Zielvorgabe bzw. der Zielwert in Form eines absoluten Wertes oder einer Zelle bzw. Zellbereichs. Ein logischer Operator verknüpft dabei die beiden Komponenten der Nebenbedingung. Die Budgetrestriktion wird mit Hilfe der Summe der Anteilsgewichte in Zelle AE87 in Form der linearen Nebenbedingung $AE$88 = $AB$78 in den Parametern des Solvers umgesetzt. Die Einhaltung des Leerverkaufsverbotes wurde im Rahmen der Nebenbedingung $AE$78: $AN$87 >= $AB$79 den Solver-Parametern hinzugefügt. Abb. 112 greift die manuelle Eingabe der Solver-Parameter auf. Bei der Berechnung des Maximum-Ertrags-Portfolios wird aufgrund des quadratischen Optimierungsproblems der zugrundeliegenden Zielfunktion auf die Lösungsmethode »GRG-Nichtlinear« zurückgegriffen. Die Bestimmung des Tangentialportfolios kann anschließend mit einem Klick auf die Schaltfläche Lösen gestartet werden. Abb. 112: Einstellung der Solver-Parameter zur Ermittlung des MEP AB85 Portfoliovarianz =MMULT(MMULT(MTRANS(AE78: AE87); AC40: AL49); AE78: AE87) AB86 Portfoliorisiko =WURZEL(AB85) AE78 bis AE87 Portfolio-Gewichte Startlösung siehe Ausgangsportfolio <?page no="320"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 321 Das Ergebnis der Portfoliooptimierung ergab die vollständige Investition des zur Verfügung stehenden Kapitals in das Wertpapier XOM, da das Wertpapier mit einer erwarteten Rendite von 7,89 % im Vergleich zu den anderen Wertpapieren im Portfolio die höchste erwartete Rendite besitzt. Die in Abb. 112 dargestellte Übersicht der Solver-Parameter wurde im Zellbereich AE94 bis AE99 abgespeichert und kann alternativ über die Schaltfläche Laden/ Speichern und die Auswahl Laden erneut aufgerufen werden. Bestimmung eines beliebig effizienten Portfolios in EXCEL Das nachfolgende Beispiel demonstriert die Bestimmung eines beliebig effizienten Portfolios. Um die gezeigten Schritte im Detail nachvollziehen zu können, sollte das EXCEL-Modell in der Datei »Kapitel_4_Beispiele.xlsm« im Tabellenblatt »Beliebiges- Portfolio« aufgerufen werden. Es empfiehlt sich wiederum, die Bearbeitung dieses Abschnitts in Verbindung mit der geöffneten EXCEL-Datei durchzuführen. Das Optimierungsproblem bei der Bestimmung eines beliebig effizienten Portfolios umfasst prinzipiell die Minimierung des Portfoliorisikos für eine gegebene Zielrendite, sodass folgende Zielfunktion im angesprochenen EXCEL-Modell wie folgt formal umgesetzt wurde: (4.63) unter der primären Nebenbedingung (4.64) mit variierende Zielrendite, wobei sowie unter den sekundären Nebenbedingungen einer bestehenden Budgetrestriktion und eines geforderten Leerverkaufsverbots. Im Gegensatz zu der Zielfunktion des Maximum-Ertrags-Portfolios wird die Zielfunktion zur Berechnung eines beliebig effizienten Portfolios minimiert, sodass diese Tatsache bei der späteren Einstellung des Zielwerts in den Solver-Parametern beachtet werden sollte. Die Vorbereitungen für die Berechnung eines beliebig effizienten Portfolios stimmen weitestgehend mit den vorherigen Erläuterungen der einzelnen EXCEL-Modelle überein, sodass an dieser Stelle nur kurz auf die grundsätzlichen Vorbereitungen eingegangen werden soll. Im vorliegenden Falle beschränken sich die Vorbereitungen hauptsächlich auf das Laden und Speichern der historischen Zeitreihen der risikobehafteten Wertpapiere für das festgelegte Portfolio und auf die anschließende Berechnung der logarithmierten Renditen, der historischen Standardabweichungen und der Varianz- Kovarianz-Matrix. Um die historischen Kurse aus dem Internet zu beziehen, wird auf die Datenbanken des Finanzdatenanbieters »Yahoo Finance« zurückgegriffen, welche im Internet frei zugänglich sind. Je nach gewählter Periodizität der historischen Kurse (jährlich, monatlich, wöchentlich oder täglich) sollten zum Abschluss der Vorbereitungen alle zuvor ermittelten Eingangsgrößen mit dem entsprechenden Skalierungsfaktor annualisiert werden. Da sich die Vorbereitungen einiger EXCEL-Beispiele weitestgehend entsprechen, soll an dieser Stelle lediglich ein kurzer Überblick über die Bestimmung der Eingangsgrößen für die spätere Optimierung gegeben werden. <?page no="321"?> 322 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Position Inhalt EXCEL-Umsetzung C9 bis L69 Historische Kurse Individuelle Werte O10 bis O69 Logarithmierte Renditen =LN(C10/ C9) AC36 bis AL36 Erwartete Rendite =MITTELWERT(O10: O69)*12 AC37 bis AL37 Standardabweichung =STABW.S(O10: O69)*WURZEL(12) AC40 bis AL49 Varianz-Kovarianz- Matrix =VarCovar(O10: X69)*12 Tab. 27: Übersicht Um im späteren Verlauf dieses Beispiels die Ergebnisse der unterschiedlichen Optimierungen miteinander vergleichen zu können, wurde im EXCEL-Modell auf Grundlage der naiven Diversifizierung exemplarisch ein gleichgewichtetes Ausgangsportfolio gebildet, welches eine Portfoliorendite von 2,84 % sowie ein Portfoliorisiko in Form einer Standardabweichung von 15,11 % aufweist. Bei der Betrachtung des Rendite-Risiko-Profils zeigt sich, dass sich das gleichgewichtete Portfolio nicht mehr auf der Effizienzkurve, sondern bereits auf dem ineffizienten Rand der Möglichkeitskurve befindet, und somit für einen Kapitalanleger nicht tragbar ist. Abb. 113: Übersicht EXCEL-Modell Abb. 113 zeigt den grundlegenden Aufbau des EXCEL-Modells. Noch vor dem Aufruf des EXCEL-Add-Ins »Solver« ist es notwendig, den in Abb. 113 dargestellten Aufbau des EXCEL-Modells praktisch umzusetzen. Dazu wird für die spätere Berücksichtigung der festgelegten primären Nebenbedingungen in den Solver-Parametern der Zelle AB77 eine Zielrendite von 6 % zugeordnet. Für die Einhaltung der sekundären Nebenbedingungen, wie Budgetrestriktion und Leerverkaufsverbot, wird den Zellen AB78 und AB79 jeweils ein Wert von 1 und 0 zugewiesen. Während die bestehenden sekundären Nebenbedingungen an die Bedürfnisse des Kapitalanlegers angepasst werden können, ist für die Bestimmung eines beliebig effizienten Portfolios die Einhaltung der primären Nebenbedingungen unerlässlich. Im nächsten Schritt ist es für die Auswahl der späteren Zellbezüge in den Solver- Parametern notwendig, noch vor dem Start der Portfoliooptimierung die zuvor festgelegte Zielfunktion (Portfoliovarianz) aus Formel (4.63) in Zelle AB82 einzufügen. Im Anschluss daran folgt in den Zellen AB85 und AB86 die Auswertung weiterer Kenn- <?page no="322"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 323 zahlen in Bezug auf die Rendite bzw. das Risiko des optimierten Portfolios. Die Portfoliorendite des optimierten und effizienten Portfolios in Zelle AB85 entspricht nach der erfolgreichen Durchführung der Portfoliooptimierung der geforderten Zielrendite. Aus mathematischer Sicht ergibt sich die Kennzahl aus der Multiplikation der Anteile des optimierten Portfolios mit den erwarteten Renditen der Wertpapiere. Das Risiko des optimierten Portfolios in Zelle AB86 ergibt sich in Form der Standardabweichung aus der Wurzel der Portfoliovarianz aus Zelle AB82. Es sei darauf hingewiesen, dass die Startlösung vor Beginn der Optimierung der Zusammensetzung des gleichgewichteten Ausgangsportfolios entspricht. Abb. 113 zeigt im Bereich AE77 bis AE86 die Zusammensetzung des Tangentialportfolios nach dem erfolgreichen Abschluss der Optimierung. Tab. 28 gibt wichtige Hinweise für die praktische Umsetzung des Modells in EXCEL. Tab. 28: Übersicht Nach der Implementierung der Zielfunktion und der dazugehörigen Nebenbedingungen kann das EXCEL-Add-In »Solver« über den Reiter Daten Analyse Solver aufgerufen werden. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung AB77 Beliebige Zielrendite Individueller Wert z.B. 0,06 AB78 Budgetrestriktion Individueller Wert z.B. 1 AB79 Leerverkaufsverbot Individueller Wert z.B. 0 AB85 Portfoliorendite / Zielfunktion =MMULT(AC36: AL36; AE77: AE86) AB82 Portfoliovarianz =MMULT(MMULT(MTRANS(AE77: AE86); AC40: AL49); AE77: AE86) AB86 Portfoliorisiko =WURZEL(AB82) AE77 bis AE86 Portfolio-Gewichte Startlösung siehe Ausgangsportfolio AE87 Summe der Anteile =SUMME(AE77: AE86) <?page no="323"?> 324 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Abb. 114: Übersicht Solver-Parameter Die zuvor vorbereitete Budgetrestriktion sowie das Leerverkaufsverbot werden anschließend, wie in Abb. 114 dargestellt, in Form von linearen Gleichungen bzw. Ungleichungen manuell in die Einstellungen des Solvers übertragen. Auf der linken Seite der Nebenbedingung wird der Zellbezug auf eine variable Zelle bzw. einen Zellbereich festgelegt. Die Summe der einzelnen Portfoliogewichte stellt beispielsweise eine variable Zelle dar, da diese sich während der Optimierung mehrmals ändern kann. Auf der rechten Seite der Nebenbedingung steht meistens die Zielvorgabe bzw. der Zielwert in Form eines absoluten Wertes oder einer Zelle bzw. eines Zellbereichs. Ein logischer Operator verknüpft die beiden Komponenten der Nebenbedingung. Abb. 114 greift die manuelle Eingabe der Solver-Parameter auf und gibt einen Überblick über die berücksichtigten Nebenbedingungen. Die Berechnung eines beliebig effizienten Portfolios unter Einhaltung einer geforderten Zielrendite stellt ein quadratisches Optimierungsproblem dar, sodass bei der Lösung der zugrundeliegenden Zielfunktion auf die Lösungsmethode »GRG-Nichtlinear« zurückgegriffen wird. Die Bestimmung des gesuchten Portfolios kann anschließend mit einem Klick auf die Schaltfläche Lösen gestartet werden. Aus der Portfoliooptimierung resultiert das in Abb. 113 dargestellte Ergebnis. Vor dem dargestellten Hintergrund ist es durchaus denkbar, dass ein Kunde der Private- Banking-Abteilung einer Bank eine bestimmte Zielrendite vorgibt. Um die geforderte Zielrendite von z.B. 6 % zu erreichen, ist es notwendig, dass der Portfolio-Manager der Bank das zur Verfügung stehende Kapital des Kunden zu 49 % in das Wertpapier XOM, zu 20 % in das Wertpapier ABT, zu 16 % in das Wertpapier IBM sowie zu 15 % in das Wertpapier COST investiert. Es ergibt sich dementsprechend ein Portfoliorisiko in Höhe von 12,24 %. Es sei im Rahmen dieser Überlegung darauf hingewiesen, dass sich die Portfoliostruktur maßgeblich auf Grundlage einer Ex-post-Betrachtung der Eingangsgrößen ergibt <?page no="324"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 325 und somit aufgrund der Schätzfehlerproblematik (siehe Kapitel 6) nicht unbedingt optimal ist. Die in Abb. 114 dargestellte Übersicht der Solver-Parameter wurde im Zellbereich AA92 bis AA98 abgespeichert und kann alternativ über Laden/ Speichern Laden erneut aufgerufen werden. Bestimmung des Tangentialportfolios in EXCEL Das nachfolgende Beispiel befasst sich hauptsächlich mit der Bestimmung des Tangentialportfolios. Um die nachfolgenden Erläuterungen und Schritte im Detail nachvollziehen zu können, empfiehlt es sich, das EXCEL-Modell in der Datei »Kapitel_4_Beispiele.xlsm« im Tabellenblatt »Tangentialportfolio« parallel zur Bearbeitung dieses Abschnitts aufzurufen. Das Optimierungsproblem bei der Bestimmung des Tangentialportfolios entspricht im Prinzip der Maximierung der Sharpe Ratio des Portfolios, sodass folgende Zielfunktion maximiert werden soll: (4.65) (4.66) Im Gegensatz zu der Zielfunktion des Minimum-Varianz-Portfolios in Abschnitt 4.1.1 wird die Zielfunktion zur Bestimmung des Tangentialportfolios maximiert, was bei der späteren Einstellung des EXCEL-Add-Ins »Solver« beachtet werden sollte. Die Vorbereitungen für die Berechnung des Tangentialportfolios beschränken sich hauptsächlich auf das Laden und Speichern der historischen Zeitreihen der risikobehafteten Wertpapiere für das festgelegte Portfolio und die anschließende Berechnung der logarithmierten Renditen, der historischen Standardabweichungen und der Varianz-Kovarianz-Matrix. Hierzu wird grundsätzlich auf die Datenbanken des Finanzdatenanbieters »Yahoo Finance« zurückgegriffen, um die historischen Kurse aus dem Internet zu beziehen. Je nach gewählter Periodizität der historischen Kurse (jährlich, monatlich, wöchentlich oder täglich) sollten zum Abschluss der Vorbereitungen alle zuvor ermittelten Eingangsgrößen mit dem entsprechenden Skalierungsfaktor annualisiert werden. Da sich die Vorbereitungen einiger EXCEL-Beispiele weitestgehend entsprechen, soll an dieser Stelle lediglich ein kurzer Überblick über die Bestimmung der Eingangsgrößen für die spätere Optimierung gegeben werden. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung C9 bis L69 Historische Kurse Individuelle Werte O10 bis O69 Logarithmierte Renditen =LN(C10/ C9) AC36 bis AL36 Erwartete Rendite =MITTELWERT(O10: O69)*12 AC37 bis AL37 Standardabweichung =STABW.S(O10: O69)*WURZEL(12) AC40 bis AL49 Varianz-Kovarianz-Matrix =VarCovar(O10: X69)*12 Tab. 29: Übersicht <?page no="325"?> 326 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Um im späteren Verlauf dieses Beispiels die Ergebnisse der unterschiedlichen Optimierungen miteinander vergleichen zu können, wurde im EXCEL-Modell auf Grundlage der naiven Diversifizierung exemplarisch ein gleichgewichtetes Ausgangsportfolio gebildet, welches eine Portfoliorendite von 2,84 % sowie ein Portfoliorisiko in Form einer Standardabweichung von 15,11 % aufweist. Bei der Betrachtung des Rendite-Risiko-Profils zeigt sich, dass sich das gleichgewichtete Portfolio nicht mehr auf der Effizienzkurve, sondern auf dem ineffizienten Rand der Möglichkeitskurve befindet. Bestimmung des Tangentialportfolios Abb. 115: Übersicht EXCEL-Modell Tangentialportfolio Vor der endgültigen Bestimmung des Tangentialportfolios ist es zunächst notwendig, manuell mit Hilfe eines Zwischenschritts alle zuvor festgelegten Nebenbedingungen in die Einstellungen der Solver-Parameter zu übertragen. Dazu werden für die spätere Berücksichtigung der festgelegten Budgetrestriktion und des Leerverkaufsverbots in den Solver-Parametern der Zelle AB77 der Wert 1 sowie der Zelle AB78 der Wert 0 zugewiesen. Die Quantifizierung des risikolosen Zinssatzes stellt eine wichtige Voraussetzung für die Berechnung des Tangentialportfolios dar. Im gegebenen Fall wurde der Zelle AB79 ein risikoloser Zinssatz in Höhe von 3 % zugeordnet. Im nächsten Schritt ist es für die späteren Zellbezüge der Solver-Parameter notwendig, die zuvor festgelegte Zielfunktion aus Formel (4.65) in Zelle AB82 einzufügen. Die Zielfunktion wurde mit Hilfe eines Zwischenschrittes implementiert, sodass nach der Berechnung des Tangentialportfolios dessen erwartete Rendite und und dessen Risiko getrennt ausgewiesen werden können. Im Gegensatz zu Abschnitt 4.1 findet sich die Formel zur Bestimmung der Portfoliorendite bzw. des Portfoliorisikos nur indirekt in Zelle AB82 wieder. In den Zellen AB85 und AB86 folgt die Auswertung weiterer Kennzahlen in Bezug auf die Rendite und das Risiko des optimierten Portfolios. Die Rendite des optimierten Portfolios in Zelle AB85 ergibt sich aus der Multiplikation der Anteile des optimierten Portfolios mit den erwarteten Renditen der einzelnen Wertpapiere. Das Risiko des optimierten Portfolios in der Zelle AB86 ergibt sich in Form der Standardabweichung aus der Wurzel der Portfoliovarianz. <?page no="326"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 327 Es sei darauf hingewiesen, dass die Startlösung vor Beginn der Optimierung der Zusammensetzung des gleichgewichteten Ausgangsportfolios entspricht. Abb. 115 zeigt im Bereich AE77 bis AE86 die Zusammensetzung des Tangentialportfolios nach dem erfolgreichen Abschluss der Optimierung. Tab. 30: Übersicht Nach Einsetzen der Zielfunktion und der dazugehörigen Nebenbedingungen kann das EXCEL-Add-In Solver über den Reiter Daten Analyse Solver aufgerufen werden. Die zuvor vorbereitete Budgetrestriktion sowie das Leerverkaufsverbot werden anschließend, wie in Formel (4.19) dargestellt, in Form von linearen Gleichungen bzw. Ungleichungen in den Solver eingegeben. Auf der linken Seite der Nebenbedingung wird der Zellbezug auf eine variable Zelle bzw. einen Zellbereich festgelegt. Die Summe der einzelnen Portfoliogewichte stellt beispielsweise eine variable Zelle dar, da diese sich während der Optimierung mehrmals ändern kann. Auf der rechten Seite der Nebenbedingung steht meistens die Zielvorgabe bzw. der Zielwert in Form eines absoluten Wertes oder einer Zelle bzw. eines Zellbereichs. Ein logischer Operator verknüpft die beiden Komponenten der Nebenbedingung. Die Budgetrestriktion wird mit Hilfe der Summe der Anteilsgewichte in Zelle AE87 in Form der linearen Nebenbedingung $AE$87 = $AB$77 in den Parametern des Solvers umgesetzt. Die Einhaltung des Leerverkaufsverbotes wurde anschließend im Rahmen der Nebenbedingung $AE$77: $AN$86 >= $AB$78 den Solver-Parametern hinzugefügt. Abb. 116 greift die manuelle Eingabe der Solver-Parameter auf. Bei der Berechnung des Tangentialportfolios wurde aufgrund des quadratischen Optimierungsproblems der zugrundeliegenden Zielfunktion auf die Lösungsmethode »GRG-Nichtlinear« zurückgegriffen. Die Bestimmung des Tangentialportfolios kann anschließend mit einem Klick auf die Schaltfläche Lösen gestartet werden. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung AB77 Budgetrestriktion Individueller Wert z.B. 1 AB78 Leerverkaufsverbot Individueller Wert z.B. 0 AB79 Risikoloser Zins Individueller Wert z.B. 0,03 AB82 Zielfunktion / Sharpe Ratio =(AB85-AB79)/ AB86 AB85 Portfoliorendite =MMULT(AC36: AL36; AE77: AE86) AB86 Portfoliorisiko =WURZEL(MMULT(MMULT(MTRANS (AE77: AE86); AC40: AL49); AE77: AE86)) AE77 bis AE86 Portfolio-Gewichte Startlösung siehe Ausgangsportfolio <?page no="327"?> 328 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Abb. 116: Übersicht der Solver-Parameter des Tangentialportfolios Die Portfoliooptimierung ergab für das Tangentialportfolio mit einem risikolosen Zins von 3 % eine zu erwartende Rendite von 7,16 % sowie eine Standardabweichung von 15,88 %. Abb. 115 zeigt die Zusammensetzung des Tangentialportfolios nach der Optimierung, wobei sich die Portfoliostruktur auf die Wertpapiere COST, IBM und XOM konzentriert. Die verbleibenden Wertpapiere wurden von der Zusammensetzung des Tangentialportfolios ausgeschlossen. Die in Abb. 116 dargestellte Übersicht der Solver-Parameter wurde im Zellbereich AE92 bis AE97 abgespeichert und kann alternativ über Laden/ Speichern Laden erneut aufgerufen werden. 4.3.3 Die praktische Umsetzung in MATLAB 4.3.3.1 Berechnung des Minimum-Varianz-Portfolios in MATLAB Das nachfolgende Beispiel demonstriert die Bestimmung des Minium-Varianz-Portfolios mit MATLAB. Um die gezeigten Schritte im Detail nachvollziehen zu können, kann das MATLAB-Skript in der Datei »Beispiel_MVP.m« aufgerufen werden. Es empfiehlt sich, die Bearbeitung dieses Abschnitts in Verbindung mit der geöffneten Datei durchzuführen. 1 % Beispiel: Bestimmung MVP 2 % Datum: 07.11.2012 3 % Verfasser: Marc Schurer 4 5 % Verbindung zum Finanzdatenanbieter aufbauen <?page no="328"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 329 6 close all; 7 clear all; 8 connection = yahoo; 9 10 %Extrahieren der Ticker-Codes und Ermittlung der Anzahl an Wertpapieren 11 ticker ={'ABT','BA','COST','CSCO','IBM','INTC','MRK','MSFT','T',' XOM'} 12 assets = length(ticker); 13 14 %Festlegen des Zeithorizonts der Datengrundlage 15 datum_von = '2004-12-01'; 16 datum_bis = '2009-12-01'; In den Zeilen 6 bis 7 werden zu Beginn mit den Befehlen »close all« und »clear all« alle zuvor erstellten Grafiken und Fenster geschlossen sowie der Workspace mit allen verfügbaren Variablen gelöscht. Diese Maßnahme sollte zu Beginn jedes MATLAB- Skriptes durchgeführt werden, um eventuelle Fehler im späteren Programmablauf zu vermeiden. In Zeile 8 wird der Variablen »connection« die Bezeichnung des Finanzdatenanbieters zugewiesen, von dem man alle notwendigen historischen Kurszeitreihen bezieht. Anstatt des Dienstes »Yahoo Finance« können die historischen Zeitreihen auch alternativ, entsprechende Lizenzen vorausgesetzt, gleichermaßen von weiteren Finanzdatenanbietern wie z.B. Thomson Reuters oder Bloomberg bezogen werden. In Zeile 11 werden nach den Vorstellungen des Investors diejenigen Wertpapiere festgelegt, die das zukünftige Portfolio bilden sollen. Die Variable »ticker« bildet durch die Aufnahme der angeführten Unternehmen einen Zeilenvektor. Der Zeilenvektor nimmt jedoch nicht die genauen Bezeichnungen der einzelnen Wertpapiere auf, sondern bezieht sich auf sogenannte Kürzel (Ticker-Codes) der Wertpapiere, die individuell durch den Finanzdatenanbieter vorgegeben werden. Mit Hilfe des Ticker-Codes des jeweiligen Wertpapiers und dem später festgelegten Zeitraum erfolgt der Zugriff auf die Datenbank des Finanzdatenanbieters, sodass die historischen Zeitreihen der zuvor festgelegten Wertpapiere aus dem Internet geladen werden können. In Zeile 12 wird mit Hilfe der MATLAB-Funktion »length(Variable)« durch die Bestimmung der Anzahl der Elemente des Zeilenvektors »ticker« die Anzahl der Wertpapiere im Portfolio ermittelt. In diesem Fall wurde im Hinblick auf die Anzahl der Elemente des Zeilenvektors »ticker« der Variable »assets« ein Wert von 10 Wertpapieren zugewiesen. In den Zeilen 15 und 16 wird der präferierte Zeithorizont festgelegt, für den die historischen Zeitreihen der einzelnen Wertpapiere im weiteren Verlauf des Skriptes aus dem Internet geladen werden sollen. Für den angegebenen Zeitraum vom 01.12.2004 bis 01.12.2009 wird abhängig von der Periodizität der Kurse die entsprechende Anzahl an Stichprobenwerten (Samples) aus der historischen Zeitreihe entnommen. 17 % % Kurse aller Wertpapiere im Portfolio ermitteln und importieren 18 %-------------------------------------------------------- ------------- 19 20 data = fetch(connection,ticker(1),'Close',datum_von,datum_bis,'m' ); <?page no="329"?> 330 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements 21 histprices_fts = fints(data(: ,1),data(: ,2),ticker(1)); 22 23 for i=2: assets 24 security = ticker(i); 25 data = fetch(connection,security,'Close',datum_von,datum_bis,'m') ; 26 fts = fints(data(: ,1),data(: ,2),ticker(i)); 27 histprices_fts = merge(histprices_fts,fts) 28 29 End 30 31 % Interpoliert Divergenzen in den Zeitreihen 32 histprices_fts = fillts(histprices_fts,'linear'); 33 34 % Zeitreihen zur weiteren Verarbeitung in Matrix abspeichern 35 histkurse = fts2mat (histprices_fts) 36 dates = histprices_fts.dates; 37 38 % Zeitreihen normalisieren 39 histkurse_norm = bsxfun(@rdivide,histkurse,histkurse(1,: )); 40 41 % Ermittlung der durchschnittlichen t‰glichen Rendite der Assets 42 renditen = price2ret(histkurse,[],'continuous'); 43 CovMatrix = cov(renditen)*12; 44 MittelwerteRenditen = mean(renditen)'*12; 45 Standardabweichung = std(renditen)*sqrt(12); 46 Um die historischen Kurse entsprechend ihrer auf- und absteigenden Datumsangaben in der richtigen Reihenfolge einzulesen, zu verarbeiten und darstellen zu können, sollten, nach dem Bezug und Speichern der historischen Zeitreihe durch den Befehl »fetch(Parameter)« in Zeile 20 und 25, die Rohdaten der einzelnen historischen Zeitreihen in ein Financial-Time-Series-Objekt überführt werden. In den Zeilen 21 und 26 wird mit Hilfe der Funktion »fints(Parameter)« die historische Datengrundlage in das Financial-Time-Series-Objekt »fts« übertragen. Voraussetzung dafür ist, dass neben der Spalte mit den historischen Kursen die Spalte mit den dazugehörigen Datumsangaben sowie die Ticker-Bezeichnung der zu übertragenden Daten als Argumente der Funktion übergeben werden. Da der Finanzdatenanbieter jedoch lediglich die Abfrage eines einzelnen Wertpapiers pro Anfrage zulässt, werden die einzelnen historischen Kurse nacheinander in Form einer for-Schleife in den Zeilen 23 bis 29 abgefragt und geladen. Da während jedes neuen Schleifen-Durchlaufs ein neues Financial-Time-Series- Objekt erstellt und der gleichen Variablen zugewiesen wird, besteht die Gefahr, die Daten aus dem vorherigen Schleifen-Durchlauf zu überschreiben. Aus diesem Grund wurde in Zeile 27 die Funktion »merge(Parameter)« implementiert, die jedes neue Financial-Time-Series-Objekt im neuen Objekt »histprices_fts« zusammenführt. <?page no="330"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 331 Beim Bezug der historischen Kurszeitreihen kommt es gelegentlich vor, dass einige Kurse durch den Finanzdatenanbieter nicht vollständig bereitgestellt werden. Da derartige Lücken in der Datengrundlage unweigerlich einen negativen Einfluss auf die Qualität der daraus ermittelten Ergebnisse ausüben, sollten Diskrepanzen innerhalb der historischen Kurse schon vor Beginn aller relevanten Berechnungen grundsätzlich beglichen werden. Im gegebenen Fall wird auf die Methodik der Interpolation zurückgegriffen. Diese Vorgehensweise erlaubt die approximative Wiederherstellung fehlender Kurse mit Hilfe unterschiedlicher statistischer Methoden. In Zeile 32 wird auf die Funktion »fillts(Parameter)« zurückgegriffen. Nachdem die historischen Zeitreihen in ein gemeinsames Financial-Time-Series-Objekt überführt und interpoliert wurden, kann aufgrund der Eigenschaften dieses Objektes jedoch keine weitere Verarbeitung der Daten mehr vorgenommen werden. Deshalb wird in Zeile 35 und 36 durch die Funktion »fts2mat« das ursprüngliche Financial-Time-Series-Objekt der historischen Kurse in die gleichartige Matrix »histkurse« übertragen, sowie die dazugehörigen Datumsangaben extrahiert und dem Vektor »dates« zugewiesen. Um zu einem späteren Zeitpunkt einen Performancevergleich der einzelnen Wertpapiere in einem Diagramm darstellen zu können, werden die zur weiteren Verarbeitung freigegebenen historischen Kurse mit der Funktion »bsxfun(Parameter)« in Zeile 39 normalisiert. In Zeile 42 bis 48 werden alle wichtigen Eingangsgrößen für die spätere Portfoliooptimierung ermittelt. Auf Grundlage der zu Beginn bezogenen historischen Kurse werden in Zeile 42 mit der Funktion »price2ret(Parameter)« die dazu gehörigen stetigen Renditen (log-Renditen) bestimmt. Auf Grundlage der stetigen Renditen erfolgen in Zeile 43 mit der Funktion »cov(Parameter)« die Berechnung der Varianz-Kovarianz-Matrix und die anschließende Annualisierung mit dem entsprechenden Skalierungsfaktor. In Zeile 44 und 45 erfolgt mit der Funktion »mean(Parameter)« und »std(Parameter)« die Bestimmung der erwarteten Rendite und Standardabweichung einschließlich äquivalenter Annualisierung. Im Anschluss an die getroffenen Vorbereitungen kann nun das Minimum-Varianz- Portfolio (MVP) ermittelt werden. MATLAB stellt in Verbindung mit der Optimization Toolbox eine Reihe an unterschiedlichen Funktionen zur Lösung verschiedener Optimierungsprobleme zur Verfügung. Im Gegensatz zur Bestimmung des MVP in EXCEL erfordert die Umsetzung in MATLAB die Überführung des Minimum- Varianz-Problems in eine standardisierte Form eines Optimierungsproblems, die durch MATLAB unterstützt wird. Bei der Bestimmung des MVP liegt im Prinzip ein quadratisches Optimierungsproblem mit linearen Nebenbedingungen vor. Für die Lösung eines derartigen Optimierungsproblems wird in MATLAB die Anwendung der Funktion »quadprog« empfohlen. Die Funktion »quadprog« orientiert sich maßgeblich an der folgenden Form des zugrundeliegenden Optimierungsproblems: (4.67) Die Syntax der Funktion »quadprog« entspricht weitestgehend dem zuvor dargestellten standardisierten Optimierungsproblem. Syntax x = quadprog(H,f,A,b,Aeq,beq,lb,ub,x0,options) <?page no="331"?> 332 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Die Funktion »quadprog« in MATLAB stellt das Gegenstück zum EXCEL-Add-In »Solver« dar. Im Gegensatz zu der manuellen Eingabe der Solver-Parameter in EXCEL werden nun die Nebenbedingungen in Form von Argumenten an die Funktion bzw. den Solver »quadprog« übergeben. 49 % % Berechnung des Minimum-Varianz-Portfolio 50 %------------------------------------------------------- -------------- 51 52 V0 = zeros(assets,1); 53 V1 = ones(1,assets); 54 55 %Untere- und obere Begrenzungen der Portfoliogewichte 56 lb = [0.05; 0.05; 0.05; 0.05; 0.05; 0.05; 0.05; 0.05; 0.05; 0.05; ]; 57 ub = [0.35; 0.35; 0.35; 0.35; 0.35; 0.35; 0.35; 0.35; 0.35; 0.35; ]; 58 59 %Auswahl eines geeigneten Optimierungsverfahrens 60 options=optimset('Algorithm','interior-point-convex'); In den Zeilen 52 und 53 wird vorbereitend für die anschließende Bestimmung der drei Minimum-Varianz-Portfolios entsprechend der Anzahl der Wertpapiere im Portfolio zunächst ein 10 x 1-Spaltenvektor mit Nullen gefüllt sowie ein 1 x 10-Zeilenvektor mit Einsen. In Zeile 60 erfolgt die Auswahl eines geeigneten Algorithmus für die spätere Lösung des Optimierungsproblems. 61 %Berechnung MVP1 62 [w]=quadprog(CovMatrix,V0,[],[],V1,1,V0,[],[],options); 63 PortRet=w'*MittelwerteRenditen; 64 Stabw=sqrt(w'*CovMatrix*w); 65 fprintf('Portfoliogewichte MVP1 \n---------------------- -\n'); 66 disp(w); 67 fprintf('Erwartete Rendite MVP1 \t %f \n',PortRet); 68 fprintf('Standardabweichung MVP1 \t %f \n',Stabw); Die Berechnung des ersten MVP erfolgt unter Einhaltung der Budgetrestriktion und des Leerverkaufsverbots durch den Aufruf der Funktion »quadprog« in Zeile 62. Die Budgetrestriktion wurde gemäß Formel (4.58) durch die Übergabe einer Eins an der Stelle des 6. Input-Arguments in MATLAB umgesetzt. Die Berücksichtigung des Leerverkaufsverbots erfolgt an der Stelle des 7. Input-Arguments gleichermaßen durch die Übergabe eines Arguments, jedoch mit dem Unterschied, dass nun kein einzelner Wert, sondern ein ganzer Spaltenvektor mit Nullen an die Funktion »quadprog« übergeben wird. Nach Abschluss der Optimierung gibt die Funktion die Portfoliogewichte des MVP an die Variable »w« zurück, sodass anschließend in Zeile 63 sowie Zeile 64 die erwartete Rendite als auch die Standardabweichung des ersten MVP berechnet werden kann. In den Zeilen 65 bis 68 werden die Portfoliogewichte, die Portfoliorendite und das Portfoliorisiko abschließend im Kommandofenster ausgegeben. <?page no="332"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 333 69 %Berechnung MVP2 70 [w]=quadprog(CovMatrix,V0,[],[],V1,1,[],[],[],options); 71 PortRet=w'*MittelwerteRenditen; 72 Stabw=sqrt(w'*CovMatrix*w); 73 fprintf('Portfoliogewichte MVP2 \n----------------------- \n'); 74 disp(w); 75 fprintf('Erwartete Rendite MVP2 \t %f \n',PortRet); 76 fprintf('Standardabweichung MVP2 \t %f \n',Stabw); Die Berechnung des zweiten MVP erfolgt in ähnlicher Weise wie die Bestimmung des ersten MVP. Da jedoch das Leerverkaufsverbot nun für die Ermittlung des zweiten MVP vollständig aufgehoben wurde und lediglich noch eine Budgetrestriktion besteht, ergibt sich im Vergleich zum vorherigen MVP1 eine unterschiedliche Übergabe der Inputargumente an die Funktion »quadprog« in Zeile 70. Da das Leerverkaufsverbot aufgehoben worden ist, ist es lediglich notwendig, gemäß Syntax, die 7. Stelle der Input-Argumente mit dem Übergabeparameter [] zu ersetzen. Nach Abschluss der Optimierung gibt die Funktion analog zum vorherigen Beispiel die Portfoliogewichte des MVP an die Variable »w« zurück, sodass anschließend in Zeile 79 sowie Zeile 80 die erwartete Rendite als auch die Standardabweichung des ersten MVP berechnet werden kann. In den Zeilen 81 bis 84 werden abschließend die Portfoliogewichte, die Portfoliorendite und das Portfoliorisiko des zweiten MVP im Kommandofenster ausgegeben. 77 %Berechnung MVP3 78 [w]=quadprog(CovMatrix,V0,[],[],V1,1,lb,ub,[],options); 79 PortRet=w'*MittelwerteRenditen; 80 Stabw=sqrt(w'*CovMatrix*w); 81 fprintf('Portfoliogewichte MVP3 \n----------------------- \n'); 82 disp(w); 83 fprintf('Erwartete Rendite MVP3 \t %f \n',PortRet); 84 fprintf('Standardabweichung MVP3 \t %f \n',Stabw); Im Rahmen der Umsetzung des dritten MVP sollen untere und obere Begrenzungen der einzelnen Portfoliogewichte des MVP eingeführt werden. Die Bestimmung des dritten MVP soll in diesem Fall maßgeblich unter Einhaltung eines Leerverkaufsverbotes, einer Budgetrestriktion und auch individueller Begrenzungen der Portfoliogewichte erfolgen. Die untere und obere Begrenzung der einzelnen Portfoliogewichte wurde zu Beginn des MATLAB-Skriptes in den Zeilen 56 und 57 initialisiert. Aus Vereinfachungsgründen wurden für alle Wertpapiere eine untere Begrenzung von 5 % sowie eine obere Begrenzung von 35 % gewählt. Es ist jedoch gleichermaßen auf einfache Art und Weise möglich, für jedes einzelne Wertpapier individuelle Begrenzungen festzulegen. Die Begrenzungen der Portfoliogewichte werden gemäß Formel (4.67) durch die Übergabe an der 7. und 8. Stelle der Input-Argumente in Zeile 78 bei der Portfoliooptimierung berücksichtigt. Die Ergebnisse der Portfoliooptimierung sind in Abb. 117 dargestellt. <?page no="333"?> 334 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Abb. 117: Darstellung der Ergebnisse 4.3.3.2 Ermittlung des Maximum-Ertrags-Portfolios in MATLAB Das nachfolgende Beispiel demonstriert die Bestimmung des Maximum-Ertrags- Portfolios in MATLAB. Um die gezeigten Schritte im Detail nachvollziehen zu können, kann das MATLAB-Skript in der Datei »Beispiel_MEP.m« aufgerufen werden. Es empfiehlt sich, die Bearbeitung dieses Abschnitts in Verbindung mit der geöffneten Datei durchzuführen. 1 % Beispiel: Bestimmung MEP 2 % Datum: 08.11.2012 3 % Verfasser: Marc Schurer 4 5 % Verbindung zum Finanzdatenanbieter aufbauen 6 close all; 7 clear all; 8 connection = yahoo; 9 10 %Extrahieren der Ticker-Codes und Ermittlung der Anzahl an Wertpapieren 11 ticker ={'ABT','BA','COST','CSCO','IBM','INTC','MRK','MSFT','T',' XOM'} 12 assets = length(ticker); 13 14 %Festlegen des Zeithorizonts der Datengrundlage 15 datum_von = '2004-12-01'; 16 datum_bis = '2009-12-01'; 17 18 % % Kurse aller Wertpapiere im Portfolio ermitteln und importieren 19 %-------------------------------------------------------- ------------ 20 21 data = fetch(connection,ticker(1),'Close',datum_von,datum_bis,'m' ); 22 histprices_fts = fints(data(: ,1),data(: ,2),ticker(1)); 23 24 for i=2: assets 25 security = ticker(i); 26 data = fetch(connection,security,'Close',datum_von,datum_bis,'m'); <?page no="334"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 335 27 fts = fints(data(: ,1),data(: ,2),ticker(i)); 28 histprices_fts = merge(histprices_fts,fts) 29 30 End 31 32 % Interpoliert Divergenzen in den Zeitreihen 33 histprices_fts = fillts(histprices_fts,'linear'); 34 35 % Zeitreihen in Matrix zur weiteren Verarbeitung abspeichern 36 histkurse = fts2mat (histprices_fts) 37 dates = histprices_fts.dates; 38 39 % Zeitreihen normalisieren 40 histkurse_norm = bsxfun(@rdivide,histkurse,histkurse(1,: )); 41 42 % Ermittlung der durchschnittlichen t‰glichen Rendite der Assets 43 renditen = price2ret(histkurse,[],'continuous'); 44 CovMatrix = cov(renditen)*12; 45 MittelwerteRenditen = mean(renditen)'*12; 46 Standardabweichung = std(renditen)*sqrt(12); Da die dargestellten Zeilen 1 bis 46 weitestgehend dem vorgestellten MATLAB-Skript im vorherigen Abschnitt entsprechen, wird für die dazugehörigen Erläuterungen auf die vorherigen Abschnitte verwiesen. 47 % % Berechnung des Maximum-Ertrag-Portfolios 48 %--------------------------------------------------------- ----------- 49 50 V0 = zeros(assets,1); 51 V1 = ones(1,assets); 52 53 options=optimset('Algorithm','interior-point-convex'); 54 55 %Berechnung MEP 56 [w,output,lambda]=linprog(- MittelwerteRenditen,[],[],V1,1,V0); 57 PortRet=w'*MittelwerteRenditen; 58 Stabw=sqrt(w'*CovMatrix*w); 59 fprintf('Portfoliogewichte MEP \n----------------------- \n'); 60 disp(w); 61 fprintf('Erwartete Rendite MEP \t %f \n',PortRet); 62 fprintf('Standardabweichung MEP \t %f \n',Stabw); Bei der Berechnung des Maximum-Ertrags-Portfolios wird auf die Funktion »linprog« aus der Optimization Toolbox von MATLAB zurückgegriffen. 330 330 Anmerkung: Eine Übersicht über die verschiedenen Input- und Output-Argumente der Funktion liefert die Eingabe von »help linprog« bzw. »doc linprog« im Eingabefenster. <?page no="335"?> 336 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Syntax x = linprog(f,A,b,Aeq,beq,lb,ub,x0,options) Die Funktion »linprog« ermöglicht die Lösung des folgenden Optimierungsproblems: (4.68) Die mathematische Formulierung des Optimierungsproblems verdeutlicht, dass die Funktion »linprog« in ihrer Grundform lediglich eine Minimierung des Optimierungsproblems ermöglichen kann. Die Ermittlung des MEP setzt jedoch einen Optimierungsalgorithmus für die Maximierung der Portfoliorendite voraus. Aus diesem Grund wird bei der Übergabe der erwarteten Renditen der einzelnen Wertpapiere ein negatives Vorzeichen vorangestellt. Falls das dargestellte Optimierungsproblem eine konvexe Form besitzt, ermöglicht diese Maßnahme die Ermittlung eines globalen Maximums. Das Maximum-Ertrags-Portfolio wird vor diesem Hintergrund unter Einhaltung des gewohnten Leerverkaufsverbots sowie der Budgetrestriktion bestimmt. In Zeile 56 erfolgt mit den Vektoren »V0« und »V1« zunächst die Übergabe aller relevanten Inputargumente zur Einhaltung der angesprochenen Nebenbedingungen. Nach Ende der Portfoliooptimierung werden die endgültigen Portfolioanteile des Maximum- Ertragsportfolios an die Variable »w« übergeben. In der darauffolgenden Zeile 57 werden die Portfoliorendite und das Portfoliorisiko des MEP berechnet und in den sich anschließenden Zeilen ausgegeben. Die Ergebnisse der Portfoliooptimierung sind in Abb. 118 dargestellt. Abb. 118: Darstellung der Ergebnisse 4.3.3.3 Bestimmung des Tangentialportfolios in MATLAB Das nachfolgende Beispiel demonstriert die Bestimmung des Tangentialportfolios in MATLAB. Um die gezeigten Schritte im Detail nachvollziehen zu können, kann das MATLAB-Skript in der Datei »Beispiel_Tangentialportfolio.m« aufgerufen werden. Es <?page no="336"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 337 empfiehlt sich, die Bearbeitung dieses Abschnitts in Verbindung mit der geöffneten Datei durchzuführen. Das in den Zeilen 1 bis 46 dargestellte MATLAB-Skript entspricht weitestgehend der zuvor erläuterten Vorgehensweise in Abschnitt Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. bis 4.3.3.3. Aus diesem Grund wird für die dazugehörigen Erläuterungen ausdrücklich auf die vorherigen Abschnitte verwiesen. 1 % Beispiel: Bestimmung Tangentialportfolio 2 % Datum: 07.12.2012 3 % Verfasser: Marc Schurer 4 5 % Verbindung zum Finanzdatenanbieter aufbauen 6 close all; 7 clear all; 8 connection = yahoo; 9 10 %Extrahieren der Ticker-Codes und Ermittlung der Anzahl an Wertpapieren 11 ticker ={'ABT','BA','COST','CSCO','IBM','INTC','MRK','MSFT','T', 'XOM'} 12 assets = length(ticker); 13 14 %Festlegen des Zeithorizonts der Datengrundlage 15 datum_von = '2004-12-01'; 16 datum_bis = '2009-12-01'; 17 18 % % Kurse aller Wertpapiere im Portfolio ermitteln und importieren 19 %------------------------------------------------------- ------------- 20 21 data = fetch(connection,ticker(1),'Close',datum_von,datum_bis,'m '); 22 histprices_fts = fints(data(: ,1),data(: ,2),ticker(1)); 23 24 for i=2: assets 25 security = ticker(i); 26 data = fetch(connection,security,'Close',datum_von,datum_bis,'m' ); 27 fts = fints(data(: ,1),data(: ,2),ticker(i)); 28 histprices_fts = merge(histprices_fts,fts) 29 30 end 31 32 % Interpoliert Divergenzen in den Zeitreihen 33 histprices_fts = fillts(histprices_fts,'linear'); 34 <?page no="337"?> 338 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements 35 % Zeitreihen in Matrix zur weiteren Verarbeitung abspeichern 36 histkurse = fts2mat (histprices_fts) 37 dates = histprices_fts.dates; 38 39 % Zeitreihen normalisieren 40 histkurse_norm = bsxfun(@rdivide,histkurse,histkurse(1,: )); 41 42 % Ermittlung der durchschnittlichen t‰glichen Rendite der Assets 43 renditen = price2ret(histkurse,[],'continuous'); 44 CovMatrix = cov(renditen)*12; 45 MittelwerteRenditen = mean(renditen)'*12; 46 Standardabweichung = std(renditen)*sqrt(12); Da die MATLAB-Funktion »fmincon« die Lösung von nichtlinearen nichtvariablen Zielfunktionen ermöglicht, lässt sich mit Hilfe dieser Funktion das Tangentialportfolio bestimmen. Das Optimierungsproblem ergibt sich in allgemeiner Form wie folgt: (4.69) Im MATLAB-Skript lässt sich das dargestellte Optimierungsproblem auf Grundlage folgender Syntax darstellen. Es sollte dabei darauf geachtet werden, dass die Parameterübergabe von Startlösung, Nebenbedingungen usw. in der richtigen Reihenfolge erfolgt, da ansonsten bei der Ausführung Probleme auftreten können. Syntax x = fmincon(fun,x0,A,b,Aeq,beq,lb,ub,nonlcon,options) Da der Lösungsalgorithmus von »fmincon«, ähnlich dem EXCEL-Solver, eine gewisse Startlösung vorrausetzt, wurde der Berechnung des Tangentialportfolios die Bestimmung des MVP zur Quantifizierung der Startlösung vorgeschoben. Dazu wird auf die MATLAB-Funktion »quadprog« zurückgegriffen. Beim zugrundeliegenden Optimierungsproblem (vgl. 4.69) wird in den Zeilen 51 bis 53 vorbereitend für die anschließende Bestimmung des Minimum-Varianz-Portfolios entsprechend der Anzahl der Wertpapiere des Portfolios zunächst ein 10 x 1-Spaltenvektor mit Nullen gefüllt sowie ein 1 x 10-Zeilenvektor mit Einsen. In den Zeilen 56 und 57 werden anschließend die unteren und auch die oberen Begrenzungen der Portfoliogewichte des MVP festgelegt. In Zeile 62 erfolgt mit »quadprog« die Lösung des Optimierungsproblems. 47 % % Berechnung des Minimum-Varianz-Portfolio 48 %-------------------------------------------------------- -------------- 49 options=optimset('Algorithm','interior-point-convex'); <?page no="338"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 339 50 51 V0 = zeros(assets,1); 52 V1 = ones(1,assets); 53 w=[0.1,0.1,0.1,0.1,0.1,0.1,0.1,0.1,0.1,0.1]; 54 55 %Untere- und obere Begrenzungen der Portfoliogewichte 56 lb = [0.05; 0.05; 0.05; 0.05; 0.05; 0.05; 0.05; 0.05; 0.05; 0.05; ]; 57 ub = [0.35; 0.35; 0.35; 0.35; 0.35; 0.35; 0.35; 0.35; 0.35; 0.35; ]; 58 59 options=optimset('Algorithm','interior-point-convex'); 60 61 %Berechnung MVP 62 [w_mvp,output]=quadprog(CovMatrix,V0,[],[],V1,1,V0,[],[],o ptions); 63 PortRet=w_mvp'*MittelwerteRenditen; 64 Stabw=sqrt(w_mvp'*CovMatrix*w_mvp); 65 fprintf('Portfoliogewichte MVP1 \n----------------------- \n'); 66 disp(w_mvp); 67 fprintf('Erwartete Rendite MVP1 \t %f \n',PortRet); 68 fprintf('Standardabweichung MVP1 \t %f \n',Stabw); Bei der Berechnung des Tangentialportfolios wird auf die Funktion »fmincon« aus der MATLAB Optimization Toolbox zurückgegriffen. In Zeile 70 wird vorbereitend für die Durchführung der Optimierung ein geeigneter Lösungsalgorithmus ausgewählt. Im Anschluss daran kann in Zeile 71 die Lösung des Optimierungsproblems mit Hilfe von »fmincon« erfolgen. Als Ergebnis der Optimierung finden sich die Portfoliogewichte des Tangentialportfolios in der Variablen »x« wieder. 69 %Berechnung des Tangentialportfolios 70 options=optimset('Algorithm','interior-point'); 71 x=fmincon(@(w)(rf- MittelwerteRenditen'*w)/ sqrt(w'*CovMatrix*w), w_mvp,[],[],V1,1,V0,[],[],options); 72 fprintf('Portfoliogewichte Tangentialportfolio \n-------- --------\n'); 73 disp(x); Die Ergebnisse der Portfoliooptimierung sind in Abb. 119 dargestellt. Abb. 119: Darstellung der Ergebnisse <?page no="339"?> 340 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements 4.3.3.4 Bildung der Effizienzkurve in MATLAB Nachdem die Berechnung der Effizienzkurve in Microsoft EXCEL bereits auf Grundlage von zwei unterschiedlichen Methoden dargestellt und erläutert wurde, möchten wir dem Leser eine mögliche Vorgehensweise zur Berechnung und Darstellung der Effizienzkurve in MATLAB vorstellen. Um die gezeigten Schritte im Detail nachvollziehen zu können, kann das MATLAB-Skript in der Datei »Beispiel_Effizienzkurve.m« aufgerufen werden. Es empfiehlt sich, die Bearbeitung dieses Abschnitts in Verbindung mit der geöffneten Datei durchzuführen. 1 % Beispiel: Bestimmung MEP 2 % Datum: 08.11.2012 3 % Verfasser: Marc Schurer 4 5 % Verbindung zum Finanzdatenanbieter aufbauen 6 close all; 7 clear all; 8 connection = yahoo; 9 10 %Extrahieren der Ticker-Codes und Ermittlung der Anzahl an Wertpapieren 11 ticker ={'ABT','BA','COST','CSCO','IBM','INTC','MRK','MSFT','T',' XOM'} 12 assets = length(ticker); 13 14 %Festlegen des Zeithorizonts der Datengrundlage 15 datum_von = '2004-12-01'; 16 datum_bis = '2009-12-01'; 17 18 % % Kurse aller Wertpapiere im Portfolio ermitteln und importieren 19 %-------------------------------------------------------- ------ 20 21 data = fetch(connection,ticker(1),'Close',datum_von,datum_bis,'m' ); 22 histprices_fts = fints(data(: ,1),data(: ,2),ticker(1)); 23 24 for i=2: assets 25 security = ticker(i); 26 data = fetch(connection,security,'Close',datum_von,datum_bis,'m') ; 27 fts = fints(data(: ,1),data(: ,2),ticker(i)); 28 histprices_fts = merge(histprices_fts,fts) 29 30 End 31 32 % Interpoliert Divergenzen in den Zeitreihen 33 histprices_fts = fillts(histprices_fts,'linear'); 34 35 % Zeitreihen in Matrix zur weiteren Verarbeitung abspeichern 36 histkurse = fts2mat (histprices_fts) 37 dates = histprices_fts.dates; <?page no="340"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 341 38 39 % Zeitreihen normalisieren 40 histkurse_norm = bsxfun(@rdivide,histkurse,histkurse(1,: )); 41 42 % Ermittlung der durchschnittlichen t‰glichen Rendite der Assets 43 renditen = price2ret(histkurse,[],'continuous'); 44 CovMatrix = cov(renditen)*12; 45 MittelwerteRenditen = mean(renditen)'*12; 46 Standardabweichung = std(renditen)*sqrt(12); Da die dargestellten Zeilen 1 bis 46 weitestgehend dem vorgestellten MATLAB-Skript im vorherigen Abschnitt entsprechen, wird auf die bereits getätigten Erläuterungen verwiesen. 47 % % Berechnung der Effizienzkurve 48 %-------------------------------------------------------- ------------ 49 50 % Deklaration und Initialisierung weiterer Variablen 51 V0 = zeros(assets,1); 52 V1 = ones(1,assets); 53 H=zeros(assets,1); 54 A=-eye(assets); % Keine Leerverk‰ufe 55 b=zeros(assets,1); % Keine Leerverk‰ufe 56 port=50; 57 58 %Festlegung des Optimierungsalgorithmus 59 options=optimset('Algorithm','interior-point-convex'); 60 61 %Berechnung MVP 62 [w,output]=quadprog(CovMatrix,V0,[],[],V1,1,V0,[],[],optio ns); 63 PortRetMVP=w'*MittelwerteRenditen; 64 65 %Berechnung MEP 66 [w,output,lambda]=linprog(- MittelwerteRenditen,[],[],V1,1,V0); 67 PortRetMEP=w'*MittelwerteRenditen; 68 69 % Bestimmung der Zielrenditen 70 Zielrenditen=PortRetMVP + [0: port]'*(PortRetMEP- PortRetMVP)/ (port); 71 Der Algorithmus für die Berechnung der Effizienzkurve in MATLAB entspricht weitestgehend dem Ablauf des VBA-Makros aus dem dazugehörigen EXCEL-Beispiel. Zunächst werden in den Zeilen 51 bis 56 noch einige notwendige Variablen bzw. Arrays deklariert und initialisiert sowie in Zeile 59 der zu verwendende Optimierungsalgorithmus festgelegt. Die Effizienzkurve des zugrundeliegenden Portfolios ergibt sich durch die sukzessive Minimierung des Portfoliorisikos für variierende Zielrenditen. Die Bandbreite der variierenden Zielrenditen ergibt sich unmittelbar aus der unte- <?page no="341"?> 342 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements ren und oberen Begrenzung der Effizienzkurve, mit anderen Worten also aus der Differenz der höchsten und geringsten möglichen erwarteten Rendite eines Portfolios entlang der Effizienzkurve. Vor dem Beginn der eigentlichen Ermittlung der Effizienzkurve sollte die erwartete Rendite des Minimum-Varianz-Portfolios und die des Maximum-Ertrags-Portfolios bestimmt werden, da diese die soeben angesprochene untere bzw. obere Begrenzung der zukünftigen Effizienzkurve darstellen. In den Zeilen 61 bis 67 wurden das Minimum-Varianz-Portfolio und das Maximum-Ertrags- Portfolio mit den dazugehörigen erwarteten Renditen bestimmt. Im Anschluss können in Zeile 70 die Zielrenditen in Abhängigkeit von der zuvor ermittelten Bandbreite berechnet werden. 72 % Berechnung der Effizienzkurve 73 for i=1: port 74 75 % Minimierung des Portfoliorisikos für eine geg. Portfoliorendite 76 AEq=[ones(1,assets); MittelwerteRenditen']; 77 bEq=[1; Zielrenditen(i)]; 78 w = quadprog(CovMatrix,H,A,b,AEq,bEq,[],[],[],options); 79 80 % Berechnung der Portfoliorendite bzw. des Portfoliorisikos für 81 % das soeben ermittelte effiziente Portfolio 82 PortRetEF(i,1)=w'*MittelwerteRenditen; 83 StabwEF(i,1)=sqrt(w'*CovMatrix*w); 84 85 End 86 87 % Ausgabe der Effizienzkurve 1 88 plot(StabwEF,PortRetEF,'.r'); 89 90 % Berechnung und Ausgabe der Effizienzkurve 2 91 frontcon(MittelwerteRenditen,CovMatrix,50); In den darauffolgenden Zeilen 73 bis 85 wird mit Hilfe einer for-Schleife im Rahmen der Portfoliooptimierung mit der Funktion »quadprog« für jede beliebige Zielrendite aus dem gleichnamigen Array das Portfoliorisiko minimiert und die dazugehörigen Portfoliogewichte werden ermittelt. In den Zeilen 82 und 83 folgen auf Grundlage der soeben optimierten Portfoliogewichte des risikominimalen Portfolios die Berechnung der erwarteten Rendite und des Portfoliorisikos sowie die Zuordnung der Werte in die Arrays »PortRetEF« und »StabwEF«. Zum Abschluss des MATLAB-Skriptes erfolgt in Zeile 88 die Ausgabe der Effizienzkurve (Abb. 120). <?page no="342"?> 4.3 Die Umsetzung der absoluten Portfoliooptimierung 343 Abb. 120: Darstellung der Ergebnisse Quelle: Eigene Darstellung, MATLAB R2011b Bei der Betrachtung der Zeilen 47 bis 91 wird deutlich, dass die Berechnung und Darstellung der Effizienzkurve einen erheblichen Aufwand nach sich zieht. Aus diesem Grund würde sich die Einbettung des gezeigten Algorithmus in eine Funktion anbieten, sodass diese mit den notwendigen Input-Argumenten aufgerufen werden kann, um die dazugehörige Effizienzkurve darzustellen. Die Financial Toolbox in MATLAB stellt eine solche Funktion dem Anwender bereit. Es handelt sich hierbei um die Funktion »frontcon«. Syntax [PortRisk, PortReturn, PortWts] = frontcon(ExpReturn, ExpCovariance, NumPorts, PortReturn, AssetBounds, Groups, GroupBounds, varargin) <?page no="343"?> 344 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements 4.4 Die Umsetzung der relativen Portfoliooptimierung Quelle: © Raimond Spekking / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons) “I recognized that information was, in many respects, like a public good, and it was this insight that made it clear to me that it was unlikely that the private market would provide efficient resource allocations whenever information was endogenous.” Joseph E. Stiglitz - US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler (*1943) Das nachfolgende Beispiel demonstriert die Umsetzung der relativen Optimierung in EXCEL. Um die gezeigten Schritte im Detail nachvollziehen zu können, sollte das EXCEL-Modell in der Datei »Kapitel_4_Beispiele.xlsm« im Tabellenblatt »Relative Optimierung (1)« aufgerufen werden. Es empfiehlt sich, die Bearbeitung dieses Abschnitts in Verbindung mit der geöffneten EXCEL-Datei durchzuführen. Das nachfolgend dargestellte Optimierungsproblem entspricht aus formaler Sicht der Zielfunktion eines risikoscheuen Anlegers. Dieser Anleger verfolgt das Ziel, die Differenz zwischen Portfolio-Alpha und dem Produkt aus Selektionsrisiko bzw. Residual-Risiko und dem Risikoaversionsparameter zu maximieren. Da eine ausführliche Herleitung der Zielfunktion für ein anwendungsbezogenes Verständnis der zuvor erläuterten theoretischen Grundlagen nicht zwingend notwendig ist, sei an dieser Stelle auf die Darstellungen der Fachliteratur verwiesen. 331 Im Rahmen der relativen Optimierung ergibt sich die formale Definition der Zielfunktion ohne Berücksichtigung von Timingfähigkeiten wie folgt: (4.70) bzw. unter der Voraussetzung bzw. in anwendungsbezogener Matrizenschreibweise (4.71) unter Einhaltung der folgenden Nebenbedingungen: 331 Eine detaillierte Ableitung der Zielfunktion liefert etwa Poddig et al. (2009), S. 211 ff. <?page no="344"?> 4.4 Die Umsetzung der relativen Portfoliooptimierung 345 4.4.1 Vorstellung des Ausgangsportfolios für die relative Optimierung Im Vergleich zur absoluten Optimierung enthält das Portfolio für die relative Optimierung aus Übersichtsgründen weniger Wertpapiere, sodass lediglich acht der ursprünglichen zehn Wertpapiere in das aktive Portfolio aufgenommen werden. Ungeachtet von der vorliegenden Beschränkung der Wertpapiere kann im Rahmen des nachfolgend dargestellten Konzeptes selbstverständlich auch eine Optimierung mit mehreren hunderten Anlagetiteln durchgeführt werden. Auch die Rendite-Risiko-Profile der einzelnen Wertpapiere unterscheiden sich aufgrund der gewählten diskreten Datengrundlage geringfügig, weshalb sich nachfolgende Rahmenbedingungen ergeben. Wertpapier-Kürzel Erwartete Rendite p.a. Standardabweichung p.a. Portfoliogewicht COST 2,90 % 21,43 % 12,50 % CSCO 4,02 % 27,44 % 12,50 % IBM 3,73 % 21,87 % 12,50 % INTC -3,53 % 27,74 % 12,50 % MRK 2,82 % 28,32 % 12,50 % MSFT 1,56 % 25,45 % 12,50 % T -0,91 % 19,64 % 12,50 % XOM 5,86 % 19,85 % 12,50 % (S&P 500) -4,39 % 16,04 % 0,00 % Tab. 31: Darstellung des Ausgangsportfolios (Budgetrestriktion) bzw. bzw. mit Portfoliogewicht des i-ten Wertpapiers im Portfolio aktives Gewicht des i-ten Wertpapiers im Portfolio bzw. in Matrizenschreibweise: (4.72) (Leerverkaufsverbot) für alle (4.73) (Bestandsrestriktion) mind. 5 %; max. 50 % je Wertpapier (4.74) (Timing-Restriktion) , d.h. kein Timing mit Beta-Faktor des Portfolios gegenüber der Benchmark aktiver Beta-Faktor des Portfolios gegenüber der Benchmark (4.75) <?page no="345"?> 346 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Das Ausgangsportfolio nimmt entsprechend Tab. 31 unterschiedliche Unternehmen aus der Technologie-Branche, der Gesundheits- und Nahrungsmittel-Branche, der Pharma-Branche, der Energie-Branche sowie der Luft-und-Raumfahrt-Branche auf. Das Portfolio beinhaltet Unternehmen wie Costco Wholesale (COST), Cisco Systems (CSCO), IBM (IBM), Intel (INTC), Merk (MRK), Microsoft (MSFT), AT&T (T) und Exxon Mobil Corporation (XOM). Die Auswahl der genannten Wertpapiere ergab sich einerseits aus der geeigneten Branchenzugehörigkeit und andererseits aus der Korrelation der einzelnen Wertpapiere untereinander, um nach dem Gedanken von M ARKO- WITZ eine ausreichende Diversifikation des Portfolios zu erreichen. Die historische Datengrundlage für die Berechnung der Inputparameter bezieht sich, wie auch bei allen anderen relevanten Berechnungen, maßgeblich auf einen 5-Jahres- Zeitraum vom 01.12.2004 bis zum 01.12.2009. Aufgrund der monatlichen Periodizität der Kurse ergibt sich eine Stichprobe von 60 Beobachtungswerten. 332 Im Unterschied zur vorherigen absoluten Optimierung werden die erwarteten Renditen und Standardabweichungen nun auf der Grundlage von diskreten monatlichen Renditen berechnet. Da es sich dabei um monatliche Daten handelt, wird die Volatilität zwischen den einzelnen Stichtagen nicht erfasst. Die Standardabweichungen, Varianzen und Kovarianzen werden entsprechend auf Basis der historischen Renditen ermittelt und für die späteren Berechnungen annualisiert. In den nachfolgenden Abschnitten können die dargestellten Beispiele gleichermaßen in EXCEL und MATLAB nachempfunden und umgesetzt werden. Die Praxisbeispiele in Verbindung mit dem anschließend dargestellten Quellcode und den dazugehörigen Erläuterungen sollen das Selbststudium erleichtern. 4.4.2 Die praktische Umsetzung in EXCEL 4.4.2.1 Vorbereitende Maßnahmen für die relative Optimierung Um die relative Optimierung durchführen zu können, ist zunächst die Ermittlung einiger wichtiger Eingangsgrößen und die Festlegung von Annahmen notwendig. Dazu zählen die erwarteten Renditen der Wertpapiere, die historischen Standardabweichungen, die Varianz-Kovarianz-Matrix sowie die Angabe eines risikolosen monatlichen Zinssatzes. Da der größte Teil der Inputparameter auf der Grundlage von Überschussrenditen berechnet wird, sollte zu Beginn der mit 4 % festgelegte jährliche risikolose Zinssatz (Geldmarktsatz) angepasst werden. Um eine Konformität zwischen der Periodizität der Wertpapierkurse und dem risikolosen Zinssatz zu erreichen, wird der jährliche risikolose Zinssatz aus Zelle Z12 in einen monatlichen risikolosen Zinssatz in Zelle Z13 transformiert. Abb. 121 gibt einen Überblick über alle relevanten Parameter der Annahmen. 332 Anmerkung: Der Umfang der Stichprobe wurde auf Empfehlung von Walters (2011), S. 17 auf 60 Stichprobenwerte festgelegt. <?page no="346"?> 4.4 Die Umsetzung der relativen Portfoliooptimierung 347 Abb. 121: Annahmen Nachdem alle relevanten Annahmen getroffen worden sind, beinhaltet die nächste Aufgabe die Bestimmung der Überschussrenditen als Differenz zwischen den absoluten (Monats-)Renditen und dem zuvor ermittelten risikolosen (Monats-)Zinssatz. Um die Überschussrenditen ermitteln zu können, ist es notwendig, die Kurse der einzelnen Wertpapiere des betrachteten Portfolios aus den Datenbanken des Finanzdatenanbieters zu beziehen und in das EXCEL-Modell zu übertragen. Abb. 122 zeigt den Anfang der verfügbaren Datengrundlage inklusive des Beginns der Wertentwicklung des dazugehörigen Marktindex. Abb. 122: Berechnung der diskreten Überschussrenditen Auf Grundlage der zuvor ermittelten Überschussrenditen werden im Anschluss alle weiteren Eingangsgrößen bestimmt. Die erwartete Rendite der jeweiligen Wertpapiere in Zeile Z21 bis AH21 ergibt sich aus dem historischen Mittelwert der zuvor ermittelten diskreten Überschussrenditen aus den Spalten N bis V. Bei der Implementierung der Eingangsgrößen im EXCEL-Modell wird hauptsächlich auf die EXCEL-Funktion »Mittelwert()« zurückgegriffen. Die Berechnung der historischen Standardabweichung der einzelnen Wertpapiere in Zeile Z22 bis AH22 und die Bestimmung der Varianz- Kovarianz-Matrix ergibt sich analog zu den erwarteten Renditen ebenfalls auf der Grundlage der zuvor ermittelten diskreten Überschussrenditen. Da die Datengrundlage zur Berechnung der historischen Standardabweichung lediglich eine Stichprobe darstellt, wird bei der Umsetzung des Modells in EXCEL die Funktion »STABW.S()« verwendet. Bei der Berechnung der Varianz-Kovarianz-Matrix im Bereich Z28 bis AG35 wird auf die VBA-Funktion »VarCov()« zurückgegriffen. Alle relevanten Eingangsgrößen werden anschließend in Abhängigkeit von der Periodizität der bezogenen Kurse mit dem entsprechenden Skalierungsfaktor annualisiert. Die allgemeine Vorgehensweise bei der Bestimmung der Eingangsgrößen lässt sich im Detail durch Tab. 32 nachvollziehen. Abb. 123 zeigt zuvor noch die Werte der unterschiedlichen Inputparameter. Abb. 123: Ermittlung der erwarteten Renditen und Standardabweichungen <?page no="347"?> 348 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Tab. 32 gibt wichtige Hinweise für die praktische Umsetzung des EXCEL-Modells. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung Z12 risikoloser jährlicher Zinssatz Individueller Wert Z13 risikoloser monatlicher Zinssatz =(1+Z12)^(1/ 12) - 1 N10 Überschussrenditen =((C10/ C9)-1) - $Z$13 Z21 bis AH21 Erwartete Renditen der Wertpapiere =MITTELWERT(N10: N69)*12 Z22 bis AH22 Standardabweichung der Wertpapiere =STABW.S(N10: N69)*WURZEL(12) Z28 bis AG35 Varianz-Kovarianz-Matrix =WURZEL(MMULT(MMULT(AC52: AL52; AC40: AL49); MTRANS(AC52: AL52))) Z43 bis AA51 Alpha- und Beta-Faktoren =RGP(N10: N69; $V$10: $V$69; WAHR; FALSCH) Tab. 32: Übersicht 4.4.2.2 Bestimmung der Alpha- und Beta-Faktoren Die Durchführung der relativen Optimierung erfordert weiterhin die Berechnung der Alpha- und Beta-Faktoren der jeweiligen Wertpapiere. Die genannten Faktoren geben Aufschluss über die tatsächliche Beziehung zwischen dem von der Benchmark abhängigen und dem unabhängigen Anteil der Rendite. Unter der Voraussetzung eines zugrundeliegenden linearen Renditegenerierungsprozesses kann mit Hilfe einer linearen Regression eine historische Schätzung der Alpha- und Beta-Faktoren erfolgen. 333 Zur Schätzung der Alpha- und Beta-Faktoren wird im EXCEL-Modell auf die interne EXCEL-Funktion »RGP(Argumente)« zurückgegriffen. Die Anwendung dieser Funktion erfordert die Berücksichtigung und Eingabe von insgesamt vier Argumenten. Bei der Übergabe des ersten Arguments wird im Rahmen der linearen Regression zunächst der Wertebereich der X-Achse festgelegt. Im Anschluss erfolgt die Übergabe des Wertebereichs der Y-Achse. Der angegebene Wertebereich der Y-Werte bezieht sich auf die Zeitreihe der Wertpapierrenditen in den Spalten N bis U, der Wertebereich der X-Werte auf die Zeitreihe der Benchmarkrenditen in Spalte V. Die nachfolgenden Argumente eignen sich zur Übergabe von Strings. Es empfiehlt sich, beim dritten Argument den Parameter »WAHR« einzugeben, da ansonsten bei der Berechnung des Parameters » « der Wert Null gesetzt wird. Das vierte Argument sollte dagegen mit dem Parameter »FALSCH« an die Funktion übergeben werden. 333 Vgl. Poddig et al. (2009), S. 220 ff. <?page no="348"?> 4.4 Die Umsetzung der relativen Portfoliooptimierung 349 Die Eingabe der Formel ist mit der Tastenkombination STRG+SHIFT+EINGABE abzuschließen, weshalb es auch notwendig ist, die Berechnung für alle Wertpapiere einzeln durchzuführen. 334 Vor Beginn der jeweiligen Formel-Eingabe wird der spätere Ausgabebereich der Alpha- und Beta-Faktoren ausgewählt bzw. markiert und anschließend die entsprechende Formel mit den dazugehörigen Argumenten eingegeben. Als Ergebnis erhält man in dieser Konfiguration grundsätzlich zwei Zellen. In der linken Zelle befindet sich der Beta-Faktor des zugrundeliegenden Wertpapiers und in der rechten Zelle das korrespondierende Alpha des jeweiligen Wertpapiers. Die Ergebnisse der historischen Schätzung sind Abb. 124 zu entnehmen. Es sei darauf hingewiesen, dass sich für die letzte Position in Zelle Z51 per Definition ein Beta-Faktor von 1 und in Zelle AA51 ein Alpha-Faktor von 0 ergeben muss. Abb. 124: Bestimmung der Alpha- und Beta-Faktoren 4.4.2.3 Durchführung der relativen Optimierung Noch vor der Durchführung der relativen Optimierung sollten gemäß Abb. 125 die Startgewichte in Spalte Z, die Portfoliogewichte in Spalte AA, die minimalen und maximalen Bestandsgrenzen der einzelnen Wertpapiere in Spalte AB und AC, die Benchmark in Spalte AD sowie die aktiven Portfoliogewichte in Spalte AE im EXCEL-Modell implementiert werden. Im Rahmen der Startgewichte wird ein beliebiges Portfolio als Ausgangslösung für die spätere Optimierung festgelegt. Die Bestandsgrenzen der jeweiligen Wertpapiere im Portfolio werden auf mindestens 5 % sowie auf maximal 40 % des Portfolios beschränkt. Die aktiven Gewichte ergeben sich als Differenz zwischen den Portfoliogewichten in Spalte AA und der gleichgewichteten Benchmark in Spalte AD. Die Summe der jeweiligen Portfoliogewichte ergibt mit Ausnahme von Zelle AE67 stets einhundert Prozent. Abb. 125 gibt einen Überblick über die Ausgangslage für die spätere relative Optimierung. 334 Eine vertiefte Behandlung der Thematik in Bezug auf die Aufbereitung von Alpha-Prognosen im Rahmen der relativen Optimierung liefert etwa Kleeberg/ Schlenger (2002), S. 253 ff. <?page no="349"?> 350 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Abb. 125: Ausgangslage für die relative Optimierung Im Anschluss daran sollten die in Abb. 124 dargestellten Kennzahlen, die Zielfunktion sowie die zahlreichen Nebenbedingungen im EXCEL-Modell implementiert werden. Der Beta-Faktor des Portfolios in Zelle Z71 lässt sich auf Grundlage der Formel (4.76) mit Hilfe der Matrizenmultiplikation in EXCEL wie folgt umsetzen: Z71 = MMULT(MTRANS(AA59: AA67); Z43: Z51) Der Beta-Faktor der korrespondierenden Benchmark in Zelle AC71 wird in ähnlicher Weise wie das Portfolio-Beta umgesetzt, jedoch mit dem Unterschied, dass sich der Bezug der transponierten Portfoliogewichte nun auf die gleichgewichteten Portfolioanteile der Benchmark selbst bezieht. Das Benchmark-Beta ergibt per Definition einen Wert von Eins. AC71 = MMULT(MTRANS(AD59: AD66); Z43: Z50) Die Berechnung des Portfolio-Alphas in Zelle Z72 erfolgt nach Formel: (4.77) und wird demnach in EXCEL analog zur Bestimmung des Portfolio-Beta-Faktors (vgl. Formel (4.76)) durch die Eingabe folgender Formel umgesetzt: Z72 = MMULT(MTRANS(AA59: AA67); AA43: AA51) Das Alpha des Benchmark-Portfolios entspricht per Definition dem Wert Null. Das aktive Alpha des Portfolios in Zelle AD72 ergibt sich aus der Gewichtung der aktiven Positionen aus Spalte AE mit dem Vektor der jeweiligen Alpha-Werte in Spalte AA. In der Regel entspricht das ermittelte aktive Alpha in Zelle AD72 dem Portfolio- Alpha in Zelle Z72. AD72 = MMULT(MTRANS(AE59: AE66); AA43: AA50) Die Varianz des optimierten Portfolios in Zelle Z73 lässt sich auf Grundlage der nachfolgenden Formel bestimmen: (4.78) <?page no="350"?> 4.4 Die Umsetzung der relativen Portfoliooptimierung 351 und kann im EXCEL-Modell mit der Eingabe von Z73 = MMULT(MMULT(MTRANS(AA59: AA66); Z28: AG35); AA59: AA66) in Zelle Z73 umgesetzt werden. Die Varianz der Benchmark in Zelle AC73 sowie die aktive Varianz in Zelle AD73 ergibt sich analog zu Formel (4.82) durch die Eingabe folgender Formel: AC73 = MMULT(MMULT(MTRANS(AD59: AD66); Z28: AG35); AD59: AD66) AD73 = MMULT(MMULT(MTRANS(AE59: AE66); Z28: AG35); AE59: AE66) Im Anschluss daran wird in Zelle Z74 die residuale Varianz wie folgt ermittelt: bzw. (4.79) und durch die Eingabe nachfolgender EXCEL-Formel praktisch umgesetzt: AD73 = MMULT(MMULT(MTRANS(AE59: AE66); Z28: AG35); AE59: AE66) Die Standardabweichung der residualen Varianz ergibt sich aus der Wurzel der residualen Varianz. In Zelle Z76 wird der Risikoaversionsparameter auf Grundlage der Benchmark nach folgender Formel ermittelt: (4.80) um durch die Eingabe folgender EXCEL-Formel umgesetzt zu werden: Z76 = AH21 / (2 *AH22^ 2) Der Wert des Risikoaversionsparameters ergibt sich wie folgt: (4.81) Die Information Ratio des Portfolios in Zelle Z77 ergibt sich nach der Durchführung der relativen Optimierung aus der Relation zwischen Portfolio-Alpha und der residualen Standardabweichung des Portfolios. Zum Abschluss der Kennzahlen werden in Zelle Z78 und Z79 noch die Rendite und das Risiko des zu optimierenden Portfolios bestimmt. Die Ergebnisse der relativen Optimierung können Abb. 126 entnommen werden. Abb. 126: Darstellung der Kennzahlen <?page no="351"?> 352 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Die relative Optimierung setzt die Implementierung einer dem Optimierungsproblem entsprechenden Zielfunktion voraus. Dabei wird maßgeblich auf die zu Beginn dieses Abschnitts eingeführte Formel zurückgegriffen. Vor diesem Hintergrund definiert sich die Zielfunktion wie folgt: bzw. (4.82) Die Umsetzung der Zielfunktion in Zelle Z82 entspricht der Maximierung der Differenz zwischen dem Portfolio-Alpha und dem residualen Risiko gewichtet mit dem Risikoaversionsparameter. Die Eingabe in EXCEL lautet wie folgt: Z82 =Z72-Z76*Z74 In den Zellen Z85 und Z86 werden zusätzlich zu den schon im Bereich AB59 bis AC66 festgesetzten Bestandsgrenzen weitere Nebenbedingungen, wie etwa eine Budget- und Timingrestriktion umgesetzt. Abb. 127 zeigt die Umsetzung der Zielfunktion in Verbindung mit den dazugehörigen Nebenbedingungen. Abb. 127: Darstellung der Zielfunktion mit den dazugehörigen Nebenbedingungen Nach Abschluss der Vorbereitungen kann mit Hilfe des Solvers die relative Optimierung erfolgen. Noch vor dem Start des Solvers sollte zunächst sichergestellt werden, dass das dazu benötigte Add-In Solver in EXCEL installiert und aktiviert ist. Sollte dies nicht der Fall sein, kann im Reiter Entwicklertools Add-Ins Add-Ins ausgewählt werden, um zur Übersicht der verfügbaren Add-Ins zu gelangen. Ein Klick auf die Funktion erlaubt die Aktivierung der gewünschten Funktion Solver. Die durch Häkchen gekennzeichneten Funktionen sind bereits aktiviert. Im Anschluss daran wird der Solver im Reiter Daten Analyse Solver über ein Zusatzprogramm (Add-In) in EXCEL bereitgestellt. Nach Aufruf des Solvers sollte zunächst der Zellbezug zur gewünschten Zielfunktion festgelegt werden. In Abhängigkeit von der formalen Darstellung der zugrundeliegenden Zielfunktion sollte die Auswahl eines geeigneten Zielwerts getroffen werden. Weitere festzulegende Parameter umfassen den variablen Wertebereich der Portfoliogewichte sowie die angeführten Nebenbedingungen. Abb. 128 zeigt eine Übersicht aller relevanten Input-Parameter für die bevorstehende relative Optimierung. Durch die Betätigung der Schaltfläche Lösen beginnt der Solver mit der Lösung des eigentlichen Optimierungsproblems. <?page no="352"?> 4.4 Die Umsetzung der relativen Portfoliooptimierung 353 Abb. 128: Einstellung der Solver-Parameter für die relative Optimierung Eine kurze Übersicht über die einzelnen Positionen des EXCEL-Modells liefert nochmals Tab. 33. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung Spalte AA Portfoliogewichte Individuelle Werte z.B. 0,1 Spalte AB,AC Bestandsgrenzen Individuelle Werte z.B. min.=0,05 max.=0,4 Spalte AD Benchmark- Gewichte = Z59 Spalte AE Aktive Gewichte = AA59-AD59 Zeile 65 Summe der Portfolioanteile = SUMME(Z59: Z66) Z71 Portfolio-Beta- Faktor = MMULT(MTRANS(AA59: AA67); Z43: Z51) Z72 Portfolio-Alpha- Faktor = MMULT(MTRANS(AA59: AA66); AA43: AA50) Z73 Portfolio-Varianz = MMULT(MMULT(MTRANS(AA59: AA66); Z28: AG35); AA59: AA66) Z74 Residuale Varianz = AD73 - AD71^2 * AC73 Z75 Residuale Standardabweichung = WURZEL(Z74) Z76 Lambda = AH21 / (2 *AH22^ 2) Z77 Information Ratio = Z72/ Z75 <?page no="353"?> 354 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Z78 Portfolio-Rendite = MMULT(Z21: AG21; AA59: AA66) Z79 Portfolio-Risiko = WURZEL(Z73) Z82 Zielfunktion = Z72-Z76*Z74 Z85 Budget-Restriktion = AA67 Z86 Timing-Restriktion = AD71 Tab. 33: Übersicht Die Ergebnisse der relativen Portfoliooptimierung sind in Abb. 129 dargestellt. Abb. 129: Ergebnisse der relativen Optimierung (1) Quelle: Eigene Darstellung, Tabellenblatt Relative Optimierung (1), Kapitel4_Beispiele.xlsm 4.4.2.4 Berücksichtigung von unterschiedlichen Anlageuniversen Das vorherige Beispiel beruht auf der Annahme, dass das Anlageuniversum für das aktive Portfolio und die Benchmark grundsätzlich identisch sind. Diese Annahme stellt lediglich den bestmöglichen Fall in der Praxis dar, der jedoch in dieser Weise nicht immer anzutreffen ist. Obwohl ein identisches Anlageuniversum des aktiven Portfolios und der Benchmark eine idealtypische Anforderung an die Praxis ist, ergibt sich oftmals die Problematik unterschiedlicher Anlageuniversen. In wenigen Fällen kommt es sogar vor, dass die Benchmark aus einem synthetischen Index besteht, welcher zur relativen Optimierung eines aktiven Portfolios herangezogen wird. In diesem Fall gilt es, ein gemeinsames Anlageuniversum Z aus den korrespondierenden Anlageuniversen X und Y zweier gegebener Portfolios P und B zu bilden. Vor diesem Hintergrund stellt das Anlageuniversum Z die Vereinigungsmenge von X und Y dar. 335 335 Vgl. Poddig et al. (2009), S. 231 f. <?page no="354"?> 4.4 Die Umsetzung der relativen Portfoliooptimierung 355 Das Anlageuniversum in dieser Fallstudie ergibt sich aus den Wertpapieren COST, CSCO, IBM, INTC, MRK, MSFT, T und XOM sowie der Benchmark in Form des S&P 500. Das nachfolgende Beispiel demonstriert die Umsetzung der relativen Optimierung unter Berücksichtigung von unterschiedlichen Anlageuniversen in EXCEL. Im Vergleich zu den vorherigen Abschnitten dient nun der Marktindex S&P 500 als Benchmark. Es wird von einem Kapitalanleger ausgegangen, welcher ausschließlich seine Anlagestrategie in Nordamerika umsetzen möchte. Um die gezeigten Schritte im Detail nachvollziehen zu können, sollte hierzu das EXCEL-Modell in der Datei »Kapitel_4_Beispiele.xlsm« im Tabellenblatt »Relative Optimierung (2)« aufgerufen werden. Es empfiehlt sich, die Bearbeitung dieses Abschnitts in Verbindung mit der geöffneten EXCEL-Datei durchzuführen. Das maßgebliche Ziel dieser fortgesetzten Fallstudie ist es, die praktische Umsetzung der relativen Optimierung unter Verwendung eines synthetischen Index darzustellen. Die grundsätzliche Vorbereitung für die Berücksichtigung eines synthetischen Index lehnt sich an die prinzipielle Vorgehensweise der vorangegangen Fallstudien an. Im ersten Schritt werden alle relevanten Kursverläufe inklusive des festgelegten Index auf monatlicher Basis vom Finanzdatenanbieter aus dem Internet bezogen und in das EXCEL-Modell übertragen. Im zweiten Schritt erfolgt in Verbindung mit dem risikolosen monatlichen Zinssatz die Berechnung der Überschussrenditen der einzelnen Wertpapiere und des zugrundeliegenden Marktindex. Im dritten Schritt liefern die ermittelten Überschussrenditen die Grundlage für die historische Schätzung der Alpha- und Beta-Faktoren mit Hilfe einer linearen Regression in Bezug auf die Rendite der festgelegten Benchmark. In einem finalen vierten Schritt wird der Input-Parameter die Varianz-Kovarianz-Matrix der aufgeführten Einzeltitel in Verbindung mit der festgelegten Benchmark bestimmt. Abb. 130 zeigt vor diesem Hintergrund das Hinzufügen einer synthetischen Benchmark. Abb. 130: Hinzufügen einer synthetischen Benchmark Den Ausgangspunkt für die sich anschließende relative Optimierung stellen zunächst die beliebig festgelegten Startgewichte der Einzeltitel des aktiven Portfolios dar. Die zu maximierende Zielfunktion entspricht weitestgehend der Formulierung der vorherigen Zielfunktion aus den letzten Abschnitten. Im Rahmen der relativen Optimierung ergibt sich die formale Definition der Zielfunktion demnach wie folgt: (4.83) bzw. unter der Voraussetzung bzw. in anwendungsbezogener Matrizenschreibweise <?page no="355"?> 356 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements (4.84) unter der Einhaltung der folgenden Nebenbedingungen: (Budgetrestriktion) bzw. mit Portfoliogewicht des i-ten Wertpapiers im Portfolio aktives Gewicht des i-ten Wertpapiers im Portfolio bzw. in Matrizenschreibweise: bzw. (4.85) (Leerverkaufsverbot) für alle (4.86) (Bestandsrestriktion) mind. 5 %; max. 50 % je Wertpapier (4.87) (Timing-Restriktion) , d.h. kein Timing mit Beta-Faktor des Portfolios gegenüber der Benchmark aktiver Beta-Faktor des Portfolios gegenüber der Benchmark (4.88) Abb. 131: Berücksichtigung einer synthetischen Benchmark <?page no="356"?> 4.4 Die Umsetzung der relativen Portfoliooptimierung 357 Im Vergleich zur vorherigen Fallstudie unterscheidet sich der Wert des Risikoaversionsparameters unter Umständen signifikant. In beiden Fällen wird auf Formel (4.80) zurückgegriffen, mit dem Unterschied, dass sich die Formel zwar immer noch auf eine Benchmark bezieht, sich durch die Auswahl einer anderen Benchmark jedoch nun aus anderen Bestandteilen zusammensetzt. Nach der Festlegung des S&P 500 ergibt sich ein anderer Wert für den Risikoaversionsparameter : (4.89) Grundsätzlich müssen in der fortgesetzten Fallstudie nur wenige Parameter abgeändert werden. Die hauptsächliche Anpassung des EXCEL-Modells beschränkt sich auf das Hinzufügen eines synthetischen Marktindex. Abb. 131 zeigt vor diesem Hintergrund eine Übersicht der Ausgangslage des EXCEL-Modells. Während die ersten acht einzelnen Positionen des aktiven Portfolios variabel ausgelegt sind, ist die Benchmark stets auf Null fixiert und somit von der Optimierung ausgeschlossen. Die fixierten Positionen in P weisen alle diese Beschränkung auf, da die dazugehörigen Wertpapiere nicht notwendigerweise Elemente des Anlageuniversums von P sind. 336 Es gilt darüber hinaus zu beachten, dass die Benchmark-Gewichte sich nun im Gegensatz zur vorherigen Fallstudie aus den Bezügen auf leere Zellen ergeben. Da die relative Optimierung unter Berücksichtigung unterschiedlicher Anlageuniversen ebenfalls durch bzw. die Timing-Komponente ausschließt, entspricht nach Abschluss der relativen Optimierung das aktive Risiko dem residualen Risiko. Nach Abschluss der relativen Optimierung ergeben sich unter der Berücksichtigung unterschiedlicher Anlageuniversen die in Abb. 132 dargestellten Portfoliostrukturen. Abb. 132: Ergebnisse der relativen Optimierung (2) Quelle: Eigene Darstellung, Tabellenblatt Relative Optimierung (2), Kapitel4_Beispiele.xlsm 336 Vgl. Poddig et al. (2009), S. 236 <?page no="357"?> 358 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements 4.4.3 Die praktische Umsetzung in MATLAB Das nachfolgende Beispiel demonstriert die Umsetzung der relativen Portfoliooptimierung in MATLAB. Um die gezeigten Schritte im Detail nachvollziehen zu können, kann das MATLAB-Skript in der Datei »Beispiel_RelativeOptimierung.m« aufgerufen werden. Es empfiehlt sich, die Bearbeitung dieses Abschnitts in Verbindung mit der geöffneten EXCEL-Datei durchzuführen. Das kommende Beispiel beruht auf der grundlegenden Annahme, dass das Anlageuniversum für das aktive Portfolio und die Benchmark identisch sind. 1 % Beispiel: Relative Optimierung (1) 2 % Datum: 26.11.2012 3 % Verfasser: Marc Schurer 4 5 % Verbindung zum Finanzdatenanbieter aufbauen 6 close all; 7 clear all; 8 connection = yahoo; 9 10 %Extrahieren der Ticker-Codes und Ermittlung der Anzahl an Wertpap. 11 ticker ={'COST','CSCO','IBM','INTC','MRK','MSFT','T','XOM'} 12 names ={'COSTCO','CISCO','IBM','INTEL','MERK','MSFT','ATT','XOM '} 13 assets = length(ticker); 14 15 %Festlegen des Zeithorizonts der Datengrundlage 16 datum_von = '2004-12-01'; 17 datum_bis = '2009-12-01'; 18 In den Zeilen 6 bis 7 werden zu Beginn mit den Befehlen »close all« und »clear all« alle zuvor erstellten Grafiken und Fenster geschlossen, sowie der Workspace mit allen verfügbaren Variablen gelöscht. Diese Maßnahme sollte zu Beginn jedes MATLAB- Skriptes durchgeführt werden, um eventuelle Fehler im späteren Programmablauf zu vermeiden. In Zeile 8 wird anschließend der Variablen »connection« die Bezeichnung des Finanzdatenanbieters zugewiesen, von dem man alle notwendigen historischen Kurszeitreihen bezieht. Anstatt des Dienstes »Yahoo Finance« können die historischen Zeitreihen auch alternativ, entsprechende Lizenzen vorausgesetzt, gleichermaßen von weiteren Finanzdatenanbietern wie z.B. Thomson Reuters oder Bloomberg bezogen werden. In Zeile 11 werden nach den Vorstellungen des Investors diejenigen Wertpapiere festgelegt, die das zukünftige Portfolio bilden sollen. Die Variable »ticker« bildet durch die Aufnahme der angeführten Unternehmen einen Zeilenvektor. Der Zeilenvektor nimmt jedoch nicht die genauen Bezeichnungen der einzelnen Wertpapiere auf, sondern bezieht sich auf sogenannte Kürzel (Ticker-Codes) der Wertpapiere, die individuell durch den Finanzdatenanbieter vorgegeben werden. Mit Hilfe des Ticker-Codes der jeweiligen Wertpapiere und dem später festgelegten Zeitraum erfolgt der Zugriff auf die Datenbank des Finanzdatenanbieters, sodass die historischen Zeitreihen der zuvor festgelegten Wertpapiere aus dem Internet geladen werden können. In Zeile 13 wird <?page no="358"?> 4.4 Die Umsetzung der relativen Portfoliooptimierung 359 mit Hilfe der MATLAB-Funktion »length(Variable)« durch die Bestimmung der Anzahl der Elemente des Zeilenvektors »ticker« entsprechend die Anzahl der Wertpapiere im Portfolio ermittelt. Im vorliegenden Fall wurde bezüglich der Anzahl der Elemente des Zeilenvektors »ticker« der Variablen »assets« ein Wert von 10 Wertpapieren zugewiesen. In den Zeilen 16 und 17 wird der präferierte Zeithorizont festgelegt, für den die historischen Zeitreihen der einzelnen Wertpapiere im weiteren Verlauf des Skriptes aus dem Internet geladen werden sollen. Für den angegebenen Zeitraum vom 01.12.2004 bis 01.12.2009 wird anschließend, abhängig von der Periodizität der Kurse, die entsprechende Anzahl an Stichprobenwerten (Samples) aus der historischen Zeitreihe entnommen. 19 % % Kurse aller Wertpapiere im Portfolio ermitteln und importieren 20 %-------------------------------------------------------- ------------ 21 22 data = fetch(connection,ticker(1),'Close',datum_von,datum_bis,'m' ); 23 histprices_fts = fints(data(: ,1),data(: ,2),ticker(1)); 24 25 for i=2: assets 26 security = ticker(i); 27 data = fetch(connection,security,'Close',datum_von, datum_bis,'m'); 28 fts = fints(data(: ,1),data(: ,2),ticker(i)); 29 histprices_fts = merge(histprices_fts,fts) 30 31 End 32 33 % Interpoliert Divergenzen in den Zeitreihen 34 histprices_fts = fillts(histprices_fts,'linear'); 35 36 % Zeitreihen in Matrix zur weiteren Verarbeitung abspeichern 37 histkurse = fts2mat (histprices_fts) 38 dates = histprices_fts.dates; 39 40 % Zeitreihen normalisieren 41 histkurse_norm = bsxfun(@rdivide,histkurse,histkurse(1,: )); 42 43 % Ermittlung der durchschnittlichen monatlichen Wertpapierrenditen 44 riskfreerate=0.04; 45 monatl_rfr=(1+riskfreerate)^(1/ 12)-1; 46 renditen = price2ret(histkurse,[],'Periodic')-monatl_rfr; 47 CovMatrix = cov(renditen); <?page no="359"?> 360 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Um die historischen Kurse entsprechend ihrer auf- und absteigenden Datumsangaben in der richtigen Reihenfolge einzulesen, zu verarbeiten und darstellen zu können, sollten nach dem Bezug und Speichern der historischen Zeitreihe durch den Befehl »fetch(Parameter)« in den Zeilen 22 und 27 die Rohdaten der einzelnen historischen Zeitreihen in ein Financial-Time-Series-Objekt überführt werden. In Zeile 23 und in Zeile 28 wird mit Hilfe der Funktion »fints(Parameter)« die historische Datengrundlage in das Financial-Time-Series-Objekt »fts« übertragen. Voraussetzung dafür ist, dass neben der Spalte mit den historischen Kursen auch die Spalte mit den dazugehörigen Datumsangaben sowie die Ticker-Bezeichnung der zu übertragenden Daten als Argumente der Funktion übergeben werden. Da der Finanzdatenanbieter lediglich die Abfrage eines einzelnen Wertpapiers pro Anfrage zulässt, werden die einzelnen historischen Kurse nacheinander in Form einer for-Schleife in den Zeilen 25 bis 31 abgefragt und geladen. Da während jedes neuen Schleifen-Durchlaufs ein neues Financial- Time-Series-Objekt erstellt und der gleichen Variable zugewiesen wird, besteht die Gefahr, die Daten aus dem vorherigen Schleifen-Durchlauf zu überschreiben. Aus diesem Grund wurde in Zeile 29 die Funktion »merge(Parameter)« implementiert, die entsprechend jedes neue Financial-Time-Series-Objekt im neuen Objekt »histprices_fts« zusammenführt. Beim Bezug der historischen Kurszeitreihen kommt es leider gelegentlich vor, dass einige Kurse durch den Finanzdatenanbieter nicht vollständig bereitgestellt werden können. Da derartige Lücken in der Datengrundlage unweigerlich einen negativen Einfluss auf die Qualität der daraus ermittelten Ergebnisse ausüben, sollten Diskrepanzen innerhalb der historischen Kurse schon vor Beginn aller relevanten Berechnungen grundsätzlich beglichen werden. Im vorliegenden Fall wurde auf die Methodik der Interpolation zurückgegriffen. Diese Vorgehensweise erlaubt die approximative Wiederherstellung fehlender Kurse mit Hilfe unterschiedlicher statistischer Methoden. In Zeile 34 wird aus diesem Grund auf die Funktion »fillts(Parameter)« zurückgegriffen. Nachdem die historischen Zeitreihen in ein gemeinsames Financial-Time-Series- Objekt überführt und interpoliert worden sind, erlauben die Eigenschaften dieses Objektes jedoch keine weitere Verarbeitung der Daten. Deshalb wird in den Zeilen 37 und 38 durch die Funktion »fts2mat« das ursprüngliche Financial-Time-Series-Objekt der historischen Kurse an die gleichartige Matrix »histkurse« übertragen, die dazugehörigen Datumsangaben extrahiert und dem Vektor »dates« zugewiesen. Um zu einem späteren Zeitpunkt einen Performancevergleich der einzelnen Wertpapiere in einem Diagramm darstellen zu können, werden die zur weiteren Verarbeitung freigegebenen historischen Kurse mit der Funktion »bsxfun(Parameter)« in Zeile 41 normalisiert. In den Zeilen 44 bis 47 werden alle wichtigen Eingangsgrößen für die spätere Portfoliooptimierung ermittelt. Auf Grundlage der zu Beginn bezogenen historischen Kurse werden in Zeile 42 mit der Funktion »price2ret(Parameter)« die dazu gehörigen stetigen Renditen (log-Renditen) bestimmt. Auf Grundlage der stetigen Renditen erfolgt in Zeile 43 mit der Funktion »cov(Parameter)« die Berechnung der Varianz-Kovarianz- Matrix und die anschließende Annualisierung mit dem entsprechenden Skalierungsfaktor. 48 % % Beginn relative Portfoliooptimierung 49 %-------------------------------------------------------- ------------ 50 51 %Untere- und obere Begrenzungen der Portfoliogewichte 52 lb = [0.05; 0.05; 0.05; 0.05; 0.05; 0.05; 0.05; 0.05; ]; <?page no="360"?> 4.4 Die Umsetzung der relativen Portfoliooptimierung 361 53 ub = [0.4; 0.4; 0.4; 0.4; 0.4; 0.4; 0.4; 0.4; ]; 54 55 %Aktive Portfoliogewichte, Benchmark-Gewichte sowie aktive Gewichte 56 PortfG = [0.05; 0.44; 0.125; 0.125; 0.25; 0.125; 0.125; 0.125; ]; 57 BenchM = [0.125; 0.125; 0.125; 0.125; 0.125; 0.125; 0.125; 0.125; ]; 58 AktiveG = PortfG-BenchM; 59 60 %Berechnung der Benchmarkrenditen 61 for i=1: length(renditen) 62 Benchmark(i,1)=renditen(i,: )*BenchM; 63 End 64 65 %Aufbereitung der Alpha- und Beta-Faktoren 66 for i=1: assets 67 B=[ones(length(Benchmark),1) Benchmark]\renditen(: ,i); 68 Alpha(i,1)=B(1,1); 69 Beta(i,1)=B(2,1); 70 End 71 72 %Definition der Zielfunktion 73 Lambda=(mean(Benchmark)-monatl_rfr)/ (2*std(Benchmark)^2); 74 ZF=(@(PortfG) PortfG'*(-Alpha)+Lambda*(- (AktiveG'*CovMatrix*AktiveG))); 75 76 %Vorbereitung der Nebenbedingungen 77 Aeq=[ones(1,assets); -Beta']; 78 beq=[1; -1]; In Zeile 51 und 52 werden vorbereitend für die spätere Durchführung der Portfoliooptimierung geeignete Ober- und Untergrenzen für die einzelnen Portfolioanteile in den Arrays »lb« (Abk. lower bound) und »ub« (Abk. upper bound) bestimmt. Noch vor der eigentlichen Portfoliooptimierung ist es wichtig, eine geeignete Startlösung sowie Benchmarkgewichte zu definieren. In den Zeilen 56 und 57 wird dieser Voraussetzung nachgekommen und die Startlösung im Array »PortfG« und die Benchmarkgewichte im Array »BenchM« zugewiesen. In den Zeilen 60 bis 63 werden die Benchmarkrenditen und darauffolgend die Alpha- und Beta-Faktoren der einzelnen Wertpapiere berechnet. In Zeile 73 folgt die Berechnung des Risikoaversionsparameters »Lambda«, mit dem anschließend die Zielfunktion in Zeile 74 definiert und für die spätere Portfoliooptimierung zugewiesen wird. Die MATLAB-Funktion »fmincon« benötigt die standardisierte Form des zugrundeliegenden Optimierungsproblems (vgl. 4.3.3.3), sodass in Zeile 77 und in Zeile 78 die Nebenbedingungen »Aeq« und »beq« festgelegt werden. 79 % % Durchführung der relativen Optimierung 80 PortfG=fmincon(ZF,PortfG,[],[],Aeq,beq,lb,ub); 81 AktiveG = PortfG-BenchM; 82 83 %Kennzahlen 84 PortfBeta=PortfG'*Beta; <?page no="361"?> 362 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements 85 PortfAlpha=PortfG'*Alpha; 86 PortfVarianz=PortfG'*CovMatrix*PortfG; 87 BenchBeta=BenchM'*Beta; 88 BenchAlpha=BenchM'*Alpha; 89 BenchVarianz=BenchM'*CovMatrix*BenchM; 90 AktivesBeta=AktiveG'*Beta; 91 AktivesAlpha=AktiveG'*Alpha; 92 AktiveVarianz=AktiveG'*CovMatrix*AktiveG; 93 rVarianz=AktiveVarianz-AktivesBeta^2*BenchVarianz; 94 rStabw=sqrt(rVarianz); 95 InformationRatio=PortfAlpha/ rStabw; 96 PortfRisiko=sqrt(PortfVarianz); 97 PortfRendite=mean(renditen)*PortfG; In Zeile 80 erfolgt durch den Aufruf der Funktion »fmincon« die tatsächliche Durchführung der Portfoliooptimierung. Da sich während des Optimierungsprozesses die Portfoliogewichte geändert haben, ergeben sich in Zeile 81 nun neue Werte für die aktiven Gewichte des relativen Portfolios. In den Zeilen 84 bis 97 werden auf Grundlage der soeben ermittelten Portfoliogewichte abschließend weitere Kennzahlen, wie Portfolio- Beta-Faktor, Portfolio-Alpha-Faktor, Portfoliorisiko usw. gemäß den Formeln aus Abschnitt 4.2.1 ff. berechnet. 98 % % Ausgabe 99 fprintf('\n------------------------------------------ \n'); 100 fprintf('Ergebnisse der relativen Optimierung (1) '); 101 fprintf('\n------------------------------------------ \n'); 102 fprintf('\n Portfoliogewichte: \n\n',PortfG) 103 for i=1: length(ticker) 104 fprintf('\t\t\t\t %s \t %.2f\t % % \n',names{1,i} ,PortfG(i,1)*100); 105 End 106 fprintf('\nRendite des Portfolios\t %.2f \t % %\n',PortfRendite*12*100); 107 fprintf('Risiko des Portfolios \t %.2f \t % %\n',PortfRisiko*sqrt(12)*100); 108 fprintf('IR des Portfolios \t %.2f \t \n',InformationRatio); In den Zeilen 98 bis 108 erfolgt zum Abschluss des MATLAB-Skriptes die Ausgabe des optimierten Portfolios. Abb. 133 zeigt die Ausgabe der Ergebnisse im MATLAB- Kommandofenster. <?page no="362"?> 4.5 Schlussbetrachtung 363 Abb. 133: Ergebnisse der relativen Optimierung (1) 4.5 Schlussbetrachtung Seit der Jahrtausendwende sehen sich institutionelle und private Kapitalanleger im Börsenzyklus mit abwechselnden turbulenten Börsenphasen und Erholungsphasen konfrontiert. Im Zeitraum von 2008 bis 2009 verlor beispielsweise der MSCI-Weltaktienindex über 55 % gegenüber seinem letzten Allzeithoch. Nach den Entwicklungen an den Kapitalmärkten im letzten Jahrzehnt hinterfragen viele Kapitalanleger zunehmend aktive Anlagestrategien kritisch im Hinblick auf deren zu erwartende Rentabilität. Die Finanzkrise und ihre Folgen führten jedoch vor allem bei Privatanlegern zu einer gewissen Skepsis gegenüber Kapitalmarktprodukten im Allgemeinen und aktiv verwalteten Investmentfonds im Speziellen. Da es für die Mehrzahl aktiver Anlagestrategien ohnehin schon schwer genug ist, den Markt langfristig zu schlagen, tragen die erhöhten Verwaltungskosten nicht gerade zum Erfolg dieser Anlageklasse bei. Nichtsdestotrotz stellt das aktive Portfolio Management getreu dem Motto: „Stillstand ist Rückschritt“ 337 einen integralen Bestandteil eines langfristigen Vermögensaufbaus bzw. -erhalts dar. Obwohl die in diesem Kapitel dargestellten und erläuterten Ansätze und Konzepte in der Realität nicht immer identisch umgesetzt werden können, spiegelt sich der Kerngedanke der vorgestellten Modelle, wie etwa die Diversifikation, in vielen Investmentansätzen deutlich wider. Die aktive Verwaltung von Vermögen integriert gleichermaßen die unabdingbare Messung, Kontrolle und Steuerung von politischen, volkswirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Risiken in einem sich ständig wiederholenden Prozess. Nur ein erfolgreiches Risikomanagement als integraler Bestandteil eines aktiven Portfolio Managements kann in Zeiten großer Unsicherheit das verwaltete Vermögen erhalten und Risiken reduzieren. 337 Zitat von R UDOLF VON B ENNIGSEN -F OERDER <?page no="363"?> 364 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements 4.6 Zusammenfassung Nach dem Effizienzkriterium dominiert eine Wertpapieranlage bzw. ein Portfolio eine andere Wertpapieranlage bzw. Portfolio, falls sie bei gleicher Rendite ein geringeres Risiko, oder bei gleichem Risiko eine höhere Rendite aufweist. Aus ökonomischer Sicht demonstriert die Effizienzkurve, in welchem Ausmaß eine Reduktion des Risikos eine potenzielle Renditeminderung mit sich bringt, und, ausgehend davon, welche Chancen-Risiko-Profile ein Kapitalanleger in Zukunft auf mittlere Sicht erwarten kann. Eine Effizienzkurve kann rechnerisch unter folgenden Voraussetzungen gebildet werden: Leerverkäufe sowie die Aufnahme und die Vergabe von Krediten zum risikolosen Zinssatz sind erlaubt. Leerverkäufe sind zwar erlaubt, aber die Aufnahme und die Vergabe von Krediten zum risikolosen Zinssatz sind untersagt. Leerverkäufe sind im Portfolio untersagt, die Aufnahme und die Vergabe von Krediten zum risikolosen Zinssatz sind jedoch erlaubt. Weder die Tätigung von Leerverkäufen noch die Aufnahme oder die Vergabe von Krediten zum risikolosen Zinssatz sind erlaubt. Die genannten Voraussetzungen werden in der Regel in unterschiedlichster Form bei der Portfoliooptimierung durch Nebenbedingungen oder Restriktionen berücksichtigt. Die konvexe Möglichkeitskurve (engl. envelope) nimmt gleichermaßen ineffiziente und effiziente Portfolios auf. Die von M ARKOWITZ entwickelte Kritische-Linien-Methode (engl. critical line method) und die durch M ERTON / B LACK eingeführte „Two-Fund-Separation“ stellen alternative Verfahren zur Bestimmung der Effizienzkurve dar. Die Kombination unterschiedlicher Wertpapiere, deren erwartete Renditen nicht vollständig positiv miteinander korreliert sind, führt zu einer unmittelbaren Reduktion der Portfoliovarianz. Dasjenige Portfolio, welches sich im Tangentialpunkt der Effizienzkurve und der Kapitalmarktlinie befindet, wird als Tangentialportfolio oder allgemeinhin auch als Marktportfolio bezeichnet. In diesem Zusammenhang wird auch von der Tobin- Separation gesprochen. Aus einem ökonomischen Blickwinkel betrachtet, trifft die Sharpe Ratio eines Portfolios eine Aussage über die realisierte Risikoprämie (Überschussrendite) je Einheit des übernommenen Gesamtrisikos (Volatilität). Die aktive Rendite, das aktive Risiko sowie die aktive Position eines Portfolios stellen integrale Bestandteile der relativen Optimierung dar. Der Parameter Alpha bezeichnet die Überschussrendite eines Portfolios in Relation zu einer zuvor festgelegten Benchmark und gibt demnach Aufschluss darüber, inwiefern die Selektion gewinnträchtiger Wertpapiere erfolgreich war. Im Beta-Faktor eines Portfolios kommt vorrangig die Sensitivität des Portfolios gegenüber der Benchmark zum Ausdruck, weshalb diese Kennzahl gleichermaßen das Timing eines Portfolio-Managers beschreibt. <?page no="364"?> 4. 365 Das sogenannte Selektionsrisiko beschreibt die Fähigkeit eines Portfolio-Managers, die Portfoliorendite durch eine sinnvolle Auswahl an renditesteigernden Anlageobjekten zu erhöhen. Das Timingrisiko beschreibt, wie geschickt der Portfolio-Manager den Beta-Faktor eines Portfolios im Vergleich zum Benchmark-Beta anpasst. Die Interpretation der Information Ratio lässt die Aussage zu, dass eine höhere Information Ratio auf eine bessere risikoadjustierte Outperformance der zugrundeliegenden Anlagestrategie schließen lässt. Die Ausführungen dieses Kapitels zeigen, dass die beiden Einflussfaktoren der Information Ratio in dieselbe Richtung wirken, wodurch ein Defizit in der Prognosegüte stets durch eine ansteigende Anzahl von Prognosen, bzw. umgekehrt, ein Defizit in der Häufigkeit der Prognosen durch eine Verbesserung der Prognosegüte wieder ausgeglichen werden kann. <?page no="365"?> 366 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements 4.7 Fragen zu Kapitel 4 Frage (1) Es soll das Minimum-Varianz-Portfolio bestimmt werden. Investiert werden kann in die drei Aktien X, Y und Z. Die Zielfunktion lautet: Folgende Nebenbedingungen und Ausgangsdaten sind gegeben: Leerverkäufe sind nicht gestattet Summe der Gewichte des Portfolios ergibt 1 (Budgetrestriktion) Die Varianz-Kovarianz-Matrix der drei Aktien X, Y und Z lautet: Aktie X Aktie Y Aktie Z Aktie X 0,002362 0,001908 0,002257 Aktie Y 0,001908 0,001653 0,001971 Aktie Z 0,002257 0,001971 0,002373 Der Erwartungswert der Rendite der drei Aktien lautet: Rendite Aktie X: 17,17 % Rendite Aktie Y: 15,06 % Rendite Aktie Z: 19,50 % Als Ausgangsportfolio für die Optimierung wird ein naives Portfolio unterstellt. Die Ergebnisse der Optimierung lauten: Gewichtung Aktie X: 0 % Gewichtung Aktie Y: 100 % Gewichtung Aktie Z: 0 % Die Portfoliorendite beträgt: 0,1506 Die Portfoliovarianz beträgt: 0,0017 Die Portfoliostandardabweichung beträgt: 0,0407 Der Zielfunktionswert beträgt: 0,0017 Wahr Falsch Frage (2) Auf Grundlage des Portfolios aus Frage (1) soll nun das Minimum-Varianz- Portfolio unter geänderten Nebenbedingungen ermittelt werden. Folgende Nebenbedingungen und Ausgangsdaten sind gegeben: Leerverkäufe sind gestattet Summe der Gewichte des Portfolios ergibt 1 (Budgetrestriktion) <?page no="366"?> 4.8 Fragen zu Kapitel 4 367 Als Ausgangsportfolio für die Optimierung wird ein naives Portfolio unterstellt. Die Ergebnisse der Optimierung lauten: Gewichtung Aktie X: -81 % Gewichtung Aktie Y: 456 % Gewichtung Aktie Z: -275 % Die Portfoliorendite beträgt: -0,0207 Die Portfoliovarianz beträgt: 0,0004 Die Portfoliostandardabweichung beträgt: 0,0188 Der Zielfunktionswert beträgt: 0,0004 Wahr Falsch Frage (3) Auf Grundlage des Portfolios aus Frage (1) soll nun das Minimum-Varianz- Portfolio mit individuellen Ober- und Untergrenzen für die einzelnen Wertpapiere ermittelt werden. Folgende Nebenbedingungen und Ausgangsdaten sind gegeben: Leerverkäufe sind nicht gestattet Summe der Gewichte des Portfolios ergibt 1 (Budgetrestriktion) Als Ausgangsportfolio für die Optimierung wird ein naives Portfolio unterstellt. Folgende Ober- und Untergrenzen der Bestände werden festgelegt: Minimal Maximal Gewichtung Aktie X: 5 % 40 % Gewichtung Aktie Y: 5 % 40 % Gewichtung Aktie Z: 5 % 40 % Die Ergebnisse der Optimierung lauten: Gewichtung Aktie X: 40 % Gewichtung Aktie Y: 40 % Gewichtung Aktie Z: 20 % Summe der Gewichte (Budgetrestriktion): 100 % Die Portfoliorendite beträgt: 0,16792 Die Portfoliovarianz beträgt: 0,00202 Die Portfoliostandardabweichung beträgt: 0,04499 Der Zielfunktionswert beträgt: 0,00202 Wahr Falsch <?page no="367"?> 368 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Frage (4) Auf Grundlage des Portfolios aus Frage (1) soll nun ein beliebiges Portfolio auf der Effizienzkurve bestimmt werden. Folgende Nebenbedingungen und Ausgangsdaten sind gegeben: Leerverkäufe sind nicht gestattet Summe der Gewichte des Portfolios ergibt 1 (Budgetrestriktion) Die geforderte Mindestrendite des Portfolios beträgt 17,00 %. Als Ausgangsportfolio für die Optimierung wird ein naives Portfolio unterstellt. Folgende Ober- und Untergrenzen der Bestände werden festgelegt: Minimal Maximal Gewichtung Aktie X: 5 % 40 % Gewichtung Aktie Y: 5 % 40 % Gewichtung Aktie Z: 5 % 40 % Die Ergebnisse der Optimierung lauten: Gewichtung Aktie X: 31 % Gewichtung Aktie Y: 40 % Gewichtung Aktie Z: 29 % Summe der Gewichte (Budgetrestriktion): 100 % Die Portfoliorendite beträgt: 0,17 Die Portfoliovarianz beträgt: 0,00203 Die Portfoliostandardabweichung beträgt: 0,04503 Der Zielfunktionswert beträgt: 0,00203 Wahr Falsch Frage (5) Auf Grundlage des Portfolios aus Frage (1) soll nun ein beliebiges Portfolio auf der Effizienzkurve bestimmt werden. Folgende Nebenbedingungen und Ausgangsdaten sind gegeben: Leerverkäufe sind nicht gestattet Summe der Gewichte des Portfolios ergibt 1 (Budgetrestriktion) Als Ausgangsportfolio für die Optimierung wird ein naives Portfolio unterstellt. Die Ergebnisse der Optimierung lauten: Gewichtung Aktie X: 0 % Gewichtung Aktie Y: 0 % <?page no="368"?> 4.8 Fragen zu Kapitel 4 369 Gewichtung Aktie Z: 100 % Summe der Gewichte (Budgetrestriktion): 100 % Die Portfoliorendite beträgt: 0,19500 Die Portfoliovarianz beträgt: 0,00237 Die Portfoliostandardabweichung beträgt: 0,04871 Der Zielfunktionswert beträgt: 0,19500 Wahr Falsch Frage (6) Auf Grundlage des Portfolios aus Frage (1) soll nun ein Portfolio mit einer maximalen Sharpe Ratio bestimmt werden. Folgende Nebenbedingungen und Ausgangsdaten sind gegeben: Leerverkäufe sind nicht gestattet Summe der Gewichte des Portfolios ergibt 1 (Budgetrestriktion) Als Ausgangsportfolio für die Optimierung wird ein naives Portfolio unterstellt. Die Ergebnisse der Optimierung lauten: Gewichtung Aktie X: 0 % Gewichtung Aktie Y: 0 % Gewichtung Aktie Z: 100 % Summe der Gewichte (Budgetrestriktion): 100 % Die Portfoliorendite beträgt: 0,14741 Die Portfoliovarianz beträgt: 0,00237 Die Portfoliostandardabweichung beträgt: 0,04871 Die Sharpe Ratio beträgt: 0,75 Wahr Falsch Frage (7) Im Rahmen der relativen Optimierung sollen die Alpha- und Beta-Faktoren geschätzt werden. Folgende Überschussrenditen über den risikofreien Zinssatz sind für die Aktien X, Y und Z gegeben: Aktie X Aktie Y Aktie Z Benchmark 0,010490812 0,020933184 0,037044155 0,022822717 0,036815064 0,032601193 0,040255765 0,036557341 -0,00298865 0,005368882 0,013004111 0,005128114 <?page no="369"?> 370 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements -0,002391576 -0,000399841 0,00634473 0,001184438 Die Alpha- und Beta-Faktoren für die beiden Wertpapiere und das Benchmark- Portfolio betragen: Beta Alpha Aktie X 1,089864769 -0,007417603 Aktie Y 0,912765213 -0,000364628 Aktie Z 0,997370017 0,00778223 Benchmark 1 3,46945 E-18 Wahr Falsch <?page no="370"?> Literaturverzeichnis zu Kapitel 4 Amene, N., & Le Sourd, V. (2003). Portfolio Theory and Performance Analysis. England: John Wiley & Sons Ltd. Arens, T., Hettlich, F., Karpfinger, C., Kockelkorn, U., Lichtenegger, K., & Stachel, H. (2008). Mathematik (1. Ausg.). Spektrum Akademischer-Verlag. Benninga, S. (2008). Financial Modeling. 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Frankfurt: Frankfurt School Verlag. <?page no="371"?> 372 4 Die Anwendung des aktiven Portfolio Managements Gibbons, M., Ross, S., & Shanken, J. (1989). A Test of the Efficiency of a given Portfolio. Econometrica, 1121 - 1152. Gohout, W. (2009). Operations Research (4. Ausg.). Oldenbourg-Verlag. Grinold, R., & Kahn, R. (2000). Active Portfolio Management - A Quantitative Approach for Providing Superior Returns and Controlling Risk. McGraw-Hill. Hassler, U. (2007). Stochastische Integration und Zeitreihenmodellierung - Eine Einführung mit Anwendungen aus Finanzierung und Ökonometrie. Springer-Verlag. Hull, J. C. (2007). Optionen, Futures und andere Derivate. Pearson. Investors, A. G. (2010). Wissen: Von Alpha bis Vola. Frankfurt am Main. Jarre, F., & Stoer, J. (2004). Optimierung. Springer-Verlag. Kaiser, H., & Vöcking, T. (2002). Strategische Anlageberatung. Frankfurt: Gabler Verlag. Kemp, M. (2011). Extreme Events - Robust Portfolio Construction in the Presence of Fat Tails. 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Stochastic Programming Models in Financial Optimization: A Survey. <?page no="374"?> Inhaltsübersicht Kapitel 5 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements................................... 376 5.1 Einführung...................................................................................................................... 377 5.2 Index Tracking und relative Optimierung................................................................. 380 5.3 Index Tracking nach Markowitz ................................................................................. 384 5.4 Index Tracking mit Hilfe von Regression ................................................................. 386 5.5 Index Tracking auf Grundlage der linearen Optimierung ...................................... 388 5.6 Praktische Umsetzung in EXCEL.............................................................................. 390 5.6.1 Index Tracking und relative Optimierung .................................................... 391 5.6.1.1 Vorbereitende Maßnahmen für das Index Tracking ................... 392 5.6.1.2 Bestimmung der Alpha- und Beta-Faktoren................................. 393 5.6.1.3 Durchführung des Index Tracking ................................................. 394 5.6.2 Index Tracking nach Markowitz..................................................................... 398 5.6.3 Index Tracking auf Grundlage der Regression unter Nebenbedingungen ....................................................................................................... 401 5.6.4 Index Tracking und lineare Optimierung...................................................... 405 5.7 Praktische Umsetzung in MATLAB .......................................................................... 411 5.8 Schlussbetrachtung ........................................................................................................ 412 5.9 Zusammenfassung......................................................................................................... 412 5.10 Fragen .............................................................................................................................. 414 <?page no="375"?> 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements Nachdem in Kapitel 4 die grundlegenden Ansätze des aktiven Portfolio Managements im Rahmen der absoluten und relativen Portfoliooptimierung vorgestellt wurden, widmet sich das vorliegende Kapitel der Anwendung der zugrundeliegenden Ansätze des passiven Portfolio Managements. Da sich ein Tracking Portfolio auf Grundlage unterschiedlicher Ansätze ermitteln lässt, versuchen die nachfolgenden Abschnitte einen Überblick über die wichtigsten Verfahren zu liefern. Kapitel 5 ist ähnlich dem vorherigen Kapitel in einen Theorie- und einen Praxisteil gegliedert. Nach einer kurzen Wiederholung der zugrundeliegenden Annahmen des passiven Portfolio Managements und einer Übersicht zu den empirischen, theoretischen und praktischen Erfolgsfaktoren von Indexfonds, möchten wir dem Leser in Abschnitt 5.2 durch eine Erweiterung der relativen Portfoliooptimierung die wesentlichen Grundlagen des Index Trackings näher bringen. Es folgen Erläuterungen zu den wichtigsten Begriffen wie Tracking Error und Target Portfolio. Die Minimierung des aktiven Risikos tritt im Rahmen dieses Abschnitts in den Vordergrund der Betrachtungen. In Abschnitt 5.3 folgt eine weitere Interpretation des Index Trackings auf Grundlage von M ARKOWITZ . Als Voraussetzung hierfür gelten eine aktive Rendite sowie ein aktives Risiko von Null. Es werden darüber hinaus ebenfalls Aussagen über das Timing- und das Selektionsrisiko des Tracking Portfolios im Rahmen des passiven Portfolio Managements getroffen und evaluiert. Der Abschnitt geht ebenfalls auf die gleichermaßen vorherrschende Schätzfehlerproblematik ein. Die lineare Regression stellt ein Instrumentarium für die Bildung eines Tracking Portfolios dar. In Abschnitt 5.4 möchten wir dem Leser deshalb einen möglichen Ansatz des Index Trackings mit Hilfe der linearen Regression vorstellen. Der zugrundeliegende Ansatz zielt auf die Minimierung der quadrierten aktiven Rendite. Durch die notwendige Einführung zusätzlicher Nebenbedingungen und der zugrundeliegenden multivariaten linearen Regressionsanalyse spricht man auch häufig von einer Regression unter Nebenbedingungen. Zum Abschluss des Theorieteils des Kapitels wird in Abschnitt 5.5 das Index Tracking auf Grundlage der linearen Optimierung vorgestellt, um dem interessierten Leser einen umfassenden Einblick in die Methoden des Index Trackings zu ermöglichen. Im Rahmen dieses Ansatzes werden maßgeblich Risiken vermieden, wobei man Chancen grundsätzlich offen gegenübersteht. In Abschnitt 5.6 sollen die zuvor vermittelten theoretischen Grundlagen der einzelnen Ansätze und Konzepte aufgegriffen werden, um diese praktisch in Microsoft EXCEL umzusetzen. Abschnitt 5.7 und 5.8 runden die Ausführungen im Rahmen einer Schlussbetrachtung und einer kurzen Zusammenfassung des Kapitels ab. Am Ende des Kapitels findet der interessierte Leser wie gewohnt einen Fragenkatalog zu den Inhalten dieses Kapitels, um das Selbststudium der zugrundeliegenden Konzepte ein wenig zu erleichtern. <?page no="376"?> 5.1 Einführung 377 Im Rahmen des vorliegenden Kapitels werden zusammenfassend die folgenden zentralen Fragestellungen erläutert: Was ist Index Tracking und welches Ziel verfolgt die Bildung eines Tracking Portfolios? Welche Möglichkeiten gibt es, um einen Marktindex möglichst genau abzubilden? Lassen sich die Ansätze des passiven Portfolio Managements aus der relativen Portfoliooptimierung ableiten? Was ist ein Alphabzw. ein Beta-Faktor? Welche Rolle spielt die lineare Regression beim Index Tracking? Welches Optimierungsproblem liegt dem Index Tracking tatsächlich zu Grunde? 5.1 Einführung Quelle: picture alliance / Newscom “There are three classes of people who do not believe that markets work: the Cubans, the North Koreans, and active managers.” Rex Sinquefield - Philanthrop und Pionier auf dem Gebiet der Indexfunds (*1944) Die Umsetzung von passiven Anlagestrategien im Portfolio Management verfolgt das grundlegende Ziel, durch Bildung eines Tracking Portfolios die Wertentwicklung einer zugrundeliegenden Benchmark kontinuierlich abzubilden. Im Gegensatz zum aktiven Portfolio Management wird bei einer passiven Anlagestrategie auf die Antizipation der Marktentwicklung grundsätzlich verzichtet. 338 Die Umsetzung des passiven Portfolio Managements liegt einerseits in der Prognoseproblematik (vgl. Kapitel 4 bzw. 6) und andererseits in der Akzeptanz der Markteffizienzhypothese begründet. Vor dem Hintergrund der Prognoseproblematik folgt das passive Portfolio Management der Annahme, dass Finanzmarktprognosen aufgrund ihrer inhärenten Schätzfehler nur eingeschränkt möglich sind. Da die Prognosen der Inputparameter keine ausreichende Güte besitzen und die Prognosen unmittelbar mit hohen Kosten verbunden sind, unterliegt die Umsetzung des passiven Portfolio Managements dem Ziel, eine möglichst exakte und zugleich kostengünstige Abbildung des Benchmark-Portfolios zu gewährleisten. 339 Unter der Voraussetzung effizienter Kapitalmärkte können ein In- 338 Vgl. Amenc/ Le Sourd (2003), S. 6 339 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 114 <?page no="377"?> 378 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements formationsvorsprung und die Antizipation von Marktbewegungen langfristig zu keinen Überschussrenditen (engl. out-performance) im Vergleich zum zugrundeliegenden Index oder der Benchmark führen. 340 In anderen Worten: Die Kosten zur Erlangung eines Informationsvorsprungs gegenüber anderen Marktteilnehmern durch Prognosen sind aufgrund der zu erzielenden Güte vergleichsweise hoch. Es erscheint vor diesem Hintergrund als durchaus sinnvoll, passive Anlagestrategien in der Praxis umzusetzen. Im Laufe der Zeit wurden den Kapitalanlegern passive Anlagestrategien in Form von börsengehandelten Indexfonds wie z.B. Exchange Traded Funds (Abk. ETF) zugänglich gemacht. Seit Beginn der ersten Auflage des Standard & Poor’s Depositary Receipt im Jahr 1993 nahm das Interesse der Kapitalanleger an der Anlageform ETF stetig zu, sodass man heute von einem regelrechten Boom dieses Anlageproduktes sprechen kann. Nach Angaben der Deutschen Börse hatte sich schon im Jahr 2010 das durchschnittliche monatliche Handelsvolumen an ETFs für den Zeitraum der vergangenen zehn Jahre mit rund elf Milliarden Euro verfünfzigfacht. 341 Abb. 134 greift diesen Zusammenhang auf und stellt die Entwicklung des weltweit in ETFs verwalteten Vermögens grafisch dar. Abb. 134: Entwicklung des weltweit in ETFs verwalteten Vermögens in Mrd. US-Dollar Quelle: BlackRock; Bloomberg; Zeitraum: 1997 bis zum 1. Halbjahr 2012 Nach der Betrachtung von Abb. 134 stellt sich die zentrale Frage, welche Gründe zum stetigen Erfolg von ETFs beigetragen haben. Die Erfolgsfaktoren des passiven Portfolio Managements untergliedern sich in empirische, theoretische und praktische Gründe. Ein wesentlicher empirischer Grund wurde mit der Hypothese effizienter Kapitalmärkte bereits genannt. Wenn in der Realität tatsächlich eine strenge Markteffizienz vorliegen sollte, erschwert die Geschwindigkeit und Genauigkeit der Informationsverarbeitung durch die Kapitalmärkte zunehmend die langfristige Erwirtschaftung von Überschussrenditen durch die eigene Beschaffung und Verarbeitung von Informationen im Rahmen eines aktiven Portfolio Managements. Unter der Annahme einer strengen Markteffizienz ist die Erlangung eines prognoseabhängigen Informationsvorsprungs per Definition nicht möglich. Aus der zuvor angesprochenen empirischen Annahme lässt sich nun ein weiterer theoretischer Grund für den Erfolg des passiven Portfolio Managements ableiten. Die 340 Vgl. Specht/ Gohout (2009), S. 4 ff. 341 Vgl. Schwarzer (2010), Handelsblatt-Online 0 1,000 2,000 <?page no="378"?> 5.1 Einführung 379 empirische Forschung unterstützt die Existenz der Markteffizienz mit der Aussage, dass es zwar immer wieder einigen Portfolio-Managern gelingt, im Vergleich zu einer zugrundeliegenden Benchmark mit dem aktiven Portfolio Management besser abzuschneiden. Jedoch hat der überwiegende Anteil der aktiven Portfolio-Manager im Durchschnitt eine schlechtere Wertentwicklung als der Index zu verantworten. 342 Einen weiteren praktischen Grund für die Investition in passive Anlagestrategien stellt eine reduzierte Kostenstruktur dar. Da passive Anlagestrategien sich auf den Kauf und das anschließende exakte Halten des Marktportfolios beschränken, entfällt die kostenintensive Prognose von Erwartungen im Rahmen des aktiven Portfolio Managements vollständig. In diesem Zusammenhang wird bei der Umsetzung von Indexfonds häufig von einer klassischen Buy-an-Hold-Strategie gesprochen. Der Verzicht auf ein aktives Portfolio Management schlägt sich ebenfalls positiv in niedrigeren Personal- und Betriebskosten nieder. Insgesamt ist also im Rahmen des passiven Portfolio Managements eine Absenkung der Transaktionskosten zu verzeichnen. 343 Die genannten Gründe tragen allesamt zum Erfolg von passiven Anlagestrategien bei. Die möglichst exakte Nachbildung eines Zielportfolios (Targetportfolio) durch ein tatsächlich realisierbares Portfolio (Tracking Portfolio) wird in der Fachliteratur auch als Index Tracking bezeichnet. Die Replikation eines Marktindex oder einer Benchmark kann in der Praxis auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Es wird dabei prinzipiell zwischen der vollständigen Nachbildung auf Grundlage der jeweiligen Marktkapitalisierung (engl. Full Replication) und der approximativen Nachbildung (engl. sampling) unterschieden. Im ersten Teil des Buches (vgl. Abschnitt 1.3.3.1) wurde die angesprochene Thematik im Rahmen der Vorstellung des passiven Portfolio Managements schon im Detail erläutert. Bei der vollständigen Nachbildung werden die in der Benchmark enthaltenen Wertpapiere im Verhältnis ihrer dort zugrunde gelegten Marktkapitalisierung in das Tracking Portfolio aufgenommen. Die Durchführung dieser Methode führt zu einer exakten Nachbildung des Targetportfolios bzw. der Benchmark und somit zwangsläufig zu einem Tracking Error von Null. Aufgrund der kostenintensiven Umsetzung ist eine praktische Umsetzung dieses Ansatzes jedoch nur schwer möglich. Aus diesem Grund greift die Praxis notwendigerweise auf die approximative Nachbildung zurück. 344 Im Gegensatz zur vollständigen Replikation weicht das Tracking Portfolio durch die näherungsweise Nachbildung modellbedingt von der strukturellen Zusammensetzung des Target Portfolios ab. Da das Tracking Portfolio im Vergleich zum Target Portfolio deutlich weniger Wertpapiere aufnimmt, kommt es bei der Replikation der Wertentwicklung des zugrundeliegenden Target Portfolios mitunter zu signifikanten Abweichungen, die mit Hilfe des Tracking Errors quantifiziert werden können. 342 Vgl. Spremann (2008), S. 44 343 Vgl. Prigent (2007), S. 103 344 Vgl. Poddig et al. (2009), S. 249 f. <?page no="379"?> 380 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements Der Tracking Error beschreibt im Allgemeinen die Standardabweichung der Renditedifferenz zwischen dem Portfolio und der Benchmark. Die Kennzahl quantifiziert, inwieweit die Rendite des Portfolios systematisch von der Benchmark abweichen kann. Für die Replikation einer Benchmark erscheint es zweckmäßig, eine Zielfunktion mit entsprechenden Nebenbedingungen zu definieren, welche die angesprochenen Abweichungen minimiert. 345 Die nachfolgenden Abschnitte beschäftigen sich mit der genannten Problematik und der Erläuterung zahlreicher Formen des Index Trackings zur Lösung des zugrundeliegenden Optimierungsproblems. 5.2 Index Tracking und relative Optimierung Quelle: © Daniel Kahneman, Princeton University “So investors shouldn’t delude themselves about beating the market? They’re just not going to do it. It's just not going to happen.” Daniel Kahneman - israelisch-USamerikanischer Psychologe und Nobelpreisträger in Wirtschaftswissenschaften (*1934) Auf Grundlage der zuvor erläuterten Überlegungen zum Index Tracking lassen sich die Rahmenbedingungen für die Replizierung einer Benchmark wie folgt kurz zusammenfassen: Die Methodik des Index Tracking verfolgt grundsätzlich das Ziel, ein Target Portfolio im Sinne einer Benchmark oder eines Referenzindex durch ein Tracking Portfolio so präzise wie möglich zu replizieren. Die dazu benötigte Struktur des Tracking Portfolios resultiert aus dem Ergebnis der relativen Optimierung. Bei der Durchführung des Index Trackings ist es durchaus möglich, dass das Tracking Portfolio aus Wertpapieren zu bilden ist, die nicht notwendigerweise dem Target Portfolio zugeordnet werden können. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass bei der Bildung des Tracking Portfolios nicht unbedingt das gesamte Anlageuniversum der Target Portfolios für die Replizierung zur Verfügung steht. Aus diesem Grund unterscheiden sich die Anlageuniversen und Anlagerestriktionen von Target Portfolio und Tracking Portfolio teilweise erheblich. 345 Vgl. Prigent (2007), S. 104 <?page no="380"?> 5.2 Index Tracking und relative Optimierung 381 Der zuletzt genannte Punkt erinnert stark an die Problemstruktur der relativen Optimierung bezüglich einer möglichen Divergenz unterschiedlicher Anlageuniversen (vgl. Kapitel 4). Es zeigt sich, dass sich die Rahmenbedingungen des Index Trackings und der relativen Optimierung sehr ähneln. Im Gegensatz zur relativen Optimierung des vorherigen Kapitels soll im Folgenden nicht das Alpha des Tracking Portfolios gegenüber dem residualen Risiko maximiert werden, sondern es soll der Rückgriff auf eine andere Zielfunktion erfolgen, welche die strukturellen Eigenschaften des Index Trackings berücksichtigt. Das aus dem Index Tracking resultierende Optimierungsproblem und die zu erfüllenden Eigenschaften erschließen sich auf Grundlage folgender intuitiver Betrachtung: Der Alpha-Faktor des Tracking Portfolios sollte dem Wert „Null“ entsprechen, da das Alpha der Benchmark ebenfalls „Null“ ist. Der Beta-Faktor des Tracking Portfolios sollte, wie das Beta der Benchmark, ebenfalls „Eins“ sein. Das residuale Risiko des Tracking Portfolios sollte minimal sein. Die Zielfunktion leitet sich aus der Überlegung ab, die Entwicklung des Target Portfolios so genau wie möglich durch das Tracking Portfolio nachzuvollziehen bzw. zu verfolgen (engl. tracking). Diese Zielsetzung entspricht der Minimierung des aktiven Risikos des Tracking Portfolios. Auf Grundlage der zuvor aufgezählten Eigenschaften und durch Ausschluss der Timing-Komponente ergibt sich die Zielfunktion aus der Minimierung des residualen Risikos des Tracking Portfolios. Die Zielfunktion lautet wie folgt: (5.1) bzw. in anwendungsbezogener Matrizenschreibweise: (5.2) mit Vektor der Portfolioanteile des Tracking Portfolios N x N-Kovarianz-Matrix auf Basis der historischen Renditen Vektor der Portfolioanteile des Benchmark-Portfolios Vektor der Beta-Faktoren der Wertpapiere gegenüber der Benchmark unter der Einhaltung der folgenden Nebenbedingungen: (Budgetrestriktion) bzw. mit Portfoliogewicht des i-ten Wertpapiers im Portfolio aktives Gewicht des i-ten Wertpapiers im Portfolio bzw. in Matrizenschreibweise: bzw. (5.3) <?page no="381"?> 382 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements (Leerverkaufsverbot) für alle (5.4) (Bestandsrestriktion) mind. 5 %; max. 50 % je Wertpapier (5.5) (Timing-Restriktion) , d.h. kein Timing mit Beta-Faktor des Portfolios gegenüber der Benchmark aktiver Beta-Faktor des Portfolios gegenüber der Benchmark (5.6) (Selektions- Restriktion) mit Alpha-Faktor des Tracking Portfolios (gg. der Benchmark) (5.7) Es sei darauf hingewiesen, dass die Festlegung von Mindest- und Höchstgrenzen für die einzelnen Wertpapiere im Tracking Portfolio je nach Anzahl der aufgenommen Wertpapiere unter Umständen dazu führen kann, dass die Lösung des Optimierungsproblems zu keiner zulässigen Lösung führt. Diese Problematik ist nicht der enorm aufwändigen Umsetzung des Optimierungsansatzes zuzuschreiben, sondern ist vielmehr in der geringen Menge an verfügbaren Wertpapieren für die Nachbildung des Target Portfolios begründet. 346 Die Methodik des verwendeten Optimierungsansatzes leitet sich unmittelbar aus den vorangestellten Überlegungen zu den Rahmenbedingungen und gewünschten Eigenschaften des Index Trackings ab. Da das Tracking Portfolio die Entwicklung der zugrunde gelegten Benchmark so präzise wie möglich nachempfinden soll, ist die Einhaltung der Timing-Restriktion bei der Lösung des Optimierungsproblems zwingend notwendig. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es aufgrund von Abweichungen bei der Zusammensetzung des Tracking- und Benchmark-Portfolios zu temporären, jedoch unsystematischen Abweichungen der Rendite kommen kann. Aus diesem Grund lässt sich der Selektionseffekt im Rahmen der Optimierung nicht vollständig eliminieren, sodass es zu einem unvermeidbaren Selektionsrisiko kommt. Beim Index Tracking wird versucht, das Selektionsrisiko so gering wie möglich zu halten. Die angesprochene Renditedifferenz zwischen Tracking- und Benchmark-Portfolio ist im Zusammenhang mit der relativen Optimierung auch als aktive Rendite bekannt und ergibt sich im Kontext des Index Trackings wie folgt: 346 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 261 <?page no="382"?> 5.2 Index Tracking und relative Optimierung 383 (5.8) mit aktive Rendite Rendite des Tracking Portfolios Rendite des Benchmark-Portfolios Die Varianz der dargestellten aktiven Rendite , die sich aus der Differenz zwischen der Rendite des Tracking Portfolios und des Benchmark-Portfolios ergibt, wird in diesem Zusammenhang auch häufig als Tracking Error (Abk. TE) bezeichnet. 347 Der Tracking Error eines Portfolios ergibt sich demnach wie folgt: (5.9) Die Kennzahl des Tracking Errors kann ebenfalls in Form der Volatilität quantifiziert werden. (5.10) Aus den dargestellten Formeln ergibt sich der nachfolgende Zusammenhang: Je niedriger der Tracking Error ausfällt, umso mehr entspricht das Risiko des Tracking Portfolios dem Risiko der ausgewählten Benchmark. 348 Je höher der Tracking Error dagegen ausfällt, desto größere Abweichungen sind bei der Entwicklung des Tracking Portfolios und der Benchmark festzustellen bzw. zu erwarten. In der Fachliteratur konnte man sich bei der Definition des Tracking Errors auf keine einheitliche Kennzahl einigen. Der überwiegende Teil der Fachliteratur verwendet bei der Definition des Tracking Errors die Standardabweichung der aktiven Rendite. 349 Im Rahmen des Index Trackings spricht man beim Tracking Error auch vom aktiven Risiko, das auf die aktive Position zurückzuführen ist. Demnach lässt sich der Tracking Error gleichermaßen auf Grundlage der aktiven Gewichte des Tracking Portfolios bestimmen. (5.11) mit Vektor der aktiven Gewichte des Tracking Portfolios Der dargestellte Ansatz des Index Trackings stellt also eigentlich eine abgewandelte Form der relativen Optimierung aus dem vorherigen Kapitel dar, bei dem jedoch die Zielfunktion an die abweichenden Rahmenbedingungen des Index Trackings angepasst sowie zusätzliche Nebenbedingungen eingeführt wurden. 347 Vgl. Günther (2002), S. 234 348 Vgl. Amene/ Le Sourd (2003), S. 114 349 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 258 <?page no="383"?> 384 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements 5.3 Index Tracking nach Markowitz Quelle: © The University of Chicago Booth School of Business “And the world is a better place (prices are more rational) when misinformed investors admit their ignorance and switch to a passive market portfolio strategy.” Eugene Fama, US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler (*1939) Im Gegensatz zu den Darstellungen im vorherigen Abschnitt lässt sich der Ansatz des Index Trackings auch aus der grundsätzlichen Methodik nach M ARKOWITZ ableiten. Die nachfolgenden Darstellungen orientieren sich maßgeblich an den Erläuterungen von M ARKOWITZ (1987) selbst sowie an den Ausführungen der deutschsprachigen Literatur in P ODDIG (2009) und W AGNER (2002). Die zentralen Bemühungen in der Umsetzung des Index Trackings beziehen sich aufgrund der zwangsläufig unterschiedlichen Zusammensetzungen des Tracking Portfolios und des Target Portfolios hauptsächlich auf den Umgang mit der divergenten Entwicklung der beiden Portfolios. In der Praxis unterscheiden sich die Anlageuniversen von Benchmark-Portfolio und Tracking Portfolio oftmals sehr stark, da das Tracking Portfolio aus Kostengründen im Vergleich zum Benchmark-Portfolio weitaus weniger Wertpapiere enthält. Aus dem vorherigen Abschnitt wurde deutlich, dass bei der relativen Optimierung das Tracking Portfolio als ein aktives Portfolio anzusehen ist, das eine aktive Rendite und ein aktives Risiko besitzt. Im Gegensatz zur relativen Optimierung aus Kapitel 4 handelt es sich beim Index Tracking nicht um eine schlichte Abwägung zwischen der aktiven Rendite und dem aktiven Risiko, sondern um eine bestmögliche Replizierung der zugrundeliegenden Benchmark. 350 Die optimale Umsetzung eines Tracking Portfolios setzt eine aktive Rendite als auch ein aktives Risiko von Null voraus. Die vorangestellten Überlegungen zur Umsetzung des Index Trackings auf Grundlage von M ARKOWITZ sollen im Folgenden konkretisiert und formuliert werden. Eine optimale Umsetzung des Index Trackings erfordert die Einführung von Nebenbedingungen bezüglich der Behandlung der aktiven Rendite und des aktiven 350 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 262 <?page no="384"?> 5.3 Index Tracking nach Markowitz 385 Risikos. Hierzu greifen wir auf die Definition der aktiven Position zurück (vgl. Kapitel 4). (5.12) Die aktive Rendite eines Portfolios ergibt sich als Differenz der Rendite des Tracking Portfolios und der Benchmark. Es gilt folgender Zusammenhang: (5.13) mit Vektor der erwarteten Renditen der enthaltenen Wertpapiere Das aktive Risiko im Sinne der aktiven Varianz des Tracking Portfolios ergibt sich wie folgt (vgl. (5.11)): (5.14) Um eine möglichst präzise Verfolgung bzw. Abbildung der Benchmark durch das Tracking Portfolio zu gewährleisten, gilt es im Rahmen des Index Trackings auf Grundlage von M ARKOWITZ den Tracking Error unter Einhaltung zahlreicher Nebenbedingungen zu minimieren. Die Zielfunktion ergibt sich aus den vorangestellten Überlegungen wie folgt: (5.15) Wie zu Beginn dieses Abschnitts erläutert wurde, sollte für eine präzise Umsetzung des Ansatzes der Wert der aktiven Rendite null betragen. Dies wird in Form einer Nebenbedingung berücksichtigt. (Rendite-Restriktion) (5.16) Neben der Restriktion der aktiven Rendite ist es notwendig, weitere Nebenbedingungen bei der Lösung des Optimierungsproblems miteinzubeziehen. Diese beziehen sich auf mögliche Budgetrestriktionen, etwaige Leerverkaufsverbote sowie unterschiedliche Anteilsgrenzen der jeweiligen Wertpapiere. Da schon im vorherigen Abschnitt eine ausführliche Darstellung der genannten Nebenbedingungen erfolgte, wird an dieser Stelle von einer erneuten Definition abgesehen. Das Index Tracking auf Grundlage von M ARKOWITZ weist im Vergleich zum Index Tracking auf Grundlage der relativen Optimierung nur geringe Unterschiede auf. Das Index Tracking auf Grundlage von M ARKOWITZ besitzt bei Vernachlässigung der Rendite-Restriktion aus Formel (5.16) den Vorteil, dass der Optimierungsansatz nur noch auf der Schätzung der Varianz-Kovarianz-Matrix beruht. Die Schätzung der Varianz-Kovarianz-Matrix ist vor dem Hintergrund der Schätzfehlerproblematik entgegen der Schätzung der erwarteten Renditen weitestgehend unproblematisch. In der praktischen Umsetzung kommt es daher häufiger zu einer bewussten Missachtung der Rendite-Restriktion. Unabhängig von der Berücksichtigung der Nebenbedingung aus Formel (5.16) zeigt sich ein weiterer Vorteil des Index Trackings nach M ARKOWITZ im Wegfall der aufwändigen und zugleich kritischen Schätzungen der Alpha- und Beta- Faktoren für die einzelnen Wertpapiere im Tracking Portfolio. 351 351 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 265 <?page no="385"?> 386 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements Durch den Ausschluss der Rendite-Restriktion kann es vorkommen, dass das Tracking Portfolio eine negative Rendite sowie einen abweichenden Beta-Faktor besitzt und dadurch eine unbeabsichtigte Timing-Komponente enthält. Daher ist dringend zu empfehlen, die Rendite-Restriktion aus Formel (5.16) bei der Lösung des Optimierungsproblems zu berücksichtigen. Grundsätzlich gilt zu beachten, dass dem Index Tracking nach M ARKOWITZ die gleiche Schätzfehlerproblematik zugrunde liegt wie der relativen Optimierung. 352 5.4 Index Tracking mit Hilfe von Regression Quelle: picture alliance / AP “Why does indexing outmaneuver the best minds on Wall Street? Paradoxically, it is because the best and brightest in the financial community have made the stock market very efficient. When information arises about individual stocks or the market as a whole, it gets reflected in stock prices without delay, making one stock as reasonably priced as another. Active managers who frequently shift from security to security actually detract from performance compared to an index fund by incurring transaction costs.” Burton G. Malkiel - US-amerikanischer Ökonom und Schriftsteller (*1932) In den bislang aufgezeigten Ansätzen des Index Trackings wurde primär auf die risikobehaftete Seite bei der Minimierung der Zielfunktion abgestellt. Bei der Regression unter Nebenbedingungen rückt jedoch die Minimierung der quadrierten aktiven Rendite in den Mittelpunkt der Betrachtung. Es gilt weiterhin die grundlegende Überlegung, dass das Tracking Portfolio in der Realität (Out-of-Sample) so präzise wie möglich die Wertentwicklung der zugrundeliegenden Benchmark nachempfinden soll. Das Index Tracking auf Grundlage einer Regression verfolgt im Rahmen der Optimierung das Ziel, die mittlere quadratische Abweichung zwischen der Rendite des Portfolios und der Benchmark auf ein Mindestmaß zu minimieren, was im Idealfall dem Wert Null entspricht. Die Zielfunktion definiert sich wie folgt: (5.17) Bei der Lösung des Optimierungsproblems ist, je nach Anforderung, die Einhaltung der üblichen Nebenbedingungen, wie z.B. Budgetrestriktion, Leerverkaufsverbot und Mindest- und Höchstbestandsgrenzen, für die einzelnen Wertpapiere des Tracking Portfolios zu berücksichtigen. 352 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 266 <?page no="386"?> 5.4 Index Tracking mit Hilfe von Regression 387 Die in der Zielfunktion definierte Differenz zwischen der Rendite des Tracking Portfolios und der Benchmark ergibt im Vergleich zu Formel (5.13) ein umgekehrtes Vorzeichen. Eine genauere Betrachtung der Zielfunktion zeigt, dass diese im Prinzip der Minimierung des Erwartungswerts der quadrierten Renditedifferenzen entspricht, was genau genommen analog der Minimierung des erwarteten Mean Squared Error ist. 353 Der Ansatz des Index Trackings auf Grundlage der Regression unterliegt durch die Bestimmung von Ex-ante-Parametern gleichermaßen der Schätzfehlerproblematik aus den vorherigen Abschnitten. In diesem Fall wird der Erwartungswert der quadrierten Renditedifferenzen unmittelbar auf Grundlage von historischen Beobachtungen der Renditen für die einzelnen Wertpapiere des Tracking Portfolio und der Benchmark geschätzt. Der Schätzer ist definiert als historischer Mittelwert der quadrierten Differenz zwischen den Renditen des Tracking Portfolios und der Benchmark. (5.18) Das Symbol T stellt die Anzahl der beobachteten Rendite-Perioden dar. Die Berechnung des historischen Mittelwerts bezieht sich stets auf den Zeitraum, der jeweils durch die Anzahl der Perioden T begrenzt wird. Obwohl die Renditen des Target Portfolios entweder in Form eines vom Anleger festgelegten Benchmark-Portfolios oder einer synthetischen Benchmark vorliegen, resultieren die Renditen des Tracking Portfolios maßgeblich aus der endgültigen Portfoliostruktur nach Abschluss der Optimierung. Die Zusammensetzung des Tracking Portfolios stellt in diesem Zusammenhang die variable Komponente bei der Lösung des Optimierungsproblems dar. Im Umkehrschluss führt das zu der Annahme, dass die Renditen des Tracking Portfolios dem Verlauf der Portfoliooptimierung unterliegen und damit nicht direkt zu beobachten sind. Es gilt demnach: bzw. (5.19) Im Verlauf der Optimierung sind diejenigen Werte gesucht, für welche der Wert der zuvor vorgestellten Zielfunktion (vgl. Formel (5.17)) minimal wird. Die Berücksichtigung der gewichteten Renditen der einzelnen Wertpapiere führt zu nachfolgender Formel: (5.20) Aus Formel (5.20) resultiert eine Funktion, die von der Struktur her identisch zur Zielfunktion der Kleinste-Quadrate-Schätzung bei einer multivariaten linearen Regressionsanalyse ist. In dem hier erläuterten Ansatz kommen zusätzlich noch weitere Nebenbedingungen hinzu. Aus diesem Grund wird das hier vorgestellte Verfahren auch Regression unter Nebenbedingungen genannt. 353 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 267 <?page no="387"?> 388 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements 5.5 Index Tracking auf Grundlage der linearen Optimierung Quelle: © Innovation & Business Architectures, Inc. “The most efficient way to diversify a stock portfolio is with a low fee index fund. Statistically, a broad based stock index fund will outperform most actively managed equity portfolios. Hardly ten of one thousand [money managers who pick stocks and time markets] perform in a way that convinces a jury of experts that a long term edge over indexing is likely.” Paul A. Samuelson - US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger in Wirtschaftswissenschaften (*1915, †2009) Die lineare Optimierung stellt einen weiteren Ansatz bei der Durchführung des Index Trackings dar, bei dem die Wertentwicklung des Target Portfolios (Benchmark) durch die Aufnahme von beliebigen Wertpapieren im Tracking Portfolio nachgebildet wird. Der Nachteil bei diesem Ansatz des Index Trackings besteht darin, dass aufgrund des zugrundeliegenden Regressionsansatzes während des Optimierungsprozesses unweigerlich ein gewisser Restfehler auftritt. Da sich die Rendite der Benchmark zum Zeitpunkt aus den gewichteten Renditen der einzelnen Wertpapiere des Tracking Portfolios zuzüglich eines unvermeidbaren Restfehlers ergibt, werden im Rahmen des nachfolgenden Optimierungsansatzes die zunächst noch unbekannten Anteilsgewichte des Tracking Portfolios bestimmt. 354 Die modellgestützte Zusammensetzung der Benchmark-Rendite lässt sich auf Grundlage des zuvor dargestellten Zusammenhangs wie folgt formulieren: (5.21) mit Rendite der Benchmark Anteil des n-ten Wertpapiers am Tracking Portfolio Rendite des n-ten Wertpapiers im Tracking Portfolio Restfehler In den vorherigen Abschnitten verfolgten die dargestellten Optimierungsansätze grundsätzlich das Ziel, den unvermeidbaren Restfehler zu minimieren und im Idealfall sogar den Wert Null anzustreben. Das Index Tracking auf Grundlage der linearen Optimierung folgt jedoch einem anderen Ansatz. Es wird nun bei der Umsetzung der linearen Optimierung davon ausgegangen, dass einerseits ein Kapitalanleger die Rendite der zugrundeliegenden Benchmark unter keinen Umständen unterschreiten 354 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 271 f. <?page no="388"?> 5.5 Index Tracking auf Grundlage der linearen Optimierung 389 möchte und andererseits der zuständige Portfolio-Manager positive Abweichungen von der Benchmark als durchaus angenehm empfindet. Diese Annahme spiegelt in hohem Maße ein einseitiges Risikoverständnis des Kapitalanlegers wider, bei dem lediglich Verluste bzw. Unterschreitungen der Zielvorgabe (in diesem Fall die Benchmarkrendite) von Bedeutung sind und durch den Kapitalanleger als tatsächliches Risiko empfunden werden. Nach dieser Auffassung wird die ideale Umsetzung des Tracking Portfolios hauptsächlich durch die Minimierung der erwarteten Verluste des Kapitalanlegers bei gleichzeitiger Erhaltung von Chancen etwaig auftretender Überschüsse geprägt. 355 Auf Grundlage des dargelegten Zusammenhangs definiert sich die Zielfunktion zur Bestimmung des Tracking Portfolios wie folgt: (5.22) Nach Abschluss der linearen Optimierung ergeben sich die Anteilsgewichte des Tracking Portfolios, welche die Summe der absoluten Beträge der zukünftigen negativen Renditeabweichungen (aktiven Rendite) gegenüber der Benchmark minimieren. Aus der vorangestellten Beobachtung folgt eine Ex-ante-Betrachtung der Zielfunktion, weshalb für die Bestimmung des Tracking Portfolios wiederum eine historische Schätzung auf Grundlage der vergangenen Wertpapier- und Benchmarkrenditen vorgenommen werden sollte. In diesem Zusammenhang erlaubt die strukturelle Übereinstimmung der Ex-post- und Ex-ante-Varianten von Gleichung (5.29) die synonyme Verwendung der Ex-post-Variante. Die Einführung der zwei Parameter und erleichtert die Vereinfachung des zugrundeliegenden Optimierungsproblems. Der Wert der Hilfsvariablen ergibt sich aus der positiven Differenz der Renditen des Portfolios und der Benchmark. Im Gegensatz zu dem Parameter resultiert der Wert der anderen Hilfsvariablen aus der negativen Differenz zwischen Portfolio- und Benchmark-Rendite. 356 Die zwei Parameter berechnen sich wie folgt: falls ansonsten (5.23) falls ansonsten (5.24) Vor dieser Betrachtung ergibt sich die Differenz der Portfolio- und Benchmark- Renditen für jeden Zeitpunkt als . (5.25) Da jedoch lediglich die negativen Abweichungen des Tracking Portfolios von der Benchmark-Rendite den Anlageerfolg des Kapitalanlegers mindern, während die positiven Abweichungen dem Kapitalanleger eine Überschussrendite erwirtschaften, lässt 355 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 272 f. 356 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 273 <?page no="389"?> 390 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements sich die Zielfunktion aus Formel (5.29) nach der Einführung der aufgeführten Hilfsvariablen und wie folgt darstellen: (5.26) Als Erweiterung zu den bisherigen üblichen Nebenbedingungen begründet die lineare Optimierung die Einhaltung einer weiteren zusätzlichen Restriktion 357 : (5.27) Neben der zuvor dargestellten Restriktion gelten für die Lösung des Optimierungsproblems, je nach Anwendung, die in Abschnitt 5.2 definierten Nebenbedingungen. 5.6 Praktische Umsetzung in EXCEL Im Rahmen der nachfolgenden Abschnitte wird für die Dokumentation und Erläuterung der EXCEL-Beispiele ein Ausgangsportfolio 358 mit folgenden Eckdaten zugrunde gelegt: Wertpapier Erwartete Rendite p.a. Standardabweichung p.a. Portfoliogewicht Danone 10,33 % 15,51 % 10 % Siemens 18,56 % 23,04 % 10 % BASF 18,48 % 18,01 % 10 % L’Oreal 3,87 % 19,02 % 10 % Allianz 15,01 % 39,38 % 10 % Telecom Italia -1,92 % 16,43 % 10 % Banco Santander 14,33 % 19,47 % 10 % Total 7,71 % 14,79 % 10 % BWM 5,86 % 21,06 % 10 % Vivendi 12,47 % 20,74 % 10 % Euro Stoxx 50 9,10 % 12,33 % -100 % Tab. 34: Ausgangsportfolio 357 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 274 358 Die Datengrundlage (adjustierte Schlusskurse) der einzelnen Wertpapiere wurde aus Bloomberg Terminal bezogen. Alternativ bietet sich diesbezüglich auch der Dienst von Yahoo Finance an. <?page no="390"?> 5.6 Praktische Umsetzung in EXCEL 391 Das Ausgangsportfolio zur Nachbildung des Euro Stoxx 50 bildet sich aus den in Tab. 34 aufgelisteten Wertpapieren. Es befinden sich darunter Unternehmen aus der Nahrungsmittel-, Technologie-, Telekommunikations- und Automobilbranche. Alle ausgewählten Wertpapiere sind dementsprechend im Zielindex enthalten. Die einzelnen Wertpapiere gehen jeweils zu zehn Prozent in das Ausgangsportfolio für das Index Tracking mit ein. 5.6.1 Index Tracking und relative Optimierung Das nachfolgende Beispiel demonstriert die Bestimmung des Tracking Portfolios auf Grundlage der relativen Optimierung. Um die gezeigten Schritte im Detail nachvollziehen zu können, sollte das EXCEL-Modell in der Datei »Kapitel_5_Beispiele.xlsm« im Tabellenblatt »Index Tracking(1)« aufgerufen werden. Es empfiehlt sich, die Bearbeitung dieses Abschnitts in Verbindung mit der geöffneten EXCEL-Datei durchzuführen. Das Optimierungsproblem bei der Bestimmung des Tracking Portfolios auf Grundlage der relativen Optimierung entspricht prinzipiell der Minimierung des residualen bzw. aktiven Risikos, weshalb sich folgende Zielfunktion ergibt: (5.28) unter der Einhaltung der folgenden Nebenbedingungen: (Budgetrestriktion) mit Portfoliogewicht des i-ten Wertpapiers im Portfolio aktives Gewicht des i-ten Wertpapiers im Portfolio bzw. in Matrizenschreibweise: bzw. (5.29) (Leerverkaufsverbot) für alle (5.30) (Bestandsrestriktion) mind. 5 %; max. 50 % je Wertpapier (5.31) (Timing-Restriktion) , d.h. kein Timing mit Beta-Faktor des Portfolios gegenüber der Benchmark aktiver Beta-Faktor des Portfolios gegenüber der Benchmark (5.32) (Selektions- Restriktion) mit Alpha-Faktor des Tracking Portfolios (gegenüber der Benchmark) (5.33) <?page no="391"?> 392 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements Bei der Bestimmung des Tracking Portfolios wird gemäß Formel (5.28) die angegebene Zielfunktion minimiert, was unbedingt bei der späteren Einstellung der Solver- Parameter beachtet werden sollte. Weiterhin wird im Folgenden der Begriff Benchmark synonym für die zuvor eingeführte Bezeichnung des Target Portfolios verwendet. Um die relative Optimierung durchführen zu können, ist zunächst die Ermittlung einiger wichtiger Eingangsgrößen und die Festlegung von Annahmen notwendig. Dazu zählen: die erwarteten Renditen der Wertpapiere, die historischen Standardabweichungen, die Varianz-Kovarianz-Matrix sowie die Angabe eines risikolosen monatlichen Zinssatzes. Da der größte Teil der Inputparameter auf der Grundlage von Überschussrenditen berechnet wird, sollte zu Beginn der mit 4 % festgelegte jährliche risikolose Zinssatz (Geldmarktsatz) angepasst werden. Um eine Konformität zwischen der Periodizität der Wertpapierkurse und dem risikolosen Zinssatz zu erreichen, wird der jährliche risikolose Zinssatz aus Zelle AD12 in einen monatlichen risikolosen Zinssatz in Zelle AD13 transformiert. Abb. 135 gibt einen Überblick über alle relevanten Parameter der zugrundeliegenden Annahmen. 5.6.1.1 Vorbereitende Maßnahmen für das Index Tracking Die Vorbereitungen für die Nachbildung des Benchmark-Portfolios beschränken sich hauptsächlich auf das Laden und Speichern der historischen Zeitreihen der risikobehafteten Wertpapiere für das Tracking Portfolio sowie die anschließende Berechnung der diskreten Renditen, der historischen Standardabweichungen und der Varianz- Kovarianz-Matrix. Hierzu wird grundsätzlich auf die Datenbanken des Finanzdatenanbieters Yahoo Finance zurückgegriffen, um die historischen Kurse aus dem Internet zu beziehen und in das EXCEL-Modell zu übertragen. Im Anschluss daran erfolgt die Bestimmung der Überschussrenditen als Differenz zwischen den absoluten (Monats-)Renditen und dem zuvor ermittelten risikolosen (Monats-)Zinssatz. Die erwartete Rendite der jeweiligen Wertpapiere in Zeile AD21 bis AN21 ergibt sich aus dem historischen Mittelwert der zuvor ermittelten diskreten Überschussrenditen aus den Spalten P bis Z. Bei der Implementierung der Eingangsgrößen im EXCEL-Modell wird hauptsächlich auf die EXCEL-Funktion »Mittelwert()« zurückgegriffen. Die Berechnung der historischen Standardabweichung der einzelnen Wertpapiere in Zeile AD22 bis AN22 und auch die Bestimmung der Varianz- Kovarianz-Matrix erfolgen analog zu den erwarteten Renditen auf der Grundlage der zuvor berechneten diskreten Überschussrenditen. Da die Datengrundlage zur Berechnung der historischen Standardabweichung lediglich eine Stichprobe darstellt, wird bei der Umsetzung des Modells in EXCEL die Funktion »STABW.S()« verwendet. Bei der Berechnung der Varianz-Kovarianz-Matrix im Bereich Z28 bis AG35 wird auf die VBA-Funktion »VarCov()« zurückgegriffen. Je nach gewählter Periodizität der historischen Kurse (jährlich, monatlich, wöchentlich oder täglich) sollten zum Abschluss der Vorbereitungen alle zuvor ermittelten Eingangsgrößen mit dem entsprechenden Skalierungsfaktor annualisiert werden. Da <?page no="392"?> 5.6 Praktische Umsetzung in EXCEL 393 sich die Vorbereitungen der EXCEL-Beispiele weitestgehend entsprechen (vgl. Kapitel 4), soll an dieser Stelle lediglich ein kurzer Überblick über die Bestimmung der Eingangsgrößen für die spätere Bestimmung des Tracking Portfolios gegeben werden. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung AD12 risikoloser jährlicher Zinssatz Individueller Wert AD13 risikoloser monatlicher Zinssatz =(1+AD12)^(1/ 12)-1 C9 bis L119 Historische Kurse der Wertpapiere Individuelle Werte M9 bis M119 Historische Kurse der Benchmark (Euro Stoxx 50) Individuelle Werte P10 bis Z69 Diskrete monatliche Überschussrenditen =((C10/ C9)-1)-$AD$13 AD21 bis AN21 Erwartete Rendite =MITTELWERT(P10: P69)*12 AD22 bis AN22 Standardabweichung =STABW.S(P10: P69)*WURZEL(12) AD28 bis AN38 Varianz-Kovarianz-Matrix =VarCovar(P10: Z69) Tab. 35: Übersicht über die Datengrundlage und die Input-Parameter Abb. 135 zeigt den Anfang der verfügbaren Datengrundlage inklusive dem Beginn der Wertentwicklung des dazugehörigen Index Euro Stoxx 50. Abb. 135: Übersicht monatliche Überschussrenditen 5.6.1.2 Bestimmung der Alpha- und Beta-Faktoren Die Durchführung des Index Trackings erfordert die Berechnung der Alpha- und Beta-Faktoren für die einzelnen Wertpapiere des Tracking Portfolios. Unter der Annahme eines zugrundeliegenden linearen Renditegenerierungsprozesses (vgl. Kapitel 4) kann mit Hilfe einer linearen Regression die Schätzung der Alpha- und Beta-Faktoren auf Grundlage der dazugehörigen historischen Zeitreihen erfolgen. 359 359 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 220 ff. <?page no="393"?> 394 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements Bei der Schätzung der Alpha- und Beta-Faktoren wird im Rahmen der relativen Portfoliooptimierung und des Index Trackings auf die interne EXCEL-Funktion »RGP (Argumente)« zurückgegriffen. Die Eingabe der Formel ist mit der Tastenkombination STRG+SHIFT+EINGABE abzuschließen, weshalb es auch notwendig ist, die Berechnung für alle Wertpapiere einzeln durchzuführen. 360 Obwohl die Anwendung dieser EXCEL-Funktion im vorherigen Kapitel umfassend erläutert wurde, 361 sei der Leser darauf hingewiesen, dass sich für die letzte Position des Euro Stoxx 50 per Definition in Zelle AD53 ein Beta-Faktor von 1 und in AE53 ein Alpha-Faktor von 0 ergeben muss. 5.6.1.3 Durchführung des Index Trackings Noch vor der Durchführung des Index Trackings sollten gemäß Abb. 136 die Startgewichte in Spalte AD, die Portfoliogewichte in Spalte AE, die minimalen und maximalen Bestandsgrenzen der einzelnen Wertpapiere in den Spalten AF und AG, die Benchmark in Spalte AH sowie die aktiven Portfoliogewichte in Spalte AI im EXCEL-Modell implementiert werden. Tab. 35 gibt wichtige Hinweise im Hinblick auf etwaige Zellverknüpfungen. Abb. 136: Ausgangslage für das Index Tracking Durch die Auswahl der Startgewichte wird ein beliebiges Portfolio als Ausgangslösung für die spätere Optimierung festgelegt. Die Bestandsgrenzen der jeweiligen Wertpapiere im Portfolio werden gemäß der zuvor definierten Nebenbedingungen auf mindestens 5 % sowie auf maximal 40 % des Portfolios beschränkt. Die aktiven Gewichte ergeben sich entsprechend als Differenz (vgl. Formel (5.12)) zwischen den Portfoliogewichten in Spalte AE und der gleichgewichteten Benchmark in Spalte AH. Die Summe der jeweiligen Portfoliogewichte ergibt (mit Ausnahme von Zelle AF70 und Zelle AG70) stets einhundert Prozent. Abb. 136 gibt einen Überblick über die Ausgangslage für die spätere relative Optimierung. 360 Eine vertiefte Behandlung der Thematik in Bezug auf die Aufbereitung von Alpha- Prognosen im Rahmen der relativen Optimierung liefert etwa Kleeberg/ Schlenger (2002), S. 253 ff. 361 Eine detaillierte Erläuterung zur Verwendung der EXCEL-Funktion RGP() findet sich in Kapitel 4 in Abschnitt 4.4.2.2. 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 AB AC AD AE AF AG AH AI Wertpapier Startgewichte Portfoliogewicht Min Max Benchmark Aktive-Gewichte Danone 10,00% 5,00% 5,00% 40,00% 0,00% 5,00% Siemens 10,00% 5,00% 5,00% 40,00% 0,00% 5,00% BASF 10,00% 9,16% 5,00% 40,00% 0,00% 9,16% L'Oreal 10,00% 15,88% 5,00% 40,00% 0,00% 15,88% Allianz 10,00% 5,00% 5,00% 40,00% 0,00% 5,00% Telecom Italia 10,00% 12,03% 5,00% 40,00% 0,00% 12,03% Banco Santander 10,00% 9,86% 5,00% 40,00% 0,00% 9,86% Total 10,00% 19,69% 5,00% 40,00% 0,00% 19,69% BMW 10,00% 5,85% 5,00% 40,00% 0,00% 5,85% Vivendi 10,00% 12,54% 5,00% 40,00% 0,00% 12,54% EuroStoxx 50 0,00% 0,00% 100% -100,00% Summe 100,00% 100,00% 100,00% 0,00% <?page no="394"?> 5.6 Praktische Umsetzung in EXCEL 395 Abb. 137: Übersicht über die Kennzahlen und die Zielfunktion Im Anschluss daran sollten die in Abb. 137 dargestellten Kennzahlen, die Zielfunktion sowie die zahlreichen Nebenbedingungen im EXCEL-Modell eingegeben werden. Das Beta des Tracking Portfolios in Zelle AD73 lässt sich auf Grundlage der Formel: (5.34) mit Hilfe der Matrizenmultiplikation in EXCEL wie folgt umsetzen: Z71 = MMULT(MTRANS(AE59: AE69); AD43: AD53) Das Beta der zugeordneten Benchmark in Zelle AE73 wird in ähnlicher Weise wie das Beta des Tracking Portfolio umgesetzt, jedoch mit dem Unterschied, dass sich der Bezug der transponierten Portfoliogewichte nun auf die gleichgewichteten Portfolioanteile der Benchmark selbst bezieht. Das Beta der Benchmark besitzt nach der Durchführung des Index Trackings per Definition einen Wert von eins. AE73 = MMULT(MTRANS(AH59: AH69); AD43: AD53) Das Beta des aktiven Portfolios in Zelle AF73 ergibt sich analog zu den vorherigen Betrachtungen und sollte nach Abschluss der Optimierung den Wert eins annehmen. AF73 = MMULT(MTRANS(AI59: AI69); AD43: AD53) Die Berechnung des Portfolio-Alphas in Zelle AD74 erfolgt nach Formel (5.35) und wird in EXCEL analog zur Bestimmung des Betas für das Tracking Portfolio, das Benchmark-Portfolio und das aktive Portfolio implementiert. Die Berechnung des Betas wird im EXCEL-Modell durch die Eingabe folgender Formel umgesetzt: AD74 = MMULT(MTRANS(AE59: AE69); AE43: AE53) Das Alpha des Tracking Portfolios entspricht im Gegensatz zum Beta des Tracking Portfolios per Definition dem Wert null. Das aktive Alpha des Tracking Portfolios in Zelle AF74 ergibt sich aus der Gewichtung der aktiven Positionen aus Spalte AI mit dem Vektor der jeweiligen Alpha-Werte in Spalte AE. In der Regel entspricht das ermittelte aktive Alpha in Zelle AF74 dem Alpha des Tracking Portfolios in Zelle AD74. 71 72 73 74 75 76 77 78 79 AB AC AD AE AF Kennzahlen Tracking-Portfolio Benchmark Aktives Portfolio Beta: 1,00000 1,00000 0,00000 Alpha: 0,00000 0,00000 0,00000 Varianz: 0,0013996 0,0012665 0,0001331 Zielfunktion residuale Varianz: 0,0001331 <?page no="395"?> 396 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements AF74 = MMULT(MTRANS(AI59: AI69); AE43: AE53) Die Varianz des Tracking Portfolios in Zelle AD75 lässt sich auf Grundlage der nachfolgenden Formel bestimmen: (5.36) und kann im EXCEL-Modell mit der Eingabe von AD75 = MMULT(MMULT(MTRANS(AE59: AE69); AD28: AN38); AE59: AE69) in Zelle AD75 umgesetzt werden. Die Varianz des Benchmark-Portfolios in Zelle AE75 und die aktive Varianz in Zelle AF75 ergeben sich analog zu Formel (5.36) durch die Eingabe folgender Formel: AE75 = MMULT(MMULT(MTRANS(AH59: AH69); AD28: AN38); AH59: AH69) AF75 = MMULT(MMULT(MTRANS(AI59: AI69); AD28: AN38); AI59: AI69) Im Anschluss daran wird auf Grundlage der residualen Varianz in Zelle AD78 die Zielfunktion wie folgt ermittelt: bzw. (5.37) und durch die Eingabe nachfolgender EXCEL-Formel praktisch umgesetzt: AD73 =AF75-AF73^2*AE75 Die Standardabweichung der residualen Varianz lässt sich bei Bedarf aus der Wurzel der residualen Varianz bestimmen. Nach den abschließenden Vorbereitungen der Ausgangslage aus Abb. 136 und Abb. 137 kann mit Hilfe des Solvers die Bestimmung des Tracking-Portfolios erfolgen. Noch vor dem Start des Solvers, sollte zunächst sichergestellt werden, dass das dazu benötigte Add-In Solver in EXCEL installiert und aktiviert ist. Sollte dies nicht der Fall sein, kann im Reiter Entwicklertools Add-Ins Add-Ins ausgewählt werden, um zur Übersicht der verfügbaren Add-Ins zu gelangen. Ein Klick auf die Funktion erlaubt die Aktivierung der gewünschten Funktion Solver. Die mit Häkchen gekennzeichneten Funktionen sind bereits aktiviert. Im Anschluss daran wird der Solver im Reiter Daten Analyse Solver über ein Zusatzprogramm (Add-In) in EXCEL bereitgestellt. Nach dem Aufruf des Solvers sollte zunächst der Zellbezug zur gewünschten Zielfunktion festgelegt werden. In Abhängigkeit von der formalen Darstellung der zugrundeliegenden Zielfunktion sollte die Auswahl eines geeigneten Zielwerts getroffen werden. Im Allgemeinen können verschiedene Optimierungsprobleme minimiert oder maximiert werden. In diesem Fall wird bei der Auswahl des Zielwerts auf die Minimierung zurückgegriffen. Weitere festzulegende Parameter umfassen den variablen Wertebereich der Gewichte des Tracking Portfolios sowie die zu Beginn dargestellten Nebenbedingungen. Abb. 138 zeigt eine Übersicht aller relevanten Input-Parameter für die bevorstehende Bestimmung des Tracking Portfolios. Durch die Betätigung der <?page no="396"?> 5.6 Praktische Umsetzung in EXCEL 397 Schaltfläche Lösen beginnt der Solver mit der Lösung des zugrundeliegenden Optimierungsproblems. Abb. 138: Einstellung der Solver-Parameter für das Index Tracking Die in Abb. 138 dargestellte Übersicht der Solver-Parameter wurde im Zellbereich AC83 bis AC91 abgespeichert und kann über Laden/ Speichern Laden erneut aufgerufen werden. Nach Abschluss der Optimierung können die Ergebnisse des Index Trackings aus Abb. 139 entnommen werden. Abb. 139: Ergebnisse des Index Trackings auf Grundlage der relativen Optimierung <?page no="397"?> 398 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements 5.6.2 Index Tracking nach Markowitz Das nachfolgende Beispiel demonstriert die Bestimmung des Index Trackings nach Markowitz. Um die gezeigten Schritte im Detail nachvollziehen zu können, sollte das EXCEL-Modell in der Datei »Kapitel_5_Beispiele.xlsm« im Tabellenblatt »Index Tracking(2)« aufgerufen werden. Es empfiehlt sich, die Bearbeitung dieses Abschnitts in Verbindung mit der geöffneten EXCEL-Datei durchzuführen. Das Optimierungsproblem bei der Bestimmung des Tracking Portfolios nach Markowitz entspricht prinzipiell der Minimierung des Tracking Errors des Tracking Portfolios, weshalb sich folgende Zielfunktion ergibt: (5.38) unter Einhaltung der in Abschnitt 5.2 formulierten Nebenbedingungen. Dazu zählen Budgetrestriktionen, Leerverkaufsverbote sowie Mindest- und Höchstbestandsgrenzen. Bei der Bestimmung des Tracking Portfolios wird gemäß Formel (5.38) die angegebene Zielfunktion minimiert, was unbedingt bei der späteren Einstellung der Solver-Parameter beachtet werden sollte. Um die relative Optimierung durchführen zu können, ist zunächst die Bestimmung einiger wichtiger Eingangsgrößen sowie die Festlegung von Annahmen notwendig. Dazu zählen die erwarteten Renditen der Wertpapiere, die historischen Standardabweichungen, die Varianz-Kovarianz-Matrix sowie die Angabe eines risikolosen monatlichen Zinssatzes. Da die Vorgehensweise bei der Ermittlung der Datengrundlage grundsätzlich der verwendeten Methodik aus dem vorherigen Abschnitt entspricht, wird nachfolgend auf eine umfassende Erläuterung der notwendigen Schritte bewusst verzichtet. Die genaue Vorgehensweise zur Vorbereitung des Index Trackings ist aus Abschnitt 5.6.1.1 zu entnehmen. Im Rahmen dieses Beispiels wird ebenfalls der jährliche risikolose Zinssatz (Geldmarktsatz) mit 4 % festgelegt. Noch vor der Durchführung des Index Trackings nach Markowitz sollten gemäß Abb. 140 die Startgewichte in Spalte AD, die Portfoliogewichte in Spalte AE, die minimalen und die maximalen Bestandsgrenzen der einzelnen Wertpapiere in den Spalten AF und AG, die Benchmark in Spalte AH sowie die aktiven Portfoliogewichte in Spalte AI im EXCEL-Modell implementiert werden. Abb. 140 zeigt den grundsätzlichen Aufbau des Optimierungsproblems, das dem Index Tracking zugrundeliegt. Abb. 140: Ausgangslage für das Index Tracking 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 AB AC AD AE AF AG AH AI Wertpapier Startgewichte Portfoliogewicht Min Max Benchmark Aktive-Gewichte Danone 10,00% 5,00% 5,00% 40,00% 0,00% 5,00% Siemens 10,00% 5,00% 5,00% 40,00% 0,00% 5,00% BASF 10,00% 9,04% 5,00% 40,00% 0,00% 9,04% L'Oreal 10,00% 16,19% 5,00% 40,00% 0,00% 16,19% Allianz 10,00% 5,00% 5,00% 40,00% 0,00% 5,00% Telecom Italia 10,00% 11,81% 5,00% 40,00% 0,00% 11,81% Banco Santander 10,00% 9,98% 5,00% 40,00% 0,00% 9,98% Total 10,00% 19,15% 5,00% 40,00% 0,00% 19,15% BMW 10,00% 6,24% 5,00% 40,00% 0,00% 6,24% Vivendi 10,00% 12,58% 5,00% 40,00% 0,00% 12,58% EuroStoxx 50 0,00% 100% -100,00% Summe 100,00% 100,00% 100,00% 0,00% <?page no="398"?> 5.6 Praktische Umsetzung in EXCEL 399 Durch die Auswahl der Startgewichte wird ein naiv diversifiziertes Portfolio als Ausgangslösung für das spätere Index Tracking zugrundegelegt. Die Bestandsgrenzen der jeweiligen Wertpapiere im Portfolio werden gemäß der zuvor definierten Nebenbedingungen auf mindestens 5 % sowie auf maximal 40 % des Portfolios beschränkt. Die aktiven Gewichte in den Zellen AI43 bis AI53 ergeben sich aus der Differenz (vgl. Formel (5.12)) der Anteile des Tracking Portfolios in Spalte AE und der Benchmark in Spalte AH. Die Summe der jeweiligen Portfoliogewichte ergibt mit Ausnahme der Zellen AF54 und AG54 stets einhundert Prozent. Das Anlageuniversum der nachfolgenden Optimierung setzt sich aus dem Tracking Portfolio und der Benchmark zusammen. Da jedoch der Index (Euro Stoxx 50) nicht im Portfolio enthalten sein soll, wird der Benchmark ein Wert von Null zugewiesen. Im Umkehrschluss werden bei der Lösung des Optimierungsproblems lediglich diejenigen Wertpapiere berücksichtigt, welche nicht mit dem Wert „Null“ fixiert wurden. Die Eingangsgrößen sind für alle Wertpapiere des gesamten Anlageuniversums inklusive der Benchmark zur Lösung des Optimierungsproblems zu schätzen. Im Rahmen des Index Trackings geht die Portfoliostruktur der Benchmark nicht im Detail in die Berechnungen ein, sondern wird lediglich in Form eines synthetischen Index in das Optimierungsproblem integriert. 362 Nachdem die Ausgangslage des Index Trackings festgelegt wurde, kann die Zielfunktion in Verbindung mit den Nebenbedingungen in EXCEL umgesetzt werden. Abb. 141 zeigt eine Übersicht aller relevanten Kenngrößen für das spätere Index Tracking. Abb. 141: Übersicht über die Kennzahlen und Zielfunktion (Tracking Error) Im Anschluss daran werden die in Abb. 141 dargestellten Kennzahlen, die Zielfunktion sowie die zahlreichen Nebenbedingungen im EXCEL-Modell berechnet. Der Tracking Error des Tracking Portfolios in Zelle AD57 definiert sich wie folgt (5.39) und wird mit Hilfe der Matrizenmultiplikation im EXCEL-Modell folgendermaßen umgesetzt: AD57 = MMULT(MMULT(MTRANS(AI43: AI53); AD28: AN38); AI43: AI53) Die aktive Rendite des Tracking Portfolios stellt sich wie folgt dar (5.40) und lässt sich im Gegensatz zum Tracking Error im Rahmen einer einfachen Matrizenmultiplikation in Zelle AD58 leicht umsetzen: AD58 = MMULT(AD21: AN21; AI43: AI53) 362 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 282 55 56 57 58 59 AB AC AD AE Kennzahlen Tracking Error 0,0001330 Aktive Rendite 0,0000010 - <?page no="399"?> 400 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements Im Anschluss kann nun die Durchführung des Index Trackings mit Hilfe des Solvers erfolgen. Über den Reiter Daten Analyse Solver lässt sich die EXCEL-Funktion Solver aufrufen und erlaubt die manuelle Eingabe aller notwendigen Parameter. Abb. 142 zeigt in diesem Zusammenhang eine Übersicht aller relevanten Input-Parameter und definierten Nebenbedingungen für die bevorstehende Bestimmung des Tracking Portfolios. Durch die Betätigung der Schaltfläche Lösen beginnt der Solver mit der Lösung des zugrundeliegenden Optimierungsproblems. Abb. 142: Einstellung der Solver-Parameter für das Index Tracking Die in Abb. 142 dargestellte Übersicht der Solver-Parameter wurde im Zellbereich AC70 bis AC77 abgespeichert und kann im Solver über Laden/ Speichern Laden erneut aufgerufen werden. Nach Abschluss der Optimierung können die Ergebnisse des Index Trackings aus den Abb. 140, 141, 143 und Abb. 144 entnommen werden. Zur verfahrenstechnischen Beurteilung der Güte des Index Trackings können jeweils für den Schätz- und Validierungszeitraum der Tracking Error und die aktive Rendite bestimmt werden. Die Ergebnisse sind in Abb. 143 ersichtlich. Abb. 143: Vergleich der Güte der Index-Tracking-Ergebnisse 59 60 61 62 63 64 65 66 67 AB AC AD AE Schätzzeitraum Tracking Error 0,0012 Aktive Rendite 0,76% Validierungszeitraum Tracking Error 0,0043 Aktive Rendite -1,22% <?page no="400"?> 5.6 Praktische Umsetzung in EXCEL 401 Aus Abb. 143 geht hervor, dass sich der Tracking Error und auch die aktive Rendite für den Validierungszeitraum im Vergleich zum Schätzzeitraum durchaus ausdehnen bzw. in hohem Maße voneinander abweichen. Die teilweise doch recht unterschiedlichen Ergebnisse lassen keinesfalls den Rückschluss zu, dass der Ansatz des Index Trackings für eine praktische Anwendung untauglich erscheint, sondern bestätigen lediglich die vorangestellte Vermutung, dass auch hier eine nicht zu unterschätzende Schätzfehlerproblematik dem zu lösenden Optimierungsproblem zugrunde liegt. 363 Abb. 144 fasst die Ergebnisse des Index Trackings nochmals zusammen und stellt sie in einem Kuchendiagramm dar. Abb. 144: Ergebnisse des Index Trackings auf Grundlage der relativen Optimierung 5.6.3 Index Tracking auf Grundlage der Regression unter Nebenbedingungen Das nachfolgende Beispiel demonstriert die Bestimmung des Index Trackings auf Grundlage der Regression unter Nebenbedingungen. Um die gezeigten Schritte im Detail nachvollziehen zu können, sollte das EXCEL-Modell in der Datei »Kapitel_5_Beispiele.xlsm« im Tabellenblatt »Index Tracking(3)« aufgerufen werden. Es empfiehlt sich, die Bearbeitung dieses Abschnitts in Verbindung mit der geöffneten EXCEL-Datei durchzuführen. Im Gegensatz zu den Ausführungen des vorherigen Abschnitts konzentriert sich der folgende Ansatz auf die Minimierung der Renditedifferenz zwischen dem Benchmark Portfolio und dem Tracking Portfolio, weshalb sich folgende Zielfunktion ergibt (5.41) unter Einhaltung der in Abschnitt 5.2 formulierten Nebenbedingungen. Dazu zählen Budgetrestriktionen, Leerverkaufsverbote sowie Mindest- und Höchstbestandsgrenzen. 363 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 285 <?page no="401"?> 402 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements Bei der Bestimmung des Tracking Portfolios wird gemäß Formel (5.41) die angegebene Zielfunktion minimiert, was unbedingt bei der späteren Einstellung der Solver- Parameter beachtet werden sollte. Um das Index Tracking durchführen zu können, ist zunächst die Bestimmung einiger wichtiger Eingangsgrößen sowie die Festlegung eines risikolosen Zinssatzes notwendig. Dazu zählen die erwarteten Renditen der Wertpapiere, die historischen Standardabweichungen, die Varianz-Kovarianz-Matrix sowie die Angabe eines risikolosen monatlichen Zinssatzes. Da die Vorgehensweise bei der Ermittlung der Datengrundlage grundsätzlich der verwendeten Methodik aus den vorherigen Abschnitten entspricht, wird im Folgenden auf eine umfassende Erläuterung der notwendigen Schritte bewusst verzichtet. Die genaue Vorgehensweise zur Vorbereitung des Index Trackings ist aus Abschnitt 5.6.1.1 zu entnehmen. Im Rahmen dieses Beispiels wird ebenfalls der jährliche risikolose Zinssatz (Geldmarktsatz) mit 4 % festgelegt. Noch vor der Durchführung des Index Trackings auf Grundlage der Regression unter Nebenbedingungen sollten gemäß Abb. 145 die Startgewichte in Spalte AF, die Portfoliogewichte in Spalte AG, die minimalen und die maximalen Bestandsgrenzen der einzelnen Wertpapiere in den Spalten AH und AI, die Benchmark in Spalte AJ sowie die aktiven Portfoliogewichte in Spalte AK im EXCEL-Modell gemäß der nachfolgenden Abbildung eingefügt werden. Abb. 145 zeigt den Aufbau des dem Index Tracking zugrundeliegenden Optimierungsproblems. Abb. 145: Ausgangslage für das Index Tracking Bei der Auswahl der Startgewichte wird ein naiv diversifiziertes Portfolio als Ausgangslösung für das spätere Index Tracking zugrundegelegt. Die Bestandsgrenzen der jeweiligen Wertpapiere im Portfolio werden gemäß der zuvor definierten Nebenbedingungen auf mindestens 5 % sowie auf maximal 40 % des Portfolios festgesetzt. Die aktiven Gewichte in den Zellen AK29 bis AK38 ergeben sich aus der Differenz (vgl. Formel (5.12)) der Anteile des Tracking Portfolios in Spalte AG und der Benchmark in Spalte AJ. Die Summe der jeweiligen Portfoliogewichte ergibt mit Ausnahme der Zellen AH40 und AI40 stets einhundert Prozent. Das Anlageuniversum der nachfolgenden Optimierung setzt sich aus der Vereinigungsmenge des Tracking Portfolios und der Benchmark zusammen. Da der Index (Euro Stoxx 50) nicht im Portfolio enthalten sein soll, wird der Benchmark ein Wert von null zugewiesen und bei der Durchführung des Index Trackings wie ein synthetischer Index behandelt. Im Umkehrschluss werden bei der Lösung des Optimierungsproblems lediglich diejenigen Wertpapiere berücksichtigt, welche nicht mit dem Wert null fixiert wurden. Die Eingangsgrößen sind für alle Wertpapiere des gesamten Anlageuniversums, also inklusive der Benchmark zur Lösung des Optimierungsproblems zu schätzen. 364 Da die Benchmark 364 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 282 <?page no="402"?> 5.6 Praktische Umsetzung in EXCEL 403 in diesem Fall fixiert ist, werden die jeweiligen Anteile der Benchmark im Gegensatz zum Tracking Portfolio nicht dem variablen Anteil des Optimierungsproblems zugeordnet. Da die Portfoliostruktur der Benchmark grundsätzlich exogenen Einflüssen unterliegt und diese sich im Laufe des Optimierungsprozesses nicht mehr ändert, stehen die Renditen der Benchmark schon vor der Durchführung des Index Tracking fest. Die Zusammensetzung des Tracking Portfolios stellt die variable Komponente bei der Lösung des Optimierungsproblems dar. Im Umkehrschluss führt das jedoch zu der Annahme, dass die Renditen des Tracking Portfolios dem Verlauf der Optimierung unterliegen und damit im Gegensatz zu den Renditen der Benchmark nicht direkt zu beobachten sind. Im Verlauf der Optimierung sind diejenigen Werte gesucht, für welche der Wert der zuvor vorgestellten Zielfunktion (vgl. Formel (5.41)) minimal wird. Es gilt folgender Zusammenhang: (5.42) Aufgrund des zuvor erläuterten Zusammenhangs wird die in Abb. 145 dargestellte Ausgangslage um die Spalten AA und AB erweitert, um die aktiven Renditen sowie die quadrierten aktiven Renditen bestimmen zu können. Abb. 146 nimmt Bezug auf die erläuterte Erweiterung der Ausgangslage. Abb. 146: Erweiterung der Ausgangslage Nachdem die Ausgangslage des Index Trackings festgelegt worden ist, kann die Zielfunktion in Verbindung mit den Nebenbedingungen in EXCEL umgesetzt werden. Abb. 147 zeigt eine Übersicht aller relevanten Kenngrößen für das spätere Index Tracking. Abb. 147: Übersicht über die Kennzahlen und die Zielfunktion Die Zielfunktion wird entgegen den vorherigen Beispielen nicht direkt in einer Zelle eingesetzt, sondern setzt sich aus mehreren verschachtelten Komponenten zusammen. In der Zelle der Zielfunktion wird zunächst einmal die Summe der aktiven quadrierten Renditen ermittelt. Der Wert der Summe ist gemäß Formel (5.42) unmittelbar von den Renditen der gewichteten Anteile des Tracking Portfolios abhängig. Durch die kontinuierliche Veränderung der Struktur des Tracking Portfolios im Rahmen des Index- <?page no="403"?> 404 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements Tracking-Prozesses kommt es demnach zu unterschiedlichen Summen der aktiven quadrierten Renditen. Durch die Festlegung eines gesuchten Minimums in den Solver- Parametern wird diejenige Portfoliozusammensetzung gesucht, welche die Summe der aktiven quadrierten Renditen minimiert. Im Anschluss wird die Zielfunktion um die Kennzahl des Tracking Errors in Zelle AF46 ergänzt. Im nächsten Schritt kann mit Hilfe des Solvers die manuelle Eingabe der zuvor definierten Nebenbedingungen erfolgen. Über den Reiter Daten Analyse Solver lässt sich die EXCEL-Funktion Solver aufrufen und erlaubt die Auswahl und Festlegung aller notwendigen Parameter. Abb. 148 zeigt eine Übersicht aller relevanten Input- Parameter und definierten Nebenbedingungen für die bevorstehende Bestimmung des Tracking Portfolios. Durch die Betätigung der Schaltfläche Lösen beginnt der Solver mit der Lösung des zugrundeliegenden Optimierungsproblems. Abb. 148: Einstellung der Solver-Parameter für das Index Tracking Die in Abb. 148 dargestellte Übersicht der Solver-Parameter wurde im Zellbereich AE58 bis AE64 abgespeichert und kann alternativ im Solver über Laden/ Speichern Laden aufgerufen werden. Nach Abschluss der Optimierung können die Ergebnisse des Index Trackings aus den Abb. 145 und Abb. 147 entnommen werden. Zur Beurteilung der Güte des Index Trackings können für den Schätz- und Validierungszeitraum der Tracking Error und die aktive Rendite bestimmt werden. Die Ergebnisse sind in Abb. 149 ersichtlich. <?page no="404"?> 5.6 Praktische Umsetzung in EXCEL 405 Abb. 149: Vergleich der Güte der Index Tracking-Ergebnisse Aus Abb. 149 geht hervor, dass sich der Tracking Error und auch die aktive Rendite für den Validierungszeitraum im Vergleich zum Schätzzeitraum ausdehnen bzw. diese in hohem Maße voneinander abweichen. Im Vergleich zu den vorherigen Beispielen liefert das Index Tracking auf Grundlage der Regression unter Nebenbedingungen ähnliche Ergebnisse. An dieser Stelle sollte darauf hingewiesen werden, dass der dargestellte Ansatz analog zum vorherigen Beispiel durch die Integration der erwarteten Renditen der Wertpapiere des Tracking Portfolios und der Benchmark gleichermaßen der erläuterten Schätzfehlerproblematik unterliegt. Abb. 150 fasst die Ergebnisse des Index Trackings nochmals zusammen und stellt sie in einem Kuchendiagramm dar. Abb. 150: Ergebnisse des Index Trackings auf Grundlage der Regression 5.6.4 Index Tracking und lineare Optimierung Das nachfolgende Beispiel demonstriert die Bestimmung des Index Trackings auf Grundlage der linearen Optimierung. Um die gezeigten Schritte im Detail nachvollziehen zu können, sollte das EXCEL-Modell in der Datei »Kapitel_5_Beispiele.xlsm« im Tabellenblatt »Index Tracking(4)« aufgerufen werden. Es empfiehlt sich, die Bearbeitung dieses Abschnitts in Verbindung mit der geöffneten EXCEL-Datei durchzuführen. Im Verlauf der linearen Optimierung sind insgesamt Werte von N+T+T Problemvariablen zu bestimmen. Dazu gehören die Werte der N Portfolioanteile des Tracking <?page no="405"?> 406 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements Portfolios, die T Werte für die positiven Renditeabweichungen sowie die T Werte für die negativen Renditeabweichungen . Der Grundgedanke des linearen Optimierungsansatzes besteht darin, die Werte der Anteile des Tracking Portfolios in Verbindung mit dem Restfehler gemeinsam zu ermitteln, sodass im Beobachtungszeitraum einerseits die Rendite des Tracking Portfolios unter Berücksichtigung des Restfehlers der Rendite des Benchmark-Portfolios entspricht und andererseits die Summe der negativen Restfehler minimiert wird. 365 Die Zielfunktion des erläuterten Optimierungsansatzes lautet wie folgt (5.43) unter Einhaltung folgender Nebenbedingungen: für alle Zeitpunkte (5.44) (Budgetrestriktion) (5.45) (Leerverkaufsverbot) für alle Wertpapiere (5.46) für alle Zeitpunkte (5.47) für alle Zeitpunkte (5.48) bzw. (Bestandsgrenzen) für alle Wertpapiere (5.49) Bei der Bestimmung des Tracking Portfolios wird gemäß Formel (5.43) die angegebene Zielfunktion minimiert, was unbedingt bei der späteren Einstellung der Solver- Parameter beachtet werden sollte. Da sich die eigentlich zu minimierende Zielfunktion auf eine Ex-ante-Betrachtung der Kenngrößen bezieht, wird das Tracking Portfolio aufgrund der strukturellen Konformität anhand der ex post formulierten Zielfunktion ermittelt. Der Ansatz der linearen Optimierung unterliegt ebenfalls einer Schätzfehlerproblematik. Der spätere Erfolg des Tracking Portfolios ist in hohem Maße von der Güte der Ex-post-Schätzung abhängig. Ein weiterer Aspekt der bei der Anwendung des Index Trackings berücksichtigt werden sollte, spiegelt sich im erhöhten Aufwand im Umgang mit den dargestellten Problemvariablen wider. Da es sich um ein lineares Optimierungsproblem handelt, kann mit dem Simplexalgorithmus auf einen leistungsfähigen Algorithmus zur Lösung des Optimierungsproblems zurückgegriffen werden. 366 365 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 275 366 Vgl. Brinkmann/ Poddig/ Seiler (2009), S. 276 <?page no="406"?> 5.6 Praktische Umsetzung in EXCEL 407 Um das Index Tracking auf Grundlage der linearen Optimierung durchführen zu können, ist zunächst die Bestimmung und Festlegung einiger wichtiger Eingangsgrößen notwendig. Da die Zielfunktion vor dem Hintergrund einer Ex-post-Betrachtung minimiert werden soll, sind zunächst die erwarteten Renditen der Wertpapiere des Tracking Portfolios zu bestimmen. Obwohl im EXCEL-Modell die Standardabweichung für die Wertpapiere des Tracking Portfolios ausgewiesen wird, ist eine explizite Berechnung dieser Kenngröße nicht unbedingt notwendig. Auf die Bestimmung der Varianz-Kovarianz-Matrix kann an dieser Stelle vollständig verzichtet werden. Da die Vorgehensweise bei der Ermittlung der Datengrundlage grundsätzlich der verwendeten Methodik aus den vorherigen Abschnitten ähnelt, wird nachfolgend nur noch auf bemerkenswerte Erweiterungen und Änderungen im Detail eingegangen. Die Überschussrenditen der Wertpapiere des Tracking Portfolios werden entsprechend den Erläuterungen aus den vorherigen Abschnitten bestimmt. Die Übersicht über die Umsetzung des EXCEL-Modells gibt in diesem Zusammenhang wichtige Hinweise. Die Umsetzung der EXCEL-Fallstudie lässt sich auf Grundlage der vorherigen Abschnitte nachvollziehen. Die genaue Vorgehensweise zur Vorbereitung des Index Trackings ist aus Abschnitt 5.6.1.1 ff. zu entnehmen. Nach Abschluss der Berechnungen der Überschussrenditen wird für die spätere Durchführung des Index Trackings die bisherige Datengrundlage um vier neue Spalten erweitert. Abb. 151 gibt einen Überblick über die erweiterten Spalten der Ausgangslage. In Spalte AA wird mit Hilfe der Matrizenmultiplikation für jeden Zeitpunkt die Rendite des Tracking Portfolios ermittelt. Die Werte der Spalten AB und AC enthalten die Differenzen der positiven und negativen Abweichungen und sollten noch vor Beginn der linearen Optimierung auf den Wert null festgelegt werden. Im Rahmen des Index Trackings verändern sich während des Optimierungsprozesses die Werte der Spalten AB und AC. Um die in Formel (5.44) dargestellte Nebenbedingung im EXCEL-Modell umsetzen zu können, wird in Spalte AD von der Rendite des Tracking Portfolios die positive Abweichung abgezogen sowie die negative Abweichung hinzugefügt. Die Zielrendite in Spalte AE resultiert aus der Rendite der Benchmark. Abb. 151: Erweiterung der bisherigen Datengrundlage Der Vergleich verschiedener Kennzahlen, wie Tracking Error, sowie die aktive Rendite des Tracking Portfolios im Schätz- und Validierungszeitraum erfordert die Umsetzung einer Nebenrechnung, in der die positive und auch negative Differenz bzw. aktive Rendite des Tracking Portfolios berechnet werden. Tab. 36 stellt die Erweiterung der Ausgangslage und Umsetzung der Nebenrechnung in den Spalten AG bis AI dar. <?page no="407"?> 408 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements Position Inhalt EXCEL-Umsetzung AM12 risikoloser jährlicher Zinssatz Individueller Wert AM13 risikoloser monatlicher Zinssatz =(1+AD12)^(1/ 12)-1 C9 bis M119 Historische Kurse der Wertpapiere und der Benchmark Individuelle Werte P10 bis Z69 Diskrete monatliche Überschussrenditen =((C10/ C9)-1)-$AD$13 Spalte AA Rendite des Tracking Portfolios =MMULT(P10: Y10; $AN$29: $AN$38) Spalte AB D + Individuelle Werte z.B. 0 Spalte AC D - Individuelle Werte z.B. 0 Spalte AD R - (D + ) + (D - ) =AA10-AB10+AC10 Spalte AE Zielrendite =Z10 Spalte AG Nebenrechnung D + =WENN(AA10-AE10>0; AA10-AE10; 0) Spalte AH Nebenrechnung D - =WENN(AA10-AE10<0; AE10-AA10; 0) Spalte AI Aktive Rendite des Tracking Portfolios =AA10-AE10 AD21 bis AN21 Erwartete Rendite =MITTELWERT(P10: P69)*12 AD22 bis AN22 Standardabweichung =STABW.S(P10: P69)*WURZEL(12) Tab. 36: Umsetzung der erweiterten Datengrundlage im EXCEL-Modell Noch vor der Durchführung des Index Trackings auf Grundlage der linearen Optimierung sollten gemäß Abb. 152 die Startgewichte in Spalte AM für die Lösung des Optimierungsproblems, die Anteilsgewichte des Tracking Portfolios in Spalte AN, die minimalen und maximalen Bestandsgrenzen der einzelnen Wertpapiere in den Spalten AO und AP im EXCEL-Modell eingefügt werden. Abb. 152 zeigt hierzu den grundsätzlichen Aufbau des Index Trackings. <?page no="408"?> 5.6 Praktische Umsetzung in EXCEL 409 Abb. 152: Aufbau und Ergebnisse des Index Trackings Nachdem die Ausgangslage des Index Trackings festgelegt worden ist, kann die Zielfunktion in Verbindung mit den Nebenbedingungen in EXCEL umgesetzt werden. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung AM29 bis AM38 Startgewichte Individuelle Werte z.B. 10 % AN29 bis AN 39 Anteilsgewicht des Tracking Portfolios Individuelle Werte AO29 bis AO 39 Bestandsgrenze Minimum Individuelle Werte AP29 bis AP 39 Bestandsgrenze Maximum Individuelle Werte AM43 Summe D + =SUMME(AB10: AB69) AM44 Zielfunktion Summe D - =SUMME(AC10: AC69) AM45 Summe D + und D - =SUMME(AD10: AD69) AM48 Tracking Error =VARIANZEN(AI9: AI69) AM49 Aktive Rendite =MITTELWERT(AI9: AI69) AM50 Positive Differenz D + =SUMME(AG10: AG69) AM51 Negative Differenz D - =SUMME(AH9: AH69) AM51 Summe D + und D - =AM50+AM51 Tab. 37: Umsetzung des EXCEL-Modells Danach kann für die spätere Durchführung des Index Trackings mit Hilfe des Solvers die manuelle Eingabe der zuvor definierten Nebenbedingungen erfolgen. Über den Reiter Daten Analyse Solver lässt sich die EXCEL-Funktion Solver aufrufen und erlaubt die Auswahl und Festlegung aller notwendigen Parameter. Die Zielfunktion des 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 AK AL AM AN AO AP Wertpapier Startgewichte Portfoliogewicht Minimum Maximum Danone 10,00% 6,49% 5,00% 40,00% Siemens 10,00% 8,89% 5,00% 40,00% BASF 10,00% 15,27% 5,00% 40,00% L'Oreal 10,00% 5,61% 5,00% 40,00% Allianz 10,00% 5,00% 5,00% 40,00% Telecom Italia 10,00% 5,00% 5,00% 40,00% Banco Santander 10,00% 12,56% 5,00% 40,00% Total 10,00% 18,53% 5,00% 40,00% BMW 10,00% 5,00% 5,00% 40,00% Vivendi 10,00% 17,65% 5,00% 40,00% EuroStoxx 50 0,00% 5,00% 40,00% Summe 100,00% 100,00% Zielfunktion Parameter Summe D+ 0,3547 0,22318420 Summe D- 0,2232 130 Summe D+ und D- 0,4552 FALSCH WAHR <?page no="409"?> 410 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements linearen Optimierungsproblems bezieht sich auf die Summe D - in Zelle AM44. Neben den Anteilsgewichten des Tracking Portfolios in den Zellen AN29 bis AN38 gehören die positiven und auch die negativen Differenzen in den Spalten AB und AC ebenfalls zur veränderlichen Komponente des Optimierungsproblems. Eine detaillierte Übersicht der zugrundeliegenden Nebenbedingungen ist Abb. 153 zu entnehmen. Weiterhin gilt es zu beachten, dass es sich bei dem vorliegenden Optimierungsansatz um ein lineares Optimierungsproblem handelt. Aus diesem Grund sollte dieser Um Abb. 153: Übersicht der Nebenbedingungen Die in Abb. 153 dargestellte Übersicht der Solver-Parameter wurde im Zellbereich AO43 bis AO50 abgespeichert und kann alternativ im Solver über Laden/ Speichern Laden erneut aufgerufen werden. Durch die Betätigung der Schaltfläche Lösen beginnt der Solver mit der Lösung des zugrundeliegenden Optimierungsproblems. Nach Abschluss der linearen Optimierung ergibt sich die in Abb. 154 dargestellte Portfoliostruktur für das Tracking Portfolio. Im Vergleich zu den Ergebnissen der vorherigen Optimierungsansätze grenzt sich die Zusammensetzung des Tracking Portfolios auf Grundlage der linearen Optimierung von den verbleibenden Tracking Portfolios sichtlich ab (vgl. Tab. 38). <?page no="410"?> 5.7 Praktische Umsetzung in MATLAB 411 Relative Opt Markowitz Regression Lineare Opt Danone 5,00 % 5,00 % 5,00 % 6,44 % Siemens 5,00 % 5,00 % 5,00 % 8,97 % BASF 9,06 % 8,96 % 11,76 % 15,57 % L'Oreal 16,02 % 16,30 % 14,83 % 5,73 % Allianz 5,00 % 5,00 % 5,00 % 5,00 % Telecom Italia 11,96 % 11,75 % 8,71 % 5,00 % Banco Santander 9,99 % 10,09 % 11,44 % 12,68 % Total 19,58 % 19,10 % 18,74 % 18,25 % BMW 5,88 % 6,25 % 5,13 % 5,00 % Vivendi 12,51 % 12,54 % 14,38 % 17,36 % Tab. 38: Die Zusammensetzung der Tracking Portfolios im Vergleich Abb. 154: Die Zusammensetzung der Tracking Portfolios im Vergleich 5.7 Praktische Umsetzung in MATLAB Eine Umsetzung der in diesem Kapitel vorgestellten Ansätze zum Index Tracking in MATLAB ist zwar grundsätzlich möglich, stellt jedoch durch die dazu notwendige Einbindung umfangreicher Optimierungsalgorithmen in Form von externen Skripten und Bibliotheken einen erheblichen Aufwand dar. In diesem Zusammenhang sei beispielsweise die Einbindung genetischer Algorithmen in MATLAB genannt. Aus diesem Grund möchten wir von einer detaillierten Erläuterung einer praktischen Umsetzung in MATLAB absehen, da eine umfassende Darstellung der dazu benötigten Kenntnisse die Bandbreite dieses Buches bei weitem übersteigen würde. In diesem Fall ist Microsoft EXCEL das Mittel der Wahl. 0% 20% 40% 60% 80% 100% Relative Opt Markowitz Regression Lineare Opt Danone Siemens BASF L'Oreal Allianz Telecom Italia Banco Santander Total <?page no="411"?> 412 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements 5.8 Schlussbetrachtung Indexfonds in Form von Exchange Traded Funds und die zugrundeliegenden Ansätze zur Bildung eines Tracking Portfolios bieten dem Kapitalanleger viele Vorteile. Der wichtigste Vorteil sollte jedoch vorweggenommen werden, die kostengünstige Diversifikation auf Indexebene. Durch die Beimischung eines Indexfonds auf den Dow Jones Industrial Average können beispielsweise ohne aktives Portfolio Management etwa 70 Prozent der US-amerikanischen und etwa 35 Prozent der weltweiten Marktkapitalisierung in einem Wertpapierportfolio abgedeckt werden. Ein weiterer Pluspunkt von ETFs spiegelt sich in der einfachen Art und Weise wider, durch Branchen-ETFs gezielt bestimmte Branchen einfach und kostengünstig im Rahmen der Asset Allocation überzugewichten. Weitere Vorteile finden ihren Ausdruck in der niedrigen Gesamtkostenquote (Abk. TER), da der überwiegende Anteil an ETFs einerseits keinem Ausgabeaufschlag bzw. keinen Rücknahmegebühren unterliegt und andererseits niedrige Verwaltungsgebühren bietet. Durch den fortlaufenden Börsenhandel und die hohe Liquidität von ETFs bieten Indexfonds eine geringe Handelspanne (Spread). Da Indexfonds grundsätzlich auch keinen Fälligkeitstermin besitzen, unterliegt der Kapitalanleger auch keinem direkten Wiederanlagerisiko. Den dargestellten Chancen stehen natürlich in gleicher Weise Risiken gegenüber, die dem Kapitalanleger jederzeit bewusst sein sollten. In erster Linie trägt der Kapitalanleger wirtschaftliche Risiken, die vorrangig makroökonomischer Natur in Verbindung mit politischen Einflüssen sind. Durch die Kapitalgewichtung innerhalb des Indexfonds besitzen Branchen und einzelne Aktien einen umso größeren Einfluss auf die übergeordnete Wertentwicklung des Marktindex, je höher die Marktbewertung der Branchen oder des Unternehmens ist. Aus diesem Grund unterliegt ein Indexfonds dem grundlegenden Prinzip des prozyklischen Investierens. Es liegt also ein Anlegerverhalten zugrunde, das dem übergeordneten Trend des Marktes unentwegt folgt. Hierbei gehen steigende Kurse unmittelbar mit Kaufaufträgen und fallende Kurse unweigerlich mit Verkaufsaufträgen einher. Im Rahmen von kapitalgewichteten Indexfonds zeigt eine Anfang der 1990er Jahre getätigte Investition in den MSCI World, der das globale Anlagespektrum im Aktienbereich abdeckt, ein gegenteiliges Bild. Zu diesem Zeitpunkt trugen japanische Aktien bis zu 40 Prozent zu der Indexzusammensetzung des MSCI World bei. Im Verlauf der 1990er Jahre verzeichneten japanische Aktien jedoch massive Kursverluste, was sich auch im übergeordneten Marktindex widerspiegelte. Die Kostenstruktur eines Indexfonds wird vorrangig durch den Einsatz von Derivaten erreicht, die mitunter ein präsentes Kontrahentenrisiko beherbergen, da ein Ausfallrisiko seitens der Vertragspartner im derzeitigen Marktumfeld nicht auszuschließen ist. Vor diesem Hintergrund kann zusammenfassend festgestellt werden, dass Indexfonds einerseits einfach durchführbar sind und andererseits durch deren transparente und günstige Kostenstruktur eine echte Anlagealternative zu aktiv verwalteten Investmentfonds darstellen. Ein Kapitalanleger sollte sich dem zugrundeliegenden prozyklischen Investieren, einem etwaigen Kontrahentenrisiko und den mit der gewichteten Marktkapitalisierung verbundenen Risiken bewusst sein. 5.9 Zusammenfassung Die Umsetzung von passiven Anlagestrategien im Portfolio Management verfolgt das grundlegende Ziel, durch Bildung eines Tracking Portfolios die Wertentwicklung einer zugrundeliegenden Benchmark detailliert und kontinuierlich abzubilden. <?page no="412"?> 5.9 Zusammenfassung 413 Die Umsetzung des passiven Portfolio Managements erscheint aufgrund der Prognoseproblematik und bei Ablehnung der Markteffizienzhypothese als äußert vorteilhaft. Bei Vorlage effizienter Kapitalmärkte kann auf Grundlage eines Informationsvorsprungs und der anschließenden Antizipation von Marktbewegungen langfristig keine Überschussrendite (engl. out-performance) im Vergleich zum zugrundeliegenden Index oder der Benchmark erzielt werden. Durch die Annahme einer strengen Markteffizienz, eines vergleichsweise schlechten aktiven Portfolio Managements und einer günstigeren Kostenstruktur stellen Investmentfonds eine interessante Anlagemöglichkeit dar. Die möglichst exakte Nachbildung eines Zielportfolios (Target Portfolio) durch ein tatsächlich realisierbares Portfolio (Tracking Portfolio) wird in der Fachliteratur auch als Index Tracking bezeichnet. Die Replikation eines Marktindex oder einer Benchmark kann in der Praxis entweder auf Grundlage der jeweiligen Marktkapitalisierung (engl. Full Replication) vollständig abgebildet oder approximativ mit derivativen Finanzinstrumenten nachgebildet (engl. sampling) werden. Der Tracking Error beschreibt im Allgemeinen die Standardabweichung der Renditedifferenz zwischen dem Portfolio und der Benchmark. Die Kennzahl quantifiziert, inwieweit die Rendite des Portfolios systematisch von der Benchmark abweichen kann. Je niedriger der Tracking Error ausfällt, umso mehr entspricht das Risiko des Tracking Portfolios dem Risiko der ausgewählten Benchmark. Je höher der Tracking Error ausfällt, desto größere Abweichungen sind bei der Entwicklung des Tracking Portfolios und der Benchmark festzustellen bzw. zu erwarten. Das Index Tracking auf Grundlage der relativen Portfoliooptimierung widmet sich maßgeblich der Minimierung des aktiven Risikos des Tracking Portfolios. Die Timing-Komponente wird dabei komplett ausgeblendet. Eine hinreichend genaue Bestimmung der Alpha- und Beta-Faktoren stellt eine tragende Rolle im Index Tracking dar. Im Rahmen des Index Trackings kann es aufgrund der verschiedenen Zusammensetzungen des Tracking- und Benchmark-Portfolios zu temporären, jedoch unsystematischen Abweichungen der Rendite kommen. Es kommt zu einem unvermeidbaren Selektionsrisiko. Beim Index Tracking wird deshalb versucht, das angesprochene Selektionsrisiko so gering wie möglich zu halten. Die Anlageuniversen von Benchmark-Portfolio und Tracking Portfolio unterscheiden sich oftmals sehr stark, da das Tracking Portfolio aus Kostengründen im Vergleich zum Benchmark-Portfolio weitaus weniger Wertpapiere enthält. Die optimale Umsetzung eines Tracking Portfolios nach M ARKOWITZ setzt eine aktive Rendite und auch ein aktives Risiko von null voraus. Die zugrundeliegende Zielfunktion beschreibt die Minimierung des aktiven Risikos des Tracking Portfolios. Das Tracking Portfolio besitzt unter Umständen eine negative Rendite sowie einen abweichenden Beta-Faktor und enthält dadurch eine unbeabsichtigte Timing-Komponente sowie eine erhebliche Schätzfehlerproblematik. Das Index Tracking auf Grundlage der linearen Regression konzentriert sich bei der Minimierung der zugrundeliegenden Zielfunktion vorrangig auf die Minimierung der quadrierten aktiven Rendite. Das Index Tracking auf Grundlage einer Regressi- <?page no="413"?> 414 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements on verfolgt im Rahmen der Optimierung das Ziel, die mittlere quadratische Abweichung zwischen der Rendite des Portfolios und der Benchmark auf ein Mindestmaß zu minimieren. Die Zielfunktion ist von der Struktur her identisch mit der Funktion der Kleinste- Quadrate-Schätzung bei einer multivariaten linearen Regressionsanalyse. Aus diesem Grund spricht man auch oftmals von einer Regression unter Nebenbedingungen. Bei der Umsetzung der linearen Optimierung wird einerseits davon ausgegangen, dass ein Kapitalanleger die Rendite der zugrundeliegenden Benchmark unter keinen Umständen unterschreiten möchte, und andererseits, dass der zuständige Portfolio- Manager positive Abweichungen von der Benchmark als durchaus angenehm empfindet. Es liegt also ein einseitiges Risikoverständnis des Kapitalanlegers vor. Die ideale Umsetzung des Tracking Portfolios auf Grundlage der linearen Optimierung wird hauptsächlich durch die Minimierung der erwarteten Verluste des Kapitalanlegers bei gleichzeitiger Erhaltung von Chancen etwaig auftretender Überschüsse bestimmt. 5.10 Fragen zu Kapitel 5 Frage (1) Im Rahmen des passiven Portfolio Managements wird kontinuierlich versucht, die Wertentwicklung eines Marktindex zu übertreffen. Wahr Falsch Frage (2) Die Methoden des passiven Portfolio Managements unterliegen nicht der Schätzfehlerproblematik. Wahr Falsch Frage (3) Eine wichtige Voraussetzung für die Durchführung des Index Trackings stellt die Annahme einer strengen Markteffizienz dar. Wahr Falsch Frage (4) Die durch das Index Tracking verwalteten Indexfonds (ETF) zeichnen sich vor allem durch deren günstige Kostenstruktur aus. Wahr Falsch <?page no="414"?> 5.10 Fragen zu Kapitel 5 415 Frage (5) Der Tracking Error beschreibt die Standardabweichung der Renditedifferenz zwischen dem Tracking Portfolio und dem Target Portfolio. Wahr Falsch Frage (6) Je niedriger der Tracking Error ausfällt, umso weniger entspricht das Risiko des Tracking Portfolios dem Risiko der ausgewählten Benchmark. Je höher der Tracking Error dagegen ausfällt, desto größere Abweichungen sind bei der Entwicklung des Tracking Portfolios und der Benchmark festzustellen bzw. zu erwarten. Wahr Falsch Frage (7) Das Index Tracking auf Grundlage der relativen Portfoliooptimierung widmet sich maßgeblich der Minimierung des aktiven Risikos des Tracking Portfolios. Die Timing-Komponente wird dabei berücksichtigt. Wahr Falsch Frage (8) Beim Optimierungsprozess des Index Trackings tritt kein Selektionsrisiko auf. Wahr Falsch Frage (9) Die optimale Umsetzung eines Tracking Portfolios nach M ARKOWITZ setzt demnach eine aktive Rendite als auch ein aktives Risiko von null voraus. Wahr Falsch Frage (10) Die ideale Umsetzung des Tracking Portfolios auf Grundlage der linearen Optimierung wird hauptsächlich durch die Minimierung der erwarteten Verluste des Kapitalanlegers bei gleichzeitiger Erhaltung von Chancen etwaig auftretender Überschüsse bestimmt. Wahr Falsch <?page no="415"?> 416 5 Anwendung des passiven Portfolio Managements Frage (11) Es soll ein Tracking Portfolio durch die Minimierung des Tracking Errors bestimmt werden. Investiert werden kann in die drei Aktien A, B und C. Folgende Nebenbedingungen und Ausgangsdaten sind gegeben: Leerverkäufe sind nicht gestattet Summe der Gewichte des Portfolios ergibt 1 (Budgetrestriktion) Die aktive Rendite soll null betragen Die Kovarianzmatrix der drei Aktien A, B und C lautet: Kovarianzmatrix Aktie A Aktie B Aktie C Benchmark Aktie A 0,0023618 0,0019079 0,0022574 0,0016537 Aktie B 0,0019079 0,0016532 0,0019709 0,0011452 Aktie C 0,0022574 0,0019709 0,0023725 0,0024298 Benchmark 0,0016537 0,0011452 0,0024298 0,0018049 Der Erwartungswert der Rendite der drei Aktien und Benchmark lautet: Rendite Aktie A: 16,89 % Rendite Aktie B: 17,45 % Rendite Aktie C: 18,34 % Rendite der Benchmark: 17,87 % Als Ausgangsportfolio für die Optimierung wird ein naives Portfolio mit folgenden Gewichtungen der Märkte A, B und C unterstellt: Gewichtung Aktie A: 33,33 % Gewichtung Aktie B: 33,33 % Gewichtung Aktie C: 33,33 % Folgende Ober- und Untergrenzen der Bestände werden festgelegt: Minimal Maximal Gewichtung Aktie A: 5 % 50 % Gewichtung Aktie B: 5 % 50 % Gewichtung Aktie C: 5 % 50 % Die Ergebnisse der Optimierung lauten: Gewichte Benchmarkgewichte aktive Gewichte Aktie A: 5 % 0 % 5 % Aktie B: 45 % 0 % 45 % Aktie C: 50 % 0 % 50 % Benchmark: 0 % 100 % -100 % Summe: 100 % 100 % 0 % Der Tracking Error beträgt: 0,00040 Die aktive Rendite beträgt: -0,00013 Wahr Falsch <?page no="416"?> 5.10 Fragen zu Kapitel 5 417 Frage (12) Es soll ein Tracking Portfolio durch die Minimierung des Tracking Errors bestimmt werden. Investiert werden kann in die drei Aktien A, B und C. Folgende Nebenbedingungen und Ausgangsdaten sind gegeben: Leerverkäufe sind nicht gestattet Summe der Gewichte des Portfolios ergibt 1 (Budgetrestriktion) Die aktive Rendite soll null betragen Die Kovarianzmatrix der drei Aktien A, B und C lautet: Kovarianzmatrix Aktie A Aktie B Aktie C Benchmark Aktie A 0,0023618 0,0019079 0,0022574 0,0016537 Aktie B 0,0019079 0,0016532 0,0019709 0,0011452 Aktie C 0,0022574 0,0019709 0,0023725 0,0024298 Benchmark 0,0016537 0,0011452 0,0024298 0,0018049 Der Erwartungswert der Rendite der drei Aktien und der Benchmark lautet: Rendite Aktie A: 16,89 % Rendite Aktie B: 17,45 % Rendite Aktie C: 18,34 % Rendite der Benchmark: 17,87 % Als Ausgangsportfolio für die Optimierung wird ein naives Portfolio mit folgenden Gewichtungen von A, B und C unterstellt: Gewichtung Aktie A: 33,33 % Gewichtung Aktie B: 33,33 % Gewichtung Aktie C: 33,33 % Folgende Ober- und Untergrenzen der Bestände werden festgelegt: Minimal Maximal Gewichtung Aktie A: 5 % 50 % Gewichtung Aktie B: 5 % 50 % Gewichtung Aktie C: 5 % 50 % Die Ergebnisse der Optimierung lauten: Gewichte Benchmarkgewichte aktive Gewichte Aktie A: 5 % 0 % 5 % Aktie B: 45 % 0 % 45 % Aktie C: 50 % 0 % 50 % Benchmark: 0 % 100 % -100 % Summe: 100 % 100 % 0 % Der Tracking Error beträgt: 0,00020 Die aktive Rendite beträgt: -0,00003 Wahr Falsch <?page no="417"?> Literaturverzeichnis zu Kapitel 5 Amenc, N., & Le Sourd, V. (2003). Portfolio theory and performance analysis. England: Wiley. Kleeberg, J. M., & Schlenger, C. (2002). Aufbereitung von Alphaprognosen für die relative Portfoliooptimierung. In J. M. Kleeberg, & H. Rehkugler, Portfolio Management: Strukturierte Ansätze für ein modernes Wertpapiermanagement (S. 253-280). Bad Soden: Uhlenbruch. Poddig, T., Brinkmann, U., & Katharina, S. (2009). Portfolio Management: Konzepte und Strategien. Bad Soden: Uhlenbruch. Prigent, J.-L. (2007). Portfolio Optimization and Performance Analysis. Boca Raton: Chapman & Hall/ CRC. Specht, K., & Gohout, W. (2009). Grundlagen der Kapitalmarkttheorie und des Portfolio Managements. Oldenbourg Verlag. Spremann, K. (2008). Portfolio Management. München: Oldenbourg Verlag. <?page no="418"?> Inhaltsübersicht Kapitel 6 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung .......................................... 421 6.1 Grundlegende Problematik der klassischen Optimierung ...................................... 423 6.1.1 Auswirkungen des Schätzfehlers auf die Zusammensetzung von Portfolios .................................................................................................................... 428 6.1.2 Die einzelnen Komponenten des Schätzfehlers und deren Auswirkungen ........................................................................................................... 430 6.1.3 Größe der Schätzfehler für die verschiedenen Parameter.......................... 432 6.2 Übersicht über die Modelle und Methoden der robusten Optimierung .............. 433 6.3 Modifikation der Input-Parameter.............................................................................. 435 6.3.1 Robuste Schätzer ............................................................................................... 435 6.3.1.1 Allgemeine Schätzung des Mittelwerts durch die Maximum- Likelihood-Methode.......................................................................... 438 6.3.1.2 Schätzung des Mittelwerts unter der Annahme einer Normalverteilung............................................................................................. 439 6.3.1.3 M-Schätzer .......................................................................................... 440 6.3.1.4 Huber-k-Schätzer............................................................................... 441 6.3.2 Geschrumpfte Schätzer.................................................................................... 444 6.3.2.1 James-Stein-Schätzer ......................................................................... 447 6.3.2.2 Bayes-Stein-Schätzer ......................................................................... 452 6.3.2.3 Ledoit-Wolf-Schätzer........................................................................ 456 6.3.2.4 Die Anwendung der geschrumpften Schätzer in der Praxis ...... 460 6.3.2.4.1 Umsetzung des James-Stein-Schätzers in EXCEL.........462 6.3.2.4.2 Umsetzung des James-Stein-Schätzers in MATLAB .....465 6.3.2.4.3 Umsetzung des Bayes-Stein-Schätzers in EXCEL .........472 6.3.2.4.4 Umsetzung des Bayes-Stein-Schätzers in MATLAB .....476 6.3.2.4.5 Umsetzung des Ledoit-Wolf-Schätzers in EXCEL........483 6.3.2.4.6 Umsetzung des Ledoit-Wolf-Schätzers in MATLAB... 488 6.4 Modifikation des Modells............................................................................................. 494 6.4.1 Der Ansatz nach Black-Litterman.................................................................. 494 6.4.1.1 Motivation und Hintergründe des Black-Litterman-Modells..... 496 <?page no="419"?> 420 6.4.1.2 Aufbau des Black-Litterman-Modells ............................................ 499 6.4.1.3 Die mathematische Konzeption des Black-Litterman-Modells. 503 6.4.1.3.1 Die Berechnung der implizierten Renditen ................ 504 6.4.1.3.2 Die Formulierung von Prognosemeinungen.............. 507 6.4.1.3.3 Die Berechnung der Black-Litterman-Renditen ........ 517 6.4.1.3.4 Portfoliooptimierung mit Black-Litterman- Renditen............................................................................ 519 6.4.1.4 Die Anwendung des Black-Litterman-Modells in der Praxis..... 520 6.4.1.4.1 Vorstellung des Praxisbeispiels ..................................... 520 6.4.1.4.2 Berechnung der Black-Litterman-Renditen................ 521 6.4.1.4.3 Portfoliooptimierung nach Black-Litterman .............. 525 6.4.1.4.4 Portfoliooptimierung nach Black-Litterman und Markowitz im Vergleich................................................. 527 6.4.1.4.5 Umsetzung des Anwendungsbeispiels in EXCEL .... 529 6.4.1.4.6 Umsetzung des Anwendungsbeispiels in MATLAB .. 536 6.4.2 Der Ansatz des Resamplings........................................................................... 542 6.5 Schlussbetrachtung ........................................................................................................ 548 6.6 Zusammenfassung......................................................................................................... 548 6.7 Fragen ............................................................................................................................. 551 <?page no="420"?> 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung Nachdem die vorherigen Kapitel sich mit den theoretischen Grundlagen sowie der praktischen Anwendung des aktiven und des passiven Portfolio Managements befasst haben, möchten wir in diesem Kapitel an die Schwächen der modernen Portfoliotheorie anknüpfen, um darauf aufbauend geeignete Ansätze und Konzepte zu erläutern, die die zugrundeliegende Prognoseproblematik bei der Portfoliooptimierung berücksichtigen. In Abschnitt 6.1 wird zunächst die grundlegende Problematik der Portfoliooptimierung im Umgang mit der Prognoseunsicherheit erläutert. Da der Eintritt von Prognosen unweigerlich mit Unsicherheit behaftet ist, unterliegen die Prognosen der zu erwarteten Renditen, Risiken, Kovarianzen und Korrelationen unter Umständen erheblichen Schätzfehlern. Die in diesem Abschnitt enthaltenen Teilabschnitte 6.1.1 bis 6.1.3 untersuchen die einzelnen Komponenten des Schätzfehlers und beschäftigen sich anschließend mit der Größe der Schätzfehler und ihren Auswirkungen. Nach der Darstellung der Ausgangsproblematik definiert Abschnitt 6.2 den Begriff der robusten Optimierung und liefert darauf aufbauend eine Übersicht geeigneter Ansätze, Konzepte und Modelle zur robusten Portfoliooptimierung. Die dargestellte Übersicht liefert die Grundlage für alle weiteren Ausführungen des vorliegenden Kapitels. Abschnitt 6.3 befasst sich zunächst mit der Modifizierung der in der Portfoliooptimierung zugrunde gelegten Inputparameter und Eingangsgrößen. In diesem Abschnitt werden einerseits die Ansätze von robusten Schätzverfahren und andererseits die Konzepte der geschrumpften Schätzer beschrieben. In Abschnitt 6.3.1.1 wird einleitend auf die allgemeine Schätzung von Parametern nach der Maximum-Likelihood-Methode eingegangen. Darauf aufbauend wird in Abschnitt 6.3.1.2 die Schätzung von Mittelwerten unter Annahme einer Normalverteilung erläutert. Die Ausführungen zu M- Schätzern und Huber-k-Schätzern in den darauffolgenden Abschnitten 6.3.1.3 und 6.3.1.4 schließen die Darstellungen zu den robusten Schätzern ab. Im Anschluss werden in Abschnitt 6.3.2 zur Erläuterung der geschrumpften Schätzer die Ansätze von J AMES / S TEIN und B AYES / S TEIN sowie L EDOIT / W OLF herangezogen. In Abschnitt 6.3.2.4 werden die zuvor theoretisch formulierten Ansätze und Konzepte abschließend praktisch in Microsoft EXCEL und MathWorks MATLAB umgesetzt und die schrittweise Vorgehensweise umfassend erläutert. In Abschnitt 6.4 wird die klassische Portfoliooptimierung modifiziert, um die angesprochene Prognoseproblematik im Optimierungsprozess unmittelbar zu berücksichtigen. Auf Grundlage dieser Überlegung erfolgt die Vorstellung des B LACK -L ITTER - MAN -Modells in Abschnitt 6.4.1.1. Zu Beginn dieses Abschnitts wird zunächst die Motivation und Zielsetzung des zugrunde gelegten Modells beschrieben, um anschließend in Abschnitt 6.4.1.2 den grundlegenden Aufbau des B LACK -L ITTERMAN -Modells darzustellen und zu erläutern. In Abschnitt 6.4.1.3 wird das theoretische Rahmenwerk des Modells durch dessen mathematische Konzeption und die damit verbundenen Hintergründe ergänzt. Abschnitt 6.4.1.4 befasst sich darauf aufbauend mit der praktischen Anwendung des B LACK -L ITTERMAN -Modells und dessen praktischer Umset- <?page no="421"?> 422 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung zung in Microsoft EXCEL und MathWorks MATLAB. Die Erläuterungen zum Ansatz des Portfolio Resamplings schließen die Ausführungen über die Modifizierung der klassischen Portfoliooptimierung ab. Abschnitt 6.5 schließt das vorliegende Kapitel mit einer Schlussbetrachtung ab. Es folgt anschließend eine kurze Zusammenfassung über die wichtigsten Inhalte des Kapitels. Am Ende des Kapitels findet der interessierte Leser in Abschnitt 6.7 einen Fragenkatalog zu den Inhalten dieses Kapitels, um das Selbststudium der dargestellten Themen ein wenig zu erleichtern. Im Rahmen des vorliegenden Kapitels werden zusammenfassend die folgenden zentralen Fragestellungen erläutert: Welchen Schwächen unterliegt die klassische Portfoliooptimierung nach M ARKO- WITZ ? Wie wirken sich Schätzfehler auf die Eigenschaften eines Portfolios aus? Welche Komponenten eines Optimierungsproblems unterliegen einer Schätzfehlerproblematik? Was ist die robuste Portfoliooptimierung und welche Ansätze und Konzepte liegen ihr zugrunde? Wie definiert sich die Maximum-Likelihood-Methode? Was ist der Unterschied zwischen robusten und geschrumpften Schätzern? Welche Rolle spielen J AMES -S TEIN -, B AYES -S TEIN - und L EDOIT -W OLF -Schätzer im modernen Portfolio Management? Wie definiert sich das B LACK -L ITTERMAN -Modell, und wie kann es angewendet werden? In welchem Zusammenhang stehen die Methode des Portfolio Resamplings und die Monte-Carlo-Simulation? <?page no="422"?> 6.1 Grundlegende Problematik der klassischen Optimierung 423 6.1 Grundlegende Problematik der klassischen Optimierung Quelle: © National Association for Business Economics “The unintuitive character of many ‘optimized’ portfolios can be traced to the fact that MV optimizers are, in a fundamental sense, ‘estimation-error maximizers’.” 367 Richard O. Michaud - Präsident und Chief Investment Officer von New Frontier Die Umsetzung des theoretischen Rahmenwerks des „Portfolio-Selection-Modells“ ist in der Praxis häufig mit Problemen verbunden, deren Lösung oftmals einen erheblichen Aufwand erfordert. Obwohl die moderne Portfoliotheorie als theoretische Grundlage für die Bildung und Auswahl von optimalen Portfolios unweigerlich eine Monopolstellung in der Fachliteratur einnimmt, ist die praktische Anwendung jedoch nicht allzu verbreitet: 368 Aus diesem Grund motiviert die zu Beginn dieses Kapitels dargestellte Problematik im Umgang mit dem Modell die Darstellung möglicher Lösungsansätze in Form alternativer Modelle im nachfolgenden Teil des Kapitels. Auf diesem Weg finden zunächst die einzelnen Stufen des Portfolio-Selection-Modells Beachtung. Abb. 155 zeigt den Ablauf des Portfolio-Selection-Prozesses in einem Diagramm. Abb. 155: Der Prozess der Portfoliooptimierung Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Fabozzi et al. (2007), S. 205 367 Vgl. Michaud (1989), S. 33 368 Vgl. Ceria/ Stubbs (2006), S. 1 Schätzungen der erwarteten Renditen Schätzungen der Volatilitäten und Korrelationen Nebenbedingungen bei der Portfolioauswahl Portfoliooptimierung Rendite-Risiko-Effizienzkurve Optimales Portfolio Ziele des Kapitalanlegers <?page no="423"?> 424 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung Das praktische Verfahren für die Auswahl eines optimalen Portfolios unterteilt sich nach den Ausführungen von M ARKOWITZ (1952) und Abb. 155 in drei hauptsächliche Stufen: [1] Bestimmung aller relevanten Inputfaktoren (Schätzung) [2] Ermittlung der effizienten Portfolios [3] Optimierung und Selektion eines optimalen Portfolios Da die dargestellten Stufen bei ihrer Ausführung den Abschluss der unmittelbar vorangehenden Stufe voraussetzen, ist die erfolgreiche Ausführung der aufgelisteten Stufen unweigerlich voneinander abhängig. Der wissenschaftliche Kern des 1952 durch M ARKOWITZ veröffentlichten Aufsatzes beschränkte sich jedoch bei dessen Veröffentlichung lediglich auf die Darstellung der letzten beiden Stufen. Da sich M ARKOWITZ zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit der Ableitung der Inputfaktoren aus Beobachtungen gezielt befasst hatte, ging er bei der Formulierung des „Portfolio-Selection-Modells“ zunächst grundsätzlich davon aus, dass alle benötigten Kenngrößen dem Investor bekannt sein würden. Durch die Festlegung dieser Annahme war es damalig nicht zwingend notwendig; sich mit der ersten Stufe des „Portfolio-Selection-Modells“ genauer auseinanderzusetzen. Obwohl M AR- KOWITZ eigentlich überzeugt war, dass es für die Bestimmung der Inputfaktoren eine Möglichkeit geben musste, blieb er der Finanzwelt bis zur Verleihung des Nobelpreises 1990 die Antwort auf diese Frage schuldig. 369 Um eine praktische Anwendung des Portfolio-Selection-Modells zu ermöglichen, musste eine geeignete Vorgehensweise entwickelt werden. Da jedoch die zur Auswahl eines effizienten Portfolios benötigten Kenngrößen; wie etwa die zu erwartenden Renditen, Varianzen und Korrelationen, dem Investor zum Zeitpunkt der Entscheidung unbekannt sind, müssen diese Werte folglich prognostiziert werden. 370 Vor diesem Hintergrund etablierte sich die Verwendung von historischen Mittelwerten als Schätzer für die jeweiligen Erwartungswerte der einzelnen Wertpapiere. Dabei steht die Beschreibung von historischen Kursentwicklungen durch statistische Kennzahlen nicht im Vordergrund der Bemühungen bei der Optimierung von Portfolios, sondern es geht vielmehr um die Bildung von Erwartungen über die zukünftigen Renditen der einzelnen Wertpapiere eines Portfolios. Die Grundlage hierfür liefert die Annahme, dass die zukünftige Rendite eines Wertpapiers eine Zufallsgröße darstellt und aus diesem Grund der Erwartungswert bzw. die Standardabweichung dieser Zufallsvariable geschätzt werden muss. Es wird dabei versucht; aus historischen Ereignissen zukünftige Entwicklungen abzuleiten. 371 Eine realitätsfremde aber dennoch notwendige Annahme. Aufgrund der Unsicherheit zukünftiger Entwicklungen entspricht die erwartete Rendite eines Wertpapiers einer Zufallsvariablen, die auf Grundlage von vergangenen Ereignissen aus historischen Schlusskursen geschätzt werden muss. 369 Vgl. Schimmel, W. (2009), S. 3 370 Vgl. Hirsch/ Kleeberg (2006), S. 20 371 Vgl. Spremann (2006), S. 139 <?page no="424"?> 6.1 Grundlegende Problematik der klassischen Optimierung 425 Obwohl sich die Methodik der historischen Schätzung durchgesetzt hat, ist der zukünftige Eintritt der Prognosen dennoch mit Unsicherheit behaftet. Schätzbzw. Prognosefehler können somit unter Umständen dazu führen, dass die erwarteten Rückflüsse eines Portfolios nicht wie angenommen eintreten. J OBSON und K ORKIE (1981), B EST und G RAUER (1991), B ROADIE (1993), B RITTEN -J ONES (1999) und D E- M IGUEL et al. (2009) belegen in unterschiedlichen empirischen Studien, dass die erläuterte Grundproblematik der historischen Schätzer unweigerlich zu Mittelwert-Varianz- Portfolios führt, deren Performance in Out-of-Sample-Studien äußerst schlecht ist. 372 Da das Portfolio-Selection-Modell besonders empfindlich auf die Abweichungen zwischen prognostizierten und tatsächlich eingetroffenen Kenngrößen reagiert, kommt es bei der Auswahl von Portfolios häufig dazu, dass die theoretische Auswahl eines Portfolios zum Planungszeitpunkt noch ideal ist, sich aber zu einem späteren Zeitpunkt durch die Schätzfehler in der Praxis weit von der Eigenschaft eines optimalen Portfolios entfernt. Deshalb führen bereits geringste Abweichungen in den Prognosen zu völlig anderen Portfolio-Strukturen. Die Sensitivität des Portfolio-Selection- Modells hat von einer zu niedrigen Rendite bis hin zu einer Überschreitung der Risikovorgaben sehr weitreichende Auswirkungen. 373 Es ist zum Beispiel zu beobachten, dass die Schätzfehler unnötige Turnover im Portfolio und damit einhergehende erhöhte Transaktionskosten aufweisen. 374 Investoren und auch Anleger wünschen sich jedoch, dass die zu Beginn der strategischen Asset Allocation festgelegte Portfolio-Struktur auch zukünftig in einem volatilen Marktumfeld nahezu optimal bleibt und keine unnötigen Umschichtungen sowie Transaktionskosten entstehen. 375 Aus diesem Grund verhält sich die Umsetzung der strategischen Asset Allocation im Rahmen des Portfolio-Selection-Modells auch vollkommen entgegengesetzt zu dessen Zielsetzung und gibt Anlass für eine Anpassung der modernen Portfoliotheorie. Da sich zukünftige Entwicklungen unter Umständen von vergangenen Abläufen wesentlich unterscheiden, unterliegt die Schätzung der erwarteten Rendite einer Schätzfehlerproblematik, die unweigerlich dazu führt, dass sich die Struktur eines Portfolios im Zeitablauf von der Zusammensetzung des ursprünglichen optimalen Portfolios entfernen kann. Durch die unregelmäßigen Abweichungen des realen Marktes von der prognostizierten Entwicklung der Wertpapiere existieren über die geschätzte Rendite und Volatilität hinaus noch weitere Szenarien der beiden Parameter, die am Markt eintreten können. Die Anzahl aller möglichen Marktszenarien strebt dabei gegen unendlich. Tab. 39 zeigt sechs mögliche Szenarien, wie sich der Markt in Bezug auf die erwartete Rendite des Wertpapiers und auch die Volatilität entwickeln könnte. Szenario 1 2 3 4 5 6 … E(r) 2,24 % 2,65 % 3,12 % 1,14 % 1,98 % 3,48 % … Var 4,52 % 8,34 % 3,99 % 5,20 % 4,25 % 10,36 % … Tab. 39: Mögliche Marktszenarien für ein beliebiges Wertpapier 372 Vgl. DeMiguel et al. (2011), S. 2 373 Vgl. Depcynski, U. (2004a), S. 814 374 Vgl. Fabozzi (2007), S. 207 375 Vgl. Depcynski, U. (2004b), S. 1076 <?page no="425"?> 426 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung Aus Tab. 39 erschließt sich unmittelbar ein weiteres Problem der modernen Portfoliotheorie, das im Portfolio-Selection-Modell keine direkte Beachtung findet. Das Modell beschränkt sich bei der Optimierung eines Portfolios allein auf die prognostizierten Parameter eines denkbaren Szenarios und vernachlässigt dabei alle anderen möglichen Szenarien für die weitere Entwicklung des Marktes. Aus diesem Grund ergibt sich die Notwendigkeit, Ansätze zu entwickeln, die einerseits die unterschiedlichen Marktszenarien mit in die Optimierung integrieren und andererseits vollkommen unabhängig von der Schätzung der zugrundliegenden Variablen sind. Die Fachliteratur spricht in diesem Fall häufig von robuster Optimierung im Portfolio Management. Obwohl der Begriff „robust“ bzw. „Robustheit“ in der Fachliteratur unterschiedlich definiert und auslegt wird, 376 erkennt man bei näherer Betrachtung der einzelnen Definitionen, dass sich alle Ausführungen im Grunde auf ein und dasselbe Problem beziehen. Einen Überblick über die verschiedenen Interpretationen des Begriffes „robust“ bzw. „Robustheit“ in Bezug auf unterschiedliche Kontexte gibt etwa J EN (2001). Die Bezeichnung „robust“ beschreibt im Allgemeinen eine wichtige Eigenschaft, die mit den Begriffen stabil, unempfindlich und widerstandsfähig beschrieben werden kann. Um die Interpretationen auf weitere Bereiche auszuweiten, bezeichnet der Begriff „robust“ im mathematischen Kontext einen Ansatz, um die Sensitivität der Ergebnisse durch Ausreißer in den zugrundeliegenden Daten zu verringern. 377 Außergewöhnliche Marktentwicklungen in den historischen Zeitreihen führen zu Verzerrungen in den anschließenden Schätzungen der Input-Parameter, die später in die Optimierung von Portfolios eingehen und so letztlich die Struktur eines Portfolios positiv als auch negativ beeinflussen können. Im Rahmen des Portfolio Managements hängt die Allokation des Kapitals unweigerlich von der prognostizierten Marktentwicklung ab. Da die herkömmlichen Schätzer der klassischen Statistik in der Regel aber sehr sensitiv auf Ausreißer in Form von extremen Marktentwicklungen reagieren, wird im Portfolio Management häufig auf die Methoden der robusten Statistik zurückgegriffen. Die robuste Statistik stellt jedoch lediglich einen möglichen Ansatzpunkt zur Behandlung der Unsicherheit dar. M ULVEY , V ANDERBEI und Z ENIOS (1995) bezeichnen die robuste Optimierung in ähnlicher Weise als eine Variante der mathematischen Programmierung unter Unsicherheit, die zur Lösung von Optimierungsproblemen unter Unsicherheit benötigt wird. Die robuste Portfoliooptimierung bietet im Gegensatz zu den klassischen Portfolio-Selection-Modellen den Vorteil, deutlich weniger sensitiv auf Abweichungen der prognostizierten erwarteten Renditen zu reagieren. Es sei darauf hingewiesen, dass trotz der unterschiedlichen Auslegungen des Begriffes „robust“ in nahezu allen Definitionen auf eine gemeinsame Problematik verwiesen wird. Diese Erkenntnis motivierte eine unabhängige Entwicklung von unterschiedlichen Ansätzen zur Lösung der erläuterten Problematik. Unter den unzähligen Inter- 376 Vgl. Tütüncü/ König (2003), S. 2 377 Vgl. Kemp (2011), S. 190 <?page no="426"?> 6.1 Grundlegende Problematik der klassischen Optimierung 427 pretationen kristallisierten sich zwei wesentliche Definitionen heraus, die als Grundlage für die Entwicklung weiterer Ansätze dienten. Der erste Ansatz folgt einer eher allgemeineren Definition des Begriffes „robust“. Demnach kann ein Modell bzw. ein Verfahren in der Regel als besonders „robust“ bezeichnet werden, wenn es die Eigenschaft besitzt, wiederkehrenden Veränderungen grundsätzlich standzuhalten, ohne weitreichende Auswirkungen auf die Ergebnisse befürchten zu müssen. Anders ausgedrückt, wird im Rahmen dieses Ansatzes das Ziel verfolgt, für nahezu alle Realisationen der unsicheren Inputparameter ausreichend gute Werte zu erzielen. Der zweite Ansatz ist eher pessimistisch geprägt. L OBO und B OYD (2000) als auch T ÜTÜNCÜ und K ÖNIG (2003) greifen in ihren Ausführungen die Grundproblematik erneut auf, verfolgen jedoch mit der Optimierung des „Worst-Case“ einen weitaus pessimistischeren Ansatz. Dabei wird bei der Optimierung eines Portfolios grundsätzlich nach einer Lösung gesucht, welche bei Eintritt des „Worst-Case“ im Vergleich zu den Alternativen immer noch das beste Ergebnis liefert. Es wird deutlich, dass beide Interpretationen zu unterschiedlichen Ansätzen mit abweichenden Zielausprägungen führen. In der Fachliteratur existieren unterschiedliche Ansätze, um den Schwächen des Portfolio-Selection-Modells in der praktischen Umsetzung zu begegnen. Die unterschiedlichen Ansätze untergliedern sich hauptsächlich in drei Bereiche: Ansätze zur robusten Mittelwert-Varianz-Optimierung Modifikation der Inputparameter durch robuste Schätzer Modifikation des klassischen Modells In der Fachliteratur werden einige mögliche Gründe diskutiert, die für die mangelnde Akzeptanz der modernen Portfoliotheorie in der Praxis sprechen. C ERRIA und S TUBBS (2006) liefern dazu das maßgebliche Argument, dass sich die Struktur eines durch den Mittelwert-Varianz-Ansatz ermittelten „optimalen“ Portfolios oftmals dem gesunden Menschenverstand verschließt, da die letztendliche Allokation des Kapitals nahezu unerklärlich und äußerst sensitiv auf die Inputparameter reagiert. T ÜTÜNCÜ und K ÖNIG (2003) zeigen weiter auf, dass nach dem Ansatz von M ARKOWITZ „optimale“ Portfolios oftmals zu außergewöhnlichen Portfolio-Strukturen entlang der Effizienzkurve neigen. Die Struktur eines optimierten Portfolios konzentriert sich dabei häufig auf einige wenige Titel aus dem verfügbaren Anlageuniversum, wodurch der Erwartungswert-Varianz-Ansatz den Grundgedanken der Diversifikation weit mehr verfehlt als in die Praxis umsetzt. F ABOZZI et. al. (2007) untergliedern die grundlegende Problematik der Mittelwert-Varianz-Optimierung in die folgenden Bestandteile: [1] Sensitivität des Modells in Bezug auf Schätzfehler [2] Die Auswirkungen der Unsicherheit in den Inputparametern [3] Hoher Aufwand bei der Schätzung von Parametern aus den Stichproben Die dargestellten Schwächen der praktischen Umsetzung lenkten die Aufmerksamkeit führender Mathematiker und Ökonomen auf die Erarbeitung neuer Lösungen. Zunächst werden die angeführten Schwächen in den folgenden Abschnitten im Detail erläutert, um die spätere Darstellung der wichtigsten Ansätze zur Lösung der angesprochenen Kritikpunkte zu motivieren. <?page no="427"?> 428 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung 6.1.1 Auswirkungen des Schätzfehlers auf die Zusammensetzung von Portfolios Die maßgebliche Problematik des Mittelwert-Varianz-Ansatzes, dass „optimale“ Portfolios bereits auf sehr kleine Veränderungen in den Input-Parametern sehr sensitiv reagieren, ist in der Fachliteratur ausführlich diskutiert und durch Studien belegt worden. C HOPRA und Z IEMBA (1993) zeigen im Rahmen ihrer empirischen Studie auf, dass die Auswirkungen von Schätzrisiken neben den Inputfaktoren auch von der Risikoeinstellung des Investors selbst abhängig sind. Aus den Ergebnissen in Tab. 40 geht hervor, dass sich die Schätzfehler der Renditen bzw. Kovarianzen bei einem Rückgang der Risikoaversion umso stärker auf den durchschnittlichen monetären Verlust auswirken und demnach die Risikoaversion eines Investors in die Diskussion um die Schätzfehler integriert werden sollte. Aus den Ergebnissen von C HOPRA und Z IEMBA (1993) resultiert eine weitere wichtige Erkenntnis über den Umgang mit Schätzfehlern. Es besteht kein Zweifel, dass der durch die Portfolio-Allokation implizierte durchschnittliche monetäre Verlust maßgeblich von der erwarteten Rendite der einzelnen Wertpapiere eines Portfolios abhängig ist und demnach den wichtigsten Ansatzpunkt im Umgang mit Schätzrisiken darstellt. Risikoaversion Fehler Renditen vs. Varianzen Fehler Renditen vs. Kovarianzen Fehler Varianzen vs. Kovarianzen Hoch ( 3,22 5,38 1,67 Mittel ( 10,98 22,50 2,05 Niedrig ( 21,42 56,84 2,68 Tab. 40: Durchschnittlicher monetärer Verlust im Vergleich Quelle: Chopra/ Ziemba (1993) Um den Einfluss der Schätzfehler auf die Zusammensetzung eines Portfolios im Detail zu untersuchen, simulierten K EMPF und M EMMEL (2002) im Rahmen ihrer Studie unabhängig vier Aktien unter der Annahme einer Normalverteilung mit den Parametern . Der Erwartungswert und die Standardabweichung wurden im Rahmen der Annahmen definiert und als „wahre“ erwartete Rendite bzw. Standardabweichung angenommen. K EMPF und M EMMEL (2002) arbeiteten exemplarisch mit einer erwarteten Rendite von 11,00 % und einer Standardabweichung von 25,00 % aller Kapitalanlagen. Anschließend wurde für einen Zeitraum von 250 Tagen unter der Berücksichtigung einer paarweisen Korrelation von 0,3 die Entwicklung der einzelnen Wertpapiere simuliert. Wie bereits C HOPRA und Z IEMBA (1993) aufzeigten, ist das Ausmaß der Schätzfehler auf die Zusammensetzung eines Portfolios maßgeblich von der Risikoaversion eines Investors abhängig. Das Ausmaß der Schätzfehler auf die Bestandteile eines Portfolios und damit die Performanceattribution ist maßgeblich von der Risikoaversion eines Kapitalanlegers abhängig. <?page no="428"?> 6.1 Grundlegende Problematik der klassischen Optimierung 429 Um dennoch unabhängig von der Risikoaversion eines Investors ein Portfolio bilden zu können, berücksichtigen K EMPF und M EMMEL in ihrer Studie eine risikolose Anlage von , um daraus das Tangentialportfolio im Rahmen der Tobin- Separation (vgl. Kapitel 3) bilden zu können. Tab. 41 zeigt eine exemplarische Darstellung der Ergebnisse von K EMPF und M EMMEL (2002). Aktie Erwartete Rendite p.a. Standardabweichung p.a. Optimales Gewicht wahr geschätzt wahr geschätzt wahr geschätzt 1 11,00 % 2,39 % 25,00 % 22,85 % 25,00 % -73,19 % 2 11,00 % 8,66 % 25,00 % 22,96 % 25,00 % -13,45 % 3 11,00 % 20,04 % 25,00 % 25,48 % 25,00 % 89,27 % 4 11,00 % 19,31 % 25,00 % 23,13 % 25,00 % 97,37 % Tab. 41: Unterschied „optimaler“ Portfolio-Gewichte Quelle: Kempf/ Memmel (2002), S. 898 Es ist offensichtlich, dass eine sehr große Diskrepanz in der optimalen Zusammensetzung des Portfolios zwischen den angenommenen „wahren“ Parametern und deren Schätzung vorliegt. In Tab. 41 wird deutlich, dass die Schätzung der erwarteten Rendite sehr stark von dem „wahren“ Wert abweicht, also entweder über- oder unterschätzt wird. J ORION (1985), S HARPE (1987) und H EPP (1990) belegen ebenfalls durch unabhängige empirische Studien, dass die Schätzung der erwarteten Rendite aus historischen Mittelwerten schlechte Prognosen für zukünftige Erträge liefert. Es konnte gezeigt werden, dass die Schätzung von Parametern ebenfalls Risiken unterliegt. Diese werden in der Fachliteratur auch als Schätzrisiken bzw. Schätzfehler bezeichnet. Die Ergebnisse in Tab. 41 spiegeln eine zentrale Schwäche des Markowitz-Ansatzes wider. Es ist offensichtlich, dass bereits geringe Schätzfehler erhebliche Auswirkungen auf die Allokation des Vermögens in einem Portfolio haben. B EST und G RAUER (1991) belegen durch ihre theoretisch und empirisch fundierte Studie die Sensitivität von optimalen Portfolios auf Abweichungen des arithmetischen Mittels, der Varianzen und Kovarianzen. C HOPRA (1993) bestätigt in seiner Studie, dass selbst kleine Abweichungen in den Schätzungen der erwarteten Renditen oder Risiken zu erheblichen Unterschieden in der Allokation (Struktur) „optimaler“ Portfolios führen können. C HOPRA und Z IEMBA (1993) geben den entscheidenden Hinweis, dass sich die Schätzfehler des arithmetischen Mittels, der Varianz und den Kovarianzen jeweils auf die Allokation des Kapitals unterschiedlich stark auswirken und demnach grundsätzlich zu unterscheiden sind. Die Schätzung der erwarteten Rendite weicht oftmals sehr stark von ihrem tatsächlichen Wert ab und wird dementsprechend über- oder unterschätzt. Es steht fest, dass selbst kleine Abweichungen in den Schätzungen der erwarteten Renditen oder Risiken zu erheblichen Unterschieden in der Allokation (Struktur) „optimaler“ Portfolios führen können. Durch die Abweichungen der erwarteten Rendite resultieren Veränderungen in der Struktur des ursprünglichen „optimalen“ Portfolios. Die Divergenz zwischen der <?page no="429"?> 430 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung Struktur eines Portfolios auf Grundlage einer Schätzung und tatsächlich realisierten Daten kann nur durch regelmäßige Umschichtungen angeglichen werden. Aus ökonomischen Gründen sind Portfolio-Manager bei ihren Entscheidungen jedoch dazu angehalten, eine möglichst geringe Umschichtung des Portfolios zu verfolgen. Die Abweichungen in den erwarteten Renditen stellen deshalb eine mögliche Ursache für eine ineffiziente Anlagestrategie in Verbindung mit hohen Transaktionskosten dar. Im Vergleich der geschätzten und wahren Parameter zwischen der erwarteten Rendite und der Standardabweichung wird darüber hinaus deutlich, dass die Schätzung der Standardabweichung sich wesentlich näher am „wahren“ Wert befindet und eindeutig stabiler ist. 6.1.2 Die einzelnen Komponenten des Schätzfehlers und deren Auswirkungen In den bisherigen Ausführungen bezog sich der Schätzfehler auf die allgemeine Abweichung von geschätzten Werten in einem einheitlichen Kontext. Der Schätzfehler als solches setzt sich jedoch aus unterschiedlichen Komponenten zusammen. Der Ansatz der Portfolioauswahl nach Markowitz setzt neben der Kenntnis über die erwartete Rendite auch die Kenntnis über die Standardabweichungen und Kovarianzen der Wertpapiere eines Portfolios voraus. Da Investoren jedoch keine Aussagen über den Verlauf der Zukunft mit Sicherheit treffen können, greift man auf die jeweiligen Schätzungen der erwarteten Rendite, Standardabweichungen und Kovarianzen zurück und leitet die Inputparameter des Markowitz-Ansatzes implizit daraus ab. Aus diesem Grund unterteilt sich der allgemeine Schätzfehler in die jeweiligen Schätzfehler der einzelnen Inputparameter. Diese Tatsache legt die Vermutung nahe, dass die einzelnen Schätzfehler der erwarteten Renditen, der Kovarianzen und Varianzen unterschiedliche Implikationen auf die Allokation eines Portfolios ausüben. C HOPRA und Z IEMBA (1993) greifen diesen Zusammenhang im Rahmen ihrer empirischen Studie auf. Tab. 41 fasst ihre Ergebnisse zusammen und stellt die Auswirkungen der einzelnen Schätzfehler in Abhängigkeit der Risikoaversion eines Investors dar. Unter der Annahme einer Risikotoleranz von wirken sich demnach die Schätzfehler der erwarteten Rendite im direkten Vergleich ungefähr 11-mal stärker als die Schätzfehler der Kovarianzen auf die Allokation des Portfolios aus. Die Schätzfehler in den Kovarianzen haben im Vergleich zu den Schätzfehlern in den Varianzen eine nahezu um die Hälfte geringere Auswirkung. Aus diesem Grund können die Schätzfehler der Kovarianzen bei der Erarbeitung von robusten Lösungsansätzen vernachlässigt werden. K ALLBERG und Z IEMBA (1984), die bei der Ausarbeitung ihrer Studie grundsätzlich nicht zwischen Varianzen und Kovarianzen unterschieden haben, sowie B EST und G RAUER (1991) kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Die nachfolgende Abb. 156 stellt den erläuterten Zusammenhang in Anlehnung an die Ergebnisse von C HOPRA und Z IEMBA (1993) nochmals grafisch dar. In den bisherigen Erläuterungen wurden entweder die Implikationen des allgemeinen Schätzfehlers auf die Zusammensetzung des Portfolios oder die einzelnen Einflussfaktoren auf den durchschnittlichen monetären Verlust eines Portfolios bezogen. K EMPF <?page no="430"?> 6.1 Grundlegende Problematik der klassischen Optimierung 431 Abb. 156: Durchschnittlicher monetärer Verlust in Abhängigkeit vom Schätzfehler Quelle: Chopra/ Ziemba (1993), S. 9 und M EMMEL (2002) erweitern die Beispiele und analysieren die Sensitivität des optimalen Portfolios in Abhängigkeit von der erwarteten Rendite, der Standardabweichung und dem Korrelationskoeffizienten. Die Grundlage für die Analyse liefern erneut vier Aktien mit denselben Parametern aus Tab. 41. Das prinzipielle Vorgehen gleicht einer komparativ-statistischen Analyse. Hierbei werden die beobachteten Parameter ausgehend vom „wahren“ Wert mit einer Schrittweite von 0,2 % variiert. Ein Vergleich der optimalen Zusammensetzung eines Portfolios für Aktie 1 wird in Abhängigkeit der verschiedenen Parametervariationen in einem Diagramm in Abb. 157 dargestellt. Abb. 157: Implikationen von Schätzfehlern auf die optimalen Gewichte in Aktie 1 Quelle: Ernst/ Gleißner (2012) bzw. Kempf/ Memmel (2002), S. 900 Abb. 157 bestätigt, dass die ursprünglichen Ergebnisse von C HOPRA und Z IEMBA (1993) durch die Analysen von K EMPF und M EMMEL (2003) belegt werden können. Nach den bisherigen Erläuterungen zu den Schätzfehlern und deren Auswirkungen auf die Portfolio-Gewichte in einem Portfolio resultieren drei zentrale Fragen in Bezug auf das Portfolio Management: Wie groß sind die Schätzfehler? Wie können die Auswirkungen der Schätzfehler reduziert werden? Welche Verfahren eignen sich dazu? 0 5 10 15 0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 äquivalenter monetärer Verlust Ausmaß der Schätzfehler erwartete Renditen Varianzen Kovarianzen 100% 50% 0% -50% -100% -150% -200% -10% -5% 5% 10% Fehler in der erwarteten Rendite Fehler in der Standardabweichung Fehler im Korrelationskoeffizienten Ausmaß der Fehlschätzung Fehlgewichtung in Aktie 1 100% 50% 0% -50% -100% -150% -200% -10% -5% 5% 10% Fehler in der erwarteten Rendite Fehler in der Standardabweichung Fehler im Korrelationskoeffizienten Ausmaß der Fehlschätzung Fehlgewichtung in Aktie 1 <?page no="431"?> 432 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung 6.1.3 Größe der Schätzfehler für die verschiedenen Parameter Das Ziel, aus historischen Zeitreihen verlässliche Schätzer für die erwartete annualisierte Rendite und die Standardabweichung bestimmen zu können, stellt kein leichtes Unterfangen dar. Bei der Schätzung eines Parameters übernimmt ein Investor durch auftretende Schätzfehler grundsätzlich Schätzrisiken bei der Optimierung seines Portfolios. Eine Möglichkeit, die Güte eines Schätzers zu erhöhen, besteht in der Erhöhung der Qualität der Beobachtungen. Eine Verbesserung kann entweder durch die Verlängerung des gesamten Schätzzeitraums oder durch die Unterteilung des Schätzzeitraums in kürzere Intervalle erfolgen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass diese Vorgehensweise in der Praxis nicht immer durchführbar ist, da sehr junge Unternehmen meistens noch nicht lange am Kapitalmarkt gehandelt werden und dadurch keine bzw. nur sehr kurze Kurshistorien zu erhalten sind. F RENCH , S CHWERT und S TAMBAUGH (1987) kamen während ihrer empirischen Studie zu der Erkenntnis, dass sich selbst innerhalb relativ kurzer Zeiträume die erwarteten Renditen und Standardabweichungen verändern. Aus diesem Grund erscheint es nicht sinnvoll, als Datengrundlage auf eine sehr lange Kurshistorie zurückzugreifen, da die Parameter sich im Zeitablauf nicht konstant verhalten, sondern ständigen Veränderungen unterworfen sind. Im Gegensatz dazu steht dem Anleger die Wahl der Intervalle des Beobachtungszeitraums nahezu frei. Die Schätzung von Parametern bei der Portfoliooptimierung kann auf der Grundlage von Kurszeitreihen auf Quartals-, Monats-, Wochen- und Tagesbasis erfolgen. Je nachdem für welche Grundlage sich ein Anleger entscheidet, erhöht sich die Anzahl der Beobachtungen entsprechend. Schätzzeitraum T Breite des Konfidenzintervalls 1 Jahr 98,00 % 5 Jahre 43,83 % 10 Jahre 30,99 % 20 Jahre 21,91 % 50 Jahre 13,86 % Tab. 42: Breite des Konfidenzintervalls für den Schätzer der erwarteten Rendite Quelle: Ernst/ Gleißner (2012) bzw. Kempf und Memmel (2002), S. 903 Die Analyse des Konfidenzintervalls bezieht sich stets auf eine zuvor festgelegte Konfidenzwahrscheinlichkeit bzw. ein Konfidenzniveau und erlaubt dadurch eine Aussage über die Höhe des Schätzfehlers zu treffen. Die Breite des Konfidenzintervalls gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Stichprobe für die Schätzung eines Parameters den wahren Parameter enthält. Bei einem Beobachtungszeitraum von einem Jahr enthält die Stichprobe mit einer Wahrscheinlichkeit von 98 % den „wahren“ <?page no="432"?> 6.2 Übersicht über die Modelle und Methoden der robusten Optimierung 433 Parameter. Eine kontinuierliche Verlängerung des Schätzzeitraums auf bis zu 50 Jahre wirkt sich eher kontraproduktiv auf die Häufigkeit der Schätzfehler aus. 378 Die erläuterten Schätzfehler führen im Rahmen der Portfoliooptimierung dazu, dass Wertpapiere mit höheren erwarteten Renditen und niedrigeren Standardabweichungen übergewichtet und umgekehrt Wertpapiere mit niedrigen erwarteten Renditen und hohen Standardabweichungen im Optimierungsprozess untergewichtet werden. Dadurch werden Abweichungen in der Allokation des optimierten Portfolios hervorgerufen. Aus diesem Grund wird der klassische Mittelwert-Varianz-Ansatz von Kritikern in der Fachliteratur auch als „Fehlermaximierer“ bezeichnet. 379 So etwa M I- CHAUD (1989, 1998) und B ROADIE (1993). Einige Kritiker, wie z.B. J OBSON und K ORKIE (1981) und auch J ORION (1985) belegten durch empirische Studien, dass aufgrund der Schätzfehler ein Portfolio mit einer naiven Diversifizierung (vgl. Kapitel 1) einem nach dem Mittelwert-Varianz-Ansatz bzw. der Tobin-Separation (vgl. Kapitel 3) gebildeten und hinsichtlich des Sharpe Ratios optimierten Portfolios überlegen ist. 6.2 Übersicht über die Modelle und Methoden der robusten Optimierung Quelle: © World Economic Forum Photo by Sebastian Derungs “Economic theory needs to be fundamentally reconsidered. There is an element of uncertainty in economic processes that has been largely unaccounted for.” George Soros - US-amerikanischer Investor (*1930) Im Lauf der Zeit sind in der Fachliteratur einige Maßnahmen und geeignete Verfahren zur Reduktion von Schätzfehlern entwickelt worden. Es bestehen in diesem Zusammenhang zwei wichtige Ansatzpunkte für die Entwicklung robuster Methoden in der Portfoliooptimierung. 378 Eine detaillierte Herleitung der grundlegenden Schätzfehlerproblematik in Verbindung mit der Beurteilung des Konfidenzintervalls liefert etwa Spremann (2006), S. 130 ff. 379 Vgl. Fabozzi et al. (2007), S. 211 <?page no="433"?> 434 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung Auf der einen Seite ergibt sich durch die Schätzfehler selbst ein Ausgangspunkt zur Beseitigung von Prognosefehlern in den unterschiedlichen Parametern. Hierbei wird grundsätzlich versucht, besonders robuste Schätzer zu bestimmen, um durch geeignete Verfahren die Güte der Schätzungen zu verbessern. Es wird dabei auf Schätzer zurückgegriffen, die weniger sensitiv auf Ausreißer in den Stichproben reagieren. Zu diesen Verfahren gehören zum einen die Bayes-Schätzer (engl. bayesian estimators) und zum anderen die geschrumpften Schätzer (engl. shrinkage estimators). Auf der anderen Seite stellen die Optimierungsmodelle selbst einen weiteren Ansatzpunkt zur Integration von Unsicherheit in den Prozess der Portfoliooptimierung dar. In diesem Fall greifen die Fachliteratur und die Praxis auf robuste Optimierungsmodelle im Allgemeinen und auf das Black-Litterman-Modell sowie auf das „Portfolio Resampling“ im Speziellen zurück. 380 Abb. 158 untergliedert die einzelnen Verfahren der robusten Statistik nach den zugrundeliegenden Ansatzpunkten und gibt einen kurzen Überblick über die weiteren Inhalte der nachfolgenden Abschnitte. 381 Abb. 158: Überblick über die Verfahren der robusten Statistik Quelle: Eigene Darstellung Im Rahmen des vorliegenden Kapitels wurde auf eine detaillierte Darstellung der abgebildeten Verfahren der robusten Erwartungswert-Varianz-Optimierung sowie der Methoden der Portfoliooptimierung auf Grundlage des Value at Risk und Conditional Value at Risk verzichtet. Dem interessierten Leser empfiehlt sich jedoch die Lektüre von F ABOZZI et al. (2007) bzw. R OCKAFELLAR / U RYASEV (1999) 380 Vgl. Fabozzi et al. (2007), S. 207 381 Zum Verständnis der nachfolgenden Abschnitte ist ein grundlegendes Verständnis der induktiven Statistik notwendig. Eine geeignete Einführung in dieses Themengebiet liefert etwa Benjamin Auer / Horst Rottmann (2011), „Statistik und Ökonometrie für Wirtschaftswissenschaftler“, S. 307 ff. Verfahren der robusten Statistik Einführung von Restriktionen Modifikation der Input-Parameter Robuste Schätzer M-Schätzer L-Schätzer Geschrumpfte Schätzer James-Stein- Schätzer Bayes-Stein- Schätzer Modifikation des Modells Black-Litterman Portfolio- Resampling Robuste EVO Alternativen Portfoliooptimierung nach VaR Portfoliooptimierung nach CVaR <?page no="434"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 435 Einen Überblick über die wichtigsten literarischen Vertreter der robusten Statistik und Optimierung gibt Tab. 43, die dem interessierten Leser einen Ausgangspunkt zur Vertiefung der Thematik unterbreiten soll. Methode Vertreter Bayesian-Methoden Barry (1974), Bawa et al. (1979) Bayesian-Methoden i.Verb.m. Asset Pricing Models MacKinley/ Pastor (2000), Pastor (2000), Pastor/ Stambaugh (2000) Robuste Optimierung Cornuejols und Tütüncü (2007), Goldfarb and Iyengar (2003), Garlappi et al. (2007), Rustem et al. (2000), Tütüncü und König (2004) Robuste Bayesian-Optimierung Wang (2005) Robuste Schätzung DeMiguel et al. (2009) Shrinkage DeMiguel et al. (2011) Constraints Best und Grauer (1992), Jagannathan und Ma (2003), DeMiguel et al. (2009) Tab. 43: Überblick über die Vertreter der robusten Statistik 6.3 Modifikation der Input-Parameter 6.3.1 Robuste Schätzer Quelle: © WSJ, Donna Alberico “The evidence reveals repeated patterns of irrationality, inconsistency, and incompetence in the ways human beings arrive at decisions and choices when faced with uncertainty.” Peter L. Bernstein - US-amerikanischer Investor und Autor (*1919, †2009) Die Auswirkungen der erläuterten Schätzfehlerproblematik auf die Allokation von Portfolios begründeten die Anwendung alternativer Rendite- und Risikomaße. Auf Grund der beschriebenen Schwächen der klassischen Schätzer wird in den nachfolgenden Abschnitten näher auf robuste Schätzer und deren Einsatz im Portfolio Management eingegangen. Die induktive Statistik unterteilt die Schätzung von unbekannten Parametern grundsätzlich in die zwei Bereiche: <?page no="435"?> 436 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung die Punktschätzer und die Intervallschätzer Die grundlegende Problematik bei der Schätzung von Parametern spiegelt sich in der Erkenntnis wider, dass die Verteilung der Grundgesamtheit und dadurch auch die gemeinsame Verteilung der Stichprobenvariablen unbekannt ist. Aus diesem Grund beschreibt bei einer Punktschätzung ein numerischer Schätzwert aufgrund des Ergebnisses einer betrachteten Stichprobe mit den unbekannten Parameter der Verteilung einer Grundgesamtheit. Ein solcher Schätzwert resultiert aus der Verarbeitung der beobachteten Stichprobenergebnisse in Form einer sogenannten Stichprobenfunktion. 383 Diese Funktion (6.1) wird im Allgemeinen auch als Schätzer bzw. Schätzfunktion bezeichnet. Da der Eintritt der Stichprobenvariablen mit Unsicherheit behaftet ist, stellen diese Zufallsvariablen dar, weshalb auch als eine Funktion der n Zufallsvariablen eine Zufallsvariable verkörpert. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung von wird in diesem Zusammenhang auch als Stichprobenverteilung von bezeichnet. In diesem Fall liefert der Schätzer die Schätzung , wobei die konkrete Realisation der Zufallsvariable ist. Die Schätzfunktion stellt eine mathematische Darstellung der formalen Vorgehensweise für die Bestimmung eines Schätzwertes aus den Stichprobenergebnissen dar. 384 Es verbleibt der Hinweis, dass die Notationen einer allgemeinen Schätzung in der Fachliteratur, wie auch im nachfolgenden, mit „Dächern“ gekennzeichnet sind. Die bisherigen Bemühungen bei der Ermittlung der erwarteten Rendite und der Standardabweichung konzentrierten sich ausschließlich auf das Stichprobenmittel bzw. das arithmetische Mittel und die Stichprobenvarianz. Parameter Schätzer Arithmetisches Mittel Stichprobenmittel Varianz Stichprobenvarianz Tab. 44: Übersicht „Klassische“ Schätzer 382 Hinweis: ist der Kleinbuchstabe von im griechischen Alphabet 383 Vgl. Auer/ Rottmann (2011), S. 331 384 Vgl. Auer/ Rottmann (2011), S. 332 <?page no="436"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 437 Am nachfolgenden Beispiel soll die Notwendigkeit einer Anpassung des klassischen Schätzers gezeigt werden. Beispiel: Die durchschnittliche Schrittlänge eines Menschen Es soll nachfolgend die durchschnittliche Schrittlänge eines Menschen aus einer Stichprobe von 8 Probanden ermittelt werden. Obwohl eine Stichprobe von 8 Personen aus empirischer Sicht keinesfalls die Grundgesamtheit widerspiegeln kann, möchten wir das nachfolgende Beispiel trotzdem nutzen. Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 Schrittlänge 112 cm 108 cm 103 cm 114 cm 106 cm 139 cm 102 cm 107 cm Auf Grundlage der Daten ergibt sich nun eine durchschnittliche Schrittlänge von 111,375 cm. Bei der Betrachtung der Schrittlängen der einzelnen Probanden bemerkt man, dass der 6. Proband offensichtlich aus dem Rahmen der Stichprobe fällt, da er eine unverhältnismäßig hohe Schrittlänge von 139 cm besitzt. Bei einer Reduzierung der verfügbaren Probanden auf letztlich 7 Personen, ergibt sich ohne Berücksichtigung des 6. Probanden eine durchschnittliche Schrittlänge von 107,43 cm. Die Analyse erwägt den Anschein, dass die durchschnittliche Schrittlänge durch den Ausreißer in Form von Proband Nr. 6 hätte unterschätzt werden können, falls Proband Nr. 6 zufällig nicht in die Stichprobe mit aufgenommen worden wäre. In diesem Fall liegt der repräsentative Anteil in Wirklichkeit wesentlich höher. Das Beispiel zeigt trotz statistischer Schwächen auf, dass es beim arithmetischen Mittel schon bei einem bzw. einigen wenigen Ausreißern zu unerwünschten Verzerrungen des Lagemaßes kommen kann. Eine intuitive Erklärung für diese Beobachtung liefert die Tatsache, dass bei der Auswahl der Stichprobe oftmals nicht alle Werte der Grundgesamtheit zur Verfügung stehen, oder ausgewählt werden, und somit lediglich eine Stichprobe der Daten vorliegt. 385 Eine weitere Ursache für die Existenz von Verzerrungen in den Schätzwerten zeichnet sich in der methodischen Gleichgewichtung der Stichprobenvariablen bei der Bestimmung des arithmetischen Mittels ab. Diese maßgebliche Schwäche der klassischen Schätzer motivierte die Entwicklung robuster Schätzverfahren und deren Anwendung im Portfolio Management. Der Begriff „robust“ wurde erstmals in der statistischen Fachliteratur durch B OX (1953), T UKEY (1960) und H ODGES und L EHMAN (1963) eingeführt und im Rahmen ihrer einzelnen Arbeiten in unterschiedlichen Kontexten diskutiert. Als Grundlage für die spätere Darstellung robuster Schätzer soll zunächst das Prinzip der Maximum- Likelihood-Methode kurz eingeführt und dargestellt werden 386 . 385 Vgl. Brosius (1998), S. 375 386 Vgl. Neubauer (1994), S. 392 <?page no="437"?> 438 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung 6.3.1.1 Allgemeine Schätzung des Mittelwerts durch die Maximum-Likelihood-Methode Der sogenannten Maximum-Likelihood-Methode (engl. maximum likelihood estimation) liegt ein einfaches mathematisches Prinzip zugrunde und die Methode wird in der ökonometrischen Fachliteratur allgemeinhin auch als ML-Schätzer bezeichnet. Bei der Schätzung eines unbekannten Parameters wird dieser so gewählt, dass die beobachtete Stichprobe für deren Verteilung mit diesem Parameter am wahrscheinlichsten ist. 387 Mit anderen Worten wird der Parameter von gesucht, bei dem die Stichprobenvariablen den größten Wert der Dichtefunktion besitzen. Die Maximum-Likelihood-Methode verfolgt als parametrisches Schätzverfahren grundsätzlich das Ziel, genau denjenigen Parameter zu finden, der die Wahrscheinlichkeit maximiert, mit welcher der gesuchte Parameter in der untersuchten Stichprobenverteilung enthalten ist. Um den Parameter zu bestimmen, greifen wir auf die „Likelihood-Funktion“ zurück: bzw. (6.2) Die beiden dargestellten Gleichungen charakterisieren die gemeinsame Wahrscheinlichkeitsfunktion bzw. -dichte der n Stichprobenvariablen unter der Voraussetzung, dass diese unabhängig und identisch verteilt sind und einen unbekannten Parameter besitzen. Die Likelihood-Funktion beschreibt für jeden festen Wert von eine n-dimensionale Wahrscheinlichkeitsfunktion bzw. -dichte. 388 Stattdessen lässt sich auch umgekehrt für feste Realisationen die Dichte als Funktion von darstellen. 389 Es ergibt sich demnach diese Funktion: bzw. (6.3) Das grundlegende Prinzip der Maximum-Likelihood-Methode zur Konstruktion einer entsprechenden Schätzfunktion besteht in der Maximierung der soeben dargestellten Likelihood-Funktion. Der Grundsatz der ML-Schätzung eines unbekannten Parameters besagt, dass der Parameter für die Stichprobe so zu wählen ist, dass dessen Wahrscheinlichkeit (engl. likelihood) maximal ist, d.h. 387 Vgl. Beucher (2007), S. 195 388 Vgl. Auer / Rottmann (2011), S. 331 389 Vgl. Fahrmeir et al. (2006), S. 376 <?page no="438"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 439 bzw. (6.4) Das bedeutet, dass der ML-Schätzer für eine konkrete Stichprobe einen Schätzwert liefert. Aus rechnerischen Gründen erscheint es zweckmäßig, den Logarithmus der Schätzfunktion zu verwenden, da in diesem Fall mit Summen anstatt mit Produkten gerechnet werden kann. 390 Ein weiterer Grund für die Verwendung des Logarithmus findet sich in der Maximierung der Funktion durch das Ableiten und Nullsetzen der Schätzfunktion, da es dabei meist zu ungewöhnlichen Ausdrücken kommen kann. 391 Aus diesem Grund wird für die weiteren Betrachtungen der ML- Schätzer unter Beachtung der Log-Likelihood-Funktion definiert als: (6.5) sodass für die Bestimmung des Maximums der Funktion die Lösungen von: bzw. (6.6) zu ermitteln sind. 6.3.1.2 Schätzung des Mittelwerts unter der Annahme einer Normalverteilung Soll der Mittelwert einer Stichprobe unter der Annahme einer Normalverteilung mit den Parametern unter Anwendung der Maximum-Likelihood- Methode geschätzt werden, muss die Verteilung der Stichprobenvariablen in die Konstruktion des Schätzers für den Mittelwert miteinfließen. Die Dichte ergibt sich in diesem Sinne bei stetigen Variablen wie folgt: (6.7) In Bezug auf die soeben dargestellte Dichtefunktion ergibt sich die Log-Likelihood- Funktion gemäß: (6.8) 390 Vgl. Beucher (2006), S. 197 391 Vgl. Fahrmeier et al. (2006), S. 377 <?page no="439"?> 440 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung Nach dem Differenzieren dieser Gleichung nach und Nullsetzen der Ableitung und anschließender Auflösung erhält man die ursprüngliche Gleichung für die Schätzung des Mittelwerts auf Grundlage des arithmetischen Mittels (siehe Tab. 44). 392 6.3.1.3 M-Schätzer Die Gruppe der M-Schätzer stellt eine Verallgemeinerung der populären Maximum- Likelihood-Methode, der sogenannten ML-Schätzer, dar. (6.9) Am Ende von Abschnitt 6.3.1 wurde deutlich, dass man unter Annahme einer Normalverteilung mit unbekanntem Erwartungswert erneut durch eine entsprechende Differenzierung der Funktion bzw. Ableitung mit anschließender Auflösung zum arithmetischen Mittel gelangt. Aufgrund der dargestellten Schwächen dieses Ansatzes verfolgen wir das Ziel, ein robustes Verfahren zu entwickeln, das nicht allzu sensitiv auf Ausreißer in einer Stichprobe reagiert. Es wird dabei versucht, den Einfluss extremer Werte bei der Bestimmung eines Lagemaßes zu verringern. Obwohl die Methodik bei der Berechnung von M-Schätzern der allgemeinen Vorgehensweise nahezu entspricht, finden sich trotzdem einige wichtige Unterschiede. Im Gegensatz zum arithmetischen Mittel, welches bei der Berechnung eine Gleichgewichtung der Stichprobenvariablen vornimmt, werden die einzelnen Stichprobenvariablen bei der Berechnung des M-Schätzers unterschiedlich gewichtet. Als Faustregel gilt: Je stärker eine Stichprobe von den übrigen Werten positiv als auch negativ abweicht, desto geringer ist das Gewicht dieser Stichprobe, das in die Berechnung des M-Schätzers miteinfließt. 393 Da die Bestimmung der anteiligen Gewichte einer Stichprobe grundsätzlich vom Grad der Entfernung zu den verbleibenden Stichproben abhängig ist, stellt diese Eigenschaft ein maßgebliches Kriterium zur Unterscheidung der verschiedenen M-Schätzer dar. Die M-Schätzer berücksichtigen bei ihrer Berechnung eventuelle Schätzfehler durch die gezielte Untergewichtung von Stichprobenelementen, die von ihren übrigen Stichprobenwerten positiv wie auch negativ abweichen. Je stärker die Abweichungen ausfallen, umso geringer geht der Stichprobenwert in die Berechnung des M-Schätzers mit ein. Um den Einfluss von Ausreißern auf Schätzwerte angemessen verringern zu können, wird die Funktion durch die Funktion ersetzt, da diese weniger sensitiv auf Ausreißer reagiert. Durch das Auflösen der nachfolgenden Gleichung resultiert ein M-Schätzer für eine Stichprobe der Größe n: wobei (6.10) 392 Vgl. Genschel/ Becker (2005), S. 124 bzw. Beucher (2006), S. 199 393 Vgl. Brosius (1998), S. 375 <?page no="440"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 441 In Formel (6.10) stellt eine beliebige Funktion dar. Ist die Funktion p stetig, kann die erste Ableitung der Funktion nach dem gewählten Parameter auch einfacher ermittelt werden, indem die nachfolgende Gleichung aufgelöst wird: mit (6.11) Aus der ersten Ableitung resultiert die sogenannte Einflussfunktion (IF), die in der Fachliteratur im Allgemeinen auch als -Funktion (Psi-Funktion) bekannt ist. Die Einflussfunktion IF beschreibt die Sensitivität eines Schätzers, da die Definition einer Einflussfunktion je nach Formulierung bewirkt, dass Ausreißer nur in begrenztem Maße Implikationen auf den Schätzwert ausüben können. Die Einflussfunktion verdeutlicht im Allgemeinen den Einfluss einer zusätzlichen Beobachtung zu einer bestehenden Stichprobe in Form einer Kurve. Aus diesem Grund stellt die Sensitivität eine beliebte Kennzahl zur Beschreibung der Eigenschaften eines Schätzers auf. 394 (6.12) Die Einflusskurve eines M-Schätzers verhält sich dabei grundsätzlich proportional zu (Psi). 395 Der Bruchpunkt eines Schätzverfahrens ist eine weitere wichtige Eigenschaft bei der Beurteilung eines robusten Schätzers. Bei der Ermittlung des Bruchpunkts wird eine beliebige Auswahl an Beobachtungen manipuliert, von denen jedoch einige Elemente mit den ursprünglichen Beobachtungen übereinstimmen. Nach der Bestimmung des Maximums über alle adjustierten Stichproben über mehrere Durchgänge lässt sich der „Zusammenbruch“ (engl. breakdown) der Schätzung ermitteln. 396 6.3.1.4 Huber-k-Schätzer Die unterschiedlichen Typen an M-Schätzern unterscheiden sich maßgeblich durch die Definition der zugeordneten Schätzfunktion . Die Kleinste-Quadrate-Methode, der Huber-k-Schätzer, der Hampel-Schätzer, der Andrews-Wave-Schätzer und Tukey’s Biweight-Schätzer gehören zu den geläufigsten Schätzfunktionen im Rahmen der M-Schätzer-Familie. Die nachfolgende Tab. 45 gibt einen kurzen Überblick über die wichtigsten Parameter. Durch die Berücksichtigung der Schätzung des Skalenparameters werden die unterschiedlichen Skalenwerte der jeweiligen Stichprobe in den Schätzwert miteinbezogen, um eine Skaleninvarianz zu erreichen. Eine Skaleninvarianz liegt bei einer Schätzfunktion vor, wenn sich selbst bei einer Veränderungen der Betrachtungsgrößen in 394 Vgl. Ruckstuhl (2008), S. 4 ff. 395 Vgl. Huber (1963), S. 14 396 Vgl. Ruckstuhl (2008), S. 4 ff. <?page no="441"?> 442 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung Form einer Reskalierung die wesentlichen Eigenschaften dieser Funktion nicht ändern. 397 Methode Kleinste Quadrate Huber-k- Schätzer Tab. 45: Übersicht Schätzfunktionen Quelle: Andere siehe http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ M-Schätzer Abb. 159: Übersicht M-Schätzer Quelle: Zhang (1995), S. 36 In der ursprünglichen Definition des M-Schätzers wurde die Standardabweichung als Skalenparameter verwendet. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Standardabweichung nicht robust genug ist und dadurch kein allzu hoher Bruchpunkt erreicht werden kann. Bei der Verwendung eines robusten Skalenschätzers hingegen werden häufig höhere Bruchpunkte erreicht. Hierzu bezeichnen wir als einen robusten Schätzer des Skalenparameters. In diesem Fall wird häufig auf den Median Absolute Deviation (MAD) zurückgegriffen. 398 (6.13) 397 Vgl. Klein (2001), S. 53 398 Vgl. Ruckstuhl (2008), S. 9 <?page no="442"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 443 Daraus ergibt sich eine mögliche Schätzfunktion des M-Schätzers, welche skaleninvariant ist, gemäß der nachfolgenden Form: (6.14) R UCKSTUHL (2008) empfiehlt eine Korrektur des Skalenparameters vorzunehmen, um eine noch konsistentere Schätzung für die Standardabweichung bei einer Normalverteilung zu erhalten. Es ergibt sich der sogenannte , der den Skalenparameter ersetzen soll. (6.15) Die Wendepunkte der werden anschließend durch die Wahl einer geeigneten Konstante k bestimmt. In der Regel wird die Konstante in Abhängigkeit der Verteilung festgelegt, sodass der jeweilige Schätzer eine relative Effizienz von 95 % besitzt. 399 Die nach H UBER besitzt eine Konstante von k = 1,345. Abb. 160 verdeutlicht nochmals die Wahl einer geeigneten Konstante in Verbindung mit dem dazugehörigen Verlauf der Einflusskurve. Obwohl der Median und auch die Mittlere Absolute Abweichung (MAD) klassische Vertreter der Gruppe robuster Schätzer darstellen, greift man im Portfolio Management aufgrund der besseren Eigenschaften hauptsächlich auf M-Schätzer zurück. 400 Abb. 160: Auswirkungen der Konstante k auf die Einflussfunktion (Phi-Funktion) Quelle: Eigene Darstellung 399 Vgl. Ruckstuhl (2008), S. 9 400 Vgl. DeMiguel/ Nogales (2009), S. 2 k=0,5 k=1,5 k=2,5 <?page no="443"?> 444 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung Es lässt sich für viele Schätzfunktionen leider keine explizite mathematische Lösung angeben, sodass die Lösung numerisch bestimmt werden muss. Die Berechnung des M-Schätzers lässt grundsätzlich zwei unterschiedliche Methoden zu. Einerseits kann der M-Schätzer nach der Newton-Methode ermittelt werden, andererseits kann der Schätzwert auch durch eine iterative Neugewichtung der kleinsten Quadrate (engl. iterated reweighted least squares) bestimmt werden. In beiden Fällen wird die Lösung näherungsweise bestimmt. Als Alternative zu den M-Schätzern gibt H UBER (2004) den Hinweis auf die L- und R- Schätzer, die eine weitere Möglichkeit der robusten Schätzung darstellen. Obwohl die robuste Schätzung von Parametern und die robuste Portfoliooptimierung in der finanzwirtschaftlichen Fachliteratur und Praxis im Allgemeinen auf unterschiedliche Art und Weise angewendet und umgesetzt werden, kann offensichtlich ein grundsätzlicher positiver Einfluss robuster Schätzer auf die Zusammensetzung von Portfolios im Zeitablauf aus unterschiedlichen Quellen empirisch nachgewiesen werden. In der Fachliteratur werden dabei maßgeblich drei unterschiedliche Forschungsgebiete im Umgang mit robusten Methoden im Portfolio Management unterschieden. Eine Reihe an empirischen Studien, so etwa C AVADINI et al. (2001), V AZ - DE M ELO und C AMARA (2003), P ERRET -G ENTIL und V ICTORIA -F ESER (2004) sowie W ELSCH und Z HOU (2007) ersetzen die ursprüngliche Kovarianz-Matrix der jeweiligen Wertpapierrenditen durch eine entsprechende robuste Schätzung dieser Kovarianz-Matrix, während D E- M IGUEL und N OGALES (2009) M- und S-Schätzer direkt in den Prozess der Portfoliooptimierung integrieren. Im Rahmen dieser Studie belegten D E M IGUEL und N OGA- LES auf der Grundlage von simulierten und empirischen Renditen die stabilisierende Wirkung der M- und S-Schätzer auf die Allokation eines Portfolios im Zeitablauf. In beiden Fällen handelt es sich um robuste Schätzungen von Parametern. Eine weitere Alternative stellen die Studien zur robusten Portfoliooptimierung dar, auf die in den nachfolgenden Kapiteln noch detaillierter eingegangen wird. 6.3.2 Geschrumpfte Schätzer Quelle: © Dean LeBaron “Forecasts can be injurious to your wealth.” Dean LeBaron - Investmentmanager und Antizykliker (*1933) Im vorigen Abschnitt konnten durch die Modellierung einer geeigneten Schätzfunktion die Güte und Stabilität der Schätzwerte verbessert werden. Dabei spielte vor allem die Gewichtung der einzelnen Stichprobenergebnisse bei der Implementierung eine entscheidende Rolle. In den nachfolgenden Abschnitten steht im Umgang mit der Prognoseunsicherheit im Rahmen der Portfoliooptimierung die direkte Anpassung der Schätzwerte im Mittelpunkt der Bemühungen. <?page no="444"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 445 Bei der Entwicklung der geschrumpften Schätzer wurde auf den populären Ansatz der Bayes’schen Statistik zurückgegriffen. Der Bayes’sche Ansatz verfolgt die grundlegende Idee, dass durch die Anpassung der mit Unsicherheit behafteten Inputparameter an einen festgelegten Wert oder Prior 401 eine Verbesserung des Schätzverfahrens erreicht werden kann. Der Prior spiegelt entweder einen zufälligen Wert oder eine wohlbegründete Vermutung über den zukünftigen Wert eines Parameters auf der Grundlage historischer Entwicklungen wider. Im Rahmen dieser Annahmen können die Erwartungen der langfristigen Renditen oder Volatilitäten der betrachteten Assetklassen zum Ausdruck kommen. Im Allgemeinen erfordert die Anwendung von Bayes- Prioren ein Maß an intuitiver Struktur als auch die Kenntnis der langfristigen Erwartungen der Modellinputs. 402 Die geschrumpften Schätzer verfolgen mit der Einführung eines Priors maßgeblich die Grundsätze der Bayes’schen Statistik. Es wird dabei grundsätzlich eine Verbesserung des Schätzverfahrens angestrebt, indem die mit Unsicherheit behafteten Schätzungen an einen festgelegten Prior angepasst werden. Im Rahmen einer Studie belegte C HARLES S TEIN (1955) schon vor einem halben Jahrhundert, dass selbst unter sehr allgemeinen Bedingungen die Schätzung des Mittelwerts einer Stichprobe keine verlässlichen Aussagen über eine multivariate Grundgesamtheit zulässt. F ABOZZI et al. (2007) kommen vor diesem Hintergrund ebenfalls zu der Erkenntnis, dass das arithmetische Mittel einer N-dimensionalen multivariat verteilten Zufallsvariablen im Hinblick auf deren quadratischen Verlustfunktion: (6.16) nicht unbedingt den besten Schätzer darstellt. Eine Statistik gilt nach M ICHAUD (2008) im Allgemeinen erst als anerkannt, falls keine andere Statistik existiert, welche bessere Ergebnisse liefert. Obwohl S TEIN s Ergebnisse unmittelbar den Rückschluss zulassen, dass es durchaus gleichmäßigere statistische Ansätze zur Schätzung von unbekannten Parametern gibt, verwundert es umso mehr, dass die Investment-Branche in der Vergangenheit oftmals die Potenziale alternativer Ansätze gänzlich ignoriert hat. 403 R AS- MUSSEN (2003) gibt als mögliche Ursache von S TEIN s Schlussfolgerungen an, dass Informationen in einer multivariaten Verteilung enthalten sind, die bei der individuellen Betrachtung nicht sichtbar und demnach bei der Berechnung des Mittelwerts einer Stichprobe nicht berücksichtigt werden können. Im Rahmen der Ermittlung der erwarteten Rendite eines Wertpapiers und der Schätzung des dazugehörigen Stichprobenmittelwerts werden durch die individuelle und getrennte Betrachtung der historischen Kurse eines einzelnen Wertpapiers andere wichtige (potenzielle) Informationen ausgeblendet und nicht berücksichtigt, die womöglich in den verschiedenen historischen Zeitreihen der verbleibenden Wertpapiere enthalten sein könnten. 404 R ASMUSSEN ist aus diesem Grund davon überzeugt, dass die Berücksichtigung aller relevanten Infor- 401 Der Begriff Prior kommt ursprünglich aus der Statistik und gibt im Rahmen der Bayes’schen Regel die A-Priori-Wahrscheinlichkeit an. In diesem Fall bezieht sich die Bedeutung des Begriffes auf einen abgeänderten Kontext. 402 Vgl. Rasmussen (2003), S. 240 403 Vgl. Michaud (2008), S. 69 404 Vgl. Stähle (2005), S. 52 <?page no="445"?> 446 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung mationen eine multivariate Schätzung der Wertpapierrenditen erforderlich macht. Die gleichzeitige Schätzung von Wertpapierrenditen, Volatilitäten und Korrelationen kann unter bestimmten Bedingungen Informationen enthalten, die bei einer univariaten Schätzung nicht berücksichtigt werden können. Diese zusätzlichen Informationen können in Form der angegebenen Priore in die Schätzung der erwarteten Rendite miteinfließen. 405 Vor diesem Hintergrund geht die Entwicklung der nachfolgend dargestellten Stein- Schätzer auf die Erkenntnisse von S TEIN (1955) zurück. Einige Zeit später führten J AMES und S TEIN (1961) den James-Stein-Schätzer ein, der als Grundlage für die Entwicklung weiterer Schätzer diente. In Verbindung mit den nachfolgenden Abwandlungen des ursprünglichen James-Stein-Schätzers wird dieser in der Fachliteratur auch häufig nur als Stein-Schätzer bezeichnet. Es kann also gegenwärtig auf mehrere robuste Schätzer auf der Grundlage des ursprünglichen Stein-Schätzers für die Anwendung in der Mittelwert-Varianz-Optimierung zurückgegriffen werden. Abb. 161: Entwicklung in der Schätzung unbekannter Parameter In der gegenwärtigen Fachliteratur existieren neben den drei Hauptvertretern der Schrumpfungs-Schätzer auch noch weitere Abwandlungen für die Auswahl von Portfolios. 406 Der wesentliche Teil beschränkt sich jedoch auf die aufgeführten Schätzer: [1] Schätzer auf der Grundlage der Schrumpfung des Mittelwerts der Wertpapierrenditen [2] Schätzer auf der Grundlage der Schrumpfung der Kovarianz-Matrix der Wertpapierrenditen [3] Schätzer auf der Grundlage der direkten Schrumpfung der Portfolio-Gewichte Ein kurzer historischer Abriss gibt einen Überblick über die wichtigsten Schrumpfungs-Schätzer und Aufschluss über deren Einordnung. Neben J AMES und S TEIN (1961) und der Einführung des klassischen James-Stein- Schätzers beziehen sich weitere Ansätze alleinig auf die Schätzung der Wertpapierrenditen. J ORION (1986) führte in diesem Zusammenhang einige Zeit später auf dem grundlegen Prinzip des ursprünglichen James-Stein-Schätzers den Bayes-Stein- Ansatz ein. F ROST und S AVARINO (1986) übertrugen das Prinzip der James-Stein- Schätzung auch auf die Varianz, sodass neben der erwarteten Rendite auch die Kovari- 405 Vgl. Rasmussen (2003), S. 240 406 Vgl. Ledoit und Wolf (2003), S. 3 <?page no="446"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 447 anzen unterschiedlicher Wertpapiere geschätzt werden konnten. L EDOIT und W OLF (2003) griffen die vorangegangenen Erkenntnisse auf und entwickelten auf der Grundlage der Kovarianz-Matrix aus einer Stichprobe und dem Single-Index-Modell nach S HARPE (1963) einen weiteren Schrumpfungs-Schätzer. Schon ein Jahr später vereinfachten L EDOIT und W OLF (2004) die Implementation ihres geschrumpften Schätzers durch die Annahme konstanter Korrelationen. K AN und Z HOU (2007) dagegen verfolgen einen ganz anderen Ansatz. Im Rahmen ihrer Studie entdeckten beide eine Möglichkeit, die Portfolio-Gewichte auf direktem Wege zu schrumpfen. In den nachfolgenden Abschnitten erfolgt eine kurze Darstellung der wichtigsten Vertreter der Schrumpfungs-Schätzer. 6.3.2.1 James-Stein-Schätzer Der James-Stein-Schätzer verfolgt das grundlegende Ziel, durch die Anwendung von Bayes’schen Prioren die Auswirkungen von Schätzfehlern signifikant zu reduzieren. Die Methodik des James-Stein-Schätzers veranlasst eine Anpassung der einzelnen Stichprobenwerte an den durchschnittlichen Mittelwert der Renditen über alle Wertpapiere (engl. grand mean) hinweg. Die Berichtigung der einzelnen Stichprobenwerte in Richtung eines durchschnittlichen Mittelwerts aller Wertpapiere wird auch als Schrumpfung (engl. shrinkage) bezeichnet. Aus diesem Grund spricht man in diesem Zusammenhang auch oftmals von Schrumpfungs-Schätzern. Die Methodik der Schrumpfung zeichnet sich in Form einer Glättung der einzelnen Stichprobenwerte ab und verhindert dadurch extreme Werte in einer Stichprobe. 407 In diesem Fall dient die durchschnittliche Rendite aller Wertpapiere als Prior für die anschließende Bestimmung der erwarteten Rendite aller Wertpapiere. Der Grad der Schrumpfung der einzelnen Renditen wird typischerweise durch deren Abstand zu der durchschnittlichen Rendite aller Wertpapiere bestimmt. Je größer der Abstand zwischen den einzelnen Renditen und der durchschnittlichen Rendite aller Wertpapiere ist, umso mehr werden die einzelnen Stichprobenwerte der einzelnen Renditen in Richtung der durchschnittlichen Rendite aller Wertpapiere geschrumpft. 408 Der James-Stein-Schätzer ist wie folgt definiert: mit (6.17) als Vektor von N historischen Mittelwerten der Rendite eines jeden Wertpapiers, sodass: (6.18) 407 Vgl. Stähle (2005), S. 53 408 Vgl. Rasmussen (2003), S. 242 <?page no="447"?> 448 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung mit als Anzahl der Beobachtungen in der Stichprobe (Schätzzeitraum) für Wertpapier bzw. Assetklasse i. Die durchschnittliche Rendite aller Wertpapiere bzw. über alle Assetklassen hinweg (engl. grand mean) ergibt sich durch folgende Gleichung: (6.19) Das Gewicht bzw. der Schrumpfungsfaktor ergibt sich gemäß: (6.20) stellt in diesem Fall einen Vektor mit Einsen dar. Die Auflösung von Gleichung (6.17) in Verbindung mit Formel (6.20) bewirkt eine Schrumpfung der einzelnen historischen Renditen in Richtung der durchschnittlichen Rendite aller Wertpapiere (engl. grand mean). Der Schrumpfungsfaktor umfasst einen Bereich von 0 bis 1. Es gilt: Je mehr sich der Wert des Gewichts an den Wert 1 annähert, umso mehr werden die Stichprobenmittelwerte in Richtung der durchschnittlichen Rendite aller Wertpapiere bzw. Assetklassen geschrumpft. Im Gegensatz zum Stichprobenmittelwert besitzt der James-Stein-Schätzer einen geringeren quadratischen Verlust. N stellt dabei die Dimension der Zufallsvariablen X und enthält die Anzahl der Wertpapiere in einem Portfolio. T begründet in diesem Fall die Anzahl der Beobachtungen in der Stichprobe. Obwohl sicherlich eine Auswahl der Komponente existiert, ist es erstaunlich, dass die Annahme nahezu jeden Wertes möglich ist. In der Fachliteratur wird in diesem Zusammenhang vom Stein-Paradox gesprochen. Der Vektor in den vorangegangenen Gleichungen bezeichnet das Ziel der Schrumpfung und das Gewicht beschreibt die Intensität bzw. den Faktor der Schrumpfung. 409 Der James-Stein-Schätzer passt die einzelnen Stichprobenwerte auf Grundlage des langfristigen Mittels über alle Assetklassen und Wertpapiere eines Portfolios hinweg an. Der Grad der Anpassung wird maßgeblich durch den Faktor bestimmt. Die Auffassung einer optimalen Schrumpfung von historischen Renditen in Richtung eines Priors ist ein wenig irreführend, da die angestrebte Optimalität einer Schrumpfung der eines „optimalen“ Portfolios ähnelt. Ob und inwieweit eine Schrumpfung optimal ist, kann nur ex post festgestellt werden, wobei das Ergebnis unweigerlich vom ausgewählten Prior abhängig ist. Der James-Stein-Schätzer und auch die nachfolgend dargestellten robusten Schätzverfahren behalten aus statistischer Sicht ein gewisses Maß an Optimalität. 410 Nachdem die Frage der Optimalität beantwortet ist, sollen anschließend die Eigenschaften und Einflussfaktoren des Schrumpfungs-Faktors bzw. Gewichts untersucht werden. 409 Vgl. Fabozzi et al. (2007), S. 216 410 Vgl. Rasmussen (2003), S. 243 <?page no="448"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 449 Die Betrachtung der Gleichung (6.20) gibt Aufschluss über die einzelnen Einflussfaktoren des Schrumpfungsfaktors. Es wird deutlich, dass der Schrumpfungsfaktor hauptsächlich von der gesamten Anzahl an Beobachtungen im Schätzzeitraum, der Anzahl der Wertpapiere bzw. Assetklassen, der Varianz-Kovarianz-Matrix sowie dem Abstand zwischen den individuellen durchschnittlichen historischen Renditen der einzelnen Wertpapiere bzw. Assetklassen und der durchschnittlichen Rendite aller Wertpapiere bzw. Assetklassen abhängig ist. Abb. 162 bestätigt die Erkenntnisse aus der Betrachtung der Formel (6.20). Schon ab einer Anzahl von 50 Beobachtungswerten in einer Stichprobe reduziert sich die Schrumpfung der Stichprobenmittelwerte auf nunmehr 60 %. Bei einer Anzahl von 100 Beobachtungswerten sinkt der Anteil der geschrumpften Stichprobenmittelwerte bereits auf 30 % und nimmt bei einer Anzahl von 500 Beobachtungswerten im Schätzzeitraum nur noch einen verschwindend geringen Anteil an. Die Höhe des Schrumpfungsfaktors und somit die Schrumpfungsintensität ist von der gesamten Anzahl an Beobachtungen im Schätzzeitraum, der Anzahl der Wertpapiere bzw. Assetklassen, der Varianz-Kovarianz-Matrix sowie dem Abstand zwischen den individuellen durchschnittlichen historischen Renditen der einzelnen Wertpapiere bzw. Assetklassen und der durchschnittlichen Rendite aller Wertpapiere bzw. Assetklassen abhängig. Abb. 162: Schrumpfungs-Faktor des JS-Schätzers in Abhängigkeit von den Beobachtungen Quelle: Rasmussen (2003), S. 244 Es kann beobachtet werden, dass der Grad der Schrumpfung bei einer geringen Anzahl an Beobachtungswerten im Schätzzeitraum einer Stichprobe ansteigt und sich bei einer Erhöhung der Beobachtungswerte gegenteilig entwickelt. Abb. 162 greift diesen Zusammenhang nochmals auf. Der Umfang der in einem Portfolio enthaltenen Assetklassen übt ebenfalls einen großen Einfluss auf den Schrumpfungsfaktor aus. Darüber hinaus beeinflussen der Abstand der einzelnen Stichprobenmittelwerte vom durchschnittlichen Mittelwert über alle Wertpapiere und ein höheres Niveau an Kovarianz den Schrumpfungsfaktor positiv, sodass dieser ansteigt. Die Intensität der Schrumpfung steigt bei einer geringen Anzahl an Beobachtungswerten im Schätzzeitraum einer Stichprobe an und nimmt bei einer Erhöhung der Beobachtungswerte ab. 0% 20% 40% 60% 80% 100% 120% 1 25 50 100 200 500 1,000 10,000 Shrinkage Anzahl Beobachtungswerte <?page no="449"?> 450 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung Eine intuitive Erklärung für die Auswirkungen der einzelnen Komponenten des Schrumpfungsfaktors ist, dass ein hohes Risiko einen hohen Schrumpfungsfaktor erfordert. Ein hohes Risiko besitzt jedoch unterschiedliche Ursachen. Eine verhältnismäßig geringe Anzahl an Beobachtungswerten lässt unter Umständen das Risiko von erheblichen individuellen Schätzfehlern ansteigen. In diesem Fall muss der Schrumpfungsfaktor in gleichem Maße ansteigen, um die entstehenden Schätzfehler zu kompensieren. In einem anderen Fall zieht ein signifikanter Anstieg der Wertpapiere oder Assetklassen in einem Portfolio eine Erhöhung der Mittelwerte nach sich. Da die Zunahme an Wertpapieren in einem Portfolio unmittelbar zu einer linearen Erhöhung der Stichprobenwerte (Renditen) und linear einem quadratischen Anstieg der Kovarianz-Terme führt, besteht die Schätzfehlerproblematik bei großen Portfolios im besonderen Maße. Aus diesem Grund gewinnt die Reduzierung von Schätzfehlern für Portfolios mit einer ansteigenden Anzahl an Wertpapieren und Assetklassen an Bedeutung. Eine weitere kritische Determinante des Schrumpfungsfaktors stellt ein Anstieg der Kovarianzen dar. Ein damit einhergehender Anstieg der Volatilitäten und Korrelationen zwischen den einzelnen Wertpapieren und Assetklassen erfordert in Verbindung mit einer entsprechenden Erhöhung der numerischen Werte und der absoluten Schätzfehler einen höheren Schrumpfungsfaktor. Alle erläuterten Faktoren beeinflussen das Ausmaß des Schrumpfungsfaktors. 411 Beispiel: Die Anwendung des James-Stein-Schätzers Im Rahmen dieses Beispiels folgt der Vergleich des James-Stein-Schätzers zu den herkömmlich geschätzten erwarteten Renditen. Hierbei wurde maßgeblich auf die adjustierten Schlusskurse der Wertpapiere aus dem bereits zuvor vorgestellten Ausgangsportfolio zurückgegriffen. Aus der vorliegenden Datengrundlage ergab sich entsprechend Formel (6.20) ein Schrumpfungsfaktor in Höhe von . Auf Basis des ermittelten Schrumpfungsfaktors konnten anschließend die erwarteten Renditen der einzelnen Wertpapiere des Portfolios mit Hilfe des James-Stein- Schätzers bestimmt werden. Aus der Schätzung ergaben sich die in Tab. 46 dargestellten Ergebnisse. ABT BA COST CSCO IBM INTC MRK MSFT T XOM Erw. Rendite 3,10 % 0,74 % 4,53 % 4,27 % 5,21 % -3,47 % 2,75 % 2,32 % 1,07 % 7,89 % J-S- Schätzer 2,99 % 1,67 % 3,79 % 3,64 % 4,17 % -0,68 % 2,79 % 2,55 % 1,85 % 5,66 % Tab. 46: Logarithmierte Rendite im Vergleich zum James-Stein-Schätzer Im Anschluss an die tabellarische Darstellung der Prognoseergebnisse können die Schätzungen ebenfalls gemäß Abb. 163 in Form eines Balkendiagramms visualisiert werden. Es zeigt sich, dass zwischen der herkömmlichen Schätzung der erwarteten Rendite und der Prognosen mit Hilfe des James-Stein-Schätzers nur geringfügige Unterschiede bestehen. Zieht man jedoch in Betracht, dass die klassiche Portfoliooptimierung bereits auf sehr geringe Abweichungen in den erwarteten Renditen sehr sensitiv reagiert, sollte der Einfluss des James-Stein-Schätzers im Kontext der 411 Vgl. Rasmussen (2003), S. 244 Portfoliooptimierung nicht unterschätzt werden. <?page no="450"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 451 Abb. 163: Geschätzte und geschrumpfte Renditen im Vergleich Nachdem die erwarteten Renditen auf Grundlage des James-Stein-Schätzers erfolgreich ermittelt wurden, können diese als Inputparameter in die Portfoliooptimierung einfließen. Wird die Portfoliooptimierung für verschiedene Zielrenditen durchgeführt, ergibt sich dementsprechend eine Effizienzkurve. Abb. 164 zeigt zwei unterschiedliche Effizienzkurven, die einerseits auf der Grundlage herkömmlicher erwarteter Renditen und andererseits mit James-Stein-Schätzungen ermittelt wurden. Abb. 164: Effizienzkurven und Portfolio-Gewichte im Vergleich Quelle: Eigene Darstellung, MATLAB Es wird deutlich, dass die Effizienzkurve der James-Stein-Schätzer deutlich unter der herkömmlichen Effizienzkurve liegt, obwohl die absoluten Abweichungen der dargestellten Schätzverfahren nur geringfügig voneinander abweichen. Werden jedoch die einzelnen Portfoliogewichte entlang der gesamten Effizienzkurve gemeinsam in einem Flächendiagramm dargestellt, erscheint auf den ersten Blick auffällig, dass die Portfoliogewichte beim Vergleich offensichtlich nur geringfügig abweichen. Bei genauerer Betrachtung stellt man jedoch fest, dass sich die Portfoliogewichte auf der horizontalen Achse verschoben haben. Man stellt in diesem Zusammenhang auch fest, dass sich währenddessen die Zuordnung der erwarteten Rendite respektive verändert hat. Abb. 165 stellt diesen Zusammenhang in einem Flächendiagramm ausführlich dar. -10% 0% 10% James-Stein-Schätzer historische Renditen <?page no="451"?> 452 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung Abb. 165: Effizienzkurven und Portfolio-Gewichte im Vergleich Quelle: Eigene Darstellung, MATLAB 6.3.2.2 Bayes-Stein-Schätzer Der zweite Ansatz zur Schrumpfung von Stichprobenwerten geht auf J ORION (1986) zurück. Im Gegensatz zum soeben dargestellten James-Stein-Schätzer stellt die Bayes’sche Statistik letztlich den entscheidenden methodischen Zugang zum Bayes-Stein- Schätzer dar. Obwohl das grundlegende Prinzip des Bayes-Stein-Schätzers sich von den ursprünglichen Methoden unterscheidet, verfolgt auch J ORION eine Schrumpfung der Stichprobenmittelwerte in Richtung eines geglätteten Wertes. Aus diesem Grund zählt der Bayes-Stein-Schätzer ebenfalls zur Gruppe der Schrumpfungs- Schätzer. 412 J ORION zeigt auf, dass die durchschnittliche Rendite aller Wertpapiere (engl. grand mean) in etwa der durchschnittlichen Rendite des Minimum-Varianz- Portfolios entspricht. Im Gegensatz zu James-Stein greift J ORION auf Grundlage dieser Erkenntnis auf die durchschnittliche Rendite des Minimum-Varianz-Portfolios zurück. Der Ersatz der durchschnittlichen Rendite aller Wertpapiere lässt sich auf die Beobachtung zurückführen, dass die Zusammensetzung des Minimum-Varianz- Portfolios grundsätzlich nahezu unabhängig von der erwarteten Rendite und Risikoaversion eines Investors ist, und demnach eine geringere Anzahl an Schätzfehlern 412 Vgl. Stähle (2005), S. 55 <?page no="452"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 453 aufzeigt. 413 Die Parameter zur Beschreibung der Verteilung des Priors werden für gewöhnlich unabhängig von der Stichprobe festgelegt. J ORION dagegen leitet alle notwendigen Parameter im Rahmen des Bayes’schen Ansatzes unmittelbar empirisch ab, was den Bayes-Stein-Schätzer im Vergleich zu seinen Konkurrenten überlegen erscheinen lässt. Der Bayes-Stein-Schätzer wird demnach wie folgt definiert: mit und (6.21) Obwohl der ein oder andere Wert von zu besseren oder schlechteren Schätzwerten führt, ist es erstaunlich, dass tatsächlich jeden beliebigen Wert annehmen könnte. Die Fachliteratur bezieht sich in diesem Zusammenhang auf das sogenannte Stein- Paradox. 414 Z ELLNER und C HETTY (1965) schlagen zur Schätzung der Kovarianz-Matrix folgende Anpassung vor: (6.22) Abb. 164 zeigt, dass sich die Effizienzkurve nach der Schrumpfung mit dem Bayes- Stein-Schätzer dem Minimum-Varianz-Portfolio annähert, wobei der Abstand zwischen der ursprünglichen Effizienzkurve und der geschrumpften Effizienzkurve unter anderem durch die Intensität der Schrumpfung bestimmt wird. Beispiel: Die Anwendung des Bayes-Stein-Schätzers Im Rahmen dieses Beispiels folgt der Vergleich des Bayes-Stein-Schätzers zu den herkömmlich geschätzten erwarteten Renditen. Aus der vorliegenden Datengrundlage ergab sich entsprechend Formel (6.21) ein Schrumpfungsfaktor in Höhe von = 0,47. Auf Basis des ermittelten Schrumpfungsfaktors konnten anschließend die erwarteten Renditen der einzelnen Wertpapiere des Portfolios mit Hilfe des Bayes- Stein-Schätzers bestimmt werden. Nachdem die erwarteten Renditen auf Grundlage des Bayes-Stein-Schätzers erfolgreich ermittelt wurden, können diese als Inputparameter in die eigentliche Portfoliooptimierung einfließen. Wird die Portfoliooptimierung jeweils für verschiedene Zielrenditen durchgeführt, ergibt sich dementsprechend eine Effizienzkurve (vgl. Kapitel 3). Abb. 166 zeigt aufgrund der unterschiedlichen Schätzverfahren und Inputparameter zwei verschiedene Effizienzkurven. 413 Vgl. Wagner (2010), S. 25 414 Vgl: Fabozzi (2007), S. 216 <?page no="453"?> 454 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung Abb. 166: Effizienzkurven und Portfolio-Gewichte im Vergleich Quelle: Eigene Darstellung, MATLAB Abb. 167: Portfolio-Allokation entlang der Effizienzkurve Quelle: Eigene Darstellung, MATLAB <?page no="454"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 455 Es wird deutlich, dass die Effizienzkurve des Bayes-Stein-Schätzers deutlich unter der herkömmlichen Effizienzkurve liegt. Werden jedoch die einzelnen Portfoliogewichte entlang der gesamten Effizienzkurve gemeinsam in einem Flächendiagramm dargestellt, erscheint es ähnlich den Ergebnissen des James-Stein-Schätzers auf den ersten Blick eher auffällig, dass die Portfoliogewichte beim Vergleich offensichtlich nur geringfügig abweichen. Bei genauerer Betrachtung stellt man jedoch fest, dass sich die Portfoliogewichte tatsächlich auf der horizontalen Achse verschoben haben. Man stellt in diesem Zusammenhang auch fest, dass sich währenddessen die Zuordnung der erwarteten Rendite respektive verändert hat. Abb. 167 stellt diesen Zusammenhang in einem Flächendiagramm ausführlich dar. Im Vergleich zu Abb. 165 aus dem vorherigen Abschnitt sind in der Zusammensetzung des Portfolios nach dem Bayes-Stein-Schätzer also zusammenfassend nur geringfügige Änderungen erkennbar. Diese Erkenntnis ist maßgeblich auf die Tatsache zurückzuführen, dass bei der Berechnung der beiden Effizienzkurven und dementsprechenden Portfolio-Allokationen entlang der Effizienzkurve die klassische Varianz-Kovarianz-Matrix verwendet wurde, die nach wie vor die identische Struktur wie zuvor aufweist. Der einzige Unterschied besteht in den abweichenden Schätzungen der erwarteten Rendite. 415 Im Rahmen einer von J ORION (1991) selbst durchgeführten empirischen Studie wurde die Vorteilhaftigkeit von Portfolios, die mit dem Bayes-Stein-Schätzer optimiert wurden, in Out-of-Sample-Tests belegt. Es zeigte sich, dass diese Portfolios signifikant besser abschnitten. 416 Die Anzahl der Stichprobenwerte beeinflusst die Intensität der Schrumpfung im Vergleich zum James-Stein-Schätzer in ähnlicher Weise, wobei darauf hinzuweisen ist, dass der Bayes-Stein-Schätzer bereits bei einem geringen Stichprobenumfang an Einfluss verliert. Der James-Stein-Schätzer und der Bayes-Stein-Schätzer besitzen gleichermaßen drei wesentliche Nachteile. Erstens führt eine zu geringe Anzahl von Variablen (Wertpapiere) im Vergleich zu den Beobachtungen zum Zusammenbruch des selbigen Schätzverfahrens, was die Inversion der Kovarianz-Matrix in hohem Maße beeinträchtigen kann. Zweitens treffen die beiden Ansätze keinerlei A-priori-Aussagen über beständig positive Korrelationen der Wertpapiere, um diese als Prior zu nutzen. Drittens bleibt eine gewisse logische Inkonsequenz in den meisten geschrumpften Schätzern bestehen, die den Schätzwert der beiden Schätzverfahren unweigerlich beeinträchtigt. Diese soeben beschriebene logische Inkonsequenz wird vor allem durch die Tatsache begründet, dass trotz der angenommenen Unabhängigkeit des Priors von der Stichprobe dieser häufig aus einer verfügbaren Stichprobe geschätzt wird. 417 Eine Alternative zu den bisher erläuterten Methoden stellt die Schrumpfung der Varianz- Kovarianz-Matrix nach L EDOIT und W OLF dar. 415 Vgl. Rasmussen (2003), S. 254 416 Vgl. Stähle (2005), S. 55 417 Vgl. Rasmussen (2003), S. 260 <?page no="455"?> 456 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung 6.3.2.3 Ledoit-Wolf-Schätzer L EDOIT und W OLF (2003) greifen die zentrale Problematik bei der Anwendung von Kovarianz-Matrizen aus einer Stichprobe auf und schlagen eine Schrumpfung der Kovarianz-Matrix vor, um durch die Anpassung der außerordentlichen Stichprobenwerte in Richtung des zentralen Wertes einer Stichprobe eine systematische Reduzierung der Schätzfehler zu bewirken. Da sich im Gegensatz zu den erwarteten Renditen die Anzahl der Kovarianzen in Abhängigkeit von der Anzahl der Wertpapiere quadratisch verhält, gewinnt die Bestimmung der Kovarianz-Matrix signifikant an Bedeutung. 418 Den zentralen Knackpunkt der klassischen Schätzung stellen aus diesem Grund hauptsächlich die geschätzten Koeffizienten in der Kovarianz-Matrix dar, die charakteristisch eine Menge größerer positiver Schätzfehler enthalten und aus diesem Grund durch ein „Herunterziehen“ korrigiert werden müssen. Im gleichen Schritt bewirkt die Schrumpfung ebenfalls eine Kompensation negativer Schätzfehler durch das „Heraufziehen“ von zu gering eingeschätzten Stichprobenwerten. L EDOIT und W OLF (2003) behaupten in diesem Zusammenhang, dass bei einer richtigen Anwendung und Implementierung dieser Methode die Schätzfehlerproblematik vollständig zu beheben ist. Das grundlegende Prinzip bei der Schrumpfung der Kovarianz-Matrix und der Schrumpfung der erwarteten Renditen in Richtung eines zentralen Wertes greift auf drei zentrale Komponenten zurück, die je nach Schätzverfahren eine unterschiedliche Anwendung finden (siehe Abschnitt 6.3.2): [1] Kovarianz-Matrix aus der Stichprobe ohne feste Struktur [2] Schrumpfungsfaktor [3] Kovarianz-Matrix mit einer festen Struktur Obwohl sich die Kovarianz-Matrix aus der Stichprobe mit heutigen EDV-Systemen sehr einfach berechnen lässt und sich ebenfalls vollkommen erwartungstreu verhält, d.h. der Erwartungswert entspricht in diesem Fall der wahren Kovarianz-Matrix, ist das erhebliche Ausmaß an Schätzfehlern der größte Nachteil bei der „klassischen“ Schätzung der Kovarianz-Matrix. Die Kovarianz-Matrix tendiert in diesem Zusammenhang besonders zu hohen Schätzfehlern, wenn im Vergleich zu der Anzahl der einzelnen Wertpapiere die Anzahl der Stichproben in etwa äquivalent oder sogar kleiner ausfällt. Der Ledoit-Wolf-Schätzer kompensiert die positiven Abweichungen der Varianz- Kovarianz-Matrix durch eine nach unten gerichtete Korrektur der Matrixelemente, sowie bei negativen Abweichungen durch eine entsprechend nach oben gerichtete Anpassung der Varianz-Kovarianz-Matrix. Der Schrumpfungsfaktor w umfasst Werte von 0 bis 1 und bestimmt das Ausmaß bzw. die Intensität der Schrumpfung. L EDOIT und W OLF beziehen den Begriff auf eine Schrumpfungs-Konstante. Durch die konvex lineare Kombination der beiden Matrizen entsteht ein Kompromiss zwischen der Kovarianz-Matrix aus der Stichprobe und einer vorgegebenen festen Struktur , dem Schrumpfungsziel (engl. shrinkage target). Dabei sollte das Schrumpfungsziel zwei wesentliche Kriterien 418 Vgl. Rasmussen (2003), S. 260 <?page no="456"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 457 gleichermaßen erfüllen: Einerseits sollte es nur eine geringe Anzahl an freien Parameter besitzen, sodass eine feste Struktur des Schätzers entsteht, und andererseits sollte es wichtige Merkmale des unbekannten zu schätzenden Parameters enthalten. L EDOIT und W OLF (2003) schlagen in diesem Zusammenhang entweder das Ein-Faktor- Modell nach S HARPE (1963) oder die Annahme von konstanten paarweisen Korrelationen bei der Berechnung der Kovarianz-Matrix vor. Letzterer Vorschlag ist jedoch bei vergleichbaren Ergebnissen wesentlich einfacher umzusetzen und zu implementieren. Die durchschnittliche Korrelation aus allen paarweisen Korrelationen der Wertpapiere stellt die Grundlage für die anschließende Ermittlung der konstanten Korrelations-Matrix dar. Die zuvor angesprochene konvex-lineare Kombination der beiden Matrizen ergibt sich wie folgt: (6.23) wobei die Kovarianz-Matrix der Stichprobe darstellt und die Kovarianz-Matrix der Stichprobe unter der Annahme einer konstanten Korrelation beschreibt. Die Berechnung der zuletzt genannten Kovarianz-Matrix unterteilt sich in einige Schritte. Zunächst wird die Kovarianz-Matrix wie folgt ermittelt: (6.24) wobei eine Diagonal-Matrix der Volatilitäten und die Korrelations-Matrix der Stichprobe verkörpert, sodass: (6.25) Anschließend wird die Korrelations-Matrix aus der Stichprobe mit einer konstanten Korrelations-Matrix ersetzt. (6.26) wobei den Durchschnitt aller Korrelationen aus der Stichprobe umfasst. Es gilt: (6.27) Die Wahl eines optimalen Schrumpfungsfaktors, fällt nach L EDOIT und W OLF (2003) auf diejenige Konstante, die den erwarteten Abstand zwischen dem geschrumpften Schätzer und der wahren Kovarianz-Matrix minimiert. Es kann gezeigt werden, dass sich die optimale Intensität der Schrumpfung proportional zu einer Konstanten dividiert durch den Stichprobenumfang T verhält. Der optimale Schrumpfungsfaktor ergibt sich demnach wie folgt: <?page no="457"?> 458 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung (6.28) Obwohl sich die Umsetzung des optimalen Schrumpfungsfaktors relativ einfach gestaltet, ist die korrekte mathematische Darstellung dennoch um einiges umfangreicher, sodass alle weiteren mathematischen Definitionen und Parameter dem Anhang B von L EDOIT und W OLF (2003), S. 15 zu entnehmen sind. L EDOIT und W OLF veröffentlichten über die Schrumpfung von Kovarianz-Matrizen in der Vergangenheit eine Reihe an wissenschaftlichen Studien, so etwa L EDOIT und W OLF (2003, 2004). Dabei stellten sie die Out-of-Sample-Performance der geschrumpften Kovarianz-Matrix-Schätzung anderen statistischen Schätzern gegenüber und kamen zu der Erkenntnis, dass die Schrumpfung von Kovarianz-Matrizen hauptsächlich bei der Berechnung des globalen Minimum-Varianz-Portfolios (Abk. GMVP) einen überragenden Vorteil gegenüber den anderen Schätzern liefert. Es sei darauf hingewiesen, dass sich im Rahmen der empirischen Studie die Schrumpfungsfaktoren im Zeitablauf kaum verändert haben, was den Rückschluss erlaubt, das die Kovarianz- Matrix etwa 4 Mal häufiger mit Schätzfehlern belastet ist als die vergleichbare Kovarianz-Matrix auf Grundlage des Ein-Faktor-Modells nach S HARPE . 419 Beispiel: Die Anwendung des Ledoit-Wolf-Schätzers Im Rahmen dieses Beispiels folgt der Vergleich des James-Stein-Schätzers zu den herkömmlich geschätzten erwarteten Renditen. Hierbei wurde maßgeblich auf die adjustierten Schlusskurse der Wertpapiere aus dem in Abschnitt 4.3.1 vorgestellten Portfolio zurückgegriffen. Aus der vorliegenden Datengrundlage ergab sich entsprechend Formel (6.24) ein Schrumpfungsfaktor in Höhe von . Auf Basis des zuvor festgelegten Schrumpfungsfaktors konnte anschließend die angepasste Varianz-Kovarianz-Matrix der einzelnen Wertpapiere des Portfolios mit Hilfe der Prozedur des Ledoit-Wolf-Schätzers bestimmt werden. Nachdem die Varianz- Kovarianz-Matrix erfolgreich ermittelt wurde, kann diese als modifizierter Inputparameter in die Portfoliooptimierung einfließen. Wird die Portfoliooptimierung vor diesem Hintergrund für verschiedene Zielrenditen durchgeführt, ergibt sich dementsprechend eine von der normalen Effizienzkurve abweichende Kurve. Abb. 168 zeigt deshalb zwei unterschiedliche Effizienzkurven, die einerseits auf der Grundlage herkömmlicher erwarteter Renditen und andererseits mit dem Ledoit-Wolf- Schätzer ermittelt wurden. 419 Vgl. Fabozzi et al. (2007), S. 220 <?page no="458"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 459 Abb. 168: Effizienzkurven und Portfolio-Gewichte im Vergleich Quelle: Eigene Darstellung, MATLAB Abb. 168 greift mit dem Vergleich der Verläufe der beiden Effizienzkurven die generelle Methodik der Schrumpfung nochmals auf. Es wird deutlich, wie die geschrumpfte Effizienzkurve im vorderen Teil in Richtung Minimum-Varianz- Portfolio „gedrückt“ wird, während die geschrumpfte Effizienzkurve im Vergleich zum hinteren Teil der klassischen Effizienzkurve zu einer leichten Überschneidung tendiert, jedoch aber vergleichsweise konstant bleibt. Abb. 169: Portfolio-Gewichte im Vergleich. Quelle: Eigene Darstellung, MATLAB 0.1 0.15 0.2 0.25 0.3 0.35 -0.04 -0.02 0 0.02 0.04 0.06 0.08 Standardabweichung (Annualisiert) Erwartete Rendite (Annualisiert) ABT BA COST CSCO IBM INTC MRK MSFT T XOM Normal Ledoit-Wolf <?page no="459"?> 460 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung Im Vergleich zum James-Stein- und Bayes-Stein-Schätzer (Abb. 162 ff.) ist eine eindeutige Veränderung der Portfolio-Gewichte entlang der Effizienzkurve im Vergleich zur klassischen Schätzung in Abb. 167 erkennbar. Nach der Schrumpfung der geschätzten Kovarianz-Matrix ergibt sich eine weitaus stabilere Zusammensetzung des Portfolios. 6.3.2.4 Die Anwendung der geschrumpften Schätzer in der Praxis Die wichtigsten Vertreter der geschrumpften Schätzer finden sich im James-Stein-Schätzer, dem Bayes-Stein-Schätzer und dem Ledoit-Wolf-Schätzer. Da die genannten Schätzer ein gemeinsames Prinzip verfolgen, wird in den folgenden Abschnitten zur Darstellung und Anwendung der geschrumpften Schätzer in der Praxis das Ausgangsportfolio mit den folgenden Eckdaten zugrunde gelegt: Erwartete Rendite Standardabweichung Varianz ABT 3,10 % 18,21 % 3,32 % BA 0,74 % 30,14 % 9,08 % COST 4,53 % 21,60 % 4,66 % CSCO 4,27 % 27,28 % 7,44 % IBM 5,21 % 22,43 % 5,03 % INTC -3,47 % 28,26 % 7,99 % MRK 2,75 % 28,63 % 8,20 % MSFT 2,32 % 25,36 % 6,43 % T 1,07 % 20,08 % 4,03 % XOM 7,89 % 19,40 % 3,76 % Tab. 47: Ausgangsportfolio Das Ausgangsportfolio enthält entsprechend Tab. 47 unterschiedliche Unternehmen aus der Technologie-Branche, der Gesundheits-Branche, der Nahrungsmittel-Branche, der Pharma-Branche, der Energie-Branche sowie der Luft-und-Raumfahrt-Branche. Das Portfolio der nachfolgenden Abschnitte beinhaltet Unternehmen wie Abbott Laboratories, Boeing Industries, Costco Wholesale, Cisco Systems, IBM, Intel, Merk, Microsoft, AT&T und Exxon Mobil Corporation. Abb. 170 greift in diesem Zusammenhang die unterschiedliche Korrelationsstruktur des Portfolios auf und stellt diese in einem Matrix-Diagramm in Graustufen dar. <?page no="460"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 461 Abb. 170: Korrelationen der einzelnen Wertpapiere im Ausgangsportfolio Die historische Datengrundlage bezieht sich maßgeblich auf einen 5-Jahres-Zeitraum vom 01.12.2004 bis zum 01.12.2009, wodurch sich eine Stichprobe von 60 Beobachtungswerten ergibt. 420 Abb. 171: Wertentwicklung der Wertpapiere des Ausgangsportfolios Bei den ermittelten erwarteten Renditen handelt es sich um stetige monatliche Durchschnittsrenditen. Da es sich um monatliche Daten handelt, wird die Volatilität zwischen den einzelnen Stichtagen nicht erfasst. Die Standardabweichungen, Varianzen sowie Kovarianzen wurden entsprechend auf Basis der historischen Renditen ermittelt 420 Anmerkung: Der Umfang der Stichprobe wurde auf Empfehlung von Walters (2011), S. 17 auf 60 Stichprobenwerte festgelegt. <?page no="461"?> 462 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung und für die späteren Berechnungen annualisiert. Im nachfolgend dargestellten Praxisbeispiel wird zum Großteil auf die Annahmen der modernen Kapitalmarkttheorie abgestellt. In den nachfolgenden Abschnitten kann das Praxisbeispiel gleichermaßen in EXCEL und MATLAB nachempfunden und umgesetzt werden. Die Praxisbeispiele in Verbindung mit dem anschließend dargestellten Quellcode und den dazugehörigen Erläuterungen sollen dabei das Selbststudium erleichtern. 6.3.2.4.1 Umsetzung des James-Stein-Schätzers in EXCEL Schritt 1: Laden der historischen Zeitreihen und Bestimmung der stetigen Renditen Abb. 172: Festlegen der Datengrundlage In den Spalten C bis L dienen die historischen Zeitreihen der ausgewählten Wertpapiere im Zeitraum von 5 Jahren (61 monatliche Kurse je Wertpapier im Zeitraum vom 01.12.2004 bis 01.12.2009) als Grundlage für die anschließende Berechnung der stetigen Monatsrenditen sowie aller weiteren Inputparameter für die Berechnung und Anwendung des geschrumpften James-Stein-Schätzers. Jeder Spalte werden die historischen Kurse für ein individuelles Wertpapier zugeordnet. Die historischen Daten wurden für den angegebenen Zeitraum von Yahoo Finance bezogen. 421 Abb. 173: Ermittlung der stetigen Monatsrenditen (Log-Renditen) Die stetigen Monatsrenditen in den Spalten O bis X bilden die Grundlage für die spätere Schätzung der erwarteten Renditen und Standardabweichungen der zuvor ausgewählten Wertpapiere. Da sich die stetige Rendite im Vergleich zur diskreten Rendite besser der Standardnormalverteilung annähert, wird im EXCEL-Beispiel maßgeblich auf Log-Renditen (vgl. Kapitel 1, Abschnitt 1.5) als Datengrundlage abgestellt. 421 Siehe http: / / de.finance.yahoo.com/ q/ hp? s=AA bzw. http: / / de.finance.yahoo.com/ q/ hp? s=[Ticker-Code z.B. AA oder IBM] <?page no="462"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 463 Position Inhalt EXCEL-Umsetzung Spalten C bis L Historische Kurse Individuelle Werte Spalten O bis X Log-Rendite =LN(C10/ C9) Tab. 48: Umsetzung in EXCEL Schritt 2: Spezifikation der Input-Parameter Abb. 174: Festlegung der Eingangsgrößen Um die erwartete Rendite der einzelnen Wertpapiere des Portfolios auf Grundlage des James-Steins-Schätzers berechnen zu können, müssen zunächst einige wichtige Parameter festgelegt werden. Dazu zählt neben der Anzahl der Wertpapiere im Portfolio in Zelle AB35 ebenfalls die Anzahl der Stichprobenbzw. Beobachtungswerte der unterschiedlichen Renditen in Zelle AB34 sowie die von der historischen Datengrundlage abhängige Skalierung in Zelle AB38. Abschließend wird in Zeile AB37 bis AK37 der Zeilenvektor Tau definiert, der lediglich aus Einsen besteht. Abb. 175: Berechnungen der Ausgangsparameter auf Grundlage der monatlichen Renditen Um die geschrumpften erwarteten Renditen nach James-Stein ermitteln zu können, müssen Eingangsgrößen (Inputs) bestimmt werden, die für weitere Berechnungen benötigt werden. Die erwartete Rendite der einzelnen Wertpapiere in den Zellen AB43 bis AK43 wird durch den historischen Mittelwert der stetigen monatlichen Renditen aus den Spalten O bis X bestimmt und dient als maßgebliche Datengrundlage für die spätere Schrumpfung dieses Parameters. Aus diesem Grund wird auf die EXCEL-Funktion MITTELWERT() zurückgegriffen. Einen weiteren wichtigen Parameter stellt die Standardabweichung dar. Diese wird in den Zellen AB44 bis AK44 analog zu den erwarteten Renditen aus der gleichen historischen Datengrundlage ermittelt. Da die Standardabweichung lediglich auf Grundlage einer Stichprobe ermittelt werden kann, sollte zur Bestimmung dieses Parameters auf die EXCEL-Funktion STABW.S() zurückgegriffen werden. Aus Gründen einer einheitlichen Darstellung werden die soeben ermittelten Parameter anschließend mit einem zuvor festgelegten Skalierungsfaktor multipliziert. Dieser Vorgang wird im Allgemeinen auch als Annualisierung eines oder mehrerer Parameter bezeichnet. Die Varianz wird an dieser Stelle <?page no="463"?> 464 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung nicht notwendigerweise benötigt, es sei dennoch darauf hingewiesen, dass die Berechnung der Varianz aufgrund der Stichprobengrundlage mit Hilfe der EXCEL-Funktion VARIANZA() durchgeführt wird. Abschließend wird in Zelle AB55 entsprechend Formel (6.17) (siehe Abschnitt 6.3.2.1) der Grand Mean als globaler Durchschnitt berechnet. Abb. 176: Berechnung der Varianz-Kovarianz-Matrix Bei der Bestimmung der Varianz-Kovarianz-Matrix in den Zellen AB60 bis AK69 wird die VBA-Funktion VaRCovar() verwendet. Es gilt bei der Eingabe der Formel zu beachten, dass es sich hierbei um eine Array-Formel handelt. Daher muss schon vor der Eingabe der Formel der spätere Zielbereich, indem die Ergebnisse dargestellt werden sollen, ausgewählt und markiert werden. Nach der Eingabe der Formel wird die Prozedur mit der Tastenkombination STRG+SHIFT+ENTER bestätigt. Abschließend wird die Varianz-Kovarianz-Matrix ebenfalls mit dem Faktor 12 annualisiert. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung AB43 bis AK43 Erwartete Rendite =MITTELWERT(O10: O69) AB44 bis AK44 Standardabweichung =STABW.S(O10: O69) AB45 bis AK45 Varianz =VARIANZ(O10: O69) AB52 bis AK52 Erwartete Rendite (annualisiert) =AB43*$AB$38 AB53 bis AK53 Standardabweichung (annualisiert) =AB44*WURZEL($AB$38) AB54 bis AK54 Varianz (annualisiert) =AB45*$AB$38 AB55 Grand Mean =MITTELWERT(AB52: AK52) AB60 bis AK69 Varianz-Kovarianz-Matrix Tab. 49: Umsetzung in EXCEL Nachdem nun alle notwendigen Parameter ermittelt wurden, kann mit der Berechnung des Schrumpfungsfaktors und der geschrumpften erwarteten Renditen fortgefahren werden. Abb. 177: Berechnung des Schrumpfungsfaktors und der geschrumpften erwarteten Renditen <?page no="464"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 465 Bei der Bestimmung des Schrumpfungsfaktors in Zelle AA74 wurde maßgeblich auf Formel (6.18) (siehe Abschnitt 6.3.2.1) zurückgegriffen. Da es in EXCEL nicht einfach ist, eine derart komplexe Formel zu implementieren, wird der Schrumpfungsfaktor Phi in drei Schritten ermittelt. Die Formel wurde daher in mehrere Bereiche (Zellen AB77 bis AK77 und Zellen AB78 bis AK78) unterteilt und später in Zelle AA74 erneut zusammengeführt. Im Anschluss können die erwarteten Renditen der einzelnen Wertpapiere auf Grundlage des James-Stein-Schätzers in den Zellen AB84 bis AK84 geschätzt und ermittelt werden. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung AA74 Schrumpfungsfaktor Phi =(AB35-2)/ (AB34*MMULT(AB78: AK78; MTRANS(AB77: AK77))) AB77 bis AK77 Teil 1 des Schrumpfungsfaktors =MTRANS(MMULT(MTRANS(AB52: AK52)- AB55; AB37: AK37)) AB78 bis AK78 Teil 2 des Schrumpfungsfaktors =MMULT(AB77: AK77; MINV(AB60: AK69)) AB84 bis AK84 James-Stein-Schätzer =MMULT(1-AA74; AB52: AK52)+ MMULT($AA$74*AB55; AB37: AK37) Tab. 50: Umsetzung in EXCEL 6.3.2.4.2 Umsetzung des James-Stein-Schätzers in MATLAB 1 % Beispiel: James-Stein-Schätzer NEU BUGFIX 2 % Datum: 20.08.2012 3 % Verfasser: Marc Schurer 4 5 % Verbindung zum Finanzdatenanbieter aufbauen 6 close all 7 clear all 8 connection = yahoo; 9 10 %Extrahieren der Ticker-Codes und Ermittlung der Anzahl an Wertpapieren 11 ticker ={'ABT','BA','COST','CSCO','IBM','INTC','MRK','MSFT','T','X OM'} 12 assets = length(ticker); In den Zeilen 6 bis 7 werden zu Beginn mit den Befehlen »close all« und »clear all« alle zuvor erstellten Grafiken und Fenster geschlossen, sowie der Workspace mit allen verfügbaren Variablen gelöscht. Diese Maßnahme sollte zu Beginn jedes MATLAB- Skriptes durchgeführt werden, um eventuelle Fehler im späteren Programmablauf zu vermeiden. In Zeile 8 wird anschließend der Variable »connection« die Bezeichnung des Finanzdatenanbieters zugewiesen, von dem man alle notwendigen historischen Kurszeitreihen bezieht. Anstatt des Dienstes »yahoo« können die historischen Zeitreihen auch alternativ, entsprechende Lizenzen vorausgesetzt, gleichermaßen von weiteren Finanzdatenanbietern wie z.B. Thomson Reuters oder Bloomberg bezogen werden. In <?page no="465"?> 466 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung Zeile 11 werden nach den Vorstellungen des Investors diejenigen Wertpapiere festgelegt, die das zukünftige Portfolio bilden sollen. Die Variable »ticker« bildet durch die Aufnahme der angeführten Unternehmen einen Zeilenvektor. Der Zeilenvektor nimmt jedoch nicht die genauen Bezeichnungen der einzelnen Wertpapiere auf, sondern bezieht sich auf so genannte Kürzel (Ticker-Codes) der Wertpapiere, die individuell durch den Finanzdatenanbieter vorgegeben werden. Mit Hilfe des Ticker-Codes der jeweiligen Wertpapiere und dem später festgelegten Zeitraum erfolgt der Zugriff auf die Datenbank des Finanzdatenanbieters, sodass die historischen Zeitreihen der zuvor festgelegten Wertpapiere aus dem Internet geladen werden können. In Zeile 12 wird mit Hilfe der MATLAB-Funktion »length(Variable)« durch die Bestimmung der Anzahl der Elemente des Zeilenvektors »ticker« entsprechend die Anzahl der Wertpapiere im Portfolio ermittelt. Das MATLAB-Skript wird durch die unmittelbar nachfolgenden Zeilen fortgesetzt. In diesem Fall wurde im Hinblick auf die Anzahl der Elemente des Zeilenvektors »ticker« der Variable »assets« ein Wert von 10 Wertpapieren zugewiesen. 13 %Festlegen des Zeithorizonts der Datengrundlage 14 datum_von = '2004-12-01'; 15 datum_bis = '2009-12-01'; 16 17 % %Kurse aller Wertpapiere im Portfolio ermitteln und importieren 18 data = fetch(connection,ticker(1),'Close',datum_von,datum_bis,'m' ); 19 histprices_fts = fints(data(: ,1),data(: ,2),ticker(1)); 20 21 for i=2: assets 22 security = ticker(i); 23 data = fetch(connection,security,'Close',datum_von,datum_bis,'m') ; 24 fts = fints(data(: ,1),data(: ,2),ticker(i)); 25 histprices_fts = merge(histprices_fts,fts) 26 end In den Zeilen 14 und 15 wird zunächst der Zeithorizont festgelegt, für den die historischen Zeitreihen der einzelnen Wertpapiere im weiteren Verlauf des Skriptes aus dem Internet geladen werden sollen. Für den angegebenen Zeitraum vom 01.12.2004 bis 01.12.2009 werden anschließend, abhängig von der Länge des ausgewählten Zeitraums, die entsprechenden Stichprobenwerte (Samples) aus der historischen Zeitreihe entnommen. Um die historischen Kurse jedoch entsprechend ihrer auf- und absteigenden Datumsangaben in der richtigen Reihenfolge einzulesen, zu verarbeiten und darstellen zu können, sollten nach dem Bezug der historischen Zeitreihe durch den Befehl »fetch(Parameter)« in den Zeilen 18 und 23 die Rohdaten der einzelnen historischen Zeitreihen in ein Financial-Time-Series-Objekt überführt werden. In den Zeilen 19 und 24 wird mit Hilfe der Funktion »fints(Parameter)« die historische Datengrundlage in das Financial-Time-Series-Objekt »fts« übertragen. Voraussetzung dafür ist, dass neben der Spalte mit den historischen Kursen die Spalte mit den dazugehörigen Datumsangaben sowie die Ticker-Bezeichnung der zu übertragenden Daten als Argumente der Funktion übergeben werden. Da der Finanzdatenanbieter jedoch lediglich die Abfrage <?page no="466"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 467 eines einzelnen Wertpapiers pro Anfrage zulässt, werden die einzelnen historischen Kurse nacheinander in Form einer for-Schleife in den Zeilen 21 bis 26 abgefragt und geladen. Da während jedes neuen Schleifen-Durchlaufs ein neues Financial-Time- Series-Objekt erstellt und der gleichen Variable zugewiesen wird, besteht die Gefahr, die Daten aus dem vorherigen Schleifen-Durchlauf zu überscheiben. Aus diesem Grund wird in Zeile 25 mit der Funktion »merge(Parameter)« jedes neue Financial-Time- Series-Objekt im Objekt »histprices_fts« zusammengeführt. 27 %Interpoliert Divergenzen in den Zeitreihen 28 histprices_fts = fillts(histprices_fts,'linear'); 29 30 %Zeitreihen in Matrix zur weiteren Verarbeitung abspeichern 31 histkurse = fts2mat (histprices_fts) 32 dates = histprices_fts.dates; 33 34 %Zeitreihen normalisieren 35 histkurse_norm = bsxfun(@rdivide,histkurse,histkurse(1,: )); Beim Bezug der historischen Kurszeitreihen kommt es gelegentlich vor, dass aus unterschiedlichen Gründen einige Kurse nicht vollständig geladen werden können. Da sich derartige Lücken in der Datengrundlage negativ auf die Qualität der daraus ermittelten Ergebnisse auswirken, sollten Diskrepanzen innerhalb der historischen Kurse vor Beginn aller relevanten Berechnungen grundsätzlich beglichen werden. In diesem Fall wurde auf die Methodik der Interpolation zurückgegriffen, welche fehlende Kurse mit Hilfe unterschiedlicher statistischer Methoden approximativ wiederherstellen kann. In Zeile 28 wird aus diesem Grund auf die Funktion »fillts(Parameter)« zurückgegriffen. Nachdem die historischen Zeitreihen in ein gemeinsames Financial-Time-Series- Objekt überführt und interpoliert wurden, erlauben die Eigenschaften dieses Objektes jedoch keine weitere Verarbeitung der Daten. Deshalb wird in den Zeilen 31 und 32 durch die Funktion »fts2mat« das ursprüngliche Financial-Time-Series-Objekt der historischen Kurse an die gleichartige Matrix »histkurse« übertragen und die dazugehörigen Datumsangaben werden extrahiert und dem Vektor »dates« zugewiesen. Um zu einem späteren Zeitpunkt einen Performancevergleich der einzelnen Wertpapiere in einem Diagramm darstellen zu können, werden die zur weiteren Verarbeitung freigegebenen historischen Kurse mit der Funktion »bsxfun(Parameter)« in Zeile 35 normalisiert. 36 %Bestimmung der Parameter Tau und c 37 for i=1: length(ticker) 38 tau(i,1)=1; 39 End 40 41 % Ermittlung der durchschnittlichen täglichen Rendite der Assets 42 renditen = price2ret(histkurse,[],'continuous'); 43 T=length(renditen); 44 CovMatrix = cov(renditen)*12; 45 MittelwerteRenditen = mean(renditen)'*12; 46 47 GrandMean = mean(MittelwerteRenditen); 48 Standardabweichung = std(renditen)*sqrt(12); <?page no="467"?> 468 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung In den Zeilen 36 bis 48 werden nun alle wichtigen Eingangsgrößen zur Bestimmung des Schrumpfungsfaktors Phi und des James-Stein-Schätzers bestimmt. Zu Beginn wird in den Zeilen 37 bis 39 mit Hilfe einer for-Schleife der Spaltenvektor »tau« mit Einsen gefüllt. Anschließend werden die zu Beginn ermittelten historischen Kurse in Zeile 42 mit der Funktion »price2ret(Parameter)« in die dazu gehörigen stetigen Renditen (log-Renditen) überführt. Auf Grundlage der stetigen Renditen erfolgt in Zeile 44 mit der Funktion »cov(Parameter)« die Berechnung der Varianz-Kovarianz-Matrix und der anschließenden Annualisierung mit dem entsprechenden Skalierungsfaktor. In den Zeilen 45 und 48 erfolgt mit den Funktionen »mean(Parameter)« und »std(Parameter)« die Bestimmung der erwarteten Rendite und der Standardabweichung einschließlich äquivalenter Annualisierung. In Zeile 47 wird gemäß Formel (6.17) (siehe Abschnitt 6.3.2.1) der Grand Mean berechnet, welcher später in die Berechnung des Schrumpfungsfaktors Phi und des James-Stein-Schätzers eingeht. Im Anschluss erfolgt unmittelbar die Bestimmung des Schrumpfungsfaktors Phi. 49 % % Bestimmung Shrinkage-Faktor phi 50 %--------------------------------------------------------- ----------- 51 52 temp=(assets-2)/ (T*(MittelwerteRenditen- GrandMean*tau)'*inv(CovMatrix)*(MittelwerteRenditen- GrandMean*tau)); 53 54 if(temp >= 1) 55 phi = 1; 56 Else 57 phi = temp; 58 End 59 60 js=(1-phi)*MittelwerteRenditen+phi*GrandMean*tau; Die Ermittlung des Schrumpfungsfaktors stellt für die anschließende Berechnung des James-Stein-Schätzers eine wichtige Determinante dar. In Zeile 52 wird zunächst gemäß Formel (6.18) (siehe Abschnitt 6.3.2.1) den Variablen »temp« ein vorläufiger Wert zugeordnet. Da Formel (6.20) unweigerlich den Wertebereich von eingrenzt, wird in den Zeilen 54 bis 58 bei einem phi größer als eins dem Wert von phi der maximale Wert von eins zugeordnet und somit das Ausmaß des Schrumpfungsfaktor begrenzt. Andernfalls wird der zuvor ermittelte temporäre Wert der Variablen »phi« zugewiesen. Im direkten Anschluss erfolgt in Zeile 60 auf Grundlage der zuvor ermittelten Parameter die Berechnung des James-Stein-Schätzers in Abhängigkeit von Formel (6.17) (siehe Abschnitt 6.3.2.1). Es ergibt sich der 10 x 1-Vektor »js«, der die nach dem James-Stein-Schätzer geschätzten erwarteten Renditen der einzelnen Wertpapiere des Portfolios enthält. Nachdem alle relevanten Eingangsgrößen berechnet wurden, können diese anschließend in die klassische Erwartungswert-Varianz-Optimierung überführt und integriert werden. Dadurch lässt sich ein direkter Vergleich zwischen den Auswirkungen der historischen und geschrumpften Renditen numerisch und grafisch ableiten. <?page no="468"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 469 61 % % Darstellung der Effizienzkurven in einem Diagramm 62 %------------------------------------------------------- ------------- 63 64 % Berechnung des Rendite/ Risiko-Profils für das Portfolio 65 [Risk,Return,Weight]=frontcon(MittelwerteRenditen, CovMatrix, 50); 66 67 68 % Berechnung des Rendite/ Risiko-Profils für das Portfolio 69 [jsRisk,jsReturn,jsWeight]=frontcon(js, CovMatrix, 50); 70 71 hold all; 72 figure; 73 set(gcf,'Color','w'); 74 hold on; 75 plot(Risk,Return,'-','LineWidth',2) 76 hold on; 77 plot(jsRisk,jsReturn,'r','LineWidth',2) 78 legend('Normal','James-Stein'); 79 80 scatter(Standardabweichung,MittelwerteRenditen,'filled'); 81 text(Standardabweichung,MittelwerteRenditen,ticker,'horiz ontal','left','vertical','bottom'); 82 83 ylabel('Erwartete Rendite (Annualisiert)'); 84 xlabel('Standardabweichung (Annualisiert)'); 85 title('Effizienzkurve im Vergleich','Fontsize',10,'FontWeight','bold'); 86 hold off; Dazu erfolgt für 50 unterschiedliche Portfolios die Berechnung der dazugehörigen Rendite-Risiko-Profile auf Grundlage der historischen Renditen, um die Effizienzkurve abbilden zu können. In Zeile 65 wird auf die Funktion »frontcon(Parameter)« zurückgegriffen, welche als Rückgabewert das Risiko und die Rendite als auch die unterschiedlichen Gewichtungen der einzelnen Wertpapiere für das jeweilige Portfolio liefert. Anschließend wird in Zeile 69 die soeben beschriebene Prozedur auf Grundlage der geschrumpften Renditen wiederholt. Nachdem alle notwendigen Berechnungen erfolgreich abgeschlossen wurden, erfolgt in den Zeilen 71 bis 86 die grafische Ausgabe der ermittelten Ergebnisse. Mit dem Befehl »plot(Parameter)« können die Ergebnisse in einer zweidimensionalen Darstellung (x- und y-Achse), ähnlich dem Punktdiagramm mit interpolierten Linien in EXCEL, dargestellt werden. Da bei jedem Aufruf der Funktion »plot()« ein neues Grafikfenster geöffnet wird, bewirken der Befehl »hold all« in Zeile 71 bzw. der Befehl »hold on« in den Zeilen 74 und 76, dass das bestehende Grafikfenster geöffnet bleibt und eine beliebige Anzahl an Grafiken in das Grafikfenster eingezeichnet werden kann. Um die verschiedenen Effizienzkurven voneinander unterscheiden zu können, kann gemäß Zeile 78 mit der Funktion »legend(Parameter)« eine entsprechende Legende im Grafikfenster aufgenommen werden, was eine Zuord- <?page no="469"?> 470 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung nung der Kurven ungemein erleichtert. In den Zeilen 80 und 81 werden anschließend die einzelnen Rendite-Risiko-Profile der verschiedenen Wertpapiere des Portfolios im Grafikfenster eingezeichnet und entsprechend ihrer dazugehörigen Unternehmen bezeichnet. In den Zeilen 83 bis 85 erfolgt mit den Befehlen »ylabel()«, »xlabel()« als auch »title()« die Bezeichnung der y- und x-Achse und des übergeordneten Titels. Der Befehl »hold off« beendet die Aufnahme weiterer Grafiken, sodass im Falle eines erneuten Aufrufs des Plot-Befehls ein neues Grafikfenster geöffnet wird. 87 % % Darstellung der Portfolio Gewichte in einem Diagramm 88 %------------------------------------------------------- ------------- 89 90 figure; 91 set(gcf,'Color','w') 92 colormap('jet'); 93 subplot(2,1,1) 94 area(Return, Weight) 95 xlabel('Erwartete Rendite','Fontsize',10); 96 ylabel('Gewicht','Fontsize',10); 97 title('Portfolio-Gewichte auf Grundlage einfacher Renditen','Fontsize',10,'FontWeight','bold') 98 legend('',ticker,'Location','BestOutside','Orientation','ver tical','EdgeColor', 'w'); 99 axis tight; 100 subplot(2,1,2) 101 area(jsReturn, jsWeight) 102 xlabel('Erwartete Rendite','Fontsize',10); 103 ylabel('Gewicht','Fontsize',10); 104 title('Portfolio-Gewichte auf Grundlage des James- Stein-Schätzers','Fontsize',10,'FontWeight','bold') 105 legend('',ticker,'Location','BestOutside','Orientation','ver tical','EdgeColor', 'w'); 106 axis tight; Um die Unterschiede der Portfoliozusammensetzung entlang der verschiedenen Effizienzkurven miteinander vergleichen zu können, werden nachfolgend die unterschiedlichen Portfolio-Allokationen entlang der zwei Effizienzkurven in zwei unabhängigen Grafiken in einem Grafikfenster dargestellt. Dazu wird der Befehl »subplot()« in den Zeilen 93 und 100 verwendet. Anschließend lassen sich die unterschiedlichen Zusammensetzungen der Portfolios entlang der Effizienzkurve mit der Funktion »area()« in der ersten und zweiten Grafik gemeinsam im Grafikfenster darstellen. Die Bezeichnung der einzelnen Grafiken folgt dabei der Funktions- und Befehlsabfolge in den Zeilen 83 bis 85. Der Befehl »axis tight« bewirkt, dass die Skalierung des Diagramms an die minimalen und maximalen Werte der Eingangsgrößen angepasst wird. Der Befehl »set()« in Zeile 91 setzt die Hintergrundfarbe des Grafikfensters auf die Farbe Weiss. <?page no="470"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 471 107 % % Vergleich der historischen und J-S-Renditen 108 %-------------------------------------------------------- ------------ 109 110 figure; 111 set(gcf,'Color','w'); 112 CompRet(: ,1) = MittelwerteRenditen; 113 CompRet(: ,2) = js; 114 bar(CompRet); 115 legend('Historische Renditen','Renditen des J-S- Schätzers','EdgeColor', 'w','Location','SouthOutside','Orientation','horizontal'); 116 set(gca,'XTickLabel',ticker,'FontWeight','bold'); 117 set(gca,'Box','off'); Im Anschluss an die Darstellung der unterschiedlichen Effizienzkurven soll ein direkter Vergleich der historischen und geschrumpften Renditen in einem Balkendiagramm erfolgen. Mit dem Befehl »figure« in Zeile 110 wird ein neues Grafikfenster geöffnet, um die unterschiedlichen Renditen dort abtragen zu können. Um jedoch eine ordnungsgemäße Darstellung der historischen und geschrumpften Renditen in Zeile 114 mit dem Befehl »bar()« in einem Balkendiagramm zu ermöglichen, sollten zunächst beide Vektoren in den Zeilen 112 bis 113 zusammengeführt werden. Der abschließende Befehl in Zeile 117 schaltet bei der Darstellung der Balkendiagramme den oberen und rechten Rahmen des Grafikfensters ab. Zum Abschluss erfolgt eine Darstellung der historischen absoluten und relativen Wertentwicklung der einzelnen Wertpapiere. Dazu wird maßgeblich auf das Financial-Time-Series-Objekt und auf die normierte historische Zeitreihe zurückgegriffen. Die Befehle und Funktionen orientieren sich dabei hauptsächlich an den bisherig erläuterten Abschnitten und Zeilen. 118 % % Ausgabe der historischen absoluten und relativen Wertentwicklung 119 %--------------------------------------------------------- ----------- 120 121 figure; 122 123 set(gcf,'Color','w'); 124 subplot(2,1,1) 125 126 plot(histprices_fts); 127 legend(ticker,'Location','BestOutside','EdgeColor','w'); 128 title(['Kursentwicklung der Wertpapiere im Zeitraum vom: ',datum_von,' bis: ',datum_bis,''],'FontSize',11); 129 set(gca,'Box','off'); 130 subplot(2,1,2) 131 132 plot(histkurse_norm); 133 legend(ticker,'Location','BestOutside','EdgeColor','w'); 134 title(['Performance der Wertpapiere im Zeitraum vom: ',datum_von,' bis: ',datum_bis,''],'FontSize',11); 135 axis tight; 136 set(gca,'Box','off'); <?page no="471"?> 472 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung 6.3.2.4.3 Umsetzung des Bayes-Stein-Schätzers in EXCEL Die ersten zwei Schritte entsprechen hauptsächlich der in Abschnitt 6.3.2.1 dargestellten Vorgehensweise bei der Berechnung des James-Stein-Schätzers. Schritt 3 und 4 in der nachfolgenden Darstellung beziehen sich jedoch auf die individuelle Umsetzung des Bayes-Stein-Schätzers in EXCEL, sodass der fortgeschrittene Leser sogleich die ersten beiden Schritte überspringen kann, um bei Schritt 3 zu beginnen. Schritt 1: Laden der historischen Zeitreihen und Bestimmung der stetigen Renditen Abb. 178: Festlegen der Datengrundlage In den Spalten C bis L dienen die historischen Zeitreihen der ausgewählten Wertpapiere im Zeitraum von 5 Jahren (61 monatliche Kurse je Wertpapier im Zeitraum vom 01.12.2004 bis 01.12.2009), analog zum Anwendungsbeispiel des James-Stein- Schätzers, als Grundlage für die Berechnung der stetigen Monatsrenditen sowie aller weiteren Inputparameter für die Bestimmung und Anwendung des geschrumpften Bayes-Stein-Schätzers. Jeder Spalte wurden die historischen Kurse für ein individuelles Wertpapier zugeordnet. Die historischen Daten wurden in diesem Fall für den angegebenen Zeitraum von der Website Yahoo Finance bezogen. 422 Abb. 179: Ermittlung der stetigen Monatsrenditen (Log-Renditen) Für die Berechnung der stetigen Monatsrenditen in den Spalten O bis X wird maßgeblich auf die zuvor bezogenen historischen Kurse zurückgegriffen. Aus diesem Grund bilden die Spalten O bis X die Grundlage für die spätere Schätzung der erwarteten Renditen und der Standardabweichungen der zuvor ausgewählten Wertpapiere. Da sich die stetigen Renditen im Vergleich zu den diskreten Renditen besser an die Standardnormalverteilung annähern, wird im EXCEL-Beispiel maßgeblich auf Log- Renditen (vgl. Kapitel 1, Abschnitt 1.5) als Datengrundlage abgestellt. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung Spalten C bis L Historische Kurse Individuelle Werte Spalten O bis X Log-Rendite =LN(C10/ C9) Tab. 51: Umsetzung in EXCEL 422 Siehe http: / / de.finance.yahoo.com/ q/ hp? s=AA bzw. http: / / de.finance.yahoo.com/ q/ hp? s=[Ticker-Code z.B. AA oder IBM] <?page no="472"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 473 Schritt 2: Spezifikation der Input-Parameter Abb. 180: Festlegung der Eingangsgrößen Um die erwartete Rendite der einzelnen Wertpapiere des Portfolios auf Grundlage des Bayes-Stein-Schätzers berechnen zu können, müssen zunächst einige wichtige Parameter festgelegt werden. Dazu zählen neben der Anzahl der Wertpapiere im Portfolio in Zelle AB35 ebenfalls die Anzahl der Stichprobenbzw. Beobachtungswerte der unterschiedlichen Renditen in Zelle AB34 sowie die von der historischen Datengrundlage abhängige Skalierung in Zelle AB38. Abschließend wird in Zeile AB37 bis AK37 der Zeilenvektor Tau definiert, der lediglich aus Einsen besteht. Abb. 181: Berechnungen der Ausgangsparameter auf Grundlage der monatlichen Renditen Um die geschrumpften erwarteten Renditen nach der Methodik von Bayes-Stein ermitteln zu können, müssen zuvor alle relevanten Eingangsgrößen (Inputs) bestimmt werden, die für die weiteren Berechnungen benötigt werden. Die erwartete Rendite der einzelnen Wertpapiere in den Zellen AB43 bis AK43 wird deshalb durch den historischen Mittelwert der stetigen monatlichen Renditen aus den Spalten O bis X bestimmt und dient als maßgebliche Datengrundlage für die spätere Schrumpfung dieses Parameters. Dazu wird auf die EXCEL-Funktion MITTELWERT() zurückgegriffen. Einen weiteren wichtigen Parameter stellt die Standardabweichung dar. Diese wird in den Zellen AB44 bis AK44 analog zu den erwarteten Renditen aus der gleichen historischen Datengrundlage ermittelt. Da die Standardabweichung lediglich auf Grundlage einer Stichprobe ermittelt werden kann, sollte zur Bestimmung dieses Parameters die EXCEL-Funktion STABW.S() angewendet werden. Aus Gründen einer einheitlichen Darstellung werden die soeben ermittelten Parameter anschließend mit einem zuvor festgelegten Skalierungsfaktor multipliziert. Dieser Vorgang wird im Allgemeinen auch als Annualisierung eines oder mehrerer Parameter bezeichnet. Die Varianz wird an dieser Stelle nicht notwendigerweise benötigt, es sei dennoch darauf hingewiesen, dass die Berechnung der Varianz aufgrund der Stichprobengrundlage mit Hilfe der EXCEL- Funktion VARIANZA() durchgeführt wurde. <?page no="473"?> 474 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung Abb. 182: Berechnung der Varianz-Kovarianz-Matrix Bei der Bestimmung der Varianz-Kovarianz-Matrix in den Zellen AB60 bis AK69 wurde zur Berechnung maßgeblich auf die VBA-Funktion »VaRCovar()« zurückgegriffen. Es gilt bei der Eingabe der Formel zu beachten, dass es sich hierbei um eine Array-Formel handelt, und daher schon vor der Eingabe der Formel der spätere Zielbereich, in dem die Ergebnisse dargestellt werden sollen, ausgewählt und markiert werden muss, und nach der Eingabe der Formel die Prozedur mit der Tastenkombination STRG+SHIFT+ENTER bestätigt werden muss. Abschließend wird die Varianz-Kovarianz-Matrix aufgrund der logarithmierten Renditen auf Monatsbasis ebenfalls mit dem Faktor 12 annualisiert. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung AB43 bis AK43 Erwartete Rendite =MITTELWERT(O10: O69) AB44 bis AK44 Standardabweichung =STABW.S(O10: O69) AB45 bis AK45 Varianz =VARIANZ(O10: O69) AB52 bis AK52 Erwartete Rendite (annualisiert) =AB43*$AB$38 AB53 bis AK53 Standardabweichung (annualisiert) =AB44*WURZEL($AB$38) AB54 bis AK54 Varianz (annualisiert) =AB45*$AB$38 AB55 Grand Mean =MITTELWERT(AB52: AK52) AB60 bis AK69 Varianz-Kovarianz- Matrix =VarCovar($O$10: $X$259)*$AB$38 Tab. 52: Umsetzung in EXCEL Schritt 3: Anpassung der Eingangsgrößen (Input-Parameter) Abb. 183: Schätzung der Kovarianz-Matrix nach Zellner und Chetty (1965) <?page no="474"?> 6.3 Modifikation der Input-Parameter 475 Im Anschluss an die klassische Bestimmung der Varianz-Kovarianz-Matrix auf Grundlage der historischen Beobachtungswerte schlagen Z ELLNER und C HETTY (1965) aufgrund der Schätzfehlerproblematik eine Anpassung der Varianz-Kovarianz-Matrix vor (Formel (6.22) siehe Abschnitt 6.3.2.2). Nachdem nun alle notwendigen Parameter ermittelt worden sind, kann mit der Berechnung des Schrumpfungsfaktors und der geschrumpften erwarteten Renditen fortgefahren werden. Position Inhalt EXCEL-Umsetzung AB75 bis AK84 Angepasste Varianz- Kovarianz-Matrix =(($AB$34-1) / ($AB$34-$AB$35-2)) *(AB60: AK69) Tab. 53: Umsetzung in EXCEL Schritt 4: Bestimmung des Schrumpfungsfaktors und der geschrumpften erwarteten Renditen Abb. 184: Bestimmung des Schrumpfungsfaktors Phi Bei der Bestimmung des Schrumpfungsfaktors in Zelle AB94 wurde auf Formel (6.21) (siehe Abschnitt 6.3.2.2). zurückgegriffen. Da es in EXCEL jedoch nicht einfach ist, eine derart komplexe Formel zu implementieren, wurde der Schrumpfungsfaktor Phi in mehreren Schritten ermittelt. Die Formel wurde dazu in mehrere Zellen (Zellen AB92 und AB93 sowie Zelle AB94) unterteilt und später die einzelnen Teilergebnisse in Zelle AB94 zusammengeführt. Die erwartete Rendite des Minimum-Varianz- Portfolios (MVP) in den Zellen AB92 und AC92 lässt sich auf unterschiedliche Art und Weise ermitteln. Die erste Möglichkeit ist in Zelle AB92 dargestellt. Dazu sollte die individuelle Portfoliozusammensetzung des Minimum-Varianz-Portfolios (siehe Zellen AB90 bis AK90) bestimmt werden. Anschließend lässt sich die erwartete Rendite des MVP auf Grundlage der ermittelten Portfoliozusammensetzung ermitteln. Eine weitere Möglichkeit besteht in der direkten Ermittlung der erwarteten Renditen durch die in Zelle AC92 implementierte Formel. Im Anschluss daran können die erwarteten Renditen der einzelnen Wertpapiere auf Grundlage der historischen Zeitreihen in Höhe des Schrumpfungsfaktors Phi geschrumpft werden. Als Resultat ergibt sich in den Zellen AB96 bis AK96 der Bayes-Stein-Schätzer der erwarteten Renditen der einzelnen Wertpapiere des Portfolios. <?page no="475"?> 476 6 Verfahren der robusten Portfoliooptimierung Position Inhalt EXCEL-Umsetzung AB75 bis AK84 Angepasste Varianz-Kovarianz- Matrix =(($AB$34-1) / ($AB$34-$AB$35-2)) *(AB60: AK69) AB90 bis AK90 Portfoliogewichte des MVP =MMULT(AB37: AK37; MINV(AB75: AK84)) / MMULT(MMULT(AB37: AK37; MI